ODER ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER KOL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG NEUE FOLGE. NEUNTER BAND (DER GANZEN REIHE 109. BAND) HERAUSGEBER: DR. K. GOEBEL PROFESSOR DER BOTANIK IN MÜNCHEN MIT 5 TAFELN UND 230 ABBILDUNGEN IM TEXT JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1917 ALLE RECHTE VORBEHALTEN Über die vegetative Fortpflanzung der Ophrydinsen‘'). Von N. Stojanow. Mit Tafel I—II und 5 Abbildungen im Text. Die Frage über die vegetative Fortpflanzung der Ophrydineen wurde bis jetzt noch immer nicht nach jeder Seite hin beantwortet, ob- wohl besonders im Verlaufe des verflossenen Jahrhunderts in dieser Richtung ein lebhaftes Bestreben sich bemerkbar machte. Ungeachtet dessen, ist es auch heute noch eine schwere Aufgabe, die verschiedenen diesbezüglichen Theorien auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Die morpho- logische Bedeutung der Knollen selbst, die bei der Fortpflanzung die Hauptrolle spielen, ist noch nieht vollkommen erklärt. In der Ent- wieklung dieser Frage unterscheidet man zwei Richtungen, von denen die eine die Ophrydineenknollen als Sproßteile, die andere als veränderte Wurzeln betrachtet. Von den Vertretern erster Richtung soll zuerst J. Fabre genannt werden, dessen Untersuchungen wir interessante Tatsachen über die Ent- wicklung und den Bau der Ophrydineen verdanken. Er nimmt die Ophry- dineenknollen als Anschwellungen des ersten Internodiums des Sprosses an. Gleiche oder sehr nahe Meinungen wurden auch von Schleiden, Henry, De Clos, Richard und Sprengel ausgesprochen. In neuester Zeit finden wir wieder eine ähnliche Erklärung von M. Schulze, der von Rhizomen der Orchideen spricht, die häufig knollenförmig sein können und in diesem Falle eiförmig bis kugelig, seltener spindelförmig sind oder eine handförmig geteilte Gestalt annehmen. Mit dieser Erklärung entwickelte sich gleichzeitig auch die ent- gegengesetzte Theorie, nach welcher die Ophrydineenknollen als ver- änderte Wurzeln betrachtet werden. Dieser Richtung gehörten an Salis- bury, Germain de St. Pierre, Th. Irmisch, De Candolle, Lind- ley, Adr. de Jussieu, Aug. de St. Hilaire, Regel, Reichenbach und Prillieux. Von allen diesen Forschern hat Th. Irmisch durch seine klassischen Arbeiten über die Orchideen unsere Kenntnisse über diese Pflanzen am meisten bereichert. Th. Irmisch, sowie auch G. de St. Pierre, betrachtet die Ophrydineenknollen als zusammengeschmolzene 1) Die vorliegende Arbeit wurde auf Veranlassung von Herrn Geh. Rat v. Goebel im pflanzenphysiologischen Institat in München J911—1912 ausgeführt, später im botanischen Institut in Sofia beendigt. Flora, Bel. 10. 1 2 N. Stojanow, Büschel von Adventivwurzeln. Dagegen nehmen Reichenbach und Prillieux eine Ophrydineenknolle als eine veränderte adventive Wurzel an. E. Prillieux, nachdem er die vorhergehenden Meinungen bestritt, bewies die Wurzelnatur der Knollen, wobei er sieh hauptsächlich auf die Anwesenheit der Coleorhiza und der Pilorhiza stützte. Er bestritt auch die Meinung von Th. Irmisch, daß die Ophrydineenknollen ein zusammengeschmolzenes Büschel von Wurzeln darstellen und wies da- bei hin auf den wichtigen Umstand, daß die handförmigen Knollen in ihrem frühen Alter ungeteilt und rund sind und daß erst später eine Gabelung der Endteile stattfindet. In letzter Zeit widmete man bei weitem weniger Arbeiten der Frage über die morphologische Bedeutung der Ophrydineenknollen. Es scheint, daß nur wenige die Entstehung dieser Knollen aus Wurzein bezweifeln. Über ihren Bau und ihre Entwicklungsweise ist man jedenfalls noch nicht übereingekonimen. Die Gefäßbündel, welche die Knollen durch- laufen, werden heute nicht als einfache Bündel, sondern als zahlreiche Zentralzylinder (nach Van Tieghem als Stelen) betrachtet. Als maß- gebend gilt die von dem kompetenten Th. Irmisch schon lange auf- gestellte Meinung, daß die Ophrydineenknollen zusammengeschmoizene Büschel von Adventivwurzeln darstellen. Diese Ansicht gewann um so mehr Boden, als sie auch von dem verstorbenen Van Tieghem geteilt wurde. Die Bildung der Ophrydineenknollen geschieht nach ihm auf diese Weise, daß „plusieurs raeines monosteliques, mis cötE & cöte en des points tres voisins de la tige fusionnent leur &corce, de maniere & produire une grosse racine, en apparence unique et polystelique“. Van Tieghem’s Meinung erfreute sich einer fast allgemeinen Ver- breitung und fand sogar in Lehrbücher Eintritt). So sprechen G. Bon- nier und L. de Sablon iin ihrem Lehrbuch der Botanik folgende Meinung aus: während des ersten Jahres bildet die Pflanze eine Knospe, welche ihrerseits statt einer Wurzel eine Knolle bildet, welche nur einen Zentral- zylinder enthält; so ist es der Fall auch mit allen folgenden Knollen. Man soll eine Orchisknolle als einen durch Verbindung mehrerer mit- einander mittels ihrer Rinde verwachsener Adventivwurzeln gebildeten Organ betrachten. „D’ailleurs (schließen die Autoren), dans certains especes d’Orchis le tubereule se ramifie & son &xtremit6 par suite de la separation des raeines qui constituent le tubercule.““ Daher soll die erste Knolle einer jungen Orchispflanze als einzelne Adventivwurzel be- I} Gegen sie erklärte sich Goebel, Organographie der Pflanze, 2, Aufl, pag. 104. Über die vegetative Fortpflanzung der Ophrydineen. 3 trachtet werden; nicht aber alle folgenden Knollen, welehe durch die Verbindung einer Anzahl von Wurzeln gebildet sein sollen. Die hand- förmigen Ophrydineenknollen muB man dieser Meinung nach für primäre (noch nicht vollkommen zusammengeschmoizene) betrachten und die ungeteilten (beispielweise die von Orchis Morio u. a.) für sekundäre, welche die Spuren der ursprünglichen Wurzeln schon verloren haben. Diese Meinung teilt auch M. Bernard, der die Knollenentwieklung der Ophrydineen sehr aufmerksam verfolgt hat (5). Van Tieghem’s Meinung steht aber mit der E. Pfitzer’s in Widerspruch Nach E. Pfitzer „kombiniert sich für das nächste Jahr die angelegte und in ihm zum Blütenstand auswachsende Stammknospe sehr frühzeitig mit einer fleischigen, gerade darunter stehenden Adventivwurzel — das letzte gilt für die kugeligen oder handförmig zerteilten Knollen unserer Ophrydineae‘“ (26). Im Widerspruch mit Van Tieghem’s Meinung steht auch die E. Capeder’s; er hält die Ophrydineenknolle für ein Gebilde, das mit einer Adventivwurzel vollkommen ähnlich ist. Im Gegensatz zu Van Tieghems’s Meinung hält er die ungeteilten und einen Vegetations- punkt besitzenden Knollen von Orchis Morio für primäre; kompli- zierter und von späterem Ursprung sollen die handförmigen Knollen sein, bei denen die Verzweigung durch die Bildung neuer Vegetationspunkte in der Epidermis entsteht. Auch F. White ist mit Van Tieghem’s Erklärung nicht einverstanden. Er hat die Wurzeln und Knollen mancher Vertreter der Gattung Habenaria und Orchis speetabilis anato- misch aufs genaueste durchstudiert und ist zu einem Schluß gekommen, der mit Capeder’s Meinung übereinstimmt. Er hat in den Wurzeln und Knollen verschiedener Arten die Zerteilung und Vereinigung der Stelen gefunden. „There are two types of root anatomy in the terrestial Orehidaceae“, resumiert er seine Beobachtungen: „the monostelic and the polystelie, in Van Tieghem’s sense of the terms. In reference of the latter the term „conecrescence‘ is inapplicable.‘ Auf diese Weise wurde nicht nur Van Tieghem’s Erklärung über den Bau der Ophrydineenknollen, sondern auch seine Definition der Polystelie, als einer Erscheinung, welche nur dem Stengel und keines- teils der Wurzel eigen sein soll, einer Kritik unterzogen. Zur Aufklärung dieser Frage habe ich die Lösung dreier Aufgaben für wiehtig gehalten: 1. Bei unseren einheimischen Arten womöglichst genau den ana- tomischen Bau der Knollen zu untersuchen und zu ergründen, wie die Stelen die Ophrydineenknolle durchlaufen, ferner die Beziehungen der 1* 4 N. Stojanow, Stelen zueinander zu erforschen, d. h. darüber Klarheit zu bringen, ob bei manehen Adventivwurzeln Konkreszenz vorkommt, oder ob von einer Teilung des Zentralzylinders die Rede sein kann; 2. zu untersuchen, auf welche Weise sich die junge Öphrydeen- knolle jedes Jahr entwiekelt, da man durch die Ergründung dieser Ent- wieklung auf besonders wichtige Tatsachen zur Erklärung ihres Ur- sprungs stoßen kann; 3. die Entwicklung der jungen Ophrydineen und die erste Knollen- bildung zu verfolgen, mit Rücksicht auf die wichtige Bedeutung, welche die Organe des Keimlings für die Erklärung der Genesis haben. Diese drei Fragen wurden bis jetzt nur sehr wenig besprochen. Die bis an den Grund geteilten Knollen von Gymnadenia albida. Außer der am öftesten vorkommenden Ophrydineenknolle mit kugeliger oder handförmig geteilter Form, findet man zuweilen auch tief geteilte Knollen, so daß sie ihrem äußeren Habitus nach einem Büschel gewöhnlicher Adventivwurzeln ganz ähnlich sehen. Man könnte glauben, daB wir hier einen Fall haben, wo die Knollen zu ihrem ursprünglichen Zustande zurückgekehrt sind und die einzelnen adventiven Wurzeln un- verbunden blieben. Solche Fälle sind am öftesten bei Gymnadenia albida, etwas seltener bei G. conopsea u..a. Zwei solche Exemplare von Gymnadenia albida wurden mir von Herrn Geheimrat v. Goebel zur Untersuchung übergeben und dienten mir als erstes Objekt meiner Beobachtungen. Ihre Knollen waren bis zum Grunde in eine Anzahl verhältnis- mäßig dicker, doch vollkommen wurzelähnlicher Teile getrennt, deren Durehmesser an der dicksten Stelle 3—4 mm betrug, während er bei gewöhnlichen Adventivwurzeln derselben Pflanzen nur bis 1—1% mm erlangt. Von der Vermutung ausgehend, daß diese Knollenteile die von- einander getrennten knollenbildenden Wurzeln darstellen, habe ich den Zweck verfolgt, den Verlauf der Gefäßelemente in den Knollen und ihr Eintreten in die Knospenbasis zu ermitteln. Tatsächlich zeigen die Querschnitte in einer Entfernung 2—3 cm von der Basis ein Bild ganz ähnlich mit jenem einer Adventivwurzel. Außen liegt eine mit Wurzelhaaren versehene Epidermis, dann folgt eine mehrschichtige und den größten Teil des Durchmessers einnehmende Rinde und in der Mitte liegt ein klar gezeichneter und verhältnismäßig kleiner Zentralzylinder (oder die „Stele“ nach Van Tieghem’s Termi- nologie). Diese Stele ist stets von einer einschichtigen Endodermis nut verdiekten Radialwänden umringt. Über die vegetative Fortpflanzung der Ophrydineen, R) Die Anordnung der Elemente in der Stele ist nur annähernd radial. (Die Ursachen dieser Undeutlichkeit werden weiter unten erklärt werden.) Wenn man aber etwas näher der Knollenbasis einen Querschnitt macht, so verändert sich das Bild gänzlich: da findet man schon nicht nur eine, sondern zwei bis vier Stelen. Kine jede ist von ihrer eigenen Endodermis umringt und liegt frei in dem stärkehaltigen Gewebe der Rinde. Es wird nun klar, daß jeder solcher Knollenteil keine einfach konstruierte Adventivwurzel ist, sondern ein kompliziertes Organ, das an seiner Basis mehrere Stelen enthält, dessen Endteil dagegen einfach monostelisch und einer Adventivwurzel vollkommen ähnlich ist. Verfolgen wir nun, was mit den ursprünglichen drei bis vier Stelen geschieht, die in ein Knollenteil eintreten, und auf welche Weise von ihnen endlich nur eine bleibt. Eine kontinuierliche Reihe von Schnitten der Knollenlänge nach zeigt, wie sich zwei zuerst ganz freie und von- einander getrennte Stelen allmählich nähern (Taf. I, Fig. 1 und 2). Es kommt ein Moment, in welchem sich die Endodermen der beiden Stelen berühren und das ganze Bild eine achtförmige Gestalt erhält (Taf. I, Fig. 3). In dem nächsten Moment ist die Endodermis zwischen den beiden Stelen schon offen und ihre inneren Elemente sind zusammengeschmolzen, wobei die Figur eine biskuitähnliche (Taf. I, Fig. 4) Form erhält. In den folgen- den Querschnitten haben die zusammengeschmolzenen Stelen schon eine gewöhnliche ovale Form und nur die Anordnung ihrer inneren Elemente bleibt noch eine Weile die ursprüngliche, d. h. man kann noch die jeder einzelnen Stele gehörenden Elemente voneinander unter- scheiden (Taf. I, Fig. 5). Weiter aber ordnen sich auch diese Elemente in einer gewöhnlichen, beinahe radialen Art an und die zusammen- geschmolzene Stele unterscheidet sich dann durch nichts von einer jeden anderen (Tat. 1, Fig. 6). Später nähert sich eine neue Stele auf dieselbe Weise den schon zusammen geschmolzenen, um sieh mit ihnen zu ver- einigen. Auf diese Weise verschmelzen alle Stelen eines Knollenteils eine nach der anderen, allmählich in eine gemeinsame, welche weiter unver- ändert bis zum Ende dieses Knollenteils bleibt. Wenn wir eine kontinuierliche Reihe von Schnitten von der Mitte des Knollenteils nach der Knospenhasis herstellen, so finden wir, dab sich die Stelen wieder einander nähern, einige von ihnen sogar zu- sammenkommen. Sie verschwinden aber gleich in einer. Verflechtung von üefäßbündeln, welche sich an der Stengel- (resp. Knospen-)basis befindet. Gleichzeitig verschwindet auch die in den Wurzeln und Knollen so deutich entwickelte Endodermis und statt ihrer komnit ein mehr- schichtiger Ring mechanischen Gewebes vor, der auch überall in dem 6 N. Stojanow, Stengel auftritt und scheinbar dem Perieykel entspricht. Dasselbe Bild ist beinahe gleich für alle Knollenteile; zwischen den Stelen verschiedener Teile ist aber kein Zusammenhang zu konstatieren und jede von ihnen scheint selbständig von der gemeinsamen Verflechtung an der Knollen- basis hervorzutreten. Während die erste Beobachtung bezüglich des Zusammenfließens der Stelen der Van Tieghem’schen Erklärung über den Bau der Ophry- dineenknollen widerspricht, scheint die zweite oben erwähnte seine Meinung über das Entstehen der Knollen aus einem Büschel Adventiv- wurzeln zu bestätigen. Gewöhnliche handförmig geteilte Knollen. Nachdem wir uns überzeugten, daß uns der Bau der bis an den Grund geteilten Knollen keinen Aufschluß über die uns interessierende Frage gibt, gehen wir auf die gewöhnlichen Knollen derselben Pflanzen über. Es wurden von mir folgende Arten mit handförmig geteilten Knollen untersucht: Gymnadenia albida, G. Frivaldskyana, G. conopsea und G. odoratissima, Orchis maculata, O, lati- folia, OÖ. cordigera, O. incarnata, O. sambneina, O. pseudo- sambucina, Coeloglossum viride und Nigritella angustifolia, von denen die einen aus Bayern, die anderen aus Bulgarien stammten. Das Resultat der Untersuchungen war in allen Fällen das gleiche. Von der Knospen- bzw. Stengelbasis, wo sich die oben erwähnte Ver- flechtung der Gefäßbündel befindet, tritt eine gewisse Zahl von Stelen hervor. Die Knolle durchlaufend, zerspalten sich eine Anzahl dieser Steien; einige andere dagegen fließen miteinander zusammen, so daß in der Nähe der Stelle, wo sich die Knolle spaltet, sie Zahl der Stelen nur wenig verändert ist. Danach werden die Stelen unter den handförmigen Verzweigungen der Knolle verteilt, so sie daß in eine Verzweigung ein bis acht Stelen eintreten. Ihr weiterer Verlauf in diesen Verzweigungen unterscheidet sich in nichts von dem oben beschriebenen Fall der bis an den Grund geteilten Knollen von Gymnadenia albida, d.h. die Stelen schmelzen ällmählich zusammen, so daB endlich nur eine gemeinsame Stele bleibt und der untere Teil einer Verzweigung monostelisch und einer Wurzel ganz ähnlich ist. Dieses Zusammenschmelzen geschieht in einigen Fällen sehr bald, gleich nach dem Eintreten in die Verzweigung, in anderen Fällen laufen einige Stelen in der Verzweigung eine Strecke weit parallel, fließen schließlich doeh unbedingt ineinander und bilden eine gemeinsame Stele. Über die vegetaiive Fortpflanzung der Ophrydineen. 7 In einer ganz jungen Knolle endigt eine solche Verzweigung nit. einer Wurzelhaube, in den älteren dagegen ist von dieser Haube keine Spur mehr zu finden und die Stele endigt in kleinen dünnwandigen Zellen, welche die Spitze der Verzweigung erfüllen (Textfig. 1). Die Knollen, so wie auch ihre Verzweigungen sind auf ihrer Ober- fläche mit Wurzelhaaren versehen, deren Zahl je- doch bedeutend kleiner ist als auf den Wurzeln selbst. Kurz gesagt, wir finden in den handförmig zerteilten Knollen, daß hier eine Anzahl von Stelen selbständig aus der Stengelbasis hervortreten, in den Verzweigsungen der Knollen verteilt werden und dann in diesen Verzweigungen zusammen- schmelzen, so daß jede Verzweigung anihrem Ende nur eine Stele hat. Im Vergleiche mit dem, was wir über die bis an den Grund geteilten Knollen von Gymnadenia albida gesagt haben, muß hier der Umstand hervorgehoben werden, daß alle Stelen einer hand- Textfig. 1. Das Ende förmigen Knolle aus der Stengelbasis ganz gteich- &nen Verzweigung der mäßig heraustreten und zueinander in ganz gleichen latifolia. Beziehungen stehen, unabhängig davon, ob sie weiter in eine und dieselbe Verzweigung eintreten und miteinander zusammenfließen, oder unter verschiedenen Verzweigungen verteilt werden und voneinander getrennt bleiben. Die weitere Lösung der uns interessierenden Frage müssen wir in den ungeteütten Ophrydineenknollen suchen, Ungeteilte kugelige Ophrydineenknollen. Es wurden Knollen folgender Arten untersucht: Orchis Morio, O. ustulata, O. tridentata, O. militaris, O. fusca, O. simia, O.maseula, O. coriophora, O. scolopax, O. provincialis, Ophrys muscifera. O. Bertolinii. O. longicornis, Serapias lingua, Anacamptis pyramidalis und Herminiam monorchis, von denen auch einige aus Bayern, andere aus Bulgarien und der Provence stammten. In allen untersuchten Fällen war die Anordnung der Stelen in ihren Hauptzügen gleich. In dem oberen Teile der Knolle, d. h. an der Stengelbasis, befindet sich eine Verflechtung der Gefäßbündel. Aus dieser Verflechtung treten 13 X. Stojanow, alle Stelen selbständig und beinahe gleichmäßig aus. Ktwas weiter unten ven der Austrittstelle wird diese Zahl durch die Teilung einiger Stelen ein wenig vergrößert. Dann fängt sie etwas weiter wegen des Zusammen- fließender Stelen ziemlich rasch an, sich zu vermindern. Je mehr sie sich der Knollenspitze nähern, desto mehr verkleinert sich die Zahl der Stelen durch Zusammenschmelzen. bis endlich in einer kleinen Ent- fernung von der Spitze alle Stelen miteinander zusammengeschmolzen sind. Die nunmehr gemeinsame Stele setzt gewöhnlich den ganz kurzen Weg bie zur Knollenspitze, d. h. bis zum ehemaligen Vegetations- punkte, fort. Ich muß dabei bemerken, daß für diese Beobachtungen nur vollkommen entwickelte, am besten vorjährige Knollen dienen, in welchen die Gefäß- bündel gut entwickelt sind und das Parenchym infolge des Ver- brauchs der Stärke verhältnis- mäßig durchsichtig geworden ist. Dieses Zusammenschmelzen der Stelen kann man jedoch nicht immer gleich deutlich beob- achten. Am besten ist es in noch nicht zu alten Pflanzen!), in denen die Zahl der Stelen kleiner ist. Am besten habe ich diesen Zusammengang der Stelen bei Orchis globosa, O. scv- Textäijg. 2. Anordnung der Stelen in einer lopax, Ophrys . Bertolenii Knolle von Orchis Morio. und Anacamptis pyrami- dalis beobachtet. In vielen anderen Fällen bleibt dagegen die genieinsame Stele undeutlich, weil sie die Differenzierung ihrer Elemente nicht vollendet hat. Besonders oft findet dieser Fall statt, wenn die Zahl der Stelen verhältnismäßig groß ist, z. B. bis 80 in alten Exemplaren von Orchis militaris, 0. Simia und O. fusca oder bis 100 Stelen in alten Individuen von O. pallens. In diesem Falle bilden die Stelen in der Knolle ein dichtes t} Pflanzen, nicht Knollen! Über die vegetative Fortpflanzung der Ophryilincen. g Büschel; bei ihrem Lauf durch die Knolle kann man fast keine Spaltung der Stelen bemerken und nur in dem unteren Teile der Knolle fangen sie rasch an zusammenzuschmelzen. Endlich bleiben alle nichtzusammen- geschmolzenen Stelen mit der Richtung zum Vegetationspunkte, ohne daß dabei ein vollkommenes Zusammenschmelzen und eine gemeinsame Fortsetzung entsteht. Die Zerteilung und das Zusammenschmelzen der Stelen kann sehr leicht mit Hilfe einer Reihe von Querschnitten verfolgt werden. Ein sehr deutliches Bild der Stelenanordnung habe ich immer bei folgenden Präparationen gekommen. Eine alte (vorjährige) Knolle ihrer ganzen Länge nach halbiert, habe ich in einer schwachen Lösung von Schwefel- säure 24—48 Stunden lang gehalten, dann ungefähr 12 Stunden ent- wässert, später 24—48 Stunden lang in Alkohol gehalten (um die Luft- blasen zu entfernen) und endlich wieder mit Wasser ausgewaschen und in Glyzerin übertragen. Nach einer solehen Behandlung wird das Knollen- innere so durchsichtig, daß man mit bloßem Auge die Zerteilung und das Zusammenschmelzen der Stelen ganz deutlich beobachten kann. Be- sonders günstig für diese Beobachtungen sind solche alte Knollen, in welchen die Epidermis leicht zu entfernen ist. Solche Knollen werden nach der beschriebenen Präparierung besonders durchsichtig und stellen ein ganz deutliches Bild dar. In den nach dieser Methode präparierten Knollen ist die Gelegen- heit geboten, noch eine Erscheinung zu beobachten, und zwar, daß die Verzweigung und das Zusammenlaufen der Stelen immer symmetrisch ist, d. h. daß jede Verzweigung und jeder Zusammengang zweier Stelen auf einer Seite der Hauptachse von einer Verzweigung oder einem Zu- sammenhang von Stelen in einer anderen Fläche begleitet ist. Die Zerspaltung und das Zusammenlaufen ein und derselben Stele findet am öftesten bei Stelen mit zentraler Lage statt. Eine solche ungeteilte Knolle mit symmetrisch sich teilenden und dann wieder zu- sammenschmelzenden Stelen kann man am wenigsten für ein Büschel konkreszierender Adventivwurzeln halten. Das Entstehen einer solchen Knolle von einem ursprünglich einfachen Organe durch seine Kom- plizierung ist zweifellos. Spindelförmige Knollen von Platanthera bifolia. Man findet oft bei Platanthera bifolia Knollen mit spindel- artiger Form, die mit einer Fortsetzung 10—15 em lang endigen. Die Untersuchung solcher Knollen zeigt eine gewisse Verschiedenheit von den oben beschriebenen. In den meisten Fällen treten die Gefäßbündel- 10 N. Stojanow, elemente nieht in Form einzelner Stelen aus der Knollenbasis hervor, sondern in einer gemeinsamen Masse, welche in einen Kreis angeordnet und von einem Endodermisring von wurzeliger Struktur umhüllt ist. Die Anordnung der Holz- und Bastelemente in diesen gemeinsamen Zylinder ist ein Übergang zwischen der radialen und der konzentrischen. In dem nächsten Moment zerteilt aber sich dieser gemeinsame Zylinder in eine Anzahl von Stelen (bis 22 in den beobachteten Fällen), welche die gewöhnliche Struktur der Ophrydineenknollen haben und von denen eine jede ihre eigene Endodermis besitzt. Die Zahl der Stelen vergrößert sich noch etwas durch die Spaltung einiger von ihnen und verkleinert sich dann wieder wegen ihres Zusammenschmelzens. In der wurzelför- migen Verlängerung dieser Knollen laufen noch einige Stelen eine Strecke lang (bis 10 em) miteinander parallel, doch fließen sie endlich alle zusammen, bis nur eine gemeinsame Stele bleibt, mit welcher die Knolle endigt. Die Zerteilung und das Zusammenfließen mehrerer Stelen gleich- zeitig ist in diesen Knollen besonders deutlich. Wir haben in diesen Knollen einen fast typischen Fall der Polystelie, wo sich ein gemein- samer Zylinder (obwohl von ihm nur noch Spuren geblieben sind) in eine gewisse Zahl von Stelen teilt, welche weiter wieder zusammenkommen. Diese Struktur bestätigt das, was wir oben bei den ungeteilten Knollen beobachtet haben und es wird noch klarer, daß diese Knollen poly- stelische Organe darstellen und nicht durch eine Konkreszenz der Wurzeln gebildet sind, sondern durch eine innere Komplizierung eines ursprüng- lichen Organs. Was die handförmigen Knollen betrifft, so können wir nach den erwachsenen Knollen noch nicht beurteilen, ob sie polystelische Organe sind oder eine Konkreszenz von Wurzeln darstellen. Zweifellos polystelisch sind einzelne Verzweigungen der Knolle, in welchen das Zusammenfließen der Stelen stattfindet; doch weil jede dieser Stelen einzeln aus der Stengelbasis hervortritt und unter ihnen kein Zusammen- hang wahrzunehmen ist, so bleibt die Frage noch offen. Um sie zu lösen ist es notwendig, die Entwicklung dieser Knollen zu verfolgen. Entwicklung der ungeteilten Knollen. Der Längsschnitt einer ganz jungen Ophrydineenknolle_.unter- scheidet sich nur sehr wenig von einem solchen einer ganz jungen Adventiv- wurzel Außer den Wurzelhaaren und einer typischen Wurzelhaube, welche schon von Prillieux im Jahre 1865 beobachtet wurde, hat sie auch eine stark entwickelte primäre Rinde. Der Bau des Zentralzylinders unterscheidet sich nicht im geringsten von dem einer Wurzel, nur die Zahl der Stelen beschränkt sich nicht auf eine, sondern ist größer. Wenn Über die vegetative Fortpflanzung der Ophrydineen. 11 der Schnitt genau durch die Knollenhauptachse führt, so ist es leicht zu bemerken, daß sich alle Stelen, die sich im Schnitte befinden, an der Knollenspitze in einem Punkte unmittelbar unter der Haube sammeln. In diesem Punkte ist es möglich, eine Gruppe von Initialzellen zu beoh- achten, aus denen sich die Stelen und die anderen Elemente der Knollen entwickeln (Textfig. 3). Diese Initialzellen sind undeutlich differenziert, wie es doch überhaupt der Fall mit den Orchideenwurzeln ist!); jedenfalls ist es ganz deutlich, daß alle Stelen einer Knolle von einem gemeinsamen Vegetationspunkte ihren Anfang nehmen. Dieser Vegetationspunkt ent- Textfig. 3. Längsschnitt durch den Vegetationspunkt einer jungen Knolle von Platanthera viridis. wickelt schon anfangs seiner Tätigkeit nieht nur eine, sondern mehrere Stelen; beim weiteren Wachstum der Knolle fährt er fort, dieselbe Zahl der Stelen zu bilden. Es ist ein Zentralzylinder, der sich gleich bei seiner Bildung in eine Anzahl von Stelen zerteilt. In einer ganz jungen Knolle sind die Stelen schwach differenziert und unterscheiden sich von dem sie umgebenden parenchymatischen Gewebe nur durch ihre schmalen, der Länge nach laufenden Zellen. Mit dem Entwickeln der Knolle werden die Stelen immer deutlicher differenziert und in einer erwachsenen, be- sonders in einer vorjährigen Knolle sind sie vollkonnien entwickelt. 1) Van Tieghem et Douliot, Recherches comparatives sur l’origine des membres endogönes. Ann. de sc. nat., Serie 9, Vol. VIII, pag. 334. 12 N. Stojanow, Es ist von Bedeutung hier zu bemerken, daß die Zahl der Stelen in einer Kuolle von den Momenten ihrer Bildung bis zu ihrer vollkommenen Entwicklung eine beständige bleibt. Diese Zahl vergrößert sich etwas dureh die Spaltung einiger von ihnen, doch kommt die Spaltung nur in wenigen Stelen und nicht in jeder Knolle vor; außerdem schmelzen gewöhnlich die gespaltenen Stelen bald wieder zusammen (nur selten mit einer anderen Stele). Keine neuen Stelen werden in der Parenchyın einer jungen Knolle angelegt. Nach einer gewissen Entwicklungsperiode fängt der Vegetationspunkt an, die Zahl der von ihm produzierten Stelen zu vermindern, während er einige zuerst voneinander getrennte Stelen zusammenschmelzen läßt. Das geschieht dadurch. daß die Initialzellen sich etwas langsamer zu teilen beginnen und dabei auch weniger paren- chymatische Zellen entwickeln. Auf diese Weise werden alle Stelen in einer vollkommen entwickelten Knolle allmählich zusammengeschmolzen. Zu derselben Zeit verringern die Tnitialzellen ihre Tätigkeit und die Wurzelhaube fällt ab. Die Knolle nimmt eine ovale Form an und nicht nut, daß sie die konische Form ihrer Spitze verliert, sondern diese wird zuweilen sogar etwas eingeschnitten (wie es z. B. bei den meisten Ophrys-Arten der Fall ist). Wie oben erwähnt wurde, ist in einigen Fällen, besonders wenn die Zahl der Stelen relativ groß ist, das Zusammenschmelzen der Stelen nicht vollendet und alle Stelen kommen an einem Punkte zusammen, ohne ineinander zu schmelzen. Alles oben Beschriebene betrifft die kugeligen Knollen, sowie auch die spindelgörmigen Knollen von Platanthera bifolia. Bei gewissen ungünstigen Verhältnissen können auch die Knollen anderer Ophrydineen statt ihrer gewöhnlichen kugeligen Form eine spindelförmige annehmen. Einen solchen Fall habe ich bei Exemplaren von Öphrys spec beobachtet, welche in November 1913 nächst Belowo (in Ostrumelien) gesammelt wurden. Die jungen Knollen dieser Pflanzen befanden sich erst im Anfang ihrer Entwicklung. Im Leitungswasser, bei Zimmertemperatur kultiviert, entwickelten diese Pflanzen bald ihre jungen Knollen weiter. Diese Knollen bekamen jedoch eine ganz eigen- tümliche Gestalt, wobei sie dünn, lang und wurzelähnlich blieben. Sie waren beinahe doppelt so lang als die alten Knollen, welche die gewöhn- liehe, am Ende etwas eingeschnittene Form hatten; ihe Durchmesser war dagegen halb so groß als der der alten Knollen. Von den sechs ge- sammelten Exemplaren haben zwei dieselbe Erscheinung gezeigt, bei den anderen zweien war diese Erscheinung nur etwas weniger klar aus- gedrückt. Über die vegetative Fortpflanzung der Ophrydineen. 13 Entwicklung der handförmigen Ophrydineenknollen. Die handförmigen Ophrydineenknollen haben am meisten das Auf- fassen dieser Knollen als ursprünglich einfacher Organe erschwert. Ihre äußere Gestalt selbst ist die Ursache, daß man sie als ein Büschel an ihrer Basis zusammengewachsener Wurzeln auffassen konnte. Dieser erste Eindruck wird noch mehr dadurch befestigt, daß mehrere Stelen eine Knolle durchziehen und alls selbständig aus ihrer Basis auslaufen. In- folgedessen haben so kompetente Forscher, wie Th. Irmisch und Van Tieghem sie als konkreszierende Wurzelbüschel betrachtet. Sie ließen dabei folgende zwei wichtige Umstände außer Betracht: 1. daß die Zahl der aus der Knollenbasis hervortretenden Stelen jener der Knollen- ‚ verzweigungen nicht entspricht, denn die Stelen schmelzen allmählich zu- sammen, ehe sie die wurzelähnlichen Verzweigungsspitzen erreichen, und 2. daß die Entwicklungsgeschiehte der Knolle mit einer solehen Auf- fassung nicht stimmt. Schon Prillieux (31) wies, seine Meinung über den Ursprung der Knollen von einer Adventivwurzelerklärend, nach, daß die handförmigen Knollen von Orchis maeulata und O. latifolia im frühen Alter eine einfache Form haben, ganz ähnlich jener der kugeligen ungeteilten Knollen, ind daß sich ihre untere Spitze erst später teilt. Die Beobachtungen, welehe ich über Entwicklung der Knollen bei Orehis maculata, O. latifolia, OÖ. cordigera, O. sambucina Nigritella angustifolia, Coeloglossum viride, Gymnadenia conopsea und G. albida gemacht habe, sprechen auch für eine al- mähliche Komplizierung in ihrem Bau, nicht aber für Konkreszenz mehrerer Organe. Die junge Knolle wird mitten im Meristemalgewehe in der Achsel eines Grundblattes (gewöhnlich des dritten, vierten oder fünften) un- mittelbar unter der dort befindlichen Knospe angelegt. Sie wird durch die Tätigkeit einer Gruppe Initialzellen gebildet, welche nach außen die Zellen der Haube und nach innen die Elemente der Epidermis, der Rinde und des Zylinders bilden. Diese Initialzellen bilden anfänglich einen einzigen Vegetationspunkt, der gleichzeitig mehrere Stelen hildet, ganz ähnlich, wie es in den ungeteilten Knollen der Fall ist. Sehr oft durehbohrt die junge Knolle das umliegende Gewebe und tritt in Forn eines kugeligen, weißlichen und mit Wurzelhaaren versehenen Körpers heraus. Sie wächst eine gewisse Zeit weiter, indem sie ihre kugelige Form beibehält und erreicht zuweilen einen Durchmesser von 4 —5 mm. 14 N. Stojanow, Ein Längsschnitt durch eine Knolle in diesem Entwieklungs- stadium zeigt, daß sie mehrere Stelen enthält, welche noch schwach aus- gebildet sind, die Knolle bogenförmig durchlaufen und im Vegetations- punkte zusammenkommen. In diesem Alter ist weder Teilung, noch Zusammenschmelzen von Stelen wahrzunehmen. Bald aber verändert sich das Bild: es tritt die Teilung des Vegetationspunktes ein und nun sehen wir in einem Längsschnitt zwei nebeneinander liegende Vegetations- punkte, von denen jeder mehrere Stelen ausbildet. Die Knollenhaube hleibt dabei noch ungeteilt und deckt zugleich beide Vegetationspunkte. Mit der weiteren Tätigkeit der Initialzellen trennen sich die beiden Vege- tationspunkte allmählich voneinander, so daß die Knollenspitze in diesem Moment, von außen gesehen, etwas gegabelt aussieht (Textfig. 4). Es Textfig. 4. Die Teilung des Vegetationspunktes in einer jungen Knolle von Orchis incarnata. geschieht oft, daß der ersten Teilung des Vegetationspunktes gleich eine zweite solche der beiden neuen Vegetationspunkte folgt; oder diese zweite Teilung geschieht etwas später, so daß die ersten zwei Vegetationspunkte der Initialzellentätigkeit wegen schon voneinander getrennt sind und die Knollenhaube dementsprechend geteilt ist. Von diesen verschiedenen Variationen der Teilung hängt die Zahl und die Anordnung der Knolien- verzweigungen ab. In anderen Fällen aber geschieht diese Teilung des Vegetationspunktes, wenn die Knolle noch ganz jung ist, d. h. ehe sie die Epidermis durchbohrt hat, wie es z. B. besonders oft bei Gymna- denia beobachtet wurde. Über die vegetative Fortpflanzung der Ophrydineen. 15 Diese Teilung des Vegetationspunktes geschieht nicht immer gleich deutlich; oft sieht man die wurzelähnlichen Knollenverzweigungen sich nieht an der Spitze, sondern an der Seite bilden. Das geschieht öfters bei Gymnadenia, besonders hei Gi. albida mit tief geteilten Knollen. Dieser Umstand hat wahrscheinlich Capeder Anlaß gegeben zu be- haupten, daß die Teilung der handförmigen Knollen dureh die Bildung neuer Vegetationspunkte in ihrer Epidermis geschieht (16). Die oben erwähnten Beobachtungen stehen mit dieser Meinung in Widerspruch. Nach ihnen haben wir in diesem Falle ausschließlich die Teilung eines ursprünglichen Vegetationspunktes und keine Bildung von neuen. Nur in einigen Fällen fangen die vom Vegetationspunkt getrennten Initialzellen gleich ihre Tätigkeit an und da haben wir die gewöhnliche Teilung des ursprünglichen Vegetationspunktes. In anderen Fällen aber bleiben sie eine Zeit lang untätig und da der Vege- tationspunkt in dieser Zeit weiter wächst, verschiebt er sie seitwärts, che sie sich zu teilen beginnen. Im Widerspruch mit Capeder’s Meinung steht auch der Umstand, daß solche seitliche Knollenverzweigungen gewöhnliche Stelen enthalten, welche mit den übrigen ganz gleich aus der Stengelbasis heraustreten. Doch wie oben erwähnt, ist die Zahl der Stelen in einer Knolle von Anfang an bestimmt und es findet später keine neue Bildung von Stelen statt; umgekehrt werden die schon vorhandenen Stelen unter den Knollen- verzweigungen verteilt. Wenn dabei auch eine Spaltung einzelner Stelen stattfindet, so schmelzen sie doch stets in einer und derselben Knollen- verzweigung zusammen und gehen nie in zwei verschiedene Verzweig- ungen über. Alles, was über die handförmigen Knollen gesagt ist, gilt auch für die bis zum Grund geteilten von Gymnadenia albida. Die zwei Knollenarten werden wie einfache Körper mit einem Vegetations- punkt angelegt. Bei ihrer weiteren Entwicklung aber genügt ein gewöhn- licher Zentralzylinder nicht, um die sich rasch verdickenden Knollen mit Wasser zu versorgen und infolgedessen fangen die Initialzellen gleichzeitig mehrere Stelen zu bilden an. Die Verzweigung der Knollen vergrößert ihre mit Wurzelhaaren versehene Oberfläche und erleichtert ihre Nahrung. Ich halte die Meinung, welche ehemals von H. Schacht und E. Prillieux über den Knollenbau aufgestellt wurde, für ganz richtig: „Ces racines“, sagt der letzte Autor, „se divisent par leur extr&mite en un nombre plus ou moins grand de lobes on de digitations, par suite d’une partition qui 8’y produit normalement“ (31). 16 N. Stojanow, Es muß hier auch bemerkt werden, daß die jungen Pflanzen der- selben Art keine handförmigen, sodern einfache ungeteilte Knollen haben, wie ich es z. B. bei jungen Individuen von Gymnadenia eo- nopsea, Orchis maculata und O, sambueina oft beobachtet habe. Bei der letzten Art bleiben zuweilen auch die Knollen erwachsener In- dividuen ungeteilt und spindelförmig. Einige sekundäre Erscheinungen bokräftigen diese Erklärung noch mehr. Entwicklung der Knollen bei ruhenden Knospen. Wenn die junge, für das nächste Jahr gebildete Knolle irgendeiner Ursache wegen zugrunde geht, so kann die Ophrydineenpflanze statt ihrer eine neue Knolle zu entwickeln und zwar aus einer ruhenden Knospe, welehe in den Achseln der Grundblätter stets vorhanden sind. Diese Tätigkeit der Ophrydineen ist schon seit langem gut bekannt. Im Jahre 1856 hat Regel das Mittel gezeigt, womit man aus den ruhenden Knospen neue Knollen zur Entwicklung bringen kann. Diese Erscheinung ist auch von Reichenbach bei Orchis Morio, Ophrys bombyli- fera und Serapias lingua beobachtet worden. Germain de St. Pierre hat sie bei Orchis galeata, OÖ. Simia und Loroglossum kireinum und E. Prillieux bei Herminium monorchis beobachtet. Ich habe die Gelegenheit gehabt, diese Erscheinung in der Natur bei Platanthera bifolia und Gymnadenia conopsea zu beob- achten. In beiden Pflanzen konnte ich diese Erscheinung auch künst- lich hervorrufen, außerdem auch in Orchis Morio, O. ustulata, Ö. latifolia, O. eordigera, O. incarnata, O. maculata, O. sam- bucina, Herminium monorchis, Platanthera chlorantha, Coeloglossum viride, Gymnadenia albida und Nigritella angustifolia. In der Natur wird der Fall von Bildung sekundärer Knollen nur dann stattfinden, wenn die primäre junge Knolle aus irgendeiner Ur- sache stark verletzt wird oder gänzlich zugrunde geht. In solchen Fällen entwickeln sich gewöhnlich in den Achseln der unten liegenden Blätter neue Knollen, so daß wir statt einer jungen Knolle mehrere solche finden. (Ich habe bis sechs solche junge Knollen gleichzeitig auf einer Pflanze von Gymnadenia conopsea gefunden.) Künstlich bekam ich diese Resultate!) bei einer Reihe von Ver- suchen, die unternommen wurden, um die Entwicklung der Knollen bei 5 1} Vgl. die analogen Versuche von Goebel an Aconitum Napellus (Goebel, Über Regeneration im Pflanzenreich. Biol. Zentralbl., Bd. XXIII (1902), pag. 429). Goebel hat auch (a. a. O. pag. 430) Versuche mit Erdorchideen beschrieben, die an nn en nen nennen 1 1 { | | ! Über die vegetative Fortpflanzung der Ophrydineen. 17 verschiedenen Ophrydineen-Arten zu verfolgen. Diese Versuche wurden zu verschiedener Zeit und auf verschiedenen Nährboden unternommen und gaben in allen Fällen merkwürdig gleiche Resultate. Die ersten Versuche wurden in einem Gewächshause des botanischen Instituts der Universität München angestellt. 11 Exemplare von Orchis latifolia, sieben von O. ustulata und fünf von O. Morio wurden in Töpfe, die mit Erde von der Fundstelle gefüllt waren, gesetzt. Die-jungen Knollen aller dieser Pflanzen wurden mitsamt ihren Knospen abgeschnitten. Die Versuche wurden in dem Monate April 1912 angestellt und nach 3 Monaten, Ende Juli, hatten die meisten Pflanzen schon neue junge Knollen in den Achseln ihrer Niederblätter gebildet. Die einen hatten nur eine neue Knolle gebildet, die anderen zwei bis drei. Es ist dabei interessant, daß bei einem Exmplar von O. Morio, welches während dieser Zeit ganz verfault war, die junge Knolle sich ganz normal ent- wickelt hat und ganz lebensfähig aussah?). Von den neugebildeten Knollen von Orchis latifolia hatten die einen ihre gewöhnliche handartige Form, einige andere aber, statt sich handförmig zu entwickeln, blieben ungeteilt und spindelförmig, sehr ähn- lich einer etwas verdickten Adventivwurzel (Textfig. 5). In einigen Fällen befanden sich die beiden Knollenarten (die handförmigen und die un- geteilten) an ein und derselben Pflanze. Diese abnormen Knollen er- innern ziemlich stark an die gewöhnlichen Knollen von Plathantera bifolia,d. h. sie haben mehrere Stelen, welche allmählich zusammen- laufen und einen gemeinsamen Vegetationspunkt haben. Noch lehrreieher waren die Versuche mit Wasserkulturen, welche Möglichkeit gaben, den ganzen Entwicklungsgang zu verfolgen. In Nährlösungen geht die Orchideenkultur ziemlich schwierig, weil diese Pflanzen mit Schimmel leicht infiziert werden. Am besten gedeihen diese Kulturen in reinem destillierten Wasser, während die Nahrung für die Pflanzen den Reservestoffen der alten Knollen entnommen werden. Juni 1912 wurden sieben Exemplare von Gymnadenia conopsea, zwei Exemplare von Orchis maculata und zwei Exemplare von Her- minium monorchis in destilliertes Wasser gesetzt, während ihnen die Blütenstände, die jungen Knollen mit ihrer Knospe und alle Ad- ventivwurzeln abgeschnitten wurden. Die alte Knolle wurde in Wasser getaucht, die Stengelbasis über dem Wasser befestigt und alle unter- zeigen, daß die Knollenbildung an sonst ruhenden Vegetationspunkten herbeigeführt werden kann. 2) Einen soichen Fall habe ich aueh in der Natur auf einem Fxemplare von Gymnadenia conopsea beohachtet. Flora, Rd. 108. 2 18 N. Stojanow. irdischen Teile der Pflanzen vor Licht geschützt. Nach einem Monat haben die sieben Pflanzen neue Knollen entwickelt, welche bei den ersten zwei Pflanzen teilweise auch einfach und spindelförmig waren, wie es oben für O. latifolia beschrieben ist. Dieselben Versuche wurden im Sommer 1914 im botanischen Institut der Universität Sofia wieder- holt. In Töpfen mit Erde wurden fünf Exemplare von Orchis sambu- cina und sieben Exemplare von O. cordigera gesetzt, deren junge Knollen samt Knospen abgeschnitte n wurden. Andere zwei Exemplare von Orchis eordigera, acht Exemplare von Gymnadenia conopsea, drei Exemplare von Coeloglossum viride und zwei Exemplare von Textfig. 5. Sekundäre Knollen von Orchis latifolia. Nigritella angustifolia wurden in destilliertem Wasser angestellt, nachdem sie derselben Operation unterworfen wurden. Das Resultat war in allen Fällen das gleiche. Die Entwicklung neuer Knollen begann bei verschiedenen Pflanzen nach verschiedener Zeit: am frühesten bei Gymnadenia conopsea (nach einer Dauer von 15-—20 Tagen), dann bei Coeloglossum viride (nach 20 Tagen), bei OÖ. sambueina und 0. cordigera (in die Erde gepflanzt), ungefähr nach 25 Tagen; am spä- testen bei Gymnadenia albida, O. macedonica (im Wasser) und Nigritella angustifolia (mehr als nach einem Monate). In einem Falle bei (Nigritella) hatte die neue Knolle eine typische wurzelartige Form. In ihr war nur ein Zentralzylinder vorhanden, der jedoch an seinem Über die vegetative Fortpflanzung der Ophrydineen. 19 Basalteil im Querschnitt nicht rund, sondern verlängert oval war, was gewöhnlich bei den Knollen vor der Teilung oder gleich nach dem Zu- sammenschmelzen ihrer Stelen der Fall ist. Andere neue Knollen stellten die mannigfaltigsten Übergangsformen zu den gewöhnlichen Platanthera- ähnlichen vor. Manche hatten andererseits die für diese Pflanzen nor- male handartige Form. Die Beobachtung über ihre Entwicklung zeigen in den drei Fällen keinen besonderen Unterschied. Die Knolle erscheint stets an der Basis einer ruhenden Knospe als ein rundlicher Körper, der sich endogen ent- wickelt hat und dann die außerhalb liegenden Gewebe durehreißt. Eine Zeitlang entwickelt sich dieser Körper weiter, immer oval bleibend, später aber beginnt in einigen Knollen eine normale Teilung des Vege- tationspunktes und sie nehmen infolgedessen eine handartig geteilte Form an, bei anderen aber findet eine solche Teilung nicht statt und die junge Knolle bleibt ungeteilt, bis sie endlich die eigentümliche spindelige Fornı annimmt. Ähnliche ungeteilte, spindelförmige Knollen hatte ich Gelegen- heit, auch in der Natur bei den oben erwähnten Exemplaren von Gymnadenia conopsea zu beobachten. Wenn die Pflanze genügend genährt ist, wie es in der Natur der Fall ist, entwickelt sie gewöhnlich zur gleichen Zeit mehrere Knollen, indem sie alle in den Achseln der Niederblätter vorhandenen Knospen ausnützt. Bei der Kultur in destil- liertem Wasser und folglich bei einer ärmlichen Nahrung benützt die Pflanze nur eine ihrer ruhenden Knospen, und infolgedessen kann der Versuch auf die Weise erneuert werden, daß die neugebildete Knolle entfernt und dadurch die Entwicklung einer folgenden hervorgerufen wird. Bei Gymnadenia conopsea erhielt ich auf diese Weise nach- einander drei junge Knollen. In zwei Fällen (an einem Exemplar von Orchis cordigera und einem von Nigritella angustifolia) habe ich die Erscheinung beob- achtet, welche zuerst von J. Fahre beschrieben wurde und welcher N. Bernard eine besondere Bedeutung zuschreibt. Es waren nämlich die ruhenden Knospen dieser Pflanzen als kurze Zweige entwickelt. Die alten Knollen und alle Wurzeln waren in diesen Fällen verfault und in- folgedessen waren die Pflanzen von der symbiotischen Rhizoetonia frei. Diese Beobachtung entspricht der von N. Bernard gegebenen Erklärung über den Zusammenhang zwischen der Knollenbildung und denı Vor- handensein des Pilzes. Diese Versuche, sowie die Beobachtungen über den normalen Ent- wieklungsgang der Ophrydineenknollen bekräftigen die Erklärung, daß 9m 20 N. Stojanow, die Knollen ursprünglich als einfache Organe erscheinen; bei dem folgen- den raschen Wachstum in die Breite, wo die Vergrößerung der Knollen- oberfläche, welche stets mit Wurzelhaaren versehen ist, nötig wird, teilt sieh die Knolle handförmig durch die Teilung ihres Vegetations- punktes. Wenn aber die Nahrung zu spärlich ist, wie es der Fall bei den oben erwähnten Versuchen war, ist eine ähnliche Teilung nicht notwendig, und die Knolle kann ihre ursprüngliche einfache Form behalten. Wenn die Knolle nieht gänzlich weggeschnitten wird, d. h. nicht samt ihrer Knospe, sondern letztere gelassen wird und man nur den fleischigen Unterteil entfernt, so enthielt man andere Resultate. In solchen Fällen geht die Knospe nicht zugrunde, sondern beginnt nach einer ge- wissen Zeit, nachdem ihre Wunde geheilt oder getrocknet ist, einen Büschel Adventivwurzeln an ihrer Basis zu bilden. Solche Resultate be- kam ich bei allen meinen Versuchen, um eine Regeneration der jungen Knolle hervorzurufen, welche jch mit Orchis latifolia, O. maculata, 0. Morio, Gymnadenia conopsea, G. albida, Coeloglossum viride und Nigritella angustifolia unternommen habe. Während mir in keinem Falle eine Regeneration, sondern nur eine Heilung oder Trocknung der geschnittenen Stelle gelang, bekam ich statt dieser in allen Fällen eine massenhafte Bildung von Adventivwurzeln. Es muß hierbei bemerkt werden, daß alle diese Wurzeln vollkommen normal und dünn waren, Nurin einemFall bei Gymnadenia conopsea sahen sie etwas geschwollen aus und schienen einen Übergang zur ge- wöhnlichen Knollenform darzustellen. Diese Erscheinung ist mit der Adventivwurzelnatur der Knolle vollkommen erklärbar. Nach ihrem Wegschneiden ersetzt sie die junge Knospe durch neue Adventivwurzeln. Dabei begünstigt die reiche für die Knolle bestimmte Nahrung die Bildung mehrerer normaler Wurzeln gleichzeitig?). Der wahre morphologische Charakter der Ophrydineenknolle und ihr Ursprung wird uns nur dann klar werden, nachdem wir die erste Bildung dieses Organs an einem jungen Individuum von den Ophry- dineen beobachtet haben, d. h. an einer Pflanze, die erst aus dem Samen keimt und ihre Organe zu bilden beginnt. Die Organe einer solchen Jungen Pflanze werden ihrem ursprünglichen Zustand am nächsten stehen. 1) Vgl. Goebel, a. a. O. pag. 109 betr. Aconitum. Über die vegetative Fortpflanzuug der Ophrydineen. 21 Keimpflanzen der Ophrydineen. Örchideenkeimpflanzen wurden zuerst von Salisbury (35) xe- funden und beschrieben, der eine Beschreibung und Zeichnung junger Pflanzen von Orchis Morio und Limodorum abortivum gegeben hat. Seitdem wurden Keimpflanzen von Orchideen mehrere Male be- schrieben. Unter diesen Beschreibungen soll die van Irmisch an erster Stelle erwähnt werden, weil seine Beschreibung der Entwicklung von Orehis militaris (23) besonders ausführlich und genau ist. Außerdem wurde die Entwicklung der Orchideen auch von anderen Autoren be- schrieben. So beschreibt H. Schacht die Entwicklung von Orchis maculata (36), J. Fabre die von Ophrys apifera (19). Be- schreibungen dieser Art wurden auch von J. Beer, E. Prillieux, Goebel, Treub, N. Bernard und H. Burgeff gemacht. Zeichnungen von ÖOrchideenkeimpflanzen finden wir auch anderswo, z. B. in dem Lehrbuche von G. Bonnier et L. de Sablon. Jedoch am ausführ- liehsten ist die Entwieklung der Ophrydineen von Irmisch und Fahre beschrieben. Die Samen aller Orchideen haben, wie bekannt, eine äußerst redu- zierte Organisation, da ihre netzartige Schale nur einen undifferenzierten eiförmigen Keimling und keine Reservestoffe enthalten. Wir wissen jetzt dureh N. Bernard’s und H. Burgeff’s Untersuchungen, daß ihre Keimung nur nach dem Infizieren ven der mit der Pflanze in Sym- biose lebenden Rhizoetonia stattfindet. Die saprophytische, undifferen- zierte, kreiselförmige chlorophyllose und mit Wurzelhaaren versehene Keimpflanze wurde dank ihrer Ähnlichkeit mit dem von Bruchmann entdeckten Protokorm der Lycopodiaceen, von N. Bernard mit dem- selben Namen „Protocorm“ bezeichnet, welchen Namen wir fernerhin auch beibehalten wollen!). Eine Anzahl von Protocormen verschiedener Ophrydineen-Arten wurden von mir in verschiedenen Entwicklungsstadien untersucht. Diese Keimpflanzen habe ich in verschiedenen Gegenden Bayerns und auch Bulgariens gesammelt, so daß ich annehmen kann, daß diese Keim- pflanzen in der Natur nicht so selten sind, wie man es nach der geringen Zahl von Beschreibungen dieser Art vielleicht annehmen könnte. Ihr holosaprophytisches Leben scheint in manchen Fällen ein mehrjähriges zu sein. Die Struktur und Entwicklungsgeschichte dieser Keimpflanzen ist in verschiedenen Pflanzenarten nicht dieselbe und unterscheidet sich 1) Vgl. dagegen die Kritik Goebel's in Biolog. Zentralbl.. NAXV (1915. pag. 218, 22 N, Stojanow. bei manehen Arten ziemlich viel von dem bis jetzt bekannten und von J. Fabre und T. Irmisch beschriebenen Entwieklungsweise. Entwicklung von Orchis Morio. Keimpflanzen von Orchis Morio wurden von mir in einer Sumpf- wiese nahe Karlsfeld bei München im Frühling 1912 gefunden. Sie lagen 3—5 em tief in dem Boden unter den gruppenweise wachsenden er- wachsenen Pflanzen derselben Art. Nach ihrem Alter geordnet, konnten sie mir ein vollkommenes Bild ihrer Entwieklung geben, von dem Zu- stand eines fast mikroskopischen chlorophyllosen Protocormes anfangend, bis zu den ganz erwachsenen blühenden Individuen. Im ganzen wurden 21 junge Pflanzen (ich rechne nur die ersten Entwicklungsstadien) ge- sammelt und zwar zweimal: Anfang April und nach 2 Monaten, Ende Juni. Außer mit der mikrotomtechnischen Methode konnten die Pflänzchen ihrer zarten Struktur wegen unmittelbar unter dem Mikroskop unter- sucht werden, nachdem sie zuerst durchsichtig gemacht wurden. Das geschieht sehr leicht mit Hilfe einer verdünnten Lösung von Kalilauge, welche den Zellinhalt löst und die Pflänzchen fast ganz durchsichtig macht. Man darf jedoch nicht zu lange mit Kalilauge einwirken, da in solchem Fall, infolge Einwirken der Kalilauge auf den in den Pflänzchen sich befindenden Schleim, nach gewisser Zeit eine Trübung entsteht. Die mit Wasser gut gewaschenen Pflänzchen wurden darauf mit Borax- Karmin schwach gefärbt, und dann auf einen Objektträger mit linsen- förmiger Vertiefung in Glyzerin übertragen, wo sie als Dauerpräparate aufbewahrt sind. Diese Präparation hat den Vorzug, daß alle inneren Pflanzenteile bei ihrer normalen relativen Lage beobachtet werden können. Die anderen Pflanzen wurden in Mikrotomschnitten unter- sucht. Die kleinsten von den gefundenen Pflanzen, 0,7—-0,76 mm lang, stellen ein typisches Protocorm, weißlich und eiförmig, mit etwas ge- grümmter unterer Spitze dar. Bei einigen Exemplaren waren sogar noch die Reste der netzartigen Samenschale bewahrt. Die Oberfläche eines solchen Protocormes ist reichlich mit langen Wurzelhaaren besät, deren Länge größer als der Durchmesser des Protocormes ist. An seinem oberen (breiteren) Ende ist eine Knospe angelegt. Innerlich unter- sucht, besteht ein solches Protocorm aus einem dünnwandigen paren- chymatischen Gewebe mit großen Zellkernen und deutlichen Körnchen; hie und da enthalten sie Raphiden von Caletumoxalat. Durch ihre Haupt- achse läuft ein Zentralzylinder. Er ist nur undeutlich differenziert, doch Über die vegetative Fortpflanzung der Ophrydineen. 23 die Anordnung seiner drei bis vier Gruppen Schraubengefäße entspricht am nächsten der radialen Struktur, welche die Wurzeln charakterisiert. Auch seine einschichtige Endodermis ist mit der der Wurzeln und Knollen der Ophrydineen ganz ähnlich. Dieser Zentralzylinder beginnt in einer gewissen Entfernung von der an dem oberen Ende liegenden Knospe und endigt, ehe er die gekrümmte untere Spitze erreicht hat. Die Zellen, welche die Knospen bilden, sowie auch diejenigen, die unter ihr liegen, unterscheiden sich von den anderen durch ihre viel geringere Größe. Der untere Teil des Protocormes, sowie auch seine Peripherie sind stark verpilzt. Der obere Teil und ein gewisser Raum um den Zentralzylinder sind dagegen von den Pilzen ganz frei. Von einer Wurzelhaube ist in einem solehen Keimling keine Spur zu finden. G. Bonnier und L. de Sablon in ihrem Lehrbuche der Botanik defi- nierten (ähnlich wie früher Goehel) ein solches Protocorm als „une sorte d’axe hypacotyle, qui porte de poils absorbants“ (12). Es muß hier bemerkt werden, daß außer dem Vorhandensein von Wurzelhaaren auch die Anordnung der Elemente im Zentralzylinder, sowie auch die Endodermis mit einer für die Ophrydineenwurzeln typischen Form diesen Körper einer Wurzel sehr ähnlich scheinen lassen, so daß man ihn leicht für eine solche halten könnte, wenn ihm nicht die Wurzelhaube fehlte. Ohne sich merkbar zu vergrößern, fängt dieser Keimling an, sein erstes Organ zu bilden. An der Basis seiner Knospe, unmittelbar unter ihrem zweiten Blatte, beginnt die endogene Entwicklung eines runden Körpers, In diesem Körper ist schon eine Wurzelhaube bemerk- bar. Auf solche Weise beginnt die Bildung der ersten Knolle. Diese Ent- wieklung der Knolle ist der, die wir im Herbst bei einer erwachsenen Ophrydineenpflanze beobachten können, sehr ähnlich. Die junge Knolle liegt ursprünglich horizontal und ist mit ihrer Haube nach vorn gerichtet. Bald darauf beginnt die Bildung eines zweiten Organs. Unterhalb der Knolle, seitlich des Protocormes, wächst die erste adventive Wurzel aus. Es ist merkwürdig, daß ihe Auswachsen ohne Zerreißen des Gewebes vor sieh geht und diese Wurzel wie eine seitliche Verlängerung des Proto- cormes erscheint. Auch in den Mikrotomschnitten sieht sie wie eine unmittelbare Fortsetzung des umliegenden Gewebes und nicht wie eine aus ihm endogen entwickelte aus. Es muß hier bemerkt werden, daß nach den Zeichnungen von Irmisch die erste Adventivwurzel in den Protocormen von Orchis militaris endogen gebildet wird und eine Coleorhiza besitzt. Trotz allem meinem Nachforschen konnte ich weder bei Orchis Morio, noch bei den anderen unten erwähnten Arten das Vorhandensein einer Coleorhiza bei der ersten Wurzel feststellen. 21 N. Stojunow. Gleichzeitig mit der Bildung der ersten adventiven Wurzel kommt ein anderes sehr charakteristisches Phänomen vor. Das Meristemal- gewebe unter dem Vegetationspunkte beginnt eine rasche Tätigkeit zu entwiekeln und wächst horizontal aus. Ein gleiches rasches Auswachsen ist zu derselben Zeit in dem Meristemalgewebe an der Basis des dritten Blattes bemerkbar. Infoldegessen wachsen beide Teile horizontal aus. während sie ein geschlossenes Röhrchen bilden, an dessem Boden sich die junge Knolle mit dem Vegetationspunkte befindet, die von diesem Auswuchs mitgezogen wird. Die junge Knolle vergrößert sich und bildet innerhalb einen Zentralzylinder. der schwach differenziert ist, jedoch einen ausgesprochenen wurzeligen Bau und eine charakteristische einschiehtige Endodermis besitzt. Mit dem weiteren Auswachsen zer- reißt die Knolle das umliegende Gewebe und kommt in unmittelbare Berührung mit der Erde, wobei sie zahlreiche Wurzelhaare an ihrer Ober- fläche entwickelt. Gleichzeitig mit dieser Entwicklung wachsen das zweite und dritte Blatt der Knospe aus, welche an ihrer ursprünglichen Stelle auf dem Protocorm bleiben. Das erste Blatt bleibt schwach entwickelt, das zweite entwickelt sich bis zu einem gewissen Grad und bleibt schuppen- artie, das dritte erreichte eine Länge von 3—4 cm und erhebt sieh über dem Boden. Zweifellos ist seine Assimilationstätigkeit die Ursache der Anhäufung der Stärke in der ersten Knolle. Ich fand in der Erde gleieh- zeitig ganz junge eiförmige Protocorme sowie auch Pilänzchen, welche schon Blätter und Knollen entwickelt hatten. Ganz gleiche Formen habe ich auch 3 Monate später gefunden. Dieser Umstand gibt mir Grund zu glauben, daß die oben beschriebene Entwicklung nicht in einer, sondern wenigstens in zwei Vegetationsperioden stattfindet. Es ist sehr wahr- scheinlich, daß während der ersten Vegetationsperiode der Samen zu keimen beginnt und ein eiförmiges Protocorm bildet, ohne daß sich dabei eine Knolle entwickelt. Während der zweiten bilden sich dıe ersten Knollen und die ersten Blätter. Während der dritten Vegetationsperiode geht wahrscheinlich die weitere Entwicklung vor. Die erste Knolle ist mit ihrer Knospe von dem zugrunde gegangenen Protocorm voll- kommen isoliert, der Vegetationspunkt beginnt seine Tätigkeit und bildet ein kurzes Rhizom, das auf seinem oberen Einde oberirdische Blätter trägt. Diese Blätter unterscheiden sich von jenen einer erwachsenen Pflanze nur durch ihre geringe Größe. Dieses Rhizom ist bei Orchis Morio viel schmäler als der Durchmesser der Knolle und ganz ähnlich mit dem unterirdischen Teile einer erwachsenen Pflanze. In der Achsel des dritten Blattes befindet sich eine junge Knospe, an deren Basis Über die vegetative Fortpflanzung der Ophrydineen. 23 sich die zweite junge Knolle in gleicher Weise wie die erste ausbildet. Ihre Entwieklung und ihr Wandern geschieht auf die oben beschriebene Weise. Sie unterscheidet sich von der ersten Knolle nur dadurch, daß sie größer ist und nieht nur eine, sondern zwei bis vier Stelen enthält, die von einem Vegetationspunkte gebildet sind und alle in ihrer unteren Spitze zusammenschmelzen. Wenn man die relative Größe der blühenden und sterilen Pflanzen und besonders die Zahl der Stelen in den Knollen . betrachtet (letzteres wird weiter unten besprochen), muß man annehmen, das sich der Cyclus einer sterilen Entwicklung wenigstens noch einmal wiederholt, so daß eine Pflanze von Orchis Morio nicht früher als im 5. Jahr nach der Keimung des Samens zu voller Entwieklung und Blüte gelangt. In Wirklichkeit aber ist dieser Zeitraum wahrscheinlich bedeutend größer. Nach E. Pfitzer’s Meinung vergehen 8—10 Jahre bis eine Ophrydinee, die ihr Protocerm während eines Jahres entwickelt, zu blühen beginnt, was jedenfalls sehr wahrscheinlich klingt. Entwicklung von Orchis maseula. Die Keimpflanzen von Orehis mascula wurden von mir zum erstenmalim Juni 1912 aufder ‚roten Wand‘ in den bayerischen Alpen auf einer feuchten Alpenwiese und dann im Mai 1914 am Witosaberge ober- halb des Dorfes Bojana in Bulgarien inmitten eines Strauches gefunden. Das von den beiden Standorten gesammelte Material zeigte ein ganz ähnliches Entwicklungsbild dieser Pflanze, das jedoch von dem vorher beschriebenen Falle etwas abweicht. Im ersten Entwieklungsstadium stellt die Pflanze ein chlorophyli- loses Protocorm dar, das bis2 mm lang und einem solchen von Orchis Morio ganz ähnlich ist. Auf die oben beschriebene Weise wird auch hier die erste Knolle an der Basis des Vegetationspunktes angelegt und wandert, dann mit ihm in den Kanal zusanımen, der durch einen Auswuchs der Basis des dritten Blattes und des Meristemalgewebes unter dem Vege- tationspunkte gebildet ist. Schon in diesem Entwicklungsstadium macht sieh ein interessanter Unterschied geltend. In dem Falle von Orchis Morio entsteht gleichzeitig mit der Entwicklung der ersten Knolle an dem Protocorm auch das erste chlorophyHhaltige Blatt, durch dessen Tätigkeit in der Knolle die Stärke angehäuft wird. Anders ist es bei Orehis maseula; die ersten Blätter der Keimpflanze bleiben un- entwiekelt, unterirdisch und ehlorophyllos, infolgedessen die ganze Pflanze holosaprophytisch bleibt. Interessant ist der Umstand, daß bei diesen Bedingungen die erste Knolle von O. mascula auch so viel Stärke in ihren Zellen enthält, wie es in allen ihren sich später bildenden Knollen 26 N. Stojanow, der Fall ist. Da in diesem Falle von einer Assimilation keine Rede sein kann. so erscheint dieser Umstand ziemlich rätselhaft. Nachdem die erste Knolle überwintert hat, beginnt ihre Knospe eine neue Tätigkeit, indem sie auswächst und ein kurzes Rhizom bildet. Diese Bildung unterscheidet sich jedoch wesentlich von Th. Irmisch’s Beschreibung für Orchis militaris und N. Bernard's für Orchis montana und Ophrys apifera. Nachdem sich das Rhizom zu einem dünnen Auswuchs entwickelt hat, schwillt es rasch an und bildet einen kugeligen knollenartigen Körper. Dieser Körper befindet sich oberhalk der Knolle und ist mit ihr mittels eines ganz kurzen und dünnen Sproß- teiles verbunden (Taf. II, Fig. 21). An der Basis dieses knollenartigen Rhizoms sind die Spuren der ersten Blätter bemerkbar, sonst aber bleiben auf der übrigen Oberfläche keine weiteren Spuren davon zurück und statt dieser sind dort zahlreiche Wurzelhaare vorhanden. Das Rhizom hat einen Zentralzylinder mit schwach ausgebildeten Elementen, doch ohne die für die Ophrydineenwurzeln und Knollen charakteristische Endodermis. Der peripherische Teil des Khizoms ist stark mit Khizoc- tonia infiziert; die Zellen seines Zentralteiles sind dagegen mit Stärke gefüllt. Das Rhizom endet mit einer kleinen Knospe und entwickelt seitlich eine adventive Wurzel. Die weitere Entwicklung ist eine Wiederholung desselben Cykels. An der Basis des dritten Blattes des Rhizoms differenziert sich die zweite Knolle der Pflanze und entwickelt sich dann auf die gewöhnliche Weise. Bei ihrer Entwicklung bleiben die Blätter der Knospe noch immer re- duziert und chlorophylios und die ganze Pflanze bleibt holosaprophytisch, d. h. daß alle Stärke, die sich in der ersten Knolle, in dem knollenartigen Rhizom und auch in der zweiten Knolle befindet, ohne Photoassimi- lation gebildet sein soll. Im nächsten Jahr wird die Entwicklung auf dieselbe Weise wieder- holt, d. h. die sich an der zweiten Knolle befindliche Knospe bildet ein neues knollenartiges Rhizom von demselben Bau wie das erste. In der Achsel des dritten Blattes der an dem Rhizom befindlichen Knospe wird die junge dritte Knolle angelegt. Mit ihrer Entwicklung und Tren- nung fangen die Blätter der Knospe gleichzeitig an auszuwachsen, das dritte Blatt erhebt sich über dem Boden und in ihm bildet sich jetzt zum erstenmal Chlorophyll. Vergleichen wir die gefundenen Pflanzen mit- einander, so können wir annehmen, daß die Bildung eines solehen knollen- artigen Rhizoms sich im Laufe der Entwicklung mindesten noch ein- mal wiederholt; bei dieser wiederholten Entwicklung hat die Pflanze zwei oder mehrere grüne Blätter. Vergleichen wir diese Entwicklung mit Über die vegetative Fortpflanzung der Ophrydineen. 27 der von Orchis Morio, so können wir berechnen, daß eine blühende Pflanze von Örchis mascula frühestens im sechsten Jahre nach ihrer Keimung auswächst. Das berechnete Minimum ist doch zweifellos kleiner als der wirkliche Zeitraum. Während der Zeit von 2—3 Jahren lebt das Pflänzehen unterirdisch als Holosaprophyt. Über die Zahl der Stelen in den ersten Knollen von Orchis mascula ist das über O. Morio schon erwähnte nur zu wiederholen, d. h. die erste Knolle enthält eine einzige Stele, die zweite hat derer zwei bis vier und die folgenden haben immer mehr solche. Entwicklung von Orchis ustulata. Junge Pflanzen von Orchis ustulata wurden von mir zum ersten- mal im April 1912 auf einer feuchten Wiese nächst Karlsfeld bei München gefunden und dann noch einmal nach 3 Monaten auf demselben Stand- orte gesammelt. Sie lagen im Humusboden 5—10 em tief unter den er- wachsenen Pflanzen derselben Art. Im ganzen wurden 80 saprophytische Pflanzen gefunden, was die Möglichkeit bietet, sich ein annäherndes Bild der eigentümlichen Entwicklung dieser Pflanzen zu schaffen. Die kleinsten unter den gefundenen Protocormen waren 0,7 bis 0,85 mm lang und hatten noch an ihrer unteren, etwas gekrümmten Spitze die Reste der netzartigen Samenschale bewahrt. Sie sind eiförmig, schmutzig weiß und mit sehr langen Wurzelhaaren versehen, deren Länge bis dreimal größer als der Durchmesser der Pflanze selbst ist. An dem Protocorm befindet sich eine kleine schwach entwickelte Knospe. Das Protocorm von Orchis ustulata enthält keinen Zentralzylinder, der in den oben beschriebenen Pflanzen immer vorhanden ist. An dessen Stelle befindet sich eine Gruppe von großen dünnwandigen mit Reserve- stoffen erfüllten Zellen. Diese Reservestoffe in Form von Stärke sind schon in diesem so frühen Stadium zu finden. In den Zellen einer solchen Keimpflanze ist eine große Zahl von, um die Zellkerne gruppierten TLeueiten bemerkbar. In diesen Leueiten, und besonders in jenen. die sich in den großen Zentralzellen befinden, kann man kleine Stärkekörner unterscheiden, die mit Hilfe von Jodtinktur leicht nachzuweisen sind. Die weitere Entwieklung können wir an einer Reihe etwas größerer Pflanzen, und zwar bei solchen, die eine Länge von 1,5—2 mm erreicht haben, beobachten. Während ihr unterer Teil seine ursprüngliche Proto- cormform beibehalten hat, kann man am oberen Teil deutlich einen Zuwachs bemerken, der durch eine schwache Einfurchung vom ur- sprünglichen Protocorm getrennt ist. Dieser obere Teil ist durch die Tätigkeit der an dem Protoeorm befindlichen Knospe gebildet und 28 N. Stojanow, stellt ein kurzes Rhizom dar; er trägt zahlreiche Wurzelhaare und die Spuren der ersten Blätter. Seine Zellen enthalten Stärke und manche auch Raphidenbüschel. Hier ist schen ein Zentralzylinder vorhanden. dessen Elemente noch nicht scharf differenziert sind; jedenfalls besitzt er keine Endodermis, die für die Wurzeln und Knollen kennzeichnend ist. Dieses Rhizonı ist war nicht von Pilzen infiziert und sieht weißlich aus. während der untere Teil bräunlich, stark verpilzt, ja sogar erschöpft und dem Verfaulen nahe ist. Es ist wahrscheinlich, daß die beiden Teile dieser saprophytischen Pflanze während zweier verschiedener Vegetations- perioden gebildet sind, und daß der obere Teil seine Entwicklung erst dann beginnt, wenn der untere Teil die seinige schon beendigt hat und im Absterben ist. Eine Reihe von Pflanzen derselben Art mit immer zunehmender Größe zeigt, daß die Entwicklung weiter schreitet. Das Rhizom wächst weiter aus, während das ganze Pflänzehen holosapro- phytisch bleibt und seine Terminalknospe — klein, ehlorophyllos und mit reduzierten Blättern bedeckt ist, welche beim Auswachsen des Rhizoms deutliche Spuren auf ihm hinterlassen. Unterdessen verfault der untere Teil der Pflanze und fällt allmählich ab. Das übrige Rhizom kann seiner Verpilzung und Bräunung nach in einige Abschnitte ge- teilt werden, die je verpilzter, dunkler und erschöpfter sind, desto mehr sie sich der unteren Spitze nähern. Die vordersten von ihnen sind immer frischer, enthalten Stärke und große Zellkerne mit Nukleolen. Das oberste Internodium bleibt ganz unverpilzt und enthält besonders viel Stärke. Zuweilen sind zwischen solchen Abschnitten schwache Ein- furchungen bemerkbar, die wahrscheinlich darauf hindeuten, daß das Wachstum hier unterbrochen und dann wieder fortgesetzt wurde. Von der oben erwähnten Länge: 0,7—0,75 nım bis zu einer für die Orchideen- protoeorme riesigen Größe von 2,5—3 em, kann man alle verschiedenen Übergangsstadien der Entwicklung verfolgen. die scheinbar während mehrerer Vegetationsperioden vor sich geht. In einigen solchen stark entwickelten Rhizomen zählte ich bis 11 Internedien, wobei die untere Spitze schon ganz abgefault und verschwunden war. Solche unterirdische Pflänzchen bestehen nur aus dem oben be- schriebenen Rhizom und entwickeln weder Blätter noch adventive Wurzeln, sondern nur zahlreiche und lange Wurzelhaare. Dagegen zeigen diese Rhizome oft das Streben, sich zu verzweigen. Dies geschieht ent- weder durch das Entwickeln einer Knospe in der Achsel eines der Blätter, dessen Spuren sich an dem Rhizom befinden, oder mittels Gabelung des Vegetationspunktes (Taf. II, Fig. 16 u. 17). In beiden Fällen ent- wiekeln sich die neugebildeten Knospen weiter auf dieselbe Weise, wie Über die vegetative Fortpflanzung der Ophrydineen. 24 das ursprüngliche Rhizom. Ob eine solche Verzweigung die Entwick- lung zweier neuer Pflanzen verursacht, konnte ich an den gesammelten Materialien nicht feststellen, dies scheint mir jedoch sehr wahrscheinlich. Nur nachdem das Protocorm eine Länge von 2,5-—3 em erreicht hat, beginnt er seine ersten Organe zu bilden, die der Pflanze zum selb- ständigen Leben notwendig sind. Diese Entwicklung geschieht beinahe auf die für Orchis Morio oben beschriebene Weise. Es werden fast gleichzeitig die ersten Adventivwurzeln und die ersten Blätter gebildet. Letztere sind fünf bis sechs an der Zahl, von denen sich die obersten über dem Boden erbeben und his 10 cın lang sind. Ungefähr in derselben Zeit wird die erste Knolle endogen angelegt und dann wächst sie aus, indem sie gleichzeitig mit dem Vegetationspunkte zusammen nach außen wandert. In diesem Falle aber ist die erste Knolle, der bedeutenden Größe des Protocorms und seiner ersten Blätter entsprechend, viel größer als es bei den anderen von mir beobachteten Ophrydineen der Fall war. Die von mir gemesenen Knollen warenbis 1,5ecm lang und dementsprechend groß war auch die Zahl der Stelen in ihnen; diese Knollen enthalten bis acht Stelen. Im weiteren ist die Entwicklung nach der Art von Orchis Morio, Es findet hier keine Bildung knollenartiger Rhizome, wie dies bei Orchis mascula der Fall ist, statt. An der Knolle entwickelt sieh aus ihrer Knospe ein kurzer blättertragender Sproß und dann wird in der Achsel eines seiner Grundblätter die zweite Knolle angelegt. Wie man es nach den gefundenen Übergangsformen beurteilen kann, schreitet hier die Entwicklung einer blühenden Pflanze verhältnismäßig rasch vor. All die beschriebenen Entwicklungsstadien dieser Pflanzen kann man gleichzeitig an ein und derselben Stelle beobachten. Dieser Umstand bekräftigt die von mir oben ausgesprochene Meinung, daB die Entwicklung von Örchis ustulata während einer Reihe von Vegetations- perioden geschieht. Es wäre höchst interessant genau zu verfolgen, welche Zeit diese Ophrydinee für ihre Entwieklung braucht, die an die von Bruchmann hei Lycopodien heobachteten nahe erinnert, Richtige Resultate erhält man nur, wenn man nach derselben Methode verfährt, d. h. wenn man Orchissamen ansät bei den Bedingungen, welche den natürlichen entsprechen und dann das Gedeihen bis zur vollen Fnt- wieklung beobachtet!). 1) Ein Alkoholpräpärat von einer nach dem Alter angeordneten Reihe junger Pflanzen von Orchis ustulata, die der ganzen Entwicklungsgeschichte dieser Pflanze entspricht, befindet sieh in dem botanischen Institut der Universität München. Alle übrigen von mir gesammelten jungen Pflanzen befinden sich jetzt in dem botanischen Institut der Universität Sofia. 30 X, Stojanow, Entwicklung von Orchis pallens. Die drei oben beschriebenen Fälle von Entwicklung der Ophry- dineen stellen drei Entwicklungstypen dar, die wahrscheinlich auch über die anderen Arten gewissermaßen ausgedehnt werden können. Die von Th. Irmisch beschriebene Entwieklung von Orchis militaris, J. Fabre’s von Ophrys apifera und N. Bernard’s von Orchis montana scheinen alle nach dem Typus von Orchis mascula geschehen zu sein. Wie ieh nach diesen Beschreibungen und nach einigen einzelnen von mir beobachteten Pflänzchen beurteilen kann, finden an den Protocormen dieser Pflanzen keine bedeutenden Veränderungen statt, bis zur Bildung der ersten Knolle. Diese bildet ihrerseits, nachdem sie sich von dem Protocorm getrennt hat, ein kurzes Rhizom, welches auch als Reserve- stoffbehälter dient. Die Entwicklung dieser Pflanzen unterscheidet sich von der von Orchis mascula nur darin, daß das knollenartige Rhizom hei ihr angeblich gleichzeitig grüne Blätter entwickeln soll. Auch die Verbindung dieses Rhizoms mit der Knolle scheint etwas dicker zu sein und nicht so dünn und zart wie bei O. mascula. Für Ophrydineen mit handförmigen Knollen ist es überhaupt charakteristisch, daß ihre ersten Knollen und auch wahrscheinlich einige folgende einfach und ungeteilt sind. Jedenfalls braucht die Entwicklung dieser Pflanzen weitere ausführlichere Untersuchungen. Einen interessanten Fall von Entwieklung stellt Orchis pallens dar, deren Keimpflanzen ich im Frühling 1914 in einem humusreichen Boden im Walde beim Kloster Tscherepischki und später bei ähnlichen Bedingungen am Lulin-Berge (beides in Bulgarien) gefunden habe. In ihr scheint die Entwicklungsweise von O. ustulata mit der von 0. mascula kombiniert zu sein. Die Entwieklung des Protocormes geschieht hier jedoch wahrschein- lich nicht so langsam, wie es bei O. ustulata zu vermuten ist. Darüber kann man nicht nur von der undeutlich differenzierten Verpilzung des Protocormes und seinem fast gleich frischem Zustande urteilen, sondern auch vom Umstand, daß hier nie mehrere verschiedene Entwicklungs- stadien gleichzeitig zu finden sind, nämlich nicht mehr als drei ver- schiedene Entwicklungsphasen (wenn nur von den jüngsten noch blatt- losen Formen die Rede ist). Nach den von mir gefundenen Pflanzen zu urteilen, nimmt das Protocorm schon im zweiten Jahre nach seiner Keimung die Form eines kurzen und dieken Rhizoms an und wird bis lem lang und 0,5 em dick. Der untere Teil des Rhizoms ist mit zahl- reichen Wurzelhaaren versehen, während der obere nackt ist und die Über die vegetative Fortpflanzung der Ophrydineen. 3 Spuren von drei bis vier Blättern trägt. Ursprünglich enthält das Proto- eorm, so wie auch bei O. ustulata keinen Zentralzylinder, sondern statt diesem eine Gruppe großer mit Stärke gefüllter Zellen. In dem Rhizom ist ein Zentralzylinder vorhanden, der auch nicht deutlich diffe- renziert ist, jedenfalls keinen wurzeligen Bau hat. Das Rhizom enthält eine große Menge von Stärke, deren Bildung sehr eigentümlich ist und wahrscheinlich in Verbindung mit der Verpilzung dieses Protocorms steht. Im Querschnitt durch seinen mittleren Teil scheint das Protocorn in konzentrische Schichten zerteilt zu sein. Die großen Zellen, welche um den Zentralzylinder einige Schichten bilden, sind mit Stärke gefüllt; ein zweiter mehrschichtiger Ring von mit Stärke gefüllten Zellen be- findet sich an der Peripherie des Protocorms und besteht aus kleinen Zellen. Zwischen diesen Ringen liegen vier bis fünf Schichten mittel- großer Zellen, welche stark verpilzt, jedoch lebendig sind und große Zell- kerne enthalten. Außerdem ist die einschichtige Epidermis des Pflänz- chens, sowie seine Haare auch verpilzt, so daß das Protocorm im Quer- sehnitte außer dem Zentralzylinder noch vier konzentrische Schichten enthält, von denen zwei Stärke enthalten und zwei verpilzt sind. Bei einigen Pflanzen geschieht die Bildung der ersten Knolle wie bei 0. Morio,so, d.h. daß die Pflanze in derselben Zeit. ihre erste chlorophyll- haltigen Blätter bildet. Bei anderen Individuen, die etwas tiefer in dem Boden liegen (10-15 em), geschieht diese Entwicklung wie bei 0. mas- eula und die Pflanze, indem sie ihre erste Knolle hildet, bleibt blattlos und holosaprophytisch. Die erste Knolle ist eifürmig, bis 4 mm lang und enthält eine bis zehn Stelen. Ihre weitere Entwieklung geschieht auch nach dem Typus von O. mascula, indem aus ihrer Knospe ein kurzes und dickes, fast zylindrisches Rhizem in horizontaler, d. h. zu der Knollen- hauptachse senkrechter Richtung auswächst,. Fine gleiche Rhizombildung wiederholt sick noch zwei- bis dreimal, währenddem schon die ersten chlorophylihaltigen Blätter entwickelt werden. Dabei wird das Rhizom hei jedem neuen Geschleeht immer dünner, indem es sich immer mehr und mehr aufrichtet, his man an der Stengelbasis einer völlig entwickelten Pflanze kein Rhizom meht unterscheiden kann. Die Ophrydineen, wie auch alle anderen einheimischen Orchideen gehören zu den Sympodial-Acranthen (nach E. Pfitzer’s Terminologie). hei welchen E. Pfitzer das Basal- und Eindstück unterscheidet. Was eine erwachsene Ophrydineenpflanze betrifft, so soll sich das Basal- stück von dem Scheitel der alten Knolle bis zu «er Stelle erstrecken, 393 N. Stojanow, wo sich die junge Knolle bildet. Dieser Teil unterscheidet sich wirklich von 'denı übrigen Stengel dadurch, daß er eine Art Rhizon darstellt, das einige (drei bis fünf) schuppenartige Blätter trägt. Das Endstück trägt grüne Blätter und endigt in einer erwachsenen Pflanze mit dem Blütenstand; in den ersten Jahren ist es dagegen steril. Was den aus- gestreekten Teil betrifft, der die junge Knolle samt ihrer Knospe auf sich trägt, so kann man ihn nicht für ein Rhizom halten. Obwohl er dem Bau seiner (refäßbündel nach und der Anwesenheit von Spalt- öffnungen wegen mit einem Sproß verglichen werden kann, ist dieser Teil kein Produkt der Tätigkeit des Vegetationspunktes und trägt des- halb keine Blattspuren weder bei seiner Basis noch auf seiner Oberfläche, selbst dann nieht, wenn dieser Teil ziemlich stark entwickelt ist (z. B. bei Herminium monorchis u. a.). Dieses Organ stellt eine Streekung des Meristemalgewebes dar, das in der Achsel eines Blattes der Mutter- pflanze an der Basis der jungen Knospe und zwar an der ihres ersten Blattes liegt. Die inneren Elemente dieses Teiles sind dorsiventral an- geordnet und das dickwandige mehrschichtige Perycikel, das die Ophry- dineensproße, nicht aber ihre Blätter enthalten, ist hier nicht verhanden. Nach diesen Merkmalen muß dieses Organ als ein stark herausgestreckter Grundteil des ersten Blattes der jungen Knospe und nicht als ein Teil des Sprosses der alten Pflanze betrachtet werden. Die vegetativen Or- gane einer Ophrydinee können leicht mit solchen eines Vertreters einer anderen nahestehenden Örchideengruppe, z. B. einer Epipactis u. dgl. verglichen werden. Stellen wir uns nur vor, daß jedes neue Basalstück von der alten Pflanze durch das eigentümliche Heraustreten der Basis seines ersten Blattes getrennt wird, daß sich das Rhizom selbst nur verhältnismäßig schwach entwickelt und die erste adventive Wurzel eine Knolle bildet. Die ganze unterirdische Entwicklung eines holo- saprophytischen Protocormes, einschließlich des Wanderns einer Terminal- knospe, stellt die Bildung seines ersten Basalstückes dar. Diese Ent- wieklung wird durch die Bildung des ersten sterilen Sprosses vollendet (die eventuell knollig sein kann), von welchem die zweite Knolle schon nicht durch das Wandern der Terminalknospe, sondern durch die Ent- wicklung einer Seitenknospe in der Achsel eines Grundblattes gebildet. wird. Diese Entwicklung des ersten Basalstückes scheint bei O. Morio verhältnismäßig kurz zu sein, sie dauert bei O. mascula während einiger Vegetationsperioden, und bei ©. ustulata wahrscheinlich eine Reihe von Jahren. Über die vegetative Fortpflanzung der Ophrydineen. 35 Die Zahl der Stelen in den Knollen. J. Fabre und dann N. Bernard zeigten, daß die ersten Knollen der von ihnen untersuchten Ophrydineen nur Einen Zentralzyliner ent- halten. Dies gilt auch für die meisten Arten, die ich untersucht habe, obwohl nicht für alle. Nämlich enthält die erste Knolle von Orchis ustulata bis acht und die von 0. pallens bis 12 Stelen, In allen diesen Fällen ist die Zahl der Stelen in der zweiten Knolle immer höher als in der ersten und in der dritten Knolle ist sie noch höher. Die Unter- suchung einer großen Zahl von erwachsenen (blühenden) Individuen verschiedener Arten zeigt, daß die Zahl der Stelen in der jungen Knolle in mehreren Fällen höher ist als in der alten. Weniger oft ist diese Be- ziehung ungekehrt. Die folgende Tabelle zeigt diese Beziehungen für 100 erwachsene Individuen von Orchis Morio. Be- | Alte ‚Jung e| DBe- | Alte 'Junge| Be- Alte "Junge Be- | Alte ‚unge ziehung A | ziehung [Knolle Knolle | Ziehung |Knolle Knolle |ziehung [Knolle Knolle + Im! ss I + la: alola slolsı 4 12 : 27 + 25 27 _ 29 25 _ 36: 31 [0 15: 15 + 25 28 + 34 —_ 36:23 + 16 26 + 25 3 + 33 _ 37 25 17:23 _ 25 23 + 34 + 38, 41 + 17, 24 _ 25 23 + 37 - 8: 2% 17,24 + 26 28 + 35 - 39 134 + 19.28 + 26 30 Ö 31 _ 39 ı 26 2.3 +18 2 | — oI-|a1 8 +190.4214+18 | - BI +12: 5 u 20 36 _ 26 24 + 34 _ 42 30 u 20 |, 37 + 27,30 + 34 _ 43; 038 +ja:83|+[|7°:°%0| + 36 | — I 8 + 21 29 27 30 + 38 52 + 22 30 + 27 31 + 39 44 +)®a vr II a) + 34 25 + 23 24 + 27 33 _ 30 4) + 23 32 _ 27 24 + 36 4 23 37 + 28 30 + 38 46 +13 2|I|+j|38 »]0 34 3 ö 23.23 0 28 28 _ 30 33 _ 23 18 _ 28 26 _ 2 41 + 24: 2% + 29 34 > 36 44 + 24 30 En 29 38 _ 32 46 +) 0) +19 MM) + 40 32 Wir haben mit + die Fälle bezeichnet. wo die Zahl der Stelen in der jungen Knolle höher als in der alten ist. mit —- die umgekehrten Beziehungen und mit 0 die Fälle, wo die Zahl der Stelen in den beiden Knollen gleich ist. In den {00 untersuchten Pflanzen haben wir -- 59 mal. —: 32 mal und 0- Omal. Außerdem stehen die - hauptsächlich Flura, Ba. 100. 3 34 N. Stojanow, amı Ende der Tabelle, wo die Zahlen der Stelen höher sind, Ebenso ver- halten sich diese Zahlen in den Knollen anderer untersuchter Ophry- dineen, nur sind die mit — bezeichneten Fälle bei einigen von ihnen (z. B. bei O. palustris) noch weniger. Überhaupt scheint die Zahl der Stelen von der Größe der Knolle unabhängig zu sein. Umgekehrt haben große und stark entwickelte Individuen sehr oft weniger Stelen in ihren Knollen, als kleinere und schwächere Individuen derselben Art. Man kann vermuten, daß die Zahl der Stelen in den Knollen während des ganzen Lebens der Pflanzen allmählich und unregelmäßig zunimmt, bis sie ein gewisses Maximum erreicht, und dann wieder etwas abnimmt. Die Gesamtzahl der Stelen in einer Knolle ist nie sehr hoch und die größte von mir in einer Knolle von Orchis pallens beobachtete Zahl war nicht größer als 100. Durch neuere Untersuchungen über das Leben der Orchideen ist eine tiefe Beziehung zwischen ihrem Bau und der Anwesenheit von Pilz- fäden in ihren unterirdischen Teilen konstatiert worden. Diese Abhängig- keit hat eine so große Bedeutung, daß es jetzt unmöglich ist, sich den Bau und die Entwicklung der Orchideen ohne Rücksicht auf dieses Zusammenleben zu erklären. Zuerst hat Reißeck im Jahre 1846 (33) die Anwesenheit von Mycelium in den Zellen der Orchideen beobachtet und sogar versucht, reine Kulturen von diesen Pilzen zu erhalten. Seit- her wurde die Mycorhiza der Orchideen vielmals beobachtet und studiert und endlich hat Frank in seinen Arbeiten (1885—1894) festgestellt, daß das Dasein von Pilzen in verschiedenen höheren Pflanzen und auch in den Orchideen einen Fall von Symbiose darstellt. Auch von großer Bedeutung waren die Arbeiten von N. Bernard und H. Burgeff, die feststellten, daß selbst die Vermehrung dieser Pflanzen durch Samen nur bei Anwesenheit und unter der Wirkung von Pilzen möglich ist. Die Frage über die Beziehungen zwischen der Gastpflanze und dem Endo- phyt wurden dann viel besprochen, so in den interessanten Arbeiten von Stahl, Galland, Laurent, Bönieke, Cortesi und Beau. Jedoch bleibt diese Frage bis heute noch streitig. N. Bernard betrachtet die Beziehungen zwischen den zwei Kom- ponenten als einen Fall von Parasitismus des Pilzes auf der Orchidee oder als eine Infektionskrankheit, an welche sich jedoch die Orchidee anpaßt und eine Art von Immunität erwirbt, wobei sie vermittelst ihrer Verdauungszellen oder Phagocyten die Ausbreitung der Pilze auf die Grenzen beschränkt, in den sie der Wirtpflanze nützlich sind. So hat der Pilz, nach Bernard, seine Bedeutung als Parasit nicht verloren, Über die vegetative Fortpflanzung der Ophrydineen. 