ODER ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG NEUE FOLGE. ZEHNTER BAND (DER GANZEN REIHE 110. BAND) HERAUSGEGEBEN VON DR. K. GOEBEL PROFESSOR DER BOTANIK IN MÜNCHEN MIT 11 TAFELN UND 346 ABBILDUNGEN IM TEXT JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1918 Alle Rechte vorbehalten. Die Verteilung des Anthocyans bei Coleusspielarten. Von Ernst Küster. (Mit 27 Abbildungen im Text.) Die Verteilung anthocyanhaltiger Zellen über ein Pflanzenorgan ist entweder eine gleichmäßige, so daß dieses in allen Teilen sich gefärbt zeigt — oder es wechseln anthocyanhaltige Areale mit anthocyanfreien: die Organe erscheinen dann gefleckt oder gesprenkelt oder in irgend- einer anderen Weise „gezeichnet“. In anthocyanhaltigen Pflanzenorganen finden wir — wie bekannt — entweder alle Gewebeschichten mit Pigment versorgt — oder es lassen sich anthocyanhaltige Gewebelagen neben anthocyanfreien unterscheiden. Blätter, die keinerlei „Zeichnung“ auf ihren Spreiten erkennen lassen, zeigen auf dem Querschnitt oft rote Schichten neben farblosen — rote Epidermen über anthocyanfreiem Mesophyll, rotes Mesopliyll zwischen farblosen Epidermen, anthocyanhaltige Grundgewebelagen in regelmäßigem Wechsel mit anthocyanfreien und ähnliches mehr), Bei der kausalen Behandlung der Frage nach der ungleichmäßigen Verteilung anthoeyanhaltiger Zellen im Gewebematerial eines Pflanzen- . organs werden diejenigen Fälle verhältnismäßig leicht verständlich scheinen, in welchen unterschiedliche Gewebeformen eines Organs auch hinsicht- lich der Anthocyanbildung sich ungleich verhalten. Wir wissen ans Beobachtungen und aus Versuchen der verschiedensten Art, daß Epidermis und Grundgewebe des nämlichen Organs auf gleiche Reize mit verschiedenartigen Reaktionen antworten können, so daß auch ihr differentes Entwicklungsschicksal, das sich in der ungleichen Färbung ausspricht, nicht überraschen kann. Analoge Unterschiede in der Veranlagung verschiedener Zellen- oder Gewebesorten werden für Er- klärung der Erscheinung heranzuziehen sein, daß sich hinsichtlich der Anthocyanproduktion auch die Schließzellen von den Nebenzellen, Drüsenköpfe von Drüsenstielen unterscheiden können u. dgl. m. Weiterhin erscheinen uns diejenigen Fälle kausal gut verständlich, in welchen die Lage der gleichen Gewebeformen angehörigen Zellen 1) Vgl. z. B. Hassack, C., Untersuchungen über den anatomischen Bau bunter Laubblätter nebst einigen Bemerkungen betreffend die physiologische Bo- deutung der Buntfärbung derselben (Botan. Zentraibl. 1886, Bd. XXVIIT, pag. 84.) Flora, Rd. 110. 1 2 Ernst Küster, zu Unterschieden in ihrer Ernährung und überhaupt ihrem Chemismus zu führen geeignet scheint. Bekannt sind die an Laub- und Blüten- blättern sehr zahlreicher Pflanzen leicht erkennbaren Beziehungen zwischen dem Verlauf der Leitbündel und der Verteilung des Antho- eyans. Wenn das Grundgewebe eines Blattes in der Nähe der Leit- bündel sich rötet, im übrigen aber farblos bleibt — oder wenn um- gekehrt die den Bündeln folgenden Teile im Gegensatz zu den anderen anthocyanfrei bleiben, so werden wir geneigt sein dürfen, die in den Leitbündeln strömenden Nährmaterialien oder die durch sie bewirkte Versorgung mit Wasser oder vielleicht auch das Wirken irgendwelcher von den lebenden Anteilen der Leitbündel produzierten Stoffe, deren Einfluß auf Gestaltungsvorgänge Haberlandt!) unlängst studiert hat, für die differente Färbung der Gewebe und das Zustandekommen einer den Leitbündeln folgenden, positiven oder negativen Zeichnung ver- antwortlich zu machen. — Ähnlich liegen die Verhältnisse z. B. dann, wenn die Randpartien eines Blattes sich in der Färbung von den Binnenteilen der nämlichen Spreiten unterscheiden, wenn ferner Zellen, die den Atemhöhlen angrenzen, sich hinsichtlich des Anthocyangehaltes anders verhalten als die anderen Teile des Grundgewebes, wenn die Spitzen der Blattzähne und die Einkerbungen zwischen solchen sich abweichend verhalten usw. In allen bisher besprochenen Fällen ist entweder das unter- schiedliche Verhalten der Gewebe eines Organs als einer der vielen physiologischen Unterschiede zu verstehen, die wir bei Zellenlagen ungleichen morphologischen Charakters voraussetzen dürfen — oder wird die Annalıme zulässig sein, daß lokal wirkende Reize ernährungsphysio- logischer Art auch in den aus gleichartigen und gleich veranlagten Zellen sich aufbauenden Gewebeschichten lokalisierend auf die Antho- cyanentwicklung wirken und Unterschiede in der Farbigkeit der Zellen hervorrufen können. Wir werden später noch — allerdings nur beiläufig — auf Beispiele der hier erörterten Art lokaler Anthocyanbildung zurück- kommen. Eingehender wollen wir einige andere, entwieklungsmechanisch von jenen durchaus abweichende Kategorien der „Zeichnung“ be- handeln. Wir werden uns hierbei im wesentlichen auf die Erörterung einer Spezies, Coleus hybridus hort., beschränken. Die aus den Gärten wohlbekannten, in ihrer Farbigkeit außerordentlich sinnfällig I) Haberlandt, Zur Physiologie der Zellteilung (Sitzungsber. Akad. Wiss., Berlin 1913, pag. 318). Die Verteilung des Anthocyans bei Goleusspielarten. 3 sich unterscheidenden Spielarten der genannten Spezies bieten dadurch besonderes Interesse, daß die Verteilung und Gruppierung anthoeyan- haltiger Zellen bei ihnen nach entwicklungsmechanisch verschiedenen Prinzipien erfolgt. — Die Untersuchungen, über die ich im folgenden zu berichten habe, wurden im Jahre 1906 im botanischen Institut zu Halle a. 8. begonnen, später nach längerer Unterbrechung im Bonner botanischen Institut fortgesetzt. Das Manuskript der vorliegenden Arbeit wurde im Herbst 1915 abgeschlossen !), einige Literaturnachweise später zugefügt. I. Sektoriale und marmorierte Buntblättrigkeit. Wir beginnen mit demjenigen Modus der Farbenverteilung, der hinsichtlich der Mannigfaltigkeit der erzielbaren Kombinationen als be- sonders produktiv bezeichnet werden muß. Beschreibung. Die Mannigfaltigkeit des Materials, das von den Samenhandlungen als Coleus hybridus bezeichnet und abgegeben wird, leuchtet schon bei der Durchsicht junger Aussaaten ohne weiteres ein: die Pflänzchen unterscheiden sich bereits durch die Färbung der Kotyledonen, indem bald beide Epidermen, bald nur die untere rot ausfallen oder irgendwie geartete Sprenkelung aufweisen. i Ähnliche Unterschiede weisen die ersten Laubblätter auf: die Spreiten derjenigen Exemplare, die überhaupt zur Bildung von Antho- cyan sich bereits befähigt zeigen, sind gefeldert — derart, daß mehr oder minder breite rote Sektoren oder ähnlich gestaltete Areale auf grünem Grunde sichtbar werden. Welche Formen die soeben als Sektoren bezeichneten roten Spreitenareale haben, lehrt Fig. 1. Aus ihr ist ersichtlich, daß die Sektoren kleiner oder größer als eine Spreitenhälfte sein können; sehr oft fällt die Grenze der verschiedenfarbigen Felder mit der Mittelrippe zusammen. Bei Sektoren, die kleiner sind als eine halbe Spreite, liegt die Spitze der roten Felder entweder an der Spreitenbasis oder an irgendeinem höheren Punkt der Mittelrippe. Fig. 1 gibt durchaus nicht alle beobachteten Sektorformen wieder, sondern nur einen kleinen Teil in schematischer Darstellung; einige Teilfiguren zeigen Blätter mit zwei Sektoren. Über die Einzelheiten 1) Vorläufige Mitteilung in den Ber. d. D. bot. Ges 1915, Bd. XXXII. ı* 4 Ernst Küster, im Verlauf der Sektorgrenzen und namentlich über ihre Beziehungen za den Haupt- und Seitennerven geben einige der folgenden Figuren (z. B. Fig. 3, 4, 7) Aufschluß. Die Färbung der roten Sektoren ist entweder gleichmäßig rot oder wird kompliziert dadurch, daß in die rote Fläche helle Bezirke gleichsam inselartig eingesprengt sind. Weiterhin sehen wir, daß die roten Anteile nicht überall keilförmige Stücke bilden, sondern irgend- welche andere, unregelmäßige Formen annehmen, die oft auffallend gradlinig begrenzt sind und an die von den Breceien her bekannte Felderung erinnern können (vgl.Fig. 7,10, 11,12). Blätter, deren rote Areale in Stücke der erwähnten Art sich gleichsam zertrümmert zeigen, wollen wir im folgenden als marmoriert bezeichnen. Ihre noch ansehnlich voree 19098 Fig. 1. Sektorenteilung bunter Blätter; die roten Spreitenanteile sind schwarz eingetragen. großen roten Felder werden durch Übergangsformen jeder Größenord- nung mit denjenigen Zeichnungsarten verbunden, die wir gesprenkelt oder pulverulent gezeichnet benennen wollen. Diese komplizierten Zeichnungsweisen sind an den ersten beiden Laubblättern jugendlicher Coleus-Pflanzen entweder gar nicht zu finden — oder die farbige Aufteilung der Spreitenflächen bleibt bei ihnen ver- hältnismäßig einfach. Auf den Blättern der später sich entwickelnden Internodien geht in vielen Fällen die Parzellierung der roten oder der anthocyanfreien Anteile immer weiter, so daß schließlich auf Spreiten von etwa 10 bis 12 em Länge mehrere hunderte Parzellen gezählt werden können. Die Verteilung des Anthocyans bei Coleusspielarten. 5 Da wir zunächst uns mit der Zeichnung junger Pflanzen zu be- schäftigen haben werden, bei der die Sektorenteilung eine besondere Rolle spielt, versparen wir uns eine genauere Beschreibung der marmorierten und der gesprenkelten Blätter auf später und kehren zur Schilderung der Anthocyansektoren zurück. Vergleicht man die Blätter benachbarter Internodien des nämlichen Sprosses oder der durch Verzweigung entstandenen Sproßsysteme mit- einander, so stellt sich heraus, daß nicht selten benachbarte Blätter Übereinstimmungen hinsichtlich der Form und der Verteilung der roten Spreitenareale erkennen lassen. Bei der Durchsicht einiger hundert junger Pflanzen findet man wohl immer einige, welche diese gesetzmäßigen Beziehungen aufweisen und gleichzeitig über die verschiedene Art dieser Beziehungen Auf- schluß geben. ZN ZEN Fa Be N——I, NT N , Fig. 2. Gesetzmäßige, in der Färbung sich bekundende Beziehungen der Blätter zueinander; bei c sind die Blätter eines Achselsprosses und das Deckblatt zur Anschauung gebracht; nähere Erklärung im Text. Die roten Spreiten- anteile sind schwarz eingetragen. a) Blätter, die benachbarten Knoten angehören, zeigen insofern Beziehungen zueinander, als die im Diagramm benachbarten Abschnitte der Spreiten übereinstimmende Färbung aufweisen (Fig. 2a). b) Blätter, die in den Orthostichen einander benachbart sind, d. h. übereinander stehen, stimmen zuweilen in der Verteilung ver- schieden gefärbter Areale auffällig miteinander überein (Fig. 25). c) Die Farbfelderung einer Spreite wiederholt sich orthostichen- weise bei den Blättern des zugehörigen Achselsprosses (Fig. 2c). Daß man bei der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Coleus- Pflanzen keine der drei Beziehungen nachweisen kann, geht aus dem Gesagten bereits hervor. Das Fehlen der Beziehungen wird uns aber nicht dazu verführen dürfen, ihr Vorhandensein an der uns interessierenden Minorität für „Zufall“ zu halten. = Ernst Küster, Ich lasse zunächst die Beschreibung und die photographischen Porträts einiger Coleus-Pflanzen folgen. Nr.\lL.: Exemplar mit panaschierten Blättern‘), die oberseits — auf den peripheren grünen und den inneren blassen Anteilen — im allgemeinen mit gleichmäßiger Verteilung der Flecke rot gesprenkelt sind; unterseits sind die Blätter gleichmäßig rot gefärbt oder mit spärlicher grüner Sprenkelung gezeichnet. Ein Blatt des I. Laubblattpaares fällt auf durch die Entwicklung eines gleichmäßig rot gefärbten Sektors seiner rechten Spreitenhälfte. Der Sektor wird links durch die Mittelrippe begrenzt; rechts folgen seine Grenzen in dem äußeren Teil einem Seitennerven, den sie aber im inneren Teil überschneiden (Fig. 3). — Die Unterseite des- selben Blattes zeigt keine Sektorenzeichnung. Die Blätter des II. Paares zeigen nichts Auf- fälliges. Im III. Paar ist die über dem sektorenweise geteilten Blatte des I. Paares stehende Spreite mit einem zentralen Sektor (rot auf gesprenkeltem Grund) ausgestattet: diesmal geht der Sektor beiderseits über üie Mittelrippe hinaus. Er ist vor allem auf der Blattoberseite erkennbar (Fig. 4), kommt aber auch Fig. 3. Sektorteilung unterseits zur Entwicklung, indem hier ein entspre- eines Primärblattes (Exem- chendes keilfürmiges Feld nahezu gleichmäßig rot plas Nr. 1; das rote Veld scheint, während der übrige Teil der Spreite roten ist durch Punktierung ’ j kenntlich gemacht. Auf die Grund mit grüner Sprenkelung aufweist. Panaschierung ist bei dieser Über dem II. Blattpaar wurde die Pflanze ge- und der nachfolgenden apft, die Achselknospen des III. Paares wurden zur Kisur keine Rücksicht FR Produktion von Achseltrieben angeregt. Diese beiden sind hinsichtlich der Zeichnung der Spreiten grund- verschieden: der aus der Achsel des Sektorblattes hervorgegangene Sproß trägt (zu der dieser Beschreibung zugrunde liegenden Entwicklungsphase) zwei Paar oberseits und unterseits gleichmäßig roter Blätter (auf einem von ihnen sind zwei ganz kleine grüne Einsprengsel sichtbar); — der andere Sproß trägt Blätter, deren Pigment- 1) Als panaschiert bezeichne ich diejenigen Blätter der Coleus-Pflanzen, an deren Basis oder längs deren Mittelrippe sich ein blasses Spreitenfeld ent- wickelt (vgl. Pathol. Pflanzenanatomie, 2. Aufl, 1916, pag. 28), das bis zur Spitze des Blattes sich vorwärtsschieben kann oder schon vorher endet, und das die Breite des Blattes bis auf einen schmalen grünbleibenden Rand in Anspruch nimmt oder sich dauernd auf ein schmales, die Mittelrippe begleitendes Areal beschränkt. Die ein- fachste Form der blassen Felder ist die eines gleichschenkeligen Dreiecks; Varianten kommen dadurch zustande, daß die Verfärbung den sekundären und tertiären Blatt- nerven weithin folgt und schließlich den grünen Randteil der Spreite mit einem weißen Netzwerk fächert. Auf Einzelheiten einzugehen, erübrigt sich in diesem Zusammenhang. Selbst Blätter eines Sprosses zeigen allerhand Unterschiede. Be- sonderes Interesse verdienen diejenigen Exemplare, auf deren Spreiten in unmittel- barer Nachbarschaft der Mittelrippen eine ansehnlich breite grüne Zone erhalten bleibt, so daß ein pfeilspitzenförmiges blasses Areal zwischen grünen Flächen ein- Die Verteilung des Anthocyans bei Coleusspielarten. 7 verteilung der oben gegebenen Beschreibung entspricht, und deren Oberseite vor- wiegend grün erscheint (Fig. 5). — PN \ Fig. 4. Sektortei- lung eines Blaites vom IH. Laubbiatt- knoten derselben Pflanze (Exemplar Nr. 1). Die roten Areale sind punk- tiert. a Ober-, 5 Unterseite desselben Blattes. Die roten Sektoren der beiden Seiten sind einander ähnlich, nicht gleich. Auf den roten Area- len farblose Ein- sprengsel, auf den anthocyanfreien Flächen rote Ein- sprengsel, deren Lage und Form auf Ober- und Unterseite des Blattes verschieden &\ sind. Nat. Gr. 84, em. a & Fig. 5. Aufnahme vom Exemplar Nr. I. Erklärung im Text. geschlossen erscheint. Weiterhin können gleichsam isolierte Herde der Verfärbung an den Einkerbungen der Blattserratur entstehen, so daß zwischen je zwei Blatt- zähnen ein vom Kreisbogen unscharf umgrenztes Feld inmitten der grünen Rand- zone des Blattes sichtbar wird (Fig. 6). 8 Ernst Küster, Das geschilderte Exemplar blieb nach der photographischen Aufnahme noch 5 Monate lang in Beobachtung; das gabelfürnig verzweigte Gewächs behielt an beiden Hälften seinen Charakter bei: die eine Hälfte entwickelte lauter gesprenkelte Blätter, zwischen deren „Spritzern‘ gelegentlich auch größere rote Areale (Typus der marmorierten Blätter) erschienen; ihre Unterseiten waren erheblich reicher an Anthocyan als die Oberseiten: — die andere Gabelhälfte produzierte lauter gleich- mäßig rot gefärbte Spreiten, von welchen nur einige hier und da kleine anthocyan- freie Spritzer aufzuweisen hatten. Nr. 2. Panaschiertes Exemplar mit roter Fleckung der Spreiten. Im I. Laubblattpaar fällteines der beiden Blätter dadurch auf, daß es auf seiner rechten Hälfte einen breiten roten Sektor ent- wickelt hat, der fast die halbe Spreite in Anspruch nimmt. Die Pflanze wird über dem I. Laulblattpaar enthauptet. Aus der Achsel des mit rotem Sektor gezeichneten Blattes ent- wickelt sich ein Sproß, dessen erster Knoten ein beiderseits lückenlos rot gefärbtes und ein grünes, beiderseits spärlich rot gesprenkeltes Blatt trägt. Der Seitensproß wird über seinem ersten Krioten geköpft: aus der Achsel Jes roten Blattes ent- wickelt sich ein Trieb mit durch- weg roten Blättern, aus der Achsel des anderen ein Trieb mit ge- fleckten Blättern (Fig. 7). Fig. 6. Panaschierung: die blassen Zonen folgen dem stärkeren Blattnerven; außerdem Nr. 3. erscheint zwischen zwei Blattzähnen je ein E } ji . rundes blasses Feld. Die grünen Spreitenteile xemplar mit panaschierten sind dunkel eingetragen. Nat. Gr. 111, cm. Blättern, die oberseits auf den grünen und blassen Anteilen große scharf umrissene rote Bezirke, daneben auch feine Sprenkelung, unterseits vor- wiegend die letztere aufweisen. Das I. Laubblattpaar war bei Beginn der Beobachtung bereits verloren. Das IT. Laubblattpaar war grob rot-marmoriert; eine Hälfte eines der beiden Blätter zeigt sich oberseits arm an Anthocyanflecken, unterseits rein grün. III. Blattpaar: marmoriert und gesprenkelt; eine Spreitenhälfte — und zwar die der anthocyanarmen des II. Paares zugewandte — ist ebenso wie diese oberseits ganz spärlich marmoriert, unterseits rein grün. N Die Verteilung des Anthoeyans bei Coleusspielarten. g IV. Blattpaar: die über der anthocyanarmen Spreitenhälfte des II. Paares stehende Hälfte ist rein grün, die anderen Teile des Blattpaares rot gezeichnet. Fig. 7. Aufnahme von Exemplar Nr. 2; Erklärung im Text. Fig. 8, Aufnahme von Exemplar Nr. 3; Erklärung im Text. Die Pflanze wird über dem HI. Paar geköpft und nach 17 Tagen photo- graphiert (Fig. 8). 10 Ernst Küster, Die Sprusse, die aus den Achseln rot marmorierter Blätter sprießen. wleichen diesen hinsichtlich der Anthoeyanverteilungs au» den Achseln der hallıreteilten Blätter entwickeln sieh Sprosse mit grünen (rein grünen oder mit ein oder zwei kleinen Rotspritzern gezeichneten: und bunten Blättern. Die Verteilung der grünen und unten Blätter am Achselsproß entspricht der Farhenverteilung auf den Spreiten der Tragblätter. Das Diagramm Fig. U gibt hierüber Aufschluß und zeigt gleich- zeitig, daft sich die heilen Achselsprosse der halbgeteilten Blätter dadurch unter- scheiden. daß das 11. Blattpaar der einen rein grün, das der anderen durchaus hunt ist. Zwischen sektorial geteilten, marmorierten und yulverulent ge- zeichneten oıler gesprenkelten Colens-Blättern bestehen — was Form und (möße der einzelnen Parzellen be- trifft — alle nur erdenklichen Uber- gänge. Fig. 10 zeigt ein marmoriertes Blatt, bei welchem einige der roten Areale noch ähnliche Keilform haben wie bei sektorial geteilten Spreiten. Fig. 9. Dingrammatische Darstellung von Exemplar Ne. 3: das IT und III. Biatt- paar sind nebst den vier zugebörigen Achselsprossen zur Darstellung vebracht. Fig. 10, Marmorierung. Die voten Von diesen sind je vier Blätter in der Areale sind schwarz, die zu ihnen ge- Zeichnung berücksichtigt. Die antlo- hörenden stärkeren Nerven als ausge- eyanarmen Spreitenteile sind heil, die sparte weiße Säume in der Figur kennt- anthoeyanreichen dunkel eingetragen, lich gemacht. Nat. Gr. 151% em. Fig. 11 zeigt eine Spreite, bei der sich Marmorierung mit pulveru- lenter Zeielinung kombiniert. Yon den Beziehungen der Marmorierungsareale zu (len Interkostal- feklern der Spreiten gilt dasselbe wie für (die Sektorzonen und den Verlauf ihrer Grenzen: die roten Felder folgen mit ihren Grenzen oft den stärkeren Bündeln: ebenso oft zeigen sie sich aber von diesen völlig unabhängig und überschneiden sie mit spitzem Winkel, Bei den ge- Die Verteilung des Anthocyans bei Coleusspielarten. 11 sprenkelten Blättern sind die einzelnen Parzellen oft gradlinig oder nahezu gradlinig begrenzte polygonale Felder; ihre Grenzen folgen zum Teil den feinsten Verzweigungen der Netznervatur, so daß jedes Farbareal einem Interkostalfeld entspricht — zum Teil sind sie von dem Verlauf der Leitbündel unabhängig, so daß wir sehr oft mitten durch ein Inter- . un nn kostalfeld die == i wu Grenzlinie rot- anthocyanfrei ihren Verlauf nehmen sehen. Die Vertei- lung der roten Areale über die rechte und linke Spreitenhälfte zeigt keinerlei Andeutung von Symmetrie. Die Zeichnung der Ober- u. Unter- seite entspricht sich hinsichtlich der sektorialen Teilung oft in sehr sinnfälliger Weise; hinsicht- lich der Marmo- rierung und Sprenkelung Fig. 1). Kombination der marmorierten und pulve- habe ich nur aus- rulenten Zeichnung. nahmsweise — . und vielleicht nur eine zufällige? — Übereinstimmung wahrgenommen. Die Verteilung der roten Anteile über die Spreitenflächen läßt im allgemeinen keine Gesetzmäßigkeiten erkennen. Eine Ausnahme macht die Spielart, von welcher in Fig. 12 ein Blatt dargestellt ist: an seiner Spitze finden sich viele kleine Anthocyanareale gleichsam zu- sammengedrängt, während an den unteren Teilen er Spreite nur ver- einzelte größere Anthocyanfelder eine bescheidene Marmorierung be- wirken. Nicht alle Blätter der in Rede stehenden Exemplare zeigen 12 Ernst Küster, übrigens diesen Unterschied zwischen apikalen und basalen Spreiten- teilen, aber doch hinreichend zahlreiche, so daß die erwähnten Besonder- heiten der Zeichnung nicht für Zufall gehalten werden dürfen, sondern zu den in der Organisation der Spielart begründeten Eigentümlichkeiten gerechnet werden müssen, — * * * Bei Behandlung der sektorial geteilten Blätter haben wir von einer Untersuchung der Blattquerschnitte Abstand nehmen dürfen. Die marmorierten Blätter vieler Spielarten lassen bereits bei makroskopischer Untersuchung erkennen, daß neben der Mar- morierung der beiden Epider- men und unab- hängig von ihr noch eine Grund- gewebemarmo- rierung sich ent- wickeln und auf die Farbentöne des Blattes Ein- fluß gewinnen kann. Die ober- Fig. 12. Unterschied der Zeichnung an apikalen und PR basalen Spreitenteilen. In der Figur, welche nur den und unterseitige Spitzenteil der Spreite darstellt (der basale entbehrt fast ganz Epidermis, die der Zeichnung), sind nur einige der zahlreichen Nuancen, oberste Schicht welche die Zeichung der Blätter hier besonders reichhaltig rste ehic! machen, angedeutet. des Mesophylis und seine schwammparenchymatischen Anteile können unabhängig voneinander ihre roten bzw. anthoeyanfreien Areale entwickeln, so daß je nach der Über- lagerung farbiger Zellenlagen durch farblose oder gefärbte bei manchen Varietäten eine große Fülle von Nuancen sichtbar werden kann, die freilich das Auge bei Untersuchung des intakten Blattes nicht in so großer Zahl zu unterscheiden vermag, wie man sie nach den Ergeb- nissen der Kombinationsrechnung erwarten muß. -- Nach einem sehr nuancenreichen Blatt ist Fig. 12 gezeichnet worden. Im allgemeinen unterscheiden sich anthocyanhaltige Anteile von benachbarten anthocyanfreien der nämlichen Gewebe nur durch die Farbe Die Verteilung des Anthocyans bei Coleusspielarten. 13 ihres Zellsaftes. Ob die Größenunterschiede, die ich zuweilen zwischen roten und anthocyanfreien Zellen des Palisadengewebes wahrgenommen habe, ursächlich auf dieselben Unterschiede im Chemismus der Zellen wie ihre differente Färbung zurückzuführen sind, mag da- hingestellt bleiben. Bei manchen Unterschieden macht sich ein formaler Unterschied zwischen anthocyanfreien und roten Zellen der oberseitigen Epidermis schon makroskopisch geltend: die roten Zellen sind papillös, die anderen haben eine flache oder leicht gewölbte Außen- wand; die mit roter Epidermis ausgestatteten Spreitenteile erscheinen daher matt, die von farbloser Haut überspannten glänzend. — Einige Worte sind noch über die Verteilung des roten Farb- stoffes im Gewebe der Achsen hinzuzufügen. Alle Gewebe der Achse — die Epidermis, das Kollenchym, die dünnwandige Grundgewebsrinde, das primäre und sekundäre Phlo&m, das Xylem und das Mark — können Anthocyan enthalten. Die antho- cyanhaltigen Zellen zeigen sich im allgemeinen zu charakteristisch ge- formten Gruppen vereinigt. Rote Sektoren, welche durch alle Gewebeschichten bis ins Innere des Markes vorschreiten, sind verhältnismäßig selten. Viel häufiger ist der Fall, daß bald in diesem, bald in jenem Gewebeanteil der Achse sich rote Zellengruppen finden. Der Sektorencharakter der Anthocyanzellgruppen bleibt auch dann, wenn z. B. das Mark allein rote Zellen enthält, deutlich erkennbar. Die Spitze des Sektors reicht in diesem oft bis zum Zentrum, in anderen Fällen liegt sie bereits in der Mitte des Markradius. Die Breite der Sektoren ist verschieden, ihre Gestalt weicht von der gleichschenkliger Dreiecke meist stark ab. Der innere Teil der Sektoren erscheint auf dem Achsenquerschnitt oft als schmales rotes Band, das nur eine Zelle breit und 2--15 Zellen lang ist, Die radialen Grenzen der Marksektoren fallen nicht selten mit den radialen Grenzen der primären Xylemanteile zusammen; in anderen Fällen besitzen diese eine rote und eine antlıocyanfreie Hälfte. Alle diese Verhältnisse sind aus den Abbildungen ohne weiteres ersichtlich. Diese zeigen weiterhin, daß die Zahl der auf einem Achsen- querschnitt sichtbaren Anthocyansektoren verschieden sein kann, und daß die longitudinale Ausdehnung der roten Gewebsanteile an dem nämlichen Internodium innerhalb weiter Grenzen schwankt. Fig. 185 und c zeigt ferner, daß benachbarte Sektoren zu unregelmäßigen Zellengruppen sich miteinander vereinigen, und daß Sektoren. die weit genug ins Mark reichen, mit ihren Spitzen gleichsam verschmelzen können. Schließlich 14 Ernst Küster, können durch Entwicklung zahlreicher Sektoren und durch ihre Ver- einigung allerhand unregelmäßige „Zeichnungen“ des Achsengewebes zustande kommen. Fig. 13. Sektorenteilung des Markes. a Vier Anthoeyansektoren ungleicher Größe und Form. — 5 Sektorenähnliche rote Gewebegruppen, die zum Teil seitlich miteinander vereinigt sind. — c Zwei rote Sektoren fusionieren in der Mitte der Achse; neben ihnen sind eingesprengte rote Zellgruppen inmitten des farblosen Markgewebes erkennbar. — d Uuregeimäßige strahlige Verteilung der roten Ge- webeanteile. — Die anthocyanführenden Gewebemassen sind durch Punktierung kenntlich gemacht; die gestrichelte Umfassungslinie deutet das Cambium an. Die Verteilung des Anthocyans bei Coleusspielarten. 15 Ebenso wie an den Spreiten der bunten Pflanzen sehen wir auch bei Untersuchung des Markes zwischen ansehnlich großen Anthocyan- sektoren und kleinen roten Zellengruppen alle möglichen Über- gänge vermitteln. Die roten Gewebsinseln, die z. B. in Fig. 16 er- kennbar sind, stellen „Sprenkelungen“ des Markes dar, die den analogen Fig. 14. Unregelmäßige, d. h. nicht mehr strablige Verteilung der Antho- cyanzellen im Mark; die Photographie läßt erkennen, daß die Nuancen der farbigen Zellen verschieden sind; ein besonders dunkel gefärbter Sektor links bei s. feinparzellierten Zeichnungen der Spreite entsprechen. Sprenkelungen beobachten wir im Mark ebenso wie in der Rinde (Fig. 16). Die Färbung der anthocyanhaltigen Markzellen, welche auf einer Querschnittsebene gefunden werden, ist nicht immer die gleiche: dunkle Sektoren liegen oft neben hellroten, und in noch anderen Fällen sehen wir sogar die einzelnen Sektoren oder anders gestaltete zusammen- hängende Gruppen anthocyanhaltiger Zellen sich aus verschieden kräftig 16 Ernst Küster, gefärbten Anteilen aufbauen. In manchen Fällen sah ich die Lagerung heller und dunkler Anthocyanzellen insofern sich gesetzmäßig gestalten, als bei ihnen die aus dunklen Zellen sich zusammensetzenden Sektoren allseits von helleren Zellen gleichsam umscheidet und gegen die farb- losen Markanteile abgegrenzt werden; in anderen Fällen vermochte ich in der Mischung hell- und dunkelroter Markzellen keinerlei Regel zu erkennen (vgl. Fig. 14). Fig. 15. Anthocyan- verteilung in der Achse (3x nat. Gr.). Die längsverlaufenden Streifen stellen antho- eyanbaltige Anteileder Epidermis dar; die rechts sichtbaren rund- lichen Flecke sind die von farblosen Zellen- Fig. 16. Verteilung der Anthoeyanzellen in der lagen überdeckten an- Grundgewebsrinde. a größere unregelmäßig gestaltete thocyanhaltigen Grup- Zeilgruppen; die punktierte Linie deutet das Cambium pen der Grundgewebs- an. — 5 Einzelne Anthocyanzellen oder kleinste Gruppen rinde ivgl. Fig. 16). von solchen. Wir kehren hiernach zur Behandlung der Blattspreiten zurück Die bisher geschilderten Differenzierungen bestanden in der Ausbildung verschiedener Gewebeformen in zwei Modifikationen — einer farblosen und einer gefärbten. Die genauere Betrachtung ver- schiedener Coleus- Varietäten wird zeigen, daß bei vielen von ihnen die Mannigfaltigkeit erheblich weiter geht. — Die Verteilung des Anthocyans bei Coleusspielarten. 17 Die Epidermis, die ein marmoriert buntes Blatt von Coleus hybridus überzieht, besteht im einfachsten Fall aus Zellen zweierlei Art: gleichartig gefärbten anthocyanhaltigen und anthocyanfreien. Abweichungen ‘hiervon sind auf der Blattunterseite vieler Coleus- Pflanzen zu finden. Diese erscheint bei manchen Spielarten durchweg rot — alle Epidermiszellen enthalten also Anthocyan, mit Ausnahme der Schließzellen, von welchen schon oben die Rede war. Die Tiefe des Farbentons ist aber ver- schieden: wir finden dunkel- rote Areale auf heller ge- färbtem Grunde. Sie sind scharf umgrenzt und zeigen dieselben Form- und Größen- verhältnisse (Fig. 17) wie die bisher neben anthocyanfreiem Epidermisgewebe gefundenen roten Anteile. Auf der Blattoberseite habe ich bisher niemals ent- sprechende Färbungsmodifi- kationen der Epidermis ge- funden; ebensowenig treten sie nach meinen bisherigen Erfahrungen im Mesophyll auf, die mattroten auf der Blattoberseite sichtbaren Fel- Fig. 17. Felderung der unterseitigen Blattepidermis mit anthocyanfreien, der; die z. B. Fig. 18 zur hell- und dunkelrot gefärbten Feldern. Darstellung bringt, kommen Die dtkien Ani Sind schwarz gilt durch tiefrote Färbung be- anthocyanfreien Felder sind matt eingetragen i n f (1). Alle übrigen Teile der Blattfläche (3) Be Grundgewebeanteile weisen hellrote Epidermis auf. Nat. Gr. li cm. zustande. — Dieselbe Form und dieselbe Verteilung über die Spreitenfläche wie die von bisher behandelten gleichmäßig rot gefärbten oder gleich- mäßig anthocyanfreien Felder haben bei weiteren Varietäten gewisse bunte Felder. Als solche dürfen wir diejenigen auffassen, die ge- sprenkelt erscheinen, und diejenigen, welche nicht gleichmäßig rot gefärbt erscheinen, sondern nur an den Leitbündeln Anthocyan aufweisen. Flora, Bd. 110. 2 18 Ernst Küster, Von der Rotsprenkelung, bei welcher eine sehr große Anzahl kleiner und kleinster anthocyanführender Parzellen über die Spreite verteilt erscheinen, war schon oben die Rede. Hier wäre nachzutragen, daß bei manchen Varietäten die Sprenkelung nicht gleichmäßig die ganze Spreite oder wenigstens diejenigen Teile überzieht, die nicht von größeren, gleichmäßig rot gefärbten Arealen in Anspruch genommen werden, sondern nur Felder von beschränkter Ausdehnung Spren- kelung aufweisen. Diese Spren- Die) 7 2 I N Fig. 18. Sprenkelungsfelder auf der Oberseite eines Coleus-Blattes. Die dunkel- roten Teile der Spreitenfläche sind in der Zeichnung schwarz gefüllt, die gesprenkelten Fig. 19. Rotaderungsfelder auf punktiert; die schattierten Teile deuten die der Oberseite eines Coleus - Blattes. durchleuchtenden dunkelroten Areale des Oben rechts ein gleichmäßig rot ge- Grundgewebes an. Nat. Gr. 15% em. färbtes Areal. Nat. Gr. 14 cm. kelungsfelder haben dieselben formalen Eigenschaften wie die bisher besprochenen gleichmäßig gefärbten und gleichen diesen auch in der Art ihrer Umgrenzung, so daß eine eingehende Beschreibung dieser Verhältnisse sich hier erübrigt; ınan vergleiche hierzu Fig. 18. Der Sprenkeleffekt kommt dadurch zustande, daß kleine Gruppen von Epi- dermiszellen Anthocyan enthalten. Sprenkelungsfelder treten sowohl auf der Blattober- wie der Unter- seite auf; sie unterscheiden sich bei verschiedenen Varietäten, ja sogar Die Verteilung des Anthocyans bei Coleusspielarten. 19 bei Blättern des nämlichen Individuums durch die durchschnittliche Größe der einzelnen Parzellen. Im Grundgewebe der Coleus-Blätter habe ich bisher entsprechende Sprenkelungsfelder nicht mit Sicherheit nachweisen können. Ferner: die Rotfärbung, die manche Areale auszeichnet, kann sich auf die Nachbarschaft der Leitbündel beschränken. Fig. 19 erläutert das Gesagte: die Rotaderung beschränkt sich in dem dargestellten und in ähnlichen Fällen auf scharf abgegrenzte Areale, deren Form und deren Verteilung wiederum den der früher besprochenen gleichmäßig rot gefärbten Areale entsprechen. Auf dem in Fig. 19 gezeigten Blatt findet sich neben mehreren rotgeaderten Feldern ein gleichmäßig rot gefärbtes; auf anderen Blättern ist der Wechsel zwischen geaderten und gleichmäßig gefärbten Anteilen noch sehr viel reichhaltiger. Geaderte Felder der beschriebenen Art habe ich bisher nur blatt- oberseits gefunden. Der Querschnitt lehrt, daß an den rot. geaderten Stellen das die Leitbündel umgebende Grundgewebe Anthocyan enthält. Fig. 20 stellt einen Teil des in Fig. 19 abgebildeten Blattes bei stärkerer Ver- größerung dar, namentlich um die Beziehungen zwischen dem Verlauf der stärkeren Leitungsbahnen und den Grenzen der Rotaderungs- felder deutlich zu machen: das geaderte Feld der linken Spreitenhälfte wird in seinem unteren Teil von einem Seiten- nerven I. Ordnung begrenzt, den es in seinem oberen Ab- schnitt deutlich überschneidet; das andere geaderte Feld 7, 20. Rotaderung, Detail aus Fig. 19 bei (rechte Spreitenhälfte) hat stärkerer Vergrößerung; vgl. den Text. dieselbe Keilform, die wir bei gleichmäßig rot gefärbten Arealen marmorierter Blätter oft finden, und folgt in seinem unteren Teile einem Blattnerven. Theoretisches. Form und Verteilung der an den Blattspreiten der Coleus-Pflanzen wahrgenommenen, durch Farbe und Zeichnung gekennzeichneten Felder 9» 20 Ernst Küster, gleichen durchaus den formalen Charakteren der an vielen panaschierten Pflanzen auftretenden Felderung, d. h. der Felderung derjenigen „weiß- bunten" oder „geibbunten“ Gewächse, bei welchen die normalgrünen und die blassen Felder mit scharfen Grenzlinien sich voneinander ab- setzen‘). In beiden Fällen begegnet uns sektoriale Teilung der Sprosse und Laubblätter und finden wir marmorierte Zeichnung vor, bei welcher meist scharfkantig umrissene Areale mosaiksteinartig die Spreitenfläche parzellieren; den pulverulenten Panaschierungen schließlich entsprechen die Rotsprenkelungen unserer Coleus-Spielarten. Die Übereinstimmung zwischen der Felderung panaschierter Pflanzen und der an bunten Coleus-Blättern wahrgenommenen geht noch weiter. Die Beziehungen zwischen dem Verlauf der Grenzen, die farbig ver- schiedene Areale trennen, und dem der Leitbündel sind in beiden Fällen dieselben. In beiden Erscheinungsgruppen sehen wir gesetz- mäßige Beziehungen zwischen dem Alter einer Pflanze bzw. der Stellung der Blätter am Jahrestrieb und der Art ihrer Zeichnung, d. h. der Größe der einzelnen Areale sich geltend machen). Die in Fig. 2 dargestellten Beziehungen, die in der Zeichnung benachbarter Blätter sich ausdrücken, sind auch von panaschierten Pflanzen her bekannt. Andererseits liefern diese letzteren auch Beispiele dafür, daß benach- barte Blätter eines Sprosses so sinnfällig sich hinsichtlich der Ver- teilung und Größe ihrer Spreitenareale unterscheiden, wie die Spreiten marmorierter und gesprenkelter älterer Coleus-Pflanzen (z. B. die variegierte Form von Ficus australis u.a. Die morphologischen Übereinstimmungen zwischen der Zeichnung unserer bunten Coleus-Planzen und vieler panaschierter Gewächse lassen auf Analogien in der Entwicklungsgeschichte schließen. — Die Tatsache, daß bei panaschierten Pflanzen in den nämlichen Grundgewebsschichten normalgrüne Zellen neben blassen sich finden, hat Baur®) zu der Annahme geführt, daß zu verschiedenen Zeiten während des Entwicklungsganges der Pflanzen Zellenteilungen erfolgen können, durch welche verschieden veranlagte Tochterzellen geliefert werden. Jede der ungleichartigen Tochterzellen erzeugt im weiteren Verlauf der Ontogenese eine mehr oder minder zahlreiche Deszendenz — eine kohärente Gruppe von Zellen, die übereinstimmend die Quali- 1) Vgl. Küster, Pathol. Pflanzenanat., 2. Aufi., 1916, pag. 10. 2) Vgl. Küster, 1916, a. a. O. pag. 17. 3) Baur, E, Das Wesen und die Erblichkeitsverhältnisse der „varietates albomarginatae hort.“ von Pelargonium zonale (Zeitschr. f. indukt. Abstammungs- und Vererbungslehre 1909, Bd. I, pag. 330). Die Verteilung des Anthocyans bei Coleusspielarten. 21 täten ihrer Mutterzeile, d. h. einer der beiden ungleichartigen Ge- schwisterzellen aufweisen, die bei jener kritischen „inäqualen“ Teilung entstanden sind. Zu derselben Annahme führt die Betrachtung unserer Coleus- Pflanzen: auch bei diesen entstehen durch inäquale Zellenteilungen verschiedenartig veranlagte Mutterzellen, von welchen sich verschieden gefärbte oder verschieden gezeichnete Gewebe- areale herleiten. Sind benachbarte Organe — vgl. die Schemata von Fig 2 — eines bunten Individuums durch gleichartige Eigenschaften ausgezeichnet, so läßt sich annehmen, daß sie sich aus den Abkömmlingen eines der beiden ungleichartigen Produkte einer inäqualen Zellenteilung aufbauen. Tritt diese schon am Vegetationspunkt auf, so kann die Deszendenz, deren Bildung der kritischen Teilung folgt, sehr umfang- reiche Anteile des Sprosses ausmachen und zu einer sektoren- artigen Gliederung ansehnlich großer Sproßstücke führen. Rückt der Zeitpunkt der inäqualen Teilung näher an den Augenblick heran, an welchem die durch Zellenteilungen gekennzeichnete Phase der Entwicklung des betreffenden Organes ihr Ende findet, so können nur kleinere aus übereinstimmend veranlagten Zellen aufgebaute Komplexe entstehen. Diejenigen Fälle also, in welchen sehr kleine Gruppen gleich- artiger Zellen oder sogar nur isolierte rote oder farblose Zellen inmitten einer abweichend sich entwickelnden Nachbarschaft gefunden werden, unterscheiden sich nach dieser Annahme keineswegs prinzipiell von denjenigen, in welchen sich bunte Sektoren durch eine oder durch mehrere Internodien verfolgen lassen. Baur nimmt an, daß bei der für die panaschierten Pflanzen von ihm geforderten inäqualen Zellenteilung es sich um eine Aufspaltung des Chromatophorengehaltes der Zellen handele: aus Mutterzellen, welche zweierlei Arten Chromatophoren — normal grüne bzw. ergrünungs- fähige und blasse, dauernd blaß bleibende — enthalten, gehen nach seiner Annahme Tochterzellen hervor, welche nur je eine Sorte von Chromatophoren in sich bergen. Baur’s Mitteilungen lassen aber er- kennen, daß sich der Autor die Schwierigkeiten, welche diese Annahme mit sich bringt, keineswegs verhehlt‘). Zur Erklärung der für die Coleus-Pflanzen angenommenen in- äqualen Teilungen vermag die Theorie der Chromatophorensonderung 1) Vgl. Küster, 1916, aa. 0., pag. 18. 22 Ernst Küster, unmittelbar nichts beizutragen. Offenbar liegen die Verhältnisse bei den Coleus-Pflanzen erheblich komplizierter als es Baur — gleichviel ob zutreffend oder unzutreffend — für die panaschierten Pflanzen zu erklären versucht hat. Folgende Punkte werden bei der Bewertung der für die bunten Coleus-Spielarten von uns angenommenen inäqualen Teilungen und Qualitätentrennung von größter Bedeutung sein. Erstens, die Deszendenz inäqualer Teilungsprodukte unterscheidet sich bei Coleus — soweit bisher bekannt — in manchen Fällen da- durch, daß lediglich quantitative Differenzen benachbarte Zellenkomplexe unterscheidbar machen. Das trifft vermutlich für diejenigen Fälle zu, in welchen dunkelrotgefärbte Areale scharf umgrenzt neben hellrot- gefärbten liegen. Zweitens: die Blätter der Coleus-Pflanzen, in deren Ontogenese »inäquale Zellenteilungen sich abgespielt haben, setzen sich nicht, wie die der panaschierten Pflanzen, aus Arealen zweierlei Art zusammen, vielmehr begegnen uns bei vielen Varietäten mehr als zweierlei An- teile — farblose, hellrote, dunkelrote, ferner solche, welche ansehnlich große, einheitlich gefärbte Areale darstellen, und andere, deren Zellen bis in die letzten Phasen ihrer Entwicklung noch inäquale Teilungen erfahren und daher gesprenkeltes Aussehen haben, — schließlich solche, bei welchen nur die an den Leitbündeln liegenden Gewebeanteile — vielleicht unter dem Einfluß spezifischer, von den lebenden Anteilen der Gefäßbündel gelieferten Stoffe — Anthoeyan entwickeln. Bei Entstehung scharf umrissener Sprenkelfelder (vgl. Fig. 18) sind, wie ich annehme, inäquale Teilungen im Spiele, von welchen einerseits sich Zellkomplexe mit großer Neigung zu weiteren inäqualen Teilungen sich ableiten, anderer- seits solche, welchen diese Neigung abgeht: jene stellen fein gesprenkelte Areale dar, letztere gleichmäßig rot gefärbte oder gleichmäßig antho- eyanfreie Felder Drittens: auf roten Sektoren können anthoeyanfreie Areale er- scheinen, auf den im allgemeinen anthocyanfreien Pflanzen scharf um- rissene dunkelrote Felder sich zeigen — mit anderen Worten: rote Zellen (bzw. solche, die zu späterer Anthocyanbildung befähigt sind) — können nach inäqualer Teilung farblose Deszendenten, farblose Zellen nach ebensolcher Anthoeyan führende Nachkommenschaft entstehen lassen. Zu diesem Versuch, das Auftreten roter Sprenkel auf weißem Grunde, sowie das Auftreten anthocyanfreier „Spritzer“ auf rotem Grunde entwicklungsmechanisch verständlich zu machen, entschließe ich mich auf Grund sehr zahlreicher Beobachtungen an bunten Coleus- Die Verteilung des Anthoeyans bei Coleusspielarten. 23 pflanzen und entsprechend gezeichneten panaschierten Pflanzen. Ich verhehle mir keineswegs, daß noch andere — ebenfalls mit der An- nahme inäqualer Zellteilungen rechnende — Erklärungsmöglichkeiten in Betracht kommen, bin aber der Meinung, daß jene anderen erst durch weitere Hilfshypothesen gestützt werden müßten. Auf ihre Dis- kussion und auf einen Vergleich der hier geschilderten Coleusformen mit verwandten Panaschierungserscheinungen soll in anderem Zusammen- hange eingegangen werden. * * * Die Mannigfaltigkeit der am Aufbau des Mosaiks der Spreiten beteiligten Anteile erschwert die Aufgabe, uns von dem Wesen der inäqualen Teilungen und den zwischen den Teilungsprodukten auf- tretenden Differenzen, welche die für uns deutlich wahrnehmbaren Unterschiede der beiderseitigen Zellendeszendenzmassen veranlassen, eine Vorstellung zu machen. Die Annahme, daß die bei der inäqualen Teilung sich halbierende Mutterzelle Chromatophoren (oder andere Ein- schlußgebilde) zweierlei Art enthalte, und daß diese bei der kritischen Teilung voneinander geschieden werden, wird schwerlich eine brauch- bare Grundlage zur Erklärung der von uns angenommenen inäqualen Teilungen und der durch sie eingeleiteten Differenzierungen abgeben können; ja es muß überhaupt fraglich erscheinen, ob die in Rede stehenden Erscheinungen auf die ungleiche Verteilung der dem Mikroskopiker bekannten oder zugänglichen Bestandteile der Zelle zurückführbar sind). Die Differenzen, welche nach inäqualen Teilungen am Zellen- material unserer Coleus-Pflanzen wahrnehmbar werden, sind verschiedener Art, beziehen sich aber durchweg auf die Anthocyanbildung. Es wäre vorstellbar, daß bei Gewächsen, welche in so hohem Grade zu inäqualen Zellenteilungen befähigt sind wie unsere Coleus-Gartenformen es zu sein scheinen, auch inäquale Teilungen ganz anderer Art erfolgen, d. h. 1) Namentlich im Mark ausgewachsener Coleus-Pflanzen findet man zahl- reiche Zellen, die an Lage und Verlauf der Wände ohne weiteres als Geschwister- zellen erkannt werden, und die sich durch ungleiche Intensität ihrer Rotfärbung voneinander unterscheiden — gewöhnlich in der Weise, daß eine kleinere Zelle dunkler gefärbt ist als ihre größere Schwesterzelle. Daß es sich bei diesen Be- funden um die gesuchten inäqualen Teilungen handle, d. h. um solche, bei welchen Tochterzellen von ungleichem Reaktionsvermögen entsteben, ist unwahrscheinlich; wohl aber darf angenommen werden, daß bei der unregelmäßigen Färbung der im Mark auftretenden voten Areale (s. oben pag. 15) Teilungen der hier erwähnten Art ihre Rollen spielen. 24 Ernst Küster, solche, deren Zellendeszendenzmassen sich durch andere Merkmale als die Färbung des Zellsaftes unterscheiden. Einen solchen Fall habe ich in der Tat nachweisen können. Wir sprachen schon oben von der Panaschierung der Coleus- Pflanzen, die fast auf allen Spielarten eine mehr oder minder auffällige Zeichnung der Spreiten neben der durch das Anthocyan bedingten hervorruft. Es handelt sich um eine Fleckenpanaschierung‘): auf den normal ergrünten Spreitenanteilen bilden sich unregelmäßig gestaltete Flecken mit verwaschenen Umrissen. Unter den sehr zahlreichen von mir geprüften Individuen befand sich eines, bei welchem die Flecken- panaschierung nicht die ganze Pflanze, sondern nur einen Sektor bunt machte, und auf die ich mit einer näheren Beschreibung eingehen möchte. Nr. @, Am sechsten Laubblattknoten wurde ein auffällig asymmetrisches Blatt be- obachtet (VIa), dessen kleinere Spreitenhälfte fast völlig blaß war und nur ver- einzelte grüne Flecke aufwies, während die andere größere Hälfte normal ergrünt war und nur unmittelbar an dem Mittelnerv einen ganz schmalen blassen Saum auf- wies. Das andere Blatt desselben Knotens (VI) war ebenfalls asymmetrisch; bei ihm bildete aber nicht die Mittelrippe die Grenze zwischen dem gefleckten und ungefleckten Areal, sondern eine Linie, deren Verlauf aus Fig. 21 ersehen wird. Am siebenten Knoten standen ein normal grünes Blatt, das nur an der Mittelrippe einen sehr schmalen weißlichen Saum aufwies, und ein in beiden Spreitenhälften gleichmäßig verblaßter einander gegenüber. Am achten Knoten fanden sich zwei blasse Blätter, am neunten wiederholten sich die am siebenten beobachteten Verhältnisse usw. Die Anthoeyanverteilung erfolgte unregelmäßig marmoriert, auf grünen und blassen Spreitenteilen in gleicher Weise, so daß sie bei der vorliegenden Schilde- rung nicht berücksichtigt zu werden braucht. Auch die Blätter der tieferen Internodien zeigten bereits deutliche, den ge- schilderten sektorialen Teilungen entsprechende Panaschierung. — Die Seitensprosse der vorliegenden Pflanze waren verschiedener Qualität. Die aus den Achseln grüner oder fast völlig grüner Blätter sich entwickelnden Triebe trugen normal grüne Blätter; aus den Achseln biasser Blätter entwickelten sich blasse Seitensprosse. Die aus den Achseln sektorial geteilter Blätter sich ent- wickelnden waren verschiedener Art: entweder sie waren durchweg mit blassen Blättern ausgestattet, oder sie wiederholten auf ihren Spreiten eine sektoriale Teilung, die der des Deckblattes entsprach (vgl. oben Fig. 2). Die Anisophyllie bei den aus einem grünen und einem biassen Blatt ge- bildeten Paaren war bei den Achselsprossen noch erheblich stärker ausgebildet als beim Hauptsproß. Die Achsen der blassen Seitensprosse waren beträchtlich schwächer als die der normal-grünen. 1) Vgl. Küster, Pathol. Pflanzenanatomie, 2. Aufl, 1916, pag. 22. .n Die Verteilung des Anthocyans bei Coleusspielarten. 25 Die Achse des sektorial geteilten Hauptsprosses ließ in ihrer anatomischen Struktur keine Eigentümlichkeiten erkennen, die sich mit Bestimmtheit mit der sektorialen Teilung hätten in Beziehung bringen lassen. Aus der gegebenen Schilderung geht hervor, daß das in Rede stehende Exemplar eine ganz ähnliche sektoriale Teilung aufweist, wie die oben geschilderten Exemplare Nr. 1 und 2. Die Sektorenteilung konnte ich durch acht vegetative Internodien mit großer Deutlichkeit verfolgen. Die Breite des blassen Sektors war in verschiedenen Höhen des Gewächses verschieden; sie stieg von den unteren Internodien nach der Spitze der Pflanze zu von weniger als 2 R bis auf einen Wert von un- gefähr 3 R. Die Sektoren, aus weichen der geschilderte Sproß besteht, unterschei- den sich voneinander in der Weise, daß der eine normal bleibt, der andere jener nicht näher bekann- ten „enzymatischen“Krank- heit verfällt, als deren Symptom wir die Weiß- fleckigkeit der Coleus-Blät- ter zu betrachten haben. Vu Auch die bei dem ge- 5 \ schilderten Exemplar vor- u liegende Sektorteilung wird Es auf eine am Vegetations- \ punkt des Hauptsprosses erfolgende inäquale Zelltei- vr A i ; Fig. 21. Zwei asymmetrische Blätter (VIa un lung zurückzuführen sein. V36) eines Internodiums von Coleus; diejenigen Ebenso wie für die früher Teile, welche Fleckenpanaschierung aufweisen, sind i an. unpunktiert geblieben. Die chlorophylireichen gesehilderten Anthoeyan Spreitenhälften sind größer als die blassen. a sektoren, Marmorierungen usw. wird auch für die im Auftreten der Fleckenpanaschierung bzw. ihrer Lokalisation sich bekundende Sektorteilung anzunehmen sein, daß die Produkte einer von der Theorie geforderten inäqualen Zeilteilung, auf die wir diese wie jene Erscheinungen zurückführen, zwei in ihrem Chemismus verschiedene, auf gleiche äußere Bedingungen ungleich 26 Ernst Küster, reagierende Elemente darstellen — sei es, daß nur in der Deszendenz einer der beiden Geschwisterzellen das die Fleckenpanaschierung hervor- rufende Virus entsteht, sei es, daß nur die Nachkömmlinge einer der beiden Zellen auf jenen Stoff mit dem Verblassen ihres Chloro- plastenapparates reagieren. . Der Fall, daß an Vegetationspunkten von Individuen der gleichen Spezies inäquale Teilungen verschiedener Art erfolgen, d. h. solche, deren Produkte sich durch Eigenschaften prinzipiell verschiedener Art unterscheiden — mit anderen Worten, daß Angehörige der gleichen Spezies Sektorial- teilungen prinzi- piell verschiede- ner Art aufweisen können, bean- sprucht beson- deres Interesse, das mich veran- laßte, nach weite- ren Beispielen zu fahnden. Ich glaube ein solches bei Urtica dioica gefunden zu haben. Bei dieser Spezies ist sekto- riale Panaschie- rung von mir wiederholt beob- achtet worden, Fig. 22. Sektorialteilung bei Urtica dioica: normal-grüne d. h. solche, bei Spreitenanteile (im Quadranten rechts oben, sowie links in B ; der Mitte) neben fleckenpanaschierten. welcher ein Sek- tor der Pflanze blaß, der Rest normal-grün ausfällt). Eine andere Sektorspaltung, die ich bisher allerdings nur einmal beobachtet habe, besteht darin, daß ein Sektor der Pflanze derselben Fleckenpanaschierung verfällt, die für Coleus zu schildern war, derart, daß ein Sektor des Sprosses auf seinen 1) Ein sehr lehrreiches Exemplar, bei dem die weißen Spreiten bzw. Spreiten- hälften hinsichtlich ihrer Größe auffallend stark hinter den normal-grünen Anteilen zurückgeblieben waren, durfte ich dem Herbarium des Herm Dr. Franz Roth (Godesberg) entnehmen. E # { { Die Verteilung des Anthocyans bei Coleusspielarten. 237 Spreiten reichliche Gelbfleckung aufweist, während der Rest normal- grün sich entwickelt. Ich konnte den Sektor an meinem Urtica-Material durch vier Internodien mit großer Deutlichkeit verfolgen: Fig. 22 zeigt die Blätter von zwei benachbarten Knoten in ihrer natürlichen Zu- sammengehörigkeit nebeneinander gelegt; bei zwei Blättern folgt die Grenze der fleckenpanaschierten und normal-grünen Anteile der Mittel- rippe, bei einem dritten Blatt ist nur ein schinaler, normal-grüner An- teil zu erkennen. * Die von der hier erörterten Theorie angenommenen inäqualen Teilungen lassen aus einheitlichem, d. h. gleich veranlagten Zellen- material verschieden qualifizierte Zellenarten hervorgehen. Diese Differenzierung erfolgt nicht allmählich, d. h. sie wird nicht bei den Produkten mehrerer aufeinander folgender Zellenteilungen immer deut- licher erkennbar; vielmehr wird — wie wir annehmen müssen — bereits bei einer Teilung das Maß des erreichbaren Differenzierungsgrades erreicht. Es handelt sich demnach um Teilungen, die den Charakter von Zellenmutationen haben und vermutlich denjenigen vergleichbar sind, auf die wir die an Mikroorganismen beobachteten „Mutationen“ zurückzuführen baben. In der Aszendenz einer Zelle können sich eine oder mehrere inäquale Teilungen ereignen; innerhalb anthocyanhaltiger Sektoren, die auf Zellenmutation zurückzuführen sind, erscheinen zuweilen antho- eyanfreie Einsprengsel, die wir durch Annahme einer erneuten inäqualen Teilung zu erklären versucht haben: läßt die erste einen anthocyan- haltigen „Mutanten“ entstehen, so liefert die andere einen anthocyan- freien Atavisten; der zweite Schritt macht in gewissem Sinne die Wirkungen des ersten für einen Teil der neuen Zellendeszendenz rück- gängig?). Die Erfahrungen der Bakteriologen machen es wahrscheinlich, daß durch bestimmte äußere Bedingungen das Auftreten von Mutationen begünstigt wird, wenn auch — nach Beyerinck -- die Bedeutung 1) Vgl. z. B. Beyerinck, M. W., Mutation bei Mikroben (Folia microbiol. 1912, Bd. I, pag. 4). 2) Wenn hier von Mutanten und Atavisten die Rede ist, so soll mit den Terminis nur die korrelative Beziehung zwischen der einen und der anderen Zellen- forın zum Ausdruck gebracht werden, und nicht die eine von beiden Formen — die des Atavisten — als die in irgendwelchem Sinne ursprüngliche bezeichnet werden. 28 Ernst Küster, der „Innenbedingungen bei der Mutation überwiegend“ ist. Welche Rolle die Außenweltbedingungen den inäqualen Teilungen unserer Coleus- Pflanzen gegenüber spielen, ist vorläufig noch unklar. Was über die Größe und Verteilung der auf inäquale Teilungen zurückgeführten bunten Areale auf die Teile der Spreite und die verschiedenen Abschnitte des Sprosses zu sagen war, läßt — ebenso wie die ungleiche Art der Pana- schierung, die wir an frühen und an späteren Laubblättern eines Sprosses (z. B. von Acer pseudo-platanus) wahrnehmen — vorläufig nur Schlüsse auf die Beeinflußbarkeit der Zellenmutation durch die im Organismus selbst verwirklichten Bedingungen zu. Anhaltspunkte zur Beurteilung des Einflusses äußerer Bedingungen haben mir meine bisherigen Be- obachtungen nicht gegeben; allerdings war es mir bislier auch nicht möglich, meinen Kulturen den Umfang zu geben, der für die in Rede stehenden Untersuchungen vielleicht notwendig gewesen wäre. 1I. Zeichnung mit kreisrunden Anthocyanflecken. Die Exemplare, auf welche sich die nachfolgenden Schilderungen beziehen, treten in den Coleus-Aussaaten in erheblich geringerer Zalıl auf als die sektorial oder marmoriert gezeichneten. Eine eingehende Beschreibung der in Rede stehenden Zeichnung wird nicht zu um- gehen sein. Beschreibung. Es wird genügen, ein Exemplar zu beschreiben, da der zweite Modus der Anthocyanzeichnung keineswegs so viele Varianten entstehen läßt, wie der im ersten Kapitel geschilderte. Nr. 5. Achsen und Blattstiele sind durchweg schwarzrot, die Färbung der Spreiten ist sehr mannigfaltig: Die Blätter sind durchweg panaschiert (s. oben); längs der Mittelrippe ent- wickelt sich ein Lblasses, dreieckiges Feld, das bis zur Spitze der Spreite reichen kann, in der Mehrzahl der Fälle aber nur die untere Hälfte oder die unteren zwei Drittel der Spreite durchzieht. Von der Mittelrippe her folgt die blasse Verfärbung noch den stärkeren Seitennerven eine Strecke weit. Außerdem erscheinen an vielen Blättern kreisrunde, langsam heranwachsende blasse Felder, die mit der die Mittelrippe begleitenden Zone nicht in Zusammenhang stehen. Die Panaschierung hat auch hier nichts mit der Verteilung des Anthoeyans zu tun. Die Unterseiten der Blätter sind rot gefärbt, nur die schwächeren Nerven erheben sich auf ihr als grünes Aderwerk. Im allgemeinen ist die Färbung der Unterseite nicht gleichmäßig rot, sondern in der Nähe der stärkeren Nerven, d. h. derjenigen Teile der Nervatur, deren Gewebe (Epidermis, Grundgewebe) Anthocyan enthält, ist die Epidermis beträchtlich dunkler gerötet als an den anderen Teilen der Spreite. Die Verteilung des Anthocyans bei Coleusspielarten. 29 Auf der Oberseite beschränkt sich die Rotfärbung auf die Mittelrippe, die den stärkeren Seitennerven benachbarten Teile und den Blattrand. Über die Färbung des Blattrandes gibt Fig. 23 (c und 2) Aufschluß: die Spitzen der Blattzähne sind farblos. Die anthocyanroten Felder der Blatt- mitte folgen zumeist als unregelmäßige um- grenzte Dreiecke der Mittelrippe. Daß sie mit den blassen Mittelfeldern (s. oben) der Blatt- spreiten nichts zu tun haben, ergibt sich schon daraus, daß sie bald weniger weit als diese zur Spitze des Blattes hin sich entwickeln, bald über die Grenzen der blassen Felder hinausreichen, — daß sie ferner auch in ihrer Breitenentwicklung bald hinter jenen zurück- bleiben, bald sie überholen. Wie man an den Seitenzweigen älterer Exemplare sehr deutlich sehen kann, ver- halten sich die roten Areale der Blattober- seite an verschiedenen Internodien ungleich: die Blätter der unteren Internodien zeigen eine breite Entwicklung der roten Felder an der Basis der Spreite; das rote Areal nimmt unregelmäßig nierenförmige oder andere, oft zweilappige Gestalt an, indem die Fortsetzung [2 [2 64 Fig. 23. Verteilung der Anthocyanfelder auf der Oberseite der Blätter von Coleus hybridus (2. Typus); bei = zweilappige Form des roten Feldes; bei 5 ähnliche Form, kombiniert mit Rotfärbung der Mittelrippe; bei c sind die der Mittelrippe anliegenden Spreitenteile in der unteren Hälfte des Blattes rot; bei @ folgt die Rotfärbung den stärkeren Seitennerven. 30 Ernst Küster, der roten Felder längs der Mittelrippe spärlich und kurz ausfällt, oder ganz unter- bleibt oder sogar, indem die Rotfärbung in der Nähe der Mittelrippe unterbleibt (Fig. 23a, >, e). Die Formen der Anthocyanfelder sind auf den beiden Hälften der Spreiten gewöhnlich einander ähnlich, ohne daß völlige Symmetrie erreicht würde. Auf- fallend sind diejenigen Fälle, in welchen die Spreitenhälften des nämlichen Blattes stark abweichende Form aufweisen (Fig. 24). F Fig. 24. Chromatische Asymmetrie der Blätter (Coleus hybridus, 2. Typus); untere Internodien der Seitensprosse. @äußere, z innere Spreitenhälften; vgl. den Text. Sehr oft läßt sich an den Blättern der Seitenzweige die asymmetrische Ver- teilung des Anthocyans als die Wirkung korrelativer Beeinflussungen erkennen. Diejenigen Blätter, welche in der Transversalebene der Seitensprosse stehen, sind auf der der Hanuptachse zugewandten Hälfte sehr viel reichlicher mit Anthocyan Fig. 25. Anisophyllie. ausgestattet als auf den äußeren Spreiten- hälften (vgl. Fig. 24), zuweilen sind diese sogar völlig anthoeyanfrei. Wie die Figur zeigt, reicht das Anthocyan- areal auf den inneren Spreitenhälften ‘weiter hinauf als an den äußeren; im übrigen zeigt die Form der Felder größte Mannigfaltigkeit. — Bei den- jenigen Blättern der Seitensprosse, die in der Medianebene stehen, ist die Ver- teilung des Anthocyans annähernd symmetrisch; die Anisophyllie ist in den unteren Internodien oft sehr auf- fallend (Fig. 25). Die Grenzen der Anthocyan- felder sind niemals gradlinig, sie zeigen weder Beziehungen zu dem Verlauf der Nerven, noch solche zu den Grenzen der chromophyllarmen blassen inneren Teile der Spreiten. Zu einer beson- deren Besprechung des hier in Rede stehenden Typus nötigt das Auftreten isolierter roter Flecken, welche auf der Mehrzahl der Blätter auftreten, und das zusammenhängende mittlere Anthoeyanfeld oft in dichten Scharen umgeben (vgl. Fig. 23a, 6, £), in anderen Fällen ganz verein- Die Verteilung des Anthocyans bei Coleusspielarten. 31 zelt sich finden. Diese Flecke sind stets kreisrund, oder zeigen sich zu Gruppen vereinigt, die ihrerseits von Kreislinien bzw. Stücken von solchen umgrenzt sind. Sie gehen auch über die schwächeren Nerven weg, ohne durch sie in der Ausbil- dung der runden Form sich stören zu lassen. Über den stärkeren Anteilen der Leitbündel treten diese isolierten Anthocyan- flecke nicht auf. An älteren Pflanzen sind die Blätter gewöhnlich reicher ge- sprenkelt als an jüngeren; — die Blätter der oberen Internodien sind im all- gemeinen reicher gezeichnet als die der unteren. — Fig. 26. Anthocyanflecken im Mesophyll von Coleus hybridus (Typus 2); Aufnahme in durchfallendem Licht. Die mikroskopische Untersuchung der Spreiten macht mit folgendem bekannt: Die Schließzellen bleiben farblos, auch wenn die sie umgebenden Epidermis- zellen dunkelrot gefärbt sind. Die Haare sind im allgemeinen anthocyanhaltig, die Köpfe der Drüsenhaare und zuweilen auch die oberste (seltener zwei oberste) Stielzelle bleiben farblos. Auch die auf ungefärbter Epidermis sich erhebenden Haare können Anthocyan entwickeln. 32 Ernst Küster, Alles bisher Mitgeteilte bezieht sich auf die Anthocyanfärbung der Epi- dermiszellen: Die kräftige Zeichnung der Blattspreiten wird durch sie hervorgerufen. Auch das Grundgewebe der Blätter kann eine Zeichnung aufweisen, indem kreisrunde Stellen mit stark verwaschenen Umrissen sich in der Masse des anthocyanfreien Mesophylis entwickeln. Die Verteilung dieser roten Fieckchen ist ganz unregelmäßig (Fig. 26); in einem Interkostalfeld, das von den schwächsten Anteilen des Nervaturnetzes umgrenzt wird, können drei bis fünf Anthocyanfleck- chen enthalten sein. Mit der Verteilung der Trichome hat, wie ausdrücklich be- merkt sein mag, ihr Auftreten keinen Zusammenhang. Theoretisches. Einige der wichtigsten Unterschiede, welche die im ersten und und die im zweiten Kapitel beschriebenen Zeichnungen der Coleus- Blätter erkennen lassen, sind folgende: 1. Die Form der Anthoeyanfelder ist eine verschiedene; bei den des 2. Typus spielt die Kreislinie als Begrenzung eine große Rolle. 2. Auf die Verteilung des Anthocyans haben beim 2. Typus — neben anderen Faktoren — auch trophische Korrelationen ihren Einfluß {Fig. 24). 3. Die Umrisse des Anthocyanareals sind beim 2. Typus unscharf. 4. Sektorenteilung fehlt bei den nach dem 2. Typus gezeichneten Individuen. Alle Unterscheidungspunkte führen zu der Annahme, daß die differente Ausbildung der Zellen eines Gewebes hier anders als durch Zellenmutation zustande kommt. Ich nehme an, daß den dem 2. Typus folgenden Anthocyan- zeichnungen eine Keimwirkung im Sinne der physikalischen Chemie zugrunde liegt. Lassen wir auf einer Glasplatte eine Schicht Salziösung langsam eintrocknen, so sehen wir hier und da auf der Platte Kristalle aus- fallen. Diese wirken als „Keime“, in dem sie scheinbar die noch in Lösung befindlichen Anteile der kristallisierbaren Substanz anziehen und durch ihre Anlagerung sich vergrößern: offenbar sind an den Flächen bereits vorhandener Kristalle die Bedingungen für den Übergang in die feste Phase günstiger als an anderen Stellen. Während die kristallisierbare Substanz bei Beginn des Versuchs in gleichmäßiger Schicht die ganze Fläche bedeckte, ist während des Kristallisationsprozesses eine Diffe- renzierung eingetreten — derart, daß kristallinische Anhäufungen jener Substanz durch mehr oder minder weite leere Flächen voneinander getrennt werden. Keimwirkungen vergleichbarer Art spielen bei vielen Selbstdifferen- zierungsvorgängen der Pflanzen offenbar eine bedeutungsvolle Rolle. Namentlich von den an Perigon und Korolle vieler Blüten sichtbaren Die Verteilung des Anthocyans bei Coleusspielarten. 35 Zeichnungen nehme ich an, daß sie auf Keimwirkungen zurückführbar sind. Solche gehen nicht nur von kristallinischen Einheiten aus, auf weiche die vorangehende Erläuterung sich bezog, — sondern auch von kolloiden Produkten und anders gearteten Ausfällungen!), Um die Entstehung der kreisrunden Anthocyanfelder auf Keimwirkungen zurück- führen zu können, müßten die beiden Annahmen gemacht werden, daß an denjenigen Stellen, welche später die Mittelpunkte der Anthocyan- kreisfelder werden, die Bildung eines vielleicht kolloiden Keimes einer nicht näher bekannten Substanz erfolgt, und rings um ihn aus dem in den benachbarten Zellen enthaltenen Material Moleküle oder Molekül- gruppen der gleichen Verbindung sich anlagern; — diese hypothetische Substanz müßte zur Bildung des Anthocyans in direktem oder indirektem Zusammenhang stehen, d. h. zu seiner Bildung als Baumaterial oder als Katalysator erforderlich sein. 1) Vgl. Liesegang, R. E,, Keimwirkungen in Gelen (Kolloid-Zeitschr. 1915, Bd. XVI, pag. 76). Flora, Bd. L1O. 3 Über die Bedingungen der Heterophyllie bei Petro- selinum sativum Hoffm. Von Georg Lakon. (Mit 6 Abbildungen im Text.) Die Petersilie (Petroselinum sativum Hoffm.) ist bekannt- lich eine 2jährige, ausgesprochen heterophylle Pflanze; im 1. Jahre wächst 'sie rein vegetativ und besitzt anders gestaltete Blätter als im 2. Jahre der Entwicklung, wo die Pflanze zur Blütenbildung übergeht, In Schlechtendal’s Flora!) werden die beiden Blattformen folgender- maßen beschrieben: „Im 1. Jahre, wo die Petersilie nur Wurzelblätter treibt, hat sie ein anderes Ansehen als im 2., wo sie Stengel und Blüten bildet. Die Wurzelblätter sind nämlich langgestielt, zwei- bis dreifach. fiederig geschnitten, die Abschnitte eirund, am Grunde keil- förmig und gegen die Spitze drei- bis mehrspaltig‘“ Bei den blüh- reifen Pflanzen sind dagegen „die unteren Blätter dreifach gefiedert, mit eiförmig-keiligen, dreispaltigen und gezähnten Blättchen, die oberen Blätter dreizählig mit lanzettlichen, ganzen und dreispaltigen Blättchen“. Die allmählichen Übergänge der Blätter von der unteren dreifach ge- fiederten bis zur oberen dreizähligen Endform, veranschaulicht Fig. 2, welche die Form der aus verschiedenen Höhen einer normal ent- wickelten, blühenden Pflanze (Fig. 1) entnommenen Blätter wiedergibt. Blatt 1 ist das unterste, dem Wurzelstock am nächsten stehende Blait. Unter Nr. 6 sind einige der obersten, in der nächsten Nachbarschaft der Blütenstände stehenden Blätter vereinigt. Nr. 2—5 stellen einige in verschiedenen Zwischenräumen stehende Blattformen dar, welche als Übergangsformen von der einen (Nr. 1) zu der anderen (Nr. 6) extremen Blattform zu betrachten sind. Die Umwandlung besteht in einer starken Verkürzung des Blattstieles und einer Reduktion sowohl der Fläche, wie auch der Anzahl der einzelnen Blattfieder, Die Endform ist ein dreiteiliges, fadenförmiges Blatt. Unter den zahlreichen 2jährigen Exemplaren, die ich zu unter- suchen Gelegenheit hatte, befanden sich auch vereinzelte, die eine solch regelmäßige Umwandlung der Blattform, wie die oben auf Grund der Fig. 1 und 2 geschilderte, vermissen ließen. Ein solches „abnormes“ 1) Flora von Deutschland, 5. Aufl., herausg. von Hallier, Bd. XXVII, pag. SO ff. Über die Bedingungen der Heterophyllie bei Petroselinum sativum Hoffm. 35 Exemplar stellt Fig. 3 dar. Die Pflanze zeigt nur vereinzelte Blüten- stände und hat einen abnormen Wuchs. Die allmählichen Übergänge in der Blattform sind über die ganze Pflanze unregelmäßig zerstreut. Fig. 4 zeigt einige der interessantesten, aus den verschiedensten Regionen der Pflanze entnommenen Blattformen. Blatt 1 ist aus der mit 1 be- zeichneten Stelle der Fig. 3 entnommen. Es hat demnach eine seiner Lage nach normale Form, wie aus dem Vergleich mit dem Blatt 1 der Fig. 1 und 2 hervorgeht. Fig. 1. Eine normal ent- Fig.2. Blattformen der auf Fig. 1 wiedergegebenen wickeite, blühreife Petersilien- normalen, blühreifen Pflanze. Die Blätter 1—6 pflanze. sind aus den mit den entsprechenden Zahlen be- (Ca. ';, nat. Gr.) zeichneten Stellen der Fig. 1 entnommen. (Ca. % nat. Gr.) Die Blätter 2, 3 und 4 sind aus der Region 2 der Fig. 3 entnommen, und zwar 2 und 4 sind „äußere“ Blätter, während Blatt 3 zu einem nachträglich an der Achsel des Blattes 4 entstandenen Achseltrieb ge- hört. Die Blätter 2 und 4, welche also zu dem ursprünglichen Wuchs- system gehören, zeigen eine, ihrem Entstehungsort nach normale Form, welche den auf Fig. 1 und 2 unter Nr. 2, 3 und 4 wiedergegebenen 3’ 36 Georg Lakon, entspricht. Blatt 3 dagegen stellt einen „Rückschlag“ dar; es hat die Form der unteren Blätter, etwa wie das unter Nr. 1 abgebildete. Das Blatt 3 mußte aber seiner Lage nach zum mindesten die Form von Blatt 4 haben. Ähnliches gilt von den Blättern 5, 6 und 7. Blatt 5 und 6 sind aus der Region 3 (Fig. 3) entnommen. Blatt 5 gehört zum ursprünglichen Verzweigungssystem und hat eine mehr oder weniger seiner Lage entsprechende Form, Blatt 6 dagegen gehört zu einem sekundären Achselsproß und hat die Form der unteren Blätter; es stellt somit ähnlich wie Blatt 3 eine Rückschlagsform dar. Auch Blatt 7, welches aus der obersten Region (auf Fig. 3 mit Nr. 4 gezeichnet) am Fuße eines spät entstandenen Blütentriebes entnommen wurde, hat die Form eines „unteren“ Blattes. Die beschriebene „abnorme“ Pflanze zeigt also nicht die übliche regelmäßige Umwandlung der Blattform von unten nach oben in chrono- logischer Reihenfolge; die verschiedenen Umwand- lungsstadien sind vielmehr hier regellos miteinander vermengt. Das spontane Auftreten von derartigen Störungen in der Blattform bei der Petersilie machten es wahrscheinlich, daß diese Pflanzenart ein besonders gutes Objekt zur Prüfung der Frage nach den Bedingungen der Heterophyllie abgeben würde. Meine Untersuchungen bestätigen diese Vermutung vollkommen. Bei der Versuchsanstel- lung und bei der Behandlung der ganzen Frage überhaupt ging ich von unseren heutigen Kennt- nissen von dem Wesen der Heterophyllie aus, die Fig. 3. Eine abnorme wir bekanntlich den bahnbrechenden Untersuch- 2jährige Petersilien- ungen von Goebel verdanken. Die Goebel’schen aieen mt Fuand- Untersuchungen haben die Abhängigkeit der Hete- form. (Ca. ’/, nat. Gr) rophylliie von den äußeren Bedingungen in ein- wandfreier Weise bewiesen. Goebel hat vornehm- lich an Campanula rotundifolia, einem zu derartigen Unter- suchungen besonders günstigen Objekt, gezeigt, daß die Blattform von der Lichtintensität abhängig ist‘), Bei Kultur in schwachem Licht 1) Vgl. folgende Arbeiten und Werke von Goebel: Über die Abhängigkeit der Blattform von Campanula rotundifolia von der Lichtintensität usw. (Flora 1896, Bd. LXXXII, pag. I—13). — Fine merkwürdige Form von Campanula rotundifolia Über die Bedingungen der Heterophyllie bei Petroselinum sativum Hoffm. 37 verharrt die Pflanze in der Jugendform und bildet ausschließlich Rund- blätter. Selbst die schon zur Folgeform übergegangenen Individuen können durch Herabsetzung der Lichtintensität zur Rückkehr zur Jugend- 3 Fig. 4. Blattformen der auf Fig. 3 wiedergegebenen abnormen Pflanze. Nähere Erklärung im Text. (Ca, % nat. Gr.) form gezwungen werden. Wir wissen aber andererseits, daß die Beein- flussung der Ausgestaltung der Pflanze durch die Außenwelt keine (Ebenda 1905, Bd. XCV, pag. 232—234). — Einleitung in die experimentelle Mor- pholgie der Pflanzen 1908, pag. 13 ff. -- Organographie, 2. Aufl., 1. Teil, pag. 404 ff. — In diesen beiden zuletzt genannten Werken sind eingehende Behandlungen der Heterophyllie enthalten. 38 Georg Lakon, direkte ist. Die äußeren Bedingungen beeinflussen nämlich nicht un- mittelbar die spezifische Struktur der Pflanze, sondern zunächst nur die in dieser innewohnenden, „inneren Bedingungen, welche ihrerseits auf die spezifische Struktur einwirken‘. Es erwächst demnach der Forschung die wichtige, aber zugleich schwierige Aufgabe, die Natur der inneren Bedingungen, welche für die eine oder die andere Blattform maßgebend sind, aufzudecken. Goebel hat diese Sachlage folgender- maßen formuliert?): „Indes handelt es sich hier ebensowenig wie in den anderen Fällen um eine ‚spezifische‘ Lichtwirkung. Das Licht wirkt insofern ein, als es die Stoffwechselvorgänge beeinflußt. Dem- gemäß kann eine Rückkehr zur Jugendform bei Campanula auch auf andere Weise erzielt werden, durch jede größere Störung in der Ent- wicklung der Pflanze (z. B. wenn man Sprosse mit Langblättern als Stecklinge benutzt), welche, wie wir annehmen dürfen, eine anderweitige Stoffverteilung — namentlich ein anderes Verhältnis der organischen und anorganischen Stoffe bedingen, als es ‚normal‘ vorhanden ist.“ In diesem Satze Goebel’s haben wir zugleich den ersten Versuch, die Natur der inneren Bedingungen, welche die Heteropbyllie beherrschen, festzustellen. Es ist selbstverständlich, daß jeder Versuch zur Feststellung der Natur der inneren Bedingungen gegenwärtig, wo wir uns über die chemischen und physikalischen Vorgänge innerhalb der lebenden Zellen nur grobe Vorstellungen machen können, nur hypothetischen Wert haben kann. Unanfechtbar ist aber die Grundlage der Goebel’schen Hypothese, nämlich die Annahme, daß Ernährungsverhältnisse für die Heterophyllie maßgebend sind. An einer anderen als der schon zitierten Stelle präzisiert Goebel®) näher das für die Bildung der höheren Blattform maßgebende Verhältnis der organischen Substanz zu den Nährsalzen, und zwar als ein Überwiegen der ersteren über die letzteren. Er zeigt, daß sowohl die Eingriffe, welche eine direkte einseitige Ver- minderung der organischen Substanz, wie diejenigen, welche eine ein- seitige Erhöhung der Nährsalzaufnahme bewirken, das Verharren in der primären Blattform bzw. die Rückkehr zu derselben zur Folge haben. Die Auffassung Goebel’s findet auch in einem weiteren Um- stand eine wichtige Stütze. Die Heterophyliie geht bekanntlich mit dem vegetativen Charakter bzw. der Blühreife des Individuums Hand 1) In der Nomenklatur folge ich Klebs (vgl. hierzu meine kurze Darstellung im Biolog. Zentralblatt 1915, Bd. XXXV, pag. 407 ff.). 2) Organographie, 2. Aufl., 1. Teil, pag. 408. 3) Einleitung in die experimentelle Morphologie, 1908, pag. 13—14. (Vgl. auch pag. 10 daselbst.) Über die Bedingungen der Heterophyllie bei Petroselinum sativum Hoffm. 39 in Hand. Die „unteren“ Blätter kennzeichnen das rein vegetative Stadium, während die höhere Blattform für die reproduktive Phase der Entwicklung charakteristisch ist. Dieses Verhältnis zwischen Blattform und reproduktivem Charakter der Pilanze tritt auch bei den Petersilien- pflanzen hervor. Der normale, allmähliche Verlauf der Blattumwand- lung endet mit der Blütenbildung; bei den abnormen Individuen be- deutet der Rückschlag zu der unteren Blattform einen Verzicht auf die Blütenbildung. Die beschriebene abnorme Petersilie ist nur stellen- weise zur spärlichen Blütenbildung gelangt: nur dort, wo ein Blüten- stand zur Entwicklung gekommen ist, ist auch die Endform der Blätter erreicht worden. Goebel hat auf Grund seiner Erfahrungen mit Campanula darauf hingewiesen !), daß eine direkte Korrelation zwischen Blütenbildung und Blattform nicht besteht. Blühreife und höhere Blatt- form fallen nur deswegen zusammen, weil sie von denselben äußeren Bedingungen veranlaßt werden. Da wir aber andererseits angenommen haben, daß die äußeren Bedingungen zunächst die Herstellung be- stimmter innerer Bedingungen herbeiführen, welche für die Entwick- lung und morphologische Ausgestaltung maßgebend sind, so müssen wir den Schluß ziehen, daß für den Eintritt der Blühreife und für die Bildung der höheren Blattform gleichartige innere Bedingungen aus- schlaggebend sind. Falls die Annahme Goebel’s zutrifft, daß für die Blattform das Verhältnis der organischen Substanz zu den Nährsalzen den Ausschlag gibt, so müßte dieses Verhältnis auch für die Blüten- bildung von Bedeutung sein. Dies ist nun tatsächlich der Fall. Die Erkenntnis von der Bedeutung eines relativen Überwiegens der orga- nischen Substanz über die Nährsalze für die Blütenbildung hat sich in den letzten Jahren vornehmlich dank den Untersuchungen von Klebs Bahn gebrochen“). Es besteht heute kaum ein Zweifel darüber, daß diese Annahme wohl begründet ist. Bei meinen Untersuchungen über die Heterophyllie bei der ge- meinen Petersilie, die in der vorliegenden Arbeit besprochen werden sollen, und welche den Zweck verfolgen, gerade die Bedeutung der für die Heterophyllie maßgebenden inneren Bedingungen nachzuweisen und Anhaltspunkte für die Beurteilung der Natur derselben zu liefern, rich- tete ich den obigen Darlegungen gemäß das Augenmerk stets auf die- jenigen Eingriffe oder Kombinationen von äußeren Bedingungen, welche bekanntermaßen geeignet sind, ein bestimmtes Verhältnis zwischen 1) Flora 1896, pag. 6. 2) Vgl. hierzu die Darstellung Klebs’ in Handwörterb. d. Naturw., Bd. IV, Pag. 288 ff. 40 Georg Lakon, organischer Substanz und Nährsalzen herzustellen. Zunächst operierte ich im Frühjahr mit soeben überwinterten, also 2jährigen Pflanzen. Ich versuchte durch reichliche Düngung, hohe Feuchtigkeit "und Ab- schwächung der Lichtintensität ein Überhandnehmen der Assimilate, und somit auch den Eintritt der Pflanze in die zweite Phase der Ent- wicklung zu verhindern. Diese Behandlung hatte indessen nur in wenigen Fällen das vollständige Zurückbleiben der Pflanzen in der sonst nur für die erste Entwicklungsphase charakteristische Form zur Folge. Die Pflanze zeigte in den meisten Fällen deutlichen Widerstand. Derselbe bestand in der Regel darin, daß die ersten Schritte zum Übergang in die Folgeform getan wurden. Aber nur wenige Individuen schritten weiter zur Bildung eines „Blüten“stengels; diese Individuen glichen dem oben beschriebenen abnormen Exemplar, indem sie gar nicht oder nur äußerst spärlich zur Blütenbildung übergingenundrein vegetative Aussprossungen mit Rückschlag zu der Jugendform aufwiesen. In den meisten Fällen brachten die Pflanzen die ersten Übergangsformen zu der höheren Blattform hervor, ohne zur Stengelbildung überzugehen; der Widerstand wurde dann aufgegeben und die Pflanzen bildeten reich- lieh Blätter der „unteren“ Form. Diese Pflanzen glichen also im Gesamthabitus den 1jährigen Individuen; nur bei näherer Beob- Fig. 5. Blätter einer voll- achtung konnte festgestellt werden, daß die ständig in die Jugendform . ur . zurückgekehrten, Sährigen zu Anfang des zweiten Frühjahrs gebildeten Pesersilienpflanze. Fan Blätter „abnorme“ Form hatten. Bei diesen 5 at Gr) Pflanzen kann man also drei Perioden der Blattentwicklung unterscheiden: die äußeren, im 1. Jahre der Entwicklung gebildeten Blätter haben die normale Jugendform; die folgenden, im Frühjahr des 2. Jahres gebildeten Blätter stellen die ersten Übergangsformen zur Folgeform dar; die zentralen, zuletzt gebildeten Blätter sind Jugendblätter und gleichen in der Form den äußersten. Fig. 5 gibt zwei Blätter einer solchen Pflanze wieder: Blatt 1 wurde im Anfang des 2. Lebensjahres gebildet und stellt eine Übergangsform zu der Folgeform dar; Blatt 2 wurde später gebildet und hat die typische Form der Jugendblätter. Ich konnte leider keine so große Anzahl von Pflanzen den ver- Uber die Bedingungen der Heterophyllie bei Petroselinum sativum Iloffm. 41 schiedensten Außenfaktoren unterwerfen — viele Versuchspflanzen gingen zunächst infolge extremer Behandlung zugrunde —, wie es erforderlich wäre, um den Anteil der einzelnen Faktoren für die erfolgte Rückkehr zu der Jugendform festzustellen. Immerhin war es auffallend, daß im Anfang des 2. Jahres am wenigsten die Verminderung der Licht- intensität wirksam war; am besten wirkte dagegen zu jener Zeit die hohe Bodenfeuchtigkeit und gute Düngung. Alles deutete darauf hin, daß hier nicht durch Herabsetzung der Assimilation, sondern nur dureh Erhöhung der Nährsalzzufuhr das erstrebte Ziel, d. h. die Verhinderung eines Überhandnehmens der organischen Substanz über die Nährsalze erreicht werden kann. Diese Vermutung wurde andererseits «urch theoretische Erwägnngen gestützt. Das Aussprossen zu Anfang des 2. Jahres geht tatsächlich auf Kosten der im Wurzelstock aufgespei- cherten organischen Substanz vor sich, während die Neuproduktion organischen Materials durch die Assimilation wenig ins Gewicht fällt. Die eigene Assimilation kommt erst später zur Geltung, wenn eine Erschöpfung des aufgespeicherten organischen Materials sich bemerkbar zu machen anfängt. Die Herabsetzung der Assimilation durch Lieht- verminderung erwies sich in der Tat bei der späteren Entwicklung im 2. Jahre als sehr wirksam. Zu dieser Zeit konnte verminderte Lichtintensität, hohe Bedenfeuchtigkeit und Düngung das volle Zurück- halten der Pflanze in der Jugendform herbeiführen. Der hartnäckige Widerstand, den die Petersilie im Anfang des 2. Entwicklungsjahres gegen jeden Versuch zum völligen Zurückhalten in der Jugendform zeigt, muß demnach auf dem Umstand beruhen, daß die Pflanze infolge der Aufspeicherung organischer Substanz im 1. Lebensjahre schon mit dem zur Ausbildung der Folgeform nötigen Überschuß am organischer Substanz in das 2. Lebensjahr übergeht. Die Richtigkeit dieser Annahme konnte ich durch folgenden Versuch beweisen: Einige Petersilienpflanzen wurden im Anfang des 2. Lebens- jahres ihres Blattwerks vollständig beraubt, sie entwickelten — obwohl bei ihnen eine Neubildung organischer Substanz durch die eigene Assi- milation ganz unmöglich war — unmittelbar aus der Erde Blätter, die Übergänge zu der höheren Blatiform darstellten. Besonders deutlich war dieser Erfolg, wenn die Wurzelstöcke bei der Entblätterung aus der Erde genommen wurden, um dann wieder eingepflanzt zu werden. Der Vorteil dieser Behandlung lag anscheinend darin, daß beim Aus- graben der Pflanzen die Wurzeln verletzt werden, so daß zuerst die Nährsalzversorgung ungenügend war, was das Überwiegen der orga- nischen Substanz über die Nährsalze förderte. Solche unmittelbar aus 42 Georg Lakon, dem Wurzelstock hervorgebrachten Übergänge zur höheren Blattform zeigt Fig. 6. Aus dem Mitgeteilten geht hervor, daß die Petersilie schon beim Übertritt in das 2, Lebensjahr mit den für die Hervorbringung der Folgeform maßgebenden inneren Bedingungen ausgerüstet ist. Daraus folgt, daß wenn wir die Entwicklung dieser Pflanze vollkommen be- herrschen und den Übertritt in die Folgeform ausschalten wollen, das Zustandekommen der maßgebenden inneren Bedingungen verhindern müssen: die Pflanze muß demnach schon während des 1. Lebensjahres der veränderten Kultur unterworfen werden. Bei den Versuchen, die ich nunmehr anstellte, wurden die Pflanzen sofort nach erfolgter Keimung den Kulturbedingungen unterworfen, welche geeignet sind, den Ein- tritt der die Folgeform bestim- menden inneren Bedingungen zu verhindern. Hier war die schwache Beleuchtung von vorn- herein von ausschlaggebender Bedeutung. Pflanzen, welche während des 1. Entwicklungs- jahres in gedämpftem Licht bei 2 hoher Feuchtigkeit kultiviert wurden, machten auch im An- fang des 2. Jahres keine An- stalten, in die Folgeform über- Fig. 6. Unmittelbar aus dem Wurzelstock hervorgebrachte Petersilienblätter als Über- zugehen. Die Blätter solcher gangsformen zur Folgeform. (Ca. %, nat. Gr.) Individuen waren ungewöhnlich langstielig und sehr zart, der unterirdische Teil blieb schwach und unentwickelt. Bei Anwendung von veränderten Kulturbedingungen ist es keines- falls leicht, die richtige Kombination zu treffen; viele Versuchspflanzen gingen infolge extremer Behandlung zugrunde. Die Pflanzen sind ins- besondere gegen nachträgliche Trockenheit äußerst empfindlich. Viele Pflanzen überwinterten schlecht, trieben im darauf folgenden Frühjahr entweder überhaupt nicht oder nur äußerst kümmerlich aus und gingen schließlich zugrunde; es hatte den Anschein, als ob diese Pflanzen während der Überwinterung stark gelitten hätten. Um diesen Schwierig- keiten auszuweichen, unterwarf ich einige Pflanzen einer anderen, viel bequemeren Behandlung. Dieselbe bestand darin, daß die Verhinderung des Überhandnehmens der organischen Substanz über die Nährsalze Über die Bedingungen der Heterophyllie bei Petroselinum satirum Hoffm. 483 nur durch andauernde Entfernung der älteren ausgewachsenen Blätter angestrebt wurde, so daß die Pfianzen — abgesehen von einer reich- licheren Wasserzufuhr und Düngung — den natürlichen äußeren Be- dingungen, insbesondere der ungeschwächten natürlichen Beleuchtung überlassen werden konnten. Die Blätter wurden abgenommen, sobald sie ein gewisses Alter erreicht hatten. Diese Behandlung hatte in den meisten Fällen vollen Erfolg. Die Versuchspflanzen trieben im 2. Lebens- jahre rein vegetativ aus und bildeten ausschließlich Blätter von der Jugendform. Dieser letztere Versuch bestätigt somit die theoretischen Voraus- setzungen aufs beste und zeigt in unzweideutiger Weise, daß die Ent- wicklung und morphologische Ausgestaltung der Pflanze von gewissen inneren Bedingungen abhängt; es liegt in unserer Hand, durch Ein- wirkung bestimmter äußerer Faktoren die Herstellung Jieser inneren Bedingungen herbeizuführen. Der Versuch gibt aber ferner Auskunft über die Ursache einiger Unregelmäßigkeiten, die vielfach die in Gemüsegärten gezogenen Petersilienpflanzen zeigen. Letztere weisen nämlich öfters, insbesondere im 2. Lebensjahre, eine ungleichmäßige Entwicklung auf; viele von ihnen gehen sofort zur reichlichen, andere erst später und dann nur zur kümmerlichen Blütenbildung über. Die Herstellung der die Folgeform bestimmenden inneren Bedingungen ist demnach bei benachbarten und denseiben äußeren Wachstums- bedingungen unterworfenen Exemplaren verschieden weit gediehen. Dieser Umstand erscheint beim ersten Blick befremdlich und erweckt den Eindruck eines Widerspruches gegen die Annahme von der Be- einflussung der Entwicklung durch die Außenwelt; die einzelnen Exemplare zeigen „individuelle“ Verschiedenheiten, die den Anschein von „erblich fixierten“ Eigenschaften bieten. Die Erscheinung hat indes mit irgend- welchen erheblich fixierten Eigenschaften nichts zu tun; sie ist allein auf den Umstand zurückzuführen, daß die einzelnen Petersilienpflanzen in den Gemüsegärten im 1. Entwicklungsjahre zufälligerweise in ver- schiedenem Maße ihrer Blätter beraubt werden! Bei wiederholter, starker Verstümmelung gehen die auf guter Gartenerde wachsenden Petersilien überhaupt nieht zur Folgeform über. Aus demselben Grunde kommen hier am meisten abnorme Formen vor. Diese Abnormitäten bei Gartenkultur sind äußerst lehrreich, sie werden aber viel zu wenig beachtet. Eine einzige Angabe über abnorme Petersilienblätter fand ich bei Masterst), worin ein Blatt beschrieben wird, welches Ähnlich- 1) Pflanzenteratologie. Übersetzung von Dammer. Leipzig 1886, pag. 494, Fig. 230, 44 Georg Lakon, keit mit den eingangs erwähnten Übergangsformen hat. Dieses Blatt unterscheidet sich von jenen Formen dadurch, daß bei ihm nicht die Endlappen, sondern die Seitenfieder den Übergang zu der Folgeform zeigen. Es besteht wohl kein Zweifel, daß wir auch in diesem Falle die Neigung zum Übergang in die Folgeform zu erblicken, die infolge gewisser Ernährungsstörungen entstanden ist. Die verschiedene Ausgestaltung der inneren Bedingungen infolge der ungleichen Entblätterung erklärt auch den verschiedenen Grad des Widerstandes, den die aus den Gemüsegärten entnommenen Petersilien- pflanzen den äußeren Eingriffen zur Unterdrückung der Folgeform im Anfang des 2. Lebensjahres entgegenstellen. Bei den mitgeteilten Untersuchungen sind wir von der Voraus- setzung ausgegangen, daß die Annahme Goebels von der Bedeutung des Verhältnisses der organischen Substanz zu den Nährsalzen für die Heterophyllie zutrifft. Wir haben die Pflanze denjenigen äußeren Be- dingungen und Eingriffen unterworfen, welche geeignet sind, dieses Verhältnis in bestimmte Bahnen zu lenken. Der positive Ausfall der Versuche bildet den Beweis für die prinzipielle Richtigkeit der hypo- tletischen Voraussetzung. Zu ähnlichen Schlüssen ist in allerneuester Zeit W. Vischer‘) gelangt auf Grund von experimentellen Unter- suchungen über die Bedingungen der Jugend- und Folgeformen xero- philer Pflanzen. Die zahlreichen untersuchten xerophilen Arten zeigten kein inneres „Bedürfnis* zum Übergang in die Folgeform; dieselbe wird vielmehr infolge der Herstellung bestimmter innerer Bedingungen, und zwar eines Überwiegens der organischen Substanz über die Nähr- salze herbeigeführt. Sobald diese inneren Bedingungen durch die früheren, d. h. diejenigen der Jugendform, — welche in einem Über- wiegen der Nährsalze bestehen —- ersetzt werden, findet ein Rück- schlag in die Jugendform statt. Es ist dabei gleichgültig, durch welche äußere Faktoren oder Eingriffe die maßgebenden inneren Bedingungen, d. i. das bestimmte Verhältnis der organischen Substanz zu den Nähr- salzen, hergestellt werden. Um die Rückkehr in die Jugendiorm zu erzielen, wendete Yischer folgende äußere Faktoren an: Verdunkelung, Einsetzen in Nährlösung, Zurückschneiden, hohe Luftfeuchtigkeit. Alle tliese Behandlungen hatten die Herbeiführung der Jugendform zur Folge, und («ie Aschenanalysen zeigten, daß hierbei das Verhältnis des Aschen- 1) Experimentelle Beiträge zur Kenntnis der Jugend- und Folgeformen xerophiler Pflanzen (Flora 1915, Bd. CVIIT, pag. 1-72). Über die Bedingungen der Heterophyllie bei Petroselinum sativum Hoffn. 45 gehaltes zur Trockensubstanz zugunsten der ersteren verschoben wurde. Bezüglich der Frage, wie das Verhältnis der organischen Substanz zu den Nährsalzen durch die erwälnten äußeren Faktoren beeinflußt wird, hebt Vischer mit Recht hervor, daß bezüglich der ersten drei Punkte keine Zweifel bestehen können. Was den Einfluß der Luftfeuchtigkeit betrifft, so kommt Vischer auf Grund eingehender Erörterungen zu dem Schluß, daß dieselbe nicht direkt durch Herabsetzen eines etwaigen Transpirationsreizes, sondern ebenfalls nur durch Beeinflussung des Stoffwechsels zu ungunsten der Assimilate zu wirken scheine, eine Ansicht, der auch ich vollkommen beistimme. In welcher Weise aber diese Beeinflussung stattfindet, konnte Vischer nicht feststellen. Auf Grund von Erwägungen, die ich bei einer späteren Gelegenheit eingehend darzulegen gedenke, bin ich zu der Ansicht gekommen, daß die für die Jugendform günstige Wirkung der Luftfeuchtigkeit in einer Förderung der Wachstumstätigkeit, insbesondere der Streckung besteht, wodurch ein rascher Verbrauch, und in Zusammenhang damit ein relativer Mangel von Assimilaten herbeigeführt wird. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit erlangen die wachstumsfähigen Zellen denjenigen Grad von Turgeszenz, welcher für das Wachstum den höchsten Wert besitzt. Bei relativ trockener Luft kann das Wachstum nicht gleichen Schritt mit der Assi- milation halten, und die Folge davon ist eine Anhäufung organischer Substanz; hat dieses Mißverhältnis zwischen der Produktion von or- ganischer Substanz und der Wachstunistätigkeit seinen Höhenpunkt er- reicht, so erfolgt eine Ablagerung der Assimilate in Form von Reserve- stoffen. Die Bedeutung der Ernährung für die Heteropbyllie kommt auch in dem Unterschiede zwischen Sonnen- und Schattenblättern der Buche (Fagus silvatica) zur Geltung. Das Auftreten von Schattenblättern ist als ein Rückschlag in die Jugendform aufzufassen!). „Die Schatten- blätter sind“ — sagt Goebel an dieser Stelle — „der Hauptsache nach Hemmungsbildungen, weiche auftreten, wenn die Assimilations- bedingungen des betreffenden Sprosses im Vorjahre ungünstiger waren als die für das Auftreten der Sonnenblätter erforderlichen.“ Schon Herbst?) kam, gestützt auf die älteren Untersuchungen von Dufour?), zu der Annalıme, daß hier der Einfluß des Lichtes nur in der Förde- 1) Goebel, Organographie, 2. Aufl., 1. Teil, pag. 495. . 2) Über die Bedeutung der Reizphysiologie usw. Biol. Zentralbl. 1895, XV, pag. 729. 3) Influence de la lumiere sur la forme et la structure des feuilles. Ann. sc. natur, Bot. 1887, T. VII. 46 Georg Lakon, rung der Assimilation zu erblicken sei. In seinen neuen umfangreichen Untersuchungen über die Entwieklung der Buche konnte Klebs‘) diesen Einfluß der Assimilation durch eigene Untersuchungen nach- weisen: Bei kontinuierlicher elektrischer Beleuchtung entwickelten die Buchen Blätter vom Schattentypus, weil eben die Assimilation gering war. Klebs kommt zu dem Schluß, daß für die Bildung von Blättern des Sonnentypus ein Überwiegen der organischen Substanz über die Nährsalze maßgebend ist. Wie .aus dem Gesagten hervorgeht, kommt die Bedeutung des relativen Überwiegens der organischen Substanz über die Nährsalze bei den verschiedensten Fällen der Heterophyllie zur Geltung. Durch die Anerkennung dieses Zusammenhanges können wir das Verhalten der in Frage kommenden Pflanzen im großen und ganzen verstehen, wenn auch das vorliegende Tatsachenmaterial keine sicheren Anhalts- punkte zur Beurteilung der Einzelvorgänge bietet. Für das Verständnis der Heterophyllie muß vor allen Dingen die Tatsache anerkannt werden, daß die von der spezifischen Struktur vorgeschriebene äußere Form (und der innere Aufbau) der Blätter bei den heterophylien Pflanzen innerhalb weiter Grenzen sich bewegt. Der Artcharakter besteht in den bestimmten, von der spezifischen Struktur gezogenen Grenzen, die nicht überschritten werden können?) Für den Vegetationspunkt be- steht in keinem Falle ein inneres, etwa „erblich fixiertes“ Bedürfnis zur Bevorzugung dieser oder jener zulässigen Blattform. Derselbe ist vielmehr stets befähigt, jede innerhalb der von der erblichen spezifischen Struktur gesteckten Grenzen befindliche Blattform hervorzubringen; die Entscheidung, weiche Form jeweils tatsächlich gebildet wird, liegt bei den inneren Bedingungen, die wiederum von den äußeren Be- dingungen abhängen. In prinzipieller Hinsicht sind alle von der spezifischen Struktur zulässigen Formen als gleichwertig anzusehen. Wenn bei der Keimung der heterophyllen Pflanzen zunächst stets die Jugendform gebildet wird, so ist dies nur darauf zurückzuführen, daß die Her- stellung der für die Folgeform maßgebenden inneren Bedingungen — nämlich des Überwiegens der organischen Substanz über die Nähr- 1) Über das Treiben der einheimischen Bäume speziell der Buche, Sitzber. Heidelb. 1914, Ak. Wiss., Math.-nat. Kl, 3. Abh, 2) Um nachzuweisen, wo die von der spezifischen Struktur gezogene Grenze liegt, müssen wir die betreffende Art dem Einfluß der verschiedensten äußeren Bedingungen unterwerfen. Da indessen dabei eine Erschöpfung der möglichen Kombinationen praktisch unmöglich ist, 80 ist auch eine genaue Kenntnis des Ver- laufs dieser Grenze in Wirklichkeit nicht zu erlangen. Über die Bedingungen der Heterophyllie bei Petroselinum sativum Hoffm. 