35 nur ist sein Parasitismus beschränkt und die Wirtpflanze zieht aus ihm einen gewissen Nutzen. Nach H. Burgeff stellen diese Beziehungen einen Fall von echter Symbiose dar, wobei sich die beiden Komponenten einander unterstützen und einander gleich nötig sind. Die gegenwärtigen Beziehungen haben sich vielleicht von dem ehmaligen Parasitismus entwickelt, doch da die Anwesenheit der Pilze von Anfang an der Orchidee nützlich war, so entwickelte die letztere ihrerseits günstige Anpassungen und so verbanden sich die beiden Organismen unzertrennbar miteinander. Gallaud, der die Mycorhizen aller übrigen Pflanzen als Parasiten betrachtet, macht für die der Orchideen eine Ausnahme. Leider be- spricht er diese Frage nicht eingehender. Ganz anders ist die Meinung Cortesi’s, der die Beziehungen zwischen dem Pilz und der Orchidee als einen Fall von Helotismus auf- fast, in welchem der Pilz eine untergeordnete Rolle spielt. Die Orchidee unterstützt und ernährt den Endophyt, soweit seine Anwesenheit ihr nützlich ist ihn endlich aber verniehtet, sobald die Zeit der Blüten und Vermehrung kommt. Mit Rücksicht auf die oben beschriebenen Beobachtungen über die Entwicklung von Orchis ustulata, O. pallens und O. maseula scheint mir Cortesi’s Meinung sehr viel für sich zu haben. Aus dem Umstand, daß die von Pilzen infizierten Zellen mancher höheren Pflanzen keine Stärke enthalten, schließt Gallaud, daß die Pilze sieh von dieser Stärke ernähren und so ihre Wirtpflanzen ausnützen. In Wirklichkeit fehlt die Stärke auch in den verpilzten Zellen der Protoeorme von Orehideen. Doch, da diese Pflänzchen holosaprophytisch und der Assı- milation vollkommen unfähig sind, so kann in diesem Falle vom Para- sitismus keine Rede sein. Umgekehrt können, wie es scheint, die Proto- eorme als Holosaprophyten ohne Pilze nicht existieren. Und diese Be- ziehungen können (wenigstens bei gewissen Arten) jahrelang dauern. Namentlich in ihren frühesten Entwicklungsstadien passen sich die Or- chideen an diese beständige Unterstützung seitens der Pilzean. Wie ge- sagt, kommen die Ophrydineen verhältnismäßig langsam zur vollen Ent- wieklung und zum Blühen. Infolgedessen erscheinen diejenigen von ihnen, welche nur kurze Zeit als Holosaprophyten leben, auf dem Boden als sehr schwache und kleine Pflänzchen. Solche Pilänzchen sind für den Kampf ums Dasein nur sehr schwach ausgerüstet. So erscheint die erste grüne Pflanze von Orchis Morio über dem Boden in Form eines ganz kleinen Blattes, das 1-—-11, em lang und 1—11; mm breit ist. Umgekehrt. erscheinen die Ophrydineen, die ein langes holosaprophytisches Leben Ei 36 N. Stojanow, führen, viel stärker und größer entwickelt über dem Boden. Die erste oberirdische Pflanze von Orchis ustulata hat z. B. zwei bis drei vollkommen entwickelte Blätter, die 10—15 em lang und bis 0,75 em breit sind. Ihrer Größe und Lebensfähigkeit nach unterscheidet sich eine solche Pflanze nur sehr wenig von einer vollkommen entwickelten. Von diesem Gesichtspunkte aus erscheint als primärer Entwieklungs- typus der Ophrydineen der von Orehis Morio, mit einem verhältnis- mäßig kurzen holosaprophytischen Leben und rascher Bildung der ersten Blätter. Umgekehrt stellen O. mascula und O. ustulata, welche sich längere Zeit unterirdisch entwickeln, einen sekundären Typus dar und diese Entwicklungstypen sind wahrscheinlich das Ergebnis einer An- passung dieser Pflanzen an das Zusammenleben mit Pilzen. Bei Orchis ustulata scheinen einige Entwicklungsstadien, welche O. Morio eigen- tümlich sind, ausgefallen zu sein, so daß die erste Knolle von O. ustulata der Größe und der Zahl ihrer Stelen nach nicht der ersten, sondern einer späteren Knolle von 0. Morio entspricht. Ihrerseits stellt auch 0. Morio eigentlich keinen primären Entwieklungstypus dar, da auch ihre Entwicklung durch die Symbiose stark beeinflußt worden ist. Der eigent- liche primäre Entwicklungstypus der Ophrydineen scheint sich im Laufe ihrer Evolution verwischt zu haben und gegenwärtig sollte man ihn viel- leicht in gewissen verwandten Gruppen suchen. Wie N. Bernard annimmt, verursacht die Symbiose mit Pilzen die Bildung knollenartiger Organe bei den Ophrydineen. Diese Organe stellen entweder metamorphosierte Sprosse dar, wie z. B. die Verlängerung des Protocorms bei O. ustulata und die knollenartigen Rhizome der jungen Pflanzen von O. mascula u. dgl. oder metamorphosierte Wurzeln, wie z. B. die gewöhnlichen Knollen der Ophrydineen. Jede Knolle stellt nur eine metamorphosierte Adventivwurzel dar und ist zweifellos ein ganz eigentümlicher Fall der Polystelie. Die Knollenbildung ist aber‘ nieht direkt durch Pilze verursacht. In der jungen Knolle sind sie gar nieht vorhanden und (wie es Gallaud (20) zeigt), verursacht ihr Vor- handensein in den Wurzeln keine morphologische Veränderungen. Diese Erscheinung ist vielleieht durch die Wirkung der Rhizoctonia auf den ganzen Organismus der Wirtpflanze zu erklären. Wir können uns diesen Vorgang vorstellen, wenn wir die Untersuchungen Stahl’s über die Mycorhiza mit denen Chandler’s, Tansley’s und Lugham’s über die Polystelie bei den Farnen vergleichen. Der Zentralzylinder teilt sieh (nach Chandler, Tansley und Luiham), da er einen starken 7ufluß von Wasser erhält, ist aber (nach Van Tieghem und Douliot Über die vegetative Fortpflanzung der Ophrydincen. 37 (43)) unfähig, seinen Durchmesser zu vergrößern. Nach Stahl kommt ein solcher starker Zufluß von Wasser bei den Orchideen infolge der Wir- kung ihrer Mycorhiza wirklich vor. Die Orchideen selhst absorbieren und transpirieren nur wenig Wasser, doch haben die symbiontischen Pilze eine große osmotische Kraft und dank dieser erhalten die Orchideen einen starken Zufluß von Wasser und darin gelösten Salzen. Wenn wir nun zu den Knollen der Ophrydineen zurückkehren und annehmen, daß sie polystelische Organe darstellen, welche durch eine allmähliche innerliche Komplizierung einzelner Wurzeln gebildet worden sind, so müssen wir die Knollen von Platanthera bifolia als primären Typus betrachten. Diese Knollen bewahren oft in ihrem Grundteil die Reste eines gemeinsamen Zentralzylinders und auch ihre äußere Form hat die wurzelähnliche Gestalt noch nicht ganz verloren. Dann folgen die kugeligen Knollen von OÖ. Morio, laxiflora u. dgl., welche wie die Reste des gemeinsamen Zentralzylinders so auch die wurzelförmige Fortsetzung verloren haben. Die letztere kann aber unter gewissen Bedingungen wieder erscheinen (wie der oben erwähnte Versuch mit Ophrys sp. gezeigt hat). Handförmige Knollen stellen eine andere selb- ständige Umgestaltung dar, die durch die Teilung des Vegetationspunktes bedingt ist. Unter gewissen Bedingungen können sie auch ihre ursprüng- liche Form wieder erhalten. Die bis zum Grund geteilten Knollen von Gymnadenia albida sind nur ein besonderer Fall der handförmigen Knollen, bei welchen die Teilung etwas tiefer geht. Literatur. 1) Beau, C., Sur les rapports entre la tuberisation et l’infestation des racines etc. ©. R. Ac. Sc. Paris, 29 sept. 1913, Tome CLVI, pag. 512—515. 2) Beer, J., Beiträge zur Biologie und Morphologie der Orchideen. Wien 1863. 3) Bernard, N., Sur quelques germinations diffieiles. Rev. gen. de Botan. 19). Tome XII. 4) Ders., Conditions physigues de la tuberisation chez les vegetanx. U. R. Acad, de Sc. Paris 1902, Tome CXXXV. 5} Ders., Etudes str la tuherisation. Rev. gen. de hot. 1902, Tome XIX, pag. 5—25, 58-71, 95—119, 170-183, 219-234, 269-279. 6) Ders., Recherches experimentales sur les Orchid*es. 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Se. nat. 1856. 32) Prillieux, E., Observation sur la germination de Miltonia spectabilis et de divers autres Orchidees. Ann. Sc. nat. 1860, Tome XIII 33) Ders., Bulbes des Ophrydees. Ann. Se. nat., V. Serie, 4, Paris 1865. 34) Ders, Mode de vegetation des Orchidses. Ann. Se. nat., V. Serie, 7, Paris 1867. 35) Reißek, Die Endophyten der Pflanzenzelle. Wien 1846. 836) Leclere du Sablon, Reserves hydrocarbonnees des: bulbes et ‘de tubercules. Rev. gen. de bot., Tome X, pag. 353, 385, 447, Über die vegetative Fortpflanzung der Ophrydineen. 39 37) Salusbery, R. A., On tle germination of the seeds Orchidene. Transactiens of the Linn. Society, Vol. VI, London 1804. 38) Schacht, V. H.. Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Gewächse. VII. Über die Fortpflanzung der deutschen Orchideen. Monatsber. der Berliner Akad. der Wissensch. 1854, pag. 115-147. 39) Ders., Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wurzel. Ibidem, pag. 156. 40) Stahl, E., Der Sinn der Mycorhizenbildung. Jahrb. f. wissenschaftl. Botanik 1900, Bd. XXXIV. 41) Tansley and Lulham, A Stndy of Vascular Systen of the Matonia pectinata. Annals of Botany, Vol. XIX, London 1905, 42) Treub, Notes sur ’embryogenie de quelques Orchidees, Amsterdam 1879, 43) Van Tieghem et Douliot, Sur la polystelie. Ann. des sc. nat, VI. Serie, T. 111, 1886, pag. 275-322. 44) Ders., Recherches comparatives sur l’origine des membres endogenes dans les plantes vaseulaires. Ann. Sc. nat., VII. Serie, T. 8, 1888. 45) Ders., Recherthes sur la symetrie de structure des plantes vasculaires, Ann. Se. nat, V. Serie, Tome XII, 1871, pag. 146-147. 46) White, J., On polystelie in roots of Orchidacese. University of Toronto studies. Biological series 1907. Erklärung der Tafeln. Tafel I. Fig. 1—6. Das Zusammenkonmen zweier Stelen in einer Knolle von Gymna- denia albida. Fig. 7--18. Querschnitte durch eine Knolle von Platanthera bifolia. 7a, 17a und 18a Teile der Fig. 7, 17 und 18, vergrößert. Tafel II. Fig. 1-7. Verschiedene Entwicklungsstadien von Orchis Morio. In 2—4 wurden die Objekte mittels Kalilauge durchsichtig gemacht. Fig. 8-10. Verschiedene Entwicklungsstadien von Orchis pallens. Fig. 11—18. Verschiedene Entwicklungsstadien von Orchis ustulata. Fig. 19-22. Verschiedene Entwicklungsstadien von Orchis maseula. Fig. 22 und 24. Zwei junge Pflanzen von Gymnadenia conopsen. Rückgang der Panaschierung und ihr völliges Erlöschen als Folge verminderten Lichtgenusses; nach Beob- achtungen und Versuchen mit Tradescantia Fluminensis Vell. var. albo striata. Von E. Heinricher, «Mit Tate) MI—IV und 2 Figuren im Text.) Die folgenden Mitteilungen haben ihren Ausgangspunkt in Wahr- nehmungen, die an genannten Tradeskantien, am Blumentisch in meinem Arbeitszimmer, gemacht wurden. Der Standart dieses Tisches ist eigent- lich nicht ganz zu rechtfertigen: zumal ein Botaniker sollte Pflanzen nicht an eine in bezug auf Liehtgenuß so ungünstige Stelle setzent). Aber eine Zimmerecke hinter meinem Schreibtisch sollte ausgefüllt werden und so wurde zu einem Blumentischehen gegriffen, auf dem eine Palme und einige Töpfe mit panaschierten Tradeskantien untergebracht wurden. Das Zimmer hat drei Fenster (3,0 m hoch. 1,4 m breit), zwei an der Süd-, eines an der Westseite. Die Ecke mit dem Blumentischehen ist von dem näheren Südfenster 6 m, vom Westfenster 3 m entfernt. Nur von den Südfenstern aus kann direktes Lieht die Pflanzen treffen. Die Palme kommt unter diesen Bedingungen fort, ohne merklich zu leiden, wenn auch das Wachstum ein äußerst langsames ist. Die pana- schierten Tradeskantien verraten aber bald die Ungunst des Standortes. Die Wachstumsintensität läßt nach, die neu entstehenden Blätter bleiben in der Größe bedeutend zurück, die Panaschierung schwindet mehr und mehr und d’e jüngst zeb’ldeten Blätter enthehren end!'ch derselben ganz. Dies wurde zunächst an Stücken beobachtet, die im Winter 1913 bis le14 auf dem Blumentisch vestanden waren. Auf den ersten Blick machte die Sache den Eindruck einer zweekmäßigen Selbstregulation. Die Be- schränkung auf die Eirzeueung chlorophylihaltigen Gewebes, das allein für die Ernährung der Pflanze von Bedeutung ist und die Vermeidung der Ausbildung chlorophylifreien Gewebes, das unter den geschilderten Verhältnissen gewissermaßen als Kraftverschwendung erscheinen konnte, mochte zu einer solehen Deutung verlocken. Tatsächlich ergibt aber eine nähere Überlegung. daß, wenn auch die Reaktion eine für die Erhaltung der Art gewiß günstige ist, so doch 1b) Ein Versuch war ursprünglich nicht beabsichtigt. E. Heinricher, Rückgang der Panaschierung und ihr völliges Erlöschen usw. 4i ihr Zustandekommen als zwangsweise eintretende Folge der Verhält- nisse aufgefaßt werden muß. Um die Verhältnisse und Erscheinungen besser überblicken zu können, wurden auf Grund der ersten Beebachtung einige weitere Ver- suche durehgeführt. Ehe Verlauf und Ergebnis dieser beschrieben werden. erscheint es aber zweckmäßig, einige anatomische Verhältnisse zu er- wähnen, die den Bau der albikaten Partien im Blatte im Vergleich zu dem der grünen, oder dem rein grüner Blätter betreffen. In den letzteren ist das chlorophyllführende Gewebe auf drei Zell- lagen beschränkt, die das Mesophyll zwischen den Epidermen, die be- kanntlich den Charakter von Wasserspeicherzellen zeigen, bilden. Die äußerste Zellage unter der oberen Epidermis hat die Form kurzer Pali- saden, und stellt wohl die spezifisch assimilierenden Zellen vor, Die folgende erscheint an Querschnitten aus isodiametrisch rundlichen Zellen aufgebaut und ist stets am stärkereichsten. Die unterste besitzt etwas weniger Stärke, doch stets beträchtlich mehr als die Palisaden. Sie ist reicher an Interzellularen; an Quersehnitten erscheinen die Zellen bald mehr minder iso- diametrisch, bald parallel zur Blattiläche gestreckt. Flächen- schnitte zeigen. daß dies kurz- aber mehrarmige Zellen mit großen Interzellularen sind, die Schwammparenchym darstellen, während die mittlere Zellage das Sammeln und Ableiten der Assimilate besorgt (vgl. das Bild eines Querschnittes in Fig. 1)?). Den gleichen Bau zeigen häufig die grünen Partien panaschierter Blätter. Auch an den albikaten Stellen solcher sind alle drei Zellagen des Mesophylis vorhanden, aber von einander kaum verschieden. Speziell die oberste. den Palisaden entsprechende Zellage, erscheint von der zweiten in nichts verschieden, während die dritte, wie im normalen Blatte. durch Reichtum und Größe der Interzellularen ausgezeichnet bleibt (vgl. Fig. 2)%. Die Blattquerschnitte haben an den albikaten Stellen Textfie. 1. 1) Die mikrophotographische Aufnahme ist von einem mit Javeile'scher Lauge behandelten, mit Hämatoxylin nach Corazzini gefärbten Schnitte gemacht worden. Die Stärke im grünen Gewebe war erhalten geblieben; von der oberen Epidermis sind nur die an die Palisadenschicht ansetzenden Wände erhalten. 2) Diese Aufnahme ist von einem Schnitte durch ein in Alkohol von 95% 42 E. Heinricher, geringere Höhe gegenüber den grünen, was auf dem Mangel an Palisaden, überhaupt kleinzeiligeres Mesophyl], teilweise auch auf geringere Höhe der Epidermiszellen zurückzuführen ist. Zwischen den albikaten Partien und den normal grünen kommen aber Übergänge vor, insofern als stellen- weise eine oder zwei Schichten des Mesophylis chlorophylifrei sind, zwei oder eine aber noch Chlorophyll führen. Es schiebt sich dann eine breitere oder schmälere Schicht grüner Zellen zwischen chlorophylifreie ein. Diese Partien stellen meist den Übergang zu rein albikaten dar. Die an diesen Übergangsorten vorhandenen grünen Zellen können bald’ der Palisadenschicht, bald der des Schwammparenchyms entsprechen. Die Folge dieser verschiedenen Mächtigkeit des chlorophyliführenden Ge- webes in den grünen Teilen panaschierter Blätter ist es auch, daß die an solchen durchgeführte Jodprobe oft scheinbar nur geringe Stärkemengen nachweist, weil die nur eine Lage Chlorophylizellen umfassenden Streifen in hellerer blauer Tönung erschei- nen; tatsächlich ist aber der Stärke- gehalt der grünen Zellen bei günstiger Beleuchtung der Pflanzen stets ein hoher. Das Mesophyll der albikaten Stellen enthält keine Stärke. Daß keine Assimilations- stärke in ihnen vorkommt, ist klar. Doch könnte aus zugeführtem Textfig. 2. Zucker entstandene Stärke in Leu- koplasten vorhanden sein. Tat- sächlich fand ich in diesem Mesophyll aber überhaupt keine Plastiden. Der in Textfig. 2 abgebildete Querschnitt (wie Fig. 1 eine mikro- photopraphische Aufnahme) entstammt in Alkohol eingelegtem Material. Der Schnitt wurde mit Hämatoxylin nach Corazzini gefärbt. Man sieht im Mesophyll nur Zellkerne, von Plastiden keine Spur. Trotzdem möchte ich ihr Fehlen bei der bekannten Labilität mancher Leukoplasten absolut nicht behaupten, zumal die exakteren Fixierungsmethoden nicht Anwendung fanden. Für die Ziele dieser kleinen Untersuchung erschien dies nieht geboten. Doch ist darauf hinzuweisen, daß die bekannten Leukoplasten in den Epidermiszellen der Tradeskantien, an [dem gleichen Material auch an den albikaten Partien, erhalten blieben?). gehärtetes Blatt gewonnen. Der Schhitt wurde mit Hämatoxylin nach Corazzini gefärbt, die Zeilkerne, in den Epidermen auch Leukoplasten, sind sichtbar. 1) Daß die Leukoplasten in der Epidermis von Trandescantia albiflora (= Tr. Finminensis), bei guter Beleuchtung der Pflanzen, Stärke führen, ist schon von Rückgaug der Panaschierung und ihr völliges Erlöschen usw. 43 Bezüglich des Vorkommens von Leukoplasten in den albikaten Geweben panaschierter Pflanzen herrschen ja nach den Angaben, die sich in der Literatur finden, weitgehende Verschiedenheiten. Bei den weißrandblätterigen Pelargonien sind nach Baur!) in den albikaten Partien farblose Chromatophoren vorhanden, die aus Zueker Stärke zu bilden vermögen. Vielfach geht abernach Zimmermann?) den Chromato- phoren bei einigermaßen starker Chlorose nicht nur das Vermögen zu assimilieren ab, sondern sie vermögen auch nicht aus zugeführtem Zucker Stärke zu bilden oder besitzen diese Fähigkeit in nur sehr be- schränktem Maße. Und ähnliche Abstufungen scheinen bei den Chromato- pheren panaschierter Pflanzen, bei denen nieht Eisenmangel Ursache der Albicatio ist, vorzuliegen, bis zu dem von Zimmermann erwähnten Extrem, daß in vielen Fällen eine gänzliche Zerstörung der Chromato- phoren innerhalb der albikalen Teile stattfindet®). Bemerkenswert ist, daß auch an den albikaten Teilen der Trades- kantien die Spaltöffnungen Chlorophyll führen. Bei den weißrandblätte- rigen Pelargonien haben die Schließzellen der Spaltöffnungen und zwar nicht nur am weißen Rande, sondern überhaupt farblose Chromato- phoren®). Nach Baur sind diese Pelargonien Periklinalchimären; auch die grünen Blatteile sind von einem Mantel chlorophylifreier Zellen um- geben, dessen Charakter auch die äußerste Zellage, aus der Epidermis und Spaltöffnungen hervorgehen, somit aufweist, Nach diesen Vorbemerkungen mögen die durchgeführten Versuche geschildert werden. Zimmermann nachgewiesen worden. Ich fand das auch für die Leukoplasten in den Epidermiszellen der albikaten Partien zutreffend. Es ist also die Darstel- lung mancher Lehrbücher (z. B. Frank, Lehrbuch der Botanik, Bd. I, pag. 48), daß den Leukoplasten in den Epidermiszellen allgemein das Vermögen abginge, aus zugeleiteten Assimilaten Stärke zu bilden, nicht zutreffend. Für das Fehlen von Plastiden im Mesophyli der weißen Blattpartien der Tradescantia spricht auch, daß das Betupfen solcher mit 1%iger Eisenchloridlösung zu keinem Ergrünen führt @gl. Zimmermann, pag. 28 in der unter Fußnote 3 genannten Abhandtung). D) Erwin Baur, Das Wesen und die Erblichkeitsverhältnisse der „Varie- tates albomarginatae Hort,“ von Pelargonium zonale (Zeitschrift für induktive Ab- stammungs- und Vererbungslehre 1909, Bd. I, pag. 334). 2) Albrecht Zimmermann, Über die Chromstophoren in chlorotischen Pflanzen (Beiträge zur Morphologie und Physiologie der Pflanzenzelle, Tübingen 1898, pag. 29). 3) Ebendort, Fußnote pag. 30. 4) Baur,a. a. 0. 44 E. Heinricher, Erster Versuch. Von den stark panaschierten Tradeskantien, die im Warmhause üppig gedeihen, wurden anı 21. März 1914 zwei Töpfe mit Stecklingen beschickt, der eine Topf auf den früher erwähnten, bezüglich des Licht- genusses schlecht situierten Blumentisch gestellt, der andere auf einen Ständer, der eine üppig gedeihende Phönix trägt. Hier sind die Licht- verhältnisse günstiger, direktes Licht kommt zu den Pflanzen vom Süden und Westen; das nächste Südfenster ist 214 m, das Westfenster 4% m vom Pflanzenständer entfernt. Die erste Prüfung der Pflanzen erfolgte am 23. Juli und ergab folgenden Befund: Topf am Blumentisch., Die vier Stecklingstriebe sind im ganzen wenig gewachsen, was bei den schlechten Lichtverhältnissen und ihrem stark panaschierten Laub erklärlich erscheint. Reaktionen in dem Sinne, daß die neuen Blätter kleiner wurden und die Panaschierung zurückging, sind aber fast an allen Trieben vorhanden. Die Verhältnisse seien durch Vorführung des Stecklingstriebes Nr. I im Bilde erläutert (Fig. 1, Taf. III). Das Bild ist eine photographische Reproduktion eines an 24. Juli aufgenommenen Aquarells!). Zunächst sieht man die Einwirkung der ungünstigen Verhältnisse in der Verkleine- rung der Blätter, an den letzten aber auch schon den vollkommenen Aus- fall chlorophylloser Partien. Die Abgrenzung der unter guten Verhält- nissen erwachsenen Blätter jener, die der Trieb besaß, als er als Steckling verwendet wurde, von den am ungünstigen Orte hinzugekommenen, tritt scharf hervor. Der Steckling Nr. II zeigte eine sehr merkliche Verminderung der weißen Streifen an den letzten Blättern. Der Steckling Nr. III hatte am vorletzten Blatte nur zwei schmale weiße Streifen, das letzte, verzwergte Blatt war rein grün. Steekling Nr. IV blieb ohne Reaktion, da die End- knospe abgestorben war, Topf am Palmenständer. Den besseren Lichtverhältnissen entsprechend, waren die Stecklinge hier bedeutend stärker gewachsen, hatten alle die doppelte Länge und mehr gegenüber dem Ausgang er- reicht. Ein Rückgang der Panaschierung war indessen an den meisten vorhanden, die obersten Blätter zeigten nur mehr schmale, weiße Streifen. Der Rückgang in der Größe war geringer als bei den Stecklingen am Blumentisch. 1) Die Aufnahme bringt das Objekt etwas unter der natürlichen Größe. Rückgang der Panaschierung und ihr völliges Erlöschen usw. 4 Zweiter Versuch. Das Ausgangsmaterial zu diesen wurde dem Topf am Palmen- ständer entnommen. Eingeleitet wurde er am 20. Oktober 1914 mit, vier Stecklingen, von denen jeder gesondert in ein Töpfehen mit Sanıl gesetzt wurde. Die verwendeten Sproße I-—-IV wurden ferner von der wissenschaftlichen Hilfsarbeiterin am Institut gezeichnet und koloriert!}. An allen Sprossen war, wie oben erwähnt, eine bedeutende Verkleinerung der Blätter (gegenüber jenen zu Beginn der Versuche, 21. März 1914) ersichtlich; die Panaschierung war aber, wenn auch merklich zurück- gegangen, doch auch an den letzten Blättern der Sprosse I, III und IV noch vorhanden, während bei Sproß 11 die letzten Blätter keine weißen Streifen mehr aufwiesen. Die Fragestellung bei diesen Versuche war die, wie weit und wie rasch die Blätter zur normalen Größe zurückkehren, wie weit die Panaschierung vorschreitet, wenn die Steck- linge wiederin die günstigsten Verhältnisse gebracht werden. Die vier Töpfchen kamen in die Abteilung des Warmhauses, die vor- züglich Farne und Bromeliaceen beherbergt. Wärme, feuchte Luft und gutes Licht standen den Stecklingen hier zur Verfügung. Das Ergebnis war bald erzielt und bezüglich der Sprosse I, III und 1V wesentlich übereinstimmend. Schon am 19. November, also nach Monatsfrist, konnte festgestellt werden, daß ein rascher Zuwachs er- folgte, die neu gebildeten Blätter ersichtlich Vergrößerung der Fläche und beträchtliche Zunahme der Panaschierung aufwiesen. Ich brauche auf die genauen Buchungen, die am 19. November gemacht wurden, nicht einzugehen. Am 31. Dezember wurden diese drei Stecklinge in natürlicher Größe photographisch aufgenommen und zwar so, daß die obersten Blätter, die zu Beginn des Versuches am 20. Oktober 1914 vorhanden waren, mit dem von da ab zugewachsenen Sproß auf die Platte kamen. Bei der weitgehenden Übereinstimmung, die die Sprosse 1, III und IV zeigten, wird es genügen, wenn ich das Bild des einen (IV) in Fig. 2, Taf. III vorführe. Wir sehen am Bilde, mit Marke bezeichnet, links das vorletzte Blatt; darüber rechts das letzte, das zu Beginn des Versuches vorhanden, aber noch nicht völlig ausgewachsen war. Bis 19. November (auch eine an diesem Tage gemachte photographische Aufnahme liegt vor) waren die zwei folgenden Blätter fertig ausgebildet, das dritte erst zu schwach 1) Fräulein Paula Würtele hat mich auch sonst bei dieser kleinen Unter- suchung bestens unterstützt. 46 E. Heinricher, halber Größe. Man sieht schon am erst hinzugekommenen Blatte die merkliche Zunahme der Größe; mit dem zweiten ist schon eine den Be- dingungen entsprechende Nermalgröße erreicht, die dann ungefähr herrschend bleibt. Eine Vermehrung der Panaschierung tritt deutlich hervor. An dem mit Marke versehenen Blatte ist das chlorophylifreie Gewebe nur durch einen schmalen Streifen in der Mitte, und sehr feine Streifen, die erst im durchfallenden Lichte recht deutlich wurden und wie Nerven erscheinen, vertreten. Schon das folgende, zu Beginn des Versuchs nicht völlig ausgewachsene Blatt, zeigt eine merkbare Ver- stärkung der Streifen und die zunehmende Verbreiterung derselben an den später entstandenen ist deutlich zu verfolgen. Allerdings ist der Verlauf der Erscheinung nicht so, daß die weißen Areale von Blatt zu Blatt regelmäßig gesteigert werden. Wir sehen an den neu zugewachsenen Blättern, daß auf das dritte, mit starker Panaschierung, das vierte mit merklich geringerer, und auf dieses wieder das fünfte mit besonders starker folgt. Ganz ist das Verhalten eben nicht nur von den äußeren, dem Bestand der Panaschierung günstigen Verhältnissen abhängig. Es hängt teilweise auch ab von der Zahl der in der embryonalen Anlage des Blattes vorhandenen chlorophylifreien Zellen, solange solche über- haupt in den Anlagen und den sie erzeugenden Vegetationspunkten noch erhalten sind. Auf solche Weise ist auch das breite weiße Band zu erklären, das unter dem untersten Blatte in Fig. 2 sichtbar ist. Dieses Blatt ist noch in der Periode, in welcher die Pflanze den minder günstigen Verhältnissen am Palmenständer ausgesetzt war, entwickelt worden. Dies kommt in der Blattgröße deutlich zur Ausprägung. Das auffällig breite Band in der unteren Blatthälfte ist aber auf einen ungewöhnlich starken Anteil chlorophylifreier Zellen bei der embryonalen Anlage des Blattes zurückzuführen. Abweichend von dem Verhalten der Stecklinge I, III und IV war das Verhalten des Stecklinges II. Dieser war schon zur Zeit der Ein- keitung des Versuches von den übrigen dadurch verschieden, daß seine Blätter nur wenige chlorophylifreie Stellen aufwiesen, solche den obersten nahezu ganz fehlten. Die bis Ende des Versuches neu gebildeten Blätter dieses Stecklings entbehrten der Streifung völlig; ihre Größe nahm in gleicher Weise zu, wie bei den Stecklingen I, III und IV, die Panaschie- rung war aber völlig geschwunden. Schon am 18. November waren neun Blätter zugewachsen, denn, wie die anderen Stecklinge, hatte auch dieser unter den günstigen Bedingungen nicht nur den Haupt- trieb weiter gebildet, sondern auch Seitensprosse entwiekelt. Der eine Rückgang der Panaschierung und ihr völliges Erlöschen new. 47 Seitensproß entsprang noch der Achsel eines mit drei weißen Streifen versehenen Blattes, seine Blätter aber waren rein grün. In eine Erörterung -der Ergebnisse will ich erst nach Besprechung des letzten, dritten Versuches eintreten. Dritter Versuch, Zu diesem wurden vier Stecklinge benutzt, die einem Topfe mit stark panaschierten Tradeskantien entnommen wurden. Der Topf kam am 23. Juli 1914 aus dem Gewächshaus und dann auf den Blumentisch in die lichtarme Ecke, Hier hatten sich die schon geschilderten Er- scheinungen: Rückgang der Blattgröße, starkes Zurücktreten der Pana- sehierung, auch völliger Schwund derselben eingestellt. Der Versuch wurde am 4. Januar 1915 eingeleitet. Jeder der Stecklinge kam in ein besonderes Töpfchen, sein Aussehen, Maße der vorhandenen Blätter wurden gebucht, der eine (IV) auch photographiert; die Töpfe wurden dann in das Warmhaus, in die Abteilung mit Farnen und Bromeliaceen, gebracht. ‚ Vorerst möge eine kurze Charakteristik über die Verhältnisse der verwendeten Stecklinge, zu Beginn des Versuches, gegeben werden. Steckling Nr. IL. 10 Blätter sind vorhanden, die drei untersten groß, stark panaschiert — noch unter guten Lichtverhältnissen, die sieben übrigen am Blumentisch in der lichtarmen Ecke entstanden, letztere zeigen abnehmende Größe und Zurüektreten des weißen (iewebes. Die zwei vorletzten Blätter haben noch je zwei feine, weiße Streifen, das letzte Blatt ist ganz grün. Die obersten Internodien etwas über- verlängert (Etiolement infolge relativ großer Wärme, starker Boden- (Topf)-Feuchtigkeit und schlechten Lichtes). Für diesen Sproß gebe ich auch die Maße der Blätter (Länge : Breite), von unten nach oben folgend, als Beispiel an: 1. 3,7:1,4 cm, 2.4,1:1,9, 3. 4,48 : 1,8, 4. 2,9 : 0,9, 5. 1,95 : 0,6, 6. 1,5 : 0,6, 7.1,8:: 0,65, 8. 2,25 : 0,75, 9. 2,3 ::0,9, 10. 1,25 : 0,55. Man sieht, daß auf das Einstellen des Topfes in die lichtarme Ecke rasch ein Sinken der Blattgröße (4.) eintritt, das sich dann steigert (5., 6.); bei dem 7. Blatte tritt wieder ein geringes Größerwerden der Blätter ein. Diese Zunahme der Blattgröße steht offenbar in Zusammen- hang mit der das Wachstum befördernden Wärme, die, nach Eintritt der Beheizung im Institute, erhöht war. Die Angaben über die folgenden Stecklinge will ich beschränken. Steekling Nr. II. Er besaß neun Blätter; die ersten beiden waren groß und noch unter den günstigen Verhältnissen gebildet; das eine wenig, 48 E. Heinricher, das andere sehr stark panaschiert. Der Abfall in der Größe bei den weiteren Blättern war bedeutend, se auch das Zurücktreten des chlorophyll- freien Gewebes. In kleinsten Ausmaße war solches jedoch noch an den letzten Blättern vorhanden. Steekling Nr. III. Von den neun Blättern waren vier groß und noch unter den günstigen Verhältnissen des Warmhauses erstanden, die ersten drei stark panaschiert, das vierte mäßig; die weiteren fünf Blätter zeigten starkes Sinken der Größe, Panaschierung war noch am fünften vorhanden, an den letzten vier fehlte sie. Angabe über die Größenver- hältnisse der Blätter: 1. 3,5 : 1,6, 2. 2,8: 0,9, 7.1,7:0,7, Steekling Nr. IV. Von diesem wurde zur Zeit des Versuchs- heginnes (7. Januar 1915) eine photographische Aufnahme gemacht, die in Fig. 3, Taf. IV vorliegt. Man sieht die starke Panaschierung der drei untersten Blätter und ihre bedeutende Größe. Sie waren im Warmhaus entstanden, die übrigen sieben unter den ungünstigen Verhältnissen am Blumentisch. An ihnen tritt die im allgemeinen sinkende Blattgröße hervor (ein geringes Anwachsen wieder bei Blatt e und /, aus den gleichen Ursachen, die bei Steckling Nr. I erwähnt wurden), und ebenso der Rückgang der Panaschierung. Die weißen Streifen an den Blät- tern werden immer schmäler, sinken bei e und / zu zarten, weißen Linien und fehlen am obersten Blatte g gänzlich. Die Ergebnisse mit diesen vier Stecklingen waren einheitlich und können gemeinsam besprochen werden, gestützt auf die Befunde, die sie zeigten, nachdem sie vom 8. Januar 1915 bis 8. März 1915 im Warm- haus gestanden waren. Ein bemerkenswertes Wachstum hatte jeweils nur das zu Versuchsbeginn oberste Blatt erfahren. Die Größe der neuen Blätter nahm, sich von einem zum anderen steigernd, zu. Alle entbehrten vollständig der Panaschierung, das gilt sowohl für die an der Hauptachse, als auch für die an Seitenachsen ent- standenen. (Mit Ausnahme von Stecklinz III hatten alle auch zwei Seitensprosse entwickelt.) Der Erfolg dieses Kulturversuches war also von dem des zweiten (wenn wir von diesem den Steckling Nr. II ausnehmen) wesentlich verschieden. Beim zweiten trat nach Über- tragung der Versuchsstecklinge in die günstigen Verhält- nisse des Warmhauses wieder eine beträchtliche Förderung der Panaschierung ein. Beim dritten blieb sie völlig aus, war die Panaschierung gänzlich ausgetilgt, waren die neuen Zuwiüchse gewissermaßen nur Rückschläge zur gewöhnlichen, grünen Tradescantia Fluminensis. Rückgang der Panaschierung und ihr völliges Erlöschen usw. 49 Die Ergebnisse des dritten Versuches finden ihre bildliche Dar- stellung in der photographischen Wiedergabe des Stecklings Nr. IV vom 8. März 1915 (Fig. 4, Taf. IV), die den Vergleich mit der Aufnahme zu Beginn des Versuches vom 7. Januar 1915 gestattet. In den Bildern sind die einander entsprechenden Blätter mit gleichen Buchstaben be- zeichnet. Man sieht die vom 1. Januar bis 8. März neu zugewachsenen Blätter, auch die von den ausgewachsenen Seitensprossen gebildeten. Letztere entsprangen den Blättern e und / des Stecklings, die noch zarte Streifen chlorophylifreien Gewebes besaßen. Wir treten in eine Erörterung der Versuche ein; die Erklärung der Ergebnisse scheint keine Schwierigkeiten zu bieten. Schon Sachs!) hat bei Darlegung der „Jodprobe‘“ nachgewiesen, daß die chlorotischen Stellen in panaschierten Blättern keine Stärke nachweisen lassen, daß die Plastiden in den Zellen der weißen Gewebepartien das Vermögen Stärke zu bilden, nicht besitzen®). Die farblosen Gewebsanteile weiß- grüner Blätter zehren gewissermaßen von den Assimilaten, welche die grünen Gewebe schaffen; sie bedürfen ihrer zum Aufbau in gleicher Weise wie die Organe eines chlorophylifreien Schmarotzers oder einer chlorophyll- freien Humuspflanze, einerseits die Assimilationsprodukte des Wirtes, andererseits die vorgebildeten, plastischen Stoffe des Humus zu ihrer Existenz. Die Ausbildung panaschierten Laubes erscheint daher von vornherein als ein Luxus, als eine Kraftverschwendung, welche sich die Pflanze nur unter günstigen Lebensverhältnissen, wo sie gewissermaßen einen Übersehuß an Baustoff von Assimilaten erzeugt, leisten kann. Da die assimilatorische Arbeit des Chlorophylis an das Licht ge- bunden ist, seine Leistung im allgemeinen der Intensität des Lichtes parallel geht, also bei schwacher Belichtung gering wird, erscheint es verständlich, daß die Pflanze in solehem Falle den Luxus beschränkt und von ihm schließlich gänzlich absieht. Es erscheint also vollständig naturgemäß, daß unsere stark panaschierten Tradeskantien in der ge- ringen Beleuchtung, am Blumentisch in der Fensterecke, die Panaschie- rung rückgebildet haben und endlich völlig aufließen. Die embryonale Anlage des Blattes erhält bei panaschierten Pflanzen 1) Ges. Abhandlungen über Pflanzenphysiologie, Bd. I, pag. 359 (Ein Bei- trag zur Ernährungstätigkeit der Blätter). 2) Gemeint ist netürlich Assimilationsstärke. Daß diese Plastiden da und dort aus zugeführtem Zucker noch Stärke erzeugen können, wurde erst später er- kannt. Vgl. die Ausführung pag. 4. Flora, Bl. 109. 4 50 E. Heinricher, einen größeren oder geringeren Anteil chlorophyllfreier Zellen‘). Sind die Verhältnisse günstig, so erhalten diese von dem Überschuß der Assi- milate der grünen Anteile so viel, daß auch sie sich vermehren können und parallel mit den grünen Anteilen der Blattanlage wachsen. Ver- setzt man die Pflanze bezüglich der Beleuchtung in ungünstigere Verhält- nisse, so hört die Erzeugung eines Überschusses in den grünen Geweben auf, oder wird stark vermindert. Zunächst können vielleicht noch im Sproß aufgestapelte Speicherungen herangezogen werden. Die weißen Partien werden zwar schon eingeengt, aber doch noch leidlich ernährt, so daß einigermaßen eine Vermehrung stattfindet. So lagen die Verhält- nisse wohl für das Blatt a in Fig. 3, Taf. IV daserste Blatt, das bei seiner Entwicklung schon unter ungünstiger Beleuchtung stand. Weiterhin wird die Vermehrung des chlorophylifreien Gewebes immer mehr eingeengt. Seine Zellen vermehren sich spärlich, in der Längsrichtung bleiben die Teilungen länger erhalten als in der Querriehtung; die weißen Streifen in den Blättern werden enger und enger. Zugleich wird infolge der mangelnden Ernährung des weißen Gewebes auch der Anteil, den die chlorophylifreien Zellen in den Vegetationspunkten haben, ständig ver- mindert und ebenso in den embryonalen Anlagen der Blätter. Schließ- lieh führt das zur völligen Ausmerzung der assimilationsunfähigen Zellen. Von diesen Gesichtspunkten aus sind auch die Ergebnisse voll- ständig klar, welche die Stecklingskulturen mit längerer Zeit in schlechter Beleuchtung gewachsenen Pflanzen, bei Wiedereintreten günstiger Licht- und Wachstumsverhältnisse ergaben. Auch das anscheinend wider- sprechende Ergebnis der Kulturen II und IH ist verständlich. In der Kultur Il war in den Stecklingen Nr. I, III und IV das chlorophylifreie Gewebe aus den Vegetationspunkten noch nicht völlig ausgeschaltet. Unter den günstigen Bedingungen, die mit dem Über- tragen der Stecklinge in das Warmhaus eintraten, fielen auch für dieses (tewebe wieder vermehrt Baustoffe ab. Die Panaschierung nahm all- möhlich zu und erreichte abermals, sozusagen, den normalen Grad, den die panaschierte Form der Tradescantia Fluminensis unter den günstigen Bedingungen der Warmhauskultur zeigt. 2) Die Verhältnisse in den Vegetationspunkten sind offenbar ähnlich, wie bei den „Varietates albomarginatae Hort.“ von Pelargonium zonale, besonders in jenem, die Sektorialchimären angehören. Es sei auf die so klaren und übersicht- lichen Ausführungen E. Baur's in seiner Abhandlung: „Das Wesen und die Erb- lichkeitsverhältnisse der „Varietates albomarginatae Hort.“ von Pelargonium zonale“ (Zeitschrift für induktive Abstammungs- und Vererbungslehre 1909, Bd. I, H. 4) verwiesen. Rückgang der Panaschierung und ihr völliges Erlöschen usw. 51 In der Versuchsreihe III war hingegen in der Hungerperiode, welche die Pflanzen durchmachen mußten, das chlorophylifreie Gewebe der Vegetationspunkte völlig ausgemerzt. worden. Die Stecklinge konnten auch unter den günstigen Verhältnissen des Warmhauses nicht mehr zur Panaschierung zurückkehren; die Blätter vergrößerten sich wohl wieder, aber ihr Mesophyll war jetzt nur aus grünen, chlorophylihaltigen Zellen aufgebaut. Das gleiche spielte sich bei dem Steeklinge Nr. II der zweiten Kultur ab. So erschienen die gemachten Beobachtungen und die bei den Versuchen erzielten Ergebnisse als Prozesse, die sich mit Notwendigkeit abspielen, die aber gleichzeitig für die Pflanze ökonomisch vorteilhaft und für die Erhaltung der Art günstig sind. Wie weit andere Pflanzen mit panaschiertem Laube dureh Ver- minderung der Lichtintensität zur Rückbildung oder Ausmerzung der chlorophylifreien Gewebsanteile gebracht werden können, müssen erst erweiterte Versuche zeigen. Von größerem Interesse wäre zunächst eine Untersuchung der „weißrandblätterigen‘“ Pelargonien, die nach Baur „Periklinalehimären“ sind. Lassen sich auch bei diesen die peripheren, mantelartig den Vegetationspunkt deckenden, albikaten Gewebe zum Schwinden bringen und treten grüne Zellen als Bildner der Epidermis und der darunter liegenden Schichten an ihre Stelle? Handelt es sich auch hier um eine Ausmerzung der weißen Hüllschichten dureh Über- wucherung der grünen, oder können allenfalls die Leukoplasten be- sitzenden weißen Anteile zur Ausbildung von Chloroplasten veranlaßt werden? Letzterer Fall erscheint wohl sehr unwahrscheinlich und ist hei den Tradeskantien gewiß ausgeschlossen. Daß aber derartiges, wenn sehon durch andere Außenbedingungen hervorgerufen, auch eintreten kann, zeigt das Nachstehende. Über einen Fall, wo die Panaschierung des Laubes durch Erhöhung der Temperatur zum Schwinden gebracht wird, berichtete in jüngster Zeit Figdor, wie ich dem Anzeiger!) der Kaiseri. Akad. der Wissensch. in Wien entnehme. Die Mitteilung betrifft die Panaschüre der Funkia undulata var, vittata, einer Kulturform der F. lancifolia Spreng. und berichtet: „Es wurde der experimentelle Nachweis erbracht, daß die Temperatur die Erscheinung der Panaschüre beeinflußt. Dieselbe 1) Jahrg. 1914, Nr. XXVI. Sitzung der mathemat,-naturwiss, Klasse yon 10. November 1914. Die Abhandlung, die zur Vorlage kam, hat den Titel „Uber die panaschierten und dimorpben Laubblätter einer Kulturform der Fınikia lanei- folia Spreng.“ Sie scheint zurzeit (22. Mai 1915) noch nicht gedruckt vorzuliegen. 4* 52 E. Heinricher, tritt in auffälligster Weise bei verhältnismäßig niedriger Temperatur (9—13° C) zutage, während höhere Temperaturen (20—25° C), die an- fänglich gelblichweißen Streifen der Blätter nach Verlauf kurzer Zeit gelblichgrün und schließlich ganz grün ausfärben.“ Es ist nicht ausgeschlossen, daß auch hei der panaschierten Trades- eantia die Temperatur auf den Rückgang und die Ausmerzung der albikaten Gewebe Einfluß hat. Wenn aber, so nicht eine erhöhte, wie in dem von Figdor beobachteten Falle, sondern eine relativ niedrige. Die vorausgehend mitgeteilten Beobachtungen und Versuche gaben nicht Anlaß zu einer solchen Annahme. Diese wurde vielmehr durch eine Beobachtung geweckt, die ich an einem üppigen Stock der panaschierten Tradescantia in meiner Privatwohnung machte. Dieser stand über Winter im Erker eines Zimmers, das nur ausnahmsweise geheizt wurde, für gewöhnlich Wärme nur aus dem beheizten Nachbarraum erhielt. Der Erker, mit einem großen Frontienster nach Norden und je einem schmalen nach Westen und Osten, bot der Pflanze, die unmittelbar an dem Nordfenster auf einem Ständer stand, nicht ungünstige Be- leuchtung; die Temperatur in demselben mochte aber selten über 10° C betragen haben. Die panaschierten Tradeskantien haben aber an ihren letzten Zuwüchsen nahezu ausschließlich rein grüne Blätter. (Ihre Zahl schwankt von drei bis sechs, beobachtet am 8. April 1915.) Es ist mög- lich, daß die relativ tiefe Temperatur des Standortes einen Einfluß auf diesen Rückschlag hatte, Erwiesen müßte dies erst durch eigens ange- stellte Versuche werden. Trotz des scheinbar guten Lichtes ist es mir doch wahrscheinlicher, daß dieses nicht die genügende Intensität besaß, zumal Sonnenschein fehlte und der Himmel ab Beginn Januar meist bedeckt warl). Pflanzen reagieren ja auf außerordentlich feine Licht- differenzen. Erst kürzlich habe ich dafür wieder einen verblüffenden Beleg gefunden, der die Keimung der Mistel betrifft. Ein auffallend geringer Lichtentzug, den bisher sicher niemand so eingeschätzt hätte, genügt schon, um die Keimung ihrer Samen außerordentlich zu ver- zögern, oder ganz zu hemmen. Ich werde darauf bei Mitteilung einer anderen Studie eingehend zurückommen. 1) Überdies ist ja von den Untersuchungen Detlefsen's (Arbeiten des bot. Instituts in Würzburg 1884, Bd. III, pag. 88) her bekannt, daß schon eine schein- bar gut situierte Pflanze, am Fenster stehend, nur von der Hälfte der Himmels- kugel, also nnr halb soviel diffuses Licht erhält als an einem freien Standorte. Mit der Entfernung vom Fenster fällt die Beleuchtung aber außerordentlich rasch. Nach der Berechnung des Genannten ist für ein Fenster von 2 m Höhe, 15 m Breite der Pflanze, die 0,5 m vom Fenster entfernt ist, bereits nur 0,3 jener Licht- menge geboten, die ein völlig freier Standort gewährt. Rückgang der Panaschierung und ihr völliges Erlöschen usw. 583 Übrigens sind die Rückbildungen und das Verschwinden der Pana- schüre bei Tradescantia Fluminensis var. albo striata und bei Funkia undulata var. vittata durehaus nicht in Parallele zu setzen, sondern grundverschieden. Bei ersterer handelt es sich um eine ständige Ver- minderung und schließlich völlige Ausmerzung der albikaten Zellelemente; sie werden unterdrückt, keineswegs aber etwa unıgewandelt in ergrünende. Bei Funkia ist aber das Verschwinden der Panaschüre auf Grünwerden der früher gelblichweißen Gewebe beruhend; die erhöhte Temperatur führt hier zum Ergrünen der früher offenbar — sehr chlorophyllarmen oder grüner Pigmente ganz enthehrenden Chromatophoren!), ein Aus- merzen von Gewebselementen findet dabei nicht statt. Noch wäre zu bemerken, daß die Notwendigkeit guter Beleuchtung zur Erhaltung der Panaschierung bei Tradescantia den Gärtnern bekannt zu sein scheint. Ein Handelsgärtner, mit dem ich sprach, sagte, daß bei schlechtem Lichte alle „zurückschlagen“. Dasselbe soll nach diesem Gewährsmann auch bei den weißrandblätterigen Pelargonien der Fall sein. Von anderer Seite sollen mit diesen in unserem Institute Versuche aufgenommen werden?). Zusammenfassung. Die panaschierte Form der Tradescantia Fluminensis geht bei geminderter Beleuchtung zur Bildung rein grüner Blätter über. Der Vorgang vollzieht sich allmählich und zwar sinkt auf solchem Standorte sowohl die Blattgröße ständig, als auch die Breite der weißen Streifen. Diese werden immer schwächer und verschwinden endlich ganz. 1) Ein völliger Mangel der Pigmente in den Plastiden der albikaten Anteile des Funkiablattes scheint nicht vorhanden zu sein, wofür die „gelblichweiße‘“ Fär- bung dieser Anteile spricht. Man vergleiche, was Baur über die Verschiedenartig- keit der Albicatio I. c. 330 mitteilt. Bei Funkia undulata var. vittata sind vermut- lich Chromatophoren vorhanden, die nur die gelben Farbstoffe, oder die gelben unvermindert, die grünen aber nur in Spuren enthalten. Die Temperatursteigerung führt zur Bildung oder Vermehrung der letzteren. 2) Diese Versuche wurden von Prof. Ad. Wagner inzwischen durchgeführt. ergaben aber, daß die verwendete Weißrand-Pelargonien-Sorte keineswegs in so einfacher und zweckmäßiger Weise auf geminderten Lichtgenuß reagiert, wie die panaschierte Tradeskantie. Die Pflanzen erwiesen sich zwar als im höchsten Maße lichtbedürftig, antworten auf geringen Lichtentzug durch für die Dikotylen typische Etiolementerscheinungen, überaus starke Verlängerung der Blattstiele und größte Verminderung der Blattspreiten. Aber so klein diese schließlich auch werden, den weißen Blattrand halten ale fest. 54 E. Heinricher, Rückgang der Pnnaschierung und ihr völliges Erlöschen usw, Diese Reaktion erscheint als eine notwendige und zugleich für die Erhaltung der Art günstige Folge des den albikaten Teilen fehlenden Vermögens CO, zu assimilieren. Die echlorophrllireien Zellen leben gewissermaßen para- sitisch von dem Überschuß an Assimilaten, welchen die grünen Gewebe bei guten Lebensbedingungen erarbeiten. Unter schlechten fällt für die albikaten Zellen wenig und schließlich nichts mehr ab, ihre Vermehrung wird ver- mindert und endlich ganz unterbunden. Früher oder später hat sich ihre völlige Ausmerzung aus den embryonalen Blattanlagen und den Vegetationspunkten der Sprosse vollzogen. Bringt man Stecklinge von Pflanzen, die durch längere Zeit ungünstiger Beleuchtung ausgesetzt waren, in gute Lieht- und Wachstumsverhältnisse (Warmhaus), so kann ihr dort erfolgender Zuwachs verschieden ausfallen. In jedem Falle steigt die Blattgröße wieder zu einem Normal- maßan, diePanaschierung aber kann:1.chenfalls sich wieder steigern und zur Stärke der normalen weißgestreiften Form von Tradeseantia zurückkehren, oder 2, vollständig abhandenkommen. Im ersteren Falle war während des Aufenthaltes am lichtarmen Standorte, in den Vegetationspunkten, nur eine starke Beschränkung der chlorophylifreien Zellen, im zweiten bereits ihre vollständige Ausmerzung vor sich gegangen. Innsbruck, Botanisches Institut der Universität, im Mai 1915. Kernverschmelzungen in der Sproßspitze von Asparagus offieinalis, Von P, N. Schürhoft. (Mit Tafel V.) Das Vorkommen von Kernverschmelzungen in den vegetativen Zellen der höheren Pflanzen ist bereits in einer größeren Anzahl von Fällen iest- gestellt worden. Es sei nur erinnert an die Tapetenzellen der Antheren- wandungen und an die von Nemüe?), Stomps?) und anderen beschrie- benen Kernverschmelzungen in Wurzelspitzen. Im Endosperm wurden schon im Jahre 1880 Kernverschmelzungen bei Corydalis von Stras- burger?) beschrieben und endlich sind die meisten der bisher als Amitosen angegebenen Fälle hierher zu rechen, z. B. die von v. Wasielewski?) durch Chloralisierung erzeugten Kernbilder und die Riesenkerne der Heterodera-Gallen, die von Tischler’) als Amitosen angesprochen wurden. Betrachten wir im Gegensatz zu den vegetativen Kernversehmel- zungen die Verhältnisse der bei der Befruchtung vorkommenden Kerne, so zeigen uns diese haploide, diploide und tripleide Chromosomenzahlen; sofern Fremdbestäubung eintritt, wird das Verschmelzungsprodukt die Summe der Eigenschaften der Eltern zeigen unter Beachtung allerdings der dominierenden bzw. rezessiven Merkmale; es wird also ein mit einer neuen Mischung von Erkeinheiten versehener Kern gebildet. Anders verhält es sich bei Kernverschmelzungen von Kernen desselben Indi- vidiuums. Hier findet keine Umstimmung der Erbmasse statt, sondern nur eine gleichartige Vermehrung derselben. Fs handelt sich wohl stets um einen korrelativen Vorgang um Kernmasse zur Zellgröße in ein be- stimmtes Verhältnis zu bringen. Daß auch auf anderem Wege eine Ver- mehrung der Substanz zustande kommen kann, wurde bei den haploiden Kernen im Embryosack von Lilium Martagon festgestellt. Dort erfahren 1} Nem£&e, Das Problem der Befruchtungsvorgänge” Berlin 1910. 2) Stomps, Kerndeeling en Synapsis bij Spinacia oleracea L. Amster- dam 1910. 3) Strasburger, Zellbildung und Zellteilung. Jena 1880. 4) v. Wasielewski, Theoretische und experimentelle Beiträge zur Kennt- nis der Amitose. Leipzig 1902. 3) Tischler, Über Heterodera-Gallen an den Wurzeln von Circaea iute- tiana L. (Ber. d. D. bot. Ges. 1901, Bd. XIX). 56 P. N. Schürhoff, die Chromosomen der Antipodenregion bei einem der Teilungsschritte eine doppelte Längsspaltung, so daß auf diese Weise im Embryosack zum Teil diploide Kerne vorhanden sind?). Eine Vorbedingung für das Zustandekommen von Kernverschmel- zungen ist das Vorhandensein von mehrkernigen Zellen; diese entstehen dureh Auflösung des Phragmoplasten in der Telophase, was wir am besten bei den Teilungen im Embryosack beobachten können. Außerdem können auch durch nachträgliche Auflösung der Zellmembranen die Zellen mehr- kernig werden. Die dureh Verschmelzung entstandenen Kerne sind bereits an ihrer Größe kenntlich, ebenso sind auch die Zellen wesentlich größer als diejenigen mit einem normalen Kern. Diese Kernverschmelzungen sind von besonderer biologischer Be- deutung, insofern, als sie im Stande sind, uns eine Brücke zu geben zu den besonderen zytologischen Verhältnissen, wie sie beim Befruchtungs- vorgang sich abspielen. Wir können feststellen, daß das Ausbleiben der Scheidewandbildung in der Telophase ein unter normalen Bedingungen auch im vegetativen Gewebe zu beobachtender Vorgang ist und daß Kernverschmelzungen sehr leicht zustande kommen, ja daß das Vor- kommen von mehreren Kernen in einer Zelle fast stets eine Verschmelzung der Kerne nach sich zieht. Wenn einerseits im vegetativen Gewebe zwei oder mehrere diploide Kerne desselben Individuums miteinander sich vereinigen, so finden wir in der „Befruchtung“ des diploiden Endospermkernes den Übergang zur Vereinigung der haploiden Gameten. Beim Endospermkern verschmilzt bekanntlich ein haploider Kern mit dem diploiden Kern eines anderen Individuums. Es würde infolgedessen auch mit der Möglichkeit, daß diploide Kerne verschiedener Individuen verschmelzen können, ohne weiteres zu rechnen sein und, wie es Bastardendosperme gibt, könnten auf vegetativem Wege derartige Bastardierungen vorkommen; leider haben die sogenannten Pfropfbastarde keine Mischung ihrer Kerne vorgenommen, so daß wir eine derartige vegetative Bastardierung noch nieht kennen. Doch zeigt die Entstehung von Oenothera gigas®), daß aus einer diploiden Pflanze durch Mutation eine didiploide entstehen kann und auch durch Bastardierung wurde z. B. bei einem fertilen Exemplar 1) Strasburger, Chromosomenzahlen, Plasmastrukturen, Vererbungsträger und Reduktionsteilung (Jahrb. f. wiss. Bot. 1908). 2) Gates, R. R., Pollenformation in Oenothera gigas (Annals of Bot. 1911) sowie Davis, B. M., Cytological studies on Oenothera (Annals of Bot. 1911). Kernverschmelzungen in der Sproßspitze von Asparagıs offieinalis. 57 von Primula Kewensis!) eine Verdoppelung der Chromosomenzahl er- zielt, obwohl die Eltern und sterile Exemplare die normale Anzahl be- saßen. Andererseits zeigt das häufige Vorkommen von Apogamie bzw. nach Winkler somatischer Parthenogenesis, daß die Reduktionsteilung der Embryosackmutterzelle unterbleiben kann, so daß hier die Verhält- nisse gegeben sind wie beim diploiden sekundären Embryosackkern und allerlei Vorbedingungen für die Entstehung neuer Arten gegeben sind. So besitzen also die vegetativen Kernverschmelzungen eine große Wichtigkeit, da sie uns das Wesen der Befruchtung besser verstehen lehren und die Möglichkeit neuer Artbildungen vor Augen führen. Ein besonders gutes Beispiel für vegetative Kernverschmelzungen konnte ich nun in den Sproßspitzen von Asparagus offieinalis feststellen und zwar finden sich diese Kernverschmelzungen in den „Spargel- köpfchen“. Ich benutzte als Material die oberen Teile der frisch gestochenen (marktfähigen) Spargel, fixierte sie in Chromessigsäure und färbte mit Safranin-Wasserblau. Die Kernverschmelzungen von Asparagus führen zu außerordent- lich großen Riesenkernen, wie uns z. B. Fig. 8 zeigt, in der zum Ver- gleich auch die normalen Nachbarzellen mit ihren Kernen gezeichnet sind. Die Größe der Riesenkerne nimmt mit der Entfernung vom Vege- tationspunkte zu und die Kernbilder zeigen auch noch Verschmelzungen, wenn die einzelnen Kerne bereits eine außerordentliche Größe ange- nommen haben. Hieraus ergibt sich auch mit Bestimmtheit, daß diese Bilder keine Amitosen darstellen, denn in diesem Falle dürften gerade die älteren Kerne, die vom Vegetationspunkte weiter entfernt sind, keine derartig außergewöhnliche Größe haben, da die Kernmasse durch die voraufgegangenen Amitosen bereits reduziert sein müßte, auch wenn zuerst eine wesentliche Vergrößerung des Kernvolumens durch einfachen Riesenwuchs vorausgegangen wäre. Bei älteren Zellen ließ sich feststellen, daß diese durch Auflösung der Zellwand mehrkernfg werden; ob dasselbe bei jüngeren Stadien auch stets der Fall war, ließ sich bisher nicht mit Sicherheit ent- scheiden. Die Kernverschmelzungen befinden sich nur in bestimmten Teilen des Gewebes und zwar stets in der Peripherie der jungen Gefäßbündel- 1) Digby, L., The eytology of Primula Kewensis and of other related Primula Hybrids (Ann. of Bot. 1912). 58 P. N. Schürhoff, anlagen. Nachdem sie ihre Maximaleröße erreicht haben, beginnen die Kerne zu degenerieren und zwar findet man diese Stadien in etwa l om Entfernung von der Sproßspitze. Die Gefäßbündelanlagen heben sich in der Färbung von den um- gebenden Zellen durch die Menge ihres Protoplasmas ab und auch durch das Fehlen von Interzellularräumen, sowie die prosenchymatische Natur ihrer Zellen. Diese dichten Stränge sind nun von einer einzellichen Schicht von Zellen umgeben, deren Nueleolus sich vergrößert zeigt und besonders intensiv gefärbt ist. Die „Nährzellen‘‘, wie ich sie im folgenden kurz bezeichnen möchte, nehmen schnell an Größe zu; sie sind, entsprechend dem Verlaufe des Gefäßbündels gestreckt und zeigen, je weiter sie von der Sporenspitze entfernt sind, einen um so größeren Kern. Die Mengen- zunahme des Kernes ist durch Kernverschmelzungen bedingt, die wir in allen Stadien bei Kernen jeder Größe in den „Nährzellen“ vorfinden. Die Struktur des Kernes läßt vor allem den großen Nukleolus, der sich mit Safranin sehr stark färbt, erkennen, das Kerngerüst besteht nur aus wenigen fädigen Bestandteilen, die sich mit Wasserblau blau gefärbt haben. Chromatinkörnehen finden sich so gut wie gar nicht und der riesenhafte Kern macht, abgesehen von dem großen Kernkörperchen, einen sehr inhaltsarmen Eindruck. Das Protoplasma der ‚„Nährzelle“ ist vakuolig und auch rein blau gefärbt im Gegensatz zu den anderen Zellen, die eine mehr rötliche Färbung vom Safranin her behalten haben. Sowie die Degeneration beginnt, sieht man zuerst die Grenzen der Zellwand schwinden, dann wird das Protoplasma der Zelle resorbiert und zuletzt erfolet die Auflösung des Zellkerns, wobei insbesondere das Zerfallen des Nucleolus in verschiedenen Körnchen zu beobachten ist. Wir finden infolge der Resorption dieser „‚Nährzellen“ neben den Gefäß- bündelanlagen regelmäßig leere Spalten, die der Größe der vorherigen „Nährzellen‘‘ entsprechen. Diese Zwischenräume werden aber bald von den angrenzenden Parenchymzellen geschlossen. Werfen wir die Frage nach der biologischen Bedeutung dieser Riesenkerne auf, so wird die Annahme zutreffen, daß es sich hier um eine erhöhte Nährstoffbereitung handelt. Die Merkmale der Kernverschmel- zungen und die Resorption durch die viele Nahrung beanspruchenden Nachbarzellen haben unsere Riesenzellen mit den Tapetenzellen der Antheren gemeinsam; auch die letzteren werden vor allem auch zur Bildung mechanischen Gewebes, nämlich der Pollenmembran verwandt und so dürften die Asparagus-Riesenkerne bzw. Zellen die schnelle Be- schaffung des Materials für die Gefäßwandungen ergeben, um so mehr, Kernverschmelzungen in der Sproßspitze von Asparagus officinalir. 59 als es sich bei der Pollenbildung und ebenso bei der Sproßentwieklung von Asparagus um sehr schnell wachsende Organe handelt. Auch die Kernverschmelzungen der Heterodera-Gallen finden in Zellen statt, die auf morphologische Fähigkeit verziehtend, eine intensive ernährungs- physiologische Tätigkeit entfalten. Von diesem Gesichtspunkt wird auch die „Befruchtung‘‘ des Embryosackkernes verständlich; auch die triploide Endospermgeneration hat auf morphologische Aufgaben verzichtet und sich ausschließlich auf die Ernährung des Embryo eingetsellt. Zudem wäre hier zu bemerken, daß der Ausdruck „vegetative Befruchtung‘ für die Kopulation des diploiden sekundären Embryosackkernes mit dem zweiten Spermakern mir völlig ungerechtfertigt erscheint. Denn, wenn Strasburger z. B. einen so scharfen Unterschied macht zwischen Apogamie und Partheno- genesis aus dem einen Grunde, weil das Ei in den Fällen von Apogamie seinen diploiden Charakter gewahrt hat und wenn infolgedessen Stras- burger dieses diploide Ei als vegetative Zelle betrachtet, so kann man folgerichtig den diploiden sekundären Embryosackkern auch nur als Kern einer vegetativen Zelle bezeichnen und seine Kopulation mit dem zweiten Spermakern nur den vegetativen Kernverschmelzungen an die Seite stellen, die man gemäß ihrer biologischen Bedeutung vielleicht als Trophomixis bezeichnen könnte. Mit größerem Rechte ließe sich die Verschmelzung der beiden haploiden Kerne zum sekundären Embryosackkern als eine Art der Selbstbefruchtung auffassen. Um endlich noch auf das Beispiel der Vermehrung der Kernsub- stanz im Embryosack von Lilium Martagon zurückzukommen, so ist diese wahrscheinlich auch zu ernährungsphysiologischen Zwecken vor- genommen, um eine bessere Versorgung des Embryosackes mit Nähr- stoffen sicherzustellen in ähnlicher Weise, wie es z. B. bei den Polycarpieae durch die zum Teil riesenhafte Entwieklung der Antipoden erreicht wird. Als Ergebnis dieser Beobachtungen finden wir also in den Sproß- spitzen von Asparagus offieinalis regelmäßig an der Peripherie der jungen Gefäßbündelanlagen Kernverschmelzungen und als Folge hiervon Riesenkerne in Riesenzellen. Diese Zellen degenerieren nach kurzer Zeit und dienen wahrscheinlich als Baumaterial für die Gefäßbündel. 60 P. N. Schürhoff, Kernverschmelzungen in der Sproßspitze von Asp. offic. Erklärung der Tafelabbildungen. Sämtliche Zeichnungen sind bei 750facher Vergrößerung gezeichnet. 1. Kernverschmelzung in einer noch sehr jungen „Nährzelle“, die sich gerade erst durch Färbung und Größe als solche gut erkennen ließ. 2. Kernverschmelzung in einer etwas älteren Nährzelle. 3 und 4. „Nährzellen“ in jungem Stadium. 5 und 6. Kerne von älteren „Nährzellen“; in 5 ein Kern, bei dem die Nukleolen noch nicht verschmolzen sind, ?. Zwei nebeneinanderliegends Riesenkerne vor der Verschmelzung. &. Zwei frei nebeneinanderliegende Riesenkerne, deren Zellen ihre Zell- membranen aufgelöst haben, daneben eine Reihe von parenchymatischen Zellen, um den Unterschied in der Kerngröße zu zeigen. 9—12. Verschiedene Stadien der Verschmelzung; in 10 eine Zelle der Ge- fäßbündelanlage mitgezeichnet, man sieht, daß die Riesenkerne den vielfachen Inhalt der normalen Zellen besitzen. An sämtlichen Riesenkernen fallt der große Nucleolus bzw. die Nukleolen auf im Gegensatz zur sonstigen Inhaltsarmut der Riesenkerne. Zur Analogie zwischen lebender Materie und Proteo- somen. Von Oscar Loew. Die von Th. Bokorny und mir!) beschriebenen, mit Koffein in vielen Pflanzenzellen erzeugten glänzenden Tropfen, Proteosomen ge- nannt, sind nach unserer Auffassung im wesentlichen der labile Eiweiß- stoff, der das Material zum Aufbau des lebenden Protoplasmas dar- stellt. Alles, was die Zelle tötet, wirkt auch, wenn auch meist langsamer, koagulierend auf die Proteosomen und aus diesen stark lichtbreehenden Tropfen werden unter Vakuolenbildung hohle, feste, nicht mehr im Wasser lösliche Gebilde. Da nun ein chemischer Unterschied des Protoplasmas in lebenden und toten Zellen durch spezifische Färbungen nachgewiesen werden kann, wandte ich diese charakteristischen Reaktionen auch auf die Proteosomen im frischen, labilen, sowohl als auch den koagulierten, stabilen Zustand derselben an. Hieraus ergab sich eine vollständige Analogie des Verhaltens von Protoplasma und Proteosomen. Mosso?2) empfahl Methylgrün zur Entscheidung, ob Protoplasma abgestorben ist. Das Methylgrün wurde von ihm zu 2%, in einer 0,8 bis 1%igen Kochsalzlösung gelöst, angewandt. Lebende Zellen färben sich damit violett, tote grün. Die Versuche wurden mit Leukozyten, Flimmer- epithel, Haaren von Tradescantia virginica usw. und anderen Ob- jekten ausgeführt. Rhumbler°) versuchte eine Mischung eines sauren Farbstoffes (Eosin) mit einem basischen (Methylgrün). Nach Ruzika sind diese Versuche jedoch nicht einwandfrei, weil Methylgrün zu giftig wirkt und die Zellen rasch tötet. Er schlägt eine Mischung vor von Neutralrot und Methylenblau, welche beide Farbstoffe basischer Natur sind®). Er mischte 0,05%,ige Lösungen beider Farbstoffe. Granula von Leukozyten färbten sich in dieser Lösung rot, solange die Leukozyten lebend waren, in abgestorbenen Leukozyten aber färbten sie sich blau. Amöben färbten sich rot, solange sie Bewegung zeigten, beim Absterben wurde die an- 1) Siehe besonders Flora 1895, pag. 68; Bd. CII, pag. 113; Bd. OVII, pag. 11}; ferner 0. Loew, Die chemische Energie der lebenden Zellen, II. Aufl., Kap. 7 u. 8. 2) Virch. Arch., Bd. XII, pag. 397 [1888]. 3) Zool. Anzeig., Bd. XVI, pag. 47 [1893]. 4) Pflüg. Arch., Bd. CVII, pag. 497. 62 Oscar Loew. fängliche Färbung blau und zwar sowohl der Zellkern, als auch die Granula. Muskelfasern und Flimmmerepithel zeigten dieselben Unter- schiede im lebenden und toten Zustande. Bakterien und Hyphomyzeten färbten sich violett mit rotem Ton wenn lebend, aber violett mit blauem Tan wenn tot. Ruzika nimnit für diese Färbungen sowohl physikalische Faktoren als auch chemische Wirkungen an und meint: „Es ist klar, daß wenn wir die supponierten Gruppen des Eiweißmoleküls kennen würden, wir imstande wären, den chemischen Unterschied zwischen lebendem und totem Protoplasma zu präzisieren.“ Wenn nun nach meiner Ansicht zwischen den labilen und stabilen Proteosomen derselbe chemische Unterschied besteht, wie zwischen den Proteinen des lebenden und des toten Protoplasmas, so muß auch das Verhalten der Proteosomen gegen Methylgrün und gegen die Ruzika- Mischung das gleiche sein, wie das zwischen lebenden und toten Proto- plasma. Zu meinen Versuchen nahm ich jene Farbstoffe weit verdünnter als die genannten Autoren, so verdünnt, daß die Lösung nurnoch schwach gefärbt erschien. In solehen Lösungen ließ ich die Objekte 1—2 Tage und zwar am Tageslicht; die lebenden Zellen blieben so zum großen Teile am Leben. Es wurde auch etwas Koffein zugesetzt, weil sonst die labilen Proteosomen langsam in Lösung gegangen wären. Es wurde auf diese Weise die Giftwirkung der Farbstoffe vermieden, andererseits auch eine allgemeine diffuse Färbung der ganzen Zelle verhindert, wie sie bei kon- zentrierteren Farbstofflösungen eintritt. Zu den Versuchen eignet sich am besten Spirogyra majuseula, weil diese Art oft so viel aktives Eiweiß im Zellsaft speichert, daß bei mehrstündigem Aufenthalt in einer 0,1—0,5%igen Lösung von Koffein sehr große Proteosomen von mehr als dem halben Zelldurchmesser in den Zellen entstehen. Man wartet, bis die zahlreichen anfangs gebildeten kleinen Tröpfchen sich zu wenigen großen verschmolzen haben. Nach einigen Tagen Liegen in der Koffeinlösung fangen einige Zellen an ab- zusterben und einige Zeit darauf zeigen auch die in diesen Zellen befind- lichen Proteosomen Trübung durch Bildung zahlreicher kleiner Vakuolen, ein Prozeß, der häufig bis zur Bildung einer festen Hohlkugel fort- schreitet. Legt man nun eine Anzahl soleher Fäden, in welchen ja die lebenden und toten Zellen sehr leicht voneinander zu unterscheiden sind, in eine sehr verdünnte nur schwach gefärbte Lösung von Methyl- grün, welcher man etwas Koffein zugesetzt hat, so kann man schon nach 4 Stunden eine Anzahl Zellen beobachten, welche Farbstoff aufgenommen haben, weit intensiver zeigt sich jedoch die Färbung nach 1—2 Tagen. Zur Analogie zwischen lebender Materie und Proteosomen. 63 In den noch lebenden Zellen haben sich nun die labilen Proteosomen rosa bis violett gefärbt, in den toten Zellen aber die vakuolisierten stabilen Proteosomen intensiv grün. In einigen wenigen Fällen waren die Proteo- somen tief blau gefärbt. Solche blaue Proteosomen kamen vereinzelt, auch in Zellen vor, in welchen schon ein bis zwei andere Proteosonen intensiv grün gefärbt waren. Da blau aus violett und grün hervorgeht, dürfte es sich um noch nicht vollendete Gerinnung handeln. Es ergibt sich also aus dieser Erscheinung, daß eine erhebliche chemische Veränderung beim Koagulieren der Proteosomen vor sich scht. Worin besteht nun die Veränderung des Methylgrüns durch die labilen Proteosomen und durch das lebende Protoplasma zu einem roten bis rotvioletten Farbstoff? Das Methylgrün w'rd aus dem Methylviolett durch Addition von Chlormethyl gewonnen; dieses Grün spaltet bei Temperaturen über 120 Grad das Chlormethyl wieder ab unter Rückbildung des ursprüng- lichen Methylvioletis. Es wirken also die lahilen Eiweißstoffe bei gewöhn- licher Temperatur ebenso verändernd auf das Methylgrün wie eine Temperatur von über 120 Grad. Die Formeln der beiden Farbstoffe mögen hier angeführt werden: enyn-7 “ NNCH, nel, (CH, N— --K{CH,,01 \ )-t= ) 0 \ ' NY vw N N u LJ vv Y | CH, — N=(CH,) Methylviolett N == (CH,), Methylgrün ci Auf Unterschieden im Grade von Alkaleszenz oder Azidität he- ruhen in diesem Falle die verschiedenen Färbungen ganz gewiß nicht, wie auch daraus hervorgeht, daß solche Proteosomen, welche im labilen Zustande in eine 0,1%ige Lösung von Ammoniak kamen und unter Ammoniakabsorption erstarrt waren, sich nicht violett, sondern tief grün färbten. Durch die Ammoniakabsorption würde ja ein schwach alkalischer Grad noch verstärkt worden sein!) und um eine schwach 1) Nach meiner Ansicht über die Bildung von aktivem Eiweiß aus denı 64 Oscar Loew. saure Beschaffenheit kann es sich ja bei dem aktiven Eiweiß nicht handeln, sondern höchstens bei dem umgelagerten koagulierten Eiweiß der Proteosomen, dem passiven Eiweiß. Es wurde noch zur Kontrolle eine Anzahlsolcher Fäden mit lebenden und toten Zellen 2 Tage lang in einer hochverdünnten Methyl- violett-Lösung belassen. Hierbei stellte sich heraus, daß sowohl Zyto- plasma als Proteosomen in lebenden Zellen den Farbstoff aufnahmen. in den abgestorbenen Zellen aber nicht, im Gegensatz zu manchen anderen Farbstoffen. Die stabilen koagulierten Formen der Proteosmen zeigten bei diesem Versuche lediglich die gelbliche Färbung, welche sie gewöhnlich nach ein Paar Tagen durch Oxydation der geringen Gerbstoff- heimengung zeigen. In einzelnen Zellen war das abgestorbene Zyto- plasma wie sonst ungefärbt, aber doch die Proteosomen violett. Es ergab sich dann, daß diese Proteosomen noch nieht geronnen waren. Was nun die Ruzika-Mischung betrifft, so läßt sich zwischen den beiden Farbstoffen derselben kein wesentlicher Unterschied in der Basi- zität aus der Struktur entnehmen; die Aufnahme des einen oder anderen der Farbstoffe durch Proteosomen hängt möglicherweise teilweise mit einem Unterschied in der Konfiguration jener Atomgruppen zusammen, welche mit dem Unterschied zwischen der labilen und stabilen Form von Eiweiß zusammenhängen. Die Formeln beider Farbstoffe sind wie folgt: a \ IN - Bi —CH, CH). u ‘—NCCH,), I. | 1 j — | (CHA=N- —N=\ JNILHC | TEL Neutralrot | Methylenblau Die lebenden Zellen färben sich, wie erwähnt, in dieser Mischung mit Neutralrot, die toten mit Methylenblau. Der Umschlag von rot in blau geschieht nach Ruzika beim Absterben der Zeilen in der Mischung oft sehr schnell. In voller Übereinstimmung mit dieser Er- Dialdehyd der Asparaginsäure durch Kondensation unter Reduktionsvorgängen sind jene Atomgruppen folgendermaßen konstituiert: —CH—NH, —CH-NE, —CH—NH ! ı ! 1 0-00 cl 6 .dy OH =6-0n oc =6 x“ Labile Gruppe im Mit Ammoniak fixierte Stabile, umgelagerte aktiven Eiweiß Gruppe Gruppe im passiven gewöhnlichen Eiweiß Zur Analogie zwischen lebender Materie und Proteosomen. 65 scheinung ist nun das Verhalten der labilen und stabilen Form der Proteo- somen. Setzt man zu einer Koffeinlösung, in welcher Spirogyra-Fäden sich seit mehreren Tagen befunden haben, einige Tropfen der verdünnten Ruzika-Mischung, so daß die Lösung nur sehwach gefärbt erscheint, so sind nach einem Tage!) alle labilen Proteosomen intensiv rot, die koagulierten Proteosomen aber in den abgestorbenen Zellen tief hlan, ein instruktives Bild, welches einen überraschenden Anbliek gewährt. Sehr schön demonstriert sich aueh der Übergang vom labilen in den stabilen Zustand der Proteosomen. In manchen noch lebenden Zellen nämlich hat ausnahmsweise die Koagulation der Proteosomen schon begonnen, ist aber noch nicht vollendet. In diesem Falle sind die Proteosomen violett (Mischfarbe). Es gibt ferner, wenn auch sehr ver- einzelt, Fälle, bei denen in noch lebenden Zellen die Koagulation der Proteosomen sehon vollendet ist. In diesen Fällen ist nur ein tiefes Blau zu sehen, ein Beweis, daß das Methylenblau durch das lebende Zytoplasma ehenso leieht eindringt, als das Neutralrot. Von Wert war es noch, auch die mit 0,1%, Ammoniak fixierten Koffeinproteosomen (s. oben) mit der Ruzika-Mischung zu prüfen. Es ergab sich hier, daß sich diese überall mit Neutralrot färbten. Hier also verhielt sich sowohl das labile als auch das Amino-Eiweiß der Proteosomen völlig gleich, während im Methylgrün-Versuch im Gegen- teil die mit Ammoniak fixierten Proteosomen, das Amino-Fiweiß, sich wie die koagulierten verhielten. Dieser fundamentale Unterschied ist aber leicht begreiflich: Bei der Ruzika-Mischung handelt es sich nur um spezifische Speicherung, bei Methylgrün-Versuch aber um eine chemische Aktion, wobei das Methylgrün in das Anilinvioleft zurückverwandelt wird und diese chemische Aktion kann nieht mehr geleistet werden, wenn die labilen Gruppen im aktiven Eiweiß durch Ammoniakaufnahme verändert sind und ihre Labilität verloren haben: denn damit ist sicher auch die chemische Leistungsfähigkeit ver- schwunden. Auch gegen Chinon verhält sich die labile und die stabile Form der Proteosomen verschieden. Die lahile Form färbt sich dureh Chinon intensiv gelb, die stabile aber braun. Eine braune Färbung liefert Chinon nieht nur mit gewöhnlichen Proteinstoffen, sondern mit verschiedenen anderen Körpern, wie Phenolen und Glukosiden. 1) Bei stärkerer Konzentration kann man schon nach einigen Stunden das Resultat erkennen, allein man riskiert dabei das Absterlen der meisten Zellen. Flora, Bi. 100. ” 66 Oscar Loew, Zur Analogie zwischen lebender Materie und Proteosomen. Schlußfolgerungen. 1. Die Reaktionen von Mosso und von Ruzika zeigen, daß zwischen der labilen und der stabilen Form der Proteosomen ein ähnlicher chemischer Unterschied besteht wie zwischen lebendem und abgestorbenem Protoplasma. 2. Die Umwandlung von Methylgrün in Methylviolett bei der Reaktion von Mosso ist eine chemische Arbeit, zu welcher die labilen Proteosomen ebenso befähigt sind. wie das lebende Protoplasma. 3. Die mit Ammoniak fixierten Proteosomen sind ebenso un- fähig, Methylgrün in Methylviolett umzuwandeln, wie die ge- ronnenen umgelagerten Proteosomen; sie färben sich bei der Reaktion von Mosso ebenso wie die geronnenen. Dagegen färben sich bei der Reaktion von Ruzika die mit Ammoniak fixierten Proteosomen ebenso wie die labilen, sie nehmen das Neutralrot aus der Ruzika-Mischung auf. Dieser Unterschied ist aber leicht erklärlich; denn es liegt hei der Farbstoffauf- nahme aus der Ruzika-Mischung keine chemische Leistung vor wie bei der Reaktion von Mosso, sondern nur eine Ad- sorption, die durch alkalische Medien begünstigt wird. Notiz über eine überraschende Kristallbildung in toten Zellen. Von Oscar Loew. Wenn man Fäden von Spirogyra!) in eine 0,1—0,01 %,ige Lösung von Malachitgrün in gewöhnlichem Wasser, das Kalziumbikarbonat ent- hält, oder in destilliertem Wasser, welchem etwas Kaliumbikarbonat zugesetzt ist, bei niedriger Temperatur 1—2 Tage stehen läßt, so bemerkt man eine reichliche Bildung farbloser okta&drischer Kristalle zwischen dem noch mäßig grün gefärbten Zytoplasma und der Zellwand. Kontrollversuche zeigten, daß die Zellen sehr bald in der Farbstoff- lösung absterken und daß erst nachher die Kristallbildung stattfindet. Wenn man den Farbstoff in destilliertem Wasser statt in Brunnen- wasser löst, so bemerkt man nach 2 Tagen in den stark gefärbten ab- gestorbenen Zellen keine oder nur äußerst spärliche Kristall. Wenn aun jetzt zur Lösung 0,1%, Kaliumbikarbonat gesetzt wird, so entfärht sich die Lösung nach längerer Zeit und zahlreiche farblose Kristalle sind nun zwischen Zytoplasma und Membran erschienen. Wenn die Fäden aber zuerst mehrere Tage in einer einpromille Koffeinlösung gelegen hatten, ehe sie in die obige Lösung des Malachit- grüns mit 0,1%, Kaliumbikarbonat kamen, so sind nach mehreren Tagen diesmal die Kristalle im Zellsaft abgelagert. Offenbar trägt hier das Koffein als schwache Base zum Zustandekommen der Kristallisation im Zellsaft bei, denn im Zellsaft ist offenbar eine größere Menge Coffein enthalten, wie die Ausscheidung der zahlreichen Proteosomen beweist. Die eingehende Untersuchung hat ergeben, daß es sich um Bildung der Leukobase des Malachitgrüns handelt. Dadurch, daß dieser Farbstoff stark vom Zytplasma adsorbiert wird und durch die Karbonate die Leukobase nur sehr langsam aus dem Farbstoff gebildet wird und diese Base nicht nur sehr schwer löslich, sondern auch schwer dialysier- t) Größere Spirogyra-Arten sind besonders geeignet, wie Spirogyra majuseula. Auch erlaubt hier die relativ geringere Entwicklung des Chloro- plasten einen Überblick über den ganzen Zellinhalt mit Zellkern. 5° 8 Oscar Loew, Notiz üher eine überraschende Kristallbildung in toten Zellen bar ist, kommt die Kristallbildung in den Zellen zustande. Die Erschei- nung läßt sich auch mit anderen Objekten erzielen. Das Malachitgrün') ist, wie mancher andere Anilinfarbstoff, das farbige Salz einer farblosen Base. Die grüne Lösung wird durch Ätzkali sofort, durch Karbonate oder Bikarbonate aber bei gewöhnlicher Tempe- ratur nur langsam in die farblose freie Base übergeführt. Die oben erwähnten farblosen Kristalle lösen sich langsam in Essigsäure mit grüner Farbe, was zur Identifizierung dient. T} Dieser Farbstoff ist bekanntlich außerordentlich giftig. Die Blattbewegungen der Marantaceen und ihre Beziehung zur Transpiration. Von Wilhelm Hermann, Mit 8 Abbildungen im Text.) In der Ordnung der Seitamineen beansprucht durch ihre Eigen- tümlichkeiten die Familie der Marantaceen in gleicher Weise die Auf- merksamkeit des Physiologen und Biologen. Sie ist ausgezeichnet durch besonders große, meist farbenreiche Blätter. Das charakteristischste Merkmal jedoch, wodureh sich die Familie von allen übrigen derselben Ordnung unterscheidet, ist im Übergang des Blattstiels in die Lamina zu suchen. Dieser zeigt eine ganz eigene Struktur: er ist zu einem Gelenk ausgebildet. Mit ihm führen die Marantaceen eine Reihe von Bewe- gungen aus, die schon mehrfach zu Erörterungen Anlaß gegehen haben. Neben der Anatomie, die von Körnike. Schwendener, Petit. Debski behandelt wurde, stand hauptsächlich die Frage nach dem Zustandekommen der Bewegungen im Vordergrund, Sie ist von Debski, Schwendener und Möbius untersucht worden, ohne daß jedoch diese Forscher in allen Punkten zu einem einheitlichen Resultat gekommen wären. Möbius selbst sagt, daß noch viele und mannigfaltige Unter- suchungen vorgenonimen werden müßten, un die Frage zu entscheiden. Ich habe, wie aus dem folgenden ersichtlich ist, mich bemüht. einen Teil dieser notwendigen Versuche zu machen und ein wenig zur Klärung der Frage beizutragen. Auf den anatomischen Bau der Marantaceen will ich nicht näher eingehen, er ist genau bekannt und ich verweise auf die oben genannten Schriften. Nur so viel will ich schildern, als zum Verständnis des Folgen- den nötig ist. Der Bau des Blattstieles zeigt keine besonderen Merkmale. Auf- fallend ist vielleicht die regelmäßige halbmandförmige Anordnung der Gefäßbündel, wenigstens ist eine solche bei anderen Monskstylen 10 W. Hermann, selten. Aber diese Eigentümlichkeit teilt sich auch dem Gelenk und der Mittelrippe des Blattes mit und ist kein besonders charakteristisches Merkmal des Blattstieles. Die Epidermis und der Bastbelag der Gefäß- bündel sind mehr oder minder stark verholzt. Der Stiel geht ziemlich unvermittelt in das Gelenk") über (Fig. 1). Der Querschnitt des Gelenkes (Fig. 2) zeigt in der Regel elliptische Form. In diesen sind die Epidermis (a) und die Phloömbelege der Gefäß- bündel unverholzt, nur bei älteren Blättern läßt sich in ihnen mit Phloro- gluein-Salzsäure Holzreaktion erzielen. Die Unterseite des Gelenkes weist eine b € große Anzahl von Spaltöffnungen auf, wäh- f rend auf der Oberseite nur wenige zu zählen sind. Schwendener hat die Zahlenwerte, die sich für die Spaltöffnungen auf der u Unterseite des Gelenkes, des Blattstiels und der Spreite ergeben, in einer Tabelle zusammen- gestellt. Da die Werte für Calathea Lietzei, Ctenanthe setosa (Phrynium setosum) und Maranta Kerchoveana, die ich nachprüfen konnte, mit den von mir ge- fundenen annähernd übereinstimmten, gebe ich sie hier wieder, 1) In der Literatur ist die Bezeichnung „Gelenkpolster‘‘ üblich; doeh will ich den Ausdruck vermeiden, da er bei den Marantaceen die tatsächlichen Verhältnisse nicht immer genau wiedergibt. Es gibt manche Spezies, bei denen der Umfang der Gelenke nicht größer ist, als der des Stiels, ja sogar diesen nicht einmal erreicht, z. B. Calathea paeifica. Lind. u. Andr., Maranta Lindeniana, Thalia dealbata. Die Blattbewegungen der Marantaceen und ihre Beziehung zur Transpiraion. 71 Zahl der Spaltöffnungen pro Name der Pflanze Quadratmillimeter Polster | Blattstiel ' Spreite Maranta Kerchoveana . ..... - 60 Maranta oblongifolia.. . .». .... 110 Stromanthe porteana. . . 2... - 140 Ctenanthe setosa. - . 22200. 140 Calathea Lietzei. . .. 2.2... 110 Calathea prineeps . .. 2.22... 2a Calathea pulchella. .. 2.2... 120 170 Calathea smaragdina. . .... - - Bei Betrachtung der Tabelle fällt die große Überzahl der Spalt- öffnungen auf, die die Gelenkunterseite im Verhältnis zu den anderen Pflanzenteilen aufzuweisen hat. Daß eine solche Tatsache beachtens- wert ist und nicht ohne Bedeutung sein kann, schien mir auf der Hand zu liegen. Auf der Gelenkoberseite zeigt die Epidermis meist Behaarung. deren Stärke jedoch sehr verschieden ist. Während Ctenanthe setosa viele Haare hat, ist M. arundinacea so gut wie haarlos. Die Bedeutung dieser Haare ist nicht erkannt; Debski glaubt sie darin zu finden, daß er ihnen die Aufgabe zuschreibt, das von der Lamina herabfließende Wasser zu dem Stiel abzuleiten. Aber bei der Art der Haarausbildung und bei ihrem häufigen Fehlen erscheint mir eine solehe Leutung unwahr- scheinlich zu sein. Mir ist nur aufgefallen, daß da. wo die Behaarung fehlt, häufig eine andere Färbung des Gelenks zu beobachten ist. Unter der Epiderniis liegt ein aus ein bis zwei Schichten bestehendes Parenchymgewebe (a) (Fig. 1). Auf dieses fulgt der Ring des für die Marantaceen so eigentümlichen Wassergewebes (b). Der Name ist von Petersen eingeführt; er hat, wie Sehwendener zeigt, seine volle Berechtigung. denn es komnten den Zellen die Figenschaften eines echten „Wassergewebes“ zu. Davon kann man sich leicht überzeugen. wenn man ein Blatt welken läßt. Zunächst nimmt das Wassergewebe an Volumen ab, und erst wenn das Wasser desselben verbraucht ist. beginnt das übrige Gewebe einzutrocknen. Das Gewebe besitzt also die Fähigkeit. seinen wässerigen Inhalt an andere Zellen abzugeben. Zu beachten ist jedoch hierbei, daß die innerhalb des Wassergewebes liegen- den Zellen außerordentlich gut vor Verdunstung geschützt sind. Die Wasserzellen schließen sich eng aneinander, ohne jede Spur von Inter- zellularen oder erkennbaren Tüpfeln. Trotzdem doch eine genügende 12 W. Hermann, Anzahl von Spaltöffnungen in der Epidermis ist, läßt sich bei abge- schnittener Lamina und verschlossener Schnittfläche mit der Saug- pumpe keine Luft durch das Gelenk saugen. Das Wassergewebe besteht aus lebenden, plasmolysierbaren, einen Kern führenden Zellen. Die einzelne Zeile ist langgestreckt (Fig. 1), von prismatischer Form, der Querschnitt ist ein Sechseck (Fig. 3). Die Zellen sind in der Regel so orientiert, daß sie mit der Radial- ebene einen Winkel von 80—60° bilden. Das Wassergewebe findet aber keineswegs im Gelenk seinen Ab- schluß, es zieht sich etwa bis zur Hälfte des Blattes am Mittelnerv hin. Abgelöst wird das Wassergewebe nach innen zu durch einen breiten Ring von Parenchymzellen (c), die im Stiel nicht vorhanden sind. Die Breite dieses Ringes (ec) ist wechselnd und bei den einzelnen Arten ver schieden. Zu beachten ist die Tatsache, daß in der Regel die Zone der Parenchymzellen (c) auf der Oberseite breiter ist als auf der Unter- seite (Fig. 2). Die Unterschiede sind oft ganz beträchtlich; so zählte ich z. B. mehrfach bei Ctenanthe setosa acht Zellagen mehr auf der Oberseite; bei anderen Spezies ist der Unterschied weniger auffallend, z. B. bei Lindeniana, wo es nie mehr als zwei Zellreihen waren. Innerhalb dieses Parenchymrings liegen die Gefäßbündel in der oben angegebenen Anordnung mit starkem, unverholztem Bastfaser- belag, der besonders auf der Innenseite hervortritt. Zwischen ihnen liegen Interzellularräume, die zwar groß sind, aber die des Stiels an Weite doch nicht erreichen. Wie dort sind sie von Diaphragmen durehbrochen. So viel vom Bau des normalen geraden Gelenkes. Hat das Blatt sich gekrümmt, so treten eine Reihe von Verände- rungen auf. Die Wassergewebezellen sind zwar noch gerade, ein Beweis ihrer großen Biegungsfestigkeit. aber ihr Querschnitt ist ein anderer geworden. Auf der Öberseite des Gelenkes allerdings kann man noch Die Blattbewegungen der Marantaceen und ihre Beziehung zur Transpiration. 73 die alte Gestalt beobachten, auf der Unterseite jedoch erscheinen die Zellen zusammengepreßt (Fig. 4). Die Untersuchung dieser Verhältnisse ist nicht ganz leicht, wie schon Debski gesehen hat; denn die Veränderungen gehen, sobald die Schnitte ins Wasser gelegt werden, schnell wieder zurück und es ist kaum möglich ein Präparat solcher zusammengepreßter Zellen herzustellen, da auch die sonst bewährten Fixierungsmethoden versagen. Die Weite der Interzellularräume im Parenchym zwischen den Gefäßbündeln ist bedeutend kleiner geworden, häufig (Ctenanthe setosa) schienen sie ganz geschwunden, während die Zone der Parenchym- zellen sich auf deren Kosten vergrößert hat, indem die einzelnen Zellen breiter geworden sind. Manchmal kann man sehen, wie die Parenchym- zellen, die zwischen den Gefäßbündeln liegen, direkt zusammengedrückt sind. Was hier von dem Gelenk gesagt wurde, gilt gleichermaßen für den Teil der Mittelrippe, der analogen Bau hat. Ist die Krümmung wieder zurückgegangen, so nimmt auch das Gelenk seine ursprüngliche Gestalt wieder an. Bei älteren Blättern, die lange Zeit ihre Bewegungen ausgeführt haben und dann reaktionslos geworden sind, ist der Bastbelag der Gefäß- bündel verholzt. Hiermit glaube ich das Nötigste aus der Anatomie mitgeteilt zu haben; es sind nur noch einige Bemerkungen über die Bewegungen an- zuführen. Die Stelle, an der die Marantaceen-Blätter ihre Krämmungen ausführen, ist, wie zu erwarten steht, meist das Gelenk selber und zwar bei fast allen Arten, deren Gelenke auch wirkliche „‚Polster‘ sind. Andere Arten führen, wie es auch von Schwendener und Debski erwähnt wird, die Bewegungen normalerweise nicht im Gelenk, sondern in den unteren Teil der Spreite aus, z. B. M. Lindeniana, Cal. flavescens. Auch gibt es einzelne Arten, die im allgemeinen überhaupt keine Krümmung zeigen, wie etwa Cal. paeifica. Genauere Angaben über den Ort der Krümmung zu machen ist nieht möglieh. Bei Ct. setosa schien es mir, als ob unter normalen Verhältnissen das untere Drittel des Gelenkes be- vorzugt sei; aber es gab auch sehr viele Ausnahmen und bei anderen Spezies ließen sich nie so viel übereinstimmende Beobachtungen machen, daß man aus ihnen eine Regel hätte ableiten können. Wie entstehen nun aber diese Krümmungen? Diese Frage, die sich naturgemäß jedem Physiologen sofort aufdrängt, ist wie erwähnt, von Sechwendener, Debski und Möbius in Angriff genommen worden. jedoch mit so verschiedenen Ergebnissen, daß es sich wohl verlohnt. die Frage nochmals zu behandeln. 14 W, Hermann, Schwendener gibt folgende Vorstellung von der Bewegungs mechanik. Er geht zunächst von den Vorgängen beim Welken aus. Hierbei ändert sich sowohl das Volumen der Wasserzellen, als auch die Winkel, unter denen ihre Achse die Achse des Gelenkes schneidet. „Die schräg gestellten Zellen bewegen ihre peripherischen Enden nicht bloß nach innen, sondern zugleich nach oben; sie drücken so in dieser Rich- tung auf die benachbarten Gewebe und somit auch auf die Epidermis. Im oberen der Spreite zugekehrten Teile des Polsters kommt infolgedessen longitudinale Druckspannung, im unteren dagegen Zugspannung zustande. Diese Spannungen finden ihren Ausdruck in der ungleichen Verkürzung, welche die verschiedenen Längsabsehnitte des Polsters beim Austrocknen erfahren.“ — „Die Bewegungen des Wassergewebes erinnern hiernach an das Spiel eines Systems von Blasebälgen, die man sich in Gestalt eines Zylindermantels um eine zentrale Achse gruppiert denkt. Als Längsrichtung derselben wäre aber nicht, wie bei anderen stielrunden Organen, die radiale, sondern eine unter verschiedenen Winkeln zur Polsterachse geneigte anzunehmen. Ein von außen wirkender seitlicher Druck hätte unter diesen Umständen zur Folge, daß die einzelnen Blase- bälge sich radial verschmälern und gleichzeitig steiler aufrichten, wobei die Wanddicke des Zylindermantels sich entsprechend verkleinern müßte. Das ist im wesentlichen auch das Verhalten der schräg gestellten Zellen des Wassergewebes.“ Ähnlich ist das Verhalten des Wassergewebes bei heliotropischen Krümmungen des Gelenks, „nur daß hierbei die Konvex- und Konkav- seite sich natürlich entgegengesetzt verhalten“. Die Neigungswinkel der Wassergewebszellen differieren auf den beiden Hälften nach Schwen- dener’s Angabe um etwa 5—9°. Wie beim Welken werden die Winkel auf der Unterseite des Gelenks kleiner, indem diese Wasser abgeben; auf der Oberseite werden sie größer, indem sie Wasser aufnehmen. Wo die Perzeption des Reizes statthat, kann Schwendener nieht mit Bestimmtheit sagen; es ist ihm wahrscheinlich, daß sie im „Rindenparenchym“ stattfindet, da das Wassergewebe nicht aktiv krümmungsfähig zu sein scheint, dagegen ist es nach seiner Meinung noch für Licht empfänglich. Schwendener stützt seine Ansicht auf Versuche, die später beleuchtet werden sollen. Für die auffallende Tatsache der großen Zahl der Spaltöffnungen auf der Unterseite kommt Schwendener zu keinem Ergebnis. Ein gut Teil Schuld daran mag wohl der Umstand haben, daß er „die Ansicht für unbegründet hält, die Spaltöffnungen in erster Linie als Regulatoren der Transpiration anzusehen“. Die Blattbewegungen der Marantaceen und ihre Beziehung zur Transpiration. 75 Debski!) kommt auf Grund der Untersuchungen über die helio- tropischen Bewegungen zu einem etwas anderen Resultat. Er erklärt das Zustandekommen der Bewegung durch die Annahme, daß der Turgor sich auf den antagonistischen Seiten ändere und daß auf der Unterseite des Gelenkes durch Erhöhung des Turgors eine starke Kontraktion im Gelenk eintrete. Durch diese Verkürzung würde die Bewegung ausge- löst werden. Er erhärtet seine Annahme durch den Hinweis auf die Krümmungen in der Mittelrippe, auf das Rückgehen der Bewegung nach der Plasmolyse. Die eigentliche Ursache liegt in den Parenchym- zellen zwischen den Gefäßbündeln und den langgestreckten Zellen, da diese infolge ihrer Zwangslage nicht aktiv wirksam sein könnten. Sie sind nötig infelge der Blattgröße, nehmen aber nur insofern Anteil an der Bewegungsmechanik, als sie dem Gelenk die nötige Festigkeit geben und durch ihre Kompression die Verkürzung der Unterseite ver- größern. Die Bedeutung der Spaltöffnungen auf der Unterseite ist ihm nicht klar geworden. Das Resultat, zu dem Möbius gelangt, ist die Annahme, „daß die heliotropischen Krümmungen vornehmlich in dem unteren Teile des Gelenkpolsters ausgeführt werden, daß die anfangs nur durch den Turgor bewirkte Krümmung durch Wachstum (d. h. Einlagerung fester Teilchen in die gedehnten Membranen) fixiert wird, daß aber der obere Teil des Gelenkes, besonders die Basis der Mittelrippe, bis wohin sich das Wassergewebe auf der Unterseite zieht, noch länger beweglich bleibt, und daß besonders an diesem Teil die nyktitropischen Bewegungen stattfinden“. Eigene Untersuchungen. Bevor ich an die eigentliche Untersuchung herantreten konnte, galt es das Verhalten der Blätter selbst kennen zu lernen. Es ist dies aber nicht gar so einfach, wei] die Marantaceen sehr empfindlich, aber aueh langsam auf äußere Einflüsse, Licht, Wärme, Feuchtigkeitsgehalt der Luft usw. reagieren, und nicht selten einzelne Blätter ihren eigenen Weg gehen. Das trifft natürlich um so mehr zu, sobald das Experiment eiusetzt und die Anzahl der zu beachtenden Faktoren oft wesentlich 1) Debski’s Arbeit ist in polnischer Sprache erschienen. In deutscher Sprache erschien nur ein von ihm verfaßtes Referat. Der polnische Text wurde bisher nicht berücksichtigt; der deutsche Abriß läßt jedoch, wie auch Schwendener bemerkt, manches im Dunklen. Durch die Liebenswürdigkeit meines Herrn Kollegen Stra- zewski in München, der mir den physiologischen Teil übersetzt hat, war es mir mög- lich, auch den polnischen Text zu beachten. 76 W. Hermann, erhöht, so daß mitunter ganze Versuchsreihen einander widerspreehen. Das ldeal wäre natürlich, die Pflanze in ihrer Heimat zu untersuchen oder wenigstens nachzuprüfen. Zu meinen Versuchen verwandte ich in München hauptsächlich: Ctenanthe setosa Eichl., Calathea Lietzei, E. Morr., Maranta arnu dinacea Linn., Maranta Lindeni E. Morr., doch wurde auch Ctenanthe Steudneri Eichl., Calathea flaveseens Lindl. und Calathea Backemiana E. Morr. zum Vergleich herangezogen. In Jena stellte ich die Versuche meist mit Calathea Oppenheimiana E. Morr., Ctenanthe setosa Fichl., Maranta Guyana hort. Ber., Maranta bieolor Ker., Maranta Kerchuveana (leuconeura) E. Morr. an. Am schönsten waren die Bewegungen in einem Gewächshaus zu beobachten, dessen Luft nieht allzu feucht war. Das Aquarium erwies sich trotz seiner hohen Temperatur als nicht so günstig, die Bewegungen wurden zwar ausgeführt, doch waren die Winkel, um die sich die Blätter bogen, kleiner. Normale Bewegungen zeigen nur vollständig entwickelte Blätter, d. h. solche, die bereits die reguläre grüne Farbe angenommen haben. Erst dann werden Bewegungen ausgeführt. Auch die alten Blätter rea- gieren nieht mehr; bei ihnen ist ja das mechanische Gewebe des Gelenkes verholzt, so daß eine Krümmung sehr erschwert ist. Die Pflanzen sind durchweg beherrscht von dem Streben, möglichst viel Licht zu sammeln mit Ausnahme der heißen Mittagsstunden im Sommer, wo die Blätter die Parallelstellung einnehmen. Bei Sonnenaufgang sind die Spreiten und Gelenke einer freistehen- den Pflanze aufgerichtet, die Gelenke in der Regel gerade, die Oberseite der Spreite zeigt nach Osten. Die Blätter folgen der Drehung der Sonne in Profilstellung, indem sie gleichzeitig eine Biegung zur Blattstiel- achse ausführen. Nach Eintritt der Dunkelheit wird die Krümmung wieder rückgängig gemacht, indem die Blätter allmählich in die Morgen- stellung übergehen. Bei Calathea Lietzei konnte ich mehrfach beob- achten, daß die Gelenke infolge der Tagesbewegungen gewundene Formen annahmen, diese aber bis zum Morgen in gerade übergingen. Der Verlauf einer Tagesperiode wird gut veranschaulicht durch die Kurve, die Ba- ranetzki erhielt, als er 1899 zur Probe seines Registrierapparates einige Versuche mit Maranta arundinacea anstellte; sie ist in Fig. 5 wieder- gegeben. Die geotropischen Krümmungen zeigen nichts Beachtenswertes. Sie werden am einfachsten erzielt durch Umlegen einer Pflanze, wobei aber die einzelnen Blattstiele fixiert werden müssen, um eine Krümmung Die Blattbewegungen der Marantaceen und ihre Beziehung zur Transpiration, 17 im Gelenk zu erhalten. Wird dies unterlassen, so riehten sich die Blätter nicht im Gelenk, sondern in der Basis des Stieles auf. Auf diese Weise gelang es auch dort Krimmungen zu erzielen, wo bis dahin keine benb- achtet worden waren. z. B. bei Calathea paeifica Die heliotropischen Krümmungen sind ebenfalls leicht zu erzielen. Mit der Zeit stellte es sich heraus, daß sie am besten zu erhalten sind, wenn die Blätter vor einer schwarzen Wand oder dunklen Mauer aufge- stellt und mit der Rückseite dem Lichte zugewendet werden. Sie biegen sich dann im Laufe eines Tages so, daß die Biätter, die am Morgen mit dem Stiel einen Winke) von 180° bildeten, am Abend nur mehr einen solchen von 20--80° aufweisen. Später wurden jedoch die Versuche, bei denen heliotropische Krümmungen erzielt werden sollten, zur größeren Genauigkeit in der heliotropischen Kammer ausgeführt und die bis dahin gemachten dort wiederholt, Abgesehen davon, daß die einzelnen Spezies verschieden empfindlich und verschieden stark auf die Reize reagieren (Ctenanthe setosa, Calathea Oppenheimiana, Maranta Kerchoveana 2. B. reagieren sehr gut, Maranta Guyana, Maranta arundinacea weniger gut, schlecht Calathea pacifiea), ist die Größe des Winkels, in dem sich die Blätter bewegen, von allerlei Faktoren abhängig. Wie schon erwähnt, spielt der Feuchtigkeitsgrad eine große Rolle. Ferner muß man beachten, vb eine Pflanze frei steht, oder vor einer Mauer, zwischen anderen Ge- wächsen usw. Je nach dem Standort ändert sich auch der Grad, um den die Winkel während der Nacht rückgängig gemacht werden; nur bei ganz freistehenden Pflanzen wird er gänzlich ausgeglichen. Die anderen 18 W, Hermann, Stöcke nähern sich einer Optimalstellung, von der aus allzu große Be- wegungen zur Erreichung des günstigsten Lichtes vermieden werden. Bringt man ein Blatt, das eine solche Stellung erworben hat, in eine andere Lage, oder unter andere Bedingungen, etwa in ein anderes Ge- wächshaus, so führt es wieder stärkere Bewegungen aus, bis es von neuem die Optimalstellung gefunden hat. Epinastische Bewegungen wurden ebenfalls beobachtet. Wurden die Blätter in die Dunkelkammer gebracht und die Stiele dort in hori- zontaler Lage fixiert, so traten häufig starke Krümmungen auf, indem sich die Rückseite dem Stiel zudrehte, unbeachtet der Richtung der Schwerkraft. In zahlreichen Fällen blieh jedoch diese Krümmung aus oder sie folgte der Schwerkraft, so daß im ganzen hier kein deutliches Bild zutage trat. Erfolgreicher waren die Versuche auf dem Klinostaten, wo sich stets Krümmungen zeigten. In einigen Fällen (Ctenanthe setosa) konnte ich solche von 180° (in einem Falle etwas mehr) erzielen. Es war hierbei ganz gleich, in welcher Lage die Blätter rotiert wurden, ob die Blattstielachse wagerecht, senkrecht oder in Winkeln zur Klinostaten- achse stand. Die Versuche wurden (in München) im Laboratorium und (in Jena) in einem nach Osten gelegenen Zimmer ausgeführt, da aus leicht begreiflichen Gründen der Klinostat nieht für längere Zeit im Gewächshaus aufgestellt werden kann. Um jedoch dem Einwand, es könnten das Leuchtgas und besonders die darin enthaltenen Kohlen- oxydgase bei der Krümmung mitgespielt baben, zu begegnen, wurde eine Anzahl von Kontrollversuchen im Gewächshaus (Jena) angestellt, die die im Laboratorium erzielten Ergebnisse bestätigten. Das Resultat war stets das gleiche. Diese epinastischen Krümmungen (um solche handelt es sich zweifellos) scheinen mir insofern interessant zu sein, als sie in dieser Stärke bisher meines Wissens nicht beobachtet worden sind. Auch Kniep führt in seiner Arbeit über die Bewegung der Laubblätter und die Frage der Epinastie nur weit geringere Krüm- mungen an. Nachdem ich nun durch diese einleitenden Versuche festgestellt hatte, welcher Art Krümmungen die Marantaceen ausführen und wie sie zu erzielen sind, kam es mir vor allem darauf an zu untersuchen, ob bei diesen starken Krümmungserscheinungen keine bemerkenswerten Verlängerungen zustande kommen. Debski hatte schon Versuche in dieser Hinsicht gemacht; er betont, daß er auch nach Ablauf eines Mo- nates keine Verlängerungen, auch nicht nach Krümmungen, habe kon- statieren können. Und selbst wenn eine ganz geringe Verlängerung ein- getreten ist, so sei sie doch wieder geschwunden. Auch meine eigenen Die Blattbewegungen der Marantaceen und ihre Beziehung zur Transpiration. 79 Messungen führten zu dem gleichen Resultat: es zeigte sich nie eine beachtenswerte Verlängerung der krümmungsfähigen Strecke. Nur in einem Falle (Ctenanthe setosa) konnte ich 1 mm Verlängerung fest- stellen an einem Gelenke, das mehrere Tage in der Dunkelkammer ge- standen und dort eine starke Krümmung ausgeführt hatte. Die Messungen versuchte ich erst mit dem Horizontalmikroskop auszuführen. Da sich aber dieses bei den gekrümmten Gelenken schlecht anwenden ließ, machte ich es später so, daß ich die beiden äußersten Punkte, zwischen denen die Krümmung stattfinden mußte, durch ganz dünne Insektennadeln bezeichnete und den Abstand mittels eines dünnen Silberdrahtes maß. Um zu verhindern, daß bei der Messung am Abend Fehler eintraten, wurde seine Lage durch Nadeln festgelegt. Natürlich wurde vorher konstatiert, daß die Nadeln in einer Zeit, wie sie der Versuch erforderte, keinen schädigenden Einfluß ausübten. Während die Gelenke auf der Oberseite keine Verlängerung zeigen, läßt sich (bei Ctenanthe setosa) auf der Unterseite eine Verkürzung (um einige (2—8) Millimeter) messen. Um die Größenzunahme ganz genau verfolgen zu können und etwa auftretende Schwankungen nicht zu übersehen, verwandte ich Pfefler’s Auxonometer. Seine Anwendung hatte jedoch zwei Schwierigkeiten. Einmal darf man doch im feuchten Gewächshaus keinen Faden anwenden; deshalb benutzte ich Silberdraht von 0,1 mm Dieke, Er litt nicht unter den wechselnden Feuehtigkeitsverhältnissen, seine Ausdehnung kam bei den geringen Wärmeschwankungen im Treibhause und seines geringen Querschnittes wegen gar nicht in Betracht. Die Hauptschwierigkeit lag darin, daß der Apparat zu Wachstumsbestimmungen konstruiert ist, die in senkrechter Richtung erfolgen. Deshalb verfuhr ich wie folgt: Ich steekte das Blatt durch einen Kork in ein Kölbehen, so daß der Kork mit dem unteren Rande des Gelenkes abschnitt. An derselben Stelle wurde auf der Oberseite des Gelenkes ein kleines Häkchen be- festigt, durch das der Draht fest an dem Gelenk gehalten wurde. Der Draht wurde etwa in der Mitte der Lamina, wo das Wassergewebe sein Ende erreicht, mittels einer dünnen Nadel befestigt und gleichfalls mit Nadeln in seiner Lage des Gelenkes festgehalten (Fig. 6). Ferner ist der Draht um das Rad R gelgt, wodurch der Winkel des Rades in W geringer wird und somit die Knickung des Drahtes nicht störend wirkt. Endlich ist am Schreibhebel ein kleines Gewicht G als Gegengewicht gegen den langen Draht angebracht. Unter solchen Umständen kann der Schreibhebel nur eine Ver- längerung des Gelenkes registrieren, eine Krümmung des Blattes allein 8x0 W, Hermann. kann keinen Zug auf den Draht ausüben; ein seitliches Ausbiegen des Blattes ist normalerweise ausgeschlossen und hätte, selbst wenn der Fall eintreten sollte, keine Bedeutung, da doch der Meßdraht durch die Nadeln in seiner Lage fixiert gehalten wurde. Die Blatthewegungen der Marantaceen und ihre Beziehung zur Transpiration. 81 Mit diesem Apparat habe ich eine Anzahl von Versuchen gemacht und habe damit regelmäßig eine Kurve erzielt, die der in Fig. 7 dar- gestellten sehr ähnlich war. Diese zeigt die Bewegung eines Blattes, das am 22. Oktober 1911 eine Krümmung von 90° ausführte, die am Abend auf etwa 40° zurück- ging. Am folgenden Tage wiederholte sich die Bewegung. Die Kurve zeigt also zu Anfang eine ganz minimale Ausdehnung an, die aber mit der Biegung des Blattes nicht zunimmt und nicht als Wachstum aufgefaßt werden darf, denn es geht oft auch diese wieder zurück. Man sieht also, daß Wachstum als Krümmungsursache nicht in Betracht kommt. Diese geringe Ausdehnung kann aber, wie eine einfache Überlegung schon sagt, keine Rolle bei der Krümmung des Gelenkes w 1 1 1 23 | \ ! 4 [7 ' ! 1 \ 1 l 1 a } 1 N I \ l ! [ ! i \ l ‚ x ı 1 ' \ t ' Ü t ’ \ ! t 1 h ' } ı I i H ! { 1 j ı \ ı l { ı I \ 5 1 : N i BE l Di, l ’ ! ı ! } 1 ! f I | ı \ a \ la I row. Hmmm 1 1 . \ H : 1 ı H ! I ı H t \ ' ı 1 ! ı ’ n \ ; I ı ı ! ! ! \ ı } H ‘ j ’ j ! I ı ı j I ! j R \ ! j ’ N j ı j ! ı spielen. Wie auch Debski zeigt, wären ganz andere Zunahmen zu er- warten, wenn es sich um Wachstumsvorgänge handelte. Nehmen wir 2. B. an die Länge der krümmungsfähigen Zone betrage bei einer Ctenanthe setosa 15 em, der Durchmesser des Gelenks 3 mm und das Blatt krümme sich gleichmäßig, ohne daß sich die Unterseite verlängert (in der Tat verkürzt sie sich etwas), so ergähe sich für die Oberseite hei einem Winkel von 90° eine Längenzunahme von 3%, mm, bei einer Krümmung von 180°9 mm. Das sind Zahlen, die man mit der größten beobachteten Zunahme von 1 mm nicht vergleichen kann. Aus diesen Tatsachen bleibt also nur der eine Schluß, die Blatt- krümmungen sind keine Wachstumsvorgänge, sie können nur auf Ände- rungen des Turgor beruhen. Flora, Bd. 109, 6 2 W. Hermann, So lautete die Folgerung des indirekten Beweises. Doch da fragt es sich, sollte es nieht möglich sein, auf direktem Wege zu demselben Ziel zu gelangen ? Doch ehe ich an die Beantwortung dieser Frage herantreten konnte, galt es erst, einige Punkte festzulegen. Vor allen Dingen war es not- wendig zu wissen, ob Gelenk oder Lamina und welche Zellen denn eigent- lich für die Krümmung verantwortlich zu machen seien. Zu diesem Zweck verdunkelte ich zunächst einmal das Gelenk mit allerhand Mitteln. Die Schwärzung mit Tusche ergab keine wesent- liehen Resultate; ab und zu blieb die Krümmung etwas derjenigen normaler Blätter zurück, aber im ganzen wurde die Bewegung nicht auf- gehalten. Eine bedeutend stärkere Störung war zu sehen, wenn Papier- streifen um das Gelenk gewickelt waren. Ein glattes Resultat ergab sich aber erst mit Staniol: nun trat die Krümmung nicht mehr im Gelenk, sondern in der Spreite ein, auch bei den Spezies, die gewöhnlich ihre Krümmungen in dem Gelenk ausführen. Eine Reihe von Versuchen, das Verhalten des Gelenkes so zu be- stimmen, daß die Lamina in verschiedenem Sinne umgelegt oder einge- rollt wurde, führte zu keinem einheitlichen Resultat; in vielen Fällen trat eine mehr oder weniger große Störung ein; manchmal jedoch war davon nichts zu bemerken (Maranta arundinacea). Daneben aber zeigte wieder eine Reihe von Blättern normales Verhalten, Darnach schien es also, als ob zwar die Lamina das reizempfängliche Organ sei, daß aber das Gelenk nicht „verdunkelt werden dürfe, wenn es an der Krümmung teilnehmen soll. Da mir aber diese Versuche nicht eindeutig genug erschienen und die Mittel zur Verdunkelung sich infolge späterer Erfahrungen als un- zulässig erwiesen, wiederholte ich dieVersuche in folgender Art: ich brachte die Blätter in einen Kasten, der auf fünf Seiten verdunkelt wurde. Durch eine horizontale Querwand war er in zwei Teile zerlegt. In diese Quer- wand wurden Schlitze geschnitten, durch die die zu untersuchenden Blätter so gestellt wurden, daß das Gelenk unter, die Spreite über die Querwand kam. Der offene Teil des Schlitzes, der übrigens so bemessen war, daß er den Bewegungen keinen Widerstand entgegenstellte, wurden dann mit schwarzer Watte leicht verstopft. Nun konnte ich nach Be- lieben das Gelenk oder die Lamina beleuchten, indem ich auf der offenen Seite bald die obere, bald die untere Hälfte verdunkelte. Die Versuche wurden mit Blättern ausgeführt, die bereits einen Tag im Dunkeln gestanden hatten. Dort wurde auch der Kasten bei rotem Licht hergerichtet und dann ins Gewächshaus übertragen. Ver- Die Blattbewegungen der Marantaceen und ihre Beziehung zur Transpiration. 83 suche, künstliches Licht zu verwenden, hatten zwar auch Erfolg, aber einmal reagieren die Pflanzen nur sehr langsam und dann ist man auf das Zimmer angewiesen, wo die Temperatur und die Feuchtigkeits- verhältnisse den Anforderungen der Marantaceen nicht genügend ent- sprechen. Die Ergebnisse waren im wesentlichen dieselben wie die auf andere Weise gewonnenen: die Beleuchtung des Gelenkes genügt nicht, das Blatt zu einer Krümmung anzuregen, es ist vielmehr die Spreite, in der die Perzeption des Lichtreizes und der Anstoß zur Krümmung vor sich geht. Aber die Krümmung setzt sich auch auf das Gelenk fort, wenn dieses verdunkelt ist. Die weitere Frage lautet nun: in welchen Zellen wird die aktive Krümmung bewirkt ? Zunächst liegt natürlich der Gedanke nahe, daß die Wassergewebs- zellen die eigentlich wirksamen seien, aber schon Debski und Sch wen- dener haben darauf hingewiesen, daß es die Parenchymzellen sind, die unter diesen liegen. Sie schreiben den Wassergewebezellen auch eine große, aber mehr passive Rolle zu. Auch ich neige zu der Ansicht; viel- leicht beteiligen sie sich auch insofern aktiv, als sie als optische Apparate, etwa Lichtfänge, dienen. Es ist mir auch aufgefallen, daß die Oberseite des Gelenkes stets behaart oder dunkler gefärbt ist. Wäre das vielleicht in Einklang damit zu bringen ? Schwendener stützt seine Meinung über das Wesen und die Bedeutung der Parenchymzellen auf Versuche, bei denen er das Paren- chymgewebe durch Ausbohren entfernt hatte und wonach sich keine Krümmung mehr gezeigt hatte. Aber es erscheint mir fraglich, ob solche Eingriffe statthaft sind, wenn man zu einem sicheren Resultat gelangen will. Dasselbe gilt von den Versuchen (die ich auch ausführte), wobei das ganze Wassergewebe entfernt wurde. Auch in diesen Fällen bleiht eine echte Krümmung aus, wenn aueh durch den Druck der Lamina eine Verbiegung zustande kommt. Ich beschränkte mich deshalb darauf, das Wassergewebe durch Quer- und Längsschnitte unbrauchbar zu machen. Auf diese Weise erhielt ich die in der Regel deutliche, echte Krümmungen, die sich von den normalen nur dadureh unterscheiden, das der Übergang in die Schlaf- stellung langsamer vonstatten ging; ein Umstand, der in der verminderten mechanischen Festigkeit des Gelenkes ausreichende Erklärung findet. Debski und Sehwendener machten ähnliche Versuche. Da aber Debski ganze Partien des Wassergewebes entfernte, wird gegen ihn auch geltend zu machen sein, daß die Eingriffe zu groß waren. Schwen- 6* 84 W. Hermann, dener führt seine Versuche, wie er sagt, „selbstverständlich jedesmal in nahezu dampfgesättigter Luft aus“. Doch das ist auch nicht statthaft, wie Erörterungen an späterer Stelle ergeben werden. Aus diesen Versuchen geht also hervor, daß die Wassergewebe- zellen nicht unbedingt notwendig, wenn auch eine gute Mithilfe bei der Ausführung der Bewegungen sind. So bleibt also nur mehr die Annahme, daß es die Zone der Parenchymzellen ist, die auf das Wassergewebe folgt. Es wäre nun natürlich von höchstem Interesse gewesen, an diesen Zellen direkte Beobachtungen auszuführen, die die Krümmungen restlos erklären. Daß sie sich verbreitern, so daß die Interzellularräume zwischen den Gefäßbündeln zusammengedrückt werden, ist schon eingangs er- wähnt worden. Wie steht es aber mit dem osmotischen Druck ? Bei den Versuchen, diesen genau zu bestimmen, stellten sich be- sondere Schwierigkeiten ein, da die Beobachtung der Plasmolyse bei den Marantaceen nicht leicht ist. Verhältnismäßig günstig liegen die Ver- hältnisse bei Calathea Lietzei; bei Ctenanthe setosa war alle Mühe ver- geblich. Von der Verwendung der Lebendfärbung zur besseren Beobachtung der Plasmolyse sah ich ab, weil ich befürchtete, daß bei der Giftwirkung der Farbstoffe, die auch Eosin und Methylenblau in verdünnten Lösungen nicht abzusprechen ist, doch keine unantastbaren Resultate heraus- kommen können. Kerstan, der den Turgordruck in den Geweben unter dem Ein- fluB des geotropischen und heliotropischen Reizes studiert hat, hat auch Calathea Lietzei untersucht und betont dort die Unmöglichkeit, die Plasmolyse in den Wasserzellen zu sehen, da der Inhalt infolge der einwirkenden Lösung in einzelne Teile zerfiele. Nach meinen Befunden liegt die kritische Konzentration des plasmo- Iysierenden Kalisalpeters bei 4%. Diese Zahl steht in stärkstem Gegen- satz zu Debski’s Befunden, der angibt, daß bei in Ruhe befindlichen Gelenken die Plasmolyse in den Zellen zwischen den Gefäßbündeln bei 15%, bei den Zellen außerhalb derselben bei 16%, eintritt und daß bei gebogenen Gelenkteilen sich die Werte auf 17 und 20% erhöhen. Daß ein Unterschied zwischen den Parenchymzellen innerhalb und außerhalb der Gefäßbündel besteht, habe ich auch bemerkt, weil man bei ersteren die Plasmolyse viel schneller und deutlicher eintreten sieht, als bei letz- teren. Aber die Zahlenwerte Debski’s sind gegenüber den meinen so hoch, daß sie nicht miteinander verglichen werden können. Ich kann mir diese Unterschiede nur so erklären, daß bis zum Eintritt der Plasmo- Die Blattbewegungen der Marantaceen und ihre Beziehung zur Transpiration. 86 Iyse eine geraume Zeit vergeht (%—%/, Stunden), und daß Debski diesen Umstand außer acht gelassen hat. Auch schreibt Kerstan, daß er die plasmolytischen Befunde Debski’s niemals bestätigen konnte. Doch fehlt bei ihm jede Angabe über die Höhe der Salpeterkonzentration, die er zur Einleitung der Plas- molyse benötigte. Er gibt nur an, daß er auf der Konvexseite eine Turgor- zunahme von 0,5--1%, gemessen habe, während doch Debski auf der Konkavseite eine solche festgestellt haben will. Wenn also, so schloß ich weiter, osmotische Vorgänge die Krümmung bewirken, so muß es möglich sein, die Krümmungen wieder rückgängig zu machen. In der Tat ist dies Jeicht möglich, wenn man eine Salzlösung von geeigneter Konzentration wählt; aber diese ist nieht einmal nötig, schon wenn die Blätter in Wasser gelegt werden; geht die Krümmung zurück. Allerdings viel langsamer, als in plasmolysierender Lösung. Ferner muß dabei die Wärme des Wassers berüeksichtigt werden; während man in kaltem Wasser mehr als einen Tag warten muß, gelingt es in warmem Wasser (ca. 30°) manchmal schon in mehreren Stunden. Möbius ist zwar der Meinung, daß es nicht zur Aufhebung der Krümmungen genügt, ein Blatt ins Wasser zu legen, er habe keine Äude- rungen an Blättern gesehen, die die ganze Nacht im Wasser gelegen hatten, Das mag sein, aber ich glaube, daß andere Resultate zutage getreten wären, wenn bei den Versuchen die Temperatur eingehender berücksichtigt worden wäre und nieht etwa Blätter genommen werden. die wegen starker Verholzung überhaupt keine Krümmung mehr auszu- führen imstande sind. Ich wandte diese Methode später oft an, wenn ich die Krümmungen eines Blattes wieder rückgängig machen wollte. Die Blätter verloren ihre Reaktionsfähigkeit durch das Liegen im Wasser nieht, und ich habe oft an Blättern, die 8 Tage im Wasser gelegen hatten, durchaus normale Bewegungen beobachten können. Die Beobachtungen von Möbius, „daß sich die Krümnungen in den meisten Fällen in derselben Weise erhalten hatten, wenn die Pflanze 12 Stunden oder länger in einen dunklen Raum gestellt worden waren und daß die Krümmungen tagelang dieselben blieben, oder sich nur all- mählich veränderten, wenn die Pflanze so gedreht worden war, daß die vorher dem Fenster zugewandte Seite jetzt von dieser abgewendet war“. scheinen mir aber den Schluß, daß die heliotropischen Krümmungen durch Wachstum fixiert werden, nicht genügend zu begründen. Einmal fragt es sich, ob der dunkle Raum überhaupt zur Aus- führung einer Krümmung geeignet war. Es ist zu beachten. dab die Blätter im Dunklen sehr häufig Störungen zeigen, sei es nun, daß anormale 86 W. Hermann, Bewegungen eingeleitet oder normale ausgeschaltet werden. Endlich lassen sich Krümmungen, die im dunklen Raum nicht wieder rückgängig gemacht werden konnten, dadurch beseitigen, daß man die Blätter einige Zeit in warmes Wasser legt. Wie nun die Vorgänge bei der Bewegung im einzelnen vor sich gehen, will ich nieht entscheiden. Dazu ist meines Ermessens nur ein Physiologe mit größerer Erfahrung berechtigt. Das eine scheint mir jedoch ganz sieher zu stehen, daß Debski und Sehwendener in der Anschauung Recht haben, daß es sich bei der Blatibewegung der Marantaceen um reine Turgorschwankungen handelt, die etwa in der Art eintreten, wie sie Lepeschkin beschrieben hat. So sehr auch die äußeren Erscheinungen, wie die deutliche Ver- kürzung der Gelenkunterschiede und die nicht zıı messende Längen- zunahme der Oberseite für Debski’s Ansicht sprechen, daß die Krüm- mungen durch eine aktive Verkürzung der Unterseite hervorgebracht werden, so möchte ich doch an deren Richtigkeit zweifeln. Wohl findet sich auch bei Kohls Mechanik der Reizkrimmungen der Gedanke aus- gesprochen, daß die Krümmungserscheinungen auf einer aktiven Ver- kürzung der Konkavseite zurückzuführen seien, aber diese Ansicht hat in der Folgezeit viel Kritik erfahren. Noll bemerkt dazu, daß Kohl damit eine Ansicht aufgestellt habe, die vor ihm seines Wissens noch kein Botaniker ernsthaft in Erwägung gezogen hat. Auch Pfeffer wendet sich gegen Kohl’s Ansicht, ebenso Kerstan. Endlich konnte ich in der neueren Literatur nirgends mehr eine ähnliche Ansicht ver- treten finden. Die Bedeutung der Spaltöfinungen auf der Unterseite des Gelenkes. Nachdem ich also festgestellt habe, daß die Bewegungserschei- nungen bei den Marantaceen-Blättern auf Turgorschwankungen beruhen, reizte mich die Frage nach der Bedeutung der Spaltöffnungen, die so zahlreich auf der Unterseite des Gelenkes vorhanden sind. Bei der Untersuchung des Ortes der Reizperzeption hatte ich be- reits einige Tatsachen beobachtet, die mich auf eine besondere Bedeutung der Gelenkunterseite kinwiesen. Es war mir aufgefallen, daß allerhand Eingriffe nur dann von Wirkung waren, wenn ich die Unterseite des Gelenkes dazu verwandte. Ferner war es mir nicht entgangen, daß mehrere Methoden, die ich zur Erforschung derselben Sache anwandte, zu verschiedenen Resultaten führten. Nahm ich z. B. zur Verdunkelung Tusche, so zeigte die Krümmung weit weniger Störungen, als wenn etwa schwarzes Papier oder Stanniol zur Verwendung kam. Die Ursache Die Blattbewegungen der Marantaceen und ihre Beziehung zur Transpiration. 87 konnte unmöglich in größerer Festigkeit des Papieres oder des Stanniols liegen, da es in ganz schmalen Streifen, etwa dachziegelartie, um das Gelenk gewunden war. Die einzelnen Streifen konnten sich so gegen- einander verschieben und setzten der Blattbewegung kein Hindernis entgegen. Der Unterschied in der Wirkung der Tusche und des Papieres schien mir deshalb darin zu liegen, daß die Tusche dem Durchtreten der Gase und des Wasserdampfes weniger Widerstand entgegensetzt als Papier oder Stanniol. Es lag daher der Gedanke nahe, diesen Tat- sachen näher zu treten. Auf Anraten des Herrn Dr. Renner verwandte ich zuerst Vaseline. Ich bestrich damit das Gelenk und die Mittelrippe, soweit das Wassergewebe reicht. Hierbei ergab sich das überraschende Resultat, daß nun die Blätter überhaupt keine Bewegungen mehr aus- führten. Da ich erst an eine spezifische Wirkung der Vaseline glaubte, wiederholte ich die Versuche mit Kakaobutter, die ich in ganz dünner Schicht auf die Gelenkunterseite auftrug. Aber so oft ich auch den Ver- such anstellte, das Resultat blieb stets dasselbe: Die Blätter rührten sich nimmer, die Bewegungen blieben aus. Auf diese Weise läßt sich auch die Stelle, in der die Krümmung eintritt, leicht verlegen und man kann Pflanzen, die normal ihre Krümmungen nur in der Lamina ausführen, dazu zwingen, nun das Gelenk dazu zu verwenden. Entfernt man das Fett, so treten wieder normale Krümmungen ein. Anders war es jedoch, wenn die Blätter, die am Abend, wenn sie also eine starke Krümmung ausgeführt hatten, mit Kakaobutter bestrichen wurden. Dann konnte man häufig 'eine Geradestreckung des Gelenkes beobachten. Es scheint demnach, als ob die Blätter am Abend gewisse Spannungsunterschiede infolge des verschiedenen Druckes auf den antagonistischen Seiten des Gelenks hätten und daß diese auch ohne Wirkung der Spaltöffnungen ausgeglichen werden können, daß aber diese Spannungsdifferenzen gar nieht zustande kommen können, wenn die Funktion der Schließzellen ausgeschaltet wird. Auch das Bestreichen der Blattunterseite mit Ausnahme der Mittel- rippe ist mit einer Störung der Krümmung begleitet, wenngleich sie dadurch nicht ganz aufgehoben wird. wu Worin mag nun dieses eigentümliche Verhalten begründet sein? Verschiedene Ursachen konnten hierbei in Betracht kommen. Entweder fehlte es infolge des Verschlusses der Spaltöffnungen an dem nötigen Sauerstoff oder es war die Transpiration zu sehr behindert; oder aber es könnte durch die Aufhebung der Assimilation die Ausführung der Bewegungen verhindert sein. Versuche, die Gelenke mit Chloroform zu behandeln, schlugen fehl, die Blätter starben in der Regel ab. Su kam 88 W. Hermann, ieh auf die Idee, nasse Wattebauschstreifen auf die spaltöffnungsführen- den Stellen zu binden. Dadurch war die Gasaufnahme nicht ganz ver- hindert, wohl aber die Wasserdampfabgabe. Hierbei stellte sich denn heraus, daß es sich in der Tat um die Transpiration handelte. Denn nun blieben die Bewegungen ebenso aus, so lange die Bäusche naß waren. Sobald sie eintroekneten, trat die Krümmung ein. Gegen diese Versuche ließe sich nun einwenden, daß durch die nasse Watte nicht genügend Sauerstoff hindurchgehe und demnach die Transpirationsstörung doch nicht das wesentliche sei. Demgegenüber läßt sich aber ins Feld führen, daß die Versorgung mit Sauerstoff sicher leicht durch die Lamina erfolgen kann. Schon ein geringer Zug mit der Saugpumpe genügt, um einen ergiebigen Strom von Luft durch Blatt und Stiel zu saugen. Vielleicht lassen sich hier auch die Versuche Schwendener’s und Debski’s anführen, denen es gelungen war, durch Eingipsen des Gelenkes dessen Bewegungsfähigkeit aufzuheben. Durch den Gips geht sicherlich Sauerstoff in genügender Menge hindurch, während der Wasserdampf erheblichen Widerstand darin findet. Um aber sicher zu gehen, wurden die Versuche (in Jena) nun so ausgeführt, daß die Blätter in einen nach Möglichkeit dampfgesättigten Raum gebracht wurden. Dieser wurde so hergestellt, daß ein Untersatz aus einem mit seinen Rändern umgebogenen und verlöteten Zinkblech mehrere Zentimeter hoch mit Wasser gefüllt wurde. Über dieses wurde dann ein Glaskasten gestülpt.. Durch eine kleine Gasflamme, die ständig unter dem Blech brannte, wurde die Temperatur des Wassers dauernd auf 25—80° gehalten, so daß es also stets etwas mehr als 10° wärmer war als die Zimmerluft. So steigen dauernd Dämpfe im Kasten auf, die sich an den kälteren Wänden verdichteten. Ferner stand das Innere des Glaskastens durch eine gebogene Glasröhre mit der Außenatmosphäre in Verbindung. Hier war es unzweifelhaft, daß genügend Sauerstoff vorhanden war, aber das Resultat blieb dasselbe. Die Blätter führten keine Bewegungen aus, während die Kontrollblätter, die daneben in einem anderen trockenen Glaskasten standen, Krümmungen bis zu 100° und mehr ausführten. In gekrümmtem Zustand in den Kasten gebrachte Blätter wurden nach kurzer Zeit gerade; erst wenn sie einige Zeit (ein bis mehrere Tage) in dem dampfgesättigten Raume verbracht hatten, zeigte sich hie und da eine geringe seitliche Ausbiegung am Gelenk, eine Krümmungsart, die wohl als pathologisch anzusehen ist, da eine solche sonst nicht zu beobachten war. Die Blattbewegungen der Marantaceen und ihre Beziebung zur Transpiration. 89 Zu diesen Versuchen seien einige Notizen aus dem Protokolfhuch angeführt: 2. V. 12. Ein Blatt von Calathea Oppenheimiana wird 9 Uhr vormittags in den Kasten mit dampfgesättigter Luft gebracht. Die Rück- seite des Blattes ist dem Lichte zugewendet. Innentemperatur 30%. Gelenk gerade. Es ändert sich nichts bis zum Abend. Ein anderes Blatt wird mit gleicher Orientierung in einen daneben stehenden trockenen Kasten gestellt. Es führt bis um 4 Uhr nachmittags eine Krümmung von 100° aus. Daraufhin wird es in den feuchten Raum gebracht, wo es bis zum Abend wieder gerade wird. 4. V. 12. 10 Uhr vormittags werden drei Blätter mit je 90° Krümmungen in den feuchten Kasten gebracht. Ihre Gelenke werden bis zum Abend gerade. Doch zeigen sie eine kleine Biegung nach der Seite. 4 Uhr nachmittags wird ein Blatt mit geradem Gelenk, das seit dem 2. V. im feuchten Kasten gestanden hatte, in den trockenen übertragen. 8 Uhr abends zeigt sich eine Krümmung von 90°, 6. V.12. Am Abend werden fünf Blätter, deren Krümmungen 90-—100° betrugen, in den Dampfkasten gebracht. Die Temperatur sinkt infolge eines Versehens über Nacht auf etwa 15°. Am 7. V. 6 Uhr vormittags ist die Krümmung auf 80 und %0° zurückgegangen. 9 Uhr vormittags sind die Blätter zu 45° aufgestiegen (die Tem- peratur beträgt seit 7 Uhr 30°); 3 Uhr nachmittags ist die Krüm- mung auf wenige Grade zurückgegangen. Denken wir nun an Schwendeners Versuche, der die Blätter, deren Gelenke er behandelt hatte, in fast dampfgesättigter Luft hielt, su ergibt sich nach meiner Ansicht ohne weiteres, daß sie nach den mit- geteilten Beobachtungen nicht mehr als beweisend gelten können. Bis dahin ist nur von heliotropisehen Versuchen die Rede gewesen; aber auch für andere Bewegungsarten haben die Befunde Gültigkeit. So für geotropische Krümmungen. Während die normalen, fixierten Blätter umgelegter Stöcke sich aufrichteten, blieben diejenigen, deren Spaltöffnungen mit Kakaobutter verschlossen waren, unverändert. Fig. 8 zeigt die Abbildung einer so behandelten Pflanze (Calathea Oppenheimiana). Der Stock wurde am 3. V. 12 umgelegt; am 4. V. abends haben sich die normalen Blätter um 90 und mehr Grade zurück- gebogen. Das Blatt a, bei dem die Unterseite des Gelenkes mit Kakao- butter bestrichen ist, ist gerade geblieben. Das Blatt 5, dessen Blatt- 90 W. Hermann, unterseite mit Ausnahme der Mittelrippe bestrichen ist, zeigt geringere Biegung als die normalen. Zu einem interessanten Ergebnis führten die Versuche auf dem Klinostaten. Wurde das Blatt in horizontaler Lage gedreht und auf dem Gelenk und der Mittelrippe ein Wattebausch befestigt, der durch einen geeigneten Tropfapparat ständig naß gehalten wurde, so trat kein? Krümmung auf. Wurde das Blatt in gleicher Lage im dampf- gesättigtem Raum gedreht, indem die Achse des Klinostaten durch ein eigenes zu dem Zwecke gefertigtes Loch in der Wand des Dampf- raumes gesteckt wurde, so trat ebenfalls keine Bewegung ein, oder die vorhandene Krümmung ging wieder zu- rück. Die Versuche wurden meist so ausgeführt, daß die Blätter durch Drehung um die horizontale Achse zu Krümmungen von etwa 90° veranlaßt und dann in den dampfgesättigten Raum ge- bracht wurden, wo sie weiter rotierten. Bald begann das Blattgelenk sich zu strecken. Nach Verlauf mehrerer Stun- den war die Streekung bei- nahe vollendet und die Blätter krümmten sich nicht mehr, so lange sie in dem Fig. 8. dampfgesättigten Raum ge- dreht wurden. Als Beispiel diene das Blatt einer Ctenanthe setosa. Nachdem es nit allen Kautelen abgeschnitten war, wurde es durch eine geeignete Vorrichtung am Klinostaten so befestigt, daß es sich um seine horizontale Achse drehte. Es wurde durch 3tägiges Drehen (18.—20. V. 12 abends 5 Uhr) zu einer Krümmung von 140° veranlaßt. Von 5 Uhr nachmittags ab ließ ich die Spreite in der alten Lage in dampfgesättigtem Raum weiter rotieren. Nach } Stunde war die Krümmung auf 70° zurück- gegangen. Am folgenden Morgen (7 Uhr) betrug die Krümmung nur mehr 10°, um bis zum Abend 5 Uhr nahezu zu verschwinden. Um diese Zeit wurde das Blatt wieder in trockene Luft gebracht. 8 Uhr abends 0 | Die Blattbewegungen der Marantaceen und ihre Beziehung zur Transpiration. 9 betrug die Krümmung bereits wieder 45°, am nächsten Morgen 90° und am Abend wieder 135°. Nun wurde das Blatt entfernt. Seine Lebens- fähigkeit hatte nicht nachgelassen. Diese Entdeckung des engen Zusammenhanges zwischen Blatt- bewegung und Transpiration schien mir wichtig genug, um mich ein- gehender damit zu beschäftigen. Es lag mir zunächst daran, festzustellen, ob diese Erfahrungen, die ich bei den Marantaceen gemacht hatte, auch bei anderen Pflanzen Gültigkeit haben. Indessen ergaben die Versuche kein einheitliches Resultat. Zum Teil halten die Pflanzen, die Variationsbewegungen aus- führen, den Aufenthalt in dampfgesättigtem Raum nicht genügend lange aus, daß man aus ihrem Verhalten Schlüsse ziehen könnte. Das gilt für Trifolium und Phaseolus, die alsbald die Blättchen hängen ließen und zugrunde gingen. Oxalis ertrug es längere Zeit (in der Regel 3 Tage). Doch blieben die Bewegungen nicht aus, zeigten aber eine Abnahme der Rcaktionsgeschwindigkeit. Ähnliche Resultate ergaben die Versuche mit Biophytum sensitivum. Auch hier ist die Geschwindigkeit der Bewegungen der Blättehen gestört, die Bewegungsfähigkeit nieht auf- gehoben. Noch geringere Störungen erlitt Marsilia. Mit Mimosa pudica schlugen jedoch alle Versuche fehl, da die Pflanzen den Aufenthalt in der dampfgesättigten Luft auch nicht einen Tag ohne Schädigung aus- halten. Auch Porliera hygrometica wurde zum Versuch herangezogen; über einen Seitensproß wurde eine Glasglocke, in der nasse Watte lag, gestülpt und so verschlossen, daß die Wasserdämpfe nicht entweichen konnten. Es trat aber keine Störung ein. Die Blättehen innerhalb und außerhalb der Glocke zeigten keine Unterschiede. Von ganz besonderem Werte war es mir aber zu konstatieren, daß Begonia semperllorens sich gerade so verhält wie die Marantaceen. Wurden zwei Exemplare dieser Spezies nebeneinander gestellt, das eine in trockene, das andere in dampfgesättigte Luft, so zeigte sich, daß nur das in trockener Luft befindliche innerhalb 3—4 Tagen deut- lichen Heliotropismus aufwies, indem die Spreiten Flankenstellung ein- nahmen. Für so wenig abgeschlossen und vollständig ich meine Versuche auch halte, so glaube ich doch daraus folgern zu dürfen, daß die Bewegung von Pflanzenorganen in gewisser Beziehung zur Trauspiration steht und (je nach ihrem Angepaßtsein) auf Störungen in dieser reagieren. Manche zeigen völligen Stillstand (Marantacae, Begonien), manche Störungen (Oxalis, Biophytum) und endlich gibt es solche, die auch in dampfgesättigter Luft sich normal verhalten (Marsilia). 92 W. Hermann, Es wäre mir nun zum Vergleich sehr lieb gewesen, in der Literatur Angaben über Versuche zu finden, die über das Verhältnis der Pflanzen- bewegungen zur Transpiration hätten Aufschluß geben können. Doch fand ich nichts, was denı entsprach, Den Gedanken, daß die Blattbewegung, insbesondere die Variations- bewegung, mit der Transpiration zusammenhängt, hat Stahl bereits 1897 in seiner Abhandlung „Über den Pflanzenschlaf und verwandte Erscheinungen“ ausgesprochen, ohne jedoch eingehendere Versuche über den Gegenstand angestellt zu haben. Stahl zeigt dort (pag. 87#f.) an dem Beispiel der Papilionaceen, daß die Möglichkeit der Blatthewe- gung für diese von Vorteil ist bei Pflanzen, die ihre Wasseraufnahme und -abgabe nicht durch Ausscheidung von Tropfen mittels Hydathoden regulieren können. Auch E. Pantanelli hat an Porliera hygrometriea Versuche angestellt und gibt an, daß die Blättehen zu verschiedenen Tageszeiten ihre Ölfnungsweite „in ragione inversa del valore igrometrico“ änderten. Eine merkwürdige Bestätigung meiner Ergebnisse fand ich in Arbeiten, die von ganz anderem Gesichtspunkt ausgegangen und auf völlig andere Ziele gerichtet waren, nämlich in denen über Lichtsinnes- organe von Haberlandt und seinen Gegnern. Die Versuche sind zwar nicht ganz gleich, aber das wesentliche, die Aufhebung der Transpiration, ist überall erreicht. Um seine Theorie zu erhärten, sucht Haberlandt nachzuweisen, daß die Aufhebung der Linsenfunktion in den Epidermis- zellen vieler Blätter mit Variationsbewegung ihre Orientierungsfähigkeit sistiere. Zu dem Zwecke beobachtete er die Pflanze unter Wasser oder benetzte einzelne Blätter. Zunächst stellte er für Humulus lupulus, Begonia discolor, Ostrya vulgaris und Tropaeolum majus fest, daß sie unter Wasser keine Bewegungen ausführen. Ein Jahr später erschien nochmals eine Abhandlung über Begonia semperflorens, die „einen experimentellen Beweis für die Bedeutung der papillösen Laubblatt- epidermis als Lichtsinnesorgane“ liefern sollte. Da ich ebenfalls mit dieser Pflanze gearbeitet hatte, sei sein Versuch etwas näher beschrieben. Er wurde so angestellt, daß die Stöcke in einen Kasten mit einseitiger Beliehtung gebracht und zwei Blätter benetzt wurden, während die übrigen troeken blieben. Sein Resultat gibt Haberlandt wieder mit den Worten: „Während die Blätter mit unbenetzten Blattspreiten am 4. Tage nach Beginn des Versuches durch Drehungen bzw. Krümmungen ihrer Blatt- teile mehr oder minder vollständig in die neue fixe Lichtlage eingerückt waren, machten die beiden benetzten Blätter auch nicht den geringsten Versuch, in die transversalheliotropische Stellung bzw. günstigere Licht- Die Blattbewegungen der Marantaceen und ihre Beziehung zur Transpiration. 93 lage zu gelangen. Die Blattspreiten zeigten nach 4 Tagen noch dieselbe Lage wie vor Beginn des Versuches“. Von den gegnerischen Arbeiten war zunächst die von Gius von großem Interesse für mich. Er sucht Haberlandt zu zeigen, daß viele Pflanzen unter Wasser ihre Fähigkeit der Perzeption des Lichtreizes nicht verlören, obwohl dann die Wirkung der Haberlandt’schen Licht- sinnesorgane ausgeschaltet sei. Gius verwandte einmal Keimlinge von Vieia faba, Phalaris eanariensis, Panicum milliaceum. Er stellte bei Vieia fest, daß zwar die Perzeption des Liehtes durch das Wasser nirgends aufgehoben wurde, daß aber die Krümmungen bei Vieia im Wasser gegenüber den in der Luft befindlichen bedeutend langsamer verliefen und daß bei Verdunklung rasch eine Aufriehtung der Keinlinge erfolgt. Etwas geringer waren die Störungen bei Phalaris; bei Panicum sind sie nicht nennenswert. Ferner untersucht Gius die Wirkung bei den helio- tropischen Blattbewegungen von Heteranthera zosterifolia, Ludwigia Mullertü, Lysimachia nummularia, Ficus barbata und stiputala, Trade- scantia viridis, Glechoma hederacea, Philodendron subovatum, Monstera deliciosa. Ludwigia, Lysimachia, Ficus stipulata, Glechoma hederacea, und Monstera deliciosa reagierten gut, bei Ficus barbata und Philo- dendron war eine mehr oder minder große Störung zu konstatieren, bei Tradescantia ist das Resultat unsicher und bei Heteranthera erfolgt keine Krümmung im Blatt, sondern im Sproß. Endlich hat Gius die Haberlandt’schen Versuche mit Humulus lupulus, Begenia discelor, Ostrya vulgaris, Tropaeolum majus wiederholt und gefunden, daB bei ihnen in der Tat keine Krümmung eintritt. Zu diesen kann ich auf Grund eigener Wasserversuche die Marantaceen hinzufügen. Ungefähr gleichzeitig mit Gius’ Arbeit erschienen die Arbeiten von Kniep, Nordhausen und Albrecht. Sie verwandten im Gegen- satz zu Gius außer Wasser noch andere Mittel, um die Papillenwirkung aufzuheben: Öl (Kniep), Gelatine (Nordhausen), Seidenpapier (Albrecht und Kniep). Ihre Resultate laufen entsprechend denen von Gius darauf hinaus, daß sie die Notwendigkeit der Annahme von „Licht- sinnesorganen“ in Abrede stellen. Ein näheres Eingehen auf ihre Ver- suche ist nicht nötig, weil sie für meine Frage nach der Transpiration kaum in Betracht kommen, da diese drei Forscher ausschließlich die Blattoberseite mit den genannten Mitteln behandelten und so die Trans- piration nicht wesentlich schädigten. Überlegt man sich nun die Ergebnisse Haberlandt’s und seiner Gegner, sowie die meinen, so wird man zugeben müssen, daB Haber- 94 W. Hermann, land’s Deutung, daß die Aufhebung der Bewegung durch Benetzung und Untertauchen unter Wasser auf die Aufhebung der Papillenwirkung als Liehtsinnesorgane beruhe, sicher nicht die einzige zulässige ist; zumal wenn man bedenkt, daß dazu schon der Aufenthalt in dampfgesättigtem Raum genügt, wo doch die Linsenfunktion der Epidermiszellen nicht aufgehoben wird. Kann ich da nicht mit demselben Rechte folgern, daß die Aufhebung der Transpiration der eigentliche wirksame Faktor bei der Unterdrückung der Blattbewegung gewesen ist? So wenig ich meinen Schluß für unbedingt riehtig und völlig bewiesen halte, so darf ich doch diese Folgerung daraus ziehen, daß in Versuchen der Haberlandt’schen Art erst dann ein sicherer Schluß möglich ist, wenn vorher für die in Anwendung kommende Pflanze festgestellt ist, daß sie auch unbeachtet der Transpirationsverhältnisse normale Bewegungen ausführen kann. Ferner möchte ich zu bedenken geben, ob es statthaft ist, zur Ver- dunkelung eines Organes ohne weiteres ein Mittel anzuwenden, das gleichzeitig die Transpiration aufhebt. Solche Mittel sind aber Stanniol, Papier, Lederstrümpfe, verklebte Glasröhren, wie sie bei den Versuchen Haberlandt’s und seiner Gegner in Anwendung kamen. Ist es nicht gut möglich, daß die Tatsache, die Haberlandt und Kniep kon- statieren, daß nämlich die Neigung der Blätter, deren Stiel „verdunkelt“ ist, nicht oder nur selten bis zur Transversalstellung fortschreitet und daß dazu die Beleuchtung des Stieles erforderlich ist, in einem Fehler der Verdunkelungsmethode liegt ? Haberlandt hat auch zwei Marantaceen zu seinen Versuchen verwendet, Maranta bieolor Ker.!) und Maranta Kerchoveana Morren. Da ich mich einmal so eingehend mit der Theorie der Lichtsinnesorgane hatte beschäftigen müssen, beschloß ich mich mit: Maranta Kerchoveana näher zu befassen und dort die Notwendigkeit der Oeellenwirkung zu studieren, 1) Haberlandt muß unter Maranta bicolor eine andere Spezies im Auge gehabt haben als die, welche ich unter diesem Namen in den botanischen Gärten von ‚Jena und Dahlem-Berlin kennen gelernt habe. Denn er schreibt von ihr, daß sie „zu beiden Seiten der Mittelrippe zwischen den stärkeren Seitennerven je eine Reihe roter Flecken mit Sammetglanz haben, die an älteren Blättern allmählich verblassen und lebhaft grün werden‘‘. Diese Beschreibung trifft nur für Maranta Kerchoveana oder zebrina zu. Die mir bekannte bicolor hat keinen Sammetglanz und keine roten Flecken, sondern ist dunkelgrün und hat zu beiden Seiten der Mittelrippe ein breites Silber- band, das auf Reflexion des Lichtes in den Interzellularen begründet ist. Die Blattbewegungen der Marantaceen und ihre Beziehung zur Transpiration. 9% Maranta Kerchoveana hat zu beiden Seiten der Mittelrippe mehrere sammetartige dunkelrote Flecke, die später grün werden; die über diesen liegenden Epidermiszellen tragen Papillen. Haberlandt hat festgestellt, daß Blätter, „deren Gelenke mit schwarzen Papierschirmen oder Stan- njolumhüllung verdunkelt waren, in der heliotropischen Kammer die fixe Lichtlage nicht vollkommen einnahmen, wenn sie auch nach einer Reihe von Tagen eine günstigere Lichtstellung zeigten als zu Beginn“. Nach meinen Versuchen ist dies leicht zu verstehen. Hätte Haberlandt den ganzen krümmungsfähigen Teil der Mittelrippe mit Stanniol bedeckt, so würde er wahrscheinlich noch geringere Wirkung erzielt haben. Ich führte meine Versuche in der Art aus, daß ich die papillösen Flecke mit einer dieken Lage sefbst angeriebener, unschädlicher chinesi- scher Tusche bestrich. Nach Haberlandt’s Theorie wäre nun eine geringere Wirkung zu erwarten gewesen, da doch das Licht durch die geschwärzten Wände der Epidermiszellen aufgehalten wurde. Aber es ergab sich die überraschende Tatsache, daß die so behandelten Blätter viel stärker reagierten als die normalen. Sie gingen (die Versuche wurden in der ersten sonnigen und heißen Hälfte des Juli 1912 (ausgeführt bei einer Gewächshaustemperatur von 20—24°) bereits nach einer Stunde nach Beginn des Versuches (9 Uhr V.) in Parallelstellung über oder traten in diese ein, wenn andere Blätter sie nicht einnahmen und am Abend blieben sie bis zum Eintritt der völligen Dunkelheit in Tagesstellung, um dann erst die Gelenke zu strecken und in die senkrechte Schlafstellung überzugehen. Auch waren die Winkel, welehe die geschwärzten Blätter mit der Sproßachse bildeten, erheblich größer, als die normalen und betrugen nicht selten 100° Nach diesen Erfahrungen schien es also, als ob in der Tat die Wirkung dureh die Störung der Papillenwirkung eingetreten ist. Darnach schien mir also die Wirkung in der Schwärzung zu liegen. Um dies festzustellen, verwandte ich nun Blätter einer anderen Spezies, die keine Papillen trägt, jedoch zweifarbig ist; Maranta undulata. Sie hat eine dunkelgrüne Spreite mit silberhellem Band. Hier waren die Ergebnisse mindestens ebensogut, wobei es gleichgültig war, ob ich die hellen oder dunklen Partien schwärzte. (In mehreren Fällen war die Wirkung so stark, daß die Blätter am folgenden Morgen ihre Krümmungen noch nieht rückgängig gemacht hatten.) Endlich ging ich dazu über, ganz grüne Blätter von Ctenanthe Steudneri und Ctenanthe setosa zu verwenden, indem ich auf den Blättern einzelne Partien schwärzte. Die geschwärzten Blätter reagierten mit wenigen Ausnahmen stärker 96 W. Hermann, Die Blattbewegungen der Marantaceen usw. als die normalen. Bei Utenanthe setosa war der Erfolg nicht so gut, aber immerhin wahrnehmbar. Auch Blätter von Tropaeolum majus und Chenopodium schienen durch Schwärzung beeinflußt zu werden. Leider schwand in der zweiten Hälfte des Monats Juli die Sonne und es begann eine lange Regenperiode; so kam ich nieht mehr dazu, die Versuche im Freien an anderen Pflanzen (durchzuführen. Ieh bin geneigt, aus diesen Versuchen den Schluß zu ziehen, daß die Ursache dieser gesteigerten Reaktion darin zu suchen ist, daß durch die Sehwärzung eine noch höhere Erwärmung und damit verbunden noch lebhaftere Transpiration, als durch die Stahl’schen Papillen- liehtfänge erzielt wird. Daß man nicht die Lichtsinnesorgane, d. h. die Papillen dafür verantwortlich machen darf, scheint mir klar zu liegen, da ihre Wirkung ja ausgeschaltet war, und auch Blätter ohne diese Organe keine Unterschiede zeigten. Wenn man nach einer Bedeutung der Papillen sucht, wird man daher wohl richtiger gehen, Stahl’s Deutung dieser Gebilde als Licht- fänge anzunehmen, die im Dienst der Transpiration und damit der Nahrungszufuhr stehen. Ob wir in den Marantaceen ein Beispiel und einen Beweis haben für Stahl’s Annahme, die Blattbewegungen ständen überhaupt im Dienste der Transpiration, kann erst entschieden werden, wenn die Transpirationsverhältnisse und das Wasserbedürfnis der Marantaceen genau klargelegt sein wird. Dies festzustellen, wird mein nächstes bota- nisches Ziel sein. Ergebnisse. 1. Die Bewegungen der Marantaceen-Blätter sind Variations- bewegungen, also durch Turgoränderung hervorgerufen. 2. Die Spaltöffnungen auf der Gelenkunterseite spielen bei den Krümmungen eine wesentliche Rolle; ihre Ausschaltung durch Be- streiehen mit Kakaobutter oder durch Wasser (nasse Wattebäusche und Übertragung in dampfgesättigten Raum) ist gleichbedeutend mit der Aufhebung der Blattbewegung. 3. Aufhebung der Transpiration verursacht auch bei einigen anderen Pflanzen Störungen in der Blattbewegung. 4. Durch Ausschaltung der „Linsenfunktion“ ist bei Maranta Kerchoveana E. Morren die Krümmungsfähigkeit oder die Orientierung des Blattes nicht aufgehoben. Über mehrzellige Sporen bei Laubmoosen. Von Th. Herzog. Bisher stand die Familie der Dienemonaceae mit ihren viel- zelligen Riesensporen!) ganz isoliert da unter den Laubmoosen — eigen- tümlich genug, da es sich bei ihnen nicht um vereinzelte Fälle, sondern um die gesamte nicht unbedeutende Zahl ihrer Arten handelt und die Familie auch pflanzengeographisch eine sehr wohl umgrenzte Gruppe ist. Ihr Verbreitungsbezirk ist rein australisch-antarktisch. Um so interessanter ist der Nachweis, daß es auch in einer anderen Verwandtschaftsreihe, die entwieklungsgeschichtlich sicher nichts mit den Dienemonaceen zu tun hat, mehrzellige Sporen gibt. Ich fand solche bei zwei Cryphaea-Arten des bolivianischen Bergwaldes, die also unter ähnlichen klimatischen Bedingungen, wie die Dienemonaceen wachsen. Beide sind in „Die Bryophyten meiner zweiten Reise durch Bolivia“, Bibliotheca botanica, Heft 87 als neu beschrieben und abgebildet. Äußer- lich, und zwar sowohl im Wuchs als in der Blattstruktur, Kapselform und Peristom sehr voneinander verschieden, besitzen beide Arten, Cryphaea macrospora und C. gracillima sehr ähnliche, auffallend große Sporen. Ihr Durchmesser ist im Reifezustand bei C. macrospora 44-48 x, bei C. gracillima 44—52 x, die Form etwas unregelmäßig kugelig bis kurz walzenförmig. Die Spore ist von einem leicht gekörnelten derben Exospor umgeben und sehr reich an Chlorophyll und Reserve- stoffen. Das merkwürdigste an ihnen sind jedoch deutlich ausgebildete Längs- und Querwände, welche bei C. macrospora die Spore in Quad- ranten von ziemlich gleichem Inhalt zerlegen. Unter den Sporen der gleichen Kapsel finden sich aber daneben alle Stadien vom Kinzelzustand über zwei und drei Zellen bis zur Quadrantenbildung, welche hier den Abschluß darstellt. Man kann sich dabei an den nahezu gleichen Dimen- sionen dieser verschieden weit in Teilung getretenen Sporen überzeugen, daß die Teilung erst eintritt, wenn die Spore ihre definitive Größe er- reicht hat. Bei C. graeillima treten nach der ersten Querwand die nächsten Wände unregelmäßiger auf und führen so zu Vier- bis Acht- Zellstadien, bei welchen die einzelnen Zellen unregelmäßiger geformt als bei C. maerospora und ungleich groß sind. 1) Vgl. Gochel. Organographie, 1. Aufl., pag. 345. Plora, Bit. 169. B 98 Th. Herzog, Wir haben es also bei diesen beiden Arten mit echt mehrzelligen Sporen zu tun, welche in dieser Form schon in der geschlossenen Kapsel vorhanden sind. Von den vielzelligen Sporen der Dienemonaceen unter- scheiden sie sich einmal durch die geringeren Maße und dann auch durch ihre der gewöhnlichen Sporenform näherstehende Gestalt. An die ge- wöhnlichen Laubmoossporen erinnert das derbe Exospor, das bei der reifen, zur Aussaat gelangenden Spore noch unverändert erhalten, also nicht wie bei den Dienemonaceen zersprengt ist. Die Sporen dieser beiden Cryphaea-Arten scheinen mir besondere bemerkenswert als eine Mittelform zwischen dem gewöhnlichen, ein- zelligen Typus und dem hochspezialisierten vielzelligen Typus der Diene- monaceen, wo die im Kapselinnern schon früh einsetzende Keimung zu mächtigen, vielzelligen Körpern führt!). Wenn wir uns entwieklungsgeschichtlieh diesen Übergang von der Einzelligkeit zur Vielzelligkeit der Spore vorstellen wollen, können wir wohl als ersten Schritt — von der in der Regel kleinen Spore aufwärts — eine Vergrößerung derselben, also eine Zunahme des Umfanges und Vermehrung des Zellinhaltes annehmen. In dieser Annahme unter- stützen uns diejenigen Fälle, wo wir in einzelnen Gattungen oder Familien neben normal kleinsporigen Arten solche mit sehr großen Sporen und zugleich reichem Chlorophyligehalt finden. Diese Verselbständigung der Spore durch die Mitgabe reicher Reservestoffe und ihre Fähigkeit, leb- haft zu assimilieren, ist wohl die erste Bedingung zur Entwieklung der noch höher spezialisierten mehr- und vielzelligen Sporenkörper, die sich fast wie Brutkörper verhalten und wo man im eigentlichen Sian des Wortes von „Viviparie‘“ sprechen kann. Einen Fall, den man etwa als Vorstufe zur Ausbildung der be- schriebenen Cryphaeasporen betrachten kann, habe ich bei einer Maero- mitrium-Art des holivianischen Bergwaldes gefunden. Dieselbe ist am angeführten Orte als M, macresporum beschrieben und abgebildet. Ihre Sporen sind ebenfalls meist etwas unregelmäßig kugelig bis sehr kurz walzenförmig und haben einen längeren Durchmesser von 60 bis 70 #. Sie sind jedoch noch einzellig und von einer dieken Sporenhaut umgeben, erinnern aber sonst durch ihren reichen Inhalt an Öl und den Chlorophyilgehalt sehr an dıe Cryphaeasporen. Es wäre noch zu unter- suchen, ob diese eigentümlichen Macromitriumsporen bei der Aussaat zunächst Teilungswände innerhalb der Sporenwandung bilden und so 1) Vgl. auch Mesotus celatus (Goebel, Archegoniatenstudien X, Flora 1900, Bd. XCVI, pag. 60). 2) S. Goebel, Organographie II, pag. 346, Über mehrzellige Sporen hei Laubmoosen. 90 ein den reifen Cryphaeasporen entsprechendes Stadium durchlaufen; die schon 3 Jahre alten Sporenkapseln bieten zwar nicht viel Aussicht auf ein erfolgreiches Experiment. Immerhin soll es noch angestellt werden, ebenso wie eine Aussaat der mehrzelligen Cryphaeasporen, deren Keimung gewiß manches Interesse bietet. Daß wir bei den großen Sporen von Macromitrium an eine phylo- genetische Vorstufe des Mehrzellstadiums der Spore denken dürfen, ergibt sich aus dem Verhalten der Sporen von Werneriobryum, das in seinen vegetativen Teilen, wie im Peristom den Dienemonaceen nahe steht, aber noch einzellige, allerdings sehr große (80x65—-120x50 #) Sporen besitzt. Ich habe die interessante Gattung, welche mein Freund Dr. E. Werner, f, vor Jahren an der Spitze des Gelu (Deutsch-Neu- Guinea) entdeckte, in Hedwigia, Bd. XLIX beschrieben und abgebildet. Wir hätten hier also im gleichen Verwandtschaftskreis sowohl einzellige wie vielzellige Sporen. Die Art und Weise, wie solehe Riesensporen zustande kommen, kann natürlich nur durch entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen am lebenden oder unter diesen bestimmten Gesichtspunkten an Ort und Stelle fixiertem Material nachgewiesen werden, da Herbarpflanzen in der Regel nur einen einzigen Reifezustand der Kapseln enthalten. Trotz- dem möchte ich hier noch eine Beobachtung mitteilen, die mir auf die Vorgänge bei der Sporenbildung ein gewisses Licht zu werfen scheint. In den reifen Kapseln von Macromitrium macrosporum findet man nämlich neben den großen, reifen, mit Chlorophyli und Reservestoffen angefüllten Sporen eine große Zahl kleiner, inhaltleerer, meist halb- zerdrückter Sporen, die zu der Auffassung führen, daß die großen Sporen ihre Masse auf Kosten der zurückbleiberden Sporen vermehren, und die Vermutung nahe legen, daß letztere in der Entwicklung der normalen, keimfähigen Sporen die Rolle von Nährzellen spielen. In geschlossenen, offenbar verkümmerten Kapseln der gleichen Macromitrium-Art fand ich inhaltsleere, geschrumpfte Sporen von rostgelber Farbe, die nur zum Teil noch tetradenartig zusammenhingen und anscheinend einen Fall darstellten, wo es zur Differenzierung kräftiger Sporen überhaupt nicht kommen würde und wo alle auf mittlerer Größe stehen bleiben. Mehr läßt sich zurzeit über diese eigentümlichen Sporen nicht sagen. 7” Beiträge zur Kenntnis der Spaltöffnungsbewegungen. Von K, Linsbauer (Graz). Haben die grundlegenden Untersuchangen Schwendener’s und seiner Schule die Mechanik der Spaltöffnungsbewegungen klar gelegt, so verdanken wir den wertvollen Arbeiten von Brown und Eseombe und namentlich von Renner eine Vertiefung unserer Kenntnisse der physikalischen Seite des Problems der stomatären Transpiration. Die längst erkannte Abhängigkeit der Stomatärbewegungen vom Komplex der gegebenen Bedingungen, also die eigentliche biologische Analyse, ist dagegen noch lange nicht in dem Maße vorgeschritten, wie es bei der Wichtigkeit des Vorganges und seiner Bedeutung für das Verständnis anderer fundamentaler Lebensprozesse erwünscht und mit flilfe der ge- gebenen Methodik möglich wäre, die namentlich in den letzten Jahren durch die Arbeiten von Darwin, Molisch u. a. ihre Ausbildung erfahren hat. Diesem methodischen Fortschritte ist bereits eine Reihe wertvoller Ergebnisse zu danken. Einen weiteren Beitrag zu dem Probleme sollen auch die folgenden Ausführungen bringen, die einen Teil meiner in den letzten Jahren durchgeführten Untersuchungen umfassen. Mir schien es dabei in bezug auf einige Fragen wichtiger, das Verhalten einzelner, besonders geeigneter Versuchspflanzen genauer zu studieren, als die groBe Zahl von Einzelbeobachtungen um ein weiteres zu vermehren. Am eingehendsten untersucht ist jedenfalls die Abhängigkeit der Stomatärbewegung von Licht und Feuchtigkeit, Faktoren, welche in der Regel gleichsinnig eine Öffuungstendenz der Stomata auslösen. Dabei fehlt es jedoch nicht an einer Reihe von Ausnahmen; es liegen vielfache Angaben vor, denen zufolge die Stomata gewisser Pflanzen im Dunkeln oder im welken Zustande zu einer Schließbewegung nicht befähigt sind. Diese Ausnahmen sind zum Teil wenigstens biologisch, keineswegs aber physiologisch verständlich, um so weniger, als es sich um ein verschiedenes Verhalten im Prinzipe gleich konstruierter Apparate handelt. Zudem stimmen die Befunde der einzelnen Forscher keineswegs immer mit- einander überein; die Angaben fallen vielmehr zum Teil je nach der an- gewandten Untersuchungsmethode oder anderen, zumeist nicht näher definierten Bedingungen reeht verschieden aus, ein Beweis, daß wir die Bewegungsbedingungen noch nicht völlig übersehen, viel weniger be- herrschen können. Gerade der Regulationsvorgang der Stomatärbewegung K. Linsbauer, Beiträge zur Kenntnis der Spaltöffnungsbewegungen, 101 ist jedoch namentlich für das Verständnis des Transpirationsproblems von solcher Bedeutung, daß man jedenfalls Burgerstein nur beı- pfliehten kann, wenn er verlangt, daß Transpirationsversuche stets mit Beobachtungen der Spaltweite verknüpft werden sollten. Methode. Die spezielle Methodik, deren ich mich bediente, wird fallweise er- läutert werden. Zur Beurteilung def Spaltweite stehen heute eine ganze Reihe von Methoden zur Verfügung?), die alle unter Umständen gute Dienste leisten können. Solche Methoden, welehe nur indirekt einen Schluß auf die Spaltweite gestatten, wie die Stahl’sche Kobaltmethode, kamen für die Zwecke dieser Untersuchung nicht in Betracht. Es handelte sich mir daher hauptsächlich um die Wahl zwischen direkter mikroskopischer Untersuchung, Molisch’ Infiltrations- und Darwin’s Porometermetbode. Liefert die letztere genauere, zahlen- mäßige Ergebnisse, so hat die Infiltratisnsmethode unter anderem den Vorzug der leichten Anwendbarkeit, der bei Versuchen am natürlichen Standort. nieht zu unterschätzen ist, was mich unter solehen Umständen zu ihrer Wahl bestimmte. Auch dieses Verfahren wurde in neuerer Zeit mehrfach modifiziert; auf die für spezielle Zwecke getroffenen Abände- rungen durch Neger und Dengler brauchte ich jedoch keine Rück- sicht zu nehmen, da ich in der Auswahl für die Methode geeigneter Versuchspflanzen nicht gebunden war. Um den Grad der Spaltweite beurteilen zu können, brachte Molisch eine Reihe von Infiltrationsmedien in Vorschlag, die eine verschiedene Porenweite zum Eindringen voraussetzen. C. Stein hat im Anschluß an Stahl eine andere weiter abgestufte Reihe aufgestellt, die noch genauere Resultate ergeben soll. Die Infiltrationsintensität ist jedoch nach meinen Erfahrungen auch für ein und dasselbe Infiltrationsmittel je nach der Spaltweite inner- halb gewisser Grenzen verschieden. Ich beschränkte mieh daher zum Zwecke orientierender Untersuchungen in der Regel auf die Anwendung von Alkohol allein, der etwaige Differenzen am klarsten erkennen läßt: gelegentlich wurde ergänzend auch das Verhalten gegen Benzol geprüft. Mehr als eine ungefähre Schätzung des jeweiligen Stomatärzustandes darf billigerweise ohnehin nicht von der Infiltrationsmethode verlangt werden, zumal die Stärke der Infiltration wohl nicht allein von der Weite, sondern auch von der Zahl der jeweilig geöffneten Spalten ab- 1) Neuere Übersicht bei V. Grafe. 102 K. Linsbauer, hängt und vielleieht auch von der Höhe des Gasdruckes in den Inter- zellularen beeinflußt wird!). Bei der Mehrzahl unserer krautigen Pflanzen, von denen diese Untersuchung ausschließlich handelt, infiltriert Alkohol, maximale Spaltweite vorausgesetzt, fast momentan das ganze Blatt; bei zunehmender Verengerung der Spalte vermindert sich schließlich die Infiltration so weit, daß sie nur mehr an einer mehr oder minder großen Anzahl distinkter Stellen auftritt. Zur bequemeren Darstellung werde ich in der Folge die Infiltration mit Alkohol oder Benzol mit A bzw. B bezeichnen und die beiläufige Stärke der Infiltration durch einen rechts davon stehenden Index andeuten. Ich unterscheide in dieser Weise drei Infiltrationsstufen, die ich nach abnehmender Stärke mit A,, A, A, (bzw. B,, B,, B,) bezeichne; gelegentlich konnten noch Zwischenstufen mit befriedigender Sicherheit unterschieden werden, die entsprechend mit A, „ oder A,_, usw. gekennzeichnet wurden. Es versteht sich auch von selbst, daß das Bild einer maximalen Infiltration bei verschiedenen Pflanzen ein abweichendes ist, die an solchen gewonnenen Ergebnisse somit untereinander nicht verglichen werden können. Neben der Infiltrationsmethode wurde speziell bei Laboratoriums- versuchen in ausgedehntem Maße die unmittelbare mikroskopische Untersuchung der Spaltweite vorgenommen. Ich verkenne durchaus nieht den Wert von Darwin’s Porometermethode, die für quantitative Untersuchungen unentbehrlich geworden ist, doch scheint mir die direkte mikroskopische Prüfung mit Unrecht in Mißkredit gekommen zu sein. Liefert das Porometer Durchsehnittswerte, so lehrt die mikroskopische Kontrolle individuelle Differenzen im Verhalten der einzelnen Stomata kennen, deren Ursache erst der Erforschung bedarf. Ich muß jedoch von vornherein betonen, daß ich bei der mikroskopischen Untersuchung auf die Verwendung von Flächenschnitten prinzipiell verzichtete. Die schwerwiegenden Einwände, welche gegen diese seinerzeit geübte Me- thode von Schwendener u. a. mit Recht erhoben wurden, sind all- gemein bekannt. Auch die von Lloyd geübte Methode der schnellen Fixierung der abgezogenen Epidermen mit heißem Alkohol — Renner bezeichnet sie als „sehr brauchbar, aber auch als recht gefährlich und einer sorgfältigen Kritik bedürftig“ (l. e. pag. 492) — möchte ich im Not- falle nur dort verwenden, wo die Untersuchung lebenden Materials aus irgendwelchen Gründen unmöglich ist. Schwendener selbst benutzte 2) Vgl. das Austreiben der Luft aus Interzelinlaren bei Zusatz von Äther oder Alkohol. Beiträge zur Kenntnis der Spaltöffnungsbewegungen 103 bekanntlich zu seinen grundlegenden Untersuchungen relativ dicke Flächenschnitte, welehe in Öl oder trocken untersucht wurden, wodurch eine abnormale Wasseraufnahme durch die Schließ- ‘oder Epidermis- zellen vermieden wurde. Ich selbst beschränkte mich durchaus auf die mikroskopische Untersuchung intakter Blätter oder Blattfragmente, die entweder trocken oder seltener nur auf der spaltöffnungsfreien Oberseite mit Wasser benetzt unter das Mikroskop kamen. Ist die Beobachtungs- dauer auf wenige Minuten beschränkt, so hat man die Gewähr, die Stomata in völlig normalem Zustande prüfen zu können!). Die direkte mikro- skopische Untersuchung des unversehrten Blattes wurde bereits von Kohl in ausgedehnterem Maße angewendet; er bevorzugte hierbei Wasserpflanzen mit Schwimmblättern, auf deren Benutzung ich jedoch deshalb verzichtete, weil sich ihre Stomata in anatomischer und physio- logischer Hinsicht beträchtlich von denen der Landpflanzen unter- scheiden. Ich erinnere nur an das Verhalten der Schwimmblätter (Pota- mogeton-Arten u. a.), deren Stomata sich mit zunehmendem Wasser- verlust immer mehr öffnen, während sie sich bei Immersion des Blattes — wieder umgekehrt wie bei den Landpflanzen — schließen. Wenn die direkte mikroskopische Untersuchung des unversehrten Blattes bisher so selten geübt wurde, so liegt es jedenfalls nur daran, daß sie — wie auch Meolisch bemerkt — anscheinend nur selten an- wendbar ist. Natürlich setzt sie ein gewißes Maß von Transparenz des Blattes und nicht allzutief eingesenkte Stomata voraus. Ich war aber überrascht von der Häufigkeit solcher Blätter, welche diesen Bedingungen entsprechen. Die große Mehrzahl der Blätter krautiger Pflanzen unserer Flora liefert bei mittleren Vergrößerungen hinreichend scharfe Bilder, so daB die Spaltweite größerer Stomata mit ziemlicher Genauig- keit mikrometrisch gemessen werden kann. Ja selbst relativ dieke Blätter lassen bei entsprechend starker Durchleuchtung eine unmittelbare Unter- suchung zu. Dagegen ist es allerdings nicht mit Sicherheit zu entscheiden, ob bei geschlossenem Spalt der Verschluß wirklich ein hermetischer ist, was jedoch von anatomischen Konstruktionsdetails abhängt und nieht von der Bewegungstätigkeit als solcher, von der hier allein die Rede sein soll, Vorversuche. Ehe ich an die Ausführung der geplanten Untersuchungen ying, mußten zunächst einige Vorversuche erledigt werden. Sie bewegten sich 1) Selbstverständlich dürfen die am äußersten Rande der Blattfragmentes situierten Stomata nicht berücksichtigt werden. tO4 K. Linsbauer, nach zwei Richtungen. Erstens mußte geprüft werden, ob Verletzungen der Blätter einen wesentlichen Einfluß auf die Beweglichkeit und den Öffnungszustand der Stomata ausüben. Eine solche Feststellung war deshalb erforderlich, weil zur mikroskopischen Untersuchung in der Regel nur quadratische Ausschnitte aus den Blättern von 3-5 mm Seitenlänge benntzt wurden. Zweitens sollten Versuche darüber orien- tieren, inwieweit die Beweglichkeit durch Alter und Lage der Stomata beeinflußt wird. " 1. Einfluß von Verletzungen des Blattes auf die Stomata. Obgleich ich die verschiedenartigsten Blätter daraufhin unter- suchte, ließ sich doch niemals ein anderer Effekt der Verletzung ermitteln, als die lange bekannte Erscheinung des Öffnens der Stomata, welche unmittelbar an verletzte Epidermiszellen angrenzen. Es konnten s0- mit unbedenklich auch Blattausschnitte zur mikroskopischen Unter- suehung herangezogen werden, wofern nur der Öffnungszustand der peripher gelegenen, an die Schnittfläehe angrenzenden Stomata von der Betrachtung ausgeschaltet wurde. Ob vielleicht geringfügige Diffe- renzen in der Reaktionsgeschwindigkeit oder der Öffnungsweite gegen- über völlig intakten Blätter auftreten, habe ich nicht verfolgt, zumal es sich bei meinen Untersuchungen nur um relative, nicht absolute Effekte handelte. Von der großen Zahl der untersuchten Pflanzen machte nur eine einzige eine Ausnahme, Chlorophytum Sternbergianum Steud. (= Hartwegia comosa Hort.). Bei Wiesner (I, pag. 493) findet sich die Angabe, daß die Stomata dieser Pflanze auch bei längerem Aufent- halt im Dunkeln in weit geöffnetem Zustande verharren können. Kohl hingegen fand (l. e. pag. 41) bei mikroskopischer Untersuchung der in- takten Blätter einen normalen Spaltenverschluß im Dunkeln. Er führt die Differenz in der Beobachtung darauf zurück, das Wiesner die Untersuchung vielleicht an der abgelösten Epidermis vornahm, verfolgt aber die Sache nicht weiter. Ich untersuchte zunächst vergleichsweise intakte Blätter und Blattfragmente (jedoch keine Flächenschnitte) und konnte mich leicht davon überzeugen, daß die Stomata der ersteren im Dunkeln eine normale Schließbewegung ausführten. Die aus Dunkel- blättern herausgeschnittenen, troeken untersuchten Blattfragmente wiesen jedoch stets offene Stomata auf, deren Anzahl während der Be- obachtung sichtlich zunahm. Ich will diesen Befund nur durch ein Beispiel belegen; Beiträge zur Kenntnis der Spaltöffnungsbewegungen. 105 Versuch am 7. VL. 1913. 65h p. m. Diffuses Licht. Aus einem Blatte wird ein Streifen 3:8 mm senkrecht zur Blattachse heraus- geschnitten und unmittelbar im frischen Zustand ohne Wasserzusatz mikroskopiert. In einem Gesichtsfeld liegen 20, sicher geschlossene Stomata. Nach 3 Min. 6 Stomata entschieden offen. „5,1 „ » » » 7. „ ” » „10.1 „u ” » Nach mehrfacher Bestätigung dieses Befundes wurden die Ver- suche in folgender Weise modifiziert. Ein im normalen Verbande befind- liches Blatt wird in inverser Lage auf dem Objekttisch fixiert. Sämtliche Stomata zeigen sieh infolge vielstündigen Aufenthaltes der Pflanze im Dunkelschrank geschlossen. Nun wird mit einem Skalpell in unmittel- barer Nähe aber doch außerhalb des Gesichtsfeldes ein bis gegen die Blatt- mitte reichender Einschnitt angebracht. Wenige Sekunden darauf läßt sich zunächst in dem der Wunde zugekehrten Teil des Gesichtsfeldes eine schwache Öffnung einzelner Stomata erkennen, die schließlich fast alle Stomata bis auf eine Entfernung von ca. 15 mm von der Wunde ergreift; inzwischen haben sieh die Stomata in der Wundnähe klaffend weit geöffnet. Diese Öffnungsbewegung, von deren prompten Eintritt ich mich wiederholt überzeugte, schreitet sowohl akropetal als basipetal von der Wunde fort, wobei allerdings einzelne Stomata übersprungen werden. Auch scheint die Fortpflanzung des Öffnungsimpulses in den einzelnen Interkostalräumen mit verschiedener Geschwindigkeit vor sieh zu gehen. In transversaler Richtung breitet sich die Bewegung hingegen nur in sehr beschränktem Maße aus und greift kaum auf den benachbarten Interkostalraum über. Noch wirksamer als das Einschneiden erwies sich das Einstechen einer erhitzten Nadel in die Blattfläche, wobei sich einmal ein Fort- schreiten der Öffnungsbewegung auf eine Entfernung von 20 mm von der Wundstelle mit Sicherheit nach weisen ließ. Selbst in einzelnen Fällen, in denen durch das Einschneiden des Blattes kein nennenswerter Effekt erzielt werden konnte, löste das Verbrennen sofort die erwartete Öffnungs- bewegung aus. Ich habe bisher vergebens nach Blättern gesucht, welche dieselbe Erscheinung zeigen. Da dieser Fall mit den geplanten Untersuchungen "in keinem näheren Zusammenhange steht, habe ich ihn einstweilen 106 K. Linsbauer. nicht näher verfolgt und will mich daher auch jeder weiteren Diskussion enthalten!). 2. Einfluß des Blattalters auf die Stomatärbewegung. Während über das Transpirationsverhältnis junger und alter Blätter eine umfangreiche Literatur vorliegt, sind die Angaben über das gleich- zeitige Verhalten der Stomata äußerst dürftig. Die Bestimmung der ’Transpirafionsgröße durch Höhnel, Aubert, N, J. C. Müller u. a. (Literatur und eigene Beobachtungen bei Burgerstein, I. c. pag. 58) ergab im allgemeinen zwei Maxima der Transpiration: ein stärkeres im jüngsten Stadium des Blattes, welches ausschließlich auf Rechnung der kutikulären Transpiration zu setzen ist (v. Höhnel) und ein zweites schwächeres Maximum im vollständig entwickelten Blatte, zu einer Zeit, in welcher die Cutieula bereits ihre volle Mächtigkeit erreicht hat und die stomatäre Transpiration überwiegt. Seeliger (nach Ref. im Botan. Zentralbl. 1912, Bd. CXX, pag. 596) gelangte neuestens zu einem wesentlich gleichen Ergebnisse: ein Transpirationsmaximum, ehe das Blatt noch die Hälfte seiner definitiven Größe erreicht, hierauf ein Mi- nimum, bis das Blatt annähernd ausgewachsen ist, worauf ein allmäh- liches neuerliches Ansteigen folgt, das zu einem zweiten, niedrigeren Maximum führt. Stahl beobachtete mit Hilfe der Kobaltmethode schon in jüngsten Entwicklungsstadien hypostomatischer Blätter (spez. bei Liriodendron) eine Förderung der Transpiration auf der Blattunterseite. Die Beob- achtung wird dahin interpretiert, daß die Wasserdampfabgabe mit Ein- setzen der Transpiration auch schon „hauptsächlich“ dureh die „aller- dings noch nicht fertig ausgebildeten Spaltöffnungen vor sich geht“. Demzufolge wäre schon in diesem Zustande ein Funktionieren der Sto- mata anzunehmen. Das Transpirationsmaximum jüngster Blätter wäre somit auch durch stomatäre Verdunstung mitbedingt. Die beobachtete Tatsache könnte sich jedoch auch einfach in der Weise erklären — ich stimme in dieser Auffassung mit Schellenberg (l. c. pag. 183) überein — daß die Mächtigkeit der Cuticula schon in jungen Entwieklungsstadien beiderseits ungleich ist, worauf die schnellere Verfärbung des Kobalt- papiers auf der Blattunterseite beruht. )) Ich möchte in diesem Zusammenhange auf die Beobachtung von Kru- titzky hinweisen, welcher eine Steigerung der Transpiration an abgeschnit- tenen Blättern beobachtete. Aus dem mir vorliegenden dürftigen Referate ist jedoch nicht zu entnehmen, ob sie auf einer Zunahme der Spaltweite infolge der Verletzung berubt, was wohl nicht sehr wahrscheinlich ist. Beiträge zur Kenntnis der Spaltöffnungsbewegungen. 107 Zu vrientierenden Versuchen über das Verhalten der Stomata in diesem Falle bewährte sich die Infiltrationsmethode vorzüglich. Es seien hier nur einige wenige Beobachtungen wiedergegeben. (Siehe Tabelle pag. 108.) Tch begnüge mich mit diesen wenigen Beispielen, da die wieder- holten Versuche mit denselben Pflanzen im wesentlichen zu dem gleichen Ergebnisse führten. Ähnliche Resultate erhielt ich ferner mit Vaceinium Vitis idaea, Melampyrum (vgl. pag. 116), Crepis sp., Trifolium repens, Knautia (vgl. die auf pag. 118 wiedergegebene Versuchsreihe), Solanum tuberosum und Homogyne alpina (vgl. pag. 118) u. a. Wir ersehen daraus, daß im Allgemeinen unter sonst gleichen Ver- hältnissen die Spaltweite der Stomata sich in bestimmter regelmäßiger Weise mit dem Blattalter verändert. Sehen wir von dem ältesten, mit 1 bezeichneten Blatte, das bei einzelnen Pflanzen schon dem Absterben nahe war und daher eine geringere Spaltweite aufwies, ab, so bemerken wir, soweit die Tnfiltrationsmethode Abstufungen überhaupt erkennen läßt, eine allmähliche Abnahme der Öffnungsweite an den Blättern in akropetaler Folge. Die jüngsten, eben ausgewachsenen oder noch in Entwicklung befindlichen Blätter, deren Stomata jedoch schon ausgebildet und funktionsfähig sind, lassen überhaupt nur unter günstigsten Bedingungen eine Öffnung ihrer Stomata erkennen; in der Regel beteiligen sie sich überhaupt noch nicht an dem Regulationsvorgange. Die Blätter sind wohl noch zu empfindlich, um sich unter den gewöhnlichen Bedingungen eine stomatäre Transpiration leisten zu können: sie sind zumeist auf die kutikuläre 'Transpiration allein angewiesen. Nur nach langdauerndem Regen und dabei nicht zu düsterem Wetter konnte ich gelegentlich auch an jugendlichen Blättern eine stärkere Infiltration mit Alkohol erzielen. Naturgemäß erfolgt die Abnahme der Infiltrationsmöglichkeit mit dem Blattalter nicht immer so regelmäßig und augenscheinlich, wie in den aufgeführten Beispielen, was bei Untersuchungen am natürlichen Standorte, bei dem Ineinandergreifen vieler variabler, oft unkontrollier- barer Faktoren selbstverständlich ist. Gelegentlich finden sich unter gleichalten Blättern verschiedener Individuen einzelne unerklärliche Diffe- renzen. Von der geringen oder noch völlig mangelnden Regulations- tätigkeit der Stomata jugendlicher Blätter wird man sich jedoch stets leicht überzeugen können. Diese Beobachtungen stehen überdies in gutem Einklang mit den Transpirationsbefunden und sprechen ent- K, Linshauer, 108 ’ Beleuch Blattnummer Datun und rel, F. und y ns nl on Stunde Temp. | Standort 5 | Fe ' 8 io | i | wentiana, Kochiana Perr. et Song. 14. VI. | | ; 6h 30 p. m. 58%; 19" |S,B Waldrand | | i | | 18. VIL — 12 n SB; n | | i ! Plantago media L. 20. VII. | f 46 30p.m |62%; 18,5"| S,B,; freie Wiese A, A, Aı ! ! jBl.-Mitte: a rn _ \Bl.-Basis: ” ” ” ' | Am Trifolium pratense 1. 15. VII. | l 12h 14 p. m. | 58%; 19° | S,B,,; Wiese N H ; ” ” » Waldschatten i ! ! 1 4h 16 50%: 203° | S,R,; Wald AB | AB | | 54 45 56%; 19,6° |8,B,,; Wiese \ | l ; Mia. A 5. VII. — 12h 1) Bezeichnungsweise der Intensität des Sonnenscheims (S) und der 55%; 20,5” B,S,; Wiese Himmelsbedeckung (2) im Anschluß an Wiesner (ID. Beiträge zur Kenntnis der Spaltöffnungsbewegungen. 