47 salze — eben erst später, nachdem die eigene Assimilation tätig ge- wesen ist, möglich gemacht wird. Gestützt auf die oben gewonnenen Ergebnisse und theoretischen Schlüsse will ich im folgenden den Versuch machen, ein hypothetisches Bild von der Entwicklung der Petersilie in der Natur zu entwerfen. Es ist selbstverständlich, daß ich damit keinesfalls den Zweck verfolge, all die Einzelprozesse zu präzisieren oder ihr kompliziertes Ineinander- greifen zu analysieren. Das Bild soll vielmehr dazu dienen, unsere Anschauung an diesem bestimmten Beispiel klarzulegen. Es kommt daher dabei auch nicht darauf an, ob jeder Einzelvorgang in Wirklich- keit in der dargestellten Weise sich abspielt; die Hauptsache ist die prinzipielle Grundlage, auf der die ganze Betrachtungsweise beruht. Wird dann diese Grundlage auch bei der Betrachtung der Entwicklung anderer Pflanzenarten angewendet, so kann sie die für die experimentelle Erforschung jener Arten notwendige Richtlinie abgeben. Die Ver- besserung und Vervollständigung dieses Entwurfes muß der Zukunft überlassen werden. Die Form, in welcher der Vegetationspunkt der Petersilie aus- treibt, hängt von der Art der Ernährung desselben ab. Die dem Vegetationspunkt zur Verfügung stehende Nahrung ist in ihrer Zu- sammensetzung im wesentlichen quantitativen Verschiedenheiten unter- worfen. Fassen wir die beiden großen Kategorien von Nährstoffen, nämlich die organischen und anorganischen ins Auge, so können wir die jeweilige besondere quantitative Zusammensetzung der Nährstoffe durch das Verhältnis (organische Substanz): (Nährsalze) ausdrücken. Bleibt dieses Verhältnis innerhalb bestimmter Grenzen, und zwar der- art, daß man von einem relativen Überwiegen der Nährsalze über die organische Substanz sprechen kann, so wächst die Pflanze rein vege- tativ und die Blätter verharren in der ursprünglichen Form: die Pflanze verharrt in der Jugendform. Verschiebt sich dagegen das Verhältnis der Nährstoffe zueinander derart, daß man von einem relativen Über- wiegen der organischen Substanz über die Nährsalze sprechen kann, so geht die Pflanze in die Folgeform über. In gleicher Weise wie die Verschiebung des Verhältnisses der organischen Substanz zu den Nährsalzen zugunsten der ersteren eine allmählich zunehmende ist, so ist auch der Übergang der Pflanze von der Jugendform in die Folge- form ein allmählicher. Jedem Verhältnis der überwiegenden organischen Substanz zu den Nährsalzen entspricht eine besondere Blattform. Hat das Überhandnehmen der organischen Substanz über die Nährsalze den höchsten Grad erreicht, so erfolgt an Stelle von Blättern Blüten- 48 Georg Lakon, bildung. Unter diesen Voraussetzungen wäre die normale Entwicklung der Petersilie etwa folgendermaßen zu verstehen: Nach erfolgter Keimung stehen zunächst der jungen Keimpflanze — was organische Substanz betrifft — nur die im Samen abgelagerten Reservestoffe zur Ver- fügung. Wir wollen die Frage, ob in diesem allerersten Stadium der Entwieklung ein Überwiegen der organischen Substanz über die Nähr- salze überhaupt möglich ist, dahingestellt sein lassen. Solange die ersten Organe der Pflanze, nämlich die ersten Wurzeln und die ersten Blätter ausschließlich auf Kosten der Reservestoffe gebildet werden, findet auch eine Verschiebung in dem Verhältnis der organischen Sub- stanz zu den Nährsalzen statt, und zwar immer mehr zugunsten der letzteren, denn einerseits werden die verfügbaren Mengen der organischen Substanz immer kleiner, andererseits wird die Nährsalzzufuhr infolge der Vergrößerung des Wurzelsystems immer größer. Mit dem Ein- setzen der eigenen Assimilationstätigkeit tritt die Bildung von organischer Substanz ein. Die Pflanze verfügt dann über neue Mengen organischer Stoffe, welche mit der fortscheitenden Vergrößerung der Blattfläche — absolut genommen — immer größer werden. Aber auch die Nähr- salzaufnahme nimmt allmählich an Intensität zu. Die infolge der sehr günstigen äußeren Bedingungen sehr hohe Wachstumsfäbigkeit läßt eine Zunahme der organischen Substanz nicht zu, sondern sie führt einen lebhaften Verbrauch derselben herbei; der Verbrauch der Stoffe findet sofort statt, d. h. sobald ihr Konzentrationsverhältnis den für das Wachstum zulässigen niedrigsten Grad erreicht hat. Wir können wohl annehmen, daß im allgemeinen bei sehr günstiger Temperatur und Bodenfeuchtigkeit — unter Voraussetzung eines unerschöpflichen Nährsalzgebaltes des Bodens — die Nährsalzaufnahme eine sehr hohe ist. Unter diesen Umständen ist in diesem Stadium der Entwicklung das Verhältnis der von den Vegetationspunkten als Nahrung auf- genommenen Nährstoffe durch das Überwiegen der Nährsalze über die organische Substanz gekennzeichnet. Solange diese Verhältnisse be- stehen bleiben, fährt die Pflanze beständig fort, neue Blätter der ur- sprünglichen Form zu bilden, sie verharrt im Jugendstadium. Aber schon im Hochsommer werden diese Verhältnisse mehr oder minder tiefgreifend gestört. Denn zu dieser Zeit, wo die Assimilation ihren Höhepunkt erreicht, wird in der Natur einerseits die Nährsalzaufnahme infolge der großen Bodentrockenheit herabgesetzt, andererseits der Verbrauch der organischen Nährstoffe infolge der durch die hohe relative Lufttrockenheit verminderten Wachstumstätigkeit eingeschränkt. So fangen allmählich die organischen Stoffe an, die Überhand zu ge- Über die Bedingungen der Heterophyllie bei Petroselinum sativum Hoffm. 49 winnen. Bevor dieses Überhandnehmen der organischen Substanz die für den Eintritt der Folgeform notwendige Höhe erreicht hat, findet gegen Ende der Vegetationsperiode im Spätsommer und im Herbst eine Änderung der äußeren Bedingungen, vor allem der Temperatur statt, und zwar derart, daß ihre Kombination ein Wachstum überhaupt nicht mehr zuläßt; insbesondere werden die Nächte kalt, so daß die Bildung von neuen Organen bzw. ihre Streeckung immer mehr ein- geschränkt und schließlich ganz eingestellt wird. Zu jener Zeit ist aber die Assimilation des reichen Blattwerkes bei noch. hoher Lichtintensität sehr lebhaft. Die gebildeten organischen Substanzen können nicht mehr restlos verkonsumiert werden, so daß ein Überschuß an organischer Substanz eintritt, der bis Ende der Vegetationsperiode zu Anfang des Winters fortbesteht. Die überschüssigen organischen Substanzen werden in den Wurzeln abgelagert, so daß die Pflanze mit einem großen Vor- rat an Reservestoffen in die Winterruhe übergeht. Die Vorgänge im Winter, welche im wesentlichen in einem geringen Verbrauch von Reservestoffen infolge‘ der Atmung bestehen, können hier übergangen werden. Die Pflanze geht im nächsten Frühjahr mit größeren Vor- räten in die neue Vegetationsperiode über. Treten nunmehr günstige Wachstumsbedingungen ein, so stehen dem Vegetationspunkte Nähr- stoffe zur Verfügung, welche durch das Überwiegen der organischen Substanz über die Nährsalze gekennzeichnet sind. Unter diesen Um- ständen geht die Pflanze in die Folgeform über und die Blätter weisen nunmehr die ersten Merkmale der höheren Form auf. Das Überwiegen der organischen Substanz über die Nährsalze nimmt mit dem Eintritt des trockenen Sommerwetters zu und erreicht im Hochsommer seinen Kulminatiouspunkt. Hand in Hand mit diesem relativen Anwachsen der organischen Substanz geht die Verstärkung des höheren Charakters der Blätter; schließlich werden Blüten gebildet. Die stark überschüssigen organischen Stoffe im Herbst, die infolge der starken Abkühlung ins- besondere nachts nicht mehr zur Bildung neuer Organe verwendet werden können, strömen zu den Samenanlagen zu und werden dort als Reservestoffe abgelagert. Die völlige Inanspruchnahme der organischen Nährstoffe durch die Samenbildung verhindert offenbar die Verwendung eines Teiles der ersteren zur Ernährung der Pflanze selbst, besonders des unterirdischen Teiles derselben, so daß schließlich die Pflanze an Erschöpfung abstirbt. Entsprechend dieser Vorstellung von der normalen Entwicklung der Petersilie können wir die Umstände, welche zur Bildung von Ab- normitäten mit Rückschlägen zur Jugendform (wie z. B. das eingangs lora, Bd, 110. 4 50 Georg Lakon, erwähnte Individuum) führen, im großen und ganzen etwa folgender- maßen verstehen: Es ist erstens möglich, daß die Pflanze schon beim Eintritt in das 2. Lebensjahr nicht mit dem üblichen Überschuß an organischen Reservestoffen übergeht, was entweder infolge Blattver- lustes, oder infolge von ungenügendem Licht bzw. von zu starker Nähr- salzzufahr dureh große Bodenfeuchtigkeit im Sommer, oder von beiden zugleich der Fall sein kann. Geht dann die Pflanze zu Anfang des 2. Jahres in die Folgeform über, so kann der Fall eintreten, daß die ‘organischen Reservestoffe frühzeitig erschöpft werden, und zwar bevor die äußeren Bedingungen an und für sich befähigt sind, ein Überwiegen der organischen Substanz über die Nährsalze herbeizuführen. Auf diese Weise tritt eine Stockung in der Entwicklung der Folgeform ein und es entstehen Rückschläge zur Jugendform. Ist dann im Sommer durch das Zustandekommen der für das Überwiegen der organischen Substanz maßgebenden Bedingungen die Störung beseitigt, so kann die Pflanze wieder in die Folgeform übergehen. Die zweite Möglichkeit besteht darin, daß zwar die Pflanze nach normaler Entwicklung im 1. Lebens- jahre mit den üblichen Reservestoffmengen in das 2. Lebensjahr übergeht, aber in diesem letzteren die Bedingungen für die Aufrechterhaltung und Verstärkung des Übergewichts der organischen Substanz über die Nähr- salze fehlen, was auch hier sowohl infolge Blattverlustes, wie infolge geringer Lichtintensität und ungewöhnlich hoher Bodenfeuchtigkeit der Fall sein kann. -— In der Natur sind wohl meistens die während der beiden Entwicklungsjahre wirksamen äußeren Faktoren für den abnormen Wuchs verantwortlich: Diejenigen Individuen, welche aus irgendeinem Grund im 1. Entwicklungsjahre ungenügende Mengen von Nährstoffen aufgespeichert haben, sind der ungenügenden Intensität der für die Folgeform günstigen Bedingungen gegenüber am meisten empfindlich und fallen ihr am leichtesten zum Opfer. Zum Schluß sei noch die Frage kurz berührt, ob auf Grund unserer Auffassung die Heterophyllie unbedingt mit der Blühreife gleichen Schritt halten muß, oder ob eine heterophylle Pflanze auch ohne aus der Jugendform herauszutreten bzw. ohne die endgültige höhere Form zu erreichen zur Blütenbildung schreiten kann. Wir haben oben angenommen, daß die verschiedenen Blattformen und schließlich auch die Blütenbildung dem jeweiligen Verhältnis der orga- nischen Substanz zu den Nährsalzen entsprechen. In der Natur finden meist die Veränderungen in dem Verhältnis der besagten Stoffgruppen nur allmählich statt, so daß das für die Blütenbildung maßgebende Verhältnis erst nach dem Zustandekommen der Zwischenstadien, welche Über die Bedingungen der Heterophyllie bei Petroselinum sativum Hoffm. 51 die höheren Blattformen bedingen, auftreten kann. Theoretisch ist es aber nicht ausgeschlossen, daß durch besondere Umstände derartige Umwälzungen in den inneren Bedingungen herbeigeführt werden können, daß in dem Vegetationspunkt einer im Jugendstadium befindlichen Pflanze plötzlich und olme vermittelnde Übergänge das hochgradige Überwiegen der organischen Substanz über die Nährsalze, welches für die Blütenbildung und nur für diese maßgebend ist, zustandegebracht wird. Aber auch ohne derartige außergewöhnliche Umwälzungen der inneren Bedingungen ist eine Blütenbildung vor der Ausbildung der Endform der Folgeblätter denkbar, so z. B. wenn der normale Verlauf der Vegetationsperiode jähe Wechsel aufweist, die zur plötzlichen Herbei- führung der für die Blütenbildung maßgebenden inneren Bedingungen führt und zwar zu einer Zeit, wo die vollständige Entfaltung der üb- lichen Blattformreihe noch nicht erreicht worden war. Unsere Auf- fassung läßt also theoretisch die Möglichkeit der Blütenbildung inner- halb des Jugendstadiums zu. Bei der Petersilie gelang es mir nicht, solche Formen zu erzielen. Ein in dieser Hinsicht sehr bemerkens- werter Fall wurde von Goebel!) bei Campanula rotundifolia beobachtet. Im übrigen sei auf das bekannte Werk von Diels?) ver- wiesen. 1) Flora 1905, Bd. XCV, S. 232—234. 2) Jugendformen und Blütenreife im Pflanzenreich. Berlin 1906. 4* Die Beziehungen des Kernkörperchens zu den Chromo- somen und Spindelfasern. Von P. N. Schürhoff. (Mit 3 Abbildungen im Text.) Über die Bedeutung des Kernkörperchens haben die Ansichten häufig gewechselt. Ausführlich wurde das Verhalten des Kernkörperchens bei der Kernteilung zuerst von Zimmermann!) untersucht, der dar- auf aufmerksam machte, daß bei der Karyokinese häufig extranukleare Nukleolen auftreten. Er war der Meinung, daß die Kernkörperchen nicht bei jeder Teilung neugebildet würden, sondern sich stets von- einander ableiteten, so daß er glaubte den Satz aussprechen zu dürfen: Omnis nucleolus e nucleolo. In seiner „Morphologie und Physiologie des pflanzlichen Zell- kerns“3}) kommt derselbe Autor zu dem Ergebnis, daß dieser Satz wahrscheinlich. keine. allgemeine Gültigkeit habe. Er erwähnt dort bereits die verschiedenen Ansichten über die Beziehungen des Kern- körperehens zu den Chromosomen, der achromatischen Kernfigur, den Centrosomen und der Membranbildung. ‘Von diesen Ansichten kommen für uns nur noch die Anschauungen über die Beziehungen zu den Chromosomen und zu der achromatischen Kernfigur in Betracht. Für den Zusammenhang der letzteren mit den Kernkörperchen trat damals Strasburger auf Grund seiner Untersuchungen an den Pollenmutter- zellen von Larix europaea ein; über die Angaben, daß die Nukleolen zur Bildung der Chromosomen verwendet würden, äußert sich Zimmer- mann folgendermaßen: „Daß die Substanz der Nukleolen bei der Bildung der Chromo- somen Verwendung finden sollte, wurde von Went zunächst damit begründet, daß er in verschiedenen Fällen beobachten konnte, daß die Nukleolen oder die Zerfallsprodukte derselben während des Knäuel- stadiums dem Kernfaden anliegen, und daß stellenweise nach dem Ver- schwinden derselben an dem sonst sehr gleichmäßig dicken Kernfaden lokalisierte Anschwellungen vorhanden waren. Ein Anschmiegen der Chromosomen an die Nukleolen wurde speziell für die Embryosack- 1) Zimmermann, Über das Verhalten der Nukleoien während der Karyo- kinese. Beitr. z. Morph. u. Phys. d. Pflanzenzelle, 1898, Bd. II, Heft 1. 2} Zimmermann, Jena 1896. Die Beziehungen des Kernkörperchens zu den Chromosomen und Spindelfasen. 583 kerne der Amaryllideen neuerdings auch von Strasburger angegeben. Ferner konnte Farmer bei verschiedenen Lebermoosen, speziell in den Sporenmutterzellen von Fossombronia beobachten, daß die Teil- stücke der Nukleolen mit den Chromosomen in Berührung treten. Einige ähnliche Beobachtungen wurden ferner auch bei tierischen Zellen gemacht. So beobachtete O. Hertwig, daß bei Ascaris Zerfall- produkte der Nukleolen zunächst dem Kernfaden aufgelagert und schließlich ganz von demselben umschlossen wurden. Das gleiche konnte F. Reinke an den Kernen der Mäusemilz feststellen.“ „Schließlich sei noch erwähnt, daß ich (Zimmermann) neuerdings an den Kernteilungsfiguren des Embryosack- Wandbelags von Lilium Martagon nach Fixierung mit Chromsäure und Platinchlorid und Fär- bung mit Fuchsin und Jodgrün in den Endstadien des Spirems beob- achten konnte, daß einzelne rote Kugeln, die außerdem auch in großer Zahl in der Umgebung der betreffenden Kerne zu beobachten waren, den violett gefärbten Chromosomen teils seitlich ansaßen, teils auch ganz von denselben aufgenommen waren, so daß sie kleine Auftreibungen an denselben bildeten.“ „Derartige Beobachtungen sprechen natürlich sehr dafür, daß Zerfallsprodukte der Nukleolen direkt von den Chromosomen auf- genommen werden, und es wäre jedenfalls wünschenswert, daß einmal mit Hilfe geeigneter Präparationsmethoden die Verbreitung derartiger Erscheinungen festgestellt würde.“ „Außerdem wäre nun aber sehr wohl möglich, daß gelöste Nukleo- larsubstanz von dem Kernfaden aufgenommen wird und es läßt sich in der Tat das bereits besprochene tinktionelle Verhalten der Chromo- somen zugunsten dieser Annahme anführen. Natürlich müßte aber dann die Änderung in dem tinktionellen Verhalten der Chromosomen stets mit dem Verschwinden der Nukleolen oder wenigstens mit einer Abnahme derselben zeitlich zusammenfallen. In der Tat wird denn auch von Went und Farmer u.a. angegeben, daß ein zeitliches Zu- sammentreffen der beiden genannten Erscheinungen in manchen Fällen nachweisbar ist.“ Über die Ansichten von der Bedeutung des Kernkörperchens be- richtet im Jahre 1904 Körnicke!): „Die Nukleolen in den Kernen der höheren Pflanzen sind verschieden von denjenigen der niederen. Aus denen der niederen gehen direkt Chromosomen hervor oder ihr Material wird bei der Chromosomenbildung verwandt (Mottier, 1) Körnicke, Der heutige Stand der pflanzlichen Zellforschung. Ber. d. D. Bot. Ges. 1903. 54 P. N. Schürhoff, Chamberlain). Die der höheren liefern nach Strasburger das Material zur Bildung der kinoplasmatischen Zelibestandteile. Allerdings mehren sich die Angaben, daß auch sie sich an der Chromosomen- bildung beteiligen (Gardner, Duggar, Wager, Coker), eine An- schauung, die auf zoologischem Gebiete von Hertwig besonders ver- treten wird. Vielleicht haben wir, worauf die neueren Literaturangaben hinweisen, in dem Nukleolus einen Reservestoffkörper vor uns, welcher je nach Bedarf sowohl Kinoplasma- wie Kernfadenmaterial liefert.“ Hiernach stand also Strasburger auf dem Standpunkte, daß das Material der Nukleolen der höheren Pflanzen ausschließlich zur Spindelbildung benutzt wird. Bei den Algen ist nach einheitlicher Auffassung der Nukleolus der Träger der Chromatinsubstanz. Nach Golenkin gehen aber auch bei den Moosen die Chromosomen aus den Kernkörperchen hervor. Zu diesen Angaben paßt auch gut die im freien Zytoplasma erfolgende Spindelbildung bei Selaginella. Hier rückt nach Denke der Kern vor Beginn der Spindelbildung in die Nähe der Wand. In der neben ihm liegenden Zytoplasmapartie treten Kinoplasmafäden auf, die zunächst wirr durcheinander verlaufen, sich alsbald aber zu einer kleinen bipolaren Spindel mit wohlausgebildeten Polen anordnen. Die Spindel nimmt an Größe zu, bis ikre Pole fast die Peripherie der Zelle erreichen; von den Polen nach der Kernwand werden nunmehr feine Kinoplasmafasern ausgesandt, die sich dort festsetzen, sich verkürzen und den Kern so in die Spindel hineinziehen. Erst nachdem der Kern vollständig in die Spindel hineingezogen ist, löst sich die Kernwand auf, von den Polen dringen die Spindelfasern in die Kernhöhle ein!). In der 2 Tage vor seinem Tode abgesandten Niederschrift zur „Pflanzliche Zellen- und Gewebelehre“?), die wir also als die letzte Wiedergabe des Standpunktes dieses Forschers auch in bezug auf diese Frage ansehen können, gibt Strasburger seiner Anschauung folgenden Ausdruck: „Hierauf verschwinden im Kerninnern die Kern- körperchen, die zwar schon vorher an Substanz eingebüßt hatten, weil sie zur Ernährung der Chromosomen beitrugen, im übrigen aber noch fortbestanden. Zugleich löst sich die Kernwandung auf, und die Zyto- plasmastrahlen wachsen, vermutlich die Substanz der geschwundenen Kernkörperchen hierzu verwendend, von den Polen aus in die Kern- höhle hinein.“ 1) Nach Körnicke, a, a. O. 2) „Die Kultur der Gegenwart.“ Leipzig und Berlin, 1913. Die Beziehungen des Kernkörperchens zu den Chromosomen und Spindelfasern. 55 Hieraus sehen wir, daß Strasburger seine frühere Auffassung nicht aufrecht erhalten hat, sondern dem Kernkörperehen auch eine Rolle in der Ernährung der Chromosomen zuspricht. Strasburger gelangte zu seinem Standpunkte vor allem auf Grund gewisser morphologischer und färberischer Eigenschaften des Kernkörperchens, während von anderer Seite die Frage durch die Er- forschung des chemischen Verhaltens zu klären versucht wurde. So u. a. von Nömec!), der feststellen konnte, daß sich das Kernkörperchen chemisch sowohl anders verhält, wie die Chromosomen, als auch wie die Spindelfasern. Daß hieraus keine entscheidende Beurteilung her- zuleiten ist, ergibt sich z. B. auch daraus, daß die Chromatinkörnchen chemisch sich anders verhalten wie die Chromosomen. Da das Kernkörperchen keinen unveränderlichen Bestandteil des Kerns darstellt, wie vor allem aus seiner Auflösung bei der Kern- teilung hervorgeht, so können chemische Untersuchungen nur feststellen, zu welcher Gruppe von Eiweißkörpern er während der Ruheperiode des Kerns gehört. Darüber, was er während der Mitose darstellt, oder wozu seine Substanz verwendet wird, werden uns chemische Unter- suchungen keine Auskunft geben. Ebenso wie uns z. B, die chemische Formel der Stärkekörner keinen unmittelbaren Aufschluß über die jeweilige Verwendung des in ihnen niedergelegten Reservematerials gibt. Das färberische Verhalten ist ebensowenig ausschlaggebend, denn es stellt nur eine Abart der mikrochemischen Untersuchung dar. Es ist allerdings nicht zu entbehren, da es uns über das Vorhandensein des Kernkörperehens und das gleichzeitige oder nachfolgende Auftreten jener Strukturen unterrichtet, an deren Zustandekommen das Kern- körperchen Teil haben soll. Insofern ist also das färberische Ver- halten nur ein Hilfsmittel der morphologischen Untersuchung. Diese ist imstande, uns die besten Untersuchungsergebnisse zu liefern. Um einen genauen Einblick in das Verhalten des Kernkörperchens während der Kernteilung zu bekommen, halten wir uns am besten an die großen Kerne der Liliazeen und zwar hier wiederum wegen der besonderen Deutlichkeit der Kernbilder an die haploide Generation. Da wir in wesentlicher Weise auch das Zytoplasma zu berücksichtigen haben, so werden wir zweckmäßig die Entwicklungsstadien des Embryo- sackes zur Untersuchung heranziehen. Derartige Untersuchungen sind in überaus großer Anzahl von ersten Forschern gerade an diesem Material angestellt, so daß die zur Beobachtung gelangenden Bikler 1) Nämec, Das Problem der Befruchtungsvorgänge, 1910. 56 P. N. Schürhoff, in zahlreichen Abhandlungen niedergelegt sind; es erübrigte sich daher im allgemeinen für die vorliegende Besprechung ein besonderes Ab- bildungsmaterial vorzulegen. Im Werdegang einer jeden Pflanze tritt ein Augenblick ein, in dem an den Chromatinvorrat außerordentliche Ansprüche gestellt werden; es ist dies der Übergang von der diploiden zur haploiden Generation. Die haploide Generation zeichnet sich durch wesentlich größere Chromo- somen aus, als wie sie der diploiden zukommen, und trotz der Ver- minderung der Anzahl der Chromosomen ist die Chromatinsubstanz in weit größerer Menge in der haploiden Generation vertreten. Die außerordentliche Zunahme des Chromatins ist zuerst in der Diakinese festzustellen, also vor Beginn der Reduktionsteilung. Nun finden wir gewissermaßen als Beginn der Prophase dieser Teilung das Stadium der Synapsis; vor der ‘Synapsis ist keine wesentliche Zunahme des Chromatins zu bemerken, der Kern hat zwar schon die dem Synapsisstadium entsprechende Größe, und das in der Einzahl oder Mehrzahl vorhandene große Kernkörperchen zeigt bereits an, daß Material für erhöhte Ansprüche an Kernsubstanz bereitgestellt ist. Das Stadium der Synapsis ist nun dadurch ausgezeichnet, daß sich die Gesamtheit aller fädigen Elemente des Kerns dem Kern- körperchen anlegt. Wenn wir hier von den verschiedenen Theorien, die sich auf die Wechselwirkung der einzelnen Chromosomen beziehen, absehen wollen, so läßt sich andererseits nicht in Abrede steilen, daß es in diesem Stadium zu lebhaften Beziehungen der künftigen Chromo- somen zu dem Kernkörperchen kommt. Jedenfalls besitzt das Stadium der Synapsis, von sonstigen Wechselwirkungen abgesehen, auch eine wesentliche ernährungsphysiologische Rolle, indem nämlich während dieser Zeit die Chromosomen dem Kernkörperehen Substanz zu ihrer Vergrößerung entnehmen. Auch die Intensität der Färbung läßt darauf schließen, daß wir in der Diakinese einen wesentlich substanzärmeren Nukleolus vor uns haben als in der Synapsis. Wenn nun auch der Einwand erhoben werden könnte, daß die Existenzberechtigung des Kernkörperchens etwa zur Zeit der Diakinese nicht mehr gegeben wäre, ist dem entgegenzuhalten, daß die Pflanze in der Beschaffung von Reservematerial nach Möglichkeit über den Bedarf des unbedingt Notwendigen hinausgeht. Da aber die haploide Generation für die höheren Pflanzen eine Vorbedingung für die Er- haltung der Art ist, so erscheint es nicht verwunderlich, wenn in reich- licher Menge die notwendige Substanz für die Bildung der Chromo- somen bereitgestellt wird. Die Beziehungen des Kernkörpercheng zu den Chromosomen und Spindelfasern. 57 Andererseits überrascht uns das Auftreten extranuklearer Nukleolen bei der Reduktionsteilung nicht mehr, denn der Bedarf der Chromo- somen an Chromatinsubstanz ist jetzt befriedigt und das überflüssige Reservematerial kann wieder in das Zytoplasma zur weiteren Ver- wertung ausgestoßen werden. Wir sehen infolgedessen diese extra- nuklearen Nukleolen auch nach der Telophase der Teilungen im Embryo- sack bestehen bleiben, eben aus dem Grunde, weil sie nicht mehr zur Vermehrung der Chromatinsubstanz benötigt werden. Noch einen anderen Schluß können wir aus dem Verhalten der extranuklearen Nukleolen ziehen, nämlich daß die Nukleolarsubstanz nicht in Lösung durch die Kernwand hinausdiffundiert. Die extra- nuklearen Nukleolen bilden sich bei der Auflösung der Kernwanıd aus dem Kernkörperchen und zeigen durch ihr längeres Fortbestehen im Zytoplasma an, daß sie einer Umwandlung in zytoplasmatische Bestand- teile einen erheblichen Widerstand entgegensetzen. Würde die Nukleolar- substanz zur Bildung kinoplasmatischer Gebilde, z. B. der Spindelfasern, verwandt, so müßte eine Umwandlung der Kernkörperchen in Kino- plasma ohne Zögern erfolgen, da wir ja bei der Spindelbildung es auch nicht mit einer sehr langsamen Umwandlung von einzelnen organisierten Nukleolarkörperchen in Fasersubstanz zu tun haben, sondern die Spindel- bildung in kürzester Zeit zur Ausbildung kommt. Als besonders geeignetes „klassisches“ Objekt erweist sich für unsere Betrachtungen Lilium Martagon. Die Embryosackmutterzelle enthält einen oder mehrere Kernkörperchen, während der Synapsis findet sich jedoch fast stets nur ein einziges vor; bei der Diakinese treten jedoch häufig wieder mehrere Nukleolen auf. Die Farbstoff- speicherung bei der Färbung mit Anilinfarben nimmt vom Stadium der Synapsis beginnend allmählich mehr und mehr ab, so daß es den Ein- druck macht, als ob das Kernkörperchen inhaltsärmer würde. Bei Färbung mit Safranin-Wasserblau werden die Kernkörperchen vom Stadium der- Synapsis an meistens rein blau im Gegensatz zu den leuchtend roten Chromosomen gefärbt. Es spielt sich also der Vorgang der Zunahme der Chromosomen gleichzeitig mit der Abnalıme der Sub- stanz des Kernkörperchens ab. Zu beachten ist, daß während dieser Zeit die Kernmembran intakt bleibt, so daß ein Austreten der Nukleolar- substanz nicht anzunehmen ist; allerdings beobachten wir im Stadium der Synapsis regelmäßig, daß das Kernkörperchen der Kernwand direkt anliegt, so daß während dieses Stadiums ein Auftreten von Nukleolar- substanz nicht ausgeschlossen wäre, doch finden sich im umgebenden Zytoplasma keine Anzeichen für eine derartige Abgabe von Substanz. 58 P. ®. Schürhoff, Es treten weder in der Umgebung des Kernkörperchens zu dieser Zeit regelmäßig extranukleare Nukleolen auf, noch findet sich hier eine Anhäufung oder Verdichtung der fädigen Zytoplasmastruktur. Dagegen treten im Stadium der Entwirrung des synaptischen Knäuels im Zytoplasma derbe Fasern in sehr großer Menge auf, so daß fast das gesamte Zytoplasma bierfür verbraucht zu sein scheint; diese Fasern gehen allmählich wieder zuück und sind während der Diakinese wieder verschwunden. Beziehungen zwischen Bildung und Verschwinden dieser Fasern und dem Verhalten des Nukleolus sind nicht aufzufinden. Diese Strukturänderungen des Zytoplasma sind wiederholt be- schrieben worden: „Neben der wie gewöhnlich netzwabigen Struktur, schreibt Mottier, kann man dann dicke Stränge oder Fäden bemerken. Sie stellen eine Art Filz oder eine dichtere Zone im Umkreis des Kerns dar; manchmal treten sie als deutliche sichtbare Massen von dicken, fast parallel verlaufenden Fäden im oberen oder unteren Ende der Zelle hervor, oder sie laufen auch wohl vom Kern in einer oder mehreren Richtungen strahlig nach außen. Auf einem wesentlich späteren Entwicklungsstadium beginnt diese zytoplasmatische Differen- zierung zu verschwinden und erst zur Zeit, wo die Spindel erzeugt werden soll, treten neue faserige Strablungen um den Kern auf. Letztere nehmen beim Dreifarbenverfahren die dem Kinoplasma zukommenden Töne an, während die faserigen Bildungen der jüngeren Zustände sich in ihrem Färbungsvermögen, nach Mottier, von den netzwabigen Teilen des Zytoplasma nicht unterscheiden)“ Strasburger steht unter dem Eindruck, „als wenn zwischen Nukleolarsubstanz und diesen Fibrillen eine bestimmte Beziehung bestehe und ihre Ausbildung durch diffuse Verteilung von Nukleolarsubstanz in der Grundmasse des Zyto- plasma, d. h. seinem Kinoplasma bedingt werde.“ Dem ist jedoch ent- gegenzuhalten, daß, wie schon erwähnt, zwischen dem Kernkörperchen und dem Auftreten bzw. Verschwinden dieser Zytoplasmastrukturen keine Beziehungen nachzuweisen sind, und ein Hinausdiffundieren ge- löster Nukleolarsubstanz sich mit dem Verhalten des Nukleolus und vor allem der Entstehung der extranuklearen Nukleolen nicht ver- einigen läßt. Im Stadium der Diakinese beobachtet man nun häufig, daß der Nukleolus in verschiedene kleine Nukleolen zerfällt und während des 1) Strasburger, Chromosomenzahlen usw. Jahrb. f. wiss, Bot. 1908, Bd. XLY, pag. 4. Die Beziehungen des Kernkörperchens zu den Chromosomen und Spindelfasern. 59 Eindringens und der Bildung der Spindelfasern findet man in dem ursprünglichen Kernraum eine große Anzalıl kleiner Körperchen, die als die Reste der Nukleolen anzusprechen sind. Fassen wir aus diesen Vorgängen die in Betracht kommenden Punkte kurz zusammen, so ergibt sich: Die Zunahme der Chromosomensubstanz erfolgt gleichzeitig mit der Abnahme der Nukleolarsubstanz. Fädige Differenzierungen im Zytoplasma während der Prophase treten auf und verschwinden wieder ohne Beziehung zum Kern- körperchen. . Bei der Spindelbildung finden sich die Reste des Kernkörperchens in sehr kleine -Nukleolen zerfallen vor, ohne daß sich zwischen Aus- bildung der Spindel und Menge an Nukleolarsubstanz Beziehungen ergeben. Ein weiteres Beispiel für das vom Nukleolus unabhängige Ent- stehen zytoplasmatischer, wohl ausgebildeter Fasern bilden -die Faden- apparate der Synergiden. Während die Bildung der Spindelfasern bei der Mitose einigermaßen im umgekehrten Verhältnis zur Ausbildung des Nukleolus steht, sehen wir den Fadenapparat der Synergiden erst nach völliger Rekonstruktion der Synergidenkerne zur Ausbildung ge- langen und wir können jedenfalls sagen, daß keine Beziehungen zwischen Nukleolus und Fadenapparat nachzuweisen sind. Hierbei ist besonders zu betonen, daß der Fadenapparat der Synergiden morphologisch den Spindelfasern sehr nahe steht. Über die Rolle des Kernkörperchens gewinnen wir ferner ein Urteil aus dem Verhalten der Kerne bei der Befruchtung. Nach Strasburger!) wird ein Drittel der Substanz des Spermakerns nach seiner Vereinigung mit dem Eikern zur Bildung eines Kernkörperchens verwendet. Da nun Strasburger dafür eintritt, daß bei der Be- frachtung kein männliches Zytoplasma für die Eizelle verwendet wird, so muß dieses Kernkörperchen ausschließlich dem Chromatinbestand des generativen Kerns entstammen. Denn die generativen Kerne ent- halten nur das Material der Chromosomen, da nach der Teilung im Pollenschlauch die sehr reduzierte Spindel im Zytoplasma aufgelöst wird, ohne daß ein nachweisbarer Rest davon zurückbleibt; hingegen bleiben die Chromosomen noch längere Zeit als solche erhalten, ohne sich mit einer Kernmembran zu umgeben; es wird aber auch kein 1) Strasburger, Pflanzl. Zellen- und Gewebelehre, s. a. 0. 60 P. N. Schürhoff, Kernkörperehen angelegt, so daß also die Spermakerne nur dem Chromatinbestand entsprechen. Auch die Angabe, daß ein Drittel der Substanz des Spermakerns, also der Chromosomensubstanz dieses Kerns, in dem neugebildeten Kernkörperchen wiedererscheinen, stimmt zu unseren Beobachtungen, daß auch in anderen Kernen, z. B. der haploiden Generation von Liliun Martagon, die Chromatinsubstanz in den ausgebildeten Chromo- somen sich etwa wie 2:1 zur Nukleolarsubstanz des ruhenden Kerns verhält. Wollten wir jedoch annehmen, daß im Eikernnukleolus von den vorbergehenden Teilungen weibliche Substanz für die Spindelfasern aufgespeichert wäre, so würde sich daraus ergeben, daß der Nukleolus der höheren Pflanzen aus männlicher plus weiblicher Chromosomen- substanz und rein weiblicher Spindelfasersubstanz bestände; bei der Entstehung der haploiden männlichen Generation würde also der Nukleolus das Material für die männlichen Chromosomen und dazugehörige weib- liche Spindelfasern enthalten. Bei einer derartigen Schlußfolgerung müssen wir notwendigerweise auch die Voraussetzungen dazu ablehnen. Von Wichtigkeit ist weiterhin auch das Verhalten des Kern- körperchens in solchen Fällen, in denen der Kern auf weitere Teilungen verzichtet hat, wo also eine Spindelbildung überhaupt nicht mehr in Frage kommt; hier müßte eine entsprechende Verminderung der Nukleolar- substanz zu beobachten sein. Aber derartiges ist nicht nachzuweisen. Es kämen da z. B. die Kerne von einzelligen Haaren, die sich also niemals mehr teilen, in Betracht, ein Material, an dem u. a. Laibach!) seine Studien angestellt hat. An den Abbildungen dieses Autors ist aber eine wesentliche Reduktion der Nukleolarsubstanz nicht zu beob- achten, obwohl gerade die dort gezeichneten Kerne ihren Chromatin- vorrat nur zum Teil an das Kernkörperchen abgegeben haben; im Gegenteil ist zu bemerken, daß der Nukleolus in manchen dieser Kerne sehr groß, ja in Fig. 20 sogar außergewöhnlich groß ist. Ganz besonders bemerkenswert sind jedoch in dieser Beziehung die Amitosen; ich will hier nur auf die in den Internodialzellen der Charazeen beobachteten und die von mir?) im Endosperm bei Ranun- culus beschriebenen eingehen, da viele bisher als Amitosen bezeichneten Kernbilder sich als nicht unter den Begriff der Amitose fallend heraus- gestellt haben. 1) Laibach, Zur Frage nach der Individualität der Chromosomen im Pflanzen- reich. Dissertation, Bonn 1907. 2) Schürhoff, Amitosen von Riesenkernen im Eindosperm von Ranunculus acer (Jahrb. f. wiss. Bot. 1915). Die Beziehungen des Kernkörperchens zu den Chromosomen und Spindelfasern. 6f Über die Nukleolen der Kerne der Internodialzellen der Chara- zeen schreibt Strasburger: „Bei Nitella syncarpa fällt ein solcher Vorgang (Wanderung der Nukleolen an die Peripherie des Kerns) nicht als typisch auf, vielmehr nur eine bedeutende Vermehrung der Nukleolen, die zugleich unregelmäßige vielfach gestreckte Formen annehmen und deren Tinktionsfähigkeit wächst .... Reichtum an Nukleolen, Dichte des Gerüstwerkes und dessen verhältnismäßig starke Färbung bleiben die charakteristischen Kennzeichen der sich amitotisch vermehrenden Charazeenkerne !).* Auch die sich amitotisch teilenden Riesenkerne im Endosperm von Ranunculus acer haben zahlreiche große Nukleolen, die ich folgendermaßen beschrieben habe: „Die Nukleolen der Riesenkerne sind stets in der Mehrzahl in jedem Kern vertreten. Bei stark differen- zierten Färbungen mit Eisenhämatoxylin erhält man eine fast isolierte Färbung der Nukleolen. An solchen Präparaten läßt sich leicht fest- stellen, daß die größeren Nukleolen sich in Teilung befinden. Entweder finden wir hantelförmige Bilder oder die Nukleolen zeigen ähnliche Figuren, wie die Amitosen der Riesenkerne.“ Der Reichtum an Nukleolarsubstanz bei den sich amitotisch tei- lenden Kernen steht im umgekehrten Verhältnis zu dem Gehalt der Kerne an nachweisbarer Chromatinsubstanz, also ist hier wiederum ein Beweis, daß enge Beziehungen zwischen Nukleolar- und Chromatin- substanz bestehen. Durch Behandlung mit rauchender Salzsäure konnte Strasburger aus den Nitellakernen das Chromatin entfernen: „Das Linin des Gerüstwerkes ruhender Kerne war erhalten, so auch die Nukleolen. Zugleich konnte festgestellt werden, daß Has Gerüstwerk der amitotischen Kerne keine merkliche Veränderung erfahren hatte, ebensowenig wie deren Nukleolen. Daraus konnte ich den für meine Aufgabe zunächst genügenden Schluß ziehen, daß in den zur Amitose übergehenden Kernen die Substanz, die man hergebrachterweise als Linin bezeichnet, dauernd zunimmt; und so auch die Nukleolarsub- stanz, nicht aber das Chromatin. Die im Vergleich zu den mitotischen Kernen stärkere Tingierbarkeit des Gerüsts der amitotischen Kerne, die sich auch nach der geschilderten Salzsäurebehandlung erhält, dürfte somit auf einer Imprägnierung des Gerüsts dieser Kerne mit Nukleolar- substanz berulien.“ Ein weiterer Beweis für die Unabhängigkeit der Spindelfasern 1) Strasburger, Einiges über Charazeen und Amitose. Wiesner Fest- schrift 1908, 62 P. N. Schürhoff, von den Kernkörperchen ergibt sich aus dem Verhalten der mit Chlo- ralhydrat behandelten Kernteilungsbilder. Bekanntlich werden durch Chloralhydrat die Spindelfasern aufgelöst, so daß im Anschluß an die erfolgte Kernteilung die Zellteilung nicht durchgeführt wird; es ent- stehen auf diese Weise didiploide bzw. polydiploide Kerne. Diese Kerne. die also nach Zerstörung der Spindelfasern verschmolzen sind, bilden regelmäßige Nukleolen aus, und zwar kann man häufig feststellen, daß die Anzahl der Nukleolen der der verschmolzenen Kerne entspricht; doch kommt es auch öfter zu einer Verschmelzung der Nukleolen. Diese Nukleolen enthalten also jedenfalls keine Spindelfasersubstanz und doch sind diese Kerne imstande, sich in normaler Weise wieder zu teilen, wobei auch wieder normale Spindelfasern auftreten, die also auch nicht der Nukleolarsubstanz entstammen können. j Ein günstiges Objekt zur Beurteilung eines Zusammenhanges zwischen Kernkörperchen und Spindelfasern geben auch die Kerne im Endosperm ab. Es handelt sich hier bekanntlich um triploide Kerne und es ist wohl kein Zufall, daß wir in manchen Endospermen die Zahl von drei Kernkörperchen vorberrschend finden. Die Anlage der Zellwände erfolgt im Endosperm sehr spät und zwar ist hervorzuheben, daß die Spindelfasern zur Anlage der Membranen frisch angelegt werden. Nun haben sich die Kerne vorher vollkommen ausgebildet und es läßt sich feststellen, daß die Nukleolarsubstanz während der Ausbildung der Spindelfasern für die Membranbildung nicht verringert wird. Hieraus ergibt sich, daß der Phragmoplast unabhängig von den Nukleolen ge- bildet wird, daß er somit rein zytoplasmatischen Ursprungs ist. Dies letzte Beispiel zeigt die zeitliche Unabbängigkeit der Zell- wandbildung von der reinen Kernteilung in ausgesprochenem Maße; in ähnlicher Weise, wenn auch nicht so auffällig, läßt sich dieser Vor- gang an weitlumigen Zellen beobachten, z. B. wenn ältere Parenchym- zellen zur Teilung schreiten, wie dies u. a. bei der Bildung des Wund- periderms der Fall ist. Es bleibt unter diesen Umständen den Tochter- kernen hinreichend Zeit zur Rekonstruktion, während die Anlage der Zellwand peripher weiter fortschreitet; wir können dann auch fest stellen, daß die Tochterkerne bereits vollkommen den Typus des ruhenden Kerns erreicht haben, während die Zellwandbildung noch nicht beendet ist. Die endgültige Fertigstellung der Zellwand und damit das Ver- schwinden des Phragmoplasten hat auf die Kernkörperchen keine Wir- kung mehr. Überhaupt stehen die Tochterkerne mit den Phragmoplasten in den älteren Stadien der Zellwandbildung nur in sehr geringer Ver- bindung, so daß eine Wanderung der Substanzmasse der Phragmoplasten Die Beziehungen des Kernkörperchens zu den Chromosomen und Spindeifasern. 63 nach den Tochterkernen nicht anzunehmen ist; jedenfalls würden sich sonst hierfür morphologische Anzeichen finden lassen. Man kann sich ferner leicht überzeugen, daß die Masse der Spindelfasern bei der Zellwandbildung in weitlumigen Zellen andauernd zunimmt, während die Rückbildung der Tochterkerne und die Rekonstruktion der Nukleolen fortschreitet. Es läßt sich z. B. leicht durch Messen an den bisher veröffentlichten Bildern, die also jedenfalls in dieser Beziehung voll- kommen objektiv sind, feststellen, daß der Inhalt der tonnenförmigen Spindelfasern nicht halb so groß ist, wie das Volumen der bei groß- lumigen Zellen gebildeten Spindelfaserkränze bei derselben Pflanze. Wir sehen also, daß sich die Substanz der Spindelfasern fortwährend vermehrt, während die Nukleolen in den Tochterzellen ausgebildet werden und ihre definitive Größe bekommen. Andererseits müßte mit der Beendigung der Zellwandbildung in weitlumigen Zellen eine plötz- liche Vermehrung der Nukleolarsubstanz einsetzen, die der Spindel- fasermasse in gewissen Grenzen äquivalent wäre. Es läßt sich aber feststellen, daß die Ausbildung der Nukleolen mit dem Verschwinden der Spindelfasern in embryonalen Zellen und mit dem Fortbestehen bzw. der Zunahme derselben in älteren Parenchymzellen in keiner Be- ziehung steht. Daß aber die Beziehungen zwischen Kernkörperchen und Chromo- somen sich nicht nur durch das reziproke Verhältnis ihrer Substanz- masse dokumentieren, sondern auch der unmittelbaren Beobachtung zu- gängig sind, dafür gelang es mir ein typisches Beispiel in den Kernen der Konnektive von Arum maculatum aufzufinden. Während die Pollen- körner in den Pollensäcken bereits ihr zweikerniges Stadium erreicht haben, und die Kerne des Periplasmodiums sich auflösen, kommt es in den Kernen des Konnektivs zu einer Aussonderung der Chromo- somen, ohne daß jedoch die Kernwand aufgelöst wird, oder daß sich Spindelfasern im umgebenden Zytoplasma bilden. Es finden auch keine vereinzelten Teilungen während dieser Zeit im Konnektiv statt. Hier ist nun in deutlichster Weise zu beobachten, daß mit der Erhöhung der Färbbarkeit der Chromatinkomplexe eine Verminderung des Inhaltes des oder der Kernkörperchen Hand in Hand geht. Bei der von mir angewandten Doppelfärbung Safranin-Wasserblau findet man zuerst das Kernkörperchen intensiv rot gefärbt, während das Kernretikulum blau mit violetten Körnehen erscheint; je mehr sich aber das Chromatin zu den einzelnen Chromosomen konzentriert und dabei eine rote Färbung annimmt, um so mehr geht die Farbe des Kernkörperchens, das in diesem Stadium stets eine Vakuole zeigt, in ein zartes Violett über, bis es 64 P. N. Schürhoff, endlich kaum noch sichtbar blaugrau gefärbt erscheint (Fig. 2). Eine Vakuole läßt sich nicht mehr erkennen, hingegen sind die Chromo- somen jetzt leuchtend rot gefärbt. In diesen Präparaten ließ sich ferner ein direkter Zusammen- hang zwischen Kernkörperchen und Chromosomen beobachten. Das Kernkörperchen zeigt sich nach den ihm zunächst liegenden Chromo- somen hin in spitze Vorsprünge ausgezogen, die mit den Chromosomen durch direkte Fortsätze verbunden sind. Zuerst sind die Kernkörperchen stärker gefärbt als die Chromosomen (Fig. 3) und zeigen nur eine kleine Vakuole; in späteren Stadien (Fig. 1) vergrößert sich die Vakuole und Fig. 1-3. Arum maculatum. Kerne aus dem Konnektiv. Kernkörperchen- Vergr. 1400fach. die Chromosomen erscheinen stärker gefärbt als das Kernkörperchen. Die Färbung des Kernkörperchens, das in Fig. 1 dargestellt ist, war in der: Mitte matt rötlich; diese Vaknole war von einem kräftigen roten Ring umzogen, der an der Peripherie des Kernkörperchens in ein mattes Blauviolett überging. Die Verbindungsfäden mit den Chromo- somen waren rötlich-violett und die Chromosomen ebenfalls rötlich- violett. Die Fig. 2 stellt einen Kern dar, in dem die Chromosomen intensiv gefärbt sind, während das runde Kernkörperehen kaum noch zu erkennen ist. Jedenfalls ist es einleuchtend, daß dies Kernkörperchen keinen Reservebestand für Spindelfasern mehr enthält und es kann sich aus dem Verhalten des Kernkörperchens in diesen Kernen nur der Schluß ergeben, daß die ganze Substanz des Kernkörperchens bei der Aussonderung der Chromosomen verbraucht wurde. Auch ist klar, daß die direkte Verbindung zwischen Kernkörperchen und Chromosomen, wie sich aus der Form des Kernkörperchens und seinem färberischen Verhalten ergibt, dazu dient, um die Substanz des Kernkörperchens unmittelbar an die Chromosomen abzugeben. Diese Bilder von Arum maculatum decken sich dem Wesen nach ! Die Beziehungen des Kernkörperchens zu den Chromosomen und Spindelfasern. 65 ganz mit den Abbildungen, die Moll!) von den Kernen von Spirogyra erassa gibt, wo auch die einzelnen Chromosomen mit dem an dieser Stelle zugespitzten Nucleolus in Verbindung stehen, Daß sich andererseits die Substanz der Spindelfasern bzw. des fädig differenzierten Kinoplasma auch in „extranuklearen Nukleolen“, welcher Ausdruck mir hierfür jedoch völlig unzutreffend erscheint, ver- wandeln kann, dafür lassen sich verschiedene Beispiele bringen. Im besonderen finden wir derartige individualisierte Reservestoffkörper bei der Keimung des Pollenkorns; die generative Zelle zeigt z. B. bei den Liliaceen sich wie die kinoplasmatischen Bestandteile der Zellen ge- färbt. „Schon vor, besonders deutlich aber bei der Keimung des Pollenkorns, treten in ihrem Inneren regelmäßig rundliche, meist aber in die Länge gezogene, stäbchenförmige, in der Färbung sich wie Nukleolen verhaltende Körperchen auf und zwar oft in großer Menge. Auch Mottier fielen diese auf. Er teilt darüber folgendes mit: Im Zytoplasma der generativen Zellen können oft ein oder mehrere Körper beobachtet werden, die sich ganz wie extranukleare Nukleolen färben, was sie in der Tat auch sind ?).“ Ebenso kann man beobachten, daß bei den bekannten Chloro- formierungsversuchen bei Einstellung der Kernteilung an der Stelle der Spindelfasern sich derartige organisierte Reservestoffkörper bilden: „Die Spindelfasern sind körnig fixiert, und hier und da ist dies körnige Plasma zu dichteren klumpenförmigen Massen kondensiert°)“. Mir scheinen diese Tatsachen dafür zu sprechen, daß sich das Kinoplasma in Gestalt individualisierter Reservestoffkörper in den Zellen nieder- schlagen kann, daß aber eine Wanderung in den Kern hinein unter solchen Umständen höchst überflüssig sein müßte. Wir finden demnach an unseren verschiedensten Beispielen, daß die Entwicklung der Chromosomen stets mit einer Reduktion der Nukleolarsubstanz verbunden ist, und daß gleichzeitig mit der Rück- bildung der Chromosomen eine Neubildung des Kernkörperchens ver- läuft. Auch eine direkte Abgabe der Nukleolarsubstanz an die Chromo- somen läßt sich beobachten. Zwischen dem Verhalten der Spindelfasern und dem des Kern- körperchens bestehen keine Gesetzmäßigkeiten. Daß bei der Karyo- kinese mit der Abnahme der Nukleolarsubstanz die Spindelfasern auf- 1) Moll, Observations on Karyokinesis in Spirogyra (Verh. d. K. Akad. d. « Wetdensch. te Amsterdam. Sekt. II D.E., 1893). 2) Koernicke, Centrosomen bei Angiospermen? Flora 1906, Heft 2. 3} Nemec, Das Problem der Befruchtungsvorgänge. Berlin 1910. Flora, Bd. 110. 5 66 P.N. Schürhoff, Die Beziehungen des Kernkörperchens zu den Chromosomen. treten, hat keine ursächliche Bedeutung, da gleichzeitig die Chromo- somen sich aussondern und die Nukleolarsubstanz aufnehmen, wie sich aus solchen Beispielen ergibt, wo sich im „ruhenden“ Kern die Chromo- somen ausbilden unter gleichzeitigem Verbrauch der Nukleolarsubstanz. Wir müssen daher annehmen, daß das Kernkörperchen einen Reservebestandteil für den Chromatinvorrat des Kerns darstellt; es ist aber ausgeschlossen, daß das Kernkörperchen zur Bildung der Spindel- fasern bzw. des Phragmoplasten Verwendung findet. Wir müssen vielmehr die Spindelfasern als rein zytoplasmatische Gebilde auffassen, die ohne unmittelbare Substanzabgabe des Kerns sich jederzeit aus dem Zytoplasma differenzieren können. D Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. Von F, W. Neger, Tharandt. {Mit 31 Abbildungen im Text.) Daß jene schwarzen Überzüge, die sich auf den Blättern vieler unserer Laubbäume (seltener auf den Nadeln der Koniferen) wie auch auf den Blättern gewisser Gewächshauspflanzen finden, nicht, wie der Laie häufig glaubt, Ablagerungen von Ruß darstellen, sondern von gewissen schwarzen Pilzen gebildet werden, ist ja einigermaßen bekannt, Und doch würde jemand, der, nach der Natur dieser Pilze gefragt, sich Mühe geben wollte, eine bestimmte, jeden Zweifel ausschließende Antwort zu geben, in arge Verlegenheit geraten. Ein Blick in die Herbarien unserer Museen würde ihn bald davon überzeugen, daß die Systematik dieser Pilze sehr im Argen liegt, in- dem nicht nur die scharfe Unterscheidung der verschiedenen, von älteren Autoren aufgestellten Gattungen und Arten auf unüberwind- liche Schwierigkeiten stößt, sondern sogar die Umgrenzung des Begriffes „Rußtau“ nicht ohne weiteres klar und faßbar ist. I. Allgemeiner Teil. 1. Defintion des Begriffes Rußtau. Wir verbinden mit dem Wort „Tau“ den Begriff des „oberfläch- lichen, leicht abwischbaren“, vgl. Honigtau, Mehltau usw. Demnach wären als Rußtau nur solche von Pilzen gebildete Überzüge zu ver- stehen, die rein oberflächlich entwickelt sind, und daher, ohne irgend- welche Reste zu hinterlassen, leicht abgewischt oder abgeschabt werden können. Mit anderen Worten: die Bezeichnung „Rußtau“ verdienen offenbar nur solche mit schwarzem Mycel ausgestattete Pilze, die auf den lebenden Blättern und Zweigen lebender Pflanzen eine rein epi- phytische Lebensweise führen, also auch nicht mit Haustorien, geschweige denn mit dem Mycel in das Innere der Pflanze eindringen. Sonach sind z. B. Meliola- und Asterina-Arten, trotz ihrer vorwiegend ober- flächlichen Entwicklung — ihr ganzes Mycel verläuft oberflächlich, die Perithecien werden oberflächlich angelegt, und nur zarte Haustorien dringen in die Epidermis der Wirtpflanze ein — den Rußtaupilzen nicht zuzurechnen ?). 1) Auch die die sogenannte „Schwärze“ erzeugenden Pilze, die an kränkelnden Pflanzen schwärzliche Überzüge bilden, aber dabei mit ihrem Mycel in das in 5* 68 F. W. Neger, Da sich die systematischen Beziehungen der Pilze zueinander — nach dem gegenwärtigen Stand unseres Wissens wenigstens — auf den morphologischen und anatomischen Aufbau der Schlauchfruchtkörper (soweit Ascomyceten in Betracht kommen) stützen, so kann der er- nährungsphysiologisch begründete Begriff Rußtaupilze auch nicht dem systematischen Begriff Perisporiazeen gleich gestelit werden {was aller- dings vielfach geschieht). In der Tat finden wir in der Gruppe der Perisporiazeen Vertreter, die nur in morphologischer, nicht aber in physiologischer Hinsicht Beziehungen zu den Rußtanpilzen erkennen lassen, sei es daß sie reine Saprophyten sind und daher stets auf toten vegetabilischen Substraten, z. B. Perisporium auf Hanfseilen, vorkommen, sei es, daß sie sich als echte Schmarotzer ernähren (wie Lasiohotrys). 2. Die epiphytische Natur der Rußtaupilze. Ein wesentliches Attribut der Rußtaupilze ist also ihre rein epi- phytischeLebensweise, und wir kommen daher darauf zurück, daß der sogenannte Rußtau von sehr verschiedenen Pilzen, die systematisch in keiner Beziehung zueinander zu stehen brauchen, gebildet werden kann, nämlich von so vielen als auf einem Blatt einer höheren Pflanze die ihnen zusagenden Lebensbedingungen finden und nebeneinander wachsen. können. Wie für alle Epiphyten, so besteht auch für die epiphytischen Rußtaupilze die Gefahr, daß sie bei langandauernder Trockenheit der Luft durch Vertrocknung zugrund gehen. Damit dürfte im Zusammen- hang stehen, daß sie in feuchter Nebelluft ihre üppigste Entwicklung erfahren. Am deutlichsten zeigt sich dies an der geradezu ungeheuren Ausbildung, die wir bei Antennaria scoriadea, Antennaria erico- phila und Antennariapithyophila sowie Limacinia fernandeziana beobachten. A. scoriadea Berk. findet sich überaus häufig in dem regenreichen antarktischen Waldgebiet (Südchile), wo — wie ich (1895) beschrieb — gewisse Bäume, wie Weinmannia trichosperma, Peumus boldus Nothofagus Dombeyi u. a, über und über in den schwarzen Schleier der Conidienträger dieses Pilzes gehüllt sein können; der gleiche Pilz findet sich —- ebensohäufig und auf ähnlichen Bäumen — in dem analoge Lebensbedingungen darbietenden Neuseeland. Wie mir Herr Absterben begriffenen Gewebe der Wirtpflanze eindringen, haben mit den eigent- lichen Rußtaupilzen nichts zu tun. Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze, 69 Prof. Diels erzählte, ist auch hier die Erscheinung so auffallend, daß selbst derjenige, der mykologischen Fragen fern steht, nicht achtlos daran vorbei gehen kann. Vgl. auch Gay, Flora de Chile, Bd, VII, 1852. Was A. scoriadea auf dem südchilenischen Festland ist, das ist auf der Robinsoninsel Juan Fernandez (Mas a Tierra und Mas afuera) die von mir zuerst beschriebene Limacinia fernandeziana!), die nament- lich Myrtenbäume (Myrceugenia fernandeziana) in dichte schwarze Schleier hüllt?). Eine ähnlich massige Entwieklung eines Rußtaupilzes habe ich in Europa nur gelegentlich einer Reise nach Südspanien (in die Sierra de Estepona nördlich von Gibraltar) beobachtet. Es war die auf Erica arborea wachsende Antennaria ericophila Link. Die näheren Um- stände, unter welchen ich diesen Pilz fand, zeigen so recht deutlich die große Abhängigkeit der vegetativen Entwicklung des Pilzes von der Luft- feuchtigkeit. In der trockenen und warmen Region der Korkeiche (200—400 m ü. M.) ist der Pilz vegetativ sehr spärlich entwickelt; dafür bildet er hier — meist an der Ansatzstelle der Blätter am Zweig — Perithecien. Je mehr sich mit zunehmender Meereshöhe die Luftfeuchtigkeit steigert, um so mehr tritt die Bildung der Perithecien in den Hintergrund, während gleichzeitig die vegetative Entwicklung eine außerordentliche Üppigkeit erkennen läßt. Bei 800 m Meeres- höhe, wo das Auftreten von kleinen Moorbildungen auf dauernd kühle Temperatur und bedeutende Luftfeuchtigkeit schließen läßt, wird man vergeblich nach den Perithecien der A. ericophila suchen. Dafür aber sitzen den dickeren Ästen der Erica gewaltige, bis hühnereigroße. schwarze, kugelige Polster auf, die aus starkverfilzten Torula-ähn- lichen dieken Myzelfäden bestehen und an deren Oberfläche die schnecken- fühlerähnlichen Conidienträger in dichten Rasen stehen. Bei Nebel 1) Nach Johow (1896) hat der Pilz in den Wäldern von Juan Fernandez großen Schaden angerichtet, offenbar dadurch, daß die Blätter infolge des Lichtentzuges durch den Pilz in großer Menge abgestorben sind. Johow sagt darüber folgendes: Alle tiefen Teile der Schluchten, welche an die Meeresküste ausmünden, haben fast ihre ganze Baumvegetation eingebüßt. Am meisten leiden unter den Wir- kungen des Pilzes XNanthoxylum mayu, Myrceugenia Fernandeziana (auf Mas a Tierra) und M. Schulzii (auf Mas afuera), etwas weniger Drimys Winteri, Psychotria pyrifolia, Rhaphithamnus longiflorus, Boehmeria ex- celsa u.a 2) Andere besonders mächtige Decken bildende Rußtaupilze der wärmeren und heißen Zonen sind: Scorias spongiosa Schw. (Nordamerika), Antennaria Atamisquae P. Henn. (Argentinien), Limaeinia tangensis P. Henn. (Ost- afrika), Capnodium Coffeae Pat, Capnodium Araucarise u. a. Die meisten derselben sind bisher nur wenig und unvollkommen untersucht. r) F. W. Neger, oder Regen saugen sich diese Polster wie ein Schwamm so voll von Wasser, daß sie sicher für lange Zeit mit Feuchtigkeit versehen sind}), Von unseren mitteleuropäischen Rußtaupilzen nähert sich, was die Mächtigkeit der vegetativen Entwicklung anlangt, den oben genannten Beispielen nur der an Weißtannenzweigen wachsende, unter dem Namen Hormiseium pinophilum Nees = Antennaria pithyophila Nees bekannte Pilz. Ich fand denselben in Tannenjungwüchsen am Fuß der Louisenburg (Fichtelgebirge) in Form und Ausdehnung von erbsen- bis haselnuß- großen Polstern. Meistens aber erreichen die an den letzten Jahres- trieben (zwischen den Nadeln; dem Zweig aufsitzenden Polster etwa die Größe eines Weizenkorns. Auch dieser Pilz ist meist nur da einigermaßen gut entwickelt, wo Luftfeuchtigkeit. und reichliche Nebel- bildung der vegetativen Entwicklung günstig sind. Ein ausgesprochener Hygrophyt ist ferner jener Rußtaupilz, der die bekannten schwarzen Überzüge auf den Blättern unserer Gewächs- hauspflanzen bildet — es ist, wie vorläufig bemerkt sein möge, der von Zopf (1878) so eingehend beschriebene und kurzweg als Fumago bezeichnete Pilz. Er findet sich stets in Häusern, in welchen die Luft warm und sehr reich an Feuchtigkeit ist, fehlt dagegen in der Regel in Xerophytenhäusern. Weniger auffallend ist die Abhängigkeit vom Feuchtigkeitsgehalt der Luft bei anderen Rußtaupilzen, z. B. bei dem weit verbreiteten Rußtau der Eichen, Linden, Ahorne usw. Zwar fiel mir auf, daß der Ahorn- und Lindenrußtau kaum irgendwo mächtiger entwickelt sein kann als an Meeresküsten (z. B. Rügen), wo man mit ziemlich hohem Wassergehalt der Luft rechnen darf. Andererseits macht man nicht selten die Beobachtung, daß Alleebäume an sehr staubigen und trockenen Straßen besonders reich mit Rußtau bedeckt sind. Wir werden auf diese Erscheinung und ihre wahrscheinliche Ursache später noch einmal zurückkommen. 1) v. Höhnel (1909), der das von mir in Andalusien gesammelte Material nachuntersucht hat, fand, daß die Perithecien von A. ericophila identisch seien mit Coleroa Straussii (Sacc. et R.) v. H., sowie daß die letztere ein subepidermales Stroma habe. Demnach wäre A. ericophila imstande. unter Bedingungen, die der epiphytischen und vegetativen Entwicklung nicht günstig sind (trockene Luft), zu parasitischer Lebensweise überzugehen oder wir könnten auch umgekehrt sagen: ein Pilz, der unter gewissen Umständen parasitische Lebensweise führt, kann, wo die Bedingungen für oberflächliches Wachstum besonders günstig sind — hohe Luft- feuchtigkeit — zum reinen Epiphyten werden, dabei sich aber vorwiegend nur vogetativ entwickeln. Wir werden auf diese Beziehung später noch wiederholt zurückkommen. Experimentelle Untersuchungen über Rußtanpilze. 7ı 3. Schutzeinrichtungen gegen Vertrocknung. Es liegt nahe, die Frage aufzuwerfen, ob die Rußtaupilze in ihrem Aufbau eine Eigentümlichkeit besitzen, vermöge deren sie in besonders hohem Grad befähigt sind, die atmosphärische Feuchtigkeit aufzunehmen und festzuhalten. Die Frage ist — obwohl sie auf der Hand liegt —, wie mir scheint, noch nie erörtert worden. Sehen wir uns zunächst um, welche Mittel andere niedere Pflanzen besitzen, um den angedeuteten Zweck zu erreichen. Bei Meeresalgen, welche zeitweise, nämlich bei Ebbe, sehr der Gefahr der Austrocknung ausgesetzt sind, leistet die mächtige Schleim- hülle vorzügliche Dienste, ohne daß damit behauptet werden soll, daß Schutz vor Vertrocknung die Hauptaufgabe der Schleimhülle sei!). Ich erinnere hier an die Schilderung, welche Oltmanns (1904/5) von dem Verhalten der Fucacee Pelvetia canaliculata bei Trocken- legung durch Eintritt der Ebbe gibt: „An allen Küsten, an welchen ılie Ebbe und Flut regelmäßig wechseln, ist bekanntlich eine Linie scharf markiert durch den Stand, welchen das Wasser nach dem Ende seiner Flutzeit vor dem Einsetzen der Ebbe aufweist. Unmittelbar an dieser oberen Flutgrenze wächst nun bei Haugesund (in Norwegen) Pelvetia eaniculata und bildet dicht unterhalb derselben einen Gürtel von 10—30 cm Breite. Dieser Pelvetiagürtei ist vom Wasser nur während der Zeit bedeckt, als dasselbe um diese 10-30 em steigt und gleich darauf wieder bei Eintritt der Ebbe sinkt. Nach meiner Schätzung sind daher die Pelvetiapflanzen im Verlauf von 12 Stunden höchstens 3 unter Wasser. Während der 9 Stunden, in welchen der genannte Tang nicht benetzt ist, verliert er immer an Turgor und ist mehr oder weniger schlaff, ja an sonnigen Tagen fand ich viele Pflanzen starr wie trockene Flechten; nach dem Eintauchen in Wasser nahmen sie ihre ursprüngliche Gestalt wieder an und sahen dann völlig frisch aus“. Ähnliche Beobachtungen machte Goebel (1893) an Florideen (De- lesseria Leprieuri, Lomentaria impudica und Bostrychia radi- eans, welche sich zwischen den Stelzenwurzeln der Mangrovebäume an der Mündung des Barima in die See (Britisch-Guyana) angesiedelt hatten. Das Wirksame in all diesen Fällen ist die Schleimhülle. Das Wasser wird von der letzteren so energisch festgehalten und bei Benetzung so begierig aufgenommen, daß für den Vorgang der Eintrocknung oft das Zehn- bis Zwanzigfache der Zeit nötig ist, die für die Quellung bis zur Sättigung hinreicht. 1) s. Goebel (1893). 3 ID} F. W. Neger, Auch viele Rußtaupilze besitzen eine mehr oder weniger mächtige Schleimhülle, welche die einzelnen Zeilfäden umhüllt. Am auffallendsten ist dieselbe bei einem jener Pilze, die ich aus dem sogenannten Tannen- rußtau in Reinkultur isolierte (zunächst als Botryotrichum sp. bezeichnet). Sie läßt sich makroskopisch auf folgende Weise sichtbar machen. Nimmt man aus Kulturen des Pilzes in Dextrosenährlösung mit einer Platinöse eine Mycelflocke weg, so wird gleichzeitig ein zäher — unter Umständen mehrere Zentimeter langer — Schleimfaden ausgezogen. Auch mikroskopisch ist die Schleimhülle bei diesem Filz sehr gut nachweisbar. An Mycel, welches untergetaucht in Dextrose- nährlösung entstanden ist, zeigt sie sich in Form eines hyalinen, aber kontinuierlichen Überzugs, dessen Mächtigkeit der des betreffenden Mycel- fadens gleichkommt oder sie sogar übertrifft (Fig. 23). Luftmycel aber — aus Kulturen auf wasserärmeren Substraten, z. B. Mohrrüben — zeigen die Schleimausscheidung in Form unregelmäßiger hyaliner Warzen, die bei Befeuchtung unter Wasseraufnahme zu einem kontinuierlichen Schleimmantel verquellen. Ähnliche, wenn auch nicht ganz so mächtige Schleimbildungen, beobachtete ich an den in Reinkultur gezogenen Mycelien des Eichen- rußtaus, des Gewächshausrußtaus (Zopf’s Fumago), ferner bei der eigentümlichen Atichia, die ja auch zu den Rußtaupilzen zu rechnen ist. In diesem letzteren Fall wird allerdings nicht ein Schleimmantel gebildet, vielmehr sind die das Innere der Polster erfüllenden Zell- gruppen in höchsten Grad quellfähig und daher im Stande, Wasser zu speichern (Fig. 81). Es wäre schließlich daran zu erinnern, daß die mit Algen in Flechtensymbiose zusammen lebenden Pilze gleichfalls häufig sehr quell- fähig sind und auf diese Weise der hier besonders großen Gefahr der Vertrocknung (infolge der epiphytischen Lebensweise) begegnen. In hohem Grad gilt dies namentlich von den Gallertflechten (Collema- zeen), Flotow (1850), der erste Entdecker der Atichia, stellte den Pilz deshalb auch in diese Flechtengruppe. Die Fähigkeit, unter gewissen Wachstumsbedingungen eine Schleim- hülle auszuscheiden, scheint übrigens noch vielen anderen Pilzen zu- zukommen. Sie ist aber sicher nicht bei allen gleich groß. Möglicher- weise spielt sie eine Rolle bei der Frage, welche Pilze als Epiphyten an der Zusammensetzung der Rußtauvegetation beteiligt sein können. Man wird dann in ihr ein auslesendes Moment zu erblicken haben, und ähnlich wie — nach Schimper — nur jene Blütenpflanzen zu epiphytischer Lebensweise taugen, deren Samen mit Flugeinrichtungen Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 73 versehen sind!), so werden auch nur jene Pilze, die Schleim aus- scheiden, in dem regen Wettbewerb von zahlreichen, auf honigtau- bedeckten Blättern sich ansiedelnden Pilzen, den Sieg davontragen. Freilich kommen als auslesende Faktoren noch weitere Anlagen in Betracht, z. B., wie später gezeigt werden soll, die Fähigkeit auf kon- zentrierten Zuckerlösungen zu wachsen. 4. Substrat. Ein weiteres gemeinsames Merkmal aller Rußtaupilze ist, daß sie sich auf zuckerhaltigen Ausscheidungen (sogenanntem Honigtau) an- siedeln. Ohne diese wäre ja ihre epiphytische Lebensweise auch un- möglich, da sie als Pilze nicht die Fähigkeit der Assimilation besitzen. Die Frage, ob Honigtau ohne Zutun von Schild- und Blattläusen entstehen kann — letzteres wird hier und da behauptet — ist für die uns beschäftigenden Probleme vollkommen belanglos. Sicher ist, daß bei Mangel von Honigtau auch die Entwicklung von Rußtau äußerst schwach bleibt. Umgekehrt, je stärker die Honigtauabscheidung, um so üppiger und reichhaltiger ist auch die Rußtauvegetation. Von Freilandpflanzen sind es namentlich die Eiche, Linde, Ahorn, Zitterpappel, gewisse Spiraeen u. a., die oft durch ihre dicke Rußtaubedeckung auffallen. Von Gewächshauspflanzen dürfte keine mehr unter Honigtau leiden als Ardisia crenulata, — dieselbe ist dann über und über bedeckt von Schildläusen und der Honig tropft schließlich in klaren Tropfen von den Blättern herab. — Diese eignet sicb dann auch vorzüglich dazu als Substrat für den Gewächshaus- rußtau zu dienen, der sich übrigens in der Regel von selbst ansiedelt. Überaus reich an Honigtau ist oft auch die Tanne, Soll doch der Honig der Schwarzwaldtannen für die Bienenzucht der dortigen Gegend eine nicht zu unterschätzende Bedeutung haben. Demgemäß ist auch die Rußtauvegetation der Weißtanne häufig eine sehr in die Augen fallende Erscheinung. Wenn gleichwohl zuweilen Rußtau auf honigtaufreien Blättern zu entstehen scheint, so wird man bei genauerer Untersuchung finden, daß es sich nicht um eine autochthone Vegetation eines Rußtaupilzes handelt, sondern um durch Regen zusammengespülte vegetative Fort- pflanzungskörper, die von einer darüberstehenden Pflanze oder einem höherstehenden rußtaukranken Zweig der gleichen Pflanze stammen. 1) D. h. der Besitz von geflügelten Verbreitungseinheiten ist als die Voraus- setzung zur epiphytischen Lebensweise, nicht als eine Anpassung an dieselhe zu betrachten. \ 74 F. W. Neger, Überaus häufig ist diese letztere Erscheinung beim Eichenrußtau, und viele in den Herbarien liegenden, angeblich mit Capnodium quercinum behaftete Eichenblätter stellen derartige durch Regen zu- sammengespülte, in den Blattsegmenten angehäufte Ansammlungen von Fortpflanzungskörpern dar (Fig. 1). Die mikroskopische Untersuchung zeigt, daß keinerlei Mycel ausgebildet ist, sondern die — gewöhnlich Conio- thecien genannten — Fortpflanzungs- körper in losen Haufen beisammen liegen, höchstens durch Schleimaus- scheidungen oder durch dürftige Keimschläuche oberflächlich befestigt. Wenn auch fast alle Pilze — von den rein parasitischen wie Ery- sipheen, Uredinaceen u. a. abgesehen — in zuckerhaltigen Nährlösungen gut wachsen, so dürften doch nicht alle in gleichem Maß als Rußtaupilze in Betracht kommen. Denn der Honig- tau stellt ein Nährsubstrat von zeit- Fig. 1. Rußtaubedecktes Eichenblast, weise außerordentlich hoher Konzen- Die schwarzen Flecken bestehen aus tration dar und dem dürfte nur eine a ee a begrenzte Anzahl von Pilzarten, näm- zusammengespült sind und sich in lich sehr osmophile Organismen, ge- den em habe der wachsen sein. Zweifellos gibt es Pilze, welche in Zuckerlösungen von fast sirupartiger Konsistenz zu wachsen vermögen. Ich erinnere an die äußerst osmophilen Hefepilze Zygosaeccharomyces mellis acidi, und Z. priorianus, welche als Urheber des „sauren Honigs“ nach A. von Richter (Mykol. Zentralbl. 1912) 70—80% Zucker ertragen. Freilich ist der Zuckergehalt eines Honigtaus keine konstante Größe, sondern schwankt nach dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft zwischen weiten Grenzen. Dieser Faktor ist, wie schon erwähnt, zweifellos von Bedeutung für die Zusammensetzung einer Rußtaupilzdecke. 5. Die systematische Zusammensetzung einer Rußtaupilzdecke- Der Umstand, daß die Rußtaupilze sich auf zuckerhaltigen, die Oberfläche der Blätter und Zweige benetzenden honigtauartigen Aus- scheidungen ansiedeln, ist es nun auch, der die Erkenntnis der wahren Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze, 75 Natur dieser Pilze sowie ihrer systematischen Charakteristik so außer- ordentlich erschwert. Denn es ist klar, daß sich auf einem derartigen Blatt (oder Zweig) unter Umständen nicht ein, sondern mehrere, manchmal sogar viele Pilze nebeneinander ansiedeln, die alle an der Luft dicke, schwarze, rosenkranzförmige Mycelfäden bilden und dann einen mehr oder weniger einheitlichen Eindruck machen. Dazu kann diese Kombination mehrerer Pilze von Fall zu Fall verschieden sein, d. h. die Rußtauschicht hat dann eine überaus wechsel- volle und heterogene Zusammensetzung. Natürlich konnte dies nicht eher festgestellt werden als der Ver- such gemacht wurde, die Rußtaupilze in Reinkultur zu züchten. Dies ist aber bisher nur äußerst selten geschehen. Die meisten Beobachter, die sich mit dem Studium von Rußtaupilzen beschäftigt haben, be- gnügten sich damit, die in der Natur vorgefundenen Verhältnisse rein deskriptiv zu behandeln, immer in der irrigen Voraussetzung, daß alle die verschiedenen Fruchtformen, die auf einem honigtaubedeckten Blatt beisammen stehen, zu einer und derselben Art gehören müßten’). Wie wenig begründet diese Annahme ist, davon kann man sich leicht überzeugen, wenn man von einem rußtaubedeckten Blatt durch Aussaat zahlreicher kleiner Fragmente auf Dextrosenährgelatine eine größere Anzahl von Kulturen anlegt. Es werden dann wohl der eine oder andere Pilz in vielen oder sogar den meisten Kulturen auftreten, aber mehr oder weniger verunreinigt durch andere bald vereinzelt, bald ziemlich regelmäßig wiederkehrende Beimengungen. So hat Schostakowitsch (1895), der zum ersten Male versucht hat, den Sammelbegriff „Rußtau“ in seine Komponenten zu zerlegen, folgende Arten nebeneinander nachweisen können: Cladesporium herbarum, Hormodendron eladosporioides und Dematium pullulans. Dabei hat Schostakowitsch ein Ausgangsmaterial benutzt, das sicher nicht sehr artenreich war, nämlich Phaseolus- früchte. Ein honigtaubedecktes Blatt muß zweifellos eine weit viel- gestaltigere Pilzvegetation beherbergen. 1) In der Regel wird jeder schwarze Pilz, der sich auf Honigtau ansiedelt, ohne weiteres als Capnodium angesprochen; so wird der Rußtau der meisten Bäume und der des Weins, Hopfens usw. in den pflanzenpathologischen Hand- und Lehr- büchern (Sorauer, Frank, Hartig, Tubeuf u. a) als Fumago oder Cap- nodium (oder Apiosporium) bezeichnet, ohne daß sieh jemand die Mühe ge- nommen hätte. zu untersuchen, ob dieses Verfahren berechtigt ist. Vergl. auch Lüstner (1902), Frank (1895) u. a. 76 F. W. Neger, Verhältnismäßig artenarm scheint jene Rußtauvegetation zu sein, welche sich auf den Blättern von Gewächshauspflanzen in fast allen Gewächshäusern ansiedelt, und welche fast stets aus dem von Zopf (1878) eingehend beschriebenen Pilz Fumago vagans besteht. Eine häufige Beimengung dieses Pilzes scheinen Hefezellen zu sein. Aller- dings vermag auch Fumago selbst hefeartige Sprossungen zu bilden, wie schon Zopf ausführte und wie ich bestätigen kann, während Schostakowitsch die diesbezüglichen Angaben Zopfs bestreitet. Werden Conidien, die aus den langgeschnäbelten Pycniden in Form glasheller Tropfen austreten, in eine 5%, ige Dextrosenährlösung übertragen, so erfolgt, genau wie Zopf es beschreibt, hefeartige Sprossung der Conidien, während sich in einer 10—40%igen Lösung ein Pyeniden erzeugendes Mycel bildet. Ein schönes Beispiel für die Vielgestaltigkeit des Rußtaus ist dagegen die auf Tannensprossen: wachsendende Pilzvegetation, welche man in der Regel unter dem Namen Apiosporium pinophilum zusammenfaßt. Durch zahlreiche Aussaaten von kleinsten Pilzfragmenten auf Nährgelatine gelingt es leicht nachzuweisen, daß hier nicht einer, sondern zahlreiche Pilze beteiligt sind, ungerechnet Beimengungen von mehr zufälligem Charakter. Die häufigsten Bestandteile des sogenannten Tannenrußtaues sind (nach meinen bisherigen Untersuchungen): 1. Hormiseium pinophilum, als quantitativ stärkst entwickelter Kommensale, sowie ein weiteres Hormiscium von kleineren Dimensionen, 2. ein nicht Faden, sondern nur Zeilklumpen bildender Pilz, zur Gattung Coniothecium gehörig, 3. mehrere kurzgliedriges Mycel bildende Pilze vom Habitus von Torula (bzw. Gyroceras-)Arten, 4. ein durch’ sternförmige Conidien ausgezeichneter Pilz aus der Gattung Triposporium (mit Chalara-ähnlicher zweiter Co- nidienfruktifikation), 5. Dematium pullulans (nieht sehr häufig), daneben, und zwar häufiger, ein Pilz, der auf Nährgelatine Kolonien bildet, die dem Demat. pullulans sehr ähnlich sind; ich bezeichne ihn einst- weilen als Dematium II, 6. ein durch riesige Schleimbildung ausgezeichneter Pilz mit kugeligen, dickwandigen Conidien, einstweilen zu Botryo- trichum zu stellen, Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 717 7. ein gleichfalls kurzgliedriger, Torula-ähnlicher Pilz mit seitlich am Mycel entstehenden vierzelligen Conidien; ich bezeichne ihn einstweilen als Helminthosporium sp, 8. Atichia glomerulosa sowie eine größere Anzahl noch nicht genügend untersuchter Pilze, , ferner Hefepilze, Bakterien usw. Die charakteristischen Polster der unter 8. genannten Atichia, die nicht selten für unentwickelte Peritheeien von Apiosporium pinophilum angesprochen werden, finden sich überaus häufig in Gesellschaft der obengenannten Pilze, auf der Oberseite von Tannennadeln sowie auch auf der Rinde der Äste (in diesem Fall allerdings sehr schwer nach- weisbar). Was die Annalıme, diese Polster gehörten zu Apiosporium, besonders bestärken kann, ist, daß sie nicht selten von Mycelfäden überwachsen sind, so daß man den Eindruck erhält, daß sie an diesen Mycelfäden entstanden seien (Fig. 31). Dies ist aber sicher nicht der Fall; denn in Reinkulturen der Atichia zeigt sich deutlich, daß die Atichia überhaupt nicht imstande ist, zu Mycel auszuwachsen (s. unten). In den Fehler, zufällig zusammen vorkommende Pilze als zu- sammengehörig aufzufassen, scheint u. a. auch Arnaud (1910) verfallen zu sein; wenigstens ist das, was er in der genannten Ab- handlung als bildliche Darstellung auf Taf. II gibt, kaum anders zu deuten. Auf Fig.1 vereinigt er in einem Bild: „Conceptacles normaux“ (eonf. Taf. I), „conceptacles seuratoides“ (offenbar Atichiapolster!) und „pyenides ceratiformes (allem Anschein nach ein Capnodium vom Typus der Zopf’schen Fumago). Auf Fig. 2 bildet er ein Atichia- polster mit anhaftendem, torulaähnlichem Pilzfaden ab, wie man ähnliches überaus häufig in der Natur beobachten kann. Zweifellos hat Arnaud eine naturgetreue Zeichnung des beobachteten Befundes gegeben, ohne zu ahnen, daß es sich um drei zu einer gemeinsamen Vegetation vereinigte spezifisch verschiedene Pilze handelt '). 1) Er kommt dann sogar zu dem gewagten Schluß, die „conceptacles seura- toides“ seien eine Uinwandlungsform (transformation) anderer fumagoider Pilze und die Familie der Seuratiacdes sei daher zu streichen. Hätte Arnaud Rein- kulturen angelegt, so hätte er erkennen müssen, daß von einer Beziehung zwischen einem fumagoiden Pilz und der Seuratia (bzw. Atichia) keine Rede sein kann. Etwas näher ist Vuillemin (1908) der Wahrheit gekommen, wenn er die Vermutung ausspricht, daß in dem von Bernard (1907) beschriebenen Fall eine Mischung eines Capnodium-ähnlichen Pilzes (mit Triposporium conidien) und einer Seuratia (bzw. Atichia) vorliege: „I est dont certain que plusieurs &speces de champignons se prouvent melangees dans les touffes irregulieres de certains Capnodium. Des Thalles et des fructifications de Seuratia xont 78 F. W. Neger, Ähnlich ist es mir selbst ergangen, als ich (1896) die Atichia- polster, die ich regelmäßig in Gesellschaft von Antennaria scoriadea (in Chile) fand, für eine besondere sklerotiumähnliche Fruchtform dieses Pilzes hielt. Die wenigen hier angeführten Beispiele zeigen zur Genüge, wie wertlos die rein deskriptive Untersuchung der Rußtaupilze ist, weil sie eine Quelle endloser Irrtümer ist und wie unerläßlich für die Erkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse die experimentelle Behandlung auf Grund von Reinkulturen ist. Die geradezu chaotische Verwirrung, welche in der Systematik dieser Pilze herrscht, ist außerdem zum großen Teil darauf zurück- zuführen, daß bei der Beschreibung der in der Natur beobachteten Formen — die häufig nur im vegetativen Zustand ausgebildet sind — alles, was nur einigermaßen übereinstimmte, sozusagen in einen Topf geworfen oder auch die einzelnen Formen — nach den Pflanzen, auf welchen die Pilze gefunden wurden, in besondere — durch nichts gerecht- fertigte Arten gespalten wurden, Was ist z. B. in den käuflichen Herbarien nicht alles unter den Namen: „Capnodium salieinum“, C. quercinum, Apiosporium usw. vereinigt! Eine kleine Auslese von solchen Zusammenstellungen möge hier- von einen Begriff geben: Als Capnodium salicinum Mont. herausgegeben: Rabenhorst, F. europ. no. 68 Sydow, Mycoth. march. no. 2231, auf Dematium pulln- Hopfen lans. Commissäo geogr. et geoi. 8. Paulo no. 30 scheint identisch zu Flora Iusit. exsiec. no. 1210, auf Salix [ Sein mit dem Zopf- atrocinerea schen Pilz. Vestergren, Microm. rar. sel. no. 282, auf Erlenzweigen auf diese Pilze paßt Rehm, Ascom. exs. no. 1347 (das gleiche Wi ne ” Tu- Material wie voriges) asnes Delecta fungo- Linhardt, F. hung. no. 60 rum Öarpologia. melangees notamment au Capnodium javanicum Zimm. et au Capnodium stellatum Bern. usw.“ Die Vermutung, daß die von ihm beschriebene Rußtauvegetation nicht ein- heitlich, sondern aus mehreren verschiedenen Organismen zusammengesetzt sei, hat übrigens schon Bernard selbst gehegt (1907). Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 79 Krieger, F. sax. no. 1959—1964, auf Corylus, Frangula, Rubus, Sambucus usw, —= Hormiscium pinophilum). Als Capnodium quercinum Berk. herausgegeben: Thümen, Mycoth. univers. no. 1451, auf Eiche (Bayreuth) Thümen, Fungi austr. no. 666, auf | vermutlich nichts an- Eiche (Teplitz) deres als Dematium Sydow, Mycoth. march. no. 698, auf { pullulans, Clado- Eiche (Berlin) sporium u. & Rabenhorst, F, europ. no. 661, auf Eiche (Driesen) Thümen, Mycoth. uwnivers. no. 1738). _. . . identisch mit dem von (Nordamerika) i R Tulasne abgebildeten Roumeguöre, F. gall. exs. no. 5147, Pilz auf Eiche (Frankreich) Als Cladosporium fumago Link herausgegeben: Marchal, Crypt. Belgique no. 287 = Dematium Fl. Ius, exsiec. no. 1210 pullulans Als Apiosporium quercicolum Fckl. herausgegeben: Sydow, Myecoth. march. no. 3788, auf | wahrscheinlich = De- Eiche (Berlin) } matium pullulans. = Hormiscium pino- Krieger, F. sax. no. 124 philum-t Atichia Als Capnodium Personii Berk. et Desm. herausgegeben: Sydow, Mycoth. march. no. 1700, auf N wahrscheinlich = De- Linde (Berlin) mat. pullulans u. a. — der in Tulasne Rabenhorst, F. europ. no. 1723, auf sel, £. carp. abgebildete Linde (Baden) Pilz Als Capnodium Symphoricarpi Roum. herausgegeben: Roumegutre, F. gall. exs. no. 2367, ] = Dematium pullu- auf Symphoricarpus racemosa lans, Cladospo- (Frankreich) | rium u. 2. 1) Offenbar standen die betreffenden Sträucher unter einer mit Hormis- cium pinophilum infizierten Weißtanne, von welcher durch den Regen die charakteristischen Mycelstücke herabgespült wurden und sich dann auf den Blättern anhäuften. 80 F. W. Neger, Als Capnodium Corni Auersw. herausgegeben: Thümen, F. austr. no. 487, auf Cor- nus (Teplitz) Kunze, F. sel. exs. no. 394, auf Cor- Dematium pullu- nus (Zürich) lans u. a. Original von Auerswald (Connewitz) Als Fumago salicina Pul. herausgegeben: Thümen, F. austr. no. 169 u. 485 == Zopf’scher Pilz. Als Fumago Tiliae Fuck. herausgegeben: Thümen, F. austr. no. 170, auf Linde —= Dematium (Krems) pullulans u. a. Als Capnodium Foothii Berk. et Desm. herausgegeben: Thümen, Mycoth. univers. 1944, auf == Dematium Pappel (Coimbra) pullulans u. a. Thümen, Mycoth. univers. no. 1352 Roumegutre, F. sel. exs. no. 5146, auf Yucca (Coimbra) Als Capnodium expansum Berk. et Desm. herausgegeben: Roumegußre, F. gall. exs. no. 3660, auf Ahorn = Dematium Rabenhorst, F. europ. no. 665 pullulans u. a Thümen, Mycoth. univers. no. 664 Als Capnodium Lonicerae Fuck. herausgegeben: Sydow, Mycoth. march. no. 999, auf Lonicera (Berlin) Thümen, F. austr. no. 671 (Teplitz) usw Von verschiedenen mykologischen Systematikern, besonders von Höhnel (1909), Arnaud (1916) u. a. ist der Versuch gemacht worden, in der heillosen Verwirrung der Begriffe Capnodium, Apiosporium, Fumago, Antennaria usw. Ordnung zu schaffen '). identisch mit dem Zopf’schen Pilz. —= Dematium j pullulans u. a. 1) Nach Höhne! wäre die Gattung Apiosporium vollkommen zu streichen. &. pinophilum Fuck, (= Antennaria pinophila Nees) wäre eine Miero- thyriazee. A. Fumago Fuck. ist nach v. Höhnel eine Leptostromazee, A. Reh- mii Syd. wäre gleich Limacinia fernandeziana Neger usw. Nach Arnaud (1910) wäre Cladosporium fumago = Cladospo- rium herbarum. Arnaud scheint allerdings in beschränktem Maße Kulturen von Rußtaupilzen angelegt zu haben und hat dabei festgestellt, daß Dematium pullulans „forme presque la totalit$ des Hyphomyeätes dans les Fumagines observ6es“. Ferner der in Sileurepa häufige Zitronenrußtau wäre zu Pleo- sphaeria als P. Citri Arn. zu steilen usw, Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 8 Bei aller Anerkennung der diesbezüglichen Bestrebungen — namentlich von Höhnel wäre vermöge seiner umfassenden Artenkenntnis in her- vorragendem Maße dazu berufen — scheinen mir doch die meisten dieser Versuche wenig greifbare Resultate gezeitigt zu haben, weil die meisten genannten Forscher auf das wichtigste Mittel zur Klärung, die Rein- kultur, von vornherein verzichteten, und immer oder fast immer den zweifellos fehlerhaften Standpunkt vertraten, daß alle Fruchtformen, die auf einem rußtaubedeckten Blatt nebeneinander auftraten, auch ohne weiteres zusammengehören. Es wird freilich langer mühevoller Untersuchungen bedürfen, ehe — auf Grund der Kultur — nur einige Klarheit in das Wirrsal der Formen und Arten, die einen Rußtau zusammensetzen, gebracht ist. Derjenige, der sich dieser Aufgabe unterzieht, muß einerseits über eine sichere Technik in der Reinkultur, andererseits über einen guten Überblick und Kenntnis der Arten verfügen, zwei Eigenschaften, die nicht immer vereinigt sind. Es wird notwendig sein, Schritt für Schritt vorzugehen, denn bei der Vielgestaltigkeit des Problems (die Zahl der anzulegenden Kulturen wächst bald ins Ungeheure) zeigt sich hier gerade in der Beschränkung der Meister, Man wird nämlich mit der einfachen Reinkultur der in einem speziellen Fall gefundenen Pilze überhaupt nicht zum Ziel gelangen. Werden von einer und derselben Rußtauvegetation durch Aussäen kleinster Fragmente in hängenden Tropfen Kulturen angelegt, die, wenn sie sich als rein erweisen, in geeigneten Kulturgefäßen weiter gezüchtet werden, so reicht dies nicht aus, um eine richtige Vorstellung von der wahren Zusammensetzung der Rußtauvegetation zu erhalten. Wollte man sich damit begnügen, so würde man in den gleichen Fehler ver- fallen, den der begeht, der, um die Zusammensetzung einer pflanzen- geographischen Formation zu ermitteln, sich auf die genaue Schilderung einer einzigen Lokalität beschränkte. Es wird vielmehr notwendig sein, die Zusanımensetzung zahlreicher Rußtauvegetationen mittels der Reinkultur zu analysieren. Dann wird sich herausstellen, welche Pilze regelmäßig wiederkehren und daher einen integrierenden Bestandteil bilden, welche nur zufällige Beimengungen sind. Natürlich ist diese Art der Untersuchung überaus mühevoll und zeitraubend, sie kann aber als die einzige zu einem brauchbaren Re- sultat führende angesehen werden. Leider aber stößt man im weiteren Verfolg dieser Methode auf eine fast unüberwindliche Schwierigkeit. Denn sehr viele der hier in Flora, Bd. 110. 6 82 F. W. Neger, Betracht kommenden Pilze sind „Imperfekte“, die in der Reinkultur überhaupt nichts anderes als sterile Mycelien oder höchstens Conidien bilden und daher sehr schwer zu charakterisieren, geschweige denn systematisch mit Sicherheit zu bestimmen sind. Die einzige Möglichkeit, aus jener Schwierigkeit einen Ausweg zu finden, besteht darin, daß man, wie in der Bakteriologie, das Ver- halten zu verschiedenen Nährsubstraten, das Aussehen der Reinkulturen, die Schnelligkeit des Wachstums und ähnliche Eigenschaften zu- grunde legt und auf Grund dieser auf Gleichheit oder Verschiedenheit schließt. Freilich wird man dann in manchen Fällen auf den Versuch verzichten müssen, den jeweiligen Pilz in das System der Imperfekten einzureihen, ein Versuch, der ja, selbst wenn Conidien gebildet werden, wenig Aussicht auf Erfolg hat, da sich die vorhandenen Beschreibungen, nahezu ausnahmslos, auf im Freien gefundene Pilze, und nicht auf in Reinkultur gezogene, beziehen. Man wird dann in vielen Fällen lieber den Weg beschreiten, den Burgeff bei der Charakterisierung der von ihm aus Orchideenwurzein isolierten Mykorrhizenpilze eingeschlagen hat, d. h. vorläufige Namen geben und die betreffenden Pilze durch genaue Angabe der Wachs- tunnserscheinungen auf verschiedenen Substraten kenutlich machen. Dies ist um so notwendiger, als wir ja in der Systematik der Pilze —- insbesondere der Imperfekten — auf die Länge mit der rein morphologischen Beschreibung, wie sie im Saccardo’schen System gefordert wird, nicht mehr auskommen. Wir müssen uns endlich darüber klar werden, daß die bisher allgemein geübte Praxis der Diagnostik von Pilzen auf Grund der Untersuchung von Herbarmaterial nur eine halbe Arbeit ist, indem dabei gewissermaßen nur ein Ent- wieklungsstadium die Unterlage bildet. Sie wird — namentlich soweit die Imperfekten in Betracht kommen, nie imstande sein, der immer größer werdenden Verwirrung im System Einhalt zu tun. Selbst so verdienstvolle und sorgfältige, durch außerordentliche Sachkenntnis charakterisierte Arbeiten, wie die kritischen Untersuchungen von Höhnels, werden zu keinem endgültigen Abschluß führen, wenn nicht Reinkulturen, wobei man freilich von lebendem Material ausgehen muß, nebenher gehen. Die Erkenntnis, daß die rein morphologische Beschreibung zur sicheren Diagnostik der Arten häufig nicht ausreicht, muß für die Systematik der Pilze ebenso entscheidend werden, wie sie es längst Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 83 in der Bakteriologie und in der Lehre von den Gärungsorganismen (Hefepilze) ist. Die Vertreter der rein systematischen Richtung der Mykologie werfen allerdings dagegen ein, daß viele Pilze auf künstlichen Nährböden «legenerieren und dann nicht als Grundlage für einwandfreie Diagnosen dienen können. Dies mag zum Teil zutreffen; allein einerseits kann dieser Übelstand teilweise vermieden werden, wenn die Reinkulturen auf Substraten ausgeführt werden, welche sich den natürlichen nähern, 2. B. auf sterilisierten Blättern, Zweigen u. dgl, und wenn durch Kultur in Gefäßen, durch welche keimfreie Luft geleitet wird, auch die Wachstumsbedingungen natürlichere werden. So gelang es mir z. B. einen Pilzt), den ich in Form von Conidien in Kultur genommen hatte, dureh die genannte Behandlung zur Perithecienbildung zu veranlassen und Fruchtkörper zu erzielen, welche vollkommen mit den in der Natur vorkommenden übereinstimmten. Andererseits kann gesagt werden, daß viele Pilze auch in Reinkulturen, selbst auf Gelatine, jedenfalls aber auf natürlichen Substraten, ihren ganz normalen Entwicklungsgang durch- machen und keinerlei Zeichen von Degeneration erkennen lassen. Vgl. die unten folgenden Beschreibungen von Triposporium, Atichia, Gyroceras, Fumago u. a. Freilich ist diese Art von Untersuchung weit mühevoller und zeit- raubender als die von den Systematikern geübte, schablonenmäßige Be- schreibung der in der Natur beobachteten Formen. Übrigens spricht jeder, der die Reinkultur als unbrauelibar verwirft, gleichzeitig ein verdammendes Urteil über seine eigene Arbeit aus. Denn was wir in der Natur vorfinden, gibt doch auch nur ein sehr einseitiges Bild. Der gleiche Pilz kann auf anderem Substrat, unter anderen Lebens- bedingungen (bei anderer Temperatur, anderen Feuchtigkeitsverhältnissen) ganz andere Wuchs- und Fruchtformen zeigen, d. h. die in den einzelnen Fällen auftretenden Abweichungen sind ebensogroß wie die unter natür- lichen und künstlichen Wachstumsbedingungen entstehenden Formen 2). Jedenfalls aber führt die freilich langsam, gewissermaßen nur schritt- weise gehende Förderung unserer Kenntnisse auf dem Wege der Rein- kultur zu sichereren Ergebnissen als die reindeskriptive Behandlung, bei 1) Melanospora marchieca Lind. (s. Literatur 3914). Das gleiche ge- lang mir bei Nectria cucurbitula (1916). . 2) Ein drastisches Beispiel in dieser Hinsicht ist die oben (pag. 68) be- schriebene verschiedene Ausbildung der Antennaria ericophila in verschie- denen Höhenlagen der andalusischen Hochgebirge. 6” 84 F. W. Neger, welcher das subjektive Moment eine so überaus große Rolle spielt, bei welcher Merkmalen, über deren Konstanz wir gar nichts wissen, eine so große Bedeutung eingeräumt wird, und überdies stets die Gefahr besteht, daß zufällig nebeneinander auftretende Organismen als Entwicklungsformen einer und derselben Art angesehen werden. — Seit einigen Jahren bin ich damit beschäftigt, Rußtaupilze in Rein- kultur za züchten. Meine Untersuchungen sind keineswegs voll ab- geschlossen. Ist es mir doch bisher noch nicht einmal gelungen, den Rußtaupilz za? &&oyy» — das von Tulasne abgebildete Capnodium salicinum — lebend zu erhalten und zu kultivieren. Fast bei jeder neuen Aussaat kleinster Fragmente des Tannen- raßtaus — namentlich von neuen Standorten — stoße ich auf Organismen, die in meinen Kulturen bis jetzt nicht aufgetreten sind, und das Phänomen wird dadurch immer verwickelter. Unter diesen Umständen ist ein Ende dieser Untersuchung in absehbarer Zeit überhaupt nicht zu erwarten. Immerhin ist das, was ich bisher in außerordentlich mühevollen und langwierigen Kulturversuchen ermittelt habe, geeignet, einen ge- wissen Einblick zu gewähren in das Wesen der Rußtaufrage. Die Erkenntnis, daß weitere lange Jahre nötig sein werden, um die noch vorhandenen Lücken auszufüllen — wenn dies überhaupt jemals möglich sein wird —, sowie daß diese Studien zweckmäßig auch in anderen Ländern, besonders in Südeuropa und in den Tropen, fortgesetzt werden, läßt es angebracht erscheinen, das, was bisher als feststehend erkannt wurde, in die Öffentlichkeit zu geben. Ich beschreibe daher nachstehend meine Kulturen von Rußtau- pilzen. Es kommen folgende in Betracht: Der Eichen-, Linden- und Ahornrußtau (sowie derjenige anderer Laubbäume), der Tannenrußtau, der Gewächshausrußtau?). Material und Untersuchungsmethode. Das zur Anlage von Reinkulturen verwendete Material stammte von folgenden Örtlichkeiten: 1) Meine Versuche, auch den Alpenrosenrußtau — gewöhnlich als Torula Rhododendri bezeichnet — in Reinkultur zu studieren, führten leider zu keinem Ergebnis. Frisches Material, welches ich selbst aus den Alpen holte, wurde in geeignete Kulturbedingungen gebracht. Aber in keinem Fall gelang es, die aus- gesäten Mycelfragmente zum Auswachsen zu bringen. Ebenso kam ich mit dem in Korsika verbreiteten Limonenrußtau noch zu keinem abschließenden Ergebnis. Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 85 a) Eichenrußtan: Tharandt, Dresden, Reichenbach i. L., Saßnitz, Berlin; b) Ahornrußtau: Stralsund; c) Lindenrußtau: Tharandt, Saßnitz; d) auf anderen Nährpflanzen: Spiraea, Tharandt, Reichenbach i.L., Symphoricarpus, Reichenbach i. L.; e) Tannenrußtau [auf Weißtanne bzw. Fichte‘)]: Tharandt Kipsdorf Schellerhau Buschmühle ferner Dresden (Bot. Garten), Louisenburg (im Fichtelgebirge), Püttlachtal (in der fränkischen Schweiz); f) Gewächshausrußtau: Bot. Gärten: Tharandt, Dresden, Leipzig. Das Material ist in allen Fällen von mir selbst gesammelt und in sterilisierten Glasgefäßen aufbewahrt worden. Die Kulturen wurden stets sobald als möglich angelegt. im Erzgebirge, Untersuchungsmethode. Um eine Vorstellung zu bekommen, welchen Anteil die einzelnen — als regelmäßig wiederkehrend erkannten — Bestandteile an der Zusammensetzung einer Rußtaudecke haben, wurde folgender Weg ein- geschlagen. Kleine Teile der Rußtaudecke wurden mit einer sterilen Nadel abgelöst, in einem großen Tropfen sterilen Wassers verrieben (auf Uhrglas), und sodann mittels einer kleinen ausgeglühten Platinöse der- art in zahlreiche (in einer sterilen Petrischale) hängende Tropfen von 1) Auf der Fichte tritt Rußtau weit weniger häufig auf als auf der Weißtanne. Allerdings geht der Tannenrußtau nicht selten auf benachbart stehende Fichten über, wobei das Hormiscium pinophilum gleichfalls quantitativ weitaus über- wiegt. In der Nähe von Tharandt beobachtete ich eine mitten im Buchenwald stehende Fichte, die mit einem starken Rußtsuüberzug bedeckt war, in welcher aber das Hormiscium vollkommen fehlte. Aus der Analyse (pag. 22) ergab sich, daß dieser Rußtau hauptsächlich aus folgenden Pilzen bestand: Conioth ecium, Dematium U, Triposporium, Gladosporium herbarum und einigen anderen unbestimmbaren Pilzen. Auf der gemeinen Kiefer beobachtete ich im Elbtal (zwischen Rathen und Wehlen) einen Rußtau, der, wie die Analyse lehrte, aus Dematium pullu- lans, Dematium I, Coniothecium und einer Gyroceras-Art bestand. Alle diese weniger häufigen Rußtauvegetationen müssen noch eingehender untersucht werden, 86 F. W. Neger, Dextrosenährgelatine verteilt, daß in jedem Tropfen nur ein bis wenige, winzige Fragmente der Rußtaudecke zu liegen kamen. In den meisten Fällen erhielt ich auf diese Weise nahezu reine Kolonien. Diejenigen, welche sich bei mikroskopischer Musterung als einwandfrei rein erwiesen, wurden mittels steriler Nadel in frische hängende Tropfen und von hier aus in größere Kulturgefäße über- tragen (zum Teil unter dem Präpariermikroskop). Nachdem ich auf diese Weise eine größere Anzahl von Rußtau- pilzen isoliert und näher untersucht hatte, bot die Wiedererkennung der einzelnen Komponenten in den Tropfenaussaaten meist keine Schwierig- keit mehr, und es war nun leicht, in diesen den Frequenzfaktor fest- zusetzen. Als Frequenzfaktor möchte ich bezeichnen einen Bruch, dessen Nenner angibt die Anzahl der Aussaaten (in Tropfen), während der Zähler ausdrückt, in wieviel Tropfen ein bestimmter Pilz nachzu- weisen war. Angenommen, es wurden vom Tannenrußtau winzige Fragmente (nach Zerreibung in Wasser) auf 12 Gelatinetropfen verteilt, und nach Verlauf von mehreren Tagen Coniotheeium in 9 Tropfen nach- gewiesen, so ist der Frequenzfaktor: 9 12" Ich gebe anbei einige Beispiele von Analysen einer Probe Tannen- rußtau wieder, aus welcher die Feststellung des Frequenzfaktors der wichtigsten Bestandteile zu ersehen ist: Analyse I: Material in Kipsdorf am 20. Okt. 1916 gesammelt. Rußtau auf Tannennadel, bei mikroskopischer Untersuchung vorwiegend aus Atichia glomerulosa bestehend; kleinste Fragmente in 21 bän- gende Tropfen von Nährgelatine übertragen: Es entwickelten sich in diesen Tropfen nachstehende Pilze: 1. Atichia, Coniothecium, und zwei andere ? Pilze 2. „ ” F= ” ” ” ” 3. „ „ „ Hormiscium U 4. Hefe ) ” 5. Atichia „ n 6. „ und 1 ? Pilz 7. „ „ Helminthosporium sp. 8. „ „ Hormiseium JI 9. » (rein) 10. 11. 12. Fixperimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 87 . Atichia und Coniotheeium ” n ” ” „ Torula sp. 13. Coniothecium und zwei ? Pilze 14. Atichia und Hormiseium II 15. ” ” ” 16. Torula-ähnlicher Pilz und ein ? Pilz 17. Coniothecium und Atichia 18. Atichia (rein) 19. » ” 20. FR Coniothecium und Hormiseium II 21. » (rein). Wie man sieht, enthielt die scheinbar homogene Vegetation von Atichia auf der Tannennadel eine große Anzalıl von Organismen; unter diesen sind besonders häufig vertreten: nem 418 Atichia: F = ST Coniotheciun: F = S on :F=5 kanı 8 Hormiscium I: F= Tr Analyse II: Material von Tannenzweig bei Kipsdorf am 20. Okt. 1916 gesammelt. Bei mikroskopischer Untersuchung scheinbar nur aus Hormiseium pinophilum bestehend. Kleinste Fragmente in 22 Tropfen ausgesäet. In diesen entwickelten sich folgende Pilze: 1. Dematium II 2. Atichia und ? Pilz 3. Dematium H 4. Atichia, Dematium II und ? Pilz 5. Coniothecjum, Dematium II und ? Pilz 6. Dematium II 7. ? Pilz 8. Coniothecium, Dematium II und ? Pilz 9. „ (rein) 10. Dematium IF und ? Pilz 11. „ „ Hormiscium pinophilum. 12. Hormiscium p. (rein) 13. Dematium II ” 14. Hormiscium p. „ 838 FW. Neger, 15. Hormiseium p. und ? Pilz 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. ” ” ” ” ” ” ” ” ” ” ” ” ” ” Dematium II ” ? Pilz und Hefe uno Hefe ” Die scheinbar fast rein aus Hormiscium pinophilum bestehende Pilzvegetation enthielt also außer einer Anzahl unbestimmbarer Pilze (als ? bezeichnet) die folgenden typischen Rußtaupilze im Frequenz- verhältnis F: . 9 Dematium I: F = >23 Atichia: F—= = 22 Coniothecium: F= 3 22 un: , 11 Hormiscium pinoph.: F = E32 Analyse III: Material von Tannennadeln bei Buschmühle gesammelt am 20. Nov. 16. Scheinbar vorwiegend aus Hormiseium pinophilum und Coniothecium bestehend. Kleinste Fragmente in 15 hängende In diesen entwickelten sich folgende Pilze: 1. Coniotheeium und ? Pilz Tropfen ausgesäet. » . ? Pilz ” ” ” ” ” ” ” " ” ” ” Dematium II (rein) ” Hormiscium p. und ? Pilz ? Pilz ? „ und Helminthosporium sp. ” . Coniotheeium und Dematium II (rein) und Dematium II ” Also: Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 89 Coniotheciun: F= 14 15 R 6 Dematium II: F= 5 kun: 1 Hormisciumn p: F= 5 Helminthosporium p.: F = Analyse IV: Fichtenrußtau gesammelt bei Tharandt am 10. Okt. 1916. Mikroskopisch nachweisbar: Coniotheeium, verschiedenartige braune Mycelien, Algenzellen. Bei Aussaat kleinster Fragmente in hängende Tropfen 1. 2. eg von Nährgelatine entwickelten sich folgende Pilze: Coniothecium und Triposporium und ? Pilz ” ” ” Dematium II » Coniothecium und Triposporium Cladosporium berbarum, Coniothecium und Tripo- sporium Triposporium und ? Pilz ” „’n . Coniotheeium „ Cladosporium Cladosporium „ ? Pilz ri „ Triposporium . Coniothecium „ ” und ? Pilz Dematium II und ” ” ” ”„ ? Pilz Coniotheeium und Triposporium und ? Pilz n „ Dematium I „?„ ” ” ” . Triposporium „ ? Pilz ” „Pn ” » I» . Coniothecium, Triposporium, Dematium II und ? Pilz Coniothecium, Triposporium, Dematium II und ? Pilz . Cladosporium und Triposporium . Dematium II „ ” . Cladosporium „ ” . ? Pilz . Triposporium und ? Pilz ” Pa Zur 90 F. W. Neger, Also: Coniotheeium: F = 2 Triposporiun: F= 4, Cladosporium: F= - Dematium I: F= - Die Synthese. Ebenso wie in der Chemie die Synthese eine notwendige Er- gänzung der Analyse darstellt, so sollte auch in den biologischen Wissen- schaften so viel als möglich versucht werden, was durch die Analyse ermittelt wurde, durch die Synthese auf die Richtigkeit zu prüfen. In der Pilanzenpathologie entspricht der Synthese der Infektions- versuch. Derselbe soll zeigen, ob beim Zusammenbringen eines Para- siten mit der Wirtpflanze unter Bedingungen, welche der Weiter- entwicklung des ersteren und dem Unterliegen der letzteren günstig sind, das gleiche Krankheitsbild entsteht wie in der Natur. Der positive Erfolg dieses Versuches gibt dann erst die Sicherheit, daß die Krank- heit wirklich durch den fraglichen Mikroorganismus verursacht wird. Es liegt nahe. dieses Verfahren auch bei den Rußtaupilzen anzuwenden, d. h. durch Impfung honigtaubedeckter Blätter mit den Reinkulturen der betreffenden Pilze Rußtau künstlich zu erzeugen. So einfach dieser Versuch zu sein scheint, so stellen sich ihm doch außerordentliche Schwierigkeiten entgegen. Zunächst ist der Honigtau kein reines Substrat, sondern enthält fremde Keime, Hefezellen u. dgl. Sterilisation am Blatt ist unmöglich. Ferner: werden honigtaubedeckte Pflanzen unter Glasglocken ge- stellt, so erfährt die Konzentration des Honigtaus (durch Absorption der Wasserdämpfe, die von der Pflanze abgegeben werden) eine der- artige Herabsetzung, daß alle in solchen Räumen sich einfindenden Organismen, wie zahlreiche Schimmelpilze, die ihnen zusagenden Lebensbedingungen finden und andere — die aus Reinkulturen auf- geimpften — Rußtaupilze überwuchern. Stellt man aber honigtaubedeckte Pflanzen offen in großen trockenen Räumen hin, so steigert sich die Konzentration des Honigtaus derart, daß selbst sehr osmophile Pilze — wie manche Rußtaupilze — nicht mehr darauf wachsen. Außerdem ist andauernd die Möglichkeit einer Infektion mit fremden Organismen gegeben. Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze, 9 Kurz gesagt, es ist aus verschiedenen Gründen sehr schwer oder fast unmöglich, gewisse — aus natürlichem Rußtau isolierte und in Reinkultur gezüchtete — Rußtaupilze auf honigtaubedeckten!) Pflanzen — als Reinkultur — weiter zu züchten. In der Tat waren die meisten meiner unter den verschiedensten Bedingungen angestellten Versuche auf honigtaubedeckten Pflanzen (besonders Ardisia erenulata) durch Aufbringen von in Reinkultur gezüchteten Rußtaupilzen die Rußtaudecke künstlich zu erzeugen, von keinem oder nur geringem Erfolg begleitet. Z. B. Dematium pullu- lans, ebenso wie das nachstehend beschriebene Dematium II, die doch in der freien Natur so überaus verbreitet sind, wuchsen anf honigtaubedeckten Blättern sehr schlecht und erzeugten keine zu- sammenhängende Rußtaudecke, bzw. wurden {wenn der Versuch unter Glasglocken angestellt wurde) von anderen Pilzen wie Penicillium, Botrytis einerea usw. unterdrückt. Selbst das sonst so frohwüchsige Coniothecium breitete sich sehr langsam aus. Ganz versagten Hormiscium pinophilum (das ja auch auf hängenden Gelatinetropfen sehr schlecht gedeiht) und Atichia glomerulosa. Der einzige Rußtaupilz, der unter diesen Umständen gut, ja vorzüglich gedieh, ist Fumago vagans, der typische Gewächshausrußtau. Diesen in der angegebenen Weise zu kultivieren, lag aber kein Bedürfnis vor, weil er sich ja in Vegetationshäusern in der Regel von selbst einstellt. Er scheint in ausgezeichneter Weise der feuchtwarmen, ruhigen Gewächshausluft angepaßt zu sein, und besteht hier erfolgreich die Konkurrenz anderer Organismen, namentlich der Schimmelpilze. Unter diesen Umständen gab ich die Versuche auf Blättern immergrüner Topfpflanzen künstlich Rußtaudecken zu erzielen, als un- durchführbar auf und beschränkte mich darauf, die isolierten Rußtau- Pilze in hängenden Tropfen konzentrierter Nährlösungen (in geräumigen, gut sterilisierten Petrischalen) zu kultivieren. Als Nährlösung diente 1) Den natürlieben Honigtau durch künstlichen (geeignete Nährlösungen) zu ersetzen, geht auch nicht an, da letzterer — z. B. mit dem Pinsel aufgetragen — viel schwerer benetzt als natürlicher. 2) Freilich wachsen nicht alle Arten gleich gut in derartig konzentrierten Nährlösungen, z. B. Atichia, Coniothecium, Dematium weit besser als etwa Ciadosporium und Triposporium. Wie schon früher erwähnt wurde, Ist wohl auch die Konzentration des natürlichen Honigtaus je nach dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft bedeutenden Schwankungen unterworfen. Demgemäß wird in einer Rußtaudecke bald der eine, bald der andere der Kommensalen mehr oder weniger günstige ihm zusngende Wachstumsbedingungen finden oder gezwungen sein, in die Dauerform überzugehen. 92 F. W. Neger, Knop'sche Lösung mit einem Gehalt von 40—50%, Trauben- oder Rohrzucker. Freilich mußte dafür gesorgt werden, daß einerseits die Tropfen nicht ganz eintrockneten, andererseits durch Absorption von Wasserdämpfen die Konzentration des hängenden Tropfens nicht allzu tief sank. Dies wurde dadurch erreicht, daß die untere Schale stets nur minimale Mengen von Wasser (oder auch einige Tropfen einer gleichkonzentrierten Zuckerlösung) enthielt. Auf diese Weise erhielt ich Pilzvegetationen, welche mit den in der Natur vorkommenden Rußtaudecken große Ähnlichkeit hatten. Ins- besondere treten in diesen flachausgebreiteten, und daher der Luft- wirkung zugänglichen Tropfen jene braunen diekwandigen Mycel- schnüre oder Mycelklumpen auf, die in der Natur so häufig beobachtet werden (Fig. 18, 19, 21 usw.), und eszeigte sich, daß die verschiedensten als Rußtaubestandteile erkannten Pilze zur Bildung derartiger Dauermyce- lien — als solche dürfen sie wohl gelten — befähigt sind, z. B.: Dematium pullulans, Dematium II, Botrychium sp, Fu- mago vagans, Triposporium sp, Helminthosporium u. a, während die beiden Hormiscium-Arten überhaupt keine anderen als kurzgliedrige Myceläste bilden. Näheres über das Wachstum der Rußtaupilze in konzentrierten Nährlösungen s. bei Schostakowitsch (1895) und im nachstehenden speziellen Teil. * * * Ich war mir im Laufe der Untersuchung des Tannenrußtaus bzw. seiner Zerlegung in die denselben zusammensetzenden Organismen darüber klar geworden, daß die in Reinkultur isolierten Arten nur einen (vielleicht sogar kleinen) Teil der überhaupt in Betracht kom- menden Kommensalen ausmachen. Wie schon erwähnt, brachte jede neue Analyse neben den schon isolierten neue Formen zutage, von deren weiterem Studium vor der Hand nur deshalb abgesehen wurde, weil sonst die Zahl der zu versorgenden Kulturen ins Ungemessene gestiegen und ihre Untersuchung praktisch nicht mehr durchzuführen gewesen wäre. Gerade die Untersuchung der Zusammensetzung des Tannenrußtaus soll daher noch fortgesetzt werden. Rein theoretisch betrachtet besteht kein Grund anzunehmen, daß nicht die verschiedensten Pilze an der Bildung einer Rußtaudecke teil- zunehmen befähigt wären, vorausgesetzt, daß ihre Sporen, durch Wind übertragen, auf honigtaubedeckte Blätter fallen, dort keimen, und ein — in der Regel steriles — Mycel bilden. (Der Mangel einer charak- teristischen Fruktifikation auf künstlichem Nährboden — und ein Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze, 93 solcher ist eigentlich auch der Honigtau — ist es ja, der die Identifi- zierung dieser Pilze so sehr erschwert; s. spezieller Teil.) Denn die Zahl derjenigen Pilze, welche auf zuckerhaltigen Sub- straten braune, schwarze kurzgliedrige Mycelien bilden, ist zweifellos ungeheuer groß. Als solche können z. B. in Betracht kommen die meisten Sphae- riazeen, Cucurbitariazeen, Mycosphaerellazeen, Gnomoniazeen, Valseen, Melanconidazeen, Xylariazeen, viele Hysteriazeen sowie eine fast unbe- grenzte Anzahl von Imperfekten u. a. Der experimentelle Nachweis der Identität eines Rußtaukompo- nenten mit einem Vertreter der genannten Pilzfamilien wird kaum je zu führen sein, oder wenigstens im hohen Grad von Zufälligkeiten abhängen. Wohl aber können wir den umgekehrten zu einem ähnlichen Resultat führenden Weg einschlagen, d. h. wir können prüfen inwieweit allverbreitete Pilze in konzentrierten Zuekerlösungen (in dünner Schicht ausgebreitet) Mycelien, eventuell auch Dauermycelien bilden können, welche denjenigen der Rußtaudecken gleichen. Ich habe zu diesem Zweck eine Anzahl auf abster- benden Pflanzentei- len wachsender sa- prophytische Pilze in Reinkultur genom- men und dann Frag- mente davon in hängende Tropfen zuckerreicher Nähr- lösung (gewisser- maßen künstlichen Honigtau) übertragen. Der Versuch wurde mit folgenden Arten angestellt: Bulgaria polymorpha, Clithris quercina, Lophoder- mium maerosporum, Xylaria hypoxylon, Diatrype disei- formis, Ceratostomella Piceae, Herpotrichia nigra, Bi- spora monilioides. Die nachstehenden haben in konzentrierter zuckerreicher Nähr- lösung kurzgliedrige, braune, häufig von Schleim umhällte Mycelschnüre gebildet, welche ganz das Aussehen von Rußtaupilzfäden besaßen: Fig. 2. Kurzgliedrige, dunkelgefärbte Mycelstücke von Bulgaria polymorpha, in zuckerreicher Nährlösung. 94 F. W. Neger, Bulgaria polymorpha (Fig. 2, Xylaria hypoxylon, Diatrype disciformis, Herpotrichia nigra. Zweifellos werden aber noch viele andere Asco- und Discomy- cetes in zuckerreicher Nährlösung ähnliche Wachstumsformen zeigen. Das beweisen die Darstellungen der von Brefeld angelegten Pilz- reinkulturen. Z. B. in dem Band Ascomycetes II (seiner Untersuchungen aus dem Gesamtgebiet der Mykologie, Heft X) bildet er rußtauähnliche, rosenkranzförmige Mycelschnüre für. folgende Arten ab: Amphi- sphaeria applanata, Sphaerulina intermixta (zu diesem Pilz zieht Brefeld bekanntlich Dematium pullulans als Nebenfrucht- form, was mir aber durchaus nicht erwiesen scheint, nachdem zahl- reiche andere Pilze in zuckerhaltigen Nährlösungen Sproßmycelien bil- den. die von Jenjenigen des Dematium pullulans kaum zu unter- scheiden sind), Dothidea ribesia, D. polyspora, D. pucecini- oides, Dothiora Sorbi, Pseudohelotium granulosellum (die Conidienfruktifikation dieses Pilzes erinnert etwas an das von mir im Tannenrußtau gefundene Gyroceras u. a.) 11. Spezieller Teil. Beschreibung einiger in Reinkultur gezogener Rußtaupilze. Aus der großen Anzahl von Pilzen, die nach dem angegebenen Verfahren, durch Aussaat kleinster Fragmente in Nährgelatine erhalten worden waren, wurde eine beschränkte Zahl weiter kultiviert und: ein- gehend untersucht. Es sind dies die folgenden Arten (zum Teil nur mit vorläufigen Namen belegt): Dematium pullulans } aus dem Eichen- und Linden- Cladosporium herbarum rußtau!) usw. Dematium II Hormiscium pinophilum Hormiscium II Gyroceras sp. Triposporium sp. aus dem Tannenrußtau (bzw. Coniothecium sp. Kiefern- und Fichtenrußtau). Atichia glomerulosa Torula sp. Helminthosporium sp. Botryotrichum sp. 1) Andere im Fichen- und Lindenrußtau, allerdings seltener nachgewiesene Pitze sind: Botrytes cinerea (in Reinkulturen an den leicht sich bildenden Sklerotien erkennbar), Atichia, Coniothecium usw. Experimentelle Untersuehungen über Rußtanpilze 95 Fumago vagans (der von Zopf beschriebene Pilz) aus dem Gewächshausrußtau. 1. Dematium pullulans ist einer der verbreitetsten und häufigsten Rußtaupilze unserer ein- heimischen Flora. Was unter den Namen Capnodium quereinum, Apiosporium quereinum, Capn. Corni, Capn. Symphoricarpi, Capn. Personii, Capn. expansum, Capn. Lonicerae u. a. geht, ist größtenteils nichts anderes als dieser weit verbreitete Schimmelpilz. Daß Dematium pullulans einen Hauptbestandteil vieler Rußtaupilzüberzüge bildet, ist schon von De Bary (1884), Schosta- kowitsch (1895), Arnaud (1910), Skerst (1898), Lindner u.a. nachgewiesen worden. Daß aber viele unter dem Namen Capnodium oder Apio- sporium oder Fumago beschriebene Pilze sich als Dematium er- weisen, konnte natürlich nur mittels der Metliode der Reinkultur ent- schieden werden. In der nachstehenden Tabelle sind eine Anzahl von Impfungen mitgeteilt, welche die Richtigkeit der oben aufgestellten Behauptung beweisen: Material | Aussaat Fraquonz- Linde (Saßnitz) . . . 10. IX. 1915 B Ahorn (Stralsund) . . 11. IX. 1915 2 Hopfen (Tharandt) . . 6. VI. 1916 RS Ulmus (Rabenau) . . . 16. VI. 1916 5 Epheu (Dresden) . . . 20. VI. 1916 5 Eiche (Tharandi) . . - 10. IX. 1916 5 Eiche (Dresden) . . . 16. IX. 1916 5 Ich fand Dematium pullulans ferner (ohne genaue Zählungen anzustellen) im Rußtau auf Symphoricarpus, Lonicera, Spiraea (Reichenbach O. L.), auf Laurus (Zimmerpflanze, Tharandı), Hasel- auß (Berlin) usw. 96 . F. W. Neger, Um zu ermitteln, ob Dematium pullulans als Rußtau lebend überwintert, wurden folgende Versuche angestellt. Von vergilbten, am Baum noch hängenden Eichenblättern, die noch eine schwache Rußtau- vegetation trugen, wurden kleine Pilzkeime (sogenannte Coniothecien) auf Nährgelatine gebracht. I. Am 16. Jan. 1916 gesammelt — 7 Impfstellen —, nach 8 Tagen in allen Dematium pullulans in charakteristischen Kulturen. II. Der gleiche Versuch wurde mit dem nämlichen Ergebnis auch am 12. Febr. 1916 angestellt. Es kann somit kein Zweifel bestehen, dad Dematium pullu- lans — der Hauptbestandteil des Eichenrußtaus — in Form von Dauermycelien überwintert, ohne seine Wachstums- bzw. Keimfähigkeit einzubüßen (Fig. 3). Bei der ungeheueren Verbreitung dieses Pilzes — seinem Vor- kommen auf allen möglichen (auch abgestorbenen) Pflanzenteilen — ist es also leicht verständlich, daß er, sowie sich die ersten Honigtau- überzüge zeigen, auch als Rußtau eine bedeutende Rolle spielt. Dem. pullulans auf verschiedenen Nährböden. Schostakowitsch (1895) hat untersucht, in welcher Abhängigkeit die Wachstumsweise dieses Pilzes vom Substrat steht. Er hat gefunden, daß in hochkonzentrierten (ca. 40—50°/, Dextrose) Lösungen, nur oder vorwiegend Mycel mit diekwandigen Gemmen gebildet wird, die Ab- schnürung von farblosen Sproßzellen aber an tiefere Temperatur und verdünntere Nährlösungen gebunden ist. Ich kann diesen Befund bestätigen. Die Bildung des braunen Pigments hängt vom Zutritt von Luft ab. In Nährlösungen, an deren Oberfläche sich eine schwarze, die Luft abschließende Haut bildet, bleibt das untergetauchte, Sproßzellen abschnürende Mycel andauernd farblos. Vom Licht ist die Bildung des Pigments unabhängig; denn Luftzutritt vorausgesetzt, entstehen auch bei vollkommenem Lichtabschluß in zuckerreichen Lösungen schwarzbraune Mycelfäden und Gemmen. Wenden wir diese in der Kultur gewonnenen Erfahrungen auf die Vorgänge in der freien Natur an, so werden uns verschiedene Erscheinungen verständlich. Ein honigtaubedecktes Blatt stellt bei trockenem Wetter, bei welchem auch die Zuckerausscheidung durch Blattläuse gesteigert ist, ein hochkonzentriertes Substrat dar. Die darauf wachsenden Pilze werden nur insoweit bestehen können, als sie solch’ hohen osmotischen Druck auszuhalten vermögen. Dies scheint nicht für alle Schimmelpilze Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 97 in gleichem Maß zu gelten; so scheint der in der freien Natur auch sehr verbreitete Schimmelpilz Botrytis cinerea auf 40% Zucker- lösungen recht schlecht zu gedeihen. Damit findet schon eine Ein- schränkung der Anzahl von Konkurrenten statt, und das Dematium, welches auf hochkonzentrierten Zuckerlösungen gut gedeiht (der Grenz- wert ist nach Skerst [1898] etwa 50°, Dextrose) wird leicht das Übergewicht über Konkurrenten erlangen. Nur gewisse Hefepilze scheinen ähnlich widerstandsfähig zu sein; eine Rosahefe fand ich häufig als Bei- mengung der Dematiumkulturen. Solange der Honigtau konzentriert ist — d.h. bei trockenem oder mäßig feuchtem Wetter — bildet das Dematium schwarzes Mycel und Gemmen. Sproßzellen treten zu dieser Zeit nur spärlich auf. Bei feuchtem Wetter, häufigen Niederschlägen, herabgesetzter Temperatur stellen sich die Bedingungen für die Entwicklung zahl- reicher Sproßzellen ein. Durch Regenwind werden diese schnell in der ganzen Umgebung verbreitet. Folgt auf die Regenperiode wieder eine niederschlagslose, so werden die Folgen bald bemerkbar. Die Blätter aller Sträucher, die unter einem rußtauinfizierten Baum stehen, zeigen bald eine reiche Vegetation von Rußtaupilzen — fast ausschließlich Dematium. Die Sproßzellen haben in dem durch den Regen herabgewaschenen, zuerst verdünnten, später wieder konzentrierten Honigtau braunes, gemmen- reiches Mycel gebildet, das aber bei erneuter Verdünnung des Substrats durch Niederschläge wieder farblose Sproßzellen erzeugt. Die außerordentlich schnelle Verbreitung des Pilzes ist nament- lich durch den Umstand gewährleistet, daß jede Sproßzelle in ver- dünnter Nährlösung hefeartig!) aussprossen und jede dieser Aus- sprossungen, in eine nährstoffreiche Lösung übertragen, wieder Mycel bilden kann. Die Coniothecien (Fig.3u.4). Eine Wachstumsform, welche uns bei — als Dematium pullulans erkanntem — Rußtau in der Natur besonders häufig entgegentritt, ist die der sogenannten Conio- thecien — vielzellige braunschwarze Klumpen von verschiedener Größe, unter Umständen schon makroskopisch sichtbar. Nicht selten besteht der schwarze Überzug auf Blättern fast ausschließlich aus Coniothecien; 1) Dieser Umstand erschwert so sehr, wenn entschieden werden soll, ob eine Beimengung von Hefe vorlag oder nicht; denn hefeartig aussprossende Sproßzellen von Dematium sind kaum zu unterscheiden von echten Hefen. Die Entscheidung ist nur möglich durch Übertragung in eine konzentrierte Zuckerlösung. in welcher Hefe wieder aussproßt, Dematiumsproßzellen aber vorwiegend Mycel bilden. Flors, Ba. 110. 7 98 F. W. Neger, und in dem oben (pag. 74) erwähnten — häufigen — Fall, daß der Rußtauüberzug nicht autochthon, sondern durch Zusammenschwemmen entstanden ist (Fig. 1), ist von Mycel fast nichts zu sehen; der ganze Überzug wird von Ooniothecien gebildet. Schostakowitsch (1895) hat die Bedingungen ermittelt, unter denen D. pullulans solche Coniothecien erzeugt — es ist verhältnismäßig hohe Temperatur (30—31° CO). Fig. 3. Fig. 4. Fig. 3, Demat. pullulans. Keimender Zellklumpen (Dauermyzel) von einem Lindenblatt; gesammelt am 2. Sept. 1916, von da bis 3. Dez. im Herbar; am 3. Dez. Keimung in Nährlösung. Fig. 4. Demat. pullulans. Dunkle Zellklumpen und Zellreihen (Dauermyzel), zum Teil mit Schleimhülle, zum Teil auskeimend und Sproßkonidien bildend. Aus Reinkultur. Vergr. 500. Nach meinen Versuchen scheint aber auch die Beschaffenheit des Substrats von Einfluß zu sein, so daß die Coniothecien auch bei weniger hoher Temperatur entstehen. Ich erhielt dieselben, wenn ich D. pullulans auf mit zucker- reicher (30% iger) Nährlösung getränkten porösen Körpern züchtete. Als solche eignen sich besonders poröser Ton, Sonnenrosenmark, Fichtenholz. Namentlich auf dem erstgenannten Substrat erhält man schwarze Krusten, die durchaus übereinstimmen mit gewissen auf Eichenblättern zu beobachtenden Rußtauüberzügen. Auch das mikroskopische Bild ist genau das gleiche, d. h. das die Tonstückchen überziehende Pilz- mycel ist in zahllose Coniotheeien zerfallen. Jedes dieser Gebilde sproßt — in Nährlösung oder Nährgelatine übertragen — in der gleichen Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 99 Weise aus wie in der freien Natur entnommene Coniotheeien, d. h. es entstehen Keimschläuche, die zuerst farblos sind und massenhaft Sproß- zellen abschnüren, später braun und perlschnurförmig werden (Fig. 4). Auch die auf mit Nährstofflösung getränktem Sonnenrosenmark erhaltenen Kulturen geben durchaus die Verhältnisse wieder, die man in der Natur findet (Fig. 5). Desgleichen die Kulturen auf Holz. Die Coniotheeien erreichen hier oft stattliche Dimensionen (1 mm im Durchmesser) 1), ebenso auf _sterilisierten Blättern (Fig. 6). Fig. 5. Fig. 6. Fig. 5. Schwarzes kurzgliedriges Mycel und Conitheeien von Demat. pullulans, In Reinkultur auf mit zuckerreicher Nährlösung getränktem Sonnenrosenmark. Vergr. 600. . Fig. 6. Conithecien von Demat. pullulans auf sterilisierten Epheublättern, in Reinkultur. Vergr. 200. Die Schleimbildung. Dematium pullulans vermag unter gewissen Umständen beträchtliche Mengen von Schleim zu bilden und ist dadurch (vgl. pag. 71) vorzüglich zu epiphytischer Lebensweise befähigt. Die Verschleimung kann soweit gehen, daß die Nährflüssig- keit fadenziehend wird. Bekanntlich verursacht D. pullulans die zähe Konsistenz der ungehopften Bierwürze. Wird der Pilz in zuckerreicher Nährlösung gezogen, so entsteht häufig ein Bodensatz, der aus ein- zelnen braunen Zellen oder aus kurzen Zellreihen und einem dieselben umhüllenden zähen Schleim gebildet ist. U D Tulasne bildet in seinem schönen Werk (1861) auf Taf. 34 bei Cap- nodium salieinum Coniothecien ab, welche durchaus denjenigen von Dematium pullulans entsprechen. Ob ihm dabei wirklich das echte Capn. salicinum, und zwar rein oder mit Dematium gemischt vorgelegen hat, muß natürlich dahin- gestellt bleiben. 7m 100 F. W. Neger, Über den Schleim von Dem. pullulans vgl. die Angaben von G. Smith (Zentralbl. f. Bakt. u. Parasitenk. 1906). Bildet Dem. pullulans Luftmycel, was namentlich bei Kultur auf Mohrrüben der Fall ist, so erscheint der von dem Mycel ausgeschiedene Schleim in Form von unregelmäßigen höckerigen Protuberanzen an der Außen- seite der Mycelzellwände. Abhängigkeit der Entwicklung von Dem. pullulans vom Salz- gehalt des Substrats. Es ist oben schon hervorgehoben worden, daß Dem. pullulans als Rußtau eine auffallend starke Entwicklung an Alleebäumen (Linde, Ahorn, Eiche) zeigt. Dies ist um so merkwürdiger als doch gerade bier die Bedingungen für die epiphytische Lebensweise infolge großer Lufttrockenheit nicht gerade die günstigsten sind. Andererseits könnten vielleicht folgende Momente als der Ruß- taubildung günstig angesehen werden (vorausgesetzt, daß durch Blatt- läuse eine hinreichend starke Honigtauschicht erzeugt worden ist): a) Auf Straßen und Alleen mit starkem Verkehr ist die Luft sehr bewegt, demgemäß wird viel Staub und mit diesem viele Pilz- keime aufgewirbelt, die dann, auf die Blätter auffallend, zur Keimung gelangen und „Rußtau* bilden können. Daß dann die Rußtauvegetation hauptsächlich aus Dematium besteht, durfte seinen Grund in der Fähig- keit dieses Pılzes, konzentrierte Zuckerlösungen zu verarbeiten, begründet sein (s. oben). b) Man könnte sich vorstellen, daß der aufgewirbelte und auf den honigtaubedeckten Blättern sich ablagernde Staub insofern für die Rußtauentwicklung günstig wäre, als dadurch das Mineralstoffbedürfnis der Rußtaupilze besser befriedigt wird, als wenn die Blätter mit reinem Honigtau bedeckt sind. Um zu ermitteln, welchen Einfluß der Salzgehalt des Substrats auf die Entwicklung von Dematium pullulans hat, wurden folgende Versuche angestellt: Sproßzellen aus einer Reinkultur von Demat. pullulans wurden «) in eine reine Zuckerlösung (10%) f) in eine solche, die gleichzeitig 2 Knop’sche Nähr- lösung enthielt (in beiden Fällen hängende Tropfen in einer feuchten Kammer!) In a bildete sich vorwiegend und nicht sehr reichlich Mycel und nur spärlich Sproßzellen, in ö dagegen entwickelte sich eine üppige Sproßconidienvegetation. Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 101 Nach einigen Tagen war der Unterschied schon makroskopisch sehr auffallend. Der Versuch wurde mehrmals mit gleichem Ergebnis wiederholt. Es kann daher wohl kein Zweifel bestehen, daß ein hoher Salz- gehalt des Substrats die Entwicklung des D. pullulans sehr begünstigt und vielleicht steht das besonders üppige Wachstum des Dematium- rußtaus auf Blättern von Allee- und Straßenbäumen damit in Zu- sammenhang. Was ist Dematium pullulans? Die Frage erscheint paradox, nachdem ausgeführt wurde, daß D. pullulans zweifellos ein sehr häufiger Bestandteil des Laubholz- rußtaus ist; und doch ist sie berechtigt. Wir kennen den Pilz nur als einen Organismus, welcher in zuckerhaltigen Nährlösungen sproß- zellenbildende Mycelien bildet, unter Umständen auch diekwandige kurzgliedrige Dauermycelien erzeugt. Wir wissen aber nicht, zu welchem höheren Ascomyceten D. puliulans (als Nebenfruchtform) gehört. Bre- feld sprach sich vermutungsweise für Sphaerulina intermixta aus mit dem Hinweis, daß dieser letztere Pilz in zuckerhaltigen Nährlösungen Sproßmycelien bildet, welche von denjenigen des D. pullulans nicht zu unterscheiden sind. Ich möchte aber daran erinnern, daß derartige Sproßmycelien von zahlreichen anderen Aseomyceten (sowie wohl auch von Basidiomyceten gebildet werden), wie ein Blick auf die Tafeln in Brefelds bekanntem Werk lehrt (conf.: Calosphaeria taediosa, Dothidea polyspora, D. puceinioides, Phaeidium abietinum, Tympanis pinastri u. a). Diese Sproßmycelien dürften, wenn sie nebeneinander in einer Nährlösung auftreten, kaum voneinander zu unterscheiden sein. Wer garantiert uns also, daß das, was wir aus einem Rußtau als Dematium pullulans isolieren, wirklich ein einheitlicher Organismus ist? In der Tat scheint mir das sogenannte Dematium pullulans ein wahrer Proteus zu sein. Denn in den zahlreichen Kulturen, welche ich im Lauf von mehreren Jahren — durch Aussaat von Rußtaufragmenten — erhalten habe, zeigen sich bei im großen und ganzen zweifelloser Überein- stimmung gewisse minimale Unterschiede, über deren Bedeutung ich mir nie recht klar wurde: Sind dieselben der Ausdruck einer gewissen Verschiedenheit von Stämmen einer und derselben Pilzart, oder weisen dieselben auf verschiedene Arten hin, die nur in zuckerreichen Lösungen gleichartige Sproßmycelien bilden? Die Frage muß noch offen bleiben, und es bedarf weiterer Unter- suchungen, um zu entscheiden, ob wirklich das im Rußtau so ver- 102 F. W. Neger, breitete Dematium pullulans eine regelmäßig wiederkehrende be- stimmte Art ist, oder eine mehr oder weniger gleichartige Wuchsform verschiedener Pilze darstellt. Wahrscheinlicher ist das letztere: es wäre dies ein weiterer Hin- weis darauf, daß als Rußtauorganismen zahlreiche Pilze in Betracht kommen, sofern sie nur in konzentrierten Zuckerlösungen braune kurz- gliedrige Mycelien bilden. (Vgl. die ähnlichen Resultate bei der Zer- legung des Tannenrußtaus in seine Komponenten.) 2. Cladosporium herbarum. Dieser weitverbreitete Pilz ist zwar in Rußtauüberzügen lange nicht so häufig vertreten wie das oben beschriebene Dem. pullu- lans, immerhin scheint er zu den bemerkenswerteren Komponenten zu gehören, wie schon Schostakowitsch (1895) ausgeführt hat. Ich fand ihn häufig im Eichen- und Lindenrußtau, sowie im Fichtenrußtau (s. pag. 89), ferner in einem schwarzen Pilzüberzug auf Laurus nobilis (Zimmerpflanze). Möglicherweise ist manches, was ich als Cladosporium her- barum angesprochen habe, Hormodendron celadosporioides. In Rabenhorst, Kryptogamenflora, 2. Aufl. Bd. VIII, pag. 801, 1907 werden die beiden Arten identifiziert, während Schostakowitsch dl. e.) sie als zwei verschiedene, aber einander zweifellos sehr ähnliche Pilze auseinanderhält. Der von mir wiederholt reingezüchtete Pilz wächst nicht gut auf hochkonzentrierten Lösungen, was für Cl. herbarum sprechen würde. Denn nach Schostakowitsch liegt das Maximum der Rohrzucker- konzentration für Cl. herbarum bei 25%, für H. eladosporioides bei 75%. Auch die von Schostakowitsch angegebene Bildung von Gonidienträgern aus Conidien, wenn diese an der Oberfläche des Tropfens sehwimmen, habe ich wiederholt beobachtet, allerdings gerade auf hochkonzentrierten Lösungen, während Schostakowitsch diese Erscheinung auf Tropfen von destilliertem Wasser feststellte. Altes Cladosporiummycel zeigt braune, stark verdickte Zell- wände und einen reichen Inhalt an Öltröpfchen, ähnlich wie bei De- matium pullulans. Es verdient erwähnt zu werden, daß dieser Gehalt an fettem Öl um so größer ist, je zuckerreicher die Nährlösung ist. Offenbar be- sitzt dieser Pilz — wie wohl mehrere andere — die Fähigkeit, Kohle- hydrate in fettes Öl zu verwandeln und als solches zu speichern. Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze, 103 Mycelhäute, die auf zuekerreichen Nährlösungen entstanden sind, getrocknet und in eine Gasflamme gebracht, erzeugen einen intensiven Geruch von zersetztem Fett. Als Fettbildner, ähnlich wie die Lindnersche „Fetthefe“, die eigentlich ein Endomyces ist, kommt Cladosporium herbarum nicht in Betracht, weil der Pilz auf konzentrierten Zuckerlösungen nur sehr langsam wächst. 3. Hormiseium pinophilum Nees. Syn.: Hormiseium pithyophilum Sace, Monilia Piceae Funck, Torula pinophila Chev, Antennaria pinophila Nees. Dieser Pilz ist der quantitativ weitaus wichtigste Bestandteil des Tannenrußtaus, Die mehr oder weniger mächtigen schwarzen Polster und Flocken, welche sich an Tannenzweigen finden und dieselben oft vollkommen einhüllen, bestehen der Hauptsache nach aus dem Mycel dieses Pilze. Freilich findet er sich nur äußerst selten rein. In weitaus den meisten Fällen sind die derben, Insektenfühler -ähn- lichen Myceläste vom Mycel anderer Pilze umsponnen, und da die letzteren auf Nähr- gelatine meist besser und schneller wachsen als das Hormiscium, so erhält man bei der Aussaat kleinster Mycelfragmente fast stets mehr oder weniger reine Kulturen eben dieser Beimengungen, und nur sehr selten solche des Hormiscium. Die häufigsten Beimengungen des Horm. pinophilum sind, wie die Aussaaten lehrten: Dematium II, Triposporium sp, Conio- thecium sp, Botryotrichum sp, Gyro- Fig. 7. Ausgewachsener seras sp. u.a. Mycelast von Hormis- Von den Systematikern wird Horm. eium pinophilum. Vergr. ca. 400. pinophilum als Nebenfruchtform zu An- tennaria pinophila gezogen !), obwohl niemals Perithecien gefunden worden sind. 1) v. Höhnel spricht sieh in seinen Fragmenten, VIII, pag. 2 and 41 darüber aus, was seiner Ansicht nach Apiosporium pinophilum Fuckel ist: pag. 5: „A. pinophilum ist (wie A. Fumago) eine Leptostromazee.““ pag. 41: „Antennaria pinophila (= Apiosp. pinophilum) gehört nicht in die Gattung Antennaria, da die offenbar dazu gehörigen Pycniden, 104 F. W. Neger, Übrigens ist das was in der mykologischen Systematik als Spore bzw. als Sporenkette bezeichnet wird, in Wirklichkeit keine Spore'), sondern das vegetative Mycel. Die eigent- liehen Sporen (Conidien) sind bisher, allem Anschein nach, überhaupt noch nicht beob- achtet worden. Sie werden auch nur in einer kurzen Periode der Entwicklung des Pilzes gebildet und haben sich daher wohl der Beob- achtung entzogen. Im Juli 1916 fand ich bei Kipsdorf an einigen Tannen, die mit Rußtau bedeckt sind, eine reichliche Conidienfruktifikation. Die Coni- dien bilden sich in Gestalt traubig gehäufter Klumpen an den obersten Zellen derber Mycel- , äste, so wie Fig. 8 darstellt; sie sind un- Fig. 8. j Conidientragender gleich zweizellig, und zwar ist die obere Zelle Mycelast von Hormiscium die kleineree In Nährgelatine keimen sie pinophilum (in der Natur). „ x x Ges. am 20. Juni 1916, Außerst träg und wachsen zu einem kurz- Vergr. 600. gliedrigen, reich verzweigten Mycel heran. die man auf den Tannennadeln findet, flach und radiär gebaut sind... ... Der Pilz dürfte eine Microthyriazee sein, mit einer Torula nebenfruchtform.“ Wer bürgt v. Höhnel dafür, daß die von ihm zusammen beobachteten Pilze (Mycel und Pycniden) tatsächlich zu einem und demselben Organismus gehören ? Wenn er den Zusammenhang nicht mittels der Reinkultur nachgewiesen hat, ist das, was er ausspricht, nichts als eine leere Behauptung. Nach nıeinen Erfahrungen ist es im höchsten Grade wahrscheinlich, daß das Apiosporium-Mycel und die flachen Pyeniden nicht zusammen gehören. Einmal (im Püttlachtal, fränk. Schweiz) habe ich auch auf mit Hormiscium pinophilum bedeckten Tannennadeln flache schildförmige Pycniden gefunden. Leider gelang es mir nicht, den {unreifen) Inhalt derselben zum Auswachsen und zur Bildung von Mycel zu bringen, so daß ein Nachweis der Beziehungen beider Pilze nicht geführt werden konnte. 1) So sagt auch v. Höhnel (Fragmente, VIII, pag. 41) von der Anten- naria scoriadea (vgl. pag. 68), deren Mycel dem des Horm. pinophilum zum Verwechseln ähnlich ist: „A. seoriadea scheint...... eher ein eigentüm- liches Helminthosporium mit bis 160x16 « großen, schwarzbraunen bis 16zelligen Conidien zu sein.“ Allerdings haben die derben braunen Myceläste eine große Ähnlichkeit mit den vielzelligen Sporen von Gyroceras Celtidis; hier handelt es sich tatsächlich um langgestreckte gekrümmte Sporenketten, die sich vom zarten Träger ablösen, und deren jede Zelle in geeigneten Nährlösungen unter Bildung eines fast hyalinen Mycels keimen. Hormiscium aber bildet nie etwas anderes als ein aus perlschnurartig aneinandergereihten Zellen zusammengesetztes Mycel. Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 105 Die Entwicklung eines solchen Mycels aus einer Spore Schritt für Schritt verfolgt, ist in Fig. 9 dargestellt. Es geht aus dieser Dar- stellung hervor, daß jeder Mycelast durchschnittlich nur eine Zelle an jedem Tage bildet. S v8 Fig. 9. Keimung einer Conidie und Entwicklung eines Mycels von Hormiscium pinophilum (in Reinkultur). : am 10./VIL, 2 am 12./VII. 3 am 13./VIL, 4 am 14./VIL, s am 15./VIL, 6 am 16./VIL, 7 am 17./VIL, & am 23./VIIl. Vergr. 300. Ähnlich langsam ist das Wachstum auch an abgelösten Myeel- Stücken, wenn es überhaupt gelingt, solche zum Auswachsen zu bringen (Fig. 10), was sehr selten ist. 23yy, Ag, Fig. 10. Entwicklung eines Mycelstücks von Horn. pinophilum auf Dextrose- nährgelatine im Laufe von 10 Tagen. Vergr. 300. Größere Kulturen erzielte ich mit diesem Pilz leider nicht. Ich übertrug zahlreiche aus Conidien (oder Mycelfragmenten) entstandene Mycelien (von der Größe der in Fig. 9 und 10 dargestellten) aus den hängenden Tropfen in Freudenreichkölbchen mit Möhren, Gelatine u. dgl, und hatte stets den Erfolg, daß sie von da an überhaupt nicht mehr weiterwuchsen, sondern allmählich abstarben. Das Mycel dieses Pilzes scheint also gegen jede Störung des Wachstums äußerst empfindlich zu sein, 106 F. W. Neger, Ich hoffe indessen später doch noch — von Conidien ausgehend — größere Mycelien erziehen zu können; wenigstens scheinen die aus Conidien entstandenen Mycelien lebenskräftiger zu sein als die aus Mycelfragmenten hervorgegangenen, welche ihr Wachstum oft ohne jede erkennbare Ursache nach einiger Zeit einstellen. Dieses langsame und überempfindliche Wachstum des Hormiseium- mycels ist um so merkwürdiger als gerade dieser Rußtaupilz in der Natur Dimensionen erreicht, welche die der anderen Kommensalen weit übertreffen. Es scheint mir übrigens, daß der Pilz in der Natur weit weniger trägwüchsig ist als in künstlicher Kultur, sonst könnten die Mycelflocken, die man an einjährigen Tannentrieben findet, nicht so stattliche Dimensionen erreichen, wie dies tatsächlich oft der Fall ist. Als besonders bemerkenswert möchte ich hervorheben, daß Hor- miscium pinophilum niemals farbloses oder langgliedriges Mycel bildet, sondern stets ein aus mehr oder weniger isodiametrischen, meist kugeligen Zellen gebildetes Mycel, das sich sehr bald rauchgrau und zuletzt braunschwarz färbt. Die einzelnen Myceläste sind ziemlich starr und sehr gebrechlich, bilden häufig dicht verfilzte Klumpen von stattlichen Dimensionen, welche das Niederschlagswasser bzw. Nebelbläschen energisch festhalten — wobei schleimige Ausscheidungen mitwirken mögen — und so günstige Bedingungen für epiphytisches Wachstum schaffen. Das vegetative Mycel von Antennaria ericophila, von Scorias spongiosa, von Antennaria scoriadea (s. pag. 68) ist von dem- jenigen des Hormiscium pinophilum nicht zu unterscheiden. Es wird weiteren Untersuchungen vorbehalten sein, die genannten Pilze auf Grund von Reinkulturen untereinander zu vergleichen. 4. Dematium 11. Als Dematium II bezeichne ich (vorläufig) einen im Tannenrußtau sehr häufig vertretenen Fadenpilz, welcher auf Gelatineplatten Kulturen bildet, die den Kulturen von Dematium pullulans ähnlich sind, aber die Gelatine nicht oder nur wenig verflüssigen. Auch das Mycel beider Pilze ist in der Ausbildung der Hyphen sehr ähnlich. Indessen bildet Dematium II viel spärlicher Sproß- conidien (an den Mycelfäden) und hefeartige Sprossung der Conidien habe ich bei diesem Pilz überhaupt nie beobachtet. Die Sproßconidien- bildung ist (wie bei D. pullulans) in nährsalzreicher Lösung reichlicher als in reiner Zuckerlösung. Vorkommen: sehr häufig auf rußtaubedeckten Tannennadeln Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze, 107 (Kipsdorf, Louisenburg, Püttlachtal, Schellerhau). Der Pilz fehlt kaum jemals bei der Aussaat kleiner Fragmente in hängende Gelatinetropfen'). Zur weiteren Charakteristik des Pilzes, der in den Reinkulturen nie etwas anderes als Mycel, farblose Sproßconidien und Zellklumpen gebildet hat, möge folgendes dienen: Wachstumsgeschwindigkeit groß (vgl. pag. 136). Auf Mohrrüben, mit Dextrosenährlösung imprägnierten Stückchen von Holz oder porösem Ton schwarzbraunes, an der Ober- fläche etwas grauflockiges Mycel; häufig treten die Mycelfäden zu Coremien zusammen, die an ihrer Oberfläche wieder in ein wirres Geflecht von grauflockigen Mycelfäden auslaufen. Ähnliches beobachtet man auf (hängenden) Gelatineplatten, d. h, braunes, langgliedriges, röt- lichbraunes Mycel, das mit zunehmendem Alter kurzgliedrig wird. Einzelne der kräftigeren Mycelfäden erheben sich in die Luft und bilden wirre flockige Mycelknäuel. Auf sterilisierten Blättern erzeugt der Pilz außer dem braunen Mycel kugelige Klümpchen (ähnlich denjenigen von Dem. pullulans), die aus kurzgliedrigen dicken braunen Zeilreihen oder Zellklumpen be- stehen und eine überraschende Ähnlichkeit besitzen mit den Zell- klumpen von Coniothecium erustaceum (8. d.), die aber, in Nähr- gelatine gebracht, wieder zu Mycel auswachsen. Es sind, wie man sieht, recht wenig charakteristische Züge?), durch welehe dieser Pilz gekennzeichnet werden kann, und ich war oft versucht, ihn angesichts des Mangels typischer Fruktifikation in dieser Beschreibung ganz wegzulassen (wie ich ja auch mehrere andere, wiederholt gefundene, aber schlecht charakterisierbare Pilze nicht weiter untersucht habe). Aber gerade bei dem als Dematium II bezeichneten Pilz sehe ich mich veranlaßt, eine Ausnahme zu machen. Denn wie 1) Vgl. die Analysen pag. 86 u. f. sowie die nachstehenden Aufnahmen: 10. XII. 1915. In 10 Tropfen Atichia-ähnliebe Zellklumpen von Tannen- nadel (Kipsdorf) — in alten Dematium IT. IV. 1916. Tannennadel (Püttlachtalj, Frequenzfaktor r- 8. X. 1916. Tannennadel (Kipsdorf), Frequenzfaktor + 20. V. 1916, Tannenzweig (Hirschsprung). Frequenzfaktor + 2 25. X. 1916. Tannennadel (Kipsdorf). Frequenzfakter Fr 2) Wenigstens eignen sich dieselben nicht, um darauf eine die Systematiker befriedigende Diagnose zu begründen. Ich selbst kann den Pilz vermöge der eben geschilderten Merkmale stets mit voller Sicherheit zu identifizieren. 108 F. W. Neger, schon erwähnt, ist er ein fast nie fehlender Bestandteil des Tannen- rußtaus, im besonderen als Begleiter des Hormiscium pinophilum. Untersucht man in der Natur gewachsene Myceläste von H. pino- philum unter dem Mikroskop, so wird man beobachten, daß die mächtigen insektenfühlerähnlichen Myceläste fast stets von einem feineren mehr hellbraunen Mycel begleitet und umwachsen sind, das man zu- nächst für eine jüngere Entwicklungsform des Hormisciummycels zu halten geneigt sein möchte. Dies kann aber nicht zutreffen; denn als es mir — nach vielen vergeblichen Versuchen — schließlich gelang, das Hormiscium in Nährgelatine zum Auswachsen zu bringen, zeigte sich (wie oben ausgeführt), daß dieser Pilz überhaupt kein langgliedriges Mycel zu bilden vermag, sondern nur kurzzellige Hyphen bildet, und überaus langsam wächst. Fig. 11. Mycel und Dauermyeel (d, c) von Dematium II. Vergr. 600. Umgekehrt erhält man bei der Aussaat von Hormisciumästen in Gelatine fast stets Kolonien von langgliedrigem Mycel, die zum größten Teil aus dem als Dematium II bezeichneten Pilz (daneben auch Triposporium sp., Monilia sp. u. a.). bestehen. Ich zweifle nach meinen stets mit gleichem Erfolg wiederholten Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 109 Versuchen nicht mehr daran, daß jenes zarte, die Hormisciumäste umwachsende und fast nie fehlende Mycel eben dieses Dematium II ist. Da nun das Hormiscium pinophilum spröde, leicht ab- brechende Myceläste bildet, die auf geeignetem Substrat wieder zu selbständigen Individuen heranwachsen, und da diese Myceläste fast immer von dem Mycel des Dematium II umwachsen sind, so ist ohne weiteres klar, daß der letztere ein treuer, sozusagen unzertrennlicher Begleiter des Hormiscium ist. In einigen meiner Kulturen — auf sterilisierten Tannenzweigen — fand ich dicke kurzzellige Myceläste des Dematium II, die voll- kommen denjenigen des Hormiscium gleichen (Fig. 11}, so daß man fast vermuten könnte, Hormiscium sei doch vielleicht nur eine be- sondere Wuchsform des Dematium II. Aber wenn diese Hormis- eium-ähnlichen Myceläste des Dematium in Gelatine übertragen wurden, wuchsen sie wieder zu dem normalen, oben beschriebenen Mycel (des Dematium II) aus, während ja — wie oben ausgeführt wurde — Hormiscium nicht imstande ist, ein anderes als das Charakteristische kurzgliedrige (rosenkranzförmige) Mycel zu bilden. 5. Hormiscium IL Als Hormiseium II bezeichne ich vorläufig einen Pilz aus der Familie der Torulazeen, der große Ähnlichkeit mit Hormiscium pinophilum besitzt und auch in Gesellschaft des letzteren an- getroffen wird. Vorkommen: Im Tannenrußtau auf Nadeln 8 a) Kipsdorf, 20. Okt. 1916: F=5 b) Louisendurg, 28. April 1916: r-% sowie einmal in Material von Schellerhau. Mit Hormiscium pinophilum hat er gemeinsam, daß er nur kurzzelliges gedrungenes Mycel bildet — niemals langzelliges, faden- förmiges! Infolgedessen ist er langsamwüchsig, zeigt Neigung zu sehr reicher, aber dicht gedrängter Verzweigung und bildet schließlich dicke, schwarze Klumpen, ähnlich dem Coniothecium (s. pag. 121). Aber er ist in allen Teilen kleiner als Hormiseium pinophbilum, — die Zellen erreichen niemals die gewaltige Größe wie bei letzterem -— außer- dem sind die einzelnen Myceläste weniger rauchgrau, als vielmehr gelb- grün bis braun gefärbt und die ältesten Zellen etwas warzig punktiert. 110 FW. Neger, Vor allem unterscheidet er sich aber von der anderen Hormiscium- art dadurch, daB er auf künstlichem Substrat — Gelatine, konzentrierte Zuckerlösung — viel besser wächst als jenes. Die Sporenbildung — die auch in den Reinkulturen verfolgt werden konnte — ist vollkommen gleich wie bei Hormiscium pinophilum, d. h. an den derben Mycelästen entstehen durch seitliche Sprossung zweizellige, eiförmige Conidien von 10, Länge und 8, Breite (gegen- über 18><12 « bei Hormiscium pinophilum) (Pig. 2). Eine genaue Bestimmung des Pilzes war mir bisher nicht möglich, und dürfte auch kaum durchftihrbar sein, da die Beschreibungen der schon aufgestellten Arten zu unvollständig sind. Große Ähnlichkeit scheint der Pilz mit Hormiscium antiquum Corda zu haben, das aber eben auch nur sehr unvollkommen bekannt ist. Namentlich würde für Identitat sprechen die Angabe, daß die in der Natur vorkommenden Massen staubig-wolliges Aussehen haben. Auch die Größe der die Mycelästen zusammensetzenden Zellen (ca. 10x dm.) — gegenüber 20 « bei Hormiseium pinophilum — stimmt bei beiden überein. 6. Gyroceras fumagineum n. sp. Dieser Pilz zeigt so recht deutlich, wie notwendig zur scharfen Unterscheidung und Zerlegung des in einer Ruß- taudecke auftre- tenden Pilzge- menges die Rein- kultur is In einem gewissen Stadium ist er nämlich kaum zu unterscheiden von dem als Hormis- eium II bezeich- Fig. 12. Hormisecium II. Rechts ein Mycelast mit i reifen Conidien, links zwei junge aus Conidien, (in Rein. neten Pilz. In kultur) entstandene Mycelien. Vergr. 600. Wirklichkeit ist er aber — we- nigstens in der Reinkultur — von ihm sehr leicht zu unterscheiden. Denn er bildet zuerst ein langhinkriechendes, ziemlich schnellwüchsiges, langgliedriges Mycel, an welchem schließlich kurzgliedrige, torulaähnliche, Experimentelle Untersuchungen ülher Rußtaupilze. 111 dunkelgefärbte Conidienträger entstehen, welche den Mycelästen des Hormiscium II zum Verwechseln ähnlich sind. Vorkommen: ich fand diesen Pilz zweimal. Das erstemal im Tannenrußtau in der Nähe von Hirschsprung bei Altenberg im Erz- gebirge, und zwar an Zweigen, welche mit einem dicken schwarzen, aus Coniotheeium, sowie Algenzellen bestehenden Überzug bedeckt waren. Das zweitemal als Nadelüberzug an einer Kiefer im Elbtal bei Wehlen. Aus beiden Ausgangsmaterialien wurde dieser Pilz rein heraus- gezüchtet. Die vollkommene Übereinstimmung in morphologischer und kultureller Hinsicht läßt keinen Zweifel darüber, daß es sich in beiden Fällen um eine und dieselbe Pilzart handelt. Die charakteristischen Züge dieses Pilzes sind aus Fig. 13 ersichtlich, die nach einer hängenden Tropfen- kultur hergestellt is. An dem fast farblosen oder schwach gefärbten feinen fadenförmigen Mycel ent- stehen aufrechte, mehr oder weniger hornartig gekrümmte oder gewundene, dunkel ge- Fig.13. Gyroceras fumagineum. Bestand- fl . teil des Tannen- und Kiefernrußtaus, in Rein- färbte Äste, die aus ge kultur gezüchtet, Vergr. 600. drungenen Zellen zusammen- gesetzt sind, und an welchen hier und da die I—nazelligen Conidien ihren Ursprung nehmen. Zweifellos können aber auch diese gedrungenen Myceläste selbst, wenn sie abfallen, wie Sporen auskeimen. Der Pilz hat sehr große Ähnlichkeit mit der guten Art Gyroceras Celtidis, welche ich vor Jahren einmal in Istrien auf Celtis australis fand und damals in Reinkultur züchtete. Ich konnte damals nach- weisen, daß die braunen Myceläste, die gewöhnlich als vielzellige Sporen angesprochen werden, ebenso wie bei dem uns hier beschäftigenden Rußtaupilz an einem langfadenförmigen schwach gefärbten Mycel ent- stehen. Ich stehe deshalb nicht an, den oben beschriebenen Pilz als eine Gyroceras-Art aufzufassen, und nenne ihn Gyroceras fumagineum Neger!). 1) Die Gattung Gyroceras steht den Gattungen Torula und Hormis- eium wohl sehr nahe. Die Abgrenzungen sind sehr unnatürlich, sie stützen sich 112 F. W. Neger, 7. Triposporium pinophilum Neger. Als Bestandteil einer Rußtaudecke wird die Gattung Tripo- sporium in der Literatur wiederholt erwähnt. Bernard (1907) beschreibt als Capnodium stellatum einen auf Blättern von Citrus lebenden Pilz mit Triposporium-ähnlichen Sporen, neben Capnodium javanicum und einer Seuratia, auf dem gleichen Substrat auftretend. Bernard vermutet, daß es sich um eine Mischung verschiedener Pilze kandelt. Kulturversuche scheint er nicht angestelit zu haben. Ferner wird ein Triposporium im Zusammenhang mit Rußtau- pilzen von v. Höhnel erwähnt (Fragmente z. Mykologie, VIII, 1909), nämlich: pag. 5: Apiosporium tremulicolum Fuck hat ein hellbraunes Mycel, welches kleine blasse Triposporium-Conidien bildet’). pag. 37: Limacinula samoe&nsis v.H......... an diesen Hyphen sitzen zerstreut Triposporium-Üonidien. Ich selbst fand ein Triposporium als einen häufig wieder- kehrenden Bestandteil des Tannenrußtaus, wie die nachstehend beschrie- benen Aussaaten (und Frequenzfaktoren; erkennen lassen: a) Tannenrußtau (Kipsdorf, 8. Sept. 1916): F— n b) Ebenda, 20. Okt. 1916: F= n e) Fichtenrußtau (Tharandt, 10. Okt. 1916): F = 5 auf mehr oder weniger leichten Zerfall der Conidienketten, sowie auf die Form derselben (gerade oder gebogen). Gekrümmte Conidienketten gibt es aber auch bei Hormiseium (2. B. H. stilbosporum) und außerdem ist das, was als Conidienkette aufgefaßt wird, unter Umständen Conidienträger (s. Fig. 13), kann aber allerdings auch durch Zerfall in die einzelnen Zellen zur Conidienkette werden. Man sieht aus diesem Beispiel, wie wenig brauchbar die in der Systematik der Fungi imperfeeti angewandten Kriterien zur Gliederung der Gruppen sind. 1) Aus den Angaben von v, Höhnel ist freilich nicht viel Sicheres zu ent- nehmen. Das Apiosporium tremulicolum, welches ihm zur Untersuchung vorlag, ist höchst wahrscheinlich ein Gemisch von mehreren Pilzen, darunter ein Triposporium-sporenbildender! Pag, 42 (Fragmente, VIII) meint v. Höhnel bei der Besprechung des Familiencharakters der Capnodiazeen: „sie sind aus- gezeichnet durch das oberflächliche Wachstum, die reiche Entwieklung eines braunen Mycels, welches sehr verschieden gestaltete Conidienbildungen (Torula, Triposporium, Helminthosporium usw.) besitzt.“ Daß die von ihm zusammen beobachteten Conidienbildungen zu verschie- denen nebeneinander wachsenden Pilzen gehören könnten, scheint v. Höhnel nicht in Firwägung gezogen zu haben. Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 113 Außerdem fand ich Triposporium wiederholt im Tannenrußtau (Louisenburg), sowie einmal in der sächsischen Schweiz (bei Aussat auf Nährgelatine). Das aus Triposporiumsporen (Fig. 14) heranwachsende Mycel wächst ziemlich langsam (s. Fig. 15) und bildet auf Dextrosenährgelatine sowie auf anderen Substraten mehr oder weniger kugelige Polster. Es hat eine Wachstumseigentümlichkeit, an der man es unter hunderten von anderen Mycelien jederzeit mit Leichtigkeit wieder erkennen kann, nämlich es ist im höchsten Grad „sperrig“ (Fig. 16). In dieser Wachs- tumsweise spiegelt sich gewisser- maßen der „sperrige“ Charakter der Conidien vollständig wieder. Fig. 14. Fig. 15. Fig. 14. Triposporium pinophilum. Mycel mit drei- bis vierstrahligen Coni- dien, in Reinkultur entstanden. Vergr. 600. Fig. 15. Triposporium pinophilum. In Nährlösung keimende Conidie. Vergr. 600. An diesem Merkmal kann also Triposporiummycel, wenn es sich in Gelatineplatten — bei Aussaat kleinster Fragmente — ein- stellt, mit absoluter Sicherheit erkannt werden. Übrigens bildet es auch bald — bei Erschöpfung des Ernährungstropfens — die charakte- ristischen drei- bis vierstrahligen Conidien, und zwar meist in Reihen an einem und demselben Mycelast (Fig. 14). 1) Tripoaporiumsporen fand ich auch in der Gesellschaft der süd- chilenischen Antennaria scoriadea (l. c. 1895). Fiora, Bd, 110. 8 114 F. W. Neger, Der Pilz läßt sich leicht kultivieren, das Mycel ist farblos, später mehr rauchgrau In diesem Stadium runden sich die Zellen des My- cels mehr ab, werden ziemlich dick, bekom- men körnigen Inhalt und fangen an, ein mehr Torula-artiges Aussehen zu erlangen. An Mycelien, die ich durch Aussaat von je einer Tripospo- riumspore erhalten habe, beobachtete ich nun noch eine zweite kaum weniger charakte- ristische Conidienfrukti- Ei 1 Ariposporium Binophilum, „Charakte- fikation, nämlich in -sperriges Mycel, auf Nährgelati; i ; Iängenden Trop en.” Vergr. 300. em Reihen angeordnete flaschenförmige kurze Myceläste, die im großen und ganzen dem Cha- laracharakter ent- sprechen (Fig. 17). Nicht selten treten Chalara- und Tri- posporiumfruchtfor- men an einem und demselben Mycelast auf, letztere am älteren, erstere am jüngeren Teil desselben; bald herrscht die Chalara-, bald die Tripospo- riumfruchtform vor. Fig. 17. Triposporium pinophilum. Chalara- i ähnliche Conidienbildung, auf Nälrgelatine (hängende Wenn die Chalara- Tropfen). Vergr. 600. flaschenäste frei in die Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 115 Luft ragen, bildet sich ein kleines Köpfchen oder eine Ranke, aus meh- reren farblosen, elliptischen Conidien zusammengesetzt. Bringt man ein solches Chalara-fruchtformenbildendes Mycel in Glyzerin und beob- achtet bei starker Vergrößerung (600), so erkennt man, daß die Flaschen- äste oben offen sind und die Conidien aus dem Innern der Flaschen- ausgestoßen werden. Endoconidienbildung, so wie sie hier beschrieben wurde, kommt außer bei der schon genannten Imperfekten- gattung Chalara, noch an verschie- denen Stellen des Pilzsystems vor, z. B. bei dem von Münch beschriebenen Blaufäulepilz Endoconidiophora coerulea. Ob diese Pilze zueinander in irgendeiner Beziehung stehen, soll hier nicht erörtert werden. Jedenfalls steht das fest, daß unser Triposporium nebenbei auch eine Chalara-ähnliche Conidienbildung besitzt. Wenn Triposporium ein häufig auftretender Bestandteil der Rußtaudecke der Tanne ist, so kann angenommen werden, daß der Pilz in hochkonzen- trierten Zuckerlösungen zu wachsen vermag. Dies ist in der Tat der Fall. Aller- „,, 18. Triposporium pino- dings hat die Übertragung von kräftig philum. Kurzgliedriges Mycel in ei Dauerform), in konzentrierter wachsendem Mycel in eine 40% Zucker rekerldannt (hängender Tropfen) enthaltende Nährlösung zunächst die entstanden, Vergr. 600. Folge, daß das Wachstum vollkommen aufhört. Erst nach einigen Tagen setzt es wieder ein, und wenn sich das Mycel an die veränderten Ernährungsbedingungen gewöhnt hat, so bildet es auch kurzgliedrige, aus rundlichen, dunkelgefärbten Zeilen gebildete Mycelschnüre (Fig. 13). Immerhin habe ich den Eindruck, daß Triposporium zu jenen Rußtaupilzen gehört, die weniger gut in konzentrierten Zuckerlösungen gedeihen. . Ich bezeichne den Pilz einstweilen als Triposporium pino- philum Neger und lasse dahin gestellt, ob er mit einer der wenigen, aber äußerst unvollkommen beschriebenen anderen Triposporium- Arten identisch ist. . 8 116 F. W. Neger, 8. Torula sp. (Fig. 19). Vorkommen: auf Tannennadeln bzw. Zweigen in Gesellschaft von Hormiseium pinophilum, a) Kipsdorf, 8. Sept. 1915: F= 3 R \ _.L 16. Mai 1916: F= ji b) Louisenburg, 25. April 1916: F = 2, Außerdem auf Fichte (Kipsdorf), 8. Sept. 1916: F=2 und auf einem Tannenzweig (nicht in Begleitung von Horm. pinophilum) bei Schellerhau im Erzgebirge: F=l, Fig. 19. Torula sp. «@ Mycel in gewöhnlicher Nährlösung. d, c Dauermycel in zuckerreicher Nährlösung. Vergr. 600. Der Pilz ist zart, seine Mycelfäden haben ausgesprochen Monilia- charakter — er dürfte Torula monilioides oder auch T. chartarum nahestehen —, wächst langsam, bildet auf Gelatine oder Möhren kugelige Polster mit faltiger Oberfläche, dunkelbraun-schwarz mit sammetartig stumpfem Glanz. Die einzelnen Mycelfäden bestehen aus kurzen Zellen (die etwa zweimal so lang als breit sind) von Tonnenform, häufig mit je einer geraden Querwand. In konzentrierter Zuckerlösung wird das Mycel kurzgliedrig (Zellen ebenso breit oder breiter als lang) und dunkelfarbig mit farblosen, unvollkommen gegliederten Seitenästen. Bei leisem Druck zerfällt das Mycel in kleine Fragmente, die sofort wieder zu Mycel auswachsen. Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 117 9. Helminthosporium sp. (Fig. 20). Vorkommen: im Tannenrußtau zusammen mit Hormiseium pino- philum und zwar: a) Püttlachtal (fränk. Schweiz), 4. April 1916: F = b) Kipsdorf im Erzgebirge, (oe d) Buschmühle im „ Mycel jung, fast farb- los, später gelbbraun-schwarz; Wachstum langsam; auf Ge- latine bzw. Möhren entstehen kugelige oder längliche Pol- ster von schwarzer Farbe. Am Mycel entstehen zahl- reiche, seitlich oder endstän- dig walzige, an beiden Enden abgerundete, gelbbraune Co- nidien mit je drei geraden Querwänden, nicht oder nur undeutlich eingeschnürt. Diese keimen leicht aus (aus allen vier Zellen) und bilden ein sehr bald aufs neue Conidien erzeugendes Mycel. In konzentrierter Zucker- lösung entstehen höchst. eigentünlich gestaltete Dauer- mycelien, an welchen die Zellen oft breiter als lang und reich mit Öltropfen er- füllt sind (Fig. 21). Diese Dauermycelien keimen leicht aus, wobei die einzelnen Zellen häufig alle 8. Sept. 1916: F= 20. Okt. 1916: F = 20. Nov. 1916: F= D sl Sie So Al % e) Fig. 20. Helminthosporium sp. Mycel mit vierzelligen Conidien. Vergr. 600. Fig. 21. Helminthosporium sp. in kon- zentrierter Zuckerlösung, Dauermycel bildend; Zellen reich an fettem Öl. Vergr. 600. nach einer Seite (rechts oder links) auswachsen. 118 FW. Neger, Der Pilz erinnert hinsichtlich der Form der Conidien sehr an Clasterosporium carpophilum, er dürfte in die Gattung Cla- sterosporium oder Helminthosporium zu stellen sein. 10. Botryotrichum sp. Nur sehr mit Vorbehalt stelle ich den hier zu behandelnden Pilz in die wenig sichere Gattung Botryotrichum, über die außerdem wenig bekannt ist. (NB. Ich sandte Kulturen und Präparate an Herrn Prof. von Höhnel- Wien, der mir aber auch nicht helfen konnte. Meiner Ansicht nach handelt es sich jedenfalls um eine Dematiee aus der Verwandtschaft der Myxotrichellazeae (starke Schleimausscheidung des Mycels) oder Sarcopodieae (Conidien einzeln, aber in Trauben gehäuft). Die Insertion der Conidien ist wie bei Rhinocla- dium, aber die Conidien viel größer. Am nächsten scheint der Pilz der Gattung Botryotrichum zu kommen, wenigstens nach der Abbildung von Marchal (Bull. Soc. belg., XXIV, 1885). Da aber diese Gattung auch sehr wenig bekannt ist, und ein direkter Vergleich meiner Kulturen mit dem in der Natur beobachteten Material auch keine sicheren Schlüsse zuläßt, so muß ich mich darauf beschränken, die Unterbringung des Pilzes in der Gattung Botryotrichum als eine ganz frag- liche und der Nachprüfung bedürftige zu bezeichnen.) Der Pilz ist ein sehr häufiger Bestandteil des Tannenrußtaus, wie die folgenden Analysen zeigen: a) Buschmühle, 20. Mai 1916: Fr.) b) Kipsdorf, 15. Juni 1916: Fr; sowie in mehreren weiteren Aussaaten! c) Püttlachtal, 20. April 1916: F -? 4) Luisenburg, 25. April 1916: r- 7, Hauptmerkmale des Pilzes sind: Mycel kräftig, lang- gliedrig schnell wachsend, zuerst farblos, später rot- braun; schon im hängen- den Tropfen entstehen an einzelnen Stellen des My- cels Häufchen von großen diekwandigen Conidien, Fig. 22, Botryotrichum sp. Conidien- die einzeln an kleinen tragendes Mycel (in Dextrosenährlösung). rr , ül Vergr. 300. zähnchenartigen Ausstül- Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 119 pungen des Mycels (wie bei Rhinocladium) entstehen, aber viel größer sind als bei den Arten dieser Gattung, auch größer als die Conidien von B. piluliferum, nämlich 17,5 bis 22,5 # im Durch- messer haben, kugelrund oder etwas länglich ei- förmig sind, und einen reichen In- halt von Glykogen besitzen. Was den Pilz Fig. 23. Botryotrichum sp. Mycel mit mächtiger außerdem vor Schleimhülle (in Dextrosenährlösung, 30% Zucker). allen anderen hier Vergr. 800. beschriebenen auszeichnet, das ist seine enorme Schleimentwicklung. Dieselbe zeigt sich, wenn das Mycel aus dem Substrat heraus in die Luft wächst; dann bedecken sich die einzelnen Mycelfäden mit einer ungleichmäßigen “ höckerigen Schleimmasse. Wächst das Mycel unter- getaucht, so löst sich der Schleim in der Nährlösung auf und diese wird faden- ziehend (Fig. 23). " Auch die Keimung der Conidien ist ziemlich charak- teristisch; bei derselben wächst der Keimschlauch im Kreise um die Conidie herum (Fig. 24). In konzentrierten Zuckerlösungen bildet der Pilz dicke braune Zellschnüre, welche von ähnlichen und gig. 24. Botryotrichum sp. Keimende unter ähnlichen Bedingungen Conidien. Vergr. 300. entstandenen Gebilden des Dem. pullulans nicht zu unterscheiden sind. Auch diese sind in der Regel von einer dieken Schleimhülle umgeben (Fig. 25). 120 F. W. Neger, Sehr gut wächst der Pilz auf sterilisierten Tannenzweigen, bildet hier ein rotbraunes Mycel und sehr reichlich Conidienhäufchen. Diese sind zuerst weiß, später braunschwarz und erreichen den Durchmesser von etwal/,mm. Auf- fallenderweise entstehen diese Conidienbäufchen fast ausschließlich an der Unterseite der Tannennadeln. Nach meinen Erfahrungen — namentlich gele- gentlich der Aus- saaten mit in Kipsdorf zu ver- . . . schiedenen Jah- Fig. 25. Botryotrichum sp. Mycel, mit kurzglie- . rigen Zelireihen, in konzentrierter Lösung. Vergr. 300. eszeiten gesam- melten Material— ist dieser Pilz ein sehr häufiger Bestandteil des Tannenrußtaus. Ich habe den Eindruck, daß er, zusammen mit Dematium II (s. oben), jenes zarte rotbraune Mycel bildet, welches die derben Myceläste des Hor- miscium pinophilum so häufig umspinnt. 11. Coniothecium erustaceum (Lindner) Neger. Ein sehr häufiger Bestandteil des Tannenrußtaus ist ein Coniotheeium. Charakteristik des Pilzes: Ein Mycel wird nicht gebildet, nur Zellkomplexe, deren einzelne Zellen rauchgrau gefärbt sind. Das Wachstum ist ziemlich schnell und sehr ergiebig auf sterilisierten Möhren, so daß im Laufe weniger Wochen gewaltige, kohlschwarze Klumpen von ganz unregelmäßiger Gestalt ent- stehen (Fig. 26, 6). Die Vermehrung des Pilzes geschieht in folgender Weise: Aus einer farblosen, durch Sprossung entstandenen Zelle (Spore?) entsteht durch Zellvergrößerung und Zellteilung zuerst ein zwei-, später viel- zelliger Organismus. Charakteristisch ist, daß die succedan gebildeten Zellwände genau senkrecht zueinander stehen. Die so gebildeten Zell- klumpen erinnern etwas an die Zellhäufchen von Gloeocapsa, indem sie Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 121 gewissermaßen stark verschnürten Paketen gleichen (Fig. 26). Wenn sie eine gewisse Größe erreicht haben, so entstehen — unter gewissen Bedingungen — an der Oberfläche durch Sprossung farblose längliche Sproßconidien, welche radial ab- stehen. Wenn diese Sproßconi- 6 dien abfallen und R . j . Fig. 26. Coniotheeium erustaceum. ı Älteres Sproß- auf ein geeignetes sonidien bidendes Individuum; 2 einzelne Sproßconidien; Substratgelangen, 3 daraus entstehender Thallus; 4 beginnende Conidienbildung; R j 5 Dauerformen, mit dickerer Membran. Alles in Rein- beginnt der Kreis- Yuitır. Vergr. 500. 5 In Reinkultur erwachsener Thallus lauf aufs neue, von Coniothecium in natürl. Größe, ca. 4 Wochen alt, Ein wie wesentlicher Bestandteil des Tannenrußtaus das Conio- thecium ist, geht aus folgenden Aussaaten (bzw. Frequenzfaktoren) hervor: 1. Kipsdorf, 8. Sept. 1916: F= 9 (Abimpfung von Tannennadel) ı 2. F 8 „1916: r= { n „ Tannenzweig) 3. ” 8. 1916: r-£ { » „ Fichtenzweig) 4. Buschmühle, 7. Juli 1916: r-1% ( „ „ Tannennadel) 5. Louisenburg!), 24. April 1916: F= 2 { „ ” ” j) 6. Püttlachtal, 24. April 1916: F=2 " " "009 7. Tharandt, 10. Okt. 1916: r-h ( " „ Fichtennadel). 1) Einige weitere Aussaaten mit dem gleichen Material ergaben sehr reich- lich Coniothecium. 2) Bei diesen Aussaaten zeigte sich, daß überaus häufige Begleiter des Coniotheciums auf Tannennadeln (und -zweigen) Algenzellen sind und man möchte fast versucht sein, anzunehmen, daß hier eine lockere Symbiose nach Art des Zu- sammenlebens von Pilzen und Algen in den Flechten vorliegt. Auch andere Pilze des Tannenrußtaus sind häufig von Algen begleitet und in diesem Falle findet man die Zellen der letzteren von Pilzfäden umwachsen. Nach freundlicher Be- stimmung durch Prof. Dr. Schorler (Dresden) handelt ea sich häufig un Pleuro- 122 F. W. Neger, Auch im Eichenrußtau kommt das Coniothecium, wenn auch wicht eben häufig, vor: Material aus (lem forstb. Garten Tharandt, 15. Sept. 2 1916: F=.- Allem Anschein nach trat in allen hier angegebenen Aussaaten eine und dieselbe Coniotheeium-Art auf. Übrigens wird eine Unter- scheidung verschiedener Arten nur auf Grund der genauen Charak- terisierung von Wachstumsfaktoren inöglich sein. Die Systematik dieser Gattung, wie sie in mykologischen Werken (Rabenhorst, Saccardo) dargestellt ist, scheint nun im höchsten Grad unsicher und unvollkommen zu sein; eine. Identifizierung auf Grund dieser Beschreibungen ist vollkommen aussichtslos. Übrigens ist auch die Charakteristik der Gattung unrichtig, wenn es z. B. {Rabenhorst, Kryptogamenflora, 2. Aufl., Bd. IX, 1910, pag. 164) heißt: „Myeel meist kaum sichtbar“. — Der Pilz bildet überhaupt kein Mycel!). Das, was die Systematiker als Conidien ansprechen, ist nichts anderes als der vegetative Teil des Pilzes. Die eigentlichen Conidien — richtiger Sproßeonidien — scheinen bisher überhaupt noch nicht beobachtet worden zu sein. Möglicherweise ist der von mir in Reinkulturen erhaltene Pilz identisch mit der von Lindau als CO. abietis beschriebenen Art (l. c. pag. 170). Mit Sicherheit könnte dies nur auf Grund von Kulturen entschieden werden. : Man hat bekanntlich ähnliche Zellklumpen (wie die des Conio- thecium) bei verschiedenen anderen Pilzen gefunden, und ihnen ganz allgemein die Bezeichnung „Coniotheeium“ beigelegt. So bildet Dema- tium pullulans, wie ich ausführte, und wie schon andere, z. B. Schostakowitsch, fanden, Zellklumpen, welche denjenigen eines echten Coniothecium zum Verwechseln ähnlich sehen. Ferner werden „Coniothecien“-artige Zellklumpen erwähnt bei Fumago (Zopf, I. c. Taf. XXVI, Fig. 19), Cladosporium (Frank, Pflanzenkrankheiten, 1895), Capnodium salieinum (Tulasne, l. c) u. a.?). coccus-Arten (P. vulgaris Naeg. n. a.) Es sei bei dieser Gelegenheit noch daran erinnert, daß Ulothrix erenulata Kütz. nach Eekley-Lechmere (1915) an der auf Tannenzweigen sich häufig ansiedeinden Algenvegetation wesentlich be- teiligt ist, 1) Wenn il. c.) gesagt wird: „Mycei bisweilen nur in Form gelegentlich zwischen den Conidien auftauchender Fadenstücke sichtbar“, so ist zweifellos Mycel eines anderen Pilzes dafür angesehen worden. 2) Ich selbst fand solche coniotheeiumähnliche schwarze Zeilklumpen in Reinkulturen des Dematium II, Botryotrichum u. a. Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 123 Nun wollen freilich manche dieser Angaben nicht viel bedeuten; denn wer verbürgt dem jeweiligen Beobachter, daß dem betreffenden beobachteten Pilz nicht Zellklumpen eines echten Coniothecium bei- gemengt waren! Entscheidend ist hier nur der Kulturversuch, bei welchem, wenn es sich um ein echtes Coniothecium handelt, nur wieder Zellklumpen, sonst aber (wenn Fumago, Dematium, Clado- sporium u. a. vorlagen) ein Mycel entsteht. Eine solche Verwechsiung lag höchstwahrscheinlich bei dem als Coniothecium quereinum Sace. beschriebenen Pilz vor, von dem es in Rabenhorst (l. c. pag. 173) heißt: bildet die Oonidienform von Capnodium quercinum (Pers.). Das, ich möchte fast sagen, „sagenhafte“ Capnodium quer- einum ist aber, wie oben ausgeführt wurde, meist nur ein Gemenge von Schimmelpilzen, unter welchen Dematium pullulans und Cladosporium herbarum eine führende Rolle spielen. Die Zellklumpen des Coniothecium quereinum Sacc. sind also entweder Dauermycele der genannten Schimmelpilze — wie sie in konzentrierten Zuckerlösungen gern entstehen — oder es sind echte Coniotheciumlager, wie sie ja (nach Ausweis meiner Aussaaten) zuweilen im Eichenrußtau vorkommen. Man wird unter diesen Umständen gut tun den Begriff Conio- theeium nur noch als Gattungsbegriff, nicht mehr aber im Sinne einer morphologischen Bezeichnung (gleichbedeutend mit Dauermycel- klumpen eines fadenbildenden Pilzes) zu gebrauchen. * * * Mit dem von mir so häufig aus Tannenrußtau isolierten Conio- thecium ist nun identisch ein von Lindner auf Würzegelatine ent- deckter und unter dem Namen Sarcinomyces crustaceus beschriebener Pilz. Ich sandte eine Reinkultur meines Coniothecium an Herrn Prof. Lindner mit der Bitte, dasselbe mit seinem Sarcinomyces erustaceus zu vergleichen und erhielt von ihm die Antwort, daß an der Identität beider Pilze nicht gezweifelt werden könne. Wir haben damit ein Seitenstück zu dem Fall des Dematium Pullulans. Ebenso wie dieser Pilz sowohl in der Natur auf Honigtau als auch im Brennereibetrieb sehr häufig auf zuckerhaltigen Flüssig- keiten vorkommt, so ist auch Sareinomyces-Coniothecium ein auf beiden ähnlichen Substraten oft gesehener Gast. 124 F. W. Neger, Der Nachweis der Identität von Sarcinomyces mit Conio- theeium ist auch insofern nicht uninteressant, als er zeigt, wie wenig brauchbar und wie unsicher die Grundlagen sind, auf welchen das System der Imperfekten aufgebaut ist. Allein schon die Unterscheidung der Mucedinazeae und Dematieae, die zu der weiten Trennung von Sarcinomyces bzw. Coniothecium geführt hat, ist so unnatürlich als möglich; denn wir wissen zur Genüge aus Kulturversuchen, daß die Dunkelfärbung eines Pilzmycels in hohem Grade von den äußeren Bedingungen, besonders vom Luftzutritt abhängt. Nach den vereinbarten Gesetzen der botanischen Nomenklatur müßte natürlich die Gattung Sarcinomyces gestrichen und als Syno- nym zu Coniothecium bezeichnet werden, und die uns beschäftigende Art müßte demnach den Namen Coniotheeium erustaceum (Lindner) Neger erhalten. Denn eine sichere, den Anforderungen der experimentellen Mykologie genügende Identifizierung mit einer der schon beschriebenen Coniothecium-Arten wird, wie ich oben ausführte, doch kaum mög- lich sein, so lange dieselben nicht in Reinkultur vorliegen. Zu der systematischen Stellung der Gattung Coniothecium hat sich übrigens auch v. Höhnel geäußert. In seinen Fragmenten zur Mykologie (Nr. 573) führt er aus: „Coniothecium atrum Corda, der Typus der Gattung (Sturm, Deutschlands Flora, Pilze, 1837, 3. Heft) hat einzellige, dunkle, eikuge- lige Sporen und ist ein ganz zweifelhafter, nicht wieder gefundener Pilz“2) und: „Es ist mir zweifelhaft, ob der Gattungsname Conio- thecium eine Berechtigung hat.“ Selerococcum sphaerale Fries ist offenbar auch nichts an- deres als ein Coniotheeium. Die unsichere Systematik dieser Pilze dürfte nur durch die Kultur derselben zu klären sein. 12. Atichia glomerulosa Stein in Cohn, Krypt.-Flora, II, part. 2. pag. 356. Syn.: At. Mosigii Flot. (Linnaea, XXIII, 1850); Seuratia pinicola Vuill. (Bull. soc., myc., XXI, 1905). Spezielle Literatur über Atichia (— Seuratia) s. Arnaud (1910), v. Höhnel (1909), Cotton (1914). Aus der angegebenen Literatur ist ersichtlich, welch’ wechselvolles 1) Die Beschreibung, welche Sturm (l. e.) für CO. atrum gibt, paßt im großen und ganzen auf das von mir kultivierte Coniothecium. Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 125 Schicksal die Gattung gehabt hat, die zuerst zu den Flechten (Colle- maceen), dann abwechselnd zu den Florideen und Fucaceen, und schließlich zu den Pilzen gestellt wurde. Aber auch hier war ihre Stellung im System zweifelhaft. Während Lindau sie in seiner Be- arbeitung in Engler-Prantl, Nat. Pflanzenfamilien, in die Nähe der Bulgariaceen stellte, meinte von Höhnel 11909), daß sie ein hoch- entwickelter, an epiphytische Lebensweise angepaßter Saccharomycet sei. Cotton (1914) hat zum ersten Mal bei einer westindischen Art: At. Dominicana die Schläuche beobachtet und damit den Beweis geliefert, daß der Pilz zu den Ascomyceten gehört, hier eine eigene Familie Atichiazeen (verwandt mit den Perisporiaceen) bildend. Bezüglich der Einzelheiten der systematischen Vergangenheit dieses Pilzes verweise ich auf die beiden oben zitierten Arbeiten von v. Höhnel und Cotton. Sehr selten finden sich die Polster von Atichia rein; fast stets sind sie mit anderen Rußtaupilzen vergesellschaftet und man erhält den Eindruck, als ob die Atichiapolster an Mycelfäden entstanden seien. Sehr häufig wurden sie daher geradezu als unreife Fruchtkörper von Capnodium, Antennaria u. dgl. angesprochen. $o ist es leicht erklärlich, daß ihre wahre Natur erst spät erkannt worden ist. Vgl. S. 78. Das wesentliche dieser Pilzgattung ist, wie schon v. Höhnel her- vorhebt, daß sie keine echten Hyphen bildet, sondern nur durch Sprossung wächst. v. Höhnel bezeich- net Atichia daher geradezu als einen „hochentwickeiten Sproßpilz, der an epi- phytische Lebensweise angepaßt ist“, In der Reinkultur ist der Ent- wicklungsgang ‘des Pilzes der folgende: Werden Atichiapolster, die frei sind von Mycelfäden anderer Pilze, vor- sichtig abgelöst und in einen Tropfen Dextrosenährlösung {oder »gelatine) ge- Bie.2r. Atichia glomeruloin bracht, so findet sehr bald eine Sprossung Nährgelatine (hängender Tropfen), statt, derart, daß die Zellen der Peri- auskeimend, d. h. Propngula bil- FREE : R dend. Vergr, ca. 100, pherie in hyaline Zellreihen auswachsen. Das Bild eines keimenden, bzw. sprossenden Atichiapolsters ist dann, wie es in Fig. 27 dargestellt ist. Nach Verlauf von 1—-2 Wochen lösen sich aus dem sprossenden Polster jene winzigen dreistrahligen Vermehrungskörper ab, die Cotton als Propagula bezeichnet (Fig. 28). Ähnlich dürfte der Verlauf auch 126 F. W. Neger, in der freien Natur sein. Die Propagula, die zu vielen Hunderten, ja sogar zu Tausenden aus einem Polster entstehen, werden nun durch Regen und Wind verbreitet, fallen auf die Oberseite der Nadeln tiefer- stehender Zweige sowie auf Blätter von Sträu- chern und Kräutern, wo sie sich — unter der Voraussetzung, daß sie einen geeigneten Nährboden (Honigtau) verfinden — wieder zu Polstern entwickeln (Fig. 29. Auf Knop- scher Nährlösung, wie auch auf Tonscherben, die mit solcher getränkt sind, wachsen sie schlecht, offenbar infolge des Mangels organischer Nährstoffe In Tropfen von Dextrosenährlösung entstehen zwar Polster, die aber schon bei geringer Berührung wieder in Propagula zerfallen. Kompaktere und beständigere Polster entstehen auf Dextrosenährgelatine, sowie auf mit Dextrosenährlösung getränkten Hollundermarkstückehen oder an- deren festen Körpern (Holz usW.). In Dextrosenährlösung, seltener in Nährgelatine(hängendem Tropfen) beobachtete ich außer den typischen Fig. 29. Atichia glomerulosa. In Propagula mit den zu einem mehr Reinkultur, aus Propagulum entstehendes Oder weniger langen Strahl aus- Polster. Vergr. 600. wachsenden Endzellen noch anders gestaltete Vermehrungskörper, die sich vor allem durch das Fehlen jener Strahlen, sowie durch äußerst zarte Wand und dicke, stark lichtbrechende Öltropfen im Innern der Zellen auszeichnen (Fig. 30); auch Übergänge zwischen beiden Formen kommen vor, wie Fig. 305 zeigt. Es scheint mir, daß diese letztere Form der Propagula hauptsächlich in erschöpften Nährsubstraten entstehen; denn in Knopscher Nährlösung entstehen diese oder ähnliche Gebilde von Anfang an. Sie gleichen mehr jenen Zellreihen, die auch im Innern eines größeren Polsters zur Ausbildung gelangen ')- Fig.28. Atichia glomerwiosa. In Reinkultur (Dex- trosenährlösung) entstandene Propagula. Vergr. 600. 1} Gerade diese strahlenlosen Propagula erinnern besonders lebhaft an sprossende Hefezellverbände, worauf ja schon v. Höhnel aufmerksam gemacht hat. Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 127 v. Höhnel meint, die jüngsten Zustände der Atichia glome- rulosa bestehen — wie schon Millardet beobachtet und beschrieben hat — aus einer kugeligen Masse, die aus etwa 30—50 runden 5--6 u großen, farblosen Zellen zusammengesetzt seien. Es mag sein, daß kleinere Entwicklungsstadien in der Natur schwer zu finden sind. In Reinkulturen aber kann man leicht viel jüngere Stadien finden. Denn häufig brechen von den oben beschriebenen Propagula einzelne Zellen oder kleinere Zellgruppen ab, die nun wieder zu größeren Propagula und später zu ansehnlichen Polstern heranwachsen. Als echter Rußtau — d. h. Honigtau bewohnender — Pilz ver- trägt Atichia sehr konzentrierte Nährlösung, wie aus folgenden Ver- suchen hervorgeht: Fig. 30. Atichia glomerulosa. «a Abnorm ausgebildetes Propagulum (ohne Strahlen); 5 Übergang zu normalem Propagulum; c Zellen aus dem Innern eines erwachsenen Polsters. In allen reichlich Fett gespeichert. Vergr. 800. In einem hängenden Tropfen einer 30%, Dextrose enthaltenden Nährlösung wurden einzelne Propagula von Atichia glomerulosa (aus einer Tropfenkultur) übertragen. Trotz der verhältnismäßig niedrigen Temperatur des Raumes, in welchem die Kulturen standen (10° C), war das Waclıstum der jungen Atichiapolster recht kräftig. Am 2. Jan. 1916 waren die Dimensionen 155><120 « „8, 916 5 u » 1020 >< 780 u. Ich erhielt auf diese Weise in Freudenreichkölbehen z. B. auf sterilisierten Mohrrüben recht stattliche Polster, nämlich im Laufe von 4 Wochen tellerförmige Gebilde von ca. 2 mm, an deren Peripherie braungefärbte Propagula saßen, während das innere aus sehr stark lichtbrechenden, zum Teil sogar fadenförmig-schlierigen Zellreihen be- stand. Die letzteren färben sich mit Jodkalium rotbraun, enthalten also reichlich Glykogen. 128 F. W. Neger, Die größten Atichiapolster, welche ich in Reinkulturen erzog, beobachtete ich auf Dextrosenährgelatine (mit Zitronensäure ange- säuert), nämlich braune Polster von 4—5 nım Durchmesser (im Laufe von ca. 4 Wochen). Ähnlich mächtige und sogar größere Polster werden in der freien Natur beobachtet, nur daß sie hier eine mehr gelappte Form haben (Fig. 31). Aus meinen Kulturversuchen geht hervor, daß das Wachs- tum der Atichia glomerulosa keineswegs an hohe Temperaturen ge- bunden ist, sondern offenbar auch in kühlen Wärmegraden recht an- sehnlich ist. Allem Anschein nach hat der Pilz seine Heimat in der Fig. 31. Atichia glomerulosa. Ca. I mm großes (120fach vergrößertes) reich gelapptes Polster, von rußtaubedecktem Tannenzweig. Bei % anhaftende Mycel- äste von Hormiscium pinophilum. kühlen Montanregion unserer Mittelgebirge, wo er besonders die Kronen alter Tannen bewohnt. Ob wirklich die tropischen und subtropischen Atichien von unserer Art spezifisch verschieden sind — wie Cotton meint — wird sich nur auf Grund von Kulturen mit Sicherheit entscheiden lassen. Unter allen Umständen dürften die meisten derselben ein anderes Wachstums- optimum besitzen. A. chilensis Cotton (der von mir zuerst in Chile beobachtete Pilz) wächst dort in der Region der Hartlaubgehölze in einem ziemlich heißen Klima. Freilich sein Hauptwachstum wird auch dieser Pilz in der kühlen Regenzeit durchlaufen. Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 129 Weder bei der chilenischen Art, noch bei der in Reinkulturen gezogenen A. glomerulosa habe ich jemals Asei auffinden können!). Bezüglich des Vorkommens von Atichia glomerulosa möchte ich noch ergänzend bemerken, daß sie sich hauptsächlich auf honigtau- bedeckten Tannennadeln und -zweigen findet, meist zusammen mit zahlreichen anderen Rußtaupilzen, besonders mit Hormiscium pi- nophilum, Coniothecium sp. Triposporium, Dematium II u. a. Seltener fand ich Atichiapolster im Eichenrußtau. Auch scheint der Pilz hier nicht ganz die ihm zusagenden Lebensbedingungen zu finden. Denn größere Atichiapolster sind hier sehr selten, was zum Teil in der Kurzlebigkeit der Unterlage (Kichenblätter) seinen Grund haben dürfte). Ferner beobachtete ich Atichiapolster auf den verschiedensten anderen Wirtpflanzen, wenn dieselben unter einer rußtaukranken Tanne stehen, z. B. auf Buche, Himbeere, Weide sowie auch krautartiger Pflanzen, wie Heracleum sphondylium. In diesen Fällen kann natür- lich nur von einer sekundären Ansiedelung des Pilzes die Rede sein. 13. Fumago vagans Pers. Nach meinen Erfahrungen kommt Fumago vagans bei uns nur in Gewächshäusern vor, es ist der Gewächshausrußtau xa? &oynv, der den im feuchtwarmen Gewächshaus herrschenden Lebensbedingungen so vorzüglich angepaßt ist, daß er hier auch die Konkurrenz allver- 1) Die Bedingungen für das Wachstum der Atichiapolster sind in dem feuchtwarmen Klima des südlichen Chile zweifellos weit günstiger als in unserer Zone; ich beobachtete damals (l. c. 1896), daß sie gerade in der Regenzeit mächtige Dimensionen annahmen, 3—4 ınm. An der Oberfläche entstehen die dunkler ge- färbten Propagula. Beim Austrocknen schrumpfen die Atichiapolster zusammen und nun lösen sich die Propagula durch gegenseitigen Druck los und werden vom Wind verbreitet. Mit einigen Worten sei noch des Verhaltens der Atichiapolster (wie ich sie in Chile beobachtete) zu chemischen Reagentien gedacht. Die zentrale, aus zarten, mit stark lichtbrechendem Inhalt erfüllten Zeilen bestehende Schicht färbt sich mit Chlorzinkjod entweder braunrot — Glykogenreaktion — oder intensiv blau (ähn- lich Cetraria islandica). Die Propagula färben sich stets rotbraun. Die Blaufärbung zeigt sich in der Regel nur an älteren Atichiapolstern. . Bei unserer Atichia gloımerulosa beobachtet man gleichfalls zuweilen jene eigentümliche Blaufärbung bei Zusatz von Jodlösung. . 2) v. Höhnel meint (Fragmente, VIII, pag. 5): Ap. quercicolum ist nach den Exemplaren von Allescher und Schnabl, Fungi bavar., Nr. 531 und Krieger, Fungi Sax., Nr. 124 nichts anderes als Atichia glomerulosa im unreifem Zustand, in Gesellschaft einer Torula. Flora, Bd, 110. 9 130 F. W. Neger, breiteter Schimmelpilze, wie namentlich der Botrytis cinerea u. a. mit gutem Erfolg besteht. Von den meisten Systematikern und Verfassern von phytopatho- logischen Werken!) wird der Fehler gemacht, daß Fumago vagans als der häufigste im Freien vorkommende Rußtaupilz oder gar als Nebenfruchtform zu Capnodium salieinum bezeichnet wird. So sagt Lindau in Rabenhorst, Kryptogamenflora 1910, 2. Aufl, Bd. IX: „Als Rußtau die lebenden Blätter der verschiedensten Bäume und Sträucher, seltener von Kräutern, überziehend, in ganz Europa, Asien, Nordamerika und wohl noch weiter verbreitet; beobachtet auf Acer, Aesculus, Alnus, Ardisia, Arnica, Aspidium, Berberis....“ Es werden nun ca. 70 Pflanzenarten, meist Sträucher und Bäume, vorwiegend Freilandgewächse, aber auch einige Gewächshauspflanzen (z. B. Ardisia, Musa, Camellia u. a.) aufgezählt, auf welchen an- geblich Fumago nachgewiesen worden ist. Daß die genannten;Gewächshauspflanzen, wie Ardisia, Musa usw., oft Fumago vagans beherbergen, ist unzweifelhaft; daß aber Fumago auf Freilandbäumen, wie Ahorn, Linde, Weide, Ulme usw. vorkomme — außer wenn diese gerade zufällig als Topfpflanzen in einem Gewächs- haus (Warm- oder Kalthaus) stehen — bestreite ich aufs entschiedenste. Ich habe Fumago vagans — an seinen langgeschäbelten Pyc- niden leicht kenntlich — trotz eifrigen Suchens im Freien niemals gefunden, oder besser gesagt, in den zahllosen Kulturen, die ich von im Freien vorkommenden Rußtaupilzen ausgehend, angelegt habe, trat niemals Fumago vagans auf. Auch beim Nachuntersuchen von Herbarmaterial (besonders käuf- lichen Sammlungen) fand ich, daß alle Angaben tiber Vorkommen von Fumago auf Freilandbäumen auf Irrtum beruhen. Wenigstens fehlten in diesen Fällen die charakteristischen ge- schnäbelten Pyeniden, wenn es auch natürlich nicht mehr möglich war, von den betreffenden Pilzen Kulturen anzulegen. Was die Zusammengehörigkeit von Fumago mit dem von Tulasne so ausführlich beschriebenen und abgebildeten Capnodium salieinum betrifft, so ist eine solehe noch in keinem Fall mit Sicherheit, d. h. mittels Reinkulturen, nachgewiesen worden. Eine gewisse Ähnlichkeit der Pyeniden von Fumago mit den Conidienfrüchten des Tulasneschen Pilzes kann nicht als Beweis gelten. 1) v. Tubeuf, Rostrup, Sorauer, Lafar u.a. Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 131 Weder Zopf noch Schostakowitsch noch mir ist es gelungen, in den Reinkulturen von Fumago vagans andere, d. h. höhere Frucht- formen als die geschnäbelten Pyeniden aufzufinden, trotzdem daß die Kulturbedingungen nach den verschiedensten Richtungen hin variiert wurden. Und wenn Fumago wirklich mit Capnodium salicinum iden- tisch wäre, so müßten wenigstens am natürlichen Standort, d. h. in Gewächs- häusern jene Fruchtformen auftreten, die Tulasne gefunden und be- schrieben hat. Dies ist aber nach meinen Erfahrungen nicht der Fall. Wir können also zweifellos die Behauptung aufstellen: Fumago vagansist ein Gewächshausorganismus und nicht identisch mit einem der vielen anderen im Freien auf Bäumen und Sträuchern vorkommenden Rußtaupilze, mit welchen er fälschlicherweise häufig identifiziert wird. Zopf bezog sein Material, das er zu den Reinkulturen verwandte, aus dem Gewächshaus des alten Bot. Gartens in Berlin, Schosta- kowitsch von Palmenblättern (also auch Gewächshauspflanzen) in Basel. Ich selbst beobachtete (mit nachfolgender Reinkultur) den Pilz in folgenden Gewächshäusern: Bot. Garten Tharandt, Bot. Garten Dresden, Gewächshaus des großen Gartens in Dresden, Bot. Garten Leipzig. Vergeblich habe ich ihn gesucht im großen Palmenhaus des neuen Bot. Gartens in Dahlem. Dort ist eine Trentepohlia überaus ver- breitet, welche Fumago anscheinend nicht aufkommen läßt. Mög- licherweise sind auch die pflanzenhygienischen Verhältnisse (Benetzungs- einrichtungen, Luftzirkulation) in diesem Gewächshaus so vorzüglich, daß Fumago nicht die ihr zusagenden Lebensbedingungen findet oder immer wieder abgewaschen wird. Es will mir scheinen, daß der Pilz in engen gedrückten Häusern besser gedeiht als in breiten Iuftigen, ferner, daß er in alten, seit langer Zeit bestehenden, mehr verbreitet ist als in neugebauten. Wenn es wahr ist — woran nach dem vorstehenden kaum ge- zweifelt werden kann — daß Fumago vagans gegenwärtig ein in Gewächshäusern domestizierter Organismus ist, so stellt er gewisser- maßen ein Seitenstick zum Hausschwamm (Merulius lacrymans) dar, der bekanntlich auch stets in von Menschen bewohnten Räumen, und nur äußerst selten im Freien angetroffen wird. Aber ebenso wie der Hausschwamm sicher erst aus dem Freien in die Häuser eingewandert ist und sich den hier herrschenden Lebens- bedingungen angepaßt hat, so ist auch Fumago höchstwahrscheinlich erst mit den Pflanzen, auf welchen er gewöhnlich wächst, in die Ge- 9* 132 F. W. Neger, wächshäuser eingezogen. Vermutlich stanımt er also aus wärmeren Gegenden. Nun gibt es eine der Fumago vagans sehr nahestehende Art, die von ersterem Pilz vielleicht überhaupt spezifisch nicht verschieden ist, und die in den Tropen ziemlich verbreitet zu sein scheint, nämlich: Fumago Foothii Berk. et Dem. Winter sagt (Rabenhorst, Kryptogamenflora 1887, 2. Aufl, Bd. I, 2. Abt.) von dieser Art, daß sie auf immergrünen Pflanzen in unseren Gewächshäusern vorkomme und vielleicht mit der Zopfschen „Fumago“ identisch sei. Saccardo (Annales mycologiei 1913, pag. 312) führt sie für die Philippinen an. Was ich im Berliner botan. Museum als C. Foothii sah (leg. Möller auf Yucca filamentosa, Coimbra sowie Cooke, Fungi brit. no. 595, auf unbestimmter Gewächshauspflanze), stimmt meiner Ansicht nach vollkommen überein mit dem Zopf’schen Pilz (soweit eine derartige Entscheidung ohne Reinkultur möglich ist). Auch Capnodium javanicum Zimmerm. (Zentralbl. f. Bakt. u. Par. 1902, VIII, pag. 151) ist offenbar nichts anderes als Fumago va- gans. Die Abbildung, welche Sydaw (Annales mycologiei 1911, pag. 386, Fig. 6a)!) gibt, stimmt vollkommen für den uns beschäf- tigenden Gewächsbauspilz. Diese wenigen Hinweise sprechen sehr dafür, daß Fumago vagans, die bei uns auf die Gewächshäuser beschränkt ist, in wär- meren Gegenden, insbesondere in den Tropen, im Freien ziemlich häufig vorkommt. Mit Sicherheit wird sich dies natürlich nur an Ort und Stelle auf dem Wege der Reinkultur entscheiden lassen. Über die Morphologie und Biologie des Pilzes habe ich der aus- führlichen Darstellung, die Zopf in seinem bekannten Werk „Conidien- früchte von Fumago“ gibt, nichts hinzuzufügen. Ich fand, daß der Pilz sehr leicht zu kultivieren ist, auf allen möglichen, namentlich zuckerhaltigen Substraten gut wächst und früher oder später die charakteristischen, flaschenförmigen Pyeniden bildet. Die kugeligen Pycniden (Zopf, Taf. XXIV, 16—22) traten in meinen Kulturen nie auf. Dagegen beobachtete ich auch die dunklen Zell- komplexe (Coniothecien), wie sie Zopf auf seiner Taf. XXVI, 19—22 darstellt, und die vollkommen den analogen Gebilden anderer Rußtau- 1) Ich möchte nach meinen Erfahrungen sehr bezweifeln, ob die gleichzeitig abgebildeten flachen Perithecien wirklich zu dem gleichen Pilz wie die Fumago- ähnlichen Pycniden gehört. Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 133 pilze (namentlich denjenigen von Dematium pullulans) gleichen. Das Auftreten dieser Gebilde mag mit ein Grund sein, warum die beiden Pilze — bei oberflächlicher Untersuchung — so häufig identifiziert. wurden. Die hefeartige Sprossung (von Schostakowitsch bestritten) tritt, wie schon Zopf ausführt, dann ein, wenn Conidien in nährstoff- arme Nährlösungen übertragen werden. Sehr deutlich zeigte sich dies bei folgendem Versuch (26. Mai 1916): In vier hängende Tropfen von 5%, 10%, 20% und 40% Zucker enthaltenden Nährlösungen wurden Conidien gebracht, welche mittels einer ausgeglühten Nadel aus dem der Spitze einer Pycnide aufsitzen- den kugeligen Conidientropfen entnommen wurden. Eine Verunrei- nigung des Conidienmateriais durch etwa zufällig beigemengte Hefe- zellen war somit vollkommen ausgeschlossen. In der 5% -Lösung trat teils hefeartige Sprossung und Zell- spaltung (wie sie Zopf auf seiner Taf. XXV, Fig. 1—5 darstellt), teils Keimung zu Keimschläuchen ein. In den höher konzentrierten Lösungen (10%, 20%, 40% Zucker) erfolgte reichlich Keimung zu Mycel, während die Sproßbildung fast vollkommen unterblieb. In allen vier Kulturen entstanden nach Verlauf von 4—8 Tagen Pyceniden. Das Optimum des Mycelwachstuns wurde in den Lösungen von 10 und 20%, Zuckergehalt beobachtet, die 40% -Lösung zeigte deutliche Hemmung der Mycelbildung. Auch für Fumago gilt was für andere Rußtaupilze, besonders Dematium, ausgeführt wurde, nämlich, daß ein hoher Salzgehalt auf das Mycelwachstum und die Pyenidenbildung sehr vorteilhaft wirkt, wie aus folgendem Versuch hervorgeht (2. Juni 1916): In zwei hängende Tropfen von Dextrosenährlösung, deren eine Nährsalze im Verhältnis der Knop’schen Nährlösung enthielt, während die andere 10mal so viel Salze enthielt, wurden Conidien (von einer Pyenide) übertragen; in der hochkonzentrierten Lösung war die Mycel- bildung viel reichlicher, das Mycel dunkler und die Pyenidenentwieklung (nach 8 Tagen) üppiger als in der verdünnten Lösung. Die dunkle Farbe des Mycels bei Fumago ist auch hauptsächlich durch den Sauerstoffzutritt, und die Zusammensetzung des Nährsub- strats bedingt, dagegen ist sie unabhängig vom Licht. Denn zwei Ver- gleichskulturen auf einem und demselben Substrat, die eine dem Licht ausgesetzt, die andere dunkel gehalten, zeigten die gleiche Intensität der Dunkelfärbung. 134 F. W. Neger, Vergleichende Betrachtung der bisher isolierten Rußtaupilze. Durch große Manigfaltigkeit zeichnet sich besonders die Rußtau- vegetation auf Tannennadeln und -zweigen aus, wie die oben gegebenen Analysen zeigen. Etwas weniger formenreich scheint die auf Laub- blättern (Eiche, Linde, Ahorn) sich ansiedelnde Pilzvegetation zu sein. Zum Teil mag dies darauf zurückzuführen sein, daß diese Pilzdecken infolge der Kurziebigkeit der Unterlage — sommergrüner Laubblätter — kein sehr hohes Alter erreichen, nämlich nur 4—5 Monate, während die Pilzvegetation auf immergrünen Nadelhölzern mehrere Jahre alt wird. Es ist somit die Möglichkeit gegeben, daß in dieser langen Zeit weit mehr Pilzkeime anfliegen und zur vegetativen Entwicklung kommen als im Lauf einiger Sommermonate. Immerhin ist nicht ausgeschlossen, daß hier und da auch die Rußtaudecke unserer sommergrünen Laubbäume einen größeren Formen- reichtum aufweist (besonders in niederschlagsreichen Jahren). Weitere Untersuchungen in dieser Richtung — etwa unter Zugrundelegung der von mir angegebenen Methode — wären sehr erwünscht. Immergrüne Laubhölzer —— wie gewisse Hartlaubgehölze der Mediterranregion oder klimatisch ähnlicher Gebiete — welche häufig mit einer sehr mächtigen Rußtauvegetation bedeckt sind, werden ver- mutlich — wenn versucht wird, diese scheinbar einheitlichen Pilzdecken in ihre Komponenten zu zerlegen — sehr interessante Ergebnisse zu- tage fördern. Bestimmte Angaben liegen darüber bis jetzt noch nicht vor. Wenn auch, wie ich schon bemerkt habe, die Tannenrußtau- vegetation durch meine Versuche noch nicht erschöpfend analysiert worden ist, wenn ferner sogar damit gerechnet werden kann, daß als mehr oder weniger akzessorische Bestandteile nahezu alle Pilze in Betracht kommen, deren Keime (Sporen, Conidien) die Fähigkeit be- sitzen, in zuckerreichen Substraten zu Mycel auszuwachsen — und das werden gewiß nicht wenige sein — so sind die bisherigen Ergebnisse meiner Untersuchung doch ausreichend, um eine kleine vergleichende Betrachtung über „typische Rußtaupilze“, d. h. über solche Arten, welche mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederkehren und als Haupt- bestandteile gelten können, anzustellen. Da fällt uns vor allem auf, daß wir gewissermaßen drei Typen von Pilzen unterscheiden können, nämlich: a) solche, welche weithin wachsendes Mycel bilden, z. B, De- matium II, Torula sp, Triposporium, Botryotrichum SP. Gyroceras sp.; Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 185 b) solche, die stets nur kurzgliedriges Mycel bilden, die beiden Hormiscium-Arten. Der als Helminthosporium sp. bezeichnete Pilz nimmt eine Mittelstellung zwischen a und b ein; e) solche, die überhaupt kein Mycel bilden, sondern nur + kugelige Klumpen, z. B. Atichia glomerulosa, Coniotheeium erustaceum. Es will mir scheinen, als ob die unter e) genannten Formen den besonderen für Rußtaupilze in Betracht kommenden Lebensbedingungen am vollkommensten angepaßt wären. Die ihnen eigene Wachstums- weise — Bildung von Zellklumpen, hefeartige Sprossung — paßt am besten für Organismen, die sich auf zuckerreichen Flüssigkeiten ent- wickeln !), Atichia ist nach v. Höhnel ein Abkömmling der Sac- charomycetaceen. Das gleiche gilt vielleicht für Coniothecium erustaceum, das — nach Lindner — auch auf zuckerreichen Flüssig- keiten der Gärungstechnik vorkommt. Kaum weniger gut angepaßt sind jene Rußtaupilze (unter b), — die beiden Hormiscium-Arten — die nur kurzgliedriges gedrungenes Mycel bilden; bei ihnen ist gewissermaßen zur Regel geworden, was zahlreiche andere Pilze unter dem Einfluß hochkonzentrierter zucker- reicher Nährlösungen tun. Demgemäß bilden auch diese Pilze — ebenso wie die unter ce genannten — mehr oder weniger gedrungene, oft geradezu kugelige Polster (in der Reinkultur). Zu a leiten dann über: Triposporium, Helminthosporium, Gyroceras, Torula usw. Sie bilden zwar ein mehr langgliedriges Mycel, haben aber doch eine verhältnismäßig geringe Wachstumsgeschwindigkeit. Demgemäß haben auch sie Neigung, gedrungene Polster von beschränkter Aus- dehnung zu bilden (z. B. auf sterilisierten Möhren). Dieses verschiedene Verhalten geht am besten aus folgendem Versuch hervor: Am 7. Okt. 1916 wurden die nachstehenden Pilze bzw. kleine Frag- mente derselben aus Reinkulturen auf Nährgelatine übertragen. Die Kulturgefäße befanden sich in einem ungeheizten Raume, in welchem die Temperatur zwischen 5 und 10° © schwankte. 1) Ein nährstoffreiches Substrat wird offenbar durch ein reich verzweigtes, gewissermaßen intensiv arbeitendes Hyphengeflecht besser ausgenützt als durch ein schwachverzweigtes, aber weit ausgreifendes, gewissermaßen extensiv tätiges, oder wenn wir die Sache rein mechanistisch auffassen: Hyphen, die aus einer konzen- trierten Nährlösung schöpfen, haben keine Veranlassung so weitläufig zu wachsen, wie solche, die auf ein nährstoffarmes Substrat angewiesen sind. 136 F. W. Neger, Am 5. Dez. 1916 (also nach reichlich 2 Monaten) hatten die Kul- turen folgende Größen erreicht: Dematium pullulans 30><30 mm | unter gleichzeitiger, + ” u 25x25 „ 1 starker Verflüssigung Ciadosporium herbarum 34x20 „ | der Gelatine Fumago vagans 15x15 „ Helminthosporium sp. 3x3 „ Triposporium sp. 4x4 „5 Torula sp. 2x3 „ Hormiseium pinophilum 1x1 „ Hormiseium II 2x1 ,„ Coniothecium erustaceum 8x3 „, Atichia glomerulosa!) BB „ Die beiden letztgenannten — nieht Mycel bildenden — Pilze be- sitzen eine verhältnismäßig große Wachstumsgeschwindigkeit und scheinen auch selbst bei der niedrigen Temperatur des Versuches aus- gezeichnet zu gedeihen. Es ist anzunehmen, daß sie auch im Freien selbst während der Wintermonate kräftig wachsen. Sehr gering ist die Wachstumsgeschwindigkeit der Hormiscium- Arten. Sie bilden ja auch nur kurzgliedriges aus isodiametrischen Zeilen zusammengesetztes Mycel. Man darf hieraus den Schluß ziehen, daß die mächtigen Vegetationen von H. pinophilum, die man oft in der Natur antrifft, ein sehr hohes Alter haben (2—3 Jahre). Aller- dings gedeiht H. pinophilum, wie oben schon erwähnt, in Reinkulturen verhältnismäßig schlecht; es stellt sein Wachstum häufig nach einiger Zeit vollkommen ein. Sehr gut gedeiht das andere Hormiseium auf künstlichen Nährböden; trotzdem vergrößern sich die Kulturen überaus langsam. Wenn wir sehen, daß viele andere Pilze, die in verdünnten Nähr- lösungen langgliedriges Mycel bilden, mit zunehmender Konzentration des Substrats zur Bildung kurzgliedriger Hyphen übergehen, so möchte man der Ansicht zuneigen, daß das eigentümlich gedrungene Mycel der Torula- und Hormiscium-Arten einen durch hochkonzentrierten Nährboden herangezüchteten Anpassungszustand darstelle. * * 1) Dieser Pilz hat die angegebene Größe sogar in wesentlich kürzerer Zeit erreicht, nämlich vom 16. Nov. bis 5. Dez., also in 3 Wochen. Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 131 Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Untersuchung. 1. Es ist unrichtig, wenn, was fast allgemein geschieht, die in der Natur auftretenden Rußtauüberzüge als etwas Einheitliches (indivi- duelles) aufgefaßt werden. In weitaus den meisten Fällen — außer etwa bei den schwarzen Krusten des Gewächshausrußtaus (Fumago vagans) — handelt es sich um ein Gemenge von mehr oder weniger zahlreichen Pilzarten, die auf den honigtaubedeckten Blättern neben- einander wachsen und eine scheinbar einheitliche Pilzdecke bilden. 2. Als Bestandteile einer Rußtaudecke kommen in Frage: a) allverbreitete Schimmelpilze, z. B. Dematium pullulans, Cladosporium herbarum, zuweilen auch Pencillium-Arten, Botrytis cinerea, ferner Hefen, Bakterien. b) Gewisse, offenbar dem zuckerreichen Substrat, besonders an- gepaßte, epiphytisch lebende und ziemlich regelmäßig wiederkehrende Pilze, z. B.: Coniothecium-Arten, Atichia glomerulosa (diese beiden nicht Mycelfäden bildend), ferner Hormiscium pinophilum, Tripo- sporium sp. und andere, die bisber nur unvollständig identifiziert werden konnten. c) Wahrscheinlich auch viele andere Pilze, deren Sporen zufällig durch den Wind übertragen auf ein honigtaubedecktes Blatt fallen, hier keimen und ein (meist steriles) Mycel bilden. So gelang es z. B. durch Aussaat des Mycels von Bulgaria polymorpha, Herpotrichia nigra, Xylaria hypoxylon u. a. in konzentrierten Zuckerlösungen (hängenden Tropfen) Mycelien zu er- zielen, welche den Rußtauvegetationen in jeder Hinsicht glichen (dicke, braune, schwarze Zellschnüre, braune, schleimumhüllte Zellklumpen u. dgl. 3. Der Umstand, daß eine Rußtauvegetation in weitaus den meisten Fällen aus mehreren — wenn nicht vielen — verschiedenen Pilzarten zusammengesetzt ist, erklärt, warum man bei einfacher — deskriptiver — Untersuchung einer Rußtaudecke den Eindruck erhält, daß der be- treffende Rußtaupilz äußerst vielgestaltig sei. Dieser Fehler ist von den mykologischen Systematikern häufig gemacht worden. Frukti- fikationen der eine Rußtaudecke zusammensetzenden Pilze wurden als zusammengehörig angesehen und als verschiedene Fruchtformen eines und desselben Pilzes angesehen, z. B. Atichiapolster, Coniothe- eiumklumpen mit fadenbildenden Pilzen. 138 F. W. Neger, Ob die von Tulasne beschriebene außerordentliche Vielgestaltig- keit des Capnodium salicinum zu recht besteht oder auch nur eine scheinbare, und auf Zusammenauftreten mehrerer verschiedener Pilze zurückzuführen ist, müssen weitere Untersuchungen lehren. (Es war mir bisher leider nieht möglich, typisches Capnodium sali- cinum in Kultur zu bekommen. 4. Es ist sinnlos, Rußtauüberzüge im Herbarium aufzubewahren, und nur auf Grund mikroskopischer Untersuchung irgendwie zu be- nennen’). Eine sichere Bestimmung der den rußtaubildenden Pilze ist nur möglich an der Hand von Reinkulturen. Die Zusammensetzung wechselt von Fall zu Fall, wenn auch gewisse Arten mit einiger Regel- mäßigkeit immer wiederkehren. Soweit Herbarmaterial für die vorstehende Untersuchung verwend- bar war, habe ich — außer den Sammlungen des Bot. Instituts der Forstakademie — mit gütiger Erlaubnis des Herrn Geheimrats Dr. Engler die in Betracht kommenden Materialien des Kgl. bot. Museums in Dahlem, die mir zu diesem Zweck für längere Zeit zur Verfügung gestellt wurden, benutzen können, wofür ich Herrn Geheimrat Engler auch an dieser Stelle meinen verbindlichen Dank ausspreche. Botan. Institut der Kgl. Forstakademie Tharandt. Literatur. 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Forst- und Landw. 1915. 1) Mit gleichem Recht könnte man die Pilz- oder Bakterienflora einer Erd- probe, oder die Bakterienfiora, die sich an unseren Händen oder im Mund usw. ansiedelt, als etwas Einheitliches ansehen, was aber niemand einfallen wird. Experimentelle Untersuchungen über Rußtaupilze. 139 Fawcett, Cladiosporium Citri ete. Mycologia 1911. Flotow, Über Collemaceen. Linnaea 1850, Bd. XXIII. Frank, Die Krankheiten der Pflanzen, 3. Aufl., 1895. Gay, Flora de Chile, Bd. VII, 1852. Goebel, Pflanzenbiologische Schilderüngen II, 1893. v. Höhnel, Fragmente zur Mykologie. Sitzungsber. k. k. Ak, Wiss. Wien 1902 bis 1916. Ders., Atichia Treubii v. Höhn. Ebenda 1909. Johow, Estudios sobre la Flora de las Islas de Juan Fernandez. Santiago 1896. Kikx, Flore eryptog. des Flandres 1867, Bd. I. Lindner, Mikroskopische Betriebskontrolle, 2. Aufl., 1898. Lüstner, Der Rußtau der Rebe. Mitt. Weinbau und Kellerw. 1902. Mangin et Patouillard, Les Atichiales. C. r. Ac. Se. Paris 1912, Tome CLIX. 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Bei Betrachtung der morphologischen Verhältnisse «ler polyandri- schen Blüten fragt es sich, von welchem Standpunkt ausgegangen wird: ob man in der Polyandrie die ursprüngliche Gestaltungsform der Angiospermenblüte sieht, oder ob man sie vom diplostemonen Blüten- typus ableitet. Diese letztere Auffassung hatte bereits ihre Anhänger, bevor noch entwicklungsgeschichtliche Tatsachen bekannt waren. Man stellte sich vor, daß Polyandrie durch vielfache Verdoppelung (Dedou- blement) der Staminalglieder entstanden sei. Wie das Dedoublement dabei vor sich gehen sollte, wurde von Dunal und Mocquin-Tandon, die den Begriff einführten, nicht weiter ausgeführt. Später an der Hand der entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen von Hofmeister und Payer schien dann die Theorie eine kräftige Stütze zu gewinnen durch die Entdeckung der Primordien, jener leicht aufgewölbten Partien des Blütenbodens, auf welchen immer zuerst und oft auch allein die Anlage des Androeceums erfolgt. Sie sollten die Primitivanlagen der sich verzweigenden Staubblätter darstellen. Hier sei gleich vorweg genommen, daß kein Beweis vorliegt, sie als solche aufzufassen, daß sie vielmehr auf Grund der ausgeführten Untersuchungen nur als im Wachstum geförderte Partien des Blütenbodens anzusprechen sind, wie überhaupt im weiteren auszuführen sein wird, daß sich die Organanlage bei eintretender Reduktion der Glieder oft nicht gleichmäßig über die ganze Vegetationszone hin erstreckt, sondern auf bestimmte Sektoren beschränkt. Wenn aber immerhin, indem die Primordien in der oben an- geführten Weise mißgedeutet wurden, in ihnen noch ein Hinweis auf Dödoublement gesehen werden Konnte, so sprachen Fälle mit einer ringsum gleichmäßig erfolgenden Organanlage (vgl. Rosaceen, Cistaceen u. a.) um so eindringlicher dagegen. Auch hier war ein Teil der An- hänger der Dödoublementstheorie konsequent genug, um eine völlige Verwachsung der Ränder der dedoublierenden Anlagen anzunehmen und das D&doublement für kongenital zu erklären. Wenn sich nun schon gegen eine derartige rein willkürliche Deutung, die durch gar keine entwicklungsgeschichtlichen Tatsachen gestützt war, mit Hofmeister als erstem Stimmen erhoben, so gelangte Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 141 in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts auch die zweite eingangs erwähnte Auffassung von der Ursprünglichkeit der Polyandrie zum Wort. Goebel als erster und nach ihm Öelakovsky sind die Hauptvertreter dieser Anschauung, die eine Hauptstütze schon von vornherein darin findet, daß innerhalb des gesamten Organismenreiches die Vielzahl der Organe und Glieder den phylogenetisch ursprünglicheren Typen entspricht. Da aber trotz eingehender Arbeiten der genannten Morphologen dennoch in der neuesten Literatur über Blütenbau und -ab- leitung (Wettstein 1911, Warming-Moebius 1911, Pax 1890, Mur- beck 1912, Engler u. a.) immer wieder die alte Dedoublementstheorie aufgenommen und weiter vertreten wurde, so schien es wünschenswert, an der Hand möglichst zahlreicher dafür in Betracht kommender Fami- lien nochmals eingehende entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen zu unternehmen und experimentell soweit als möglich zu vervollständigen. Hierbei wird die Ursprünglichkeit der Vielzahl dann als erwiesen zu betrachten sein, wenn es innerhalb einer reichgliedrigen Art, einer Familie oder Gattung gelingen wird, die innerhalb der ganzen Familie vergleichend morphologisch aufgestellte Reihe in sich deckender Weise künstlich zur Wiederholung zu veranlassen. In entwicklungsgeschichtlicher Hinsicht bieten die polyandrischen Blüten drei Typen: Papaveraceentyp. Nach Anlage der Kelch- und Blumenblätter stellt der Vegetations- punkt eine kuchenförmige Erhebung dar. Staubblätter und zuletzt Karpiden entstehen in zentripetaler Reihenfolge. Das embryonale (rewebe bleibt am längsten erhalten im Sproßzentrum. Cistaceentyp. Der Vegetationspunkt hat im wesentlichen die gleiche Gestalt wie im vorhergehendem Fall; indes bestehen nach Kelch- und Blumen- blattanlage noch zwei embryonale Zonen: Die eine, in der Blütenmitte, liefert die Karpiden, die andere, oberhalb dem Perianth eingeschaltet, liefert die Staubblattanlagen und zwar in zentrifugaler Reihenfolge. Rosaceentyp. Der Blütenboden ist in seiner Mitte trichterförmig eingetieft; von den zwei embryonalen Zonen liefert die eine und zentrale die Karpiden, eine zweite unterhalb des Perianths die Staubblätter in zentripetaler Entstehungsfolge. 142 Max Hirmer, Cistaceae. (Taf. I.) Cistus. Sektion Erythroeistus. C. polymorphus (Fig. 1). Die Anlage des Kelches, der fünf gleich große Blätter, zwei äußere und drei sich konvolutiv deckende innere zeigt, erfolgt nach zwei Fünftel. Annähernd in Alternanz. damit treten die fünf Petalen auf. Episepal folgen dann am Rande des kuchen- förmigen Blütenbodens die ersten fünf Stamina, zwischen ihnen dann fünf epipetale, und in den noch bestehenden Zwischenräumen zwischen diesen ersten 10 Staubblättern noch deren weitere 10. Damit ist ein Komplexquirl von im ganzen 20 genau in einer Höhe stehenden Staubblättern erreicht; mit ihm alterniert ein zweiter zwanzigliedriger, mit diesem ein weiterer mit annähernd gleicher Gliederzahl usw. Gleich- zeitig mit Anlage der letzten Glieder des Androeceums erfolgt auch die der fünf epipetalen Karpiden. Sektion Ledonia, Neben Formen, bei welchen der Kelch aus fünf annähernd gleich großen Teilen besteht, obwohl auch schon hier die beiden ersten und äußeren aus dem engeren Zusammenschluß mit den drei inneren ge- drängt sind, gibt es Arten, bei welchen die zwei äußeren Kelchblätter hinter den drei inneren an Größe erheblich zurtickbleiben, so daß also hinsichtlich des Kelches die gleichen Verhältnisse vorliegen, wie bei den meisten Arten der Gattung: Helianthemum. H. polifolium (Fig. 2 und 3). Die ersten Stadien der Kelchentwick- lung stimmen mit der von Cistus polymorphus überein, sehr bald aber bleiben Sepalum 1 und 2 wesentlich hinter den drei übrigen zurück. Bei den Biumenblättern (Fig. 4) ist die bei Cistus schon sichtbare Verschiebung ebenfalls vorhanden. Wie ein Mikrotomschnitt durch eine ganz junge Blüte zeigt, fallen je zwei Petala über Sepalum 1 und 3 und das fünfte vor den Zwischenraum zwischen Sepalum 3 und 5. Mit den Petalen alternierend treten dann wie bei Cistus die ersten fünf Stamina auf und in den Zwischenräumen zwischen ihnen fünf weitere. Damit ist bei Helianthemum der erste Komplexquirl geschlossen, ihm folgen alternierend bzw. supraponiert weitere zehnzählige. Dabei ist zu bemerken, daß, wie auch bei Cistus, zwar die ersten zwei fünfzähligen Staminalwirtel simultan angelegt werden, die Glieder der folgenden Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 143 Wirtel aber ohne Regelmäßigkeit auftreten, so daß man wohl in räumlicher, nicht aber in zeitlicher Hinsicht von Wirteln reden kann. Die Anlage dieser Stamina erfolgt jeweils da, wo zwischen den bereits vorhandenen An- lagen der Blütenboden tangential weiter an Ausdehnung gewonnen hat. Mit der geringeren Vielzähligkeit der Quirle gegenüber Cistus mag im Zusammenhange stehen, daß bei ungefähr gleicher Größe der ersten Staminalanlagen der Blütenboden bei Helianthemum erheblich kleiner ist; unter den gleichen Gesichtspunkt, nämlich den der Reduktion, ist dann auch die Tatsache zu bringen, daß bei Cistus die Karpiden in Fünfzahl, bei Helianthemum nur zu dreien angelegt werden. In beiden Fällen ist die verbleibende Blütenbodenmitte durch die Sporophylle ganz aufgebraucht, im einen Fall durch fünf Karpiden und anschließende zwanzig- zählige Staminalwirtel, im anderen durch drei Karpiden und zehngliedrige Staubblattkreise. Bevor wir uns der Betrachtung der noch weiter reduzierten Cistineen zuwenden, mögen hier die Darstellungen und morphologischen Deutungen früherer Autoren Erwähnung finden. 1. Die Stellung der Petalen betreffend: Payer gibt sie als alternisepal an. Spach als nicht genau mit den Sepalen alternierend. Eichler erklärt: „Wenn sich die drei inneren Kelchblätter schon vor Anlage der Krone stark verbreitern, so mußte der beste Platz für die Entstehung der Petalen über den drei zwischen ihnen befindlichen Lücken sein“, für die übrigen wäre dann der meiste Raum über den Sepalen 4 und 5, was aus seiner Fig. 90.4 ersichtlich sei. Damit nimmt Eichler eine nicht simultane Entstehung der Krone an, denn nur so wäre es möglich, daB sich die zwei Petalen über Sepalum 4 und 5 nach den drei anderen richten. Eine sukzedane Kronenanlage ist aber nicht zu ersehen. Wenn wir nun die noch zu besprechenden Cistineen betrachten, so sehen wir am Ende der aufzustellenden Reihe in Lechea eine Form, bei der mit Ausnahme des Kelches, der fünfzählig und dem von Helianthemum gleich ist, alle übrigen Blütenglieder und somit auch die Blumen- blätter auf die Dreizahl reduziert sind. Es ist naheliegend bei Cistus und Helianthemum das Anfangsstadium eines Vorganges zu sehen, den Öelakovsky als negatives kollaterales Dedoublement bezeichnet und in anderen Fällen oft nachgewiesen hat. Wir hätten also unter mehr oder minder fortgeschrittener Loslösung der zwei äußeren Sepalen und der damit verbundenen Reduktion des Kelches schon bei Cistus und Helianthemum ein entsprechendes Zusammenrücken je zweier Glieder 144 Max Hirmer, des nächst höheren Gürtels vor die Zwischenräume der ausfallenden Glieder, die dann bei Lechea zur völligen Verschmelzung geführt hat. 2. Androeceum. Payer nimmt zwei Kreise an, einen zuerst angelegten episepalen, der nicht d&doubliert, und einen dedoublierenden epitalen. Auf diesen letzteren wäre «ann die Vielzahl der Stamina zurückzuführen. Eichler nimmt auf Grund weiter unten zu besprechender anatomischer Verhältnisse D&doublement des episepalen Kreises an. Hofmeister faßt die Ent- wicklungsgeschichte des Cistineenandroeceums als Beispiel auf für Ein- schaltung neuer Blätter unterhalb bereits gebildeter, Goebel weist darauf hin, daß Blütensprosse durch die Begrenztheit ihres Wachstums prinzipiell von vegativen Sprossen verschieden sind, und daß bei einem begrenzten Sproßsystem nicht immer das embryonale Gewebe als Vegetationspunkt am Gipfel der Achse zu liegen braucht, vielmehr auch als Gürtel unter demselben vorhanden sein kann, daß aber kein Grund vorliegt, Dedou- blement eines oder zweier Blütenkreise anzunehmen, da der vorliegende Entwicklungsgang nur Einen der mehreren Entwicklungsmöglichkeiten darstellt. Öelakovsky endlich wendet sich desgleichen gegen Eichler’s und Payer’s Forderung eines positiven Dedoublements, indem er hin- weist, daß es ein befremdliches Mißverhältnis wäre, wenn fünf epipetale oder fünf episepale — je nach der Ansicht Payer’s oder Eichler’s — Stamina für ganze Blätter gelten sollten, alle übrigen, die ganz ebenso entstehen und aussehen, als Abschnitte von fünf Gliedern eines zweiten Quirls. Wenn Öelakovsky so einesteils gegen die Eichler-Payer-Pax- Auffassung auftritt, so fügte er, nicht zufrieden mit der Hofmeister- Goebelschen nur entwicklungsgeschichtlichen Angabe noch eine phylo- genetische Interpretation hinzu. Wie auch Goebel geht er von der Ansicht aus, daß die angiospermen Blüten sich von hochpolyandrischen Formen ableiten. Statt indes den im Cistineentyp auftretenden Ent- wieklungsgang als Einen der möglichen und mehreren Entwicklungs- gänge, den eine polyandrische Blüte nehmen kann, anzusehen, betrachtet er ihn bereits unter dem Gesichtspunkte der Reduktionserscheinung, in- dem nach ihm nur die rein akropetale Anlegungsfolge, wie sie zum Beispiel bei den Papaveraceen auftritt, als phylogenetisch alt anzusehen wäre. Nach ihm herrschten dann innerhalb der Cistineenblüte zwei Entwicklungstendenzen, eine junge, die zur Reduktion drängt und der gemäß statt zahlreicher Kreise nur einer gebildet wird und eine ur- sprüngliche Tendenz, die die Polyandrie noch aufrecht erhält. Das Resultat des Tendenzenwettkampfes wäre dann die vorauseilende Anlage des inneren Kreises, die sukzessive Verspätung der unteren Kreise. Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 145 Eine wesentliche Stütze für die Annahme einer phylogenetisch-jungen Bildungstendenz sieht Öelakovsky darin, daß der oberste Kreis, der dieser Tendenz zufolge allein übrig bleiben soll, in normaler Alternanz mit den Petalen und Karpiden auftritt. Es ist indes dieser Beweis nicht stichhaltig. Anlagen, die räumlich voneinander soweit entfernt auftreten, können, aber müssen nicht die Alternanzgesetze einhalten; das wird im folgenden noch öfters gezeigt werden; darauf hat auch schon Goebel hingewiesen. Wenn weiterhin angenommen wird, daß sich der Cistineentyp phylogenetisch vom Papaveraceentyp ableitet, so ist diese Ansicht überhaupt durch nichts gestützt. Es ist vielmehr gar nicht wahrscheinlich, daß Oligandrie aus Polyandrie mit akropetaler Entwicklungsfolge nur auf dem Umweg über Polyandrie mit zentrifugaler Organanlage zustande kommen kann; vielmehr wird unten zu zeigen sein, daß sich Oligandrie direkt von akropetal sich entwickelnden poly- andrischen Blüten entweder durch Primordienbildung (Myrtaceae) oder durch alleinige Anlage der sonst zuerst entstehenden Stamina (Papa- veraceae, Agrimonia, Malvaceae) ableiten läßt. Zuletzt möge noch die Leitbündelanerdnung Erwähnung finden, um hier, wie oft noch im Verlauf der Arbeit zu zeigen, daß der Strang- verlauf zur Beurteilung morphologischer Verhältnisse nicht geeignet ist. Darauf haben Goebel und Öelakovsky vielfach und nachdrücklich hin- gewiesen; auch Eichler sieht in der Gefäßbündeldifferenzierung nur „ein sekundäres Moment, das durch die Disposition und Ausbildung der Phyllome sowie durch die Konfiguration der Achse bedingt wird.“ Nichts- destoweniger wendet er im Falle von Cistus und Helianthemum den- noch die anatomische Methode zur Bekräftigung seiner Dedoublement- theorie an; er findet bei Cistus acutifolius fünf kräftige alternipetale und fünf schwache epipetale Leitbündel, bei Helianthemum ledifolium fünf ebenfalls kräftig entwickelte alternipetale Bündel, aber die epi- Petalen nur vereinzelt angelegt, um bei Helianthemum vulgare ganz zu schwinden. Aus diesen Tatsachen schließt Eichler auf einen bei Cistus dedoublierenden alternisepalen Staubblattkreis und einen ein- fachen epipetalen, — entgegen der entgegengesetzten AnnahmePayer’s—, bei Helianthemum dagegen würde das Androeceum aus einem einzigen alternipetalen Kreise bestehen, wie auch aus seiner Fig. 90 2 hervorgeht. Nun zeigt die Entwicklungsgeschichte des Androeceums sowohl bei Cistus als auch bei Helianthemum — und hierin stimmen sämtliche Autoren: Payer, Hofmeister, Goebel und meine Untersuchung über- ein, daß nach den fünf alternipetalen fünf epipetale Stamina angelegt werden. Was entsprechend der Eichler’schen Theorie aus den letzteren Flors, Bd. 110. 10 146 Max Hirmer, bei Helianthemum werden soll, ist nicht abzusehen. Sie müßten ihr zu- liebe wieder verschwinden, was sie indess nicht tun, da sie bis in ziem- lich alte Entwicklungsstadien deutlich verfolgbar sind. Wenn sie jedoch im einen Fall ein eigenes Leitbündel besitzen, im anderen sich dem benachbarten alternipetalen anschließen, so ist das durchaus nicht be- fremdend. Wir werden später bei Tilia wieder finden, daß sich die Stränge der einzelnen Glieder einer Organkategorie, hier der Petalen, immer, und gewöhnlich im gleichen Drehungssinn, denen der Nachbar- gruppe einfügen. Daß aber abgesehen davon zwei ganz gleiche Ent- wieklungsvorgänge, wie sie doch bei Cistus und Helianthemum im wesentlichen vorliegen, im einen Fall auf D&doublieren zweier Staminal- kreise, im anderen nur auf Dedoublement eines Kreises zurückzuführen sein sollen, ist schon von Haus aus recht unwahrscheinlich. Wir wenden uns wieder der Betrachtung der Cistineenreihe zu, und zwar der der reduzierten‘) Formen. Dem oben geschilderten polyandrischen Helianthemumtyp steht nahe Helianthemum ledifolium (Fig. 5). Die ersten Entwicklungsstadien verlaufen gleich: fünf alternipetale Stamina als erste Anlagen, fünf epipetale in den Zwischenräumen; tiefer folgt auf dem mehr kegelförmig gewölbten Vegetationspunkt ein mehr oder minder zehnzähliger Wirtel. Das Auftreten seiner Glieder erfolgt da wieder zuerst oder ausschließlich, wo vor den 10 Erstlingsstaubblättern der verhältnismäßig größte Raum zur Verfügung steht. Damit ist die Anlage des Androeceums vollendet. Die Karpiden stehen über den drei großen Sepalen. Wenn hier noch die Fünfzahl im Androeceum die herrschende ist, ist es bei Helianthemum salicifolium (Fig. 6 und 7) auf die Dreizahl redu- ziert. Drei Stamina stehen zwischen den später angelegten Karpiden und im Interstitium der ersteren ein bis zwei weitere Staminalanlagen, je nach dem zur Verfügung stehenden Raum; mit ihnen alterniert ein weiterer, ungefähr ebensoviel zähliger Staminalkreis. Damit ist auch hier die Organanlage vollendet. Die drei Karpiden alternieren wieder, wie bei den meisten Helianthemum-Arten mit den drei großen Sepalen; im übrigen dürfte in dieser Hinsicht bei H. ledifolium und salicifolium nicht besondere Konstanz herrschen, nicht. einmal innerhalb der Blüten einer Pflanze, wenigstens bei dem mir vorliegenden Herbarmaterial. t) Daß es sich bei der Annahme einer Reduktion tatsächlich um eine solche handelt, beweist hier, wie in den übrigen Familien, wo gleichfalls von reduzierten Formen zu sprechen sein wird, die Tatsache, daß überall nur noch die sonst zu- erst auftretenden Glieder erhalten bleiben. Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 147 Wenn wir bisher innerhalb des Gynoeceums die Dreizahl erreicht finden, desgleichen bei H. salieifolium auch schon innerhalb des Androe- ceums, wenn der Kelch bei einigen Cistus-Arten und bei Helianthemum der Dreizahl zuneigt und das jeweilige Zusammenrücken je zweier Petala vor einem gehemmten Sepalum auf das Wirken der gleichen Reduktions- tendenz auch innerhalb der Krone hinweist, so kommt sie auch was die Petalen betrifft, ganz zur Geltung bei: Lechea. Sehen wir von den zwei äußeren kleinen Sepalen ab, die hier gleichfalls ganz aus dem Verband gelöst sind, so liegt bei L. Drummondii (Fig. 8 und 9) eine völlig dreizählige Blüte vor. Alternierend mit den drei großen Sepalen treten die drei Blumenblätter auf. Hoch über ihnen, aber trotzdem in Alternanz die drei ersten Stamina auf dem kegelförmig hochgewölbten Vegetationspunkt; zwischen ihnen etwas tiefer je ein bis zwei Stamina und stellenweise noch einige weitere alternierende Anlagen. Epipetal wird das Gynoeceum angelegt. Damit ist die Reduktionsmöglichkeit innerhalb der Gattung noch nicht abgeschlossen. Nach Eichler hat Lechea thymifolia nur noch drei alterni- und drei epipetale Stamina, Lechea mexieana nur noch deren drei episepale. Wenn Eichler die Mehrzahl der Stamina bei Lechea Drummondiü wieder auf Dedoublement zurückführt, so ist dies wieder so unbewiesen, wie bei den übrigen Cistineen. Wir sehen nirgends etwas von Spaltung einer sonst nur ein Organ liefernden Anlage, viel- mehr ist da, wo zwei Stamina an Stelle eines auftreten, infolge inten- siveren Tangentialwachstums des Blütenbodens von vornherein der Raum erheblich größer, als da, wo nur eine Anlage erfolgt. Wir müssen an- nehmen, daß vielmehr im letzteren Falle das geringe Wachstum des Vegetationskegels auf die Anlage der Organe beschränkend einwirkt. Hypericaceae. (Taf. I.) Innerhalb dieser Familie sind zwei entwicklungsgeschichtliche Typen zu unterscheiden: Der eine entspricht im wesentlichen dem bei den Cistineen geschilderten, der andere stellt ein Reduktionsprodukt des ersteren dar, indem die Staubblattbildung auf einzelne Sektoren des Blütenbodens beschränkt ist. Brathys. Brathys prolifica mag als Beispiel des ersten Entwicklungsganges angeführt sein. Nach Anlage des Kelches, der nach zwei Fünftel ent- steht, treten die Petalen auf, die schon ansehnliche Größe erreichen, 10* 148 Max Hirmer, noch ehe auf dem kuchenförmigen fünfeckigen Blütenboden die ersten Staminalanlagen sichtbar sind (Fig. 4). Diese beginnen mit einem Komplex- quirl von 15 Gliedern, fünf episepalen und im Zwischenraum je zwei epipetalen (Fig. 1). Welche von ihnen zuerst angelegt werden, konnte nicht entschieden werden, da das vorliegende Herbarmaterial zu wenig ganz junge Entwicklungsstadien enthielt. Die folgenden Stamina sind bei weitem nicht mehr so regelmäßig angelegt, als dies bei den polyandrischen Cistineen der Fall war. Auch übertreffen ihre Quirie, soweit sich überhaupt ihre Zusammengehörigkeit feststellen läßt, den ersten Staubblattkreis an Zahl fast um das Doppelte. Dies erklärt sich, indem einesteils die Größe ihrer ersten Anlagen etwas hinter der der Erstlingsstamina zurücksteht, anderenteils: während bei den polyandrischen Cistineen die Erstlingsstamina dem Rande des kuchenförmigen Blüten- bodens sehr nahe, die übrigen an der zum Rande fast vertikal auf- steigenden Böschung stelıen, so daß alle Kreise übereinander angeordnet sind, kommen bei Brathys prolifica sämtliche Kreise nebeneinander zu liegen, indem sie auf dem zwischen den Karpiden und den Petalen befindlichen Staminalwall angelegt werden. Dabei ist klar, daß ent- sprechend dem jeweils größeren Umfang der einzelnen Ringe auch in jedem Ring jeweils mehr Stamina zur Anlage kommen. Verhältnismäßig früh schon ungefähr gleichzeitig mit dem Auftreten der ersten Staubblätter treten die drei Karpiden in Erscheinung. Der hiermit geschilderte Entwicklungsgang stimmt mit den Angaben Payer’s nicht überein. Er gibt fünf Primordien an, die erst getrennt angelegt, schließlich ineinander verschmelzen sollen. Da nun die Primordien auf Fig. 20 seiner Taf. I epipetal, auf Fig. 21 jedoch episepal stehen, so mag, da ja von den Primordien bei meinen Untersuchungen überhaupt nichts zu sehen war, wohl im ganzen ein Irrtum vorliegen. Übrigens geht aus meiner Fig. 1 deut- lich hervor, daß die ersten 15 Stamina ziemlich gleichzeitig angelegt werden, was aus ihrer ungefähr gleichen Größe leicht zu erschließen ist. Bei Payer indes entstünden nach seiner Fig. 21 die episepalen lange vor den anderen; auch schritte von ihnen aus die Entwicklung lateral und zentrifugal fort, was wiederum unrichtig ist. Zuletzt sei noch darauf hingewiesen, daß eine derartige Fülle von Staubblättern, wie sie Payer’s Fig. 23 zeigt und seine Fig. 21 schon vermuten läßt, auch bei den mir zur Verfügung stehenden ausgewachsenen Blüten bei weitem nicht nachzuweisen war. Es müßten nach Payer’s Zeichnungen 700 bis 800 Stamina vorhanden sein, was bei so kleinen Blüten, wie sie die Brathys-Arten besitzen, schon von vornherein unmöglich ist. Man Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 149 vergleiche beispielshalber die unten zu besprechende Lecythidacee Con- roupita, die wirklich eine Gesamtzahl von ungefähr 500 Stamina auf- weist. Hier ist aber die Knospe schon bei Anlage der ersten Glieder in ihrem Durchmesser gut so groß, als die fertige Brathysblüte. Neben polyandrischen Blüten, wie sie die eben geschilderte Art vertrat, enthält die Gattung Brathys innerhalb der Sektion Spachium auch stark reduzierte Formen, von denen Brathys Drumondii als Bei- spiel erwähnt sei (Fig. 2 und 3). Ebenso wie der Vegetationspunkt bei den oligandrischen Cistineen kegelförmige Gestalt annahm, gegenüber der kuchenförmigen, die er bei den polyandrischen Formen gezeigt hatte, so geht der Blütenboden auch bei den oligandrischen Brathys-Arten von der kuchenförmigen der polyandrischen Arten, in die kegelförmige Form über. An ihm entstehen nach Anlage der Kelch- und Biumenblätter in ziemlicher Höhe über den letzteren und ihnen supraponiert die ersten Staminalhöcker, unter ihnen je ein bis zwei weitere Anlagen. Wenn so die reduzierten Formen durch Unterdrückung der letzten Wirtel direkt sich von den polyandrischen ableiten, so ist damit die Entwicklungsmöglichkeit nicht erschöpft, vielmehr gibt es, wie einleitend erwähnt, einen zweiten Reduktionsmodus innerhalb der Familie der Hypericaceen, den der Abfelderung in sterile und fertile Partien des Blütenbodens, deren letztere seit Payer den Namen Primordien führen. Die Gattung Hypericum zeigt einen derartigen Entwieklungsgang. A. Pentagyne Arten. H. Iysimachioides und H. calyeinum (Fig. 5). Nach Anlage des nach zwei Fünftel entstehenden Kelches ist der Blütenboden halbkugelig gewölbt; auf ihm entstehen alternierend mit den Kelchblättern fünf Höcker, die im Laufe der Entwicklung schnell an Umfang zunehmen, während unter ihnen fünf weitere Erhebungen auftreten, die Anlagen der Petalen. Etwas später auf den ihnen supraponierten Höckern erscheinen die ersten Stamina, erst eines oben in derMitte, dann daran anschließend je eines links und rechts und alternierend damit zwei weitere eine Reihe tiefer, bis im weiteren Verlaufe der Entwicklung schließlich jedes Primordium mit Anlagen voll besetzt ist. Noch ehe dies vollendet ist, treten epi- sepal die fünf Fruchtblätter auf. Indem zuletzt die Insertionszone der Stamina der einzelnen Primordien etwas wächst, bilden sich die schon den noch nicht entwicklungsgeschichtlich arbeitenden Botanikern bekannten Adelphien. 150 Max Hirmer, B. Sektion Androsaemum. Der eben geschilderte Entwicklungsgang ist im wesentlichen der gleiche, bei Androsaemum officinale, nur daß die Karpiden hier in Drei- zahl angelegt werden. Dies leitet über zu den CO. trigynen Hypericum-Arten, von denen H. perforatum (Fig. 6) untersucht wurde. Nach Anlage des Kelches, die wie bei den vorgenannten Hypericum-Arten erfolgt, treten auf dem etwas über halbkugeligen Blütenvegetationspunkt drei Höcker auf, je einer über Sepalum 4 und 5, der dritte über dem Zwischen- raum zwischen Sepalum ! und 3. Der Vegetationspunkt hat jetzt die Form einer flachen oben abgestumpften dreiseitigen Pyramide mit sphärischen Flächen. Hierauf werden etwas tiefer die fünf Petalanlagen sichtbar, während gleichzeitig die drei Höcker entsprechend an Größe zunehmen, doch so, daß die vor Spalum 4 und 5 stehenden den dritten an Umfang ein gutes Stück übertreffen. Hierauf tritt überall auf jedem Primordium in der Mitte das erste Stamen in Erscheinung, dem sich die übrigen in der oben geschilderten Weise anschließen. Neben diesen Formen, bei welchen der sterile Sektor sich nicht weiter mehr an der Ausbildung der Blüte beteiligt, ist bei den Sektionen Elodes, Elodea, Triadenia und Adenotrias zwischen den Staminalgruppen ein Nektarium eingeschaltet. Wenn wir die Entwicklungsgeschichte von H. aegyptiacum und dem unten noch zu besprechenden H. Elodes be- trachten, s0 treten die Nektarienanlagen erst lange nach der der Stamina auf. Ob sie als Teile des Androeceums anzusehen sind oder nicht, ist nicht zu entscheiden. Wenn man sie unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, ist jedenfalls daran festzuhalten, daß sie nicht ein einzelnes Staminodium darstellen, sondern eine ganze sterile Partie des Blüten- bodens, dafür sprechen entschieden die zahlreichen Leitbündelrudimente (Fig. 9). Daß derartige Partien doch schließlich auf die Bildung nur eines einzigen Staminodiums rückgebildet werden können, dafür dürften die Gattungen Vismia, Psorospermum und Haronga sprechen, deren Entwicklungsgeschichte zu untersuchen allerdings nicht Gelegenheit ge- geben war. Wenden wir uns nochmals zu den trigynen Hyperieum-Arten, so liegt der Gedanke nahe, die zwei größeren der drei Staminalgrappen entsprächen jeweils je zweien der pentagynen Arten. Dies scheint in der Tat um so wahrscheinlicher, als erstens die Gruppe zwischen Se- palum 1 und 3 schon in der Anlage kleiner ist als die beiden Gruppen vor Sepalum 4 und 5, als ferner erstere genau über einem Petalum Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 151 steht, während die beiden anderen sich über deren je zwei hin erstrecken. Daß diese Größendifferenz nicht nur im ersten Entwicklungsstadium durch eine etwa nicht simultane Entstehung der drei Primordien zu erklären ist, sondern, daß sich ihre Doppelnatur auch im ausgewachsenen Zustand in der Zahl der auf den einzelnen Primordien plazierten Sta- mina ausdrückt, erhelit aus folgenden Durchschnittszahlen: K5B Ka Kıß Hypericum perforatum . . . . 22 23 16 ”„ aegyptiacum . . . . 18 18 10 » Elds . 2 2.2..05 4 3 Das zwischen den Gruppen vor Sepalum 4 und 5 auch kleinere Ungleichheiten herrschen können, entspricht der bei Agrimonia noch eingehender zu besprechenden ungleichmäßigen Ausbildung der ein- zelnen Blütensektoren; sie möge an Hypericum perforatum demon- striert sein: KA: 23, 22, 22, 21, 32, 19, 28, 24, Durchschnitt: 23 K 5: 22, 24, 16, 22, 22, 20, 23, 26, „ 22 K 1/3: 18, 19, 16, 12, 19, 13, 19, 16, ” 16 Wenn so schon der Vergleich der normalen Blüten und deren Entwicklung die Annahme einer Verschmelzung von je zwei Staminal- gruppen wahrscheinlich macht und ihre enge Beziehung zu den Karpiden deutlich hervortritt, so dienen folgende abnorme Fälle noch zu weiterem Beweis: 1. Androsaemum officinale, das bei drei Karpiden normal fünf Staminalgruppen besitzt, zeigte an im Spätherbst — Mitte Oktober — 1916 abgenommenen sehr jungen Blüten in zwei Fällen Verschmelzung je zweier Staminalgruppen, einmal vor Sepalum 4, das andere Mal vor Sepalum 5. Die anderen drei Gruppen waren jedesmal wie in gewöhn- lichen Fällen normal ausgebildet. 2. Umgekehrt zeigte eine junge Blüte von Hypericum aegyptiacum (Fig. 8) statt der gewöhnlichen Dreizahl der Karpiden deren vier, und zwar vor Sepalum 1, 3, 5, und zwischen Sepalum 2 und 4, und im Zusammenhange damit auch wieder Auseinanderweichen der Staminal- gruppe vor Sepalum 5 in zwei getrennte Partien, die dann wie bei den pentagynen Formen vor die zwischen Sepalum 2 und 5 und Sepalum 3 und 5 stehenden Petalen fielen, wobei folgende Zahlen in den einzelnen Gruppen vorhanden waren: KıB: 8 K 4:14, K 3/5: 8, K 25: 9. 152 Max Hirmer, Damit dürfte für die trigynen Hypericum-Arten eine tatsächliche Verschmelzung der ursprünglich fünf getrennten Abschnitte — natürlich nur phylogenetisch gedacht — erwiesen sein. Payer selbst hat einer solchen Deutung bereits zugeneigt, ohne sie jedoch klar auszusprechen oder zu beweisen, Eichler dagegen hat sie als unnötige Fiktion zurückgewiesen. Am Ende der zu betrachtenden Hypericaceenreihe sei end- lich noch Hypericum Elodes erwähnt (Fig. 7). Hier unterbleibt die Bildung von Primordien. Die wenigen Stamina treten auf, nach- dem sich der Blütenboden an den entsprechenden Stellen also vor Sepalum 1/3, 4 und 5 leicht gegen die Peripherie vorgewölbt hat, in- dem je einem mittleren Stamen sich links und rechts je eines anreiht, wozu schließlich nach außen zu vor Sepalum 4 und 5 je ein viertes entsteht. Gleichzeitig mit den letztgenannten Staminalanlagen tritt dann noch vor der dem Kelchblatt 4 benachbarten Hälfte von Sepalum 2 ein weiteres Staubblatt auf. Ob es als Rest eines epikarpiden Teiles des Androeceums, für dessen ursprüngliche Existenz ja auch die Nek- tarien sprechen, aufzufassen ist, oder ob dieses Stamen nur als Hin- weis der ursprünglich kräftigeren Entwicklung der Staminalgruppe, wie sie ja bei so vielen Hyperieum-Arten jetzt noch erhalten ist, angesehen werden muß, vermag ich nicht zu entscheiden. Im Verlaufe der hier gegebenen entwicklungsgeschichtlichen Schilderung wurde die Auffassung, deren Urheber Goebel ist, ver- treten, daß die Primordien die uns hier zum ersten Male begegneten, um in vielen noch zu betrachtenden Familien sich wieder einzu- finden, einem Reduktionsvorgang innerhalb der Blüte entsprechen. Die Fertilität, die noch bei Brathys den ganzen Blütenboden um- spannte, hat sich hier auf einzelne Sektoren beschränkt, die gegen- über den sterilen Partien im Wachstume gefördert sind. Payer, Eichler, Baillon und viele andere sehen indes in den Primordien die Primitivanlagen eines einzigen, sich mannigfach ver- zweigenden Staubblattes, wobei sie sich nicht darum kümmern, wie die Art der Verzweigung, die in den meisten Fällen nicht der von vegetativen Blättern entspricht, zu rechtfertigen und zu erklären wäre. Dieser Frage trat dann Hofmeister näher; auch er faßt derartig ent- stehende Staminalanlagen auf als zurückführbar auf zusammengesetzte Staubblätter. Der Umstand, daß dann aber die Teilblättchen, hier also die einzelnen Stamina, nicht nur wie sonst bei den Blättern an deren Rande entstehen, sondern auch über die ganze Bauchfläche sich Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 153 hinziehen, ist Hofmeister am Festhalten seiner Ansicht nicht hinder- lieh; vielmehr erklärt er unter Hinweis auf die Teilblättchen der Stamina composita von Hyperieum und anderen, „es beschränke sich die Einschaltung neuer Sprossungen in (über oder unter) die Licken gleichartiger zuvor gebildeter Sprossungen eben nicht allein auf Seiten- achsen und Blätter“. Es fragt sich jedoch, ob wir eine derartige Bildung, wie sie die Primordien darstellen, denn wirklich als homolog mit der Primitivanlage eines Stamens bezeichnen dürfen. Wenn in der ganzen Entwicklungsgeschichte der vegetativen Blätter schon kein Bei- spiel existiert, daß die Blattabschnitte auf der gesamten Bauchseite entstehen, wohl aber diese Verzweigungsart für als an Achsen statt- findend, charakteristisch ist, worauf schon Goebel hinwies, so ist dies ja durch Hofmeister, indem er den Fall eben als Beispiel für einen derartigen Verzweigungsmodus fixiert, scheinbar wiederlegt; daß er aber eben doch nur bei dieser Sorte idealistischer Staubblätter vor- kommt, diese Tatsache läßt sich auch mit der scheinbaren Erklärung Hofmeister’s nicht aus der Welt schaffen. Daneben fällt dann die Größe der Primordien gegen die Zurückführung auf eine einzige Organanlage sehr ins Gewicht. Wir werden später bei den Malva- ceen sehen, daß die Primitivanlagen der einzelnen Staubblätter, die sich dann ja wirklich noch in je zwei monothezische Hälften teilen, genau an Größe der einer normalen Staminalanlage entsprechen. Das ist aber nicht bei den Primordien von Hypericum und den übrigen der Fall. Vielmehr ist hier der Raum, den das Primordium unmittel- bar vor Anlage der ersten Stamina einnimmt, genau ebenso groß, als der Raum, den die Stamine beanspruchen würden, wenn sie nicht auf Primordien ihre Anlage fänden. Schließlich ist noch zu erwägen, daß die Art der Entstehung genau die gleiche ist, wie bei Brathys oder den Cistineen, nur mit dem Unterschied, daß sie statt dort ringsum gleichmäßig zu erfolgen, hier von fünf bzw. drei Mittelpunkten ausgeht. Was zuletzt die Auffassung Öelakovsky’s betrifft, so ist sie wieder wie bei den Cistineen rein phylogenetischer Natur. Die Primordien sind nach ihm ein Zeichen einer gegenüber Cistus noch mehr fort- geschrittenen Reduktionstendenz; diese setzt wieder statt der vielen Kreise nur deren einen, während die ursprünglichere Tendenz nach- träglich auf eine Vielzahl der Glieder hinarbeitet; diese aber sind im Gegensatz zu Cistus, wo sie noch gleichmäßig verteilt waren, hier bei Hypericum eben infolge der größeren Wirkungskraft der Jungen Tendenz bereits um die — natürlich nur gedachten — fünf Glieder des einen übrigbleibenden Kreises geschar. Wenn das Androeceum hier epi- 154 Max Hirmer, petal steht, während es doch mit den Petalen alternieren sollte, da es ja nur auf einen Kreis zurückzuführen ist, so wäre dieser Umstand durch einen episepalen Schwindekreis zu erklären, wie er sich ja bei Vismia und anderen jetzt noch findet. Mit ihm, als der Idee nach, auch bei Hyperieum noch vorhanden, sollten dann auch die epipetalen Staminalgruppen alternieren. Daß derartige Spekulationen vom phylogenetischen Standpunkte aus berechtigt sind, mag zugegeben werden; unsere tatsächliche Ein- sicht in die Gestaltungsvorgänge, die sich innerhalb des Vegetations- punktes abspielen, und die schließlich den uns jetzt zugänglichen Blütentyp liefern, fördern sie um keinen Schritt. Wenn man nach- weist, daß, während jetzt nur noch ein epipetaler Staminalkreis vor- handen ist, früher auch ein episepaler vorhanden war und jetzt sich noch bei verwandten Arten angedeutet findet, so ist damit noch nicht erklärt, warum sich gerade der epipetale erhalten hat, unseren land- läufigen Alternanzbegriffen entgegen; vielmehr fragt es sich, wie die Verhältnisse am Vegetationspunkt gestaltet sind, und ob etwa von hier aus auf den Grund der Erhaltung gerade z. B. eines epipetalen Staminalkreises geschlossen werden kann. Derartige Zusammenhänge zwischen Vegetationspunkt und Organ- gruppierung sind nun, gerade was unseren Fall betrifft, tatsächlich einzu- sehen: Entweder stehen nämlich die epipetalen Staminalanlagen so hoch über den Petalen, daß eine Beeinflussung von seiten der letzteren nicht zu er- warten ist; das ist z. B. bei Brathys Drummondii der Fall, woja dann in ab- steigender Reihe noch die Glieder des zweiten Kreises eingeschaltet werden. Oder aber, wir können das, was wir als sektoriale Aufteilung dies Blütenbodens innerhalb der vom Androecum beanspruchten Blüten- region kennen lernten, sich auch noch auf die Petalregion erstrecken sehen. Wenn nun tatsächlich, wie bei Hypericum die Primordien zeitlich vor den Petalen sichtbar werden, entgegen der Angabe Payer’s, der die allerersten Stadien wohl übersehen hat, so ist wohl schon da- durch der Gedanke nahegelegt, daß, da die Primordien nun doch als Partien des Blütenbodens, auf denen das Wachstum vorzugsweise statt- findet, anzusehen sind, sie auch noch die Petalen in sich einschließen. Dies wird durch die Gestalt des Vegetationspunktes noch wahrschein- lieher gemacht. Er ist bei den pentagynen Hypericaceen nach Anlage des Kelches eine fünfseitige oben abgestumpfte Pyramide mit spbärischen Flächen, bei den trigynen eine dreiseitige mit analoger Ausbildung. Die Flächen enthalten die Primordien und mit ihnen die Anlagen für Petslen und Staubblätter. Diese Ansicht findet dann noch eine Be- Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 155 stätigung in den Angaben Pfeffer’s, der die Petalen als dorsale Ab- schnitte der supraponierten Staminalbündel betrachtet. Wenn Eichler dies mit Hinweis auf die trigynen Hypericum-Arten unwahrscheinlich findet, so ist demgegenüber festzuhalten, daß hier ja je ein großes Primordium je zweien der pentagynen Arten entspricht, und daß der Annahme durchaus nichts im Wege steht, daß sie ihrer Doppelnatur gemäß basalwärts je zwei Petalen abgliedern, während sie im Staminalteil unter dem Einfluß der drei Karpiden gleichfalls an der Dreizahl festhalten. Schließlich sei noch auf die anatomischen Verhältnisse bei Hypericum eingegangen. Dabei ist derjenigen Staminalgruppen Erwähnung zu tun, die, wie z. B. bei Hypericum aegyptiacum bis hoch hinauf verwachsen sind; daß der hier sehr langgestreckte Phalangenträger auf Streckung der Staminalinsertionszone zurückzuführen ist, wurde schon hervorgehoben; dabei hat innerhalb des Trägers jedes Stamen sein eigenes Leitbündel, deren Gesamtheit sich erst unter dem Blütenboden in der noch zu schildernden Weise vereinigt. Aus der Selbständigkeit der einzelnen Leitbündel jedes Stamens innerhalb des Trägers ist deutlich zu ersehen, daß nach Anlage der einzelnen Stamina keines eine weitere Spaltung erfahren hat, wie das bei den einzelnen Malvaceen-Staubblättern der Fall ist, wo auch ihrer Entstehung gemäß von je zwei monothezischen Staubblättern noch vor Eingang in den Staminaltubus die Bündel in eins zusammengehen. Indes sei ausdrücklich betont, daß zur Beurteilung blütenmorpho- logischer Fragen nur dann anatomische Verhältnisse in Betracht gezogen werden dürfen, wenn sie sich auf Teile, die über dem Blütenboden sind, beziehen. Fusionen, die sich unterhalb desselben vollziehen, kommen für morphologische Deutungen nicht in Betracht. Das spricht sich deutlich im Strangverlauf der Hypericum-Arten aus, der nach van Tieghem bei Hypericum calyeinum folgendermaßen ge- staltet ist: fünf episepale Bündel, die nur den Kelch versorgen, zwischen ihnen fünf alternisepale; diese teilen sich in drei Stränge, deren mittlerer die Petalen innerviert, während die zwei seitlichen in die Staminalprimor- dien eingehen; hier geben sie einen weiteren Ast ab, der sich mit dem entsprechenden des nächsten Bündels vereint, um die Karpiden zu ver- sorgen. Wer hier die Konsequenzen aus der anatomischen Methode zieht, muß den Kelch als homolog mit der Summe der drei übrigen Blüten- elemente ansehen, wobei also je ein Petalum, eine Staminalgruppe und zwei Hälften zweier benachbarter Karpiden je ein Glied des zweiten Blütenkreises repräsentieren. Daß vor solchen Annahmen auch die hitzigsten Anhänger der anatomischen Methode zurückschrecken werden, ist wohl aber doch kaum zu bezweifeln. 156 Max Hirmer, Tiliaceen. (Taf. III) Indem wir mit Corchorus beginnen, stellen wir in entwieklungsgeschichtlicher Hinsicht die Ver- bindung her mit den beiden bisher betrachteten Familien, indem deren Anfangsglieder, Cistus und die polyandrischen Helianthemumarten einer- seits und andererseits die polyandrischen Brathys-Arten hinsichtlich des Androeceums sich im wesentlichen wie Corchorus verhalten. Nach Anlage von Kelch und Krone ist der Blütenboden von Corcho- rus torquipes (Fig. 1 und 2) flach aufgewölbt; nahe seinem Rande er- scheinen erst fünf episepale, dann fünf epipetale Stamina. Wo dann zwischen diesen zuerst wieder das tangentiale Wachstum des Blütenbodens einsetzt, da treten auch die ersten weiteren Stamina auf, schließlich weitere zehnzälige Quirle bildend, bis nach Anlage von ungefähr 50 Staubblättern die Entwicklung abgeschlossen ist, nachdem schon vor Auftreten der letzten Stamina die zwei Karpiden angelegt waren. Ähnlich verhält sich Corchorus capsularis (Fig. 3). Nur kommt es hier nach Bildung der ersten fünf episepalen und fünf epipetalen Stamina höchstens noch zur Anlage eines, meist jedoch nicht mehr vollzähligen zehngliedrigen Quirls. Die Karpiden werden zu zweimal fünfen an- gelegt, erst mit den fünf ersten Staubblättern alternierend, also epipetal, dann noch fünf weitere alternipetal. Bei der Betrachtung der Cistaceen und Hypericaceen ist zwischen der Zahl der Karpiden und der Anordnung der Stamina meist eine mehr oder minder enge Beziehung festgestellt worden; eine sehr enge bei den Angehörigen der trigynen Hyperieum-Gruppen, indem sofort mit einem Zahlenwechsel im Gynoeceum aueh ein solcher innerhalb des Androeceums auftrat, eine weniger ausgeprägte Be- ziehung bei den Cistaceen, wo die polyandrischen Helianthemum- Arten trotz der Dreizahl des Gynoeceums doch im wesentlichen gleiche Staminalanordnung innehielten wie die pentagynen Blüten von Cistus und wo sich von Cistus gelegentlich Blüten mit sechs Karpiden fanden, ohne daß im Androeceum sich eine entsprechende Änderung voll- zogen hätte. Immerhin war auch hier gegen Ende der Reihe bei Helianthemum salieifolium und den Lechea-Arten dennoch die Beziehung wieder eine deutliche, wie auch innerhalb der ganzen Reihe die Re- duktion der Karpidenzahl Hand in Hand ging mit der Verringerung der Staminalzahl. Dies scheint nun bei Corchorus gerade in das Gegenteil umgeschlagen zu sein, der geringen Karpidenzahl entspricht Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 157 eine hohe Staminalzahl und umgekehrt. Vielleicht liegt Korrelation zwischen Gynoeceum und Androeceum hier insoferne vor, als für beide eine bestimmte Baustoffmenge zur Verfügung steht, die im einen oder anderen Fall bald dem männlichen, bald dem weiblichen Teil der Blüte zur Verfügung steht, immer also zu einer entsprechenden Schwächung der einen der beiden Sporophylikategorien führen muß. Dies scheint um so naheliegender, wenn wir die Größe der ausgewachsenen Blüten ver- gleichen. Diese ist bei beiden untersuchten Corchorus-Arten nicht sehr verschieden, wenn schon die Blüten von Corehorus capsularis die kleineren sind; daß aber eine ansehnliche Verringerung der Blüten- größe innerhalb der Cistaceenreihe ausgehend von den großen Blüten von Cistus bis zu den kleinblütigen der oligandrischen Helianthlemum- und Lechea-Arten vorliegt, steht sicher außer Frage. So hätten wir also in einem Fall eine innerhalb einer ganzen Familie sich ständig steigernde Reduktion des gesamten, einer Blüte zur Verfügung stehenden Baumaterials, im anderen eine nur wechselnde Verteilung einer im wesentlichen gleich großen Baustoffmenge. Es ist noch einmal auf die Entwicklungsgeschichte kurz einzu- gehen, da in betreff derselben von Payer falsche Angaben vor- liegen, denen er übrigens keine Figuren als Beweis beifügt! Nach ihm würde sich der Blütenboden in fünf episepale Primordien aufteilen, auf welchen dann das D&doublement ohne besondere Regelmäßigkeit stattfinden soll. Abgesehen davon, daß die Primordienbildung nach den oben geschilderten Untersuchungen überhaupt nicht stattfindet, ist es auch sehon von vornherein unwahrscheinlich, daß die Anlage der einzelnen Stamina ohne Regelmäßigkeit erfolgt, so daß die ganzen An- gaben über Corchorus auf Unrichtigkeiten zu beruhen scheinen. Wie sich die polyandrischen Brathys-Arten zu Hypericum ver- halten, so Corchorus zu: . Sparmannia. Sparmannia africana (Fig. 4 und 5). Nach Anlage des Kelches und der Krone treten auf dem Blütenboden vier episepale Höcker auf, die durch vier epipetale Furchen voneinander getrennt sind um bald darauf selbst wieder durch vier weitere, weniger tiefe episepale Furchen in zwei Hälften geteilt zu werden, so daß vor Anlage der Staubblätter der Vege- tationspunkt in acht gleich große, leicht aufgewölbte Felder aufgeteilt ist. Auf ihnen entstehen dann in zentrifugaler Reihenfolge die einzelnen Stamina, erst je eines auf jedem Feld, dann links und rechts je ein zweites und drittes und damit alternierend drei weitere und so fort, 158 Max Hirmer, wobei die letzten Anlagen ganz allmählich von Staubblättern zu Staminodien übergehen. Die vier Fruchtblätter kommen über die vier episepalen Furchen zu liegen, während über den ersten epipetalen Furchen keine Organanlage erfolgt. Daneben wurden mehrfach Fälle beobachtet, wo an Stelle eines episepalen Fruchtblattes deren zwei auftraten, die dann über die Inter- stitien der Kelch- und Kronblätter zu liegen kamen, wobei dann auch jedesmal die Halbierung der davorstehenden Primordien unterblieb. Wenn im geschilderten Falle wieder ein ganzes Viertel des Blütenbodens fertil wird, so mag.dies wohl als Beweis angesehen werden, daß der Blütenboden zwar im allgemeinen und unter den gewöhnlichen Be- dingungen an bestimmten Stellen steril bleibt. Ändern sich diese Ver- hältnisse, so kann auch die Sterilität aufgehoben oder beschränkt werden. Nehmen wir im Normalfall, also bei vier Karpiden und acht sterilen Staminaltälern, an, daß eine bestimmte Menge von Baustoffen zur Ver- fügung steht, so wird im Spezialfall, sobald ein Plus von Baumaterial gegeben ist, was sich ja in unserem Fall in der gesteigerten Zahl der Karpiden ausdrückt, auch die Sterilität des Blütenbodens wieder aufgehoben werden können, was hier innerhalb eines Blütenviertels auch tatsächlich stattfindet. Die Anlage der einzelnen Stamina erfolgt dann in entsprechen- der Weise von einem Mittelpunkt aus. Erst ein Stamen episepal, je eines links und rechts anschließend und damit alternierend und supra- poniert weitere Teilkreise über die ganze Bauchfläche des Primordiums hinweg. \ Im Zusammenhang mit diesem Fall, der deutlich zeigt, wie gewöhnlich sterile Partien des Blütenbodens unter geeigneten Bedingungen wieder in fertile übergeführt werden können, mag erwähnt sein, daß Verfasser mehrfach umgekehrt versucht hat, im allgemeinen ringsum fertile Blütenböden teilweise in sterile überzuführen, so bei Oorchorus, Cistus und anderen. Jedoch ist: bei der außerordentlichen Kleinheit der Vegetationspunkte jeder Versuch mißlungen. Doch mag der Fall von Sparmannia, indem er ein Experiment der Natur selbst darstellt, genug beweisen, daß ein prinzipieller Unterschied zwischen fertilen und sterilen Abschnitten des Blütenbodens nicht besteht; ein solcher aber müßte bestehen, wenn die Primordien nicht fertile Sektoren des Blütenbodens, sondern, was die Anhänger der D&donblementstheorie behaupten, bereits Organanlagen darstellten. Übrigens mag der letzhin erwähnte Fall, in welchem die Kar- pidenzebl mehr als vier beträgt, die Verschiedenheit der oben ge- gebenen Schilderung und der Ergebnisse der Payer’schen Unter- Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 159 suchung erklären. Auch er findet zwar ursprünglich vier episepale Primordien, ohne dann aber von deren weiterer Teilung noch etwas zu erwähnen, noch ist auch aus den beigefügten Abbildungen etwas zu ent- nehmen. Dagegen ist bei ihm das Gynoeceum sechszählig, zwei mediane und vier diagonale Karpiden, wobei die letzteren dem oben erwähnten Ausnahmefall entsprechen würden. Daß aber die Staminalfeder, die nach Payer nur vier sind, sich ganz gleichmäßig verhalten sollten, gleich- gültig, ob ein Fruchtblatt über ihrer Mitte oder zwei links und rechts davon stünden, ist schon von vornherein unwahrscheinlich. Tilia. Die Zahl der Glieder im Androeceum dieser Gattung ist ziemlichen Schwankungen unterworfen, die durch Versuche im Sommer 1916 noch gesteigert wurden. Von den untersuchten Arten sind die dekapetalen mit ungefähr 45 Staubblättern die reichstentwickelten, wobei allerdings, wie schon der Name andeutet, die fünf erstangelegten Stamina petaloide Um- bildung erfahren haben. Tilia spectabilis (Fig. 6). Nach Anlage der alternisepalen Kron- blätter treten auf dem in der Mitte leicht eingesenkten Blütenboden fünf epipetale Höcker auf, die in ihrem basalen Teil allmählich inein- ander übergehen, nicht aber ringsum scharf abgesetzt sind, wie das Payer angibt. Noch vor Anlage des ersten Stamens sinken die Höcker ınitten stark ein, so daß jetzt nur noch eine fünfmal nach innen und ebenso oft nach außen geschwungene Schlangenlinie sich über dem halbkugelig gewölbten Blütenboden hinzieht, die vor den Sepalen mit dessen Rand zusammenfällt, während sie vor den Blumenblättern am meisten der Blütenmitte nahekommt. Von hier aus beginnt dann jeweils die Anlage der Stamina. Erst je eines genau epipetal, dann links und rechts je ein weiteres usf. und absteigend, bis vor den Sepalen die von links und rechts oben herkommenden Stamina all- mählich den letzten Platz auf dem fertilen Bande ausfüllen. Payer’s Fig. 16 bis 19 der Taf. IV entsprechen vollkommen der Wirklich- keit; wie er aber mit den scharfbegrenzten Primordien seiner Fig. 15 plötzlich die Verhältnisse der folgenden Figuren erreichen will, ist nicht abzusehen. Bei Tilia ulmifolia besteht das Androeceum gewöhnlich aus 30 Gliedern; davon befinden sich 5><5 auf dem mittwärts gerich- teten Bandteil, je eines genau vor den Sepalen. Diese letzteren sehr oft, und vereinzelt auch je eines von den untersten der je fünf anderen 160 Max Hirmer, Stamina völlig zu unterdrücken, oder auf staminodiale Stummel zu reduzie- ren ist durch Entblättern von Zweigen gelungen (Fig.7 rechts vor Pet. ). Die experimentellen und entwicklungsgeschichtlichen Ergebnisse, kurz zusammengefaßt, zeigen uns: Es sind keine scharf begrenzten Primordien vorhanden, vielmehr ist der fertile Teil des Blütenbodens ein ununterbrochenes, auf- und absteigendes Band. Rückbildung tritt am ehesten genau über den Kelch- und Biumenblättern auf: Dort dureh völligen Abort, hier durch petaloide Umbildung. Die auf alle Fälle fertilen Stellen fallen über die Interstitien zwischen Kelch- und Blumenblätter. Es erübrigt die Frage, wie und ob das für Tilia geschilderte Androeceum von dem für Corchorus geschilderten Verhältnissen ab- zuleiten und wie es überhaupt aufzufassen ist. Payer, Hofmeister, Eichler und andere sehen in «den epipetalen Gruppen fiederförmig sich verzweigende Staubblätter und in den genau episepalen Staub- blättern die Vertreter des episepalen Staminaikreises, die, wo sie in Mehrzahl vorhanden sind, gleichfalls auf D&doublement zurückzuführen seien. Auch Goebel ist in seiner vergleichenden Entwicklungs- geschichte 1883 noch in betreff der epipetalen Gruppen der gleichen Ansicht wie die obengenannten Autoren. Öelakovsky leitet die Verhältnisse bei Tilia von denen bei Sparmannia ab, was für ihn möglich ist, indem er sich nur auf die Untersuchungen Payers stützt und nur episepale Staminalgruppen annimmt; indem deren Glieder jeweils nach links und rechts auf den Rand rücken, entstehen so bald innen bald außen die bei Tilia bekannten sterilen Täler. Die Ableitung ist indes nicht annehmbar, da sie sich ja auf falsche Angaben stützt, ganz abgeselien davon, daß sie auch sonst schwer verständlich wäre; denn wo die bei Sparmannia fehlenden intraprimordialen Stamina, die besonders bei den dekapetalen Linden reichlich vertreten sind, her- kommen sollten, ist gar nicht abzusehen. Doch fragt es sich, ob nicht die Verhältnisse bei Tilia genau so wie die von Sparmannia vom Typ, wie ihn die polyandrischen Corchorus- Arten darstellen, sich ableiten lassen (Fig. 8). Stellen wir uns vor, daß der erste Reduktionsschritt in nächster Umgebung der Karpide erfolgt, so ist dies leicht zu verstehen, da die letzteren ja an und für sich Zentren der Baustoffansammlung darstellen und so leicht den Blütenbodenpartien unmittelbar vor sich Baustoffe entziehen können. Es bleiben dann fünf alternikarpide Staminalfelder mit zentrifugaler Staminalentwicklung, die unter sich noch dadurch, daß die epikarpiden Radien basalwärts noch fertil sind, durch einige Glieder verbunden sind. Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 161 Indem von dem bisher intakt gebliebenen alternikarpiden Staminal- gruppen die zuletzt angelegten Glieder abortieren, käme schließlich die für Tilia charakteristische Staminalordnung zustande. Diese Ableitung hat insoferne viele Wahrscheinlichkeit für sich, als sie mit der ersten Entwicklungsgeschichte übereinstimmt. Wir sehen dort, wie zuerst die- jenigen Partien des Blütenbodens im Wachstume hinter den übrigen zurückbleiben, die unmittelbar vor den später durch die Karpiden zu besetzenden Stellen liegen. Dieser Zeitpunkt entspricht unserem konstruierten Zwischenglied; hier wie dort sind die übrigen Teile des Blütenbodens noch fakultativ fertil. Im weiteren Verlauf der Entwick- lung wird dann auch der basale Teil der bisher noch im Wachstum geförderten Sektoren gehemmt. Die Organanlage bleibt auf das Schlangen- band beschränkt, jetziger Tiliatyp. Kehren wir nach diesen phylogenetischen Spekulationen wieder zu den reellen Tatsachen zurück, so ist schließlich noch der Leitbündel- verlauf bei Tilia zu erwähnen. Tilia spectabilis und ulmifolia. Von den Plazenten und den Kar- piden gehen 10 Bündel abwärts, um sich bald zu einem geschlossenen Ring zu vereinigen; an ihn schließen sich zunächst die Bündel der fünf obersten Staminalglieder an, während die der übrigen Stamina sich zu einem episepalen Bündel vereinigen, das jeweils von der einen Seite den Petalenstrang aufnimmt, um später auch noch mit dem Sepalen- bündel zu verschmelzen. Während die Petalleitbündel dabei gewöhnlich die gleiche Richtung innerhalb einer Blüte einhalten, fanden sich Exemplare, bei welchen ein Staminalbündel von links und rechts ein Petalbündel aufnahm, während das nächste dafür gar keines enthielt; gewiß ein deut- licher Beweis, wie nichtssagend die anatomischen Verhältnisse in mor- phologischer Hinsicht sind. Anders als der für Tilia speetabilis und ulmifolia eben mitgeteilte Leitbündelverlauf scheint nach den Angaben van Tieghens der von Tilia mierophylia sich zu verhalten: fünf alternisepale innere Bündel für die Staubblätter und fünf äußere episepale für das Perianth, die sich dreiteilend die Kelchblätter und die einander zugekehrten Hälften von je zwei Blumenblättern versorgen. Inwieweit die Angaben, die mit meinen Untersuchungsergebnissen an den obengenannten Tilia-Arten nicht übereinstimmen, der Wirklichkeit entsprechen, konnte nicht nach- geprüft werden, da von Tilia mierophylia kein Material zur Verfügung stand. Merkwürdig aber auf alle Fälle ist, wie van Tieghem seinen Befund zur Stütze seiner „anatomischen Methode“ benützen will. Es müßten ja hier ein Kelchblatt und die jeweils entsprechenden Hälften Flora, Bd. 110. u 162 Max Hirmer, zweier an das Kelchblatt anschließenden Blumenblätter je ein Glied eines Kelchkronblattquirls bilden! Bombaceae. (Taf. V, Fig. 5.) Bombax. Dem Tiliatyp entspricht im wesentlichen Bombax malabarica (Fig. 5). Auch hier zieht ein schlangenförmiges, bald ein- bald aus- wärts gewundenes Band über (den Blütenboden, nur mit dem Unter- schied, daß die inneren Kurven über den Sepalen zu liegen kommen und die Karpiden dementsprechend epipetal stehen. Die Stamina sind fast bis zur Insertionsstelle zweigeteilt, wobei die Teilhälften mono- thezische, jedoch sehr große hufeisenförmige Antheren tragen. Von den Staminalleitbündeln geht jeweils das allerinnerste in den Kreis der von den Karpiden- und Plazentensträngen gebildet wird, während die übrigen zu 10 in den Interstitien zwischen Kelch- und Blumenblättern verlaufenden Bündeln sich vereinigen. Die in den ausgewachsenen Blüten vorhandene hohe Staminalröhre, dürfte wohl ähnlich, wie bei den unten zu besprechenden Malvaceen durch nach Anlage der Stamina erfolgendes Wachstum des Staminalringes zu erklären sein. Die Ent- wieklungsgeschichte von Anfang an zu verfolgen, war wegen Mangels an Material nicht möglich. Malvaceae. (Taf. IV.) Malva. Malva silvestris (Fig. 4. Nach Anlage der Kelchblätter und vor Auftreten der Blumenblätter werden auf dem in seiner Mitte leicht eingesenkten Blütenboden über den Kelchblattinterstitien fünf leicht aufgewölbte Primordien sichtbar, die sehr bald darauf durch eine un- gefähr alternisepale Furche in zwei Hälften geteilt werden. Damit ist der Blütenboden abgefeldert in 10 erhabene Partien, auf denen später die Staminalanlage erfolgt und in iO tieferliegende schmälere Furchen. Dabei sind von den 10 fertilen Sektoren, die wir im folgen- den, da sie über den Interstitien zwischen Kelch- und Blumenblättern liegen, als die interradialen bezeichnen wollen, im Gegensatze zu den 10 genau über Kelch- und Kronblattmediane fallenden epiradialen, fünf im Wachstum gefördert. Auf ihnen erfolgt die Anlage der fünf ersten Stamina, während fünf weitere auf den fertilen Nachbar- sektoren zustehen kommen. Die übrigen noch folgenden Stamina ent- stehen dann in basipetaler Anlegungstfolge, oft um eines mehr auf den oben als gefördert bezeichneten interradialen Sektoren, wobei nach Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 163 Bildung von 25 bis 30 Gliedern die Anlage des Androeceums voll- endet. ist. Was die Entwicklungsgeschichte der pentandrischen Malva parvi- flora betrifft, so ist sie wie auch die von Malva silvestris und rotundi- folia bereits durch die Untersuchungen Goebels bekannt. Doch soll sie, auf eigene Arbeiten gestützt, wegen der mit dieser Art vor- genommenen Experimente kurz wiederholt werden. Primordienbildung findet hier nicht statt, vielmehr wölbt sich der ganze Rand des Blüten- bodens leicht auf, um dann an den Stellen, die bei Malva silvestris die geförderten Sektoren darstellen, fünf Stamina zu tragen; indem sie jedoch besonders gegen die episepalen Radien zu an Ausdehnung ge- winnen, ist ihre Stellung schließlich eine annähernd episepale (Fig. 6). Neben diesen beiden extremen Vertretern der Gattung Malva sei schließlich noch Malva crispa als Zwischenglied erwähnt, bei welcher gewöhn- lich auf allen 10 interradialen Sektoren je ein Stamen vorhanden ist. Angesichts der hiermit aufgestellten Formenreihe fragt es sich, was als die ursprünglichere Ausbildung gelten soll. Dabei ist die Antwort, daß die polyandrischen Arten den Ausgangspunkt der Reihe darstellen, bereits von Goebel gegeben worden. Als Stütze dient, daß es einerseits bei Malva cerispa ausnahmsweise Blüten gibt, welche weniger als 10 Staubblätter besitzen, wobei die verkümmerten Stamina den normalerweise später angelegten entsprechen, also den weniger bevorzugten der 10 interradialen Sektoren angehören, während bei Malva parviflora in manchen Fällen auch mehr als fünf Stamina ge- fanden wurden, indem auch die normal nicht reproduktiven interradialen Sektoren wieder zur Bildung von Organen schritten. Wenn schon durch die hiermit angeführten Mittelbildungen die Ableitung der Malva parviflora von polyandrischen Malven hinreichend gestützt ist, so kann sie durch folgende Beobachtungen und Experimente als bewiesen be- trachtet werden: 1. Bei Malva parviflora fanden sich an den Stellen, die den bei den übrigen Arten schwächeren Interradien entsprechen, in vielen Fällen Leitbündelrudimente (Fig. 5). 2. Entblätterte und außerdem noch durch Insektenfraß geschädigte Pflanzen von Malva rotundifolia, die normal ungefähr ebensoviel Staub- blätter als Malva silvestris besitzt, trugen Blüten, die neben Über- gangsformen zum Teil bis auf fünf Staubblätter, also wie bei Malva parviflora reduziert waren. 3. Während unterernährte Pflanzen von Malva parviflora in den ersten Blüten einer Infloreszenz bisweilen auch noch mehr als fünf, 11* 164 Max Hirmer, sogar bis 10 Staubblätter enthielten, um im allgemeinen jedoch die Fünfzahl aufzuweisen, ließen sich umgekehrt bei sehr kräftigen und guternährten Pflanzen fast durchwegs Blüten mit mehr als fünf, nicht selten sogar 10 Staubblättern finden. Dabei ist, was die Ausbildung der einzelnen Stamina betrifft, eine ununterbrochene Reihe aufzustellen, angefangen von normal sich in zwei monothezische Hälften teilenden Staubblättern bis zu solchen, die mit nur einem kleinen, wenige Pollenkörner enthaltenden Pollen- sack ausgestattet waren. Eine sehr häufige Übergangsform, die sowohl oft bei den nur pentandrischen als auch sonst bei stark polyandrischen Formen, hier aber bei den zuletzt angelegten Staubblättern vorkommt, ist, daß diese Staubblätter sich nicht mehr in zwei monothezische Teil- stücke (Fig. 82—c) spalten. Dabei können die Antheren normal- dithezisch oder nur monothezisch mit jedesmal doppelt so großen Pollen- säcken sein, wobei auch hier wieder Zwischenformen bestehen, indem der eine Pollensack durch steriles Gewebe wieder in zwei Hälften getrennt wird, die dann an Größe dem eines normalen Pollensackes einer mono- thezischen Staubblatthälfte entsprechen. Wenn die unter 1. bis 3. aufgeführten Tatsachen, die sich auf Unter- suchungen an mehr als 200 Blüten stützen, somit auch experimentell die Ableitung der Malvaceenblüten von polyandrischen als begründet erweisen, so ist diese Ansicht, wie oben erwähnt, ja bereits von Goebel vertreten worden. Es erübrigt indes, nochmals zurückzukommen auf die in der erwähnten Abhandlung von 1886 wiedergegebene Inter- pretation der Staminalgruppen, da sie nach persönlichen mündlichen Mitteilungen jetzt vom Antor nicht mehr vertreten wird. Goebel ging damals von den Verhältnissen bei Tilia aus. Die fünf Primordien entsprächen hier wie dort fünf Blattanlagen, die später auftretende epipetale Furche der Blattmediane. Wenn bei ein- zelnen Malvaceen die Furche die Primordien nicht in zwei gleiche Hälften teilt, so mochten assymmetrisch ausgebildete vegetative Blätter, wie z. B. die der Ulme ein Analogon abgeben. Doch liegt im ganzen kein Grund vor, die Primordien als Primitivanlagen von Blättern im einen oder im anderen Falle anzusehen. Dies im einzelnen nochmals zu begründen, mag unter Hinweis auf das, was bei den vorher be- sprochenen Familien und besonders bei Tilia in bezug auf die Primor- dien ausgeführt wurde, unterbleiben. Hier sei nur noch darauf auf- merksam gemacht, daß sowohl im Falle von Tilia, als bei den Malva- ceen ein Punkt wesentlich gegen die Annahme der verzweigten Staub- blätter spricht: daß die Verzweigung schon auf dem Blütenboden selbst Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 165 erfolgen müßte, während sie in vegetativen Fällen doch erst vor sich geht, nachdem das sich verzweigende Blatt bereits mit seinen Rändern sich frei über seine Abstammungsachse erhoben hat. Damit kehren wir zur Entwicklungsgeschichte der noch zu be- sprechenden Malvaceen zurück. Entspricht bei den bisher besprochenen Malva-Arten die das Androeceum liefernde Ringzone in ihrer ursprüng- lichen Breite nur der einer einzigen Staminalanlage (Fig. 4), so daß bei zentrifugal erfolgender Aniage der Staminalglieder fast gleichzeitig auch erst der Raum für sie geschaffen werden muß, so ist bei den folgenden Gattungen schon vor Anlage der Stamina der Platz für mehrere Anlagen hintereinander vorhanden. Gossypium. Gossypium herbaceum (Fig. 1). Vor Anlage der einzelnen Stamina teilen den breiten Staminalgürtel fünf episepale und fünf weitere epipetale Furchen in 10 flach aufgewölbte Felder; durch vor den Kelch- blättern kräftig einsetzendes Tangentialwachstum rücken später die fer- tilen Partien jeweils über den Sepalen weiter auseinander als über den Kronblättern. Gleichzeitig werden in basipetaler Reihenfolge die einzelnen Stamina angelegt, je fünf bis sieben auf jedem der 10 Felder. Bei einer Blüte (Fig. 2) ist es gelungen, Staubblattbildung auch auf den in der Regel sterilen epiradialen Tälern zu finden; dabei stehen die Anlagen da, wo verhältnismäßig der meiste freie Raum zur Ver- fügung ist: basalwärts in den episepalen und breiteren Zwischen- räumen. Hibiseus. Hibiseus trionum mit je zwei und drei Staubblattanlagen auf jedem Sektor steht in seiner Entwicklung wieder Formen, wie Malva silvestris, sehr nalle; was auch aus den Angaben Schroeter’s für Hibiscus vesicarius der Fall zu sein scheint. Während nach Payer die mehr polyandrischen Hibiscus syriacus und illieifolius mit der fast horizontal erfolgenden Staubblattanlegung auf breitem Staminalgürtel den Ver- hältnissen bei Gossypium entsprechen. Goethea. Daß indes die von vornherein breitere Ausbildung des Staminal- ringes nicht in direkter Beziehung mit gesteigerter Polyandrie steht, zeigt, einesteils die von Goebel untersuchte Althaea rosea, wo trotz ursprünglich schmalen Staminalgürtels sehr viele Stamina gebildet werden, anderenteils die Urenee Goethea strictiflora (Fig. 3), wo bei einer 166 Max Hirmer, Staminalzahl von je zwei und drei Staubblättern über jeden Sektor doch von vornherein ein breiter Staminalwall vorhanden ist. Diese Verhältnisse, wie sie Gossypium und Goethea bilden, sind besonders instruktiv zur Widerlegung der Ansichten derjenigen, die, wie z. B. Schroeter, das Malvaceen-Androeceum zurückführen auf kollaterales und seriales D&doublement der epipetalen Anlagen. Es ist diese Annahme bereits von Goebel unter Hinweis auf die Ver- hältnisse bei Althaea rosea abgewiesen worden, indem an der Hand von Längsschnitten gezeigt wurde, daß die Anlage des obersten Stamens an Größe nur einen Bruchteil der übrigen Staubblätter ausmacht, während, wenn das D&doublement serial verliefe, erst zwei annähernd gleich große Anlagen entstehen müßten, von denen sich dann die unteren durch horizontale Furchen weiterspalteten. Daß dem sicher nicht so ist, zeigen neben dem oben aufgeführten Fall ohne weiteres deutlich auch die Verhältnisse bei Gossypium und Goethea. Der breite Staminalwall bietet auf seinen 10 leicht aufgewölbten Feldern schon bei Anlage der ersten Stamina Raum für mehrere Glieder hintereinander. Noch ist die Leitbündelanordnung zu erwähnen, weil auch sie wieder eine Stütze der Dedoublementstheorie sein sollte Es sollen sich nämlich die epipetalen Anlagen derartig kollateral gespalten haben, daß sich die Bündelhälften noch jeweils vor einem Petalum ihre Holz- teile zukehren, die eben nur durch die Spaltung auseinandergerückt seien. Das erste trifft nun tatsächlich zu, der gefolgerte Schluß jedoch beruht auf einer ungenauen Beobachtung, Wie der in Fig. 7 ab- gebildete schematische Querschnitt durch den Staminaltubus von Lavatera zeigt, stehen die Stamina eines Interradius, ihrer zentrifugalen Ent- stehung gemäß sämtlich hintereinander, doch so, daß die von ihnen gebildeten Reihen mit den Blütenradien ungefähr einen Winkel von 45° bilden. Das ist auf das vor den Sepalen kräftig einsetzende Wachstum zurückzuführen. Da die Holz- und Siebteilgrenze jedes Bündels senkrecht zu den Blütenradien steht, so muß bei tangentialer Verschiebung der einzelnen Stamina jeweils der Siebteil des oberen jedesmal seitlich vom Holzteil des nächst unteren Bündels zu stehen konmen, so daß tatsächlich von zwei Reihen jedesmal Holz- und Sieb- teil einander zugekehrt, bzw. abgewandt erscheinen. Wenn somit für die Annahme weder kollateralen und serialen D&doublements nach den Ansichten Eiehler’s und Schroeter’s noch für Zurückführung auf zusammengesetzte Staubblätter im Sinne Hof- meister’s irgendwelche positiven Beleggründe vorhanden sind, sondern aus den Untersuchungen hervorgeht, daß die Anlage jedes einzelnen Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 167 Stamens auch bei den Malvaceen vom Blütenboden selbst aus selbständig erfolgt, so fragt es sich bei den vielen gemeinschaftlicken Merkmalen, die die Columniferengruppe so eng verbinden, ob nicht auch für das Malvaceen-Androeceum irgendwelche nahe Beziehungen zu den Androe- ceen sonstiger Columniferen zu finden sind. Dabei kann von den Verhältnissen bei Tilia ausgegangen werden, Es ist bei Besprechung dieser Gattung bereits erwähnt worden, daß vom Androeceum diejenigen Glieder am leichtesten zu Abort neigen, die genau in den epipetalen und episepalen Radien stehen. Für die ersteren wurde die Behauptung mit Hinweis auf die petaloiden Staminodien der dekapetalen Linden zu begründen versucht, für die letzteren experimentell an Tilia ulmifolia erwiesen. Was im Androeceum von Tilia sich bis zuletzt fertil erhält, sind die 10 interradialen Sektoren, die wir auch bei den Malva- eeen als die normal einzig fertilen Sektoren wieder finden. Wenn gelegentlich dazwischenliegende Partien fertil werden, wie bei Gos- sypium, ist nur neuerdings bewiesen, daß, was wir als Primordien an- sprechen, nur im allgemeinen geförderte Partien des Blütenbodens dar- stellen, daß aber Furchen und Primordien homologe Dinge sind: Sek- toren des Blütenbodens. Dabei komnıen auch unter den Sektoren, die wir als in der Regel fertil bezeichnen, bereits Verschiedenheiten in der Förderung des Wachs- tums vor. Das beweisen bei den Malvaceen diejenigen Fälle, in welchen durch Vergrößerung von fünf Sektoren auf Kosten von fünf anderen, die Staminalreihen von ihrer ursprünglich interradialen Stellung weg- verschoben sind, wobei die größeren Felder das erste und meist auch um ein Stamen mehr produzieren, während umgekehrt das bei einigen Arten nur beschränkt wachsende Feld bei anderen (vgl. Malva parviflora und experimentell! reduzierte Malva rotundifolia) bis zur vollkommenen Sterilität herabgedrückt werden kann. Stereuliaceae. (Taf. V, Fig. 1-4.) In Hinsicht auf die Ausbildung des Androeceums ist die größte Reichhaltigkeit innerhalb der Gruppen der Buettnerieen und Dombeyeen vorhanden. Wir beginnen mit der Betrachtung der ersteren, weil sich von hier aus die diagrammatischen Verhältnisse fast aller übrigen Unterfamilien und deren Gattungen ableiten lassen. Buettnerieae. Theobroma Cacao (Fig. 2). Nach Anlage der Kelch- und Blumen- blätter werden auf dem flachhalbkugelig gewölbten Vegetationspunkt 168 Max Hirmer, fünf epipetale Primordien sichtbar, während auf dem zwischen ihnen tieferliegenden übrigen Teil des Blütenbodens episepal die Anlage eines später zum Staminodium auswachsenden Organes auftritt. Dabei sind die Primordien, die im weiteren Verlaufe der Entwicklung je zwei Stamina tragen, von Anfang an doppelt so groß als die Staminodien- anlage. Man hat die Primordien, der Ansicht Baillon’s folgend, der Theobroma als erster untersucht hat, wieder als später d&doublierende Organanlage aufgefaßt, ohne dabei im mindesten zu berücksichtigen, daß genau wie in allen übrigen Fällen, das Primordium von Anfang an mit einem Umfange in die Erscheinung tritt, der gleich ist der Summe der später zu liefernden einzelnen Staminalanlagen. Es hätte gerade hier dieses Moment um so mehr in die Augen springen müssen, als innerhalb der Blüte von Theobroma das Staminodium, eben weil es nur ein Phyllom von Anfang an darstellt, auch nur halbe Größe des zwei Phyllome produzierenden Primordiums besitzt, und weil inner- halb derselben Unterfamilie bei Rulingia und Buettneria, das „nicht dedoublierende“ epipetale Stamen bei.seiner ersten Anlage gleichfalls nur die halbe Größe des Theobroma-Primordiums besitzt, während bei der Dombeyee Astrapaea Wallichii (Fig. 4), wo das Primordium fünf Stamina produziert, es auch gleich hei der ersten Anlage fünfmal so groß ist, als die Höcker, die im Zwischenraum zwischen den Primor- dien zum Staminodium sich ausbilden. Was die übrigen Buettnerieen betrifft, so beginnt die Reihe hier wohl mit Androeceen, die, wie das von Glossostemon, Gruppen von je fünf bis sechs Staubblättern besitzen. Auch bei Theobroma sollen nach Baillon statt nur zweizählige bisweilen drei- bis vierzählige Staminal- gruppen vorkommen; während umgekehrt bei Rulingia und Buettneria (Fig. 1) die Gruppen auf ein Glied reduziert sind; dabei stehen überall die fünf Karpiden alternierend mit den später angelegten fünf Staminodien. Hermannieae und Helictereae. Ähnlich wie die letzteren Gattungen verhalten sich die Hermannieen, nur daß bei Hermannia auch noch die Staminodienbildung unterbleibt, während bei den Helictereen die Reihe mit dreigliedrigen Staminal- gruppen — Pterospermum — beginnt, um bei Helicteres wieder ein- gliedrig zu sein. In entwicklungsgeschichtlicher Hinsicht bieten die genannten Gruppen wenig Bemerkenswertes. Was die Supraposition von Petal- und Staminalgruppen betrifft, so sei auf die mannigfachen Erklärungen der Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 169 einzelnen Autoren hier nicht eingegangen, zumal sie, wie z. B. die von Gelakovsky auf ungenügende Kenntnis der Entwieklungsgeschichte aufgebaut sind. Vielleicht aber liegen hier ähnliche Verhältnisse vor, wie sie Goebel in seiner Abhandlung über gepaarte Blattanlagen innerhalb verschiedener Verwandtschaftskreise nachwies. Andererseits wurde ja auch bei Hypericum darauf hingewiesen, daß Petal- und Staminalanlagen aus einer gemeinsamen Partie des Vegetationspunktes hervorgehen. Zurückzuführen dürften beide Verhältnisse sein auf eine gemeinsame Baustoffansammlung unterhalb der die Petalen und Stamina liefernden Sektoren des Blütenbodens. Denn daß innerhalb der Blüten schon vor Auftreten der einzelnen Organanlagen die Baumaterialien, aus denen sie hervorgehen, wenigstens schon zum Teil vorhanden sind, hat der genannte Autor ja an Blütenständen von Filago nachgewiesen. Was unseren Fall betrifft, so wäre zwischen Hypericum und den ein- schlägigen Stereuliaceen der Unterschied nur der, daß die Baustoff- ansammlung, die unter dem Blütenboden sich vollzieht und Petal- und Staminalgruppen liefert, bei den Hypericaceen schon in der Anlage der für Blumenblätter und Staminalgruppen gemeinsamen Primordien sich ausdrückt, während sie bei den Stereuliaceen erst nach Anlage der einzelnen Organe nur in deren Supraposition sich zeigt. Dombeyeae. Daß innerhalb der Stereuliaceen die fertilen Staminalgruppen indes nicht immer über die Petalen zu liegen kommen, beweist Astrapaea Wallichi. Nach Anlage des Kelches und der Petalen ist der Blütenboden halbkugelig gewölbt, vor den Kelchblättern aber jeweils in der gleichen Drehungsrichtung gegen die Petalen ver- schoben, wölben sich dann fünf große kreisföormige Primordien auf, während in den Tälern zwischen ihnen ganz gegen die Blütenmitte zu, die Anlagen von fünf sich später petaloid entwickelnden Staminodien erscheinen. Weitere Staminalanlagen treten dann noch nahe der Primordien, aber gleichfalls in den Tälern, meist auf der einen Seite der Primordien auf, ohne daß sie jedoch auch nicht ab und zu auf beiden Seiten (Fig. 4 vor Sep. @) stehen könnten, was wohl das ur- sprüngliche Verhältnis darstellt. Auf den Primordien entstehen je fünf Stamina, erst zwei gegen die Blütenmitte zu, darunter wieder zwei und schließlich noch eines. Im weiteren Verlaufe der Entwicklung schließen sich die Primordien- Stamina, die davon seitlich stehenden fertilen und auch die Staminodien 170 Max Hirmer, zu einer unten kurz verwachsenen Röhre zusammen. Wenn hier also ohne Unterschied sich alle zusammenschließen, so fragt es sich, wie denn ihre verschiedene Entstehungsart aufzufassen ist. Dabei ist es nun wieder das nächstliegende, die Primordien als nur bevorzugte Partien des Blüten- bodens zu betrachten. Daß daneben auch die Täler imstande sind, Organe hervorzubringen, offenbart und ergibt sich aus der Anlage des jeweils sechsten und siebenten Stamens und der Staminodien. Daß aber an den Partien des Blütenbodens, die sich hier als tieferliegende Stellen zeigen, gegenüber den Primordien eine Reduktionstendenz herrscht, das spricht sich in folgendem aus: erstens die Täler bleiben gegenüber den Primordien im Wachstume zurück, zweitens, sie produzieren weniger Organe als die Primordien, drittens, auch diese sind bereits im Schwinden begriffen, was sich darin zeigt, daß die einen stets staminodial ausgebildet sind, während von den Fertilen meist nur noch auf der einen Seite der Primordien eines steht, die aber schließlich bei den von mir unter- suchten Blüten hier und da auch ganz ausfallen können (Fig. 4 vor Sep. 5), während sie in den Blüten, die Baillon zur Untersuchung vorlagen, überhaupt nicht vorhanden waren, da er hierüber nichts angibt. Was schließlich die Verschiebung der Primordien seitlich vor die Sepalen betrifft, so ist sie dadurch zustande gekommen, daß von den zwei links und rechts von einem Primordium stehenden Staubblättern, die in kräftig entwickelten Sektoren noch vorhanden sind, meist. je eines durch zu schwache Ausbildung des entsprechenden Sektoren- flügels nicht mehr angelegt wird, und so durch die kräftigere Aus- bildung des anderen das Primordium verschoben erscheint. Im Falle einer beiderseitigen Unterdrückung kommen dann genau wie bei Aus- bildung von je einem linken und rechten Stamen die Primordien wieder genau episepal zu stehen (Fig. 4 vor Sep. « und 3). Von diesem letzterwähnten Falle ausgehend, ist dann die Brücke mit den übrigen Stereuliaceen hergestellt, nur das bei ihnen, wie oben ausgeführt, die fertilen Staminalanlagen epipetal stehen. Indem sich auch innerhalb der Dombeyeen die gleiche Reduktion der fertilen Staminalglieder vollzieht, finden wir eine Parallelreihe zu der oben für die Buettnerieen und Hermannieen aufgestellten: bei Dombeya Brucii und Pentapetes ist nämlich nach Eichler die Zahl der fertilen Stamina innerhalb einer Gruppe nur noch drei, bei verschiedenen Melhanja- Arten ist sie schon auf 2—1 Stamen erniedrigt, bis bei Melhania tomentosa, wie auch oben bei Hermannia, auch noch die Staminodien unterdrückt werden. ” w Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 171 Loasacene. (Taf. VI und VIL) Loaseae. Den bei den Malvaceen aufgefundenen Verhältnissen ent- sprechen, worauf auch Celakovsky hingewiesen hat, auch die der Loaseen. Das wesentliche ist wieder die Abfelderung des Blütenbodens in 10 fertile Interradien und 10 sterile Epiradien. Doch sind trotz völlig gleichen Endresultates der Gestaltung, die entwicklungsgeschicht- liehen Anfangsstadien innerhalb verschiedener Gattungen nicht genau übereinstimmend und durch mehrere Autoren so mannigfach gedeutet worden, daß es, bevor auf allgemein leitende Gesichtspunkte weiter eingegangen werden kann, erst notwendig ist, die Entwicklungsgeschichte der einzelnen Gattungen zu betrachten. Loasa. Loasa triphylla (Fig. 1, 2 und 6) sei als erste untersucht, weil hier die Verhältnisse besonders klar und übersichtlich gestaltet sind. Auf dem flachgewölbten, in der Mitte leicht eingesenkten Blütenboden treten episepal fünf Furchen auf, denen fünf weitere epipetale folgen. Damit ist der Staminalteil des Blütenbodens in 10 breitere und leicht auf- gewölbte Interradien und 10 schmale leicht eingesunkene Epiradien aufgeteilt. Jetzt erst erfolgt die Anlage der einzelnen Glieder des Androeceums; «dabei erscheinen als die ersten 10 Anlagen, die der inneren Staminodien, jeweils auf der den Sepalradien zugekehrten Seite der interradialen Sektoren. Anschließend daran wird auf jedem Sektor ein Stamen angelegt, dem sich dann mehrmals je zwei weitere basalwärts fortschreitend anschließen, während gegen die Sepalradien zu nochmals je eine Anlage erfolgt, zu welcher dann genau episepal eine dritte sich gesellt, die zusammen zu den bei den Loaseen bekannten dreizähnigen staminodialen Schuppen verschmelzen. Blumenbachia. Blumenbachia Hieronymi (Fig. 4, 5, 7 und 8) bietet im wesent- lichen gleiche Verhältnisse. Wieder erst fünf episepale Furchen, denen fünf epipetale folgen und den Blütenboden wie bei Loasa in 10 fertile Felder teilen. Gleich wie bei Loasa erfolgt auch die Anlage der zu Staminodien auswachsenden Gebilde. Wenn aber bei Loasa triphylia die 10 Interradien ganz gleiehmäßig entwickelt waren, so sind bei Blumenbachia je fünf davon im Wachstume gegenüber den anderen gehemmt. Betrachtet man handpräparierte Blütenvegetationspunkte von Blumenbachia, so drückt sich diese Ungleichheit jeweils zweier von 172 Max Hirmer, episepalen Staminodien eingefaßter Sektoren schon dadurch aus, daß sieh das erste Stamen des Plussektors vor das erste des Minussektors schiebt, wodurch die keilförmige Anordnung der fertilen Stamina zu- stande kommt gegenüber der rechteckigen bei Loasa triphylla; ver- gleicht man dann noch Mikrotomschnitte, so drückt sich die Förderung des einen Sektors noch um so deutlicher aus, weil hier die genaue Abgrenzung der zwei interradialen Partien besonders augenfällig ist. Übrigens scheinen derartige Fälle einer ungleichseitigen Aus- bildung von zwei benachbarten Sektoren auch bei anderen Arten von Loasa vorzukonmen, wie sich aus Goebel’s Figuren und Angaben über Loasa tricolor ergibt, während Loasa vulcanica sich bald wie Loasa triphylia, bald wie Blumenbachia und Loasa tricolor verhält. Cajophora. Betrachten wir den bisher festgestellten Entwicklungsgang, so mag es auffallen, daß die 10 zuerst angelegten Glieder des Androeceums schließlich nicht zu fertilen Staubblättern, sondern nur staminodial aus- gebildet werden. Ein derartiger Vorgang ist zu begreifen, wenn wir annehmen, daß von den schon im allgemeinen geförderten Inderradien erst die episepal gewandten Flügel im Wachstume gefördert sind, während dann später das Verhältnis sich zugunsten der epipetal ge- wandten Flügel umkehrt. Das scheint nun tatsächlich auch bei Cajo- phora lateritia (Fig. 3) der Fall zu sein. Hier wird nämlich, indem die Staminodien sämtlich zuerst auftreten, jedesmal durch die Anlage der inneren Staminodien die ganze Fläche der fertilen Interradien bis auf ein kleines für die erste Staubblattanlage reserviertes Stück auf- gebraucht und erst, nachdem jetzt petalwärts kräftiges Wachstum eintritt, werden die Existenzbedingungen für die fertilen Staubblätter geschaffen. Umgekehrt liegen dann die Verhältnisse bei Loasa tricolor. Hier würden nach Goebel die epipetalwärts gewandten Flügel von vornherein die geförderten sein, indem schon vor Anlage der Staminodien die ersten Staubblätter entstehen; so daß sich also inner- halb der Linie Cajophora — Blumenbachia und Loasa triphylla — Loasa tricolor verfolgen läßt, wie die ursprüngliche Förderung episepaler Partien sowohl innerhalb der Entwicklung einer Art (vgl. Cajophora), als innerhalb der Reihe einer ganzen Unterfamilie mehr und mehr zu- gunsten der epipetalen Partien gehemmt wird. Um jedoch zu Cajophora zurückzukehren, so ist der weitere Ver- lauf der Entwicklungsgeschichte bei gleichmäßiger Förderung der (0 Interradien der gleiche, als bei Loasa triphylla. Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 173 Was indes bei denen, die in den Primordien nicht nur geförderte Partien des Blütenbodens, sondern bereits die Primitivanlage eines dedoublierenden Organes sahen, zu vielen Hypothesen Anlaß gegeben hat, ist, daß bei Cajophora die erste Furche nicht episepal, wie bei Loasa und Blumenbachia, sondern epipetal verläuft. Dabei war, wenn ınan in einem Fall D&doublement des epipetalen, im anderen Falle des episepalen Primordiums annahm, dennoch jedesmal das Endergebnis der Entwicklung das gleiche. Racine hat angesichts dieser Verhältnisse zu dem Ausweg gegriffen, zwei Staminalkreise anzunehmen, wobei er mit Beziehung auf Loasa sagt, es würden sich die fertilen Stamina als ein einheitliches Primor- dium zeigen, zwischen welchen in den Tälern nachher die Staminodien entstünden, bei Cajophora dagegen würden die Primordien die sterilen Anlagen liefern, während die fertilen Staubblätter zwischen den Primor- dien hervorwachsen sollen. Daß derartige Erklärungen nur Machen- schaften sind, um einer vorgefaßten Theorie auf die Beine zu helfen, liegt auf der Hand. Hier sei nochmals ausdrücklich festgestellt, daß mit Ausnahme der fünf episepalen Staminodien alle übrigen Glieder des Androeceums auf den 10 interradialen Feldern, die jedesmal der Hälfte eines ursprünglichen Primordiums entsprechen, angelegt werden. Wenn sich Racine im weiteren noch gegen Goebel’s angebliche mechanische Erklärung der Blütengestaltung wendet, indem er zeigen will, daß entgegen den überall gleichen Raumverhältnissen bald der eine, bald der andere Staminalkreis zuerst auftritt, so hätte er aus der Ab- handlung Goebel’s, gegen die er sich wenden will, zum mindesten soviel entnehmen müssen, daß der kritisierte Autor in den Primordien ja überhaupt nieht Glieder eines Kreises sieht, sondern nur im Waehs- tum bevorzugte Stellen des Blütenbodens, wobei sich das Verhältnis der Förderung im Laufe der Entwicklung wohl wieder verschieben oder aufheben kann. Was schließlich betrifft, daß die Gestaltung des Blütenbodens mit der Anlage und Vielzahl der Glieder nicht in Ver- bindung stehen soll, so ist aus Payer’s, Goebel’s und auch Racine’s Figuren deutlich zu sehen, daß vor den Petalen, wo auch die Mehr- zahl der Anlagen steht, der Blütenboden größere radiale Ausdehnung besitzt, als vor den Sepalen. Daß die Vielzahl von Organen allein durch Blütenbodenverhältnisse rein mechanisch bedingt ist, soll damit nieht behauptet werden; nur daß Förderung oder Hemmung von Sektoren gleichzeitig im Wachstume des Blütenbodens und in der Vielzahl der gelieferten Organe Ausdruck findet, liegt auf der Hand. 174 Max Hirmer, Was die noch zu besprechenden Loaseen-Gattungen Klaprothia und Selerothrix betrifft, so ist auch hier die Trennung in fertile Interradien und sterile Epiradien eine deutliche. Dabei liefert bei Sclerothrix jeder Inter- radius je ein bis zwei fertile Stamina neben einem zuletzt angelegten Staminodium, während Klapprothia neben einem episepalen Staminodiun etwas mehr interradiale Anlagen aufweist. Der Leitbündelverlauf wurde an Loasa triphylla untersucht. Es vereinigen sich die Stränge, die von je zwei interradialen Staminal- gruppen kommen, mit dem des mittleren episepalen Staminodiums zu einem gemeinsamen episepalen Hauptbündel, in welches etwas tiefer das mediane Kelchleitbündel einmündet. Das zweite und epipetale Leitungsgewebe besteht aus den von der Korolle kommenden Leitungs- bahnen, denen sich auch jemals die seitlichen je zweier benachbarter Kelchblätter anschließen. Bevor wir uns mit der Betrachtung der zweiten Unterfamilie, der Mentzelioideen, einen neuen Entwicklungstyp, nämlich dem der Rosa- ceen zuwenden, mag es angebracht sein, kurz zusammenzufassen, was die bisher betrachteten Familien Gemeinsames boten. Bei einer bei allen Gattungen stets zentrifugalen Anlegungsfolge des Androeceums bieten Formen den Ausgangspunkt der Betrachtung, bei welchen die Staminalanlage ringsum gleichmäßig am Blütenboden erfolgt (polyandrische Cistaceen, Brathys, Corchorus), Davon können sich ableiten: einesteils, indem sich die Fertilität des Vegetationspunktes zwar ringsum gleichmäßig erhält, jedoch im ganzen zugunsten der bei polyandrischen Formen zuerst angelegten Glieder gemindert wird, Formen, wie sie die oligandrischen Cistaceen und Brathys-Arten darstellen. Daneben ist eine zweite Art der Reduktion sehr häufig: Die der Beschränkung der Staminalanlage auf einige geförderte Partien des Vegetationspunktes; diese können dabei entweder fast den ganzen Blütenboden einnehmen und nur schmale sterile Streifen zwischen sich freilassen (Sparmannia Hyperieum), oder die Reduktion ist weiter fortgeschritten und hemmt neben der Bildung mehr oder minder stark besetzter Primordien an- sehnliche Teile des Blütenbodens, Diese letzteren können dann im weiteren Verlauf der Entwicklung auch noch zur Bildung von Stami- nodien oder leicht abortierenden Stamina schreiten (Sterculiaceen, Loa- seen). Oder sie bleiben normal ganz steril (Malvaceen). Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 175 Bezüglich des nunmehr zu betrachtenden Rosaceentyps, so ist schon einleitend erwähnt worden, daß sich hier wie beim Papaveraeeentyp die Staminalanlage zentripetal vollzieht. Was uns aber zum Cistineentyp überleitet, ist, daß sich auch hier das embryonale Gewebe nicht in ter- minaler Lage befindet, sondern bei becherförmiger Austiefung des Vege- tationspunktes als interkalarer Gürtel unterhalb der Keleh- und Kron- blätter liegt, im Gegensatz zu den Cistineen, wo er oberhalb des Perianth zu liegen kommt. Mentzelioiden. Die mehrfach untersuchte Entwicklungsgeschichte dieser Gruppe zeigt für Mentzelia concatti folgendes Bild: Auf dem trichterförmigen Blütenboden treten nach Anlage der Kelch- und Blumenblätter fünf episepale Stamina auf, während vor die Petalen je ein bis drei weitere zu stehen kommen. Mit diesen obersten Staubblättern alterniert ein gleichzähliger, tiefer im Innern des Trichters stehender Kreis, dem sich noch weitere anschließen, während schon lange vor Anlage der letzten Stamina die drei Karpiden angelegt werden; dabei ist klar, daß je tiefer im Trichterinneren die einzelnen Stamina angelegt werden, um so ge- ringer der Umfang der sie enthaltenden Ringe wird, so daß, da die Gliederzahl sich nicht vermindert, Größe und Durchmesser der obersten und der tiefer stehenden Stamina erheblich verschieden sind. Das erhellt aus folgenden Zahlen: Stamen des äußersten Ringes Länge 18 mm, Durchmesser 1 mm » „ mittleren „ »„ 3 ” 0,47 „ ” 9» inneren » 10 „ "080. Myrtaceae. (Taf. VIEL) Ringsum gleichmäßige Ausbildung des Androeceums liegt nach den Angaben Payers bei Punica und Euealyptus vor. Daneben kommen innerhalb der Familie mehr und mehr reduzierte Formen vor. Myrtus. Myrtus communis (Fig. 4). Nach Anlage des Kelches wölben sich vom Rande über dem trichterförmig vertieften Blütenboden fünf alterni- sepale halbkugelige Partien vor, die einige Zeit später nach oben und außen die Petalen abgliedern, während sie in ihrem unteren Teil die ersten Stamina tragen. Diese stehen zu je zweien dem Rande der Blumenblätter genähert. Zwischen ihnen werden noch ein bis zwei weitere Stamina angelegt; damit alternieren tieferstehend weitere, bis im 176 Max Hirmer, endlichen Verlauf der Eutwicklung die Staminalanlage auch auf die zwischen den Primordien gelegenen Partien übergreift, so daß schließlich der ganze Trichterrand ringsum gleichmäßig von Staubblättern besetzt ist. Zugleich verliert sich auch die anfangs starke Hervorwölbung der Primordien, entgegen den Zeichnungen Payer's, wo die Primordien bis zuletzt scharf umgrenzt sind und auf ihnen allein die Stamina stehen sollen. Callistemon. Callistemon salignus (1—8). Auch hier entstehen die Petalen wieder aus oberen und äußeren Abschnitten der stark vorgewölbten Primordien. Die Staminalanlage erfolgt mit je zwei Staubblättern von der Primordienmitte aus; ihnen schließen sich links und rechts je eines an, während tiefer drei weitere alternierend folgen. Schließlich können sich auch zwischen den Primordien noch ein bis zwei Anlagen einschieben. Mit dem weiteren Wachstum der Knospe tritt auch bei Callistemon die Primordienaufwölbung durch starkes Tangentialwachstum des gesamten Blütengürtels zurück, wobei sich die später entstandenen Stamina so in die mittlerweile gebildeten Lücken der ersten einschieben, daß in ausgewachsenen Blüten nur ein einziger Staubblattkreis vorhanden zu sein scheint. Die Anlage der Karpiden erfolgt hier wie bei Myrtus vor Erscheinen der letzten Stamina. Formen, wie die beiden hier beschriebenen Arten, bei denen das Auftreten der Stamina erst auf die Primordien beschränkt, später doch auch auf die zwischenliegenden Partien übergreift, leiten von Punica und Euealyptus zu solchen Fällen über, wo nur noch auf den Primordien die nicht mehr zahlreichen Stamina angelegt werden. Sie sind aber auch ein neuerlicher Beweis, daß die Primordien nur geförderte Blütenboden- partien darstellen und daß sich im Laufe der Entwicklung diese Förderung zugunsten der übrigen Partien wieder aufheben kann. Würden dagegen ‚die auf den Primordien gebildeten Staubblätter nur Teile eines sich spaltenden Phylloms sein, so wäre, abgesehen davon, daß die Abgrenzung dieser und der übrigen Stamina schwer abzusehen wäre, auch die ganze Entwicklungsgeschichte unverständlich. Melaleuca. Melaleuca mieromera (Fig. 5). Die ersten Stadien sind die- selben, wie bei den vorgenannten Arten. Von den Staubblättern wird das erste genau über den Petalen, die weiteren daran und darunter an- schließend angelegt. Dabei können die einzelnen Stamina je eines Primor- diums mehr oıer minder hoch miteinander verwachsen. Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 177 Interessant. ist wegen seines oft recht verschiedenen Anschlusses der Verlauf der einzelnen Staminalbündel (Fig. 6). Während im allgemeinen die Bündel der einzelnen Stamina einer Gruppe nach Eintritt in den Blüten- gürtel sich miteinander und dem Petalenleitbündel vereinigen, kommen Fälle vor, wo entweder die einzelnen Bündel nach Eintritt in den Blüten- boden, noch längere Strecken getrennt verlaufen, wobei schließlich dann wenigstens eines noch mit dem Kelchleitbündel verschmilzt; in anderen Fällen vereinigt sich ein Teil der Bündel untereinander, während eines der gleichen Gruppe mit dem Petalenstrang verschmilzt; kurz, die mannig- fachsten Kombinationen und Unregelmäßigkeiten sprechen deutlich und ein- dringlich gegen die Konstruktion irgendwelcher Beziehungen zwischen morphologischen Verhältnissen und Gefäßbündelverkauf. Ganz das gleiche zeigen die Leitbündelverhältnisse bei Oalotbamnus Schaueri. Auch hier ein regelloses Verschmelzen bald der einzelnen Staminalbündel unter sich allein, bald ganz oder einzeln mit den der Koroll- und Kelchstränge. Daß aber innerhalb der langen Phalangen- träger keinerlei Fusionen vorkommen, sondern jedes Stammen sein eigenes Bündel hat, zeigt wieder wie bei Hypericum aegyptiacum und der noch zu erwähnenden Tristania conferta, daß nach der ersten Anlage der Stamina — und nach dieser hat ja erst: das die Phalangen bildende Wachstum der Insertionszone eingesetzt — keine Spaltung stattgefunden hat. Im übrigen die Entwicklungsgeschichte von Calothamnus und Tristania zu untersuchen, ist nicht möglich gewesen. Sie dürfte sich indes von der von Callistemon nicht wesentlich unterscheiden, nur daß auch bei der polyandrischen Tristania die Stamina auf den Primordien allein stehen werden, um dann durch Streckung der Insertionszone in der bekannten Weise emporgehoben zu werden. Leeythidaceae. (Taf. IX.) Anschließend an die Myrtaceen sei noch diese Familie besprochen, obwohl sie hinsichtlich ihrer Entwicklung dem Cistineentyp zuzurechnen ist. Couroupita. Couroupita guianensis, Bei Anlage des wie die ganze Blüte sechszähligen Kelches tritt erst das vordere mediane Sepalum auf, dem sich links und rechts zwei transversale anschließen, während gleichzeitig das hintere mediane angelegt wird und zuletzt sich noch die beiden hinteren transversalen einfügen. Von den dann auftretenden Blumen- blättern entstehen zuerst die beiden vorderen, dann die zwei hinteren, bis schließlich zuletzt die beiden transversalen angelegt werden. (rleich- Flora, Bd. 130. 12 178 " Max Hirmer, zeitig wölbt sich der Blütenboden zu einem ansehnlich breiten Staminal- ring auf, während noch vor Anlage der einzelnen Stamina die sechs Karpiden erscheinen. Zentrifugal erfolgt vom inneren Rand des Staminal- walles aus die Anlage des Androeceums, ohne Beziehung zum Perianth mit ungefähr 30 bis 40 Gliedern im innersten Ring, während gegen die Peripherie die Gliederzahl noch weiter beträchtlich steigt. Noch ehe der Staminalwall mit Anlagen voll besetzt ist, gewinnt der vor Sepalum 1 liegende Sektor gegen die Peripherie zu weiter an Umfang; während sich der übrige Teil des Staminalwalles noch ganz mit Staubblättern bedeckt, wölbt sich die Zuwachszone vor Sepalum 1 leicht auf, um nun gleichfalls in zentrifugaler Entstehungsfolge Staubblattanlagen zu erzeugen. Indem sie im Laufe der Entwicklung interkalar emporwächst, liefert sie schließlich die bekannte helmartige Staubblattgruppe. Diese, in ihren einzelnen Gliedern miteinander verwachsen, zeigt wieder deutlich, wie mannigfach einesteils ursprünglich ganz gleich angelegte Organe (die Staubblätter des Ringes und der Helmgruppe) im weiteren Entwick- lungsverlauf zu den verschiedensten Gruppen zusammentreten können, anderenteils wie von der Gruppenbildung in der fertigen Blüte kein Schluß auf die gemeinsame Abstammung oder nähere Zusammengehörig- keit von Organen gezogen werden darf. Rosaceae. (Taf. X.) Die Entwicklungsgeschichte und die Stellung der Staubblätter sind bei dieser Familie durch die Arbeiten zahlreicher Autoren: Payer, Hofmeister, Goebel, Eichler, Dickson, so bekannt, daß im folgen- den nur das Ergebnis experimenteller Untersuchungen an Agrimonia angeführt werden sollen. Gehen wir von den reichsten Formen aus, wie sie Blüten kräftig entwickelter Pflanzen von Agrimonia odorata (Fig. 1) zeigen, so schließen sich neben die fünf erst angelegten episepalen Stamina je links und rechts ein weiteres an, zwischen die sich nicht selten rein epipetal ein drittes einschieben kann. Weiter innen stehen sowohl vor den Petalen ein bis zwei alternierende Staubblätter, während wieder rein episepal ein weiteres Stamen sich findet. Indem nun die beiden epipetalen Stamina, wie sie sich außer bei Agrimonia auch sonst häufig bei den Rosaceen finden, von Eichler als auf D&doublement zurückführbar angesehen wurden, während Diekson die ganzen episepalen Gruppen hier als auch bei anderen Rosaceen als verzweigte Staubblätter gedeutet hat, so ist, trotzem schon Goebel - Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 179 und Hofmeister gegen eine derartige Auffassung aufgetreten waren, doch wünschenswert gewesen, durch experimentelle Untersuchungen nachzuweisen, daß innerhalb der Rosaceen gleichfalls Formen mit reichem Androeceum als plylogenetisch ursprünglich aufzufassen sind. Mustern wir die übrigen Agrimonia-Arten durch, so weist Agri- monia Eupatoria (Fig. 3) eine im Vergleich zu Agrimonia odorata ent- schieden ärmere Ausbildung des Androeceums auf. Meist treten neben den ersten episepalen Staubblättern nur noch links und rechts je eine Anlage auf, ohne jedoch in der Regel in allen Sektoren ausgebildet zu sein, während Agrimonia leucantha (Fig. 2) eine Zwischenform zwischen den beiden Arten vorstelit, indem in der Regei noch die inneren epi- sepalen Stamina entwickelt sind. Zwischen diesen drei stufenweise ärmer werdenden Arten ließen sich nun Übergänge dadurch finden, daß Blüten von weniger kräftigen und schlecht ernährten Pflanzen einer reicheren Art jeweils den Blüten einer kräftig wachsenden und gutgenährten, aber im allgemeinen ärmeren Art, entsprachen. Blüten von Agrimonia leucantha, die im Spätherbste abgenommen waren, und solchen des Sommers gegenüber bereits als arm gelten konnten, deckten sich hinsichtlich der Ausbildung des Androe- ceums mit Blüten, die von kräftig genährten Agrinonia Eupatoria- Pflanzen eingesammelt wurden. Dazu fanden sich bei Agrimonia leucantha in den erwähnten Herbstblüten mehrfach Staminodien ver- schiedener Ausbildung, was gleichfalls auf eine Minusbewegung der Blütenbildung, nicht aber auf Rückkehr zur Stammform schließen läßt. Bei Agrimonia Eupatoria ist ferner dureh Entblättern die Staminal- zahl noch weiter unter den Durchschnitt gebracht worden, so daß von den beiden epipetalen Staubblättern sektorenweise entweder gar keines mehr, oder doch nur in Einzahl angelegt wurde; dabei blieb die interradiale Stellung desselben erhalten, was zeigt, daß bei Anlage von zwei epipetalen Staubblättern, wie sie normal erfolgt, nicht von einer Spaltung einer ursprünglich einfachen Anlage die Rede sein kann, sonst müßte sie ja bei einfacher Ausbildung auch die Normalstellung wieder einnehmen, Dagegen wurde an Stelle der fehlenden Anlage sehr oft eine leichte Aufwölbung des Blütenbodens beobachtet, was schließen läßt auf die ersten, die Staminalbildung einleitenden Zellteilungen, die aber im weiteren Verlaufe der Entwicklung nicht weiter zur Ausbildung gelangten. Schließtich wurden an einer schon äußerlich recht reduzierten auf Sand wachsenden Agrimonia Eupatoria noch Blüten mit nur fünf, den sonst zuerst angelegten episepalen Staubblättern gefunden (Fig. 4). 127 180 Max Hirmer, Wenn diese hiermit wiedergegebenen Verhältnisse im allgemeinen. die Blüten als ganzes betreffen, so ist schon hingewiesen worden, daß sich auch innerhalb der Blüten jeweils über len episepalen Sektoren die gleichen Verhältnisse wiederholen, so daß die aufgestellte Reduktions- reihe als eine dreifache bezeichnet werden kann: Innerhalb der Gattung, innerhalb der einzelnen Art, in Hinsicht auf ihre Plus- und Minus- ausbildung und schließlich noch innerhalb der einzelnen Blüte hin- sichtlich der Plus- und Minusausbildung der einzelnen Sektoren. Mit diesem letzten Punkt kommen wir auf eine Tatsache, die innerhalb der Morphologie auch der radiären Blüten von Wichtigkeit ist, nämlich die, daß sich der Strom bildnerischer Kräfte innerhalb der Bläte nicht gleichmäßig, sondern über einzelne Sektoren und auch hier wieder oft mit verschiedener Intensität verteilt. Betrachtet man Dia- gramme, wie sie die beigefügte Tafel in Fig.5—8 enthält, so ergibt sich, daß von den fünf Sektoren einer Blüte einige eine reichere Ausbildung erfahren haben, als die übrigen. Dabei bilden die dargestellten Ver- hältnisse nicht etwa selten auftretende Fälle, sondern sie stellen die Regel dar, innerhalb der 300—400 untersuchten Blüten der drei oben- genannten Agrimonia-Arten. Was die genaueren Verhältnisse betrifft, so sind sie folgender- maßen aufzufassen: Von den 10 Sektoren, in welche die Agrimonia- Blüten zerlegt werden können und die zur Hälfte episepal und zur Hälfte epipetal stehen, sind die ersteren mit einen: mittleren, je einem links und rechts anschließenden äußeren und oft noch einem mittleren inneren Stamen entschieden die geförderten, während die epipetalen Sektoren mit nur ein bis zwei Staminalgliedern, als in einer Minus- bewegung begriffen, anzusehen sind. Das drückt sich darin aus, daß sie nur noch bei schon im all- gemeinen reich ausgestatteten Blüten Stamina produzieren, und auch dann diese bereits zu Staminodien reduziert sein können, während in nur mittelmäßig entwickelten Blüten die Organbildung über den epi- petalen Sektoren ganz unterbleibt. Unter dem gleichen Gesichtspunkt ist auch die Tatsache zu bringen, daß Fälle von Meiomerie (Fig. 10—12) sich innerhalb der epipetalen Sektoren vollziehen, während Pleiomerie (Fig. 9) innerhalb der episepalen Radien stattfindet. Das schließt natürlich nicht aus, daß sich innerhalb ein und derselben Blüte Minustendenzen auch sehon über den Sepalen bemerkbar machen, während die epipetalen noch nicht so tief erfaßt worden sind, daß es zu ihrer völligen Unterdrückung gekommen wäre; wie sich auch innerhalb ein und derselben Blüte een 1 Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 181 Kompensationstendenzen geltend machen können, indem unter Schwund eines epipetalen Sektors ein episepaler zur Pleiomerie (Fig. 13) schreitet. Die hier vertretene Auffassung ist bereits von Murbeck in einer 1914 veröffentlichten Arbeit: „Über die Baumechanik bei Änderungen im Zahlenverhältnisse der Blüte“ zur Aussprache gelangt, wobei Murbeck sich freilich die bei Pleiomerie entstandenen Organe als aus Spaltung entstanden denkt. Für eine derartige Auffassung liegt indes kein Beweis vor. Vielmehr ist es schon von vornherein nicht wahrscheinlich, daß die Spaltung eines Organes den primären Vorgang bedeutet und die entsprechende Vergrößerung des Blütenbodens nur die Folge davon darstellt. Hingegen wird, wenn irgendeinem Sektor eine größere als die normale Baustoffmenge zugeführt wird, zunächst dieser Überschuß im tangentialen Wachstum des betreffenden Blütensektors seinen Aus- druck finden. Daß dabei aber mit Vergrößerung des Sektors, die möglicherweise bis zur Verdoppelung führen kann, auch die für den neugeschaffenen Sektor charakteristischen Organe angelegt werden, er- hellt ohne weiteres aus den Tatsachen, die bei den gepaarten Blatt- anlagen festgestellt wurden. Übergangsbildungen, wie sie dabei oft vorkommen, sind nicht beweisend für eine Organspaltung als solche. Sie sind nur ein Zeichen dafür, daß infolge eines anfänglichen Materialüberschusses bereits die Tendenz vorhanden war, einen Sektor mehr zu bilden, daß aber im weiteren Verlaufe der Entwicklung doch nicht genügend Baumaterial nachgeschoben wurde, um zwei völlig ausgebildete Sektoren entwickeln zu lassen. Wenn Murbeck aus Verschmelzungen von Kelch- und Blumen- blättern, die er oft fand und die Verfasser auch bei den Agrimonia- blüten wieder feststellte, abermals einen Beweis für seine Spaltungs- theorie sieht, so sind Fälle dieser Art nicht anders aufzufassen, als die eben besprochenen Übergangsbildungen von Organen ein und der- selben Kategorie. Schließlich ist neben Betonung der Selbständigkeit der einzelnen Sektoren doch wohl auch noch eine tangential wirkende Rhythmik inner- halb der Blüten anzunehmen. Denn anders wäre es schwer einzusehen, warum, sobald statt eines sepaloiden Sektors, deren zwei angelegt. werden, auch der petaloide Sektor auftritt. Mimosaceae. (Taf. XL) Die Familie stelit hinsichtlich ihrer Entwicklungsgeschichte den Übergang dar zwischen dem Rosaceentyp einerseits und andererseits dem 182 Max Hirmer, der Papaveraceen. Der Blütenboden ist nicht mehr trichterförmig ein- getieft, und die Organanlage erfolgt in rein akropetaler Reihenfolge und endet mit Auftreten der Karpiden. Was aber die Familie eng mit dem Rosaceentyp verknüpft, ist die Art der Staminalgruppierung; hier wie dort schreitet sie nach Auftreten der ersten episepalen Staubblätter links und rechts petalwärts in gleicher Höhe fort, um erst in zweiter Linie die Glieder der inneren Reihe folgen zu lassen. Albizzia. Gehen wir bei der Einzelbetrachtung von den polyandrischen Ingeen und Acacieen aus, so bietet Albizzia lophantha (Fig. 1) unter den unter- suchten Formen das reichste Androeceum. Zwischen den zuerst an- gelegten fünf episepalen Staubblättern befindet sich epipetal ein weiter Zwischenraum, der sich bald, indem von dem erstangelegten Stamen die Entwicklung gegen die Petalenmitte zu fortschreitet, jeweils mit 5—6 An- lagen besetzt; damit alterniert ein zweiter Kreis, während sich ein dritter, vierter und fünfter noch weiter entsprechen anschließt, bis zuletzt mit Auftreten des medianen Karpides die Entwicklung abschließt. Calliandra. Calliandra tetragona (Fig. 2 und 3). Wieder ist das erste Stamen das episepale, an das sich links und rechts je ein weiteres anschließt, während ein drittes oder selten zwei rein epipetal in dem noch verfüg- baren Zwischenraum eingefügt werden. In zweiter Reihe folgt wieder episepal ein Stamen, während vor den Petalen 2--3 Anlagen mit den äußeren 3—4 Staubblättern alternieren. Inden nochmals episepal und epipetal je 5—10 weitere Glieder angelegt werden, gelangt die Ent- wieklung mit Auftreten des Karpides zum Abschluß, Acacia. Ebenso verläuft die Entwicklung bei Acacia paradoxa (Fig. 4), während nach Rohrbach Acaeia oxycedrus bei größerem Reichtum des Androeceums wieder den Verhältnissen bei Albizzia entspricht, indem die Glieder des zweiten Kreises mit sämtlichen der ersten alternieren, nicht wie bei Calliandra, zum Teil wieder superponiert und episepal stehen. Neben derartig polyandrischen Formen enthält die Familie in ihren übrigen Untergruppen noch diplo- und haplostemone Formen, ohne daß diese durch irgendwelche Übergänge mit den polyandrischen verbunden werden. Entwicklungsgeschichtlich bieten sie wenig Interessantes, nur ri Beiträge zur Morphologie der’ polyandrischen Blüten. 183 darauf mag hingewiesen werden, daß während die Stamina hier, wie bei den polyandrischen Mimosaceen gleichgroß angelegt werden, der zur Ver- fügung stehende Blütenbodenraum erheblich kleiner ist. Mimosa, Das wird olıne weiteres aus den beigefügten Figuren von Anfangs- stadien der Entwicklungsgeschichte von Mimosa pudica (Fig. 5) und den mit gleicher Vergrößerung gezeichneten von Albizzia und Acacia erhellen. Neptunia. Bei der diplostemonen Neptunia oleracea werden die Staminal- glieder der „sexuellen“ und der „neutralen“ Blüten in gleicher Weise angelegt, wie auch die fertigen Gebilde innerhalb der Grenzzone durch alle Übergänge miteinander verbunden sind. Papaveraceae. Hinsichtlich des Androeceums dieser Familie stehen sich wie hin- sichtlich des Androeceums sämtlicher polyandrischen Blüten wieder die beiden Auffassungen gegenüber: Die eine, welche die Vielzahl als die Ursprüngliche, die andere, welche sie als auf Dedoublement beruhend, ansieht. Über die Gründe, welche die zahlreichen Forscher zur Stütze der Dedoublementstheorie und in betreff der Verwandtschaftsverhält- nisse innerhalb der ganzen Reihe der Rhoeadales vorbringen, im einzelnen zu referieren, liegt nicht im Rahmen dieser Arbeit, auch würde damit oft Wiederholtes nur nochmals wiederholt werden. Indem in dieser Hinsicht auf Einleitung und Schluß der Murbeck’schen Arbeit verwiesen werden muß, kann es hier nur darauf ankommen, entsprechend der bei der Untersuchung der vielen Familien, welche polyandrische Blüten enthalten, gewonnenen Einsicht auf allgemeine Gesichtspunkte hinzuweisen. Wer den Dödoublementsgedanken unbedingt verfechten will, wie es in letzterer Zeit Murbeck noch einmal versucht hat, wird, wenn er auf die Eintwicklungsgeschichte keinen Wert legt, immer darin eine Stütze seiner Anschauung finden, daß er bei Blüten, die wie jene von Chelidonium und Eschscholtzia und anderen Papaveraceen je 12 Staubblattreihen aufweisen, je drei ungefähr vor die Petalen fallende zusammenfassen und als durch Spaltung in tangentialer und serialer Richtung aus einem Organ entstanden, wird annehmen können. Dabei müßte das D&doublement natürlich kongenital sein. Abgesehen von einer derartigen zahlenmäßigen Berechnung und Zusammenfassung wird allerdings keine Stütze zu erbringen sein, und 184 Max Hirmer, selbst diese wird da hinfällig, wo, wie in Blüten von Roemeria hybrida (Murbeck, Taf. XII, Fig. 1—8) und Papaver somniferum (Tat. VII, Fig. 3, 5 und 6) später angelegte Stamina genau im Zwischenraum zwischen den Petalen stehen. Wenn Murbeck sie als Flankenbildung des äußeren dedoublierenden Staubblattes ansieht, und diese Ansicht unter Hinweis auf den Gefäßbündelverlauf zu stützen sucht, so ist dieser Grund natürlich nicht stichbaltig; wenn nur vier epiradiale, zwei mediane und zwei transversale Hauptgefäßbündel im ganzen für das Androeceum zur Verfügung stehen, ist klar, daß sich auch interradial stehende Glieder dem transversalen oder medianen Gefäßbündel an- schließen müssen, wie iiberhaupt, wie aus den zahlreichen aufgeführten Beispielen inbetreff des Strangverlaufes hervorgeht, aus den Leit- bündelverbältnissen keine morphologischen Schlußfolgerungen gezogen werden können. Wenn Murbeck bezüglich der serialen Spaltung sich auf Fälle bezieht, in denen ein Glied eines äußeren Kreises mit einem eines nächst tieferstehenden verwachsen ist, und dies als Zeichen für Spaltung ansieht, da er annimmt, daß nur Glieder ein und derselben Kategorie ineinander verschmelzen können, so ist dies eine willkürliche Auffassung; derartige Fälle gehören unter dem gleichen Gesichtspunkt betrachtet, wie diejenigen, die bei Agrimonia Verwachsungen von Kelch- und Kron- blättern zeigten. Sie sprechen nur davon, daß an der betreffenden Stelle des Blütenbodens zwar ursprünglich Material vorhanden war, um die Anlage für zwei Organe einzuleiten, daß aber später nicht genug Bau- stoffe nachgeschoben wurden, um den Blütenboden weiterhin soweit an Umfang zunehmen zu lassen, daß die beiden Organe frei über- einander sich hätten ausbilden können. Hungerkulturen, die im Sommer 1916 von Papaver somniferum gezogen wurden, lieferten im allgemeinen die gleichen Resultate, wie sie Murbeck erhielt. Was sich bis zuletzt erhält, sind jeweils die zuerst angelegten Stamina, deren Zahl sich sogar bis auf die der aller- ersten vier beschränken kann. Würden derartig veringerte Androeceen dem ursprünglichen Papaveraceentyp entsprechen, was schon durch die in den Reduktionsformen zahlreich auftretenden Staminodien recht unwahrscheinlich gemacht ist, so müßten sie entsprechend der Stellung der angeblich dödoublierenden vier Stamina in die Mediane und Trans- versale zu stehen kommen, während sie in Wirklichkeit, wie bereits oben erwähnt, die Stelle der in polyandrischen Papaverblüten zuerst angelegten Stamina einnehmen, also annähernd diagonal stehen. Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 185 Allgemeiner Teil. Nachdem im bisherigen die Entwicklungsgeschichte von 12 Familien, ungefähr 40 Gattungen und über 50 Arten gegeben wurde, erübrigt es, die bei diesen Untersuchungen geförderten allgemeinen Tatsachen kurz zusaınmenzufassen. Vegetationspunkt, Es handelt sich, wie bereits einleitend darauf hingewiesen wurde, um drei Typen: 1. Die Organanlage erfolgt wie beim vegetativen Sproß rein akro- petal (Papaveraceen, Mimosaceen). 2. Die Anlage des Androeceums erfolgt auf einer interkalar ein- geschobenen Meristemzone, die bald bei trichterförmig vertieftem Blüten- boden unter das Perianth zu liegen kommt, wobei die Staminalglieder zentripetal angelegt werden (Rosaceen, Myrtaceen, Mentzelioideen), oder 3. über dem Perianth liegt und die Staubblätter in zentrifugaler Reihenfolge entstehen läßt. (Cistaceen, Hypericaceen, Columniferen, Loa- seen, Lecythidaceen). Gerade der letzte Typ ist dabei als für Dödoublement bezeichnend betrachtet worden. Dabei sollte es gleichgiltig sein, ob die d&doublierenden Kreise bei der ersten Anlage noch sichtbar waren (wie man bei den Formen mit Primordien annahm) oder ob die Staminalanlage ringsum gleichmäßig erfolgte; im letzteren Falle sollte Verschmelzung der Ränder der d&doublierenden Staubblätter vorliegen. Dagegen sind Hofmeister und Goebel aufgetreten, indem sie den letzt geschilderten Fall als Eine der entwieklungsgeschichtlichen Möglichkeiten des Sprosses betrachten und Goebel hat im besonderen auf seine Häufigkeit gerade bei Sprossen beschränkten Wachstums hin- gewiesen. Während sie bei Angiospermen, vorzüglich „bei zu Reproduktions- zwecken umgebildeten Sprossen“, also Blüten und Infloreszenzen (Dor- stenia, Typha, Valisneria) sich finden, sind sie bei Thallophyten auch innerhalb der vegetativen Region anzutreffen (Eetocarpus). Primerdien’und Sektoren. Seit Hofmeister und Payer als Primitivanlagen sich später ver- zweigender Staubblätter angesehen, liegen zahlreiche Gründe vor, in den Primordien nur im Wachstume geförderte Partien des Blütenbodens zu sehen: 1. Die Primordien wachsen vor ihrer „Verzweigung“ nie nach Art von sonst sich verzweigenden Blättern über den Ort ihrer Ent- stehung empor, sondern sind auf dem Blütenboden nur als flächen- förmige Aufwölbungen sichtbar; 186 Max Hirmer, 2. die Primordien entsprechen schon in ihrer ersten Anlage an Größe immer einem ganzen Abschnitt des Vegetationspunktes. Ihre Fläche kommt immer der Flächensumme der von ihnen produzierten Organe gleich, während wirklich spaltende Organe (vgl. Malvaceenstamina) bei der ersten Anlage an Größe einem nichtspaltenden Organ gleichkommen; 3. die Verzweigung auf den Primordien findet oft so statt, wie sie zwar für Achsen, nicht aber für Phyllome charakteristisch ist (bauch- ständige Staminalanlage bei Sparmannia, Hypericum, Myrtaceen), wie auch die bei ringsum gleichmäßig erfolgender Entstehung des Androeceums beobachtete Alternanz auch innerhalb der einzelnen Primordien eingehalten wird; 4. auch die zwischen den Primordien eingeschalteten Sektoren können fertil sein: a) Fakultativ: Bei einem Überschuß von Baustoffen (pleiogyne Sparmanniablüten, Gossypium). b) Obligatorisch: 1. Mit Staminodien: Episepale Täler der Loaseen. 2. Mit fertilen Staubblättern: Myrtus, Callistemon; erst auf die Primordien beschränkt, greift die Staminalanlage im Laufe der Entwicklung auch auf die zwischen den Primordien liegenden Täler über. Damit erweisen sich die Primordien und die zwischen ihnen eingeschalteten Täler als einander homolog. Wenn Verwachsungen, wie sie die bekannten Adelphien von Callothamnus, Tristania conferta und Hypericum aegyptiacum darstellen, als Zeichen von Spaltung aufgefaßt wurden, so ist demgegenüber zu betonen, daß sie nur auf Streckung der Staminalinsertionszone beruhen. Erstreckt sich diese über die ganze Androeceumszone des Blüten- bodens, so werden auch sämtliche Staubblätter miteinander verwachsen sein (Mimoseen), beschränkt sich die Staminalinsertionszone nur auf einzelne Sektoren des Blütenbodens, so werden auch nur die jeweils von einem Sektor produzierten Stamina gemeinsam emporgehoben werden. " Daß sich geförderte Sektoren des Blütenbodens nicht immer durch Primordienbildung schon von vornherein als solche zeigen brauchen, erhellt aus den Verhältnissen bei Agrimonia: Der episepale Sektor ist, was aus den Fällen von Pleio- und Meiomerie und aus der Zahl der jeweils gelieferten Stamina ohne weiteres hervorgeht, gegenüber dem epipetalen entschieden gefördert, ohne daß sich diese Förderung dureh Primordien ausdrückte. Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 187 Wenn es als erwiesen anzusehen ist, daß sich die Organanlage sehr oft nicht gleichmäßig über den ganzen Vegetationspunkt erstreckt, sondern auf einzelne Sektoren beschränkt ist, so ist inbetreff Aus- bildung und Stellung der Sektoron folgendes zu bemerken: 1. Die Sektoren sind säntlich gleichmäßig gefördert. Die Staminal- anlage ist über den ganzen Blütenboden gleichmäßig verteilt (Cistaceen und ähnliche); 2. die Sektoren sind ungleichmäßig gefördert. Die geförderten stehen: a) Epiradial: Dabei können die geförderten Sektoren entweder über den Kelch oder über die Blumenblätterradien zu liegen kommen. In beiden Fällen ist eine enge Koppelung zwischen dem Perianth und den Staminalanlagen vorlanden. Dies er- hellt aus den bei Pleio- und Meiomerie von Agrimonia be- sprochenen Verhältnissen, indem bei Ein- und Ausschaltung eines Sektors auch die für ihn charakteristischen Organe an- gelegt werden odes schwinden; was die epipetalen Sektoren betrifft noch besonders dadurch, daß die Petalen gemeinsam mit den Staminalgruppen aus einer ursprünglich geförderten Blütenbodenpartie hervorgehen können (Hypericum, Myrtaceen). Daß eine so enge Koppelung stattfinden kann, findet seine Erklärung darin, daß bereits vor Anlage der Organe in den Blüten ansehnliche Materialansammlung stattfindet (vgl. Goebel’s Untersuchungen an Filago). b) Interradial: Daß die geförderten Sektoren nicht immer die der Kelch- und Blumenblätter sind, zeigen die Verhältnisse bei den Malvaceen und Loaseen und eingeleitet auch schon bei Tilia. Hier kann natürlich von einer Koppelung zwischen Perianth und Androeceum keine Rede sein. 3. Ausbildung der geförderten Sektoren: Sie kann entweder eine gleichmäßige sein (Hypericum, Sparmannia, Theobroma, Callistemon. Cajophora, Loasa triplylla), oder es werden einzelne noch im besonderen kräftiger als die übrigen ausgebildet. Dabei kann eine in tangentialer Hinsicht strenge Rhythmik herr- schen: Diese ist ja von vornherein überall da vorhanden, wo über- haupt die Organbildung im wesentlichen auf einzelne geförderte Sektoren beschränkt ist; sie kann aber auch innerhalb der geför- derten nochmals besonders auftreten; das ist z. B. bei den Malva- ceen der Fall, wo bei vielen Arten ein interradialer Sektor jeweils gegenüber dem anderen in der Vorhand ist, was sich ausılrückt. sowohl in dem er die erste Staminalanlage und schließlich noch 188 Max Hirmer, eine mehr als der Nachbarsektor liefert, bis bei Malva parvi- flora und den experimentell reduzierten Blüten von Malva rotundi- folia der analog interradiale Sektor überhaupt steril wird. Mit einer derartig einseitswendigen Förderung (er Staminalsek- toren hängt dann auch die bei manchen Malvaceen beobachtete Verschiebung des Androeceums gegen das Perianth zusammen, was sich bei Dombeya aus analogen Gründen gleichfalls findet. Indes erfolgt die Förderung der Staminalsektoren nicht immer mit der gleichen Rhythmik, sondern sie kann auch ohne alle Ge- setzmäßigkeit verlaufen, so bei Blumenbachia; hier werden von zwei zwischen den episepalen Staminodien liegenden interradialen Sek- toren bald der vom Blumenblatt links, bald der davon rechts stehende gefördert, was sich unmittelbar aus der Zahl der pro- duzierten Stamina ablesen läßt. Im Extrem wiederholt sich dann eine derartig willkürliche Plus- oder Minusausbildung der Sekwren bei Agrimonia; indem hier ein Teil der episepalen Sektoren noch die Vollzahl der Staminalglieder aufweist, sind andere bereits nahe der Mindest- grenze angelangt. Wenn im Verlauf der hier gegebenen Darstellung die Auffassung vertreten wurde, daß die polyandrischen Blüten innerhalb der Angio- spermenreihe den ursprünglicheren Blütentypus repräsentieren, so er- übrigt es, noch festzustellen, inwieweit die Stellung der polyandrischen Blüten im ganzen System der Angiospermen diese Ansicht rechfertigt. Es ist ein Hauptangriffspunkt für diejenigen, welche die poly- andrischen Formen als durch D&doublement entstanden betrachten, immer der Umstand, daß die im allgemeinen ursprünglichsten Angio- spermentypen: Die Choripetalen, und hier wieder ihre ersten Gruppen: die Vertieillaten, Quereifloren, Juglandifloren, Salicifloren und Urtiei- floren meist sehr einfache Blütenverhältnisse zeigen. Demgegenüber ist jedoch darauf hinzuweisen, daß auch hiervon eine ziemliche Anzahl von Gattungen (Juglans, Fagus, Castanea, Quercus, Populus) polyandrische Blüten aufweisen. Wenn dem ungeachtet dennoch die Mehrzahl der Vertreter sehr reduziert ausgestattete Blüten besitzen, so mag Korrelation zwischen der Vielzahl der an den Sprossen geringer Ausdehnung produzierten Blüten und der einzelnen Aus- bildung der letzteren immerhin als einer der gestaltenden Faktoren mit in Betracht kommen. Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 189 Was aber um so mehr zugunsten unserer Auffassung spricht, ist, daß viele Familien mit polyandrischen Blüten von allen Systematikern um die Polycarpicae gruppiert werden. Dies gilt im besonderen von den Papaveraceen und den übrigen Rhoeadales, während Cistaceen, Hypericaceen und mit ihnen die Columniferen sich weiter anschließen, wobei freilich auch wieder am Ende der Dialypetalenreihe bei epigynen Formen wie Loasaceen, Myrtifloren und Rosifloren noch einmal hoch- polyandrische Blütentypen sich finden. Dieser letztere Umstand kann indes nicht als direkter Gegenbeweis benützt werden, da innerhalb des gesamten Organismenreiches sehr oft bei allgemeinem Fortschritt der Organisation dennoch im einzelnen ursprünglichere Charaktere sich erhalten können. Daß schließlich bei denjenigen Formen, die wir jetzt noch unter dem gemeinsamen Namen der Sympetalen zusammenfassen und die nach einstimmigem Urteil in ihren einzelnen Gruppen als die End- glieder der einzelnen Choripetalengruppen angesprochen werden, nirgends mehr polyandrische Formen anzutreffen sind und daß sie gleichfalls bei den plıylogenetisch jungen Monokotylen nur noch vereinzelt (Vellosieen, Butomeen) auftreten, spricht deutlich wieder für die Ur- sprünglichkeit der Polyandrie. Endlich sei auf die bei den untersuchten Familien aufgestellten, zum Teil lückenlosen Reihen hingewiesen. Daß es sich dabei um Reduktionsreihen handelt, findet einesteils seine Bestätigung darin, daß bei einigen Familien mit der Rückbildung der Polyandrie auch die anderer Blütenkreise oder der gesamten Blüte Hand in Hand geht, daß anderenteils bei anderen Familien die vergleichend morphologisch aufgestellten Reihen auch experimentell in völlig deckender Weise innerhalb der Reduktions- und Amplifikationsstufen einer Art ge- wonnen wurden. Zum Schlusse ist es mir eine ernste Pflicht, meinem hochver- ehrten Lehrer, Herrn Geheimen Rat von Goebel, für sein stetes der Arbeit bewiesenes Interesse auch an dieser Stelle aufrichtig zu danken. Literaturverzeichnis. Bailten, H. E, Histoire des Plantes. 1887 ff. j Ders., Etudes organogeniques sur quelques genres des Buttneriacdes. Adansonia II. Bocquillon, Memoire sur le groupe des Tiliacees. Adansonia VII. 190 Max Hirmer, Celakovky, L., Über ideale und kongenitale Vorgänge der Phytomorphologie. Flora 1884. 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O., Rosaceae; Taubert, P., Legu- minosas; Gilg, E., Loasaceae. Frank, A. H., Über die Entwicklung einiger Blüten usw. Pringsheim’s Jahrbücher f. wiss. Bot. 1875. Goebel. K. v., Vergleichende Entwieklungsgeschichte der Pflanzenorgane, 1883. Ders., Organographie, Bd. I, 2. Aufl., 1913; Bd. II, 1. Aufl., 1900. Ders., Beiträge zur Morphologie und Physiologie des Blattes, II. Bot. Ztg. 1882. Ders., Über gefüllte Blüten. Pringsheim’s Jahrb. f. wies. Bot. 1886. Ders., Über gepaarte Blattanlagen. Flora 1911. Hofmeister, W., Allgemeine Morphologie 1868. Lotsy, J. P,, Vorträge über botanische Stammesgeschichte, Bd. III, 1911. Masters, On some points in the morphology of the Malvales. Journ. Linn. Soc. London, Yol. X, 1868, Molly, E, Untersuchungen über die Blütenentwicklung der Hypericineen und Loasaceen mit besonderer Berücksichtigung der verzweigten Staubgefäße, 1875. Murbeck, W., Untersuchungen über den Blütenbau der Papaveraceen, 1912. 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Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. 191 Figurenerklärungen zu Tafel I—XI. Tafel I. Cistacene. ig.6. Helianthemum aslicifolium. ig.?. Helianthemum salieifolium. F Fi Fig.8. Lechea Drummondii, Fig.9. Lechea Drummondii. Cistus polymorphus. Helianthemum polifolium, Helianthemum polifolium. Helianthenum polifolium, Helianthemum ledifolium. Tafel IE, Hypericacene. Brathys prolifica. | Fig. 6. Hypericum perforatum. Brathys Drummondii. ! Fig. 7. Hypericam Elodes. Brathya Drummondii. | Fig.8. Hypericum aegyptiacum. Brathys prolifica. ! Fig. 9. Hypericum aegyptiacum, Hypericum calycinum. Tafel III. Tiliaceae. Corchorus torquipes. | Fig.6. Tilia spectabilis. Corchorus torquipes. ' Fig.?. Tilia ulmifolia, Corchorus capsularis. | Fig.8. Zwischenformzwischeu Oorchorus Sparmannia africana. und Tilia. Sparmannia africana. Tafel IV. Malvaceae. Gossypium herbaceum. ! Fig.6. Malva parviflora. Gossypium herbaceum. | Fig. 7. Gefäßbündelverlauf der Malva- Gosthen strietifiora. | «sen (schematisch). Malva silvestris. ı Fig.8. Antheren von Malva parviflora. | Malva parviflora. Tafel V. Stereuliaceae und Bombacene. Büttneria scabra. | Fig. 4. Dombeya (Astrapaea) Wallichii. Theobroma Cacao. | Fig. 5. Bombax malabariea. Dombeya (Astrapaea) Wallichii. Tafel VI Loasaceae. Loasa triphylia. : Fig. 4. Blumenbachia Hieronymi. Loasa triphylla. : Fig. 5. Blumenbachia Hieronymi. Cajophora lateritia. 192 Max Hirmer, Beiträge zur Morphologie der polyandrischen Blüten. Tafel VII. Loasaceae. Fig. 6. Loasa triphylia. Fig. 7. Biumenbachia Hieronymi. Fig. 8, Blumenbachia Hieronymi. Tafel VILLE Myrtaceae. Fig. 1. Callistemon salignus. | Fig. 4 Myrtus communis. Fig. 2. Callistemon salignus. ! Fig. 5. Melaleuca micromers. Fig. 3. Callistemon salignus. : Fig. 6. Melaleuca mieromera. Tafel IX'). Lecythidaceae: Couroupita guianensis. Fig. 1—3 präparierte Vegetationspunkte von Blüten. Fig. 4 und 5 Längsschnitte. Tafel X. Rosacese. Fig. 1. Agrimonia odorata, ! Fig. 9. Agrimonia Eupatoria Pleiomerie. Fig.2. Agrimonia leucantha. | Fig. 10—12. Agrimonia Eupatoria Meio- Fig. 3. Agrimonia Eupatoria. | merie, Fig.4. Agrimonia Eupatoria Hungerform. | Fig.13. Agrimonia Eupatoria Pleio- und Fig. 5-8. Agrimonia leucantha. Meiomerie. Tafel XI. Mimosaceae. Fig. 1. Albizzia lophantha. ; Fig. 4. Acacia paradoxa. Fig. 2. Calliandra tetragona. | Fig.5. Mimosa pudica. Fig. 3. Calliandra tetragona. 1 Legende: $ = Sepalum. ?= Petalum. s‘ = Stamen. s—= Staminodium. x (Tafel I Fig. 6) = Stelle von Sep. 1 und 2. 1) C. Hoerger, mikrophot. Flora Bad. 110. Taf. 1. Hirmer. Verlag von Gustav Fischer in Jena Flora Ba. 110. Taf H Veriag von Gustav Fischer in Jena. Flora Bd. 110. Taf. HI. Hırmer. Veriag von Gustav Fischer in Jena. Flora Bd, 110. Taf. IV. Hirmer. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Flora Bd. 110. Taf. V. Hirmer, Verlag von Gustav Fischer in Jena. Flora Ba. 110. Taf. VI. Hirmer. Verlag von Gustav Fischer ın Jena. Flora Ba. 110. Taf. VI. Birmer, Verlag von Gustav Fischer in Jena. Flora Bd. 110 Taf. VII. Hirmer, Verlag von Gustav Fischer in Jena, Flora Ba. 110. Taf. IX. Hirmer. Verlag von Gustav Fischer in Jena, E.9 ., K 5 We FNZFRIENF NR ARAR IT e) NZ — na NINE III 0 n Flora Bd. 110. Taf. Xl. Hirmer, Verlag von Gustav Fischer in Jena. Eingegangene Literatur. 1) H. Amhaus, Biologie der Sukkulenten. Verlag von J. Neumann, Neudamm, Preis: M. 1,60. 2) E. Becher, Die fremddienliche Zweckmäßigkeit der Pflanzengallen und die Hypothese eines überindividuellen Seelischen. Verlag von Veit & Co, Leipzig. Preis: M. 5,—. 3) W. Brinkmann, Beiträge zur Kenntnis der westfälischen Pilze. I. Die Telephoreen (Telphoraceae) Westfalens. Mit 2 Tafeln und 14 Abbildungen im Text. Münster 1916. Tu Kommission bei Th. O. Weigel, Leipzig. Preis: M. 2,50, 4) H, Günther, Das Mikroskop und seine Nebenapparate. (Handbuch der mikroskopischen Technik, I. Bd.) Geschäftsstelle des Mikrokosmus, Franck- sche Verlagshandlung, Stuttgart. Preis: geh. M. 2,25, geb. M. 3,—. 5) J. C. Kapteyn, Skew frequency curves in biology and statistics. Published by the Astronomical laboratory at Groningen. Hoitsems Brothers (!), Gro- ningen 1916. 6) E. Kelhofer, Einige Ratschläge für Anfänger in pflanzengeographischen Arbeiten. Verlag von Kascher & Co., Zürich. Preis: M. 1,—. 7) Lindau, Kryptogamenfloren für Anfänger, Bd. IV3. Die Algen, 3. Abt. Die Meeresaigen von Prof. Dr. R. Pilger. Mit 183 Abbildungen im Text. Verlag von Jul. Springer, Berlin. Preis: M. 5,60. Dasselbe, 1. Band, Die höheren Pilze. Zweite Auflage. Verlag von Jul. Springer, Berlin 1917. Preis: geb. M. 8,60. 8) A. Voigt, Lehrbuch der Pflanzenkunde, Teil IV (Schlußband). Hannover u. Leipzig, Herps’sche Buchhandlung. Preis: M. 4,50. 9 C. Zimmer, Anleitung zur Beobachtung der Vogelwelt mit zahlreichen Ab- bildungen und 8 Tafeln. (Wissenschaft und Bildung, 86.) Verlag von Quelle & Meyer, Leipzig. Preis: geb. M. 1,25. Druck von Ant. Kämpfe in Jena. Über Vorblattbildung bei Monokotylen. Von Elisabeth Rüter. (Mit 198 Abbildungen im Text.) Einleitung. Die Seitenzweige der Monokotylen, die vegetativen sowohl wie die der Infloreszenzen, beginnen in der Regel mit einem Blatte zum Unterschiede von den Dikotylen, die einen doppelten Zweiganfang be- sitzen. Dieses erste Blatt, das sogenannte Vorblatt, ist gewöhnlich ein trockenhäutiges, kleinbleibendes Niederblatt. Doch kommen Übergänge zu Laubblättern uud voll entwickelte Laubblätter vor. Abgesehen von seiner niedrigeren Ausbildungsstufe unterscheidet sich das Vorblatt von den folgenden Blättern meistens durch seine Stellung zur Hauptachse und seine eigentümliche Gestalt. Es wird als adossiert-zweikielig bezeichnet, adossiert, weil es mit seiner Rückenfläche der Abstammungsachse an- liegt, zweikielig, weil es jederseits in einen Kiel ausläuft. Die adaxiale Mitte ist in fertigem Zustande konkav eingebuchtet, genau samt den Kielen der Abstammungsachse angepaßt, ohne Mittelnerv, mit nur schwachen Gefäßbündeln versehen oder gefäßbündelfrei, Von jeher ist bei Betrachtung dieser Verhältnisse die Frage auf- getaucht: wie ist die eigentümliche zweikielige Gestalt des Monokotylen- vorblattes zu erklären? Einerseits wird angenommen, daß der Druck der Abstammungsachse gegen die junge Knospe in den meisten Fällen die Einbuchtung des Vorblattes veranlaßt und die Ausbildung der Mittelrippe verhindert habe. Diese Meinung wird vor allem von den älteren Morphologen vertreten, so von Röper (1834), der eine Reihe anderer Autoren der gleichen Auffassung anführt, wie Kunth, End- licher, Link, Gay, die Bravais, ferner sind hier Eichler (1875) und Pax (1890) zu nennen. — Eine andere Frklärung sieht Druck- und Raumverhältnisse nicht als die Hauptfaktoren bei der Gestaltung eines Organs an. Bei dem zweikieligen Monokotylenvorblatt handele es sich meistens um zwei ursprünglich gesonderte Blattanlagen in Übereinstimmung mit den zwei Vorblättern der Dikotylen, die gelegent- lich auch bei Monokotylen in der Zweizahl auftreten. Die Kiele mit ihren meist kräftigen Gefäßbündeln entsprächen der Mitte der beiden Flora, Ba. 110. 13 194 Elisabeth Rüter, seitlichen Blattanlagen, die unvollkommen ausgebildete, der Achse zu- gewandte Mittelpartie der Verwachsungszone der hinteren Ränder. Vergegenwärtigt man sich die Anlage eines typischen Monokotylen- laubblattes, z. B. das einer Graminee, das zunächst als halbkreisförmiger Wulst angelegt wird, der sich später zum Ringwall schließt, so ist eine derartige Verwachsung der beiden, annähernd auf gleicher Höhe anzunehmenden Vorblattanlagen sehr wohl denkbar. Diese zweite Auffassung findet sich ebenfalls in der älteren und neueren Literatur vertreten, so, wie Röper (1834) angibt, bei Turpin, Schleiden, zum Teil bei Robert Brown, bei Döll (1848), ferner bei Dutailly (1879), van Tieghem (1897), und Goebel (1888—1895—1898— 1901). So läuft die Frage nach der Entstehung der eigentümlichen Ge- stalt des Vorblattes letzten Endes auf die Frage hinaus: Ist das Vor- blatt als ein einziges Blatt aufzufassen, oder ist es ein durch Ver- wachsung entstandenes Doppelorgan ? Einer tieferen Bedeutung kommt dieser Frage zu, insofern, als das Vorblatt oft mit dem Kotyledo verglichen worden ist. Auch bei diesem ist die Frage, ob hier ein einheitliches Organ oder ein den beiden Kotyledonen der Dikotylen homologes Verwachsungsprodukt vorliegt, verschiedentlich erörtert und zu phylogenetischen Hypothesen über den Ursprung der Monokotylen herangezogen worden (Sargent 1903). Einer Reihe von Kriterien zur Entscheidung der Frage nach der Ein- oder Zweiwertigkeit des Vorblattes sind aufgestellt worden. Zunächst läßt sich aus der Gestalt des Vorblattes selber entnehmen, ob ein Verwachsungsprodukt vorliegt oder nicht. Meistens macht es allerdings mit seiner einheitlichen Endigung durchaus den Eindruck eines einzigen Blattes. Dann kommen aber alle Übergänge vor von geringer Einbuchtung bis zu fast völliger Spaltung, so daß kaum ein Unterschied gegenüber gänzlicher Trennung der beiden Vorblatthälften besteht. Wenn selbst in diesem äußersten Falle an der Einheit des Organs festgehalten und die Tatsache der vollständigen Trennung der beiden Vorblattanlagen als „kongenitales D&doublement“ bezeichnet wird, so ist nicht viel damit erklärt. Auf Zerreißung beruhende Zweiteilung des Vorblattes scheidet natürlich aus. Ferner kann die Anreihung der folgenden Blätter darüber aus- sagen, ob das Vorblatt in bezug auf die Blattfolge als ein- oder als zweiwertig gerechnet wird. Bei der für die große Mehrzahl der Monokotylen in Betracht kommenden 1/,-Stellung kann es sich dabei einerseits um in die Mediane des Sprosses fallende Distichie, anderer- Über Vorblattbildung bei Monokotylen. 195 seits um transversale handeln. Im ersten Falle würde das Vorblatt als ein Blatt rechnen, im zweiten Falle als zwei. Bei Anschluß eines zweigliederigen Quiris sollte bei einem Vorblatte Querstellung des ersten Quiris zur Hauptachse .erwartet werden, bei zwei Vorblättern mediane Stellung entsprechend den bei Blüten geltenden Regeln. Zwischen- stellungen bei Alternation zwischen 90° und 180° sowie höhere Diver- genzen sagen über die Wertigkeit des Vorblattes nichts aus. Von Bedeutung ist ferner Stellung und Zahl der Achselprodukte des Vorblattes. Entspricht das Vorblatt einem Blatte, so müßte der Achselsproß in seine Mediane fallen. Sind zwei Vorblätter anzunehmen, sollte man den Achselsproß vor einem der Kiele als der Mitte einer der beiden seitlichen Blattanlagen erwarten. Es würden in diesem Falle ein fertiles und ein steriles Vorblatt vorhanden sein. Sind beide Vorblatt- hälften fertil, ist der deutlichste Beweis für die Zweiwertigkeit gegeben. Einen weiteren Anhaltspunkt zur Entscheidung der Wertigkeit liefert die Entwicklungsgeschichte, häufig nur in schnell vorübergehenden Stadien. Von Wichtigkeit ist ferner der Vergleich der Vorblattverhältnisse nahe verwandter Pflanzen, daneben der Vergleich der Vorblätter an einer und derselben Pflanze. Diejenigen der vegetativen Zweige der Infloreszenzen und Einzelbläten sind häufig an Zahl, Stellung und Aus- bildung verschieden voneinander. Dabei müssen die Verhältnisse an der Infloreszenz als die ursprünglicheren, weniger angepaßten angesehen werden. Alle diese Kriterien sind bei der speziellen Untersuchung, die den ersten Teil der Arbeit ausfüllt, berücksichtigt worden. Der zweite Teil gibt eine Zusammenfassung der Resultate des speziellen Teiles, einmal in bezug auf die Hauptfrage nach der Wertig- keit, ferner in bezug auf die morphologische Gestaltung des Vorblattes und seine biologische Funktion. In ihrer am häufigsten vorkommenden Gestalt als Niederblätter stellen die Vorblätter nach Goebel (1330) Hemmungsbildungen dar, metamorphosierte Laubblattanlagen wie die Knospenschuppen. Es liegt die Frage nahe, ob es möglich ist, sie in Laubblätter überzuführen, wie es Goebel (1880) für die Knospenschuppen dikotyler Pflanzen gelungen ist, Einige wenige Versuche zur Entscheidung dieser Frage sollen zum Schlusse erwähnt werden. I Der spezielle Teil gibt einen Überblick über die Vorblattbildung in den Hauptfamilien der Monokotylen. — Es sind im allgemeinen so- 13* 196 Elisabeth Rüter, wohl die vegetativen wie die Infloreszenzzweige berücksichtigt worden. Doch geschah dies durchgehends nicht bei der großen Familie der Gräser, da die Palea superior schon vielfach eingehende Untersuchungen erfahren hat. Nur die Infloreszenzvorblätter der einjährigen Gräser Zea und Coix wurden eingehender besprochen. Helobiae. Alismaceae. Limnocharis — Butomus, Bei den Butomaceen finden sich an den axillären gestielten In- floreszenzen keine eigentlichen Vorblätter, sondern Hochblätter in spiraliger Anordnung, die Einzelblüten bei Limnocharis, Schraubeln bei Butomus in ihrer Achsel tragen. Die am tiefsten stehenden hüllen die junge Infloreszenz ganz ein. Innerhalb der Schraubeln von Butomus findet sich ein seitliches Vorblatt, wie auch Eichler (1875) angibt. Sagittaria natans (Fig. 1, 2. 3). Der vegetative Fortseizungssproß in der Achsel des letzten Laub- blattes beginnt mit einem adossierten, nur schwach gekielten Vorblatte. un Es ist ein chloro- > phyllarmes Nieder- 3 blatt (1, cm) mit reduzierten unver- holzten Gefäßbün- deln auf den Seiten. Die Mitte ist gefäß- bündellos. Es endigt mit einfacher Spitze. In jüngsten Stadien tritt es als gleich- Big 1-3. Sagittaria atens. Ad Querschnitt durch förmiger Bingwall en ganzen Sproß. orblatt (dieselbe Bezeich auf allen folgenden Abbildungen), 2 Laubblatt, 7 Into Auf, aus dem der resaenz verminal), 2 Querschnitt durch den Fort- Vegetationsscheitel setzungssproß. er a zungusproß mit Vor- frühzeitighervorragt. Als Schutzorgan kommt es bei der an sich geschützten Lage der Knospe weniger in Betracht. Die folgenden Blätter stehen zum Vorblatt und unterein- ander in Divergenzen, die kleiner sind als %/,. — Die Infloresenzenzen von Sagittaria sind vorblattlos. Doch sei zum Vergleich Alisma plan- Über Vorblattbildung bei Monokotylen. 197 tago herangezogen. An der gestielten axillären Infloreszenz, die hier wie beı Sagittaria von drei miteinander verwachsenen Hochblättern ein- gehüllt wird, beginnen die Seiteninfloreszenzen in deren Achsel mit adossiertem, deutlich zweizipfeligem Vorblatte. Die stärker entwickelte, weiter umgreifende Seite trägt eine Blüte als Achselprodukt. Eichler (1875) gibt zwei seitliche Vorblätter an, die an dem Primanzweig mit- einander verschmolzen seien, und auch Buchenau (1903) sieht das adossierte Grundvorblatt der Seiteninfloreszenz als Verwachsungspro- dukt an. Juncaginacese. Triglochin (Fig. 4, 5, 6, 7). Bei Triglochin maritima und palustre beginnt der gleichfalls in der Achsel des obersten Laubblattes auftretende Fortsetzungssproß mit einem voll ent- wickelten Laub- blatte, das sich in keiner Weise von den übrigen unter- scheidet. Raun- kier bezeichnet den Fortsetzungs- sproß als vorblatt- los, da er das Laubblatt - nicht * als eigentliches Vorblatt ansieht. Auf jungen Sta- pig.4-7. Triglochin maritimum. 4 Querschnitt durch dien fand i ie den ganzen Sproß mit Fortsetzunzssproß in der Achsel von Sehei ch die Z, "Y Laubbiattvorbiatt, / terminale Infloreszenz. 5 Junger cheide des Laub- Fortsetzungssproß, eingehüllt vom ‚Laubblatt-Vorblatt. & _ Ausläuferknospe mit Niederblatt-Vorblatt MY. 7 Tr. palustre, en be be Bu P jüngere Ausläuferknospe. schützende Hülle die junge Knospe umgeben. Das folgende, oft ein- zige Laubblatt innerhalb des Fortsetzungssprosses alterniert mit dem Vorblatt. Bei weiterer Verzweigung aber fand ich es mitsamt dem ganzen jungen Sproßsystem seitlich verschoben. Es kommt hier schon der später schaufelförmige Wuchs des Triglochinrasens zum Ausdruck. — An den zu Auslänfern werdenden Knospen tieferer Blattachseln finden sich adossierte, zweikielige Nederblattvorblätter. Ihre Endigung ist in jüngsten Stadien einheitlich. Die Stellung der folgenden Blätter liegt zwischen 180° und 90°. — Die Infloreszenzen von Triglochin sind vorblattlos. D 198 Elisabeth Rüter, Potamogetonaceae. Potamogeton (Fig. 8—11). Hier findet sich ein kleines schuppenförmiges, ungekieltes Vor- blatt. Es folgen Niederblätter in unbestimmter Anzahl in % Diver- genz. Bei P. lucens fand ich das Vorblatt von jüngsten Stadien an einheitlich endigend. Bei P. natans und alpinus ist im ausgewachsenen Zustande geringe Zweizipfeligkeit vorhanden. Ein ganz junger Achsel- sproß von P. alpinus zeigte die beiden Vorblattanlagen gesondert. Adaxial begannen sie eben erst sich entgegenzuwachsen. Bei Zan- nichellia palustris fand ich dieselben Verbältnisse wie bei Potamogeton in Übereinstimmung mit Raunkiaers Angabe. Dort findet sich eben- N Fig. 8-11. 8 Potamogeton lucens. Querschnitt durch die junge Achselknospe. N Niederblatt, Z Laubblatt. 9 P. lucens, junge Knospe: = adaxial, 5 abazial, 10 P. alpinus, junge Knospe (adazial) mit” Vorblattanlagen. 11 dasselbe, Vorblatt- endigung. falls ein adossiertes, ungekieltes Vorblatt, ein kleines zarthäutiges Niederblatt mit abgestumpftem Rande, mit dem das folgende alterniert. So beschreibt es auch Irmisch (1851), fügt aber hinzu: an der Basis des Zweiges unterhalb dieses Scheidenblattes links und rechts nach der Abstammungsachse zu zwei schmale, pfriemenförmige Spitzen wahr- genommen zu haben, die er für Reste eines verkümmerten Vorblattes hält. Diese fand ich nicht. Ruppia (Fig. 12—13). Ich untersuchte Knospen in der Achsel der sogenannten Folia floralia, die sich unterhalb der Infloreszenz befinden und als Spatha Über Vorblattbildung bei Monokotylen. 199 diese im jüngeren Zustande einhüllen. Die tief in die Scheide dieser Blätter eingesenkten Sprosse beginnen mit einem schuppenförmigen, nur zwei Zellagen breiten, win- zigen adossierten Vorblatteohne jegliche Gefäße. Schon in jüngsten Stadien bleibt es in der Ausbildung hinter den mit ihm alternierenden, oft einzigen Laubblatte zurück. In älteren Stadien fand ich das Laubblatt mitsamt dem ganzen Achsel- sproß verschoben. Najadaceae. Najas mieroden (Fig. 14-15). Fig. 12—18. Ruppia. 12 Querschnitt durch Den schief dekussierten den ganzen Sproß. 7, 27 aufeinanderfolgende Fr Achsen. 13 Junge Knospe in der Achsel Blattpaaren höherer Interno- eines Folium Horale, Z erstes Laubblatt. dien entspricht das Vorblatt- paar an der Basis des Zweiges. Es besteht aus einem schuppenför- migen ersten Niederblatte und einem voll entwickelten Laubblatte. Das x 5 ) i i itt durch den ganzen Sproß. Fig. 14—15. Najas mierodon. 14 tieferer Querschnitt du ı ganzen Sproß. zUL - , SV Schuppenvorblatt, Sg Sqamula intravaginalis. ubblat-Vorblat selbe höher, Fi Blüte. 200 Elisabeth Rüter, Schuppenblatt trägt wie das erste Blatt aller folgenden Blattpaare einen Achselsproß, der mit einem Schuppen- und einem Laubblattvorblatt beginnt. Das Laubblatt umhällt mit seiner Scheide die Fortsetzung des Sprosses, zu dem es gehört. Die Verhältnisse an höheren Inter- nodien, bei denen sich außer dem Hauptsprosse eine vorblattlose Blüte befindet, haben dazu geführt, die Blüte als terminal anzusehen, die Fortsetzung des Hauptsprosses aber als vegetativen Achselsproß des Laubblattvorblattes, wie es von Irmisch (1865) geschehen ist. Dem widerspricht Magnus (1870), indem er die Verhältnisse, wie sie an der Zweigbasis ganz deutlich zu erkennen sind, auf die höheren Inter- nodien überträgt und die Blüte dem Schuppenblatt mitsamt seinem Achselprodukte gleichsetzt. Hydrocharitaceae. Hyärocharie. Ich untersuchte eine .einzeln in der Achsel eines Niederblattes stehende Ausläuferknospe. Diese beginnt oberhalb eines ziemlich hohen Internodiums mit zwei seitlichen Niederblättern, deren erstes die Knospe ringsum einhüllt und sich von dem zweiten durch etwas derbere Be- schaffenheit auszeichnet. Das zweite Niederblatt ist immer fertil, in- dem es einen zum Ausläufer werdenden Sproß in seiner Achsel trägt. In keinem Falle fand ich bei diesen gestielten Einzelknospen ein drittes basilläres Niederblatt, wie es Rohrbach (1871) angibt. Die von Rohr- bach zitierte Bemerkung Irmisch’s (1865): „Auch bei H. kommen basilläre Niederblätter vor“, bezieht sich meiner Meinung nach auf die von Irmisch beschriebenen, nicht gestielten Seitenknospen, wie sie sich zu beiden Seiten eines auf langem Internodium emporgehobenen Mittelsprosses in der Achsel der Laubblätter befinden. — Die ersten Niederblätter aller vegetativen Hauptknospen aufeinander folgender Blattachseln liegen nach derselben Seite hin, meist im Sinne der Blatt- spirale nach vorwärts. — Die basillären Knospen haben beiderseits ihre ersten Blätter dem Mittelsproß zugewandt. — Die gestielten männ- lichen Infloreszenzen beginnen mit zwei seitlichen Hüllblättern, die ge-. stielten weiblichen mit einem seitlichen. Linnebium (Fig. 16). Hier finden sich ganz dieselben Verhältnisse wie bei Hydrocharis. Ich fand hier auch nur zwei Niederblätter an den gestielten Knospen. Über Vorblattbildung bei Monokotylen, > Stratiotes (Fig. 17—20). - Die vegetativen Knospen beginnen mit einem seitlichen, gekielten, häutigen, sehr klein bleibenden Vorblatte. Das zweite, mit ihm alter- nierende Blatt ist als Laubblatt ausgebildet, die übrigen Blätter folgen in ?/; Divergenz. Nur auf ganz jungen Stadien überwölbt das Vor- blatt die junge Knospe ka- puzenartig und trägt Schleim absondernde, lange Haare an seiner Spitze. Die kurzgestiel- ten weiblichen Blüten, an deren Basis sich in der Regel ein vegetativer Beisproß befindet, beginnen mit zwei seitlichen Spathablättern, die größer und reichlicher mit Gefäßbündeln j Fig. 16. Limnobium Boscii. Querschnitt versehen sind als das vegeta- durch eine Augläuferknospe in der Achsel des tive Vorblatt. 2. Niederblattes. X Niederblatt, Z Laubblatt. il i i i i Blütensproß. Fig. 17-20. Stratiotes Aloides. 17 Querschnitt durch einen tensp 18 vegetativer Sproß. 19 Infioreszenzknospe mit vegetativer Beiknospe &, Sp In- fioreszenzspatha. 20 dasselbe, jüngeres Stadium, Sy Squamula. Vallisneria (Fig. 21—24). Es wurde eine Ausläuferknospe untersucht. Oberhalb des Inter- nodinms befinden sich zwei Niederblattpaare, von denen das erste me- dian, das zweite transversal zur Hauptachse steht. Auffallend ist die Stellung des ersten Niederblattes zu dem Tragblatt der Knospe. Es ist diesem superponiert. Um eine Erklärung hierfür zu finden, wurden 202 Elisabeth Rüter jüngere Ausläuferknospen untersucht, wie sie sich regelmäßig in der Achsel des dritten Niederblattes finden. Die Knospenschar in der Achsel jedes dritten der aufeinanderfolgenden Laubblätter schien weniger hierfür geeignet. Ich heobachtete eine solche Ausläuferknospe auf einem Stadium, auf dem die ersten vier Niederblätter angelegt waren. Das vierte trat eben als Höcker hervor. Das Achselprodukt des dritten Niederblattes, die spätere Ausläuferknospe, war schon ebenso groß wie der Hauptvegetationsscheitel. Dieser befand sich in seitlicher über- hängender Lage, nur durch eine seichte Einsenkung von der Ausläufer- knospe getrennt. An dieser waren noch keinerlei Blattgebilde sichtbar. Auch auf etwas späteren Stadien nicht, als bereits die Anlage des ersten Laubblattes am Hauptvegetationsscheitel anftrat, auf der Grenze Fig. 21-24. Val- lisneria spiralis. 21 Querschnitt durch eine Ausläuferknospe in der Achsel des dritten Niederblattes. N Niederblatt. 22 Junge Ausläufer- knospe. 4 Achsel- sproß des dritten Niederblattes. 5 Haupt - Vegetations- scheitel. 23 dasselbe, etwas älteres Stadium, Z "\ erste Laubblatt- anlage. 24 Infloreszenzen /, vegetative Knospe X. zwischen diesem und dem Fortsetzungssproß. Bei dem engen Zu- sammenhang zwischen den beiden Sproßscheiteln ist es wohl denkbar, daß die Anlage des ersten Laubblattes physiologisch sowohl zu dem einen wie zu dem anderen gerechnet wird und somit in bezug auf den Achselsproß den Ort einnimmt, der sonst an diesem dem ersten adossierten Blatte zukommt. Rohrbach (1871) meint zwei seitliche Vorblätter ergänzen zu müssen, um diese auffallende Blattstellung er- klären zu können. Die Anordnung aber, die er ‘einer Knospenschar, wie sie in den Laubblattachseln auftritt, gibt, wird von Kubin, gleich- falls auf entwieklungsgeschichtlichem Wege, widerlegt. Kubin’s Er- klärung aber, daß die Ausbillung der Knospen in gekrimmtem Raum vor sich gegangen sei und darauf die mediane Distichie der ersten Per Über Vorblattbildung bei Monokotylen. 203 Blätter zurückgeführt werden müsse. trägt zur Deutung der auffallen- den Stellung des ersten Blattes nichts bei. Elodea (Fig. 25-30). Bei E. canadensis beginnen die Seitensprosse mit zwei, die junge Knospe vollständig einhüllenden, seitlichen Niederblättern. Das folgende il i i i Z Laub- Fig. 25-30. Elodea. 25 E. canadensis, Querschnitt durch die Knospe. blait. 26 E. crispa, dasselbe. 27 E. crispa, Endigung des yerwscheenen Vorblattex. 28 E. crispa, junge Knospe mit tief gespaltenem Vorblatte. 28 E. onen, Auer- schnitt durch den ganzen Sproß. 30 E. densa, Infloreszenz mit geschlossener Scheide. 204 Elisabeth Rüter, Blattpaar steht schief dekussiert zu diesen. Das zweite Niederblatt des ersten Paares trägt einen Achselsproß, der wiederum mit zwei seitlich zu seiner Hauptachse stehenden Niederblättern beginnt. — Horn (1872) beobachtete am Grunde des geschlossenen, zweizähnigen Infloreszenzvorblattes von E. canadensis links und rechts von den beiden, den Zähnen entsprechenden Fibrovasalsträngen je zwei stipulae inter- foliaceae, Intravaginalschuppen die bisweilen miteinander verschmolzen waren. Wenn er auch die erste Anlage der Blütenscheide als ring- förmigen Wulst von überall gleicher Höhe ausgebildet fand, zweifelt er nicht an der Doppelwertigkeit dieses Blattgebildes. Ein analoges Verwachsungsprodukt stellt das adossierte, zweikielige Vorblatt von E. erispa dar. Es ist ringsum geschlossen. Je ein Leit- zellenstrang liegt auf jedem Kiel. Die Spitze ist deutlich zweizipfelig. In jungen Stadien sind zwei fast völlig getrennte, seitliche Blätter zu sehen. Die Stellung der folgenden Blattpaare zu den beiden Vorblatt- anlagen, wie sie hier angenommen werden müssen, ist ganz die gleiche, schief dekussierte wie bei E. canadensis. Das Achselprodukt steht auch hier seitlich vor A einem der Vorblattkiele, N der aber im übrigen nicht von dem anderen 33 unterschieden ist. (or Bei E. densa sind db‘ "T an der vegetativen und Infloreszenzknospeganz die gleichen Verhält- nisse wie bei E. cana- Fig. 31-38, Hydrilla vertieillata. 31 tiefer densis. Querschnitt durch eine Achselknospe. 32 Querschnitt durch eine Winterknospe. 33 junge Knospe, « ad-. i —33). & abaxial, 4 Achselsproß des Vorblattes, L Anlage Hydrilla (Fig. 31-33) des ersten Laubbiattes. Ich kann hier der Eichler’schen (1875), sowie der von Caspary (1858) gegebenen Beschreibung eines adossierten, einnervigen Vorblattes nicht beipflichten. Ich fand ein seitlich stehendes, was sehr deutlich auf jüngsten Stadien zu sehen war, auf dem sich das Vorblatt schon ziemlich weit entwickelt fand und einen kräftigen Achsel- sproß trug, während sich auf der entgegengesetzten Seite des Vege- tationsscheitels eben erst die erste Laubblattanlage hervorwölbte. Auf en n Über Vorblattbildung bei Monokotylen. 205 Querschnittsbildern älterer Knospen fand ich das erste Blatt. dem Vor- blatt diametral gegenüber, etwas nach vorne verschoben. Der erste Laubolattquirl hat ?/,-Stellung, wie es auch Caspari angibt, während die weiteren Quirle höherzählig werden. Das Vorblatt bleibt klein, schwach grün; ich fand keine Gefäßbündel. In jüngsten Stadien hüllt es die Knospe ganz ein. Bei den Sommerknospen klaffen die Ränder bis zum Grunde auseinander. Bei den Winterknospen fand ich sie weit hinauf verwachsen. Hier hat das Vorblatt mehr die Gestalt eines adossierten, aber die Stellung des ersten Blattes ist dieselbe wie bei dem seitlichen, und in jüngsten Stadien war kein Unterschied in der Anlage beiderlei Vorblätter zu erkennen. — Für die Infloreszenzspatha gibt Eichler an, daß sie anfangs geschlossen, später in zwei Lappen zersprengt sei. Glumiflorae. Juncaceae. Juncus glauens (Fig. 34—36). Die Vorblätter der vegetativen und der Infloreszenzzweige sind einander sehr ähnlich. Beide sind adossiert-zweikielig. Buchenau Fig. 31-36. Juncus glaneus, 34 Querschnitt durch eine vegetative Knospe in der Achsel eines Niederblattes. 38 junge Knospe, eingehüllt vom Vorblatt. 36 noch jüngere Knospe. (1865) beschreibt das Infloreszenzvorblatt als häutige Scheide, die oft in zwei Spitzen ausläuft. — Das vegetative Vorblatt ist ein braunes, stark versklerenchymtes Niederblatt, in dem ich keine Gefäßbündel wahrnehmen konnte, und endigt mit lang ausgezogener Spitze, die den folgenden Blättern fehlt. Es bleibt auffallend klein (bis '/, en). In 206 Elisabeth Rüter, bezug auf die Größenentwicklung des Vorblattes besteht hier offenbar eine Korrelation mit den folgenden Blättern. Ist wie hier eine größere Anzahl Niederblätter vorbanden und somit die embryonale Wachstums- zone an der Basis des Hauptstengels genügend geschützt, bleibt das Vorblatt klein. Die folgenden Blätter stelien in transversaler Distichie zum Unterschiede gegenüber der medianen bei der Infloreszenzknospe. Bei beiderlei Knospen geschieht die weitere Verzweigung aus den folgenden Niederblättern. Cyperaceae. Seirpus (Fig. 37—38). . Das adossierte, zweikielige Vorblatt ist hier im Verhältnis zu an- deren Cyperaceen verhältnismäßig groß (über 2 cm). Niederblätter fehlen hier ganz, und das Vorblatt über- nimmt allein den Schutz der Stengel- basis. Es findet sich also hier ein entgegen- gesetztes Verhalten wie bei Juncus. Die Endigung des Vor- blattes ist einheitlich, Fig. 37—38. Seirpus prolifer. 37 tiefer Querschnitt durch einen Achselsproß. 38 junge Knospe, eingehüllt mit lang ausgezogener vom Vorblatt. Spitze wie ebenfalls . bei Juncus. Der Achselsproß des Vorblattes liegt vor einem der Kiele. Bei aufeinander- folgenden Vorblättern sind immer die gleichen Hälften fertil. Es liegt hier also schraubelige Verzweigung vor. Isolepis. Hier finden sich ganz dieselben Verhältnisse wie bei Seirpus. Fuirena (Fig. 39—42). An dem adossierten, zweikieligen, vegetativen Vorblatt findet sich eine eigentümliche Bildung an der Spitze. Das Vorblatt läuft hier in zwei Seitenflügeln aus, zwischen denen sich ein kragenförmiges Gebilde mit abaxialem Schlitz befindet. Nach Anlage und Ausbildung muß dieser mittlere Teil als Ligula aufgefaßt werden, wie sie auch an den Laubblättern von Fuirena auftrit. Die Größenunterschiede zwischen EN Über Vorblattbildung bei Monokotylen. 2307 den Flügeln und der Ligula sind verschieden. In jüngsten Stadien ist die Ligula allein entwickelt. Von den Flügeln wächst zuweilen nur einer aus. In der allerjüngsten Anlage zeigt sich das Vorblatt als. einheitlicher Ringwall. Trotz seiner geringen Größe (1/, em) und ana- tomisch reduzierten Ausbildung mit wenig Chlorophyll und Gefäß- bündeln ist das \orblatt dennoch in seiner morphologischen Ausbildung ziemlich weit vorgeschritten, indem es wie die Laubblätter eine Ligula und in den Flügeln Spreitenteile besitzt. Auffallend ist hierbei, daß eigentlich zwei Spreiten vorhanden sind. Verständlich wird diese Tat- Fig. 39—42. Fuirena simplex. 39 Querschnitt durch einen Achselsproß. 40 Laubblatt mit Ligula Z. 41 Vorblätter, « Endigung eines ausgewachsenen, 5, c, d, e jüngere, Z Ligula, 7 Flügel. 42 junge Knospe mit Vorblattanlage. sache, wenn zwei Vorblattanlagen angenommen werden, deren Ligulae median-adaxial verwachsen sind. Die übrigen Blätter folgen auf das Vorblatt in der für die Cyperaceen typischen ?/,-Stellung. — Das zart- häutige, adossierte Infloreszenzvorblatt ist klein und im anatomischen Bau reduzierter als das vegetative. Cyperus alternifolius (Fig. 43—46). Hier haben die adossierten Vorblätter neben ihrer eigentlichen Funktion als Knospenschutz noch eine andere übernommen, der sie in eigenartiger Weise angepaßt sind. Junge Knospen in der Achsel von 208 Elisabeth Rüter, Laubblättern zeigten starke adaxiale Anschwellung und auf Quer- schnitten große Interzellularen. Sie dienen, wie Goebel (1898) be- obachtet hat, als Schwellkörper, um die Laubblätter in gespreizte Lage Fig. 43—46. Cyperus alternifolius. 43 Vorblatt einer Infl i j H £ u loreszenzknospe mit. verdickter adaxialer Partie. 44 Infloreszenz, basaler Querschnitt. 45 ältere, Inflo- reszenzknospe. 46 vegetative Knospe. zu bringen. Auf älteren Stadien fand ich bei diesen Infloreszenzen tragenden Knospen die typisch adossierte, zweikielige Gestalt des Vor- blattes wieder. Nur daß es noch große Interzellularen aufwies und viel breiter war als das schmale Vorblatt einer rein vegetativen Knospe. Über Vorblattbildung bei Monokotylen. 209 Die Vorblätter erreichen nur geringe Größe (1"/, cm), und die Endigung ist einheitlich bei dem vegetativen und dem Infloreszenzvorblatt. In jüngsten Anlagen zeigt sich ein gleichmäßiger Ringwall. Die Stellung der auf das Vorblatt folgenden Blätter ist nach !/, Divergenz. Vor dem einen Kiele des Infloreszenzvorblattes findet sich ein Achsel- sproß, der sich zu einer rein vegetativen Knospe entwickelt, wie sie zahlreich in der Blütenregion vorkommen und dort zu bewurzeiten Pflanzen auswachsen. Innerhalb der vegeta- tiven Knospe findet weitere Verzweigung aus der Achsel des ersten Blattes statt. Carex (Fig. 47). * Fig. 47. Carex hirta. Querschnitt durch einen Das adossierte, Achselsproß. zweikielige Vorblatt ist hier nur %/, cm groß. Es schließen sich mehrere Niederblätter in WA Divergenz an. Die Spitze des Vorblattes ist einheitlich, abgerundet, nach vorne verdickt. Jüngste Stadien zeigen einen einheitlichen Ringwall. er Y, a . , R i ive Knospe. 49 junge Fig. 48-52, Diplacrum. A8 Querschnitt durch eine vegetative Knospe, ganz von Vorblatt eingehüllt. 50 Querschnitt durch die Infiores unge Infloreszenzvorblatt. 51 Infloreszenz, 4 Achselsproß des daxial, 5 abaxial. Infloreszenzen mit den auffallend großen ersten Blättern, o a } 14 Flora, Bd. 110. 210 Elisabeth Rüter, Diplacrum (Fig. 48—52). Das adossierte, zweikielige, vegetative Vorblatt zeigt Überein- stimmung mit dem von Carex. Es ist wie dieses nur */, cm groß, mit langer Spitze endigend. Auch junge Stadien zeigen nichts Ab- weichendes. — Das adossierte, zweikielige Infloreszenzvorblatt bleibt ebenfalls sehr klein. Es ist zarthäutig mit seicht gebuchtetem Rande. Auf ganz jungen Stadien ist die adaxiale Einbuchtung deutlich zu sehen. Schon früh wird es von den beiden ersten Blättern an Größe bedeutend übertroffen, wie es auch Goebel (1888) angibt. Diese übernehmen den Schutz der jungen Knospe. Weitere Verzweigung findet innerhalb der Infloreszenz in der Weise statt, daß abwechselnd bald vor dem rechten, bald vor dem linken Kiele aufeinanderfolgender Vorblätter Achselsprosse auftreten. Seirpodendron (Fig. 53—54). Goebel (1888) beschreibt den Aufbau der reich verzweigten In- - floreszenz. Die in der Achsel von Brakteen sitzenden Seiteninflore- szenzen begin- nen mit zwei seitlichen, voll- ständig getrenn- ten, derbwandi- gen Vorblättern (1Y/, cm groß). Beide Vorblätter haben Achsel- sprosse, die ihrerseits Ähr- 7 chenkompiexe Fig. 53—54. Seirpodendron. 853 Querschnitt durch ein darstellen. Seitenährchen, das Achselsproß eines seitlichen Vorblattes is m mit Yır a vingsum geschlossenes Vorblatt (dreikielig), Yır2 ver Außer de kümmert. 54 Endigung eines ringsum geschlossenen Vorblattes. spiralig ange- ordneten Schup- pen besetzten Endährchen befinden sich auch hier jederseits Achsel- produkte der beiden Vorblätter. Von diesen fand ich den einen ver- kümmert. Der voll entwickelte war von einem ringsum geschlossenen Vorblatte eingehüllt. Goebel gibt an, daß die Vorblätter bei Achsel- sprossen höherer Ordnung mit ihren hinteren Rändern unter sich, mit ihren vorderen mit der annähernd dem Deckblatt gegenüberstehenden Schuppe verwachsen seien. Ich fand ein solches geschlossenes Vor- 54 Über Vorblattbildung bei Monokotylen. 2ıl blatt in jungen Stadien deutlich zweispitzig, später adaxial tief gespalten, außerdem dreifach gekielt, auf der Seite und vorn median. Dieser vordere Kiel wird der Deckschuppe entsprechen. Vor den beiden seitlichen Kielen dieser jüngsten geschlossenen Vorblätter finden sich ebenfalls Achselprodukte in Gestalt je einer männlichen Blüte. Mapania (Fig. 55—57). Goebel (1888) beschreibt den Blütenstand von M. als einem Ährcehenkomplex von Seirpodendron entsprechend. Es finden sich auch‘ hier zwei getrennte, seitliche, derbwandige Vorblätter (1 cm), die beide Achselsprosse haben. Goebel faßt sie zusammen mit der viagn folgenden nach vorne stehenden Schuppe als die drei fertilen gegen- 57 über den drei sterilen, ON die eine Hülle um die terminale weibliche Blüte bilden. Die Ach- Fig. 55-57. Mapania. 855 Infloreszenz in- der selprodukte höherer Achsel einer Braktee. 66 tiefer Querschnitt durch i eine Infloreszenz, A, B Achselsprosse des oben voll- Ordnung fand ich von ständig in 2 getreunten Vorblattes. das basal eine einem ringsum ge- eigentümliche Verwachsungszone zeigt. 57 männliche schlossenen Vorblatte Blüte, eingehüllt von einem ringsum geschlossenen Vorblatte, adaxial. eingehüllt, das auch hier einem dreifachen Verwachsungsprodukte entspricht. Ganz junge Vor- blätter, wie sie die männliche Einzelblüte umhüllen, zeigen deutlich adaxial einen Einschnitt. — Die beiden in der Regel bis auf den Grund getrennten primären Vorblätter fand ich in einem besonderen Falle in einer eigentümlichen Verwachsungszone basal zusammenhängend, so daß sie eine dreikielige Gestalt besaßen. Gramina. Zea Mays (Fig. 58—61). Der axilläre Blütenkolben wird eingehüllt von einem adossierten, mit langen Flügeln versehenen Vorblatte. Es ist von ansehnlicher Größe (bis 15 cm) chlorophylihaltig. reichlich mit Gefäßbündeln rings- herum versehen. Querschnitte durch eine jüngere Knospe zeigte die adaxiale Mitte noch gefäßbündelfrei. Auf den Flügeln, deren Wachs- tumsrichtung entsprechend, begannen sich die Gefäßbündel soeben aus 14* 2123 Elisabeth Rüter, dem meristematischen Gewebe abzusondern. Die auf jüngsten Stadien deutlich wahrnehmbare Förderung der seitlichen Partien des Vorblattes erhält sich dauernd. In ausgewachsenem Zustande ist es tief zwei- spaltig. Die Gefäßbündel der Kiele laufen in die Spitze aus, während die medianen sich vorher umbiegen und an die benachbarten anlegen. 59! Fig. 58-61. Zea Mays. 58 Querschnitt durch die weibliche Infloreszenz. 59 Endigung des den weiblichen Blütenkolben umhüllenden Vorblattes, 60 junge In- floreszenz, a ad-, 5 abaxial. 61 Querseknitt durch eine etwas ältere Infloreszenz. 6 Gefäßbündelanlage. Die Stellung der folgenden Blätter zum Vorblatt ist nicht genau fest- zulegen, sie liegt zwischen 0° und 90%, Die übrigen alternieren mit diesen und unter einander nicht streng, entsprechend der Angabe der Bravais (1837), daß sich eine halbe Divergenz hier erst allmählich einstellt. Über Vorblattbildung bei Monokotylen. 213 Coix (Fig. 62—65). Das adossierte zweikielige Infloreszenzvorblatt gleicht dem von Zea Mays in mancher Beziehung. Es war in dem untersuchten Falle 7,3 cm groß, chlorophylihaltig, reichlich mit Gefäßbündeln ringsum ver- sehen, die seitlichen Flügel aber nur schwach entwickelt. Auch hier zeigt das fertige Vorblatt deutliche Zweizipfeligkeit. Die Gefäßbündel der Kiele laufen iu die Spitze aus, während diejenigen der Mitte auch Fig. 62-65. Coix Laerimae Jovi. 62 tiefer Querschnitt durch eine Inflores- zenz, nur die aufeinanderfolgenden Vorblätter gezeichnet. 63 Endigung des aus- gewachsenen Vorblattes. 64 junge Infloreszenz, eingehüllt vom Vorblatt. 65 jüngere Infloreszenzknospe. hier seitlich abbiegen oder frei im Gewebe endigen. Auf Jungen Stadien umgibt das Vorblatt den weit herausragenden Vegetations- scheitel wie eine Cupula, deren Rand stark eingebuchtet ist. Später überholt es den Vegetationsscheitel und umgibt ihn als schützende Hülle. Das einzige, nur in der Primanknospe auftretende Blatt steht in trans- versaler Distichie zum Vorblatt. Es findet reichliche Verzweigung aus abwechselnd der rechten und linken Vorblatthälfte statt. Die auf- 214 Elisabeth Rüter, einanderfolgenden Vorblätter stehen rechtwinkelig zueinander. Eine Verzweigung aus beiden Vorblatthälften, wie sie van Tieghen (1897) für Coix anführt als besonders auffallenden Beweis für die Zwei- wertigkeit des Vorblattes, fand ich nicht. Goebel (1895) gibt für Euchlaena in betreff des Infloreszenzvorblattes an, daß dieses auf höheren Schnitten zweiteilig sei und auf einer Seite fertil. Saccharum (Fig. 66—70). Das bis 1 cm große adossierte Vorblatt zeigt auffallend starke Flügelbildung, die in der Blattmitte am stärksten ist, nach oben und unten zu abnimmt. Wie bei Zea Mays entstehen auch hier die Flügel als Wucherungen der seitlichen Vorblattpartien, die jüngsten Gefäß- Fig. 66-70. Saccharum offieinale. 66 hoher Querschnitt durch eine vegeta- tive Knospe. 67 ein Seitenflügel des Vorblattes mit Gefäßbündelanlagen G. 68 Querschnitt durch eine jüngere vegetative Knospe. 69 junge Knospe, eingehüllt vom Vorblatt. 70 noch jüngere Knospe. bündel liegen auf der Spitze. Goebel (1913) gibt analoge Fälle von Kielbildung der Blattunterseite an, die besonders dann mit Saccharum verglichen werden können, wenn man die beiden Kiele als zwei ge- sonderte Blattanlagen betrachtet und die Flügel als Wucherungen (der Blattunterseiten auffaßt. So findet sich bei der Liliace Phormium ein kielartiger Vorsprung an der Blattunterseite, ebenso bei dem Laubmoos Fissidens. Vor allem wird die später schwertförmige Lamina des Iris- blattes ursprünglich als Flügel auf der Rückenkante der Blattanlage angelegt. In keinem dieser Fälle findet Flügelbildung durch Ver- wachsung zweier Blattflächen statt, wie es besonders zur Erklärung des Irisblattes angenommen "worden ist. — Das Vorblatt endigt mit einheitlicher Spitze. In der ersten Anlage erscheint es als gleich- Über Vorblattbildung bei Monokotylen. 215 förniger Ringwall. Weiterhin fand ich den Rand leicht eingebuchtet, noch später in eine Spitze ausgezogen. An jungen Knospen fanden sich nur seitlich zwei Gefäßbündel, später ringsum verteilte. Die folgenden Blätter, die allmähliche Übergänge zum Laubblatt darstellen, folgen in transversaler Distichie. Stenotaphram (Fig. 71-74). Das vegetative adossierte, zweiflügelige, bis 1 em groß werdende Vorblatt dieses südamerikanischen Grases ist in ausgewachsenem Zu- stande tief gespalten. Die beiden Teile hängen aber basal zusammen Fig. 1_7. Stenotaphrum glabrum var. americanum. 71 höherer Quer- schnitt durch einen Achselsproß. 72 tieferer Querschnitt. 78 ganzer Sproß. junge Knospe, « adaxial, 5 abaxial. in einer gefäßbündellosen Partie. Es liegt hier Zerreißung vor, da die Spitze junger Vorblätter einheitlich ist. Auf jüngsten Stadien fand ich den Rand nur schwach eingebuchtet. Auffallend ist die Stellung des ersten Blattes. Es ist dem Vorblatte superponiert. Im Vergleich mit den folgenden Blättern bleibt es klein mit schwach entwickelter Lamina. Man könnte die Superposition in Zusammenhang bringen mit der seitlich zusammengepreßten, keilförmigen Gestalt des Trag- blattes, wie es auch Tofieldia bei gleicher Stellung des ersten Blattes aufweist. Bei anderen Pflanzen mit seitlich zusammengepreßtem Trag- blatte aber, so einem hierauf untersuchten afrikanischen Grase, steht das erste Blatt normal, während in anderen Fällen von Superposition 216 Elisabeth Rüter, die Laubblätter nicht seitlich zusammengefaltet sind, wie z. B. bei der Orchidee Mierostylis. Zu dieser bemerkt Goebel (1901), daß die Stel- lung des ersten Blattes nichts Auffallendes habe, wenn anstatt des einen adossierten Vorblattes zwei miteinander verwachsene angenommen werden, dann kann das folgende Blatt ebensogut nach vorne oder nach hinten fallen. Dasselbe gilt auch hier. Oryza (Fig. 75--78). Das adossierte, zweikielige, vegetative Vorblatt bietet wenig Auf- fallendes. Es ist ein trockenhäutiges, wenig über 1 em großes Nieder- blatt mit gefäßbündelloser Mitte und einheitlicher Spitze Nur in jungen Stadien fand ich den Rand wenig eingebuchtet. Die folgenden 2 Blätter, von 76 denen das erste | ebenfalls ein spreitenloses Niederblatt ist, stehen in trans- versaler Disti- chie. Bei wei- terer Verzwei- gung steht auch Fig. 75--78. Oryza celandestina. 75 Querschnitt durch hier der Achsel- sinen yegoiativen Achselsproß. 76 Endigung des Vorblattes. sproß vor einem jasselbe auf jüngerem Stadium. 78 ganz junge Kn . : 2 ad-, 5 abaxial. ganz junge Enospe. der beiden Vor- blattkiele. Eine größere Aufmerksamkeit ist von jeher der Palea Superior von Oryza zu- gewandt worden. Wegen ihrer, außer den beiden seitlichen, stark ent- wiekelten Mittelrippe wird es als klassisches Beispiel zum Beweise der Einwertigkeit des Vorblattes angeführt. Es muß aber vor allem dabei berücksichtigt werden, daß bei dem einblütigen Ährchen von Oryza ein Ausnalımefall vorliegt. Die Bedingungen zur vollständigen Ausbildung sind hier nach Verkümmerung der Ährchenachse günstiger als sonst bei Vorblattbildung. Dieselbe Erscheinung zeigt das ebenfalls ein- blütige Ährehen von Leersia oryzoides, das ich hieraufhın ansah. Die Hüllspelzen sind hier nur in Rudimenten vorhanden und nur Deck- und Vorspelze in voller einander gleicher Ausbildung da. Überdies stehen die Ährchen transversal zur Hauptspindel, was die Ausbildung der Palea Superior nur noch begünstigt. « u Über Vorblattbildung bei Monokotylen. 217 Phalaris. Das adossierte, langgeflügelte, vegetative Vorblatt bietet nichts Auffallendes. Es wird bis 1,5 cm groß. Das folgende Blatt ist eben- falls Niederblatt. Seine Endigung ist einheitlich von jüngsten Stadien an, die Mitte wie bei Oryza gefäßbündelles. Die übrigen Blätter stehen in transversaler Distichie. Phleum. Ganz dieselben Verhältnisse wie bei Phalaris. Das Vorblatt fand ich nur 0,5 em groß. Das folgende Blatt ist ebenfalls spreitenloses “ Niederblatt. " Deschampsia (Fig. 79). Dasselbe gilt hier. Das Vorblatt fand ich bis 3,5 cm groß. Das folgende Blatt ist als Laubblatt ent- wickelt. Festuca (Fig. 80-83). Hier fand ich das adossierte, Fig. 79. Deschampia caespitosa. zweikielige, vegetative Vorblatt eben- ® Snz junge vegetativo Achsolknaspe, falls von ansehnlicher Größe (2,25 em). Es folgt ein Laubblatt mit kleiner v af Spreite. In wenigen Fällen fand ich 77\ 2 im ausgewachsenen Zustande geringe Zweizipfeligkeit, die auf jüngsten Stadien deutlich durch stärkere Ent- wicklung der seitlichen Partien her vortrat. Die erste Anlage des Vor- blattes ist auch hier ein einheitlicher Ringwall. An Gefäßbündeln fand ich Fig. 80-83. Festucs glauca. M nur die beiden auf den Kielen ent- ganz junge, Knospe. 8 Oiuas Am wickelt. Die Blattstellung ist hier wie 92 a . Endigung des ausge- bei den vorhergehenden transversale wachsenen Vorblattes. Distichie. Cynosurus (Fig. 84—87). Das adossierte, zweikielige vegetative Vorblatt wird bis 2 cm groß. Es folgen nur Laubblätter in transversaler Distichie. Auffallend ist die starke Asymmetrie des Vorblattes, die mit dem dorsiventralen Gesamt- bau des Halmes in Zusammenhang zu bringen ist. Zwei aufeinander-. folgende Knospen fand ich stark konvergierend. — Häufig tritt tiefe Spaltung an der ursprünglich einheitlichen Vorblattspitze auf. Dies 218 Elisabeth Rüter, mag darauf beruhen, daß nur das Gefäßbündel des stärker entwickelten Flügels bis zur Spitze verläuft, das des schwächeren aber eine Strecke weit unterhalb derselben aufhört. Die adaxiale Mitte ist auch hier gefäßbündellos. Auf jüngsten Stadien fand ich den Vorblattrand wenig eingebuchtet, später werden die Seiten stärker gefördert, besonders eine derselben. Phragmites. Das langgeflügelte, adossierte, wenig über 1 cm große Vorblatt ist, obwohl es von Natur eine einheitliche Endigung besitzt, ebenfalls oft tief gespalten. Es besitzt nur zwei seitliche Gefäßbündel. Von Fig. 84-87. Cynosurus cristata. '84 Querschnitt durch eine vegetative Knospe. 85 Querschnitt durch den ganzen Sproß, Z Laubblätter, 86 ganz junge Knospe. 87 etwas ältere. den in transversaler Distichie folgenden Blättern ist das erste Nieder- blatt, das zweite mit kleiner Spreite versehen. Hordeum, Das adossierte, zweikielige Vorblatt wird hier 2,5 em groß. Es folgen nur Laubblätter in transversaler Distichie. Die adaxiale Mitte ist auch hier gefäßbündellos. Agropyrum (Fig. 88—90). Das adossierte, zweikielige Vorblatt fand ich 2,25 cm groß, die folgenden, transversal-distich gestellten Blätter alle als Laubblätter ent- wickelt. Besonders deutlich war, hier die starke Förderung der seit- dr Über Vorblattbildung bei Monokotylen. 219 ” lichen Partien des Vorblattes auf jüngsten Stadien zu sehen, Später fand ich die Endigung einheitlich. Bei weiterer Verzweigung aus dem Vorblatte steht der Achselsproß vor einem der Kiele, Fig. 88--90, Agropyrum repens, 88 tiefer Querschnitt durch einen vegetativen Achselsproß. 89 junge Knospe, a ad-, 5 abaxial. 90 noch jüngere Knospe mit Vorblattanlage. Bambus spec. (Fig. 91 —93). Auf das adossierte, zweikielige, zarthäutige kleine Vorblatt folgen bier Niederblätter in transversaler Distichie. Die adaxiale Mitte ist auch hier gefäßbündellos. Die Endigung ist einheitlich, ganz auffallend ausgeprägt von jüngsten Stadien an, wo sich nicht die geringste Wellung noch Förderung der Seitenpartien zeigt. Reichliche Ver- zweigung findet aus dem Vorblatt statt. Die aufein- anderfolgenden Knospen stehen abwechselnd vor dem rechten und yig. 91-98. Bambus spec. 91 Querschnitt durch einen i Y - tativen Achselsproß. 92 ganz junge vegetative Knospe. Haken Vorblatt 99 Schema der Verzweigung as aufeinanderfolgenden Blatt- . kiele. Bei Achsel- achseln. 2 Deckblätter. Sprossen, die an . der Hauptachse aufeinanderfolgen, sind ebenfalls immer abwechselnde Vorblatthälften fertil, so daß alle Zweige nach einer Seite gerichtet sind. Bambusa vertieillata (Fig. 9—99). Das derbe, stark verkieselte, bald braunwerdende Vorblatt ist hier ein wirksamer Knospenschutz. Entsprechend der oft sehr an- sehnlichen Knospengröße kann es viele Zentimeter breit werden, während es in die Länge weniger wächst. Ich fand nur zwei seitliche Gefäb- bündel entwickelt. Die Endigung ist auch hier von jüngsten Stadien 220 Elisabeth Rüter, an durchaus einheitlich. Bei Entfaltung der überaus reich verzweigten Knospe wird das Vorblatt früh gesprengt. Es findet sich regelmäßig ein wieder reich verzweigter Achselsproß vor dem einen Kiele des Vorblattes, ein zweiter diesem diametral gegenüber in der Achsel des ersten Blattes, das, wie die folgenden, in ein Viertel Divergenz zum Vorblatte steht. Da dieses Blatt sehr schmal ist, macht es leicht den Eindruck, als sei dieser zweite Sproß ebenfalls Achselprodukt des Vor- blattes. Auch hier geschieht die weitere Verzweigung in wickeliger Anordnung, und der dorsiventrale Gesamtbau der Pflanze spricht sich ebenfalls darin aus, daß alle aufeinanderfolgenden Zweige nach der- selben Seite gerichtet sind. a Fig. 94-99. Bambusa verticillata. 94 Schematisierter Querschnitt durch eine vegetative Achselknospe. 4 Achselsproß des Vorblattes, 2 derjenigen des ersten Blattes Zr. 95 höherer Querschnitt durch eine vegetative Knospe. 96 dasselbe * ganz hoch. 97 Vorblatt-Endigung. 98 dasselbe, jüngeres Stadium. 99 junge Knospe. Phyllostachys (Fig. 100—103). Das adossierte, zweikielige, vegetative Vorblatt, das bis zu 2 em groß wird, fand ich stark asymmetrisch. Im ausgewachsenen Zustande überragt die stärker entwickelte Seite die andere bedeutend. In An- fangsstadien zeigt sich ein wenig eingebuchteter Ringwall; später ist die eine Seite deutlich gefördert. Die beiden einzigen Gefäßbündel fand ich auf den Kielen gelegen. Spadiciflorae. Palmae. Rhapis, In tiefen Blattachseln stehen die vegetativen Knospen mit ihrer Achse im Winkel von 90° zur Hauptachse, in höheren befinden sie Br Über Vorblattbildung bei Monokotyien. 2341 sich in normaler Lage. Auf jungen Stadien fand ich das Vorblatt in adossierter Stellung mit einheitlicher Endigung, wie eine Cupula die Knospe umgebend. Querschnitte durch die Spitze eines älteren Sta- diums zeigte die adaxiale Mitte des Vorblattes stark verdickt mit großen Gefäßbündeln. Die vor der Hauptknospe liegende, normal zur Hauptachse gestellte Beiknospe besitzt ein adossiertes, zweikieliges Vor- blatt, die übrigen Blätter folgen in spiraler Anordnung. Fig. 100-103. Phyliostachys bambusoides. 100 Querschnitt durch eine vege- tative Knospe. 101 Endigung des ausgewachsenen Vorblattes. 102 junge Knospe, eingehüllt vom Vorblatt. 