109 sehieden dafür, daß .das erste Transpirationsmaximum bei jüngsten Blättern ausschließlich oder doch vorwiegend auf Rechnung der kuti- kulären Verdunstung zu setzen ist. Auch an ein und demselben Blatt verhalten sich die Stomata oft auffallend verschieden. Sehr häufig konnte ich (z. B. bei Melampyrum, Crepis, Carlina acaulis, Gentiana, Plantago lanceolata) eine Abnahme der Infiltration von der Spitze gegen die Basis hin beob- achten. Oft läßt sich an der Spitze noch eine geringe Infiltration erzielen, während die Basis völlig geschlossene Spaltöffnungen aufweist. Des- gleichen beobachtet man oft bei eintretendem Welken nicht zu alter Blätter den Verschluß der Stomata zunächst an der Blattbasis ein- treten, also wieder an den relativ jüngsten Teilen des Blattes. Die mikroskopische Untersuchung läßt noch weitere Differenzen in der Beweglichkeit der Stomata innerhalb enger Blattbezirke erkennen. Ich habe mich insbesondere bei Impatiens parviflora, aber auch bei anderen krautigen Pflanzen oft davon überzeugen können, daB merk- würdigerweise die den Blattnerven nächstliegenden Stomata den über dem Mesophyll liegenden Spaltöffnungen in Schnelligkeit und Größe der Reaktion weit nachstehen. Sie öffnen sich später und schließen sich bedeutend früher als diese und sind daher nur selten in einem stärkeren Öffnungszustande anzutreffen, was vielleicht auf die geringere Aus- bildung des Interzellularensystems an solchen Stellen zurückzuführen ist. Aus diesen Beobachtungen und Vorversuchen erhellt, daß der Ver- gleich des Öffnungszustandes der Stomata unter verschiedenen Bedin- gungen nur mit größter Vorsicht durchführbar ist. Zu Parallelversuchen, die der mikroskopischen Kontrolle unterworfen werden sollten, wurden daher stets Fragmente eines und desselben Blattes verwendet, welche den gleichen Blattregionen entnommen worden waren. Nach diesen Vorbemerkungen gehe ich nun zur Darstellung der eigentlichen Versuche über. I. Einfluß des Welkens auf den Öffnungszustand der Stomata. Während sich bekanntlich die Stomata der meisten Pflanzen beim Welken prompt schließen, soll es eine Reihe von Fällen geben, in denen der Pflanze ein derartiges Regulationsvermögen der Transpiration ab- geht. Eine Liste solcher Ausnahmefälle wurde bereits von Stahl {l. e. pag. 121)und Darwin (I, pag. 543) gebracht und neuestens durch Moliseh (l. ©. pag. 119) ergänzt. Besonders auffällig muß es erscheinen, daß wie namentlich letztgenannter Autor hervorhebt, die Stomata dieser Pflanzen 110 K. Linsbauer, gleichwohl auf Beleuchtungsdifferenzen normal reagieren und daß auch bei beginnendem Welken eine vorübergehende Verengerung auftritt. Nach Stahl sind es namentlich auf feuchtem Boden lebende Pflanzen, denen die Fähigkeit, die Transpiration zu regulieren, abgeht, was im wesentlichen auch von Darwin bestätigt wurde. Ein etwaiger Verlust der Regulationsbefähigung wäre in diesen Fällen biologisch verständlich. Dieselbe Erscheinung beobachtet man aber auch an einer Reihe von anderen Pflanzen, die sich keineswegs eines ständigen Überflusses an Bodenfeuchtigkeit zu erfreuen haben, wie Sonchus oleraceus, Pa- paver somniferum, Plantago lanceolata, Leontodon hastilis u. a. (nach Molisch, 1. ce. pag. 120). Diese befremdliche Erscheinung veranlaßte mich, den Einfluß des Welkens auf die Stomatärbewegung von neuem zu untersuchen. Ich möchte gleich von vorne herein bemerken, daß ich zu einem völlig entgegengesetzten Resultate gelangte. Eine gelegentliche Beobachtung machte mir die Differenz in den Angaben der verschiedenen Autoren verständlich. An einem hellen Sommertage wurden abgeschnittene Blätter von Trifolium pratense mit weit geöffneten Spalten teils nach dem Vor- gange von Molisch auf einen besonnten Tisch, teils im hellen Schatten zum Welken aufgelegt. Im ersten Falle stellte sich ein rapider Wasser- verlust ein; die Blätter welkten und trockneten schließlich, ohne daß die Infiltrierbarkeit sich vermindert hätte. Die der direkten Sonnen- wirkung entzogenen hingegen ließen bereits nach kurzer Exposition einen Verschluß der Stomata erkennen, der das weitere Welken wirksam ver- zögerte. Offenbar war im ersten Falle der Wasserverlust allzu schnell vor sich gegangen; es war bereits eine irreparable Schädigung des Blattes eingetreten, ehe die Schließbewegung der Stomata eingeleitet wurde. Ich suchte auf Grund dieser Wahrnehmung das Welken der Blätter, welehe zu den nachstehenden Versuchen dienten, zu verzögern in der Erwägung, daß auch unter natürlichen Bedingungen die Gefahr eines Wassermangels sich nur langsam und allmählich mit zunehmender Aus- trocknung des Bodens geltend macht. Besonderes Gewicht wurde darauf gelegt, daß das Welken bei derselben oder bei einer eventuell noch höheren Liehtintensität als sie am Standorte herrschte, eingeleitet wurde, so daß nicht etwa die Lichtabnahme für eine eventuelle Schließbewegung ver- antwortlich gemacht werden konnte. Ich wählte daher zu meinen Ver- suchen in der Regel Blätter aus diffusem Liehte oder Sonnenblätter, die aber dann nicht, völlig vom Verband mit der Mutterpflanze gelöst, sondern nur abgekniekt wurden. In der folgenden Tabelle sind eine Anzahl von Beobachtungen zusammengestellt, die meist solche Pflanzen betreffen, deren Stomata Beiträge zur Kenntnis der Spaltöffnungsbewegungen. 111 sich nach Angabe verschiedener Autoren beim Welken nicht schließen. Der Öffnungszustand wurde teils mit Hilfe der Infiltrationsmethode. teils durch direkte mikroskopische Untersuchung ermittelt. Zur Bestimmung der Beleuchtungsintensität am Standorte be- diente ich mich der bekannten Methode Wiesner’s (IT), wobei ich mich in der Regel des von Vouk konstruierten, äußerst handlichen Insolators bediente, der sich ausgezeichnet bewährte. Ursprüng- Wel- . licher |Kungs- Infil- Mikroskopischer Datum dauer | trations- zustand in befund Befund Min. . VE Tropaeolum maius 40 geschlossen 29. VL [Alisma plantago „ 37 zumeist geschlossen 70 mit vereinzeiten Ausnahmen an der BI.-Basis geschlossen 29. VI. |Caltha palustris 37 geschlossen oder stark verengt 70 geschlossen 29. VI.| Villarsia ovata 17 weit offen 37 schwach verengt 1% völlig geschlossen oder stark verengt 29. VI. Polygonum bistortum 17 mit vereinzelten Aus- nahmen geschlossen zo geschlossen 29. VL.| Menyanthes 2: stark verengt oder trifoliata 17 f geschlomen 0 geschlossen 1 VIEL Sonchus P oleraceus 30 A, weit offen 50 am Blattrand ge- schlossen; in der Mitte verengert 80 Au durchaus geschlossen 1) Da es sich stets nur um relative Intensitätswerte handelt, gebe ich bier und in der Folge stets nur die Zeit (in Sekunden) an, welche zur Erreichung eines bestimmten Skalentones (5:4) Ton erforderlich war. Unter Berücksichtigung der Intensitäterelation — Normalpapier : Bunsen-Eder-Papier wie 1:0,83 läßt sich jeder- zeit die absolute Lichtintensität in Bunsen-Einheiten nach dem Vorgange von 4 Wiesner (II) ermitteln. i 088. [Eine kurze Darstellung der Wiesner- schen Methode der Lichtbestimmung findet sich bei Youk, I1.} Der zunehmenden Expositionsdauer entsprechen somit abnehmende Liehtintensitäten. 112 K. Linsbaner, Be. |\Ursprüng-Iuaze.| Tnfit- Datı Nam leuch-|, licher acer trations- Mikroskopischer atum e tung |Öffnungs-| ; befund Befund zustand n tsoct, Min. —_ 1. VII. |[Mentha piperita| 19 A, 30 A, 2. VIE Phaseolus multifl. 29 A, 55 A, 5 A, 55 1A,—A,-ı 2. VII |Gratiola officin.| 7 A, 55 A, 2. VIL.|Papaver somni- \ n = \ ganz oder fast ferum 17 A, 10 j "geschlossen 30 geschlossen 5. VITL| Impatiens noli tangere 5-7 | A, 25 A, 5. VIEL |Veronica becca- . B A \ mit wenigen Aus- bunga 5-7 A, 15 nahmen geschlossen 35 A, geschlossen 5. VIL| Lythrum sali- caria 5-7 A, A, geschlossen 5. VIL| Leonurus sp. |5—7 A, 6. VIL|Hypericum per-|. foratum 14? A, & VIL Hydrangea hortensis?) 4,4 A, 40 A, 6. VI. Plantago lanceolata 5,4 &ä, 60 A, Wie man sieht, sind alle daraufhin untersuchten Pflanzen zu einer Regulation der Spaitweite bei eintretendem Wassermangel geeignet, vor- ausgesetzt, daß der Wasserverlust nicht unnatürlich schnell vor sich geht. Nur Plantago lanceolata schien zunächst eine Ausnahme zu machen; selbst beim Welken im Schatten vermochten sich die Stomata nicht zu schließen. Ich ging nun so vor, daß ich den größeren Teil der Wurzeln bloßlegte. Jetzt ging das Welken selbst bei besonnten Pflanzen hinreichend langsam vor sieh, um den Spaltverschluß zu ermöglichen. Naeh meinen Erfahrungen, die sich übrigens noch auf zahlreiche andere, in die Tabelle nicht aufgenommene Pflanzen stützen, sind somit wenig- stens die krautigen Pflanzen ohne Ausnahme zu einer Regu- lation der Transpiration durch Änderung der Spaltweite 1) 8. Anm. 1 pag. 111. 2) Blatt im Verband mit der hesonnten Pflanze; Blattstiel algeknickt. Beiträge zur Kenntnis der Spaltöffnungshewegungen. 113 befähigt. Ich sche nur ausdrücklich von den Pflanzen mit Schwimm- blättern und ebenso von den Holzgewächsen!) ab, welche ich nicht in den Bereich meiner Untersuchungen gezogen habe. Ein Unterschied liegt nur in der Geschwindigkeit der Schließbewegung, die bei manchen Pflanzen so gering ist, daß ein abnorm schnell vor sich gehender Wasser- verlust nicht rechtzeitig paralysiert werden kann. Die von Darwin angegebene vorübergehende Erweiterung des Spaltes bei beginnendem Welken konnte ich trotz wiederholter konti- nuierlicher Beobachtung der Stomata unter dem Mikroskope ebenso- wenig konstatieren wie Lloyd. Allerdings kann die von diesem Autor gegebene Deutung der Transpirationssteigerung nach Renner (l. e. pag. 524) nicht mehr aufrecht erhalten werden, umso weniger als Darwin dieselbe Erscheinung nunmehr auch mit Hilfe der Porometermethode bestätigen konnte, welche von der Transpiration unabhängig ist. Ob die Porometerprobe auch in diesem Falle zuverlässiger ist, als die un- mittelbare Untersuchung, wage ich nicht zu entscheiden?). Il. Orientierende Untersuchungen über die Beziehung zwischen Spaltweite und Lichtintensität. Trotz der längst erkannten Bedeutung des Lichtes für die Öffnungs- bewegung der Stomata, fehlt es noch fast durchaus an Untersuchungen über deren Abhängigkeit von der Lichtintensität. Manche Angaben besonders die neueren Porometeruntersuchungen von Darwin und Pertz und von C. Stein, lassen zwar auf eine kaum erwartete Empfindlichkeit des Schließzellenmechanismus für Intensitätsschwankungen schließen, doch lag es den Verfassern ferne, die uns hier interessierende Frage quantitativ zu verfolgen. Auch die nachfolgenden Versuche beanspruchen nur den Wert von Vorversuchen; es sollte zunächst nur ermittelt werden, inwieweit am natürlichen Standorte eine Regulation der Spaltweite in Abhängigkeit von der herrschenden Lichtintensität vorhanden ist und 1} Nach Stahl und Molisch bleiben die Stomata zahlreicher Weidenarten heim Welken offen, während sie sich nach Darwin schließen. 2) Der von Molisch beobachtete Fall bei Tropaeolum (l. c. pag. 121} liegt durchaus anders; hier konnte vielmehr mit Hilfe der Infiltrationsmetbode der Eintritt einer vorübergebenden Schließbewegung konstatiert werden. Die nachträg- liche erst nach Stunden eintretende Wiederöffnung, die bis zur Vertroeknung des Blattes anhält, ist offenbar eine Wirkung bereits weitgehender Schädigung des Blattes, wobei man wohl zunächst an einen verminderten Gegendruck der abster- benden Epidermiszellen denken kann, der bekanntlich zu einer Öffnung der Stomata führen muß. Flora. Bd, 100. 8 114 K. Jinsbauer, von welcher ungefähren Größenordnung die noch wirksamen Lieht- differenzen sind. Eine tiefer eindringende Analyse wird — worauf ich noch im Verlaufe dieser Ausführungen zurückkommen werde — die Methoden der Reizphysiologie auf das Problem der Spaltöffnungs- bewegungen sinngemäß zu übertragen haben, was ich einer folgenden Untersuchung vorbehalte. Ich schicke zunächst eine Anzahl Beobachtungen voraus, bei welchen zur Ermittlung des Spaltzustandes die Infiltrationsmethode Verwendung fand. Sie wurden im Sommer 1912 in einer Seehöhe von etwa 900 m am Fuße der Seethaler-Alpen (Steiermark) durchgeführt. Für jede Infiltrationsprobe wurden stets mehrere Blätter möglichst gleichen Alters von Pflanzen derselben Lokalität verwendet. In den nach- folgenden Tabellen ist die Zahl der jeweilig untersuchten Blätter dem In- filtrationsbefund vorangestellt; der Ausdruck „6 (A, 3)‘ soll somit be- sagen, daß sechs geprüfte Blätter eine ziemlich starke Infiltration mit Alkohol aufwiesen (vgl. pag. 101). Um Selbsttäuschungen tunlichst zu vermeiden, wurden die Beobachtungen an einer Pflanze nicht in be- stimmter Reihenfolge etwa nach abnehmender Helligkeit am Standorte vorgenommen; die Beobachtungen wurden vielmehr absichtlich in der Regel auf mehrere Tage verteilt und unter ziemlich wechselnden Be- dingungen durchgeführt; es wurde nur vermieden, Pflanzen von besonders feuchten oder trockenen Standorten zum Vergleiche heranzuziehen'). (Siehe Tabelle pag. 115.) Ein Blick auf die Tabellen zeigt einen unverkennbaren, weitgehenden Parallelismus zwischen Lichtstärke und Infiltrationsmöglichkeit des Blattes; sie nimmt mit steigernder Lichtintensität dauernd oder wie bei Vace. Myrt. bis zu einem Optimum zu, um bei weiterer Zunahme der Beleuchtungsstärke wieder abzusinken. Ich betone nachdrücklich, daß von einem auch nur geringfügigen „Welken“ in keinem Fall die Rede war, daß somit in Ühereinstinnmung mit Leitgeb und im Gegen- satz zu Schwendener und Schellenberg im turgeszenten Zustande des Blattes bei voller Beleuchtung eine Verengerung der Zentralspalte in gewissen Fällen — in erster Linie wohl bei Schattenpflanzen — be- obachtet werden kann. Es ergibt sich somit für diesen Fall — wir werden später noch andere Beispiele kennen lernen — ein Optimum der Lieht- intensität für die Öffinungsbewegung der Stomata. Es ist 1) Die meisten Beobachtungen wurden zwischen 105 30 a. m. und Zh p. m. durchgeführt, zu einer Zeit also, wo erfahrungsgemäß die Stomata ihre unter den obwaltenden Verhältnissen maximale Öffnungswerte aufweisen. Beiträge zur Kenntnis der Spaltöffnungsbewegungen. 115 Vaceinium Myrtillus L. Beleuch- rar Infiltrations- Prot. tung m Atrations Anm. tsect) 2ba| 1. VIIL; 106 45 | 68 | 20 28 8(A,) aa| 15. VIL; 1b 46 5 20 30 Ay; B, |Sämtl. ausgewach- sene Bi. eines Exemplars fy| 20. VIIL; 11 30 | ? ? 37 12 (A,-,) (As) Drei verschiedene Bel 1. vun; ıonas| es | 20 © I sa) undiiduen an 7A) lität aß| 15. VIL; 15 45 68 20 85 |A, od. A, |Sämtl. ausgewach- sene Bi. eines Exemplars ea| 3. VII; 116 30 | 47 20 95 14 (A,)! by) 1. VIII; 105 45 | 58 | 20 96 14. (A,)! ay| 15. VIL; 1b 45 59 20 165 Ay! Sämtl. ausgewach- sene Bi. eines Exemplars bei 1. VII; 106 45 | 58 20 300 12 (A, bö| 1. VIIL; 10% 45 | 58 20 300 14 (A,) e>| 17. VL; 11% 68 ) 1365| 540 124) eß| 3. VIIL; 11 30 | 47 | 20 600 17 (A,) e8| 17. VIIL; 11h es | 1365| 600 10 (A,) ey| 3. VII, 116 30 | 47 20 840 12 (A) f8| 20. VIE; 316 301? ? 960 12(A,—)} fa 20. VE; 116 30) ? z 1140 12 (A,) 8(A)) || Zwei verschiedene ed} 3. VIIL; 11% 30 | 47 | 20 | 1200 | Individuen \ wa, ! d | 3 VII; 5% 30 | 46 | 19 1380. |14 (A, B,—ı 1} Vgl. Anm. 1 auf pag. 111. g 116 K. Linsbaner, Vaceinium vitis idaea L.". Be Temp. Beieuch- Infiltrationsbefund Prot. | Datum und Stunde tigkeit tung |--— vorjährige Bl.| diesjährige Bl. °cq tsec ji A) gi (A) &ba| 1. VI; 10n a5 | 58 | 20 28 |15(A,) N12(A,) ls (A) lıs (Ar) 6(A,) untere Bl. ca| 3. VIIL; 11m 30 47 14,4 95 7A) Bin mittlere „ 15(A,) obere „ dr| 1. vun: ıonas| 38 | 0 96 ii Al N2 A) 6A, Ns (A,) bel 1. vi; on a5| 58 | 20 | 300 I8(ay |8(A) , FR 8 (A, I (Au) vo| 1. vun; on as | 58 | 20 | 300 |? \8(A,) 12 (A,) e8| 17. vun; ııu es | 13,61 oo (Mi (Aı2 Au) ee 5A) NBCA) ea| 17. vun; 11m | 1386| zo lea. Isa) er| 3. vr; 1m 30| 47 | 20 | so Ira) 12a) a a. vam;5n30 | au | 38 | 1380 194,5 B) |12(A,: Bu) Melampyrum silvaticum L. rel. Feuch-| Temp. tigkeit Beleuch- Prot. |Datum und Stunde tung Infiltrationsbefund 8ga| 3 VIIL: 11H 30 A, (sämtliche Bl.) ia| 22. VIEL; 10% 24 (A,) i8 | 22. vie; 10% 6A,,) eß| 3. VOL; 118 30 7(&,) iy| 22. VIEL; 10% 6(A,) mittlere Bl. 3{A,) oberste „ h 3. VIIL; 5b 30 6(A0) 1) Zwei Beobachtungen fielen aus unbekannten Gründen ganz aus der Reibe heraus; sie wurden in dieser Tabelle nicht aufgenommen. Es ergab sich nämlich f vorjährige Bl.: (14) A, \diesjährige „ (22) A, tea 54 " vorjährige „ (NA, 5a0se (denne » (15)A, entsprechend der Beleuchtung t — 70=2ec für ” ” ” Beiträge zur Kenntnis der Spaltöffnungsbewegungen. 117 begreiflich, daß ein solches Optimum für die an schwache Intensität angepaßten Pflanzen eher zuerwarten ist alsbei typischen Sonnenpflanzen; dementsprechend finden wir auch bei der durch höheren Lichtgenuß eharakterisierten V. vitis idaea eine maximale Infiltration bei höheren Liehtstärken. In der Nähe des Liehtgenuß-Minimums ist eine Infiltration mit Alkohol überhaupt nieht mehr möglich, womit aber natürlich nicht gesagt sein soll, daß hier die Stomata dauernd und vollständig geschlossen wären; jedenfalls ist aber die Spaltweite relativ eine sehr geringe, veraus- gesetzt, daß nicht andere Faktoren als das Licht gelegentlich eine Er- weiterung des Spaltes veranlassen, Die Untersuchungen an Vaceinium vitis idaea lassen ferner die interessante Tatsache erkennen, daß die Blätter der diesjährigen Triebe, obgleich sie zumeist schon ihre definitive Größe erreicht hatten, ihre Stomata nur unter den günstigsten Bedingungen öffneten, so daß die Regulation der Spaltweite hauptsächlich den vorjährigen Blättern zufällt?). Da schon diese Versuche, welche an verschiedenen Tagen, also unter recht verschiedenen Bedingungen durchgeführt wurden, eine un- verkennbare Abhängigkeit der Infiltration von der Beleuchtungsstärke erkennen ließen, war zu erwarten, daß diese Beziehung noch deutlicher hervortreten wird, wenn die Beobachtungen an demselben Tage inner- halb einer kürzeren Frist durchgeführt würden, wodurch eine größere Konstanz der in Betracht kommenden Faktoren gewährleistet wäre. Die Erwartungen wurden auch nicht getäuscht, wie aus nachstehenden Beispielen erhellt, (Siebe Tabelle pag. 118.) Auch in diesen Fällen tritt die Beziehung zwischen Beleuchtungs- stärke und Spaltweite (genauer gesagt „Infiltrationsgröße“) deutlich zutage; Knautia, eine den Waldesschatten bevorzugende Pflanze, zeigt in Übereinstimmung mit den früheren Ausführungen eine Abnahme der Infiltration bei allzu hoher Lichtintensität. Das Lichtoptimum für die Öffnung der Stomata liegt somit bei den einzelnen Pflanzen verschieden hoch. Die Befunde an Knautia und Homogyne gewähren überdies einen gewissen Einblick in den Regulationsvorgang. Die einzelnen Blätter derselben Pflanze verhalten sich unter denselben Umständen verschieden. I) Gerade das entgegengesetzte Verhalten zeigen nach den Beobachtungen Neger's die Koniferen, bei welchen die Stomats einjähriger Nadeln die größere Beweglichkeit besitzen. 118 K. Linsbauer, Knautia dipsacifolia (Host.) Gren et Godr. (Wurzelblätter). Serie 19. rel. Feuchtig-| Beleuch- Prot. Datum keit und tung Infiltrationsbefund Temp. tsec 1dea | 25. VIL, pm. |46%: 21.5° 8 | 25. VIL,p.m. |46%; 21.50 se . VIL, p. m. 46%; 21,5° mittlere „ A, A, NV junge 5 &, | alte „ A,(B,—,) ö 5. VIL,p. m. | 46%; 21.5° mittlere „ A,tBı} Junge „ A,{B,) f alte „ A, mittlere „ A,—, junge „ Am & . VIL, p. 46%; 21.5° N | alte „ A,{B,) 3 . VIL, p. m. 46%; 21.5° mittlere „ A,{B,) Junge „ A,{Bı) D Carlina acaulis L. Serie 23. ; 23ba 25. VIL,p.m. [46%; 21.5° 55 A, (alle ausgewachsenen Bl.) | 8| 25. VIL,p.m. |46%,; 21.50 4 | „ » „ v| 25. VIL,pm. |416%; 2157| 30 | „ „ » ‚ 8 23. VI,p.m 146%; 2150| 480 | A 5, „ „ ej 25. VIL,p.m. [46%; 21.5°| 1020 An ” » 1 3. VIL,p.m. |46%; 21.5°| 1500 A» » ” Homogyne alpina {L.) Cass.!). Serie 24. a nn nn Tr Ten = ee rel. Feuchtig | Beleuch- Prot. | Datum | Stunde | keit und tung Infiltrationsbefund Temp. R tsee BL1A, 24a [Anf gu) 1846 | 50%;200 | 20 I 3A) » 4 (üngstes BI.) A, „1% „2A, Pla» | male | 5 jr 3A ” n „54 „64 „1% „2%, rl» nl ma! 20 | 16 3a » 4A, „5% LE 1h 45 | 59%; 20° 387 sämtliche Bl. A, 1) Zur Untersuchung gelangten jedesmal sämtliche Blätter eines Individuums. Mit 1 ist stets das ältente Blatt bezeichnet. Beiträge zur Kenntnis der Spaltöffnungsbewegungen. 119 Immer sind es, normale Bedingungen vorausgesetzt, die Blätter mittleren Alters, welche auf Beleuchtung am stärksten reagieren, d. h. eine gegen- über älteren und jüngeren Blättern geförderte Infiltration erkennen lassen. Da mir eine Kontrolle der mit Hilfe der Infiltrationsmethode gewonnenen Ergebnisse wünschenswert schien, habe ich wenigstens in einem Falle, nämlich bei Impatiens parviflora den Spaltzustand in Abhängigkeit von der Lichtintensität mikroskopisch untersucht. Die genannte Pflanze, welche in den hiesigen Gärten überall verwildert, stand mir stets frisch und reichlich zur Verfügung. Während ich die von verschieden hellen Lokalitäten stammenden Pflanzen mikroskopisch untersuchte, die mir nach dem Ausnehmen aus dem Boden sogleich in Wasser eingestellt überbracht wurden, was nur wenige Minuten in An- spruch nahm, ermittelte mein Assistent, Herr Dr. Fr. Weber, die Licht- intensitäten der betreffenden Standorte, von denen ich erst nach Ablauf der Versuchsserie Kenntnis nahm. Die Spaltweite wurde immer an einer größeren Zahl von Spalt- ölfnungen aus der breitesten Region des Blattes ermittelt. Ich gebe nicht nur den Mittelwert, sondern auch die Einzelmessungen (in Teilstrichen des Okularmikrometers) wieder, da sie zeigen, innerhalb welcher Grenzen die Spaltweiten ein und desselben Blattes schwanken. Die in den Tabellen gebrauchte Bezeichnung (m), bedeutet, daß bei n-Spalt- öffnungen hintereinander dieselbe Spaltweite von m-Teilstrichen er- mittelt wurde. (Siehe Tabelle pag. 120.} III. Verhalten der Stomata bei Lichtentzug. Schon Leitgeb machte die Beobachtung, daß sieh die Stomata gewisser Pflanzen in der Nacht nieht zu schließen vermögen, was von Schwendeneru. Schellenberg jedoch auf Beobachtungsfehler zurück- geführt wurde. Nach beiden Forschern bewirkt vielmehr die nächtliche ebenso wie die künstliche Verdunklung ausnahmslos einen Verschluß der Stomata. Eine wiederholte, mit verschiedenen Methoden durch- geführte Untersuchung von seiten einer ganzen Reihe von Autoren, wie Stahl, Darwin, Molisch und zuletzt Stein, hat jedoch zu einer Rehabilitierung Leitgeb’s geführt. Stimmen die Angaben bezüglich der von verschiedenen Seiten als Ausnahmen namhaft gemachten Pflanzen zwar nieht immer überein, so steht es doch fest, daß manche Pflanzen wenigstens bei einer bestimmten, meistens nicht näher bekannten Be- dingungskonstellation, ihre Stomata in der Nacht nicht schließen. 120 K. Linsbauer, Impatiens parviflora. I. Versuch am 30. V. 1918; t— 22°; rel. Feuchtigkeit 47%. Wolkenloser Himmel. Untersuchung an Blättern des ersten Nodus. Beginn 105 30 a. m. Zahl der Stomata | Zahl der rt 1 offenen Spaltweite Autor, tech) offen al in % 2) »|ı ca 08 ca. 08 r) 25 1° 1-8,1:2,1,08, 1:2, 0),, 08,15, 1-4, 06, 14 114 4 > | (2, 18, 2,18, 22, 2, 24, | 22,28, 2, 18 2.08 135 u 8 35,9 |1,0.4, 02,08, (0.2), 06, (04,| 0-46 204 5 31 12,8 ca 0.2 en. 0.2 Impatiens parviflora. II. Versuch am 21. VI. 1913; t = 17°; trübes, feuchtes Wetter. Vor und nach dem Versuch anhaltender Regen. Blätter des ersten Nodus abgelöst; Untersuchung an Blättern des zweiten und dritten Knotens. Be Zahl der euch- offenen . Mittlere tung Stomata Spaltweite Spaltweite in% — IL >» 0 100 1-8),, 1-4, (1-2),,2, 18, 2, 22 | Et Bu Un. 3,0 10 |1.6,2, 18, (2.2), 2,28, (24), I 16,28, 1.6, 2-4, 28,3 2.24 _ j" > :0 100 1.8, 1:6, 1,2, 2-6, 18, 1, 12, 8 ; (1:9), 2:4, (1:8), 2-4 1.72 m. > !o 100 12-6, (2:2), 1-8, 2-2, 2, 2.2, 2.6, | 242,26, 1.8, 22, 2.6 2.2 fu. 3:0 100 2.2, 2.4, 1.6, 1.8, 1-6, 1.8, 1-2, 195 1-8, 12, 1, (08), 2, 22 16 ın 3:0 100 13,2, 22, 2,28, 2.6, 1,16, (2-4), 1:4, 2, 28), 2,24 | 221 u | » h) 100 |1.2,1.8, (08),, 2, 08, 0:6, 475 (68), 1, 1.6, 08, 06, 1.2) 1.08 (Kim 3.0 100 |18, 0:8, (1),, 0:8, 1.8, (1), f 1-4, 0:8, 1-4, 1, 1.8 1.18) 1) Vgl. Anm. ] pag. 111. 2) Seit längerem besonnt. 3%) Seit kurzer Zeit besonnt. BR Beiträge zur Kenntnis der Spaltöffnungsbewegungen. 121 Impatiens parviflora. II (Jortsetzung). Nr, /Zahl der Stomata] Zahl der des offenen Ri ; Mittlere Kno- ! Stomata Spaltweite tens | otlen | ychlas i schlossen fu | » io 100 [1,14 N. Cu), 12: 09,04, 545 1.6, 08,1, 1:8, 06, 1, 06 u. 3 06 100 |ı, 1.2, 08, 1-6, 08, 1.4, 1, | | 1.2, 06, 08, (1), 1.03 mil: 6 833 |(06 03 04, (0:6), 1-8, 210 f 3 | OD Kerr o4al Um. >» Il ı 96 |04), dr (0:8), 02, 0:6,08 os] Impatiens parviflora. IIL Versuch am 8. VII. 1914; t= 17,5%; rel. Feuchtigkeit 86%. — Pflanzen in Blüte. Zur Untersuchung kommen Blätter verschiedenen Alters. Be- | Nr. |Zahl der Stomata| Zahl der leuch-| des offenen f Mittlere tung | Blat- "| Stomata Spaltweite Spaltweite I? t gu kino es’) | offen | cniossen in % j 4 1:38 268 \(02), (0-6), 0-2, 0:6, 04,02, | 6.6, 08 0.44 5 K7 3:2 926 08, 1.2, (2),, 1.6, (1:2), 08, ; 1.4, (0-4), r12 9 a» | 0 100 |0-4, 0-6, 1, 0:6, 1-4, 08, (0-6), | 1-6, 0:6 080 2 30 3 0,91 |1-6, (1, 0-6, (1.21, 1, 04, 02, , 14, 12, 08 0.96 >| 4 Po 781 |(04),, 02, (0-4),, (0:6), 0-8, | | 1-4, (0-8), 0.58 i 3 ! 0 100 |1, (0.8), (1.2), 0.6, 2, (0-6), ' 08, 0.91 2 3:0 100 [1:2, 18, 08, 1.2, 0-8, 1-4, 1, | \ 1.4, (0-6), 1:08 zo la 3:0 100. 116, 12, 08 0.8, (12), 1.08 | 8 5» '0 100. 11.8, 0:6, 14, 1.2, 04, 18, 04, | 08,12, 1,08, 1 1.03 23. j 28,3, 1, (2:6), 24, 32, 3, a 5 | u v0 , gr B 2.62 170 Rı 2.4, (28), 32, 2-4, 2, 3, 2, N [9 ww aan 2-46 & 3 | 0 100 18, 08, 18,2, 22 1.6, (1.8), | 4-6), 1 1.71 I) Von unten nach oben gezählt. 122 K. Linsbauer, Im patiens parviflora. III (Fortsetzung), — Be- Nr Zahi der Stomata| Zahl der Mic leuch- \ offenen B ittlere tung Ar = | Stellen Spaltweite Spaltweite eE| often | genfbesen tsec in % ! 2 25 y 100 112, 1-8, 08, 1.2, 0-8. 1-4, 1, | 14, (08), 1.08 280 11 4 3» Io 100. 11-6, 1.2, 08, 1.2, 1, 0-8, (1-2), | 0-6, 12 1.08 8 s'!o 100. |1:8, 0:6, 1-4, 1.2, 0-4, 1.8, 0-4, | 08, 1.2,1,08,1 1.03 2 > | 0 100 11, (0-8), (0.2), 08, (6-6),, 215 | "(68 (08), 02 0.58 4 3 10 160. [0-4, 0.6, (0-4),, 0-8, 0-6, 0:2, ; (0-4),, 0-2 0.44 Dessen ungeachtet besteht aber meines Erachtens doch die Angabe Schwendener’s zu Recht, daß „absolute oder auch nur relative‘ Dunkel- heit zu einer Schließbewegung führt. Erstens sind die durch Lieht- entzug geschaffenen Bedingungen nieht identisch mit den sich während der Nacht einstellenden komplizierten Bedingungskonstellationen, die aus sekundären Gründen einer Schließbewegung entgegenarbeiten können; zweitens tritt wohl auch nachtsüber stets eine Verengerung der Stomata auf, die allerdings in gewissen Fällen nicht bis zu einem „hermetischen“ Verschluß fortschreitet. Nach Stein (l. e. pag. 58) bildet ein „völliger Spaltenverschluß überhaupt eine Ausnahme gegenüber vielen Modi- fikationen bei Abend eintretender Spaltenverengerung“. Ebenso, wie wir bei nyktinastischen Bewegungen von „Öffnungs- und Schließ- bewezungen“ ohne Rücksicht auf die dabei erreichte Bewegungsamplitude sprechen, müssen wir jede „Spaltverengerung“ als „‚Schließbewegung“ gelten lassen, gleichviel, ob der Verschluß ein vollkommener ist oder nicht, was ja vielfach von Konstruktionsdetails der Schließzellen und anderen sekundären Momenten abhängt. Vom biologischen Stand- punkte ist es zweifellos von Interesse zu erfahren, daß nyktinastische Pflanzen nach Stahl und Stein ihre Stomata nachtsüber im Durch- schnitt weniger vollkommen verschließen als Pflanzen ohne Schlaf- bewegungen. In bezug auf das physiologische Verhalten bilden aber solehe Fälle keine Ausnahme. „Eine Verengerung der Spalten dagegen“ — äußert sich Stein selbst (l.c. pag. 10) — „findet fast allgemein statt, sie ist nur mittels der Infiltrationsmethode nicht erkennbar.“ Nach unseren Erfahrungen wird somit ganz allgemein durch Verdunke- lung eine SchließBbewegung der Stomata eingeleitet. Beiträge zur Kenntnis der Spaltöffnungsbewegungen. 123 Eine andere Frage ist es, ob sich Stomata bei konstanter Dunkel- heit wieder zu öffnen vermögen. Die von mehreren Seiten vermutete Periodizität der stomatären Bewegung konnte bisher nicht erwiesen werden. Hingegen konnte Stein an einer Reihe von Pflanzen eine „starke Öffnungsbewegung am ersten Dunkeltage“ beobachten, die allmählich wieder rückgängig gemacht wird. Verfasserin läßt es unentschieden, ob diese Öffnungsbewegung als einmalige Nachwirkung des Lichtreizes am vorhergegangenen Tage aufzufassen ist oder ob andere Vorgänge dabei im Spiele sind. Ich konnte im Sommer 1913, ehe mir die eben erwähnten Unter- suchungen bekannt geworden waren, eine ähnliche Erscheinung an Impatiens parviflora durch direkte mikroskopische Untersuchung der Stomata feststellen. Ich gebe zur Illustration nur einen Versuch wieder. Pflanze aus tiefem Schatten mit wenig Assimilaten; samt Wurzelsystem sorgfältig ausgenommen in Brunnenwasser übertragen und sofort in den Dunkelschrank ein- gebracht. Versuchsbeginn am 1. VII. p. m. Zahl der beobachteten Stomata: offen geschlossen Blatt I und II 2 25 „ VI 0 25 „ VI 6 30 2. VII. a. m. Blatt I, IV, VII, IX: Stomata durchaus geschlossen VE, 0. RVM VEIK: „ ” » 4. VI,» „ I: Blatt abgefallen, Stomata geschlossen IV 30 (weit offen) 5 geschlossen va 23 „ „3% ” IX 0 „ nn 3 » 5. VI, „ „ Ju, IV, VII: BL dem Vertroeknen nahe, zumeist geschl. Stom. VIL 25 (weit offen) 0 geschlossen RX 3 „ » 0 „ xN 30 „ » 4 » 6. VII. Sämtliche Blätter bis auf die beiden jüngsten (X und XI) abgefallen; Stomata an diesen fast durchaus geschlossen. Die zunächst im Dunkeln sich schließenden Stomata waren somit am 3. Tage in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle weit geöffnet, ohne daß gegenüber den vorhergehenden Tagen in den äußeren Bedin- gungen eine wesentliche Veränderung vor sich gegangen wäre. Die hier- durch außerordentlich gesteigerte Transpiration führte zu einem voll- ständigen Vertrocknen der ausgewachsenen Blätter, die am folgenden Tage abgestoßen wurden, so daß nur mehr die im Wachstum befindlichen 1} Junges, kaum 2,5 cm langes, im Wachstum befindliches Blatt. 124 K. Linsbater, Blätter erhalten blieben, die ihre Stomata schlossen und sich in diesen Zustande noch viele Tage frisch erhielten. Ich habe eine Reihe von derartigen Versuchen durchgeführt und insofern dasselbe Ergebnis erzielt, als stets im Dunkeln die Majorität der Stomata einzelner oder aller Blätter sich öffneten. Die Öffnungs- bewegung setzte bisweilen schon am 2., bisweilen erst am 4. Tage ein. Wurde hingegen ein reich beblätterter Sproß abgeschnitten in Wasser eingestellt, so trat oft schon nach kurzer Zeit offenbar infolge ungenügender Wasserversorgung durch die Schnittfläche ein Welken ein; die Pflanze gewann ihren Turger nieht wieder, die Stomata blieben in diesem Falle dauernd geschlossen; zur Öffnungsbewegung ist eben ein gewisser Turgeszenzgrad unerläßlich. Worauf die früher oder später im Dunkeln auftretende Öffnung der in Wasser eingestellten unver- sehrten Pflanzen beruht, vermag ich noch nicht anzugeben. Von einer „Nachwirkung“ des Lichtes kann in diesem Falle natür- lich keine Rede sein, da die Öffnungsbewegung sich in der Regel erst nach mehrtägiger Verdunkelung, dann aber mit großer Intensität ein- stellte. Daß die Öffnung etwa passiv dadurch erfolgte, daß infolge Turgor- verlustes der Epidermiszellen, der auf der Spaltöffnung lastende Gegen- druck sinkt, ist ebensowenig anzunehmen; dagegen spricht unter anderem schon die Tatsache, daß sich die geöffneten Stomata beim Welken und — wenigstens an jungen Blättern — auch spontan unter gleichbleibenden Bedingungen wieder zu schließen vermögen. Ich führe daher die Öffnung der Stomata bei konstantem Lichtentzug auf tiefgreifende Stoffwechsel- veränderungen zurück, welche als Folge andauernder Verdunkelung zu erwarten sind!), Ich glaube einstweilen nur beobachtet zu haben, daß der Zeit- punkt der Öffnung in einem Zusammenhange steht mit der vor dem Versuchsbeginn vorhandenen Quantität der Assimilate, doch bedarf die Erscheinung noch einer eingehenden Untersuchung. Aber schon die Tat- sache an sich, daß unter Umständen geschlossene Stomata sich in kon- stanter Dunkelheit zu öffnen vermögen, scheint mir von Wichtigkeit zu sein, denn sie läßt unzweifelhaft erkennen, daß die Öffnungs- bewegung der Stomata unabhängig vom Prozeß der (0x Assimilation vollzogen werden kann, während nach der herrschenden 1) Von der Erwägung ausgehend, daß vielleicht die Zunahme der Azidität des Zellsaftes dabei eine Rolle spielen könnte, veranlaßte ich eine systematische Untersuchung über Beeinflussung der Spaltöffnungsbewegung durch Säuren, die ihrem Abschlusse entgegen geht. Beiträge zur Kenntnis der Spaltöffnungsbewegungen. 195 Anschauung die im Assimilationsprozeß gebildete osmotische Substanz allein zur Öffnung der Stomata zu führen vermag. IV. Der Einfluß von CO, auf die Stomatärbewegung. Die letzterwähnten Erfahrungen und andere Beobachtungen be- stimmten mich, den Einfluß von CO, des näheren zu untersuchen. „Schon aus der anatomischen Tatsache, daß die Schließzellen ge- wöhnlich Chlorophyll führen, die anderen Epidermiszellen aber nicht“, sagt Schellenberg (]. c. pag. 174), „läßt sich vermuten, daß die Schließ- zellen selbständig assimilieren können und dadureh ihren Turgor zu verändern imstande sind. Schwendener hat, gestützt auf diese Tatsache, den Schließzellen allein die Fähigkeit zugesprochen, durch die Assimilation ihren Turgor zu verändern und damit selbständig die Be- wegung der Spaltöffnungen herbeizuführen“. Und er setzt weiter folge- richtig fort: „Ist diese Argumentation richtig, dann müssen die Spalt- öffnungen in einer kohlensäurefreien Atmosphäre nieht mehr funktionieren, weil sie keine Kohlensäure mehr assimilieren können. Die Spaltöffnung muß also unter dieser Bedingung stets geschlossen sein“. Auch Kohl schließt sich dieser Auffassung an und äußert die Vorstellung, daß die Öffnung der Stomata nur durch den Unter- schied im Chlorophyilbesitz der Schließzellen gegenüber den Epi- dermiszellen ermöglieht wird. „Enthielten die Epidermiszellen in gleicher Weise wie die Schließzellen Chlorophyll, so würden sich die Spalten nach Belichtung schließen müssen, wenn auch nur durch eine passive Bewegung der Schließzellen.““ Diese Vorstellung geht jedenfalls zu weit. Die an der erwähnten Stelle angeführten Beobachtungen an Pflanzen mit chlorophyHhaltigen Epidermiszellen, deren Spalten sich dem- entsprechend bei Belichtung schließen oder nur sehr schwach öffnen, beruhen wohl auf Irrtum. Ich habe von den dort namhaft gemachten Beispielen eine Anzahl selbst wiederholt untersucht — wie Impatiens, Melampyrum sp., Ranuneulus Ficaria, Lamium purpureum und eine Reihe von Farnen — kann jedoch kein abnormes Verhalten im Lichte beobachten. Um die Frage zu entscheiden, ob eine „Reizwirkung des Lichtes auf das farblose Plasma“ die Öffnung der Spalten veranlaßt oder ob die durch die Assimilationstätigkeit der Chloroplasten gelieferte osmo- tische Substanz hierfür maßgebend ist, verglich Kohl das Verhalten chlorophylihaltiger Schließzellen mit dem chlorophylfreier im direkten Sonnenlichte. Zu den Versuchen dienten die Stumata weißgestreifter 126 K. Linsbauer, Rassen von Evonymus japonicus und Oplismenus imbeeillis, sowie die korollinischen Kelchblätter von Clerodendron Balfouri. Das „erwartete“ Resultat ergab, „daß die Schließzellenbewegung bei Chlorophyllarmut eine sehr träge war, bei gänzlichem Chlorophylimangel in den Schließzellen aber ganz ausblieb bei Belichtung“. Ohne die Richtig- keit der Kohl’schen Beobachtungen zu bezweifeln, wird man ihnen doch keine sonderliche Beweiskraft zusprechen können, da ja mit dem Mangel an Chlorophyll auch andere abnorme Bedingungen verknüpft sein können, welche das Spiel der Spaltöffnungen beeinflussen. Demgegenüber scheinen die Versuche Schellenberg’s wesentlich beweiskräftiger. Er fand die Stomata von Iris germanica, Helle- borus spe., Aconitum lyeoctonum u. a. der Annahme entsprechend in CO,-freier Atmosphäre geschlossen, während die gleichen Pflanzen, die sich in nicht CO,-freier Atmosphäre befanden, ihre Spaltöffnungen geöffnet hatten (l.c. pag. 175). Diese Versuche wurden denn auch in der Regel für beweiskräftig gehalten. So beruft sich etwa Schwendener-Holtermann auf sie, um daraus die Bedeutung der Stomata für die Assimilation zu dedu- zieren: „Zum Schlusse bemerke ich, daß die Aufgabe der Spaltöffnungen unzweifelhaft nicht — wie oft genug behauptet wird — darin besteht, die Transpiration zu regulieren; sie steht vielmehr im Dienste der Assi- milation, deshalb schließen sie sich bei Mangel an Kohlen- säuret)“ (l.c. pag. 93). Leider sind die in dieser, wie wir sehen, prinzipiell wichtigen Frage entscheidenden Versuche bei Schellenberg in bedauerlicher Kürze wiedergegeben und lassen — wie schon Darwin hervorhob — Zweifel aufkommen, ob bei der gewählten Versuchsanordnung tatsächlich eine CO,-freie Atmosphäre erzielt wurde. Es ist fraglich, ob der Luftstrom, der durch 2 Tage hindurch eine nur 10%ige KOH-Vorlage passierte, (die Beschaffenheit der Vorlage ist nicht angegeben) beim Eintritt in die Glocke, unter der die Pflanzen, d. h. abgeschnittenen Blätter und Zweige, untergebracht waren, seines CO,-Gehaltes vollständig beraubt war und noch fraglicher, ob die produzierte Atmungskohlensäure durch einen langsamen Luftstrom aus der Glocke entfernt werden konnte. Da in der Glocke selbst für eine Absorption der Atmungs-CO, anscheinend nicht gesorgt war, halte ich sogar eine Anreicherung von CO, unter diesen Umständen nicht für ausgeschlossen. 1) Von mir gesperrt. Beiträge zur Kenntnis der Spaltöffnungshewegungen. 127 Die Schellenberg'schen Ergebnisse müssen heute um so mehr Bedenken erregen, als inzwischen Dar win allerdings bei anderen Pflanzen (Nareissus, Tropaeolum, Campanula und Taedia) gerade zum entgegengesetzten Resultate gelangte; die Stomata blieben bei Abwesen- heit von CO, offen, während sie sich in einer Kohlensäureatmosphäre schlossen. Daß die differenten Ergebnisse in einem verschiedenen Ver- halten der Versuchspflanzen beider Autoren begründet sind, ist wohl von vornherein kaum wahrscheinlich, eher ist die Methode hierfür ver- antwortlich zu machen. Burgerstein äußert die Vermutung, daß der relativ kleine und normal immer vorhandene Kohlensäuregehalt der Luft keinen wesent- lichen Einfluß auf den Öffnungszustand der Spaltöffnungen ausübt und daß daher, wenn belichtete Spaltöffnungen in normaler Luft sich öffnen, sie dies auch in einer kohlensäurefreien Atmosphäre tun (I. c. pag. 37). Vom Standpunkte Sechwendener’s müßte hingegen offenbar die gegenteilige Vermutung die größere Wahrscheinlichkeit für sich haben; ist doch die Produktion osmotischer Substanz in den Schließzellen, welche für die Öffnungsbewegung maßgebend sein soll, an die CO,-Assimilation ge- bunden. Einige gelegentliche Erfahrungen bestärkten jedoch meine Zweifel an der Richtigkeit dieser Anschauung. Werden Blätter oder Blattfragmente, deren Stomata sich jm Dunkeln geschlossen haben, völlig submergiert, so öffnen sich die Spalten auch bei weiterem Lichtentzuge ebenso wie beim Übertragen in helles Licht; die Öffnungsbewegung geht jedoch im Dunkeln wesentlich lang- samer vor sich als unter Mitwirkung des Lichtes und führt nur zu einer geringen Spaltweite. Ein derartiger Versuch (vom 2. Juni 1913), den ich zur Illustration anführe, ergab folgendes Resultat: Prozente der offenen Stomata a) in direktem Sonnenlichte b) im Dunkeln nach 3 Min. 64,5 — » 5 — & „6, 73,6 — „10 » 100,0 8 „30. 100,0 10 Das Ergebnis ist insofern bemerkenswert, als sich dabei der he- herrschende Einfluß des Lichtes unter Bedingungen erkennen läßt, die 1) Die beiden Versuchsserien wurden unmittelbar nacheinander durchgeführt, 128 K. Linsbauer, jedenfalls der CO,-Assimilation durchaus ungünstig sind. Dieses prin- zipiell wichtige Ergebnis findet eine weitere Stütze in dem nachfolgenden Versuche, der gleichfalls des öfteren mit ähnlichem Erfolge durchgeführt wurde. Versuch vom 17. V. 1913. Impatiens parviflora, Pflanze aus schwach diffusem Licht; Stomata ge- schlossen. Blätter submergiert: a} in normales (aq. font.), b) in ausgekochtes und filtriertes Brunnenwasser (aq, dec.) von gleicher Temperatur und sofort hellem Tageslichte ausgesetzt. Durchschnittliche Spaltweite: a) in ag. font. b) in aq. dec. 9440 (Beginn) _ _ 106 10 12 0,82 11520 1,38 0,82 Wegen zunehmender Infiltration der Interzellularen in aq. dee. Vers. abgebrochen. Der Versuch läßt einen deutlichen Einfluß des Mediums auf die Spaltweite erkennen. Bei gleicher Beleuchtungsstärke ist die Öffnungs- weite der Zentralspalte nach derselben Expositionsdauer in ausge- kochtem Wasser beträchtlich geringer als in lufthaltigem Wasser. Welche Faktoren die Differenz bedingen, läßt sich aus diesem Versuche natürlich nieht entnehmen. Ich möchte zunächst nur die Tatsache hervor- heben, daß im ausgekochten Wasser somit unter völligem oder jeden- falls fast vollständigem Ausschluß der Assimilationstätigkeit immerhin eine Öffnungsbewegung eingeleitet wurde, die — wie ich hinzufügen kann — bei Liehtabsehluß jedenfalls beträchtlich geringfügiger ausfällt oder verzögert ist. Zur Entscheidung der Frage wurden nachstehende Versuche dureh- geführt. 1. Wirkung von CO,-Entzug bei Lichtabschluß. Die Versuchsanordnung war folgende: Nach Eintritt des Spalt- verschlusses im Dunkeln (seltener nach erfolgtem Welken) wurde aus einem Interkostalraum eines ausgewachsenen Blattes ein Fragment ausgeschnitten und der Spaltzustand mikroskopisch kontrolliert. Hierauf wurde es in zwei gleiche Teile von ca. 16—25 mm? zerschnitten und jedes Blattfragment mit seiner Oberseite auf entsprechend größere Deck- gläser aufgelegt, die mit einer doppelten Lage mit aq. dest. durch- feuchteten Filterpapiers bedeckt waren. Durch sanftes Andrücken wurde dafür gesorgt, daß die Blattoberseite innig dem feuchten Filter- papier anlag, während jede direkte Benetzung der Unterseite streng ver- mieden wurde. Die so adjustierten Deekgläschen wurden nun möglichst. Beiträge zur Kenntnis der Spaltöffnungsbewegungen, 129 schnell auf den abgeschliffenen und eingefetteten Rand zylindrischer Gläschen von ca. 6 ce, Inhalt aufgedichtet, die unmittelbar vorher einige Millimeter hoch mit destilliertem Wasser bzw. zur Absorption des CO, mit konzentrierter KÖH gefüllt worden waren, worauf sie bis unmittelbar zur Untersuchung in den Dunkelschrank übertragen wurden. Zur mikro- skopischen Prüfung wurden die Blattstückchen mit der Pinzette auf einen trockenen Objektträger übertragen. Sollte der Versuch fortgesetzt werden, was zumeist unterlassen wurde, so wurde das Filterpapier neuerdings befeuchtet und die KOH erneuert. Bei dieser Versuchs- anstellung ließ sich allerdings eine ungleiche Luftfeuchtigkeit in den Parallelversuchen nicht vermeiden. Die konzentrierte Lauge bedingte natürlich, daß nieht nur CO,, sondern auch Wasserdampf absorbiert wurde; das Filterpapier trocknete auch in diesem Falle sichtlich rascher aus. Die Bedingungen für eine Öffnungsbewegung der Stomata waren somit von vornherein für die Blätter im GO,-freien Raum wesentlich ungünstiger. Wie die nachfolgende Tabelle zeigt, war jedoch trotzdem die Öff- nungsbewegung in der CO, -freien Atmosphäre stets begünstigt. Ge- wöhnlich ist nicht nur der Prozentsatz der offenen Stomata ein größerer, sondern auch die in gleicher Zeit erzielte Öffnungsweite eine ansehn- liehere. Die Differenzen sind so augenfällig, daß etwaige Schätzungs- fehler gar nicht in Betracht konımen. (Siebe Tabelle pag. 130.) Eine Serie derartiger Versuche, welche in dieser Zusammenstellung keine Aufnahme fanden, führte zwar zu dem gleichen Ergebnisse, konnten aber nicht als einwandfrei gelten. Ich hatte die Versuchsgefäße mit einer etwas zu reichlichen Wassermenge beschickt und das die Blatt- fragmente tragende Deckglas unmittelbar nach dem Eintragen eines Stückehens Ätzkali aufgelegt. Bei der Untersuchung zeigte sieh, dab die Unterseite des Blattfragmentes von einigen alkalisch reagierenden Tröpfchen bedeckt war. Infolge der vorübergehenden starken Erwärmung bei der Lösung des Ätzkalis hatte sich offenbar Wasser kondensiert und bei dem energischen Lösungsprozesse waren Kaliteilchen mitgerissen worden. Es konnte somit der Einwand erhoben werden, daB auch in einigen der früheren Versuche, obgleich nur wenig Lösungsmittel geboten wurde, derselbe Übelstand aufgetreten sein könnte, die Öffnung der Stomata somit eine unmittelbare Wirkung der Alkaleszenz und nicht des CO,-Entzuges wäre. y Flora, Bd. 10%. 130 K. Linsbauer, — - | 5 normal CO,-frei 5 | $ s l|5e&8 | e |5= Pi ® Prot. : Datum FE 5 s< . |82 fr &:| . 83 j ‚a BES Spaltweite FH = 88 Spaltweite FH u 2) BES ® iS: | { % % 1 T j ' j i XB!31.v.18. : 30 | 39 '(0:2),, 05, 02,04, 03 | 68 :10.2),, 0-4, 0-6. 04,| 038 |9n30 a m. 02, 0-4 -0:2, (0:4), 0:0, (0-4),) | ; | 0.2, 0:6 XIV I 3LV 30 | 43 | (02), 0-6, (0:2), 028 | 94 Ic), (0.6),, 04, 08, 08 | 5kIü p. m.i i 0.4. 02, 0-8 h XV 2. VL 5817 80 | 68 (0:2), (O4), (02), 0628| 88.1, 1:2, (08), 1,08, 08 ; (0-4), , 11:4, 1,0-8, 0:6, 1,.0-8| 40 | 53 :0:6, 0:2, 04, (0:2)... 0,32 | vertrocknet (0-4, | | #8 ©. 5, 02, (04, 034 | 73 02,,(0-4,,08, 02, 031 ; ' | 1, O2, (0-4, 08 XYI 3. VL 11n30° 25 | 25 |04, 02, 0:6, (0:2), 0,33 | 100 |(0:2),, (0-%,, 0:8. 06,| 0.38 | 04 i 10:8, (04),, (02 | | 04, 0:8 ; 40 | 25 [0:2 (0-4), 1, (0:21, 0.36 vertrocknet xviria.voıın30l 25 | 26 |02,, 06, 04, 02! 029 1 87 l04, (0.21, 0:6, (04), 036 j \ H | (0-6), (04),, (0:2), 3. VI. 11130. 50 | 18 | 021, 04, (0:21, | 027 | 100 10-4),, 06, 04, 0.2,| 061 | | 00, (02, | 04, 08, 0-6, (04), | 1,04, 0:6, (0:81, 1, | 0.8, 1-2, 08 XX 5. VIL 529° 30 | 59 (0:4,,06,02, (0- | 0.34 | 95 (04,, (0-6,, 0:8,| 042 :02,, (0:4), (02), | 02), (04), 02, f | 0, 02), 04, OB, (02, (Oh | i | 0.6 XXTI 6. VIL.10R10 30 | 22 02, 04, 02, 04, 026 | 68 112, (O4), 1, 04, 0.46 | (0, ! 02, 04, 02, O4), | i | 0.2, 04 SVILIIB0 10 | 28 :02),, (0-4, (02), 0.25 | 71 (0:6), 02, 04,(021,| 035 ! B 0.4, (02), 0.6, 0:2, (0-4), gviLımao 20 | 18 02), (04, 1028| 94 |o8, 06, 04, 1,06, 0.72 08, 0.4, 1.2, (08), 06, 08, 1, 02 Beiträge zur Kenntnis der Spaltöffnungsbewegungen. 131 Infolgedessen habe ich noch eine Versuchsserie durchgeführt, bei der wieder an Stelle des festen Ätzkali eine konzentrierte KOH- Lösung in Anwendung kam, die sich vorher zuverlässig auf Zimmer- temperatur abgekühlt hatte; überdies überzeugte ich mich stets am Ende des Versuchs von der neutralen Reaktion der Filterpapierunter- lage. Wie in den früheren Experimenten waren die über KOH befind- lichen Objekte sichtlich gewelkt und oberflächlich vollkommen trocken. Zum Versuche dienten Blattfragmente, die für jeden Parallel- versuch demselben Interkostalstück der Lamina entnommen worden waren; die Stomata waren vor Versuchsbeginn durchaus geschlossen, die Versuche wurden bei Liehtabschluß durchgeführt. Das Ergebnis ist in nachstehender Tabelle wiedergegeben. 5 normal CO,-frei S : I& Pr ® Datum 35 25% & 85 s33 83 IE m23l & | SE ER & Spaltweite | EHE = Real a 2 Ei (7) {v7} ! I" % h, i % %_| n — ı Is.vLam| 2 lo. 0! 01 100 02, 04, (02,| 0.35 i : ! (0.4),. 0.6, 0.2, (0.4), ! | 06,04), ij 100 |04, (0:2,, 0.6,] 0.37 i | OA (O6, ON ! | 0.6, 04 | [03 o o o 2 /15.VII.am| # 3 115. VIaem: 83 |10:;: 0 | 0 | 793 08, 04, (0.81, (0.4): 0.55 | 0.8, 04 : | 0 | 909 |0.6), 0,8, (0.4, 0.6,; 0-18 | 04). 0.8, 041, 08; 4 [15.VIL.am| a | 0 0 1583 os, 04, 02, (0.9, 0.39 02%, (0.4),, (0:9), (0.9), (02), 13. VILam| 2 | 010, | | ! | | | \ Bi ö 190 10.41, (0.21,, 10.4)a. 0.33 (0.2),. 04, (0.6:,, 0.2, 0.4, (02% 6 115. VIl.a.m.| 52 ö 0) | Das Ergebnis dieser mit der größten Vorsicht mit Blättern eines Individuums an demselben Tage durchgeführten Versuche ist völlig ein- deutig und steht in voller Übereinstimmung mit den früheren Versuchen; g* 132 K. Linsbauer, die Stomata hatten sich während der Versuchsdauer in „normaler“ Luft überhaupt nicht geöffnet. Die Versuchsanordnung wurde noch in anderer Weise modifiziert. In dem basalen Teil einer umgewendeten Eprouvette, welcher mit feuchtem Filterpapier ausgekleidet war, wurde ein ca. 2,5 cm langer und I em breiter Blattstreifen eingebracht und mit der Oberseite dem Filter leicht angedrückt; hierauf wurde ein etwa 5 cem fassendes Glasröhrchen mit konzentrierter KOH-Lösung eingeschoben und durch ein feuchtes Filter- röllchen in seiner Lage erhalten. Die se adjustierte Eprouvette wurde nun über Hg, das mit Wasser überschichtet war, aufgestellt. Der Parallel- versuch wurde in gleicher Weise mit Hinweglassung des Absorptions- mittels durchgeführt. Trotz der Ätzkaliwirkung ließ sich der Raum bei dieser Anordnung konstant feucht erhalten. Nachstehend das Ergebnis der anfangs Juni (1913) durchgeführten Versuche: 5 C0,-frei T } Prot. Be8 5 i £ Nr, 2 ®| S 8 | 58 E =8 5: Spaltweite ER Spaltweite 38 3 R:a Sc Er "an %| % | \ L T I i a0 | 193 ca. 02.04 e1.0.3| 57.58 .(0.4),.10.2),. 0.4, 0.6,; 0.41 | 09, (08), 03, | (0.4), 0.8 | h \ Bl a0 0} ‚0 89:04, 086, (0.,, 02, 0,55 i 1(0.6),, 0.4,-0.8, 0.4, (0.2), 1, (0.83, 0.61. ! 0.4, 08 | 3 m | on (02 04, 1023689 j14, 08,06, 12, 1] 0.98 | '14, 1,08, 0.8, 1, | , 12,06, 1,12 | 2.0 | 38 ca. 02 jan 0.2] 88.2 :0.8,0.6, (0.8), 0.6),,| 0.78 | 11.4, 1,08, 0.6, 0.4, h (0.8),. 1, 0.6, 08 | i | j Die Versuche führen somit zu dem übereinstimmenden Ergebnisse, daß bei Lichtabschluß die Öffnungsbewegung der Stomata durch CO,Entzug begünstigt wird. Die Be- günstigung äußert sieh sowohl in einer Zunahme der Pro- Beiträge zur Kenntnis der Spaltöffnungsbewegungen. 133 zente geöffneter Stomata als auch in der Erzielung einer größeren Spaltweite innerhalb der gleichen Zeit. 2. Wirkung des CO,Entzuges im Lichte. Im Gegensätze zu den Dunkelversuchen führten die im Lichte durchgeführten Versuche unter gleichzeitigem CO,-Entzug zunächst wenigstens zu keinem eindeutigen Ergebnisse. In der Mehrzahl der Fälle war wohl auch hier bei CO,-Mangel eine Begünstigung der stomatären Öffnung zu verzeichnen, doch fehlte es nieht an Ausnahmen. Unter diesen Umständen machte sich eben eine Fehlerquelle besonders fühlbar. Die über KOH aufgestellten Blattfragmente troekneten namentlich bei direkter Insolation allzuleicht aus; dazu kommt, daß mit fortschreitender Assimilation schließlich unter allen Umständen in dem dem Versuchs- objekt zur Verfügung stehenden beschränkten Luftvolumen eine COQ,- Abnahme eintreten muß. Ich ersetzte daher für diese Versuche die KOH durch Barytwasser. Die Blattfragmente wurden wie gewöhnlich mit ihrer Oberseite auf ein mit durchfeuchtetem Filterpapier bedecktes, größeres Deckglas auf- gelegt, das auf einem Glastischehen in eine Dose (von 130 eem Inhalt) mit aufgeschliffenem Deckel gebracht wurde, deren Boden 1% em huch mit Wasser bzw. klarem Barytwasser bedeckt war. Das Ergebnis war nunmehr ein durchaus befriedigendes: auch im Lichte ist die Öffnungs- geschwindigkeit und Öffnungsweite der Stomata wenigstens anfänglich im CO,-freien Raume gefördert, wie die folgende Zusammenstellung einer kleinen Zahl der durchgeführten Versuche ergibt. normal 09,-frei Mittlere : Spaltweite 091 Geranium acutifo- - - 5 | 5 5) iu 9 folium ..... IV h Caltha palustris al 3. W. 7 83 ebengeöffner| 100 | entschieden weiter ’ Bi bl 2.W. 80 0 0 47 _ Rumex spe... .al 31V. | 75 | 100 9 | 100 | 12. . “bI 11.W. 75 | 100 8.5 100 10.5 ” ” 1) In dieser und der folgenden Tabelle entspricht ein Teilstrieh = 114 pe (Okular-Schraubenmikrometer). 154 K. Linsbauer, Pr normal Co, -frei 3 . s.l3:,| = Datum ER 5. Ep 2” |.8%) Mittlere | .@2&) Mittlere 6) 3 8| Spaltweite |3°& | Spaltweite > PRZ| FRZ (914) = - T 1 Helleborus niger a|22. V. 60 20 Spur O1 ca. 10 » »... bjer. v. 60 30 _ co — Impatiens parvifl. a[23. V, 30 76 ca. 8 100 14 Fr » 6128. V. 60 80! 10.8 100 12.4 » ” e|24.V. 20 7 11.5 3%: 12.6 R . alıavı | 2 so 83 100 : 98 ” e| 14. VII. ? 98 6.3 100 | 78 " „ alıs.vir | 45 | 80.6 57 100 ! 78 „ » 815. V1. 60 | 679 5.5 100 83 7 o ®, Rn h 12 55 5 f ” » 6j35. VI | | 8 10 50 7.6 23 | 10: 0 62 68 Die hier angeführten Versuche wurden in verschieden starkem diffusen Liehte durchgeführt mit Ausnahme der Impatiens-Versuche d und A, welehe direkter Insolation ausgesetzt wurden; trotzdem war auch hier derselbe Effekt des CO,-Entzuges zu beobachten. Um dem Einwande zu begegnen, daß sich Blattfragmente in dieser Hinsicht abnorm verhielten, führte ich zur Ergänzung einige Versuche an bewurzelten Pflanzen durch; ich wählte hierzu Topfflanzen von Tro- pacolum maius, welche nach vorhergehender Verdunkelung unter ge- räumige, gut aufgeschliffene Glasglocken gebracht wurden, deren Innen- wand zu zwei Dritteln mit feuchtem Filterpapier ausgekleidet war; unter die Glocke wurde gleichzeitig eine Kristallisierschale mit frisch bereiteter konzentrierter KOH bzw. Wasser eingebracht. (Siehe Tabelle pag. 185.) Nach Erneuerung der KOH wurden die Pflanzen neuerdings 16 Stunden verdunkelt und hierauf 1 Stunde ziemlich schwach diffusem Lichte ausgesetzt. Die Differenzen waren jetzt nicht so auffällig, aber immerhin unverkennbar im gleichen Sinne ausgefallen; wieder war die Öffnung im CO,-freien Raume begünstigt. Doch nicht darauf kommt es in erster Linie an, sondern auf die Tatsache, daß bei Sistierung oder doch starker Beeinträchtigung der CO,-Assimilation eine Öffnung der Stomata überhaupt einzutreten vermag. Während bisher gezeigt werden konnte, daß CO,-Entzug die Öff- nungshewegung der Stomata wesentlich begünstigt, konnte umgekehrt Beiträge zur Kenntnis der Spaltöffnungsbewegungen. 135 Versuch: 4 Pflanzen durch 17 Stunden verdunkelt; 3 daven 7 weitere Stunden im dunkeln, CO,-freien Raume; hierauf 30 Minuten insolieri normal CO,-frei Versuchs-|_______ _ __L _.ı dauer fnungszustand| Sn) Öffnungszustand en) mittleres Blatt — ı 7 durchaus offen | 19 „ ” durchaus \ geschlossen | 0 _ Io jüngers „ zum Teil offen | 6 —_ 10 ” „ _ i _ durchaus offen 10.8 älteres » —_ ı » » 175 ” ” geschlossen | 0 _ -— ” ” _ Io » » 125 jüngere „ Maiorität offen 11 — io - bereits Darwin nachweisen, daß in CO,-Atmosphäre die Öffnung der Spaltöffnungen unterbleibt. Man kann sich leicht von der Richtigkeit dieser Beobachtung in verschiedener Weise überzeugen. Zunächst wurden Blattfragmente mit geschlossenen Stomata wie gewöhnlich adjustiert in der Gaskammer einem kontinuierlichen Strome gewaschener feuchter CO, ausgesetzt. Nach %4 Stunden war weder im Dunkeln noch im diffusen Lichte eine Spalte offen, während in einem im Lichte gleieher Intensität durchgeführten Parallelversuche 90% Stomata eine ansehnliche Öffnung aufwiesen. Derselbe Effekt läßt sich sehr bequem auch in der Weise erzielen, daß Blätter oder Blattfragmente in mit CO,-übersättigtem Wasser sub- mergiert werden. Daß hierdurch nicht etwa die Stomata in einen Starre- zustand versetzt werden, geht daraus hervor, daß nicht allein an ge- sehlossenen Spalten die Öffnung unterbleibt, sondern daß offene Stomata sich unter denselben Bedingungen völlig oder doch fast völlig zu schließen vermögen, bei Übertragung in Brunnenwasser sich jedoch im Lichte sofort wieder öffnen. Eine Hemmung der Öffnung tritt übrigens nicht erst in reiner CO,-Atmosphäre ein; eine Anreicherung von CO, im geschlossenen Luftraum wirkt bereits mehr oder minder stark im gleichen Sinne; 1) Bei dem starken Schwanken der Spaltweite der Tropaeolum-Blätter machen die in dieser Kolonne angeführten Mittelwerte (aus 10 Messungen) durchaus keinen Anspruch auf Genauigkeit; die Größe der Differenz taßt jedoch ungefähr die auffälligen Unterschiede hervortreten, welche die mikroskopische Untersuchung aufweist, 136 K. Linsbauer, ich habe jedoch bisher das Minimum des noch wirksamen Partialdruckes der Kohlensäure mangels geeigneter Apparatur nicht ermittelt. Im Anschluße an diese Beobachtungen ist noch eine Frage zu er- örtern, welehe zur Beurteilung der Versuche über die Wirkung des CO, Entzuges von Wichtigkeit ist. Ist es tatsächlich der Entzug von CO, welcher die Öffnung der Stomata fördert — wie ich bisher stillschweigend vorausgesetzt habe — oder vielmehr die unvermeidliche Anreicherung der Atmungskohlensäure, welche in den Parallelversuchen eine Ver- zögerung der Öffnungsbewegung bedingte. Tch glaube, daß diese letztere Eventualität von vornherein wenig Wahrscheinlichkeit für sich hat. Blattfragmente von nur wenigen (ca. 20—30) qmm, wie sie zumeist in den Versuchen Verwendung fanden, können innerhalb der relativ kurzen Versuchsdauer selbst intensive Atmung vorausgesetzt, unmög- lich zu einer derartigen CO,-Anreicherung in einem Versuchsraume von 6—130 emm führen, daß ihre Wirkung sich in so auffälliger Weise dokumentieren würde. Zudem müßte mit zunehmender CO, Produktion eine Hemmung im Laufe des Versuchs immer deutlicher hervortreten, während tatsächlich die Öffnungsbewegung allmählich fort- schreitet. Bei den im Lichte durchgeführten Versuchen kann zudem infolge der einsetzenden Assimilation von einer solchen CO,-Anreicherung überhaupt keine Rede sein. Es spricht somit alles dafür, daB tatsächlich der Entzug von CO, für die Begünstigung der Öffnung der Stomata verantwortlich zu machen ist. Dabei handelt es sich natürlich um CO, doppelter Provenienz: um Luft-CO, und Atmungs-CO,, die sich wenigstens bei den Dunkelversuchen zunächst im Interzellularensystem anhäuft aber auch bei geschlossenen Spaltöffnungen allmählich nach außen diffundiert. Da im CO,freien Raume die Diffusion begünstigt wird, so sinkt unter diesen Umständen somit auch der CO,-Gehalt der Inter- zellularenluft. Ihre Zusammensetzung ist es meines Erachtens in erster Linie, welche das Spiel der Stomata wesentlich beeinflußt. Sehlußbemerkungen. 1. Wenngleich die Transpirationsgröße verschiedener Pflanzen an- erkanntermaßen nicht als einfache Funktion von Spaltöffnungszahl und Spaltweite darstellbar ist (s. namentlich Renner), so ist es doch von Interesse und für das Verständnis des Transpirationsvorganges von Be- deutung, zu untersuchen, inwieweit Spaltweite und Verdunstungsgröße von denselben Bedingungen beeinflußt werden. Beiträge zur Kenntnis der Spaltöffnungsbewegungen. 137 Ich habe schon an früherer Stelle die Beziehung zwischen Inten- sität der Transpiration und Regulationsfähigkeit der Stumata an Blättern verschiedenen Alters hervorgehoben und möchte an dieser Stelle in Kürze auf eine analoge Abhängigkeit hinweisen, die für das Verständnis der Transpirationsförderung durch das Licht von Bedeutung ist. Was die Beziehung der Transpiratiosn zum CO,-Gehalt der um- gebenden Atmosphäre betrifft, so stimmen alle Beobachtungen darin überein, daß CO,-Entzug die Transpiration fördert, während umgekehrt zunehmender Gehalt an CO, eine Depression der Verdunstung bedingt. Ich verweise auf die Untersuchungen von Deherain, Jumelle, E. und J. Verschaffelt, Barthelamy, Sorauer, Kohl und Dixon, welche in Burgerstein’s bekannter Monographie der Transpiration eine eingehende Würdigung erfahren haben (l. c. pag. 104—114). Verschaffelt hat insbesondere nach Burgerstein (das Original ist mir leider un- zugänglich) bereits nachgewiesen, daß die stärkere Transpiration in kohlensäurefreier Luft sich nicht nur während der Belichtung, sondern auch im Dunkeln einstellt. Diese Ergebnisse haben zur Aufstellung mancher Hypothesen Veranlassung gegeben, deren Unhaltbarkeit Burger- stein bereits zugunsten der Anschauung Wiesner’s dargetan hat. Nach unseren Beobachtungen erklärt sich die Beeinflussung der Tran- spiration unter diesen Bedingungen vollkommen befriedigend aus dem Verhalten der Stomata, welche sich eben in CO,-freiem Raume öffnen und dadurch die Transpiration vergrößern, während sie eine CO,-An- häufung mit der Schließbewegung beantworten, was naturgemäß eine Herabsetzung der Verdunstungsgröße zur Folge hat. Das zu lösende Problem hat dadurch eine Verschiebung erfahren; was der Erklärung bedarf, ist nieht die Veränderung der Transpirationsgröße, sondern die Turgeszenzänderung der Schließzellen in Abhängigkeit vom CO,-Gehalt der Atmosphäre. 2. Nachdem gezeigt werden konnte, daß die Öffnungsbewegung der Stomata jedenfalls nicht direkt mit der CO,-Assimilation zusammen- hängt, erhebt sich die Frage, welche Rolle in diesem Falle dem konstanten Auftreten des Chlorophylis in den Schließzellen zuzuschreiben ist, ins- besondere, ob es bei der Öffnungsbewegung im Lichte eine un- mittelbare Rolle spielt. Ein bestimmtes Urteil läßt sich auf Grund der bisherigen Untersuchungen allerdings noch nicht gewinnen. Ich will mich daher nur darauf beschränken, auf einige Möglichkeiten hinzuweisen. Nach meinen Beobachtungen wäre eine derartige Funktion wohl denkbar, müßte aber in einer anderen Richtung gesucht werden als 138 K. Linsbaner, bisher. Es ist jedenfalls bemerkenswert, daß CO,-Anhäufung in gleicher Weise wie Verdunkelung auf die SchlieBbewegung hinarbeitet, währen umgekehrt Belichtung und CO,Entzug gleichsinnig eine Öffnung bewirken. Unterdrückung der Assi- milationstätigkeit infolge Lichtentzuges muß zu einer CO,-Anhäufung in den Interzellularen und der Atemhöhle führen, wodurch die Schließ- bewegung gefördert wird; bei einsetzender Belichtung wird die CO, Assimilation zunächst, solange die Stomata noch geschlossen sind, auf Kosten der in den Interzellularen angehäulten CO, einsetzen. Die Assi- milation wirkt somit in gleicher Weise wie CO,-Entzug, wodurch die Öffnungsbewegung begünstigt wird. In diesem Falle würde die Anwesen- heit von Chlorophyll in den Schließzellen wohl unmittelbar für den Öffnungsvorgang im Liehte von Bedeutung sein, jedoch nicht wegen der Bildung osmotischer Substanz, sondern wegen der Verminderung des angesammelten CO,. Dem Chlorophyll könnte jedoch auch noch eine andere Rolle zu- fallen. Es ist zu beachten, daß in der Regel nicht allein die Schließzellen, sondern alle Zellen, soweit sie die Atemhöhle begrenzen, durch den Be- sitz von Chloroplasten ausgezeichnet sind. Das Auftreten von Chloren- chym in der Umgebung der Atemhöhle ist namentlich dort auffällig, wo diese chlorophylifreies Wassergewebe durchbrechen. Ich verweise 2. B. auf die von mir näher studierten umfangreichen Atemhöhlen der Brome- liaceen, die allseits von chlorophyliführendem Parenchym umsäumt und durchzogen werden (l. e. pag. 342). Die Assimilationstätigkeit kann somit schon im Bereich der Atemhöhle vor sich gehen und setzt bereits am äußersten Ende des Durchlüftungssystems in den Schließzellen ein; dadurch aber wird schon an den beiden Enden der Zentralspalte ein Konzentrationsgefälle im CO,-Gehalt hergestellt, welehes die Diffusion der Luftkohlensäure in das Blatt begünstigt. 3. Noch eine andere Frage bedarf erneuter Untersuchung: die Beziehung zwischen Spaltbewegung und Liehtqualität. Durch die Unter- suchungen Wiesner’s, die durch eine Reihe anderer Autoren (näheres bei Burgerstein. pag. 95ff.) ihre volle Bestätigung fanden, wurde der sichere Nachweis erbracht, daß die Transpiration vorzüglich im blauen Liehte gefördert wird. Es muß daher sehr auffällig erscheinen, daß die Öffnungsbewegung der Stomata nach Beobachtung von Darwin (D gerade umgekehrt durch die roten Strahlen begünstigt werden soll. Mir fchlt es derzeit an einer entsprechenden Apparatur, zur einwand- freien Lösung der Frage. Vorversuche unter Senebier’schen Glocken sprechen jedoeh für eine Förderung der Öffnungsbewegung im stark ‚ Beiträge zur Kenntnis der Spaltöffnungsbewegungen. 139 brechbaren Teile des Spektrums, was in gutem Einklange mit den 'Tran- spirationsbeobachtungen stehen würde. Die Differenzen sind jedoch zu geringfügig, als daß ich aus den vorläufigen Befunden ein sicheres Re- sultat deduzieren möchte. Ich beabsichtige gerade diese Frage mit Hilfe der so empfindlichen Porometermethode einer erneuten Unter- suchung zu unterziehen. Mit dem Nachweise der Inkongruenz der Bedingungen für die CO,-Assimilation und die Öffnungsbewegung der Stomata im Lichte ist auch der Beweis erbracht, daß die zur Öffnung führende Turgorsteigerung nieht notwendig wur auf der Neubildung osmotischer Substanz im Assi- milationsprozesse gewonnen werden kann. Es wäre verfrüht, ohne er- neute, speziell auf diesen Punkt gerichtete, experimentelle Untersuchung eine Erklärung für die Turgorzunahme der Schließzellen im Lichte geben zu wollen. Vor allem fehlen noch Erfahrungen über das Verhalten Stärke führender und entstärkter Schließzellen. Jedenfalls liegt die Annahme nahe, daß die mit der Lichtintensität veränderlichen Turgorverhält- nisse mit einer Veränderung der Plasmapermeabilität in innigem Zu- sammenhange stehen. Die Ergebnisse sind jedoch auch in allgemeiner Hinsicht von Be- deutung. Während N. J. C. Müller in der Stomatärbewegung einen Reizvorgang erblickte, sprieht ihr Schwendener den Charakter von Reizerscheinungen ab. „Denn die Veränderungen, welche das endosmo- tische Gleichgewicht stören, gehen langsam vor sich und können des- halb, auch wenn der Primordialschlauch selbst daran teilnimmt, den bekannten Reizerscheinungen bei Mimosa usw. nicht an die Seite ge- stellt werden; ich möchte sie daher lieber als gewöhnliche Wirkungen der Wärme, des Lichtes, der Verdunstung usw. bezeichnen, analog denen, welche auch in anderen parenchymatisehen Zellen vorkomnien.“ (Ges. Abh. I, pag. 66.) Heute wird man die Geschwindigkeit des Ablaufes eines physiologischen Prozesses wohl kaum mehr als Kriterium für den Reiz- charakter gelten lassen; zudem ist die Reaktionsgeschwindigkeit auf Beleuchtungswechsel unter Umständen eine überraschend große, wie namentlich in neuerer Zeit aus den Porometerversuchen von Darwin und Pertz und Stein deutlich erhellt. Immerhin könnte man Schwen- dener’s Auffassung beipflichten, wenn die Turgoränderungen, welche zur Bewegung des Schließzellenmechanismus führen, tatsächlich nur auf einer einfachen Anhäufung oder Ableitung osmotisch wirksamer Substanz beruhen würden. Mit Recht hat aber insbesondere Jost!) (l. e. pag. 60) b) Habertandt (l. c., pag. 407) nimmt zwar im Anschlusse an die Befunde Schellenberg’s an, daß die osmotische Substanz, von deren wechselnder Menge 140 K. Linsbauer, darauf hingewiesen. daß das Licht wohl auch als Reiz eine Rolle spielt: „Ganz gewiß wirkt aber das Licht auch noch mehr indirekt als „Reiz“ auf die Schließzellen ein“... .. „Auch hier'‘ (nämlich beim Spaltver- schluß im Dunkeln) „wird man an eine Reizwirkung der Verdunkelung denken müssen, denn wenn einmal am Lichte osmotisch wirksame Sub- stanzen gebildet worden sind, so können diese nach Aufhören der Be- leuchtung nicht so rasch verbraucht werden, daß dadurch Spalten- schluß hedingt würde‘. Meine Beobachtungen bedeuten, wie ich glaube, eine wesentliche Stütze dieser Auffassung, da gezeigt werden konnte, daß eine Öffnungsbewegung auch unabhängig von der Produktion os- motischer Substanz im Assimilationsprozesse stattfinden kann. Die von Intensität und Qualität des Lichtes abhängige Spalt- öffnungsbewegung ist als typischer Reizvorgang aufzu- fassen. Ich verspreche mir daher von einer Untersuchung der stomatären Bewegungen mit Hilfe reizphysiologischer Methoden noch manche neue und interessante Ergebnisse. Zusammenfassung. 1. Die Bewegungstätigkeit der Stomata ist bei gleichen äußeren Bedingungen und an ein und demselben Individuum je nach Alter, Lage im Blatt und spezifischen Bau verschieden. a) Die Stomata jüngerer noch im Wachstum begriffener oder eben erst ausgewachsener Blätter sind, wenngleich sie ihre Beweglichkeit schon erreicht haben, wenigstens bei krautigen Pflanzen in der Regel geschlossen und öffnen sich nur unter besonders günstigen Bedingungen; erst die Stomata tiefer situierter Blätter funktionieren als empfindliche Regu- latoren der Transpiration, während sie in höherem Alter bekanntlich wieder in einen + starren Zustand übergehen. b) An ein und demselben Blatte öffnen sich die in der Nähe der „Nerven‘ situierten Stomata (vielleicht im Zusammenhange mit der an diesen Stellen geringeren Ausbildung der Interzellularen) schwieriger, als die über dem Mesophyli liegenden Spaltöffnungen. 2. Die Regulation der Transpiration eines Blattes wird nicht allein durch die jeweils erzielte Spaltweite, sondern auch durch die Zahl der sich an der Bewegung beteiligenden Stomata bestimmt. die Turgeszenzänderungen und damit der Öffnungszustand der Stomata abhängt, vom Chlorophyliapparate der Schließzellen gebildet wird, betrachtet aber doch den Einfluß des Lichtes auf den Turgor der Schließzellen als Reizerscheinung. Beiträge zur Kenntnis der Spaltöffnungsbewegungen. 141 3. BeiChlorophytum Sternbergianum bewirkt eine Verletzung des Blattes durch Einschneiden oder Einstechen mit glühender Nadel eine sich mit großer Geschwindigkeit in der J.ängsriehtung des Blattes fortschreitende Öffnungsbewegung der Stomata. 4. Wasserverlust infolge Welkens führt wenigstens bei krautigen Pflanzen (von solchen mit Schwimmblättern abgesehen) ohne Ausnahme zu einem Spaltenschluß. Die bisher bekannten Fälle eines anscheinend abweichenden Verhaltens erklären sich daraus, daß bei einem allzu rapiden Wasserverlust, also unterabnormen Bedingungen, eine vorzeitige Schädigung des Spaltöffnungsmechanismus eintritt, be- vor noch die Schließbewegung eingeleitet werden kann. 5. Zahl und Öffnungsweite der Stomata nimmt bei sonst annähernd gleichen Bedingungen mit steigernder Lichtintensität zu; für manche Pflanzen — speziell Schattenpflanzen — ließ sich ein Optimum der Beleuchtung ermitteln, deren Überschrei- tung einen Rückgang der Spaltweite zur Foge hat, ohne daß ein Welken des Blattes erkennbar wäre (vgl. Leitgeb). 6. Während Lichtentzug wohl ausnahmslos eine Schließbewegung veranlaßt, die allerdings nicht immer einen bis zum hermetischen Ver- schluß führenden maximalen Ausschlag aufweisen muß, kann anderer- seits beikonstanter Verdunkelung aus noch unaufgeklärten Gründen eine weitgehende Öffnung vor sieh gehen, die nicht als „Nachwirkung“ vorhergehender Belichtung (C. Stein) aufgefaßt werden kann. 7. Entzug vonCO, hedingt oder fördert sowohl im Liehte als auch bei Lichtabschluß eine Öffnungsbewegung der Stomata; Anreicherung von CO, verzögert oder hemmt hingegen die Öffnungsbewegung selbst bei hinreichender Belichtung (vgl. Darwin). CO,Anhäufung in den Interzellularen infolge der Atmung wirkt somit wie Liehtentzug, (O,Verminderung bei ein- setzender Assimilation wie Belichtung. 8. Die Öffnung der Stomata im Lichte ist jedenfalls nicht unmittelbar von der Produktion osmotischer Sub- stanz im Chlorophyllapparate der Schließzellen infolge des Assimilatiensprozesses abhängig, ebensowenig wie der Spalt- verschluß durch Ableitung der Assimilate allein befriedigend erklärt werden kann (Jost). Die Stomatärbewegungen sind daher als typische Reizbewegungen aufzufassen. Pflanzenphysiologisches Institut der Universität Graz, Juli 1914. 1423 K. Linsbauer, Literaturnachweis. Burgerstein, A., Die Transpiration der Pflanzen. Jena 1904, Verlag Fischer. Darwin, Fr., I. Observations of Sıomata. Phil. transaet. r. Soc, London, B. 1898, Vol. CXC, pag. 531. Darwin and Pertz, II. On a new Method of Estimating the Apertura of Sto- mata, Proc. of the R. Soc. B. 1911, Vol. LXXXIV, pag. 136. Dengler, C., Eine neue Methode zum Nachweis der Spaltöffnungsbewegung. Ber. D. botan. Ges. 1912, pag. 452. Grafe, V., Gas- und Wasserbewegung in der Pflanze. 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Die erste Frage, deren Beantwortung weniger Raum beansprucht, ging von folgenden Gesichtspunkten aus: Eine Reihe von Holzgewächsen zeigt eine Differenzierung in fertile und sterile Sprosse, die oft soweit geht, daß die Blütensprosse überhaupt keine Laubblätter ausbilden und sich mehr oder weniger frühzeitig vor den Laubsprossen entfalten. Diese Unterschiede beider Sproßarten machen sich bereits in Form und Größe der Winterknospe bemerkbar, wie dies jedem Gärtner bekannt ist: die Blütenknospen sind meist größer, eventuell auch anders geformt als die Laubknospen. Indessen genauer sind die morphologischen Verhältnisse beider Knospenarten meines Wissens noch nieht miteinander verglichen worden, und dies gilt noch mehr für die anatomischen Eigenschaften. Deshalb lag es nahe, an einer Reihe von Gewächsen beide Knospenarten nach diesen Gesichtspunkten vergleichend gegenüberzustellen. Die auf- gefundenen Unterschiede drängten weiter die Frage auf, welehe Be- ziehungen zwischen den Besonderheiten der Form und Struktur einer- seits und den jeder Knospenart eigentümlichen Lebensbedingungen und Funktionen andererseits existieren. Wesentlich ausgedehnter waren die Untersuchungen bei der zweiten Frage, die deninneren Bau der Knospensehuppen und vor allem der auf diese oft folgenden Übergangsblätter, daneben auch bestimmter hochblattartiger Formen zum Gegenstand hat. Wenn auch an den Laubsprossen der meisten Holzgewächse auf die Teg- mente unmittelbar die Laubblätter folgen, wird doch in vielen Fällen der Übergang zu diesen durch besondere Blattgebilde vermittelt, die mit zunehmender Insertionshöhe reicher gegliedert und größer werden und Paul Neese, Zur Kenntnis der Struktur der Niederblätter usw. 145 früher oder später in dem Laubblattypus endigen. Diese Zwischenformen haben von jeher das Interesse des Morphologen erregt, da sie besonders brauchbare Anhaltspunkte für die morphologische Wertung der Knospen- sshuppen liefern. Eine anatomische Untersuehung dieser Formen exi- stiert, soweit ieh sehen kann, nicht. Deshalb schien es von Interesse, die innere Struktur dieser Formen etwas eingehender zu behandeln, insbesondere zu verfelgen, in welcher Weise und nach welcher Gesetz- mäßigkeit der Fortschritt der Gewebedifferenzierung innerhalb der Blattreihe sich vollzieht. Als besonderer Gesichtspunkt kam hierbei noch in Betracht, inwieweit sich beim Verfolg dieser Blätter sproßauf- wärts etwa Beziehungen zwischen den einzelnen Gewebearten unter sich sowie zwischen dem inneren Bau und den äußeren Eigenschaften ergeben. Fernerhin galt es festzustellen, wie sieh die Übergangsblätter in bezug auf gesetzmäßige Veränderungen bestimmter anatomischer Merkmale verhalten, wie sie neuerdings Nordhausen in Parallele zu den äußeren Formunterschieden beim Verfolg der Laubblattreihe von der Sproß- spitze bis zur Basis fand, beispielsweise derart, daß bei bestimmten Laubsprossen der wellenförmige Verlauf der von der Fläche gesehenen radialen Epidermiswände sich graduell verstärkt. Lassen sich diese Gesetzmäßigkeiten weiterhin auch in der Zone der Zwischenfornen ver- folgen? Haben wir bei den jüngsten Knospenschuppen beginnend, eine kontinuierliche Reihe fortschreitender Umbildung der Struktur vor uns? Eigentlich sollte dies in Analogie zu den morphologischen Verhältnissen ohne weiteres erwartet werden. Tatsächlich ist dies durchaus nicht immer der Fall: nach der angeführten Gesetzmäßigkeit z. B. müßten die jüngsten Schuppen den stärksten Grad der Epidermiswellung aufweisen, während im Gegenteil ihre Epidermiswände vollkommen glatt verlaufen. Im Prinzip haben ähnliche Fragen, wie sie soeben für die Blatt- gebilde der basalen Sproßpartien entwickelt wurden, auch Geltung für bestimmte hochblattartige Formen der oberen Achsenregion. Deshalb wurden auch diese in den Bereich der Untersuchungen gezogen. 1. Teil. Vergleichende Untersuchungen an Laub- und Blütenknospen. Die Bauverhältnisse der Knospenhülle sind in ihren wesentlichen Zügen hinreichend bekannt, es ist daher überflüssig, an dieser Stelle näher auf sie einzugehen. Die einzelnen Schuppen bestehen aus wenig differenziertem Gewebe mit einer meist derb ausgebildeten Epidermis und werden nur von primitiven Leitbündeln durchzogen. Genanere Flora, Rd. 109. 10 146 Paul Neese, Arbeiten über das Bild der Knospenhülle als Ganzen, Zahl, Anordnung, äußere Beschaffenheit und morphologischen Charakter der sie aufbauen- den Einzelsehuppen bei den einzelnen Gewächsen haben Henry, Feist, Goebel, Lubbock u. a. geliefert; sorgfältige Untersuchungen an dem inneren Bau der Tegmente haben Mikosch, Cadura, C. G. R. Schu- mann, Grüß u. a. ausgeführt. Gegenstand der folgenden Untersuchung waren die Pflanzen: Salix Caprea, Ulmus effusa Willd., Magnolia speeiosa, Hamamelis virgi- niana, Fothergilla involuerata, Fothergilla Gardeni, Parottia persica, Prunus avium, Daphne Mezereum, Cornus mas, sämtlich Pflanzen, die als Frühblüher, zum Teil als Winterblüher, bekannt sind. Die Knospen wurden durchweg in frischem Zustande während der Winterperiode untersucht, während welcher sie ja nur geringes Wachstum zeigen, zur Ergänzung und zum Vergleich in einigen Fällen auch im austreibenden Zustande. 1. Salix Caprea. Die Hülle der Laub- und Blütenknospen wird von zwei transversal stehenden, reduzierten Blättern gebildet, die miteinander zu einer derben Kapuze von gelbbrauner Farbe verwachsen sind. Die Blütenknospe unterscheidet sich von der Laubknospe äußerlich durch ihren größeren Umfang. Dementsprechend sind auch ihre Hüllblätter größer als die der Laubknospe, jedoch von gleicher Dicke wie diese. Mit der größeren Breite der Blütentegmente korrespondierend erscheinen ihre Grund- gewebezellen in der Querrichtung ein wenig mehr gestreckt als die der Laubtegmente. Alle ihre Zellen sind tot und enthalten braunen Inhalt, während in den Schuppen der Laubknospe allgemein die Desorganisation der Zellinhalte nicht so weit fortgeschritten und eine Bräunung der Zellinhalte nur in den Leitbündeln wahrzunehmen ist. Die Luftspalten, die alle Knospenschuppen parallel zur Außenfläche durchsetzen, sind mit Kalzinmoxalatdrusen angefüllt. Bemerkenswert ist hierbei, daß auf die Blattflächeneinheit: beim Laubtegment dreimal so viel Drusen wie beim Blütentegment entfallen. 2. Ulmus effusa Willd. Die Laubknospen sind spitz, die Blütenknospen hingegen rundlieh und zugleich umfangreicher als jene. Die Tegmente beider Knospen- arten unterscheiden sich nicht hinsichtlich ihrer Zahl, und auch ihre Größe, die mit der Insertionshöhe beträchtlich zunimmt, ist bei ent- sprechenden Tegmenten etwa gleich. Sie stellen Stipeln dar, von denen Zur Kenntnis d. Struktur d. Niederblätter u. Hochhlätter einiger Laubhölzer. 147 die untersten 9—10 Paare verwachsen und zweizeilig angeordnet sind. Die obersten Tegmente zerfallen dann in ihre Stipelpaare, wodurch ihre zweizeilige Anordnung aufgehoben wird; zugleich hiermit treten in der Laubknospe die ersten Laubblattanlagen auf, während sieh Blüten be- reits in der Achsel des sechsten bis achten Blütentegments vorfinden. Hinsichtlich ihrer Struktur zeigen die inneren Laub- und Blüten- tegmente einen bemerkenswerten Unterschied. Bei beiden Knospen- arten sind zunächst die äußeren Schuppen in ihrer ganzen Ausdehnung verholzt und derb; bei der vierten oder fünften Schuppe tritt dann am Grunde eine hellere, zarte Zone auf, die um so größer ist, je höher die Schuppe inseriert ist, bis schließlich die letzten Schuppen auch an der Spitze kaum noch gebräunt erscheinen. Während nun die unverholzte Basalzone der inneren Laubtegmente relativ groß und saftig bleibt, zeigt sie bei den entsprechenden Blütentegmenten geringere Ausdehnung und ist mehr oder weniger vertrocknet. Vergleicht man beispielsweise die neunte Schuppe der Laubknospe mit dem neunten Blütentegment, so zeigt sich jene Schuppe in ihrer ganzen Ausdehnung ausgesprochen grün und saftig, während das Blütentegment oberhalb des bräunlichgrünen, basalen Teils einen breiten, verholzten Rand aufweist, der bis zur Mitte der Schuppe reicht. Diese im Laufe des Winters festgestellten Unterschiede bedingen nun auch das verschiedene Verhalten beider Knospenarten beim Aus- treiben. Während die Laubtegmente vermöge der lebend erhaltenen grünen Basalzone nachwachsen und den jungen Sproß eine Zeitlang schützen, werden die Blütentegmente, bei denen ein Nachwachsen nicht stattfindet, durch die schwellenden Blütensprosse mechanisch nach außen gedrängt und abgebogen. 3. Magnolia speciosa. Die endständigen Blütenknospen unterscheiden sich auf den ersten Blick durch ihren viel größeren Umfang von den Laubknospen. Als Knospendecke fungiert bei beiden Knospenarten eine einfache, ringsum geschlossene, sackförmige Hülle, die vollständig mit einem fülzigen Haar- kleid bedeckt ist. Ihrem morphologischen Charakter nach besteht diese Hülle in der Hauptsache aus den Nebenblättern eines Laubblattes, dessen Abbruchsnarbe man an der Knospenhülle auf einem verdickten Mittelstrange findet. Mit dem größeren Umfang der Blütenknospe verbindet sich eine voluminösere Bauart ihrer Hülle. Dies tritt einmal schon darin zutage, daß die Blütenknospenhülle etwa anderthalbmal so dick wie die Hülle 10° 148 Paul Neese, der Laubknospe ist, beide an entsprechenden Stellen gemessen. Dann auch darin, daß auf den Blütenhüllen die Haare länger und von größerem Lumen als auf den Laubknospenhüllen sind. Bei beiden Knospenarten sind die Haare übrigens verholzt und ihre Zellinhalte abgestorben. Im Gegensatz zu der voluminösen Bauart der Blütenhülle besitzt die Laubknospenhülle eine gedrungene, feste Struktur. Dies zeigt sich im Quersehnitt reeht deutlich, wenn man die Außenseite der Knospenhüllen ins Auge faßt: in der Laubknospenhülle zeichnen sich die subepidermalen Zellschichten der Außenseite durch verdiekte Wände und kleine Lumina aus, wohingegen die entsprechenden Zelllagen der Blütenhülle nur un- verdiekte Wände und relativ große Zelllumina aufweisen. Auch auf der Innenseite bemerkt man einen Strukturunterschied, der, allerdings weniger deutlich, den festeren Bau der Laubknospenhülle vor Augen führt. Allein am dentlichsten prägen sich sie Baueigentümlichkeiten in der Ausbildung, Zahl und Verteilung der Spikularzellen aus, die in Gestalt stark verholzter, verzweigter Sklerenchymzellen das Mesophyli durchsetzen. Diese sind in der Laubknospenhülle durchweg diekwandiger und englumiger, und ihre Zahl, auf die Flächeneinheit des Querschnittes bezogen, ist hier merklich größer. Sie liegen in der Laubknospenkülle meist zu mehreren in Nestern zusammen, wohingegen sie in der Blüten- knospendecke zum größeren Teil vereinzelt angetroffen werden. Ich möchte nieht unerwähnt lassen, daß sich Unterschiede auch finden in bezug auf die Zahl der einzelligen Sekretschläuche, die im Grundgewebe eingebettet sind; diese sind nämlich in der Laubknospenhülle erheblich zahlreicher: ihre Zahl in der Laubknospenhülle verhält sich zu der in der Blütenknospenhülle wie 70 zu 45. Bei Magnolia Campbelli (Laubknospe), M. Kobus, M. acuminata, M. tripetala beobachtete ich im Winter an mehreren Knospen, daß die alte Hülle abgeworfen wurde, so daß der Knospenschutz auf die nächste Hülle überging. Ich lasse die Frage offen, ob das Abwerfen als normal zu bezeichnen ist. 4. Hamamelis virginiana. Die Blütenknospen haben etwa kugelige Form, die Laubknospen hingegen sind seitlich zusammengedrückt und schmal, und auffälliger- weise im Ganzen etwas größer als jene. Während die Blütenknospe von einer Hülle lebender, typisch ausgebildeter kleiner Tegmente um- geben ist, bieten der Laubknospe die beiden abgestorbenen, kaum tegmentartig modifizierten Nebenblättchen des ältesten in der Knospe angelegten Laubblattes nur in unvollkommener Weise Schutz. Dieser Zur Kenntnis d. Struktur d. Niederblätter u, Hochblätter einiger Laubhölzer. 149 wird jedoch erhöht durch den diehten Filz brauner Büschelhaare, der die Laubknospe vollständig überzieht und dem gegenüber das Haarkleid der Blütentegmente nur dürftig erscheint. Dem morphologischen Cha- rakter nach darf man übrigens wahrscheinlich auch die Blütentegmente als Nebenblätter — allerdings ohne Spreitenteil -— auffassen, da häufig je zwei am Crunde zusammenhängen. Das parenchymatische, wenig verdiekte Grundgewebe beider Teg- mentarten weist einen bemerkenswerten Unterschied auf: im Laub- tegment findet sich auf der Außen- oder Phloemseite eines jeden Leit- bündels ein gut ausgebildeter, sichelförmiger Belag stark verdickter, faserig gestreckter, unverholzter Zellen, der im Blütentegment gänzlich fehlt. Auch bezüglich der Spaltöffnungen verhalten sich die Blüten- tegmente anders wie die Laubtegmente: auf jenen fehlen sie ganz, auf diesen treten sie unterseits ziemlich zahlreich auf. 5. Parottia persica, Während die Blütenknospe groß und gerundet ist, erscheint die Laubknospe ziemlich klein, gestreekt und seitlich zusammengedrückt (Pig. 1). Der letzteren legen sich, wie bei Hamamelis, die vertrockneten Nebenblättehen des ältesten Laubblattes beiderseits an, den wirksameren Knospenschutz bewirkt auch hier der filzige Überzug brauner Büschelhaare, der die ganze Laubknospe bedeckt. Die Blütenknospenhülle dagegen wird in vollkommenerer Weise aus mehreren Schuppen gebildet, von denen die oberen zugleich als Blütentragblätter fungieren. Die Tegmente sind hier viel größer und kräftiger als bei der Laub- knospe, schon ihre Dicke ist anderthalb- mal so groß wie die der Laubtegmente, dabei sind sie lebend und elastisch, während jene abgestorben, spröde und hinfällig sind. In eigentümlicher Weise weichen beide Tegmentarten in Bezug . aut Anordnung und Größe der Haare FE.1, arlin ei, a La voneinander ab. Während die beiden Etwas über natürliche Größe. Laubtegmente beiderseits dicht mit Büschelhaaren besetzt sind, tragen die Blütentegmente solche fast nur auf der Außenseite, zuweilen auch auf der Innenseite ganz zerstreut an der Spitzenregion. Auffallender noch ist deren Form- und (rößen- unterschied: die die Büschelhaare zusammensetzenden Einzelhaare sind 150 Paul Neese, nämlich auf den Blütentegmenten etwa 20mal so lang wie auf den Laubtegmenten; dabei ist das Lumen der Haare auf den Blüten- tegmenten schmaler (Fig. 2). Das Grundgewebe beider Tegmentarten ist ein schwach verdicktes Parenchym. Spaltöffnungen wurden auf beiden nicht gefunden. 