103 dasselbe in jüngerem Stadium, 2 ad-, 5 abazial. Typha. Typhaceae. Bei den in gleicher Weise wie bei Rhapis zur Hauptachse stehenden, vegetativen Knospe unterscheidet sich das erste Blatt nicht von den folgenden, die in medianer, später etwas verschobener Distichie folgen. Araceae. Acorus (Fig. 104— 105). Engler (1876) gibt an, daß der in der Achsel des letzten Laub- blattes befindliche Fortsetzungssproß mit einem Laubblatt beginne, das am Rücken zweikielig sei, wie sonst die die Sprosse beginnenden Niederblätter. An einem Ende Mai ausgegrabenen Sprosse sah ich dieses Laubblattvorblatt neben der terminalen Infloreszenz, fand es aber nur wenig gekielt, im Vergleich zu dem langgeflügelten, adossier- ten Vorblatte tieferer Knospen. Dies ist im übrigen ein Niederblatt (1 em), sehr interzellularen- und gefäßbündelreich und stark ver- sklerenchymt. Die Endigung fand ich einheitlich, die übrigen Blätter stehen in medianer Distichie. Der Achselsproß des Laubblattvorblattes steht, wenn auch nicht genau in der Mediane, so doch keineswegs seit- lich. Die Einwertigkeit des Laubblattvorblattes ist dadurch deutlich 222 Elisabeth Rüter, gekennzeichnet, besonders wenn zum Vergleiche z. B. ein fertiles Gra- mineenvorblatt herangezogen wird, dessen Achselprodukt ausgesprochen seitlich steht, ohne daß eine stärkere Einbuchtung der Mittelpartie stattgefunden hat. Anthurium. Das 6 cm groß werdende, adossierte Vorblatt ist ein derbes, bald braun werdendes, in der oberen Partie beiderseits langgeflügeltes Niederblatt, interzellularen- und gefäßbündelreich mit einheit- licher Endigung, das einen sehr wirksamen Knospenschutz dar- stellt. Es folgen nur noch zwei Blätter in ein Viertelstellung zum Vorblatt, ein Niederblatt, das den Fortsetzungssproß in seiner Achsel trägt, und das ein- zige, die endständige Infloreszenz umgebende Laubblatt. Regel- mäßig findet sich vor der Haupt- knospe noch eine mit adossier- tem, zweikieligem Vorblatte be- ginnende Beiknospe. Innerhalb dieser stehen die Blätter in mehr spiraliger Anordnung. Nur bei einer ganz jungen fand ich das erste Blatt in genau medianer Distichie. = Pothos. x R Das Vorblatt ist ein wenig Fig. 104—105. Acrus Calamus. 104 Quer- über 1 ‚Bes. derbwandiges sehnitt durch den ganzen Sproß. Z letzte em großes, derbwandige: Laubblätter, 7 Infloreszenz, ZY Laubblatt- Niederblatt. Die zwei folgenden Vorblatt. 105 Quersebnitt durch einen tie- Bl R äre feren Achselsproß. NP Niederblatt-Vorblatt. ätter haben nur rudimentär Spreiten. Von jungen Stadien an ist die Endigung einheitlich. In auffallender Weise ist es in seiner Gestalt von dem dorsiventralen Bau der Hauptachse beeinflußt und dementsprechend auch die Blattfolge schwankend. So gibt auch Engler (1876) an, daß namentlich in der Region der Niederblätter kleine Ab- weichungen von der ursprünglichen 1/, Divergenz vorkämen. Es würde sonst, da bei Pothos alle Laubblätter auf eine Seite des abgeplatteten Über Vorblattbildung bei Monokotylen. 233 Hauptsprosses gerückt sind, bei medianer Distichie innerhalb von deren Achselsprossen das ganze Sproßsystem in eine Ebene zu liegen kommen. In zwei extremen Fällen fand ich einmal das Vorblatt adossiert zwei- kielig, die folgenden Blätter in medianer Distichie, ein andermal ein deutlich seitlich stehendes Vorblatt, die übrigen Blätter transversal zur Hauptachse, mit diesem alternierend. Calla palustris (Fig. 106— 107). Der Forsetzungssproß in der Achsel des letzten Laubblattes be- ginnt mit einem adossierten, zweikieligen Vorblatte. Dieses 5 cm große, grüne Niederblatt zeigte in allen untersuchten Fällen auf beiden Kielen deutliche Lami- narrudimente in Gestalt klei- ner, grüner Zipfel, eine Strecke weit unterhalb des Vorblatt- randes.. Der linke, höher- stehende war jedesmal der größere. Dem widerspricht nicht, daß das erste Laubblatt dem Vorblatt superponiert ist, wie es von Braun (1859), später von Engler (1876) an- gegeben worden ist, da das Vorblatt offenkundig ein Ver- wachsungsprodukt darstellt. Fig. 106.107. garla palustris. 106 Quor- : Ri 'hnitt ch den ganzen Sproß. letzte: Ich fand allerdings keine streng Laubbistt, J Inflorsszenz, er Infloreszenz- mediane Distichie, sondern spatba. 107 Vorblattendigung, iz, Zrr Lami- seitlich verschobene, so daß nerrudimente, « ad-, 5 abaxial. das erste Blatt nicht genau über dem Vorblatt zu stehen kam. Im übrigen fand ich das erste Blatt wie bei Stenotaphrum an Länge und Größe der Lamina hinter den folgenden zurück. 107 109) Calla Elliottiana (Richar- dia) (Fig. 108—109). Hier alterniert das erste Blatt normal mit 09. Galla Elliotina (Richardia) \ . _109. a ioti i dem adossierten Vor- PH Oeerschnitt durch einen vegetativen Achsel- blatte. Die übrigen sproß. 109 Vorblattendigung. B 224 Elisabeth Rüter, Blätter mit diesem und untereinander. Die Vorblattendigung ist deut- lich zweizipfelig. h Irmisch Fig. 110-117. Philodendron. 110 Ph. panduraeforme, r Sproß. Z ein- ziges Laubblatt. 111 dasselbe im Grundriß” 112 Ph. maeroph ei nach Irmisch. 113 Ph. panduraef. Endigung des ausgewachsenen Vorblattes. 114 Ph. panduraef. Endigung eines ganz jungen Vorblattes. S Scheide. 115 Ph. panduraef. Ganzer Sproß quer. A Hauptachse. 116a, b. Ph. panduraef. Sz Squamulae. BE Beiknospe. 117 Ph. macroph. Internodium nach Irmisch. Sg Sqamulae. Über Vorblattbildung bei Monokotylen. 225 Philodendron (Fig. 110—117). Hier fand ich die größten Vorblätter von allen untersuchten. Bei Ph. panduraeforme bis 14 em groß, bei Ph. speziosum 76 cm. Dennoch ist das Vorblatt hier durchaus Niederblatt, in seinem ana- tomischen Bau der Scheide der folgenden Laubblätter entsprechend. Es ist schwach grün, die Oberseite weißlich infolge Interzellularen- bildung, die hier stärker ist als bei der Laubblattscheide, Auch Oxalat- drusen und Sekretgänge sind hier zahlreicher als dert. In abgestorbe- nem Zustande bleibt das Vorblatt lange Zeit als braune Hülle der einzelnen Glieder des Sympodiums erhalten. In ausgewachsenem Zu- stande fand ich nur vereinzelte geringe Zweizipfeligkeit, in jungen Stadien dagegen zwei ziemlich lange Zipfel, unterhalb von diesen die sich eben ausbildende Scheide, die später allein das Vorblatt darstellt. -— Verzweigung findet regelmäßig aus den Vorblättern statt. Da nur noch ein einziges Laubblatt — abgesehen von dem die Infloreszenz einhüllenden Hochblatte — ausgebildet wird, entspricht das Vorblatt hier dem vorletztem Blatte, aus dessen Achsel sich in der Regel die Fortsetzungssprosse der Araceaen bilden. Das einzige Laubblatt steht nicht genau im Winkel von 180° zum Vorblatt. Der Achselsproß des Vorblattes steht vor einem der Kiele, was Irmisch (1874) veranlaßte, diesen für die eigentliche Blattmitte zu halten. Es liegt hierzu aber kein Grund vor. Dieselbe Stellung des Achselsprosses fand sich in allen bisher untersuchten Fällen mit Ausnahme von Acorus Calamus bei Fertilität des Vorblattes. Auch die normal adossierte Stellung des Vorblattes zur Achse, die gleichförmige Ausbildung beider Kiele spricht nicht für eine solche Annahme. Ebenso darf in dem von Irmisch gegebenen Verzweigungsschema nicht auf mediane Lage des ersten Achselsprosses aus dessen Stellung zum Grundvorblatt geschlossen werden, da hier nur Verschiebung infolge der reichen Verzweigung stattgefunden hat. Vor jedem Hauptsproß befindet sich eine unterständige, im < von 90° mit seiner Achse zur Hauptsache stehende, vegetative Beiknospe. Derselben sitzen blattartige Gebilde von unregelmäßiger Form auf. Zu diesen bemerkt Irmisch, daß sie im ganzen dieselbe Beschaffen- heit, auch dasselbe Verhalten bezüglich der Dauer und des Absterbens wie die rings an der Blattinsertion in größerer Anzahl vorhandenen Squamulae hätten. Es scheint ihm jedoch für wahrscheinlicher, diese Gebilde für Teile des ‚ersten Blattes an dem Achselsproß anzusehen, nicht für Squamulae. Ich sah diese Gebilde dicht über der Narbe des hier als Deckblatt fungierenden Vorblattes auftreten zu einer Zeit, wo Flora, Bd. 110. 15 226 Elisabeth Rüter, von der Beiknospe äußerlich noch nichts zu sehen war. Sie waren von gleicher Größe wie die Squamulae, denen sie auch sonst ganz glichen. Bei der späteren Internodiumstreckung nun, durch die der Hauptachselsproß des Vorblattes emporgehoben wird, wird auch die an diesem befindliche Beiknospe gehoben und mit ihr die über ihr befind- liche Squamula. Das erste Blatt der Beiknospe fand ich von den folgenden nicht verschieden. Enantioblastae. Commelinaceae. Tradescantia (Fig. 118-123). Das adossierte, zweikielige, vegetative Vorblatt fand ich nur einen halben Zentimeter groß, chlorophylihaltig mit nur einem Gefäßbündel 123 Fig. 118—123. Tradescantia. 118 Querschnitt durch eine vegetative Knospe von Tr. viridis. 119 derselbe tiefer mit Achselsproß. 120 ganz junge Knospe mit Vorblattanlage. 121 Querschnitt durch die Infloreazenz von Tr. geniculata. 1222, b, e junge Knospen; z späterer Zipfel des Vorblattes. 123 älteres Vorblatt. jederseits. Die Endigung ist einheitlich, in jüngsten Stadien ein gleich- förmiger Ringwall. Zwei Primordien, wie Schumann (1890) angibt, fand ich nicht. Die folgenden Blätter stehen in Divergenzen zwischen 90 und 180°. Bei Fertilität des Vorblattes fand ich den Achselsproß vor einem der Kiele. — Das Infloreszenzvorblatt von Tr. geniculata, das ein trocken- häutiges, an der Spitze rötliches, nur wenig über 1 em großes Blatt- Über Vorblattbildung bei Monokotylen. 227 gebilde darstellt, zeigt eine auffallend starke Entwicklung des einen Kieles. Auf diesem findet sich das einzige Gefäßbündel und vor diesem Kiele der weiter verzweigte Achselsproß. Der andere Kiel war kaum als solcher angedeutet. Während die erste Anlage sich als gleich- mäßiger Ringwall zeigt, beobachtete ich sehr frühzeitig, wie sich auf der später fertilen Seite ein Übergreifen des Randes bemerkbar macht, was weiterhin zur Ausbildung eines lang überhängenden Zipfels führt. Bei aufeinanderfolgenden Vorblättern fand ich immer abwechseinde Vorblatthälften gefördert und fertil, so daß hier wickelige Verzweigung vorliegt. Rhoeo (Fig. 124—127). Das Infloreszenzvorblatt von Rhoeo zeigt eine weniger starke, aber immerhin unverkennbare Förderung der einen Vorblatthälfte, was sich schon auf jüngsten Sta- v dien bemerkbar macht. Von 126 den folgenden drei Blättern ,94 HN unterhalb der Infloreszenz, die intransversaler Distichiestehen, v alterniert das erste mit der 127 größeren Vorblatthälfte. Das 5 Auftreten eines seitlichen Vor- blattes innerhalb der Doppel- wickel der Infloreszenz stellt den äußersten Fall von Reduk- Fig. 124—127. Rhoeo discolor. 124 In- tiondereinen Vorblatthälfte dar. jioreszenzsproß. 125 Querschnitt durch die Infloreszenz. 126 junge Knospe mit Vorblatt. twas ältere Knospe, eingehüllt vom Mayaca, Mayacacese. 17 e Vorblak” Die beiden grundständi- gen ersten Blätter der vegetativen Knospen gleichen den übrigen Laub- blättern vollständig und sind mit einbezogen in die Blattspirale. In jungen Stadien bildet das erste Blatt mit weit überragendem Zipfel eine schützende Hülle für die junge Knospe. Eriocanlon (Fig. 128). Eriocaulaceae. Der Fortsetzungssproß in der Achsel des letzten Laubblattes be- ginnt hier, ähnlich wie bei Triglochie und Acorus Calamus, mit einem vollständig als Laubblatt entwickelten Vorblatte, das schwach zwei- kielig ist. Die folgenden Blätter alternieren mit diesem. Auf tiefen Querschnitten sah ich eine durchgehende Zweizeiligkeit des ganzen Sproßsystems, auf höheren Schnitten aber eine Drehung des gesamten Doz 228 Elisabeth Rüter, Fortsetzungssprosses, entsprechend der Drehung, die der Infloreszenz- schaft erfährt. Elegia (Fig. 129—151). Restionaceae. Das vegetative, adossierte, zweikielige Vorblatt fand ich nır 3mm groß, schuppenförmig ohne Gefäßbildung. Es bestehen hier ähnliche Beziehungen zwischen der Ausbildung des Vorblattes und den folgenden Nieder- blättern wie bei Juncus und manchen Gramineen, Die Ungleichheit der Vor- blattkiele steht wohl hier wie anderswo in Beziehung zur Dorsiventralität der ganzen Pflanze. Aufeinan- derfolgende Vorblätter sah ich mit der stärker ent- Fig. 128. Eriocaulon Carsonii. Querschnitt wickelten Hälfte nach der durch den ganzen Sproß. ZY Laubblatt-Vorblatt. Seite des Substrates hin konvergieren. Die Endigung des Vorblattes fand ich von jüngsten Stadien an einheitlich. Die Blattstellung liegt zwischen 90° und 180° ' Divergenz. Ver- zweigung findet hier nur aus der Achsel der folgen- den Niederblätter statt. — Eine auf- fallende Ähnlichkeit zeigt das Infloreszenzvor- blatt mit: dem von Tradescantia und Rhoeo, indem sich nur ein Kiel entwickelt findet. Gefäßbündel fehlen hier ganz. Liliiflorae. Colchicaceae. Tofieldia ealyculata (Fig. 132-135). Fig. 129—131. Elegia densta. 129 Querschnitt Das kleinbleibende (1!/, cm) adossierte, durch eine vegetative zweikielige, vegetative Vorblatt ist deutlich Knospe. 130 j K . PANNE FERR rr r . H 131 Verschnit Euren ae zweispitzig. Jüngste Stadien zeigen auch hier Infloreszenz. einen gleichförmigen Ringwall. An Gefäß- Über Vorblattbildung bei Monokotylen. 229 bündeln sind nur zwei auf den Kielen vorhanden. Auffallend ist die Superposition des ersten Blattes, die sich schon in der älteren Literatur angeführt findet (Braun-Eichler 1875). Wie in den entsprechenden anderen Fällen müssen auch hier zwei seitliche Vorblattanlagen ange- nommen werden. Das superponierte Blatt bleibt an Größe hinter den folgenden zurück. Diese stehen in regelmäßiger medianer Disti- chie. Doch fand ich ausnahms- weise bei ganz jungen Knospen transversale. Seilla (Fig. 136— 137). Liliaceae. Das adossierte, 135 zweikielige Vor- blatt, das die Achselsprosse innerhalb der Zwiebelschuppen ° Querschni inhü i vi Fig. 132—135. Tofieldia calyculata. 132 Querschnitt einbüllt, 15 t wie durch einen Achselsproß. 133 junger Achselsproß. 134 Vor- diese weißlich, blattendigung. 185 Querschnitt durch eine ganz junge Knospe. dickfleischig, ein mit zahlreichen Gefäßbündeln ver- sehenes Nieder- blatt (11), cm). Es endigt mit ein- heitlicher, abge- stumpfter Spitze. Di i _ Fir. 196-137. Seilla campanulata. 136 Querschnitt € beiden fol durch die Zwiebel mit Achselspruß. 137 Querschnitt durch genden Blätter die Infloreszenz. / Infloreszenzachse, 77 Blüte, 37 Blüten- stehen transver- vorblatt. sal-distich. Das . erste alternierte in dem untersuchten Falle mit dem stärker entwickelten Vorblattflügel. In der Infloreszenz ist nur ein seitliches, 1 em großes Vorblatt vorhanden. — 230 Elisabeth Rüter, ° Ende Januar Ende Juni Fig 138-140. Convallaria majalis. 138 Vege- tative Knospe in der Achsel eines basalon Seide blattes an einer Blütenknospe. 139 Blütenknospe, N Scheidenblätter, / Infloreszenzachse mit Blüten Fi, D Deckblätter der Blüten. 140 Nichtblühender oberirdischer Trieb. Convallariaceae. Polygenatum, Bei Irmisch (1856) findet sich in bezug auf die Ausläuferknospen in den Achseln der basalen Scheidenblätter die DBe- merkung, daß man das erste Blatt dieser Knospen als links und rechts von dem Mutterblatte anzu- nehmen habe. Dasselbe fand ich bestätigt. Die folgenden Laubblätter al- ternieren mit dem seit- lichen Vorblatte und unter- einander. Convallaria majalis (Fig. 138— 140). Die zu Ausläufern werdenden Knospen in der Achsel basaler Niederblät- ter werden eingehüllt von einem klein bleibenden, weißlichen Vorblatte, das ich zum Teil typisch zwei- kielig adossiert fand mit folgender median-disticher Blattstellung, außerdem aber Übergänge bis zu aus- gesprochen transversal- disticher und die Gestalt des Vorblattes asymme- trisch. Diese letztere Blatt- stellung vorwiegend bei ganz jungen Knospen in der Achsel von Scheiden- blättern unterirdischer Ausläufer, die Anfang März gesammelt worden waren, die erstere bei Über Vorblattbildung bei Monokotylen. 231 einem orthotropen blühreifen Sprosse, der Ende Januar, und einem unter- irdischen Ausläufer, der Ende Juni ausgegraben worden war. Ir- misch (1856) gibt für diese Ansläuferknospen an, daß ihr erstes Blatt adossiert sei, allein diese Stellung sei nicht immer ganz deutlich, in- dem der Scheidenspalt der Blätter zuweilen so schief verlaufe, als ob die Mediane rechts oder links vom Mutterblatte liege. Bei Untersuchung der Knospen innerhalb der Laubblätter muß zuerst entschieden werden, ob die Infloreszenz als terminal oder lateral anzusehen ist. Irmisch spricht sich ganz deutlich an verschiedenen Stellen darüber aus, daß er die Infloreszenzen als lateral betrachte. Die zwei bis drei Laubblätter oberhalb der Infloreszenz, die in höchst auffallender Weise im Gegensatz zu der regelmäßigen Alternation der vorausgehenden Niederblätter nur in ein Viertel Divergenz zu dem letzten, die Infloreszenz umhüllenden Blatte stehen, sieht er als En- digung des Hauptsprosses an. Besonders deutlich geht seine Auf- fassung aus dem Vergleich hervor, den er zwischen Paris und Con- vallaria anstellt. (Bei Paris stehen nämlich die ersten Blätter an der Keimpflanze nach */, Divergenz, erst später setzt die %/,-Stellung ein). Dort heißt es: „Für die eigentümliche Blattstellung der Grund- achse von Paris dürfte es mindestens eine Analogie gewähren, daß bei Convallaria majalis oberhalb des gleichfalls axillären Blütenstengels auch die Divergenz ein Viertel auftritt“. Bernatzky’s Auffassung ist nicht ganz klar, da sich bei ihnı zwei kurz aufeinanderiolgende, ein- ander widersprechende Stellen finden. Einmal wird der Blütenstand als seitenständig bezeichnet. Dann aber sagt er: „Die Stellung der Blütenstandsnarbe und des vegetativen Seitensprosses beweist deutlich, wo eine Drehung der Blattstellungsebene stattgefunden hat“, wobei er unter vegetativem Seitensproß doch nur die letzten Laubblätter ober- halb der Infloreszenz gemeint haben kann. Viel deutlicher spricht sich Döll (1857) über die seiner Auffassung nach terminale Stellung der Infloreszenz aus, indem er sagt: „Von den erwähnten Niederblättern umgeben, bis zur Mitte umschlossen, erhebt sich der blätentragende Schaf“ Und an anderer Stelle: „In der Achsel des letzten ge- - schlossenen Niederblattes steht ein Laubzweig, dessen zwei bis drei alternierende Blätter sich mit der Spirale des Stengels kreuzen.* An blühreifen Knospen, die Ende Januar und später untersucht worden waren, konnte ich die eigentlichen Verhältnisse nicht erkennen. Ende Juni untersuchte ich nicht blühreife, oberirdische Triebe, die erst im nächsten Sommer zur Blüte kommen und in dieser Vegetationsperiode nur 2—-3 Laubblätter entfalten. Hier fanden sich wesentlich jüngere ‘ 232 Elisabeth Rüter, Blüten und Laubblattanlagen. Besonders deutlich war ein Fall, bei dem das drittvorletzte Niederblatt einen vegetativen Achselsproß trug, der dieselbe */,-Stellung zum Hauptsproß zeigte, wie die neben der Infloreszenz stehenden Laubblätter. Nach dieser Beobachtung müssen diese letzteren als vegetativer Sproß in der Achsel des vorletzten Niederblattes gedeutet werden. Es folgt dann nur noch das letzte, die terminale Infloreszenz umhüllende Niederblatt. Berücksichtigt man, daß auch bei Ausläuferknospen transversale Distichie auftritt, fällt das Auffallende dieser Blattstellung bei den höheren Knospen fort. Bei Irmisch finde ich eine Bemerkung, die den Vergleich zwischen beider- lei Knospen noch erhärtet. Dort heißt es: „Zuweilen stehen diese Laubblätter nicht unmittelbar neben dem Blütenstengel, sondern. sie sind erst in ein weit hinaufreichendes Scheidenblatt eingeschlossen, welches dann mit seiner Rückenfläche gegen den Blütenstengel ge- kehrt ist. Dann fiele der letzte Unterschied mit den Ausläuferknospen fort, der darin besteht, daß diese mit einem Niederblatte, dem ados- sierten Vorblatte, beginnen, während die höchsten Knospen gleich mit einem Laubblatte einsetzen. Parallele Fälle von Zweiganfängen der Fortsetzungssprosse in der Achsel der obersten Laubblätter wurden schon für Triglochin, Acorus Calamus und Eriocaulon beschrieben. Paris (Fig. 141 —142). Die Endknospe des Rhizoms birgt mehrere aufeinanderfolgende Generationen von Knospen in den Achseln ihrer Blätter bis in die jüngsten Blattanlagen hinauf. Wegen dieser von Dutailly als Antici- pation der Entwicklung bezeichneten Eigentümlichkeit findet sich Paris wiederholt in der älteren Literatur, so bei Braun (185i—52), Wydler (1854), Irmisch (1856), neueren Datums bei Schumann (1893) angeführt. Jeder dieser Sprosse, die sich zu einem Blüten- stengel entwickeln können — allerdings verkümmern immer einige, so besonders der erste — beginnen mit zwei oder einem Vorblatte. Bei den genannten Autoren finden sich ein tiefgespaltenes und zwei ge- trennte Vorblätter nebeneinander erwähnt, für die jüngsten Knospen- anlagen in der Regel zwei. Dies wird besonders schon von Wydler hervorgehoben zur Entscheidung, ob hier ein Vorblatt oder zwei ge- trennte anzunehmen seien. Jedenfalls ist die Verbindungsleiste der beiden Vorblätter, wie sie Irmisch abbildet, so schmal, daß sie leicht gar nicht zur Ausbildung kommen kann. Ich fand auf Serienschnitten zwei vollständig getrennte Vorblätter von ganz rudimentärer Beschaffen- heit ohne Gefäßbündel von unregelmäßiger Kontur. Die beiden Vor- Über Vorblattbildung bei Monokotylen. 233 blattanlagen sind hier offenbar auf ganz früher Entwicklungsstufe stehen geblieben, bevor noch eine’ Verwachsung eingetreten ist, oder wenn sich eben erst die Anfänge dazu zeigen. Fig. 141—142. Paris quadrifolia. 141 Querschnitt durch die Endknospe des Rhizoms. X Rhizomniederblätter. 142 Dasselbe tiefer, schwächer vergrößert. Asparagus (Fig. 143— 145). Asp. Sprengeri hat ein ganz ähnlich zarthäutiges Vorblatt wie Paris. Es ist mit bloßem Auge kaum wahrnehmbar, nur zwei Zell- lagen breit, ganz ohne Gefäßbündel und Spaltöffnungen, wie sie das ebenfalls häutige Tragblatt, das einzige Blatt außer dem Vorblatt, auf- a Mm Fig, 143144. Asparagus Sprengeri. 148 RAR durch einen Achsel- eproß 1. Ordnung. A Mittelsproß, A, 3 Achselsprosse des Vorblattes. 144 Vor- blatt- Endigung. Fig. 185. Asparagus officinalis. Seitensproß 1. Ordnung. weist. Der Rand des Vorblattes ist stark eingebuchtet. Zu beiden Seiten des sich zum reichverzweigten Langtriebe auswachsenden Haupt- sprosses finden sich Achselsprosse des Vorblattes, die sich zu den aus Phyllokladien bestehenden Kurztrieben entwickeln. Nur diese Achsel- sprosse erster Ordnung besitzen adossierte Vorblätter, die höheren sind 234 Elisabeth Rüter, vorblattlos. — Bei Asp. officinalis fand ich zwei vollständig getrennte Vorblätter von ebenfalls rudimentärer Beschaffenheit wie bei A. Spren- geri. Bei einer aus Samen aufgezogenen Topfpflanze waren sie ganz ohne Gefäßbündel und Spaltöffnungen, welche letztere aber bei einer kräftigen Freilandpflanze vorhanden waren. Immerhin sind auch hier die Vorblätter nur 3/, cm groß und trockenhäutig. Die Achselsprosse der Vorblätter bleiben hier in der Regel unentwickelt. Für die Blüten, die in ihrer Stellung diesen Achselsprossen entsprechen, erwähnt Eich- ler (1875) das Vorkommen rudimentärer Brakteen. Geitonoplesium. Die später ganz von der Rinde überwallten, im < von 90° mit ihrer Achse zur Hauptachse stehenden, vegetativen Knospen werden normal angelegt. Das erste Blatt fand ich hier adossiert mit einheit- lichem Rande, das zweite mit diesem alternierend. Smilax (Fig. 146—150). Das adossierte Vorblatt zeigt keine Besonderheit. Es ist ein v 19 ER Fig. 146-147. Smilax aspera. 146 Querschnitt durch eine Laubblattknospe. . 147 Querschnitt durch eine Niederblattachselknospe an einem Wurzelsproß. ’ Hig. 148—150. Smilax ornata. 148 Querschnitt durch eine Laubblattknospe. 49 ganz junge Knospe. 150 Querschnitt durch eine Knospe in der Achsel eines Niederblattes (Wurzelsproß). bräunliches Niederblatt von geringer Größe, in der Regel mit einheit- licher Endigung. Die erste Anlage zeigt bei Sm. ornata einen Ring- Über Vorblattbildung bei Monokotylen. 235 wall mit etwas erhöhter adaxialer Mitte. Bei Sm. ornata fand ich in einem Falle geringe Zweizipfeligkeit. Die Gefäßbündel waren bei Sm. hastata, Sarsaparillus uud ornata ringsum verteilt, nur bei Sm. aspera fanden sich zwei in seitlicher Stellung. Auffallend ist auch hier die superponierte Stellung des ersten Laubblattes, das wie in anderen Fällen von Superposition hinter den folgenden an Größe zurückbleibt, eine kleinere Lamina und kürzere Ranken besitzt. Knospen in der Achsel von Niederblättern an Wurzelschossen zeigten diese Blattstellung nicht, sondern transversale Distichie, während diese allgemein bei den Knospen in der Achsel von Laubblättern zu finden war. Yncca (Fig. 151). Das Vorblatt hat hier nur ein seitliches Gefäßbündel. Das erste Blatt folgt in etwas nach vorn verschobener, transversaler Distichie, so daß hier eher 151 ein seitliches als ein adossiertes Vorblatt CO) v vorliegt. Cordyline. Die im Winkel von 90° mit ihrer j Fig. 151. Yucca filamen- Achse zur Hauptachse stehenden, von der ne & Oherschnitt dureh einen Rinde überwallten Knospen zeigen das erste Achselsproß. Blatt nicht von den folgenden verschieden. Pontederiaceae. Eichhornea (Fig. 152—153). Das adossierte Vorblatt stimmt besonders auf jüngeren Stadien in seiner Ausbildung ganz mit der der Laubblätter überein. Später tritt allerdings die Spreite hinter der mächtig entwickelten Scheide zurück und bildet nur einen kleinen An- hangszipfel. Der Scheidenrand, der viel ä ; Fie. 152-153. Eichhornea azures. 152 Quer- stärker gelappt ist als schnitt durch einen Achselsproß. 153 junge Knospe, der des Laubblattes, eingehülit von der Vorblattscheide. dient mit seinen Schleim absondernden Drüsen zum Knospenschutz. Amaryllideae. Galanthus nivalis (Fig. 154—157). Der blütentragende Sproß wird hier eingehüllt von einem schmalen, 236 Elisabeth Rüter, trockenhäutigen, rings geschlossenen, adossierten Niederblatte mit stumpfer Endigung. Dann folgen zwei Laubblätter in medianer Distichie; das oberste ist Tragblatt der axillären Infloreszenz. Ich be- obachtete neben der Basis des Infloreszenzschaftes die von Irmisch (1860) als Terminalknospe bezeichnete Endigung des Hauptsprosses, die von Schumann (1890-94), trotz der alternierenden Stellung der Blätter mit den vorhergehenden, als Beiknospe bezeichnet wird, und die Infloreszenz dementsprechend als terminal. — Über die Zwei- wertigkeit der Infloreszenzspatha ist wohl kein Zweifel mehr. Die En- digung ist deutlich zweizipfelig. Die seitlichen Kiele sind, wie Eich- 154 157 Fig. 154—157. Galanthus nivalis. 154 Sproß mit Seitensproß. .S> Spatha. 155 Querschnitt durch den ganzen Sproß (hoch). Z Laubblätter, 77 Blüte. 156 dasselbe ohne Vorblatthülle höher. 157 basaler Querschnitt durch den ganzen Sproß. 4 Hauptachse. ler (1875) betont, so dick und grün und setzen genau seitlich ein, daß sie durchaus den Eindruck gesonderter Blätter machen. Während die Kiele zahlreiche Gefäßbündel besitzen, fehlen diese auf deren schmalen Verbindungsstrecken. Leueojum (Fig. 158—160). Die grüne, ebenfalls zweizipfelige Spatha von L. aestivum zeigt die Kiele nicht so scharf abgesetzt gegen die Verwachsungsstrecken und Gefäßbündel ringsum gleichmäßig verteilt. Das Auftreten von Doppelsehraubeln innerhalb der Spatha, wobei ein Schraubelzweig vor jedem Kiele zu stehen kommt, sieht Eichler (1875) als besonderen Beweis der Zweiwertigkeit der Spatha an. Die Einzelblüte hat nur ein seitliches Vorblatt, das Deckblatt der folgenden Blüte is. — In einem besonderen Falle sah ich an einem, mir von Herrn Dr. Hirmer Über Vorblattbildung bei Monokotylen. 237 überbrachten Exemplare von Leucojum vernum die Spatha als zwei vollständig getrennte Blätter, die nur adaxial eine kleine Strecke weit miteinander verwachsen waren. Außerdem fanden sich hier ausnahms- weise zwei Blüten entwickelt und zwischen ihnen ein fadenförmiges Gebilde, das als Achsenende gedeutet werden mußte, so daß hier volle Übereinstimmung mit L. aestivum herrschte. — Das adossierte Vor- 158) Fig. 158—159. Leucojum aestivum. 158 Spatha. 159 Querschnitt durch die Infloreszenz. #V Blütenvorblatt. Fig. 160. Leucojum vernum. Zweiblütige Infloreszenz. 4 Achsenende, a adaxial, 5 abaxial. blatt der vegetativen Knospe, zu dem die folgenden Blätter in me- dianer Distichie stehen, macht durchaus den Eindruck eines einheit- lichen Blattgebildes wie das von Galanthus. Nareissus (Fig. 161). Dasselbe gilt für die vege- tativen Knospen von N. Nur in einem Falle fand ich starke Ausbildung des einen Kieles und ebenfalls transversale Stel- lung des ersten Blattes. Eigen- tümliche Verwachsung beob- achtete ich zwischen dem Vor- Fig. iät. Nareissun biflorus. Quer- blatt und dem ersten Blatte, schnitt durch eine vegetative Knospe. wie sie Irmisch (1860) für die ersten Blätter einer Bei- knospe von N. Tazetta als aus Verschmelzung zweier hervor- gegangen beschreibt. % Hipeastrum (Fig. 162). ier sind i egel . . Hier sind in der Reg Fig. 162. Hipenstrum hybridum. Quer- zwei vollständig getrennte > . vr 6) bald von vornherein Fig. 197. Oncidium sphacelatum. Schema des Auf- etwas seitlich stehe. haus einer ganzen Pflanze. #7 Wurzelanlagen, V Nieder- Die Vorblätter der blätter, 7X vegetative Knospe, / Infloreszenzknospe, Z äiter mit Scheide versehene Laubblätter, 2 Laubblattanlagen, Infloreszenzseiten- - S Stammknolle. zweige aber stehen , immer seitlich, alle nach derselben Seite der Infloreszens gerichtet, eine den Verhältnissen in der vegetativen Region parallele Erscheinung, in der sich die Dorsiventralität des Gesamtbaues zu erkennen gibt. Coelogyne. Die vegetativen Knospen in der Achsel von Niederblättern und die auch hier dicht der Stammknolle anliegenden Infloreszenzen be- 250 Elisabeth Rüter, ginnen mit Vorblättern, die als adossiert-zweikielig bezeichnet werden können. Nur unterscheidet sich das dünnhäutige Infloreszenzvorblatt von dem derberen vegetativen dadurch, daß es nur einseitig ein auf- fallend größeres Gefäßbündel trägt, während bei dem vegetativen beide Flügel durch größere Gefäßbündel ausgezeichnet sind. Die Stellung der folgenden Blätter ist bei beiden transversal-distich. Die Vorblatt- endigung fand icli einheitlich nur bei einigen jungen vegetativen Knospen ganz schwach zweizipfelig. Da nach Pfitzer (1881) der Aufbau des Blütentriebes mit dem der ganzen Pflanze ohne weiteres verglichen werden kann, besteht eigentlich kein Unterschied zwischen vegetativer und Infloreszenzknospe; sie sind nur der Stellung am Hauptsproß nach verschieden. Soll Übereinstimmung mit den meisten der hier untersuchten Orchideen hergestellt werden, so könnte das In- floreszenzvorblatt auf Grund der seitlichen Lage seines größten Ge- fäßbündels und der transversal-distichen Stellung der folgenden Blätter Tragblatt Vorbtati 1. Bistt 2.Biett 3, Blatt > ea) > OD links links rechts finks rechts &= Vorblatt ß = Vorblatt IN deine Rand bedeckter Rand S — rechts links Fig. 198. als seitlich bezeichnet werden, das vegetative, wie in anderen Fällen auch, von diesem abgeleitet, durch seine besondere Lage die Gestalt eines adossierten annehmend, aufgefaßt werden. I Zusammenfassung der Ergebnisse des speziellen Teiles. Zunächst seien die Ergebnisse in bezug auf die Hauptfrage nach der Ein- oder Zweiwertigkeit des Vorblattes zusammengefaßt ohne Rücksicht auf die morphologische Gestaltung desselben. Helobiae. Butomaceae. Die hier angeführten Butomaceen kommen für die Frage nach der Wertigkeit nicht in Betracht. Zu erwähnen wäre hier nur das eine seitliche Vorblatt innerhalb der Seiteninfloreszenz von Butomus. — Alismaceae. Das adossierte Infloreszenzvorblatt von Alisma plantago ist entschieden Verwachsungsprodukt. Für das vegetative adossierte Vorblatt von Sagittaria muß die Frage unentschieden bleiben. u. Über Vorblatibildung bei Monokotylen. 2 Die vegetativen Vorblätter von Triglochin und Ruppia lassen keine sichere Entscheidung zu. Außer der einheitlichen Gestalt fand ich keine der eingangs erörterten Kriterien hier zutreffend. — Bei den Potamogetonaceen gilt dasselbe für P. Iucens, während sich die Vorblätter bei P. natans und alpinus durch Zweizipfeligkeit, bei Palpinus außerdem durch das Vorhandensein zweier Primordien als zweiwertig kennzeichnen. — Die Najadaceen und Hydrocharitaceen haben zwei vollständig getrennte Vorblätter. Außerdem kommen bei den Hydrocharitaceen Verwachsungsprodukte vor, als welche das vegetative Vorblatt von Elodea crispa, die zweizipfeligen Spathen von Hydro- charis, Limnobium, Vallisneria, Elodea canadensis und densa aufzufassen sind. Die vegetativen Vorblätter sind in diesen Fällen vollständig getrennt. Ein seitliches Vorblatt haben Hydrilla und Stratiotes, während die Infloreszenzen hier zweizipfelige Spathen besitzen, die offenbar Verwachsungsprodukte darstellen. Glumiflorae. Juncaceae. An sich läßt das vegetative Vorblatt von Juncus keine Entscheidung zu, aber der Vergleich mit dem ebenfalls adossierten, zweikieligen, deutlich zweizipfeligen Infloreszenzvorblatt machen seine Zweiwertigkeit. wahrscheinlich. Cyperaceae. Die vegetativen Vorblätter von Cyperus, Carex, Diplaerum lassen die Frage unentschieden, bei Scirpus und Isolepis spricht die seitliche Stellung des Vorblattachselsprosses für Zweiwertig- keit, ebenso bei den Inflorenzvorblättern von Cyperus und Dip- lacrum. Scirpodendron und Mapania haben zwei vollständig getrennte Infloreszenzvorblätter. Außerdem kommen zweizipfelige Verwachsungsprodukte vor, bei denen jede Vorblatthälfte einen Achsel- sproß trägt. Gramina. Hier fand ich in keinem Falle zwei vollständig ge- trennte Vorblätter, nur deutlich zweizipfelige bis tief gespaltene. So bei Zea, Coix, Festuca. Bei einer größeren Anzahl treten frühe Entwicklungsstadien auf, die als deutliche Anzeichen zweier Vorblatt- anlagen angesehen werden müssen. Die Seiten der anfangs gleichmäßig ringwallförmigen Vorblattanlage sind später deutlich gegenüber ‚der adaxialen Mittelpartie gefördert. Die Entwicklung jeder Vorblatthälfte entspricht der von Deinega (1898) für das Laubblatt von Dactylis glomerata beschriebenen. Es heißt dort: „Dieses Blatt entwickelt sich als ein den Vegetationspunkt halb umhüllender Wulst. Dieser Wulst wächst in die Breite und wandelt sich auf solche Weise in einen 252 Elisabeth Rüter, Ringwulst um ..... Diese Anlage fängt darauf an, mit ihrem Rande in die Höhe zu wachsen. Dieses Wachstum geht unregelmäßig, und zwar wächst die erst angelegte Partie viel schneller als die nachträglich gebildete Partie des Ringwalls.“ Die geförderten Seitenpartien des Vorblattes würden demnach den zuerst angelegten Partien der ringwall- förmigen Vorblattanlage entsprechen, d. h. den beiden seitlich anzu- nehmenden Vorblattprimordien. Später gleicht sich die Zweispitzigkeit in den meisten Fällen durch stärkeres Wachstum der adaxialen Mitte aus. Bei wenigen, so bei Zea, Coix, Festuca, bleibt sie dauernd erhalten. — Durchgehends findet sich bei den vegetativen Knospen der Gräser transversal-zweizeilige Blattstellung. Im Anschluß hieran sei einer Theorie erwähnt, die ebenfalls zum Beweise der Zweiwertigkeit des Vorblattes dienen soll. Bremekamp (1915) beobachtete die gleichsinnige Aufrollung von Tragblatt und Vorblatt einer Gramineen- knospe, während das erste Blatt entgegengesetzt gerolit ist. Diese Un- regelmäßigkeit sucht er dadurch theoretisch zu beseitigen, daß er zwei Vorblattanlagen annimmt. Der deckende Rand des Vorblattes entspricht dem «-, der bedeckte dem ß-Vorblatt. Folgendes Schema möge dieses erläutern (Fig. 198). Bei der Mehrzahl der vegetativen Knospen traf diese Regel zu. Nur in zwei Fällen, bei Oryza und Phalaris, fand ich neben regel- mäßiger vereinzelt gleichsinnige Aufrollung des Vorblattes und des ersten Blattes. — Die seitliche Stellung des immer nur in Einzahl auf- tretenden Vorblattachselsprosses der Knospen war ein weiteres Kenn- zeichen der Zweiwertigkeit. — In der Mehrzahl der Fälle war die adaxiale Vorblattmitte gefäßbündelarm bis ganz gefäßbündelfrei. Wo auch hier welche vorhanden waren, wie bei den großen Infloreszenz- vorblättern von Zea und Coix, waren dennoch die seitlichen durch frühzeitige Anlage und stärkere Entwicklung vor den übrigen bevorzugt. Das Auftreten einer starken Mittelrippe au der Palea superior von Oryza und Leersia konnte als Ausnahmefall auf Grund besonderer räumlicher Entwicklungsverhältnisse zurückgeführt werden. Spadieciflorae. Die Vorblätter der im Winkel von 90° mit ihrer Achse zur Haupt- sache gelegenen Knospen von Rhapis (Palmae) und Typha sind als einwertig anzusehen. Araceae. Das Laubblattvorblatt, aber auch das Niederblatt- vorblatt von Acorus Calamus, ersteres mit verschoben median ge- legenem Achselsprosse, müssen als einwertig angesehen werden. An- Über Vorblattbildung bei Monokotylen. 2583 thurium Grusonii bleibt unentschieden. Die transversale Stellung des auf das Vorblatt folgenden Blattes fand ich als einziges Kriterium der Zweiwertigkeit vorhanden. Das Auftreten eines ausgesprochen seit- lichen Vorblattes bei Pothos neben typisch adossierten und Übergangs- formen mit ungleich entwickelten Kielen legen die Annahme nahe, das adossierte als Verwachsungsprodukt zweier seitlicher Anlagen anzusehen, von denen sich bisweilen nur eine entwickelt. — Das Vorblatt von Calla stellt unzweifelhaft ein Verwachsungsprodukt dar, das sehr auf- fallend bei Calla palustris an den zwei Laminarrudimenten und der Superposition des ersten Blattes nach dem Vorblatte zu erkennen ist. Auch das Vorblatt von Philodendron ist zweiwertig auf Grund deutlicher Zweizipfeligkeit in jüngeren Stadien und der Stellung der Achselsprosse vor einem der Kiele. Enantioblastae. Commelinaceae. Das vegetative Vorblatt von Tradescantia muß wegen der seitlichen Stellung seines Achselsprosses als zweiwertig angesehen werden. Die Rückbildung des einen Kieles bei den ados- sierten Infloreszenzvorbiatte von Tr. genieulata bildet einen deutlichen Übergang zu den seitlichen Vorblättern innerhalb der Doppelwickel von Tr. virginica und Rhoeo. — Mayaca (Mayacceaae) besitzt an den vegetativen Knospen zwei grundständige Laubblätter. — Das Laub- blattvorblatt von Eriocaulon kann nur als ein einheitliches Blatt- gebilde aufgefaßt werden. — Bei Elegia (Restionaceae) zeigt das In- floreszenzvorblatt wie bei dem von Tradescantia geniculata eine Rück- bildung der einen Vorblatthälfte. Dasselbe kommt beim vegetativen Vorblatt durch ungleiche Ausbildung der Kiele zum Ausdruck. Liliiflorae. Bei Tofieldia (Colchicaceae) muß auf Grund der Superposition des ersten Blattes und der deutlichen Zweizipfeligkeit eine Doppel- wertigkeit des Vorblattes angenommen werden. — Bei Seilla (Liliaceae) deuten die transversale Blattstellung, die Ungleichheit der Kiele, der Ver- gleich mit dem einen seitlichen Blütenvorblatt daraufhin, für das vegetative Zweiwertigkeit anzunehmen. — Convallariaceae. Polygonatum besitzt ein seitliches Vorblatt. — Bei Oonvallaria ist das adossierte Vorblatt analog dem von Pothos nicht als einwertig auzusehen. Neben medianer Distichie kommen Übergänge bis zu ausgesprochen transver- saler Distichie vor zusammen mit zunehmender Ungleichheit der beiden Vorblattkiele. Das adossierte Vorblatt von Paris, das sich neben zwei 254 Elisabeth Rüter, vollständig getrennten findet, ist unzweifelhaft Verwachsungsprodukt, ebenso das von Asparagus Sprengeri auf Grund des Auftretens der beiden Achselprodukte und des Vergleiches mit den zwei getrennten Vorblättern von Asparagus offieinalis. — Similaceae. Wegen der Super- position des ersten Blattes muß das Vorblatt von Smilax als doppel- wertig angenommen werden. Dem widerspricht nicht, daß neben medianer Distichie transversale vorkommt. — Yucea (Dracaeneae) hat ein seit- liches Vorblatt. Die im Winkel von 90° mit ihrer Achse zur Haupt- achse stehenden Knospen von Cordyline haben einheitliche erste Blätter. Ebenso die in gleicher Weise zur Hauptachse stehenden Knospen von Geitonoplesium. — Bei Eichhornea (Pontederiaceae) muß das den Laubblättern sehr ähnlich gestaltete Vorblatt als einheitliches Gebilde aufgefaßt werden. -- Amaryllideae. Das erste Blatt der vegetativen Seitensprosse ist zweifellos einheitlich. Wo die Spatha ge- schlossen auftritt, wie bei Galanthus und Leucojum, ist sie offen- kundig Verwachsungsprodukt. Die Einzelblüten haben nur ein seit- liches Vorblatt. — Bei Tacca (Taccaceae) besteht die Spatha aus zwei getrennten Blättern. Innerhalb der Infloreszenz ist auch nur ein seit- liches Vorblatt entwickelt. — Das vegetative Vorblatt von Ananas (Bromeliaceae) läßt die Frage unentschieden. — Iridaceae. Das vegetative Vorblatt läßt hier ebenfalls keine Deutung zu. Die Blatt- stellung schwankt zwischen 180° und 90°. Das Inflorenzvorblatt kann auf Grund der seitlichen Stellung seines Achselsprosses als zweiwertig angesehen werden. — Die vegetativen Knospen von Dioscorea (Dio- scoreaceae) beginnen mit zwei grundständigen Laubblättern, die Blüten mit einem seitlichen Vorblatte. Seitamineae. Das Vorblatt der im Winkel von 90° zur Hauptachse stehenden vegetativen Knospen von Musa ist einwertig. — Zingiberaceae. Die vegetativen Vorblätter von Zingiber und Costus sind entschieden einwertig. Das Iniloreszenzvorblatt aber ist wegen der seitlichen Stellung seines Achselsprosses als zweiwertig anzusehen. Seine seitliche Versehiebung bei Zingiber deutet hin auf die Verhältnisse bei Costus, wo nur ein seitliches Vorblatt vorhanden ist. Das vegetative Vorblatt der im < 90° zur Hauptachse stehenden Knospe von Canna ist ein- heitlich. Das Grundvorblatt der Bereicherungssprosse der Infloreszenz läßt sich nur auf Grund des Vergleiches mit dem seitlichen Vorblatt der Einzelblüten als zweiwertig deuten. — Marantaceae. Die Über Vorblattbildung bei Monokotylen. 255 Infloreszenzvorblätter von Maranta und Canna mit ihren beidersei- tigen Achselsprossen sind entschieden zweiwertig. Orchidaceae. Das adossierte Vorblatt von Spiranthes scheint eher einwertig als zweiwertig zu sein. Dasjenige von Microstylis ist auf Grund der Superposition des ersten Blattes sowie deutlicher Zweizipfeligkeit entschieden zweiwertig. Am meisten verbreitet bei den Orchideen ist das seitliche Vorblatt, das infolge Verwachsung seiner Ränder und adaxialer Abplattung in der Gestalt einem adossierten sehr ähnlich werden kann. Entscheidend ist in diesen Fällen die seitliche Lage des oft einzigen Gefäßbündels und die transversal zweizeilige Stellung der folgenden Blätter. Nach dem Beobachteten treten die Kriterien, die für die Ein- wertigkeit des Vorblattes von Bedeutung sind, zurück hinter den für die Zweiwertigkeit geltenden. Vor allem kommt der medianen Zweizeilig- keit nicht die Wichtigkeit zu, die ihr die Bravais (1837), Röper (1843). Eichler (1875), Pax (1890) gegeben haben, die gerade darin den Hauptbeweis für die Einheit des Vorblattes sehen. In den untersuchten Fällen trat regelmäßige mediane Alternation seltener auf als Zwischen- stellung zwischen 180° und 90% In der häufigsten Zahl der ange- führten Fälle fand sich transversale Distichie, und wo diese vorkommt, wird sie mit größerer Konstanz festgehalten als die mediane. So z. B. innerhalb der großen Familie der Gräser. Hier fand sich, mit Aus- nahme der Infloreszenzknospen von Zea, keine Verschiebung der Blatt- stellung. — Das andere wichtige Kriterium der Einwertigkeit des Vor- blattes, die mediane Stellung seines Achselsprosses, fand ich nur in einem Falle verwirklicht, bei Acorus Calamus, wo eine Einwertig- keit des Laubblattvorblattes nicht bezweifelt werden konnte; sonst in keinem der untersuchten Fälle. Wo diese bisher auf Grund der fertigen Verhältnisse, wie bei Iris, angenommen wurde, konnte an jungen Stadien nachgewiesen werden, daß hier späterhin Verschiebungen statt- gefunden haben. — Besondere Erwähnung verdient noch das Auftreten eines seitlichen Vorblattes neben einem adossierten, wie es sich bei Rhoeo, den Amaryllideen, den Marantaceen an den Einzelbläten bei adossiertem, zweikieligem Grundvorblatte der Infloreszenz findet. Diese Tatsache läßt sich gut mit der Annahme eines zweiwertigen Grundvorblattes in Einklang bringen, zumal sich in allen diesen Fällen in der meist doppelten Fertilität desselben ein deutliches Kriterium hierfür fand. An den Einzelblüten muß dementsprechend das zweite 256 Elisabeth Rüter, Vorblatt als geschwunden angesehen werden. Auch die Fälle von Pothos und Convallaria gehören hierher, wo das vegetative Vor- blatt bald als adossiertes, bald als seitliches auftritt und sich dazwischen asymmetrische Übergangsformen mit einseitig stärker entwickeltem Vor- blattkiele findet. Niemals fand sich in diesen Fällen die adaxiale Mittel- partie an Stelle des schwindenden Kieles besser entwickelt, wie es doch bei Annahme eines einwertigen Vorblattes unter diesen günstigeren Raumverhältnissen zu erwarten wäre. Werden auch hier zwei seitliche Vorblattanlagen angenommen, von denen sich bisweilen nur eine ent- wickelt, ist dies eher verständlich. Was die morphologische Ausgestaltung anbetrifft, so ist das vegetative Vorblatt in der Regel Niederblatt von geringer Größe. Nur bei den Araceen, wo ja auch die übrigen Blätter meist gewaltige Aus- dehnung besitzen, fand ich es auffallend groß am größten bei Philoden- dron. Offenbar besteht außer dieser Beziehung zwischen der Vorblatt- größe und der der übrigen Blätter im allgemeinen noch eine besondere in bezug auf die nächstfolgenden. Schließen sich Niederblätter an das Vorblatt an und ist der Übergang zu den Laubblättern ein allmählicher, bleibt das Vorblatt auffallend klein. So bei Juncus und manchen Gräsern. Fehlen die Niederblätter und Übergangsformen und folgen gleich Laubblätter, wird das Vorblatt verhältuismäßig groß, wie z. B. bei Seirpus. Auch Philodendron, wo nur das einzige Laubblatt auf das Vorblatt folgt, muß hier angeführt werden. In der Mehrzahl der Fälle ist das yegetative Vorblatt trockenhäutig, mit wenig Chloro- phyli, so bei den Helobiern, bei den Gramineen, bei Paris und Asparagus, bei den Orchideen. Versklerenchymt, derbwandig ist es bei Juneus, Seirpus, Oyperus, Carex, Anthurium, Pothos, Iris, stark verkieselt bei Bambus, interzellularenreich bei den Gra- mineen Phragmites, Oryza, Phalaris, bei Acorus, Calla, Philodendron, dickfleischig-weiß bei Scilla, Polygonatum, Convallaria — Übergangsformen zum voll entwickelten Laubblatt bildet das chloro- phylihaltige Vorblatt von Fuirena mit der Ligularbildung, das mit zwei Laminarrudimenten versehene, chlorophylihaltige Vorblatt von Galla palustris und das eine verkümmerte Lamina besitzende von Eichhornea azurea. — Endlich tritt das Vorblatt als voll entwickeltes Laubblatt auf, auf das die Bezeichnung Vorblatt zum Unterschied. gegenüber den folgenden Blättern eigentlich nicht mehr paßt, des Vergleiches mit den übrigen Über Vorblattbildung bei Monokotylen. 257 Vorblattformen wegen aber hier beibehalten worden ist. Hierbei muß unterschieden werden, ob bei allen Knospen Laubblattvorblätter vor- kommen oder nur in Einzelfällen. Bei allen Achselknospen von Najas ist das eine Vorblatt Laubblatt, das zweite der tieferen Sprosse, das einzige der höheren. Alle vegetativen Zweige von Mayaca und Dios- corea besitzen zwei grundständige Laubblätter. In Fällen, wo in der Regel Niederblattvorblätter gebildet werden und nur vereinzelte Laub- blattvorblätter auftreten, finden sich diese nur in höheren Blattachseln, meist in den obersten oder vorletzten an den sogenannten Forsetzungs- sprossen, so bei Triglochin, Acorus Calamus, Eriocaulon und Convallaria. . Das Infloreszenzvorblatt ist in der Regel zarthäutiger als +las vegetative, weißlich, bisweilen von derselben Farbe wie die Blüte, so bei Seilla. Bei den Amaryllideen ist es derb und grün. Seine Größe ist der der Blüte entsprechend. In biologischer Beziehung ist das adossierte Vorblatt in den meisten Fällen ein wirksamer Kuospenschutz, indem es als erstes, den übrigen in der Entwicklung vorauseilendes Blatt die junge Knospe mit mehr oder weniger derber Hülle vollständig einschließt. Seine end- gültige Größe kommt hierbei nur insofern in Betracht, als es je größer und kräftiger es entwickelt ist, desto längere Zeit die heranwachsende Knospe schützen umhüllt, wie z. B. bei den Araceen. Nur in wenigen Fällen fand ich den Knospenschutz von dem, resp. den folgenden Blättern übernommen, so bei Ruppia und der Infloreszenzknospe von Dipla- erum. — Bei zwei Vorblättern dient häufig das erste im besonderen als Knospenschutz, inden es allein die junge Knospe umschließt, so bei Hydrocharis, Limnobium, Dioscorea, Mayaca. In anderen Fällen sind beide Vorblätter gleichnäßig beteiligt, wie bei Najas, bei Vallisneria, bei Elodea, an den Infloreszenzknospen von Seirpeden- dron und Mapania, der Amaryllideen. Die rudimentären Vor- blätter von Paris und Asparagus kommen als Knospenschutz kaum in Betracht und scheinen vielmehr der Raumausfüllung zu dienen, was besonders bei Paris zu erkennen ist. — Auch das einzelne, seitliche Vorblatt kann einen wirksamen Knospenschutz bilden, so besonders bei den Orchideen, auch bei Hydrilla, weniger bei Stratiotes und Costus und den Einzelblüten der Amaryllideen. II. Im Anschluß hieran seien noch einige Versuche erwähnt, die sich Flora, Bd, 110. Ö 258 Elisabeth Rüter, mit der Frage beschäftigen: ist es möglich, als Niederblätter auftretende Vorblätter zu Laubblättern zu entwickeln? Da nach Goebel (1880) die Umbildung der Blattanlage zum Niederblatt auf einer sehr frühen Stufe vor sich geht, war es nötig, auf jüngste Knospenanlagen eine Beeinflussung auszuüben. Dies ge- schah durch vorsichtiges Entgipfeln der Sproßenden, wodurch die zunächst dem Gipfel stehenden, jüngsten Knospen zum Austreiben ver- anlaßt werden sollten. Ein Teil der Versuche wurde an Keimpflanzen von Asparacus Sprengerigemacht. Entgipfelung an etwas älteren, 10—15 em hohen Pflanzen war ohne Erfolg. Am 14. Februar ausgesäte Samen von Asp. Sprengeri wurden ins Warmhaus gestellt, und am 6. März ein noch unverzweigter Sproß ent- gipfelt. Am 13. März war die Knospe unterhalb der Entgipfelungsstelle zu einem Langtrieb ausgewachsen. Ihr Vorblatt war über doppelt so groß wie das normale, zeigte sich aber in seiner anatomischen Be- schaffenheit nicht verändert. Keimpflanzen, die am 1. Mai ausgesät, am 17. Mai entgipfelt und dann unter eine Glasglocke an einen schattigen Ort des Warmhauses gebracht worden waren, zeigten ein Ergrünen der ganzen Pflanze, des sonst braunen Stengels, des trockenhäutigen Deekblattes und Vorblattes und eine starke Vergrößerung dieser, aber auch hier keine anatomischen Veränderungen des Vorblattes.: Ein Entgipfelungsversuch im Freiland am 11. Mai an einem 21 cm hohen unverzweigten Sproß von Asparagus officinalis zeigte am 24. Mai ein Austreiben des Seitenzweiges unterhalb der Entgipfelung und eine geringe Vergrößerung der Vorblätter gegenüber den normalen, sowie ein Ergrünen derselben. Sonst zeigten sich keine Veränderungen. Weitere Versuche wurden an Gräsern ausgeführt, vor allem an den unterirdischen Ausläufern von Agropyrum repens. Ganze Pflanzen von Agropyrum repens wurden am 10. Mai in Töpfe mit Mistbeeterde gepflanzt, nachdem die Ausläufer vorsichtig ent- gipfelt worden waren. Nach einigen Tagen wurden sie gemäht. Hor- deum bulbosum, Festucaglauca, Cynosurusceristatus wurden gleichfalls eingepflanzt und etwas später gemäht. Doch zeigten sich bei der Untersuchung am 16. Juni keine auffallenden Vorblatt- bildungen, Eine am 18. Juli in ein Mistbeet gebrachte Pflanze von Agropyrum repens, die später wiederholt abgemäht wurde, zeigte bei der Unter- suchung am 10. Oktober an einer Halmknospe ein auffallend großes Über Vorblattbildung bei Monokotylen. 259 Vorblatt, dessen Größe 3,8 cm gegenüber 2,2 cm des Vorblattes an der Kontrollpflanze betrug. Ferner wurden Ausläufer von Agropyrum repens am 29. Mai entgipfelt und in eine feuchte Kammer im Laboratorium ans Licht ge- stell. Am 4. Juni beobachtete ich, daß das Vorblait an der sich ent- wickelnden Knospe unterhalb der Entgipfelungsstelle ergrünt war und eine derbere Beschaffenheit angenommen hatte als das normale. Am nicht entgipfelten Kontrollrhizom trieben die Seitenknospen nicht aus. Der Kontrollversuch im Dunkeln am 9. Juni zeigte am 15. Juni nur ein derbwandigeres Vorblatt an der obersten, sich entwickelnden Seitenknospe gegenüber den normalen. Die Kontrollpflanzen zeigten auch hier kein Austreiben der Knospen. Am 2. Juni wurde derselbe Versuch im Südkulturhaus wiederholt. Das ganze Rhizom ergrünte, ebenso das Vorblatt unterhalb der Ent- gipfelungsstelle, das zugleich derber und größer geworden war als die Vorblätter kräftiger Achselsprosse eines normalen Halmes. Sonst aber wies es keine anatomischen Veränderungen auf. An nicht entgipfelten Rhizomen war kaum eine Weiterentwicklung der Seitenknospen zu beobachten. . Versuche in feuchter Kammer an abgeschnittenen Internodien verschiedener Gräser, um die hier befindlichen, für gewöhnlich nicht austreibenden Knospen zur Entwicklung zu bringen, waren ohne Erfolg. Die Halmstücke vertrockneten. Die Versuche ergeben, daß wohl eine geringe Beeinflussung der Vorblattentwieklung möglich ist, indem das Vorblatt unter günstigen Bedingungen zu stärkerer Entwieklung und Ergrünung gebracht werden kann. Aber eine eigentliche Weiterentwicklung auf eine höhere Aus- bildungsstufe konnte nicht erzielt werden. Die Umbildung zum Nieder- blatt geschieht hier offenbar auf so frühem Stadium, daß eine Beein- flussung nach der Richtung hin nicht möglich ist. Kurze Übersicht der Hauptergebnisse. In bezug auf die Hauptfrage hat sich ergeben, daß in den meisten Fällen eines adossierten, zweikieligen Vorblattes doppelte Vorblattanlage anzunehmen ist. Die Verschmelzung zu einem Blatte kann so frühzeitig geschehen und so vollständig sein, daß das Vorblatt durchaus als ein- heitliches Blattgebilde auftritt und als solches gerechnet wird. In solchen Fällen bleibt häufig nur der Vergleich mit zweiwertigen Vorblättern derselben oder einer nah verwandten Pflanze als einziges der eingangs erwähnten Kriterien übrig. Ausgenommen hiervon muß uns erste Blatt 260 Elisabeth Rüter, derjenigen Knospen sein, die mit ihrer Achse im Winkel von 90° zur Hauptachse stehen. Wenn auch, wie in einzelnen Fällen nachgewiesen werden konnte, die erste Anlage dieser Vorblätter normal adossiert ist, sind sie doch späterhin so anderen Bedingungen unterworfen, die ganze Knospe bleibt in ihrer Entwicklung zurück, so daß sich keine Anhalts- punkte in betreff der Hauptfrage ergeben. Das erste Blatt in seiner den folgenden meist vollständig gleichen Ausbildung muß hier vielmehr als einheitliches Blatt angesehen werden. Ebenso sind in den unter- suchten Fällen die als vollständige Laubblätter entwickelten Vorblätter als einheitliche, den folgenden Blättern durchaus analoge Blattgebilde zu betrachten. Immerhin kann aber als Hauptergebnis der Untersuchungen das typisch-adossierte, zweikielige Vorblatt als ein den beiden Vorblättern der Dikotylen homologes Verwachsungsprodukt angesehen werden. In bezug auf seine morphologische Ausgestaltung durchläuft das Vorblatt alle Stufen der Blattentwieklung vom Niederblatt bis zum voll- entwickelten Laubblatt. — In biologischer Beziehung dient es mit ver- einzelten Ausnahmen als Knospenschutz. — Experimentell gelang es nicht, es vom Niederblatt zu einer höheren Ausbildungsstufe zu bringen. Es konnte nur eine geringe Beeinflussung in bezug auf Größenent- wicklung und stärkerer Ergrünung erzielt werden. Zum Schlusse möchte ich meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Geheimrat von Goebel, für seine gütige Hilfe und stete Anregung meinen herzlichen Dank aussprechen. Literatur. Bernatzky, Lilinceae. Lebensgesch. d. Blütenpfl. Lief. Bd. XXI, Abt. 3, 1914. Braun, A., Verjüngung in der Natur. 1851. — Individuum der Pflanze. 1853. — Über das Vorkommen mehrerer Hüllblätter am Kolben von Arum maeul., Galla palustris L. und Richardia africana Knuth. Verhandl. d. bot. Vereins f. d. Provinz Brandenburg, I, 1859. Bravaie, L. u. 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Ann. de Sc., Serie 8, Tome III, 1897. Wydier, H., Morphologische Notizen. Flora 1854, Nr. 4. Ninhydrin als mikrochemisches Reagens auf Amino- säuren. Von Oscar Loew. Das von Ruhemann') im Jahre 1910 zuerst dargestellte Triketo- Hydrindenhydrat oder Ninhydrin wurde von ihm als Reagens auf a-Aminosäuren erkannt. Diese liefern selbst bei großer Verdünnung beim Kochen mit Ninhydrin eine blaue Färbung. Abderhalden?) hat von dieser Reaktion bei Prüfung tierischer Flüssigkeiten Gebrauch gemacht. Er löste 0,1 g Ninhydrin in 30 ceem Wasser und fügte 1—2 Tropfen zu 1 cem der zu prüfenden Flüssigkeit und kochte. Die Lösung muß neutral reagieren, weil sowohl Säuren als Alkalien die Reaktion hemmen oder vernichten. Er fand, daß Glycocoll noch bei einer Verdünnung von 1:65000, Leuein bei 1:25000, Glutaminsäure bei 1:22000, As- paraginsäure 1:19000, Phenylalanin bei 1:26000, Histidin bei 1: 79000, Aminobuttersäure bei 1:16000 noch eine blaue Färbung liefern. Es ergab sich nun die Frage, ob diese Reaktion nicht auch für pflanzenmikrochemische Zwecke verwendet werden könnte und ob diese Unterschiede nieht noch bedeutender ausfallen würden, wenn die Reaktion bei gewöhnlicher Temperatur einsetzen würde. In der Tat beobachtete ich hier bedeutende Unterschiede. Mit einer Lösung von 0,1 g Ninhydrin und 10 ccm Wasser liefern bei Zimmertemperatur Aminoessigsäure, Alanin, Leuein und Histidin schon in 15 Minuten eine ziemlich starke blaue Färbung, Lysin und Arginin in etwa 20 Minuten, As- paraginsäure und Glutaminsäure in etwa 2 Stunden, Phenylalanin in 3 Stunden; Tyrosin aber reagiert selbst nach 24 Stunden nicht. Von 1) Chem. Zentratbl. 1910, II, pag. 813. Das Ninhydrin entspr.cht der Straktur- N formel | | on NV 5) Zeitschr. physiol. Chem. 72, pag. 37 und 85, pag. 143, Ich habe gezeigt. daß Ninhydrin ein allgemeines Gift ist. Biochem. Zeitschr., Bd. IXLX, pag. 111. 3 Zwar geben auch Milch, Speichel und Eierklar auch die blaue Reaktion, wofür jedoch Spuren vorbandener Aminosäuren verantwortlich zu sein scheinen. Ninhydrin als mikrochemisches Reagens auf Aminosäuren. 263 wesentlicher Bedeutung ist hierbei jedenfalls der verschiedene Energie- gehalt in der Aminogruppe. Asparagin, welches ein Amid einer Aminosäure ist, liefert nur eine rötlich-gelbe Färbung, die für mikrochemische Zwecke zu schwach ist. Beim Kochen wird die Färbung tiefrotbraun. Bei Verwendung des Ninhydrin zu mikrochemischen Zwecken, um eine Eiweißzersetzung zu erkennen, ist daher festzuhalten, daß eine bei gewöhnlicher Temperatur im Laufe von 1--2 Stunden einsetzende Bläuung von Schnitten auf verschiedene Aminosäuren deuten kann, nicht aber auf Tyrosin und Asparagin. Da nun beim Eiweißzerfall das Leuein in besonders bedeutender Menge häufig auftritt, so dürfte jene Reaktion nicht selten wesentlich auf Leuein zu deuten sein. Das Zein, ein Proteinstoff der Maiskörner, liefert z. B. nach Osborne bei der Spaltung 19,55% Leuein. Da ferner bei Schnitten. durch angekeinte Maiskörner die blaue Reaktion schon bei gewöhnlicher Temperatur nach 1—2 Stunden eintritt und zwar wesentlich in der Randzone des Seutellums, so dürfte die Bläuung zum größten Teil wohl dem Leucin zuzuschreiben sein. Schnitte durch den Stengel von Lupinenkeimlingen, welche mit Ninhydrinlösung auf dem Objektträger kurz erwärmt werden, zeigen eine intensiv blaue Reaktion, ebenso Schnitte durch Kotyledonen dieser Keimlinge 2), Schnitte durch ausgewachsene Blätter liefern die Reaktion gewöhnlich nicht, dagegen häufig solche durch junge Blätter, wobei besonders in den Blattnerven die blaue Färbung erscheint. Unreife Früchte von Lilium geben intensive Reaktion. Algen, wie Spirogyra und Oedogonium, geben bei gewöhnlicher Temperatur keine Spur von Reaktion und ebensowenig beim Kochen®). Wenn die Algen jedoch 5 Tage im Dunkeln verweilt haben und dadurch eine Zersetzung von gelöstem Reserveeiweiß beim Aushungern eingetreten ist, so erhält man beim Auskochen dieser Objekte mit wenig Wasser eine schwach blaue Reaktion in diesem mit Ninhydrin®). 1) Hierbei zeigen auffallenderweise auch die Zellmembranen eine starke Bläuung, was mehrere Ursachen haben könnte. . . unlich 2) Nur einmal habe ich bei einem Kerne von Spirogyra bei gewöhnlicher Temperatur mit Ninhydrin eine langsam eintretende Bläuung bemerkt, habe aber diese Beobachtung später nicht mehr machen können. . . 3) Ninhydrin liefert beim Erhitzen auch mit Zuckerarten eine blaue Reaktion, aber nur bei Gegenwart von Ätzalkalien, während bei Gegenwart von Alkalikarbonton eine kirschrote Färbung entsteht. Diese Reaktion hat aber keine besonderen Vor- teile vor der Fehlings-Lösung. 264 Oscar Loew, Ninhydrin als mikrochemisches Reagens auf Aminosäuren. Da die bei der Eiweißzersetzung erzeugten Aminosäuren bei ihrem Transport in der Pflanze allmählich der Oxydation unterliegen, wobei jedoch der Stickstoff derselben als Ammoniak frei wird, das entweder direkt zur Bildung von Eiweißstoffen dient oder einstweilen in der Form von Asparagin gespeichert wird, so kann man bei ein und demselben Objekt die Reaktion nur in einem ganz gewissen Stadium erhalten; denn Asparagin liefert ja die blaue Reaktion nicht, ebenso- wenig die reinen Proteinstoffe der Zellen. Die längere Einwirkung des Reagens bei Zimmertemperatur hat den Vorteil vor dem Erhitzen, daß die Aminosäuren besser lokalisiert bleiben und nicht so rasch aus den ursprünglichen Zellen herausdiosmieren !). 1) Die zu meinen Versuchen nötigen Proben Histidin, Arginin und Lysin hat mir Herr Prof. Dr. Willstätter gütigst übergeben, wofür ich demselben auch an dieser Stelle meinen besten Dank ausdrücken möchte. Über die Inhaltskörper der Myriophylium-Trichome. Von Erna Janson. (Aus der biochemischen Abteilung des botanischen Institux München.) Über die kugelförmigen Inhaltskörper der Triehome von Myrie- Phyllum hat zuerst Vöchting, dann Raciborskil) Beobachtungen ver- öffentlicht. Vöchting beobachtete Löslichkeit in Kali, Glyzerin und Alkohol, ferner, daß die Kugeln in alten Zellen eine gelbliche Färbung annehmen. Raciborski fand sie löslich in starkem Ammoniak und in Eisessig, aber nieht in Salzsäure, Salpefersäure. Schwefelsäure und Pikrinsäure. Ferner beobachtete er eine Rotfärbung dureh Vanillin- salzsäure. Er schließt, daß wahrscheinlich jene Kugeln aus einem Glukosid bestehen. Ich habe zunächst die Reaktionen dieser Forscher wiederholt. Dabei wurde ich bald zu der Ansicht gedrängt, daß die Kugeln in den vorderen Zellen der Trichome sich in wesentlichen Punkten abweichend von denen in den Zellen der Basis verhalten, daß nämlich letztere die unveränderte, erstere die veränderte Substanz enthalten. So klären sich auch einige Widersprüche der erwähnten Forscher vollständig auf. Je nachdem die Beobachtung auf die basalen Zellen oder auf die Eipfelständigen gerichtet wurde, konnte ein verschiedenes Resultat in die Erscheinung treten. Diese Verschiedenheit ist schon von Raci- borski angedeutet, wenn auch nicht weiter verfolgt worden (]. c., pag. 349): „Der Inhalt der Bläschen, welcher lange farblos bleibt, bekommt mit dem Alter der Zellen, wahrscheinlich infolge eines Oxydationsprozesses, häufig eine gelbliche, manchmal fast braune Farbe, und verschwindet. während des Zugrundegehens der Trichome, also gewöhnlich noch be- vor die Blätter ausgewachsen sind. Die Bläschen schwinden in den einzelnen Trichomen in basipetaler Folge. In den untersten Zellen bleiben sie viel länger unverändert als in den oberen“ Da Raci- borski auch beobachtete, daß die Trichome in basipetaler Folge ent- stehen, so darf woll gefolgert werden, daß die Kugeln in der Basis die jüngsten, zuletzt entstandenen, und die gegen die Spitze die älteren sind. Damit steht auch in Übereinstimmung, daß die letzteren häufig 1) Ber. d. D. botan. Ges, 1898, Bd. XI, Heft 5. 266 Erna Janson, eine gelbe Färbung zeigen, während die ersteren noch vollständig farb- los sind. Auch in Lichtbrechungsvermögen besteht ein ganz bedeuten- der Unterschied, den auch Raciborski bemerkt hat. Essigsäure ver- ändert die Kugeln in der Spitze nicht, während die an der Basis sich zu kleineren Kugeln zusammenziehen. — Die Behandlung mit Eisenvitriol gab eine starke Dunkelfärbung: Es befand sich also ein Gerbstoff in den Kugeln. Daraus braucht je- doch nicht zu folgen, daß Gerbstoff der eigentliche Bestandteil der Kugeln ist; schon eine geringe Beimengung zur Hauptsubstanz konnte die Färbung hervorgerufen haben. — In der Tat zeigte die Substanz, der Kugeln im übrigen ein Verhalten, wie es Gerbstoff nun und nimmermehr zukommt. — Raciborski gibt zwar an, keine Gerbstoff- reaktion erhalten zu haben, aber er benutzte als Reagens eine konzen- trierte Eisenchloridlösung. Eine solche versagt aber sehr häufig in- folge ihrer stark sauren Reaktion; Eisenvitriol bei Luftzutritt ist viel zuverlässiger, warauf Loew hingewiesen hat. — Eine Lösung von Va- nillin in rauchender Salzsäure liefert eine kirsehrote Färbung, welche früher oft auf Phlorogluein gedeutet wurde. Indessen gibt nicht nur freies Phloroglucin, sondern auch verschiedene seiner Verbindungen, dieselbe Färbung. Hierher gehört wohl in erster Linie das zu den Gerbstoffen gerechnete Maclurin, welches eine Verbindung von Phloro- gluein mit Protocatechusäure ist. Nach Hartwich und Winkel geben überhaupt die Phloroglykotannoide mit Vanillinsalzsäure sofort jene in- tensiv rote Reaktion). Zu den Verbindungen, welche Phlorogluein bei der Spaltung liefern, gehört auch das Phloretin, Quercetin und Hes- peredin. Es gibt aber noch verschiedene andere Stoffe, die keine Phloroglucinderivate sind und doch eine rote Färbung hervorbringen, wenn auch meist langsamer und schwächer als Phlorogluein. Zu diesen gehören Resorein, Brenzkatechin und das gewöhnliche Gallotannin. Es ist also wohl möglich, daß der mit Eisenvitriol nachweisbare Gerbstoff jener Kugeln auch die rote Reaktion mit Vanillinsalzsäure erzeugt hat. Wie Vöchting habe auch ich beobachtet, daß Ätzkali die Kugeln löst; ebenso löst starkes Ammoniak, verdünntes jedoch nicht. Bei längerer Beobachtung jener Inhaltskörper ergab sich eine kaum . zu verkennende Ähnlichkeit mit den durch Coffein in Spirogyra und in Organen vieler höherer Pflanzen erzeugten Proteosomen, die Loew 1) 8. ferner Tumann, Pflanzenmikrochemie, pag. 380. Es mag hier noch angeführt werden, daß auch die Gerbstoffschläuche in den Trieben von Rosa sich, wenn auch langsam, stark rot färben mit Vanillinsalzsäure. ‘ | ! Über die Inhaltskörper der Myriophyllum-Trichome, 2367 und Bokorny beschrieben haben. Falls nun auch diese Kugeln aus labilem Eiweißstoff bestehen, so mußte eine schwache Basis in den Zellen gebildet worden sein, welche ähnlich wirkt, wie das Coffein bei der Proteosomen-Ausscheidung aus Spirogyra und anderen Objekten}. Nur schwache Basen können diese Eiweißstoffe in labilem Zustand aus den Vakuolen ausscheiden; Ammoniak und andere starke Basen pro- duzieren zahlreiche kleine Granula, welche sich so rasch verändern, daß sie nicht mehr zu Kugeln verschmelzen können. Während die Kugeln in den basalen Zellen der Trichome frischen Proteosomen gleichen, ähnelten die Kugeln in den älteren Teilen der Triehome den koagulierten Proteosomen. Die koagulierten Proteosomen sind häufig, aber keineswegs immer, durch Vakuolisierung charakterisiert. Diese Gesichtspunkte veranlaßten mich nun, das Verhalten bei höherer Temperatur gegen Alkohol von 20% und gegen Farbstoffe näher zu prüfen. Eine Jod-Jodkaliumlösung brachte eine Gelbfärbung bei den farblosen Kugeln an der Basis hervor. Mit Millons Reagens eine halbe Stunde im Wasserbad erhitzt, ergab sich eine rote Färbung sämtlicher Kugeln. Jedoch war diese nicht ganz entscheidend für die Eiweißnatur, weil Salpetersäure allein auch schon eine rötliche Färbung bewirkte2), Allein das ganze übrige Verhalten läßt an der Eiweiß- natur keine Zweifel aufkommen. Bevor ich die weiteren Beobachtungen erwähne, muß angeführt werden, daß die Myriopyllumblätter bei Behandlung mit 0,5 % Coffein- lösung in allen Zellen des Blattparenchyms glänzende Kugeln liefern von etwa der gleichen Größe wie die ursprünglich in der Trichome vorhandenen, und daß ferner in den Basiszellen der Trichome neben den bereits vorhandenen Kugeln einige sebr kleine neu entstanden, während die abgestorbenen Zellen gegen die Spitze hin gar nicht re- agierten. Es ist ferner vom Interesse, daß die Trichome von Myrio- phylium prismatum, M. elatum und M. hippuroides drei aus ländische Arten, die bei beschränkter Beleuchtung im Warmhause des botanischen Gartens gewachsen waren, völlig frei von Kugeln gefunden wurden, aber bei Behandlung mit Coffein solche in allen Zellen ab- sonderten. Ich vermutete, daß unter diesen Wachstumsbedingungen 1) Um über Proteosomen selbst ein Urteil fällen zu ‚können, habe ich ni eine Zeitlang mit den in Spirogyra und Paeonia mit Coffein erzeugten eingeben beschäftigt, nach der Schrift von O. Loew: „Die chemische Energie der lebenden Zeilen, II. Aufl.“ nn 2) Auch die Biuret-Reaktion wurde versucht, aber sie scheiterte an der Lös- lichkeit dieser Kugeln in Kali. 268 Erna Janson, jene Basis nicht gebildet worden ist, die zur Abscheidung des labilen Eiweißstoffes notwendig ist!). Ich habe jedoch auch nach mehr- wöchentlicher Kultivierung von Myriophyllum prismatum bei vollem Tageslicht keine Bildung von Kugeln in den Trichomen bemerkt. Die natürlich vorhandenen Kugeln in unseren heimischen Arten, Myriophyllum spieatum und M. vertieillatum verhielten sich folgendermaßen: 5 Minuten langes Erhitzen auf 56° brachte eine Koagulation der Kugeln hervor. Diese werden jetzt nicht mehr durch absoluten Alkohol zum Verschwinden gebracht. — Ohne vorhergehende Koagulation verschwinden die Kugeln in den Basiszellen jedoch auf Zusatz von absolutem Alkohol, die an der Spitze bleiben aber unver- ändert. — Dies Verschwinden ist keineswegs eine Lösung in Alkohol; wie gezeigt worden ist, wird durch den starken Alkohol zuerst rasch die Base entfernt, welche die Kugelausscheidung verursacht hatte, die Kugelform geht dabei in Verlust und der Eiweißstoff koaguliert dann in einer dünnen, schwer erkennbaren Schicht. Für die Richtigkeit dieser Auffassung spricht folgende Beobachtung: Werden die Trichome zunächst eine Stunde lang mit 20 %igem Alkohol behandelt, so koagu- tieren die Kugeln in den basalen Zellen unter Vakuolisierung, und jetzt verändert der absolute Alkohol die basalen Kugeln ebensowenig wie die an der Spitze. Denselben Unterschied in ihrer Löslichkeit zeigen die frischen Kugeln einerseits, die koagulierten andererseits, gegen Glyzerin. Eine weitere Entscheidung über die Natur dieser Veränderung der Kugeln brachte die Behandlung mit Methylgrün?) und mit der Mischung von Ruzika®). Kleine Zweigteile von Myriophyllum wur- den mehrere Stunden in einer boehverdünnten Lösung von Methylgrün belassen. . Darnach fand sich, daß die Kugeln an der Spitze grün ge- färbt waren, die an der Basis dagegen violett. Bei der gleichen Be- handlung mit der Ruzika-Mischung ergab sich eine Blaufärbung der 1) Mit Alkohol läßt sich in der Tat eine alkaloidartige Substanz ausziehen, die von Phosphorwolframsäure bei Gegenwart von Salpetersäure gefällt wird. 2) Mosso hat Mothylgrün verwendet zur Unterscheidung von lebendem und totem Protoplasma. Lebendes Protoplasma führt Methylgrün in Methylviolett über und färbt sich daher rot-violett, während totes den grünen Farbstoff unverändert aufnimmt. 3) Die Mischung von Ruzika besteht aus Neutralrot und Methylenblau. Aus dieser Mischung nimmt lebendes Protoplasma Neutralrot, totes Methylenblau auf. 0. Loew hat gezeigt, daß frische Proteosomen sich diesen Farbstoffen gegen- über wie lebendes Protoplasma verhalten, die koagulierten Proteosomen wie totes. Flora, Bd. IX, pag. 61. m Über die Inhaltskörper der Myriophylium-Tricheme. 269 Kugeln an der Spitze und eine Rotfärbung der Kugeln an der Basis. Nach dem hier beschriebenen Verhalten gegen höhere Temperatur, Alkohol von 20% und Säuren, ferner gegen Farbstoffe kann wohl kein Zweifel mehr bestehen, daß die Kugeln wesentlich aus einem Eiweiß- stoff bestehen, mit geringen Beimengungen von gerbstoffartigen Stoffen. Die Kugeln an der Basis bestehen in der Hauptsache noch aus einem labilen Eiweißstoff, die Kugeln in den älteren Zellen an der Spitze da- gegen aus koaguliertem, inaktiv gewordenen Eiweißstoff }). 1) Die von Raciborski eingeführte Bezeichnung „Myriophyllin‘ ent- spricht‘ somit keinem chemischen Individuum. Kann Hexamethylentetramin als Stickstoffquelle für pflanzliche Organismen verwendet werden? (Aus der biochem. Abteilung des bot. Instituts München.) Von E. Tereg. Die vorstehende Frage ist von größerem Interesse, als es dem Uneingeweihten scheinen möchte; und zwar aus folgendem Grunde: Es ist Tatsache, daß bei der Lagerung des Stallmistes ein ganz bedeuten- der Stickstoffverlust stattfindet, denn das durch Fäulnisvorgänge er- zeugte kohlensaure Ammoniak verflüchtigt sich zum Teil als solches, zum Teil wird der Stickstoff dieses Ammoniaks an der Oberfläche nitri- fiziert, worauf eine Denitrifikation erfolgen kann unter Entwicklung von freiem Stickstoff. Letztere tritt besonders dann ein, wenn durch Regen der oberflächlich gebildete Salpeter in das Innere der Haufen hineingewaschen wird. Der Verlust von gebundenem Stickstoff nach Umwandlung in diese beiden Formen ist außerordentlich groß und soll nach Soxhlet für Bayern allein 66 Millionen Mark jährlich betragen. Es wurden schon verschiedene Vorschläge gemacht, die übliche Stall- mistbebandlung durch eine rationellere zu ersetzen, einerseits durch Überdachung und Verhinderung des Zutritts von Regen, andererseits durch Aufstreuen von Superphosphat zur Bindung des sonst sich ver- flüchtigenden Ammoniaks, oder durch Zugabe von Gips, um das flüch- tige kohlensaure Ammoniak in nichtflüchtiges schwefelsaures Ammoniak umzusetzen. Allein viele Landwirte stoßen sich noch immer am Kostenpunkt. In neuester Zeit nun hat Rippert!) verdünnten Formaldehyd zur Bildung des aus Jauche und Stallmist sich verflüchtigenden Am- moniaks verwandt. Er beobachtete, daß gärender Rinderharn dabei sofort seinen Ammoniakgeruch verlor und die weitere Gärung ge hemmt wurde, als 10%, käufliches Formalin (entsprach ca. 3% % For- maldehyd) zugesetzt wurde. Weitere Versuche zeigten, daß schon 2%iges Formalin (ca. 0,7%, reiner Formaldehyd) hinreichten, die Harn- gärung zu sistieren. Die Kosten der Konservierung von einem Hekto- liter Jauche berechnet Rippert auf 2—-3 Mark. Von dieser Mischung 1) Flugbl. d. Dentsch. Landwirtsch. Gesellsch., No. 41, 1916, pag. 794/9- Kann Hexamethylentetramin als Stickstoffquelle usw. verwendet werden? 21 wurden je 100 cem zu Gefäßdüngung verwendet und es ergab sich ein sehr günstiges Resultat mit weißem Senf als Kulturpflauze. Der For- maldehyd scheint also bei jenem Versuch völlig von Ammoniak gebun- den worden zu sein, denn sonst hätten sich wahrscheinlich die Gift- wirkungen des Formaldehyds gezeigt. Es erhob sich nun die Frage, ob in diesen Versuchen wirklich die Verbindung von Formaldehyd mit Ammoniak als Stickstoffquelle gedient hat, oder ob noch vorhandener, unveränderter Harnstoff und andere Stickstoffsubstanzen von den Pflanzen verwendet wurden. Diese Frage ist sehr berechtigt, weil Formaldehyd mit Ammoniak ein ziem- lich resistentes Produkt liefert, das keineswegs leicht seinen Stickstoff abspalten läßt; nämlich das Hexamethylentetramin, das nach folgender Gleichung gebildet wird: 6CH;0 +4NH, = 6H,0 + C;H,>N, Hexamethylentetramin. Dieses Produkt hat den Charakter einer schwacher Base und wird bei gewöhnlicher Temperatur von verdünnten Alkalien und Säuren keineswegs angegriffen. Beim Kochen mit Schwefelsäure spaltet es unter Wasseraufnahme sich wieder in seine ursprünglichen Bestand- teile. Nesslers Reagenz gibt mit der Base einen schwach gelblich gefärbten Niederschlag. Merkurinitrat (Millons Ragens) liefert selbst bei beträchtlicher Verdünnung des Hexamethylentetramins einen weißen Niederschlag, dgl. Phosphorwolframsäure und ebenso Silbernitrat, während Kupferazetat und Bleiessig keinen Niederschlag bewirken. Es ist nun von Interesse zu beobachten, daß, während Formal- dehyd selbst in der Verdünnung von 1:20,000 noch Giftwirkung auf niedere Organismen ausüben kann, eine Lösung von 1%, Hexamethylen- tetramin selbst nach 4 Wochen nicht im mindesten schädlich auf Algen (Spirogyra, Cladophora, Mougeotia, Mesocarpus, Diatomeen) und Infusorien wirkt. Daraus geht hervor, daß, falls diese Zellen das Hexa- methylentetramin als Nährstoff verwenden können, die Spaltung des Körpers entweder sehr langsam vor sich geht, oder eine weitere Ver- wendung der einzelnen Bestandteile Formaldehyd und Ammoniak sofort bei der Spaltung eintritt. Man kann sich denken, daß das Ammoniak sofort zur Eiweißbildung verwendet wird, während der Formaldehyd zu Zucker bzw. Stärkemehi kondensiert wird. Vor allem aber ergab sich die Frage, wie sich das Hexamethylen- tetramin im Boden verhalten würde, denn ob die Bodenbakterien es leicht spalten und Stickstoff als Ammoniak freimachen würden, war keineswegs a priori anzunehmen. Um über diese Frage Aufschluß zu 272 E. Tereg, erhalten, wurden 20 g Gartenerde mit 50 ccm einer 0,2%igen Lösung von Hexamethylentetramin übergossen und sich selbst überlassen. Nach 10 Tagen hatte eine ziemlich kräftige Ammoniakbildung stattgefunden, wie durch Nesslers Reagens festgestellt werden konnte. Diese nahm in der Folge bis zu einem gewissen Grade zu, worauf ein Stillstand eintrat. Deshalb ließ sich vermuten, daß neben der Ammoniakbildung eine Nitrifikation einherging, was sich auch bestätigt hat. Das Reagens von Grieß auf salpetrige Säure lieferte nicht nur eine rote Färbung, sondern einen recht erheblichen roten Niederschlag in einer abfiltrier- ten Probe jener Mischung. Jodkaliumstärkekleister gab in der an- gesäuerten Probe des Bodenfiltrats eine intensive Nitritreaktion. Diphenylaminschwefelsäure bewirkte mit einem Tropfen des Filtrats eine sehr intensive Blaufärbung. Letztere Reaktion wird aber sowohl von salpetriger als von Salpetersäure erzeugt. Ein Kontrollversuch ergab, daß nur Nitrit, kein Nitrat vorhanden war. Allmäblich machte sich in der ursprünglichen Lösung eine Gas- entwicklung bemerkbar, die bei Bewegung (les Gefäßes besonders stark hervortrat. Wie sich zweifellos ergab, enthielt das Gas Kohlensäure, denn ein durch Kalilauge von seinem Kohlensäuregehalt befreiter Luft- strom erzeugte nach dem Passieren der Mischung in Kalkwasser eine deutliche Trübung. Somit folgt aus diesen Beobachtungen, daß das Hexamethylen- tetramin ‘im Boden leicht einer Oxydation seines Kohlenstoifgehaltes unterliegt, wobei der Stickstoff jener Base als Ammoniak frei wird, das dann einer Nitrifikation unterliegt. Dieser Zersetzungsvorgang läßt sich durch diese Gleichung veranschaulichen: GH.N, + 60, = 600, -+ 4NH;. Eine solche Oxydation dürfte auch an der Oberfläche von mit Formaldehyd behandelter Jauche und von Stallmist stattfinden, worauf in landwirtschaftlichen Betrieben zu achten wäre. Die weitere Beobach- tung ergab, daß die Nitrifikation von einer allmählich zunehmenden Denitrifikation begleitet wurde, denn die Reaktion auf salpetrige Säure verschwand allmählich wieder; gleichzeitig hatte sich eine ziemlich be- deutende Gasentwicklung von freiem Stickstoff eingestellt. Diese Denitrifikation findet aber bekanntlich nur dann in ausgedehntem Maße im freien Lande statt, wenn der Wassergehalt des Bodens sehr bedeutend ist. Nach achtwöchentlichem Stehen der Mischung ergab die Reaktion mit Pbosphorwoltramsäure, daß noch ein Teil Hexamethylentetramin in der Lösung vorhanden war. Nun wurde die abfiltrierte Lösung mit dem gleichen Volumen Wasser verdünnt und 20 g frischer Boden zu- Kann Hexamethylentetramin als Stickstoffquelle usw. verwendet werden? 273 gesetzt, jedoch war nach achttägigem Stehen keine weitere Veränderung wahrzunehmen. Diese Sistierung der Tätigkeit der Bodenbakterien gibt der Vermutung Raum, daß ein kleiner Anteil des Hexamethylentetramin durch gewisse Mikroben eine Spaltung in Formaldehyd und Ammoniak erfuhr und daß den Spuren gebildeten Formaldehyds jene Erscheinung zuzuschreiben war. In freiem Ackerboden würde jedoch diese Er- scheinung sich nicht bemerkbar.machen, weil der Boden so ausgiebig durchlüftet ist, daß Spuren abgespalteten Formaldehyds alsbald wieder oxydiert würden. In der Tat ergab ein Versuch mit Linum usita- tissimum in Sandboden mit 0,26°/,, Hexamethylentetramin, daß die Pflanzen sich durchaus normal bis zu Blüte und Frucht entwickelten. Die Frage, ob Hexamethylentetramin von niederen Pilzen als Kohlenstoff- und Stickstoffquelle zugleich benutzt werden könnte, hatte ein negatives Resultat. Bei einem Versuch mit Bacillus subtilis, Mierococeus acidi lactici und Peniecillium glaueum dagegen ergab sich ein lebhaftes Wachstum, wenn außer 0,07 %igem Hexa- methylentetramin noch 0,2% Natriumazetat in der Nährlösung vorhan- den war. In diesem Falle also müßte das Hexamethylentetramin oxy- diert worden sein, wobei der Stickstoff als Ammoniak verwendet wurde. Eine schädigende Wirkung, welche auf etwaige Abspaltung von Formal- dehyd aus Hexamethylentetramin zu deuten gewesen wäre, wurde hier nicht beobachtet. Als Natriumazetat durch Methylalkohol ersetzt wurde, war das Ergebnis weit weniger günstig. . Um zu beobachten, ob Hexamethylentetramin eine bessere Stick- stoffquelle für Schimmelpilze abgibt, als Ammoniak es ist, wurde folgende Lösung angesetzt: I. 0,5% Glyzerin, 0,07%, Hexamethylen- tetramin, 0,2%, Monokaliumphosphat, 0,05% Dikaliumphosphat, 0,02% Magnesiumsulfat und eine Spur Eisenvitriol. Die Kontrollflasche u enthielt die dem Hexamethylentetramin äquivalente Menge Ammonium- nitrat. Beide Lösungen (je 250 cem) wurden mit Penieilliumsporen geimpft. Nach 3 Wochen ergab sich bei Hexamethylentetramin eine weit üppigere Entwicklung der Pilzdecke als auf der Kontrollösung und nach dem Abfiltrieren, Waschen und Trocknen der Pilzernte zeigte sich ein nicht unbedentender Unterschied: Bei Lösung I betrug das Pilz- gewicht 0,41 Gramm, bei Lösung II nur 0,18 Gramm. Auch ein Versuch mit einem Moose, Polytrichum, wurde aus- geführt, wozu folgende Nährlösung diente: 0,01% Magen 0,02%, Monokaliuinphosphat, 0,02 % Dikaliumphosphat, 0,01% I au sulfat und Spuren von Eisensulfat. Es wurden je sechs Pflanzen in eng Glaszylindern kultiviert, derart daß die Pflanzen möglichst nahe der Flora, Bd. 110. 274 E. Tereg, Kann Hexamethylentetramin als Stickstoffquelle verwendet werden ? Oberfläche blieben. Nach 3 Wochen ergab sich: In der Nährlösung, die 0,07% Hexamethylentetramin enthielt, ein Wachstum von 0,5, 0,5, 0,6, 0,8, 0,9, und l cm, in der mit der äquivalenten Menge Ammonium- nitrat beschickten Lösung 0,2, 0,25, 0,4, 0,5, 0,5, 0,6 cm. Durchschnitt- lich betrug also das Wachstum in Lösung I 0,71, in Lösung II 0,43 cm. Es war also auch hier das Hexamethylentetramin eine günstigere Stickstoffquelle als das Ammoniumnitrat. Als wesentliches Resultat ergibt sich somit, daß behufs Ver- hinderung von Stickstoffverlusten die Behandlung von Jauche und Stall- mist mit verdünntem Formaldehyd als ein rationelles Verfahren erklärt werden kann. Nur ist zu bedenken, daß durch ausgiebigen Luftzutritt die gebildete Stickstoffverbindung einer Oxydation unterliegt und da- durch doch wieder Verluste entstehen. Im Boden selbst wird die Ver- bindung von Formaldehyd und Ammoniak in günstiger Weise für die Pflanzen durch die Bodenmikroben gespalten. Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cucurbitaceen auf Grund ihrer Samenentwicklung. (Mit spezieller Berücksichtigung der Caricaceen, Passifloraceen, Aristolochiaceen und Loasaceen.) Von Johannes Kratzer. {Mit 60 Abbildungen im Text.) Einleitung. „Je ausgeprägter und eigentümlicher die Charaktere einer Familie sind, desto schwerer ist es, ihren Platz im Pflanzenreiche aufzufinden, darum darf man sich nicht wundern, wenn die Autoren so oft ge- schwankt haben hinsichtlich der natürlichen Beziehungen der Cucur- bitaceen“, so schrieb im Jahre 1822 Aug. Saint-Hilaire in einer Abhandlung über die Cucurbitaceen und Passifloraceen. Allerdings ist es auch ihm nicht gelungen, diesem Schwanken ein Ende zu machen. Linn& und nach ihm einige andere hatten die Cueurbitaceen mit den Passifloraceen vereinigt, Adanson hatte sie zu den Campanulaceen ge- stellt, andere hatten auf die Vitaceen, Euphorbiaceen und Urticaceen hingewiesen. Saint-Hilaire selbst brachte sie in Beziehung zu den Passifloraceen einerseits und den Loasaceen andererseits Nach ihm betrachteten sie Naudin, Bentham und Hooker, als nahe Ver- wandte der Passifloraceen, Baillon dagegen wies ihnen einen Platz an der Seite der Loasaceen und Begoniaceen an. In neuerer Zeit werden sie nach dem Vorgange Brauns von den meisten Autoren zu den Campanulaceen gestellt, aber als von den Passifloraceen abgeleitet gedacht. Indes wird diese Anschauung keines- wegs allgemein geteilt. Warming stellt die Cucurbitaceen nach wie vor zu den Passifloraceen und hält die Campanulaceen nur für kon- vergente Typen in bezug auf Blütenstruktur. Van Tieghem zog sie in der Neuauflage seiner „Elemente“ ebenfalls aus der Nachbarschaft der Campanulaceen zurück, um daraus eine eigene Unterordnung zu bilden. Auch Engler stellte sie im Jahre 1912 als eigene Ordnung auf, als Cueurbitales, die er aber unter die Sympetalen unmittelbar vor die Campanulinen einreiht. Hallier hatte sie im Jahre 1908 als 276 Johannes Kratzer, Peponiferen mit den Passifloraceen und deren Verwandten verbunden, 1912 dagegen reihte er sie an die Begoniaceen und Datiscaceen an. So sehen wir denn auch heute noch die systematische Stellung der Cucurbitaceen so wenig gesichert wie vor einem Jahrhundert und im Zusammenhang damit auch die Stellung einiger anderen Familien, Da nun bisher der Hauptsache nach morphologische und anatomische Verhältnisse in Rechnung gezogen wurden, so dürfte der Versuch ge rechtfertigt sein, auf entwicklungsgeschichtliickem Wege, durch ein- gehendere Vergleichung der Samenentwicklung, der Lösung dieser Frage näher zu kommen. Zudem ist damit auch ein Beitrag geliefert zur Entwicklungsgeschichte der Samenanlagen selbst, sowie zur systema- tischen Wertung der Samenentwicklung überhaupt. Endlich bot die Untersuchung der Samenanlagen bei den Cucurbitaceen speziell noch Gelegenheit‘ zur Prüfung eines physiologischen Problemes, der von Longo behaupteten Ernährung des Embryos durch den Pollenschlauch bei Cucurbita Pepo. Darum trat ich auf Anregung des Herrn Geheim- rates v. Goebel an diese Aufgabe heran, indem ich neben der Samen- entwicklung der Cucurbitaceen noch jene der Caricaceen, Passifloraceen, Aristolochiaceen und Loasaceen einer eingehenden Untersuchung unter- warf, während ich andere in Beziehung gebrachte Familien, wie die Campanulaceen und Begoniaceen nur auf Grund der Literatur und einer kurz orientierenden Untersuchung zum Vergleiche heranzog. Das Thema zerfällt naturgemäß in einen entwieklungsgeschichtlichen Teil, in dem die Samenentwicklung der einzelnen Familien geschildert wird, und in einen vergleichenden Teil, in dem die verwandtschaftlichen Be- ziehungen geprüft werden sollen. Ehe ich jedoch an die Darlegung meiner Untersuchungsergeb- nisse gehe, möchte ich meinem verehrten Lehrer, Herrn Geheimrat Y. Goebel, für die Anregung zu dieser Arbeit, sowie für seine wert- vollen Winke bei der Anfertigung den gebührenden Dank aussprechen. In gleicher Weise möchte ich danken Herrn Professor Jost in Straß- burg für die gütige Zusendung von jungen Carica-Früchten und Fräu- lein Ilse Floercke aus München für die freundliche Überlassung ihrer Untersuchungsresultate über Loasaceen. Fräulein Floercke hat nämlich vor einiger Zeit in Goebel’s Institut Untersuchungen über die Pollen- und Samenentwicklung der Loasaceen gemacht, deren nicht veröffentlichte Resultate ich zum Teil verwertete; insbesondere haben mir ihre schönen Zeichnungen gute Dienste geleistet. Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cucurbitaceen uew. 277 1. Die Samenentwieklung der einzelnen Familien. Bau und Entwicklung der Samen sind in den untersuchten Familien verhältnismäßig wenig erforscht. Relativ das meiste bietet die Literatur über dieCucurbitaceen. ZurEmbryosackentwicklung dieser Familie lieferten bereits Brogniart, Mirbei und Amici kleine, freilich mit manchen Irrttimern vermischte Beitäge. Die erste vollständigere Beschreibung des unbefruchteten Embryosackes bot Schleiden im Jahre 1831 für einige Gattungen. Eingehendere Kenntnis der Embryosackentwicklung und Befruchtung brachten auch für die Cucurbitaceen erst die grund- legenden Untersuchungen von Hofmeister, die sich in dieser Familie auf Cucurbita, Sieyos und Ecballium erstreckten. Über die Entwicklung und den Bau der Samenschalen veröffentlichten erst Fiekel und Höhnel im Jahre 1876 eingehendere Untersnchungen; allerdings hat sich Höhnel hierbei auf die Gattungen Cucurbita, Lagenaria und Cucumis beschränkt. Beide Arbeiten sind gut, wenn sie auch in einzelnen Punkten der Berichtigung bedürfen. Keinen Fortschritt dagegen be- deuten die Ausführungen von Henri-Aim& Lothar vom Jahre 1881 über denselben Gegenstand, sie enthalten wesentliche Irrtümer. Biagio Longo widmet in seinen Untersuchungen vom Jahre 1903 seine Auf- merksamkeit besonders dem Verhalten des Pollenschlauches und stellte eine ernährungsphysiologische Theorie auf, zu der wir im Laufe dieser Dar- legungen ausführlich Stellung nehmen werden. Eine eingehendere Dar- stellung der Embryosackentwicklung wird von J.E.Kirkwood geboten in seiner Arbeit „The comparative embryology of the Cucurbitaceae” vom Jahre 1904, wobei besonders die zahlreichen vortrefflichen Alı- bildungen hervorzuheben sind. Bau und Entwicklung der Samenschale ist nicht berücksichtigt. Seine spätere Abhandlung über den Pollen- schlauch stand mir nicht zur Verfügung, nach der Rezension scheint sie hauptsächlich die Chemotaxis zu prüfen. Auch eine Abhandlung von Barber über Pericarp und Samenschale einiger Gattungen konnte ich nicht erlangen. . Zusammenfassend läßt sich sagen: es sind über die Samenentwick- lung der Cueurbitaceen wohl einzelne eingehendere Untersuchungen aus neuerer Zeit vorhanden, doch fehlt eine zusammenfassende Arbeit und die Vergleichung mit anderen Familien. Über diese Familien selbst ist sehr wenig geschrieben. Die Angaben in den großen Werken von Gaertner, Bentham und Hooker, Engler-Prantl gehen über eine allgemeine morphologische Schilderung nicht. hinaus. Spezielleres findet sich nur bei Hofmeister über die Embryosackentwicklung der 278 Johannes Kratzer, Aristolochiaceen, von van Tieghem (1912) und Usteri (1907) über jene der Caricaceen, von Rüger (1887) über die fertige Samenschale von Carica. Doch sind auch diese Untersuchungen nicht sehr eingehend und bedürfen vielfach der Berichtigung. So gehe ich nun dazu über, die Resultate meiner eigenen Untersuchung über die Samenentwicklung der einzelnen Familien darzulegen. A. Die Samenentwicklung der Cucurbitaceen. 1. Die Entwicklung der Cucurbitaceen-Samen im allgemeinen. 1. Die Entwicklung vor der Befruchtung. Die Samenanlagen der Curcurbitaceen entstehen an kräftigen wand- ständigen Plazenten, die aus der Verwachsung von je zwei benachbarten bi) „bl Fig. 1. Plazentenbildung. A Cucurbita Pepo, mit 3 fertilen Plazenten 2", 5°, ° und 3 Frucht- blättern 5°, 5°, 5°. B Cyclanthera pedata, mit 2 fertilen Plazenten aus 2 fertilen Fruchtbl, C Cyclanthera pedata, mit 1 fertilen Plazenta aus 2 halbfertilen Fruchtbl. D Eehinocystis lobata, mit 2 halbfertilen Plazenten aus 1 fer- tilen Fruchtblatt (1). Fruchtblatträndern hervorge- gangen sind (Fig. 1). Die Fruchtblätter selbst treten in Fünf- bis Einzahl auf und bilden einen ein- oder mehr- fächerigen Fruchtknoten. Der gewöhnliche Typus zeigt drei Fruchtblätter, doch sind un- zweifelhafte Hinweise vor- handen, daß fünf das Ur- sprüngliche sind, da der pri- mitivste Vertreter der Familie, die Gattung Fevillea, diese Zahl aufweist und anderer- seits die übrigen Gattungen eine Reduktion ihrer Frucht- blätter erkennen lassen. Coc- cinea besitzt nach Kirk- wood zwei Fruchtblätter, Cyelanthera, Echinoeystis und Sieyos entwickeln gewöhn- lich nur eines; jedoch werden auch in diesen Familien ursprünglich lich drei angelegt, bei Cyelanthera und Echinocystis bleiben sie sogar oft in verkümmerter Form dauernd erhalten; auch zwei normal entwickelte Fruchtblätter konnte ich bei Cyclanthera feststellen (Fig. 1B). Daß der normal dreikarpellige Kürbis als Variation häufig einzelne vierkarpellige Früchte erzeugt, ist allgemein bekannt. 'Samenanlagen an Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cucurbitaceen usw. 2379 Analog dieser Variation der Fruchtblattzahl treten auch die Pla- zenten in Fünf- bis Einzahl auf. So bildet Fevillea fünt fertile Plazenten, von den von mir untersuchten Gattungen entwickeln Benincasa, Lagenaria, Cucurbita, Cucumis, Citrullus, Luffa, Momordica, T’richosanthes, Bryonia, Bryonopsis und Thladiantha drei. In den Fällen, wo bei Curecurbita vier ausgebildete Fruchtblätter vorkommen, werden natürlich auch vier Plazenten gebildet. Ecballium hat zwei, Echinocystis und Cyclanthera weisen bald eine, bald zwei fertile Plazenten auf, Sieyos durchweg nur eine. Doch werden auch in diesen Fällen ursprünglich drei angelegt. Die Samenanlagen kön- nen hierbei ent- weder an beiden Schenkeln der Pla- zenten stehen oder nur an dem einen, je nachdem der Rand der beiden beteiligten Frucht- blätter fertil ist oder nur der Rand des einen. Betrachten wir nun die Zahl und Anordnung der den fertilen Pla- zentenschenkeln, so treffen wir hier Fig. 2. Verschiedene, durch Reduktion entstandene Zalıl ieder ähnliche er ei enincası; B Lagenaria; Ö uffa: ' der Samenreihn. A B Sa; ia; 'erhältnisse wie D Momordica. Einzelne Plazenten (2) bei den Frucht- in großer blättern und Plazenten (Fig. 2). Die Samenanlagen treten anf 8 rei Zahl bis zur Einzahl auf und sind an jedem Schenkel fünf-, drei-, zwei- und einreihig angeordnet. Die Zahl 1 3 bei Lagenaria; Cucurbita entwickelt bald drei, an jedem Schenkel, Cucumis, Citrullus und Echalli in zwei auf, Luffa bald zwei Reihen, bald nur eine, Momordica, 5 herrscht bei Benincasa. bald zweı Reihen um weisen deren Tricho- 280 Johannes Kratzer, santhes, Bryonia, Echinocystis und Cyclanthera normal nur eine Reihe. Sechium und Sicyos entwickeln überhaupt nur eine einzige Samenanlage im Fruchtknoten. So weisen denn die Cureurbitaceen in den ausgebildeten, fertilen Fruchtblättern und Plazenten wie in der Samenanordnung eine lückenlose Reihe von der Zahl 5 zur Zahl 1 auf, wobei die Entwicklung den un- zweideutigen Beweis erbringt, daß die Vertreter der niedrigeren Zahlen durch Reduktion entstanden sind. Die Samenanlagen selbst lassen sich kurz folgendermaßen charakterisieren: Sie sind nach ihrem Aufbau anatrop, hinsichtlich ihrer Stellung im Fruchtknoten apotrop und hetero- trop; sie weisen einen kräftigen vielschichtigen Nucellus auf mit einer Kalotte über dem Embryosack und zwei Integumenten. Die Entwicklung beginnt mit einem kleinen Höcker, der, abgesehen von seiner Epidermis, ganz aus der hypodermalen Zellschicht der Placenta hervorgeht. Dieser Fig. 3. Benincasa. Integumentanlage. Fig. 4. Benincasa im Stadium der Te- { inneres Integument; = äußeres auf der tradenbildung. @ äußeres, 7 inneres In- Funiculusseite, / Funiculus: = Sporen- tegument, dreilagig, an der Spitze vier- mutterzelle; s Schichtzellen. lagig; sö vier Sporenzellen. Höcker beginnt sich alsbald zu krümmen und Integumente anzulegen. Zuerst tritt das innere Integument auf, als ein Ringwulst (Fig. 3), der durch radiale Streckung und Teilung von zwei Zellreihen der Epidermis entsteht. Es ist dementsprechend zunächst zweischichtig, wird aber durch Längsteilung einer der beiden Schichten gewöhnlich dreischichtig (Fig. 2). Bei Sechium und Bryonia erhöht sich die Zahl der Zellagen auf 45, an der Basis sogar zuweilen auf 8—10, Bald nachher tritt das äußere Integument auf, das aber nicht wie das innere aus der Epidermis allein hervorgeht, sondern aus der Epi- dermis und ein paar hypodermalen Lagen. In dieser Dicke wachsen die beiden Integumente bis zum Scheitel des Nucellus empor; das äußere wächst später ein wenig weiter und überdeckt so das innere durch einen kleinen Vorsprung. Alsdann vermehren sich die Zellagen des äußeren Integumentes durch Längsteilungen auf 6—8, an der Raphe und ihr gegenüber auf noch mehr (Fig. 4). An diesen beiden Stellen bildet ni Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cucurbitaceen usw. 281 sich in der Mitte ein Prosenchymstrang aus, als Vorläufer eines Fihro- vasalstranges mit zahlreichen Spiralgefäßen. Dieser Strang setzt das Gefäßbündel im Funiculus über die Ohalaza bis zur Mikropylgegend fort. Bei einzelnen Gattungen, so bei Momordica, verzweigt er sich an der Chalaza und durchläuft mit seinen Ästen nicht bloß die (iegenseite (der Raphe, sondern das Integument auf seinem ganzen Umfang (Fig. 5). Die Epidermiszellen des äußeren Integumentes haben sich etwas radial gestreckt und so einen palisadenartigen Charakter angenommen; sie sind im allgemeinen noch ungeteilt, nur in der Mikropylgegend zeigen sich 'bereits die Anfänge von Teilungen, die, wie wir sehen werden, bald einen großen Umfang annehmen und die wichtigste Rolle spielen im Aufbau der Samenschalen der Cucurbitaceen (Fig. 5). Ehe wir indes diese Vorgänge weiter verfolgen, müssen wir nochmals zur Weiterentwicklung des jungen Nucellus zurückkehren. Fig. 5. Benincasa im Stadium der Be- ER . M kan frachtungsreife. e beginnende Epidermis- Fig. &. Befruchtungsreifer Embryosack. teilungen im äußeren Integument; ’in- A Cucurbita Pepo. B Luffa ‚nenyptiuon. neresg Integument etwas zusammenge- CC Benineasa verifera; 5 Spereiden; drückt; / Fibrovasalstrang; A Entwick- € Eizelle; +# sekundiirer, Kim ryos: lung des dünnen Nucellushalses. kern; a Antipoden. Noch ehe die ersten Anzeichen eines Integumentes erscheinen, zeigt ein medianer Längsschnitt in der Mitte des Scheitels in der hypo- dermalen Zellage eine durch ihre Größe und ihren reichen Plasma- gehalt auffallende Zelle. Es ist die Archesporzelle. Diese teilt sich durch eine perikline Wand. Die obere der beiden Tochterzellen liefert durch wiederholte Teilungen 10—20 Schichtzellen (Fig. 3 und 4), die i i ichst unge- kmutterzelle dar und bleibt zunäc lot. Erst wenn sie durch. Nie Tiefe des. Nucellus teilt. Erst wenn sie durch die Schichtzellen in en verlagert ist, teilt auch sie sich und liefert Tetradenzellen, von we 282 Johannes Kratzer, die unterste zum Embryosack wird, während die drei oberen verküm- mern (Fig.4). Rings um die Schichtzellen teilen sich noch ein paar Reihen von Nucelluszellen, während der größere Teil in dieser oberen Region seine Teilungen einstellt, wodurch der für die Cucurbitaceen so charakte- ristische, langgezogene Nucellushals entsteht. Der Embryosack ist im Verhältnis zum Nucellus sehr klein und von länglich-ovaler Gestalt. Im übrigen ist seine Entwicklung eine normale. Er besitzt im befruch- tungsfähigen Zustand eine Eizelle und zwei Synergiden von keulen- förmiger Gestalt, sowie drei Antipoden, ausnahmsweise auch deren mehrere, wie Hofmeister schon bei Sieyos beobachtete. Die Anti- poıen sind sehr vergänglicher Natur, sie schwinden alsbald nach der Be- fruchtung (Fig. 6). 2. Die Entwicklung nach der Befruchtung. Die erste Wirkung der Befruchtung ist, wie schon Hofmeister für Cueurbita, Sicyos und Ecballium feststellte, eine rasche Vergröße- rung des Embryosackes. Daneben bemerken wir alsbald Teilungen der Eizelle und eine lebhafte Endospermentwicklung. Die Eizelle erzeugt zunächst durch Querteilung einen kleinen Suspensor, der seinerseits wieder durch eine Längswand gespalten wird. Weitere Teilungen führen zur Bildung eines kleinen kugeligen Embryos. Die Teilungsebenen sind keineswegs gesetzmäßig festgelegt, können sogar innerhalb der Art verschieden sein, so daß diesem Punkt keine systematische Bedeu- tung zukommt. Die Endospermbildung vollzieht sich in der Weise, daß ringsum an der Embryosackwand freie Kerne auftreten, die sich dicht mit Plasma umgeben (Fig. 7A). Der ersten Schicht folgen wei- tere nach innen, bis der ganze Embryosack bis an den Embryo heran ausgefüllt ist. Zellwände werden erst nachher gebildet (Fig. 7B). Die fertigen Zellen sind außen klein und mit dichtem Inhalt erfüllt, nach innen zu werden sie immer größer und lockerer. Hand in Hand mit der Endospermentwicklung geht die Verdrängung des Nucellusgewebes, das bis auf 1—2 Schichten aufgezehrt wird. Hierbei spielt besonders die untere Partie des Embryosackes eine Rolle, die sich als ein wurm- förmiger Fortsatz in das Nucellusgewebe einbohrt und es aufzehrt (Fig. TA) Im Gegensatz zu der Endospermbildung macht die Ent- wicklung des Embryos anfangs nur langsame Fortschritte; erst nach der vollständigen Entwicklung des Endosperms setzt auch bei ihm ein energisches Wachstum ein, durch das dann das Endosperm ebenso rasch verdrängt wird, wie das Nucellusgewebe zuerst von jenem. Der Sus- pensor ist verschwunden, der zuerst kugelige Embryo nimmt herzförmige Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cucurbitaceen sw. 283 Gestalt an, es werden die Kotyledonen und die Radieula sichtbar. Zur Zeit der Reife füllt der Embryo den ganzen Embryosack aus bis auf 1—2 Endospermschichten und, da sich der vergrößerte Embryosack an die äußerste Schicht des Nucellus anpreßt, gleichzeitig bis auf ein paar Schichten auch den Raum des ganzen Nucellus. Die Antipoden sind bald nach der Befruchtung verschwunden; die Synergiden aber bleiben fast während der ganzen Embryoentwicklung erhalten und zeigen bei manchen Gattungen, so bei Cucurbita und Echinocystis. eine auffallende Größe und reichen Plasmagehalt. 2, BD [4 Fig. 8. Entwicklung der Testa, beson- ders der 3 epidermalen Schichten; «, « und «“ (Querschnitt), A—C das allge- meine Schema, veranschaulicht an Cueu- mis. D—F verschiedene Weiterentwick- Fig. 7. Benincasa. Endospermentwick- jung bei Gucumis (D), Cucurbita (E) und lung. A gleich nach der Befruchtung. Benincasa (F). + Epidermis; « die erste B späteres Stadium; er Endosperm; es Tochterschicht der Epidermis und spä- Embryosackwandung; c Eizelle; ez Em- tere Hartschicht; e” die zweite Tochter- bryo; z Nucelluszellen, gegen die Basis schicht; 4 hypodermale Schicht; 7 inne- zu in Auflösung begriffen; = wurm- res Integument. förmiger Fortsatz des Embryosackes. Neben diesen direkten Folgen der Befruchtung treten in der Samenanlage noch andere wichtige Veränderungen ein, die nicht direkte Wirkungen der Befruchtung sind, sondern nur von der Weiterentwick- lung der Samenanlage abhängen. Es sind das die ausgedehnten peri- klinen Teilungen in der radial gestreckten Epidermis des äußeren Inte- gumentes, die, wie erwähnt, bereits vor der Befruchtung in der Mikro- prigegend der beiden Kanten der Samenanlage ihren Anfang genommen haben. Sie setzen sich jetzt auf den ganzen Umfang der Epidermis fort. Auf den Schmalseiten sind sie jedoch zahlreicher, wocdureh die mehr oder weniger stark entwickelten Kanten des Samens entstehen. Durchweg aber gehen aus diesen Teilungen drei anatomisch gut differen- zierte und physiologisch wichtige Schichten hervor, die Schichten e, r 284 Johannes Kratzer, und e" (Fig. 8). Zuerst wird die Tochterschicht e' nach innen ab- gegeben, die später zur Hartschicht wird; nachher streckt sich die Epidermis wieder in die Länge und teilt sich wiederum in die Schichten e' und e, welche die hypodermale Schicht und die neue bleibende Epi- dermis bilden. Die ursprüngliche hypodermale Schicht % wird auf diese Weise an die vierte Stelle verlagert, während das ebenfalls schon von Anfang an vorhandene, nur durch einige Lagen verdiekte Innengewebe z mit dem Fibrovasalstrang jetzt die fünfte Schicht bildet. Das ist das Schema, das bei allen Cucurbitaceen der Entwicklung des äußeren Integumentes nach der Befruchtung zugrunde liegt. Über- all wird auf diese Weise der Grund zu fünf ausgeprägten analogen Schichten gelegt, die zusammen mit dem inneren Integument später die Samenschale bilden. Die Verschiedenheiten hei den einzelnen Gat- tungen und Arten beruhen lediglich auf verschiedener Verstärkung der- selben durch nachträgliche Teilungen und auf verschiedener Forment- wicklung der Zellen bei der Reifung. Die angelegten Schichten können nämlich alle ungeteilt bleiben oder es können sich einzelne oder alle Schichten durch Teilungen vergrößern. Die größten Schwankungen treten dabei innerhalb der Schicht e“ auf. Sie bleibt beispielsweise bei Bryonia (Fig. 24) und Cueumis (Fig. 20) einlagig, bei Curcurbita (Fig. 19) wird sie auf 5-4 Lagen verstärkt, bei Benincasa (Fig. 17) auf zahlreiche durch Teilung der eigenen Zellschicht und durch neue Anlagerungen von der Epidermis her. Auch die Schichten e' und % können sich auf dem ganzen Umfang des Samens teilen, was ich gegen- über Höhnel und Fickel feststellen konnte; es ist beispielsweise der Fall bei Benincasa (Fig. 17) bzw. Cucurbita (Fig. 19). Die Epidermis bleibt zwar immer einlagig, doch wird sie oft in einzelnen Zellpartien gegenüber den langgestreckten, benachbarten stark aufgeteilt und nimmt in diesen Tochterzelien den Charakter der zweiten Schicht an. Diese wird dadurch an einzelnen Punkten besonders verstärkt und bildet so Ausbuchtungen in die Epidermisschicht hinein, wie das be- sonders hervortritt bei Momordica (Fig. 22) und Echinoeystis (Fig. 26). Diese Ausbuchtungen erinnern an jene bei Carica (Fig. 34), doch ist die Ähnlichkeit nur eine äußerliche, da sie dort aus der hypodermalen Zeilschicht hervorgehen. Im inneren Gewebe der ursprünglichen hypo- dermalen Schicht % treten nur mehr vereinzelte Teilungen auf. Das innere Integument hat seine Zellagen nicht mehr vermehrt, sondern im Gegenteil gewöhnlich vermindert. Es besteht bei allen Cueurbitaceen die Neigung zum Abortus des inneren Integumentes. Gewöhnlich beginnen von den drei Lagen in der mittleren und basalen PER Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cucurbitaceen usw. 285 Partie schon frühzeitig zwei mehr oder weniger zu verkünmern, während die dritte nachträglich mit dem äußeren Integument verklebt. Eine eigentliche Verwachsung von Anfang an ist nirgends vorhanden, auch bei Sicyos nicht, wo sie Warming annehmen zu können glaubte (Fig. 9). Damit haben wir auch die indirekten Folgen der Befruchtung dargestellt, d. h. jene Erscheinungen, die nicht dureh die Befruch- tung selbst hervorgerufen werden, sondern nur von der gewöhnlich durch die Befruchtung ermöglichten Weiterentwicklung des Samens abhängen. Und mit diesen Entwicklungs- on vorgängen ist bereits die vollständige af Grundlegung der Samenschale, die von den genannten Schichten des äußeren und vom inneren Integument gebildet wird, gegeben; denn neue Schichten werden nicht mehr angelegt, die Weiterbildung besteht nur EL & noch in Vergrößerung und bestimmter Aus- SER, gestaltung der einzelnen Zellen, was wir unter dem Namen Reifungserscheinungen hl zusammenfassen können. Die Ausgestal- ie tung der Zellen geschieht vermittels des S in den Zellen reichlich aufgespeicherten NE Materiales, das besonders aus Stärke besteht. Wenn wir nun die Reifungserschei- nungen im einzelnen verfolgen, so gewahren Fig. 9. Sieyos angulata. Die wir bei der ersten Schicht, der Epidermis des äußeren Integumentes, ein enormes Wachstum in radialer Richtung. Bei ein- zelnen Gattungen zwar, wie Benincasa und Cyclanthera, erreichen die Zellen hierbei nur das Doppelte, bei den meisten aber das Fünf- bis Fünfzehnfache ihrer ursprüng- beiden Integumente zur Zeit der Embryosackreife. Die ge- strichelten Zeilen des inneren Integuments in Verkümmerung begriffen. Keine eigentliche Verwachsung der Integumente, nur teilweise nachträgliche Verklebung der Membranen, wie sie auch mit der Nucellus- epidermis statthat. a äußeren, ? inneres Integument. lichen Höhe, so daß diese Palisadenschicht, wie wir sie nennen können, gewöhnlich ein Drittel bis zur Hälfte vom Durchmesser der ganzen Samenschale einnimmt, bei Gucumis sogar vier Fünfte. Da die Zellwände verhältnismäßig dünn sind, werden zur Aufrechthaltung dieser langen Palisaden in größeren oder geringeren Abständen auf den Wänden eigene Verdickungsleisten ausgebildet, die aus Zellulose bestehen und haar- oder stäbchenförmig, einfach oder verzweigt sind. Sie kommen bei allen Gattungen vor, wenn die Samen ganz ausgereift sind und das nötige Material zu ihrer Ausbildung vor- 286 . Johannes Kratzer, handen war, auch bei Sieyos und Cyelanthera, die sie nach Fickel nicht aufweisen sollen. Nach der Ausbildung der Leisten erscheinen die Zellen ziemlich inhaltsleer. Fragen wir nach der Funktion dieser Palisadenschicht, so scheint ihr ganzer Bau auf die Aufgabe hinzu- deuten, dem Samen eine größere spezifische Leichtigkeit zu geben. Dafür spricht auch die Tatsache, daß sie bei Zanonia in Verbindung mit der zweiten Schicht direkt als Flugapparat funktionieren. Daneben dienen sie ohne Zweifel als Quellschicht; denn trocknet man die Samen, so lehnen sich die ausgetrockneten Palisaden schlaff an den Umfang les Samens an, nach Wasserzusatz aber quellen sie stark auf und richten sich wieder auf. Die Zellen der zweiten Schicht, der Schicht e“, werden bei den einzelnen Gattungen sehr verschieden ausgebildet. Sie bleiben ent- weder klein oder strecken sich bedeutend in die Länge, nehmen runde oder polygonale Gestalt an, bilden mehr oder weniger große Inter- zellularen oder schließen enge aneinander. Die Zellwände sind ent- weder gleichmäßig ziemlich stark verdickt und verholzt und mit Tüpfeln versehen oder sie weisen netzförmige Verdiekung auf (Cucurbita). Bei manchen Gattungen, so bei Thladiantha, ist diese Schicht ganz wie die nächstfolgende dritte ausgebildet und daher nur entwicklungsgeschicht- lich als eigene Schicht feststellbar. Einen Inhalt besitzen die reifen Zellen nicht mehr, sie stellen eine luftführende Schicht dar, die zur Leichtigkeit des Samens beiträgt und wohl auch gleich der eigentlichen Hartschicht denı Schutz des Samens dient, bei der Keimung aber be- deutende Wassermengen aufzunehmen vermag. Die dritte Schicht, e', entwickelt sich zur eigentlichen Hart- oder Schutzschicht des Samens. Die Zellen sind isodiametrisch, wie bei Cyelanthera, oder längsgestreckt, wie bei Sicyos, und außerordentlich stark verdickt, so daß nur ein kleines amöboid verzweigtes, lufterfülltes Lumen übrig bleibt. Im reifen Zustande ist sie gänzlich verholat. Untereinander sind die Zellen eng verbunden durch korrespondierende Lappen und Buchten. Die Zellen der vierten Schicht, der ursprünglichen hypodermalen, nehmen nur wenig an Größe zu. Da sie dem Wachstum der äußeren Partie nicht folgen, werden ihre Wände auf allen Seiten spitz hervor- gewölbt und dadurch große Interzellularen geschaffen. Im reifen Zu- stande sind die Zellen netzförmig verdickt und verholzt. Da sie auch inhaltsleer sind, sind sie ebenfalls für die Wasseraufnahme geeignet. Die anschließende fünfte Schicht, das Innengewebe des äußeren Integumentes, erfährt keine besondere Ausgestaltung mehr. Lediglich Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cucurbitaceen usw. 287 an Größe nehmen die Zellen zunächst zu. Dann aber schwindet all- mählich ihr reicher Inhalt; er wird ohne Zweifel an den Embryo ab- gegeben. Das Gefäßbündel wird zerdrückt. So wird die Schicht zu einem inhaltsarmen Häutchen reduziert. Dasselbe Schicksal teilt das innere Integument, soweit es noch vorhanden ist. Damit haben wir in Kürze jene Reifungserscheinungen geschildert, welche die Samenschale der Cueurbitaceen erzeugen. Höhnel will allerdings auch noch Perisperm und Endosperm zur Samenschale rech- nen. Dazu ist zu bemerken: morphologisch gehören zur Samenschale nur die Schichten der beiden Integumente, plıysiologisch müssen ihr bei den Cncurbitaceen auch Perisperm oder Nucellusrest und Endosperm beigezählt werden. Deren Entwicklung haben wir bereits geschildert. Ihre Reifungserscheinungen bestehen darin, daß die übrig bleibenden 1—2 Zellagen mit Inhalt erhärten und so ebenfalls eine Schutzhülle um den Embryo bilden. Speziell am Nucellus sehen wir hierbei die verdickten Zellkanten sich verholzen, besonders in der Halspartie, so daß der Nucellusrest ein festes teilweise verholztes netzartiges Gerüst darstellt. Im Anschluß an die dargelegte Entwicklung der Cucurbitaceen- Samen sei noch jenes dünne Häutchen erwähnt, das wir besonders an trockenen unverletzten Kürbissamen als rauschende Hülle am Samen wahrnehmen. Es ist ein zusammengepreßter Rest des Fruchtfleisches, in das die heranwachsenden Sanıen eingebettet sind. Es verwächst nicht organisch mit den Samen und kommt auch nicht einzelnen Gattungen als Spezifikum zu, wie Höhnel meinte, sondern findet sich bei allen Gattungen, außer Ecballium, das ja kein festes Fruchtfleisch aufweist, wenn auch in verschiedener Dicke. Besonders kräftig ist es bei Cucur- bita und Momordica entwickelt. Bei letzterer Gattung bildet es die bekannte rote, arillusartige Hülle. Wenn wir nach der Bedeutung dieser Hülle fragen, so ist ein eigentlicher Zweck im Hinblick auf ihre zu- fällige Entstehung gar nicht notwendig. Doch kann sie, besonders wo sie dicker ist, Wasser speichern und die Verbreitung durch Vögel begünstigen, besonders wenn sie, wie bei Momordica, lebhaft gefärbt ist. 8. Das Verhalten des Pollenschlauches. — Kritik der Longo’schen Theorie der Embryoernährung durch den Pollenschlauch Neben den dargelegten Folgen der Befruchtung verdient bei Jden Cucurbitaceen auch das befruchtende Agens, der Pollenschlauch, be- sondere Beachtung. Die Befruchtung selbst scheint er ja für gewöln- lich in normaler Weise auszuführen, indem er durch die Mikropyle in 288 Johannes Kratzer, den Nucellus eindringt; nur an einzelnen Varietäten von Cucurbita Pepo und an Bryonia wurde von anderen Autoren Chalazogamie festgestellt, mir selbst ist sie auch hier nicht begegnet. Auffallend ist vor allem die Größe des Pollenschlauches. Sie ist durchweg bedeutend, wenn auch verschieden bei den einzelnen Gattungen; relativ am geringsten ist sie bei Thladiantha, am bedeutendsten bei Cueurbita. Sie hängt aber nicht von der Größe der Frucht oder des Samens ab. sondern von der des Pollenkornes; sie ist, wie ich durch Messungen feststellen konnte, direkt proportional der Pollenkorngröße, wenn auch die umgebenden Zeilen des Nucellus viel zur Entwicklung beitragen. Damit haben wir eine weitere auffallende Erscheinung berührt; der Pollenschlauch löst nämlich auf seinem Weg zur Ei- zelle zahlreiche Nucellus- zellen auf und zerstört auf diese Weise bei man- chen Gattungen den größten Teil der langen Nucellusspitze bis in die Nähe des Embryosackes (Fig. 10). Hierbei schmiegt er sich enge den Resten des Nucellus an und er- zeugt bei den Gattungen Kir, 10. Gueurbita Pepo im Befruchtungsstadium. Cucurbita, Cyelanthera und A Pollenschlauch (/) mit Wölbung. Epidermis . vafi ‘ _ in Teilung. Gefäßbündel (2) im Tubeten Into Echinogystis, wo die Zer ment. B Pollenschlauch mit Ausstülpungen. In- Störung besonders weit neres Integument (”} vom Nucellusbauch abwärts R teilweise verkümmernd. Nucellushals (x) teilweise geht und die Integumente vom Poltenschlauch zerstört. es Embryosack; Infolgedessen einen offenen s Synergiden; «> Eizelle; / Funieulus. Trichter bilden, eine diesem Trichter angepaßte kuge- lige Ausbauchung, worauf er sich wieder entsprechend verjüngt (Fig. 13 und 15). Bei Cucurbita speziell zeigt er noch ein anderes, besonders auffallenıles Verhalten; er bildet eine Art Verzweigung durch Aussack- ungen, welche zwischen Nucellus und Integumente oder auch zwischen «ie Zellreiben der Integumente eindringen und sich wie auch den Hauptstamnı des Pollenschlauches mit Inhalt füllen. Dieser Prozeß ist keineswegs mit der Befruchtung zu Ende, vielmehr wachsen die Äste auch nachher noch weiter. Diese auffallende Erscheinung brachte Biagio Longo auf den (Geilanken, daß der Pollenschlauch. speziell bei Cueurbita. neben der Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cuenrbitaceen usw. 289 Befruchtung noch die Funktion der Embryoernährung übernommen habe. Er vergleicht ihn mit Embryosackhaustorien und mit lang- gestreckten Suspensorzellen, die bei einigen Orchideen durch die Mi- kropyle zur Placenta wachsen. Das tat er zuerst in seinen „Ricerehe sulle Cucurbitaceae“ vom Jahre 1903. In einer weiteren kurzen Ab- handlung vom gleichen Jahre mit dem Titel: „La nutrizione dell’ em- bryone delle Cucurbita operata per mezzo del tubetto pollinico* suchte er auf Grund weiterer Untersuchungen seine Anschauung noch ein- gehender zu begründen. An der Spitze dieser zweiten Abhandlung betont er, daß seine neueren Untersuchungen an vorgerückteren Stadien seine Annahme nicht nur bestätigt, sondern dargetan hätten, daß der Pollenschlauch in der Ernährung des Embryos eine weit wichtigere Rolle spiele als er zuerst angenommen habe, und aus seiner Begründung geht hervor, daß er ihn schon auf ganz jungen Entwicklungsstadien des Embryos für dessen alleinigen Nahrungsvermittler betrachtet. Der Gedankengang seiner Beweisführung ist etwa folgender: So- gleich nach der Befruchtung beginnen die Außenwandungen der Epider- miszellen am ganzen Umfang des Nucellus sich zu kutinisieren, während die basalen Zellen des Nucellus in der Chalazagegend schon sehr früh- zeitig, da der Embryo noch Kugelgestalt aufweise, eine verkorkte Ka- lotte bilden. Deinnach könne auf diesen Wegen kein Nälrmaterial in den Embryosack gelangen. Die einzige durchlässige Stelle sei die Basis des Nucellushalses, gerade an dem Punkte, wo sich die „bolla“, die Ausbauchung des Pollenschlauches, finde, und das kleine Stück des Schlauches, welches die „bolla“ mit dem Embryosack verbindet. Auch der Embryo sei zu dieser Zeit schon auf der ganzen Oberfläche kuti- nisiert mit Ausnahme jenes Teiles, durch den er mit dem Pollen- schlauch in Verbindung stehe, womit er offenbar beweisen will, daß der Einbryo auch das Endosperm nur durch Vermittlung des Pollenschlaueh- endes in sich aufnehmen könne. Damit wäre tatsächlich gesagt, daß der Pollenschlauch schon von jungen Entwicklungsstadien des Embryos an alleiniger Vermittler «ler Nährsubstanz sei. Zur Stütze dieser Theorie glaubt Longo noch die Tatsache anführen zu können, daß das Gefäßbündel nicht an der Cha- laza endigt und auch keinen Seitenast in sie hineinsendet, sondern sich weit darüber hinaus bis zum Nucellusscheitel ins äußere Integument fortsetzt. Es trete überdies in Beziehung zu jenen inneren Schichten dieses Integumentes, welchem die Äste des Pollenschlauches das Nähr- material entnehmen. Diese Schichten seien im Stadium der Samenreife ihres Inhaltes beraubt, und auch der Pollenschlauch sei zu dieser Zeit n 14 Flora. Bd. 110, 290 Johannes Kratzer, entleert. Dazu komme noch (die Größe des Pollenschlauches überhaupt, wie im Verhältnis zu «den generativen Kernen und das dichte Leitungs- gewebe. Das ist in Kürze Longo’s Theorie der Embryoernährung durch den Pollenschlauch bei der Gattung Cueurbita, die wegen ihrer Einzig- artigkeit einiges Aufsehen erregt hat, und ihre Begründung. Ich habe die Verhältnisse eingehend nachgeprüft und gelangte durch diese Unter- suchungen zu dem Resultate: Die Theorie der Embryoernährung durch en Pollenschlauch bei Cueurbita ist jedenfalls in der Longo'schen Form absolut unhaltbar, und ihre Begründung ist teils falsch, teils nicht beweisend. Um mit seinen letzten Argumenten zu beginnen, dem Gefäß- bündelverlauf, dem reichen Inhalt der inneren Integumentschichten und deren Entleerung, dem dichten Leitungsgewebe und dem großen Pollen- schlauch, was sollen diese Dinge für die Longo’sche Theorie beweisen? Es sind lediglich die langen Schlauehausstülpungen charakteristisch für Cucurbita und auch diese sind nicht von außerordentlicher Bedeutung, wie wir noch sehen werden; die Größe des Pollenschlauches aber teilt er mit Cyclanthera und Echinoeystis, während die übrigen Merkmale allen Gattungen der Cucurbitaceen gemeinsam sind. Sie können darum nicht bloß nicht zugunsten der Longo’schen Theorie angeführt werden, sondern sprechen sogar gegen jene Ausnahmestellung von Cueurbita. Nieht glücklicher ist Longo mit seinen Hauptargumenten, mit ‚ler Kutinisierung des Embryos und der Nucellusoberfläche, sowie der Verkorkung der basalen Nucelluspartie. Denn abgesehen davon, daß die Kutinisierung die Nahrungsaufnahme noch keineswegs unmöglich wachen würde, ist es direkt falsch, daß zunächst der Embryo an seiner Oberfläche kutinisiert sei. Es tritt wohl bei Behandlung mit Sudan IH Rotfärbung ein, allein was sich färbt, ist lediglich der Inhalt der Zellen, der durch die Epidermiswand bindurchscheint, während die Wand selber auf allen Stadien farblos bleibt, also nicht im geringsten kutinisiert erscheint. Dasselbe Ergebnis liefern die Reaktionen mit Jodjodkali und Schwefelsäure. Der Embryo kann also das Endosperm durch seine Oberfläche aufnehmen, wie es von vornherein unwahrscheinlich ist, daß die gewaltige Endospermmenge zuerst wieder in das Endstück des Pollenschlauches zurückgeführt werden müsse, um in den Embryo ge- langen zu können. Zudem müßte das Material wenigstens der weitaus größeren Hauptmasse nach vom Pollenschlauch zuerst an den Nucellus abgegeben Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Oucurhitsceen usw. 291 werden, und erst von hier aus könnte es in den Embryosack gelangen und in Endosperm verwandelt werien. Eine direkte Zufuhr dieses Materials zum Embryo oder Embryosack kann er nicht annehmen, denn er kann unmöglich in Abrede stellen, daß der Nucellus nach der Be- fruchtung um ein Vielfaches an Größe zunimmt und daß seine Substanz dann wieder bis auf geringe Reste durch eine mächtige Endosperm- bildung im Embryosack verdrängt wird. Dazu braucht der Nucellus eine gewaltige Nahrungsmenge, und diese könnte er wegen seiner kutini- sierten Oberfläche und der verkorkten Chalazapartie nur durch jene kleine Stelle des Halses aufnehmen, welche vom Pollenschlauchstück « überdeckt ist. Der Prozeß wäre also folgender: Der Pollenschlauch bezieht Nährmaterial aus der Innenschicht @ des äußeren Integumentes (Fig. 12) und führt es durch die Partie #' dem Nucellus zu; von diesem nimmt es der Embryosack auf und verwandelt es in Endosperm; dieses gelangt nach seiner Lösung zuerst in die untere Partie 5 des Pollen- sehlauches und von hier in den Embryo. Dieser Prozeß erinnert lebhaft an die Verdauungsweise der Wiederkäuer, ja er müßte geradezu als ein Analogon derselben im Pflanzenreiche anerkannt werden, wenn er sich tatsächlich in dieser Weise abspielte. Zum Glück für den Embryo ist aber auch die andere Behauptung Longo’s falsch, daß durch den Nucellus kein Nährmaterial aufgenommen werden könne wegen der Kutinisierung bzw. Verkorkung der Zeliwände. Wohl beginnen die Außenwände der Epidermiszellen des Nucellus ringsum schon frühzeitig zu verkorken, — nicht sich zu kutinisieren, wie Longo schreibt — an der Halspartie sogar zu verholzen, so daß ihre Oberfläche für die Nahrungsaufnahme später wohl wenig mehr in Be- tracht kommen wird, doch die Chalaza, der gewöhnliche Weg der Nahrungszufuhr, ist nicht verkorkt (Fig. 11). Dieser Irrtum Longo's dürfte auf schiefe Schnitte zurückzuführen sein, welche an der Basis ein Stück verkorkter Epidermis des vorspringenden Nucellusbauches zeigten oder auch die Hypostase, jene verkorkten oder verholzten Zellen, welehe auch bei anderen Pflanzen vorkommen und keineswegs die Nahı- rungsaufnahme hindern. Ein guter Mediansehnitt zeigt, daß auf allen Stadien der Entwicklung eine mehr als genügend weite direkte Verbindung zwischen Nucellus und Funienlus besteht. Es steht also jedenfalls der normale Weg für die Zufuhr offen; daß er auch benützt wird, darauf deuten der reiche Inhalt hin, der sich hier ansammelt und um- zuwandeln scheint, und die langgestreckten Zellen, weiche vom Funi- ceulus in den Nucellus führen (Fig. 11). Somit ist jedenfalls sicher erwiesen, daß die Ernährungstheorie 19* 292 Johannes Kratzer, in der Longo’schen Fassung absolut unhaltbar und unbegründet ist. Es bleibt noch die Frage, ob der Pollenschlauch vielleicht neben der Ernährung auf dem gewöhnlichen Wege in sekundärer Weise für die Nahrungszufuhr in Betracht komme. Diese Frage möchte ich auf Grund meiner Untersuchungen bejahen, jedoch auch nicht im Longo’sehen Sinn und nicht im Hinblick auf seine Argumente. In keinem Fall ist der Pollenschlauch von Cucurbita trotz einiger äußerlichen Ähnlichkeit mit den Haustorien der Sympetalen auf dieselbe Stufe zu stellen, denn bei diesen bleibt der Embryosack in direkter Verbindung mit den haustorienbildenden Zellen. Diese wachsen innerhalb des Embryo- sackes, der mit ihnen an einer Par- tie auswächst und vorgeschoben wird, beispielsweise bei Mikropyl- haustorien in die Mikropyle hinein. Bei gleicher Bedeutung des Cueur- bitapollenschlauches müßte man dementsprechend erwarten, daß er sich zunächt fest an den Embryo- Fig. 12. Cucurbita Pepo. Nucellushals mit Pollenschlauch in den ersten Sta- dien der Embryoentwieklung. 2 Pollen- Fig. 11. Cucurbita Pepo. Nucellusepi- schlauch; a in Auflösung begriffene dermis (ze) in ihrer Außenwandung Innenschicht des äußeren Integumenis; verkorkt. Chalaza (ck) frei, nicht ver- Nucellus; 7 inneres Integument; es korkt. Innere Nucelluszellen (r) in Auf- Embryosackwand; s Synergiden; em Em- lösung begriffen. bryo; en Endosperm. sack anlege und nach Auflösung der Mittelwände mit seinen Rändern mit ihm verwachse. Das ist aber nicht der Fall. Der Pollenschlauch wächst durch den Nucellusbals hindurch und dringt bis an die Wand des Em- bryosackes vor. Dort macht er Halt, ohne sich mit dem Embryosack direkt zu verbinden, geschweige mit dem Embryo, wie Longo meinte. Der Embryo ist vielmehr mit seiner Radicula gewöhnlich seitwärts gerichtet und durch eine dünne Endospermschicht von der Embryo- sackwand und dem Pollenschlauch getrennt (Fig. 12). Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Oucurbitaceen usw. 295 Demnach kann der Pollenschlauch wegen Mangels einer festen Verbindung nicht als Haustorium des Embryos oder Embryosackes betrachtet werden. Allerdings ist damit noch nicht die Möglichkeit ausgeschlossen, daß in anderer Weise ein Übertritt von Nährmaterial aus dem Pollenschlauch in den Embryosack stattfindet. Man könnte daran denken, daß der Embryosack durch ausgeschiedene Enzyme Ma- terial des benachbarten Pollenschlauches löse und dann in sich auf- nehme. Zu dieser Annahme ist zu bemerken: Sie ist jedenfalls für die ersten Entwicklungsperioden des Embryos kaum berechtigt. Denn das aufgenommene Material müßte entweder direkt zum Aufbau des Embryos benützt werden oder zunächst der Endospermbildung zugute kommen. Beides scheint nicht der Fall zu sein. Denn wir sehen alsbald nach der Befruchtung wohl eine lebhafte Endospermentwicklung, doch fast kein Wachstum der Eizelle. Dabei ist zu dieser Zeit der Pollenschlauch schon mächtig entwickelt, er zeigt schon die Ausbauchung und Ausstülpungen, wenn auch nicht in ihrer endgültigen Größe, und ist dicht mit Inhalt erfüllt. Würde der Embryo aus ihm Material zugeführt erhalten zu seinem Aufbau, so müßte er sich schon gleichzeitig mit dem Endosperm entwickeln, und zwar müßte sein Wachstum entsprechend dem reichen Inhalt des Pollenschlauches sogar ein sehr energisches sein. Das ist aber, wie gesagt, nicht der Fall. Erst nachdem das Endosperm bereits den größten Teil des Nu- cellus verdrängt hat, setzt auch bei ihm ein entsprechendes Wachstum ein. Aber auch für die Endospermbildung könnte ein solches Material anfangs nicht, verwendet werden. Denn für die erste Endospermbildung kommt nachweisbar unbedingt die im Einbryosack vorhandene Stärke und der Inhalt der umgebenden Nucelluspartie in Betracht. Die Stärke stammt aber nicht, wie Schleiden in einem Artikel der Flora 1845 meinte, vom Pollenschlauch, sondern, wie bereits Kirkwood nachwies, aus dem reichlichen Öl der Umgebung. Denn sie ist schon vor dem Erscheinen des Pollenschlauches vorhanden, und mit ihrem Auftreten schwindet das Öl um den Embryosack herum; andererseits schwindet auch die Stärke im Embryosack mit der beginnenden Endosperment- wieklung, ein deutlicher Beweis, daß sie das Baumaterial des ersten Endosperms darstellt. Doch abgesehen von dieser Beobachtung läßt sich rein theoretisch sagen: Das Nährmaterial des Embryosackes un seiner nächsten Umgebung muß sogar zuerst zur Endospermbildung ver- braucht werden, sonst, könnten Endosperm- bzw. Embryosack sich gar nicht entsprechend ausbreiten, eine andere Zufuhr von Nahrung wäre darum für den Anfang geradezu zweckwidrig. Wenn darum eine 294 Johannes Kratzer, Nahrungsaufnahme in der Art der obigen Annahme stattfindet, so kann es nur in einer späteren Entwicklungsperiode sein. Für diese gebe ich die Möglichkeit zu, daß der Embryosack außer den Nucelluszellen auf die genannte Weise auch dem Pollenschlauch Material entziehen könne. Daß es wirklich geschehe, dafür läßt sich allerdings kein anderes positives Argument anführen als die Tatsache, daß das vordere kräftige Pollenschlauchende mit seinem reichen Inhalt in der Nähe liegt; auch könnte man geneigt sein, den Synergiden am Scheitel des Embryosackes wegen ihrer auffallenden Gestalt und Größe eine Bedeutung bei einer solchen Nahrungsaufnahme zuzuschreiben. Doch zeigen die Synergiden bei allen Gattungen im wesentlichen das- selbe Aussehen, auch wenn nur ein kleiner Pollenschlauch vor- handen ist, sowie auch schon vor der Be- fruchtung. Doch wenn auch trotz der man- gelnden . Begründbar- keit eine solche Nah- rungsaufnahme statt- findet, so kann sie immer nur von ganz Fig. 13. Gucurbita Pepo. Fig. 14, Cucurbita Pepo, Nucellushals (2) mit Pollen- schlauch (2), gegen die Reife zu (Längsschnitt). s Syner- giden; er Eindosperm; em Radieula des Embryos. Nucellushals mit verzweig- tem Pollenschlauch (2), gegen die Reife zu (heraus- präpariert). » Nucellus mit reichlicher Stärke. untergeordneter Be- deutung sein, da ja in dieser Periode das ganze gewaltige Nu- cellusmaterial zur Verfügung steht und auch verbraucht wird. Diese negative Argumentation gewinnt noch sehr an Gewicht, wenn sich positiv zeigen läßt, daß der Inhalt des Pollenschlauches im wesentlichen in anderer Weise verwendet wird. Und das ist der Fall. Was für den Embryosack abzulehnen war, trifft für den Nucellus zu, der Pollenschlauch fungiert als Haustorium desselben. Wir sehen einerseits eine innige Verbindung des Pollenschlauches mit dem aus- gehöhlten Nucellushals, eine enge Anschmiegung und schließliche Ver- wachsung, also die Vorbedingung für ein Haustorium, und können andererseits eine tatsächliche Abgabe herbeigeschafften Nährmaterials an den umgebenden Nucellushals konstatieren. Denn wir gewahren nicht nur während der Entwicklung, wie gerade dieser Teil des Pollen- schlauches und diese Nucelluspartie abwechselnd stärkereich und stärke- Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cucurbitaceen usw. 295 arm sind, sondern auch wie gegen die Reife zu der Stärkereichtum im Pollenschlauch abnimmt und allein noch in dieser Nucelluspartie zu beobachten ist. Während der Entwicklung wird dieses Material natür- lich vom Hals aus den abwärts gelegenen Nucelluszellen mitgeteilt, was auch direkt aus deren reichem Inhalt zu erkennen ist. Auch die feinen parallelen Verdickungsstreifen, die bei der Reife in den Wänden dieser Zellen bei manchen Gattungen zu bemerken sind, so bei Luffa, Cucumis, Echinocystis, Benincasa, Bryonia und Sicyos, dürften auf eine solche lei- tende Tätigkeit dieser Nucelluspartie hinweisen. Der ganze Inhalt des Pollenschlauches wird übrigens nicht abgegeben, seine vordere, gegen den Eimbryosack zu gelegene, mehr plasma- und schleimhaltige Partie, scheint er- halten zu bleiben als Pfropf für die durch sein Eindringen erzeugte große Öffnung, wo- durch jedenfalls der Zweck erreicht wird, den Embryo gegen schädliche Einflüsse von außen zu schützen, So dient denn der Pollenschlauch einerseits dazu, dem Nu- cellus Nährmaterial zuzu- führen, und andererseits als Pfropf und für eine direkte Abgabe an den Embryosack dürfte nur wenig Material bleiben. Fig. 15. Echinocystis lo- bata. Nucellushals (x) mit gewölbtem Pollenschlauch {2), gegen die Reife zu. @ Wandung im Pollen- schlauch; z Nucellushals mit Stärke; er Embryo- sack mit Endosperm; em Embryo. Und das gilt nicht nur für Cucurbita, sondern für alle Cueurbitaceen, bei allen Gattungen obwalten im wesentlichen die glei- chen Verhältnisse. Der Größe des Pollenschlauches und der Wölbung und den Aus- stülpungen kommt keine wesentliche Bedeutung zu, sie hängen von der Größe des Pollenkornes und von der Ernährung auf dem Wege zum Embryosack und dem dadurch bedingten, mehr oder minder ener- gischen Wachstum ab im Zusammenhalt mit dem verschieden großen Widerstand der einzelnen herührten Stellen des langen Nucellushalses. Darum treten sie einerseits nicht bei jedem Schlauch von Cucurbita in gleichem Maße auf und sind andererseits auch bei anderen Gattungen häufig in kleinem Maßtab zu bemerken (Fig. 15 und 16). 296 Johannes Kratzer. Aber auch der Pollenschlauch selber ist nicht das Wesentliche bei dieser sekundären Nahrungsaufnahme der Cucurbitaceen, das Wesent- liche ist vielmehr der Nucellushals. Das geht allein schon daraus her- vor, daß sie auch stattfindet in den Fällen, wo bei der parthenogene- tischen Gattung Cucumis kein Pollenschlauch vorhanden ist. Doch auch in den anderen Fällen dienen die Zellen des Nucellushalses zur direkten Aufnahme von Nährmaterial, soweit sie nicht zerstört sind. Nur die Außenwände der Epidermis dürften auf späteren Stadien wegen ihrer Verkorkung und teilweisen Verholzung kaum mehr in Betracht kommen, sie bilden gewissermaßen ein festes Rohr um das innere Leitungs- gewebe. Somit erscheint der Pollenschlauch als ein nicht notwendiges, sondern nur bei gebotener Gelegenheit benütztes Hilfsorgan des Nu- cellus zur Nahrungsaufnahme. Er wird herangezogen zum Ersatz für die von ihm zerstörten Leitungszellen des Nucellus und fungiert. dann in gleicher Weise wie diese selbst. Fassen wir das Ergebnis kurz zusammen, so läßt sich sagen: Die Ernährungstheorie Longo’s, bei Cucurbita sei der Pollenschlauch der einzige Weg zur Nahrungszufuhr für den Embryo, ist falsch. Allen Cucurbitaceen kommt die normale Nahrungszufuhr durch die Chalaza zu. Auch eine sekundäre direkte Zufubr durch den Pollenschlauch kann jedenfalls nicht in der Longo’schen Weise stattfinden. Auf andere Weise wäre sie wohl möglich, doch ist sie nicht beweisbar und kaun im Falle der Wirklichkeit nur unbedeutend sein. Dagegen findet bei allen Cueurbitaceen eine sekundäre Nahrungszufuhr durch den Nucellushals statt, wobei auch der Pollenschlauch als Hilfsorgan ver- wendet werden kann. IL. Besonderheiten in der Samenentwicklung der einzelnen Gattungen. Nachdem im ersten Teile dargelegt wurde, was allen Cucurbitaceen in der Samenentwieklung gemeinsam ist, sollen im folgenden die Be- sonderheiten der einzelnen Gattungen hervorgehoben werden, so weit sie nicht schon vergleichsweise im allgemeinen Teil erwähnt wurden. l. Benincäsa (Fig. 17). In der Entwicklung der Samenanlagen bei B. fällt die sehr aus- gedehnte Bildung von Schiehtzellen auf, durch welche die Sporenmutter- zelle und damit auch der Embryosack 20—30 Lagen tief in den Nu- eellus verschoben wird. Die Samenschale weist kurze, kubische Epider- miszellen auf mit nur geringen haarförmigen Wandverdickungen. Die Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cucurbitaceen usw. 297 hypodermale Schicht e* umfaßt 6—8 Lagen radial gestreckter Zellen, die an den Kanten oft Interzellularen bilden, sonst aber durch zahlreiche Tüpfelkanäle verbunden sind. Die inneren Lagen werden immer kürzer und bilden so einen Übergang zu der Hartschicht e, deren Zellen kubisch ausgebildet sind und ein kleines Lumen mit ausgezogenen Fortsätzen he- sitzen, die mit den benachbarten teilweise in Ver- bindung stehen. . Fig. 17. Fig. 18. Fig. 19. Fig. 20, Fig. 17. Benincasa cerifera. Reife Samenschale im Querschnitt, « Epidermis mit Fig. 18. Fig. 19, Fig, 20. Cuticula; e” hypodermale Schicht; e‘ Hartschicht; % „Sternschicht*, ur- sprünglich hypodermale Schicht; ig Innengewebe des äußeren Integuments; ” Nucellusreste mit verdickter Epidermiswand; er Endospermrest; rm Em- bryo; 2 Typfel; : Interzellularen; 2 Zellumen: ec Cutieula. Lagenaris. Querschnitt durch die äußere Partie der reifen Samenschale, Die drei aus der Epidermis hervorgegangenen Schichten. Die übrigen Schichten wie bei Benincasa (Fig. 17). » Verdickungsleisten; / Zellumen. Cueurbita Pepo. Querschnitt durch die äußere Partie der reifen Samen- sehale. Die übrigen Schichten wie in Fig. 17. c Karpellbülle; % ursprüng- liche hypodermale Schicht, „Sternschicht“. Cueumis sativa. Querschnitt durch die äußere Partie der Samenschale. Die übrigen Schichten wie in Fig. 17. z Sternzelle auf einem zitzen- förmigen Fortsatz getroffen. 2. Lagenaria (Fig. 18). L. bildet 10—15 Schichtzellen, ehe die Sporenmutterzelle sich teilt. Die Epidermiszellen des äußeren Integumentes sind langgestreckt und mit verzweigten Verdiekungsleisten versehen. Die hypodermale 298 Johannes Kratzer, Schicht «” setzt sich aus 10—12 Reihen etwas unregelmäßiger, polye- drischer Zellen zusammen, welche ebenfalls Zwischenräume bilden. Die Hartschieht e' teilt sich ebenfalls, wie ich zweifellos feststellen konnte. Sie weist im reifen Zustande drei Reihen rundlicher Zellen auf mit kleinem verzweigten Lumen; die Schicht umfaßt 3—5 Lagen (Lage- naria vulgaris). - 8. Cueurbita (Fig. 19). Bei ©. Pepo wird die Sporenmutterzelle zur Zeit der Tetraden- bildung von etwa 20 Schichtzellen überdeckt. Im Embryosack fallen die großen Synergiden auf, die zur Zeit der Befruchtung zwei Drittel der Embryosacklänge erreichen. Sie besitzen in ihrem unteren Teile eine große Vakuole, oben sind sie hyalin und sehr fein gestreift. Sie bleiben beinahe die ganze Periode der Samenentwieklung hindurch er- halten und können durch ihre Größe und starke Färbbarkeit den Ein- druck erwecken, als ob sie vom Pollenschlauch Material erhalten würden; indes haben sie dieses Aussehen schon vor dessen Erscheinen. Die Epidermiszellen der Samenschale sind sehr lang gestreckt, nehmen etwa ein Drittel der ganzen Samenschale ein und sind in ihren Wänden mit starken, verzweigten Verdiekungsleisten ausgerüstet. Die Schicht e" besteht aus vier Reihen kleiner, rundlicher, netzförmig verdickter Zellen ohne oder mit nur kleinen Zwischenräumen. Die Zellen der Hart- schicht sind ein klein wenig radial gestreckt. O-förmig. Die vierte Schicht umfaßt 5—6 Zellreihen, die ähnlich ausgebildet sind wie die der zweiten, doch große Interzellularen erzeugen. Das innere Integument weist drei Schichten auf, doch manchmal an der Basis auch vier. Der Pollenschlauch ist sehr groß, stark bauchig und meist mit mehreren größeren oder kleineren Aussackungen ver- sehen; er geht auch aus dem größten Pollenkorn hervor. Longo betont, daß C. ein von dem der übrigen Gattungen verschiedenes Lei- tungsbewebe aufweise; dasselbe scheint wohl etwas anders ausgebildet, besonders in vorgeschrittenerer Entwicklung, doch ist diese Verschieden- heit lediglich auf nachträgliche Verwachsung der benachbarten Zellränder und reichen Inhalt zurückzuführen, der mehr Teilungen veranlaßt und so ein stärker entwickeltes Leitungsgewebe schafft. 4, Cucnmis (Fig. 20). Die Sporenmutterzelle von C. sativa wird durch eine sehr große Reihe von Schichtzellen tief ins Innere des Nucellus verlagert, der dünne Nucellushals nimmt ja mehr als die Hälfte des ganzen Nucellus ein. Die Epidermiszellen sind bei dieser Gattung am längsten, sie Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cucurbitaceen usw. 299 nehmen zwei Drittel des ganzen Durchmessers der Samenschale ein und tragen nur an den, in der Horizontalebene liegenden Längstwänden Verdiekungsleisten, und zwar von stabförmiger Form. Daß sie nach oben in eine Spitze auslaufen, wie Fickel und nach ihm Harz meinte, dürfte auf einer Täuschung infolge verschiedener Lichtbrechung beruhen. Die Schicht e" besteht nur aus einer Lage etwas verdickter, tangentialge- streckter Zellen mit Fortsätzen und Interzellularen, die Hautschicht aus einer Lage kubischer, stark porös verdickter Zellen. Auch die Schicht 4 wird nur durch eine Zellreihe gebildet. Der Pollenschlauch ist ver- hältnismäßig klein und ohne Wölbung und Aus- stülpung, doch konnte beides auch in ein paar Fällen beobachtet wer- den. Bei ©. Melo weist die stabförmige Ver- diekung der Palisaden kleine Verästelungen auf und die Schicht e“, sowie 2 teilen sich ein Fig. 22. Fig. 33. Fig. 21. Luffa aegyptiaca. (uerschnitt durch die äußere Partie der Samenschale. Die inneren paar Mal; sonst stimmt Schichten wie in Fig. 17. = haarförmige i y i i Verdickungsleisten; z7 Wandverdiekung diese Art mit O. sativa durch slarke aufeinander gelagerte Schichten; überein. 2 Zellumen. Fig. 22. Momordica charantia. Querschnitt durch, die i äußere Partie der Samenschale. Die übrigen 5. Citrallus. Schichten wie in Fig. 17. c die aus dem C. vulgaris stimmt Karpell stammende rote Samenhülle. "ig, 23. Trichosanthes anguina. Anerschnitt durch abgesehen von der star- Ns die äußere Partie der Samenschale, Die ken Verdickung seiner übrigen Schichten wie in Fig. 17. Epidermisoberfläche . . . und der mangelnden Verzweigung der Verdickungsleisten ganz mit Lagenaria vulgaris überein (vgl. Fig. 18). 6. Luffa (Fig. 21). Bei L. cylindriea teilt sich die Sporenmautterzeile sehon wenige Schichten unter der Epidermis und erzeugt öfters nur drei Toehter- 300 Tohannes Kratzer, zellen, indem sich die äußere nicht mehr teilt, sondern alsbald ver- kümmert. Die Epidermiszellen werden nur wenig radial gestreckt und zeigen nur unbedeutende oder keine Verdickungsleisten in den Wänden. Die hypodermale Schicht besteht aus drei Lagen kleiner kubischer Zellen, denen sich eine vierte, bedeutend größere anschließt mit stark verdiekten Wänden als Übergang zur Hartschicht e‘, die sehr lang gestreckte und überaus stark verdickte Zellen zeigt. Das übrig bleibende Lumen ist nur ein kleiner Spalt im oberen Drittel und manchmal außerdem noch an der Basis der Zellen. Die Verdickung läßt im oberen Teil drei übereinander gelagerte Schichten erkennen. Die Schicht 4 setzt sich aus ein paar Zellagen zusammen. Die im physiologischen Teile erwähnten netzförmigen oder meist parallelen feinen Verdickungen in den reifen Zellen des Nucellus treten hier besonders deutlich hervor. Der Pollenschlauch ist groß, doch ohne Wölbung und Aussackung. L. aegyptiaca zeigt in allen Punkten die- selben Erscheinungen. 7. Momordica (Fig. 22). Bei M. ist der große Eiapparat auffallend; die Synergiden erinnern dureh ihre Größe sehr an die von Cucurbita.. Die Epidermis der Samenschale ist verschieden ausgebildet. An einzelnen Stellen sind die Zellen radial gestreckt, an benachbarten sind sie wiederum sehr kurz, indem sie zur Verstärkung der hypodermalen Schieht aufgeteilt wurden. Ihre Außenwandung ist stark verdickt, in den übrigen Wänden sind Verdickungsleisten kaum wahrnehmbar. Die bypodermale Schicht umfaßt 10—20 Reihen länglich-runder, verdickter Zellen, die von außen nach innen an Größe und Stärke der Verdickung zunehmen und un- vermerkt in die dritte Schicht überleiten. In der äußeren Partie bilden diese Zellen Interzellularen, außen wie innen stehen sie durch Tüpfel- kanäle in Verbindung miteinander. Die eigentliche Hartschicht besteht aus ähnlichen, nur stärker porös verdiekten Zellen, die ebenfalls durch Ausläufer des Lumens in Verbindung stehen. Auffallend ist das Verhalten des Gefäßbündels, das nicht wie gewöhnlich sich nur auf die Gegenseite der Raphe fort- setzt, sondern sich an der Chalaza verzweigt und mit diesen Ästen die Samenanlage auf dem ganzen Umfang längs durchzieht. Der Pollen- schlauch ist ziemlich groß und zeigt zuweilen kleine, jedoch deutliche Aussackungen. 8. Trichosanthes (Fig. 23). Bei Tr, ist die Sporenmutterzelle durch eine Reihe von 10—12 Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cueurbitaceen usw. 301 Zellen in das Nucellus-Innere verlagert und erzeugt gewöhnlich nur drei Toehterzellen, deren unterste zum Embryosack wird. Die Epider- miszellen der Samenschale sind stark radial gestreckt und mit Ver- diekungsleisten versehen. Die hypodermale Schicht setzt sich aus 10—12 Lagen polygonaler Zellen zusammen, die mit ihren verdickten Wänden eng aneinander stoßen und durch Tüpfelkanäle miteinander verbunden sind. Die Hartschicht ist teilweise verdoppelt und wird durch kubisch stark verdickte Zellen gebildet (Tr. anguina). 9, Bryonia (Fig. 24). Die Sporenmutterzelle liegt bei der Tetradenbildung etwa 10 Zell- lagen tief im Nucellus. Die Epidermiszellen der Samenschale erreichen an Länge etwa ein Drittel des Durchmessers und sind im Zustand der Reife mit kräftigen verzweigten Verdiekungsleisten ausgerüstet. Auch die Außenfläche ist stark verdickt. Die zweite Schicht besteht nur aus einer einzigen Reihe kleiner verdiekter, tangential etwas gestreckter Zellen mit verästeltem Lumen. Die Hartschicht ist ebenfalls einreihig, Ihre Zellen sind sehr langgestreckt, läuger als die Epidermiszellen, zur Oberfläche schief gestellt und durch aufgelagerte Schichten im Inneren derart verdickt, daß das Lumen nur mehr als enger Kanal erscheint, der nur oben und unten durch spitze Ausläufer etwas erweitert, ist. Die Schicht 4 läßt die gewöhnlich sternförmige Ausbildung kaum er- kennen. Das gilt für Br. alba und dioica. 10. Thladiantha (Fig. 25). Die Epidermis der Samenschale setzt sich aus Zellen zusammen, die nur wenig radial gestreckt sind und fadenförmige Verdickungen der Wände besitzen. Die hypodermale Sehicht besteht aus 6—8 Reihen polygonaler stark verdickter Zellen, die nach innen allmählich an Größe zunehmen und unvermerkt zur Hartschicht überleiten, die in gleicher Weise ausgebildet ist. Der Pollenschlauch ist im Verhältnis zu dem der übrigen Gattungen sehr klein (Thl. dubia). 11. Echinoeystis (Fig. 26). Während die bisher geschilderten Gattungen ihre Samenanlagen normal an drei Plazenten tragen, entwickelt E. lobata bald zwei, bald eine Placenta, jenachdem ein Fruchtblatt an beiden Rändern fertil ist oder je ein Rand von zwei verschiedenen Fruchtblättern. Die Epider- miszellen sind verschieden, indem die ursprünglich gleichlangen Zellen. ähnlich wie bei Momordica, stellenweise stärker aufgeteilt wurden, zu- 302 Johannes Kratzer. gunsten der zweiten Schicht. Die längeren Zellen bilden dann kleine Buchten, «lie etwas mehr verschleint erscheinen. Doch sind die Zellen durchweg nicht groß und kaum verdickt. In Korrelation zur ersten Schicht besteht die zweite, aus 2—6 Lagen stark verdickter Zellen mit spaltenförmig-verästeltem Lumen. Als Hartschicht treffen wir eine Reihe sehr großer Zellen, welche mit ihrer Länge den halben Durchmesser der Samenschale erreichen. Ihre starken peripherischen Verdickungen lassen ein Lumen übrig, das einem Bäumehen mit Stamm, Krone und Wurzeln sehr ähnlich sieht. Die Fig. 2. Fig. 25. Fig. 26, Fig. 27. Fig. 24. Bryonia alba. Längsschnitt durch die äußere Partie der Samenschale. Der Querschnitt würde die schiefgestellten Zellen «'* nur abgeschnitten zeigen. Die übrigen Schichten wie in Fig. 17. 2@ durchweg stark verdickte Zellwand. Fig. 25. Thladiantha dubia. Querschnitt durch die äußere Partie der Samenschale. Die übrigen Schichten wie in Fig. 17. Fig. 26. Echinoeystis lobata. Querschnitt durch die äußere Partie der Samenschale. Die übrigen Schichten wie in Fig. 17. Cyelanthera explodens. Querschnitt durch die äußere Partie der Samen- schale. Die übrigen Schichten wie in Fig. 17. 7 Zellumen; z Inter- zellularen; z Querschnitt durch einen zitzenförmigen Fortsatz. z £) © S Schicht A setzt sich aus ein paar Zellagen zusammen, deren Wände sieh netzförmig verdieken. Der Pollenschlauch ist sehr groß und aus- gebaucht und geht aus einem Pollenkorn hervor, das an Größe dem von Cucurbita fast gleich kommt. 12. Cyelanthera (Fig. 27). . Bei C. obwalten in der Plazentenbildung die gleichen Verhältnisse wie bei Echinoeystis. Die Epidermis der Samenschale bildet kubische Zellen mit fadenförmigen Verdickungsleisten in den Wänden. Die hypo- dermale Sehicht umfalt 4—5 Reihen rundlicher, in Fortsätze aus- nicht zustande, weil der Inhalt des Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cucurbitaceen usw. 303 gezogener und schwach verdickter Zellen mit großen Interzellularen. Als Hartschicht fungiert eine Lage kubischer Zellen mit starken Ver- diekungen und verästeltem Lumen; durch die Äste sind benachbarte Zellen verbunden. Die Schicht % ist einreihig. Der Pollenschlauch ist sehr groß und ausgebaucht. Das gilt im wesentlichen für C. pedata und explodens. 13. Ecballium (Fig. 28). Bei Ecballium zeigen die langgestreckten Epidermiszellen in jeder Wand 3—4 aus Haarbündeln bestehende Verdickungs- leisten, die oft noch durch ebensolche Brücken quer verbunden sind. Die Außenwandung der Epidermis ist sehr dick. Die hypodermale Schicht wird durch eine einzige Reihe etwas verdickter, ovaler Zeilen gebildet. Die Zellen der Hartschicht sind radial sehr in die Länge gestreckt und zeigen ein sehr eingeengtes Lumen, ähnlich wie bei Bryonia, doch auf der ganzen Länge verzweigt. Eine Samenhülle kommt Fruchtknotens bei Ech. ja in eine schleimige Flüssigkeit aufgelöst wird. Der Pollenschlauch besitzt eine mitt- Fig. 28. Fig. 29. lere Größe und ließ auch Spuren von Fig.28. Eeballium elaterium. Quer- Auswölbung und Ausstülpung er- schnitt durch die Äußere Partie der Samenschale. Die übrigen Schichten wie in Fig. 17. z haarbündelige i i Verdickungsleisten mit Ver- 1 Sieyos (Fig. 29). bindungsbrücken 5. Bei S. angulata enthält der ji,.29. Sioyos angulata. Querschnitt kennen. Fruck! i inzi en- durch die reife Samenschale. !knoten nur eine einzige Sam rad schichtig verdickte Zeil- anlage an der einzigen ausgebildeten wand; » haarförmige Ver- Pia 2 i i dickungsleisten. Erklärung venta. Die Sporenmutterzelle wird der übrigen Zeichen aus durch eine sehr lange Reihe von Fig. 17 ersichtlich. Schichtzellen ins Innere des Nucellus verlagert, so daß sie der Chalaza näher liegt als dem Scheitel. Die Epidermis wird durch kubische Zellen mit haarförmigen Verdickungs- leisten gebildet. Die zweite Schicht besteht nur aus einer einzigen Reihe von sehr kleinen, verdiekten Zellen. Die Hartschicht weist eben- falls eine Reihe auf, doch sehr große, radial gestreckte Zellen, deren Lumen dtrch periphere Verdickung auf einen ganz engen Kanal redu- 304 Johannes Kratzer, ziert ist. Die schiehtweisen Auflagerungen der Verdickung sind gut zu unterscheiden. Die Schicht 4 umfaßt 5—6 Reihen sternförmiger Zellen mit großen Zwischenräumen. Für $. bryoniaefolius gilt dasselbe, nur ist die hypodermale Schieht nicht ein-, sondern zweireihig. 15. Sechium. Bei $. standen mir leider nur wenige junge Samenanlagen zur Verfügung, an denen ich feststellen konnte, daß das innere Integument noch mehrschichtig ist, besonders an der Basis bis zu 10 Zellreihen aufweist, was zur Stütze meiner Anschauung dient, daß das innere In- tegument. der Cucurbitaceen in Rückbildung begriffen ist. Die Betrachtung dieser Besonderheiten der einzelnen Gattungen ergibt, daß dieselben vor allem in der verschiedenen Dicke und Aus- bildung der allen Gattungen gemeinsamen Schichten der Samenschale bestehen. Die verschiedene Ausbildung zeigt sich in der Form der einzelnen Zellen und in charakteristischen Wandverdiekungen. Auch in der Kalottenbildung über dem Embryosack zeigen sich bedeutende Schwankungen in bezug auf ihre Dicke. Daneben fällt noch die ver- schiedene Gestalt des Pollenschlauches auf und das Verhalten der Sporenmutterzelle, die zuweilen nur drei Tochterzellen erzeugt. B. Die Samenentwicklung der Caricaceen. 1. Die Entwicklung vor der Befruchtung. Bei der Schilderung der Samenentwicklung der Caricaceen muß ich mich zum Teil auf die Angaben von Van Tieghem stützen, nach welchen (lie Samenentwieklung bei allen Carieaceen gleich ist. Denn mir selber stehen von den fünf Gattungen der Familie nur Carica Papaya und Jaracatia zur Verfügung, während Van Tieghem außer Carica noch Mocinna und Vasconcellea untersuchte. Die vollständige Entwiekluug von den jüngsten Stadien an konnte ich sogar nur an Carica allein verfolgen. Doch reieht die Untersuchung im Verein mit (len Literaturangaben hin, die Entwicklungsgeschichte der Caricaceen in den wesentlichen Punkten darzustellen. Die Samenanlagen der Caricaceen entstehen gewöhnlich an fünf Fruchtblättern, die ebenso viele parietale Plazenten bilden. Jedoch zeigt sich speziell bei Carica eine große Variabilität in der Fruchtblatt- ° und Plazentenzahl. Es treten nicht selten 10 Fruchtblätter mit 10 Plazenten auf, andererseits auch drei Plazenten und alle Zwischenstufen. Dabei können die Plazenten mehr oder weniger tief in die Frucht- knotenhöhle hineinragen oder in der Mitte verwachsen und so einen Die verwandtschaftlichen Beztehungen der Cueurbitaceen usw. 305 mehrfächerigen Fruchtknoten erzeugen. Verwachsen sind die Plazenten bei Vasconcellea und Jaracatia, die einen fünffächerigen Fruchtknoten haben. Carica Papaya weist gewöhnlich einen einfächerigen Frucht- knoten auf, bei Carica cundinamarcensis und einer C. hyhrida faud ich ihn fünffächerig. Doch treffen wir auch hier ähnlich wie bei der Frucht- blatt- und Plazentenzahl alle möglichen Variationen innerhalb derselben Art. Es können außer fünf freien oder fünf verwachsenen Plazenten unter den fünf auch zwei oder drei verwachsen und die übrigen frei bleiben, jedoch auch fertil sein, auch sechs verwachsene Plazenten und damıt einen sechsfächerigen Fruchtknoten habe ich beobachtet. I:benso tritt «ler Fall häufig auf, daß die inneren fünf Fruchtblätter zu einem einfächerigen Fruchtknoten mit fünf freien Plazenten verwachsen und die ebenfalls ziemlich weit entwickelten Fruchtblätter des äußeren Kreises frei bleiben und je einen eigenen einfächerigen Fruchtknoten bilden. Das habe ich bei Carica Papaya gefunden. ° Die Samenanlagen treten in überaus großer Zahl auf und sind nicht auf die Plazenten beschränkt, sondern entwickeln sich oft auf der ganzen Oberfläche der Fruchtblätter, besonders wenn die Ränder nur auf einer kurzen Strecke verwachsen sind. Ihrem Aufbau nach sind die Samenanlagen anatrop, mit Rücksicht auf ihre Stellung im Frucht- knoten apotrop, doch ist diese Stellung nicht durchweg konstant. Sie besitzen zwei Integumente und einen vielschichtigen Nucellus mit einer Kalotte über dem Embryosack. Das erste Anzeichen der beginnenden Samenentwicklung ist das Auftreten eineskleinen Höckers auf dem Fruchtblatt oder «ler Plazenta. Der Höcker bildet einen langen Funi- er Yard culus; sobald sich gi, 31. Carica Papaya. Aa dos Ahern Ina dieser zu krümmen Age des Inneren Inte H i . uments (7), 72 Sporen- aunent te Archospor- beginnt zeigen sich # mutterzelle zweigeteült. " die ersten Spuren des äußeren Integumentes. Durch hypodermale Teilungen wird das Dermatogen etwas vorgewölbt und seinerseits ebenfalls zur Teilung veranlaßt. Eine Zelle streckt sich in die Länge und teilt sich dann durch eine perikline Wand. Aus der äußeren Tochterzelle geht die Epidermis des äußeren Integumentes hervor und aus der inneren das Innengewebe, so daß das ganze äußere Integument aus zer Epidermis Flora. Bd. 110. 306 Johannes Kratzer, hervorgeht (Fig. 30 und 31), im Gegensatz zu jenem der Cucurbitaceen. an (dessen Aufbau sich auch hypodermale Zellen beteiligen. Die zuerst aufgetretenen hypodermalen Teilungen bilden bei den Oaricaceen nur eine Art basale Stütze für das eigentliche Integument. Nachdem das äußere Integument in der Länge etwa 4—-5 Zellagen erreicht hat, beginnt sich etwas höher am Nucellus das innere Integument in ähn- licher Weise zu entwickeln. Beide wachsen gleichmäßig mit der ganzen Samenanlage heran und überragen zuletzt den Nucellusscheitel, wodurch ein Endo- und Exostom entsteht, Fast gleichzeitig mit der ersten Anlage des äußeren Integumentes tritt in der hypodermalen Zellschicht des Nucellusscheitels das Arche- spor auf (Fig. 30). Nach dessen Teilung wird die Sporenmutterzelle durch 6—8 Schichtzellen in das Innere verlagert, wo sie dann 3—4 Sporenzellen (Fig. 32) bildet, von denen eine zum Embryosack wird, während («ie anderen verkümmern. Die Zahl wechselt, indem sich von den ersten Tochterzellen manchmal ur eine teilt, manchmal aber beide. Ebenso wird nicht immer dieselbe Zelle zum Embryosack. Ich konnte unzweideutig feststellen, wie sich Fig. 32. Cariea Papaya. Samenaniage bald die oberste, ball die unterste zur Zeit der Titradenbildung. - i aß i mutterzelle viergeteilt; g Geha. dazu entwickelt. Demgemäß ist anlage; a Außeres, 7 inneres Integument. die Behauptung Usteris, daß immer Tetraden gebildet werden und sich stets die oberste Zelle zum Embryosack entwiekelt, richtig zu stellen. Die Entwicklung des Embryosackes ist eine normale. Der Eiapparat ist klein, insbesondere im Vergleich mit dem der Cucurbitaceen. 2. Die Entwicklang nach der Befrnehtung. Die Befruchtung der Caricaesen wird durch einen kräftigen Pollen- schlauch vermittelt, der in vielen Fällen beim Eintritt in den Nucellus, ähnlich wie bei Cueurbita, sich etwas wölbt und kleine Aussackungen bildet. Das Pollenkorn kann durch Selbst- oder Fremdbestäubung auf die Narbe gebracht wer«den. Selbstbestäubung hat für Carica schon Baillon und Solms festgestellt; für die Correaeform von Carica ist nach Usteri Kleistogamie sicher, die Hauptrolle in der Bestäubung spielen aber nach Friedrich Müller bestimmte Nachtschmetterlinge. Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cuenrbitaceen usw. 307 Usteri wollte für die diözische Form an Stelle der Fremdbestäubung Parthenogenese setzen, da Entwicklung regelmäßig auch eintrete, wenn meilenweit im Umkreis keine männliche Pflanze zu finden sei und da er in den Samen von Oarica trotz selır vieler Schnitte niemals einen Pollenschlauch geseheu habe. Jedoch schon seine eigenen Versuche, die Partlienogenese experimentell zu beweisen, fielen sämtliche negativ aus. Ich selber habe auf jedem Medianschnitt einen wohlentwickelten Pollenschlauch feststellen können und außerdem gefunden, daß bei der diözischen Form an der weiblichen Pflanze von Cariea nicht selten auch einzelne Zwitterblüten vorhanden sind, wodurch auch bei Abwesenheit von männlichen Exemplaren Bestäubung ermöglicht wäre. Sicher ist dagegen, daß bei Carica Parthenokarpie vorkommt. Es treten normal ausgebildete Früchte auf olıne einen einzigen Samen, sowie Früchte mit verkümmerten Samenanlagen; auch Früchte mit scheinbar normal ausgebildeten Samen, die jedoch keinen Eınbryo entwickelt haben, finden sich. In diesem letzteren Falle konnte ich allerdings immer einen Pollenschlauch und Endosperm nachweisen, während die Eizelle ent- weder ungeteilt geblieben war oder nur eine Teilungswand gebildet hatte, also nach vorausgegangener Befruchtung verkümmert war. Usteri hat das gleiche beobachtet, allerdings auch wieder ohne den Pollen- schlauch zu sehen. Die gewöhnliche Erscheinung nach der Befruchtung ist eine rasche Vergrößerung des Embryosackes und in dessen Innerem eine lebhafte Endospermbildung. Dabei treten zunächst zahlreiche freie Kerne auf, vor allem in der Umgebung der Eizelle und an den Wänden des Em- bryosackes (Fig. 33). Allmählich füllt sich der Embryosack immer mehr mit Kernen und diehtem Inhalt. Zellwände treten aber erst später auf. Der Nucellus wird vom Endosperm ganz aufgezehrt, nur zusammen- gelrückte Membranen und die verdiekten Außenwände seiner Epider- mis erinnern schließlich noch an iho, sowie (die kleine Partie unter der Hypostase, die ja immer erhalten bleibt. Der Embryo wächst an- fangs sehr langsam, erst nach der Entwicklung des Endosperms zeigt er stärkeres Wachstum. Das Endosperm wird von ihm nur zu einen geringen Teil aufgezehrt. Der fertige Embryo ist gerade gestreckt, besitzt eine sehr lange Radieula, ein kurzes Hypokotyl und an der Spitze abgerundete lamellige Kotyledonen. Die Antipoden sehwinden schon zur Zeit der Befruchtung, ebenso erhalten sich auch die Syner- giden nicht lange. Die Integumententwicklung tritt mit der Befruchtung aueh in ein neues Entwicklungsstadium ein. Vor allem gehen im äußeren Integument beieutende Veränderungen 20* 308 Johannes Kratzer, vor sich durch lebhafte Teilungen, die seinen Umfang um ein Viel- faches vergrößern und 3—4 verschiedene Schichten erzeugen (Fig. 35 und 36). Die Epidermis teilt sieh hierbei nicht auf dem ganzen Um- fang des Samens, sondern nur stellenweise und zwar einmal oder zwei- bis dreimal (Fig. 34), bei Jaracatia scheinbar gar nicht. Das Produkt ist ein dünnwandiges, in Wasser stark quellendes Gewebe aus isodia- metrischen Zellen, das von mehreren Autoren als Arillus gedeutet wurde, jedoch einem solchen keineswegs entspricht, sondern die so- genannte Sarkotesta darstellt und vor allem zur Wasserspeicherung dient. Dieses Gewebe füllt auch die Vertiefungen aus, die an reifen, R-- . 2 -e h: ht: n ig, en hy -g Fig. 34. Cariea Papaya, (Querschnitt durch den ganzen Samen. + Epidermis, bei e Epidermis 2—-3mal geteilt; A hy- u i . podermale Schicht aus polygonalen ver- Fig. 33. Carica Papaya. Samen im be- holzten Zellen — Sklerotesta (Höcker); fruchteten Zustand. e Epidermis, bei e geteilt; A' hypodermale Schicht, bei A ungeteilt oder weniggeteilt; @g Innen- gewebe; g Gefäßbündel ins innere Inte- gument verlaufend; 5 Pollenschlauch; hy Ilypostase. % hypodermale Schicht aus Iunggestreck- ten unverholzten Zellen; e bzw. € +4 == Sarkotesta (Gruben); ir kleinzelliges Innengewebe; z inneres Integument; er Nucellusrest und Endosperm; em Ko- tyledonen. trockenen Caricasamen zu sehen sind und durch verschieden starke Ausbildung der zweiten Schicht erzeugt werden. Diese zweite Schicht entsteht aus lebhaften Teilungen der hypo- dermalen Zellreihen, welche senkrechte oder etwas schräge Reihen von wenigen bis zu 60 Zellen hervorbringen, wodurch die erwähnten Ver- tiefungen und Höcker entstehen (Fig. 34e' und A); übrigens wird an den Vertiefungen bei Carica die erste Reihe der hypodermalen Zellen ebenfalls oft bedeutend in die Länge gestreckt und der aus der Epi- dermis hervorgegangenen, Jarüberliegenden Sarkotesta ähnlich aus- Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cueurbitaseen usw. 309 gebildet (Fig. 344°). Sonst weisen die Zellen der zweiten Schicht eine unregelmäßige rundliche Form auf mit zitzenförmigen Fortsätzen, wo- durch besonders in der äußeren Partie große Interzellularräume ge- schaffen werden (Fig. 35). Aus dieser Form erklärt sich auch, daß Klebs die „auffallende Verschiedenheit der Zellumina“ betonen und Rüger sie bestreiten kann. In der gleichen Ebene wird nämlich ein Schnitt regelmäßig verschiedene Lumina zeigen, da die einen Zellen auf einem größeren Durchmesser (2), die anderen auf einem zitzen- förmigen Fortsatz (2) getroffen werden. Bei etwas anderer Einstellung des Objektives werden auch diese Zellen größer erscheinen, weil der optische Schnitt jetzt einen größeren. Durchmesser derselben Zellen zeigt. Desgleichen erklärt sich aus dieser zugespitzten Zellform auch die „zweite helle Verdickungsschicht“, Fig. 35. Caria Papaya. Querschnitt durch die reife Samenschale. Die großzellige hypodermale Schicht # nur zu \% ihres Durchmessers dargestellt. « Epi- dermis; ig Innengewebe des äußeren Integuments; 7 inneres Integument; » Nucellusrest; = Endosperm; z zitzenförmiger Fortsatz einer Zelle geschnitten; :s Interzellularraum bzw. darunterliegende schief verlaufende Zellwand; Z Zeilumen; x Wand- verdiekung; # Kristallzellen. Fig. 36. Jasacatia conica. e Epidermis; A hy- podermale Schicht (— Sklerotesta); 4 hypodermale Zellschicht aus un- verholzten Zellen; ze +#' = Sarko- testa; # Kristallzellen, 2 inneres In- tegument mit den Palisaden 2 be- ginnend (Hartschicht); » Nucellus- ı rest; en Endosperm. Fig. 36. die nach Rüger deutlich erkennbar ist, in Wirklichkeit aber nur durch die zwischen dem wahren und dem optischen Schnitt liegende schiefe Zellwand vorgetäuscht wird (Fig. 357). Nur die massige, braun er- scheinende Verdiekung (od) ist tatsächlich vorhanden. Im reifen Zu- stand sind die Zellen dieser zweiten Schicht gleich den großen Inter- zellularen Iuftführend; da sie aber auch begierig Wasser ansaugen. schreibt ihnen Klebs für die Zeit der Keimung die Rolle eines Wasser- behälters zu. Nach innen geht die zweite Schicht allmählich über in eine kleinzellige Schicht, den Rest des schon vor der Befruchtung vor- handenen Innengewebes. Diese Schicht bleibt bei Jaracatia auch nach 310 Tohannes Kratzer, der Befruchtung ganz ungeteilt. bei Carica aber erzeugt sie durch zahlreiche Teilungen ein überaus kleinzelliges Gewebe mit. zahlreichen kleinen Verdickungsleisten auf den Innenwänden. In beiden Fällen hat sie die gleiche Funktion wie die vorhergehende. Die innerste Zellreihe oder «ie innere Epidermis des äußeren Integumentes endlich verändert sich in der Weise, daß ihre Zellen eine kubische Gestalt annehmen, ihre Wände verdicken und im Inneren einen Kristallwürfel von oxalsaurem Kalk erzeugen (Fig. 35 und 36%). Das anschließende innere Integument vermehrt seine Zellagen nicht mehr nach der Befruchtung. Seine äußeren Epidermiszellen wachsen auf die 5—6fache Länge heran, ohne an Breite zuzunehmen, so daß sie schmale, längliche, bei Jaracatia senkrecht nnd bei Careia schrägstehende Palisaden bilden, deren Wände zur Zeit der Reife stark verdickt sind und nur ein spaltenförmiges Lumen frei lassen. Sie bilden die eigentliche Hartschicht der Caricaceen, die also im Gegensatz zu den Cucurbitaceen dem inneren Integument angehört. Die folgenden 2--3 Zellagen sind klein und abgerundet, doch auch stark verdickt, während der Rest sich nur wenig verdickt und zusammengepreßt wird. Diese fünf Schichten bilden zusammen die mächtige Samenschale der Caricaceen, die sich also aus der weichen von der Epidermis stam- menden Sarkotesta und der verholzten aus den hypodermalen Schichten des äußeren und dem inneren Integument gebildeten Sklerotesta zu- sammensetzt. C. Die Samenentwicklung der Passifloraceen. 1. Die Entwicklung vor der Befruchtung. Die Samenanlagen der Passiflaraceen entstehen an drei wand- ständigen Plazenten, die «lurch die verwachsenen Ränder der drei Frucht- blätter des einfachen Fruchtknotens gebildet werden. Diese Plazenten sind in der Regel sehr breit, so daß, ähnlich wie bei den Oaricaceen, fast die ganze Innenfläche der Fruchtblätter mit Samenanlagen bedeckt ist. Ihrem Aufbau nach sind die Samenanlagen anatrop, mit Rücksicht auf ihre Stellung im Fruchtknoten apotrop. Sie besitzen einen viel- schichtigen Nucellus mit einer Kalotte über dem Embryosack und zwei Integumente. Den Entwicklungsgang konnte ich nur an der Gattung Passiflora verfolgen, die mir in mehreren Arten zur Verfügung stand, als P. trifaseiata, P. sulerosa, P. quadrangularis und als Bastard in P. imp£ratrice Eugenie. Die befruchteten Stadien konnte ich nur an P. suberosa verfolgen: doch läßt der Vergleich der Jugendstadien und der Die verwandischaftlichen Beziehungen der Cucurbitaceen usw. 31 reifen Samen keinen Zweifel, daß der Entwicklungsgang nach der Be- fruchtung auch bei den übrigen Passifloren derselbe ist. Daß aber die anderen Gattungen der Familie mit Passiflora im wesentlichen üher- einstimmen, dafür spricht der Bau der reifen Samen, die ich an Herbar- material einiger Gattungen untersuchte, nämlich Adenia, Barteria, Paropsia, Pariopsis und Tryphostemma. Verfolgen wir die Entwieklungsgeschichte der Sanıenanlagen von Passifiora, so sehen wir in der jungen Samenknospe im Gegensatz zu den Caricaceen zuerst das innere Integument auftreten, indem gewöhn- lich zwei Zellreihen «der Epidermis sich radial strecken und sich dann zu teilen beginnen. Fast gleichzeitig erscheint einige Zellagen tiefer die erste Spur des äußeren Integumentes in ähnlicher Weise (Fig. 37). Durch Längsteilung der Epidermis wird das äußere Integunent gleich nach seiner Anlage gewöhnlich dreischich- tig, doch kann es auch zweischichtig blei- ben oder vierschichtig werden, und zwar bei derselben Art. Das konnte ich an Passi- flora trifasciata und P. imperatrice Eugönie schon auf jungen Stadien wahrnehmen. Fig. 37. Fig. 37 A u. B, Passiflora imperafrice Eugenie, : inneres Integument; a änßeres Integument; as Archespor; Sporennutterzelle. Fig. 38. Passiflora trifasciata. Samenanlage im befruchtungsreifen Stadium. @ äußeres, z inneres Integument; ar Arillusanlage; g Gefäßbündel. Auch ist das Integüment gewöhnlich nicht auf dem ganzen Umfang (der Samen gleich stark entwickelt, so daß ein und derselbe Same an (der einen Partie zwei oder drei an einer anderen Stelle vier Lagen zeigen kann. Diese Erscheinung zeigt sich auch bei Adenia auf späteren Entwicklungs- stadien. Das innere Integument weist ebenfalls zwei oder drei Zellreihen auf, jenachdem die Epidermis ungeteilt bleibt oder sich teilt. In dieser Dicke wachsen beide Integumente gleichzeitig mit dem Nurcellas heran. 312 Johannes Kratzer, dessen Scheitel schließlich vom äußeren überragt wird (Fig, 38). Rück- sichtlich «les Ursprunges zeigt uns (die Entwieklungsgeschichte auch, daß heide Integumente lediglich aus dem Dermatogen hervorgegangen sind. Gleichzeitig mit der beginnenden Integumententwieklung tritt in der hypodermalen Schicht des Nucellnsscheitels das Archespor auf. Die daraus hervorgehende Sporenmutterzelle wird durch 12—15 Schicht- zellen in das Innere des Nucellus verlagert, wo sie 3—4 Sporenzellen erzeugt, von denen eine zum Embryosack wird, und zwar ähnlich wie bei Carica, bald die oberste, bald die untere Die Entwicklung des FEimbryosackes ist eine normale. im Funieulus entwickelt. sich in der gleichen Periode ein Gefäß- bündel, das sich bis zur Chalaza fortsetzt. Am äußeren Umfang des Funienlus tritt zur Zeit der Befruchtungsreife in der Höhe des Nucel- Insscheitels ein Ringwulst auf, die Anlage des Arillus, der später eine Hülle um den ganzen Samen bildet. Die ersten Anfänge hierzu zeigen sich auf der der Samenanlage abgekehrten Seite (Fig 38). 2. Die Entwicklung nach der Befruchtung. Die Befruchtung verläuft in normaler Weise: sie wird durch einen kräftig entwickelten Pollenschlauch vermittelt, der durch die Mikropyle eindringt. Die erste Folge der Befruchtung ist eine bedeutende Ver- größerung des Embryosackes, der sich rasch bis zur Chalaza aus(dehnt. Zugleich treten in seinem Inneren zahlreiche freie Endospermkerne auf, in dichtes Plasma eingebettet. Zellwände werden erst später angelegt. Die fertigen JEndospermzellen sind überall ganz gleichmäßig aus- bildet und von gleichdichtem Inhalt erfüllt im Gegensatz zu jenen der Cucurbitaceen, die an der Peripherie viel kleiner und dichter sind als in der inneren Partie des Embryosackes. Dagegen erinnern Embryo- sack und Endosperm in ihrem Verhalten wie ihrem ganzen Aussehen sehr an die Caricaceen. Genau wie dort wird auch der Nucellus allmählich vom Endosperm ganz aufgezehrt his auf ein paar zusammengepreßte Membranen. Der Embryo bleibt lange Zeit klein und beginnt erst nach reichlicher Enidospermbildung lebhaft zu wachsen. Das Endosperm wird von ihm nur zu einem Teile aufgezehrt, so daß er im reifen Samen noch von einer dieken Schicht desselben umgeben ist. Der fertige Embryo ist gerade gestreckt und ähnlich gebaut wie bei Carica; er besitzt eine lange Radieula und lamellige Kotyledonen. Die Antipoden sind schon zur Zeit der Befruchtung verschwunden, und auch die Synergiden haben keinen langen Bestand. Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cucurbitaceen usw. 313 Die Veränderung der Integumente besteht hauptsächlich in Ver- größerung und Verdiekung der Zellen. Vor allem strecken sich die Epidermiszellen bei vielen Gattungen stellenweise bedeutend nach innen Fig. 40. Passiflora. (uerschnitt Fig. 39. Passiflora suberosa. Vorgeschrittene- durch die Samenschale. A P. foe- res Stadium nach der Befruchtung. ar Arillus; tida; B P. hirsuta; C P, cuprea. a äußeres, 7 inneres Integument; » Nucellus; a äußeres, ? inneres Integument; en Endosperm am Embryo; 5 Pollenschlauch; + Epidermis des äußeren Integu- e Epidermis; % hypodermale Schicht, in der ments; # hypodermale Schicht oberen Partie (hei @) geteilt; As Anlage der und zugleich innere Epidermis Hartschicht im inneren Integument; / Funi- des äußeren Integuments; %s Hart- eulus; g Gefäßbündel. schicht. zu und erzeugen so auf dem ganzen Umfang des Samens grubige Vertiefungen (Fig. 39 und 40). Die langgestreckten Zellen können Fig. 42. Paropsia obseura Querschnitt Fig. 41. Adenia venenata. Samen- durch die reife Samenschale. Äußeres In- schale im Querschnitt. Nach Eng- tegument a stellenweise nur aus der Epi- ler, Passifloraceae africanae. @ äus- dermis bestehend, jedenfalls infolge Rück- seres, 7 inneres Integument; A hypo- bildung der hypodermalen Schicht %; dermale Schicht; %s Hartschicht. ? Tüpfel. ungeteilt bleiben oder sich ein bis mehrmals teilen (Adenia Fig. 41). In jedem Falle bilden sie mit der ungeteilten Epidermis eine Sarkotesta, 314 ‚Johannes Kratzer, ähnlich jener der Caricaceen. Bei Adenia sollen die Zellen der gru- bigen Vertiefungen nach Engler-Prantl schon als Sarkotesta ans- gebillet sein, was indes keineswegs auffallend ist, sondern ganz dem Verhalten der gleichen Zellage bei Carica entspricht, indem dieselbe an den Stellen, wo die Zellen langgestreckt und ungeteilt sind, den Charakter der Sarkotesta zeigt, und an jenen, wo durch Teilung mehrere Zellen entstanden sind, den der Sklerotesta. Zu beachten ist noch, daß eigentliches inneres Gewebe und damit eine eigentliche hypodermale Schicht im äußeren Integument nur bei jenen Gattungen vorhanden ist, deren äußeres Integument mehr als zwei Zellagen umfaßt. Bei den übrigen hat (lie innere Epidermis die Auf- gabe der hypodermalen Zellen übernommen (Fig. 42). Beide Schichten ler Sarkotesta können fadenförmige oder auch starke Verdickungen in den Wänden aufweisen oder unverdickt sein (Fig. 40) Das innere Integument bildet sich vor allem dadurch weiter, daB ılie äußere seiner drei Zellagen entsprechend den Buchten und Vor- sprüngen sich bald mehr, bald weniger stark radial streckt und zur eigentlichen Hartschicht wird. Ihre Zellwände vertlicken sich allmählich sehr bedeutend und stehen miteinander nur durch außerordentlich zahl- reiche Tüpfel in Verbindung. Die Zellen der zweiten Lage bleiben klein, weisen dichten Inhalt auf und zeigen schwach verdickte Wände; jene der dritten Lage sind ebenfalls klein, verlieren aber ihren Inhalt und werden zusammengedrückt. Der Nucellus wird, wie bereits erwähnt, durch das stark entwickelte Fndosperm bis auf ein dünnes Häutchen aufgelöst. Der Arillus ent- wickelt sich gegen tie Reife des Samens zu einer häutigen, mehrschich- tigen Hülle, die den Samen von der Mikropyle an gegen die Chalaza hin mehr oder weniger weit umgibt. D. Die Samenentwicklung der Aristolochiaceen. 1. Die Entwicklung vor der Befruchtung. Die Samenanlagen der Aristolochiaceen entstehen an sechs parie- talen Plazenten. die aus den Rändern ebenso vieler Fruchtblätter des unterstäudigen Fruchtknotens hervorgehen. Die Plazenten können ent- weder frei in der Höhlung des Fruchtknotens enden, so daß dieser ein- fächerig bleibt. oder in der Mitte verwachsen, wodurch fünf Fächer gebildet werden. Trsteres finden wir bei Aristolochia, clematitis und gigas letzteres bei Asarum sowie bei Aristolochia brasiliensis und fimbriata. Doch dringen auelı bei Aristolochia elematitis und gigas die a Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cucurbitaceen usw. 315 Plazenten sehr häufig soweit ins Innere vor, daß sie sich berühren oder zum Teil sogar leicht verwachsen, so daß sich direkt der Übergang vom einfächerigen zum mehrfächerigen Fruchtknoten feststellen läßt. Fig. 43. Aristolochia elematitis. Integumententwieklung. A Anlage des äußeren Integuments. . B Beide Integumente angelegt, doch das innere auch noch zweilagig. Die Samenanlagen werden in je einer Reihe an jedem der beiden Plazentenschenkel angelegt, doch wird bei Asarum nur an jedem Schenkel ein einziger Same ausgebildet, so daß jedes Fach zwei Sanıen enthält, ja hänfig sind einzelne Schen- kel auch ohne Samen. Bei Aristolochia wird in jedem Fach bzw. jeder Kammer (bei Niehtverwachsung) eine lange Reihe von Samen ausgebildet, die entweder von einem der beiden Schenkel entspringen oder von beiden abwechselnd, in welch letzterem Falle die eine Reihe zwei wegen Raum- mangels ineinander gescho- benen Reihen entspricht. Ihrem Aufbau nach sind die Samen anatrop, mit Rück- Fig. 44. Aristolochia elematitis. & Längs- sicht auf ihre Stellung im schnitt durch die Schmalseite der Samenanlage mit Funiculus (f); B durch die Breitseite. Fruchtknoten apotrop. Sie be- g Gefäßbündelanlage; s> Sporenzellen. Sitzen zwei Integumente und einen dicken Nucellus mit einer Kalotte über dem Embryosack. Von den beiden Integumenten tritt an der jungen Samenanlage zuerst das äußere auf, das aus zwei Zellen des Dermatogens hervorgeht und nur zwei Zellreihen umfaßt (Fig. 43). Nur an der Basis kann es durch 316 Johannes Kratzer, Spaltung einer der beiden Zellagen mehrschichtig sein. Nach kurzer Zeit legt sich in gleicher Weise das innere Integument an, das zunächst auch aus zwei Zellagen besteht. bald aber durch Längsteilung eine dritte erhält; (lie oberste Partie kann sogar mehr Teilungen erfahren. Beide Integumente wachsen hierauf gleichmäßig mit dem Nucellus heran, dessen konischen Scheitel sie zuletzt überdecken, das innere ragt hierbei noch etwas über das äußere empor (Fig. 44). Etwa gleichzeitig mit den ersten Spuren eines Integumentes tritt im Nucellusscheitel das Archespor auf. Die daraus hervorgehende Sporenmutterzelle wird dureh etwa 6—10 Schichtzellen in das Innere verlagert und bildet dort. vier Tochterzellen (Fig. 44), von welchen die oberste wie die unterste zum Embryosack werden kann. Die Entwieklung des Embryosackes vollzieht sich in der gewöhnlichen Weise. Der Nucellus entwickeit sich mit dem Funiculus vor allem in die Breite, weniger in die Tiefe, so daß die Samenanlage dorsiventral ab- geplattet wird (Fig. 44 u. 47). Im Inneren des breiten Funieulus bildet sich in dieser Periode ein kräftiges Gefäßbündel aus, das bis zur Chalaza vordringt. 2. Die Entwicklung nach der Befruchtung. Die Befruchtung selbst zeigt nichts Ungewöhnliches, sie wird durch einen verhältnismäßig schwachen Pollenschlauch bewirkt, der (durch die Mikropyle eindringt. Die erste Veränderung nach der Be- Fig. 45. Fig. 45. Aristolochia elematitis. Drei Stadien der Endospermentwicklung. e Eizelle; Antipoden; ex Endospermzellen. Fig. 46. Verschiedene Integumententwieklung der Aristolochiaceen nach der Befruchtung. Au. B Aristolochia fimbriata; C Aristo- Ischia gigas; D Asarum enropaeum. e Epidermis; A ursprüngliche hypodermale Schicht = innere Epidermis des äußeren Integuments (a): e' aus der Epidermis Fig. 46. hervorgehende hypodermale Schicht; 7 18 inneres Integument; » Nucellusrest; en Endosperm; # Tüpfel. an Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cucurbitaceen usw. 317 fruchtung besteht in einer bedeutenden Vergrößerung des Nucellus und des Embryosackes. Im Inneren des letzteren bildet sich Endosperm, doeh nicht durch freie Kernteilung, sondern in der Weise, daß auf jede Kernteilung sofort die Bildung einer Wand erfolgt (Fig. 45). Hierbei wird der Inhalt des Embryosackes zuerst durch eine Querwand in der Mitte in zwei Zellen geteilt, deren jede sich dann in gleicher Weise fortteilt, bis der ganze Embryosack von kleinzelligem Endosperm er- füllt ist. Durch dessen Weiterentwicklung wird das ganze Nucellus- gewebe aufgezehrt bis auf geringe häutige Reste. Der Embryo wächst nur langsam und zehrt nur einen geringen Teil des Endospernis auf. In der Weiterbildung der Integumente zeigen die einzelnen Gattungen und Ar- ten eine kleine Verschieden- heit. Sie stimmen nur völlig überein hinsichtlich des inne- ren Integumentes, das bei der Dreizall der Zellagen stehen bleibt oder sich in der mittleren Lage noch ein- mal teilt. Was die Form be- trifft, so haben sich die Zellen der mittleren Schicht tangen- tial gestreckt, die der inneren Fig. 47. Aristolochia elematitis. Längsschnitt und äußeren in sagittaler durch eine Samenanlage nach der Befruchtung. Richtung. Sämtliche Zell- A Breitseite; B Schmalseite mit Funiculus, n “anli äp. a äußeres Integument mit Epidermisteilungen; Iagen werden schließlich stär Z inneres Integument; » Nucellus; es Embryo- ker verdickt und bilden zu- sack mit Endosperm; f Funiculus; g Gefäß- sammen die Hartschicht bündel. (Fig. 46). Im äußeren Integument erzeugt die innere Zellreihe bei allen Gattungen und Arten in ihrem Inneren einen Kristallwürfel, die Epidermis aber wird verschieden ausgebildet (Fig. 46). Bei Asarum besteht sie aus tangential gestreckten Zellen, die sich nicht weiter teilen, bei Aristo- lochia dagegen ist sie durchweg radial ‘gestreckt und wird durch Teilungen auf beiden Schmalseiten zu einer Schicht von 2—12 Lagen polygonaler Zellen, wodurch eine Art Saum gebildet wird (Fig. 47A). Die Zahl dieser Zellen wechselt bei den verschiedenen Arten; so zeigt Aristolochia fimbriata zwei Lagen, Ar. gigas deren 8-12. Bei Ar, 'gigas greifen diese Teilungen auch anf die Breitseiten des Samens 318 Johannes Kratzer, über, treten also auf dem ganzen Umfang auf. In ihrer Weiterent- wicklung werden sie stark verdickt und dureh zahlreiche Tüpfel durch- brochen, teilweise auch als Ölzellen ausgebildet. Noch weit zahlreicher treten solche Ölzellen im Funiculus auf, wie die Fig. 48 zeigt. Ob der Funieulus von Aristolochia wegen dieses Ölgehaltes dieselbe Rolle spielt wie das Elaiosom von Asarum ist nicht erforscht. Die Ausbildung des Ölkörpers ist in jedem Fall bei Asarum eine ganz andere, indem er uns hier als Fig. 48. Ölkörper. A u. B Asarım europaeum R Sohi : im Längs- bzw. Querschnitt; GC (Querschnitt von ganz eigenes Gebilde in Aristolochia fimhriata; D von Aristolochia Sipt " j I ata; R a Sipho. Form eines Saumes aus f Funieulus; el Elaiosom; ö3 Ölzellen; em Embryo; 3—5 Reihe ehr groß- en Peri- und Endosperm; « äußeres, / inneres } eihen $ 8 Integunent. lumiger, ölreicher Zellen im Rücken des Funieulus entgegentritt. Daß dieses Elaiosom den Ameisen als beliebte Nahrung dient und so zur Verbreitung der Samen beiträgt, steht fest. E. Die Samenentwicklung der Loasaceen. 1. Die Entwicklung der Loasaceensamen im allgemeinen. 1. Die EntwickInng vor der Befruchtung. Meine Darlegung in diesem wie in den folgenden Abschnitten er- strecken sich auf Loasa vulcanica, L. hispida und L. tricolor, Cajophora latirieia, Bluntenbachia Hieronymi, Mentzelia aurea, albescens und Gonm- satti und Gronovia scandens. Wie bereits erwähnt habe ich dabei zum Teil die nicht veröffentlichten Untersuchungen und Zeichnungen von Ilse Floercke verwertet; das trifft vor allem für die Gattungen Mentzelia un Gronovia zu, die mir nicht zur Verfügung standen. Die Samenanlagen der Loasaceen entstehen gewöhnlich sehr zahl- reich und in zwei oıler mehrere Reihen angeordnet an drei oder fünf parietalen Plazenten, die teilweise durch Spaltung am Ende ihre Bildung aus je zwei Fruchtblatträndern deutlich erkennen lassen. Nur die Gattung Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cucurbitaceen usw. 319 Gronovia erzeugt nur eine einzige Placenta mit einer einzigen Samen- anlage. Die Plazenten springen mehr oder weniger tief in die Frucht- knotenhöhle vor, verwachsen jedoch niemals in der Mitte, so daß der Fruchtknoten stets einfächerig bleibt. Durch ihre Spaltung und kräftige Entwieklung erinnern sie sehr an jene der Cucurbitaceen. Die Samen sind ihrem Aufbau nach auatrop, in bezug auf ihre Stellung im Fruchtknoten apotrop. Nach der Zahl der Integumente und der Beschaffenheit des Nucellus gehören sie zı Warming’s mono- chlamydem leptosporangiaten Typus, d. h. sie besitzen einen dünnen Nucellus und nur ein Integument, das jedoch kräftig entwickelt ist. Der Nucellus besteht gewöhnlich nur aus einer zentralen Zellreihe und einer ein- bis zweilagigen Hülle, nur die basale Partie zeigt in der Regel mehrere langgestreckte, schmale Zellreihen, die als Leitungs- gewebe fungieren. Diese Schichten werden von Anfang an angelegt und erfahren keine Vermehrung im Laufe der Entwicklung. Das Integument entsteht an der jungen Samenanlage als ein Ringwulst von zwei Zellagen (Fig. 49 A). Noch ehe es in die Höhe Fig. 49. Loasa vulcanica. A Samen- R . anlage zur Zeit der Integumentanlage; zu wachsen beginnt, wird es durch RB zur Zeit der Tetradenbildung. as Archespor; z Integument; e2 Epithel; Längsteilung der Epidermis drei- Nucellus® Funiculus. reihig, und in dieser Stärke wächst es über den Nucellusscheitel empor, den es zur Zeit der Tetradenbildung erreicht (Fig. 49B). Damit ist jedoch das Wachstum des Integumentes keineswegs abgeschlossen; es wächst vielmehr noch bedeutend in die Länge, so daß es zuletzt den aus- gewachsenen Nucellus noch um die Hälfte der ganzen Länge überragt. Dadurch wird ein außerordentlich langer Mikropylkanal erzeugt, der allerdings in seinem unteren Teil alsbald durch den herauswachsenden Embryosack ausgefüllt wird (Fig. 50). In seiner oberen Partie wird er etwas nach auswärts gekrümmt, oder sogar stumpf- bis spitzwinklig aufgebogen (Fig. 52). Auch in die Dicke wächst das Integument durch Teilungen der Epidermis wie des Innengewebes, so daß es sehließlich 10-—17 Zellagen aufweist. Von diesen Zellen beginnen jene der innersten Schicht sich bald zu differenzieren. Sie füllen sich dicht mit körnigem Inhalt, strecken sich stark in radialer Richtung und zeigen sehr vergrößerte Kerne, sie 320 Johannes Kratzer, bilden sich zu einem Epithel um (Fig. 5062). Diese Umbildung er- streckt sich schließlich von der Basis aus allmählich bis zum Scheitel des Nucellus, während die Mirkopylepittermis diesen Epithelcharakter niebt annimmt. Worin die Bedeutung dieses bei den Sympetalen fast allgemein vorhandenen Epithels liegt, darüber sind die Meinungen geteilt. Indes wird uns ein späteres Entwicklungsstadium hierüber ein besseres Urteil ermöglichen. Mit dem Integument verdickt sich auch der Funiculus. Ein Gefäßbündel wird nicht ausgebildet; «der Nährstrom wird durch die Zellen des Funi- culus in den Samen eingeleitet und vor- übergehend in Nähr- geweben gespeichert, die sich in den in- neren Partien des Integumentes bilden. Etwa gleichzeitig mit dem Integument tritt im Nucellus das Achespor auf. Es Fig, 31. Cojophora lati- geht aus der hypo- ricia. ih in die Mikro- dermalen Zelle, der pyle eingedrungene Em- d bryosackpartie (Anlage des obersten Zelle des . Mikropylhaustoriums); nges. Fig. 50. Loasa vulcanica cAak in die Chalaza in zentralen Stranges, Samenanlage zur Zeit der gedrungene Embryosack- hervor und wandelt Tetradenbildung. ‚ri Mi- partie (Anlage des Ohalaza- i e hicht- kropylkanat; «5 Epithel; haustoriums); mz Rest des sich, ohn . Sc . r Nucellusrest. Mikropylkanals. zellen zu bilden, di- rekt in die Sporen- mutterzelle um (Fig.49). Diese erzeugt nach entsprechendem Wachstum gewöhnlich vier Tochterzellen (Fig. 50), deren oberste zum Embryosack wird. Niet selten können auch zwei Archespor- oder Sporenmutter- zellen nebeneinander beobachtet werden, die Tetraden erzeugen, doch entwickelt sich in diesem Falle auch nur ein normaler Embryosack. Der junge Embryosack verdrängt rasch seine Schwesterzellen, streckt durch sein Wachstum auch die Epidermis des Nucellus, die sich nicht mehr teilt, in tangentialer Richtung und zehrt sie schließlich auf, so daß er bald direkt von dem erwähnten, aus dem Integument hervor- gegangenen Epithel umschlossen wird (Fig. 51). Die Bildung des Ei- apparates und der Antipoden geht in normaler Weise vor sich. Nach- her zeigen sich aber auffallende Erscheinungen. Beim Weiterwachsen Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cucurbitaeeen usw. 321 bohrt sich der Embryosack in den Mikropylkanal ein, den er durch Auflösen der anliegenden Zellen mehr oder weniger stark erweitert (Fig. 52). Da hierbei oft eine kurze Anfangsstrecke durch kutinisierte Wände der Auflösung widersteht, so entsteht in diesen Fällen eine Art schmaler Verbindungsbrücke zwischen dem ursprünglichen Embryosack und der folgenden, als Mikropylhaustorium zu bezeichnenden, bauchigen Ausstülpung (Fig. 53A und B). In ähnlicher Weise dringt der Em- bryosack in das Nährgewebe der Chalaza ein, um beson-, ders nach der Befruchtung als Haustorium zu wirken. In beschränktem Maße scheint er diese Tätigkeit auch vor der Befruchtung auszuüben. Darauf deutet die Auflösung des Nährgewebes an der Chalaza hin im Zusammen- halt mit den stark vergrößer- ten Antipoden bei Mentzelia Gonsattii. Daß es sich bei diesen haustorialen Kernen wirklich um die Antipoden handelt, ist durch das be- treffende Entwicklungssta- dium, das eine Befruchtung ausschließt, zweifelsfrei nach- gewiesen. Die haustorialen Aus- stülpungen des Embryosackes Fig. 52. Samenanlage zur Zeit der Haustorien- können einheitlich bleiben bildung. A Loasa tricolor (Anfangsstadium); oder si in mehrere B Mentzelia aurea; C Loasa hispida; D Blu- A sich auch i > - menbachia Hieronymi (weiter fortgeschritten). rıne teilen. So weist Cajo- „;z Mikropylhaustorium; cas Chalazahausto- Phora keine Verzweigung der rium; 7 Integument. Haustorien auf, Blumenbachia . zeigt solche an der Chalaza, Gronovia und Loasa tricolor an der Chalaza und Mikropyle bis gegen den Funiculus. Mir scheint dieses verschiedene Verhalten mit dem kräftigen Wachstum des Embryos einerseits und dem verschieden starken Widerstand des umgebenden Gewebes andererseits zusammenzuhängen, wie ich das auch für das analoge Verhalten des Pollenschlauches bei den Cucurbitaceen angenommen habe: Durch das Flora. Bd. 110. 