6. Fothergilla. F. involuerata. Die schmalen Laubknospen sind bedeutend kleiner als die am Ende seitlicher Kurztriebe stehenden eiförmigen Blüten- knespen. Auch bei I Fothergilla besteht, a wie bei Hamamelis, a die Blatthülle der Laubknospen nur aus zwei hinfälligen Nebenblättehen zu beiden Seiten der Knospe, und auch hier wird der Haupt- schutz dureh den filzigen Haarüberzug der Knospe bewirkt. Die Tegmente der Blütenknospe wer- den von den Stipeln b der normalen Laub- blätter gebildet, die in der Blütenknospe u am Grunde des Blü- tenstandes einge- " schlossen sind; s0- Fig. 2. Parotti bald die Stipeln des ig. 2. Parottia persica. aa Büschelhaare von einem _ „Laubtegment‘, b Büschelhaare von einem „Blütenteg- untersten Laubblat ment“. Vergr. 100/,. tes abfallen, wird ihre Funktion von den Nebenblättern des nächsten, gegenüberstehenden Laubblattes übernommen. Der Unterschied beider Tegmentarten ist wesentlich ein quantitativer, indem die Blütentegmente durchweg größer und um eine Zellage dicker als die Laubtegmente sind. Zur Kenntnis d. Struktur d. Niederblätter u. Hochblätter einiger Laubbölzer. 151 Die Gewebe der Laub- und Blütentegmente sind am Tegment- grunde grün und lebend, in den oberen Teilen rotbraun und abgestorben, ohne daß die Zellwände verholzt oder verkorkt sind. Spaltöffnungen treten bei beiden ganz vereinzelt auf der Außenseite auf. F. Gardeni. Die Bauverhältnisse der Knospenhüllen gleichen im allgemeinen denen von F. involuerata. Während indessen bei jener Pflanze zu jedem die Blütenknospe deckenden Stipelpaar eine normale Laubblattspreite vorhanden ist, erscheint diese hier bei den beiden untersten Stipeln nieht größer als diese selbst und abgestorben, bei den folgenden Stipelpaaren fehlt sie überhaupt. 7. Prunus avium. Die Laub- und Blütenknospen unterscheiden sich sowohl hinsicht- lich ihrer Form als aueh ihrer Größe: jene sind spitz, diese abgerundet und größer als jene. Im Gegensatz zu K. Schumann, der (pag. 42) die Laub- und Blütenknospen sorgfältig beschrieben hat, fand ich stets die Zahl der Blütentegmente erheblich größer als die der Laubtegmente. So zählte ich, von geringen Unterschieden in der Qualität der Hüll- blätter absehend, im Januar an den Blütenknospen etwa 23, an den Laubknospen etwa 13 Tegmente, und im Frühjahr, kurz nach dem Öffnen der Knospe, an jenen 18-—21, an diesen etwa 9. Bei den Blütenknospen finden sich auf der Innenseite der letzten sieben Schuppen zahlreiche lange, verfilzte Haare, während auf der Innenseite der Laubtegmente die Haare nur kurz und wenig zahlreich sind. Bemerkenswerterweise ist die basale grüne Zone bei den Laub- tegmenten besser erhalten als bei den entsprechenden Blütentegmenten. Einmal ist sie bei jenen größer; dann zeigen bei den Laubtegmenten die Gewebe der grünen Grundzone, besonders die mittleren Mesophyli- schiehten, im Querschnitt stets ein frischeres und intensiveres Grün. Wie schon K. Schumann bemerkt, verhalten sich die innersten Tegmente reeht verschieden, indem sie in den Blütenknospen Über- gangsformen zu den Hochblättern, in den Laubknospen Übergangs- formen zu den Laubblättern bilden. Die Übergangsformen zu den Hoch- blättern weichen in Gestalt und Nervatur stark von den tieferen Teg- menten ab und erinnern durckaus an reduzierte Laubblätter. Die Über- gangsformen zum Laubblatt zeigen oberhalb des relativ großen Scheiden- teils die charakteristischen Stipelzipfel, zwischen denen sich ein kleines, mehr oder weniger ausgebildetes Laubblatt erhebt. 152 Panl Neese, 8. Daphne Mezereum. Die Blütenknospen lassen sich äußerlich leicht von den Laubknospen unterscheiden: jene sind stets seitenständig und abgestumpft und viel umfangreicher als die zum Teil endständigen, schmalen und spitzen Laubknospen. Die der Laubblattlamina homologen Tegmente sind bei den Blütenknospen, entsprechend dem größeren Umfange derselben, durchweg breiter als hei den Laubknospen, dagegen ist ihre Zahl merk- würdigerweise bei jenen nur etwa halb so groB wie bei diesen. Wie bei Ulmus effusa Willd. verdient das Größen- oder Ausdehnungs- verhältnis der verholzten, derben Tegmentpartien zu den frisch grünen oder häutigen, basalen Teilen bei beiden Knospenarten besondere Auf- merksamkeit. Die Verholzung der Tegmente, die übrigens bei beiden Knospenarten während des Winters fortschreitet, nimmt in der Laub- knospenhülle größere Ausdehnung an als in der Hülle der Blütenknospe. In jener sind nämlich von den etwa 14 Tegmenten die sechs bis acht äußeren in ihrer ganzen Ausdehnung verholzt, bei den übrigen ist die verholzte Partie um so kleiner, je höher die Schuppe inseriert ist und schließlich auf die Spitze reduziert. Von den 4—6 Blütentegmenten sind nur die äußeren in ihrer ganzen Ausdehnung verholzt, die übrigen haben nur einen ziemlich breiten verholzten Rand. Während aber bei diesen die unverholzte basale Partie hellbraun und troekenhäutig ist, erscheint sie hei den Laubtegmenten frisch und grün und lebend. Vergleicht man im Querschnitt die basale Zone eines Laubtegmentes mit der eines Blütentegmentes, so erweist sich das Grundgewebe in beiden Fällen als ein unverholztes, wenig verdiektes Parenehym; während jedoch beim Laubtegment die Zellen turgeszent und grün sind, erscheinen sie beim Blütentegment kollabiert, von gelbbraunem Inhalt angefüllt und offenbar nicht mehr teilungsfähig. Hiermit hängt es zusammen, daß die grüne Zone der Laubtegmente merklich dieker ist als die ent- sprechende häutige Zone der Blütentegmente. Während ihrer Entfaltung zeigen beide Knospenarten das gleiche Verhalten wie bei Ulmus effusa Willd.: nur die Laubtegmente wachsen am Grunde nach, die Blütentegmente werden durch die schwellenden Blüten nach außen gebogen und fallen alsdann sehr bald ab. 9. Cornus mas. Laub- und Blütenknospe unterscheiden sich schon äußerlich sehr merklich: die Laubknospe ist spitz und schmal, die Blütenknospe kugelig und umfangreicher als jene. Während die Laubknospen von zwei übrigens stets gegenständigen, am Grunde verwachsenen Schuppen bedeckt Zur Kenntnis d. Struktur d. Niederblätter u. Ilochhlätter einiger Laubhölzer. 153 sind, besitzen die Blütenknospen eine wechselnde Zahl von Tegmenten; meist treten vier, seltener drei oder zwei Schuppenpaare auf. Schon hinsichtlich ihrer Form lassen sich die Tegmente unter zwei Typen gruppieren. Zu dem einen Typus, der durch schmale, kleine, aus breiter Basis spitz zulaufende Gestalt charakterisiert ist, zählen die Laub- tegmente und außerdem die unterhalb der letzten vier Blütentegmente auftretenden Sehuppen'); der andere Tegmenttypus ist durch elliptische bis rundliche, viel größere Form ausgezeichnet und findet sich aus- schließlich bei den letzten vier Tegmenten der Blütenknospe. An der Spitze von Tegmenten der ersten Art findet man zuweilen deutlich eine verkümmerte Lamina, so daß diese Tegmente als dem Blattgrunde homo- loge Gebilde angesehen werden müssen. Ich möchte dies besonders hervor- heben, weil Henry und Mikosch ihnen laminaren Charakter zuschrei- ben, wie er allerdings den Tegmenten von Cernus sanguinea auch nach mei- nen Beobachtungen zukommt. Bei- läufig sei noch bemerkt, daß ich in den Fällen, wo die Blütenknospen- hülle aus vier Schuppenpaaren be- steht, in den Achseln des zweiten Schuppenpaares stets sehr kleine Sproßvegetationspunkte mit zwei Blattanlagen fand. ki 3 € 2. Schuppe einer = » > Our» P3 Ornus Mas, 2. Deutliche Unterschiede zeigen vor vier Tegmentpaaren gedeckten beide Tegmentgruppen hinsichtlich Blütenknospe. Vergr. 50/,- der Nervatur (Fig. 3 und 4). Die als kleiner und schmaler charakterisierten Tegmente weisen drei unver- zweigte, symmetrisch angeordnete, nach der wulstigen Blattspitze zu konvergierende und sich in ihr vereinigende starke Nervenstränge auf, wohingegen der größere, elliptische Tegmenttypus eine höhere Zahl bogig verlaufender, schmälerer Nerven besitzt, die reichlich sich noch weiter- hin verzweigende Seitennerven abgeben, ohne daß diese im allgemeinen miteinander anastomosieren. Man könnte bei dieser Beschaffenheit 1) Wo die Biütenknospe durch nicht mehr als vier Schuppen gedeckt ist, fehlen diese. 154 Paul Neese, der Nervatur geneigt sein, den letzten vier Blütentegmenten laminaren Charakter zuzuschreiben, wenn es eben nicht bedenklich wäre, die morphologische Wertbestimmung eines Organs auf seine anatomischen Eigenschaften zu gründen. Man wird die Verschiedenheit des Leit- Fig. 4. Cornus mas. 3. Schuppe einer von vier Tegmentpaaren gedeckten Blüten- knospe. Vergr. 50/,- bündelverlaufs eher zu der Blattgröße und zu der damit wachsenden funktionellen Inanspruchnahme in Beziehung setzen dürfen. Die anatomischen Unterschiede sind im übrigen geringfügig. Das Gewebe bleibt dauernd in lebendem Zustande und ist grün. Chloro- plasten habe ich hier wie bei anderen Knospenschuppen nicht scharf erkennen können. Auf der Außenseite finden sich vereinzelt Spalt- Zur Kenntnis d. Struktur d. Niederblätter ı. Hochblätter einiger Laubhölzer. 155 öffnungen vor. Bemerkenswert ist, daß die Tegmente des größeren Typus reicher an Kristalldrusen sind. Zusammenfassung. Ich fasse die allgemeinen Ergebnisse der Untersuchungen kurz zu- sammen und füge dabei noch einzelne Beobachtungen ein. Ganz allgemein zeigen die Laubknospen bei den untersuchten Pflanzen geringere Größe als die Blütenknospen. Dies Verhältnis gilt auch für die meisten anderen nicht weiter untersuchten Holzpflanzen, die im Winter Laub- und Blütenknospen tragen, z. B. Pyrus ecommunis, Corylopsis spicata, Jasminum nudiflorum, für alle Arten von Salix und Magnolia und für viele Rhododendron-Arten. Nur bei Hamamelis virgi- niana, als einzigen Ausnahme, erscheinen die Blütenknospen als die kleineren. Beim Vergleich der Form beider Knospenarten erscheinen die Laubknospen schmal und zugespitzt, die Blütenknospen diek und rundlich — jedenfalls stets dann, wenn diese einen Blüten- stand einschließen. Beide Knospenformen deuten so die Tracht des künftigen Sprosses bereits an: überall, wo bei den untersuchten Frühblühern ein Blütenstand von einer Knospenhülle umgeben ist, hat dieser späterhin, im Gegensatz zum gestreekten Laubsproß, eine ge- stauchte Achse und breit ausladende Form. Eine nähere Betrachtung der Blütenstände ergibt, daB es sich immer um wenig umfangreiche köpfchenförmige Blütenstände handelt. Demnach suchen es offenbar die frühblühenden Gewächse im allgemeinen zu vermeiden, eine lange saftige Blütenstandsachse auszubilden, deren Festigkeit durch den Targor bedingt wird und daher bei niederen Temperaturen versagen könnte. Mit dem größeren Umfang der Blütenknospe steht im Zusammen- hang, daß sehr oft die Zahl ihrer Tegmente größer als die der Laub- knospe ist. Dies kann soweit gehen, daß sie etwa doppelt so viel Schuppen wie jene trägt (Prunus avium, Forsythia). Andere Pflanzen hingegen tragen den größeren Umfang der Blütenknospe durch gesteigerte Größe ihrer Tegmente Rechnung, wofür Magnolia ein deutliches Beispiel liefert. In anatomischer Hinsicht zeigt sich, daß die Blütentegmente den Laubtegmenten quantitativ, besonders bezüglich der Dieke überlegen sein können, daß aber in anderen Fällen auch qualitative Unterschiede auftreten. Beispielsweise fehlen bei Hamamelis die Spaltöffnungen auf deu Blütentegmenten, während sie auf der Außen- 156 Paul Neese, seite der Laubtegmente ziemlich zahlreich sind; zugleich weisen diese auf der Phloemseite der Leitbündel einen sichelförmigen Belag stark verdickter, gestreckter Zellen auf, der sich in den Blütentegmenten nieht vorfindet. Ein recht versehiedener Verlauf der Nervatur findet sich in den Laub- und Blütentegmenten von Cornus mas (Fig. 3 und 4). Ferner sind z. B. die Haare auf den Blütentegmenten von Parottia persica (Fig. 2) und Prunus avium anders gestaltet, vor allem viel länger und zahlreicher als auf den Laubtegmenten. Wenn so einige Pflanzen größere Dicke oder bessere Behaarung gerade der Blütentegmente zeigen, läßt sieh doch in bezug auf die übrigen anatomischen Unterschiede eine bestimmte Gesetzmäßigkeit nicht feststellen. Schließlich möchte ich noch die Unterschiede hervorheben, welche die unverholzte Basal- zone beider Tegmentarten oft zeigt. Diese bleibt nämlich bei den inneren Laubtegmenten häufig bis zum Knospenbruch in mehr oder minder großer Ausdehnung grün und wachstumsfähig, während sie bei den Blütentegmenten mehr oder weniger vertrocknet. Ausgehend von der Anschauung, daß die Blütenteile besonders empfindlich seien, wird man zu der Annahme geneigt sein, daß die Blütenknospenhülle vermöge ihres Banues größeren Schutz gewähre als die Hülle der Laubknospe. Dies ergibt sieh auch in der Tat für eine Reihe untersuchter Pflanzen, wenn man die besonderen Bauverhält- nisse beider Knospenarten, d. h. Zahl, Größe, Dieke und Behaarung ihrer Tegmente in ökologischer Hinsicht prüfend vergleicht. Inbetrefi der übrigen Pflanzen hingegen kommt man zu dem Urteil, daß die größere Zahl, oder die größere Breite bzw. Dicke der Blütentegmente eben nur dem größeren Umfang der Blütenknospe entspricht. Wenn nun in dem einen Fall die Zahl, in dem anderen die Größe der Blütentegmente gesteigert erscheint, so sind mit diesen beiden typischen Mitteln offenbar verschiedene Zwecke verknüpft. Trägt die Pflanze dem größeren Umfang der Blütenknospe durch höhere Zahl der Blütentegmente Rech- nung, so wird hierdurch der Hülle das Vermögen erteilt, die Gesamt- form leichter zu ändern und sich der Gestaltsveränderung des Knospen- inhalts beim beginnenden Frühjahrswachstum besser anzupassen. Wird dagegen unter Aufwendung der gleichen Materialmenge der andere Modus verwirklicht, dem größeren Umfang der Blütenknospe entsprechend die Tegmentgröße zu steigern, so wird vielleicht der Vorteil eines mehr lückenlosen Abschlusses der Knospe erreicht. Eine zeitlich länger hinausgedehnte Formanpassung der Hülle an den Knospen- inhalt durch Nachwachsen der wachstumsfähig erhaltenen Grundzone der inneren Tegmente zeigen bei vielen Pflanzen K Zur Kenntnis d. Struktur d. Niederblätter u. Hochblätter einiger Laubhölzer. 157 (Daphne, Ulmus, Prunus avium, Prunus eerasifera, Prunus Sieboldi) nur die Laubknospen. I. Teil. Über die Strukturänderungen des Laubblattes in seinen Über- gangsformen zu den Knospenschuppen und Ilochblättern. Wie schon aus der Überschrift und auch aus der Einleitung hervor- geht, handelt es sich um zwei Gruppen von Untersuchungsobjekten: es sollen einerseits die Übergangsstadien von den Knospensehuppen zu den Laubblättern, andererseits oberhalb der Laubblattregion auftretende hochblattartige Gebilde ihrem inneren Bau nach untereinander und mit den Laubblättern verglichen werden. Hierzu ist noch eine genauere Prözisierung und Abgrenzung beider Blattgruppen gegen die übrigen Blattgebilde erforderlich. Unter den Übergangsformen zwischen den Knospenschuppen und Laubblättern sind diejenigen Blattgebilde ver- standen, die einerseits, im Gegensatz zu den eigentlichen Tegmenten, während der Winterperiode vollkommen in der Knospenhülle einge- schlossen waren, andererseits in ihrer vollen Ausbildung doch noch nicht alle charakteristischen Teile des Laubblattes, vor allem nicht dessen Größe aufweisen, im Gegenteil noch in ihren einzelnen Teilen Tegment- charakter tragen können). Aus der Reihe der hochblattartigen Formen wurden nur die dauernd ehlorophyllgrünen untersucht, Blattgebilde also, die vielleicht nicht zu den typischsten Hochblättern zu rechnen sind, die sich jedoch sowohl durch Größe und Form als auch dadurch, daß sie Tragblätter von Blüten oder Teilblütenständen darstellen, als solche charakteri- sieren; auch sie stammen von Holzpflanzen. Von vornherein war selbstverständlich die Forderung zu beachten, daß Blattformen, um miteinander vergleichbar zu sein, denselben mor- phologischen Charakter besitzen müssen. Da es nun darauf ankam, die besagten Blattformen nicht nur untereinander, sondern auch mit der Laubblattspreite zu vergleichen, so galt für die Auswahl der zu untersuchenden Arten das Prinzip, daß die Übergangsformen an der 1) Auch die so definierten Übergangsblätter können mit einem gewissen Recht als Tegmente bezeichnet werden, da auch sie zum Schutz der ruhenden Knospe beitragen, so daß eine scharfe Grenze gegen die eigentlichen Tegmente nicht zu ziehen ist. Da die Struktur dieser Übergangsblätter, besonders der unteren, oft nur aus der der Tegmente verstanden werden kann, wurden auch diese stets in den Bereich der Untersuchung gezogen. 158 Paul Neese, Sproßbasis und ebenso die Hochblattformen der Laubblattspreite homolog sein müssen. In zwei Fällen (Rubus, Rosa) wurden zur Untersuchung aueh solche Hochblätter herangezogen, die zwar in ihrer geringeren oder größeren Ausdehnung Scheidencharakter tragen, die aber an der Spitze einen mehr oder minder großen Spreitenteil aufweisen, der dann allein zum Vergleich diente. Da ich es nieht als meine Aufgabe betrachte, die anatomischen Verhältnisse der zahlreichen Einzelblattypen rein deskriptiv zu schildern, sondern vielmehr den Hauptwert darauf lege, die Struktur- veränderungen innerhalb ganzer Blattreihen zu verfolgen, so gebe ich zur Vermeidung unnötiger Breite nicht die Menge der einzelnen Beobachtungsdaten wieder, die naturgemäß zur Konstatierung jener Strukturänderungen notwendig waren, sondern beschränke mich auf eine zusammenfassende Darstellung, die noch dadurch erleichtert wird, daß das Verhalten der Pilanzen ziemlich übereinstimmt. Morphologisches. Zum Verständnis des folgenden ist es vorteilhaft, sich die mor- phologischen Verhältnisse der Übergangsblätter an der Sproßbasis und der hochblattartigen Gebilde zu vergegenwärtigen. Wir gehen aus von den Knospenschuppen, die entsprechend ihrer Funktion meist um so kleiner, zugleich auch um so derber und fester erscheinen, je älter sie sind, und deren innere Struktur relativ zu der des Laubblattes ziemlich undifferenziert ist. Bei den weitaus meisten Pflanzen, deren Übergangs- blätter an der Sproßbasis untersucht wurden, sind die Knospenschuppen von bräunlich grünem oder schmutzig grünem Ton, ihre Zellinhalte zeigen nicht jene rotbraune Färbung und Zusammenballung, wie sie für abgestorbene Gewebe charakteristisch sind. Nur die Tegmente von Forsythia suspensa und Salix pentandra sind braun und tot. Die auf die Knospenschuppen folgenden Blattgebilde stellen, so- weit sie vorhanden sind, nach Form und Größe allmählich fortschreitende Übergänge zu den Laubblättern dar (Fig. 5). Meist sitzen sie der Sproß- achse mit breiter Basis auf, erst bei den jüngeren, größeren ist, ein Stiel angedeutet. Hinsichtlich ihrer Konsistenz ist hervorzuheben, daß die unteren bisweilen eine ähnliche Textur wie die Tegmente aufweisen, während die oberen häufig recht zart erscheinen. Ihre Funktion ist geteilt: sie dienen einerseits den jüngeren Sproßteilen als Schutz, sowohl innerhalb der geschlossenen Knospe als auch noch während der Ent- wicklung des Sprosses, andererseits befähigt sie ihr Chlorophyligehalt zur Assimilation. Sowie jedoch der eigentliche Assimilationsapparat in Zur Kenntnis d. Struktur d. Niederblätter u. Hochblätter einiger Laubhölzer. 159 Gestalt der Laubblätter entwickelt ist, im Laufe des Mai etwa, fallen sie meist ab. Der Übergang zur Laubblattregion vollzieht sich bei den einzelnen Pflanzen verschieden schnell. Unter den untersuchten Pflanzen be- sitzen Salix pentandra und Diervillea sessilifolia nur wenig Übergangs- blätter, zahlreicher, zu dreien bis vieren bzw. drei bis vier Paaren, finden sie sich bei Chionanthus virginica, Forsythia suspensa, Syringa vulgaris, Lonjcera Ccaprifo- lum, llex integra, Rhus Cotinus, Li- gustrum vulgare; recht viele Über- gangsblätter schließ- lich finden sich an kräftigen Sprossen ® b c von Spiraea Bil- hard. In der Reihe der hochblattartigen Formen, die sich bei den untersuchten Pilanzen ohne sprunghafte Größen- abnahme an die Laubblattzone an- schließt, nimmt in der Regel die Blatt- r größe mit der In- q p sertionshöhe allmäh- lich ab, zugleich wird Fig. 5. Syringa vulgaris. a, b, ce aufeinanderfolgende i H Übergangsblätter von der Basis eines Sprosses. pP, q, T die Form einfacher, aufeinanderfolgende Hochblätter aus dem Blütenstand. der Blattstiel wird Natürliche Größe, kürzer und schwin- det schließlich meistens, kurzum, es findet eine ähnliche Reduktion statt wie bei den Übergangsblättern an der Sproßbasis (Fig. 5). Diese Blattformen waren immer nur soweit Gegenstand der Untersuchung, als sie reichlich Biattgrün führen und also als durchaus assimilations- fähig gelten dürfen, wenn auch in geringerem Maße als das Laub- blatt. Denn soweit erscheint auch ihre Funktionsgleichheit mit dem Laubblatt gewährleistet, die als eine Bedingung für die Vergleichbar- 160 Paul Neese, keit der Blattstrukturen zu gelten hat. Neben der assimiliernden Tätigkeit fällt den hochblattartigen Formen als Hauptfunktion der Sehutz der sich entwickelnden Blütensprosse zu. Die untersuchten hochblattartigen Gebilde tragen in ihrer ganzen Ausdehnung Spreitencharakter bei Syringa vulgaris, Rhus Cotinus, Ligustrum vulgare, Hydrangea paniculata, Spiraea Douglasii, Syringa Emodi, Weigelia amabilis Carr. Daneben wurden noch die oberhalb der Laubblattregion stehenden Übergangsblätter zu den Knospenschuppen von Rhododendron praecox untersucht, Blattgebilde, die, da hauptsächlich Blütenknospen in Betracht kamen, im Folgenden zu den hochblatt- artigen Formen gestellt sind, die allerdings mit einigem Recht auch zu den Übergangsformen zwischen Knospenschuppen und Laubblättern gerechnet werden könnten; naturgemäß kamen auch diese nur soweit in Betracht, als sie noch in ihrer ganzen Ausdehnung Spreitencharakter trugen, was bei den oberen nicht mehr zutrifft. In stärkerem Maße ist der Blattgrund bei Rubus plicatus an der Bildung der Hochblätter beteiligt, hier findet sich nur an der Spitze eine größere oder kleinere Lamina, die allein Gegenstand der Unter- suchung war. Hier können weiterhin noch Rosa (Kulturform) und Mespilus germanica angeschlossen werden, deren mit Hochblättern inner- liek verwandte Kelchzipfel hauptsächlich zur Beantwortung einer be- stimmten Frage in den Bereich der Untersuchung gezogen wurden. Diese Kelehzipfel ordnen sich hinsichtlieh ihrer Größe in die Blatt- stellungsschraubenlinie ein, derart, daß das letzte Kelchblatt das kleinste ist; sie tragen bei Mespilus vollständig Spreitencharakter, während sie bei Rosa wesentlich dem Blattgrunde entsprechen, dem eine unter Um- ständen recht große, scharf abgesetzte Lamina aufsitzt, die allein Gegen- stand der Untersuchung war. — Um im allgemeinen ein zusammenhängendes Bild von der Ver- änderung einer Blatteigenschaft längs des ganzen Sprosses zu gewinnen, erschien es praktisch, am Ende jedes Absehnitts die Gesetzmäßigkeiten, die sich innerhalb der Reihe der basalen Übergangsblätter und der Hoch- blattformen auffinden ließen, miteinander und mit denjenigen zu kom- binieren, die Nordhausen und auch Schramm und Yapp beim Ver- folg der Strukturveränderungen in der Laubblattreihe festgestellt haben. Hinsichtlich der Laubblattreihe konnten für diese Kombination natur- gemäß nur die Angaben über periphere, somit einigermaßen hell be- lichtete Sprosse in Betracht kommen, denn nur solche setzen sich bei unsern Pflanzen in Blütenstände fort und bilden also oberhalb der Laub- blattzone jene Hochblattformen aus. Zur Kenntnis d. Struktur d. Niederblätter u. Hochblätter einiger Laubhölzer. 161 Blattdicke. Zur Orientierung darüber, in welchem Sinne sich innerhalb der Region der Knospenschuppen die Blattdicke ändert, wurde diese an dem Beispiel von Syringa vulgaris für alle Tegmentpaare vom ersten bis aufwärts zum letzten festgestellt. Wir erhalten für die einzelnen Tegmentpaare T, indem wir ihre Dicke in der Schuppenmitte messen, die Werte T(1) 800.4, T(2) 640 u, T(3) 580 «, T(4) 5754 und für das erste Übergangsblattpaar Ü(1) 470 # (s. die Anmerkung). Die Blattdicke nimmt also mit der Insertionshöhe der Schuppen stark ab. Tabelle IN. | Ch thi | Sali 4 F a thi Tan n ionanthus alix orsythia u Finga vulgaris virginica | pentandra | suspensa ' H | Ta | 457 140 \ 178 62 Igel] | 417 170 i 72 i 9 00 | 214 131 ! 123 155 08) 164 } 105 ; _ ; 203 Üd — : _ _ | 249 L() 219 | 118 i 160 | 250 Wie die Tabelle I zeigt, setzt sich bei Syringa vulgaris diese Dieken- abnahme in die Region der Übergangsblätter hinein fort bis zum letzten (dritten) Übergangsblatt, während das erste Laubblatt wieder erheb- lieh dicker wird. Auch bei Chionanthus virginica und Salix pentandra liegt an der Sproßbasis das Minimum der Blattdicke innerhalb der Zone der Übergangsblätter: bei jener Pflanze zeigt das letzte (dritte), bei dieser das erste Übergangsblatt ein Minimum der Blattdieke. Etwas anders verhält sich Forsythia susponsa, indem hier die Blattdicke vom letzten 1) Erläuterung zu den Tabellen. Maßangaben in z. Es bedeuten: T Teg- ment, Ü Übergangsblatt an der Sproßbasis, L Laubblatt, H Hochblattform, Oe obere Epidermis, Ue untere Epidermis. Die in Klammern gesetzten Zahlen hinter diesen Buchstaben geben die Blattnummer in der Richtung von der Basis zur Spitze an, n bedeutet letztes Blatt der betreffenden Blattart. Die Tatsache, daß beim Verfolg der Hochblattformen sproßaufwärts nicht immer jedes der oft recht zahlreichen aufeinanderfolgenden Blätter untersucht wurde, sondern nach dem ersten nur einige bestimmte mit entsprechender Differenz der Insertionshöhe und Größe heraus- gegriffen wurden, ist in den entsprechenden Tabellen durch einen vertikal abwärts- zeigenden Pfeil in der ersten Vertikalkolumne angedeutet, der sich an H (1) an- schließt. Ein leeres Feld bedeutet, daß eine zahlenmäßige Feststellung nicht er- folgte, ein horizontaler Strich, daß das betreffende Blatt der Pflanze fehlt. Die Daten über Spaltöffnungen beziehen sich auf 1 'qmm, oo = sehr viele, 1 = sehr wenige. Flora, Bd. 109. "1 162 Paul Neese, Tegment an aufwärts stetig größer wird, so daB das Minimum innerhalb der Schuppenregion liegen muß. Die Resultate der Einzeluntersuchungen über die Veränderungen der Blattdicke innerhalb der Reihe der hochblattartigen Formen sind zum Teil in der Tabelle II wiedergegeben. Ein Blick auf diese Tabelle überzeugt uns davon, daß von der oberen Grenze der Laubblattregien Tabelle II. } I j . ö I N R } Ligu- Ioratsant :Hydran-| 0: ! Syringa! Rhus 'Weigelia ; | Spiraea ‚ vulgaris | Cotinus | Strum gea pani-, Sy- |Rubus Rosa amabilis ° ringa : pli- \Kelch- Douglasii . Ir igare culata | Enıodi; catus |zipfel) | | vs | | 4 me Lin) 250 | 10118 285: 180. 187 132 | 168 Hi). 238 | ! 229 96 \ 180 167 | 9 : 167 : 168 m ı a 114 | 188 ı 15 | | 173 | 188 107 | 120 ; i 157 | , 103 | | i | | an sproßaufwärts die Blätter allmählieh dünner werden. Diese letzte Tatsache fand ich bei Kühlhorn bestätigt. Unter Berücksichtigung der von Nordhausen (pag. 487) für die Laubblattregion der Sonnensprosse festgestellten Gesetzmäßigkeit ergibt sich somit für die Reihe sämtlicher chlorephyligrüner und nicht tegment- artig modifizierter Blattgebilde und Laubblätter des Sprosses folgendes Bild: die Blattdieke steigt von einem Minimum innerhalb der Region der basalen Übergangsblätter gleichmäßig bis fast zum letzten Laubblatt!), um dann in der Reihe der Hochblattformen ebenso stetig wieder abzunehmen. Epidermis. Bekanntlich ist bei den Knospensehuppen die Außenwand der unteren Epidermis in verschiedenem Maße dicker als die gleichfalls etwas verdickte Außenwand der oberen Epidermis. Diese Dickendifferenz 1) Im Gegensatz zu dieser auch aus der Arbeit von Schramm zu ent- mehmenden Regel über die Blattdicke in der Laubblattzone behauptet Kühihorn in einer Arbeit, die bisher übersehen worden ist, und die ich erst nachträglich kennen lernte, daß „die Dieke der verschiedenen Lanbblätter bei den einzelnen Objekten in der Regel nach oben hin abnimmt“ (pag. 116). Dieser Satz stellt eine ganz unzulässige Verallgemeinerung dar, denn nach seinen Einzeluntersuchungen gilt er für die eigentlichen Laubblätter normaler Größe nur bei einem Drittel der untersuchten Pflanzen, und ist auch hier noch wegen der geringen Zahi der unter- suchten Blätter durchaus unsicher. Zur Kenntnis d. Struktur d. Niederblätter u. Hochblätter einiger Laubhölzer. 163 ist am größten und deutlichsten in der untersten Knospenschuppe und wird sproßaufwärts allmählich geringer, indem die Außenwand der Unter- epidermis mehr an Dieke abnimmt als die der Oberepidermis; doch noch in den unteren Übergangsblättern macht sie sich fast stets bemerkbar, und erst die oberen weisen etwa gleich dicke Epidermisaußenwände auf (Chionanthus virginiea, Forsythia suspensa, Diervillea sessilifolia, Salix pentandra, Spiraea Billiardi, Syringa vulgaris, Ilex integra, Lonicera Caprifolium, Ligustrum vulgare). Auch bezüglich der radialen Epi- dermiswände läßt sich in den unteren Übergangsblättern häufiger (Chionanthus, Forsythia, Salix) eine solche Strukturähnlichkeit mit den Tegmenten beobachten, indem diese hier oft dieker als in den jüngeren Übergangsblättern und den Laubblättern sind. Die Laubblätter können — im Gegensatz zu den oberen Übergangs- blättern an der Sproßbasis — auf der Oberseite eine dickere Epidermis- außenwand aufweisen. Bei Ligustrum vulgare, wo dies beispielsweise der Fall ist, zeigen die Hochblattformen wieder gleich dieke Epidermis- außenwände. Bemerkenswerterweise besitzen die Spreitenteile, welche die Rose häufig an der Spitze ihrer Kelchzipfel ausbildet, viel stärker verdickte Epidermisaußenwände als ein gleich stark belichtetes Laub- blatt aus der Nähe der Sproßspitze (Fig. 11). Bei den Hochblattformen der übrigen Pflanzen fand sieh keine nennenswerte Verdickung der Epidermisaußenwände, während Kühlhorn (pag. 117) dies für die Hoch- blätter der von ihm untersuchten krautartigen Pflanzen allgemein angibt. Unter den Veränderungen, welche die Größe der Epidermis- zellen in den Blattreihen erfährt, beschäftigen uns zunächst diejenigen, die sie in der Dimension senkrecht zur Blattfläche zeigt, d. h. also die Ver- änderungen der im Querschnitt gemessenen Höhe. Diese wurden in der Region der Übergangshlätter an der Sproßbasis verfolgt bei Syringa vulgaris, Chionanthus virginica, Forsythia suspensa, Lonicera Capri- folium, Ligustrum vulgare, in der Region der Hochblattformen bei Syringa vulgaris, Rosa (Kelchspreiten), Hydrangea paniculata, Spiraea Donglasii, Weigelia amabilis, Rubus plicatus. Für einige Pflanzen sind die Daten in # in der Tabelle III (pag. 164) zusammengestellt. Beginnen wir auch hier bei den Tegmenten, so finden wir bei diesen die Verhältnisse insofern etwas außergewöhnlich, als wie schon erwähnt, die Epidermisaußenwände oft recht stark verdickt sind. Bei diesen Blattgebilden zogich es vor, für die Epidermiszellen nur den radialen Durchmesser des Lumens, nicht die ganze Höhe einschließlich der Außen- wand zu vergleichen. Dabei zeigte sich, daß in den Tegmenten die Zell- lumina in der unteren Epidermis meist höher als in der oberen sind ur 164 Paul Neese, (Chionanthus, Syringa, Ligustrum), nur bei Forsythia sind beide Epidermen gleich hoch. Innerhalb der Reihe der Übergangsblätter gleichen sich dann die Unterschiede in der Höhe der Epidermis aus (Chionanthus, Syringa, Ligustrum), zum Teil wird sogar schon in diesen, zum Teil erst in den Laubblättern die Oberepidermis höher (Forsythia, Syringa, Ligustrum). Meist nehmen hierbei zugleich die Höhen der beiden Epidermen allmäh- lich bis zum untersten Laubblatt hin zu (Forsythia, Syringa, Lonicera); nur bei Chionanthus ist sie in diesem etwas geringer als in den Tegmenten. Tabelle III. Syringa Chionanthus | Forsythia |Rosa (Kelch-| Weigelia vulgaris virginica suspensa spreiten) amabilis Oe Vs 0e Te | Us Oe | De 0e | Ue I ! j | T 7 | 1) 12 | ı7 5|ı5 va 8: 121 12 | ız | ı7 | 10 6) 23 115 | 1: 1a | ız2l 1a 06) 3:32 12 12 24 | 17 Ü(4) Ja EEE _ _ 2; 17 i L 23 16 12 12 22 17 23 14 2: 16 H(0) ! \ 23 “a |23 1:15 | 3 14|1139:3 j 205 17 | 175: 14 | | \ 16,5| 14 i [ i Die Hochblattformen zeigen bei allen Pflanzen (Weigelia, Spiraea Douglasii, Hydrangea, Ligustrum, Syringa vulgaris, Rhododendron, Rosa [Kelchzipfel}) mit Ausnahme von Rubus ein rückläufiges Verhalten; überall bei ihrem Verfolg sproßaufwärts zeigen sie die Tendenz, die Differenz der Epidermisdieken, die sich in den Laubblättern findet, allmählich wieder auszugleichen, meist indem die Oberepidermiszellen stetig etwas niedriger, die Unterepidermiszellen etwas höher werden. Dies ist um so deutlicher, je höher das Blatt inseriert ist, so daß schließ- lieh die Zellen der unteren Epidermis denen der oberen in Größe und Form ähnlich sind, was auch Kühlhorn (pag. 118) bei den von ihm unter- suchten Pflanzen beobachtete. Nicht nur die im Querschnitt gemessene Höhe der Epidermis- zellen, auch ihre in der Blattflächenansicht feststellbaren Größenmaße ändern sich oft innerhalb der Blattreihen. Verfolgt man die basalen Übergangsblätter von Syringa vulgaris und Lonicera sproß- aufwärts, so läßt sieh eine deutliche, stetig fortschreitende Größenzunahme der Epidermiszellen wahrnehmen, die bei Syringa so bedeutend ist, daß KL Zur Kenntnis d. Struktur d. Niederblätter u. Hochblätter einiger Laubhölzer. 1465 die Kpidermiszellen eines tief inserierten Laubblattes etwa doppelt su groß wie die der untersten Knospenschuppe sind. Bei Chionanthus und Forsythia hingegen läßt sich eine Veränderung der Epidermiszellgröße in der Reihe der basalen Übergangsblätter nieht feststellen, jedenfalls nicht ohne Vornahme von Zählungen. Untersucht man diese Verhältnisse in der Zone der Hochbiattformen, so findet man durchweg (Rhus, Li- gustrum, Hydrangea, Spiraea Douglasi, Weigelia, Syringa Emodi, Rhododendron, Rubus), daß die Epidermiszellen beider Seiten mit wach- sender Insertionshöhe der Blätter augenfällig kleiner werden. Berücksichtiet man nun einerseits die Tatsache (Nordhausen, pag. 495), daß auch bei gut belichteten Sprossen, deren höher inserierte Blätter „Lichtblattcharakter‘‘ aufweisen, die ersten Blätter den Stempel des Schattenblattes tragen, und andererseits die Angabe Schramms (pag. 62), daß die Epidermiszellen der Schattenblätter erheblich größer als die der Lichtblätter sind, so gelangt man zu dem Ergebnis, daß inner- halb der aufwärts verfolgten Reihe aller Blattgebilde am Sproß, soweit sie nicht irgendwie tegmentartig modifiziert sind, die Epidermiszellen zunächst bis zur unteren Grenze der Laubblattzone ent- weder ungefähr gleich groß bleiben, oder allmählich an Größe zunehmen, daß sie dann von hier an sproßaufwärts bei allen Pflanzen stetig kleiner werden. Weiterhin wurde auch den Änderungen, die die Form der Epi- dermiszellen in der Blattreihe eingeht, Beachtung geschenkt. Bei einigen Pflanzen (Chionanthus, Forsythia, Syringa vulgaris, Ligustrum) wurde in der Flächenansicht verfolgt, ob sich innerhalb der Blattreihen Länge und Breite der Epidermiszellen zueinander stets gleich verhalten. Es ergab sich, daß bei diesen Pflanzen die Epidermiszellen der mittleren und oberen Tegmente und der unteren Übergangsblätter immer mehr oder weniger deutlich längsgestreckt sind. währendsie bei den obersten Übergangsblättern und bei den Laubblättern isediametriseh sind. Be- achtenswerterweise zeigen sich bei Syringa vulgaris und Ligustrunı die Epidermiszellen der letzten Hochblätter dann wieder deutlich längs- gestreckt (Fig. 6). Eine bestimmte Beziehung zur Blattform war nicht zu erkennen. Hier möchte ich nebenbei auf eine Formverschiedenheit der unteren kpidermiszellen bei Syringa Emodi aufmerksam machen: die auf der Unterseite durch Hervorwölben der Epidermiszellen nach außen ge- bildeten Papillen sind beim Hochblatt sehr viel niedriger als beim Laub- blatt. 166 Paul Neese, Mit besonderer Aufmerksamkeit wurde verfolgt, in welchem Sinne sich der oft wellenförmige oder zackige, oft glatte Verlauf der von der Blattfläche gesehenen radialen Epidermiswände innerhalb der Blattreihen ändert. Gehen wir auch hier wieder von den Tegmenten aus, so sehen wir bei diesen fast stets die radialen Epider- miswände glatt verlaufen (Chionanthus, Forsythia, Salix pentandra!), Spiraea Billiardi, Syringa vulgaris, Ligustrum). Nur bei Diervillea zeigen die radialen Epidermiswände bereits in den letzten Tegmenten schwache Wellung. Bei mehreren Pflanzen (Chionanthus, Forsythia, Spiraea Billiardi) verlaufen sie auch noch in den unteren Übergangs- blättern glatt, während sie bei anderen Arten (Diervillea, Syringa, Li- gustrum) in diesen bereits mehr oder weniger deutlich einen wellen- förmigen Verlauf er- \ kennen lassen. Bei \ allen in dieser Hin- sicht untersuchten Pflanzen (Chionan- thus, Ligustrum, Forsythia, Diervil- lea, Spiraea Billiardi, 2 Syringa vulgaris, 8. ä indessen die Anmer- kung) weisen die b B \ obersten Übergangs- Fig. 6. Syringa vulgaris. Obere Epidermis in der Blatt- blätter wenigstens in flächenansieht. a vorletztes, b letztes Hochbiatt. der unteren Epider- Vergr. 490j,. mis deutlich wellen- förmig verlaufende Radialwände auf. Bemerkenswert ist, daß bei Ligustrum die Radialwände der Oberepidermis bereits etwa im mittleren Übergangsblatt den höchsten Grad der Wellung erreichen, und das oberste Übergangsblatt dies Merkmal nur noch wenig zeigt. Ein Ver- gleich mit den Laubblättern, speziell mit den untersten ergibt, daß diese nie nennenswert stärkere Wellung aufweisen als das oberste Übergangs- blatt2). 1) Salix pentandra zeigt übrigens auch -bei allen übrigen Blattformen keine Wellung. 2) Bezüglich Weigelia amabilis Carr. möchte ich noch folgende Tatsache mit- teilen. Die Pflanze blüht, wie bekannt ist, zweimal während einer Vegetations- periode; beim erstenmal werden Blüten am Ende kurzer, beim zweitenmal am Ende langer Triebe hervorgebracht. Die letzten Laubblätter solcher Kurztriebe verhalten Zur Kenntnis d. Struktur d. Niederblätter u. Hochblätter einiger Laubhölzer. 167 Recht verschiedenartig verhalten sich die einzelnen Pflanzen in bezug auf die Epidermiswellung der Hochblatiformen. Bei Neillia opuhifolia, Weigelia amabilis, Ligustrum und Syringa vulgaris sind deren radiale Epidermiswände in verschiedenem Maße stärker gewellt als die der obersten Laubblätter, und zwar ist die Wellung um so deutlicher, je höher das Hochblatt inseriert ist; das gleiche gilt für die relativ großen Kelchblätter von Mespilus germanica, die sich, wie erwähnt, der Größe nach in die Blattstellungsschraubenlinie einordnen. Bei Syringa vulgaris nimmt dann in dem sehr kleinen obersten Deekblättchen, das anatomisch nur wenig differenziert und offenbar verkümmert ist, die Wellung wieder ab (Fig. 6). Im Gegensatz zu diesen Pflanzen ist bei den Hochblättern von Rhus Cotinus und Spiraea Billiardi, bei den Kelchspreiten von Rosa und bei den pag. 160 erwähnten Blattgebilden von Rhodedendren praecox kein Unterschied der Wellung gegenüber dem obersten Laubblatt be- merkbar, und bei Spiraea Douglasii, Hydrangea und Rubus ist sie in den Hochblattformen eher etwas geringer als in den obersten Laub- blättern. Zieht man die Resultate von Schramm (pag. 62) und Nordhausen (pag. 495) hinzu, so gewinnt man folgendes Bild: die stets erst oberhalb der Tegmentregion auftretende Epidermiswellung nimmt beim Verfolg der basalen Übergangsblätter sproß- aufwärts rasch zu und weist in der Grenzregion derselben gegen die Laubblätter, eventuell auch bereits früher, ein Maximum auf, sinkt darauf gleichmäßig bis zur oberen Grenze der Laubblattregion, um hier meist ganz zu schwinden; siekann dann in der Reihe der Hochblattformen wieder auftreten und erheblich zunehmen, und eventuell schließlich infolge Verkimmerung des Blattes wieder ver- schwinden. Bei der Feststellung dieser Tatsachen bestätigte sich übrigens gleichzeitig die bereits bekannte Eigentümlichkeit, daß im allgemeinen die untere Epidermis mehr als die obere dazu neigt, ihre radialen Wände sich nun bezüglich der Wellung der radialen Epidermiswände wie die tiefer inse- rierten der langen Triebe: die Radialwände der Oberepidermis sind glatt bis schwach gewellt, die der Unterepidermis stark zackig gewellt, wohingegen die letzten Laubblätter eines langen Triebes beiderseits glatte radiale Epidermiswände auf- weisen. Bei dieser Pflanze stellen also die Kurztriebe offenbar die Basal- stücke der Langtriebe dar, ein Verhalten, wie es bereits Nordhausen (pag. 490) an mehreren Pflanzen, insbesondere an Fagus silvatica, nachge- wiesen hat. 168 Paul Neese, wellenförmig auszubilden. Schließlich möchte ich noch die Tatsache er- wähnen, daß .die Wellung in dem Blatt, in dem sie in der aufwärts ver- folgten basalen Blattreihe zuerst auftritt, nicht immer in allen Spreiten- teilen zugleich schon vorkommt; sie kann vielmehr zunächst nur in der Spitzenregion (Forsythia, Diervillea) oder nur in der mittleren Blatt- region (Spiraea Billardi, Ligustrum) sich vorfinden; inwieweit hier entwicklungsgeschichtliche Vorgänge eventuell mitspielen, habe ich nicht verfolgt. Behaarung. Die Anzahl der auf die Flächeneinheit des Blattes fallenden eigent- lichen Haare oder Drüsenhaare, die für die Tegmente und basalen Über- gangsblätter an Ligustrum, Syringa vulgaris, Forsythia, Spiraea Billiardi, für die Hochblattformen an Weigelia amabilis Carr., Syringa vulgaris, Syringa Emodi, Spiraea Douglasii, Spiraea Billiardi, Rubus plicatus und Rhododendron praecox festgestellt wurde, zeigte innerhalb dieser Reihen bestimmte regelmäßige Veränderungen, und zwar ergab sich bei einem Vergleich der Blätter ausnahmslos felgendes: Haare fanden sich auf den unteren Tegmenten meist nur wenig, auf der im Winter unbedeckten Fläche ihrer Unterseite fehlten sie fast immer. Mit der Insertionshöhe der Blätter nahm die Zahl der Haare zunächst zu, bis innerhalb der Reihe der basalen Übergangsblätter das Maximum der Behaarung auftrat; darüber hinaus nahm sie bis zur Region der Laubblätter hin wieder ab. Für die Zone der Hochblattformen ist es charakteristisch, daß die Haare erheblich dichter als bei den Laubblättern stehen, und zwar um so mehr, je höher das Hochblatt inseriert ist; beispielsweise trägt bei Spiraea Douglasii das Laubblatt auf der Oberseite pro Quadratmillimeter 15, das erste Hochblatt 115 Haare, und bei Rubus plieatus ist die Zahl der oberseits auftretenden langen, einfachen Haare, auf die Flächeneinheit bezogen, auf dem ersten Hochblatt 24mal so groß wie auf dem End- fieder eines hoch inserierten Laubblattes. Zur Veranschaulichung des beschriebenen regelmäßigen Verhaltens führe ich noch als Beispiel für zwei Pflanzen die längs desselben Sprosses verfolgte Änderung der Blattbehaarung zahlenmäßig vor: bei Spiraea Billiardi beträgt die Zahl der oberseitigen einfachen Haare pro Quadratmillimeter bei den einzelnen Blättern Ü(2)4, Ü(3)45, Ü(4)80, Ü(5)30, L(1)17, H(1)82; bei Syringa vulgaris finden sich auf beiden Blattseiten Kolleteren, ihre Menge pro Quadratmillimeterist bei den einzelnen Blättern T(1)0, T(2)123, 7 (3) 216, T(4)210, Ü(1)325, Ü(2)138, Ü(3)148, H(1)37, H(2)51, H(3) 64. Hierbei ist darauf hinzuweisen, daß, wie bereits angeführt ist, die Zahl der Epi- dermiszellen pro Flächeneinheit von den unteren Tegmenten bis zu den Zur Kenntnis d. Struktur d. Niederblätter u. Hochblätter einiger Laubhölzer. 169 Laubblättern entweder gleich bleibt oder mit der Insertionshöhe kon- stant abnimmt, und daß innerhalb der Reihe der Hochblattformen ihre Zahl in weit geringerem Maße zunimmt als die Zahl der Haare. Eine Korrelation zwischen der Zahl der Haare und der Zahl der Epidermis- zellen besteht somit nicht. Durch Kombination mit den Angaben von Yappund Nordhausen (pag. 494) kommt man zu folgendem Gesamtbild: die Zahl der Haare ist auf den Tegmenten gering, steigt innerhalb der Region der basalen Übergangsblätter rasch zu einem Höchstwert, um weiter zur Laubblattregion hin fast ebenso rasch wieder zu sinken, und nimmt dann sproßaufwärts innerhalb der- selben und innerhalb der Reihe der Hochblattformen fort- während wieder zu. Spaltöffnungen. Die Verteilung der die Ausführgänge des Interzellularsystems dar- stellenden Spaltöffnungen wurde sowohl hei den Blättern der basalen Übergangszone (Syringa vulgaris, Lonicera Caprifolium, Chionanthus viri- ginica, Forsythia suspensa, Diervillea sessilifolia, Salix pentandra, Spiraea Billiardi, Ligustrum vulgare) als auch bei den Hochblattformen (Spiraea Billiardi, Ligustrum vulgare, Hydrangea paniculata, Spiraea Douglasii, Syringa Emodi, Weigelia amabilis, Rhus Cotinus, Syringa vulgaris, Rubus plicatus, ferner bei den Kelehspreiten von Rosa und Mespilus germanica) besonders beachtet. Wir beginnen auch hier bei den Knospenschuppen und finden, daß die einzelnen Pflanzen sich hinsichtlich der Verteilung der Spaltöffnungen auf ihnen recht verschieden verhalten: hei Salix pentandra fehlen sie ganz, bei Syringa vulgaris!) und Ligustrum liegen sie nur auf der Oberseite, bei Rhus und Chionanthus nur auf der Unterseite, und schließlich bei Forsythia, Dier- villea, Spiraea Billiardi und Lonicera auf beiden Seiten der Tegmente. Verfolgt man nun weiter aufwärts in der Reihe der basalen Über- gangsblätter zunächst die Verteilung der oberseitigen Spalt- öffnungen, soweit solche auftreten, so ergibt sich eine bestimmte Regelmäßigkeit: in allen Fällen nämlich (Syringa vulgaris, Ligustrum, Forsythia, Spiraea Billiardi, Lonicera, Salix pentandra), mit Ausnahme 1) Bei dieser Pflanze fand sich auf der Oberseite der älteren Knospen- schuppen merkwürdigerweise ein Teil der Spaltöffnungen deutlich über die Blatt- oberfläche emporgehoben; das gleiche beobachtete ich auf der Unterseite der Teg- mente von Ribes sanguineum., 170 Paul Neese, von Diervillea, wächst die Zahl derselben zunächst mit der Insertionshöhe der Blattgebilde, erreicht innerhalb der Keihe der Übergangsformen den höchsten Wert und fällt beim weiteren Verfolg dieser Blätter sproßaufwärts wieder (s. Tabelle IV), Im Gegensatz zu den Übergangsblätten an der Sproßbasis weisen meist die Laubblätter dann niemals ober- seitige Spaltöffnungen mehr auf (Diervillea, Salix pentandra, Spiraea Biliardi, Ligustrum, Lonicera), oder doch nur sehr spärlich (Forsythia), oder zerstreuter (Syringa vulgaris). — Eine flüchtige Orien- tierung an einigen anderen Gartensträuchern mit spreitenartigen Teg- menten ergab übrigens, daB unter anderem auch Jasminum nudiflorum, Exochorda und Syringa chinensis auf den Übergangsblättern an der Sproßbasis oberseitige Spaltöffnungen aufweisen. Tabelle IV!) Onionan- Salix Forsythia Spiraea Syringa Ligustrum virginiea pentandra | suspensa Billiardi vulgaris vulgare 0e [we [00 [us [oe Us 08 | Ve | Oe | ve | 08 | We \ { ! ' ! ! ü n Ta) | o s|o' o|2| | üÜ)|0o 2,18; 214, | ie |o Mala sl 069) |0 5|-:—-|3 ! ü)|<- —-—1—-.—-[|1 i LH) lo 2010 0} 4 | Bemerkenswerterweise treten bei mehreren Pflanzen, auf deren Laubblättern oberseitige Spaltöffnungen vollständig fehlen, solehe auf den Hochblattfermen dann wieder auf (Spiraea Billiardi, Spiraea Douglasii, Ligustrum, Weigelia, ferner Rosa und Mespilus [Kelchspreiten]), oder sie sind auf den Hockblättern in größerer Zahl vorhanden, wenn sie auf dem Laubblatt nur recht spärlich (Neillia) oder zerstreut (Syringa vulgaris) vorkommen (s. Tabelle V, pag. 171). Beachten wir jetzt die unterseitigen Spaltöffnungen, und zwar vorerst auf den Blättern an der Sproßbasis, so sehen wir zunächst, daß 1) Stehen in einem Felde zwei durch vertikalen Strich getrennte Zahlen, so bezieht sich die erste auf die apikale, die zweite auf die basale Blatthälfte. — Espe hat in seiner Arbeit (Beiträge zur Kenntnis der Verteilung der Spalt- öffnungen über die Blattspreite) die Verteilung der Spaltöffnungen auf den basalen Übergangsblättern nur bei Syringa vulgaris verfolgt; im Prinzip decken sich meine diesbezüglichen Angaben mit den seinen. Zur Kenntnis d. Straktur d. Niederblätter u. Hochblätter einiger Laubhölzer. 171 Tabelle V. . - Mespitus | I Rhus | (Keich- spreiten) Weigelia | Syringa HyarangealLignstrum | Neillia amabilis | vulgaris | Cotinus paniculata] vulgare | opulifolia Oe | Te 08 | Ve Oe | Ve Oe | Ve ! | | | r | l L 0.0037 :ı306| 0 ;150] 0 na) | 9100138 Ile | 1. \ ala lol 5l| 8: ww. |: ; i ı |3Bl4#|1-,-1 | sie in den Fällen, wo sie auf den Tegmenten fehlen (Salix pentandra, Syringa vulgaris, Ligustrum), etwa auf den ersten Übergangsblättern zuerst auftreten. Beim Verfolg der basalen Übergangsblätter sproßaufwärts finden wir dann hinsichtlich der Veränderung ihrer Zahl eine bestimmte Regel- mäßigkeit, doch von ganz anderem Sinne wie die für die oberseitigen Spaltöffnungen aufgefundene: stets nimmt ihre Zahl vom untersten Tegment bis zur Laubblattregion hin mit der Insertionshöhe zu (s. Tabelle IV, pag. 170). In der Region der Hochblattformen ist das Ver- halten umgekehrt: mit steigender Insertionshöhe der Blätter sinkt die Zahl der unterseitigen Spaltöffnungen, trotzdem die der Epidermiszellen zunimmt. Dieselbe Regel offenbart sich nun auch bezüglich der Summe der Spaltöffnungen beider Blattseiten: sie nimmt sproßaufwärts in der Region der basalen Übergangsblätter stetig zu, in der der Hochblatt- formen stetig ab. Unter Zuhilfenahme der Angaben von Yapp und Schramm (pag. 63) wird man sich von der Verteilung der unterseitigen Spaltöffnungen über die Gesamtreihe der laubblattförmigen Gebilde am Sproß folgendes Bild konstruieren: ihre Zahl nimmt innerhalb der Reihe der basalen Übergangsblätter und der Laubblätter stetig zu, erreicht das Maximum bei den letzten Laub- blättern und sinkt beim weiteren Verfolg sproßaufwärts in der Reihe der Hochblattformen wieder; dieselbe Regel gilt infolge der relativ geringen Anzahl der oberseitigen Spaltöffnungen auch für die Gesamtmenge der auf die Flächeneinheit des zweiseitigen Blattes fallenden Spaltöffnungen. Auf die Verteilung der Spaltöffnungen über ein- und dieselbe Spreite wurde hei den basalen Übergangsblättern von Diervillea, Lonicera, Spiraea Billiardi, Ligustrum, Syringa vulgaris geachtet. ks 172 Paul Neese, ergab sich durchweg. daß auf der Blattoberseite die Zahl der Spalt- öffnungen stets in der Spitzenhälite größer als in der Basishälfte ist, auf der Blattunterseite hingegen stets in der Basishälfte größer als in der Spitzenhälfte, Es entspricht also der Spitzenteil als der entwieklungs- geschichtlich wahrscheinlich ältere in seiner Struktur einem tiefer inse- rierten Blatte. Ich bemerke übrigens noch, daß im Dunkeln ausgetriebene Knospen an Laubsprossen von Salix pentandra, Lonicera und Syringa vulgaris in Bezug auf die Anordnung der Spaltöffnungen insbesondere auf der Oberseite annähernd gleiche Verhältnisse wie die entsprechenden Blatt- gebilde normaler Lichtsprosse zeigen, und ferner daß die Spaltöffnungen der Übergangsblätter von Syringa vulgaris bereits in der geschlossenen Knospe angelegt sind. Auch die Schuppenblättechen, die sich an den aus dem Baden hervorbrechenden Ausläufersprossen der letzterwähnten Pflanze unterhalb der Bodenoberfläche finden, zeigen etwa ebensoviele oberseitige Spaltöffnungen wie die entsprechenden Blätter normaler Lichtsprosse. Mesophyll. Auch unsere Betrachtung des Mesophylis setzt naturgemäß bei den Knospenschuppen derjenigen Pilanzen ein, deren basale Über- gangsblätter Gegenstand der Untersuchung waren (Chionanthus virgi- niea, Forsythia suspensa, Diervillea sessilifolia, Salix pentandra, Spiraea Billiardi, Syringa vulgaris, Lonicera Caprifolium, Ilex integra, Rhus Cotinus, Ligustrum vulgare). An den Tegmenten fällt sogleich in die Augen, daß die Zahl der Mesophylischichten in der Mediane meist viel höher als in der Mitte einer Blatthälfte ist, und ferner, daß sie nur wenig Chlorophyll enthalten. Weiterhin zeigen in verschiedenen Höhen aus- geführte Schnitte, daß die untere Partie eines Tegments gegenüber der oberen entsprechend seiner Entwieklungsgeschichte stets einen mehr fortgeschrittenen, dem der höher stehenden Blattgebilde ähnlichen Bau- typus aufweist. Zwischen den Mesophylizellen eines Tegmentes bestehen, abgesehen von bestimmten weiter unten erörterten Fällen, keine wesent- liehen Unterschiede hinsichtlich Form, Größe und Fügung. Oft sind die Zellen dicht, d. h. völlig oder fast ohne Interzellularen gefügt, dann sind gleichzeitig auch die Wände mehr oder weniger verdickt (Forsythia, Salix, Ligustrum, ferner Syringa und Ilex in den unteren Tegmenten). Oder die Mesophylizellen haben mehr oder weniger abgerundete Form, so daß an den Stellen, wo mehr als zwei Zellen aneinander stoßen, kleine Eckinterzellularen liegen, zugleich sind dann meist die Wände wenig verdiekt (Chionanthus, Diervillea, Lonicera, Rhus, ferner Syringa vulgaris Zur Kenntnis d. Struktur d. Niederblätter u. Hochblätter einiger Laubhölzer. 173 und Ilex in den oberen Tegmenten). Nebenbei sei erwähnt, daß in vielen Tegmenten (Syringa, Ligustrum, Diervillea, Lonicera, Salix, Chionanthus) parallel zur Biattfläche, meist in den oberen Schichten, Iysigene, luft- führende Spalte auftreten, die oft mit Kristalldrusen angefüllt sind’), In einigen Fällen machen sich deutliche und beachtenswerte Unter- schiede zwischen Ober- (Innen-) und Unter(Außen-)seite bemerkbar, die das Tegment in mancher Hinsieht umgekehrt wie das Laubblatt gebaut erscheinen lassen. So sind in den letzten Teg- menten von Diervillea, Syringa und Lonicera die obersten Schichten erheblich lockerer gebaut als die unteren, sie tragen sogar bei Syringa infolge des Auftretens von spaltenförmigen Interzellularen zwischen den Grenzflächen je zweier aneinanderstoßender Zellen das Bild eines pri- mitiven Schwammparenchyms. Hiermit steht übrigens ohne Zweifel auch die oberseitige Anordnung der Spaltöffnungen als Ausgängen des Interzellularsystems in Zusammenhang. Weiterhin sind bei einigen Pflanzen (Ligustrum, Chionanthus, ferner Syringa in den unteren Teg- menten) die Zellen der obersten Mesophylischichten parallel zur Blatt- fläche mehr oder weniger abgeplattet und kleiner als die übrigen. Ein Unterschied beider Blattseiten hinsichtlich des Chlorophyligehalts läßt sich bei Rhus, Lonicera, Spiraea und Diervillea beobachten: die unteren Schichten sind hier merklich reieher an Chlorophyll als die oberen. In einigen Fällen waren die Zellen der untersten, also äußersten Mesophylischicht palisadenartig gestreckt; bei Rhus und Chionanthus zeigten sie diese Streckung senkrecht zur Blatt- fläche nur stellenweise und unvollkommen, deutlich bei Syringa und llex. Bei Syringa fanden sieh diese unterseits auftretenden palisaden- förmigen Zellen in der oberen Partie des letzten Tegmentpaares, und zwar betrug das Verhältnis Länge zu Breite bei ihnen durchschnittlich 1,7; bei Ilex war in allen Tegmenten die unterste, in den älteren Tegmenten sogar auch die zweitunterste Mesophylischicht in dieser Weise aus- gebildet. Erwähnenswert ist, daß auch bei einer nach den Blattmerk- malen wahrscheinlich als Salix fragilis anzusprechenden Weidenart jene 1) Bei Syringa vulgaris findet sich auf der Unter-(Außen-)seite der ältesten Schuppe öfters Periderm, dessen Bildung stets von der untersten Mesophylischicht ausgeht. An solchen Stellen ist bzw. wird die allgemein stark verdickte Epidermis- außenwand dünner, zugleich sind in den Epidermiszellen die Sekrettröpfchen zahl- reicher und größer und geben zum Teil andere Reaktion wie sonst. Ob es sich bei allen diesen Erscheinungen um die Folgen einer normalen physiologischen Reaktion oder um einen Zersetzungsprozeß durch Mikroorganismen handelt, ist ungewiß. 174 Paul Neese, unterseitigen palisadenförmigen Zellen vorkamen, und zwar in den schuppenartigen Vorblättern von Sprossen, die aus der Achsel von Blättern der gleichen Vegetationsperiode entsprangen. Allerdings waren diese palisadenartig gestreckten Zellen bei den letzten drei Pflanzen (Syringa, llex, Salix) relativ chlorophyliarnı, sie standen vollkommen dicht und erschienen von der Blattfläche geschen polygonal. Derartige Zellen hat auch Adlerz wahrscheinlich vor Augen bei der Angabe (nach dem Referat des schwedischen Originals in Just’s Jahresberichten 1883, Bd. II, pag. 524), daß, wenn es zur Ausbildung von Palisadenzellen komme, diese immer auf der äußeren Seite der Knospenschuppen auf- treten. Übrigens fand ich anderswo nirgends Angaben über das Vor- kommen von Palisaden in Tegmenten, C. G. R. Schumann führt später sogar als negatives Charakteristikum der Knospenschuppen an, daß in ihnen nirgends Palisadenparenchym zu finden sei. Diese Unsicherheit ist vielleicht darauf zurückzuführen, daß für gewöhnlich nur die äußeren Tegmente berücksichtigt werden, während wir es hier mit jüngeren zu tun haben, die fast schon zu den Übergangsblättern gehören. In der Reihe der Übergangsblätter an der Sproßbasis nimmt mit der Insertionshöhe der Chlorophyligehalt dieser Blätter all- mählich zu, gleichzeitig verschwindet nach und nach sowohl der Unter- schied in der Blattdiecke zwischen Mitte und Rand, der sich bei fast jedem Tegment konstatieren läßt, als auch der ebenfalls für die Teg- mente charakteristische Unterschied zwischen der Struktur der apikalen und basalen Blatthälfte. Wenn wir die Übergangsblätter von den Tegmenten an aufwärts verfolgen, sehen wir das Gefüge des gleichartigen Mesophylis (Fig. 10b) sich zunächst lockern, indem die Interzellularen größer und reichlicher werden (Ligustrum, Syringa, Spiraea, Salix, Forsythia, Chionanthus), (s. Fig. 7), ganz besonders da, wo in den Tegmenten die Zellen sehr dieht gefügt waren; gleichzeitig werden die Wände dünner. Bald tritt dann ein Blatt auf, in welchem, oft nur im entwieklungsgeschichtlich jüngeren basalen Teil, die regelmäßig angeordneten Zellen der obersten Mesophyll- schicht stellenweise senkrecht zur Außenfläche etwas gestreckt erscheinen (Fig. 10c). Hier manifestiert sich also zum ersten Male der beim Laub- blatt so scharf ausgeprägte dorsiventrale Bau des Mesophylis. In der Oberflächenansicht sind die gleichen Zellen entweder noch unregelmäßig polygonal und wenig abgerundet (Chionanthus, Salix, Lonicera) oder schon rund und relativ locker angeordnet (Ligustrum, Syringa, Forsythia; Fig. 7e), stets aber noch ziemlich groß. Die übrigen Sehiehten desselben Blattes haben Zellen von abgerundeter, unregelmäßiger, selten abge- Zur Kenntnis d. Struktur d. Niederblätter u. Hochblätter einiger Laubhölzer. 175 flachter Form mit vielen kleinen Interzellularen. Das Chlorophyll ist meist in den oberen Schichten reichlicher. In den folgenden Übergangsblättern sind dann die Zellen der obersten Mesophylischicht alle deutlich palisadenartig gestreckt (s. Fig. 10d) und in der Oberflächenansicht stets rund (Fig. 7d). Sie sind um so stärker gestreckt, je höher das Blatt steht, ja, oft sind sie in den oberen Übergangsblättern schon quergeteilt, oder es sind auch die Zellen der zweiten Schicht bereits palisadenartig ausgebildet. Zugleich wird von Blatt zu Blatt die Dicke der Palisadenzellen geringer und ihr Gefüge stetig dichter (Fig. 7, c—e); nur bei Lonicera und Chionanthus erweitern Fig. 7. Forsythia suspensa. Zellen der obersten Mesophylischicht, von der Blatt- fläche gesehen. a 1. Übergangsblatt, b 2. Übergangsblatt, ec: Übergangsblatt, d 4. Übergangsblatt, e 1. Laubblatt. Bei c, d und e sind die Zellen im Querschnitt palisadenartig gestreckt. Vergr. 490/,. sich sproßaufwärts zunächst die Zwischenräume der Palisaden noch etwas, schließlich aber rücken diese auch hier mehr und mehr zusammen. Die übrigen Schichten zeigen immer mehr den typischen Charakter des Schwammparenchyms: die Zellen flachen sich ab, tragen kürzere ‚oder längere Armfortsätze und sind um so lakunöser, je höher das Blatt inse- riert ist. Stets sind die Palisaden reicher an Chlorophyll. Nach dem Vorgange anderer Autoren (S. Schramm, pag. 13) läßt sich das als Mesophyliquotient bezeichnete Verhältnis Dicke des Palisadenparenchyms Dicke des Schwammparenchyms 176 Paul Neese, recht gut als Charakteristikum der Blattstruktur verwenden. Es zeigt sich dann (s. Tabelle VI, in welcher die Dicke jener Gewebe in # angegeben ist), daß innerhalb der Reihe der Übergangsblätter der Mesophyliquotient nach oben zu stetig wächst, meist weil die Dicke des Palisadengewebes mehr zunimmt als die des Schwanmparenchyms. Tabelle VI. Chionanthus virginica Forsytkia suspensa Syringa vulgaris 8451822 #2 825 8822| &= |822i88d 82 3 SER == | S58 1385| SE |S58188>| 5 o es8 83 238 g&8| 33 |edsiess 38 2 =2:2153|238 2852| 83 |232!2:2=2| SS F 3238| 858125381358 ES ZSER|ESE 5 S 5 3 = SulAS a Asse ARAlAZE| = Ss 2 s Erwähnenswert ist noch, daß die früher erwähnten Luftspalten mit zunehmender Insertionshöhe in den basalen Übergangsblättern kleiner und seltener werden und allmählich versehwinden (Fig. 10). Überall, wo Kristalldrusen auftreten (Rhus, Lonicera, Spiraea, Diervillea, ek 8. Syringa vulgaris. Palisaden von der 9) Blöuhläche gesehen. a letztes Lanbblatt, b erstes Hochblatt, c letztes Hochblatt. Vergr. 490/.. c Salix), nimmt ihre Zahl pro Flächeneinheit der Blattspreite mit der In- sertionshöhe der Blätter ab. In der Reihe der Hochblattformen (Syringa vulgaris, Syringa Emodi, Rhus Cotinus, Ligustrum vulgare, Hydrangea paniculata, Weigelia amabilis Carr., Spiraea Douglaii, Rhododendron praeeox, Rubus plicatus, 1) Bezieht sich auf Lin). Zur Kenntnis d. Struktur d. Niederblätter u. Hochblätter einiger Laubhölzer. 177 Kelchblattspreiten von Rosa und Mespilus germanica) ergibt sich in vielen Beziehungen die umgekehrte Folge wie bei den basalen Übergangsblättern. Einerseits werden die Palisadenzellen mit zunehmender Insertionshöhe der Hochblattformen lockerer angeordnet (Rhus, Ligustrum, Syringa vulgaris, Syringa Emodi, Weigelia, Rosa), häufig auch dieker und gedrungener (Ligustrum, Syringa vulgaris, Weigelia) (Fig. 8), andererseits wird das Schwammparenehym meist dichter und die armartigen Fortsätze seiner Zellen seltener (Syringa vulgaris, Rhus, Ligustrum, Rhododendron, Rosa), was auch Kühlhorn (pag. 121) bei den von ihm untersuchten Pflanzen findet. Eine Ausnahme von diesem Verhalten zeigen die letzten Deck- blättchen einiger Pflanzen. So fehlt bei Weigelia in der ganzen Spreite des letzten Hochblattes, bei Hydrangea (Fig. 9) in der Basishälfte des- selben das Palisadengewebe vollkommen, nur typisch ausgebildetes Schwammparenehym ist vorhanden. Im auffallenden Gegensatz hierzu zeigt sich im letzten Deck- blättchen von Syringa Emodi, und auch in der besonnten Spitze des- jenigen von Ligustrum die & Tendenz, alle Mesophyll- b° schichten palisadenartig auszubilden. Fig. 9. Hydrangea panieulata. Zweites Hochblatt. Oberste Mesophylischicht von der Blattfläche ge- Der Mesophyliquo sehen. a in °/,-, b in 'j, Blattlängenentfernung tient der Hochblattformen von der Basis. Vergr. 430,,. nimmt bei allen unter- . suchten Pflanzen — mit Ausnahme von Rhus und Syringa Emodi — mit der Insertionshöhe ab, und zwar beruht diese Abnahme in der Mehr- zahl der Fälle darauf, daß das Palisadenparenchym sproßaufwärts in weit höherem Maße an Dicke abnimmt als das Schwammparenchyn; bei einigen Pflanzen indessen (Rubus, Mespilus, in geringerem Maße bei Syringa vulgaris und Ligustrum) findet sogar neben der Diekenabnahme des Palisadenparenchyms eine absolute Zunahme der Dicke des Schwamm- parenchyms statt (s. Tabelle VI], pag. 178). Ebenso wie in den basalen Übergangsblättern ist übrigens in den Hochblattformen (Spiraea Douglasii, Neillia, Hydrangea, Rubus) die Masse der Kristalldrusen bzw. Raphidenbündel bedeutend größer als in den Laubblättern, und auch hinsichtlich der Verteilung des Chloro- phylls sind sich beide Blattarten ähnlich, da dies in den höher stehenden Hochblattformen häufig gleichmäßig über das ganze Mesophyli verteilt ist, 3 Flora, Bd. 109. 12 178 Paul Neese, Tabelle VII. Weigelia amabilis Carr. Syringa vulgaris Rubus plicatus salseises &. 22 lselwei ae 2: jBeiseler 882587887 2 528555555: ScsarsEr mE w2ls38ess 32 32.%8e:< 32 32038.38|%2 BESEESES s3 Etga2ler2| 385 az 2228 28| 88 meESSESsS 85 3F82323538 8: SS #25 88538| 85 Ei Ba = & Prerase = Rapanz|a T i L(n) 12(8)| 119 |126 09 2 120 | 67 19 |2 2 | 24 | 3 Hi) 2 |715 [e15| 086 2 /ı5| 9 15 ia 052 el ji 112 er | 23 | 29 0—110-35/135 |0o-0351ı-2| 43 | sı | 06 | 2 5 | 23 | 24 0 0 1128 0 | 2a)| 42,5| 32 | 14 1 i Im allgemeinen gewinnt man, wenn man die Resultate von Schramm und Nordhausen (pag. 487) mit in Betracht zieht, von den c \ d Fig. 10. Lonicera Capritolium. Blattquerschnitt. a 1. Übergangsblatt, b 3. Über- gangsblatt, c apikale Hälfte des 4. Übergangsblattes, d hasale Hälfte des 4. Über- gangsblattes. Vergr. 490,,. Strukturänderungen des Mesophylis in der Gesamtreihe der laubblatt- förmigen Gebilde am Sproß die Vorstellung, daß derMesophyilquotient Zur Kenntnis d. Struktur d. Niederblätter u. Hochblätter einiger Laubhölzer. 179 von den basalen Übergangsblättern an bis zur oberen Grenze der Laubblattzone stetig zunimmt und darauf in der Region der Hochblattformen gleich- ER mäßig wieder sinkt, daß die Veränderung der Dichte des Palisadengewebes durch eine ER ähnliche Kurve dargestellt wird, während umgekehrt bis zu einem gewissen Grade die Dicke der einzelnen Palisaden mitihrer Längenzunahme sinkt, mit ihrer Längenabnahme wie- der größer wird. mn = a Fig. 11. Rosa (Kulturform), Blatt- Zusammenfassung und Diskussion qurschnitt. a Endfieder eines hoch der Tatsachen. inserierten Laubblattee, b Kelch- ; . _ spreite (3) (Länge 10,5 mm, Breite Beim Verfolg der Zwischen 1,5 mm). Vergr.'ca. 490y,. formen, die nach Gestalt und Größe den allmählichen Übergang zwischen Tegmenten undLaubblättern vermitteln, waren wir von der Erwartung ausgegangen, daB sich auch in anatomischer Hinsicht eine gleiehmäßig fortschreitende Veränderung feststellen lasse. Würden wir im voraus versucht haben, uns in groben Zügen ein Bild von diesen Strukturänderungen zu entwerfen, so dürfte dies derart ausgefallen sein, daß die Strukturmerkmale der Anfangs- und Endpunkte der Übergangsblattreihe, eben die der Tegmente und Laubblätter sieh in dieser selbst im Sinne des Übergangs wiederfinden. Überblieken wir nun die wirklichen Tatsachen, so sehen wir jedenfalls, daß zwar viele, doch durchaus nieht sämtliche Strukturänderungen in der Reihe der Übergangsblätter innerhalb des Rahmens dieser unserer Erwartungen liegen. Ich fasse zunächst kurz diejenigen Strukturänderungen zusammen, die offenbar nichts Neuartiges darstellen. Der Übergang vollzieht sich im älteren Teil der Reihe der Zwischenformen in der Weise, daß präg- nante Tegmentmerkmale verschwinden'): die Blattdicke wird geringer, 1} Schon die inneren Tegmente zeigen gegenüber den äußeren in anatomischer Hinsicht eine Vereinfachung, wie man bereits aus den speziellen Arbeiten über Knospenschuppen ersehen kann (vgl. Grüß, Fig. 1-37). Die äußeren Tegmente stellen eben im Gegensatz zu ihrem morphologisch einfachen Charakter eine extreme Anpassung an ihre Spezialfunktion dar, und es ist eigentlich nicht recht zu ver- stehen, wenn hierin Brick nach seiner vorläufigen Mitteilung (pag. 385) offenlar etwas Neues zu sehen glaubt. 12* 180 Paul Neese, die Wände der Epidermis und des Grundgewebes werden allmählich dünner, in diesem treten des weiteren kleine Interzellularen auf, während die großen Luftspalte verschwinden nnd zugleich die Kristalldrusen seltener werden, für die die Tegmente offenbar als Ablagerungsstätte dienten, nimmt mit der Blattgröße meist auch die Größe der Zellen bis zur Grenze der Laubblattregion hin zu. Umgekehrt bereitet sich, besonders in den jüngeren Übergangsblättern, die strukturelle Formung des Laub- blattes vor: bei wiederum zunehmender Blattdicke differenziert sich das zunächst isolaterale Mesophyll, oft erst nach Umwegen, zu oberseitigem Palisadengewebe und unterseitigem Schwammpyrenchym, dabei ver- schiebt sich das Diekenverhältnis beider Gewebe sproßaufwärts ganz allmählich zugunsten des Palisadenparenchyms, gleichzeitig steigt auch mit wachsender Assimilationstätigkeit der Übergangsblätter sproßauf- wärts ihr Chlorophyligehalt und die Gesamtmenge der Spaltöffnungen beider Blattseiten. Es vollziehen sich indessen manche Strukturände- rungen inder aufwärts verfolgten Reihe der basalen Über- gangsblätter, die wir weder im Bau der Tegmente noch in dem der Laubblätter begründet finden. Dies gilt vor allem für die Art, wie sich bei vielen Pflanzen die Anordnung der Spaltöffnungen auf den Blättern dieser Reihe ändert: während auf den Knospenschuppen und Laubblättern dieser Pflanzen Spaltöffnungen oberseits entweder überhaupt fehlen oder doch nur spärlich sind, ist die Zahl oberseitiger Spaltöffnungen auf den Übergangsblättern relativ groß, derart, daß eine die Zahl der oberseitigen Spaltöffnungen darstellende Kurve ein Maximum innerhalb der Übergangsblattreihe aufweisen und von hier nach beiden Seiten abfallen würde. Hierbei fällt ein bestimmtes Abhängigkeits- verhältnis zwischen den oberseitigen Spaltöffnungen und den Palisaden auf: bei allen untersuchten Pflanzen, auf deren basalen Übergangs- blättern oberseitige Spaltöffnungen vorkommen, treten in diesen Pali- saden nie auf, solange die Zahl der Spaltöffnungen auf der Oberseite größer ist als die stetig zunehmende Zahl derselben auf der Unterseite. Wie die Anordnung der Spaltöffnungen ändert sich auch die Dichte der Behaarung von den Tegmenten zu den Laubblättern in eigenartiger Weise, indem die Zahl der Haargebilde zunächst deutlich wächst, dann wieder nach der Laubblattregion hin abnimmt. Weiterhin dürfte auch der Umstand Beachtung finden, daß nicht erst die typischen Laubblätter, wie man etwa denken könnte, sondern bereits die jüngsten Übergangsblätter, im Gegensatz zu den Tegmenten und älteren Übergangsblättern, meist recht stark wellenfürmigen Verlauf Zur Kenntnis d. Struktur d. Niederblätter u. Hochblätter einiger Laubhölzer. 181 der radialen Epidermiswände aufweisen, derart, daß das Maximum der Wellung an der Grenze der basalen Übergangs- und der Laubblätter, oder sogar tiefer in der Zone der Übergangsblätter selbst liegt. Wie ich mich an den Beispielen von Ligustrum vulgare und Syringa vulgaris überzeugte, treten übrigens diese typischen Merkmale der basalen Übergangsblätter (z. B. oberseitige Spaltöffnungen, Epidermiswellung) auch auf dem ersten Blatt von solehen Sprossen auf, die, entweder in- folge des Zurückschneidens oder unter normalen Verhältnissen, aus der Achsel von Blättern derselben Vegetationsperiode entspringen. Bezüglich des Mesophylis der basalen Übergangsblätter schließlich tritt die Tatsache hervor, daß die Palisaden in den jüngeren Übergangs- blättern recht locker stehen, meist lockerer als im untersten Laubblatt. Wir sehen also, daß einige Merkmale sich bei den Über- gangsblättern in maximaler Form repräsentieren und durch- aus nicht eine gleichmäßig fortschreitende Stufenfolge der Ausbildung durchmachen. Bei den Hochblattlormen läßt sich im voraus eine bestimmte Vorstellung über die zu erwartenden Strukturänderungen nur schwer bilden. Da die Blattformen nach oben zu einfacher und kleiner werden, könnte man ähnliche Bauverhältnisse wie bei den Übergangsblättern an der Sproßbasis mutmaßen und der Oberflächenverkleinerung entsprechend auch eine Reduktion der inneren Teile erwarten. Andererseits würde man bei ihnen extremen Lichtblatteharakter zu finden erwarten, wenn man sich die Veränderungen, die sich beim Verfolg der Laubblattreihe ergeben, in die Reihe der Hochblattformen hinein fortgesetzt denkt und die immerhin intensive Beleuchtung dieser Blattformen an der Peri- pherie der Pflanze mit in Betracht zieht. Im Sinne einer Reduktion würde es liegen, daß die Dieke in der Tat zugleich mit der Blattgröße nach der Sproßspitze zu abnimmt und gleichzeitig die Zellen kleiner werden, während umgekehrt die Tatsache, daß die Behaarung in ungleich höherem Maße als die Zahl der Epidermis- zellen wächst, für einen xerophileren, liehtblattartigen Charakter dieser Blattformen spricht. Daneben finden wir beim Verfolg der Hochblattformen nun auch Strukturänderungen, die nicht in der Linie unserer Erwartungen liegen. So nimmt im Gegensatz zur Vermehrung der Epidermiszellen die Zahl der Spaltöffnungen stark ab, vor allem wird ihre Anordnung eine andere, indem sie häufig auch oberseits auftreten, bei den letzten Hochblättern oft ebenso zahlreich wie unterseits, während die Laubblätter gar nicht oder nur spärlich oberseitige Spaltöffnungen tragen. 182 Paul Neese, Ferner weisen die Hochblattformen oft ein charakteristisches Merk- mal auf, das in der Laubblattreihe bei ihrem Verfolg sproßaufwärts ganz verschwunden war: ihre radialen Epidermiswände verlaufen bei einer Anzahl von Pflanzen wellenförmig, um so stärker, je höher das Blatt steht. Die Strukturänderungen des Mesophylis lenken insofern die Auf- merksamkeit auf sich, als nicht etwa mit abnehmender Blattdieke eine gleich starke Reduktion beider Konıponenten, sowohl des Palisaden- als auch des Sehwammparenchyms eintritt, so daß also der Mesophyli- quotient gleich bleiben würde, sondern daß vielmehr das Diekenverhält- nis beider Gewebe sich sproßaufwärts stetig zugungsten des Schwamm- parenchyms verschiebt; gleichzeitig werden die einzelnen Palisaden dieker und stehen meist auch lockerer. Bei allen diesen Tatsachen fällt es auf, wie außerordentlich ähnlieh die Hochblattformen, auch in den neuartig erscheinenden Eigenschaften, den basalen Übergangsblättern sind, soweit diese nicht noch irgendwie tegmentartig modifiziert erscheinen. Wenn so die basalen Übergangsblätter und die Hoch- blattformen Merkmale schlechthin aufweisen können, die aus der Struktur der Tegmente oder Laubblätter nieht zu erschließen sind, oder wenn sie einige, an diesen vorhandene Merkmale in solcher Aus- prägung oder Anordnung zeigen, wie man sie weder bei Zwischenformen zwischen Tegmenten und Laubblättern bzw. bei die Laubblattreihe ge- wissermaßen fortsetzenden Formen erwarten würde, noch auch etwa an unfertigen Entwicklungsstadien des Laubblattes finden könnte, dann darf mansieinanatomischer Beziehung als etwas schlechter- dings Neuartiges gegenüber den Tegmenten und Laub- blättern auffassen. Nicht nur die äußeren Tegmente also, wie Brick (pag. 385) meint, sondern auch die Übergangsblätter der Sproßbasis und die Hochblattformen weisen eine spezifische „Andersentwicklung“ gegenüber dem Laubblatt auf: sie sind keine reinen Hemmungs- bildungen, keine stehen gebliebenen Stadien der Lawbblattentwieklung, sondern sie haben einen Entwicklungsweg eingeschlagen, der von dem des Laubblattes von einem bestimmten Stadium ab divergiert und zu einem besonderen, individuellen Blattgebilde führt. Wir haben uns nun die Frage vorzulegen, wodurch die von der Laubblattstruktur abweichenden, besonderen Bauverhältnisse der basalen Übergangsblätter und der Hochblattformen bedingt werden und kommen damit zunächst zur Erörterung der Beziehungen, die zwischen den Strukturen dieser Blattgebilde einerseits und ihren Funktionen und äußeren Lebensbedingungen andererseits etwa bestehen. Zur Kenntnis d. Struktur d. Niederblätter u. Hochblätter einiger Laubhölzer. 183 Wir dürfen davon ausgehen, daß die Funktionen der basalen Über- gangsblätter und der Hochblattformen bei den untersuchten Pflanzen im Prinzip die gleichen sind: für beide Arten von Blattgebilden handelt es sich, wie schon pag. 158 hervorgehoben ist, wesentlich darum, die jüngeren Sproßteile während ihrer Entwicklung zu schützen; hierzu kommt als Nebenfunktion die Assimilationstätigkeit. Als Ausdruck der Schutzfunktion beider Blattarten ist es anzu- sehen, daß die Haare bzw. Kolleteren auf ihnen merklich diehter stehen als auf den Laubblättern. Eben durch die Schutzfunktion der basalen Übergangsblätter und der Hochblattformen wird auch eine ziemlich steile Orientierung der- selben gefordert, solange die Achse des zu schützenden Sprosses noch nicht gestreckt ist und sie selbst auch noch nicht ganz ausgewachsen zu sein pflegen; später, im ausgewachsenen Zustand, nimmt die Spreite dieser Blattgebilde bis zum frühen Abfall eine mehr horizontale Lage ein, zeigt. aber gegenüber der Lichtrichtung eine gewisse Indifferenz und Starr- heit der Orientierung; in einzelnen Fällen mag sie dauernd ihre Rück- seite dem Lichte zukehren. Nun sind ja besagten Blattformen bestimmte Merkmale eigen- tümlich, die als Abschwächung des dorsiventralen Blatteharakters auf- gefaßt werden dürfen: die Spaltöffnungen sind oft auf beiden Seiten gleich zahlreich, die Epidermen gleich diek, das Chlorophyll ist in allen Mesophylischichten oft gleich verteilt, die Palisaden stehen lockerer und sind gedrungener, das Schwammparenchym ist dichter. Man wird ge- neigt sein, diese Eigentümlichkeiten auf die zeitweise andere Orientierung der gerichteten äußeren Faktoren (Beleuchtung, Luftbewegung) zurück- zuführen, welche durch die oben erwähnte Schrägstellung der besagten Blattgebilde während der Sproßentwieklung bedingt wird, und ich bin der Ansicht, daß in der Tat solche Beziehungen gelten, allerdings, wie wir sehen werden, nur bis zu gewissen Grenzen. Welcher Art übrigens diese Beziehungen sind, darüber läßt sich zurzeit allerdings nichts Gewisses aussagen. Sicher ist aber anzunehmen, daß eine direkte, kausale Ein- wirkung jener Faktoren nur eine untergeordnete Rolle spielt, denn be- züglich eines jener besprochenen Merkmale, nämlich bezüglich des Auf- tretens oberseitiger Spaltöffnungen konnte nachgewiesen werden, daß es, jedenfalls auf den unteren Übergangsblättern, schon in der Knospe angelegt ist, und daB bei im Dunkeln ausgetriebenen Knospen von Sy- ringa vulgaris, Ligustrum vulgare und Lonicera Caprifolium auf den basalen Übergangsblättern ebensoviele oberseitige Spaltöffnungen aus- gebildet werden wie auf normal belichteten. Es ist anzunehmen, daß 184 Paul Neese, im wesentlichen das gleiche auch für die übrigen hier in Betracht kommenden Merkmale gilt, obwohl leider entsprechende Beobachtungen nieht gemacht werden konnten. Die Annahme ist um so mehr berechtigt, als wir aus neueren Arbeiten wissen (s. Nordhausen, pag. 483), daß auch bei den Laubblättern die Einwirkung der augenblicklichen äußeren Faktoren nur eine beschränkte ist. Es ist beachtenswert, daB die basalen Übergangsblätter und die Hochblattformen Eigenschaften zeigen, die als Schatten- blattmerkmale bezeichnet und als solehe für gewöhnlich nur mit dem Begriff des Laubblattes verknüpft werden, ja, daß sie diese nieht nur schlechthin, sondern in stärkerem Maße als das typische Schatten- laubblatt selbst aufweisen können; ich erinnere nur an die geringe Blatt- dicke, an die Epidermiswellung, den niedrigen Mesophyilquotienten, die lockere Anordnung der relativ dieken und kurzen Palisaden. Für den Schattenblatthabitus speziell der Hochblattformen zeugt auch die Re- duktion der Epidermispapillen auf der Unterseite der Hochblätter von Syringa Emodi, die offenbar als Schattenblattmerkmal anzusehen ist!) (s. Nordhausen, pag. 499). Wenn wir berücksichtigen, daß die Lebensbedingungen der basalen Übergangsblätter und der Hochblattformen bei gleicher Funktion doch mannigfaltige Verschiedenheiten zeigen, so muß diese durchgehende prinzipielle Ähnlichkeit beider Blattarten besonders auf- fälligerscheinen. Insbesondere aber muß der typisch schatten- blattartige Charakter mancher Hochblätter die Aufmerk- samkeit aufsich lenken. Denn zweifellos sind sie intensiver belichtet als die basalen Übergangsblätter und selbst auch als die Laubblätter. Daran ändert nichts, daß in einigen Fällen eine geringe Beschattung durch Blütenteile stattfinden kann, zumal dies nur während der vollen Entwicklung der Blüten zutrifft. Ferner sind gerade an der Peripherie der Pflanze, also bei den Hochblättern, infolge der größeren Lufttrockenheit und der stärkeren Luftbewegung die Tran- spirationsbedingungen am günstigsten. Bei solchen: Gegensatz zwischen Struktur und äußeren Lebensbedingungen können wir unbedenklich sagen, daß für jene nur innere Faktoren verantwortlich zu machen 1) Es tauchte die Vermutung auf, auch die Tatsache, daß auf manchen basalen Übergangblättern und Hochblattformen anormalerweise oberseitige Spalt- öffnungen auftreten, sei analog den übrigen besonderen Eigenschaften besagter Blattformen als Schattenblattmerkmal, also (Schramm, Nordhausen) als Primär- blattmerkmal aufzufassen. Eine Untersuchung der Primärblätter von Syringa vul- garis und Ligustrum vulgaris zeigte indessen, daß diese Vermutung nicht zutrifft. Zur Kenntnis d. Struktur d. Niederblätter u, Hochblätter einiger Laubhölzer. 185 sind. ‘Wir haben damit eine Tatsache vor uns, die für das Problem der Lieht- und Schattenblätter neben den neueren Erfahrungen von einiger Bedeutung sein dürfte. Da au verschiedenen Sproßteilen, nämlich an der Basis und an der Spitze, mit einer Verminderung der Blattgröße und Vereinfachung der Form derartig gleiche und zum Teil befremdende Strukturbesonder- heiten gegenüber dem Laubblatt verknüpft sind und diese um so deutlicher auftreten, je mehr die Blattgröße abnimmt, so lag es nahe, engere Beziehungen zwischen Größe und Struktur anzunehmen. Um diese Beziehungen zu prüfen, wurden einige besonders in der Größe voneinander abweichende Blattgebilde untersucht, die, um Ungleichheiten in der. Wirkung der äußeren Faktoren auszuschalten, dicht benachbart und gleich gut belichtet sein mußten. Als solche wurden die recht verschieden großen Kelchzipfel von Mespilus germanica und Rosa ausgewählt, die, wie erwähnt (pag. 160), bei beiden Pflanzen um 50 kleiner werden, je höher sie in der Blattstellungssehraubenlinie stehen. Bei dieser Untersuchung ergab sich ungefähr ein Strukturbild, als ob man Hochblattformen auf die gleiche Insertionshöhe zusammengedrängt hätte. Es zeigte sich nämlich, daß mit abnehmender Blattgröße die Blattdicke sank, daß ferner der Mesophyliquotient niedriger (siehe Tabelle VIII, pag. 186) und gleichzeitig das Palisadengewebe lockerer wurde. Beim Fehlen oberseitiger Spaltöffnungen auf den Laubblatt- spreiten waren solche auf den untersuchten Blattformen um so zahl- reicher, je kleiner die letzteren erschienen — allerdings waren die ab- soluten Zahlenwerte in allen Fällen nicht groß (s. Tabelle V, pag. 171). Weiterhin wurde die Behaarung, wo sie überhaupt auftrat (Mespilus), mit der Abnahme der Blattgröße diehter, und endlich zeigten die kleineren Blätter in höherem Grade die Tendenz der Epidermiswellung; auch das ist noch erwähnenswert, daß die Zellgröße mit der Blattgröße sank. — Interessant ist ferner, daß ganz ähnliche Unterschiede, abgesehen vom Auftreten oberseitiger Spaltöffnungen, sich herausstellten beim Ver- gleich des letzten extrem kleinen Laubblattes von der Spitze eines Sprosses von Betula pendula mit dem voraufgehenden Laubblatt. Alle diese bei Mespilus, Rosa und Betula aufgefundenen Struktur- differenzen der verschieden großen Blätter lassen sich weder auf Unter- schiede der Funktion noch auf solche der äußeren Faktoren zurück- führen, es kommen allein innere Faktoren in Betracht, die offenbar mit der Entwicklungsfolge der Blätter am Vegetationspunkt bzw. mit der Blattgröße zusammenhängen; wir werden also annehmen dürfen, daß 186 Paul Neese, Tabelle VIII. Rosa (Kulturform) Mespilus germanica Ep x Ei ® E3 x] 58 |22=|85 4= |38_|82.el3&s| =. sz8j=37, =57| 55 |ä2= °837, 1987| 35 "BEloetejes a3 |. 238|e285| 88 © BESISE 2: ler. iz22|288: 23 2552521853 85 |2aEl2E2|255 85% <= |AR3 AS s FEBLEHECHE Laubblatt 3 80 18 Isı:32 | se | 6 | 1: Kelchspreite (1) |5 = I na larınal 5a | A851, FR @) [12: 6 52 (36): :0, 6511, 3) | 1 „ (8) 110: 37 08 1 | | ” “) | 23:2 | 385 | 41 | 0,68 i die letztere auch bei den Struktureigentümlichkeiten der basalen Über- gangsblätter und der Hochblattformen eine Rolle spielt. In Parallele hierzu können wir nach dem Vorgange Anheißer’s (pag. 87) die Epidermiswellung mit der geringen Dieke des Spreiten- teils in Verbindung bringen. da wir sie überall da auftreten sehen, wo die Blattdieke gering ist, und können sie dann eventuell als Mittel zur Erhöhung der mechanischen Festigkeit ansehen. Die vorliegenden Untersuchungen wurden während des Winter- semesters 1912/13 und des Sommersemesters 1913 im botanischen In- stitut der Universität Kiel ausgeführt. Es ist mir eine angenehme Pflicht, Herrn Geheimrat Prof. Dr. Reinke, sowie Herrn Prof. Dr. Nordhausen für die Anregungen und Ratschläge, durch die sie mich in meiner Arbeit unterstützt haben, an dieser Stelle meinen herzlichen Dank auszu- sprechen. Literatur. Adlerz, E., Bidrag till knopffjällens anatomi hos träd och Buskartade växter. Bibang till Kongl. Svenska vet.-akad. Handlinger 1881, Bd. VI. Anheißer, R., Über die arunkoide Blattspreite. Flora 1900, Bd. LXXXVII. Brick, Eduard, Die Anatomie der Knospenschuppen in ihrer Beziehung zur Anatomie der Laubblätter. Kurze Mitt,, Ber. d. D. bot. Ges. 1903, Bd. XXXL Cadura, Richard, Physiologische Anatomie der Knospendecken dikotyler Laub- bäume. Inaug.-Diss., Breslau 1886. Espe, William, Beiträge zur Kenntnis der Verteilung der Spaltöffnungen über die Blattspreite. 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Nordhausen, Max, Über Sonnen- und Schattenblätter, 2. Mitteilung. Ber. d. D. bot. Ges. 1912, Bd. XXX. Schramm, Richard, Über die anatomischen Jugendformen der Blätter einhei- mischer Holzpflanzen. Separatum aus Flora 1912, Bd. CIV. Schumann, C. 6. R., Anatomische Studien über die Knospenschuppen von Koni- feren und dikotylen Holzgewächsen. Bibl. bot. Kassel 1889. Schumann, Karl, Praktikum für morphologische und systematische Botanik. Jena 1904. Yapp, R. H., Spiraea Ulmaria L. and its bearing on the problem of xeromorphy in Marsh plants. Annals of botany 1912, Bd. XXVI, Eingegangene Literatur. €. Baumann, Die Vegetation des Untersees. Verlag von Huber u. Co, Frauen- feld. Preis: 50 Pf. Beiträge zur Biologie der Pflanzen, begr. von F. Cohn, herausgeg. von F. Rosen, XIH, 1 (Enthält: G. Lindner, Über die Gasbewegung in dikotylen Holz- gewächsen; R. Schaede, Studien zur Stammesgeschichte der Gefäßpflanzen- S. U. Kern’s Verlag, Breslau). M. Büsgen, Der deutsche Wald. 2. Auflage mit zahlreichen Abbildungen und 3 Tafeln (Naturw. Bibl. für Jugend und Volk). Verlag von Quelle u. Meyer in Leipzig. Preis: geb. M. 1,80, J. Györffy, Botanische Museumshefte (Botanikai Müzeum Fühbek), Bd. I, Jahrg. 1915, Kiausenburg 1916. Kerner's Pfianzenleben, 3. Aufl., bearbeitet von Prof. Dr. A. Hansen, L u. IL Verlag des bibliogr. Instituts in Leipzig. C. Leverenz, Vergleichende Sortenversuche mit Dickkopf-Winterweizen in den Jahren 1901—1910 (Arb. der deutschen Landwirtsch.-Gesellsch., Heft 298). H. Molisch, Pflanzenphysiologie als Theorie der Gärtnerei. Mit 129 Abbildungen im Texte. Jena 1916, Verlag von G. Fischer. Preis: 10 M. Rayss, Le Coelastrum proboscideum; Kryptogamenflora der Schweiz, V, 2. Verlag von K. J. Wyss, Bern 1915. Flora, Band 109. Taf. I. Verlug von Gusta” Fischer in Jena. Stojunore, Taf.I. Flora, Band 109. Strranow gen Yerlag von Gustav Fischer ın lens Flora Bd. 109, Taf. III af. . Fig, 1 Verlag von Gustav Fischer in Jena. J. B. Obernetter, München, reprod. Flora Bd. 109. Taf. IV. Fig. 3 Verlag von Gustav Fischer in Jena. J. B. Obernetter, München, reprod. Flora, Band 109. Verlag vor. Gustav Fischer ın Jena Scheitelzellsegmentierung und Blattstellung der Laub- mOOSe. Von Edmund M. Merl. {Mit 18 Figuren im Text.) Die Vorgänge, die bei vielen Laubmoosen statt der gemäß dem Wachstum mit dreischneidiger Scheitelzelle zu erwartenden 1/,-Stellung Blattstellungen einer höheren Divergenz bedingen, sind trotz der umfangreichen bereits hierüber vorhandenen Literatur noch immer nieht genügend geklärt. Lange Zeit war die Lorentz’sche Theorie!) die herrschende, die jene Abweichungen dem eigenartigen Teilungs- modus der Scheitelzeille des Laubmoosstämmehens zuschrieb., Die jüngste von der Scheitelzelle abgetrennte Segmentwand pflegt nämlich bei den hier in Frage kommenden Moosen nicht, wie es bei der drei- seitigen Scheitelzelle höherer Kryptogamen die Regel ist, parallel zur viertletzten zu verlaufen, sondern „greift in anodischer Richtung vor“, wo- durch das neue, sich zum Blatt entwickelnde Segment schon bei seiner Anlage eine asymmetrische Gestalt erhält. Correns?) zeigte an der Hand von Winkelmessungen und Winkelkonstruktionen, daß dieser Unistand zur Erklärung der tatsächlich bestehenden Divergenz nicht genügt. Vielmehr macht er nachträgliche seitliche Verschiebungen der Segmente noch innerhalb der Scheitelregion, hervorgerufen durch asym- metrisches Wachstum des einzelnen Segments und die daraus resul- tierende Torsion für das Zustandekommen größerer Divergenzen ver- antwortlich. Correns hat für diesen Vorgang den Ausdruck „Scheitel- torsion® eingeführt. In seinen Folgerungen weitergehend, spricht er die Vermutung aus, daß das Vorgreifen der Innenkante des jüngsten Segments nicht von Anfang an gegeben ist, sondern daß diese Wand ursprünglich parallel zur viertletzten angelegt wird und erst durch nach- trägliches asymmetrisches Wachstum des Segments die in anodischer Richtung vorgreifende Stellung erhält. Diese Annahme fand eine Stütze an den Untersuchungen Seckt’s®), der tatsächlich Parallelität der er- wähnten Segmentwände bei einigen Moosscheiteln zu fınden glaubte und die Gültigkeit der Schwendener’schen Theorie auch für die » Lorentz, P. G., Moosstudien. Leipzig 1864, pag. 21. 2) Correns, C., Über Scheitelwachstum, Blattsteliung und Astanlagen des Lanbmoosstämmchens. Festschrift für Schwendener. Berlin 1899. . 3) Seckt, H., Beiträge zur mechanischen Theorie der Blattstellungen bei Zelienpflanzen. Botan. Zentralbl, Beihefte, Bd. X (1901). Flora, Bd. 109. 13 190 Edmund M. Merl, Laubmoose, die von Goebel!) abgelehnt worden war, zu beweisen suchte. Daß Seckt’s Untersuchungen jedoch noch keine endgültige Erledigung der alten Streitfrage bedeuten, bemerkte bereits Giesen- hagen?). Goebel) erklärt im Gegensatz zu Correns und Seckt die Scheiteltorsion lediglich durch Wachstum der Sproßachse nicht durch irgendwelche hypothetischen Druckverhältnisse zwischen den Blättern untereinander oder mit der Sproßachse. Er stellt den Vor- gang als analog den spirotrophen Stengeltorsionen verschiedener Mono- kotylen gegenüber. Bezüglich des Wachstums der Scheitelzelle‘) weist er darauf hin, daß die Annabme Seckt’s jedenfalls keine allgemeine Gültigkeit haben kann, da bei manchen Moosen die Innenkante des jüngsten Segments eine Stellung einnimmt, die niemals aus einer zur viertletzten Wand parallelen hervorgegangen sein kann. Hinsichtlich weiterer, namentlich älterer Literatur sei auf die Zitate bei den ge- nannten Autoren verwiesen. Ziel der vorliegenden Untersuchungen wird im wesentlichen sein zu prüfen, wie die jüngste Segmentwand der Scheitelzelle sich bildet und welche Schlüsse sich daraus für die Beurteilung der Frage der Scheiteltorsion ziehen lassen. Material und Methode. Gegen Seckt’s Arbeit läßt sich hauptsächlich geltend machen, daß sie sieh auf ein zu geringes Untersuchungsmaterial stützt. Es war daher mein Bestreben, bei einer möglichst großen Anzahl von Moosen verschiedener Gattungen und Familien die Scheitelzellen zu untersuchen. Bis auf einiges von Herrn Geheimrat v. Goebel gütigst zur Verfügung gestelltes Material von Dawsonia und einem amerikanischen Pogonatum wurden nur häufigere, einheimische Arten verwendet. Das Material wurde, wenn irgendmöglich, im Freien gesammelt, da bei den anormalen Bedingungen der Laboratoriumskultur — Feuchtkultur usw. — eventuelle unkontrollierbare Beeinflussungen des Scheitelwachstums nicht aus- geschlossen waren. Wo daher kultivierte Pflanzen herangezogen wurden, wird dies angegeben sein. Ferner halte ich es für wichtig, genau die Zahl der jeweils untersuchten Scheitelzellen anzugeben, da nur so sich entscheiden läßt. ob zweifellos auch vorkommende Abnormitäten oder regelmäßig auftretende Fälle vorliegen. — Die zweckmäßigste Methode 1) Goebel, K. v., Organographie, 1. Aufl. Jena 1898, pag. 352. 2) Giesenhagen, K., Studien über die Zellteilung im Pflanzenreich. Stutt- gart 1905, pag. 86. 3) Goebel, K. v, Organographie, 2, Aufl., Jena 1913, I. Teil, pag. 207. 4} Goebel, K. v., Organographie, 2. Aufl., Jena 1915, Ii. Teil, pag. 79. Scheitelzellsegmentierung und Blattstellung der Laubmoose. 191 zur Bearbeitung eines größeren Materials ist die Einbettung der Ob- jekte in Paraffin und Zerlegung in genügend dünne Serienschnitte. Die Schnittdicke meiner Präparate betrug stets 5 «. Als Fixierungsmittel bewährtesich Juel’sche Lösung (in der schwächer alkoholischen [50°/,igen] Form). Nur bei Sphagnum verwandte ich schwache Flemming’sche Lösung. Um unnötiges Aufkleben allzulanger Schnittbänder zu ver- meiden, empfiehlt sich Stückfärkung mit Eosin und Durchmustern der unaufgeklebten Bänder unter dem Mikroskop, Als Färbemittel ge- brauchte ich Hämatoxylin nach Ehrlich mit darauffolgender Behand- lung der gut differenzierten Präparate mit Lichtgrün — Nelkenöl zum Zweck der Membranfärbung. Es folgt hier eine Übersicht über die von mir bearbeiteten Moose nach ihrer Familienzugehörigkeit geordnet. I. Bryales: A. Acrocarpi: Dicranaceae: Distichium capillaceum. Dieranum scoparium. Dicranella heteromalla. Leucobryaceae: Leucobryum glaucum. Pottiaceae: Barbula paludosa. Bryaceae: Bryum eirratum. Rhodobryum roseum. Mniaceae: Mnium rostratum. ” punctatum. „ undulatum. Aulacomniaceae: Aulacomnium palustre. Weberaceae: Diphyscium sessile. Polytrichaceae: Polytrichum juniperinum. strietum. ” Pogonatum sp. Catharinaea undulata. Dawsoniaceae: Dawsonia superba. B. Pleurocarpi: Leueodontaceae: Leucodon seiuroides. Neckeraceae: Neckera crispa. „ complanata. Homalia trichomanoides. Leskeaceae: Thuidium recognitum. Hypnum molluscum. Seleropodium purum. Hylocomium splendens. u triquetrum. Sphagnum sp. — 13* Hypnaceae: II. Sphagnales: 192 Edmund M. Merl, Distichium capillaceum. Diese Art gehört nach Correns (a. a. O.) zu den wenigen zwei- zeilig beblätterten mit zweischneidiger Scheitelzelle wachsenden Laub- moosen. Meine an drei Stämmchen vorgenommenen Untersuchungen bestätigten die Richtigkeit der Correns’schen Angaben. Die Art schaltet also für unsere Zwecke aus. Dieranum scoparium. Dicranum wurde bereits von Seckt untersucht. Schimpert) gibt als Blattstellung bei zwei anderen Arten derselben Gattung °/,, bei einer dritten 5/,, an. Bei meinen Querschnittpräparaten ergab sich (bei sieben Scheiteln) eine Divergenz von annähernd */,,, in zwei Fällen nach 3, neigend. Eine absolut genaue Bestimmung war mir natürlich weder bei dieser noch einer der später angeführten Arten möglich, schon weil ein genauer Mittelpunkt des Scheitels sich nicht angeben läßt, also Bestimmung der Divergenzen durch Winkelmessungen stets mehr oder minder willkürlich beeinflußt ist, die anderen Methoden der Divergenzbestimmung aber ebenfalls nur relativ genaue Werte liefern können. Übrigens sind diese Befunde ja für die engere Frage nicht von Bedeutung. Seckt gibt an, er habe bei Dieranum scoparium Parallelität zwischen jüngster und viertältester Segmentwand vorgefunden. Hier bedarf zunächst ein für allemal der Ausdruck „Parallelität" in dieser Anwendung einer Kritik. Er enthält die stillschweigende Voraussetzung, daß es zulässig sei, die gebogenen Linien der Segmentwände in den einzelnen Schnittbildern durch Gerade zu ersetzen. Auch Correns verwendet diese Methode, in der Annahme, daß die stets vorhandene Durchbiegung erst sekundär erfolgt sei: den Beweis hierfür hat bis jetzt noch niemand erbracht und damit wird auch besser jene auf dieser Vermutung gegründete Methode zu vermeiden sein, zumal, wie wir noch sehen werden, der eigen- artige Verlauf der Wände sehr zu ungunsten obiger Annahme spricht. Statt der Bezeichnung „parallel“ oder „nicht parallel“ sol] also in diesem Zusammenhang die alte Bezeichnung „in anodischer Richtung nicht. vor- greifend, bzw. vorgreifend“ gebraucht werden. — Die untersuchten Sprosse zeigten die jüngste Scheitelzellwand deutlich in anodischer Riehtung vorgreifend und zwar sowohl bei den drei Fällen, wo im 1) Schimper. W. P., Recherches anatomiques et morphologiques sur les Mousses. Strasbourg 1848. r Scheitelzellsegmentierung und Blattstellung der Laubmoose. 193 Jüngsten Segment noch keine weitere Teilung vorlag, wie in den übrigen vier Fällen, die bereits Teilungen hatten. Das Vorgreifen war so klar, daß von Parallelität selbst beim Heraussuchen einer besonders günstigen Schnitthöhe nicht gesprochen werden konnte. Die Bilder wichen stark von Seckt’s Figuren ab. Ein gradueller Unterschied im Vorgreifen der jüngsten Segmentwand an den verschieden alten Sprossen war nicht zu bemerken. Dicranella heteromalla. Die Blattstellung der drei untersuchten Exemplare betrug ®/,, bei einem mit Neigung nach ?/, in den obersten Schnittlagen der Serie. Bei zwei Sprossen waren im jüngsten Segment bereits Teilungen vor- handen, beim dritten fehlten solche noch. Gleichwohl war die jüngste Segmentwand auch in diesem Falle, wie in den beiden anderen in anodischer Richtung vorgreifend. Leucobryum glaucum. Von den vier untersuchten Scheiteln hatten alle 3/;-Stellung. Die jüngsten Segmente waren alle bereits geteilt. Die jüngste Scheitelzell- wand war anofisch vorgreifend. Von der „Parallelität“, die Seckt an- gibt, konnte ich nichts bemerken. Daß in diesem Falle die jüngsten Segmente schon ein längeres Wachstum seit ihrer Abtrennung von der Scheitelzelle hinter sich hatten, ist richtig. Trotzdem sind nach den oben bei Dieranum und Dieranella gemachten Erfahrungen, die durch die folgenden Untersuchungen sich bestätigten, die Resultate nicht wertlos. Barbula paludosa. Die Blattstellung schwankte an den gieben vorliegenden Sprossen zwischen ®/, und #/,,. Die Innenkante des jüngsten Segments war in drei Fällen deutlich anedisch vorgreifend, in vier Fällen konnte man ein Vorgreifen nicht klar wahrnehmen. Dabei schien das Alter der Segmente keine Rolle zu spielen, denn zwei der nicht vorgreifenden Segmente waren bereits geteilt, eines ungeteilt, beim vierten war das Bild undeutlich. Von den vorgreifender Segmenten waren zwei un- geteilt, das dritte geteilt, Bryum cirratum. Dies Moos bot im wesentlichen dasselbe Bild, wie die schon be- sprochenen Arten, Im ganzen gelangten 14 Sprosse zur Untersuchung, Bei sieben war das jüngste Segment noch ungeteilt, bei den übrigen 194 Edmund M. Merl, geteilt. Ich habe bisher noch nichts über die Form der das jüngste Segment von der Scheitelzelle trennenden Wand gesagt, wiewohl eigent- lich Wandstellung und Wandgestalt hier kaum zu trennen sind. Bei dieser Art, die sich aus technischen Gründen besser zur Untersuchung eignete, sei dies daher an der Hand einiger Zeichnungen nachgeholt. Fig. 10—g stellt eine Reihe von Schnitten durch eine Scheitelzelle dar, deren jüngstes Segment noch einzellig ist. Wie in allen übrigen Prä- Fig. 1@—g. Bryum eirratum. Scheitel des Stämmchens in Serienschnitte zerlegt. paraten von Bryum eirratum erscheint die jüngste Scheitelzellwand stark in anodischer Richtung vorgreifend. Verfolgen wir nun die Schnitte der Reihe nach von oben nach unten, so fällt uns zunächst auf, daß das Maß des Vorgreifens durchaus nicht gleich bleibt. Würde man etwa den Versuch machen — unter Voraussetzung der Zulässigkeit der Ersetzung gekrümmter Linien durch Gerade —, den Winkel zwischen Außen- und Innenkante des jüngsten Segments zu bestimmen, so be- Scheitelzellsegmentierung und Blattstellung der Laubmoose. 195 käme man beträchtlich schwankende Werte. Daraus geht klar die Un- richtigkeit der Methode hervor, das jeweils gerade am deutlichsten her- vortretende Einstellungsbild bei einem Aufhellungspräparat zu ver- gleichenden Messungen zu benützen. Wir haben es hier eben nicht mit Ebenen, sondern mit gekrümmten, noch dazu höchst kompliziert gekrümmten Flächen zu tun und wie diese, so verhalten sich in mehr oder weniger starkem Maße alle von mir untersuchten Moose. Ver- gleichen wir Schnitt z mit g, so sehen wir, daß die Innenkante des jüngsten Segments in @ konkav nach innen, in 2 dagegen konvex nach innen ist, die dazwischen liegenden Schnitte zeigen den allmählichen Übergang. Diese Erscheinung kehrt bei fast allen Moosen wieder, bei anderen Arten sogar noch schöner als hier. Ein Längsschnitt durch die Wand würde also ein S-förmiges Bild von ihr ergeben. Die Wand muß somit eine windschief gebogene Fläche sein, im oberen Teil kon- kav, im unteren konvex nach innen. Zu dieser Krümmungsart kommt aber hier offenbar noch eine zweite, die sich in einer scharfen Drehung des ganzen Segments äußert und am stärksten bei den jtingsten, inner- sten Segmenten, am schwächsten bei den ältesten, äußeren zu erkennen ist. Fig. 1a—g zeigt, wenn man versucht, die oberen Schnitte wit den unteren zur Deckung zu bringen, dies sehr deutlich. Rhodobryum roseum. Fünf Sproßspitzen kamen zur Untersuchung. Alle zeigten einen ähnlichen Typ wie die bisher besprochenen. Schimper (a. a. O.) gibt die Blattstellung mit 5/,, an. Ich fand in zwei Fällen /,,, in zwei an- nähernd ?/,-Stellung. Der Scheitel ist hier sehr flach, so daß sich nur die jüngsten Segmente gut im gleichen Querschnitt verfolgen lassen. Das Jüngste Segment war in allen Fällen bereits geteilt, die Innenkante in anodischer Richtung vorgreifend. Mnium rostratum. Hier ist zu unterscheiden zwischen den zarteren Ausläufern und den orthotropen Hauptsprossen. Bei den Hauptsprossen konnte ich zwei verschiedene Typen der Scheitelzellteilung feststellen, deren Vor- kommen bei ein und demselben Moos zunächst sonderbar erscheint. Der eine ist der uns von den bisher behandelten Formen her bekannte: Die Scheitelzelle ist auf allen Schnitten dreiseitig, die Innenkante greift in anodischer Richtung vor (Fig. 2«—4). Fig. 3 repräsentiert den anderen Typ. Schnitt «—/ folgen noch dem Schema 1. In Schnitt g dagegen springt die Innenkante des jüngsten Segments von Wand 2 auf 4 über, 196 Edmund M. Merl,? wodurch die Scheitelzelle eine fünfkantige Gestalt erhält, da bei der vorhergehenden Segmentierung der Vorgang sich in gleicher Weise abspielte. Schnitt % zeigt noch dasselbe Bild. Bei Schnitt z tritt aber die Innenkante von Wand 4 wieder auf Wand 2 zurück. Die jüngste Scheitelzellwand ist also auch hier windschief und zwar ist der Krümmungsmodus derselbe wie der oben besprochene: im oberen Stück OS „ase Fig. 2<—%. Mnium rostratum. Scheitel des Stämmehens in Serienschnitte zerlegt. yp 1. ist die Wand nach innen konkav, im unteren nach innen konvex, nur daß die rückläufige Krümmung so stark ist, daß die Wand gar nicht mehr Wand 2 trifft, sondern Wand 4. — Auch die Drehung der ganzen inneren Segmente ließ sich beim Versuch einen der obersten Schnitte mit einem der untersten zur Deckung zu bringen erkennen, wenn sie mn Scheitelzeilsegmentierung und Blattstellung der Laubmoose, 197 auch viel weniger augenfällig ist als in Fig. 1. — Daß ein solcher Verlauf der Wand niemals aus einer „parallelen“ Wandstellung hervor- gegangen sein kann, ist wohl nicht weiter auszuführen. Ein ähnliches Scheitelzellbild hat zuerst Hofmeister‘) von einem Polytrichum for- mosum gegeben. Da indes der Fall nur einmal erwähnt wurde, hat man ihm leider nicht die prinzipielle Bedeutung beigemessen, die ihm zukommt. Goebel (a. a. O. 1915) bringt eine Abbildung von Catha- rinaea undulata (s. unten), die dieselben Verhältnisse aufweist. > Fig. 3@—:i. Mnium rostratum. Scheitel des Stämmchensfin Serienschnitte zerlegt. Typ 2. Es wäre nun zu untersuchen, ob das Vierkantigwerden der Scheitelzeile von irgendwelchen äußeren Faktoren abhängt, ob hier nur vereinzelt vorkommende Abnormitäten vorliegen oder ob sich solche Fälle auch bei anderen Moosen regelmäßig finden. Ich habe im ganzen 16 Hauptsprossen von Maium rostratum be- obachtet, sämtliche Schnitte gezeichnet und habe um womöglich die 1) Hofmeister, W., Über die Zellenfolge im Achsenscheitel der Laub» moose. Bot. Ztg. 1870, pag. 461. 198 Edmund M. Merl, Scheitelzellen hinsichtlich ihres relativen Alters zwischen zwei Teilungs- schritten zu vergleichen die Dreiecksseiten in der Zeichnung an der Stelle, an der die Scheitelzelle den größten Umfang besaß, gemessen. Natürlich sind derartige Messungen höchst ungenau; denn es muß dabei die gekrümmte Dreiecksseite durch eine Gerade ersetzt werden, die Wahl der betreffenden zu messenden Schnittstelle beruht auf Schätzung, im Falle von Vier- bzw. Fünfkantigkeit wurde das sehr kurze vierte Seitenstück vernachlässigt; außerdem ist noch nicht bekannt, ob das Wachstum der Scheitelzelle nach oben und nach den Seiten gleichmäßig erfolgt, es wäre denkbar, daß noch ein Wachstum nach oben stattfindet, nachdem das Wachstum in die Breite bereits aufgehört hat, und schließ- lich passieren alle diese Vergleiche auf der Annahme, daß das Scheitel- zellwachstum zwischen zwei Teilungschritten konstant ist, d. h. eine neue Teilung erst eintritt, wenn eine als gleichbleibend angenommene Maximalgröße erreicht ist. — Als zweites Kriterium für das Alter der Scheitelzelle habe ich, wie Seckt, das Vorhandensein bzw. Fehlen von Teilungen im jüngsten Segment benützt. Serien- Scheitel nummer | Seitenlänge ° r zeile des ge- lin Millimete, " messenen | Vergr. zirka Schnittes Jüngstes Segment Scheitelzelle in Teilung ” ” » on 43:38:38 teilt [T: 46:38:39 er yr 41:34: 41:3 36: 35:2 35: 40: 39: 40 ” ungeteilt | „ angedeuteter Ranke meist verküm- merte Kannen zeigen. Es tritt also hier eine deutliche Annähe- rung an die Verhältnisse der Keimpflanze auf, die sich sowohl in der Blattstellung als in dem beinahe völligen Verlust der Ranke doku- mentiert. Aber in einzelnen Fällen geht die Reduktion noch weiter. So habe ich ein Blatt erhalten (Fig. 32), das vollkommen einem Primär- blatt glich, indem auch hier die Kanne gleichsam der Blattspreite auf ihrer Unterseite angewachsen war. so daß also auf der Oberseite die Blattränder vollkommen kontinuierlich. auf die Kannenoberfläche traten. Auch saß der Deckel mit breitem Ansatz an wie bei den Primär- blättern. Doch war die Spreite sowohl absolut wie relativ zur Kannen- größe nicht unbeträchtlich größer als bei den Primärblättern. Ferner traten an den Ampullariastecklingen oft linealische Blätter auf, die nur an ihrer Spitze eine Einbuchtung ihrer Oberfläche zeigten, der dann auf der Unterseite ein mit Tentakeln besetzter Vorsprung entsprach. Wenn ich auch aus Mangel an Material die Versuche mit Nepenthes ampullaria nicht in größerer Zahl vornehmen konnte, so zeigen doch m Fig. 32. Experimentell erzeugtes Pri- märblatt von Nep. ampullaria. Beiträge zur Kenntnis der Nepenthaceen, 255 die angeführten Resultate, daß auch bei Nepenthaceen die Primärblätter als Hemmungsbildungen aufzufassen sind und daß es möglich ist, durch Stecklinge Primärblätter experimentell hervorzurufen. 4. Reizphysiologisches, besonders über den Geotropismus und die Dorsiventralität der Kanne. Die Fähigkeit der Insektivorie hat bis jetzt das Interesse der- jenigen Untersucher, die mit physiologischer Fragestellung an die Untersuchung von Nepenthaceen gingen, so in Anspruch genomnien, daß über die Reizphysiologie von Nepenthaceen fast noch nichts be- kannt ist, obwohl die eigenartige Entwicklungsgeschichte des Blattes auf eigenartige Reizbarkeitsverhältnisse hinweisen mußte. Zuerst hat Goebel vermutet, daß die Aufkrümmung der heran- wachsenden Kanne eine an der Grenze von Kanne und Ranke statt- findende geotropische sei. Auf Grund zweier Versuche scheint auch Solms diese Ansicht sehr wahrscheinlich. Er legte eine Kanne hori- zontal mit den Flanken oben und unten, eine andere, die noch nicht ganz ihre Aufkrümmung vollendet hatte, stellte er invers. Im ersten Falle beobachtete er Aufwärtskrümmung der Kanne unter Deformation derselben, im zweiten Falle entwickelte sich unter Entwicklungsstö- rungen die Kanne in der inversen Lage weiter. Indessen wurden — nach Solms eigener Angabe — diese Versuche mit Kannen angestellt, die bereits zu alt und ausgewachsen waren, um eindeutige Resultate zu geben. Ich hatte nun Gelegenheit, nicht nur den Verlauf der Entwick- lung und der Wachstumsbewegungen während zweier Jahre an meh- reren tausend Kannen zu verfolgen, sondern ich habe auch mit vielen hunderten von Kannen Experimente anstellen können, und zwar habe ich hauptsächlich mit Nepenthes eompacta, in einigen Fällen mit Nepenthes mixta, experimentiert. Alle Angaben gelten zunächst nur für Nepenthes compacta, da die Verhältnisse nicht bei allen Arten gleich sind. Wie schon im morphologischen Teil erwähnt, krümmt sich die Ranke, die zunächst in einer Geraden mit der Mittelrippe der Spreite liegt, unter starker Streckung bei der Blattentfaltung nach unten. Es war also zu untersuchen, ob diese Krümmung auf Geotro- Pismus, Epinastie oder der mechanischen Schwerewirkung der Kanne bzw. der Ranke selbst beruhe, oder ob zwei oder drei Faktoren bei der Krümmung mitwirken. Zu diesem Zwecke wurden zwei Pflanzen an der horizontalen Achse des Klinostaten rotiert. Schon nach ein- bis zweitägiger Rotation hatten sich die jungen gekrümnıten Ranken 17* 256 Kurt Stern, vollkommen gerade gestreckt und in die Verlängerung der Mittelrippe der Lamina gestellt. Und in dieser Richtung wuchsen sie auch weiter. Natürlich mußten sie, um eine geotropische Reizung durch Lagever- änderung während der Rotation zu vermeiden, befestigt werden. Bei ganz jungen Ranken genügte es, wenn man die Stelle, wo Ranke und Blatt aneinander stießen, mit Bindfaden an einen in den Topf ge- steckten Bambusstab anband, so daß also die Ranke völlige Krümmungs- freiheit besaß. Bei längeren Ranken wurde noch etwa 3 cm höher ein Knoten um Ranke und Stab geschlungen, jedoch behielt auch hier das Rankenende völlige Freiheit und auch ein Krümmungsbestreben in dem locker angebundenen Teil hätte sich sofort bemerkbar gemacht. Um die eventuelle mechanische Wirkung des Gewichtes von Ranke und Kanne zu prüfen, wurden Ranken horizontal gelegt und durch Auflegen auf Bambusstäbe unterstützt. Stets trat Abwärtskrümmung ein. Dasselbe Resultat erhielt ich, als ich an der Grenze von Kanne und Ranke schräg ah einen Bindfaden befestigte, an dessen anderem Ende ein kleiner das Gewicht von Ranke und Kanne äquilibrierender Stein angebunden war, und den Faden über einen über dem Blatt befindlichen Kehräg nach Draht führte. Daraus geht hervor, daß a unten die Krümmung auch keine Lastkrüm- Fig. 33. Schema zur Erlänterung UNE ist. Also muß sie geotropisch sein. der Versuchsanordnung. Die Ranke ist also zunächst rekti- petal und positiv geotropisch. Es fragt sich, ob sie dies auch während der ganzen Blattentwicklung_ bleibt. Für die Rektipetalität ergibt sich dies mit großer Wahrscheinlichkeit. daraus, daß, abgesehen von der einen positiv geotropischen Krüm- mung, die Ranke völlig gerade ist und bleibt. Zur Untersuchung des geotropischen Verhaltens der Ranke in späteren Entwicklungs- stadien ist eine genauere Kenntnis des Reaktionsvermögens von Ranke und Kanne in diesen Stadien nötig, und diese Kenntnis suchte ich mir durch eine Anzahl systematisch durchgeführter Versuchsreihen zu ver- schaffen. Zum Verständnis der Versuche muß ich einiges voraus- schieken. Untersucht wurden fünf verschiedene Stadien, wie aus dem Schema Fig. 33 ersichtlich, Stadien, die, wie im morphologischen Teil beschrieben, das Blatt im Laufe seiner Entwicklung durchläuft: Stadium — 90,0, +90 und die dazwischen liegenden „Kanne schräg nach unten“ und „Kanne schräg nach oben“. Jedes einzelne dieser ‚so Beiträge zur Kenntnis der Nepenthaceen. 257 Stadien habe ich in vier Lagen untersucht und zwar so, daß in jedem dieser Stadien die Kanne 1. vertikal, 2. horizontal, 3. schräg nach oben, 4. schräg nach unten lag. Dadurch ergeben sich 20 verschiedene Fälle. Aber in diesen 20 Fällen ist die Lage noch nicht eindeutig be- stimmt. Da die Kanne ein dorsiventrales Gebilde ist, so kann noch unterschieden werden, ob die Alae nach oben oder nach unten, die Kanne also auf dem Rücken oder Bauch liegt oder ob sie auf einer Flanke liegt, und ferner war zu untersuchen, wie in jedem Falle die Reaktion ausfällt, wenn Ranke und Kanne, nur die Ranke oder nur die Kanne Bewegungstfreiheit haben. Auf diese Weise ergaben sich, wie aus den Tabellen (pag. 277—280) ersichtlich, 168 Versuchsanordnungen. Aber selbst die angeführten Versuche reichen noch nicht dazu aus, ein vollkommenes Bild der Reaktionen von Kanne und Ranke zu geben. Vergegenwärtigt man sich das im morphologischen Teil über den annendimorphismus Gesagte, daß man nämlich unterscheiden muß zwischen Kannen. deren Alae der Ranke zugewandt, abgewandt sind und solchen, die sich mit der Flanke aufkrümmen, so sieht man, daß eigent- lich noch jede dieser drei Blattformen in jedem Falle hätte untersucht werden müssen. Schematisch durchgeführt habe ich aber die Unter- suchung nur bei den Ascidia radiealia.. Bei den Aseidia intermedia und caulina habe ich davon absehen können, da nach den an Jen Ascidia radiealia gewonnenen Ergebnissen zur Klarlegung der Verhält- nisse bei den anderen Formen eine geringere Anzahl von Versuchen genügte. Die Tabellen beziehen sich also auf die Ascidia radicalia. Fast jede Versuchsanordnung ist in mehreren Fällen untersucht worden und dabei hat sich ergeben, daß oft bei ein und derselben Lage und Stadium — dasselbe Stadium zum mindesten soweit als das Entwick- lungsstadium äußerlich am Grad der Kannenaufkrümmung erkennbar ist — zwei bis drei verschiedene Reaktionsmöglichkeiten vorhanden sind. Dies liegt einerseits daran, daß individuelle Verschiedenheiten in der Reaktionsfähigkeit vorhanden sind, zum Teil aber daran, daß eben der Aufkrümmungswinkel kein sicheres Kriterium für den Ent- wicklungsgrad abgibt. Das kann man oft schon äußerlich erkennen. So ist die Krümmungsfähigkeit der Ranke verschieden, sie nimmt mit ‘lem Alter ab und erlischt schließlich. Bei einiger Vertrautheit mit der Pflanze kann man sie nach der Dicke und Härte der Ranke ab- schätzen und findet dann, daß z. B. bei manchen Blättern im Stadium ‚zwischen 0° und -+90° die Ranke noch sehr reaktions-, bei anderen schon sehr wenig reaktionsfähig ist. Auf diese Verhältnisse komme ich noch bei der Diskussion der Versuchsergebnisse zurück. Zunächst Noch einige Bemerkungen zur Versuchsmethodik. 258 Kurt Stern, Die Blätter wurden im allgemeinen dadurch in die richtige Lage gebracht, daß um das an die Spreite stoßende Ende der Ranke ein grober Bindfaden geknüpft wurde, der seinerseits an einen Draht oder einen passend angebrachten Holz- oder Bambusstab geknotet wurde. Der dicke rauhe Bindfaden hat eine sehr beträchtliche Rei- bung, so daß er auch ganz fest an der Ranke hält, wenn man den Knoten nicht stramm zusammenzieht. Tut man nämlich letzteres, so treten oft durch Quetschungen Verwundungen auf, die zum Absterben, zum wenigsten aber zur Aufhebung der Reaktionsfähigkeit und des Weiterwachstums führen. Wenn nur die Kanne beweglich sein sollte, wurde die Ranke wenigstens stellenweise eingegipst. Die Eingips- methode hat allerdings gewisse Fehler. Das Durchbrechen des Gipsver- bandes läßt sich bei den in vollem Wachstum begriffenen jungen Ranken und Kannen oft nicht vermeiden; denn wählt man den Gips- verband sehr stark, so wird oft das wachsende Organ durch den von ilım selbst hervorgebrachten Druck erdrosselt. Bessere Resultate er- hielt ich mit Anbinden der Ranke an einen dünnen Holzstab von der Länge der Ranke, indem an beiden Enden der Ranke, eventuell auch an einigen Stellen dazwischen Bindfaden um Ranke und Stab gesponnen und verknotet wurde. Schädlich wirkte ein völliges Einspinnen der Ranke mit Zwirn; man sieht dann nach Entfernung des Zwirns deutlich eine Reihe brauner Streifen auf der Ranke, woraus sich ohne weiteres ergibt, daß Störungen auch in den Reizkrümmungen auftreten. Bei entsprechender Berücksichtigung der besprochenen Fehlerquellen reichen indessen die angegebenen Methoden völlig dazu aus, um widerspruchsfreie und jederzeit reproduzierbare Versuchsresultate zu erhalten. Sollte nur die Ranke reaktionsfähig sein, so versuchte ich dies in analoger Weise wie bei der Kanne durch Eingipsen der Kanne oder der Kannenbasis zu erreichen. Wenn es auch in einzelnen Fällen ge- lang, Ergebnisse zu erzielen, so erwiesen sich hier doch die Störungen durch Absterben oder Durchbrechen des Gipsverbandes als so beträcht- lich, daß auf diesem Wege in vielen Fällen eindeutige Versuchsergeb- nisse nicht gewonnen werden konnten, z. B. ein Ergebnis darüber, ob geotropische Reizleitung von Kanne zu Ranke stattfindet oder nicht. Weiter unten wird hierfür eine andere Methode angegeben. Der Diskussion der Versuchsresultate möchte ich vorausschieken, daß es sich bei diesen Reaktionen nicht um phototropische oder photo- nastische handelt, da sie, wie die unmittelbare Beobachtung im Ge- wächshans lehrt, keinerlei Beziehung zur Lichtrichtung zeigen und wie ich durch Einstellen von Pflanzen in Kästen aus schwarzer Pappe fest- Beiträge zur Kenntnis der Nepenthaceen. 259 stellte, im Dunkeln genau ebenso verlaufen wie im Hellen. Damit ist natürlich keineswegs behauptet, daß die Kannen in keinem Falle photo- tropisch empfindlich seien oder photonastisch reagieren könnten. Während bei einigen Arten freilich ein eventuell vorhandener Phototropismus nach meinen Beobachtungen äußerst gering sein müßte, z. B. bei der von mir hauptsächlich zu den Versuchen verwandten Nepenthes com- pacta, könnte vielleicht bei anderen Arten in gewissen Entwicklungs- stadien ein merklicher Phototropismus vorhanden sein. Ich konnte bis jetzt erst wenige Versuche in dieser Richtung anstellen, indem ich junge Kannen von Arten, die nach Gewächshausbeobachtungen einen gewissen Phototropismus zu besitzen schienen, in schwarze Pappzylinder mit einem schmalen Spalt stellte und untersuchte, ob eine Krümmung nach oder vom Spalt oder senkrecht vom Spalt eintrat. Die bis jetzt angestellten Versuche fielen negativ aus, doch ist eine ausführliche Prüfung der Frage erforderlich. Aus meinen Versuchen geht nun folgendes hervor: Wird Kanne und Ranke in irgendeinem Stadium der Entwicklung in eine andere als die normale Lage zur Schwerkraft gebracht, so biegt sich die Ranke senkrecht nach unten, d. h. in die normale Lage und führt dadurch auch die Kanne in diese, vorausgesetzt, daß Kanne und Ranke oder wenigstens Ranke in ihrer Reaktionsfähigkeit nicht künstlich gehemmt werden (z. B. Versuch 1, 16, 25, 34, 37, 61, 70, 133). Daraus folgt, daß die Ranke in allen Entwicklungsstadien positiv geotropische Reaktionen ausführen kann. Da diese Reaktionen gleichgerichtet und gleich aus- fallen, welche Seite der Ranke auch nach oben zu liegen kommt, so ergibt sich mit großer Wahrscheinlichkeit, daß die Ranke geotropisch radiär reagiert. Unentschieden bleibt zunächst noch, ob die Krümnung kraft eigenem Geotropismus oder infolge von Reizleitung von der Kanne aus ausgeführt wird. Die Reaktionsfähigkeit der Ranke erlischt etwas früher als die der Kanne. Legt man also 2. B. bereits völlig aufgekrümmte und entwickelte Kannen horizontal, so biegt sich die Ranke, falls noch reaktionsfähig nach unten, falls nicht mehr reaktions- fähig, sucht sich die Kanne aufzukrümmen. Diese Aufkrümmung be- ginnt im allgemeinen etwa in der Mitte der Kanne und schreitet nach der Basis fort (s, Fig. 34, Versuch 24). Daraus geht hervor, daß u Kanne negativ geotropisch ist, wenigstens im ausgewachsenen Zustande (vgl. Versuch 34, 102, s. Fig). Versuche mit Kannen früherer Ent- wicklungsstadien, bei denen eine Rankenkrümmung verhindert wurde, ergeben ebenfalls negativ geotropische Krümmung. Aber allzuviel kißt sich aus diesen Versuchen nicht entnehmen, da die Reaktionszeit lang 260 Kurt Stern, Zu Vers. 24, Zu Vers. 18. Zu Vers. 102. Zu Vers. 43. Zu Vers, 61 Zu Vers, 61. 74 7 II Zu Vers, 105. Zu Ver. 141. Zu Vers. 73. Fig. 34, Schematische Figuren zu den geotropischen Versuchen. Beiträge zur Kenntnis der Nepenthaceen. 261 ist, wenige Tage bis wochenlang, und inzwischen in der sich weiter entwickelnden Kanne Umstimmungen vor sich gegangen sein können, so daß man kein sicheres Bild von der geotropischen Reizbarkeit in dem Stadium erhält, in dem die Ablenkung aus der Ruhelage vor- genommen wurde. Nur soviel läßt sich sagen, daß die Kanne erst ein gewisses, nach äußerlichen Merkmalen bis jezt nicht zu präzisierendes Entwicklungsstadium erreicht haben muß, um sich selbst geotropisch krümmen zu können und daß das Endresultat einer jeden Krümmung die normale Vertikaistellung oder eine auf die normale Vertikalstellung der Kanne hingerichtete Krümmung ist. Daher läßt sich auch nicht ohne weiteres entscheiden, welche geotropische Sensibilität die Kanne in dem Stadium hat, in dem sie vertikal nach unten sieht und noch in einer Richtung mit der Geraden ist. Ist die Kanne aufgekrümmt und der Ranke parallel, so liegt zwischen Ranke und Kanne ein kleines mehr oder weniger horizontales Stück, das ich kurz als „Zwischenstück“ bezeichne. Das Zwischenstück ist weder morphologisch noch physiologisch scharf charakterisiert. Als Charakteristikum der Kanne muß man Ausgehöltsein und Dorsiventralität ansprechen. Während nun, wenn die Kanne erst bis zur Horizontalen aufgekrümmt ist, bei Nepenthes compacta ein nicht ausgehöhltes Ge- webestück hinter der Kanne horizontal liegt, wird dieses horizontal liegende Stück im Laufe der Weiterentwicklung ausgehöhlt. Und diese Verhältnisse variieren nun noch bei ein und derselben Pflanze und bei den einzelnen Varietäten und Arten. $o ist z. B. bei Nepenthes mixta, wenn die Kanne entwickelt ist, nicht aber in den ersten Stadien der Aufkrümmung nicht nur das horizontale Stück, sondern auch der untere Teil der Ranke hohl. Da aber andererseits die typische Ranke nicht ausgehöhlt ist, so wird man das „Zwischenstück“ weder als zur Ranke, noch also zur Kanne gehörig bezeichnen dürfen. Auch als horizontal kann man es im strengsten Sinne nicht bezeichnen, da ja Ranke und Kanne nicht durch ein zu beiden genau rechtwinkliges, son- dern durch ein mehr oder weniger abgeplattet halbkreisförmiges Stück verbunden sind. . Die Bildung des Zwischenstückes kann nun auf vier Ursachen beruhen: I. auf Hyponastie, II. auf Geotropismus, III. auf dem Zusammen- wirken von Hyponastie und Geotropismus, IV. auf dem Zusammenwirken von Epinastie und Geotropismus, V. auf dem Zusammenwirken von Geotropismus, Hyponastie und Epinastie und außerdem könnte das Verhalten in verschiedenen Entwieklungsstadien ein verschiedenes sein. Zur völligen Entscheidung über die Realisiertheit dieser Möglichkeiten 262 Kurt Stern, ist es nötig. eine etwa vorhandene Hyponastie oder Epinastie rein, d. h. ohne Verbindung mit geotropischer Reaktion zum Ausdruck zu bringen. Dies kann nach der von Kniep bei Lophospermum angewandten Me- thode geschehen. Doch habe ich diese Versuche noch nicht ausgeführt, da ich anfangs glaubte, mit dem de Vries’schen Flankenstellungs- versuch analogen Versuchen (Versuch 3. 12, 21, 30, 39) zum Ziele zu kommen. Doch bin ich auf diese Weise zu keinen entscheidenden Resultaten gekommen, aus Gründen, auf die ich in dieser Arbeit nicht näher eingehe. Wie aber auch die nastischen Verhältnisse liegen mögen, soviel ist sicher, daß während der ganzen Aufkrümmung der Kanne und demgemäß bei der Bildung des Zwischenstückes Geotropismus wirkt, und zwar ausschlaggebend wirkt, so daß seiner Wirkung gegen- über möglicherweise vorhandene Nastien nicht ins Gewicht fallen. Dies beweisen folgende Versuche: 1. Ein Aseidium caulinum, zwischen — 90° und 0° aufgekrümmit, etwa — 15°, wird vertikal mit der Mündung nach oben gestellt. Die Ranke wird am Herabbiegen gehindert. Der Winkel zwischen Kanne und Ranke erweitert sich durch stärkeres Wachstum der Oberseite am Aufkrümmungsort und dadurch biegt sich die Kanne in eine Lage bis etwa 25° über der Horizontalen (also zwischen 0° und + 90°) zurück. 2. Ein Aseidium caulinum, etwas über die Horizontale aufgekrümmt, wird vertikal mit der Mündung nach oben gestellt, die Ranke am Niederbiegen verhindert. Kanne biegt sich in 2 Tagen um etwa 45° durch Erweiterung des Winkels zwischen Kanne und Ranke zurück 44.6. Juli 1915), 3. Ein Aseidium caulinum, zwischen 0° und 490° aufgekrümmt, etwa 445°, wird vertikal gestellt, die Ranke am Niederbiegen ver- hindert. Innerhalb von 24 Stunden hat sich der Winkel zwischen Kanne und Ranke um 45° erweitert. 4. Ein Ascidium radicale, zwischen 0° und -+ 90° aufgekrümmt, etwa —+45°, wird vertikal gestellt, die Ranke am Niederbiegen ver- hindert. Nach 2 Tagen beträgt infolge stärkeren Wachstums der Ober- seite der Krümmungsseite, der Winkel zwischen Kanne und Ranke etwa 90° (6.—8. Mai 1915). 5. Ein Aseidium radicale, zwischen 0° und —-90° aufgekrümmt, etwa 435° wird vertikal gestellt; Ranke bleibt beweglich. Nach 2 Tagen hat sich das Rankenende vertikal nach unten gebogen und der Winkel zwischen Kanne und Ranke auf 90° erweitert. 6. Ein Aseidium radicale, zwischen 0° und + 90° aufgekrümmt, etwa —+-65° vertikal gestellt, Ranke nicht beweglich. Die Kanne biegt Beiträge zur Kenntnis der Nepenthaceen. 263 sich zurück, ohne die ursprüngliche Lage zum Erdradius zu erreichen. Nun wird die Kanne wiederum vertikal gestellt, sie biegt sich abermals zurück: Kanne wieder vertikalu.s.f,, bis die Kanne einen großen stumpfen Winkel mit der Ranke bildet und in diesem Stadium den Deckel öffnet. In allen Versuchen tritt natürlich nach der Rückkrümmung wieder die normale Krümmung ein. Ich habe hier nur einige aus einer großen Anzahl von Versuchen herausgegriffen, die unter ganz entsprechenden Bedingungen angestellt wurden und deren Anführung nichts Neues ergeben würde. Weitere Beispiele findet man auch in der Tabelle (Versuch 133, 136, 139, 160). Allen diesen Versuchen ist gemeinsam, daß die Kanne aus der ihrem augenblicklichen Entwicklungsstadium entsprechenden Lage zum Erdradins hinausgenommen und in eine einem späteren Entwicklungs- stadium entsprechende — höhere, in bezug auf die Gradeinteilung von — 90° bis +90 — Lage zum Erdradius gebracht wird. Und zwar ist in den angeführten Versuchen die höchste Lage, die Vertikallage. gewählt, nicht deshalb, weil allein in ihr der typische Effekt dieser Verschiebung, die Rückkrümmung, eintritt, sondern, weil sie in ihr am besten eintritt, und weil bei den bereits ziemlich weit, über + 45°, aufgekrümmten Kannen, wenn man sie in eine tiefere Lage als die Vertikale, z. B. 80°, bringt, die Rückkrümmung nicht deutlich zu erkennen ist, da in diesem Falle die Differenz der Lagen zu gering ist. Wird umgekehrt die Kanne in eine Lage gebracht, die tiefer ist als die, die sie in ihrer normalen Lage innehatte, so verkleinert sich durch stärkeres Wachstum der Unterseite der Aufkrümmungszone der Winkel zwischen Kanne und Ranke (Versuch 88). . Aus all diesen Versuchen folgt, daß der Aufkrümmungsprozeß geotropisch bedingt ist; «lenn in diesen Versuchen ändert sich ja nur die Lage zum Erdradius und die Reaktion, die ebenfalls in einer An- derung der Lage der Kanne zum Erdradius besteht, muß auf der Wir- kung dieser Veränderung beruhen. Es folgt, dat die geotropische Reaktion eine etwa vorhandene Hyponastie überwinden kann; dem in den verschiedensten Stadien tritt eine der eventuellen hypnostatischen Krümmung entgegengesetzte Krümmung auf. Und es folgt, daß die Aufkrümmung der Kanne keine einfache negativ geotropische sein kanıı. etwa wie die eines invers gestellten negativ geotropischen Blütensüieles: denn sonst dürfte keine Rückkrämmung aus der Vertikalen stattfinden. Die angeführten Versuche reichen zur Begründung dieser Folgerungen vollkommen aus. Doch ist noch ein extensiveres Studium der Rück- krümmungsreaktion nötig. So habe ich bis jetzt noch keine Rück- 264 Kurt Stern, krümmung unter die Horizontale erreicht und keine Rückkrümmung von in die Vertikale gestellten Kannen, die gerade bis zur Horizontalen aufgekrümmt waren. Es wäre zwecklos hier auf die Deutung von Erscheinungen einzugehen, die experimentell noch nicht genügend sicher gestellt sind. Eine genaue Determinierung des Aufkrümmungsprozesses ist jedoch mit den erhaltenen Resultaten noch lange nicht gegeben. Da das Fehlen einer Epinastie nicht bewiesen ist, so könnte die Aufkrümmung eine einen entgegenwirkenden epinastischen Prozeß überwindende geotro- pische sein. Wenn aber auch im normalen Aufkrümmungsprozeß der Geotropismus eine möglicherweise vorhandene Epinastie überwindet, so braucht dies nicht ohne weiteres unter veränderten Verhältnissen der Fall zu sein. Wir wissen nicht — Fitting, Czapek und Kniep haben darauf hingewiesen — ob «ie geotropischen Empfindungen und Reaktionen in verschiedenen Lagen zum Erdradius nur quantitative oder auch qualitative Unterschiede aufweisen. Wir wissen ferner nichts über die eventuelle Verknüpfung von Geotropismus und Epinastie. Deshalb ist es von vornherein möglich, daß die Zurückkrümmung der Kanne darauf beruht, daß, wenn sie plötzlich in eine andere Lage zur Schwerkraft gebracht wird, die durch Zusammenwirken von Epinastie und Geotropismus zustandekommende Resultante sich ändert und daß durch diese Veränderung der Resultante die Rückkrümmung bedingt wird. Die prinzipielle Möglichkeit eines derartigen Verhaltens, die bereits Kniep erörtert hat, läßt sich nicht bestreiten. Indessen ist &s höchst unwahrscheinlich, daß die Verhältnisse im vorliegenden Falle so liegen, zumal wenn man die außerordentlich beträchtliche Erweiterung, die der Winkel zwischen Kanne und Ranke erfahren kann, in Betracht zieht (s. Fig. 35 zu Versuch 78; vgl. Versuch 6, pag. 50). Viel wahr- scheinlicher ist, daß auch ohne Vorhandensein einer Epinastie die Rückkrämmung der Kanne in den angeführten Versuchen eintreten würde. Solange diese Vorfrage aber nicht entschieden ist, muß auch unentschieden bleiben, ob bei Rückkrümmung bzw. Aufkrümmung der Kanne eigener (Greotropismus des Zwischenstückes oder Reizleitung von Kanne und Ranke oder beides wirkt, und es muß unentschieden bleiben, ob Zwischenstück und Kanne während der Entwicklung eine bestimmte geotropische Ruhelage haben oder zeitweise oder andauernd Umstim- mungen erfahren. Ich gehe nun zu der Frage über, ob die Herabkrümmung der Ranke in den erwähnten Versuchen auf Reizleitung oder eigenem Geo- tropismus beruht. Zur Entscheidung dieser Frage dienen folgende Versuche, die in zahlreichen Fällen mit gleichem Ergebnis angestellt Beiträge zur Kenntnis der Nepenthaceen. 265 wurden. Zwischen Ranke und die in beliebigem Aufkrümmungsstadium befindliche Kanne ist eine passend zurechtgeschnittene etwa 2 mm dicke Korkplatte gelegt und mit Zwirn so befestigt, daß der Faden um Kork und Aufkrümmungszone verläuft. Bisweilen wurde auch außerdem der Kork dort, wo er an Kanne und Ranke stieß, mit Pla- stilin angeklebt. Besonders achtete ich darauf, daß Jie an die Ranke grenzende Korkseite niedrig war und demnach nur ein sehr kleines basales Rankenstück an der Krümmung verhindert wurde. Sucht sich nun die Kanne weiter aufzukrümmen, so wird sie durch den schwer komprimierbaren Kork daran verhindert. Da sie sich aber vollkommen normal weiter entwickeln kann und entwickelt, bleibt sie dadurch not- wendigerweise in einer von der geotropischen Gleichgewichtslage ent- fernten Lage. Fände Reizleitung statt, so müßte sich die Ranke nach DM Zu Vers. 78. Fig. 35. Schematische Figuren zu den geotropischen Versuchen. aufwärts biegen und dadurch die Kanne in die normale Stellung bringen. Dies geschieht indessen nicht. Wählt man die Korkplatte an der Kannenseite etwa so lang, wie die Kanne während der Entwicklung wird, so entwickelt und öffnet sich die Kanne in der Lage, die sie zu Beginn des Versuches einnahm. Wählt man sie hinreichend kürzer, so biegt sich die Kanne dort, wo sie die Korkplatte nicht mehr hin- dert, vertikal nach oben. Daß das Ausbleiben der Aufbiegung der Ranke nicht deshalb unterbleibt, weil die Ranke nicht imstande ist, die dazu erforderliche Arbeit für die Hebung der Kanne zu leisten, geht aus zahlreichen anderen Versuchen hervor (s. Fig. 34 zu Versuch 43, 61), in denen die Ranke mindestens ebenso beträchtliche Hebungs- arbeit leistet. Also berukt die geotropische Herabkrümmung der Ranke, wenn Ranke und Kanne aus ihrer normalen Lage entfernt 266 Kurt Stern, — m VVıL BIPEWERG AN ar NL Fig. 36. Schematische Figuren zu den geotropischen Versuchen. Beiträge zur Kenntnis der Nepenthaceen. 267 werden, auf ihrer eigenen Geoperzeption. Wenn auch in den geschil- derten Versuchen keinerlei Reizleitung wahrgenommen werden konnte, so scheinen mir doch einige andere Versuchsergebnisse dafür zu sprechen, daß in gewissen Fällen eine solche stattfinden kann, nämlich die, in denen Rankentorsionen eintreten, um die Kanne in ihre dersi- ventrale Ruhelage zu überführen. Die Kanne ist nämlich physiologisch dorsiventral, also am Ende ihrer Entwicklung eines der nicht eben häufigen orthotropen physiologisch dorsiventralen Gebilde. Diese Dorsi- ventralität geht zweifellos aus einer Reihe von Versuchen hervor, z. B. Versuch 21: Ranke und Kanne parallel, Kanne auf eine Flanke gelegt, so daß die Alae horizontal, nur Kanne beweglich. Wäre die morpho- logisch dorsiventrale Kanne physiologisch radiär, so müßte sich die Kanne einfach geotropisch aufbiegen. Der Versuch zeigt, daß die Kanne sich durch stärkeres Wachstum der Oberseite an der Kannen- basis um 90° dreht, so daß die Alae nach oben zu liegen kommen und sich gleichzeitig geotropisch aufkrümmt. Die Drehung ist je nach der Reaktionsfähigkeit der Kanne mehr oder weniger vollständig (vgl. Versuch 12, 30, 39). In analoger Weise tritt eine Drehung der Kanne - stets auf, wenn die Kanne außer einer Abweichung von der geotro- pischen Ruhelage eine Abweichung von der dorsiventralen Ruhelage aufweist, sofern die Abweichung eine die Reizschwelle überschreitende Erregung hervorruft. Befindet sich die Kanne in der labialen dorsi- ventralen Ruhelage, so beobachtet man in der Regel keine Torsion, so daß es scheinbar gleichgültig ist, ob die Kanne auf dem Rücken oder auf dem Bauch liegt (z. B. Versuch 18, 105, 141, s. Fig. Die Auf- krümmungsreaktion wird jedoch meist stark verzögert, die Entwicklung geht aber weiter. Daher ist oft ein Stehenbleiben in der betreffenden Lage zu beobachten. Man vergleiche den eingangs der reizphysiologischen Betrachtungen zitierten Versuch von Solms. Eine nahezu aufgekrümmte Kanne wurde invers gestellt und entwickelte sich in dieser Lage „nicht ohne mancherlei Entwicklungsstörungen“. Diese „mancherlei Entwick- lungsstörungen“ sind Deformationen und Torsionserscheinungen. die die noch wachsende Kanne infolge ihrer Dorsiventralität und infolge ihres Bestrebens, aus der labilen in die stabile Ruhelage überzugehen, er- leidet. Tritt aber eine geotropische Aufkrümmung ein, so geschieht dies oft erst dann, wenn die Kanne in der betreffenden Anfangslage zu einem Stadium sich entwickelt hat, das im Laufe der normalen Ent- wicklung erst in einer der geotropischen Ruhelage viel näheren Lage sich findet. Im allgemeinen tritt die geotropische Reaktion schneller ein als die dorsiventrale Reaktion. Deshalb ist letztere auch oft nicht 268 Kurt Stern, zu bemerken, wenn z. B. die Kanne auf der Flanke schräg nach oben liegt. Denn die Abweichung von der dorsiventralen Ruhelage variiert in unserem Falle nach zwei Richtungen, 1. je nach dem Winkel, um den die Medianebene der Kanne aus derjenigen Lage herausgedreht ist, in der die Alae oben liegen, also je nachdem, ob die Kanne mehr ‚oıler weniger auf Rücken oder Bauch liegt, 2. je nach dem Grade der Ablenkung von der normalen geotropischen Ruhelage, der Vertikalen. Dies beruht darauf, daß die Dorsiventralität sich in dieser Lage über- haupt nicht mehr bemerkbar macht, da es ja in ihr ein oben und unten von Alae- und Gegenseite nicht gibt. Je mehr sich also die Kanne dieser Lage nähert, um so geringer wird ihre Abweichung von ‚der ‘dorsiventralen Ruhelage. Da nun infolge des schnelleren Ein- setzens der geotropischen Reaktion die Kanne nach oben gebogen wird, so kommt sie in Lagen, in denen ihre Dorsiventralität immer unwirk- samer wird, sie nähert sich also auch hier ohne Drehung ihrer dorsi- ventralen Ruhelage‘). Zusammenfassend läßt sich sagen: Befindet sich die Kanne in einer von ihrer stabilen dorsiventralen Ruhelage ab- weichenden Lage und damit zugleich in einer von ihrer geotropischen Endruhelage — der Vertikalen — abweichenden Lage, so kann ein Drehungswiukel von 0° -180° auftreten und eine Aufkrümmung um 0°—180°. Die Größe dieser beiden Winkel ist abhängig von der Größe der Erregungen, den absoluten Größen und dem Verhältnis der Reaktionsfähigkeiten und dem Winkel der Richtungen, in dem die beiden Erregungen das Wachstum zu beeinflussen suchen. Allgemein folgt, daß man scharf unterscheiden muß zwischen tropistischer und «dorsiventraler Reaktion. Beide besitzen, um mit Noll zu reden, ein verschiedenes Reizfeld und sind demnach in Perzeption und Reaktion auseinander zu halten. Bei der Beurteilung eines orthotropen Organs als radiär- oder dorsiventralempfindlich ist größte Vorsicht geboten, da unter Umständen bei dorsiventralen Organen die orthotrope Ruhelage erreicht werden kann, bevor und ohne daß eine Dorsiventralreaktion eintritt. Der Geotropismus und die Geodorsiventralität der Kanne machen 1} Bei obigen Betrachtungen wurde vorausgesetzt, daß sich tortistische und tropistische Schwerewirkung hinsichtlich ihrer Abhängigkeit von Reizmenge und Reizrichtung im wesentlichen übereinstimmend verhalten, eine Voraussetzung, für die meine qualitativen Resultate sprechen, deren Zulässigkeit aber eine exakte quantitative Prüfung erst erweisen müßte. Angedeutet sei auch, daß der Begriff der physiologischen Dorsiventralität bzw. Geodorsiventralität noch sehr wenig geklärt und zergliedert ist und hier im eingeengten Sinne von Polarität gebraucht wird. Beiträge zur Kenntnis der Nepenthaceen. 269 das eigentümliche Verhalten der Aseidie radicalia, caulina und inter- media verständlich. Wie gesagt, handelt es sich darum, daß in einem Falle die Alae der Ranke zu-, im zweiten von der Ranke weggewendet sind, im dritten Falle die Kanne sich mit der Breitseite aufkrümnt, so daß die Alae seitlich neben der Ranke stehen. Im morphologischen Teile habe ich nun erwähnt, daß schon vor Einsetzen des Aufkrüm- mungsprozesses Ranke und Kanne nicht genau eine Gerade bilden. Die Kanne der Folia radicalia und caulina zeigt nämlich an ihrer Basis bereits eine kleine, wahrscheinlich nastische Aufkrümmung nach der Richtung hin, nach der die spätere Aufkrümmung erfolgt. Da also die Kanne nicht genau vertikal, sondern etwas schräg steht, kann man zwischen Ober- und Unterseite rücksichtlich der Lage der Alae unter- scheiden, und zwar liegt die Alaeseite bei den Ascidia radicalia oben, bei den Aseidia caulina unten. Man könnte nun annehmen, daß nur diese Lage, die Verschiedenheit in der Stellung bei den Ascidia radi- ealia und caulina bedingt, also annehmen, daß diese Verschiedenheit nur davon abhängig sei, welche Seite der bei der Aufkrümmung wirk- same Geotropismus gerade als untere vorfindet. Doch zeigen schon die Aseidia intermedia, die vor der Aufkrümmung ebenso wie die Aseidia eaulina und nicht seitlich aufgebogen sind, daß dem nicht so sein kann. Die Verschiedenheit der Aufkrümmung beruht vielmehr auf einer Veränderung der dorsiventralen Stimmung im Laufe der Ent- wieklung der Pflanze, die ja zunächst Ascidia radicalia, dann inter- media, schließlich eaulina bildet. Bei den Aseidia caulina ist die Stim- mung im wahrsten Sinne des Wortes umgeschlagen. Was bei den Ascidia radicalia während der Aufkrümmung unten lag, liegt hei ihnen oben, was oben lag, die Alaeseite, liegt bei ihnen unten. Ist hier die Stimmung sozusagen um 180° gewandert, so hat sie dies bei den As- eidia intermedia nur um 90° getan. Doch zeigen zahlreiche Zwischen- formen zwischen diesen drei Typen, daß die Umstimmung sehr all- mählich vor sich gehen kann. Allem Anschein nach handelt es sich bei der geschilderten Umstimmung um das dynamische Gleichgewicht zweier in verschieden starkem Maße sich geltend machender entgegen- gesetzter Erregungen. Daß es sich wirklich um Umstimmung der Dorsiventralität handelt, beweisen folgende Versuche: Versuche mit Aseidia caulina. 1. Ranke und Kanne parallel. Kanne auf Flanke gelegt. Kanne biegt sich durch stärkeres Wachstum der Oberseite am Kannengı ande oder durch Torsion so, daß Alae nach unten sehen und biegt sich Negativ geotropisch nach oben. Die erste Biegung Bi mehr oder Flora, Bd. 109, 270 Kurt Stern, weniger vollständig, auch verlaufen die Biegungen in der Regel nicht getrennt, sondern führen zu torsionsartigen Krümmungen. Dieser Ver- such zeigt: a) daß die Kanne geodorsiventral ist; denn die Umlegung der Kanne um 90° wird angestrebt, gleichviel auf welche Flanke die Kanne gelegt worden ist, b) daß die Kanne derart dorsiventral ist, daß die Alaeseite nach unten zu liegen zu kommen bestrebt ist. Daß die Verhältnisse auch während der Aufkrümmung so liegen, ergibt sich aus folgenden Versuchen. 2. Kanne zwischen —90° und 0° aufgekrümmt, schräg nach unten oder horizontal auf Breitseite gelegt. Unter Torsion oder Biegung um 90°, so daß Alae nach unten zu liegen kommen, biegt sich die Kanne vertikal nach oben. 3. Eine Kanne, die noch in einer Geraden mit der Ranke liegt. wird horizontal, Alaeseite oben, gelegt. Die Kanne tordiert sich inner- halb der Horizontalen um 90° und biegt sich vertikal nach oben, so daß sie die Stellung eines Aseidium intermedium hat. Man wird hier- aus nicht schließen dürfen, daß eine Umstimmung stattgefunden hat, so daß die Kanne die Dorsiventralität eines Ascidium intermedium be- sitzt. Vielmehr wird man besonders auf Grund der Beobachtungen über die wechselnde Größe des Torsionswinkels und der bezüglichen Erörterungen bei den Aseidia radicalia viel eher annehmen dürfen, daß der negative Geotropismus sich so stark geltend machte, daß die Kanne bereits, bevor eine merkliche Weitertordierung stattfinden konnte, durch Lagen einer immer geringeren Abweichung von der dorsiventralen Ruhelage in die endliche Ruhelage geführt wurde. In analoger Weise ist es wohl zu deuten, wenn auch in irgendwelchen anderen Fällen Torsionen dort ausbleiben, wo sie zu erwarten wären. Alle für die Aseidia radicalia und caulina geschilderten Versuche führen zu ganz entsprechenden Resultaten bei den Ascidia intermedia, jedenfalls, soweit meine bisherigen Versuche mit dieser nicht allzu häufigen Kannenform zeigen. Ich verzichte deshalb darauf, hier noch einmal spezielle Beispiele zu geben. Aus allen meinen Versuchen geht mit Sicherheit hervor, daß die Dorsiventralreaktion der Kanne ein etwa vorhandenes nastisches Bestreben zu überwinden vermag, und daß demgemäß der veränderte Aufkrümmungstyp der Ascidia intermedia und caulina auf einer Umstimmung der (eodorsiventralität beruht. \ Aber die durch diesen Stimmungswechsel hervorgerufene ver- änderte Aufkrümmungsweise reicht noch nieht zur völligen Erklärung des beobachteten Unterschiedes der Kannenformen aus. Da ja die Alae Beiträge zur Kenntnis, der Nepenthaceen. 271 der Blattoberseite entsprechen, so müßten die Kannen der Folia cau- lina ceteris paribus zwischen Sproßachse und Ranke zu stehen kom- wen. Dies ist aber bei Nepenthes compacta nicht der Fall, sondern bereits, bevor die Ranke nach unten gebogen ist, beginnt sie eine Torsion um 180°, durch die offenbar erreicht wird, daß auch die Aseidia canlina nach außen von der Ranke aus gesehen stehen. Da die Tor- sion weit oben an der Ranke sichtbar ist, wo diese wohl unzweifelhaft physiologisch radiär ist und die Torsion offenbar durch die Dorsi- ventralität von Zwischenstück bzw. Kanne hervorgerufen wird, so dürfte hier vielleicht Reizleitung vorliegen. Daß die Rankentorsion durch Dorsiventralitätsverhältnisse bedingt ist, zeigen deutlich Versuche mit invers gestellten Pflanzen. Da in diesem Falle die Aseidia radicalia aus ihrer normalen Dorsiventrallage um 180° abgelenkt werden, so tordieren sich ihre sonst untordierten Ranken um 180° außer, wenn der geotropische Reiz so überwiegt, daß eine einfache Herabkrümmung der Ranke erfolgt, wodurch die Kanne in die Vertikallage kommt, in der die Dorsiventralität in unserem Falle keine Torsion auslösen kann, und sich nun aufkrümmt, Übrigens geht aus den Versuchen, in denen letztere Reaktion eintrat, hervor, daß die Kanne kein Mittel besitzt, sich nach außen von der Sproßachse wegzubiegen, daß also keine Exotropie im Sinne Noll’s vorliegt. Das beweist auch folgender Versuch: Mehrere junge Ranken mit bereits in Aufkrümmung stehenden Kannen wurden un 180° tordiert, so daß die Kanne nach dem Stamm zu zeigte, und in dieser Lage befestigt, und zwar an einem Punkte, der so hoch an der Ranke lag, daß ihr unterer Teil sich leicht hätte zurücktordieren können. Dies trat indessen nicht ein. Daß also die Kanne der Aseidia caulina nach außen sieht, beruht nicht auf Exotropie, sondern auf Dorsi- ventralität. Fragt man nach der biologischen Bedeutung dieser Er- scheinung, so wird man, wenn man ihr überhaupt eine beimessen will, sie darin erblicken, daß besonders für die oberen Kannen eine Stellung nach außen von Vorteil sein wird, da dadurch den heranfliegenden Insekten der Weg nicht von Ranke und Deckel versperrt wird. . So liegen die Verhältnisse bei Nepenthes compacta, doch zeigen andere Arten ein durchaus abweichendes Verhalten. Zunächst zeigen überhaupt nicht alle Arten einen Wechsel in der Stellung der Kanne zur Ranke, jedenfalls, soweit meine bisherigen Beobachtungen und Lite- raturstudien ergeben, so z. B. Nepenthes aımpullaria und Nepenthes Veitchi. Andererseits kommt durch Variationen der Stellung der Median- ebene der Kanne zu der des Blattes, der Stellung der Kanne zu Achse 272 Kurt Stern, und Ranke und der Stellung der Alae zur Ranke und durch Kombi- nation dieser Variationen eine außerordentliche Mannigfaltigkeit diffe- renter Verhältnisse bei einer Art sowie bei den verschiedenen Arten zustande. Eine kleine Übersicht mag dies erläutern. I. Die Medianebenen von Kanne und Spreite fallen zusammen. 1. DieKannestehtzwischen j2. Die Kanne steht nach 3. Die Kanne steht seitlich Achse und Ranke “ außen von der Ranke a) Die Alae sind der Ranke | a) Die Kanne ist rechts seit- a) Die Alae sind der Ianke : zugewandt, z. B. Ascidiai lich aufgekrümmt (von zugewandt, z.B. bei Ne- penthes Dicksoniana ‘ radicalia von Nepenthes| der Achse aus gesehen), i compacta “ z. B. bei Nepenthes | maculata b) Die Alae sind der Rank& | b) Die Kanne ist links geit- abgewandt, 2. B. Ascidia, lich aufgekrümmt, z. B. caulina von Nepenthes bei Nepenthes macu- b) Die Alae sind der Ranke abgewandt, z.B. bei Ne- penthes mixta und Ne- penthes ventricoss compacta, z. B. bei Ne- lata, bei den Aseidia penthes mixta, ventri- intermedia von Nepen- cosa I thes compacta II. Die Medianebenen von Kanne und Spreite bilden einen Winkel miteinander. Hier müßte für jeden Winkel, den die Medianebenen miteinander bilden, das obige Schema wiederholt werden, doch liegen hierfür nicht genügend Beobachtungen und wohl auch Vorkommnisse vor. Diese außerordentliche Mannigfaltigkeit wirkt nach dem bis jetzt über die Reizbarkeit von Nepenthes compaeta Gesagten sehr befrem- dend. Es ist darnach nicht recht verständlich, wie es möglich ist, daß %. B. bei Nepenthes Dicksoniana die Alae der Ranke zugekehrt sind und doch die Kanne zwischen Achse und Ranke steht; denn einmal hat ja hier eine Rankentorsion um 180° stattgefunden, wovon man sich an jeder Ranke überzeugen kann, ein Zeichen dafür, daß die Kanne bestrebt ist, die Alae auf die Unterseite zu bringen, andererseits ist die Aufkrümmung der Kanne so erfolgt, daß die Alae während der Aufkrümtnung oben lagen. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß hier eine Umstimmung der Dorsiventralität bei ein und derselben Kanne im Laufe der Entwicklung vorliegt, derart, daß zunächst die Ranken- torsion eintrat, weil die normale Dorsiventrallage der jungen Kanne um 180° von der abwich, in der sie angelegt wurde, in der ja die Alaeseite oben lag, daß sich aber dann, als die Aufkrämmung begann, die dorsiventrale Ruhelage wieder um 180° verschoben hatte, so daß nunmehr die Alaeseite nach oben und dadurch die Kanne zwischen Sproßachse und Ranke gelangte. Doch habe ich Nepenthes Dieksonania — Beiträge zur Kenntnis der Nepenthaceen. 273 nur in einem Exemplar im Winter im Dahlemer Botanischen Garten zu beobachten Gelegenheit gehabt, also nieht die Entwicklung der Kanne beobachten und Experimente anstellen können. Deshalb ist es auch leicht möglich, daß hier die Torsion der Ranke irgendwelche anderen aufogenen oder aitiogenen Ursachen hat. Der unter 1b angeführte Fall: „Kanne zwischen Achse und Ranke, Alae von der Ranke abgewandt* beruht darauf, daß hier keine Ranken- torsion um 180° stattgefunden hat wie bei den Ascidia caulina von Nepenthes compacta. — Ob dies darauf zurückzuführen ist, daß die junge Ranke die Vertikale erreicht, bevor eine Torsion infolge von Dorsiventralität der Kanne eintreten kann, ob in diesen Fällen irgend- welche Glieder der Reizkette des Dorsiventralreizes ausgeschaltet sind, ob und welche anderen Gründe in Frage kommen, habe ich bei meinen zunächst hauptsächlich auf möglichste Klarstellung der Verhältnisse bei Nepenthes compacta gerichteten Untersuchungen bisher ebensowenig feststellen können, wie die Ursachen, die außer der Dorsiventralität der Kanne, die Stellung der Medianebene der Kanne zu der der Spreite bedingen. Daß solche Ursachen vorhanden sein müssen, geht aus den außerordentlich häufigen Abweichungen von der zu erwartenden Stel- Inng mit Sicherheit hervor. Wahrscheinlich spielen hierbei durch Wachstum fixierte Ungleichgewichtslagen eine große Rolle. Ich will noch einige Beispiele für die oben erwähnte Mannig- faltigkeit der Reaktionsmöglichkeit bei ein und derselben Versuchs- anordnung geben: Versuch 61, s. Fig. 34. Kanne und Ranke parallel, invers gestellt. Kanne und Ranke haben Reaktionsfreiheit. Entweder biegt sich die Ranke am Ende vertikal nach unten, so daß die Kanne wieder normal steht, oder die Kanne sucht sich nach oben zu biegen unter Erweiterung ihres Winkels mit der Ranke. Im zweiten Falle hatte offenbar die Ranke bereits die Krümmungsfähigkeit verloren, die Kanne und Kannenbasis aber noch nicht, wie diese ja stets länger reaktionsfähig bleiben. In einem Versuche, der sich vom vorigen nur dadurch unterschied, daß die Kanne noch nicht ganz aufgekrümmt war, trat eine Zwischenreaktion auf, indem die Ranke sich am Ende bis in die Horizontale bog, die Kanne die Aufrechtstellung in die normale Lage durch Krümmung in sich selbst infolge stärkeren Wachstums der Unterseite vollendete (Versuch 73, s. Fig. 34). Wieder andere Rome zeigen ganz analoge Versuche, s. z. B. Versuch 121, s. Fig. 36. und Kanne bilden einen Winkel zwischen 0° und 490°, invers gest Entweder biegt sich die Ranke nach unten und führt dadurch je Kanne in die normale Lage oder durch eine Torsion in der Ranke, 274 Kurt Stern, nicht weit von der Kannenbasis wird die Kanne in ihre alte Lage geführt. Das mehr oder weniger horizontale, an die Kanne sich an- schließende Rankenstück biegt sich nun allmählich vertikal nach unten, indem die Kanne sich gleichzeitig der Ranke parallel stell. Ebenso liegen die Verhältnisse in Versuch 43, s. Fig. 34. Ranke und Kanne zwischen 0° und + 90° aufgekrümmt; so gelegt, daß Alae horizontal nach unten. Durch Torsion der Ranke gelangt die Kanne in normale Stellung. Nun wächst das an die Kanne grenzende Stück der Ranke zunächst in horizontaler Richtung weiter, bis es etwa 2 cm lang ist, und biegt sich dann positiv geotropisch nach unten, wodurch die Kanne zunächst aus ihrer Gleichgewichtslage entfernt wird, die sie erst durch weitere Aufkrümmung wieder erlangt. Es kann aber auch in diesem Falle lediglich durch Niederbiegen der Ranke die normale Lage er- reicht werden. Die Ebene der Herabkrümmung der Ranke variiert ebenfalls. Fast stets erfolgt die Herabkrümmung in der Ebene von Kanne und Ranke, hin und wieder aber auch seitlich, also senkrecht zur normalen Medianebene von Kanne und Ranke. Wenn eine Tor- sion eintritt, so beruht dies offenbar darauf, daß sich zunächst der Reiz der Ablenkung aus der dorsiventralen Gleichgewichtslage geltend macht, dann erst der positive Geotropismus der Ranke. Die Versuche, die ich hier in groben Zügen geschildert habe, erfordern zur völligen Klärung eine sehr eingehende Analyse mit genauer Beobachtung der Wachstumsverhältnisse des Mittelstückes und angrenzenden Ranken- stückes; bis jetzt habe ich eine solche noch nicht durchgeführt. Schließlich sollen noch einige abweichende, nicht in den Rahmen meiner sonstigen Versuchsergebnisse passende Reaktionen beschrieben werden: Versuch 76, s. Fig. 36. Eine zwischen 0° und 90° aufgekrümmte Kanne wird vertikal gestellt. Sie entwickelt sich trotz völliger Re- aktionsfreiheit und Wachstumsfähigkeit von Kanne und Ranke in dieser Lage weiter. Versuch 73, s. Fig. 36. Ein Ascidium intermedium zwischen 0° und -4- 90° aufgekrümmt, wird invers gestellt. Die Kanne biegt sich parallel zur Ranke und entwickelt sich in dieser Lage. Ich begnüge mich mit der Anführung dieser zwei Beispiele und weise darauf hin, daß naturgemäß bei einem so empfindlichen, so kom- plizierten und außerdem in unseren Gewächshäusern unter nicht völlig normalen Lebensbedingungen gedeihenden Objekte wie Nepenthes, das nicht seltene Vorkommen derartiger vom Typischen abweichender Fälle selbstverständlich ist. Es geht aber daraus hervor, daß man, um zu einer klaren Einsicht der vorhandenen physiologischen Gesetzmäßig- keiten zu gelangen, sich nicht auf die Ergebnisse weniger Versuche Beiträge zur Kenntmis der Nepenthaceeu, 275 stützen darf, sondern nur auf die Ergebnisse von möglichst extensiv nach allen Richtungen hin in großer Zahl durchgeführter Versuche. Obwohl ich viele hunderte von Versuchen angestellt habe, ist das Bild, das ich vom reizphysiologischen Verhalten des Nepenthaceen-Blattes geben konnte, noch sehr unvollständig. Ich habe an zahlreichen Stellen die Lücken angedeutet, doch hat mich der Ausbruch des Krieges daran verhindert, meine an einzelnen Punkten bereits weitergeführten Unter- suchungen zum völligen Abschluß zu bringen. Zusammenfassung einiger Ergebnisse. 1. Die Entwicklungsgesehichte der Primär- und Folgeblätter wird untersucht, und die wichtigsten Ansichten über die morphologische Bedeutung des Nepenthaceen-Blattes werden erörtert. Die Auffassungen von Hooker und Bower werden als unbegründet, dievon Macfarlane als den Prinzipien der entwicklungsgeschichtlichen Morphologie wider- sprechend zurückgewiesen. Die tatsächlichen Befunde sind vereinbar mit zwei Ansichten: a) Die Kanne entspricht dem Oberblatt, die Ranke dem Blattstiel, die Spreite dem Blattgrund (Goebel). b) Kanne, Ranke, Spreite sind Teile einer Lamina (Wunschmann). 2. Die Primärkannen von Nepenthes ampullaria besitzen eine Gleitzone, die Folgekannen nicht. Daraus geht hervor, daß die Gleit- Zone eine primäre Bildung ist. 3. Der nach außen und innen geschlagene Rand der Folgekannen hat sich aus einem einfachen nach innen geschlagenen Rand entwickelt, wie ihn die Primärkannen von Nepenthes ampullaria zeigen. u 4. Die Nepenthaceen-Drüsen folgen zwei entwicklungsgeschichtlich und funktionell verschiedenen Typen: . . a) Hydathoden, b) Nektar- und Verdauungsdrüsen. Die Insekti- vorie hat sich bei Nepenthes und Sarracenia aus der Anlockung von Insekten zu Betäubungszwecken entwickelt. . . 5. Die Randdrüsen sind anatomisch den Verdauungsdrüsen im wesentlichen gleich gebaut. Entwieklungsgeschichtlich sind aber ‚die Verdauungsdrüsen epidermale, die Randdrüsen bis auf eine Außenschicht subepidermale Gebilde. . 6. Die Verdauungsdrüsen einer Kanne zeigen bei vielen Arten Dimorphismus hinsichtlich Größe, Zahl und Überwallung ihrer Zellen. Bei Nepenthes ampullaria sind die Drüsen der Primärkannen ohne Überwallung, die der Folgekannen stark überwallt. 276 K. Stern, 7. Nepenthaceen, Sarraceniaceen, Droseraceen bilden eine natüı- liche Reihe. Als neue Verwandtschaftspunkte zwischen Droseraceen und Nepenthaceen sind hervorzuheben: Pollentetraden, Reduktion der . Primärwurzel, Bewurzelung durch Adventivwurzeln. Bildung drüsen- tragender Tentakel gleicher Entstehung. 8. Aus Stecklingen kann man Rückschlagsformen erzielen. Teils kennzeichnen sie sich als solche nur durch Reduktion der Ranke, teils sitzt bei ihnen wie bei den Primärblättern die Kanne auf der Unter- seite der Spreite. 9. Versuche über Wasserausscheidung zeigen, daß Nepenthes funktionstüchtige Hiydathoden besitzt. Die Transpiration ist nach ver- gleichenden Messungen normal, die Assimilation nicht beträchtlich. Irgendwelche Schlüsse über die Ökologie der Insektivorie lassen sich hieraus nicht ziehen. 10. Ranke und Kanne bilden zunächst annähernd einen gestreckten Winkel, dann biegt sich die Kanne an ihrer Basis aufwärts, bis sie der Ranke parallel steht. Die Ranke ist positiv geotropisch, die Auf- krümmung der Kanne ist geotropisch bedingt, aber keine einfach nega- tiv geotropische. 11. Die Kannen von Nepenthes eompacta sind geodorsiventral, im Laufe der Entwicklung der Pflanze findet eine wiederholte Um- stimmung der dorsiventralen Ruhelage statt. 277 Beiträge zur Kenntns der Nepentahaceen. UOISIO]L, Ju UORSIOL, I1w ++ De UOIRIO, JTur uorsIoL Ju) y (I +16 10 uogsaoy muy (£ gondeneg y Fr tu uowsoL-a + u (ep tacr tur true tue tue tu@ tu t+a(e taz tu tus tu(ea true ta tu +a6ı traa ru6@L uogy8oy oupoy (FI aber] orsunon (ET ta tu 01 tuı@ tya@ tu@ tı6 tu@ rad yndaaaq y yodoreq y pun y je3uoztIoy auuwy OBT—,O UOA [ONULMSUOISIO], = UOIO], Mur usgo yazu gan Yay=y euwy=y usyun goeu yars Ydarg = + oyuey=y US[geL up nz Zunaupyag uszun EU [UNLISA un ” uogo yauu juyNIeA aule ne "9° [MUOZLIOg OB[B uaun yYovu [EHER Hug “7 uogo owu JErtkiea Huls “090 TUOZLIO Sue vo pun „06 ueypsınz > uopjiq y pun y ”.r usgun GoBu [ENNIsA OuK * ua yozu [ENTER auLK “07 r TEJUOZLION Due tousıed purs y pun y usjun yosu [ENTBA oujk * * ago yosu [eylIeA aufs 7° TONUOZLIOU OBB 006% uapııq y pun y uogun YoBU TEyt.IaA aupe rege yoeu TEINIRA un ’ TNuoZLIOy auz opeıag vopgiq y pun y Kurt Stern, 2718 Kanne vertikal. K und R bilden eine Gerade R und K beweglich R beweglich K beweglich Lage -—W' 2.2.2.2... 46) Normale Lage 47) Keine Reaktion 4) K + Lage +W0° . 2.222220 APRYr 50) R,y 51) K entwickelt sich in Lage +90° K und R bilden & 90° Lage -W* 2.22.22... 55) Ry,Kbiegtsichgleich- 56) Ry 57) K versucht sich auf- zeitig der Ranke zu zubiegen Lage +90° . 2.222222. n. SI RY K erweitert zu 59)RY 60) K entwickelt sich in nächst Winkel mit Tage -+9° Ranke K und R sind parallel Lage -0° 2.222.220... 6DRY #)RY 63) K sucht eich aufzu- biegen Lage +0° . 2.2.2.2... 64) Normale Lage 65) Keine Reaktion 66) Keine Reaktion K und R bilden < zwischen — 90° und 0° Lage —0° ... 222.20 GMDRH+ 8) RY 69 K. sucht sich aufzu- biegen Lage +#° .., 2.2.2.2 een. WRY SDRY+ 72) K entwickelt sich in Lage -1- 90" K und R bilden <& zwischen 0° und +10* Lage —W° . 2.2222 euere WDR Y 7IRY 75) K. sucht sich aufzu- biegen Lage +0° . 2.2.2220. WRY TDIRY 78) K. biegt sich zurück, dann auf 279 Beiträge zur Kenntnis der Nepenthaceen. var va vn (agı us3orq nzjne yos 3qone y (6g1 va (cr va dc usdorg -AZIRE yaI8 Iyons y (06T +4 (21 Ya vaam Yy uuep onınz yols YBorg MI (ET UOIIOE Hm) HI (SEI Ya (ger ya (gl uors1o], uw.) y (921 gonzomeg y Factor uongssy euay (F9r gondoaog ta ut turn tudeı tuGeı + u 199ı Zungjsjg SpEwion (E91 aygury u [ONUM asgogu -hz Aoyoaıe y 4 Y (091 exyusy mu Jorurm Jayoyu az areas y 4 y (BEI onuey um jerug Jeyoyu nz eyamıe y ‘F y (BET Syuey wm [onuM yegogu -nz yaegtemıe y ty (EEI tu er tauaa tue ylpfonsg y pun y (206 + pum 50 uonasjaz >) uogo ydeu Ayıyos suury uopan YaBU [Eier anfe ” * U0go Yosu fuyues one nr MUOZLION Bun 006 + pun „o uogasiaz P uopiiq y pun y vogun gowu [Elia ann “ u9g0 yazu [uyıder auL8 200° BUOZLUON Bnfe „Oo Pun „06 — uegosimz > uoppq y pun y USJUN yasu jENINIA aufn * * uogo Nasu [ertnseA onje ent AUSZUIOg Bun [ojjsxed puis y pun y USJuUn YUOBU [ENL.IOA au " " uBqo WoBu [ERIIOA aupE * TAU0ZLION aus 006 $ vopgiq y pun y uogun TOBU JENNIOA OBE * uego yosu TEylıA see Seren re TMUOZLIOT aufn open) Huls uepitq Y pun y Kurt Stern, 280 ” K und R bilden Gerade alae horizontal .. » 22cm ne. alae vertikal nach oben... . x...» alae vertikal nach unten . 2.2.2... K und R bilden & 90° alas horizontal . . - 2... rn. alae vertikal nach oben... . 2... alas vertikal nach unten .... 2... K und R sind parallel alas horizontal... 22er ee. alae vertikal nach oben... . v2... alae vertikal nach unten ... 2... K und R bilden & zwischen — 90° und 0° alae horizontal . .. 2 nee. alae vertikal nach oben... ...... alae vertikal nach unten . ....... K und R bilden X zwischen 0° und + 90° alae horizontal - . 2 2.2 2.200 alae vertikal nach oben... ......- alae vertikal nach unten . . . 22... Kanne schräg nach unten. (3 zwischen — 90° und 0°.) R und K beweglich MRY &)R, 85) Rx 88) R. biegt sich gleich- zeitig der Ranke zu 9HRY 9) Rı+ MRY 100) R | 10%) R + 1)Ry US) RR, 121) R }, oft R-Torsion R beweglich &)Ry SRY SE) RY SI)RY W@)RY SRYr 3) Ry IM) RY 104) BY K)RY 110) Keine Reaktion 13) RY 16) RyY URL 122) R ,, oft R-Torsion K beweglich 81) K + mit Torsion 8)K+ 87) K sucht sich aufzu- biegen 80, K + mit Torsion 3) K+ 96) K sucht sich aufzu- biegen 99) K 4 mit Torsion 102) K + 105; K + 108) K + mit Torsion 1yK+ 114) K sucht sich aufzu- krümmen 117) K + mit Torsion 120 K + 123) K sucht sich aufzu- biegen Beiträge zur Kenntnis der Nepenthaceen. 381 Benutzte Literatur. Baillon, H. M., Sur quelques points de l’organisation des Nepenthes. Bulletin mensuel de la Societ& Linnsenne de Paris, 1886. Ders., Histoire des plantes, Vol. IX. Bobiseut, O., Über den Funktionswechsel der Spaltöffnungen in der Gleitzone der Nepentheskannen. Sitz.-Ber. d. Kais. Akad. d. Wiss. Wien, Math.-Nat.-Kl, Bd. CXIX, 1. Abt., 1910. Bower, F. 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Scleranthus, wo nur der Kelchblattkreis, zwei Staubblattkreise und der Fruchtblattkreis vorhanden sind, einer Formel K,C,A,4,% entsprechend, oder gar Pollichia, mit nur fünf Kelchblättern, fünf rudimentären Kronblättern, einem einzigen Staubblatt und zwei Frucht- blättern. Ja es gibt sogar Blüten, die in ihrer fertigen Ausgestaltung nur drei Kreise aufweisen, wie z. B. Anychia. Angesichts dieser be- trächtlichen Unterschiede in der Blütenstruktur erhebt sich die Frage, ob die Formen mit einfachem Diagramm als die primitiven, d. h. phylo- genetisch älteren anzusehen sind, von denen aus sich die reich aus- gestatteten unter stufenweiser Vervollständigung des Diagramms ent- wickelten, oder ob die fünfkreisigen, d. h. reichsten Formen an den Anfang zu stellen sind, von denen sich die einfacheren unter Reduk- tionen herleiten. Beide Anschauungen werden, wie unten näher zu erörtern sein wird, in der Literatur vertreten. Das Verhalten der jetzt lebenden Formen scheint einen Finger- zeig zu bieten zur Entscheidung, ob in der Caryophyllaceen-Entwicklung fortschreitende Komplikation oder Reduktion stattgefunden hat. Die Blüten vieler mit reichem Diagramm ausgestatteter Blüten, z. B. von Stellaria, sind stark variabel. Sie können normal fünfkreisig, aber auch vier- und dreikreisig erscheinen. So kann Stellaria den Kron- staubblattkreis ganz verlieren und den Kronblattkreis so reduzieren, daß die winzigen Primordien der Kronblätter nur mikroskopisch sichtbar sind. Daß es sich hier um ontogenetische Reduktionen handelt, ist nieht zu bestreiten, zumal sich Rudimente der abortierenden Glieder in allen Verkümmerungszuständen finden. 284 Erich Kraft, Wenn es gelänge. bei den Caryophyllaceen-Gattungen mit armem Diagramm die Rudimente der vermißten Glieder zu finden, und wenn sich diese als die gleichen erwiesen, die auch bei einer reduzierenden Stellaria auftreten, so wäre höchst wahrscheinlich gemacht, daß der Reduktionsvorgang, den die Ontogenese mancher Alsineen heute erlebt, auch in der Phylogenie der ganzen Familie stattgehabt hat. Der erste Teil vorliegender Arbeit befaßt sich des näheren mit der Variabilität der Caryophyllaceen mit reichem Diagramm. Als Beispiel- und Versuchspflanze wurde Stellaria media gewählt, eine Art, die sich durch die starke Veränderlichkeit der Blütenstruktur für den erörterten Zweck besonders zu empfehlen schien. Im zweiten Teil finden sich die Ergebnisse der blütenentwick- lungsgeschichtlichen Untersuchungen, die an nahezu sämtlichen Caryo- phyllaceen-Gattungen unter besonderer Berücksichtigung rudimentärer Blütenglieder vorgenommen wurden. Der dritte Teil enthält die Vergleichung der Resultate und die Kritik der in der Literatur vorliegenden Meinungsäußerungen. IL Die Blütenvariationen der Stellaria media sind seit langem bekannt. Die normale Blüte besteht aus fünf Kelchblättern, fünf tief- gespaltenen Kronblättern, drei Kelchstaubblättern, die vor den jüngsten Kelchblättern stehen, und drei Fruchtblättern. Oft indessen finden sich Blüten mit fünf Kelchstaubblättern, ferner solche mit einen: bis fünf Kronstaubblättern, so daß die reichste Formel lautet K,0,4,::6®). Andererseits sieht man zuweilen Blüten, in denen die Kronblätter un- gleich ausgebildet, ungeteilt, ja scheinbar ganz geschwunden sind. Hierzu kommt, daß die normal fünfzählige Blüte oft vierzählig wird. Das Andröceum variiert im ganzen zwischen Null und elf Staubblättern (vgl. Reinöhl 1903), das Gynäceum zwischen zwei und sieben Frucht- blättern. Endlich kommt neben der Chasmo- auch Kleistogamie vor. Ob diese Verschiedenheiten, die teilweise der Aufstellung von Unter- arten zugrunde gelegt wurden, auf das Vorhandensein mehrerer Rassen mit konstanter, erblicher Eigenschaft und deren Mischung in den natür- lichen Populationen zurückzuführen sind, oder ob es sich um indivi- Auelle Variationen handelt, ob diese von äußeren Bedingungen beein- flußbar sind, und wieweit endlich entwicklungsgeschichtlich Verküm- merungen nachweisbar sind, war noch nicht genauer erforscht. Hier wird versucht, die Frage experimentell zu entscheiden. 7 Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyllaceen-Blüten. 285 Die Fragestellung machte es erforderlich, das Pflanzenmaterial einerseits unter normalen Bedingungen ungestört wachsen zu lassen, um den normalen Entwicklungsgang festzustellen. Andererseits war es veränderten Bedingungen in bezug auf Licht, Wärme, Feuchtigkeit, Bodensalze usw. auszusetzen, um den Einfluß der Außenbedingungen zu ermitteln. Notwendig war dabei vor allen Dingen, das Material gleichartig zu erhalten, weshalb die Kulturen meist vegetativ, d. h. durch Stecklinge und Absenker vermehrt wurden. Das Verfahren ist bei Stellaria media einfach und führt mit großer Sicherheit zum Ziel. Die Bewurzelung geht mit Leichtigkeit vor sich. Schon die auf feuchtem Boden liegenden Zweige pflegen sich sehr rasch an den Knoten zu bewurzeln. j Daß die künstlich erzeugten Veränderungen in der Blütenaus- bildung erblich fixiert würden, so daß etwa die Nachkommen dieselben Abänderungen zeigten, auch wenn sie unter normalen Bedingungen erzogen wurden, war ja von vorn herein unwahrscheinlich, Trotzdem mußte zum mindesten untersucht werden, wie sich die Nachkommen- schaft stark reduzierter Blüten verhält. Ferner lag die Möglichkeit vor, durch fortgesetzte Zucht bei strenger Selbstbestäubung die reinen Linien, aus deren Vermengung die natürlichen Populationen möglicher- weise bestanden, zu isolieren. Aus alledem ergab sich die Notwendig- keit, durch Aussaaten zahlreiche Generationenketten zu erzeugen. Um Irrtümer auszuschließen, wurde darauf geachtet, daß jeder Topf nur eine Pflanze trug, und daß der aufgehende Keimling wirklich von dem gesteckten Samen und nicht von einem der in jeder Erde vorhandenen Stellaria-Samen stammte. Es folgt die stark gekürzte Wiedergabe der Versuchsergebnisse, da die Protokolle von rund 1300 Töpfen in extenso nicht würden ge- bracht werden können. 1. Stellaria media, normal blühend. a) Im Freien wurde die Pflanze allermeist normal angetroffen. Die Blütenformel ist dann K,0,A,G@). Die Kronblätter sind etwa so lang wie der Kelch, tief geteilt. Das Andröceum variiert in dem von Reinöhl (1903) an Freilandpopulationen ermittelten Umfang. Viele regelmäßig beobachtete Stöcke auf Schutthaufen, Bauplätzen, Wegrändern usw. zeigten von Frühjahr bis Herbst das gleiche Blüten- bild. Die Zahl der reifen Samen betrug meist 8—12, die der Samen- anlagen etwas mehr. Insbesondere eine Anzahl Stellarien, die in den nicht ganz dichten Fugen einer granitnen Steintreppe wuchsen und nie Flora, Ba. 109. 19 286 Erich Kraft, eine Pflege erfuhren, dabei der Sonne stark ausgesetzt waren, blühten mit nicht eben großen, aber ganz regelmäßigen Blüten monatelang. Alle hierher gehörigen Stöcke hielten die Blüten bei trübem Himmel geschlossen. Öffnete man künstlich, so wurden alle Blütenteile normal, der Sexualapparat meist in Selbstbestäubung begriffen, gefunden. h) An mehreren, in- und außerhalb des botanischen Gartens wachsenden Stellarien, die unter regelmäßiger Kontrolle standen, wur- den teilweise die Sprosse geknickt. teilweise die Blätter nach Möglich- keit entfernt. Die geknickten Stroßenden starben zum Teil ab, zum Teil nicht; im letzteren Fall zeigten die Blüten keinerlei Veränderung. Auch das Entblättern blieb ohne Einfluß auf die Blütenstruktur. So- weit die Pflanzen nicht eingingen, blühten sie normal. e) Im Gewächshaus ist es vergleichsweise schwierig, die Pflanze normalblühend zu erhalten. Am besten gelang es noch in einem hellen, ziemlich trockenen, aber nicht zu heißen Gewächshaus, wenn die Pflanzen auf schlechtem, sandigen Boden von beschränkter Feuch- tigkeit wuchsen. Es traten daun zwar die üblichen leichten Etiolement- erscheinungen auf: Verlängerung der Internodien. Erblassung des Blattgrüns, aber die Blüten blieben normal. a) Normal blieben auch die Stecklinge von einer auf einem Erd- haufen gewachsenen Stellaria (87—98). Sie wurden im Kulturhaus auf guter, gelüngter Erde gezogen, aber bis auf eine Achse be- sehnitten. Die Blätter wurden fortgesetzt entfernt. Trotz dieser starken Eingriffe zeigten die Blüten keine Beeinflussung. Topf 96 bildete schließlich. nach 2 Monaten, einen 120 cm langen Stengel, der, von der Wurzel her gut genährt, offenbar genügend Assimilationskraft be- saß, um die Bildung normaler Blüten zu ermöglichen. Als versucht wurde, durch Umwickeln mit schwarzem Papier die Stengel am Assi- milieren zu verhindern. gingen die Pflanzen ein. e) Von einer größeren Zahl Stellaria-Stöcke, die alle auf einem Erdhaufen wuchsen und übereinstimmenden Habitus zeigten, wurde ein Teil in Töpfe mit guter Gartenerde, ein Teil in solche mit schmutzigem Sand gesetzt. Alle kamen ins Gewächshaus (April) und wurden gleichmäßig begossen. Die Sandpflanzen hatten noch im Juni normale Blüten, während die auf guter Erde schon längst die weiter unten näher angegebenen Reduktionen zeigten. Später wurden aller- dings auch die Sandpflanzen apetal. Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyllaceen-Blüten. 287 Blütenreduktionen. a) Durch schlechte Gesamternährung. a) Stellaria durch Hungerkultur im Freien zu rerluzieren, ins- besondere apetal zu machen, ist schwierig. Das anspruchslose Unkraut findet fast immer Nahrung genug, und blüht, soviel Stickstoff es ander- seits vertragen kann, auf mageren Böden fast voller, wenn auch mit verringertem Blütendurchmesser, als auf fettem. Die ungepflegten Frei- Jandkulturen anf schlechtem Boden blühten stets normal. Nur auf einem öfters künstlich gewässertem Beet waren im August 1915 einige Blüten zu bemerken, die drei bis fünf ungleich lange, oft ungeteilte Kronblätter hatten. An natürlichen Standorten apetal blühende Pflanzen standen leider nicht zur Beobachtung. Groß (1908) hält sie für ein Erzeugnis des mageren, trockenen Bodens. Meine auf schlechtem Boden gezogenen Freilandpflanzen blühten allerdings stets normal. Ohne weiteres wäre nicht einzusehen, warum die anderorts das Blühen be- günstigenden Faktoren der Sonne und Trockenheit bei Stellaria anders wirken sollten, #) Mehrere große Tonschalen wurden mit gewaschenem Sand ge- füllt und mit Samen von Stellaria beschickt. Außer regelmäßiger Be- gießung wurde den im Gewächshaus befindlichen Kulturen nichts ver- abreicht. Die Pflanzen wuchsen kümmerlich und begannen nach An- legung weniger Laubblattwirtel zu blühen. Die ersten Blüten zeigten teilweise fünf wohlausgebildete, teilweise ein bis fünf reduzierte Kron- blätter. Auch fanden sich einige apetale Primanblüten. Durch die sehr schlechte Ernährung war hier im Gegensatz zu anderen Versuchen gelungen, bereits die ersten Blüten zu reduzieren. Die durch Unter- ernährung der ganzen Pflanze hervorgerufene Reduktion war die stärkste überhaupt erzielte. Nicht nur die Kronblätter blieben auf dem Primordialstadium stehen, sondern auch das Andröceum wurte bisweilen auf ein bis zwei sterile Spitzchen herabgedrückt. Auch die Zahl der Samenanlagen war gemindert, nämlich acht bis zehn im Durchschnitt, die der reifen Samen zwei bis sechs. Das Durchschnittsgewicht von 200 reifen, lufttrockenen Samen aus solchen Blüten war 0.269 mg, während das ebenso ermittelte Normalgewicht 0,431 mg betrug. ») In der feuchten Rille einer Betonplatte, wo außer etwas Staub kein Nährboden zur Verfügung stand, ging Stellaria-Samen normaler Herkunft auf. Die sonstigen Bedingungen waren: Gewächshauslicht, bei Sonnenschein beschattet, Temperatur nachts um 16°. tags um 23° herum. Mitte Juni blühen die kümmerlichen Pflänzchen, meist 19* 288 j Erich Kraft, apetal, mit drei Staubblättern. Eine Blüte mit K,C,A,C@) sei als seltene Ausnahme erwähnt. Die zwei bis fünf kleinen Samen erzeugten bei Wiederaussaat in gutem Boden normale Pflanzen, die anfangs voll, später reduziert blühten. Der Versuch, Stellaria auf einem feuchten, porösen, fast nährstofffreiem Stein zu kultivieren, wurde mit gleichem Erfolg öfter wiederholt. Stets fanden sich unter den Keimlingen einige, die lange voll blüten und erst spät zu einer Reduktion zu bringen waren. Die Versuche, durch fortgesetzte Auslese aus solchen eine konstante, normalblühende Rasse zu züchten, schlugen sämtlich fehl. ö) Als ein gutes Mittel, Stellaria-Blüten durch Schwächung der Ernährung zu reduzieren, erwies sich die, gegebenenfalls wiederholte, Stecklingsentnahme. Die Stecklinge der scheinbar konstanten Pflanzen, von den Mutterpflanzen abgeschnitten und gezwungen, ein neues Wurzel- system zu bilden, werden dadurch offenbar stark geschwächt und re- duzieren ihre Blüten sämtlich. Wie stark die fortgesetzte Stecklings- abnahme das Blühen schwächt, sieht man auch an der verwandten Moehringia trinervia, wo auf solche Weise die Vegetationspunkte überhaupt gehindert werden können, Blüten zu bilden (Klebs 1903). So wurde, um die erwähnte, recht konstante Gruppe 87—98 zur Blütenreduktion zu zwingen, eine längere Versuchsreihe angestellt. Am 8. Mai 1915 wurde vom Topf 93 Steckling 700 genommen. In schmutzigem Sand kultiviert, blühte er normal. Am 6. Juni wurden von 700 die Stecklinge 1101 und 1102 genommen und wiederum in Sand gezogen. Die nächsten Blüten waren regelmäßig, Am 6. Juli bildete 1102 eine Blüte mit rudimentärem Andröceum. Nun wurden die Pflanzen durch Papierkästchen verdunkelt und nur die Gipfel im Licht belassen. Am 21. Juli blühte 1102 mit nur vier ungleichen Kronblättern. An der Stelle des fehlenden stand ein epipetales Staub- blatt. Der rudimentäre Höcker des Kronblattes war aber, wie stets, vorhanden. Am 24. Juni wurden vom Topf 700 die normalblühenden Gipfel abgeschnitten und als Stecklinge 1113—1115 gezogen. Zwei davon gingen ein, 1114 blühte aus dem einen Gabelast normal, aus dem anderen am 14. Juli mit K,0,A,GQ@), am 19. Juli apetal und weiblich, am 21. Juli wieder so, vom 23. Juli an aber wieder K,0,A,6@). Der Schwächezustand war überwunden. &) In einem anderen Falle trat bei den Kulturen 188—191 keine Reduktion des Petalkreises ein, während die Schwesterkulturen längst apetal blühten. Es wurden daher Stecklinge genommen, die auch sämt- lich reduzierten. Wurden dabei blühende Sproßgipfel mit den Blüten als Stecklinge verpflanzt, so trat eine vorübergehende Reduktion ein, Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Untere. an Caryophyllaceen-Blüten. 239 der eine Periode normalen Blühens folgte. So wurden von dem sehr konstanten 467b amı 2. Juni die vollblühenden Gipfel abgeschnitten und in gute Erde gesetzt. Sie bildeten am 16. Juni eine durch Reduktion des Staminalkreises weibliche Blüte. Am 26. Juni waren sie fast durchweg apetal. Am 3. Juli waren wieder fünf Kron- blätter vorhanden. Fortab blühten die Pflanzen normal. Ende Juni, als sich die Stecklinge wieder ganz erholt hatten, wurden neuerdings die blühenden Gipfel als Stecklinge benutzt. Deren Blüten zeigten am 3. Juli zwei bis drei winzige Kronblätter, am 16. schon wieder fünf kleine, am 23. endlich fünf kräftige Kronblätter. Zum dritten Male wurde das Experiment am 16. Juli gemacht. Wieder wurden vollblühende Gipfel als Stecklinge genommen. Sie hatten vom 18. bis 20. einen minderzähligen, vom 21. ab wieder einen normalen Petal- kreis. Wurden hingegen junge, noch blütenlose Seitenzweige der kon- stant vollblühenden Stellarien als Stecklinge benutzt, so hatten die ersten, naturgemäß erst nach einiger Zeit auftretenden Blüten fünf Kronblätter, und eine Reduktion zeigte sich erst nach längerem oder kürzerem Blühen aus anderen, unten erörterten Gründen. Zum Beispiel Steckling 571, gesteckt am 20. April, blühte am 3. Mai normal, am 30. Mai mit fünf ungleichen, am 6. Juni mit winzigen, am 9. Juni ohne Kronblätter. Es wurde wiederholt bemerkt, daß unter anderen Hemmungen auch Kleistogamie durch ungünstige Bedingungen erzielt werden konnte. Die Kleistogamie ging aber keineswegs stets mit Petalreduktion Hand in Hand, vielmehr fanden sich in vielen der künstlich geöffneten kleisto- gamen Blüten fünf wohlausgebildete Kronblätter. Einige Autoren ver- muten, daß die apetale Form vollkommen kleistogam sei. So gibt Celakovsky (1881) an, daß er an einem Standort unter dreißig kleisto- gamen, apetalen Stellarien nur eine chasmogame mit schmalen Petala von halber Kelchblattlänge gefunden habe. Leider fehlt die Angabe, ob an dem betreffenden Tage, wie zu vermuten steht, bedeckter Himmel war. Die Stellarien, normale wie apetale, öffnen sich nur bei guter Beleuchtung. Verfasser beobachtete viele Stöcke, die ihre apetalen Blüten an hellen Tagen weit öffneten. Auch zeigten diese Pflanzen mitunter ein schönes, dunkles Grün, was Celakovsky’s Angaben gleich- falls widerspricht. Vöchting’s (1893) Frage, ob die Stellaria media ß apetala Döll kleistogam oder chasmogam sei, kann also dahin be- antwortet werden, daß auch diese Rasse, wenn sie wirklich als solche unterschieden werden soll, sich wie die andere verhält: bei hellem ‚Licht öffnen sich die apetalen Blüten weit, bei Lichtschwächung wenig 290 Erich Kraft, oder gar nicht. Hin und wieder wurde beobachtet, daß frisch ge- schnittene und gepflanzte Stecklinge ihre Blüten während der ersten Tage trotz guter Beleuchtung nicht öffneten. Es liegt die Vermutung nahe, daß dies eine Folge der starken Schwächung war. Ist man ge- willt, das Geschlossenbleiben der Stellaria als Kleistogamie zu bezeichnen, so kann das erwähnte Verhalten in Parallele gesetzt werden mit den Resultaten Goebel’s (1904), der bei Impatiens, Capsella und Pisum durch schlechte Ernährung Kleistogamie hervorrief. b) Durch gute Gesamternährung. a) Reduktionen, die offenbar auf korrelativer Schwächung der Blüten bei gesteigerter vegetativer Entwicklung beruhen, kann man gelegentlich im Freien beobachten, z. B. wenn auf Komposthaufen wuchernde Stöcke regelmäßig begossen werden. Ganz ähnlich verhielten sich zahlreiche Pflanzen, 1123—1276, die im Frühjahr 1916 aus Samen gezogen wurden. Diese Samen waren von genau bestimmter Herkunft, teilweise von normalen, teilweise von apetalen Blüten. Die Keim- pflanzen wurden schon im Februar in ein großes Mistbeet ausgepflanzt, das bei Frost bedeckt gehalten wurde. Es entwickelten sich durchweg gedrungene, fette, dunkelgrün gefärbte Pflanzen, die von Ende März an blühten. Die ersten Blüten waren regelmäßig, schon nach einer Woche aber reduzierte sich der Kronblattkreis ziemlich übereinstim- mend bei allen, so daß hinfort stets ein bis fünf ungleiche, oft sehr kleine Kronblätter vorhanden waren. Normale und ganz apetale Blüten kamen selten vor. Andröceum und Gynäceum zeigten keine Reduktion, die Zahl der Samen war sogar reichlich. ß) Von einer, in einem steinigen Winkel zufällig wachsenden, normal-blühenden Stellaria wurden im April Stecklinge genommen (nicht- blühende Seitenzweige) und einerseits ins freie Mistbeet, andererseits in Töpfe mit sandiger Erde gesetzt. Diese Töpfe wurden bis zum Rand ins Misthbeet eingegraben, um den Kulturen beider Art den glei- chen Standort zu geben, gleiche Niederschlagsmenge usw. Die Steck- linge gingen an und blühten von Anfang Mai an normal. Die ausge- pflanzten Exemplare entwickelten sich jedoch bald kräftiger, bekamen dickere Stengel und größere Blätter und zeigten vom 20. Mai an Un- regelmäßigkeiten im Petalkreis. Seither blühten sie mit ein bis fünf ungleichen, oft winzigen Kronblättern, während die Topfstecklinge, die sich weniger stark entwickelten, stets normal mit fünf gleich großen Kronblättern von Kelchblattlänge blühten. Experimentelle u. entwieklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyllaceen-Blüten. 291 y) Dieselben Reaktionen, nur schneller und intensiver, wurden in vielen hunderten von Fällen erhalten, wo Stellarien entweder als ganze Stöcke oder als Stecklinge vom Freiland ins Kulturhaus übernommen und dort unter guten Ernährungsbedingungen kultiviert wurden. Hierbei wurde in der Regel ein aus Nymphenburger- und Komposterde ge- mischter Boden verwendet, der zur besseren Auflockerung einen kleinen Zusatz groben Sandes erhielt. Die so gepflegten Pflanzen, denen natür- lich reichlich Licht und Feuchtigkeit geboten wurde, veränderten sich übereinstimmend sehr bald im Habitus. Die Internodien wurden länger, steif aufgerichtet, statt wie im Freien mehr am Boden gelagert. Das Blattgrün wurde heller, oft ins Gelbliche spielend. Epipetale Staub- blätter traten seltener auf. Die Kronblätter wurden schmäler, ungleich- mäßiger und pflegten nach drei bis vier Wochen zu schwinden. Sie wurden zwar stets angelegt, blieben aber auf dem Primordialstadium stehen. Stöcke, die wochenlang nahezu apetal geblüht hatten, zeigten gelegentlich wieder ein bis fünf kleine Kronblätter. Verglich man Stellarien in diesem Zustand mit solchen in der freien Natur, so fiel sofort der üppige, geile Habitus oder Gewächshaus-Individuen auf. Stets fanden sich Exemplare, die ihre normalen Blüten länger behielten als die anderen. Stecklinge, die davon genommen wurden, reduzierten aber rasch. Während der Übergangszeit trug oft ein und dieselbe Pflanze Blüten verschiedener Ausbildung, z. B. Topf 238 am 7. April 1915: K,0,A,G; K;C,A;G; K,C, ungleiche A,G,, oder am 20. April: K,C, kleine A,G, K,C, mittelgroße A,G, K,C, winzige A,G, K,C, kleines A,G, K,C, kleine A,G,. Eine in vielen Fällen gemachte Beobachtung ist die, daß die obersten Gipfel der — hoch aufgerichteten — Hauptachse reduzierte Blüten trugen, während die Blüten an den unteren Seitenzweigen noch ganz regelmäßig waren, z. B. Topf 582: am 12. Juni unten: 5 große, regelmäßige Kronblätter, oben: 4—5 mittelgroße, ungleiche; am 15, Juni unten: 5 große, oben: 1 kleines; am 19. Juni unten: 5 große, oben: 4 ungleiche, kleine. 293 Erich Kraft, Diese allgemeine Erfahrung muß noch dahin ergänzt werden, daß der beschriebene Unterschied zwischen oberen und unteren Blüten hauptsächlich dann eintrat, wenn die Pflanzen mit Stäben gestützt und zu senkrechter Haltung gezwungen waren. Sie wuchsen dann bis zur Höhe von mehreren Dezimetern über den Boden, wie es in freier Natur selten geschieht, die obersten Internodien streckten sich bedeu- tend, und es läßt sich denken, daß die Verlängerung des Weges, auf dem die Nährstoffe zu den obersten Blüten gelangen, die Ernährung ungünstig beeinflußt. In der Natur lagert sich die Pflanze mehr oder weniger am Boden, nur die vordersten Internodien sind erhoben, (die den Boden berührenden Knoten bewurzeln sich oft, und so lange wurzellose Achsen wie im Gewächshaus kommen nicht vor. Läßt man Pflanzen so wachsen, unterbleibt auch die Reduktion der Gipfelbläten. Die Fähigkeit der Stengelknoten, sich zu bewurzeln, läßt sich übrigens steigern. Erhöht man nämlich die Luftfeuchtigkeit auf 90-95 %, 50 treten Wurzeln auch an den Knoten auf, die vom Boden 5 und mehr Zentimeter abstehen. Bei allen diesen Versuchen wurden die Pflanzen auf einem guten mit Komposterde stark versetzten Boden gehalten. Dabei wurden Größe und Zahl der Samen nicht vermindert. Das Durchschnitts- gewicht einer großen Zahl Samen (reif, lufttrocken) aus rein apetalen Blüten betrug 0,454 mg, während dasjenige von Samen aus normalen Freilandpflanzen 0,431 mg betrug. Ein ganz ähnliches Verhalten zeigten die im Kulturhaus aus Samen gezogenen, auf gutem Boden wachsenden Stellarien. Ihre ersten Blüten waren stets normal. Nach einiger Zeit, am ehesten im Sommer, trat Reduktion des Petalkreises ein. In den Primärblüten traten auch epipetale Staubblätter am häufigsten auf. Es wurde eine lange Reihe von Aussaaten gemacht, um zu ermitteln, ob die Samen aus verschieden gearteten Blüten verschieden blühende Pflanzen ergeben. Zu diesem Zweck wurde Same einerseits aus den normalen Blüten der Freiland- stellarien, andererseits aus apetalen Gewächshausblüten geerntet und ausgesät. Ein Unterschied war nicht zu bemerken. Die im Gewächs- haus aufgegangenen und weiter kultivierten Pflanzen wurden ausnahms- los apetal, wenn auch nach sehr verschiedenen Zeiten. Die im Freiland auf bestem Boden erzogenen Keimlinge zeigten die oben unter ba) geschilderten Reduktionen. Die auf schlechtem Boden erzogenen blübten normal, gleichviel ob sie von normalen oder apetalen Blüten abstammten. Hiermit stimmen gut überein die Ergebnisse von Kultur- versuchen, die Groß mit Samen von natürlich vorkommender Stellaria } } r Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyllaceen-Blüten. 293 pallida angestelit hatte. Es sei schon hier bemerkt, daß nach diesen wie nach meinen Versuchen die apetalen — und ebenso die zehn- männigen -— Formen nicht als eigene Arten unterschieden, sondern höchstens als Standortsmodifikationen aufgefaßt werden können. Herr Professor Groß hatte die Güte, mir seine Resultate schriftlich mitzu- teilen. „Das Hauptergebnis ist, daß sich pallida auf gelockertem, mäßig feuchtem und mäßig besonnten Boden schon in der ersten Gene- ration zu typ. media zurückzubilden begann.“ Es geht daraus hervor, daß Stellaria media in freier Natur dann apetal vorkommen kann, wenn die entsprechenden Bedingungen andauernd darauf einwirken. Übereinstimmend geben alle Floristen für Stellaria pallida ein gleiches Milieu an: viel Sonne, Steine, leichte Durchhitzung und Aus- trocknung des Bodens usw. So schreibt Groß: „Ich fand auch in der Pfalz pallida an zwei Stellen, und zwar wieder nur auf hartem, sonnigem Boden bei Dürkheim und bei Freinsheim. In den kräftig gedüngten Weinbergen der Pfalz ist meria überaus häufig mit mehr als fünf und sehr oft mit zehn Staubblättern zu beobachten, ohne daß m. E. diese Pflanzen zu neglecta zu stellen sind“ Da auch ich zehnmännige Stellarien, aus dem Freien geholt und den oft. geschil- derten Bedingungen unterworfen, zur Reduktion brachte, steht zu ver- muten, daß alle diese Unterarten, von neglecta bis pallida bzw. apetala nur als Standortsmodifikationen einer einzigen Art aufzu- fassen sind. Das gleiche gilt von den zahllosen Unterarten, die B&- guinot aufgestellt hat (1910). Fanden sich doch oft die Charakte- ristika mehrerer solcher Unterarten auf einem Stock vereinigt. Während also bei Unterernährung der ganzen Pflanze alle Blüten- kreise reduziert werden konnten, erstreckte sich die Hemmung bei überernährten meist nur auf den Petalkreis. Ja es zeigte sich in diesem Falle oft eine gewisse Üppigkeit der anderen Kreise. So wurden z. B. von den Töpfen 143, 153 und 154, welehe im Gewächshaus besonders tein apetal blühten, Stecklinge genommen und in guter Erde unter Zusatz von Nährsalzen kultiviert. Dabei zeigte sich, daß wohl ge- legentlich ein bis zwei Kronblätter auftraten, doch kaum öfter als an den Mutterpflanzen und anderen apetalen auch. War nun auf diese Weise eine Kräftigung des Petalkreises nicht zu erzielen, so traten in den anderen Kreisen sehr auffällige Veränderungen auf. Die Kelchblattzahl begann zwischen vier und sechs zu schwanken. Epipetale Staubblätter, die sich nur an den ersten Blüten der Mutterpflanze gezeigt hatten, wurden wieder öfter bemerkt, meist ohne zugehöriges Kronblatt. Am auffallendsten war aber das Auftreten von zwei, vier, ja sieben 294 Erich Kraft, Fruchtblättern. Es folgt hier eine Reihe von Blütenformeln aus dieser Periode: K,0,A,4564 K,C,A,150; K,C,A,G, Ks0,A,6; K,C, rudimentär A,+sGs K,C, rudimentär A146, K,0,4;6, ! Die Samenzahl betrug meist über neun. Ferner traten zahlreiche Mißbildungen auf. Öfters verwuchsen zwei Blüten auf einem Stiel mehr oder weniger eng zu einer Blüte. Bei den Stellarien dieser Gruppe wurde auch eine Variation in der Zahl der Wirtelglieder beobachtet. Eine größere Anzahl Kulturen wurde bis auf die alleruntersten Stengelteile beschnitten zu einer Zeit, da die Pflanzen ihre ersten Blüten öffneten. Nach einiger Zeit, indes die Pflanzen im Gewächshaus bei guter Helligkeit, Wärme und Feuchtig- keit blieben, wurde bemerkt, daß die aus den Blattachseln in großer Zahl gewachsenen neuen Sprosse zum Teil dreizäblige Wirtel trugen. Später gingen alle diese wieder zur Zweizähligkeit über, wobei meist der erste bzw. unterste der zweizähligen Wirtel eine Übergangsbildung zeigte. Das eine der beiden Blätter hatte nämlich zwei Mittelnerven und zwischen denselben eine taschenartige Vertiefung, so daß es wie aus zwei Blättern verwachsen schien, Offenbar waren durch das totale Beschneiden der Stöcke nicht nur die unteren Achselknospen von allen Entfaltungshemmungen befreit, sondern auch von der intakten Wurzel her mit einem solchen Überschuß von Baustoffen versehen worden, daß statt der normalen zwei- die dreizähligen Wirtel gebildet wurden. Diese vegetative Abundanz gab sich auch darin zu erkennen, daß die Sprosse erst nach Bildung einer längeren Reihe von Laubblattpaaren zum Blühen schritten, während umgekehrt oft beobachtet wurde, daß Achselknospen unmittelbar aus der Achsel blühten, wenn das vegetative Wachstum des Stockes z. B. durch Wassermangel stark gehemmt war. Dieses Dreizähligwerden der Wirtel wurde im April beobachtet. Leider wurden die betreffenden Kulturen bald darauf irrtümlich weg- geworfen, auch kein Same davon aufgehoben. Die Erscheinung konnte hinfort an normalen Kulturen nicht mehr beobachtet werden. Um sie wieder hervorzurufen, versuchte ich nochmals die gleichen Umstände zu schaffen, unter denen die Dreizähligkeit vordem aufgetreten war- Es wurden 32 Aussaaten nebeneinander gemacht. Das vegetative si, Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophylliaceen-Blüten. 295 Wachstum der aufgehenden Pflänzchen wurde möglichst begünstigt. Zu einer Zeit, wo eben die ersten Blüten gebildet wurden, wurde alles bis auf die untersten Stengelteile beschnitten. Unter den neu aus- treibenden Achselknospen fand sich auch ein Zweig, der einen drei- blätterigen Wirte] trug, ober- und unterhalb davon aber nur zwei- zählige. Es sollen bis zu sechszählige Wirtel vorkommen (Hegi). Beobachtungen über drei- und mehrzählige Wirtel bei anderen Caryo- phyllaceen liegen zahlreich vor. So nach Rohrbach (1868) bei Silene linicola, Dianthus barbatus, nach Schimper {fibid. eit.) auch bei Silene nutans. Da es von Wichtigkeit schien, die Frage nach der Vererbbarkeit der Blütenreduktionen von Stellaria media endgültig zu entscheiden, wurden Samen genau bestimmter Blüten geerntet, ausgesät, und die Keimpflanzen zum Teil im Gewächshaus, zum Teil im Freien erzogen. Parallel dazu wurden die gleichen Versuche gemacht mit Samen, der von normalblühenden Freilandpflanzen stammte. Um das Resultat vor- wegzunehmen, sei bemerkt, daß ein Einfluß der speziellen Beschaffen- heit der Mutterblüten auf diejenige der Abkömmlinge in keinem Fall festgestellt werden konnte. Die im Kulturhaus auf gutem Boden ge- zogenen Stellarien reduzierten den Petalkreis früher oder später sämt- lich. Solche, die länger normal blieben als die anderen, fanden sich unter den Abkömmlingen sowohl der apetalen wie der normalen. Es waren das meist die weniger üppig entwickelten Exemplare, so daß auch hier die verschiedene Persistenz eine Folge der Zufälligkeiten der Ontogenese zu sein scheint. Übereinstimniend schritten auch die im Freiland auf gutem Boden unter häufiger Bewässerung wachsenden zur Petalreduktion, die aber selten zur völligen Apetalie gelangte. Solche scheint im Freien schwer zu erzielen zu sein. Drittens endlich blühten auf magerem, trockenem Boden im Freiland alle Stellarien normal. Auch die Samenzahl schien sich nicht nach den Eigenschaften der Eltern, sondern nur nach den Ermährungsverhältnissen zu richten. Auf Komposterde gab es stets mehr und größere Samen (10-16) als auf stark sandigem, trockenem Boden (6—12). Hier sei auch bemerkt, \ daß die Kulturhauspflanzen sich stets selbst bestäubten. Für die im Freiland kann nicht garantiert werden, doch ist Selbstbestäubung sicher die Regel. Blüten, die wegen trüben Wetters nie geöffnet waren, gaben stets und gleich viel reifen Samen. Bateson (1887) meint. Stellaria media sei „not invariably self-fertilized“, da sie gelegent- lich von Insekten wegen ihres Honigs besucht werde. Parallelversuche mit selbstbestäubten und künstlich gekreuzten Blüten ergaben ein 296 Erich Kraft, kleines Plus für die gekreuzten in bezug auf Samenzahl und -größe, auch auf Größe und Gewicht der von gekreuzten abstammenden Tochter- pflanzen. Offenbar aber kann die Pflanze auf Selbstbestäubung ohne großen Schaden verzichten. Von den zahlreichen Generationenketten sei nur eine wieder- gegeben. Kultur 81, gewachsen auf guter Erde in einem Warmhaus, blühte vom 28. Februar 1915 bis 12, Mai, seit 24. März fast apetal. Der am 10. April geerntete Same einer Blüte mit K,C, kleines A,G, wurde ausgesät als Kultur 540—544. Gewächshaus, gute Erde. Blüte anfangs normal, ab Mitte Juni ganz apetal. Samen solcher Blüten wurden ausgesät als Kultur 859-864 unter gleichen Bedingungen. Erste Blüte am 27. Juli normal mit K,0,A,+,G,. Anfangs August Beginn der Petal- reduktion. Samen fast apetaler Blüten aufgehoben und im Frühjahr 1916 ausgesät als a) Kultur 1246—1254 (Freiland, Mistbeet, feucht). Blüte zu- nächst normal, seit Ende April Petalreduktion, aber keine Apetalie. Große, üppige Pflanzen. b) Kultur 1255-1271 (Freiland, Kies, mit lehmigem Sand, trocken). Blüte stets normal, Pflanzen wie Blüten kleiner als bei vorigen. 3. Rückgängig gemachte Blütenreduktionen. Weit schwieriger als die Herbeiführung der Reduktionen gestaltete sich die Rückgängigmachung derselben. Mannigfache Versuche. die in dieser Richtung angestellt wurden, schlugen fehl. So gelang es nicht, während der Monate Mai bis August die im Gewächshaus apetal ge- wordenen Stellarien durch Auspflanzen ins Freiland wieder normal zu machen. Die Pflanzen gingen ein, sobald man sie den natürlichen Be- dingungen schutzlos preisgab. Noch weniger glückte es mit Steck- lingen. Bessere Ergebnisse wurden erzielt, in den Frühjahrsmonaten, in denen auch sonst Stellaria media am frischesten ist, Ende März wurden einige apetal blühende Gipfel als Stecklinge in das Mistbeet gesetzt, wo sie, fast stets unter freiem Himmel wachsend, bald ihren Habitus änderten. Die langen, steif aufgerichteten Inter- nodien der Gewächshauspflanze wurden kürzer, und lagerten sich am Boden. Die Laubblätter wurden kleiner und saftiger. Die Blüten zeigten Mitte April kleine Kronblatt-Spitzchen, Anfang Mai drei bis fünf ansehnliche Kronblätter. Es war also in den relativ kühlen Früb- jahrsmonaten gelungen, die Petalreduktion rückgängig zu machen. In . Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyliaceen-Blüten. 297 diesem Zustand verharrten die Pflanzen längere Zeit, bildeten viele ganz normale Blüten, erstarkten dann namentlich vegetativ immer mehr, wurden sehr üppig und zeigten allmählich wieder Petalreduktion (Juni). Die Vermutung liegt nahe, daß die Apetalie dieser Stellarien durch einseitige Begünstigung des vegetativen Wachstums hervorgerufen war. Die gleiche Ursache liegt offenbar vor, wenn man, wie oft getan, die Pflanzen bei reichlicher Feuchtigkeit, leicht geschwächter Beleuchtung (Verglasung des Gewächshauses) und guter Ernährung mit Bodensalzen kultivert. Sie pflegen dann geil und üppig aufzuwuchern. Bringt man sie, nachdem sie durch vegetative Üppigkeit ihre Blüten korrelativ re- duziert haben, ins freie Land, so wird durch die Stecklingsentnahme oder unvermeidliche Wurzelbeschädigung eine Schwächung herbeigeführt, die im Verein mit hellerem Licht und größerer Trockenheit die Blüten- bildung begünstigt, — bis die im fetten Boden rasch erstarkende Pflanze wiederum in starkes Vegetieren gerät. Mit dieser Deutung stimmt auch folgender Versuch gut zusammen. Am 17. Juli 1915 hatte Topf 667 lauter apetale Blüten. Die Pflanze wurde nun in einen neuen Topf mit frischer Erde gesetzt, wobei eine Beschädigung des reichen, am Ton klebenden Wurzelsystems nicht zu vermeiden war. Am 25. Juli zeigten sich Blüten mit vier bis fünf Kronblättern. Die Pflanze blühte normal bis Anfang August, worauf wieder Apetalie eintrat. Es ist hier zu bemerken, daß die Gewächshausstellarien zwar im allgemeinen ein helleres Grün aufwiesen als die im Freien wachsenden. Andererseits waren aber gerade bei apetalen Stöcken oft die Laub- blätter tief dunkelgrün gefärbt. Das entspricht durchaus dem üppigen vegetativen Ernährungszustand, der in solchen Fällen die Apetalie her- vorgerufen hatte. Celakovsky meinte seinerzeit (1881), die Apetalie sei mit gelbgrüner, blasser Farbe des Laubes gepaart. Interessant war das Verhalten der unter 2. a) a) erwähnten, mit Sand gefüllten Schalen, auf denen im ganzen etwa 100 Stellarien nahezu apetal blühten. Zwei dieser Schalen wurden Mitte April ins Freie ge- bracht. Darauf gingen die meisten Pflanzen ein. Die übrigen blühten reduziert weiter. Auch Übergießen mit Nährsalzlösung blieb ohne er- sichtlichen Einfluß. Als Letztes wurde versucht, die Pflänzchen in gute Erde umzupflanzen. Sie hielten das jedoch, offenbar wegen zu großer Schwäche, nicht aus. Nur eine kam fort und entwickelte sich im Laufe von drei Wochen zu einer gesunden Pflanze, die noch heute (Mitte Juni) normale Blüten trägt. 298 Erich Kraft, Zum Schlusse sei das Verhalten einiger Töpfe erwähnt, die im April und Mai apetal geblüht hatten. Sie wurden dann zum Weg- räumen beiseite gestellt und nicht mehr gepflegt. Anfang Juni, als sie bereits teilweise verdorrt und abgestorben waren, erhielten sie zu- fällig wieder Begießung. Sie erholten sich nun zum Teil und blühten mit kleinen, ganz normalen Blüten weiter. Hier hatte das Austrocknen die vegetative Kraft gründlich geschwächt und deren auf die Blüten ausgeübte Hemmung beseitigt. Zusammenfassung der Ergebnisse des Experiments. In den Blüten von Stellaria media variiert die Staubblattzahl in ziemlich weiten, die Zahl der Fruchtblätter und Samenanlagen in ziemlich engen Grenzen. Diese Variabilität ist eine der Pflanze eigene. erbliche Eigenschaft, die im einzelnen Falle auf Wirkungen äußerer Bedingungen nicht unmittelbar zurückgeführt werden kann. Neben dieser Variabilität zeigt die Stellariablüte häufig Reduktionen derart, daß die Kronblätter gehemmt, bisweilen auch Staubblätter und Samen- anlagen vermindert bzw. funktionsuntüchtig werden. Diese Reduktionen sind von äußeren Bedingungen abhängig. Sie werden einerseits durch starke Unterernährung der ganzen Pflanze, andererseits korrelativ durch Begünstigung der vegetativen Entfaltung hervorgerufen. Im letzteren Falle wird meist nur der Kronstaubhlattkreis reduziert. Alle Reduk- tionen treten mit quantitativen Unterschieden an allen Stellarien auf und können rückgängig gemacht werden. In der freien Natur scheint sich Stellaria mit dem Komplex der natürlichen Bedingungen, der durch lange Zeiträume gleichfärmig ge- wirkt hat, derart im Gleichgewicht zu befinden, daß Blüten mit der Forme) K,0,A,63) gebildet werden. Daß es sich um ein Gleichgewicht handelt, sieht man an dem sofortigen Eintritt veränderter Bildung, sobald gewisse Faktoren des Bedingungskomplexes künstlich verändert werden. Was die an natürlichen Standorten vorkommenden apetalen Stel- larien betrifft, so dürfte die Reduktion derselben teilweise auf akkumu- lierender Wirkung schlechter Ernährung beruhen, teilweise auch darauf, daß diese Pflanzen einem öfteren schroffen Wechsel von Feuchtigkeit und üppigem Vegetieren einerseits, starker Besonnung und Trocken- heit andererseits ausgesetzt sind. Nach Angabe der Floristen sind die Standorte der Varietät apetala ähnlich beschaffen. Es sind dies die gleichen Bedingungen, die auch im Gewächshaus die Apetalie be- günstigen. r Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters, an Caryophyllaceen-Blüten. 299 1. In der nun folgenden Schilderung der Blütenentwicklung der ein- zelnen Caryophyliaceen-Gattungen werden nur die Merkmale erwähnt, die für die phylogenetischen Erwägungen von Bedeutung sind, und von sonstigen Beobachtungen nur die, durch welche frühere Angaben berichtigt werden. Bei den typischen Alsineen schließt, wenn genügend Laubblattwirtel gebildet sind, eine Gipfelblüte den Sproß ab. Macht man einen Querschnitt so, daß die Achse der Blüte samt den beiden Vorblättern und den zugehörigen Achselsprossen getroffen wird (Fig. D), so sieht man, daß die Vorblätter 7 und die zugehörigen Achselsprosse a, von denen in der Figur nur die undifferen- zierte, unterste Partie getroffen ist, ungleich sind, und daß die Achse der Mittelblüte 4 nicht in der Mitte liegt, sondern gleichsam von den beiden Achselsprossen einseitig hinaus gedrückt ist. Dasselbe, aber höher geschnitten, zeigt Fig. 2. Am Stengel .S entspringt aus der Achsel des Blattes 3 die Blüte A, die von ihren Vorblättern v und deren Achselsprossen @ einseitig hinausgedrückt ist. Auf der hinaus- geschobenen, breiteren Seite entsteht Kelchblatt schräg oberhalb des a-Vorblattes z,. Diese Reihenfolge der Anlagen am Vegetationspunkt: a-Vorblatt z,, -Vorblatt z,, Kelchblatt z ist durchaus verständlich. An den Blütenzweigen ist der ß-Achselsproß stets der geförderte. Ver- bindet man im Diagramm die geförderten Achselsprosse, so erhält man eine Zickzacklinie (punktiert). Der subordinierte, geförderte Achselsproß kommt abwechselnd rechts und links zu liegen, worin sich Wiekel- tendenz offenbart. Das Kelchblatt einer Achselsproßblüte liegt immer abgewendet i. von der übergeordneten Abstammungsachse, 2. vom eigenen 8-Vorblatt. Kelchblatt 2 liegt dann gegen die Abstammungs- achse hin. Damit ist der Drehungssinn der Kelchspirale festgelegt. Obwohl diese nach 2/, fortschreitet, sind die Öffnungswinkel der Sektoren ungleich. Kelchblatt - und z stehen sich meist näher, als das Schema erlaubt, Kelchblatt 4 und 5 haben Neigung zu trans- versaler Stellung, rücken also von Kelchblatt > mehr als je 72° ab. Entsprechend den Vorblattverhältnissen läuft die Kelchspirale ball rechts, bald links herum. Nach Anlegung der Kelchblätter erscheinen gleich- zeitig die fünf Kronblätter als sehr sanft gewölbte Höcker. Gleich darauf werden die Primordien der Kelchstaubblätter sichtbar. Die vor den jüngsten Kelchblättern treten zuerst auf. Der Vorsprung ist aber Aur klein. Deutlich ist dagegen, daß das Primordium des vor Kelch- blatt 4 stehenden Staubblattes immer größer und dicker aussieht als Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyllaceen-Blüten. 301 das vor Sep. 5, dieses wieder größer als die übrigen. Später gleichen sich die Größenunterschiede wieder aus. Die genannten Staubblätter gehen nach meinen Beobachtungen an Stellaria media den übrigen im Ausstäuben nicht selten voraus. Nach Anlegung der Kelchstamina geschieht folgendes: die Einsattelung (in Fig. 3 durch einen Pfeil ge- kennzeichnet), mit der die Petalprimordien nach oben in den Blüten- boden übergehen, verflacht sich, hebt sich (Fig. 4), und es erscheinen unmittelbar über den Kronblättern, aber unter- bzw. außerhalb der Kelchstaubblätter die fünf Primordien der Kronstaubblätter. Payer hat dies sehr gut beobachtet. Er beschreibt den für Alsineen so typischen Vorgang, wie das dicht über dem Petalum stehende Staub- blatt allmählich größer wird. bis „A un certain moment, les &tamines sont plus grosses que les p6tales et dispos6es de tel facon que le pe6tale ne semble plus qu’un bourrelet exterieur n& sur cette &tamine*. Vgl. hierzu Fig. 3—6. Mikrotomschnitte von solchen Stadien lehren, daß zu der Zeit, wo die Kronblätter angelegt werden, das darüber befind- liche Gewebe des Blütenbodens weder nach Form, noch nach Inhalt der Zellen Andeutungen von epipetalen Staubblättern zeigt. Von einer Entstehung der beiden, so eng gepaarten Glieder aus einem Prim- ordium kann keine Rede sein. Nach den Kronblättern werden erst die Kelchstaubblätter angelegt und ziemlich weit differenziert. Dann erst er- scheinen die Kronstaubblätter. Anzeichen für ontogenetisches D&double- ment fehlen vollständig. — Die Kronblätter bleiben lange sehr klein und strecken sich erst kurz vor Öffnung der Blüten. Bei den häufig vor- kommenden apetalen Formen unterbleibt die Streckung, nie aber die An- legung. — Erst nachdem die Staminalprimordien alle sichtbar sind, er- scheinen die Fruchtblätter, die meist, aber nicht immer, mit den Kelch- staubblättern alternieren. Was die weitere Entwieklung des Frucht- knotens anlangt, so ist den Ausführungen Schäfer’s (1890) nichts hinzuzufügen. Die Fruchtblätter treffen sich mit ihren Rändern, die als Scheidewände bis zur zentralen Erkebung der Blütenachse reichen; mit dem Wachstum der Fruchtblätter laufen auch die Scheidewände höher am Zentralkegel hinauf, oberhalb derselben ragen sie schließlich frei vom Rande herein, ohne sich zu treffen. Die Samenanlagen treten an den äußersten Rändern der Fruchtblätter auf, oben beginnend, zwei Reihen in jedem Fach. Die Scheilewände werden später aufgelöst usw. Malachium aquatieum. An dieser Pflanze läßt sich besonders deutlich die Entwieklung der alternisepalen Blütensektoren verfolgen (Fig- 17 und 18). Schon Flora, Bd, 109, 20 302 Erich Kraft, Payer schildert und zeichnet anschaulich, wie die Kelchstamina zuerst erscheinen, stets größer sind und weiter innen stehen als die Kron- stamina. Der Zeichnung (Pl. 73, Fig. 6) ist auch zu entnehmen, daß die Staubblätter vor den jüngsten Kelchblättern gefördert sind und in der Entwicklung den anderen vorauseilen. Vergegenwärtigt man sich, daß dem zuerst erscheinenden höchsten Staubblatt vor Sep. 5 die an- deren in absteigender Spirale folgen, daß sodann die noch tiefer stehen- den Kronstaubblätter erscheinen, so ergibt sich für diese typischen Curyophyllaceen eine basipetale Entwicklung des Andröcgums. Schumann konnte sich wegen der Insertionshöhe der Staminal- kreise nicht entscheiden. Er meinte, daß die epipetalen Stamina höher stehen als die episepalen. Jedenfalls aber bilden, wie er sagte, die großen episepalen Primordien die Kontakthöcker und bedingen die epipetale Lage der Fruchtblätter (1889). Es ist hierbei nicht verständ- lich, wie die Kelchstamina die Kontakthöcker für die Fruchtblätter bilden können, wenn sie doch tiefer stehen als die Kronstamina. Nach- prüfung ergab, daß die Fruehtblätter über den Kronblättern stehen, also in diesem Falle mit dem innersten Staminalkreis, den Kelchstaub- blättern, alternieren; vgl. hierzu auch Payer, Pl. 73, Fig. 10. Es kommen auch weibliche Blüten vor, in denen das Andröceum verkümmert; vgl. Schulz (1888/90). Stellaria graminea und Stellaria holostea lassen in der Blütenentwicklung Abweichungen vom Normalen kaum erkennen. Die Petalprimordien sind unscheinbarer als bei Malachium, und die scharfe Furche zwischen ihnen und den zugehörigen Kron- blättern tritt später auf. Das von der Fünf- auf Dreizahl reduzierte Gynäceum besteht gelegentlich aus vier Fruchtblättern. Sabransky (1910) gibt eine Stellaria graminea f. micropetala an, die durch Reduktion eingeschlechtig und kleinblütig geworden sei. Auch Schulz (I. e.) fand, daß die Blüten mit sterilem Andröceum kleiner sind als die normalen. Wichtig scheint die Beobachtung, daß oft nur die Ter- minalblüte und die Primanblüten der Dichasien normal, die späteren aber weiblich sind. Die Beobachtung, daß die ersten Blüten die kräf- tigsten sind, während später leicht Reduktionen eintreten, wurde auch an anderen Caryoplıyllaceen gemacht. Bei Stellaria holostea wird eine f. apetala angegeben (Hegi IIT), auch das Vorkommen kleinerer, weiblicher Blüten. Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyllaceen-Blüten. 303 Stellaria media. Die Blütenentwicklung verläuft durchaus typisch. Von den Blüten- variationen war im ersten Teil schon ausführlich die Rede, Fig. 7—16 zeigen außer dem Normaldiagramm 7 eine Reihe stark abweichender. Die Zahl der Kelchblätter schwankt zwischen vier und sechs. Im Fall der Vierzähligkeit stand das erste Kelchblattpaar median. Bei sechs Kelchblättern stand stets ein beiderseits deckendes vor der Achse, im übrigen herrschte aber keine Regel. Oft gab es rein absteigende Deckung wie in Fig. 9 und 10, oft schien der Kelch aus zwei drei- zähligen Wirteln zu bestehen, meist lag eine Spirale mit sechs un- gleichen Sechsteln vor. Auffällig war es, wenn das sechste Blatt wieder vor das erste fiel, wie in Fig. 15. Die verschiedenen Kelchformen üben auf die Kelchstaubblätter einen richtenden Einfluß aus. Letztere werden entweder auch vier- bzw. sechszählig oder sind im Fall der Minderzähligkeit den jüngeren Kelchblättern streng superponiert. Man erkennt daran, daß Kelchblatt und Kelchstaubblatt hier im Sinne Goebel's (1911) gepaart sind. Die gleiche Paarung besteht, wie nebenbei bemerkt sei, auch in den Petalsektoren. Kronblätter und Kronstaubblätter sind sehr genähert, streng superponiert und neigen zu gemeinsamem Schwinden. Hingegen greifen die Änderungen in den Zahlen der Kelchblätter nur selten auf die Petalsektoren über, wie Fig. 11 und 12 beweisen. - Die Zaht der ausgebildeten Kronblätter in normalen, pentameren Blüten pflegt zu schwanken, sobald die Pflanzen dem Zustand der Apetalie zuneigen. Auch bei den sogenannten apetalen Blüten werden alle Petala angelegt. Obwohl sehr viele Blüten untersucht wurden, konnte keine Norm gefunden werden, nach der gewisse Petala bei Abort persistieren oder vorangehen. Vielmehr finden sich regellos alle Hemmungsstadien. Anders bei den Kelchstamina. Hier bleiben im Fall der Minderzähligkeit die vor den jüngeren Kelchblättern stehen. Da es meist drei sind, stehen sie also vor Sep. 5, 4 und 3, Eichler (1875/78) gab eine Stellaria media mit trimerem Andröceum wieder, bei der die Staubblätter vor 5, 4 und 1 stehen. Das ist ein von mir Richt beobachteter, jedenfalls sehr seltener Fall. Daß gerade die ge- nannten Staubblätter persistieren, stimmt überein mit der Tatsache, daß sie die höchsten und ersten sind. Einen Einfluß auf die Stellung der Petala üben die Staubblätter noch nachträglich aus. Da sie näm- lich viel schneller wachsen und an basalem Umfang zunehmen als die Kronblätter, werden die Räume zwischen den Kronblättern ungleich. An den Stellen, wo oberhalb ein Staubblatt eingeschaltet ist, also vor 20* 304 Erich Kraft, Sep. 5, 4 und 3, werden die Kronblätter auseinander gedrängt; dafür rücken sie vor Sep. 1 und 2 scheinbar näher zusammen. Noch in der fertigen Ausgestaltung der geöffneten Blüte ist diese Verschiebung der Kronblätter oft deutlich sichtbar und verleiht der Blüte ein etwas dorsiventrales Gepräge. Bisweilen wurden Mitteldinge zwischen Staubblatt und Petalum beobachtet. An einer Blüte, die nur vier Kronblätter hatte, fand sich an der Stelle des fünften ein Gebilde, wie in Fig. 19 wiedergegeben. Im unteren Teile hatte es ein von Honigdrüseuhöckern flankiertes, typisches Filament. In der Höhe, wo bei einem normalen Staubblatt die Antheren gesessen hätten, gabelte sich das Gebilde in zwei un- gleiche, weiße Lappen von ausgesprochenem Kronblattcharakter. An der Außenseite der Lappen war je ein länglicher Abschnitt von der roten Färbung, wie sie die fast reifen Antheren haben. Bei mikro- skopischer Untersuchung fand sich, daß die roten Abschnitte Pollensäcke waren; die Verdickungen des Endotheciums waren deutlich zu sehen. In einem kürzeren Ast waren reife Pollenkörner, im anderen nicht. Die übrigen weißen Teile der Lappen waren petalartig gebaut, mit etwas papillöser Vorwölbung der Zellen usw. Bei minderzähligem Andröceum finden sich zuweilen Rudimente der fehlenden Staubblätter in allen Stadien, vom einfachen Höcker bis zum großen Staminodium, bei dem nur der Pollen in den Antheren steril ist. In der Regel aber werden die fehlenden Staubblätter gar nicht angelegt, worin ein großer Unterschied gegenüber den stets an- gelegten, aber oft nicht weiterwachsenden Kronblättern besteht. Fig. 20 zeigt die Ansicht auf eine junge Blüte, die dem apetalen Steckling 143 angehörte. Man sieht über den Kelehblättern s alle fünf Kronblätter # angelegt, darüber nur die drei Kelchstaubblätter s/; die Fruchtblätter sind noch nicht sichtbar. Andere Entwicklungsstadien sind in Fig. 21 bis 23 abgebildet. Die Zahl der Fruchtblätter schwankt nach meinen Beobachtungen zwischen zwei und sieben, beträgt aber meist drei. Ihre Stellung wird in den kerkömmlichen Diagrammen richtig angegeben, ist aber nicht starr festgelegt. Eine Spitze des stumpfen Fruchtknoten-Dreiecks ist bald genau gegen Sep. 2, d. h. gegen die Achse hin gerichtet, bald schief dazu, bald mehr gegen Sep. 1 hin. Allgemein für alle Alsineen mit trimerem Gynäceum kann nur gesagt werden, daß die Fruchtblätter den beiden vor Sep. 5 und 4 stehenden — also höchsten und ersten — Staub- blättern auszuweichen scheinen. Damit soll nicht behauptet werden, daß die Stellung der Karpelle durch die der Staubblätter bestimmt Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters, an Caryophyllaceen-Blüten. 305 Fig. 17, 18. Malachium aquatieum, 19—25. Stellaria media; 19 Staubblatt- mißbildung: 20 junge Blite von oben; 21—23 von der Seite; 24, 25 Querschnitte durch die Antberenwand. 26. Sagina apetala; s Kelchblatt, 5 Kronblatt, sz Kelch- staubblatt, 5% Kronstaubblatt. 306 Erich Kraft, werde. Eher ist anzunehmen, daß die einen so wichtigen und zentralen Teil der Blüte bildenden Fruchtblätter schon vor ihrem sichtbaren Auf- treten durch Momente stofflicher Natur, z. B. Nährstoffkonzentration, gewissermaßen ihren Platz belegen und die ihnen zunächst stehenden Staubblätter zum Ausweichen zwingen: «dies sind aber die Stamina vor Sep. 5 und 4. In die Kelchblattsektoren können die Fruchtblätter nicht einbe- zogen werden, (la, wie die Diagramme 7—16 lehren, die Kelchblätter weder bei normaler, noch bei anormaler Zahl und Stellung auf die Fruchtblätter einen richtenden Einfluß haben. Es muß hier kurz auf die Schilderung der Blätenentwicklung eingegangen werden, die Schumann (1890) für Stellaria media gab. Hiernach entstehen zuerst fünf Kelchblätter, dann keine Petala, dann je ein Staubblatt-Primordium vor Sep. 5 und 4, dann paarige Gebilde vor den drei übrigen Kelchblättern. Das Primordienpaar vor Sep. 3 sei ungleich groß, der größere Höcker werde zum dritten Staubblatt, den kleineren aber wie die vor Sep. 2 und 1 stehenden Primordienpaare verliere man aus den Augen, bis man merke, daß sie zu Kronblättern geworden sind... „nachlem einmal die ersten Kalotten vor Sep. 4 und 5 aufgetreten sind, können nach dem herrschenden Arrangement Blumenblätter nicht in Alternanz mit den Kelchblättern angelegt werden“... „die Blumenblätter würden nur dann auftreten können, wenn durch eine radiale Dehnung im Blütenboden zwischen dem Kelche und dem Andröceum ein Raum für sie geschaffen würde“... .die Blüten können auch nicht durch in der Vorstellung existierende Verschiebungen oder anderweitige Korrekturen auf das Caryophyliaceen-Diagramm zu- rückgeführt werden“. Die Behauptung, die Kronblätter entstünden ur- sprünglich episepal und nach den ersten Staubblättern, erregt gewiß Staunen. Offenbar hat Schumann eine normale Blüte mit trimerem Andröceum untersucht. Er übersah, daß die fünf Kronblätter unmittel- bar nach den Kelchblättern und mit ihnen alternierend entstehen. Dies ist allerdings wegen der Kleinheit und Flachheit der Petalprimordien nicht leicht zu sehen. leichter bei Blüten der nächstverwandten Gat- tungen. Dagegen sah der genannte Autor richtig die absteigende Ent- wicklung des Andröceums, wenn er angibt, daß die Staubblätter vor Sep. 5 und 4 höher stehen und größer sind als das vor Sep. 3. Zu seinem Irrtum betreffs der Petalentstehung mag ihn auch die Tatsache verführt haben, daß der Blütenboden kein regelmäßiges Fünfeck dar- stellt, und daß, wie oben erwähnt, die drei Kelehstamina durch ihr selmelles Wachstum die Kronblätter etwas zur Seite drängen. Schu- Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters, an Caryophyliaceen-Blüten. 3U7 mann würde seinen Irrtum sofort selbst gemerkt haben, wenn er Blüten mit vier oder fünf Staubblättern untersucht hätte Denn wie in diesen Fällen die Blütenentwicklung dem zitierten Schema folgen könne, ist nicht ersichtlich. Weiter sei hier eine Beobachtung verzeichnet, die zwar mit dem Thema der Abhandlung nichts zu tun hat, aber dennoch Interesse ver- dient. Bei der Entwicklung der Antheren stellen die Zellen des Exo- theeiums zu einen gewissen Zeitpunkt das tangentiale Wachstum ein. Sie werden durch die mächtig wachsenden Zellen des Findotheeiums mehr oder weniger voneinander getrennt (Fig. 24 und 25) und nament- lich gegen Ende hin so unansehnlich, daß es aussieht, als sei das Endotheeium die äußerste Schicht. Vielleicht handelt es sich bei Struthanthus, wo Goebel (1911) getrennte Exotheeiumzellen be- merkte, um einen gleichen Hergang der Entwicklung. Cerastium. Von dieser Gattung wurden Cerastium triviale und Cerastium arvense untersucht. Die Blütenentwicklung verläuft normal, den treff- lichen Zeichnungen in Payer’s Organogönie ist nichts hinzuzufügen. Sehumann meint, aus Pl. 72, Fig. 9 entnelimen zu können, daß die Jungen Karpelle epipetal gezeichnet seien. Ich kann das nicht finden. Tatsächlich stehen die Fruchtblätter, wie Schumann richtig angibt, über .den Kelehblättern, also auch über den Kelchstaubblättern. Cera- stium ist ein gutes Beispiel dafür, daß die Fruchtblätter sich nicht nach den Kontaktverhältnissen der vorausgehenden Staninalprimordien richten. Denn bei Cerastium liegen die oberen Ränder der Kron- staminalprimordien tiefer (vgl. auch Payer) als die der Kelchstaminal- primordien. Nach der Kontakttheorie müßten sich die Karpelle, wie 2. B. bei Malachium, zwischen die Kelehstamina schieben: sie tun es aber nicht. Der epipetale Staubblattkreis neigt zum Abort. Auch apetale Formen, rein tetramere Blüten und dreigliedrige Wirtel sind festgestellt worden (vgl. Hegi). Am veränderlichsten scheint Cerastium glome- ratum zu sein, wo Kronblätter vorhanden seien oıer fehlen. Kron- staubblätter fertil, oder steril oder ganz abwesend sein können. Formae apetalae werden von mehreren Arten unterschieden. Weibliche Blüten mit rudimentären Staubblättern sind kleiner als die zwittrigen. Daß es sich dabei um eine Reduktion handelt, sieht man auch daran, daß bei Cerastinm brachypetalum weibliche Blüten meist auf solchen Stöcken vorkommen, deren übrige Blüten nur wenige Kelchstaubblätter 308 Erich Kraft, haben. Die Reduktion des Andröceums verläuft also, wie so oft, stufenweise. Holosteum verhält sich typisch, besonders in der Inkonstanz der Kronstaubblätter. Holosteum umbellatum mit seinem Schwanken zwischen Fünf- und Vierzahl und seinem meist trimeren Kelchstaubblattkreis erinnert in diesem Verhalten an Stellaria media. Auch tritt bei schlechter Be- leuchtung Kleistogamie ein. Die Gattung Moenchia bietet keine hier interessierenden Momente. Über die Variabilität, fakultative Kleistogamie vgl. Hegi und Schulz. Sagina. Was die Blütenentwicklung betrifft, werden bei Sagina apetala die Kronblätter stets angelegt. Sie bleiben aber außer bei den ersten Blüten auf dem Primordialstadium stehen und verhalten sich oft inner- halb derselben Blüte ungleich (Fig. 26). Beim Vergleich der in Fig. 27 bis 31 abgebildeten empirischen Diagramme von Sagina subulata zeigt sich bei 28 sehr deutlich, wie die Glieder zusammen gehören. Vor vier großen Kelchblättern stehen vier Kelchstamina. Einem fünften. kleinen, Kelchblatt-ähnlichen Gebilde ist eine drüsenartige Er- hebung an der Fruchtknotenbasis, wie sie für Kelchstaubblätter charak- teristisch ist, opponiert. Nach den fünf normalen, aber unsymmetrisch verteilten Kronblättern richten sich alsdann fünf Kronstaubblätter. Bei 31 ist eins der Kronblätter doppelt so groß und breit wie die anderen. Ihm stehen zwei sehr genäherte Staubblätter gegenüber. Celakovsky hätte dieses Zusammenrücken als Vorstufe zu einem kollateralen D&loublement mit negativem Charakter aufgefaßt. Auch bei solchen Formen, die gewöhnlich nur Kelchstaubblätter haben, treten gelegentlich, besonders gern in kräftigen Primanblüten, Kronstaub- blätter bzw. -staminodien auf. Fig. 32 und 38 zeigen Diagramme von Sagina apetala. In Fig. 32 sind epipetale Glieder aufgetreten. Die Fruchtblätter stehen epipetal. Das Öffnen der Blüten ist bei vielen Arten von heller Beleuchtung abhängig. Alsine. Die Blütenentwieklung verläuft normal. An Alsina setacea ist die absteigende Spirale der Kelchstaubblätter sehr gut zu beobachten. Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyllaceen-Blüten. 309 Die Zeit- und Höhenunterschiede wurden hier am größten befunden. Kronblätter und Kronstaubblätter neigen auch in dieser Gattung stark zum Abort. Die Blüten schwanken zwischen Fünf- und Vierzähligkeit, das Gynäceum kann bis auf Zweizahl heruntergehen. Alsina verna (und gewiß manche andere Arten auch) wird bei schlechter Beleuchtung kleistogam und bildet bisweilen kleinere, weibliche Blüten, deren Staub- blätter mehr oder weniger reduziert sind. Von Interesse ist die Be- obachtung Schulz’ (l. c.), daß weibliche Blüten wohl auf solchen In- dividuen vorkommen, deren übrige Blüten ein auf die Fünfzahl redu- ziertes Andröceum haben, nicht aber auf solchen, die im übrigen alle zehn Staubblätter besitzen. Schulz knüpft daran die Bemerkung, daß Pflanzen mit A, und A,, wohl ebenfalls vorkommen müßten. Diese Vermutung dürfte kaum zutreffen, denn es handelt sich nicht um be- liebige Kombination verschiedener Blütentypen, sondern um fortschrei- tende Reduktionsstufen. Es ist unwahrscheinlich, daß eine Pflanze, deren meiste Blüten alle zehn Staubblätter normal ausgebildet ent- halten, gleichzeitig Blüten hervorbringen kann, die alle zehn Staub- blätter reduziert haben. Faßt man, wie nach den Experimenten nicht zweifelhaft sein kann, die Reduktionsstufen als sichtbare Begleit- erscheinung von Ernährungszuständen, so müßte eine Pflanze mit A, und A,, gerade die beiden Extreme in sich tragen. Viel erklärlicher und mit den Beobachtungen übereinstimmend ist es dagegen, wenn Pflanzen, deren Blüten an sich schon ein mehr oder weniger redu- ziertes Andröceum haben, gelegentlich und besonders in oberen Teilen weibliche Blüten mit total reduziertem Andröceum hervorbringen;: vgl. auch Fisch (1899). Moehringia weicht vom Typus nieht ab. Einige Diagramme der stark variablen Blüte von Moehringia trinervia zeigen Fig. 34—40. Bei der vier- zähligen Blüte 37 stehen die Fruchtblätter ungefähr epipetal. Über die Gattungen Merckia, Dolophragma und Lepirodiclis ist in diesem Zusammenhange nichts Neues oder Abweichendes zu be- richten. Die Gattung Arenaria sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Ihre an Arenaria ser- Pyllifolia studierte Blütenentwicklung weicht in keiner Beziehung vom Normalen ab. Die Kronstamina neigen zum Abort (Arenaria BETT 32T BET 30, ra way NS Erich Kraft, Fig. 27--31. trinervia. sep... "net. z Sagina subulata. 32, 33. S, apetala. 31-40. Mochringia 41. Silene venosa. 42, 43. Viscaria oculata (43 Mediane)- 41, 45. Melandryum album 2. Experimentelle u, entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyllaceen-Blüten. 311 serpyllifolia, Arenaria biflora u. a.), kleinere. weibliche Blüten finden sich (Schulz, 1. ec.) auf solchen Pflanzen. bei denen das An- dröceum schon bis zu einem gewissen Grade reduziert ist. Die Frucht- blattzahl schwankt zwischen fünf und zwei, beträgt aber meistens drei. Silene. Die Blüten von Silene venosa (Fig. 41) wurden als obdiplo- stemon befunden. Damit stimmen überein die Angaben von Rohr- bach (1868), welcher sagt, daß der äuflere (Kelchstaubblatt-) Kreis, - obwohl der ältere, doch scheinbar mehr nach innen stehe, und daß die Filamentbasis der fünf inneren (Kron-) Stamina sehr frühzeitig mit dem Nagel der Blumenblätter verwachse. Indessen scheint hier, wie bei bei den nächst verwandten (Gattungen, keine sehr ausgeprägte Opdi- plostemonie zu herrschen. Vielmehr gehören diese zu den Formen, von denen Celakovsky sagte (1894). daß ihr epipetaler Staminalkreis weder höher noch tiefer, sondern in gleicher Höhe wie der episepale stehe. Die Fruchtblattstellung der isomeren Silene-Arten ist episepal nach Rohrbach (. c.) und Schumann (1889), epipetal nach Hegi (III), und in Wirklichkeit nicht starr festgelegt (vgl. Lychnis), Auch die Zahl schwankt zwischen fünf und drei, Silene chloraefolia hat nach Rohrbach sogar nur zwei Fiuchtblätter. Daß auch bei dieser, von Rohrbach als Mittel- und Ausgangspunkt seiner Silenaceen be- zeichneten Grartung (ie typischen Reduktionstendenzen aller Caryo- phyliaceen vorhanden sind, beweist das Vorkommen einer Silene eretica subsp. annulata (Thore) Hayek mit kleinen. bisweilen fehlenden Kronblättern (Hegi). Häufig vorkommende, eingeschlechtige Blüten tragen nach Schulz noch die Rudimente des fehlenden Gie- schlechts und sind kleiner als die zwitterigen. Visearia. Bei der untersuchten Viscaria oculata f. nana compacta ent- stehen die Blütenkreise in normaler Reihenfolge. Baillon (188%) zeichnet in seinem Diagramm den Kronstaubblattkreis als den äußersten. Nun sind aber (Fig. 42, 43) ausnahmsweise bei dieser Gattung die Primordien der Kronstamina etwas höher inseriert als die der Kelch- stamina. Sie sind auch schon vom ersten Auftreten an von den zu- gehörigen Kronblättern durch einen deutlichen Sattel getrennt und bilden mit ihnen nicht den typischen, länglichen Höcker. wie er sonst stets gefunden und von Cerastium (Fig. 3—6) abgebildet wurde. Man sieht, daß auch in diesem Punkte kein allgemeines Schema gilt. 312 Erich Kraft, Die zwischen 5- und 3-Zahl schwankenden Fruchtblätter stehen im Fall der 5-Zähligkeit episepal. Viscaria vulgaris reduziert bisweilen das Andröceum (Schulz) und bildet sogar weibliche und männliche Blüten, die kleiner sind als die zwitterigen. Melandryum. Die Blüten sind obdiplostemon. "Schwach, aber doch deutlich ist die Obdiplostemonie bei den männlichen Blüten (Fig. 44 und 45), wo die Verkümmerung des Fruchtknotens den Kronstaubblättern ein un- gehindertes Wachstum erlaubt. Bei den weiblichen’ Blüten vollends (Fig. 46) sind die Rudimente der Kronstamina tiefer hinuntergedrückt. Ihre Primordien bedecken eine vielfach kleinere Fläche am Vegetations- kegel als die der Kelchstaubblätter. Ihr unterer Rand liegt zwar etwas höher als derjenige der Kelchstaubblätter, aber der obere Rand liegt viel tiefer. Schumann (1889) meinte, daß die Glieder des episepalen Kreises als Kontakthöcker für den Vegetationskegel fungieren, wenn dieser die Fruchtblätter anlegt. Die Stellung der letzteren müsse also episepal werden. Es ist jedoch gerade bei den weiblichen Blüten wabr- scheinlich, daß die mächtig bevorzugten Fruchtblätter lokal längst fixiert sind, bevor die schwächlichen und spät erscheinenden Kronstaminodien auftreten. Übrigens findet sich zwischen diesen und den Karpellen ein — für Blütenbodenverhältnisse — sehr großer Zwischenraum, so daß von räumlichem Kontakt keine Rede sein kann. Das von Baillon {l. c.) gegebene Diagramm ist demgemäß zu berichtigen. Die Zahl der Fruchtblätter schwankt zwischen fünf und drei. Cueubalus zeigt keine Abweichungen vom Typus. Die Zahl der Fruchtblätter scheint mit großer Regelmäßigkeit auf drei beschränkt zu sein. Heliosperma verhält sich in seiner Blütenentwicklung durchaus normal. Die Ob- diplostemonie ist schwach ausgeprägt. Die Zahl der Fruchtblätter be- trägt in der Regel drei, seltener fünf. Lychnis. Die Blütenentwicklung bietet nichts Neues. Es herrscht schwach ausgeprägte Obdiplostemonie wie bei Silene. Die Fruchtblätter stehen nach Schumann (1889) über den Kelchblättern. Nach meinen Unter- suchungen an Lychnis flos cuculi ist die Insertion aber nicht Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters, an Caryophyllaceen-Blüten. 313 immer streng episepa. In manchen Blüten schieben sich die etwas vorspringenden Fruchtblattnähte zwischen zwei Staubblättern ein, so daß dann weder episepale noch epipetale Stellung herauskommt (Fig. 47). Die Fig. 48 gibt die Aufsicht auf eine junge Blüte, bei der die Frucht- blätter fast genau über den Kronblättern stehen. Offenbar besteht auch hier Variabilität innerhalb der Art. Agrostemma kann wegen Fehlens von Abweichungen übergangen werden. Es sei nur erwähnt, daß eine Agrostemma githago f. nicaeensis auf Helgoland vorkommt, deren mit kleiner Platte versehene Kronblätter nur ein Drittel so lang sind als die Kelchblätter. Offenbar handelt es sich um Reduktion. Uebelinia. Leider stand diese interessante Gattung nicht zur Verfügung. Allerdings hätte die Untersuchung der Blütenentwieklung kaum neue Gesichtspunkte liefern können. Es sind nur fünf Staubblätter vor- handen, ob die alternisepalen, wie Baillon (1887) angibt, ist zweifel- haft. Die Kronblätter sind im Kelch versteckt, schmal und ungestielt, die Zahl der Samenanlagen ist klein (Pax 1889). Das bei den anderen Lychnideen relativ große Mittelsäulchen im Gynäceum ist hier sehr klein, wie Rohrbach (1868) angibt. Damit ist der Unterschied vom Lychnideentypus umschrieben und zugleich bewiesen, daß die Reduk- tionen die für die Caryophyliaceen charakteristische Richtung auch bei dieser Gattung einhalten. Saponaria. Fig. 49 und 50 zeigen zwei wichtige Stadien der Blütenentwick- lung von Saponaria ocymoides. Noch in Fig. 49 bilden Kronblätter und zugehörige Staubblätter einen länglichen, in der Mitte kaum ge- sattelten Höcker. Man könnte versucht sein, hier von D&doublement zu reden, wenn nicht der untere Teil des Höckers, das Petalum, so viel früher entstünde und schon deutlich differenziert wäre zu einer Zeit, wo im Zellgewebe oberhalb davon noch keine Anstalten zu Kron- Staubblättern gemacht werden. Lediglich der Umstand, daß das Staub- blatt so dicht oberhalb des Petalums entsteht, bewirkt das Unterbleiben jeglicher Lücke oder Einsattelung. Also nicht Dedoublement, sondern innige Paarung. In Fig. 50 ist die starke Deckung bemerkenswert, die das Kronstaubblatt im Vordergrund über die beiderseitigen Kelch- staubblätter innehat. Die Zahl der Fruchtblätter beträgt meist zwei, 314 Erich Kraft, selten drei. Auf einer Pflanze finden sich zuweilen alle Reduktions- stufen des Andröceums bis zu rein weiblichen Blüten (vgl. Schulz). Gypsophila. Die auf die Zweizahl reduzierten Fruchtblätter sind bei Gypso- phila repens und Gypsophila Margini in ihrer Lage nicht starr festgelegt. Die Längsachse des jungen Fruchtknotens trifft meist Kelch- blatt 2, aber auch Kelchblatt 1. Auch dreizählige Fruchtknoten kommen vor. Die Kronstaubblätter stehen scheinbar auf gleicher Höhe wie die Kelchstaubblätter, doch wird auf ganz jungen Stadien die schwache Obdi- plostemonie deutlich. Die Staubblätter sind selten vollzählig. Fort- schreitende Reduktion führt bis zu weiblichen Blüten, die noch Stami- nalrudimente besitzen und kleiner sind als die zwittrigen. Acanthophylium. Bei Acanthophyllum glandulosum sind die zehn Staubblätter am Grunde zu einem ziemlich hohen Ring verwachsen. In den Win- keln, wo die einzelnen Filamente zusammenstoßen, finden sich zahl- reiche, etwas silberglänzende Zellen, die man nach ihrer Form als Spaltöffnungen ansprechen möchte. Acanthophylium Tournefortii neigt dazu, immer drei Blüten in der Art zusammenzustellen, wie es bei Queria und den Pterantheen Regel ist. Die Blütenentwicklung weicht nicht von der Regel ab. Tunica und Vaccaria verhalten sich ganz gleichartig. Das Andröceum ist selten vollständig. Auch Dianthus hat eine normale Blütenentwicklung. Bei Dianthus plumosus stehen die Primordien der Kronstanina verhältnismäßig hoch und sind von den Kronblättern frühzeitig abgesetzt. Erwähnt sei, daß Dian- thus silvester eine var. micropetalus mit kleinen Blüten besitzt {Hegi). Diese Pflanze ist xerophil gebaut. Gemäß den Ergebnissen unserer Experimente (Teil I) können wir schließen, daß die Petalreduk- tion mit der Anpassung an ungünstige, trockene Standorte Hand in Hand ging. Das ist ein Indieium mehr dafür, daß die Caryophyllaceen mit einfachem Diagramm, deren Petalsektor unscheinbar oder ganz ab- wesend ist, und die fast durchweg xerophil sind, Reduktionsstufen dar- stellen. Reduktion des Andröceums, verbunden mit Kleinerwerden der weiblichen Blüten, wurde von Schulz bei vielen Arten beobachtet. Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyliaceen-Blüten. 315 Velezia. Für diese Gattung wird von Eichler ein fünfzähliges, von Pax ein zehn- oder fünfzähliges Andröceum angegeben. Bei der von mir näher untersuchten Velezia rigida fanden sich meist nur fünf Stamina vor den Kelchblättern, oft aber außerdem ein oder mehrere Kronstamina. Blüten mit zehn Staubblättern waren nicht zu beobachten. Die Blüten- entwicklung verläuft normal. Wo Kronstaubblätter ausgefallen sind, sind die betreffenden Kronblätter vom Fruchtknoten durch den typischen, breiten Wulst getrennt. Fig. Bil gibt das häufig beobachtete Diagramm einer Blüte von der Formel K,C,A,+,G2. Die in den zwei Frucht- blättern eingeschlossenen, nicht sehr zahlreichen Samenanlagen bevor- zugen keine bestimmte Mikropylenrichtung, wie aus Fig. 52 hervorgeht. Drypis. Die von Payer gegebene Blütenentwieklung bei Drypis spinosa ist in allen Punkten zu bestätigen. An dem auffällig breiten und niedrigen Blütenboden ist von Kronstaubblättern nichts zu sehen. Ferner sind nur drei Fruchtblätter vorhanden, und nur zwei Samen- anlagen, von denen meist nur eine zur vollen Reife gelangt. Es sei noch hingewiesen auf die von Payer abgebildete (Pi. 71, Fig. 21) und beschriebene, eigentümliche Auflösung der Scheidewände im Frucht- knoten. Die Wände werden nicht ganz resorbiert, sondern teilen sich der Länge nach in zwei Teile: einer verläuft wie eine Naht an der Innenwand des Fruchtknotens, der andere „parcourt le centre de l’ovaire de la base au sommet sous la forme d’un filament plus ou moins tenu‘ Ein gleiches Verhalten der Scheidewände ist unten für Buffonia und Queria beschrieben. Den offenbaren Reduktionen im Andröceum und Gynäceum entsprechend ist die zentrale Erhebung im Fruchtknoten, die bei den Nachbargattungen noch recht ansehnlich ist, bei Drypis sehr klein; vgl. Rohrbach (1868). Spergula. Die untersuchte Spergula arvensis verhält sich in der Ent- wicklung ihrer Blüte ganz wie eine Alsinee. Die Kronstamina stehen tiefer als die Kelchstamina und neigen zum Schwinden. Manchmal ist zur eins vorhanden (Fig. 53). Die fünf Fruchtblätter fallen über die Kronblätter. Schulz fand, daß die Blüten mit Schwinden des Andrö- ceums kleiner werden und bei trübem Wetter geschlossen bleiben. Spergula vernalis ähnelt Stellaria media darin, daß gewöhnlich 316 Erich Kraft, > > eG 7 pet-” Fig. 46. Melandryum album 9. 47-48. Lychnis flos cuculi (47 Blüten- quersehnitt, 48 Sporophylie von oben). 49, 50, Saponaria ocymeiden. 5l, 52. Velezia rigida. 53. Spergula arvensis. 54. Telephium imperati. 55. Brachystemma calycinum. 56, 57. Buffonia enervis. 58, 59. Buf- fonia macrosperma. 60. Queria hispanica; Ss Kelchstaubblatt, Sp Kron- staubblatt. Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters, an Caryophyllaceen-Blüten. 317 nur drei Kelchstaubblätter und ein bis zwei Kronstaubblätter vor- handen sind. Genau so verhält sich die Gattung Spergularia, nur daß die Zahl der Fruchtblätter meist drei beträgt. Bei Telephium (imperati) konnten epipetale Blütenglieder überhaupt nicht bemerkt werden (vgl. Fig. 54). Die Zahl der Fruchtblätter schwankt zwischen drei und vier. Brachystemma. Das untersuchte Brachystemma calycinum verhält sich in Zahl, Reihenfolge und Insertionshöhe der Blütenteile wie eine echte Alsinee, Fig. 55 gibt das aufschlußreichste Stadium wieder. Fruchtblätter sind in Zweizahl vorhanden, in jedem Fruchtknotenfach zwei Samenanlagen, von denen normal nur eine zur Reife kommt. Die Kelchblätter sind viel länger als die Kronblätter, vor letzteren fünf Staminodien. Buffonia. Fig. 56 zeigt eine junge, vierzählige Blüte von Buffonia ener- vis, deren Entwicklung bis auf die des Fruchtknotens von normaler Alsineen-Entwicklung nicht verschieden ist. Man sieht sehr deutlich, wie die Primordien der Kronstaubblätter ‚SP viel tiefer inseriert sind als die der Kelchstaubblätter Ss. In Fig. 57 ist die Ansicht so ge- nommen, daß zwei Petalsektoren im Profil getroffen wurden. Die Kelchblätter sind nicht mitgezeichnet. Von Kelchstaubblättern steht nur eins links vorn. Im Vordergrund ein Kronstaubblatt, unter ihm die schlecht sichtbare Vorwölbung des zugehörigen Kronblattes. Buffonia macrosperma hat normal keine Kronstaubblätter, bisweilen aber ent- wickeln sich ziemlich verspätet ein oder mehrere Kronstaminodien. Interesse beansprucht die Entwicklung des Fruchtknotens, die an Buffonia macrosperma am besten zu verfolgen ist. Wenn die zwei Fruchtblätter nach Caryophyllaceen-Art die zentrale Erhebung der Blüten- achse überwachsen haben, mit den Rändern daran hinauflaufend, findet man in jedem der so gebildeten Fächer eine Samenanlage. Fig. 58 zeigt einen nicht ganz medianen Längsschnitt durch beide Fruchtblätter. Die total umwachsene Kuppe der Blütenachse ist punktiert angedeutet. In einem späteren Stadium werden die Scheidewände teilweise auf- gelöst, indem ähnlich wie bei Drypis der mittlere Teil einer jeden Flora, Bd. 109. 21 318 Erich Kraft, Wand verschwindet. Der etwas dickere, plazentartige Rand bleibt be- stehen und durchzieht, mehrfach gewunden und von den Samenanlagen beiseite gedrückt, den Fruchtknoten von unten nach oben (Fig. 59). Von den beiden Samenanlagen kommt normal nur eine zur völligen Reife. Die zweite wird wohl befruchtet und wächst bis zu gewisser Größe heran, die Samenschale färbt sich braun, dann aber bleibt das Wachstum stehen. Rudimente weiterer Samenanlagen wurden nicht be- obachtet. Queria. Es sei kurz erwähnt, was bei Bentham and Hooker (1862/67) über die Blüte steht: „Sepala 5, petala vera 0, staminodia linearia, integra, brevia, sepalis opposita, rarius 0, stamina 10... Flores glu- merolum sessiles, centrales perfecti, laterales solitarii ad sepala 2 bracteae- formia redueti, vel 3. centrali massulo“ Nach dieser Charakteristik, die in alle späteren Beschreibungen der Gattung übergegangen ist, läge eine erhebliche Abweichung vom Alsineen-Typus vor. Dies ist in Wirk- lichkeit nicht der Fall. Nach meinen Untersuchungen an Queria hispanica werden erst fünf Kelchblätter angelegt, dann fünf Kronblätter, die anfangs klein bleiben, später zu langen, schmal spatelförmigen Gebilden auswachsen. Da die Kelchblätter sehr weit übereinander greifen, hat es öfter den Anschein, als ständen diese Gebilde nicht zwischen, sondern teilweise vor den Kelchblättern. Es ist dies der gleiche, trügerische Augen- schein, der z. B. Schumann bewog, die Kronblätter der Stellaria als ursprünglich episepale Glieder anzunehmen. Präpariert man die Kelch- blätter der Queria ab, so sieht man, daß vor ihrer Mitte nur die Kelchstamina stehen. Auf jungen Stadien ist das noch viel deutlicher. Die Kronblätter verhalten sich auch insofern typisch, als sie zwar stets angelegt werden, später aber oft Hemmungen erfahren. Solche halb- erwachsene, längliche Petalrudimente können wie linealische, gestutzte Schuppen aussehen (Pax, l.c.), und, wenn man die Genese nicht ver- folgt, für Staminodien oder „Squamulae“ gehalten werden. Nach den Kronblättern erscheinen die Kelchstamina, hierauf die Kronstamina. Im ganzen neigt das Andröceum stark zur Reduktion. Es finden sich ganz, halb und gar nicht fertile Staubblätter in allen Verkümmerungs- stadien. An ihrer Basis sind die Staubblätter durch einen niedrigen Ring verbunden, der sich an den Flanken der Kelchstaubblatt-Filamente zu den typischen zwei Honigdrüsen erhebt. Auch kommt es vor, daß vor einem Kelchblatt zwei Staubblätter stehen. Fig. 60 zeigt ein Stück Staminalring, von der Blütenmitte gesehen. Zwischen zwei Kron- staminodien und zugehörigen Kronblättern steht ein Kelchstaubblatt. Experimenteile u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophylliaceen-Blüten. 319 Der Fruchtknoten besteht aus drei Fruchtblättern, hat aber nur eine einzige Samenanlage. Bei Auflösung der drei Scheidewände bleiben drei zentrale, gebogene Stränge übrig, die den Fruchtknoten von unten nach oben frei durchziehen, ähnlich wie das bei Buffonia macro- sperma ausführlich geschildert ist, und wie es Payer für Drypis zeichnet. Lägen über die Blütenbiologie der Gattung so umfassende Beobachtungen vor, wie sie Schulz für viele der einheimischen Caryo- Phyliaceen gibt, so würde sich jedenfalls eine noch größere Variabilität erweisen, als sich an Herbarmaterial studieren läßt. Schiedea. Pax (l.c.) gibt für diese Gattung die BlütenformelR,C,A, 4, 4-5 an. Bei Bentham and Hooker findet man die Bemerkung „petala vel staminodia sepalis opposita“. An dem mir vom k.k. Hofmuseum in Wien zur Verfügung gestellten Herbarmaterial ward folgender Sach- verhalt festgestellt: Nach den fünf Kelchblättern werden keinerlei Petal- höcker sichtbar, vielmehr sogleich fünf Kelchstaubblätter, sodann etwas unterhalb der letzteren fünf Kronstaubblätter. Hierauf folgen die Fruchtblätter. Sind alle Organe einigermaßen differenziert, so bietet sich ein Bild der Sporophylle wie in Fig. 61. Man erkennt die kleineren, weiter außen stehenden, deckenden Kronstaubblätter, an deren Basis von Petalrudimenten nichts zu sehen ist. Etwas später zeigen sich am Fuße der Kelchstaubblätter die beiden typischen Drüsenhöcker der Alsineen. Diese Höcker stehen ziemlich weit nach außen vor. Bald bildet sich eine kleine ovale Grube, deren Ränder rasch heranwachsen. An den Flanken, den primären Höckern entsprechend, ist das Wachs- tun gefördert, so daß ein zweizipfliger Sack entsteht (Fig. 62—64), der später oben schlank, unten bauchig wird. Das Ganze steht zwischen Kelchblatt und Kelchstaubblatt. Diese auf den Sandwichinseln ein- heimische Alsinee hat es also zu einer hohen Ausbildung der Drüsen gebracht, und es wäre interessant, die zweifellos bestehenden Beziehungen zum Insektenbesuch zu kennen. Fig. 65 zeigt zwei Kelchblätter einer aufgeklappten, des Fruchtknotens beraubten Blüte von Schiedea Oahnensis. Vor den Kelchblättern die vasenartigen Drüsen, vor diesen wiederum die Kelchstaubblätter. Die Reduktion der Petal- sektoren geht bei dieser Gattung noch einen Schritt weiter. Die sonst fertilen Kronstamina bleiben Staminodien. Die Pax’sche Blütenformel ist also richtig, das Normaldiagramm der Gattung ist in Fig. 66 ge- zeichnet. Die angeführte Bemerkung von Bentham and Hooker ist 1 320 Erich Kraft, dagegen nicht richtig. — In den meist drei Fruchtblättern wurden un- gefähr 20 Samenanlagen gezählt. Alsinodendron. Für diese Gattung wird von Pax (l. c.) die Formel K,C,A,4,64— angegeben. Nachprüfung an ausgewachsenen Blüten ergab die Richtig- keit dieser Angabe. Petalreste waren nicht zu sehen. Die zehn Staub- blätter standen, scheinbar ganz gleichwertig, auf einem niedrigen Ringe. Der Fruchtknoten enthielt sehr zahlreiche Samenanlagen. Leider war das Herbarmaterial arm an jungen Blüten. An den untersuchten fanden sich nirgends Petalprimordien. Für junge Stadien kann die Fig. 61 (Schiedea) ohne Abänderung gelten. Es sei darauf hingewiesen, wie nahe am Fruchtknoten diese alternisepalen Staubblätter entstehen. Man könnte schon darin ihre Staminalnatur erkennen. Die Petalrudimente vieler anderer Gattungen, bisweilen als Staminodien bezeichnet, sind stets vom Fruchtknoten durch eine relativ breite, leere Zone getrennt. Bei Schiedea und Alsinodendron ist also vom alternisepalen Sektor das Stamen erhalten, das Petalum geschwunden, wie bei Scleranthus. Wie die pentameren Staubblattkreise in den tetrameren Kelch gestellt sind, konnte nicht festgestellt werden. Es wird daher von der Auf- stellung eines Diagramms vorerst abgesehen. Seleranthus. Die Blütenentwicklung dieser vielumstrittenen Gattung wurde an Scleranthus annuus, perennis, ruscinonensis, tabernaemon- tani, uncinatus, tenellus und pungens studiert. Es sei mit dem auch von Payer behandelten Seleranthus annuus begonnen. Die Anlegung der fünf Kelchblätter erfolgt normal. Kelchblatt 1 fällt schräg nach vorn, und zwar auf die vom geförderten Achselsproß abgewendete Seite. Die Einengung zwischen dem Tragblatt und den fertilen Vorblättern gibt auch hier der jeweiligen Achse die Form eines gleichschenkeligen Dreiecks, dessen Spitze der Achse zugekehrt ist. Über die Spitze des Dreiecks fällt späterhin Kelchblatt 2, Kelehblatt 1 und 3 teilen sich in die Basis. Verbindet man die einander sub- ordinierten, geförderten Achselsproßblüten, so erhält man wieder die typische, von der Hauptachse fliehende Zickzacklinie. Hiermit ist nicht zu verwechseln, daß die Insertionstolge der von der Hauptachse nach einander abzweigenden, fertilen Seitenzweige die Achse in !/,-Spirale umläuft, Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyllaceen-Blüten. 321 Auf die Kelehblätter sollen nach Payer fünf Petala folgen, von denen es heißt: „... a peine nes, ils disparaissent et l’on n’en apergoit plus aueune trace sur les fleurs un peu plus ag&es“. Ich möchte die Beobachtung eines so geübten und genauen Forschers wie Payer nicht anzweifeln, zumal ihm eine andere Rasse von Sceleranthus annuus vorgelegen haben kann. Jedoch konnte die Anlegung und das als- baldige Verschwinden der Petalprimordien trotz aller Aufmerksamkeit nicht bemerkt werden. Es waren wohl oft Andeutungen solcher Höcker zu sehen, aber so unregelmäßig und undeutlich, daß das Ergebnis heißt: Seleranthus hat keine Petala mehr. Auch mit Hilfe von Mikrotom- schnitten längs und quer war nichts zu entdecken. Es folgt auf die Kelchblätter sofort je ein Staubblatt vor Kelch- blatt 5 und 4 (Payer, Pl. 70, Fig. 3). Unsere Fig. 67 zeigte eine Blüte in diesem Stadium von oben. Von alternisepalen Höckern ist nichts zu sehen. Nunmehr werden unterhalb der beiden Kelchstamina fünf Kronstamina aternisepal angelegt. Schon die hohe, von den Kelch- blättern weit entfernte Insertion am Blütenboden zeigt, daß diese Höcker mit Petalprimordien nichts zu tun haben. Fig. 68 und 69 zeigen eine solche Blüte von beiden Seiten. Die Nummern beziffern die Kelch- blätter. Die beiden 'Staubblätter vor Sep. 5 und 4 dominieren hoch oben am Vegetationskegel. An den Basen der Kronstaminal-Primordien wurden bisweilen schwache Vorwölbungen getroffen, die zur Not als Reste der total abortierten Kronblätter hätten gedeutet werden können. Fig. 70 zeigt eine junge Blüte, bei der auch vor Kelchblatt 3 ein Staubblatt steht. Das Staubblatt vor Sep. 5 ist links hinten angedeutet. Die alternisepalen Staubblatt-Primordien sind immer vollzählig. Man erkennt an dem links im Profil getroffenen Kronstaminodium die dem Blütenzentrum stark genäherte Lage. In etwas älteren Stadien ge- schieht es oft, daß durch das ungleiche Wachstum des Blütenbodens die Kronstamina, die durch kein Kelchstaubblatt getrennt sind, wie z. B. in Fig. 70 die neben Sep. 1, scheinbar näher zusammenrücken, so daß es dann aussieht, als ständen vor solchem Kelehblatt zwei Höcker. Daher wohl Payer irrtümlich in Pi. 70, Fig. 4 vor Sep. 1, 2 und 3 je zwei Höcker zeichnen ließ. Die ‚Kronstamina sind im Gegenteil stets zwischen die Kelchblätter in Fünfzahl verteilt. Nur selten tritt eine Spaltung ein, derart, daß dann in der Lücke zwischen zwei Kelchblättern zwei Kronstamina stehen. Daher müssen die Fig. 4, 5 und 6 auf Payer’s Taf. 70 als der Wirklichkeit nicht entsprechend bezeichnet werden. Eine solche Verteilung der Primordien wurde nie angetroffen, obwohl sehr viele Pflanzen in den verschiedensten Ent- 322 Erich Kraft, Fig. 61-66. Schiedea. 67—83. Scleranthus annuus (67 junge Blüte von oben, 68—70 von der Seite, 71, 72 Blütenquerschnitte, 73—79 Kronstamina bzw. -staminodien, 80--83 Fruchtknotenlängsschnitte). Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyllaceen-Blüten. 323 wicklungsstadien untersucht wurden. Die Spaltung der Kronstaub- blätter in zwei nebeneinander stehende Glieder vollzieht‘ sich mit allen Übergangsstufen, Bald stelen zwei freie Filamente nebeneinander, bald gabelt sich ein Filament oben in zwei Äste, deren jeder eine ganze oder eine halbe Anthere tragen kann. Die kollaterale Spaltung des Kronstaubblattkreises ist ein bei Caryophyllaceen nicht eben seltenes Vorkommnis. Stellaria und andere verhalten sich ebenso. Sie ist die einzige nachweisbare Spaltung und verläuft stets kollateral. Natür- lich kann man, wenn man will, auch einen sechszähligen Kelch als durch Spaltung eines Kelchblattes entstanden denken; aber hier wurden nie halbgespaltene Übergangsbildungen gesehen. Legt man durch etwas weiter entwickelte Scleranthus-Blüten Querschnitte, so gleicht ein mittlerer der Fig. 71 ein höher geführter der Fig. 72. In der ersten Figur sieht man zwischen den fünf Kelch- blättern die fünf Kronstaminodien, außerdem die massigeren zwei Kelch- staubblätter vor Sep. 5 und 4 In der zweiten Figur sind nur noch die beiden hochstehenden Kelchstamina zu sehen. Bei Scleranthus annuus bleiben die Kronstamina meist Staminodien. Es gibt alle Übergänge, auch innerhalb einer Blüte, vom länglichen Höcker bis zur fertilen Doppelanthere (Fig. 73—79). Die Größe der Pollenkörner, wenn solche überhaupt gebildet werden, scheint kaum zu schwanken, wohl aber die Zahl. Ähnliches gibt auch Familler an (1896), der betont, daß an ein und derselben Pflanze Staminodien aller Übergänge vorhanden sein können. Bei Sceleranthus sind auch im Fall der Fertilität die Kronstamina viel kleiner als die Kelchstamina. Nach den Staubblättern werden die zwei Fruchtblätter median und rein oberständig angelegt. Die Entwicklung des Fruchtknotens ist in Fig. 80—86 in medianen Längsschnitten dargestellt. Die zen- trale Erhebung im Fruchtknoten bekommt früh ein asymmetrisches Aussehen und geht hernach völlig in der Bildung der einen Samen- anlage auf. Eine zweite Samenanlage wurde nie bemerkt. Späterhin wird der Fruchtknoten tief in die Blütenachse versenkt, deren Gewebe ihn so lückenlos wie bei keiner anderen Caryophyllacee umschließt. Für Seleranthus annuus gilt also die Normalformel KaCoAgersp na. G@) und das Diagramm Fig. 87 mit dem Bemerken, daß bis- weilen drei Kelchstaubblätter auftreten, bisweilen die Kronstamina fertil sind. Scleranthus perennis verhält sich im wesentlichen ebenso. Bei Scleranthus ruseinonensis scheinen die Kronstaminodien sehr viel seltener fertil zu werden. Sceleranthus uneinatus hat, wenig- 324 Erich Kraft, stens bei meinem Material, zwei bis drei episepale und stets fünf fer- tile alternisepale Staubblätter. Seleranthus tabernaemontani und Sceleranthus tenellus gleichen Sceleranthus annuus. Von Kron- blättern nirgends unzweifelhafte Spuren. Seleranthus-Blüten, in denen die Kronstaminodien petaloid ausgesehen hätten, wurden nicht ange- troffen. Lüders (1907), der solche bemerkt hat, gibt z. B. für Scle- rantlus pungens ein Diagramm (pag. 9, Fig. 1G), in dem die fünf alternisepalen Glieder als Kronblätter eingezeichnet sind. Das mir vor- liegende Blütenmaterial (k. k. Hofmuseum, Wien) zeigte fünf stets voll- zählige, fertiie Kelchstamina und fünf stets vollzählige, kürzere, schmä- lere Kronstaminodien. Letztere erscheinen wie bei allen anderen Seleranthus-Arten nach den Kelchstaubblättern dicht am Fruchtknoten. Sie sind an ihrer Basis mit den Filamenten der Kelchstaubblätter leicht verwachsen und in ihrem oberen Teil oft so gegabelt, wie es oben für die Kronstamina anderer Sclerantbus-Arten beschrieben wurde. Es liegt also kein Grund vor, diese Gebilde als Kronblätter anzusehen. Scleranthus pungens mit seinen großen Kelchblättern, dem penta- meren Kelchstaubblattkreis und dem bisweilen trimeren, gar nicht tief versenkten Gynäceum scheint in der Einseitigkeit der Ausbildung nicht so weit geschritten zu sein wie unsere Scleranthus-Arten, wie denn australischen Pflanzen oft ein gewisser Primitivismus eigen ist. Als Diagramm für Scleranthus pungens gilt das von Scleranthus annuus Fig. 87, vermehrt um die drei fehlenden Kelchstamina. Colobanthus. Schon Eichler drückte seine Verwunderung aus, daß bei dieser Gattung Krone und Kelchstamina fehlen. An Colobanthus erassi- folia, Iycopodioides, Billardieri, Kerguelensis und quitensis sa ich diese Angaben bestätigt. Alle genannten Arten verhalten sich übereinstimmend. Auf vier Kelchblätter folgen vier mit ihnen alter- nierende Staubblätter. Rudimente von Kronblättern waren nicht zu sehen. Leider standen die jüngsten Stadien nicht zur Verfügung. Die Staubblätter sind mit ziemlich breiter Basis einem niedrigen Diskus aufgesetzt. Bei Colobanthus Iycopodioides fanden sich gelegentlich auch Kelchstaubblätter, in einer fünfzähligen Blüte sogar ein doppeltes Staubblatt vor einem Kelchblatt. Dieser Zustand: fehlende Kronblätter, minderzählige Kelchstaubblätter und gleichzählige Kronstaubblätter, hat eine deutliche Parallele bei Seleranthus (s. dort). Fünfzähligkeit als Regel scheint bei Colobanthus Billardieri vorzuliegen. Die Frucht- blätter sind isomer, die Dehiszenz der Kapsel ist lokulizid, wie auch Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyliaceen-Blüten. 395 allgemein angegeben wird. Die Spaltung verläuft genau längs des schwachen Gefäßbündels, das die Karpelle als Mittelnerv durchzieht, Da die Klappen immer zwischen, die Fruchtblattmitten also über die Kelchblätter fallen (Fig. 88), kann die Insertion der Fruchtblätter nicht, wie Eichler angibt, alternisepal sein, sondern ist episepal. Im Hin- blick auf das Diagramm 89 ist das auch verständlicher, da alsdann die Fruchtblätter mit den Staubblättern alternieren. Auch Bentham and Hooker geben an: „styli tot quot sepala et iis opposita“. Die Styli sind aber die verlängerten Fruchtblattspitzen. Cometes. Die Blütenformel lautet nach Pax (l. c.) K,0,A,G@). Lüders findet, daß die alternisepalen Glieder bald petaloid, bald staminodial aussehen oder ganz fehlen. Die Anlegung derselben konnte leider hicht untersucht werden, da die jungen Blüten des Herbarmaterials zu stark geschrumpft waren. Die Basen der langen Staubblätter und der kürzeren,. breiteren Kronblätter sind zu einem mäßig hohen Ring ver- wachsen. Die Mikropyle der einzigen Samenanlage schaut nach unten, wie auch Lüders angibt. Diagramm Fig. 90. Pteranthus. Aus Pax ist die Blütenformel K,C,A,G@ zu entnehmen. Die an Pteranthus echinatus studierte Blütenentwicklung zeigt, daß es zu keiner deutlichen Anlegung von Petalprimordien kommt. Bringt man die Stelle, wo solche zu erwarten wären, ins optische Profil, so sieht man auf einem gewissen Stadium eine Aufwölbung des Blüten bodens (Fig. 91 rechts hinter dem Staubblatt), die nach Belieben als Petalhöcker wie als Profil des hier umlaufenden Staminalwulstes ge- deutet werden kann. Denn schon auf wenig älteren Stadien (Fig. 92) ist von solchen Höckern nichts mehr zu sehen, und der Wulst hebt sich zu einem die Staubblätter tragenden Ring. Die beiden Frucht- blätter bergen nur eine Samenanlage. Diagramm Fig. 93. Dicheranthus. Pax gibt für diese Gattung die Formel K,C,A,_;G@ an. Mangels brauchbarer junger Blüten konnte die Entwicklung nicht studiert wer- den; daher bleibt unentschieden, ob der alternisepale Kreis wirklich restlos abortiert ist. Die meist zwei bis drei Kelchstaubblätter von Dicheranthus plocamoides bevorzugen die Stellung vor den jüngsten Kelchblättern. Die drei Fruchtblätter schließen nur eine Samenanlage 326 Erich Kraft, Eig. 84-87. Scleranthus annuus (84—86 Fruchtknotenlängsschnitte und Samen- anlage, 87 Diagr.). 88. 89. Colobanthus erassifolia (X Klappen der Kapsel). 90 Cometes Surratensis. 91—93. Pteranthus echinatus. 94. Dicheran- thus plocamoides. 95, 96, 98. Polycarpaea Zollingeri. 97. Polycar- paea atherophora. 99. Drymaria; Ss Kelchstaubblatt. Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyllaceen-Blüten. 327 ein, deren Mikropyle nach unten gewendet ist. Während die Seiten- blüten der dreiteiligen Einzelblütenstände gern unter Reduktion des Gynäceums männlich werden, verkümmern in den zwittrigen Mittel- blüten bisweilen die Antheren bzw. die Pollenkörner. Die starre Pflanze mit den reduzierten Blüten und den pfriemlichen Blättern macht xero- philen Eindruck. Das nach der ausgewachsenen Blüte entworfene, also nieht unanfechtbare Diagramm ist in Fig. 94 abgebildet. Polycarpaea. Aus den Angaben von Pax (l. c.) ist zu entnehmen, daß einigen Polycarpaea-Arten die Blütenformel K,C;Ass+sp zu GÖ), andern die Formel K,C,A,G) zukommt. Blüten nach der ersten Formel be- sitzt die bei Bentham and Mueller (1863) als Untergattung von Polycarpaea genannte Sect. 2: Aylmeria Mart., von der es heißt: „petals and stamens free or neerly so, with 5 short staminodia inside the petals and opposite to them.“ Es werden zwei Arten unterschieden: Polycarpaea violacea und Polycarpaea staminodina. Die ersten Angaben über diese interessante, fünfkreisige Polycarpaea finden wir bei Martius (1826), wo es pag. 276 ff. heißt: „... durch die Güte des Herrn Aylmer Bourke Lambert Esq. erhielt ich zwei Pflanzen, die auf der Expedition des Kapitäns King an der Westküste von Neu- holland gesammelt wurden und im Habitus die größte Ähnlichkeit mit Lahaya (heute Polycarpaea), namentlich mit Lahaya corymbosa und spadicea haben.“ Er gibt dann folgenden Character genericus: » . . stamina 10, membranacea, in tubum hypogynum connata, 5 exterio- ribus abortivis petalis oppositis, 5 interioribus subulatis cum exteriori- bus alternantibus ... .“ Das mir vom k. k. Hofmuseum in dankenswerter Weise über- lassene Material von Polycarpaea (Aylmeria) Zollingeri bestätigte vollkommen die Angaben von Martius. Fig. 95 zeigt ein Stück eines herauspräparierten Staminalringes, von innen gesehen. Zwischen drei großen Kelchstamina stehen zwei kleine Kronstaminodien, hinter diesen zwei Kronblätter. Zu hinterst das zum mittleren Staubblatt gehörige Kelchblatt (schraffiert). Fig. 96 zeigt ein junges Stadium. Die Kron- blätter sind deutlich an ihrer vom Fruchtknoten relativ weit entfernten Lage zu erkennen. Vor ihnen sind die erst sehr spät erscheinenden Kronstaminodien noch nicht zu sehen. Die Reihenfolge und Insertions- höhe der einzelnen Kreise entspricht durchaus der für Alsineen gültigen Norm. Die Fig. 96 gilt nun auch bis in alle Einzelheiten für andere untersuchte Polycarpaea-Arten, z. B. corymbosa, atherophora, 328 Erich Kraft, orthoclada. Bei diesen schreitet die schon bei Aylmeria vorhan- dene Reduktion noch weiter, d. h. die Kronstaminodien treten auch späterhin nicht mehr auf. Auch die Petalprimordien entwickeln sich nicht mehr so weit wie bei Aylmeria, sondern bleiben früher oder später stehen, ein Umstand, der z. B. Lüders veranlaßt hat, sie bei Polycarpaea orthoelada für Staminodien zu erklären. Daß diese Bezeichnung unrichtig ist, bedarf nach obigem keiner Erklärung. Es sind die den unzweifelhaften Kronblättern der Untergattung Aylmeria homologen Glieder. Der epipetale Kreis ist abortiert. Noch weniger ist es angängig, in einer Blüte (Lüders, pag. 21, Fig. 3C) zwei Kronblätter und drei Staminodien vorkommen zu lassen. Auf ihrer fortschreitenden Reduktion nehmen die Kronblätter dieser Gattung immer mehr die Form unansehnlicher Höcker an (Fig. 9%), deren Betrachtung an der fertigen Blüte natürlich keinen Aufschluß über ihr Wesen geben kann. Es sei hinzugefügt, daß junge Poly- carpaea-Blüten kurz nach Anlegung aller Primordien von entsprechenden Drymaria, Polycarpon usw. kaum zu unterscheiden sind. Alle haben die deutlich und in gleicher Entfernung vom Fruchtknoten, zeit- lich gleich nach den Kelchblättern angelegten, nur später verschieden weit wachsenden Kronblätter. Das Diagramm für Polycarpaea Zol- lingeri ist in Fig. 98 wiedergegeben. Denkt man sich darin die Kron- staminoiden weg, so hat man das Diagramm von Polycarpaea orthoclada, corymbosa u. a. Drymaria. Die von Payer (l. c.) abgebildete und beschriebene Blütenent- wicklung von Drymaria divaricata wurde an Drymaria cordata in allen Punkten bestätigt. Es erscheinen der Reihe nach fünf Kelch- blätter, fünf Kronblätter, fünf Kelchstaubblätter, von denen bisweilen eins oder mehrere verkünmern, und drei Fruchtblätter. Die Fig. 100 zeigt ein junges Stadium. Es sind drei Kronblatt-Primordien und zwei ungleiche Kelchstaubblätter s/ zu sehen. Die Zone des Blütenbodens, auf der die Staubblätter steben, hebt sich sehr bald ringwulstartig. Der Höcker, der sich in dem Medianschnitt Fig. 101 links zwischen Fruchtknoten und Kronblatt schiebt, ist kein epipetales Rudiment, son- dern das optische Profil des Staminalwulstes. Dies ist ein für alle Drymarien typisches Bild. Hätten die alternisepalen Höcker Staminal- eharakter, so müßten sie mehr auf dem Ring, nicht hinter ihm stehen. Gegenüber der irreführenden Ausdrucksweise, wonach bei den Caryo- phyllaceen bald Staminalhöcker sich zu Kronblättern differenzieren, Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyliaceen-Blüten. 329 bald Kronblätter staminoidal ausgebildet sein sollen, liegt unter anderem auch bei Drymaria ein Beweis für den prinzipiellen Unterschied von Petalum und Epipetalum der Caryophyllaceen vor. Die Ähnlichkeit der jungen Drymaria-Blüte mit solchen aus der Alsineen-Gruppe fiel schon Payer auf. Besonders der drei- fächerige, später einfächerige Fruchtknoten mit seinen zwei Reihen Samenanlagen in jedem Fache, die sich von oben nach unten entwickeln, gleicht sehr dem einer Alsinee. Auch die von den Alsineen her ge- nügend bekannte, von oben eingeschnittene Gestalt der schmalen Petala ist bei Drymaria vorhanden, wie Lüders (l. c.) hervorhebt. Endlich weisen die Namen mehrerer Drymaria-Arten wie „stellarioides“ „alsinoides“ auf die große Ähnlichkeit des Habitus hin. Das Drymaria-Diagramm ist also identisch (Fig 99) mit dem einer fünfmännigen Stellaria media, deren Kronstaubblattkreis, wie zumeist, nicht ausgebildet ist. Epipetale Staubblätter kommen nach jetziger Kenntnis bei keiner Drymaria vor. Während wir nun den Verlust des Kronstaubblattkreises ontogenetisch nicht verfolgen können, geht die weitere Reduktion noch vor unseren Augen vor sich. Dry- maria diandra hat noch alle Kronblätter wohl ausgebildet, von den Kelchstaubblättern aber zwei bis drei verloren, ein ebenfalls an Alsi- neen gemahnendes Vorkommnis Drymaria villosa reduziert die Kronblätter zu kleinen, allermeist pfriemenförmigen und einfachen, nur selten zweigabeligen, sehr schmalen Spitzchen, wie auch Lüders angibt. Der genannte Autor zeichnet und benennt diese Spitzchen als Stami- nodien und erblickt darin einen Beweis, daß auch bei Drymaria apetala „der äußere Staubgefäßkreis ergänzt werden“ müsse, Hätte nun schon das gelegentliche Vorkommen der petaloiden Gabelung an den Rudimenten genanntem Autor die Deutung als Petalrudimente nahelegen müssen, so wäre dies beim Studium der Entwieklungs- geschichte vollends klar geworden. Denn die betreffenden Höcker er- scheinen vor den Kelchstaubblättern, sind vom Fruchtknoten durch die typische breite Zone (Wulst) getrennt und verhalten sich ganz wie Kronblätter. Junge Stadien der Drymaria villosa können denn auch von solchen der Drymaria cordata nicht unterschieden werden. Übrigens fanden sich auch ausgewachsene Blüten von Drymaria villosa, die fünf große, zweigabelige Kronblätter besaßen. . Noch weiter geht der Abort bei Drymaria apetala, wo die Kronblätter zwar stets angelegt werden, aber auf dem Primordial- stadium stehen bleiben, so daß sie später im allgemeinen Wachstum des Biütenbodens aufgehen. Junge Blüten gleichen ganz denen von 330 Erich Kraft, Drymaria cordata u. a. Es ist also im Diagramm kein Staubblatt- kreis, sondern der Kronblattkreis zu ergänzen. Pyenophyllum. Auch für diese Gattung gilt das Diagramm Fig. 99. Die fünf Kronblätter sind wohl ausgebildet, ziemlich schmal, oben nach Alsineen- Art gabelig eingeschnitten. Fig. 102 zeigt die Aufsicht auf ein Stück Blütenboden von Pyenophyllum molle. Die Kelchblätter sind nicht gezeichnet, der Fruchtknoten ist abpräpariert. Vor den Kronblättern sieht man den Staminaldiskus schwach höckerartig anschwellen. So gut auch epipetale Gebilde in den Rahmen dieser regelmäßigen Blüte mit ihren Alsineenpetala passen würden, können doch die genannten Höcker nicht so gedeutet werden. Dennoch ähnelt der Umriß der Staminalplatte der von Polycarpaea Zollingeri (Fig. 95), nur daß die epipetalen Spitzchen auf ganz schwache Aufwölbungen reduziert wären. Jedenfalls zeigt ihre Anwesenheit, daß vor den Kronblättern sozusagen ein Platz leer ist. Loefflingia. Die Blütenentwicklung, die an Loefflingia hispanica, gadi- tana, squarrosa und micrantha studiert wurde, verläuft normal und rechtfertigt das Normaldiagramm Fig. 99. Fünf Kronblätter werden stets angelegt, so daß Baillons (l. c.) Angabe „petala 3—5, parva vel 0“ nicht richtig ist. Die Staubblätter vor den älteren Kelchblättern neigen nach Alsineenart zum Abort. Während junge Blütenstadien von den entsprechenden Polycarpaea (Fig. 96) und Drymaria (Fig. 100) kaum abweichen, kennzeichnet sich die Gattung späterhin durch Peri- &ynie, wie der Längsschnitt Fig. 103 (hispaniea) zeigt. Links ist Kelch- blatt-- Staubblatt, rechts das Kronblatt zu sehen. Der Höcker vor dem Kronblatt ist kein epipetales Rudiment, sondern der Umriß des in dieser Höhe, längs der gestrichelten Linie, verlaufenden Staminaldiskus. Fig. 104 zeigt ein Stück eines ausgebreiteten Diskus. Die großen Doppelpetala, die Lüders gesehen hat, traten an meinem Material nicht auf. Polycarpon. Das untersuchte Polycarpon tetraphyllum hat fünf Kelch- blätter, fünf Kronblätter, selten fünf, meist drei Kelchstaubblätter, keine Kronstaubblätter und drei, selten zwei Fruchtblätter. Die Kronblätter treten als kleine, aber außergewöhnlich scharf abgesetzte Primordien am jungen Blütenboden auf und sehen ganz so aus, wie die von Poly- Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyllaceen-Blüten. 331 Fig. 100, 101. Drymaria cordata. 102. Pyenopbhyllum molle. 103, 104. Loefflingia hispanica. 105. Polycarpon tetraphyllum. 106, 107. Miero- phyes lanuginosus. 108-110. Ortegia hispanica. 111, 112. Cerdia eon- gestiflora. 339 Erich Kraft, carpaea (Fig. 96) und Drymaria (Fig. 100). Lüders zeichnet sie als Kronblätter, sprieht aber im Text von Staminodien und meint, daß Staubblätter und Staminodien scheinbar einem Kreise angehören. Die Betrachtung der jungen Stadien zeigt aber, das eine deutliche Ver- teilung auf zwei Kreise vorhanden ist. Auch Baillon spricht von fünf Kronblättern. Für Reduktionstendenzen im Petalkreis zeugt die Kleinheit der ausgewachsenen Kronblätter und ihr frühzeitiges Abfallen. Das Diagramm (Fig. 105) ist wieder das einer gewöhnlichen Stellaria media. Microphyes. Die an Microphyeslanuginosus studierte Entwicklungsgeschichte der Blüte lehrt, daß auf die fünf Kelchblätter fünf normale Kronblätter folgen, die (vgl. Fig. 106) vom Fruchtknoten sehr weit abstehen und sich in jeder Beziehung wie die entsprechenden Primordien der vor- her besprochenen Gattungen verhalten. Von den fünf Kelchstaub- blättern bleiben häufig einige klein und steril. Kronstaubblätter wurden nie bemerkt. Später wachsen sich die Petalprimordien zu nicht sehr großen, relativ breiten Kronblättern aus, die, wie auch Pax (l. c.) an- gibt, mit den Kelchstaubblättern zusammen einem ringförmigen Diskus perigyn eingefügt sind. Die Kronblätter stehen indessen nicht im vollen Sinne des Wortes auf dem Ring, sondern vor ihnen, nach der Blütenmitte zu, verlaufen noch einige Zellschichten. Sie sind also auch in diesem Stadium etwas nach außen geschoben. Lüders nennt die Kronblätter Staminodien. Baillon kennt die alternisepalen Glieder überhaupt nicht. Das am häufigsten gefundene Diagramm ist in Fig. 107 gezeichnet. Stipulicida. Die untersuchte Stipulieida setacea verhält sich wie die so- eben besprochenen Gattungen, nur daß von den vor den ältesten Kelchblättern gern fehlenden Staubblättern hier meist keine Rudimente zu sehen sind. Das Diagramm ist das gleiche wie von Polycarpon (Fig. 105). Die Kronblätter werden auch von Lüders als solche an- erkannt, wenngleich die homologen Organe der Nachbargattungen als Staminodien angesprochen werden. Ortegia. Die Untersuchung an Ortegia hispanica ergab folgendes Re- sultat: Auf die fünf Kelehblätter folgen fünf Kronblätter, welche stets normal als ziemlich große Primordien angelegt werden (Fig. 108). Die Angaben von Eichler, Baillon, Pax und Lüders, daß dieser Kreis Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyllaceen-Blüten. 333 stets und vollständig ausfalle, sind also zu berichtigen. Es folgen nun drei Staubblätter vor den jüngsten Kelchblättern, endlich die drei Frucht- blätter, die spüterhin zahlreiche Samenanlagen einschließen. Zwischen den Kronblättern und dem jungen Fruchtknoten liegt wieder der typische, breite Zwischenraum. Die Kronblätter bleiben auf sehr junger Ent- wicklungsstufe stehen und können später höchstens als winzige Spitzchen gesehen werden (Fig. 109. Es herrscht also volle Übereinstimmung mit einer apetalen, triandrischen Stellaria media, wo auch die stets angelegten Kronblatt-Primordien auf dem Primordial-Stadium stehen bleiben. Die Blütenformel heißt daher K,C, rud. A,G(). Im Diagramm (Fig. 110) sind die fünf Kronblätter als kleine Striche eingezeichnet, nicht weil sie zu ergänzen, sondern weil sie wirklich vorhanden sind Cerdia. Die an Cerdia congestiflora und Cerdia purpurascens studierte Blütenentwicklung lehrt, daß nach den fünf Kelchblättern fünf Kronblätter angelegt werden, ganz wie bei Ortegia. Sie bleiben ziemlich klein (vgl. Fig. 111) und sind in der erwachsenen Blüte als winzige Spitzchen bisweilen zu erkennen. Die Angaben von Baillon, Pax und Lüders, wonach der alternisepale Kreis auch hier stets und vollständig ausfallen soll, sind also nicht richtig. Das einzige Staub- blatt steht vor Kelchblatt 4 oder 5. Es herrscht schwache, spät ein- tretende Perigynie. Die Blütenformel heißt K,C; rud. A,G(2), das Dia- gramm ist in Fig. 112 gezeichnet. Habrosia. Aus dem Herbarium Hausknecht erhielt ich durch die Liebens- würdigkeit des Herrn Konservators Bornmüller sehr wertvolles, selbstgesammeltes Herbarmaterial von Habrosia spinuliflora. So war es möglich, die Blütenentwicklung dieser hochinteressanten Gattung eingehend zu studieren. Nach den fünf Kelchblättern werden fünf Kronblätter angelegt. Darauf erscheinen die fünf Kelchstaubblätter, und zwar die vor den jüngsten Kelchblättern zuerst. Der vor Kelchblatt 4 stehende Staminal- höcker zeichnet sich wie bei vielen Alsineen durch besondere Massig- keit aus (vgl. Payer, Pl. 73, Fig. 6; Pl. 70, Fig. 21). Die Kelchstaub- blätter wurden stets in Fünfzahl gesehen. An den Basen ihrer Fila- mente findet man die zwei Honigdrüsen als flankierende Höcker typischer Gestalt. Nach den Kelchstaubblättern erscheinen Kronstaubblätter in schwankender Anzahl, wie bei einer beliebigen Form der variablen Flora, Bd, 109. 22 334 Erich Kraft, Alsineen. Diese Kronstamina stehen tiefer als die Kelchstamina, dicht über den Kronblättern, und entwickeln sich ganz so, wie bei Cerastium (Fig. 3—6) für die Kronstamina angegeben ist. Es wurden solche mit fertilen, mit sterilen und solche ohne Antheren bemerkt. Fig. 113 zeigt eine junge Blüte; über den sichtbaren Kelchblättern 4, 2 und 7 steht je ein Staubblatt, dazwischen je ein Kronblatt. Die epipetalen Prim- ordien sind noch nicht erschienen. Fig. 114 zeigt ein älteres Stadium. Über dem Kronblatt 3 rechts ist ein Staubblatt entwickelt, über dem links nieht. In Fig. 115 steht über dem Kronblatt 3 im Vordergrund ein Kronstaubblatt sö, welches die benachbarten Kelchstaubblätter ss deckt. Vor den seitlichen Kronblatthöckern dagegen ist der leere Blütenboden zu sehen, der, wie stets, Fruchtknoten und Kronblatt als schwach gewölbter Wulst trennt. Fig. 116 zeigt in der Mitte ein Kron- staubblatt mit davorstehendem Kronblatt, welches sich noch nicht ge- streckt hat, daneben zwei Kelchstaubblätter. Schon der Anblick dieser Figuren, noch mehr aber das eigene Studium der Entwieklungsgeschichte zeigt die genaue Übereinstimmung von Habrosia mit jeder beliebigen Alsinee. Auch hier werden die Kronblätter stets angelegt, wachsen auch meist weiter, bleiben aber zuweilen klein. Abort trifft stets zu- erst den epipetalen Staubblattkreis. Etwas abweichend geht die Entwicklung des Fruchtknotens vor sich (Fig. 117—122). Es werden wie bei Buffonia nur zwei Frucht- blätter angelegt. In der Mitte des jungen Fruchtknotens fällt zuerst die große, fast bis zum Scheitel der Wölbung reichende Mittelsäule auf, an der sich rechts und links je eine Samenanlage entwickelt. Während diese schnell heranwachsen, wächst die Mittelsäule nicht mit und wird zuletzt nur noch als kleiner, aber deutlicher Höcker zwischen den beiden Plazenten gesehen. Späterhin hungert meist eine Samenanlage die andere aus, so daß im reifen Fruchtknoten nur ein Same zu finden ist. Die Mikropyle ist anfangs schräg nach oben, dann nach der Seite, dann nach unten, endlich wieder schräg nach oben gerichtet. Sie be- schreibt nahezu einen Dreivierteikreis. Die Samenanlage muß deshalb als stark kampylotrop bezeichnet werden. In Fig. 122 sieht man links neben der großen, fast reifen die kleinere, ausgehungerte, etwas geschrumpfte Samenanlage liegen. Demzufolge lautet die Blütenformel K,C,A,; +,G@). Zu dem Dia- gramm Fig. 123 ist zu bemerken, daß Blüten mit allen fünf Kron- staubblättern selten sind, aber vorkommen. Vierhapper (1907) meint, die Pflanze gleiche im Habitus einer Alsine tenuifolia. Man kann Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyllaceen-Blüten. 335 hinzufügen, daß sie ihr auch in der Blütenentwicklung gleicht. Über das Verhältnis von Habrosia zu Sceleranthus wird unten die Rede sein. Es bleibt übrig, zu den Ausführungen Lüders (l. ce.) einige Be- merkungen zu machen. Lüders bezeichnet die regelmäßig auftreten- den, alternisepalen Glieder, die wir soeben als unzweifelhafte Kron- blätter identifiziert haben, als Staminodien. Sie sollen dem alternisepalen Staminodialkreis von Seleranthus entsprechen. Der genannte Autor findet nun, daß sehr häufig im Innern dieses aus Staminodien be- stehenden Kreises nochmals Staminodien, ja selbst unter Umständen reduzierte, aber doch fertile Staubgefäße stehen. Er bezeichnet dieses Verhalten als sehr gewöhnlich und bildet es in pag. 15, Fig. 2C so ab, daß er den in Fig. 24 und 2 als Staminodialkreis gezeichneten hier als Petalkreis ganz richtig wiedergibt. Es möchte ihm auch „bei Betrachtung dieses Diagramms nicht zweifelhaft sein, daß es eine mit Kelch und Krone versehene, diplostemone Blüte darstelle. Trotzdem kann davon ... nicht die Rede sein.“ Es handelt sich vielmehr um seriales Dedoublement des äußeren Staminalkreises. Dabei sollen die nach außen gelegenen Spaltungsprodukte zu Kronblättern werden, wäh- rend die inneren Staminalnatur beibehalten. Lüders bemerkt, daß er die Blütenentwicklung nicht studiert habe, daß aber auch der Nachweis einer getrennten Entstehung von Petalen und epipetalen Stamina die auf vergleichend morphologischem Weg gewonnenen Anschauungen nicht ändern könne. Es wird indes aus obigen Tatsachen der Entwicklungsgeschichte mit Sicherheit zu folgern sein, daß „eine kongenitale Differentiation der theoretisch zusammenhängenden, serial gespaltenen Glieder des äußeren Staminalkreises in Petala und Stamina“ bei Habrosia so wenig vorliegt wie bei irgendeiner anderen Caryophyllacee. Denn erstens sind die mit Regelmäßigkeit zwischen den Kelchblättern stehenden Gebilde in jeder Beziehung echte Kronblätter; ihre Anlegung, Inser- tionshöhe, Aussehen und späteres Verhalten gleichen ganz der An- legung usw. der Alsineenkronblätter; zweitens entstehen ihre zuge- hörigen Stamina erst viel später, nachdem vorher alle Kelehstaubblätter angelegt wurden. Drittens erscheinen die Kronstamina oft gar nicht, ein Fall, für den man nach der anderen Theorie seriales Dedoublement in Abwesenheit des einen Spaltproduktes annehmen müßte, Sphaerocoma. Leider lag von dieser Gattung kein Material vor. Wie aus dem in Fig. 124 abgebildeten, nach Lüders gezeichneten Diagramm der 336 Erich Kraft, Fig. 113—123, Habrosia spinuliflora (117—122 Fruchtknotenentwicklung). 124. Sphaerocoma Hookeri nach Lüders. 125-128. Herniaria hirsuta; ss Kelehstaubblatt, s? Kronstaubblatt. Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyllaceen-Blüten. 337 Sphaerocoma Hookeri zweifelsfrei hervorgeht, ‘ist die Blüte fünf- kreisig mit Reduktionstendenzen der Petalsektoren und des Frucht- knotens. Das aus zwei Fruchtblättern mit je einer Samenanlage ge- bildete Gynäceum soll, wie sehr einleuchtet, an das von Habrosia erinnern, der überhaupt die Pflanze sichtlich nahesteht. Herniaria. Aus der Literatur läßt sich über die Normalformel das folgende entnehmen. Aus Eichler: K,A,G,_,, „jedoch öfter mit Petalen“. Aus Pax: K,C,_,, haarförmig oder fehlend, A, ;. Garcke (1912) nennt die „Krone sehr klein, gelbSrfün“, Auch Hegi schreibt: „Kron- blätter fünf, pfriemlich, kürzer als der Kelch“. Schulz spricht von fünf Kelchstamina und fünf Kronstaminodien. Auch Lüders nennt die alternisepalen Glieder Staminodien. Was lehrt nun die Entwick- lungsgeschichte? Nach den fünf Kelehblättern werden die fünf Kelchstaubblätter angelegt, darauf die beiden Fruchtblätter. Erst viel später erhebt sich der Blütenboden zwischen den Kelchstaubblättern, und zwar deutlich außerhalb ihres Kreises, zu fünf kleinen Höckern, die langsam zu schmalen, pfriemlichen Gebilden heranwachsen. Macht man in dem Stadium, wo die alternisepalen Höcker eben erscheinen, Längsschnitte durch die Blüte von Herniaria hirsuta, so sieht man, wie in Fig. 125, links Kelchblatt s -- Kelchstaubblatt ss, rechts einen bald einfachen, bald scheinbar zweifachen Höcker ziemlich weit außen am Blütenboden; in der Figur durch einen Pfeil gekennzeichnet. Auch Fig. 126 zeigt deutlich, daß es sich hier um nichts anderes handeln kann als um die verspäteten Kronblätter. Diese äußeren Höcker bleiben stets sehr klein, sind nicht immer zu sehen (am besten bei Herniaria hirsuta) und verschwinden später meist völlig, Vor ihnen nun erheben sich die Höcker, die man später allein noch wahrnimmt, und um deren Petal- oder Staminalnatur der Streit geht. Aus der Insertion vor den bisweilen sichtbaren Petalrudimenten ist zu folgern, daß es sich hier wirklich um die Kronstaminodien handelt. Es bedeutet abermals eine Rechtfertigung der genetischen Methode, daß in diesem Falle, wo die Staminalnatur zweifelhafter Rudimente entwicklungsgeschichtlich wahr- scheinlich gemacht wird, die Auffindung eines Antherenrestes, wenn auch nur an einem einzigen Staminodium, gelang. Durch letztere Be- obachtung ist Lüders Bemerkung, daß bei keiner Paronychioidee „eine Umwandlung der Staminodien in Staubgefäße“ beobachtet werden könne, widerlegt. Bei anderen Paronychioideen können Antheren- 338 Erich Kraft, reste wohl deshalb’ nicht auftreten, weil es nicht Staminodien, sondern Kronblattrudimente sind. Man hat es also bei Herniaria mit dem in Reduktion begriffenen Kronstaminalkreis zu tun. Fig. 127 und 128 zeigen Fälle, wo bei Herniaria hirsuta ausnahmsweise sehr deutlich ein Petalhöcker außen am Staminodium zu sehen war. Man kann also in günstigen Fällen alle fünf Blütenkreise beobachten, und es bleiben nur die Bedingungen zu ermitteln, unter denen man das Auswachsen aller Kreise experimentell erzielen kann. Die Formel für diese Art lautet daher K,O; ma. Asgrsp ma. 6. Für die Arten, wo Petal- rudimente überhaupt nicht auftreten, heißt die Formel K,CoA,.+5, na. GO) Corrigiola. Fig. 129 zeigt ein junges Stadium der sehr regelmäßigen, kaum variablen Blüte von Corrigiola litoralis. Die Kronblätter 5 werden als zwar kleine, aber scharf abgesetzte Höcker angelegt. Die Blüten- formel heißt K,C,A,G@), das Diagramm ist das von Fig. 99, Lüders bemerkt, Corrigiola allein sei ausgezeichnet durch obere Mikropyle, während bei allen anderen Formen dieser Gruppe die Mikropyle nach unten gerichtet sei. Nun ist die Mikropylenrichtung aller dieser auf einem gewissen Stadium abwärts, kurz darauf aber wieder mehr oder weniger aufwärts. Unter den nächsten Verwandten der Corrigiola wurde bei Siphonychia diffusa, Siphonychia americana, Gymno- earpon decandrum, Anychia capillacea, Anychia diehotoma und Sclerocephalus arabicus eine vor der Befruchtung zeitweise nach abwärts, am fast reifen Samen nach aufwärts gewendete Mikro- pyle festgestellt. Acanthonychia. Diean Acanthonychia ramosissima untersuchte Blütenentwick- lung verläuft normal. Nach den fünf Kelchblättern werden fünf Kron- blätter angelegt, dann die drei bis fünf Kelchstaubblätter, endlich die drei Fruchtblätter, die nur eine Samenanlage bergen. Epipetale Glieder wurden nie bemerkt. Junge Blütenstadien gleichen denen von Corri- giola. Der Umriß des dreizipfeligen Kronblattes ist als Fig. 130 ab- gebildet. Da bei meinem Material die meisten Blüten nur drei Staub- blätter vor den jüngsten Kelchblättern besaßen, kann für die Gattung das Diagramm 131 aufgestellt werden. Illecebrum. Der bereits von Payer (l. c.) gegebenen Schilderung der Blüten- entwicklung ist nichts hinzuzufügen. Es sei nur hervorgehoben, was Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyllaceen-Blüten. 339 er von den Kronblättern sagt: „... . dev&loppent peu, mais persistent jusqu’ & l’&poque de l’&pannuissement de la fleur.“ Auch Pax, sowie alle Floristen sprechen von kurzen, fadenförmigen Blumenblättern. Wenn demgegenüber Lüder’s die alternisepalen Glieder als Staminodien bezeichnet, so beweist das nur, daß er die Entwicklungsgeschichte der Blüte nicht untersucht hat. Denn die Kronblätter werden so deutlich wie nur irgendwo gleich nach den Kelchblättern angelegt und nehmen, wie Fig. 132 und 133 zeigen, späterhin eine so typische Stellung weitab vom Fruchtknoten ein, daß an ihrer Petalnatur nicht gezweifelt werden kann. In Fig. 133 steht im Vordergrund vor dem Fruchtknoten ein Kelchstaubblatt, links ein Kelchblatt se? ohne Staubblatt. Die Illece- brum-Blüte ist, wenn man von der Zahl der Samenanlagen absieht, ver- gleichbar einer solchen von Stellaria media, in der die Kronstaub- blätter ganz, die Kelchstaubblätter bis auf zwei geschwunden sind, und der Fruchtknoten zweizählig geworden ist. Solche und ähnliche Stellaria- Blüten wurden beobachtet, bzw. experimentell erzeugt, wie oben be- richtet. Die Blütenformel für Illecebrum lautet also K,0,A,6Q), das Diagramm entsprieht dem in Fig. 134 abgebildeten. Paronychia. Die Entwicklungsgeschichte der Blüten, die hauptsächlich an Paronychia serpyllifolia untersucht wurde, ist nicht ganz eindeutig. Aus Eichler entnimmt man die Blütenformel K,A,G,, „oft mit rudi- mentären Petala“, aus Pax K,C bisweilen fehlend, A, seltener ,, , oder mehr. „Meist fünf kleine, haarförmige Biumenblätter.“ Auch Hegi spricht von fünf „borstlichen Blütenblättern“. Lüders hingegen nennt die alternisepalen Glieder Staminodien. Verfolgt man die Entwicklung der Blüte, so vermißt man nach Anlegung der Kelehblätter das Auftreten deutlicher Petalprimordien. In Fig. 135 sieht man ganz links Kelchblatt seö.-+ Kelchstaubblatt ss im Profil getroffen, rechts gegenüber diejenige Stelle des Blütenbodens, wo ein Petalhöcker im Profil hervortreten müßte. Es ist aber keiner vorhanden, obwohl die Kelchstaubblätter schon sehr groß sind. Erst ziemlich spät erheben sich zwischen letzteren kleine Höcker, die eine mehr oder weniger lange, pfriemliche Gestalt annehmen. Nach Analogie mit der Mehrzahl der nächstverwandten Gattungen möchte man diese Gebilde als Kronblattrudimente ansprechen. Denn eine pfriemenförmige Gestalt der alternisepalen Gebilde liegt auch bei Illecebrum vor, wo die Entwicklungsgeschichte die Petalnatur der betreffenden Gebilde deutlich erweist. Ferner könnte Hand in Hand mit der zweifellosen 340 Erich Kraft, Reduktion der fraglichen Glieder eine Verspätung des Auftretens gehen, wie sie bei rudimentären Organen auch sonst vorkommt. So wäre erklärlich, daß die Kronblätter hier erst nach den Kelchstaubblättern sichtbar werden. Andererseits treten die Kronblätter bei allen anderen Caryophyllaceen, auch bei apetalen, so regelmäßig gleich nach den Kelchblättern auf, daß gerade dieser Umstand als Kriterium für die Petalnatur zweifelhafter Glieder gelten muß. Es ist daher möglich, daß es sich bei den in Frage stehenden Blütenteilen der Paronychia um dieselben Organe handelt wie bei den alternisepalen großen Rudi- menten von Herniaria, die wir als Staminodien ansprechen mußten. Könnte einmal an einem der Rudimente von Paronychia ein Antheren- rest gefunden werden, was bisher nicht gelungen ist, so wäre ihre Staminalnatur erwiesen. In diesem Falle wäre anzunehmen, daß von den beiden alternisepalen Kreisen der typischen, fünfkreisigen Blüte der Petalkreis ganz abortiert, der epipetale nur rudimentär geworden sei. Vorderhand aber dürften gegen die Formel K,C, rud. A,G@) und das Diagramm 136 keine starken Bedenken vorliegen. Siphonychia. Die an Siphonyehia americana und Siphonychia diffusa studierte Blütenentwicklung lehrt, daß fünf Kelchblätter, fünf Kelch-' staubblätter und zwei: Fruchtblätter angelegt werden, ohne daß die Spur eines alternisepalen Höckers zu bemerken wäre (vgl. Fig. 137). Erst spät stellen sich wie bei Paronychia, Anychia und Gymno- earpon zwischen bzw. außerhalb der Kelchstamina kleine Rudimente ein, die aus den oben erläuterten Gründen mit großer Wahrscheinlich- keit als verspätete Kronblätter anzusprechen sind (vgi. Fig. 138). Die Mikropyle, anfangs nach oben, später nach unten gewendet, schaut bei der reifen Samenanlage schräg nach oben, nachdem sie im ganzen einen Vierfünftelkreis beschrieben hat. Blütenformel und Diagramm (136) sind die gleichen wie bei der vorhergehenden Gattung, Selerocephalus. Die an Sclerocephalus arabicus untersuchte- Blütenentwick- lung gleicht durchaus der von Siphonychia, nur daß die Petalrudi- mente noch kleiner bleiben. Blütenformel und Diagramm (136) von Siphonychia gelten daher auch für Selerocephalus. Interessant ist die Form der einzigen Samenanlage, die auf sehr langem, band- artigem Funieulus unter üblichem, einseitigem Flankenwachstum schließ- lich die Form annimmt, die in Fig. 139 abgebildet ist. Die Mikropyle BBERER Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyliaceen-Blüten. 341 Fig. 129. Corrigiola litoralis. 130, 131. Acanthonychia ramosissima (130 Kronblatt). 132—134. Illecebrum verticillatum. 135, 186. Paronychia serpyliifolia. 137. Siphonychia diffusa. 138. Siphonychis americana. 139. Sclerocephalus arabicus, Samenanlage- 140, 141. Anychia capillacea 142. Achyronychia Cooperi, junger Fruchtknoten; ss Kelchstaubblatt. 342 Erich Kraft, schaut also auch hier zuletzt nach oben. Der tief in den Achsenbecher versenkte Fruchtknoten, die dornigen Hochblätter unterhalb des Blüten- knäuels, die starren, reich behaarten, zu langen Spitzen ausgezogenen Kapuzenkelehblätter, die relative Armblütigkeit — alles das macht den Eindruck einer stark abgeleiteten, xerophil angepaßteu Pflanze. Das mir vorliegende Material war durchweg stark versandet. Gymnocarpon. Die Blütenentwicklung wurde an Gymnocarpon decandrum untersucht. Sie weist große Ähnlichkeit mit der von Paronychia auf. Auch hier werden nach den Kelchblättern keinerlei alternisepale Primordien angelegt, vielmehr tauchen erst nach weitgehender Diffe- renzierung der Kelchstamina zwischen denselben kleine Höcker auf, die später zu langen, schmalen Gebilden auswachsen. Man wäre wiederum versucht, sie einfach für Staminodien zu erklären, wie es Lüders tut, wenn sich jemals der Rest einer Anthere daran fände. Dies ist aber nicht der Fall, obwohl sonst in der Familie der Caryophyllaceen die Rudimente von Kronstaubblättern in allen Übergangs- und Verkünme- rungsstadien aufzutreten pflegen; vgl. Scleranthus. Ferner sind die Rudimente bei Gymnocarpon breiter als die Filamente der Kelch- staubblätter. Ihre Oberfläche hat wellig begrenzte, oben schwach papillös vorgewölbte Zellen. Man hat es daher wohl mit Kronblättern zu tun, bei denen die Reduktion mit Verspätung des Sichtbarwerdens gepaart ist. Pax spricht von pfriemenförmigen Blumenblättern. Die Mikropyle ist nach oben gerichtet. Formel und Diagramm sind die gleichen wie vorher (136). Anychia. Nach den fünf Kelchblättern werden sofort zwei Kelchstaubblätter angelegt. Diese erscheinen so früh, daß es aussieht, als eilten sie so- gar den jüngsten Kelchblättern voraus. Erst nachdem die beiden Fruchtblätter mit der einzigen, von ihnen eingeschlossenen Samenanlage wohl differenziert sind, werden an den Stellen des Blütenbodens, wo man die Kronblätter suchen müßte, fünf kleine Höcker sichtbar (vgl. Fig. 140), die im späteren Waehstum der Blüte wieder verschwinden. Diese als verspätete Petalrudimente deutbaren Höcker wurden in allen Blüten wahrgenommen. Die Formel heißt also K,C, rud. 4,6) und das Diagramm muß mit geringer Abänderung des von Eichler und Lüders gegebenen wie in Fig. 141 gezeichnet werden. Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyllaceen-Blüten. 343 Anychia weicht nun von allen anderen Caryophyliaceen, die einen minderzähligen Kelchstaubblattkreis haben, insofern ab, als die beiden persistierenden Staubblätter gerade vor die ältesten Kelchblätter fallen. Da die beiden Fruchtblätter median stehen, sind alle Sporo- phylie fast in einer Linie übereinander angeordnet, statt, wie verständ- licher wäre, sich mit Alternation über Kreuz zu stellen. Die Kontakt- theorie versagt hier durchaus. Ein Grund für die abweichende Stellung der Staubblätter ist schwer einzusehen, auch braucht, wie Goebel (1900, pag. 718) sagt, eine „solche Gegenüberstellung an und für sich keine Erklärung; wenn die Verhältnisse am Vegetationspunkt dafür geeignet sind, ist sie — vom Zweckmäßigkeitsstandpunkt aus — genau ebenso berechtigt wie die Alternanz der Quirle“. Bei Anychia ist der Blütenboden breit genug, und die opponierten Höcker belästigen sich nicht. Sucht man aber nach der zweifellos vorhandenen Ursache der Anomalie, so kann vielleicht der Gesamtaufbau der Blütenregion herangezogen werden. Während bei anderen Caryophyllaceen die Achse der Achselsproßblüten sich kaum streckt, wächst sie bei Anychia stark in die Länge. Jede Blüte steht so statt zwischen zwei kleinen, tieferen Blüten zwischen zwei großen Stengeln, und es ist möglich, daß durch den starken Nährstoffverbrauch an beiden Flanken, also auf Seite der jüngsten Kelchblätter eine Jaterale Ausbildung der Staub- blätter verhindert, eine mediane dagegen zugelassen wird. Die starke Streckung der Achse in der Blütenregion ist vielleicht auch die Ur- sache, weshalb von gewisser Höhe an ein Vorblatt schwindet, und zwar das untere a-Blättchen, wie bereits Wydler (1851) und Eichler be- merkten. Wie stark der Aufbau des Infloreszensgerüstes auf Primär- blüten rückwirken kann, zeigt das von Goebel (1913, pag. 100) ange- führte Beispiel von Begonia vitifolia, wo durch das starke Wachs- tum der verzweigten Achse die Primärblüten ganz ausgehungert werden. Schließlich sei darauf hingewiesen, daß auch bei Anychia die kampylotrope Samenanlage auf langem Funiculus so angeheftet ist, daß zuletzt sowohl Chalaza wie Mikropyle schräg nach oben schauen. Achyronychia. Das an Achyronychia Cooperi und Achyronychi Parryi bewirkte Studium.der Blütenentwicklung hatte in Kürze folgendes Er- gebnis. Nach den fünf Kelchblättern treten fünf Kronblätter am äußersten Rand des noch verfügbaren Blütenbodens auf (vgl. Fig. 145). Sodann wird das bei Achyronychia Cooperi meist einzige Staub- blatt angelegt, das den Platz vor Kelchblatt 5 oder 4 bevorzugt. Auch 344 Erich Kraft, zwei Staubblätter wurden beobachtet, wiederum nur vor den jüngsten Kelchblättern. Achyronychia Parryi hat fünf Staubblätter. Endlich folgen die beiden median gestellten Fruchtblätter. Die Entwicklung des Fruchtknotens ist in Fig. 142—144 abgebildet. Achyronychia Cooperi hat zwei, Achyronychia Parryi drei Samenanlagen, von denen nach meinen Beobachtungen immer nur eine zur völligen Reife gelangt, obwohl alle eine Zeitlang mitwachsen. Eine Mittelsäule war nicht zu sehen. Ziemlich spät tritt Perigynie ein, die den Fruchtknoten allmählich tief mittelständig macht. Von Interesse ist nun das Ver- halten der Kronblätter. Während sie bei Achyronychia Parryi ein- heitlich bleiben, differenzieren sich bei Achyronychia Cooperi nach und nach drei Zipfel heraus, wie die Fig. 146— 151 zeigen. Die Drei- zipfligkeit der Kronblätter teilt diese Art mit den Gattungen Pollichia (Fig. 154) und Acanthonychia (Fig. 130), nur daß bei diesen die Zipfel nicht so lang werden. Der Mittelzipfel ist stets der längste. Lüders erklärt die drei Zipfel für Staminodien, die durch Dedouble- ment aus der Anlage eines Staminodiäms hervorgegangen seien. Ist es schon merkwürdig, wenn eine in Reduktion begriffene Anlage mit solcher Regelmäßigkeit und stets in Fünfzahl sich verdreifachen soll, so lehrt die Entwicklungsgeschichte vollends deutlich, daß es sich hier um Kronblätter handelt. Denn sie werden nach Zeit und Ort als solche angelegt und sind homolog den bei anderen Achyronychia- Arten stets als Kronblätter anerkannten Gliedern. An Pollichia er- innert Achyronychia auch durch die fast geraden Embryonen, durch die starke Mittelständigkeit des Fruchtknotens und durch die spätere starke Wucherung der Diskusgegend. Daß für diese, die den Ver- schluß des Achsenbechers zu bewirken hat, Baumaterial in Form von Schleim oder sonst quellbarer Substanz frühzeitig bereit liegt, kann man leicht erkennen. Behandelt man junge Blüten mit verdünnter Kalilauge, so sieht man rings um den noch rein oberständigen Frucht- knoten mächtige Schleimbasen sich aufwölben, die, weil sie sich be- sonders vor den Kronblättern erheben, fast den Eindruck epipetaler Blütenglieder machen. Pollichia. Von dieser Gattung stand P. campestris lebend zur Verfügung. Fünf Kronblätter werden normal angelegt, als einfache Primordien erschei- nend, wie in Fig. 145 für Achyronychia gezeichnet ist. Die Perigynie tritt ziemlich früh ein (vgl. Fig. 152). Zuletzt stehen die Kronblätter als kleine Lappen am Rande des Blütenbechers (Fig. 158 links oben). Ihr Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyliaceen-Blüten. 345 späterhin dreizipflicher Umriß ist in Fig. 154 gezeichnet. Man erkennt die Ähnlichkeit mit einer gewissen Entwicklungsstufe der Achyro- nychia-Kronblätter. Über die Stellung des einen Staubblattes findet sich bei Lüders die Angabe, es stehe stets vor dem ersten, also ältesten Kelchblatt. Mit diesem Verhalten würde Pollichia vom Caryo- phyllaceentypus stark abweichen, weil, abgesehen von Anychia, überall Fig. 143—15l. Achyronychia Cooperi (143, 144 Fruchtknoten, 145 junge Blüte ohne die Kelchblätter von der Seite, 146-151 Entwicklung des Kronblattes). 152—155. Pollichia campestris (154 Kronblatt, 155 Blütenquerschnitt). die Staubblätter vor den ältesten Kelchblättern zuerst abortieren. Genaue Untersuchung ergab, daß auch bei Pollichia das eine Staub- blatt vor Kelchblatt 5 oder 4 steht. Das dichte Blätenknäuel ist genau nach der Regel aufgebaut. Die Terminalblüte trägt in den Achseln ihrer Vorblätter je eine Blüte, diese trägt ihrerseits weitere und so fort. Das Unterbleiben jeglichen Stengelwachstuins macht das Ganze etwas 346 " Erich Kraft, unübersichtlich. Jede Blüte hat infolge starker, seitlicher Behinderung einen Querschnitt nach Form eines stumpfen, gleichschenkligen Dreiecks. An den beiden Schenkeln, an die sich die subordinierten Achselsproß- blüten anschmiegen, stehen die Kelchblätter 4 und 5. Kelchblatt 1 ist das kleinste von allen und sehr tief inseriert. Die Kelchblätter 4 und 5 sind stets am mächtigsten entwickelt und haben wohl daher den erwähnten Autor verführt, sie für die anderswo bevorzugten ältesten Kelchblätter zu halten. Fig. 155 zeigt einen durch die Antherengegend einer Blüte geführten Querschnitt. Das Staubblatt steht vor Kelchblatt 4. Kelchblatt 1 ist wegen seiner tiefen Stellung nur an der obersten Spitze getroffen. Das Gynäceum besteht aus zwei median gestellten Fruchtblättern, die je eine Samenanlage einschließen. Der anfangs oberständige Fruchtknoten wird später tief mittelständig, Der ihn umgebende Teil des Blütenbodens wächst bedeutend (vgl. Fig. 153) und schließt ihn zuletzt völlig ein. Der stark in die Breite wuchernde Diskus läßt nur für den Griffel eine sehmale Öffnung. Das Diagramm ist aus Fig. 155 unter Ergänzung der Fruchtblätter zu entnehmen. Es entspricht dem Diagramm Fig. 112. Die Blütenformel lautet K,C,A,G(?). UL Was man auf Grund der Tatsachen des Experiments und der Entwicklungsgeschichte über die Verwandtschaft der Caryophylla- ceen-Gattungen unter sich mit aller Vorsicht aussagen kann, ist versuchsweise durch nebenstehendes Schema angedeutet. Man kann dasselbe als Horizontalschnitt durch die Krone des Caryophyllaceen-Stamm- baums auffassen. Damit ist, dem Mangel exakter Beweise entsprechend, über die Abstammung der Formen nur sehr Bedingtes gesagt, immerhin aber das ausgedrückt, was über den relativen Zeitpunkt der Kongruenz der Ahnenreihen durch eben jene Tatsachen wahrscheinlich gemacht wird. Wenn die mit fünfkreisigen Blüten ausgestatteten Caryophyllaceen als Mittel- und Ausgangspunkt aller anderen Formen angenommen werden, so ist das eine bereits von Eichler, Goebel, Pax und War- ming vertretene Anschauung. Sie stützt sich auf die Tatsache, daß Formen mit sogenanntem ärmeren Diagramm, also vier- und dreikreisige Blüten, minderzählige Andröceen und Gynäceen usw. oft als Varianten der (rattungen mit fünfkreisigen, durchweg isomeren Blüten, selbst innerhalb solcher Arten vorkommen. Sie stützt sich auf die weitere Tatsache, daß in den ärmeren Blüten diejenigen Glieder, deren Unter- drückung (Schwinden, Abortus) angenommen wird, oft als Rudimente sichtbar werden. Experimentelle u. entwieklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyllaceen-Blüten. 347 Dem gegenüber ist es unter dem Einfluß neuerer Systeme üblich geworden, die einfachen Formen als primitive zu betrachten, von denen die reicheren abzuleiten seien. Nicht ganz klar äußert sich Wettstein (1911) über das Problem. Er nennt die Caryophyllaceen ein „Endglied der Centrospermenreihe, in welcher es durch Umwandlung eines Teiles der Staubblätter in Korollblätter zu einem doppelten Perianthium* gekommen ist. In der schematischen Übersicht der Blütendiagramme (pag. 533) wird zwar das fünfkreisige Viscaria-Dia- gramm durch genetische Linie vom gleichfalls fünfkreisigen Stegno- sperma-Diagramm (Phytolaccaceen) abgeleitet. Aber beide Diagramme Colabanthus Bicheranthus { Pteranthus] ymnocarno yphonychi [Comstes) Anychia lerocephalu: Nlecebrum Ächyranychia|Paronychia (Polichia | Corrigiola Alsinodendran Buffonia Acanthonychia) Sphaerocoma Schiedea |Sueria rachystemma |Herniaria ] [Habrosia] _ _|Telephium n an Spergulari MoehringiafStenaria |Mosnchia Speraula Saginz | Aline | Aoiostes | Veiezi) Sypsophia[Tunica [Saponaria] _[Dianikus) ‚Ortegia Pyenophyllum [[Sitene [| Yeccaria Tcantho; yliten] Microphyesl Drymaria 5 [Melandıyum ph Sipulcktz] |Powvarsen _Bucubalug — Acer] Cerdia Loefflingia Hetiospermä Lychnis Petrocoptis Drypis Vebelinia Verwandtschaftsschema der Caryophyllaceengattungen. sind innerhalb ihrer Familie ans Ende gestellt. Man darf daher wohl Wettsteins Standpunkt dahin präzisieren, daß er die einfachen Garyo- phyllaceen für die primitiven hält. Die gleiche Ansicht vertritt Eng- ler (1909), der im Syllabus von den Caryophyllaceen sagt: „Blüte zyklisch, heterochlamydeisch oder apetal, ... . diplostemon, seltener haplostemon“ ..... Gemäß der in der Einleitung zum Syliabus ge- gebenen Erklärung der Ausdrücke apetal und apopetal bedeutet das, die kronblattlosen Caryophyllaceen besäßen noch keine Korolle, bzw. hätten nie eine solche besessen. Eingehender wird in den Syste- matischen Untersuchungen über die Caryophyllaceen mit einfachem Diagramm von Lüders (1907) der Standpunkt vertreten, 348 Erich Kraft, daß die ursprünglichen Caryophyllaceen-Blüten aus vier Kreisen, einem Kelchblattkreis, zwei alternierenden Staubblattkreisen und einem Frucht- blattkreis bestehen. Aus ihnen haben sich 1. die noch einfacheren dreikreisigen Formen unter Verlust eines Staubblattkreises, 2. die fünfkreisigen in der Weise entwickelt, daß seriales D&doublement des äußeren Staubblattkreises eintrat, wobei die inneren Spaltprodukte Staubblätter blieben, die äußeren zu Kronblättern wurden. Hiernach wären die Scleranthoideen die ursprünglichsten Gattungen. _Von ihnen führt der Weg einerseits über Habrosia zu den Alsineen und Sileneen,andererseitszu den Polycarpoideen, Paronychioideenusw. Die Methode, die zu solchen Ergebnissen führte, ist die, daß die Diagramme ausgewachsener Blüten gezeichnet, verglichen und in eine Reihe angeordnet werden. Welcher Wert dieser Methode beigemessen wird, ist aus den Worten Lüders zu sehen, wo es (über Habrosia pag. 16) heißt, daß nicht einmal Tatsachen der Entwicklungsgeschichte, also reale, sichtbare Dinge, die auf vergleichend morphologischem, also theoretischem, Wege gewonnenen Anschauungen würden korrigieren können. Indessen liegen die Mängel dieser Methode auf der Hand. Sie weiß nichts über die Reihenfolge der Entstehung der Blütenglieder zu sagen. Die einzelnen Kreise im gezeichneten Diagramm abzuzählen und so zu beziffern, ist ein willkürliches Verfahren. Bei Scleranthus zupı Beispiel sagt Lüders: Die Anordnung der Staubgefäße des zweiten (— inneren —) Kreises wird durch diejenige des ersten (-- äußeren —) Kreises in regelmäßiger Alternanz derart bestimmt, daß die dödoublierten Glieder jeweils als einheitliches Organ für den Anschluß des folgenden Kreises maßgebend sind. In Wirklichkeit tritt dieser „folgende“ Kreis zuerst auf, und der von Lüders als erster bezeichnete äußere Staminal- kreis ist zeitlich der zweite. Offenbar haben doch, wenn es sich um den sukzessiven Anschluß neuer Blütenkreise handelt, Bezeichnungen wie erster, zweiter, dritter nur zeitlich gefaßt einen Sinn. Das Beste ist, bei den Caryophyllaceen weder erster und zweiter, noch auch äußerer und innerer, sondern Kelch- und Kronstaubblattkreis zu sagen und sich dabei zu merken, daß die Kelchstaubblätter stets früher und — außer bei einigen Silenoideen — weiter innen bzw. höher stehen als die Kron- staubblätter. Man erkennt an diesem Beispiel, wie der subjektive Ver- gleich irgendwelcher fertiger, morphologischer Verhältnisse zu Deutungen der Genese führen kann, die rein formaler Logik entspringen und den tatsächlichen Geschehnissen zuwider laufen. Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyliaceen-Blüten. 349 Zeigt schon dieses Beispiel, daß der Vergleich von Diagrammen die Verwandtschaft von Blüten kaum zu erhellen vermag, so versagt die Methode vollends in allen den Fällen, wo abortierende Glieder an der jungen Blüte angelegt werden, aber nicht weiter wachsen oder im allgemeinen Wachstum des Blütenbodens aufgehen. Daß die Feststellung solcher Rudimente für die Einsicht in Verwandtschaftsverhältnisse von allergrößter Wichtigkeit ist, kann nicht bezweifelt werden. Im zweiten Teil der Abhandlung wurden solche Rudimente, von denen die Dia- gramme nichts wissen, mehrfach entwicklungsgeschichtlich nachgewiesen. Drittens führt die vergleichende Methode zu falschen Meinungen über den Charakter größerer Rudimente. Sie ist zum Beispiel geneigt, alles Spitzliche und Pfriemliche in der Staminalgegend für Staminodien anzusehen. Zuweilen wird ein und dasselbe — homologe — Ding in der einen Art Kronblatt, in der anderen Staminodium genannt. Die Ansicht, daß bei den Caryophyliaceen ein Organ bald Petal-, bald Staminalcharakter annehmen könne, dürfte an zahlreichen Beispielen im zweiten Teil der Abhandlung endgültig widerlegt sein. Die Reihen- folge Kelchblatt + Kronblatt— Kelchstaubblatt+ Kronstaubblatt + Frucht- blatt bleibt unverändert, und insbesondere Kronblatt und Kronstaub- blatt sind, unbeschadet engster Paarung im Sinne Goebels, nach Zeit und Ort ihres Auftretens streng geschieden. Viele Abbildungen haben dies veranschaulicht und gezeigt, daß das Studium der Entwick- lungsgeschichte genaue Feststellungen ermöglicht, wo der Vergleich fertiger Blüten nur zu Mutmaßungen führt. Die vergleichende Methode vermag aber nicht nur über die Ru- dimente der Caryophyllaceen-Blüten, sondern auch über die Stellung ihrer normalen Organe nichts exactes zu sagen. Zum Beispiel die Entscheidung, ob Obdiplostemonie vorliegt, wird sie nur dann richtig fällen, wenn zufällig auch in der ausgewachsenen Blüte gut ausgeprägte Obdiplostemonie vorliegt. Das Studium der Blütenentwieklung dagegen zeigt die verschiedene Insertionshöhe der Primordien auch in den Fällen, wo in der fertigen Blüte ein solcher Unterschied kaum nach- weisbar ist. Eine weitere Gefahr der vergleichend morphologischen Methode beruht darin, daß sie in dem Bemühen, Sprünge der progressiven Dia- grammreihe zu erklären, Entwicklungsgesetze aufstellt, die aus rein for- malen Erwägungen hergeleitet sind. Eine solche a priori-Konstruktion ist zum Beispiel das seriale De&doublement, durch welches Kronblatt und Kronstaubblatt der fünfkreisigen Caryophyllaceen aus dem äußeren Staminalkreis der vierkreisigen soll entstanden sein. Wiederum ist an Flora, Bd. 109. 23 350 Erich Kraft, zahlreichen Beispielen, die zu wiederholen unnötig ist, entwicklungs- geschichtlich nachgewiesen, daß die genannte Theorie sich auf keine tatsächlichen Vorgänge am Blütenvegetationspunkt stützen kann. Kron- blätter und Kronstaubblätter entwickeln sich zwar räumlich nah bei- einander, aber mit großem Zeitunterschied, indem zwischen ihre An- legungszeiten ein gutes Stück Kelchstaminalentwicklung fällt. Wie soll weiter nach der Theorie erklärt werden, wenn von beiden Spaltprodukten nur eins auftritt, z. B. das Kronblatt, der Platz für das Staubblatt aber leer bleibt, höchstens zuweilen ein Rudiment aufweist. Zweifellos würde man auch hierfür eine Erklärung finden, — aber wieviel zwang- loser und vor allem den Tatsachen entsprechend erklärt sich das alles durch die Annahme von ursprünglich fünf Kreisen, deren Reduktions- stufen in den einfacheren Blüten vorliegen. Ist es so gewiß, daß sich kein alternisepales Primordium der heutigen Caryophyllaceen in zwei radial gestellte Höcker zerlegt, wie es bei D&doublement sein müßte, so könnte jemand einwenden, daß der fragliche Vorgang dennoch in der Phylogenese einmal stattgefunden und der fünfkreisigen Blüte den Ursprung gegeben habe. Das ist aber eine ganz vage Hypothese, für die heute weder Beweis noch Gegen- beweis vorliegt. Hier genügt es, wahrscheinlich zu machen, daß die heutigen Caryophyliaceen sich sämtlich aus fünfkreisigen Formen ent- wickelt haben, und daß unsere fünfkreisigen die ursprünglichsten Formen sind, die jetzt existieren. Wie sie ihrerseits entstanden sind, bleibt außer Betracht. Wie die Caryophyllaceen in die Centrospermen- reihe einzuordnen sind, insbesondere ob die Entwicklung von den Phytolaccaceen zu den Caryophyllaceen oder umgekehrt geführt hat, muß vorerst unerörtert bleiben. Eine Hauptstütze der Anschauung, daß die Caryo- phyllaceenreihe eine Reduktionsreihe ist, beruht auf dem im ersten Teil geführten Beweis, daß man die Stellaria media — als Typus einer fünfkreisigen Form — künstlich reduzieren kann, und daßihre Reduktionsstufen, inbegriffen das Schwinden der Teile, das Auftreten von Rudimenten usw. sich zu einer Reihe ordnen, die sich voll- kommen deckt mit den Reduktionsstufen der ganzen Caryophyllaceenreihe, wie sie im zweiten Teil der Ab- handlung entwicklungsgeschichtlich erschlossen wurde. Wir haben gesehen, wie diejenigen Blütenglieder, die z. B. einer Stellaria verloren gehen, wenn sie zur Reduktion schreitet, dieselben sind, die bei den Formen mit armem Diagramm überhaupt vermißt Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Untere. an Caryophyllaceen-Blüten. 851 werden. Wiederum dieselben Glieder sind oft auf jungen Entwicklungs- stadien der Blüten nachweisbar, auch wenn später keine Spur von ihnen zu sehen ist, Ordnet man unter Zugrundelegung dieser Ergebnisse die Reihe der Caryophyllaceen, so sind die Alsineen im engeren Sinne die primitivsten Formen. Es sind die im Zentrum unseres Stammbaum- querschnittes stehenden Gattungen. Unter ihnen befinden sich mit Stellaria, Arenaria, Cerastium, Alsine die größten Kosmo- politen. Ausgestattet mit der zähen Lebenskraft der Unkräuter, scheinen sie auch durch die selbst unter Caryophyllaceen sonst unerreichte Variabilität und Plastizität der Blüten sich als diejenigen Formen aus- zuweisen, die den alten Familientypus am reinsten überliefert, zugleich allen den Formen, die wir heute um sie herum gruppieren, den Ur- sprung gegeben haben. Ermißt man die Starrheit, mit der die meisten anderen Caryophyllaceen ihre Blütenform ontogenetisch reproduzieren, so wird man den leicht veränderlichen Alsineen die Fähigkeit zu- trauen, noch heute neue Linien abzuspalten. Vielleicht ist die apetale Stellaria eine solche, unter dem Zwang äußerer Umstände sich eben fixierende Art. Unstreitig minder primitiv sind die um Silene gescharten Formen. Die vordem freien Kelchblätter verwachsen, die Pflanzen werden arm- blütiger, statt beider Vorblätter ist oft nur eins fertil, oft zeugt nur eine Endblüte „von der Reduktion reichblütiger Blütenstände* (Pax, I. c.) Gegenüber den offenen, einem größeren Besucherkreis zugänglichen Alsineenblüten „reservieren die röhrenförmigen Blüten der Sileneen ihren tief verborgenen Honig einem beschränkten Kreis“, insbesondere Schmetterlingen. Die bei Alsineen nur zuweilen vorhandene Dicho- gamie wird bei den Sileneen zur Regel (Schulz, I. c.) Geschlechts- dimorphismus kommt bei Alsineen gewissermaßen als Variante vor, bei Sileneen ist er häufig und konstant. Innerhalb der Silenegruppe finden Reduktionen statt, die mit den Reduktionstendenzen der Alsineen parallel gehen. Es gibt mikropetale und apetale Formen, eingeschlechtige Blüten mit Rudimenten des fehlenden Geschlechts. Die Diantheen vermindern die Fruchtblatt- zahl von ursprünglich fünf auf zwei, wobei Rückschläge vorkommen. Uebelinia hat nur fünf Staubblätter, kleine Kronblätter und eine ver- minderte Zahl von Samenanlagen an reduzierter Mittelsäule. Auch Velezia zeigt die für die Caryophyllaceen charakteristische Schwäche der Petalsektoren. Die Kronstaubblätter sind selten fünf-, meist minder- zählig. Die Zahl der Samenanlagen ist reduziert. Drypis vollends 23* 352 Erich Kraft, hat gar keine Kronstamina und nur zwei Samenanlagen, von denen eine reift. Eine kürzere Reihe mit gleichen Reduktionstendenzen geht von der noch ganz alsinoiden Spergula über Spergularia zu Telephium. Auch hier gehen die Kronstamina schließlich verloren, und der Frucht- knoten wird reduziert. Brachystemma und Buffonia verhalten sich normal, die Zahl der Fruchtblätter und die der Samenanlagen ist gesunken, Buffonia kann durch Schwinden der Kronstamina vierkreisig werden und sogar den Kelchstaubblattkreis etwas reduzieren. Die fünfkreisige Queria charakterisiert sich in ihrer Blüten- entwicklung ganz als Alsinee. Andererseits ist zu beachten, daß ihre Blüten gern zu dreien beisammen stehen, von starren, mehrfach ver- zweigten Sprossen begrenzten Wachstums umschlossen, ganz ähnlich wie es bei Cometes und Pteranthus der Fall is. An letztere erinnert ferner die Einsamigkeit, die Verhornung des Blütenbodens, die öftere Verkümmerung der Seitenblüten und der Zusammenschluß der Staubblattbasen zu einem Ringe. Es sei nunmehr daran erinnert, daß sich unter den Alsineen im engeren Sinn die Schwäche der Petalsektoren auf zweierlei Weise offenbart. Die einen, wie Stellaria, Arenaria, reduzieren zuerst die Kronstamina, die anderen, wie Sagina, Moehringia zuerst die Kronblätter. Schiedea und Alsinodendron sind Alsinsen im weiteren Sinne, bei denen der zweite Fall stark in Erscheinung tritt. Sie haben noch beide Staubblattkreise, aber keine Kronblätter mehr. Einen Schritt weiter geht Scleranthus. Auch hier sind beide Sta- minalkreise vorhanden, die Kronblätter geschwunden. Dazu wird der Fruchtknoten nahezu unterständig und einsamig., Das Typische bei dieser Gattung liegt darin, daß der Kronstaminalkreis stets vollzählig ist, während die Kelchstaubblätter bis auf zwei schwinden können. Eine mit soviel Merkmalen sekundären Charakters und einseitiger Entwicklung ausgestattete Gattung an den Anfang der ganzen Reihe zu stellen, ist nicht angängig. Viel aussichtsreicher ist der neuerdings von Vierhapper (l. c.) gemachte Versuch, Seleranthus in direkte Gefolgschaft der Alsineen zu bringen, wie es auch hier geschieht. Wird der bei Scleranthus auf Zweizahl reduzierte Kelchstaubblatt- kreis auf Eins oder gar Null gebracht, so hat man den Typus von Colobanthus. Damit ist aber ein Diagramm erreicht (Fig. 89), das gar nicht mehr caryophyliaceenartig aussieht. Vielleicht stellt man die Gattung doch besser zu den Portulaccaceen, wie schon Fenzl Experimentelle u. entwieklungsgeschichtl, Unters. an Caryophyllaceen-Blüten. 358 tat. Sie würde immerhin hier wie dort ein Außenseiter bleiben. Die Zuteilung einer solchen interfamiliaren Gattung erscheint belanglos. Dagegen gehören Cometes, Pteranthus und Dicheranthus zweifellos in die Gegend von Queria, Schiedea und Alsinodendron. Der Fruchtknoten ist reduziert, bei Cometes fehlen die Kronstamina, bei den anderen die Kronblätter. Ob die drei Gattungen unter sich eng zusammengehören, wird von Vierhappner mit Recht bezweifelt. Ein anderer an der Hand von Rudimenten verfolgbarer Übergang von Fünf- zu Vierkreisigkeit erfolgt innerhalb der Gattung Poly- carpaea, wie im zweiten Teile ausführlich besprochen. Es schwinden die Kronstaubblätter, die bei den anderen sogenannten Polycarpoideen restlos abortieren und sich höchstens durch einen leeren Platz am Vegetationskegel in Erinnerung bringen. Die Progression erfolgt inner- halb der Gruppe unter Abort der Kelchstaubblätter bis’auf eins, Ver- minderung der Fruchtblattzahl auf zwei, verbunden mit perigyner Ver- senkung, und läßt endlich im extremen Fall (Cerdia, Ortegia) auch die Kronblätter bis auf winzige Rudimente schwinden. Eine Übergangsgattung, Polycarpaea vergleichbar, ist auch Ha- brosia. Sie verdient mehr als z. B. Buffonia oder Schiedea den Namen einer Alsinee. Die Kronblätter sind wohl ausgebildet, die Kronstamina nur zuweilen; zwischen den beiden Fruchtblättern steht eine wohlerhaltene Mittelsäule. Wie bei einer Verschiedenheit aller wichtigen Glieder diese Gattung mit Scleranthus vereinigt werden konnte, erscheint rätselhaf. Um nur eine kurze Parallele zu ziehen, sei verglichen: Scleranthus Habrosia Petala: keine , stets fünf Kelchstamina: meist zwei . stets fünf Kronstamina: stets fünf selten fünf Gynäceum: wird unterständig bleibt rein oberständig Mittelsäule: fehlt wohl ausgebildet Samenanlagen: eine ' zwei Mikropyle; nach oben ! nach unten Pollen: Pentagondodecaeder mitje : typischer runder Pollen mit kleinen einer großen Pore aufjeder Fläche. Poren. Nahe Habrosia steht Sphaerocoma. Einen Übergang von Fünf- zu Vierkreisigkeit stellt auch Herniaria dar, wo an der Außenseite der Kronstaminodien zuweilen Pedalrudimente auftreten. Alle anderen, sonst mit Herniaria vereinigten sogenannten Par- 354 Erich Kraft, onychieen sind rein vierkreisig unter Abort der Kronstamina. Auch in dieser Gruppe werden schließlich die Kronblätter immer unansehnlicher, verspäten sich bisweilen im Anftreten, und die Kelchstaubblätter schwinden bis auf eins (Polichia). Kurze Übersicht der Hauptergebnisse. Stellaria media besitzt außer der ihr eigenen, erblichen Varia- bilität des Andröceums und Gynäceums, die von äußeren Bedingungen unabhängig zu sein scheint, eine Veränderlichkeit der Blütenstruktur, die als Funktion der Außenbedingungen erwiesen wurde. Die typisch fünfkreisige Blüte kann bis auf Dreikreisigkeit reduziert, die Gheder- zahl der einzelnen Kreise vermindert werden. Dies wurde erzielt durch Unterernährung der ganzen Pflanze oder korrelativ durch einseitige Begünstigung des vegetativen Wachstums. Die einzelnen Reduktions- stufen der Stellaria bilden eine Reihe, die sich mit der entwicklungs- geschichtlich erschlossenen Reduktionsreihe der Caryophyllaceen vollkommen deckt. Durch Studium der Blütenentwicklung wurde nach- gewiesen, daß bei den Gattungen mit einfachem Diagramm dieselben Glieder abortieren bzw. als Rudimente auftreten, die bei reduzierenden Alsineen wie Stellaria zu schwinden pflegen. Die von manchen Autoren vertretene, auf vergleichend morphologischem Weg gewonnene Anschauung, daß die Caryophyllaceen mit einfachem Diagramm die phylogenetisch älteren seien, ist daher unhaltbar. Vielmehr ist an- zunehmen, daß die Formen mit fünfkreisigen Diagrammen, insbesondere die Alsineen, die ursprünglichsten darstellen, von denen aus eine Entwicklung reduktiver Natur zu den Formen mit einfachem Diagramm geführt hat, ganz analog dem Reduktionsvorgang, den die Ontogenese mancher Alsineen noch heute erlebt. Zum Schlusse möchte ich meinem hochverehrten Lehrer und Chef, Herrn Geheimrat von Goebel, unter dessen Leitung die Arbeit durch- geführt wurde, für seine stete, gütige Anregung und Unterstützung herzlich danken. Ebenso bin ich Herrn Geheimrat Radikofer für die Überlassung des wertvollen Herbarmaterials aus dem Kgl. Staats- herbarium zu aufrichtigem Danke verpflichtet. 2 " Experimentelle u. entwicklungsgeschichtl. Unters. an Caryophyliaceen-Blüten. 355 Literatur. Baillon, H. E., Histoire des Plantes 1887. Bateson, A., The effect of Cross-Fertilization on inconspieuous flowers. Annals of Botany 1887,88. B£guinot, A., Rieerche intorno al polimorphismo dell Steilaria media in rapp. alle sue condizioni di esistenza. Studio monographieo. Nuovo Giorn. bot. ital. 1910, Vol. XVII. Bentham and Hooker, Genera plantarum, 1862/67, Vol. I. Bentham and Mueiler, Flora Australiensis, 1863, Vol. I. Bonnet, E. E., Observations sur la structure anatomique etc. des Paronychides et Caryophyllacdes. 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Wir müssen daher die Leser, welche in dieser Sache sich ein richtiges Urteil bilden wollen, ersuchen, nach dem Grundsatz: „audiatur et altera pars“, unsere Widerlegung in Betracht zu ziehen. Zur Charakterisierung der Mitteilung Wisselingh’s seien hier jedoch noch einige weitere Bemerkungen veröffentlicht. Wisselingh sucht des Langen und Breiten zu zeigen, daß verschiedene organische Basen mit Gerbstoff schwerlösliche Niederschläge geben. Dieses Faktum ist indessen jedem Anfänger in Chemie und Botanik bekannt. Ja schon vor mehr als 80 Jahren war dieses eine bekannte Sache gewesen und es wurde Gerbstoff schon damals benützt, um Alkaloide aus wässerigen Pflanzenextrakten zu fällen und zu isolieren‘). Wisselingh scheint nicht zu wissen, daß sich die Verbindungen von Gerbstoff mit Alkaleiden schon in verdünntem Alkohol auflösen, während die Ausscheidungen in den Zellen von Spirogyra schon durch verdünnten Alkohol ihre Löslichkeit in Wasser verlieren und starker Alkohol sie selbst beim Kochen nicht auflöst. Daß die Coffeinproteosomen in Spirogyrazellen nicht gerbsaures Coffein sind, hätte Wisselingh auch aus seiner richtigen Beobachtung schließen können, daß diese Ausscheidungen nach einer gewissen Zeit unlöslich in warmem Wasser werden. Warum hat Wisselingh es versäumt zu prüfen, ob auch das aus Gerbstoff und Coffein in vitro erzeugte Präzipitat allmählich unlöslich wird? 1) Beihefte zum Botan. Zentralbl. 1915, Bd. XXXII, pag. 155. 2) Proceedings of the Kgl. Akademie van Wetensch. Amsterdam 1911. 3) Vgl. auch: Über eine labile Eiweißform uew. Biochem. Zeitschr. LXXI, pag. 306; ferner die Schrift: Die chem. Energie der lebenden Zellen, Kap. 6 u. % bes. pag. 72. 4) S. Berzelius, Lehrbuch der Chemie, 1837, Bd. VI, pag. 266. 358 0. Loew und Th. Bokorny, Er konnte kein Eiweiß in den Ausscheidungen nachweisen. Was es damit für eine Bewandtnis hat, geht wohl schon daraus hervor, daß es ihm ebensowenig gelang, in den aggregierten Massen der Drosera- tentakeln Eiweiß nachzuweisen‘). Es müßte also nach seinem Befund der Gerbstoff der Aggregation fähig sein! — Obwohl wir wiederholt erwähnt haben, daß die Proteosomen Millon’s Reaktion geben, so sei hier doch nochmals betont, daß diese Reaktion sehr schön und klar auf folgende Weise gelingt: Man läßt die Spirogyrafäden in kalt- gesättigter Coffeinlösung 5—6 Tage, so daß die meisten Zellen ab- gestorben und die Proteosomen koaguliert sind. Die Fäden werden dann in Millon’s Lösung in einer Proberöhre im Wasserbade 1 Stunde lang erhitzt. Die charakteristische Reaktion ist sowohl makroskopisch wie mikroskopisch ganz klar und überzeugend eingetreten. Was die Biuretreaktion betrifft, so wird sie in gerbstoffreichen Zellen dadurch etwas beeinträchtigt, daß der Gerbstoffgehalt der Proteosomen mit dem angewandten Ätzkali eine gelbe Färbung gibt. — Jedoch gelingt die Gelbfärbung mit Jod und mit rauchender Salpetersäure. Jeder Zweifel muß aber schwinden, durch den Nachweis der Koagulation bei 56°, durch Behandeln mit 20°/,igem Alkohol und durch verdünnte Säuren. Da Gerbstofflösungen mit verdünntem Ammoniak keine Aus- scheidungen liefern, während Ammoniak bei Spirogyren sogar in einer Verdünnung von 0,001, noch Ausscheidungen hervorbringt, so hilft sich Wisselingh mit der Annahme, daß Kalksalze in den Spirogyra- zellen gespeichert seien, und daß das sich bildende gerbsaure Ammoniak den Kalk dieser Salze als gerbsauren Kalk niederschlage. Aber warum hat denn Wisselingh nicht den gespeicherten Kalk mit Oxalsäure nachzuweisen versucht? Wenn man eiweißreiche Spirogyra mit einer 1°/sigen Lösung von Kaliumoxalat behandelt, so ist in einigen Minuten der Zellkern abgetötet, ein Beweis, daß das Oxalat eingedrungen ist. Aber es zeigt sich weder jetzt noch nach dem später erfolgenden Tod des Zytoplasmas eine Ausfällung im Zellsaft von Kalziumoxalat. Nur in speziellen Fällen kommen Minimalmengen von Kalksalzen in Zell- saft der Spirogyren vor. Auch um gerbsaure Magnesia kann es sich nicht bei jenem Niederschlag handeln, denn Magnesiasalze können in gesunden Zellen niemals gespeichert werden, wenn nicht zugleich Kalk- salze vorhanden sind, welche die Giftwirkung der Magnesia paralysieren. 1) Er schreibt pag. 180: „Im Gegensatz zu de Vries gelang es mir auch nicht, die Eiweißnatur der Niederschläge in den Tentakeln von Drosera rotundi- folia auf mikrochemischem Wege festzustellen, während ich in denselben leicht Gerbstoff nachweisen konnte.“ Ä Nochmals: Aktives Eiweiß und Tannin in Pflanzenzellen. 359 Es kann nach zahlreichen Beobachtungen verschiedener Autoren kein Zweifel darüber bestehen, daß Gerbstoffe ein häufiges Neben- produkt sind, einerseits bei der Assimilationstätigkeit in den grünen Blättern andererseits bei der Eiweißbildung, Da zur Eiweißerzeugung in grünen Pflanzen aber wohl stets Glukose als kohlenstoffhaltiges Material dient, so läßt sich also die Gerbstoffbildung allgemein als ein häufig eintretender Nebenvorgang beim Umsatz von Glukose auffassen. Dieser Vorgang dürfte durch alkalische Reaktion) im Zellkern und Chloroplasten begünstigt werden. Wo Speicherung von Eiweiß stattfindet, da ist deshalb auch häufig etwas Gerbstoff vorhanden. In Spirogyrenzellen wechselt dieser Gehalt jedoch ganz bedeutend und während man öfters beim Auskochen von Spirogyra mit Wasser in diesem eine stark blaue Färbung mit Eisenvitriol erhält, wird manchmal gar keine deutliche Spur von Färbung erhalten. Wisselingh meint, daß, wenn Gerbstoff und Eiweiß gleichzeitig im Zellsaft vorhanden wären, ein Niederschlag von gerbsaurem Eiweiß im Zellsaft vorhanden sein müßte. Diesen Einwand haben wir uns selbst schon vor langer Zeit gemacht und denselben folgendermaßen erledigt: In den lebenden Spirogyrazellen handelt es sich ja nicht um Speicherung gewöhnlichen Eiweißes, sondern es ist eine äußerst labile Form vorhanden, wie sie zum Aufbau der lebenden Materie dienen kann. Diese labile Form verhält sich in vieler Hinsicht radikal ver- schieden von dem gewöhnlichen passiven Eiweiß und die Folgerung, daß dieses labile Eiweiß nur eine sehr lockere lösliche Verbindung mit Gerbstoff liefern kann, aber nicht eine innige unlösliche, wird dadurch gestützt, daß das lebende Protoplasma sich überlıaupt nicht mit Gerb- stoff verbindet, obwohl es doch aus Eiweißstoffen aufgebaut is. Nur totes Protoplasma nimmt etwas Gerbstoff auf, was besonders am Nucleus mit Eisenvitriol sehr schön sichtbar gemacht werden kann. — Beim Absterben der Zellen nun erfolgt bald nach dem Tode auch die Um- lagerung des gespeicherten labilen Reserve-Eiweißes zur passiven Form. Diese oft sehr kurze Spanne Zeit zwischen Absterben des Zytoplasmas und Umlagerung des labilen Reserve-Eiweißes reicht hin, dem Gerbstoff das Herausfiltrieren durch das nun sehr porös gewordene tote Zyto- plasma zu ermöglichen. Wenn dann die Umlagerung der labilen Eiweiß- form zur stabilen Form erfolgt ist, ist häufig auch kein oder nur sehr wenig Gerbstoff mehr vorhanden. Immerhin findet man häufig in ab- 1) Es ist den Chemikern seit langer Zeit bekannt, daß Glukose beim Be- handeln mit Kalilösung u. a. auch etwas Brenzkatechin liefert, das gewissen Gerb- stoffe nahe steht. 360 0. Loew und Th. Bokorny, gestorbenen Zellen eine Trübung oder feinen Niederschlag vor, der mit Eisenvitriol den Gerbstoffgehalt leicht erkennen läßt und kaum etwas anderes sein kann als gerbsaures Eiweiß. Um jedoch alles gelöste aktive Eiweiß in der Form des gewöhnlichen gerbsauren Eiweißes zu fällen, muß Sorge getragen werden, daß beim Abtöten der Zellen die Umlagerung der labilen Eiweißform rascher erfolgt als der Austritt des Gerbstoffes. Dieses ist uns auch auf folgende Weise gelungen: Man legt eiweißreiche Spirogyrafäden 5 Minuten in 5 cem einer Mischung einer 10%igen Salpeterlösung mit I cem einer Jodjodkaliumlösung, welche 10% Jodkalium und 2% freies Jod enthält. Das Zytoplasma wird momentan abgetötet und nur in wenigen Zellen entgeht der Tonoplast noch kurze Zeit der Abtötung, denn hier und da ist anomale Plasmolyse zu erkennen. Das eindringende Jod bringt die Umlagerung des gespeicherten labilen Albumins zu passiven rascher zustande, als der Austritt des Gerbstoffes aus den Zellen er- folgen kann, und es entsteht ein überaus kopiöser Nieder- schlag in den Zellen, der nichts anderes sein kann als gerbsaures Eiweiß; denn er gibt Reaktion auf Gerbstoff mit Eisen- vitriol, Reaktion auf Eiweiß mit Millon’s Lösung, er ist unlöslich in Wasser und in Alkohol, unlöslich oder schwer löslich in verdünnten Säuren, aber leicht löslich in Ammoniak — genau wie gewöhnliches gerb- saures Eiweiß. Die von Wisselingh erwähnte Tatsache, daß bei kopulierenden Zellen der Gerbstoffgehalt abnimmt, ist schon vor langer Zeit sowohl von uns, als auch von Büttner und von Pennington beobachtet worden. Gerbstoff nimmt nach unseren Beobachtungen immer dann ab, wenn der Eiweißverbrauch gesteigert wird und Eiweiß sich nicht mehr ansammeln, oder nicht bilden kann, worauf wir längst hingewiesen haben !). Wisselingh schließt aus der mangelbaften Querwandbildung oder Ausbleiben derselben, wenn die Zellteilung in mit Antipyrin be- handelten Spirogyrazellen einsetzt, daß Gerbstoff zur Querwandbildung diene. In solchen Zellen, wo der Gerbstoff ausgefällt sei, könne des- halb keine Querwand entstehen. Diesen Schluß halten wir für gänz- lich unphysiologisch. Es müßte sehr sonderbar hergehen, wenn statt des Stärkemehls resp. Glukose der Gerbstoff das Material zur Zellulose- bildung sein sollte. Das wäre die Kirche ums Dorf getragen. So . » Daß Gerbstoff unter Umständen — natürlich unter totaler Aufspaltung und teilweiser Oxydation — zur Eiweißbildung dienen kann, haben uns schon vor vielen Jahren Versuche mit Schimmelpilzen klar bewiesen. Nochmals: Aktives Eiweiß in Tannin in Pflanzenzellen. 361 arbeiten die Zellen sicherlich nicht, zumal dann in. gerbstofffreien Zellen die Zeilwandbildung nach anderen Prinzipien stattfinden müßte, als in gerbstoffhaltigen. — Es liegt die Folgerung wohl näher, daß eine, durch Antipyrin halbvergiftete Zelle überhaupt nicht mehr alle Funk- tionen in normaler Weise ausüben kann. Daß hier die Empfänglichkeit gegenüber solchen Giften bei verschiedenen Organismen etwas ver- schieden sein kann, ist nicht ausgeschlossen. Aus den Zeichnungen, welche den Artikel Wisselingh’s beigegeben sind, kann man sofort ersehen, daß die von ihm benützte Spirogyra maxima recht arm an aktivem Eiweiß war. Immerhin würden die in diesen Zellen mit Coffein erhaltenen Ausscheidungen manche Reak- tion ermöglicht haben, besonders den Nachweis der dreifachen Koagu- lation (s. oben). Da so lange Irrtümer in puncto Proteosomen vorkommen können, als Objekte benützt werden, die zu arm an aktiven Albumin sind, so sei hier speziell betont, daß das beste Objekt unter den Algen für diese Versuche Spirogyra majuscula ist, und zwar im Herbst, wenn sie aus Bassins gesammelt wird, welche im Frühjahr gedüngte Erde er- halten hatten. Auch durch Züchtung in Nährlösungen von genügender Verdünnung, besonders wenn durch Weglassung der Phosphate die Zell- vermehrung hintangehalten wird, kann in 4—6 Wochen eine sehr be- deutende Anhäufung von aktivem Albumin erzielt werden. Auch ist niedere Temperatur (12—16°) günstiger wie eine höhere, weil sonst verschiedene Parasiten (Chytridien und Pseudospora) in ihrer Entwick- lung zu stark gefördert werden. Es verdient besondere Beachtung, daß manche andere Spirogyra-Arten unter denselben Bedingungen und in den gleichen Gefäßen, wie Spirogyra majuscula nur sehr wenig aktives Albumin aufspeichern, wie z. B. Spirogyra nitida. Die Stärke häuft sich hier in Massen an, aber die Eiweißbildung findet viel schwieriger statt, als bei jener, welche geradezu enorme Mengen Eiweiß zu speichern fähig ist, während ihre Stärkekörner wohl infolge davon nur klein bleiben. . Wisselingh hätte sich auch sehr leicht dadurch überzeugen können, daß die mit Coffein in den Zellen erzeugten Proteosomen kein gerbsaures Coffein sind, indem er den mit Alkohol extrahierten und mit Coffein gefällten Gerbstoff ebenso weitergeprüft hätte, wie die Proteosomen selbst. Er hätte dann im Verhalten zu 20% igem Alkohol, sowie bei Behandlung mit verdünntem Ammoniak einen enormen Gegen- satz konstatieren können. Er hätte daraus die Überzeugung gewinnen können, daß gerbsaures Coffein in den Proteosomen nur als Beimengung 362 0. Loewund Th. Bokorny, Aktives Eiweiß und Tannin in Pflanzenzellen. enthalten sein kann. Selbst nach 4 Monaten in feuchtem Zustande der Luft ausgesetzt, bleibt das gerbsaure Coffein im warmen Wasser leicht löslich, während die Proteosomen schon einige Tage nach ihrer Bildung unter Vakuolisierung fest und unlöslich werden, d. h. koagulieren wie das Protoplasma beim Absterben. Wenn man Proteosomen mit gewissen Farbstoffen behandelt, so verhalten sie sich im koagulierten Zustand verschieden vom labilen ursprünglichen Zustand. Nach Wisselingh’s Auffassung müßte der Gerbstoff aber in beiden Fällen in gleicher Weise die Farbstoffe an sich ziehen, mit denen er Niederschläge zu geben fähig ist. Siehe hierüber auch die Versuche des einen von uns mit Methylgrün, Neu- tralrot und Methylenblaut). Bismarckbraun in 0,1 promille-Lösung wird in 1 Stunde intensiv von frischen Proteosomen gespeichert, während Gerbstoff selbst in konzentrierter Lösung mit diesem Farbstoff gar keine unlösliche Verbindung gibt. Umgelagerte Proteosomen färben sich, ceteris paribus, in gleicher Zeit nicht oder nur äußerst schwach mit Bismarckbraun. Schließlich dürfte wohl die Bitte nieht unberechtigt sein, daß Wisselingh die Proteosomen ebenso gründlich chemisch prüfen möchte, als wie wir es getan haben. 1) 0. Loew, Flora, Bd. CIX, pag. 61. — Biochem. Zeitschr. Bd. LXXI, pag. 315. 2) Wie energisch Bismarckbraun durch Verbindung mit dem lebenden Proto- plasma dasselbe abtötet, geht daraus hervor, daß der Zellkern von Spirogyra majuscula schon nach 2 Min. in einer 0,1 promille-Lösung von Bismarckbraun sich von der Linse zur Kugel kontrahiert. {ı Eingegangene Literatur. Cohn’s Beiträge zur Biologie der Pflanzen, herausgeg. von F. Rosen, Bd. XIII, H. 2 (Enthält: O. Liehr, Ist die angenommene Verwandtschaft der Helobiae und Polycarpieae auch in ihrer Cytologie zu erkennen? Mit Tafel III—-IV; Reinh. Lange, Beiträge zur biolog. Blütenanatomie. Mit Tafel VII-VIII; E. Theune, Beiträge zur Biologie einiger geokarper Pflanzen. Mit Tafel IX. Verlag von J. U. Kern (Max Müller), Breslau. Preis: 16 M.). W. Junk, Bibliographiae botanicae supplementum. Berlin 1916. E. Molisch, Pflanzenphysiologie als Theorie der Gärtnerei. Mit 129 Abbildungen im Texte. Jena 1916, Verlag von G. Fischer, Preis: 10 M. Prantl-Pax, Lehrbuch der Botanik, 14. Aufl. Verlag von Wilh. Engelmann, Leipzig. Preis: geb. 8 M. Schmeil, Lehrbuch der Botanik, 35. Aufl. Verlag von Quelle u. Meyer in Leipzig. Preis: geb. M. 6,60. | Druck von Ant. Kämpfe in Jena. Inhaltsverzeichnis. STOJANOW. N., Über die vegetative Fortpflanzung der Ophrydineen. Mit 2 "Tafeln und 5 Abbildungen im Text . . vo. HEINRICHER, E, Rückgang der Panaschierung und ihr völliges Er- löschen als Folge verminderten Lichtgenusses; nach Beolach- tungen und Versuchen mit Tradescantia Fluminensis Vell var. albo-striata. Mit 2 Tafeln und 2 Abbildungen im Text SCHÜRHOFF, P. N., Kernverschmelzungen in der Sprofspitze von As- paragus offieinalis. Mit Tafel V.. . . TOEW, OSCAR, Zur Analogie zwischen lebender Materie und 1 Proto- somen Derselbe, Notiz über eine überraschende Kristallbildung ü in toten Zelien HERMANN, WILHELM, Die Blattbewegungen der Marantaceen und ihre Beziehung zur Transpiration. Mit 8 Abbildung. im Text HERZOG, TH., Über mehrzellige Sporen bei Laubmoosen . LINSBAUER, K. (Graz), Beiträge zur Kenntnis der Spaltbewegungen B NEESE, PAUL (Kiel), f, Zur Kenntnis der Struktur der Niederblätter und Hochblätter einiger Laubhölzer. Mit 11 Abbild. im Text MERL, M,, Scheitelzellsegmentierung und Blattstellung der Laubmoose. Mis 13 Abbildungen im Text . . STERN, KURT, Beiträge zur Kenntnis der Nepenthaceen. bildungen im Text. . KRAFT, ERICH, Experimentelle und entwicklungsgeschichtliche. Unter- suchungen an Caryopbyllaceen-Blüten. Mit 155 Abbild. im Text LOEW, O. und BOKORNY, TH., Nochmals: Aktives Eiweiß und Tannin in Pflanzenzellen . on Mit 36 Ah- Heft I/IIE, pag. 1187 erschien am 29. Mai 1916. IV, „189-362 r „ 18. Januar 1917. ” Seite 1— 39 40— 54 55— 60 61— 66 — 68 69— 96 97— 99 100—143 144—187 189-212 213—282 283—356 357-362