322 Johannes Kratzer, Auswachsen des Embryosackes in die Mikropyle wird auch die Lage des Eiapparates beeinflußt. Er wandert bei Loasa, Cajophora, Blumen- bachia und Mentzelia Gonsatti in den Auswuchs, bei Gronovia, Ment- zelia aurea und albescens soll er nach Fioereke im ursprünglichen Fig. 53. Haustorienentwicklung. A Loasa tricolor, befruchtungsreifer Embryosack; B Lo- asa tricolor nach der Befruchtung, Chalaza- haustorium, Haustorialkerne 2 frei; C Mentze- lia Gonsatti, Chalazahaustorium, Haustorial- kerne teilweise mit Wänden umgeben; D Lo- asa vulcanica, Mikropylhaustorium, freie Hau- storialkerne, doch beginnende Wandbildung. „ih Mikropylhaustorium; c%a% Chalazahausto- rium; «#2 Epithel; e Eiapparat; ap Antipoden; ez befruchtete Eizelle in Ruhe; +% haustoriale Endospermzellen. Eimnbryosack bleiben. Da mir diese Arten nicht zur Ver- fügung standen, kann ich nicht entscheiden, ob es sich hierbei um eine feststehende Eigentümlichkeit der Art oder -nur um individuelle Abweichungen handelt. 2. Die Entwicklung nach der Befruchtung. Die Befruchtung wird in normaler Weise durch einen ziemlich kräftigen Pollenschlauch bewirkt, doch hat Floercke einmal auch an unaufgeblütem Material von Gronovia scandens Endo- spermbildung beobachtet, was auf Kleistogamie oder Apo- gamie hinweisen würde: zur sicheren Feststellung der Verhältnisse wären noch weitere Untersuchungen not- wendig. Die erste Folge der Befruchtung ist die Weiter- entwieklung der Haustorien- anlagen und die Bildung von Endosperm. Es teilt sich zunächst der befruchtete se- kundäre Embryosackkern, der aus der Verschmelzung der beiden Polkerne hervorgegangen ist, Seine Abkömmlinge verteilen sich sogleich auf die einzelnen Partien des Embryosackes, den primären Embryosack und die haustorialen Ausstülpungen. Diese Ausstülpungen nehmen jetzt bedeutend an Größe zu und können besonders an der Mikropyle und Chalaza geradezu riesige Dimensionen annehmen. Die verwandischaftlichen Beziehungen der Cucurbitaceen usw. 323 Ihr Inneres ist reichlich mit Zellsaft erfüllt und von kräftigen Plasmasträngen durchzogen. Gleichzeitig werden durch wiederholte Teilung des einen Kernes mehrere Endospermkerne erzeugt, die eine auffallende Größe annehmen, doch größtenteils frei im Plasma ein- gebettet bleiben, ohne sich mit einer Membran zu umgeben. Allerdings werden die großen Aussackungen auch vielfach durch unregelmäßige Wände in mehrere Räume abgeteilt, doch entstehen dadurch selten einkernige Zellen, vielmehr finden sich in jeder dieser Partien in der Regel mehrere freie Kerne. Es wird in diesen Haustorien auch nicht eigentliches Endosperm gebildet, ihre Aufgabe ist vielmehr, den benach- barten Nährgeweben des Integumentes das Nährmaterial zu entziehen und es vorübergehend für die kommende Em- bryoentwicklung zu speichern. Fig. 54. Fig. 56. . 54. Cajophora latiricia. Endospermbildung. = mittlere Endospermzelle, die das eigentliche Sameneiweiß liefert; + die seitlichen Partien, aus denen die haustorialen Endosperinzellen hervorgehen; 4 Mikropylhaustorium; chah Chalazahaustorium. Fig. 55. Loasa vulcanica. e% haustoriale Endospermzelle; = mittleres Endosperm; chah im Chalazahaustorium angehänftes Nährmaterial. Fig. 56. Loasa hispida. «#% Epithelzellen mit haustorialem Charakter; «2 Epithel; es haustoriale Endospermzellen; c#«% im Chalazahaustoriun gespeichertes Nährmaterial. Anders verhalten sich die Endospermkerne in dem vom Epithel umgebenen Teil des Embryosackes (Fig. 54). Hier werden sie sogleich durch Querwände voneinander getrennt, wodurch ein einreihiges Enıdo- sperm entsteht; erst später werden die Zellen durch Wände in zwei aufeinander senkrecht stehenden Längsebenen geviertelt. Indes trägt auch dieses Endosperm nicht einheitlichen Charakter. Eigentliches Sameneiweiß geht nur aus der mittleren Partie hervor. die sich aus 1—2 Zellen in der Mitte bildet; die oberste und unterste Zelle erzeugen 2ır 324 Johannes Kratzer, je eine bis mehrere Lagen von Endospermzellen mit ebenfalls hausto- rialem Charakter, der besonders an ihren Endzellen hervortritt, die sich sehr stark strecken und in den Mikropyl- bzw. Chalazakanal hin- einsenken (Fig. 55, 56 und 53C und D). Ihre Aufgabe ist es, die Baumaterialien des Mikropyl- und Chalazahaustoriums abzubauen und in sich aufzunehmen, bis sie vom eigentlichen, mittleren Endosperm aufgelöst und gleich den beiden Erstgenannten zusammengedrückt werden (Fig. 57—59). Wir sehen also bei den Loasaceen drei Formen von Endosperm auftreten, jenes in den haustorislen Aussackungen, das an den Über- gangsstellen befindliche mit haustorialem Charakter und jenes im pri- mären Einbryosack von gewöhnlichem Charakter. Fig. 57. Fig. 58. Fig. 59. Fig. 57. Lonsa hispida, ».% Mikropylhaustorium mit gespeichertem Nährmaterial; m mittleres Endosperm, das die haustorialen Endospermzellen bereits verdrängt hat, Fig. 58. Mentzelia Gonsatti, Embryoentwieklung. es Embryonalschlauch; em Em- bryo; = Mikropylhaustorium; m mittleres Endosperm; e> Epithel, in Auflösung begriffen; s Suspensor. Fig. 59. Cajophora latiricia, Vorgeschritteneres Entwicklungsstadium. ss Nähr- tmaterialrest im Mikropylhaustorium; cka2 Rest des Chalazahaustoriums; m Endosperm; en Embryo; - Epidermis; 4 hypodermale Schicht, teil- weise bereits Aufgelöst. Mit dem Wachstum des Endosperms ist natürlich auch eine Aus dehnung des Embryosackes verbunden. Das angrenzende Epithel folgt dieser Ausdehnung nicht mehr durch Vermehrung, sondern nur durch Vergrößerung seiner Zellen, wobei sich auch deren Kerne noch weiter vergrößern und inhaltsreicher werden. Hand in Hand damit geht die Auflösung der angrenzenden Integumentzellen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß dieselben durch Enzyme des Epithels aufgelöst werden und ihren Inhalt an die Epithelzellen abgeben, Bald nachher aber Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cucurbitaceen usw. 325 verlieren auch diese ihren Inhalt wieder, sie erscheinen zunächst stark aufgetrieben, ihre Membranen verquellen und werden allmählich auf- gelöst, ihr Verband wird gelockert und hört bald ganz auf, das Plasma vermindert sich immer mehr, bis zuletzt auch die Kerne und die letzten Membranreste verschwinden (Fig. 58 und 59). Sie werden durch die Hauptpartie des Embryosackes und teilweise auch durch kleinere Hau- storien desselben aufgezehrt. Die Gesamtheit dieser Erscheinungen dürfte ein deutlicher Beweis sein, daß dem Epithel für die mittlere Partie der Samenanlage im wesentlichen die gleiche Funktion zukommt, wie dem Mikropyl- und Chalazahaustorium für die obere und untere Partie. Dieser Beweis wird noch verstärkt durch die Tatsache, daß bei Loasa hispida, bei der das Chalazahaustorium nur schwach ent- wickelt ist, die untersten Zellen — etwa drei Lagen übereinander — direkt wie die Endospermhaustorienzellen ausgebildet werden. Die Eizelle verharrt nach der Befruchtung längere Zeit in Ruhe. Nachdem die Endospermentwicklung ziemlich weit vorgeschritten ist, wächst sie zunächst zu einem langen Embryonalschlauch aus, der in den Fällen, wo der Eispparat in die Mikropyle eingewandert ist, durch das Mikropylhaustorium und das vorgelagerte Endosperm hindurch- wächst und dann erst zu Teilungen schreitet, durch die ein Suspensor und der Embryo erzeugt werden. Der Embryo wächst heran durch Auflösung des umgebenden Endosperms, das mittlerweile durch zahl- reiche Teilungen ein großer, kleinzelliger Körper geworden ist. Indes wird das Endosperm nur zu einem Teile aufgezehrt, so daß auch im reifen Samen noch mehrere Lagen davon vorhanden sind und zugleich eine Schutzschicht um den Embryo darstellen. Insbesondere wird die äußerste Endospermlage direkt als Schutzschicht ausgebildet, indem ihre Zellen dichteren Inhalt aufweisen und eine verdickte Außenmembran. Der reife Embryo zeigt eine gerade Radicula und zwei lamellige Koty- ledonen. Der Suspensor und die Haustorien sind im Reifungsprozeb durch das Sameneiweiß zusammengedrückt worden, wodurch auch der Mikropylkanal verschlossen wurde. Im Integument beschränken sich die Vorgänge nach der Befruch- tung hauptsächlich auf die Veränderung und Ausgestaltung der Zellen. Zellvermehrung findet im Querdurchmesser überhaupt nicht mehr statt. nach der Längsrichtung nur interkalar in einer kleinen Zone um die obere Partie des Epithels herum. Das Schicksal des Epithels wurde bereits erwähnt, es wird im Laufe der Endospermentwicklung aufgezehrt. Auch der größte Teil der folgenden inneren Zellagen wird allmählich seines Inhaltes beraubt und aufgezehrt durch das Epithel, die Hau- 326 Johannes Kratzer, storien und den Embryosack selbst. Die äußersten 2—4 Lagen strecken sich mit der Epidermis zunächst bedeutend in die Länge, bis auch sie zuletzt ihres Inhaltes beraubt und zusammengedrückt werden. Nur die Epidermis erfährt eine kräftige Entwicklung, sie verkorkt ihre mit gehöften Tüpfeln ausgestatteten Zellwände und EM versieht sie mit kräftigen Verdickunggsleisten, ze) (NE ® die gegen die Basis zu verzweigt sein können. 08 AN 223 Au] e Das Lumen der Zellen ist sehr groß, ihr En Inhalt wird zur Verdiekung im Reifungsprozeß enge" gänzlich aufgebraucht, was sie sehr geeignet Ben macht zur Wasserspeicherung für den Zweck Fig. 60. Loasa vulcanica. der Keimung (Fig. 60). Querschnitt durch die reife Im reifen Zustand setzt sich demnach De ve Epidermis; die Samenschale zusammen aus der großzelligen sperm; « Zellwand; Z Lu- Stark verdickten Epidermis und ein paar Reihen De v Verdickungsleisten. zusammengedrückter hypodermaler Zellen. In ie Samenschale der ühri- . j . „ ; gen Gattungen zeigt we- Physiologischer Beziehung müssen wir dazu sentlich dasselbe Bild. noch einige Lagen Endospermzellen rechnen, von denen die äußerste verdickte Wandungen aufweist, besonders auf der Außenseite, die an das Integument grenzt. Da der Embryo mit dem Endosperm im reifen Zustand den Raum der verdickten Zellen nicht ganz auszufüllen vermag, so sitzt der äußere, aus dem Integument hervorgegangene Teil der Samenschale, dem Samen gewöhnlich nur ganz lose auf, so daß er leicht verschoben oder der Embryo mit, dem Endosperm herausgedrückt werden kann. Il. Besonderheiten in der Samenentwicklung der einzelnen Gattungen und Arten. 1. Loasa. Bei L. stehen die Samenanlagen an drei kräftig entwickelten Plazenten und zwar gewöhnlich in drei Reihen an jeder Plazentenhälfte. Anatomisch zeigen die Samenanlagen bei allen Arten von Loasa ein mächtiges Mikropyl- und Chalazahaustorium (Fig. 52 und 53) mit vielen freien Kernen und einzelnen Zellen. Von beiden können hyphenartige Fortsätze ausgehen. besonders nach der Befruchtung, die in die benach- barten Nährgewebe eindringen oder fast das ganze Integument durch- wuchern. Sehr kräftig entwickelt finden sich diese bei Loasa hispida und L. trieolor und zwar schon vor der Befruchtung. Doch handelt es sich hierbei nicht um Artcharaktere, sondern um individuelle Ver- schiedenheiten, da andere Individuen im gleichen Entwicklungsstadium Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cucurbitaceen usw. 327 diese starke Haustorienbildung wieder nicht zeigen. Das gleiche dürfte für die Umbildung der unteren Epithelzellen zu Haustorien gelten, die bei L. hispida und vuleanica beobachtet wurden. Bei L. hispida zeigen auch die Epithelzellen stellenweise direkt das Aussehen von Haustorial- zellen (Fig. 56). Der Eiapparat tritt bei allen Arten nach der Aus- stülpung des Embryosackes in das Mikropylhaustorium ein. Der aus der Eizelle hervorgehende Suspensor besitzt nur einen einzigen Kern. Das Integument zählt zur Zeit der Befruchtungsreife etwa 15 Zellagen. 2. Cajophora. ©. latericia erzeugt «die Samenanlagen ebenfalls an drei kräftig entwickelten Plazenten, die aber im Gegensatz zu Loasa am Ende in zwei Schenkel gespalten sind, von denen jeder 5—6 Reihen Samen trägt. Aus der Samenentwicklung selbst ist hervorzuheben, daß die Haustorienbildung nicht so ausgedehnt ist wie bei Loasa. Im zentralen Teil des Embryosackes wurden Haustorien überhaupt nicht beobachtet, das Chalazahaustorium ist schmal, wurmförmig, jenes in der Mikropyle ist ähnlich, wenn auch bedeutend weiter und länger (Fig. 51). Es hat die Mikropylzellen gleichmäßig zurückgedrängt und sich wie ein Schlauch in den Raum hineingeschoben, während es sich bei Loasa nach anfäng- licher Einschnürung durch widerstandsfähige Mikropylzellen plötzlich stark ballonartig erweitert. Hyphenartige Fortsätze der großen Hau- storien wurden nicht beobachtet. Im Inneren aber treten auch viele Kerne und 1--2 Zellwände auf. Der Eiapparat wandert ebenfalls in den Mikropylteil des Embryosackes. Die Antipoden sind sehr klein und verschwinden schon kurze Zeit nach der Befruchtung. Der aus der Eizelle hervorgehende Suspensor teilt sich nur einmal und zwar nach seinem Eintritt in den zentralen Embryosackteil. Von den heiden Teilungsprodukten wird das obere zur Stielzelle. aus dem unteren geht der Embryo hervor. 3. Blumenbachia. Die Samenanlagen von Bl. Hieronymi entstehen an fünf Plazenten, und zwar auf beiden Seiten in je einer Reihe. Die beiden Ränder, aus denen die Plazenten hervorgehen, sind, wie bei Loasa, innig ver- wachsen, besitzen jedoch auch noch getrennte Gefäßbündel. Das Mi- kropylhaustorium hat die Gestalt eines gekrümmten, amı Anfang und Ende verjüngten Sehlauches, der fast den äußeren Eingang des außer- ordentlich langen Mikropylkanales erreicht. Das Chalazahaustorium da- gegen ist nach der Einschnürung am Beginne nach allen Richtungen sackartig erweitert und sendet zahlreiche hyphenartige Fortsätze aus, 328 Johannes Kratzer, die das ganze Chalazagewebe durchdringen und sich häufig auch noch verzweigen (Fig. 52D). Der Eiapparat wandert in das Mikropylhau- storium, der aus der befruchteten Eizelle hervorwachsende Embryonal- schlauch zeigt in seinem Inneren 1—2 Kernteilungen, erzeugt jedoch keine Membranen, ein Verhalten, wie es Traub schon bei Goodiera diseolor gefunden hat. Das Integument zählt zur Zeit der Befruchtung etwa 10—12 Zellagen. 4. Mentzelia. An den Samenanlagen von M. aurea wurde die interessante Be- obachtung gemacht, daß oft zwei Archesporzellen nebeneinander auf- treten. Freilich erfährt gewöhnlich nur eine davon eine Weiterbildung; nur zweimal wurde bei der großen Zahl untersuchter Samenanlagen ein zweiter Embryosack gefunden, der indes auch nicht normal ent- wickelt war. Das Mikropylbaustorium ist bei M. aurea und albescens schlauchförmig und mehr oder weniger ausgebaucht und enthält fast durchweg nackte Kerne, bei M. Gonsatti ist es größer und stark aus- gebaucht, und im Inneren findet sich neben einigen nackten Zellen auch ein Zellkörper, dessen Zellen unregelmäßig in der Form sind und oft mehrere Kerne umschließen. Das Chalazahaustorium stellt bei M. aurea und albescens eine beutelförmige Aussackung des Embryosackes dar mit freien Kernen, bei M. Gonsatti ist es viel stärker entwickelt und ballonartig, und die Kerne umgeben sich später mit Membranen, wobei allerdings auch wieder die einzelnen Zellen oft mehrere Kerne enthalten (Fig. 530). Anfänglich sind bei allen Arten im Chalaza- haustorium die Antipoden, erst später nach der Befruchtung werden sie durch Endospermkerne ersetzt. Bei M. aurea konnte auch hau- storiale Funktion der Antipoden nachgewiesen werden. Bei M. Gon- satti haben sich auch die gegen die Mikropyle zu gelegenen, stets als Haustorium wirkenden Endospermzellen der zentralen Embryosackpartie stark ausgebreitet. Andere Haustorien des zentralen Teiles wurden nicht beobachtet. Der Eiapparat soll nach Floercke bei M. aurea und albescens im zentralen Teil des Embryosackes bleiben, bei M. Gonsatti aber in das Mikropylbaustorium wandern. Die Synergiden desorganisieren sich nach der Befruchtung. Die Eizelle wächst bei M. aurea und albescens nur zu einem kurzen Schlauch aus und schreitet dann sogleich zur Embryobildung, bei M. Gonsatti erzeugt das untere Ende des Embryonal- schlauches durch achtfache Teilung einen langen Suspensor, und dessen unterste Zelle erst entwickelt sich zum Embryo (Fig. 58). Das Inte- gument umfaßt 11—12 Lagen von Zellen. : Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cucurbitaceen usw. 329 5. Gronovia, G., die als G.scandens untersucht wurde, erzeugt nur eine einzige Samenanlage an einer schwach entwickelten Plazenta aın Scheitel der Fruchtknotenwand. Die vom Embryosack gebildeten Haustorien an Mikropyle und Chalaza werden stark sackartig erweitert und senden hyphenartige Fortsätze gegen den Funiculus und gegen die Chalaza, schon vor der Befruchtung. Wie sie sich weiter entwickeln, konnte wegen Mangels an befruchtetem Material nicht festgestellt werden. Der Mikropylikanal erhält durch starkes einseitiges Integumentwachstum eine rechtwinklige Knieckung. Il. Die Beziehungen der untersuchten Familien auf Grund ihrer Samenentwieklung. Für die systematische Verwertung der Samenentwicklung hat die Forsehung im Laufe der Zeit verschiedene Prinzipien aufgestellt. Sie fordert vor allem für verwandte Gruppen Übereinstimmung in der Be- schaffenheit des Nucellus, in der Integumentzahl, der Stellung des Nu- cellus zum Funiculus, nach der anatrope, kampylotrope und orthotrope Samenanlagen unterschieden werden, und in der Stellung des Samens im Fruchtknoten, die nach Agardh apo-, epi- und heterotrop sein kann, ferner die Übereinstimmung im Besitze oder Mangel von Schicht- zellen über Embryosack, von Haustorien, einem Epithel, einem Gefäß- bündel, sowie von Endosperm- und Nucellusresten im reifen Samen. Endlich hat man geachtet auf das Auftreten von Aporogamie, das Vor- kommen “mehrerer sporogener Zellen und das Auftreten eines Gefäß- bündels im Integumente. Indes der Wert dieser Merkmale ist ein sehr verschiedener und steht noch nicht genügend fest, es bedarf noch vieler Einzelunter- suchungen an sicher natürlichen Gruppen, um die Bedentung all dieser Merkmale richtig zu umgrenzen und sichere Prinzipien zu gewinnen. Wertvolle Beiträge hierzu haben u.a. besonders Van Tieghem, War- ming und Goebe}’s Schüler Balicka Iwanowska, Fred.H. Billings, Lang, Merz, Schweiger, Modilewski und Merl geliefert. Darum möchte ich die anfgestellten Prinzipien, ehe ich sie auf die von mir untersuchten Familien anwende, auf Grund solcher Einzeluntersuchungen und meiner eigenen Beobachtungen zuerst einer kurzen Würdigung unterziehen. Die größte Bedeutung von allen scheint der Beschaffenheit des Nucellus zuzukommen. Er ist nicht bloß innerhalb der Familie, sondern darüber hinaus in entfernter verwandten Gruppen konstant, entweder 330 Johannes Kratzer, vielschichtig oder dünn, wonach Warming einen eusporangiaten und einen leptosporangiaten Typus der Samenanlagen unterscheidet. Es ist bis jetzt kein Fall bekannt, daß sicher natürliche Gruppen in diesem Punkte abweichen würden, wenn man auch Grund zu der Annahme hat, daß der dünne Nucellus durch Reduktion aus dem vielschichtigen entstanden sei. Eine Stütze für diese Annahme dürfte nach meiner Ansicht in der Tatsache liegen, daß innerhalb des leptosporangiaten Typus neben einem Nucellus, der nur aus einer zentralen Zellreihe ohne Epidermis besteht, auch ein solcher auftritt, der neben der zen- tralen Reihe noch 1-2 periphere Lagen aufweist, wie ich z. B. bei den Loasaceen gefunden habe. Eine große Bedeutung kommt auch der Integumentzahl zu. Sie erscheint ebenfalls sehr konstant innerhalb der Familie und bei ver- wandten Gruppen. Doch konnten hier auch Ausnahmen festgestellt werden. So zeigen bei den Ranunculaceen die einen (Gattungen, so z. B. Aquilegia, zwei Integumente, die anderen, so z. B. Ranunculus, nur eines. Ja selbst innerhalb der Gattung und sogar bei ein und der- selben Art kann die Integumentzahl wechseln. So weisen Delphinium Ajaeis und D. consolida zwei Integumente auf, D. tricorne und chilense dagegen nach Schleiden nur eines, während D. elatum bald mit einem, bald mit zwei Integumenten auftritt. Auch bei Thalietrum finden wir zwei Integumente und eines. Trotz dieser Mannigfaltigkeit und schein- baren Regellosigkeit können wir aber bei dieser Familie nicht einmal von eigentlichen Ausnahmen reden; denn es treten auch noch Über- gänge auf, welche deutlich erweisen, daß das eine Integument nur durch Verschmelzung aus zweien hervorgegangen ist, indem diese Vertreter zwei zun Teil verwachsene Integumente zeigen und sich dabei zudem als jüngere Formen zu erkennen geben, Solche Formen wurden gefunden bei Eranthis hiemalis, Helleborus foetidus und auch wieder bei Deiphinium elatum, das also allein alle Formen aufweist, zwei In- tegumente, ein Integument und zwei teilweise verwachsene. Dieselben Verhältnisse obwalten bei den Rosaceen. In anderen Fällen ]äßt sich die Verschiedenheit der Integument- zahl innerhalb einer verwandten Gruppe durch Abortus erklären. Einen solchen nimmt man beispielsweise an bei den Piperaceen, da der zweifellos ältere Typus von Piper zwei Integumente besitzt, während Peperomia nur eines hat, sowie bei den Salicaceen, von welchen Po- pulus zwei Integumente aufweist und Salix nur eines. Nach dieser Annahme ist in der ersten Familie das äußere, in der zweiten das innere Integument durch Rückbildung verschwunden. Einen Anhalts- Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cucurbitaceen usw. 331 punkt für eine solche Rückbildung bieten die Rafflesiaceen, bei welchen nach A. Ernst und E. Schmid das äußere Integument mehr oder weniger verschwindet. Nach meinen Untersuchungen dürften auch die Oxcurbitaceen, besonders die Gattung Sieyos, dafür sprechen, daß eine verschiedene Integumentzahl bei verwandten Gattungen oder Familien auch durch Reduktion eines Integumentes entstanden sein kann, wie sich auch die völlige Integumentlosigkeit der Santalaceen nach Warming sowie Goebel durch Rückbildung erklärt, was durch noch vorhandene Integumentspuren erwiesen wird. Diese Verhältnisse lehren uns einerseits, daß die Verschiedenheit in der Integumentzahl eine Verwandtschaft nicht ausschließt, so daß auch der Ableitung sympetaler Familien mit einem Integument von dialypetalen mit zwei Integumenten hieraus kein absolutes Hindernis erwächst, wenn andere Gründe dafür sprechen; andererseits lassen sie aber auch erkennen, daß die Konstanz in der Integumentzahl bei ver- wandten Gruppen doch sehr groß ist, da auch bei den abweichenden Formen gewöhnlich noch Spuren früherer Übereinstimmung nachweisbar sind. Darum ist die Integumentzahl von großer systematischer Bedeutung. Dasselbe gilt vom Aufbau der Samenanlage oder der Stellung des Nucellus zum Funiculus, wonach atrope, anatrope und kampylo- trope Samenanlagen unterschieden werden. Es kommen hier wohl auch Ausnahmen vor, selbst innerhalb der Familie, indem z, B. bei den Ur- fieaceen nach Modilewski abweichend vom gewöhnlichen anatropen Charakter der Familie Pilea grandis und nummulariaefolia, sowie Fleurya aestuans atrope und Dorstenia drakeana kampylotrope Samenanlagen aufweisen. Doch diese Ausnahmen sind selten. Dagegen dürfte der Stellung der Samenanlagen im Fruchtknoten, die nach der Terminologie von Agardh entweder apo-, epi-, oder hete- rotrop ist, nicht die große Bedeutung zukommen, die ihr von manchen Forschern beigelegt wird. Es gibt, wie Warming sagt, ja tatsächlich große, zweifellos natürliche Familien, bei denen die Lage der Samen- anlage konstant ist, allein andererseits auch solche, deren Gattungen hierin eine Verschiedenheit zeigen, so z.B. die Rosaceen, Ranunculaceen, ‚Rutaceen, Sapindaceen und Staphyleaceen. ja selbst solche, bei denen apo- und epitrope sich in einem Fruchtknoten finden, wofür ebenfalls die Rutaceen und Sapindaceen angeführt werden können. Bei den Familien mit heterotropen Samenaningen ist die Unbeständigkeit der Stellung übrigens schon durch den Namen zum Ausdruck gebracht. Wichtig scheint dagegen wieder die Ausbildung von Schichtzellen über dem Embryosack. Sie ist konstant innerhalb der Familien. Da 332 Johannes Kratzer, sie bei Sympetalen nur äußerst selten vorkommt, scheint sie ein primi- tireres Merkmal zu sein. Umgekehrt deutet die Anwesenheit eines Haustoriums und eines Epithels auf eine weiter fortgeschrittene Ent- wicklung, da dieses Merkmal nach Goebel’s Untersuchungen haupt- sächlich den Sympetalen zukommt. Sie ist ebenfalls sehr konstant, doch finden sieh auch hier Ausnahmen innerhalb der Familie. so bei den Primulaceen. die in manchen Gattungen ein Epithel zeigen, in anderen keines. Allerdings betrachtet Warming gerade diese Familie als ein Bindeglied zwischen Choripetalen und Sympetalen, also als eine Über- gangsform. Im Besitz oder Mangel eines Gefäßbündels in der Samenanlage herrscht. weitgehende Übereinstimmung; doch gibt es auch hierin Aus- nahmen. Nach Bertrand haben unter den Taxineen Torreya und Cephalotaxus ein Gefäßbündel, Taxus und Phyllocladus dagegen keines. Möglicherweise hat dieser Mangel in der Kleinheit der Samen seinen Grund. Ob das Auftreten eines Gefäßbündels im Integument, wie es die Cueurbitaceen aufweisen, als ein primitives Merkmal zu erachten sei, ist sehr fraglich. Denn die Tatsache, daß diese Erscheinung sich besonders bei der früheren Gruppe der Apetalen zeigt und auch bei Gymnospermen auftritt, ist kein Beweis hierfür, da einerseits nicht fest- steht, daß die Apetalen primitive Formen sind, und andererseits die meisten Gymnospermen überhaupt kein Gefäßbündel haben. Dasselbe gilt vom Auftreten mehrerer sporogener Zellen, das zudem außer bei den Apetalen bei den Asclepiadaceen, Compositen, Rubiaceen und, wie wir gesehen, auch bei den Loasaceen zu beobachten ist. Von großer systematischer Bedeutung scheint die Endosperm- bildung zu sein, die in zwei Formen auftritt. Sie erweist sich als sehr konstant, wenn auch bei den Loasaceen Übergänge gegeben sind, indem im gleichen Embryosack heide Formen zugleich auftreten. Auch das Fehlen oder Vorhandensein von Endosperm- und Nucellusresten im reifen Embryosack ist von Bedeutung, es pflegen darin alle Gattungen übereinzustimmen. Systematisch kaum verwertbar ist die Aporogamie. Sie tritt nur bei einzelnen Gattungen ganz verschiedener Familien auf und scheinbar auch hier sehr unregelmäßig. Ich selbst habe bei Cucurbita und Bry- onia, denen sie zugeschrieben wird, immer nur normale Befruchtung beobachtet. Damit schließe ich die Würdigung der von der Forschung für die systematische Verwertung der Samenentwicklung aufgestellten Prin- zipien auf Grund neuerer Einzeluntersuchungen und meiner eigenen Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cueurbitaceen usw. 333 Beobachtungen. Das Gesamturteil läßt sich dahin zusammenfassen, daß die aufgestellten Merkmale fast durchweg von mehr oıer weniger großer Bedeutung sind, daß aber keinem einzigen für sich allein ein absolut entscheidender Wert beizulegen ist. Jedes Merkmal muß daher im Zusammenhalt mit den übrigen betrachtet und gewissermaßen gewogen werden, und nur eine Mehrheit von solchen wichtigen Merkmalen gibt einen einigermaßen sicheren Anhaltspunkt für die Systematik. Weichen zwei Pflanzengruppen in mehreren solchen Merkmalen ab, so spricht die Samenentwieklung gegen eine Verwandtschaft, auch ein einziges kann hierfür schon genügend sein. Positiv dagegen, für die Vermutung einer näheren Verwandtschaft, kann auch die Übereinstimmung in allen genannten Merkmalen noch nicht als genügenil erachtet werden, da sie zu allgemein sind. Man kann in solchen Fällen mit Sicherheit gewöhn- lich nur sagen, die Samenentwieklung spricht nicht gegen eine Ver- wandtschaft. Soll die Samenentwicklung eine Verwandtschaft positiv feststellen helfen, so müssen wir die Übereinstimmung der einen Gruppe mit der anderen in speziellen Eigentümlichkeiten fordern. Solche Eigentünlichkeiten könnte man vermuten und hat ınan gesucht in der fertilen Sporenzelle, im Eiapparat, der Suspensor- und Embryobildung. Ich kann jedoch auf Grund meiner Untersuchungen die Beobachtungen einzelner Forscher bestätigen. daß die natürlichen Gruppen hierin keine charakteristischen Eigentünlichkeiten aufweisen. Es ist nicht von Bedeutung, ob drei oder vier Sporenzellen gebildet werden und ob die untere oder obere davon zum Embryosack wird, da beides innerhalb der einzelnen Gattungen der Caricaceen, Passi- floraceen und Aristolochiaceen abwechselnd vorkommt. Ebenso ist es gleichgültig, wo in der Eizelle und den Synergiden der Kern liegt, ob oben oder unten; das lehren die Loasaceen. Dieselbe Familie lehrt uns auch, daß der Suspensor bei den verschiedenen Gattungen sehr verschieden, einzellig oder vielzellig sein kann und daß die Haustorien in verschiedener Form auftreten können. In bezug auf Embryobildung endlich sehen wir an den Cucurbitaceen, daß es ebenfalls bedeutungslos ist, in welcher Ebene die erste Teilung erfolgt. Dagegen zeigen die Angehörigen einer natürlichen Familie cha- rakteristische Eigentümlichkeiten in der Testabildung. Sie weichen darin ab von Nichtverwandten und zeigen andererseits unter sich selber eine weitgehende Übereinstimmung. Diese geht speziell bei den Arten einer Gattung soweit, daß dieselben auf den ersten Bliek aus der Testa als solche erkennbar sind. Es treten hier gewöhnlich nur geringe Va- 334 Johannes Kratzer, riationen in der Zahl der Zellagen einer Testaschicht oder kaum merk- liche Verschiedenheiten in der Ausbildung der Zellen zutage. So bildet Sieyos angulata die zweite Zellschicht einlagig aus, Sieyos bryoniaefolius dagegen zweilagig; bei Cucumis sativa sind die Verdickungsleisten der Epidermis unverzweigt, bei C. Melo senden sie ganz kleine Ästchen aus. Bei den Gattungen einer Familie können die Unterschiede schon ziemlich bedeutend sein. Hier können die einzelnen Schichten der Testa sehr stark an Dicke variieren und auch die Zellen sehr ver- schieden ausgebildet sein, wie ein Vergleich der Abbildungen der Samen- schalen der einzelnen Cueurbitaceengattungen zeigt, die in dieser Hin- sicht besonders instruktiv sind. Trotzdem sind alle Gattungen der Cucurbitaceen noch leicht an ihrer Testa als Angehörige derselben Familie erkenntlich; denn für alle Gattungen sind ausgedehnte Epidermisteilungen charakteristisch, aus denen die wichtigsten Schichten der Samenschale hervorgehen. Würde eine zweifelhafte Pflanzengattung mit den Cucurbitaceen übereinstimmen in den allgemeinen Merkmalen, wie Nucellus, Integumentzahl usw, in diesem Punkt aber ein abweichendes Verhalten zeigen, so könnte sie auf Grund der Samenentwicklung sicher nicht als Gattung dieser Fa- milie gelten. Ohne Bedeutung wäre dagegen, wie aus obigen Ausführungen hervorgeht, ein Abweichen in der Lagenzahl der aus der Epidermis hervorgegangenen Schichten. Die Bedeutungslosigkeit der verschiedenen Schichtdicke ersehen wir auch aus der hypodermalen Integumentschicht bei den Loasaceen und besonders bei den Caricaceen, bei denen hier Carica etwa sechsmal soviel Zellagen aufweist als Jaracatia. Bei den Aristolochiaceen scheint wieder die Teilung der Epidermis unwesentlich zu sein, die sich bei Aristolochia durchweg auf der Schmalseite, beim großen Samen von Aristolochia Sipho auch an der Breitseite findet, da sie bei der Gattung Asarum ganz unterbleibt. Sie hat hier auch nicht die Aufgabe wie bei den Cucurbitaceen, neue physiologisch wich- tige Schichten zu bilden. Einzelne besondere Eigentümlichkeiten lassen sich an der Testa einer jeden Familie finden. Neben der Testa können noch andere spezielle Eigentümlichkeiten, wie ein Obturator, ein Arillus, ein auffallender Gefäßbündelverlauf usw. zur Feststellung der verwandtschaftlichen Verhältnisse beitragen. Es lassen sich aber hierfür noch weniger allgemeine Regeln aufstellen; all diese Eigentümlichkeiten zur positiven Bestimmung einer Verwandtschaft müssen in jedem Falle eigens aufgesucht und in ihrem Werte geprüft werden. Handelt es sich hierbei um eine entferntere Verwandtschaft Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cucurbitaceen usw. 335 als zwischen den Gattungen einer Familie, also zwischen Familien einer Ordnung etwa, so läßt sich naturgemäß keine ins einzelue gehende Übereinstimmung erwarten, doch muß man mindestens gewisse Hinweise auf jene Eigentümlichkeiten fordern, um eine positive Entscheidung auf Grund der Samenentwicklung treffen zu können, Aber auch in dem Falle, wo alle genannten Bedingungen erfüllt sind, wo neben Übereinstimmung in den allgemeinen Grundlagen durch spezielle Eigentümlichkeiten positive Hinweise gegeben sind, kann die Samenentwicklung allein nicht die Entscheidung geben über die ver- wandtschaftlichen Beziehungen. Es ist zu beachten, daß die Samen- entwicklung nur einen von den verschiedenen systematischen Gesichts- punkten darstellt und in Verbindung mit den übrigen gewürdigt werden muß. Wenden wir die gewonnenen Prinzipien auf die untersuchten Familien an, so ergibt sich folgendes: Die Samenentwicklung läßt ver- wandtschaftliche Beziehungen jedenfalls zwischen Caricaceen und Passi- floraceen vermuten. Die beiden Familien stimmen nicht nur in den notwendigen Grundmerkmalen überein, sie haben auch ein paar spezielle Züge gemeinsam. In erster Linie ist hier die Bildung der Sarkotesta zu nennen, die in beiden Familien aus der Epidermis und der hypo- dermalen Zellreihe hervorgeht und zwar mit ganz analogen Eigentüm- lichkeiten. Bei Carica wie bei Passiflora streckt sich nämlich die hy- podermale Zellage partienweise stark in die Länge und bildet so grubige Vertiefungen der Sarkotesta (Fig. 33, 34, 39 und 40), eine auffallende Übereinstimmung, deren Bedeutung auch dadurch nicht gemindert wird, daß bei Adenia einzelne dieser langgestreckten Zeilen sich aufteilen und verholzen (Fig. 41%); denn dies ist wieder nur ein Analogon zu den übrigen hypodermalen Zellen von Carica, die sich ebenfalls auf- teilen und verholzen (Fig. 34%). Auch der Unterschied, daß bei Carica sich an den Einbuchtungsstellen auch die Epidermis ein- bis zweimal zu teilen pflegt (Fig. 34e‘), bei den Passifloraceen aber nicht, kann nicht ins Gewicht fallen, da dies auch bei «er Caricacee Jaracatia nicht der Fall ist, außer es würde hier die bypodermale Schicht aus der Epidermis stammen, was ich an dem alten Material nicht sicher fest- stellen konnte; in diesem Falle wäre aber der Unterschied innerhalb der Caricaceen noch größer, als der zwischen Carica und Passifloraceen. Eine weitere Übereinstimmung der beiden Familien zeigt sich in der Ausbildung der Hartschicht, die bei beiden durch langgestreckte Palisadenzellen gebildet wird, die aus der äußeren Epidermis des inneren Integumentes hervorgehen. Die Verschiedenheit in der Zahl 336 Johannes Kratzer. der Zellreiken im äußeren Integument hat nach den dargelegten Prin- zipien keine Bedeutung. Beachtenswert ist endlich, daß ich bei Carica in ein paar Fällen in zweifelloser Weise die erste Anlage eines Arillus feststellen konnte, also die auffallendste Eigentümlichkeit der Passiflora- ceen. Demnach stimmen die Caricaceen und Passifloraceen nicht nur in den wesentlichen Hauptpunkten überein, sondern weisen auch gemeinsam einzelne charakteristiche Merkmale auf, die uns zu dem Urteil berechtigen: Die Samenentwicklung sprieht für eine nahe Verwandt- schaft zwischen Passifloraceen und Caricaceen. Weniger Anhaltspunkte bietet die Samenentwieklung für die Ver- mutung einer näheren Verwandtschaft zwischen Caricaceen oder Passi- fioraceen und Cucurbitaceen. In den wesentlichen Punkten stimmen ja auch die Cucurbitaceen mit den beiden Familien überein, so daß die Samenentwicklung in keinem Falle gegen eine nähere Verwandtschaft spricht; jedoch sind keine genügenden positiven Hinweise in speziellen Eigentümlichkeiten gegeben. Es ist ja eine gewisse Ähnlichkeit in der Ausbildung der Epidermis vorhanden, auch die vereinzelten Teilungen derselben bei Carica erinnern an jene der Cucurbitaceen, allein es zeigt sich andererseits auch eine auffallende Verschiedenheit in der Bildung der Hartschicht, da diese bei der einen Gruppe im äußeren, bei der anderen im inneren Integument gebildet wird. Allerdings könnte man diese Verschiedenheit abschwächen durch den Hinweis, daß sie in beiden Fällen aus dem verlagerten Dermatogen hervorgehe, ein Argument, dessen Wert ich auf Grund der bisherigen Erfahrungen nicht beur- teilen kann. Läßt man es gelten, so wäre die Hauptschwierigkeit beseitigt, dann würde die Samenentwicklung für eine nahe Verwandtschaft sprechen. Nicht verwertbar zugunsten einer Verwandtschaft ist die bei Caricaceen wie Cucurbitaceen auffallende außerordentliche Verdickung des äußeren Integumentes durch Zellteilungen. da diese nicht homolog sind, indem sie bei ersteren aus der hypodermalen Zellschicht, bei letzteren aus der Epidermis hervorgelien; sie sprechen aber auch nicht gegen eine solche. Ein gewißes Analogon zu den Epidermisteilungen der Kürbisgewächse ist, wie bereits erwähnt, trotzdem wenigstens bei Cariea vorhanden (Fig. 33 und 34e‘). Erwähnenswert ist vielleicht noch die sehr ähnliche Ausbildung vom Pollenkorn und Pollenschlauch bei den Cucurbitaceen und Caricaceen, sowie die sehr ähnliche Form der hypodermalen Zellen bei Carica und manchen Cucurbitaceen, z. B. Luffa und Echinocystis. Trotz dieser Ähnlichkeit müssen wir bei Abwägung der Merkmale für und wider sagen, sie reichen nicht hin, daß man sich auf Grund Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cucurbitaceen usw. 337 derselben für eine nähere Verwandtschaft der Familien aussprechen könnte, es läßt sich mit Sicherheit nur sagen, die Samenentwicklung spricht nicht gegen eine Verwandtschaft der beiden Gruppen. Hält man andere systematische Merkmale für ausreichend, so steht die Samen- entwicklung nicht dagegen, die Familien aneinander zu reihen. Anders verhält es sich mit den Beziehungen der Cucurbitaceen zu den Campanulaceen. Die Samenanlagen der Campanulaceen besitzen nur ein Integument und einen dünnen Nucellus, zeigen also schon in zwei sehr wichtigen grundlegenden Merkmalen eine Abweichung. Wären auch im einzelnen verwandte Züge an den Samenanlagen feststellbar, so müßte doch auf Grund dieser beiden wichtigen Punkte allein schon dahin entschieden werden, daß die Samenentwieklung gegen eine Ver- wandtschaft der beiden Familien spreche, Dasselbe gilt für die Loasaceen, die auch nur ein Integument und einen dünnen Nucellus aufweisen. Bei diesen konnte ich zudem durch eingehendere Untersuchung konstatieren, daß Entwicklung und Bau der Samen auch in allen charakteristischen Einzelheiten weitgehende Verschiedenheit gegenüber den Cucurbitaceen zeigen, so daß auf Grund derselben eine nähere Verwandtschaft als ausgeschlossen gelten darf. Mit den Aristolochiaceen stimmen die Cucurbitaceen hinsichtlich des Haupitypus gleich den Caricaceen und Passifloraceen überein; die Aristolochiaceen erinnern an die Cucurbitaceen auch noch durch ihre Epidermisteilungen (Fig. 47 A). Doch weichen sie, wie auch von den beiden anderen Familien, von ihnen vor allem durch ihre Endospermbildung ab und weisen auch sonst keine übereinstimmenden Charaktere auf, so daß sie zu keiner der Familien in Beziehung gebracht werden können. Sehr auffallend ist die äußere Ähnlichkeit der Samenanlagen der Cueurbitaceen und Ebenaceen; besonders Diospyros melanoxylon macht. nach der Abbildung von Warming in seiner Samenanlage auf den ersten Blick ganz den Eindruck einer Cucurbitacee. Sie selber zu unter- suchen hatte ich nicht Gelegeheit. Da sie jedoch nach Warming durch einen dünnen Nucellus, den Mangel einer Kalotte und den Besitz eines Epithels abweichen, so spricht trotz der weitgehenden Ähnlichkeit auch die Samenanlage gegen eine Verwandtschaft dieser Familien. Dasselbe gilt für die Begoniaceen, die auch schon vielfach zu den Cucurbitaeeen in Beziehung gebracht wurden, die sich aber auch durch einen dünnen Nucellus, also ein wichtiges grundlegendes Merkmal, unter- scheiden. Ähnliche Verhältnisse obwalten zwischen Carieaceen und Passi- floraceen einerseits und Euphorbiaceen andererseits, deren Samenanlagen 22 Flora. Bd. 110. 338 Johannes Kratzer, ich in kurz orientierender Weise untersuchte. Die Samen beider Familien gehören nicht nur demselben Haupttypus an, sie weisen auch einen sehr ähnlichen Gesamthabitus auf. Sie zeigen dieselbe Form des Nucellus, dieselbe Hypostase, das Gefäßbündel in gleicher Weise ins innere Inte- gument hinein sich verzweigend und als Hartschicht die äußere Epidermis des inneren Integumentes, und zwar in ganz ähnlicher Weise ausgebildet. Die Euphorbiacee Aleurites soll dazu noch einen Arillus besitzen. Einen Obturator konnte ich bei den Caricaceen allerdings nicht fest- stellen, doch ist dieser auch bei den Euphorbiaceen nicht allgemein, nach den Untersuchungen von Schweiger. So schiene die Samenentwicklung zugunsten einer Verwandtschaft zwischen Caricaceen und Euphorbiaceen zu sprechen, für welche Usteri auf Grund anderer Eigentümlichkeiten eingetreten ist. Er verweist auf die gelegentliche Trimerie der Zwitterblüten der Correaeform von Carica, die ditheeischen Staubblätter mit gelegentlich verschmolzenen Loku- lamenten ähnlich jenen der Euphorbiaceen, die Milchröhren, die bei Carica ähnlich gegliedert sind wie bei Alehornea, und die Stärke im Milchsaft, die nur bei Caricaceen, Euphorbiaceen und Apocynaceen vorkomme. Indes trotz der vielfachen Übereinstimmung läßt sich die Entwicklung der Samenanlagen nicht sicher zugunsten dieser Anschauung verwerten, da sie epitrop sind, was, wie im prinzipiellen Teil dargelegt wurde, von vielen Forschern für systematisch wichtig erachtet wird. Wenn diese Anschauung auch wieder von anderen nicht geteilt wird, so läßt sich doch mit Rücksicht auf diese Meinungsverschiedenheit die Frage zur Zeit noch nicht mit Gewißheit entscheiden. II. Kurze Zusammenfassung der Hauptresultate. I. Aus der Samenentwicklung der einzelnen Familien sei hervor- gehoben: 1. Die Samenanlagen der Cucurbitaceen entstehen an 1—5 kräf- tigen Plazenten, die aus den Rändern ebensovieler Fruchtblätter hervor- gegangen sind. Es läßt sich eine vollkommene Reduktionsreihe von der ursprünglichen Zahl 5 zur Zahl 1 nachweisen bei den Fruchtblättern, Plazenten und Samenreihen, sowie eine Reduktion von zahlreichen Samen bis zu einem einzigen. Ihrem Aufbau nach sind die Samenanlagen anatrop, sie besitzen einen dieken Nucellus und zwei Integumente, von denen das innere Neigung zur Verkümmerung zeigt und in Rückbildung begriffen zu sein scheint. Nach der Befruchtung wird es bald größtenteils aufgezehrt, Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Cucurbitaceen usw. 339 seine Reste verkleben mit dem äußeren Integument. Eine kongenitale Verwachsung findet nicht statt, auch bei Sieyos nicht. Das kräftige äußere Integument wird bis zum Nucellusscheitel von einem, bei manchen Gattungen verzweigten Gefäßbündel durchzogen. Besonders charakte- ristisch sind mehr oder weniger ausgedehnte perikline Teilungen der Epidermis, welche die drei anatomisch und physiologisch wichtigsten Schichten der Samenschale erzeugen. In der Anlage dieser Schichten stimmen alle Arten und Gattungen überein, in der Ausbildung zeigen die Arten kleine, die Gattungen oft schon bedeutende Unterschiede. Die Sporenmutterzelle wird durch einige bis zahlreiche Schichtzellen ins Innere des Nucellus verlagert, wo sie 3-4 Sporenzellen erzeugt, deren unterste zum Embryosack wird. Die Embryosackentwicklung und Befruchtung ist normal. Das Endosperm verdrängt den Nucellus bis auf die Epidermis und wird seinerseits wieder vom Embryo bis auf eine einzige Lage aufgezehrt. Sehr auffallend ist das Verhalten des Pollenschlauches, der bei ein paar Gattungen eine groBe Ausbauchung zeigt, bei Cucurbita sogar eine mehrfache Verzweigung. Die darauf gegründete Theorie von B. Longo, daß der Pollenschlauch bei Cucur- bita schon von jungen Stadien «der Embryoentwicklung an der einzige Vermittler von Nährmaterial sei, ist indes absolut unhaltbar. Auch bei Oueurbita ist die Zufuhr auf dem normalen Weg durch die Chalaza möglich und auch wirklich. Auch die Frage, ob der Pollenschlauch vielleicht neben der nor- malen Nahrungszufuhr dem Embryo oder Emibryosack direkt Material zuführe, ist zu verneinen. Er kann lediglich durch seine rückwärtige Partie Material an den Nucellushals vermitteln, der in Wirklichkeit als sekundäres Nährorgan betrachtet werden muß, und zwar nicht nur bei Cucurbita, sondern bei allen Cueurbitaceen. Der Pollenschlauek ist hierbei von sehr untergeordneter Bedeutung. . 2. Die Samenanlagen der Caricaceen entstehen gewöhnlich an fünf Fruchtblättern, die ebenso viele parietale Plazenten bilden, doch treten auch 10 Fruchtblätter mit LO Plazenten auf, andererseits auch drei Plazenten und alle Zwischenstufen. Die Plazenten können mehr oder weniger tief in die Fruchtknotenhöhle hineinragen oder in der Mitte verwachsen, so daß der Fruchtknoten bald ein-, bald mehrfächerig ist. Die Samenanlagen sind nicht auf die Plazenten beschränkt, sondern entwickeln sich auf der ganzen Oberfläche der Fruchtblätter. Ihrem Aufbau nach sind sie anatrop, sie besitzen einen dieken Nucellus mit einer Kalotie und zwei Integumente, von denen das innere die Hart- schicht und das äußere weitere vier charakteristische Schichten der 22* 340 Johannes Kratzer. Samenschale erzeugt. Auffallend ist, daß das Gefäßbündel etwas ins innere Integument eindringt. Die Sporenmutterzelle erzeugt 3--4 Tochterzellen, von denen eine beliebige zum Embryosack werden kann. Das Endosperm ist im reifen Samen außerordentlich stark entwickelt, vom Nucellus bleibt nur die verdickte Epidermis erhalten. Die Be- frachtung wird durch einen kräftigen Pollenschlauch bewirkt; Parthe- nogenese wurde nicht beobachtet, . wohl aber Parthenokarpie. In ein paar Fällen konnte ich die rudimentäre Anlage eines Arillüs beobachten. 3. Die Samenanlagen der Passifloraceen entstehen in einem ein- fächerigen Fruchtknoten in mehreren Reihen an drei Plazenten. Sie sind anatrop, besitzen einen dieken Nucellus mit einer Kalotte und zwei Integumenten, von denen das innere drei Zellagen aufweist, das äußere 2—4, je nach den Gattungen oder Arten. Die Epidermis bleibt nach der Befruchtung ungeteilt, die zweite Schicht streckt sich bedeutend in die Länge und teilt sich oder bleibt ungeteilt. Geteilt kann sie sich als Sklerotesta entwickeln, sonst bildet sie gemeinsam mit der Epider- mis die Sarkotesta. Die eigentliche Hartschicht wird von der äußeren Lage des inneren Integumentes gebildet. Vom Nucellus bleibt nur ein dünnes Häutchen, das Endosperm dagegen stellt noch im reifen Samen eine mächtige Schicht dar. Der Same wird allmählich vom Funiculus aus mit einer häutigen Hülle, dem Arillus, umgeben. 4. Die Samenanlagen der Aristolochiaceen entstehen in langen Reihen an sechs parietalen, freien oder verwachsenen Plazenten. Sie sind anatrop und besitzen einen vielschichtigen, dorsiventral abgeplatteten Nucellus mit einer Kalotte und zwei Integumente. Das innere Inte- gument besteht aus drei Zellagen, die zusammen die Hartschicht bilden, das äußere aus zwei Zellagen, die bei Asarum sich nicht mehr teilen, während bei Aristolochia die Epidermis je nach den verschiedenen Arten noch 2—12 Zellagen erzeugen kann. Die Zellen dieser Schicht sind vielfach als Ölzellen ausgebildet. Besonders reich an solchen ist der Funiculus, doch ist es fraglich, ob er deshalb mit dem „Elaiosom“ von Asarum auf die gleiche Stufe zu stellen ist. 5. Die Samenanlagen der Loasaceen entstehen gewöhnlich an drei oler fünf kräftigen, parietalen Plazenten, die durch ihre Spaltung und Rückwärtsbiegung sehr an jene der Cucurbitaceen erinnern; doch kommt auch eine einzige Placenta vor. Ihrem Aufbau nach sind die Samen- anlagen anatrop. Sie besitzen einen dünnen Nucellus und ein Inte gument. Über dem Embryosack bildet sich keine Kalotte von Schicht- zellen aus. Der Embryosack zehrt sehr bald die ihn umgebende Epi- dermis des Nucellus auf und wird dann von der innersten Zellage des Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Gucurbitaceen usw. 341 Integumentes umgeben, das sich zu einem Epithel ausgebildet hat. Dieses Epithel dient dazu, die Integumentzellen aufzulösen und ihren Inhalt dem Embryosack zuzuführen. Die gleiche Aufgabe haben die sehr mächtigen Haustorien in der Mikropyle und Chalaza, und zu- weilen auch im zentralen Teil des Embryosackes. Die Endosperm- bildung ist eine verschiedene im zentralen Teil, in den Haustorien und in den Verbindungspartien. Die Samenschale ist im reifen Zustande nur von der außerordentlich großzelligen Epidermis und den zusammen- gedrückten Resten der hypodermalen Zellen gebildet. Der Eiapparat wandert meist in das Mikropylhaustorium hinein, die befruchtete Eizelle schiebt aber dann den Embryo wieder durch einen langen Embryonal- schlauch oder Suspensor, der einmal oder mehrmals geteilt sein kann, in den ursprünglichen Embryosack herein. II. Aus der Vergleichung der untersuchten Familien sei hervor- gehoben: 1. Die von der Forschung für die systematische Verwertung der Samen aufgestellten Prinzipien lassen sich auf Grund neuerer Einzel- untersuchungen und meiner eigenen Beobachtungen dahin beurteilen, daß die meisten wohl wertvoll sind, daß aber keinem einzigen der an- gegebenen Merkmale ein absolut entscheidender Wert beizumessen ist; nur eine Mehrheit von solchen Merkmalen kann einen einigermaßen sicheren Anhaltspunkt für die Systematik geben, doch zunächst auch nur in negativem Sinne, für eine positive Feststellung von verwandt- schaftlichen Beziehungen müssen wir neben der Übereinstimmung in diesen Hauptmerkmalen noch die Übereinstimmung der einen Gruppe mit der anderen in spezielleren Eigentümlichkeiten fordern. Solche sind nach meiner Ansicht auf Grund meiner eigenen Unter- suchungen vor allem in der Testabildung zu suchen, und daneben können noch zufällige auffaltende Eigentümlichkeiten, wie Obturator- und Arillus- bildung, eigentümlicher Gefäßbündelverlauf usw. zur Feststellung ver- wandtschaftlicher Beziehungen beitragen. Handelt es sich um verwandt- schaftliche Beziehungen entfernterer Gruppen, also zwischen Familien einer Ordnung etwa, so läßt sich naturgemäß keine ins einzelnste gehende Übereinstimmung erwarten, doch muß man mindestens gewisse Hinweise auf jene Eigentümlichkeiten fordern, um eine positive Entscheidung auf Grund der Samenentwicklung geben zu können. Doch auch dann ist noch zu beachten, daß die Samenentwicklung allein nicht entscheiden kann, sondern nur einer von den verschiedenen systematischen Gesichts- punkten ist. 342 Johsnnes Kratzer, Die Anwendung dieser Prinzipien auf die untersuchten Familien ergibt folgendes: Was die Beziehungen der Cueurbitaceen zu den Cari- caceen und Passifloraceen betrifft, so spricht die Samenentwicklung in keinem Falle gegen eine Verwandtschaft, doch bietet sie nicht genügend positive Anhaltspunkte, sie für eine solche zu verwerten. Hingegen spricht die Samenentwicklung direkt gegen eine Verwandtschaft der Cucurbitaceen mit den Cawmpanulaceen, Loasaceen, Aristolochiaceen, Begoniaceen und Ebenaceen. Die Aristolochiaceen und Loasaceen können auch nicht zu den Caricaceen und Passifloraceen in Beziehung gebracht werden. Dagegen lassen sich auf Grund der Samenentwicklung verwandt- schaftliche Beziehungen vermuten zwischen den Caricaceen und Passi- floraceen. Eine auffallende Ähnlichkeit zeigen auch die Samen der Caricaceen und Euphorbiaceen, doch weichen sie in einem Punkte ab, dem noch von manchen Forschern Bedeutung beigelegt wird, so daß die Samen- entwicklung zur Zeit nicht positiv zugunsten einer Verwandtschaft der beiden Familien verwertet werden kann. Literatur. Amici, 6. B., Osservazioni microscopische sopra varie piante. Ann. Sci. Nat., 2, 1824. Baillon, H., Histoire des plantes, 1886. Ders, Mömoire sur la famille des Ranoneulac6es. Adansonia, 5, 1863. BalickaIlwanowska, G., Contribution A l’&tude du sac embryonaire chez quelques Gamopetales. Flora, 86, 1899. Bentham, G. u. Hooker, J. D., Genera plantarım, 1867. Bertrand, ©. E, Töguments söminaux des Gymnosperms. Ann. Sci. Nat. 1878. Billings, Fr. H., Beiträge zur Kenntnis der Samenentwicklung. Flora, 88, 1901. Brongniart, A., M6moire sur la gen6ration et developpement de l’embryon daus les vög6taux phanerogames. Ann. Sei. Nat., 12, 1827. Ernst, A. u. 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Diese Untersuchungen sind es ja auch, welche mehr oder minder ausführlich in allen späteren Darstellungen wiederholt werden. Sie wurden im einzelnen vervollständigt durch die Arbeiten von Giesenhagen, Debski u. a. Dazu kamen die Ergebnisse zytologischer Forschung. Diese zeigten dreierlei. Einmal eine Übereinstimmung der Kern- und Zellteilungsverhält- nisse mit denen höherer Pflanzen, eine Übereinstimmung, die Stras- burger?) zu folgenden Ausführungen veranlaßte: „Um es gleich auszusprechen, so halte ich die Characeen für eine Gruppe von Organismen, deren Ursprung in algenähnlichen Vorfahren gelegen haben mag, die in ihren jetzigen Repräsentanten aber die End- glieder einer Reihe darstellt, deren phylogenetische Entwicklung kaum kürzer gewesen sein dürfte, als jene, die in den Bryophyten gipfelte. Auf die Länge dieses Weges schließe ich aus dem Uimstande, daß er hinreiehte, um die karyokinetischen Vorgänge auf dieselbe Höhe zu bringen, weiche sie bei den Archegoniaten erlangten und die für Kern- und Zellteilangen der höher organisierten Pflanzen sowie für die Kern- teilungen der höher organisierten Tiere charakteristisch ist.“ 1) In des Verf.'s „Organographie“ konnten die Characeen nicht besprochen werden. Da sie aber für allgemein organographische Probleme wichtig sind, so sei ihre Bedeutung für diese hier erörtert. 2) A. Braun, Über die Richtungsverhältnisse der Saftströme in den Zellen der Characeen. Monatsb, der Berl. Akad. der Wissensch. 1852, 1853. 3) Strasburger, Einiges über Characeen und Amitose. Wiesner-Festschrift. Wien 1908, pag, 24. K. Goebel, Zur Organographie der Characeen. 345 Wie schon Treub und Debski, betont auch Strasburger diese Übereinstimmung besonders, er meint, die Kern- und Zellteilungsvorgänge, wie er sie bei Chara fragilis und Nitella syncarpa studiert habe, könnten ebenso bei einer phanerogamen Pflanze sich vollziehen. Auch die Ent- wicklung der Spermatozoiden ist mit tiefgreifenden Umgestaltungen des Zellinhalts verbunden, wie sie sonst bei Thallophyten nicht bekannt sind. Die zytologische Untersuchung der vegetativen Organe der Charen bestätigt also ebenso wie die der Spermatozoidentwicklung ihre ganz vereinzelte Stellung innerhalb der Thallophyten. Als das zweite Ergebnis der zytologischen Untersuchung der Characeen möchte ich bezeichnen, daß sie uns die Verschiedenheit im Verhalten der Zellen einigermaßen verständlich gemacht hat. Diese Verschiedenheit besteht bekanntlich darin, daß bei der Teilung der Segmente zwei ungleich sich verhaltende Zellen gebildet werden: die weiterer Teilung fähige Knoten- und die die Teilungsfähigkeit ent- behrende Internodialzelle. Es werden also nicht „äquipotente“, sondern sofort Zellen verschiedener Befähigung bei der Teilung gebildet. Die Zytologie zeigt, daß das darauf beruht, daß die beiden Schwester- zellen von Anfang an ungleich mit Kernsubstanz und Protoplasma aus- gestattet werden. Debski!) hob z. B. hervor, daß bei der Teilung einer Segmentzelle der Knotenkern von Anfang an viel größer und dicker sei als der der Internodialzelle. Auch zwischen Scheitelzelle und Segmentzellen finden Verschiedenheiten statt. „Bei Chara erinita®) .. . zeigten die Scheitelzellen der in Ent- wieklung begriffenen Kurztriebe (Blätter) und Rindenlappen eine dich- tere an extranuklearen Nukleolen reiche Zytoplasmaansammlung über ihren Kern. Dort verharrte auch diese Ansammlung während der Kernteilung, so daß sie... dem neuen Scheitelzellkern zufiel, während sein Schwesterkern, der Segmentkern, leer ausging.“ In den Internodialkernen findet eine Vermehrung des Chromatins nicht statt (pag. 35). Wie er ferner feststellte, findet in allen Charazellen, die sich nicht mehr teilen sollen, eine Verdichtung des Gerüstwerkes, eine Steigerung seiner Tinktionsfähigkeit, eine Zunahme der Nukleolensubstanz und eine Abnahme des Chromatins statt. Es findet also bei den Characeen schon bei der Zellteilung eine Sonderung „embryonaler“ und somatischer Zellen statt, die sich schon in der mikroskopisch wahrnehmbaren Kern- und Plasmaverschiedenheit 1) Br. Debski, Beobachtungen über die Kernteilung bei Chara fragilis. Jabrh. f. wiss. Bot, Bd. XXX, pag. 204. 2) Strasburger, a. a. O. pag. 36. 346 K. Goebel, ausspricht. An den Knoten bleiben in der oberen Hälfte Gruppen kleinerer plasmareicher Zellen erhalten, aus denen Wurzeln (Rhizoiden), nacktfüßige Zweige und Zweigvorkeime hervorgehen können. Wenn aber Strasburger sagte: „Dieses Verfahren, eine Mehr- zahl lebendiger Zellen, denen eine ganz bestimmte Beteiligung an dem Aufbau des Körpers zukommt. frühzeitig von jeder weiteren Bildungs- tätigkeit auszuschalten, steht ganz vereinzelt im Pflanzenreiche da, und weist mit zahlreichen anderen Merkmalen den Characeen eine ganz isolierte Stellung im Pflanzensystem an“ (a. a. O. pag-. 36), se möchte ich mich dem nicht anschließen. Denn es scheint mir hier nichts anderes vorzuliegen, als in zalılreichen anderen Fällen, wo Organreserven ge- bildet werden, seien diese nun Ruheknospen bei höheren Pflanzen oder weiterer Entwicklung fähige „Initialen“ bei Moosen. Die Bedeutung dieser Organreserven für den Ersatz verloren ge- gangener Sprosse und Wurzeln bedarf keiner weiteren Erläuterung. Wir haben also bei den Charen folgende Zellformen bezüglich ihrer Entwicklungsfähigkeit zu unterscheiden: 1. Unbegrenzter Weiterentwicklung fähige Sproßscheitelzellen {wahrscheinlich auch Wurzelscheitelzellen); 2. begrenzter Entwicklung fähige Blattscheitel- und Knotenzellen; 3. embryonale Zellen mit zeitweiliger Hemmung (Organreserven). Alle diese drei Zellformen sind embryonale, deren begrenzte Entwiek- lungsfähigkeit oder zeitweilige Henımung (2 und 3) entweder korrelativ bedingt ist oder von vornherein auf einer verschiedenen Ausstattung mit Baumaterial beruhen kann, wie dies z. B. für die Scheitelzellen der „Blätter“ im Gegensatz zu denen der Sprosse anzunehmen ist; 4. Dauerzelien, die von Anfang an nicht mehr sich teilen können (z. B. Internodialzellen, Zentralzellen der Sproßknoten). Daß auch bei den Sproßscheitelzellen die Entwicklungsfähigkeit nur theoretisch, nicht aber wirklich eine unbegrenzte ist, da sie ja in Wirklichkeit doch nicht fortdauernd weiter wachsen, dürfte nicht durch innere, sondern durch äußere Beziehungen bedingt sein; dadurch also, daß mit Erreichung einer bestimmten Größe die Existenzbedingungen (auch bei hinreichender Wassertiefe) immer ungünstiger werden, z. B- was die mechanische Beanspruchung, den Stofftransport, die Erschöpfung dureh Bildung von Fortpflanzungsorganen usw. betrifft. So weit meine Erfahrungen mit Chara foetida reichen, zeigt diese in sehr einfacher Weise, daß man durch Verwendung der Langtriebe zu Stecklingen sie unbegrenzt weiter wachsen lassen kann, ähnlich wie Klebs dies bei sonst „einjährigen“ höheren Pflanzen erreichen konnte. Die Charen Jr Organographie der Characeen. 347 haben aber den Vorteil, daß die Stecklingskulturen hier noch viel ein- facher sind, als bei Landpflanzen. Als drittes Ergebnis der zytologischen Untersuchungen ist hervor- zuheben der Nachweis, daß die diploide Phase auf die reifende Zygote beschränkt ist, bei deren Keimung die Reduktionsteilung stattfindet '). Die Untersuchung des zellulären Aufbaus (im weitesten Sinne) hat also bei den Charen zweifelsohne wichtige Ergebnisse gezeitigt. Aber sie hat, wie mir scheint, zwei andere Fragestellungen stark in den Hintergrund gedrängt. Die eine, um die sich auch A, Braun schon Verdienste erworben hat, ist die nach der Gesamtsymmetrie des Aufbaues, die andere die nach der Beeinflußbarkeit der Organbildung. Beide mögen auf Grund neuer Untersuchungen des Verf.’s*) hier besprochen werden. Il. Die Synmetrieverhältnisse bei den Charen. Die Leser, welche die neueren Darstellungen der Characeenmor- phologie bei Wille, Oltmauns, Lotsy u.a. studieren, werden zwar über den zellulären Aufbau dieser Pflanzengruppe eingehenden Auf- schluß erhalten. Aber ich glaube, daß nicht alle zu den Sätzen ge- langen werden, welche ich als die für die Characeenmorphologie grund- legenden betrachten möchte Es sind die folgenden: Alle Organe der Characeen zeigen nicht nur a) einen Aufbau aus Knoten und Internodien, sondern charakte- ‚Tistisch ist: b) daß alle Knoten dorsiventrale Beschaffenheit haben; ce) aus solchen dorsiventralen Bausteinen kann ein radiäres Organ wie die Sprosse dadurch hervorgehen, daß diese spirotroph sind. Blätter und Wurzeln dagegen bleiben im ganzen dorsiventral. Doch sind sie in Wirklichkeit wohl auch, aber viel schwächer, spirotroph als die Sprosse. Von diesen Sätzen sind namentlich a) und ce) nichts weniger als allgemein anerkannt, demgemäß auch b) nicht. Ihre Berechtigung ist also im folgenden nachzuweisen. a) Gliederung in Knoten und Internodien. Für Langtriebe und Kurztriebe ist diese unmittelbar gegeben. Es bleibt also nur noch übrig, darzutun, daß sie auch bei den Wurzeln vorhanden ist und daß 1) F. Öhlkers, Beitrag zur Kenntnis der Kernteilungen bei den Chara- ceen. Ber. der deutsch. botan. Gesellsch,, Bd. XXXIV (1916). 2) Er wurde dabei durch Herm Dr. M. Hirmer in sehr dankenswerter Weise unterstützt. 348 K. Goebel, die Vorkeime hier wie in anderen Fällen nichts anderes sind als ver- einfachte Formen der Folgestadien. A. Wurzeln. Dem äußeren Anschein nach sind sie von den Sprossen — auch abgesehen von ihrem ChlorophylImangel — recht verschieden. So kam es, daß man sie vielfach lediglich als Anhangsorgane der Sprosse betrachtet und teilweise sogar als „Wurzelhaare“ bezeichnet hat. Sie stehen aber zu den Sprossen nicht in dem Verhältnis, in weichem ein Wurzelhaar einer Samenpflanze zu deren Sproßachse steht, sondern sie verhalten sich wie die Wurzeln dieser Pflanze zur Sproßachse. Das ist ein großer Unterschied! Im ersteren Falle liegt ein bloßes Anhangsorgan vor, im zweiten handelt es sich um zwei homologe, ver- schiedenen Jebensbedingungen angepaßte Organe. Die Verschiedenheiten in der Ausbildung zwischen Charawurzeln und Charasprossen aber stehen in deutlicher Beziehung zu der Ver- schiedenheit der Lebensverhältnisse. Das läßt sich im einzelnen freilich nicht immer leicht nachweisen. Wenn aber z. B. die Wurzeln keine Berindung haben (die sie ja auch in mechanischer Beziehung nicht brauchen) so werden wir sehen, daß auch bei in den Schlamm gesteckten Sproßspitzen die Berindung unterbleibt — ebenso wie das Ergrünen der Chlorophyllkörper. Die Wurzeln können bedeutende Länge erreichen (bei Chara foetida waren solche von 7 cm vorhanden). Sie stellen scheinbar ein- fache Zellenreihen dar, deren eigentümlich gebogene Querwände ja oft besprochen und mit denen der Moosrhizoiden verglichen worden sind. Eine eigentümliche Terminologie knüpft sich an sie, die auf A.Braun zurückgeht. Er sagt von der Beschaffenheit der Querwände: „Man kann sie der Vereinigung zweier vorgestreckter, in entgegen- gesetzter Richtung mit den Sohlen aneinanderstehender menschlicher Füße vergleichen.“ Alle späteren Darsteller haben das getreulich nachgeschrieben. Mir scheint das Bild ebenso überflüssig wie unzweckmäßig. Es genügt doch zu sagen, daß die Wände sohlenförmig oder S-fürmig gebogen sind. Aber wozu soll man sich überlegen, wo die Ferse und wo die Zehen der beiden Füße sind — ob es möglich ist, daß ein Akrobat das Kunststück mit seinen eigenen Füßen fertig bringt oder nur mit Hilfe eines anderen usw. Tatsächlich meinten Wille?) und Migula®), 1) In Engler-Pranti, Die natürlichen Pflanzenfamilien, I, 2. 2) Migula, Die Characeen in Rabenhorat’s Kryptogamenflora. Zur Organographie der Characeen. 349 daß die Abgrenzung der unten zu erwähnenden Knotenzelle an der „Ferse“ eines der „Füße“ erfolge, während sie, wie wir sehen werden, der „Zehenregion“ eines Fußes angehört! Also lasse man doch dieses Bild, das deshalb entstanden ist, weil an der Stelle, wo die Querwand sich ansetzt, die Wurzel angeschwollen zu sein pflegt (und deshalb sich die weiter oben und unten liegenden Teile von den „Gelenken“ abheben), ebenso fallen, wie die Braun’sche Bezeichnung „Gelenke“ für diese Stelle! Auch diese ist offenbar deshalb entstanden, weil Wirbeltierknochen am Gelenke dicker zu sein pflegen als an anderen Stellen. Aber die Charawurzeln selbst haben keine Gelenke. Deshalb ist die Bezeichnung ein Widerspruch mit allem, was man sonst bei Pflanzen ein Gelenk nennt. Man tritt A, Braun’s großen Ver- diensten um die Morphologie der Charen gewiß nieht zu nahe, wenn man diese nicht glücklichen Bezeichnungen fallen läßt — an über- flüssigen Namen hat die Botanik ja immer noch genügenden Vorrat. „Die Wurzeln der Characeen haben nie eine Spur von Blattquirlen, daher auch keine Knoten, denn die nachher zu beschreibenden Gelenke verdienen diesen Namen nicht“). Mit diesem Satz hat A.Braun die oben aufgestellte Behauptung, daß auch die Characeenwurzeln in Knoten und Internodien gegliedert seien, verneint. Ihm folgen — mit einer Ausnahme — auch alle folgenden Dar- steller, welche ebenso wie die zwei Füße und das Gelenk, auch die Knoienlosigkeit der Wurzeln übernommen haben. So z. B. Wille und Migula, Giesenhagen?) dagegen spricht bei den Wurzeln von Knoten, eine Auffassung, die auch der Verf. für die richtige hält. Indes ist sie nicht durchgedrungen, denn Oltmanns?) meint, es könne bei den Wurzeln „kaum noch“ die Rede von einer Differenzierung in Knoten und Internodien sein. Wenn wir diese für die Characeenmorphologie wichtige Frage prüfen, so müssen wir vor allem den Ausgangspunkt der Braun’schen Auffassung im Auge behalte. Braun maß die Charen mit dem den Samenpflanzen entnommenen Maßstab, wie aus seiner ganzen Termino- logie (Blätter, Stipula, Eiknospe usw.) hervorgeht. Bei den Samen- pflanzen ist die Gliederung der Sproßachsen in Knoten und Inter- nodien tatsächlich mit der Blatthildung verknüpft. Die Wurzel hat 1)A. Braun,a a 0, pag. 46. 2) K. Giesenhagen, Untersuchungen über die Characeen I. Bd. LXXXII (1897), pag. 507. u 3) Oltmanns, Morphologie und Biologie der Algen, Bd. I, png. 33T, Flora. 350 K. Goebel, bei ihnen also keine Knoten. Von diesem Standpunkt aus ist es ganz verständlich, wenn A. Braun sagt, die Wurzeln der Characeen haben keine Knoten, weil sie keine Blätter haben. Aber ein solches Hineintragen von Abstraktionen aus einer Pflanzenklasse in eine ganz andere werden wir jetzt nicht mehr als berechtigt anerkennen können. Als das Wesentliche der Knotenbildung in den oberirdischen Teilen der Charen erscheint mir nieht die Blatt- bildung. Diese wird ja erst dadurch bedingt, daß in jeder Segment- zelle eine weiterer Entwicklung fäbige von einer nur noch wachstums- fähigen Zelle abgetrennt wird. Erstere liefert den Knoten, letztere das Internodium. Auch diese Namen sind den Samenpflanzen entlehnt und erwecken die Vorstellung, als ob der Knoten stets die ganze Breite der Achse einnehmen müsse, so also, daß ein Knoten stets zwei Inter- nedien voneinander trenne. Die Knotenzelle kann aber auch einseitig gelagert sein, ohne dadurch ihre wesentliche Eigentümlichkeit: die der A K 1. 2. 8. #. 9. Fig. 1. Schema für die Knotenbildung. X X die die Knotenzelle vom Segment abtrennende Wand, £ die Knotenzelle - im Sproß und den Blättern, 2 im Vor- keim, 3 Ausnahmefali im Vorkeim, 4 und 5 bei Wurzeln. weiteren Teilung, einzubüßen. Eine solche einseitige Lagerung findet sich in besonders stark ausgeprägter Weise bei den Wurzeln, bei denen die Knotenzelle vielfach die Segimentwand gar nicht mehr trifft. Es sei auf die schematische Abbildung in Fig. 1 verwiesen. Sie zeigt, daß die Wand XX, welche die Knotenzelle abschneidet, durchaus nicht immer rechtwinklig, sondern öfters schief zur Längsachse steht. So ist es namentlich bei den Vorkeimen der Charen (Fig. 1, 2), die außerdem sehr lehrreiche Variationen zeigen. So hat schon Pringsheim!) beobachtet, — und auch mir kamen derartige Fälle zu Gesicht — daß sich im Vorkeim die Wand XX nur an einer Seite der Außenwand ansetzt2), oder daß sie — was Bd. TIL, pag. 312. 2) Man kann diese Auffassung übertragen auch auf den Fall abnormer Blati- Zur Organographie der Characeen. 351 freilich seltener eintritt — die Querwanl gar nicht mehr trifft, sondern sieh in der Außenwand ansetzt, wie in Fig. 1, 5. Damit ist das Ver- halten der Wurzeln erreicht. Bei den Vorkeimen aber kann es gar keinem Zweifel unterliegen, daß die abnorm zgelagerte, (durch die Wand X.X abgeschnittene Zelle wirklich eine Knotenzelle ist — es entspringen aus ihr auch die an den sonstigen Vorkeinknoten anf- tretenden Anhangsgebilde. Die Analogie mit den Wurzeln liegt in diesem Falle auf der Hand. Daß an den Wurzeiknoten keine Blätter, sondern Seitenwurzein entspringen, ist selbstverständlich. Unten wird darauf hinzuweisen sein, daß dies ebenso in einseitig beginnender Reihenfolge geschieht, wie bei Sproß- bezw. Blattknoten. Übrigens können auch Vorkeime aus den Wurzelknoten hervorgehen. Es bedarf wohl keiner weiteren Ausführungen, um die von A. Braun herstammende, auch jefzt noch festgehaltene Auffassung, daß die Wurzeln keine Knoten besäßen, als unhaltbar zu betrachten. Doch ist es von Interesse, noch auf etwas anderes hinzuweisen. A. Braun stützt seine Annahme, daß der Aufbau der Wurzeln von dem der Sprosse verschieden sei, auch dadurch, daß er hervor- hebt: „Nie habe ich einen Übergang der Wurzelbildung in Sproßbildung bemerkt, auch nie eine Wurzel an der Spitze sich wieder erheben und grün werden sehen.“ Hätte er einen solchen Übergang beobachtet, so würde er jedenfalls Wurzeln und Sprosse nicht so weit voneinander getrennt haben. In einer Anmerkung führt er an: „Die an der Spitze in grüne, kurzgliedrige Anschwellungen übergehenden Wurzeln, weiche C. Müller in Botan. Zeitung 1848, Bd. III, Fig. 10 abbildet, sind mir ganz unerklärlich.“ Indes handelt es sich dabei zweifellos um „Zweig- vorkeime“, die aus Wurzeln hervorgegangen sind. Denn später ist die Umbildung von Wurzeln in Vorkeime wieder- holt beobachtet worden, und sie läßt sich auch künstlich herbeiführen. Die Bedingungen dafür sind im einzelnen noch nicht hinreichend fest- gestellt. Für die hier zunächst verfolgten Zwecke aber genügt (lie Tat- sache selbst, für die folgende Belege angeführt seien. verzweigung, welcher in Fig. 4, 4 abgebildet ist. An einem sehr reduzierten Blätt- chen entspringt hier ein Seitenblättchen ohne Knoten. Nimmt man an, die Knoten- bildung trete auf wie in Fig. 1, 3 und die Knotenzelle wachse im ganzen zu einem Blättchen aus, so könnte man das Schema der Knotenbildung auch hier retten. Wil man das nicht, so läge ein Beispiel für Verzweigung ohne Knotenbildung vor, was sonst bei Charen nicht vorkommt, von einigen Nitellen abgesehen. 352 K. Goebel, Zuerst hat wohl Nordstedt!) den Übergang einer Wurzel in einen Vorkeim beobachtet. Er sagt: „Hos Lychnothamnus Wallrothii Rupr. päträffades en gäng ett proembryo, hos hvilket internodiet mellan den primära och secundära rotleden var afdeladt medelst en sned led, sädan som den förekommer pä rötterna; frän denna led utgingo rötter prä vanligt sätt och ställe Ett likadant fall har jag sett hos Chara foetida pä en proembryogren, som utgick frän den primäre rotleden“ (Fig. 10). Diese Abbildung zeigt eine, mit der bekannten Sohlenwand versehene Wurzel, die an der Spitze in einen Vorkeim übergeht. Später haben Debski und Giesenhagen dasselbe beobachtet. Debski?) sagt (a.a.0. pag. 607): „Die Zellen der Knoten wachsen zu neuen Rhizoiden, seltener auch zu Zweigvorkeimen aus, oder bleiben embryonal. Ich muß schließlich bemerken, daß bei Chara fragilis nicht nur die Zellen der Rhizoidknoten, sondern auch junge Rhizeidspitzen direkt zu Zweigvorkeimen auswachsen können und so neue Sprosse und Pflanzen zu liefern vermögen.“ Giesenhagen hat in der Sonderausgabe seiner (zunächst in Flora, Bd. LXXXU, LXXXEI und LXXXV) erschienenen Unter- suchungen über Characeen3) in der Tafelerklärung zu Tafel II folgendes mitgeteilt: An einem isolierten Blatt von Nitella hatte sich aus dem Blattknoten ein Zweig entwickelt‘), An dessen Basis waren mehrere Wurzelanlagen aufgetreten. „Der Adventivsproß wurde dann weg- geschnitten. Nach einigen Tagen haben sich nun die jüngsten Wurzel- anlagen an seiner Basis zu Zweigvorkeimen (Z) entwickelt, was in der Figur rechts dargestellt ist. Im Text hat dieses Experiment noch keine Erwähnung gefunden.“ Die Abbildung zeigt, daß an der Stelle, an er sonst Wurzeln entstehen, drei Zweigvorkeime sich gebildet haben. Ein Auswachsen einer schon als Wurzel (z. B. durch die Wand- stellung) deutlich erkennbaren Anlage fand dabei offenbar nicht, statt. Es geht aber aus Nordstedt’s oben angeführter Beobachtung hervor, daß auch dann noch die Umbildung möglich ist. Die wichtigste der Bedingungen für das Auswachsen einer Wurzel in einen Sproß dürfte die Beseitigung oder Inaktivierung aller Sproß- 1) 0. Nordstedt, Nägra iakttagelser ofver Characeernas groning. Lunds Univ. Ärsskrift, Tom II, pag. 9 des S. A. 2) Debski, Weitere Beobachtungen an Chara fragilis Desv. Jahrb. für wissenschaftl. Botanik, Bd. XXXII (1895). 3) Marburg 1902. 4) Dieser war, ebenso wie in den von A. Braun beobachteten Fällen, meiner Ansicht nach aus einer Eiknospe hervorgegangen (vgl. den Abschnitt IT. Zur Örganographie der Characeen. 353 vegetationspunkte sein. Ferner ist anzunehmen, daß diese Umwandlung um so leichter vor sich geht, je jünger die Wurzel ist. Ob dabei noch andere Faktoren (Licht, eventuell auch Zufuhr organischer Sub- stanzen) in Betracht kommen, bleibt näher zu untersuchen. Mir scheint es nach den obigen Ausführungen sicher gestellt, daß die Wurzeln der Charen keine „Wurzelhaare“ sind, sondern daß sie dieselbe Gliederung wie die oberirdischen Organe aufweisen. Sie ver- halten sich also ebenso wie z. B. die Floridee Bostrychia?), die Chloro- phycee Oedicladium, die Moosvorkeime und auch die Pteridophyten und Samenpflanzen, bei denen über die Homologie von Wurzel und Sproßachse doch kein Zweifel sein kann. “ Auf den Zusammenhang zwischen Plasmaströmung und Wurzel- bildung wird anderweitig einzugehen sein. Dagegen ist hier auf die Be- deutung der Rhizoiden im Gesamthaushalt der Charen noch hinzuweisen. Daß sie ebensowenig wie die Wurzeln der im Wasser lebenden Samenpflanzen®) nur Haftorgane sind, geht namentlich aus den Unter- suchungen von W. Bierberg?) hervor. Dieser beobachtete, daß für Methylenblau die Hautschichten nur bei ganz jungen Chara- oder Nitella-Internodialzellen durchlässig sind, während ausgebildete lebens- kräftige Internodialzellen diesen und andere Farbstoffe nicht (oder nur schwer) aufnehmen. Ebensowenig ist dies mit Kalisalpeter. Lithium- karbonat und Thalliumsulfat der Fall. Die Rhizoiden dagegen nehmen nicht nur Methylenblau, sondern auch Kalisalpeter auf. Schon 80-- 100 Minuten, nachdem dieser den Wurzeln dargeboten wurde, läßt sich eine Speicherung von Salpeter in der ganzen Pflanze nachweisen. Bei Pflanzen, bei denen die Plasmaströmung durch Äther sistiert wurde, war das dagegen nicht der Fall. Bierberg folgert aus seinen Ver- suchen (a. a. O. pag. 61): „Daß die Charen nach Beraubung ihres Rhizoidensystems nur sehr schwer imstande sind, Nahrungsstoffe auf- zunehmen“ .... daß aber die Protoplasmarotation für den Stofftrans- port von wesentlicher Bedeutung ist‘). Es ist das auch für die unten anzuführenden Vergrünungsversuche von Bedeutung. weil bei diesen die normale Rhizoidtätigkeit meist ganz wegfiel. 1) Goebel, Organographie, 2. Aufl, pag. 58, Fig. 49. . u 2) Auch Caulerpa gedeiht, wie Janse angibt, nur kümmerlich ohne Rhizoiden. 3) W. Bierberg, Die Bedeutung der Protoplasmarotation für den Stoff- wechsel, Flora 1909, Bd. IXC, pag. 50. 4) Normal bewurzelte Charen wuchsen in meinen Kulturen sehr rasch. Das spricht jedenfalls dafür. daß ein rascher Stofftransport stattfindet. 2 Flora, Bd. 110. 23 Zur Organographie der Characeen. 355 B. Vom Vorkeim der Charen wissen wir jetzt durch die Unter- suchungen de Bary’s, daß er normal einen Wurzelknoten (zz Fig. 2) und einen Sproßknoten (s& Fig. 2) besitzt, also wenigstens in seinem unteren Teile deutlich dieselbe Gliederung wie die Langtriebe und Kurz- triebe aufweist. Es ist aber lehrreich zu sehen, wie die Sucht, die Verhältnisse der Charen nach Analogie anderer Pflanzen zu deuten, zu einem großen Mißverständnis geführt hat. Pringsheim, der zuerst die Vorkeime der Charen als solche erkannte, war von dem Wunsche, diese mit dem Protonema der Moose auf eine Stufe zu stellen, so erfüllt, daß er meinte!): „die Existenz blattloser Vorgebilde, aus welchen die Zweige hervorsprossen, unter- stützt die aus der Bildungsgeschichte der Teile entlehnte Auffassung der Charenzweige als beblätterter Sprosse und stellt dienahe Verwandtschaft der Charen mit den Moosen in das hellste Lieht.“ — Wir wissen jetzt, daß solche „Vorkeime" weit verbreitet sind, z. B. bei vielen Florideen, und daß sie nichts anderes darstellen als (oft besonderen Bedingungen angepaßte) Jugendstadien, ohne daß man daraus auf eine Verwandt- schaft mit den Moosen schließen könnte. Dieser zuliebe aber sollten die Charenvorkeime nur wenig von den konfervenartigen Moosvorkeimen verschieden sein. Pringsheim betont ausdrücklich (a. a. ©. p. 275), daß der Vorkeim eine von der Beschaffenheit des Charenstengels abweichende Natur habe. Das will Pringsheim daraus schließen, daß an Stelle der Wurzelknoten des Vorkeims der Charen öfters eine einzige gliederartig verlängerte Zelle stehen könne — ein Schluß, der ebensowenig zutrifft, als Pringsheim’s künstliche Konstruktion der Entstehung des Seitensprosses am Vorkeim. Er meint, daß die Vorkeime durch die Knotenbildung zwar dem Bau der beblätterten Zweige „äußerlich näher“ seien, aber es trete nie ein Übergang eines Vorkeims in einen beblätterten Zweig ein und es sei die morphologische Abgrenzung der blattlosen Vorkeime und der beblätterten Sprosse bei den Charen ebenso scharf ausgeprägt, als hei den Vorkeimen und Zweigen der Moose‘ — was durchaus nicht der Fall ist! Es sind ja auch die Vorkeime gar nicht blattlos, sie haben einen, naturgemäß nur rudimentär ausgebildeten Blattwirtel an ihrem Fig. 2. Keimung von Chara nach de Bary und Pringsheim aus Oltmanns. Man sieht in 5, 4 5, 6 die dorsiventrale Beschaffenheit des Sproßknotens. An der Vorkeimspitze v2 unterbleibt die Gliederung in Knoten und Internodien. 4, : und «2 in Fig. 2 gehen aus der Teilung einer Zelle hervor. 1) Über die Vorkeime der Charen. (es, Abhandl., Bd. Il, pag. 239. ar 356 K. Goebel, Blattknoten (Fig. 2, 6), in ihrem begrenzten Wachstum aber stimmen sie ganz mit den „Blättern“ der Sprosse überein, die ihrerseits, wie schon betont, in ihrem ganzen Aufbau dem der Sprosse sich anschließen und in Wirkliehkeit Kurztriebe sind. Ein solcher Kurztrieb ist auch der Vorkeim!). Daß er nicht durchgehends die Gliederung in Knoten und Internodien zeigt, spricht durchaus nicht dagegen. Denn nicht nur ermangeln ja die Primärblätter, die an ihm entstehen, einer solchen Gliederung ganz — auch im späteren Lebensalter lassen sich, wie später zu zeigen sein wird, Kurztriebe bei Chara hervorrufen, die keinerlei Gliederung aufweisen. Daß bei den Vorkeimen auch Besonderheiten auftreten, die bei den sonstigen Kurztrieben nicht wiederkehren. ist insofern nicht zu verwundern, als sie schon durch ihre Verbindung mit den großen, reservesioffreichen Sporen unter besonderen Bedingungen sich entwickeln. Die oft tonnenförmig angeschwollene Zelle, X weiche die zwei Knoten sz und w% Fig. 2, 3 liefert, entspricht nicht einem Segment der Scheitelzelle, [x sondern wird an der untersten Vorkeimzelle abge- 7 gliedert?), wie sonst eine Knotenzelle.. Eine rein formale Betrachtung könnte sie also einer solchen gleichstellen und annehmen, sie liefere später zwei Fig. 3. Abnorme sekundäre Knoten (s2 und 2%), die durch eine Teilung im Vorkeim Zwischenzelle (z) getrennt seien: sk-Hi-+ wk ge- von Chara: die bei- hörten also eigentlich zu Einem Knoten zusam- den sonst annähernd Fi . , R P parallelen Teilung- Men. Abnorme Fälle, wie den in Fig. 3 abgebil- wände, welche die d 5 a: „ Knoten abelieden eten, könnte man dafür ins Feld führen. schneiden sich Indes erscheint eine solche Auffassung, welche das allgemeine Schema zu retten sucht, doch als eine gekünsteltee Denn auch das allgemeine Schema ist, wie wir noch sehen werden, kein starres, sondern ein abänderbares. Und es ist das ja nicht die einzige Abänderung am Vorkeim. Auch der Seitensproß (v5 Fig. 2) entsteht nicht wie die Seitensprosse des Folgestadiums in der Achsel, sondern an der Stelle 1) Oltmanns (Morphologie und Biologie der Algen, Bd. I, pag. 346) meint, in den Vorkeimen sei zweifellos eine Ähnlichkeit zwischen Moosen und Charen gegeben, die aber keine Verwandtschaft begründen könne. Mir scheint auch die Ähnlichkeit eine außerordentlich geringe zu sein, denn der Vorkeim eines Laubmooses ist von Moosstämmchen viel mehr verschieden als der der Charen vom Charasproß. 2) Vgl. Giesenhagen, a. a. O. Zur Organographie der Characsen, 357 eines Blattes. Solche Änderungen im Ort eines Organes lassen sich bei den Charen auch künstlich hervorrufen, z. B. an der Stelle eines Hüllschlauches der Eikmospe eine weitere Eiknospe, an Stelle einer Eiknospe ein Autheridium. Was die erste Entstehung des Vorkeimes anbetrifft, so ist diese bekanntlich die, daß die keimende Spore sich teilt in eine große untere und eine kleine obere Zelle, welch letztere durch eine Längswand in zwei Zellen zerfällt (Fig. 2, 2). Die eine davon liefert den Vorkeim, die andere die erste Wurzel. Diese kleinere Zelle ist, wie wohl all- gemein angenommen wird, nichts anderes als ein in seinem Aufbau wesentlich vereinfachter Knoten. Der Vorkeim entspringt also eigent- lich seitlich an der ersten Achse, wir haben zwei, nicht eine „Er- starkungsgene- rationen“, Die basale Zelle des Vor- keims verlängert sich bei Licht- mangel stark und kann so die Fig. 4. Chara foetida, ı Re durch einen nen i R mit Blattanlagen (schematisch). Plusseite nach un ehrt. Spitze mit dem 2 Seitenansicht See Rhizoidstückes mit seitlichen Wurzel- Seitensproß an iImoten, desseu untere Zellen zuerst zu Rhizoiden auswaclsen. d Licht bri 3 Wurzelknoten nach oben gekehrt. 4 Reduziertes Blätichen, as Lie FIn- welches, obwohl es keine Knoten besitzt, eine seitliche Aus- gen. — sprossung aufweist. * Damit dürfte j . der Satz: a) daß alle vegetativen Organe von Chara eine Gliederung in Knoten und Internodien zeigen, erwiesen sein. b) dorsiventrale Beschaffenheit (ler Knoten. At deutlichsten tritt diese an den Vorkeimen hervor — schon iu der ersten Anlage des Sproßknotens. Denn die Wand, welche diesen abschneidet, verläuft nicht quer, sondern schief — manchmal, wie oben erwähnt, so sehr, daß sie sich nur einseitig der Außenwand ansetzt (Fig. 2, 3—6). Damit ist von vornherein eine Plus- und eine Minusseite gegeben. Die Plusseite ist die, welche allein Blättchen und den Hauptsproß her- vorbringt. — Die Minusseite ist wenigstens normal ganz ohne seitliche " Aussprossungen. zu 2. 3. % 358 K. Goebel, Ebenso deutlich ist die Dorsiventralität der Wurzelknoten. Stets ist es der der Wurzelspitze zugekehrte Teil des Knotens, welcher die ersten seitlichen Wurzeln aufweist (Fig. 4, 2, 7). . An den Blattknoten liegt die Plusseite der Sproßachse zu; diese bildet ja meist allein Seitenblättchen und auch die Gametangien treten bei Chara nur hier auf (Fig. 4, :). Auch die Sproßknoten zeigen eine Plus- und eine Minusseite. Zunächst teilt sich die Knotenzelle durch eine mediane Längs- wand, welche von der Plus- zur Minusseite verläuft. Die weiteren Teilungen beginnen auf einer Seite, der Plusseite, und gehen dann meist (aber nicht immer) abwechselnd rechts und links vor sich. Mit anderen Worten: der Knotenquerschnitt erscheint dorsiventral, er hat zwei einander gegenüberliegende Seiten, die sich verschieden ver- halten. Das wird auch bestätigt durch die Plasmaströmung. Die Plus- seite ist stets die, auf welcher der aufsteigende, die Minusseite die, auf welcher der absteigende Strom sich befindet '). An den Sproßknoten spricht sich die Dorsiventralität nicht nur in der Entwicklungsfolge, sondern zuweilen (namentlich bei schwächeren Sprossen) auch in der Größe der Seitenorgane, aber auch darin aus, daß auf der Minusseite, also der des absteigenden Saftstroms, die Wurzelbildung bevorzugt ist. Strasburger hat die Frage zu entscheiden versucht, ob die Wurzelbildung kausal durch den absteigenden Saftstrom bedingt werde, und meint, „daß der Zusammenhang der Plasmaströmung mit der Or- ganbildung, wie A. Braun ihn festgestellt hatte, an manche Erschei- nungen. der Polarität bei höher organisierten Gewächsen erinnere, die K. Goebel auch mit der gewohnheitsmäßigen Richtung des Nahrungs- stromes in Verbindung bringen möchte“. Er fand, daß die Rhizoid- bildung stets au derjenigen Seite eines Knotens gefördert ist, die der Seite des absteigenden Stromes in dem darüber befindlichen Inter- nodium entsprach. „Freilich blieb diese Flanke in der Rhizoidbildung bevorzugt auch an Knoten, die zuvor isoliert worden waren. Denn ‘ie Rhizoiden entsprangen auch dann derjenigen Knotenseite, die den beiden ältesten Kurztrieben (Blättern) und den aus ihren Achseln ent- wickelten Trieben gegenüber lag. Der polare Gegensatz mußte solchen Knoten somit zuvor schon induziert worden sein. Nicht anders ver- bielten sich solche Knoten, über und unter welchen wir den Plasma- strom abgebunden hatten, während andere, von welchen wir nur den 1} A. Braun, a. a. O. pag. 13. Zur Organograpkie der Characeen. 359 oberen, nicht den unteren Strom abstauten, in die Rhizoidbildung nicht eintraten (die Abbindung erfolgt mit einem Seidenfaden).“ Eine vergleichende Betrachtung der Knotenbildung zeigt tatsäch- lich, daß sie von vornherein dorsiventral induziert sind, also es nieht erst durch die Plasmaströmung werden. Das ergibt sich, wie wir sahen, bei den Sproßknoten der Vorkeime daraus, daß die Plus- seite höher ist als die Minusseite (die dort ganz ausfallen kann) und dasselbe dürfte, nur in minder auffallendem Maße, auch für die Sproß- und Blattknoten gelten. — Der Zellinhalt der Knotenzellen ist zunächst quantitativ auf der: Plusseite ein anderer als auf der Minusseite. Ob dem auch qualitative Unterschiede entsprechen, ist ohne eingehende Untersuchung nicht zu sagen. Wir sehen also, daß die Versuche Strasburger’s negativ aus- fallen mußten, weil sie an Pflanzen vorgenommen wurden, bei denen nieht nur die Symmetrieverhältnisse sehr frühzeitig schon festgelegt, sondern auch die Zellen „stabil induziert“, nicht etwa „äquipotent“ sind. Andere Pflanzen verhalten sich anders. Wenn z. B. an Pflanzen von Streptocarpus Holstii alle Vegetationspupkte entfernt werden!}, so bilden sich an der Basis der Blätter Adventivsprosse aus, ohne daß die Blätter von der Pflanze getrennt werden und ohne daß besondere „Initialen“ für Sproßbildung hier vorhanden wären. Entferne ich diese Adventivsprosse oder verhindere deren Entwicklung, so bilden sich andere weiter oben am Blatte. Solche Erscheinungen, bei denen also Zellen zu einer Änderung ihrer „normalen“ Ausbildung veranlaßt wer- den können, waren es, die zu der von Strasburger erwähnten An- schauung des Verf.s führten. Weun bei Chara z. B. die Internodial- zellen regenerationsfähig wären, so würden sie darnach Wurzeln auf der Seite des absteigenden, Sprosse auf der des aufsteigenden Stromes bilden. Die Strömungsrichtung kann aber auf die Ausbildung der Knotensymmetrie nicht einwirken, weil diese von vornherein gegeben ist. ec) Wenn trotz des Aufbaues aus lauter dorsiventral gestalteten Knoten der Gesamtaufbau der Chara-Langtriebe ein radiärer ist, so ruht das darauf, daß die Characeen eines der auffallendsten Beispiele spirotrophen®) Wachstums darstellen: d. h. die Plusseiten der aufein- anderfolgenden Knoten lassen sich durch eine die Längsachse um- kreisende Schraubenlinie miteinander verbinden. Es sieht der ganze Sproß so aus, als ob man ihn gedreht hätte. 1} Goebel, Einleitung in die experimentelle Morphologie der Pflanzen (1908), pag. 156. 2) Vgl. Goebel, Organographie, 2, Aufl., pag. 196 ff. 360 K. Goebel, Das ist in der schematischen Abbildung Fig. 5 dargestellt. Die „Drehung“ läßt sich in verschiedenem Sinne auffassen, als eine im ganzen Sproß von vornherein schon durch die Beschaffenheit des Proto- . plasmas bzw. Zellkerus bedingte oder als eine nachträglich erfolgte, sozusagen ruckweise vor sich gehende A. Braun war der Ansicht, daß bei den Charen eine doppelte Drehung stattfinde: erstens drehe sich der Stengel während seines Längenwachstums allmählich links, zweitens finde in jedem Knoten eine Drehung der ersten Wand (Hal- bierungswand) gegenüber der im vorkergehenden {und im nachfolgen- den) um die Hälfte der Divergenz der Blätter statt. Das ist gewiß Fig. 5. Schematischer Querschnitt durch die Sproßknospe eines Chara mit acht- zähligen Blattwirteln. Die Plusseite ist angedeutet durch den Achselsproß (in Gestalt eines Kreises), welcher in der Achsel des ersten Blaties, also auf der jeweiligen Plusseite entspringt. Man sieht ohne weiteres, daß die Plusseiten in den aufeinanderfolgenden Knoten eine „Drehung“ erfahren. zutreffend. Aber es kann nicht zweifelhaft sein, daß beide Erschei- nungen nur der Ausdruck der ge- samten Spirotrophie des Sprosses sind, die in den jugendlichen Zellen zwar äußerlich nicht auffallend her- vortritt, aber in der Struktur des Plasmas schon gegeben ist. Es sei auf das Schema Fig. 5 ver- wiesen, das auch zeigt, daß durch die Spirotrophie ein Alternieren der Blattquirle (vorausgesetzt, daß diese unter sich gleichzählig sind) erfolgt. Ist diese Auffassung richtig, so ist zu vermuten, daß . 1. die Knotensegmente auch im Stamme der Charen ähnlich wie ein Vorkeim nicht Zylinder mit paral- lelen Querflächen. darstellen, sondern daß die Plusseite von vornherein etwas höher ist als die Minusseite, So ist es auch bei manchen Algen (vgl. z. B. Fig. 182 in Goebel, Organo- graphie, 2. Aufl., pag. 196); 2. daß wie: bei den letztgenannten Pflanzen die Plusseite von vornherein die angegebene „Verschiebung“ zeigt. Das Letztere ist, wie sich aus dem oben Mitgeteilten ergibt, unzweifelhaft. Ob die erste Vermutung zutrifft, wurde nicht eingehend untersucht, das, was ich gelegentlich beobachten konnte spricht dafür. Zur Organographie der Uharaceen. 361 Daß die Characeen nicht die einzigen spirotrophen Pflanzen sind, braucht kaum bemerkt zu werden. Ein Beispiel aus der Gruppe der Florideen wurde schon angeführt. Von höheren Pflanzen seien genannt die Caryophylleen!). Auch diese haben an jedem Knoten eine Pius- und eine Minusseite. Die Knoten sind also dorsiventral. Die Plusseite eines Knotens aber ist gegenüber der des nächstunteren und des nächstoberen um 90° „gedreht“, so daß die sämtlichen Plus- seiten der Knoten (ebenso wie die Minusseiten) durch eine den Stengel umkreisende Schraubenlinie miteinander verbunden werden können. Das Diagramm von Chara (Fig. 5) zeigt, daß bei dieser im wesentlichen ein ganz ähnliches Verhalten vorliegt?), auch sie ist spiro- troph. Daß die „Interferenzstreifen“ der einzelnen Internodien nicht aufeinandertreffen, sondern um die Hälfte der Blattdivergenz (in Fig. 5 also um !/,s) voneinander abweichen, ist kein Grund gegen diese Auf- fassung. Es ist offenbar durch die Quersegmentierung der Sproßachse bedingt, daß die spirotrophe Ausbildung nicht ganz gleichmäßig, son- dern sozusagen ruckweise erfolgt. Sie ist der Anlage nach, zufolge der hier vertretenen Auffassung, schon in der Scheitelzelle vorhanden erfolgt aber in deutlich sichtbar werdender Weise erst in den Seg- menten. Da diese sich in bestimmten Zeitintervallen bilden, können auch die Interferenzstreifen nicht stetig ineinander übergehen. Symmetrieverhältnisse der „Blätter“. In den Kurztrieben der Charen tritt eine Hemmung der spiro- trophen Ausbildung ein. Sie sind also einfach dorsiventra. Demgemäß alternieren auch die an ihren Knoten stehenden Seitenblättchen nicht miteinander, wenn sie auch nicht genau untereinander stehen, wie gewöhnlich angegeben wird. Die Interferenzstreifen zeigen (wenn sie deutlich wahrnehmbar sind) demgemäß auch meist einen annähernd geraden Verlauf und stehen seitlich. Sie trennen eine abaxiale und eine adaxiale Seite. Die letztere ist die geförderte. Auf ihr allein sind die Seiten- blättchen gewöhnlich entwickelt. hier befinden sich bei Chara auch die Gametangien. Schon die auch bei den „Blättern“, wenngleich in geringerem Maße als bei den Sprossen, öfters wahrnehmbare Drehung der Internodien deutet aber darauf hin, daß ihr Unterschied von den spirotrophen Sproßachsen nur ein gradueller ist. Die Stromrichtung ist in allen Gliedern dieselbe. Der aufsteigende Strom befindet sich auf der abaxialen, der absteigende auf der adaxialen 2) Vgl. Goebel, Organographie der Pflanzen, 2. Aufl., pag. 200, Fig. 185 B, 2) Nur bilden sich die Seitensprosse hier nur auf der Plusseite. 362 K. Goebel, Seite. Wenn wir die oben dargelegte Ansicht betreffs der spirotrophen Ausbildung des Hauptsprosses annehmen, so sehen wir, daß er auch ın der Einheitlichkeit der Stromrichtung mit den Blättern übereinstimmt, und daß das nur durch die „Drehung“ verdeckt wird. Daß in den Blättern das Verhältnis der Stromrichtung zu Plus- und Minusseite ein anderes ist als im Sproß, dürfte damit zusammen- hängen, daß im Blatt die Assimilate vorzugsweise nach abwärts, nach der Sproßachse hin geschafft werden, im Sproß vorzugsweise nach auf- wärts, zu den wachsenden Teilen hin. Ist diese Annahme richtig, so liegt die Plusseite in beiden Fällen in der Zuströmungsrichtung der Assimilate. Wurzeln. Es ist nicht leicht, einigermaßen unverletzte und unverbogene resp. nicht künstlich gedrehte Wurzeln aus dem Schlamm herauszubekommen. Die Frage ist vor allem, ob die gebogenen Quer- wände alle unter sich gleichsinnig verlaufen oder nicht. Davon hängt auch die Anordnung der Knoten ab. Diese stehen — mit sehr seltener Ausnahme — an der apikalen Seite jeder gestreckten Zelle. Wenn die Wände alle einander gleichsinnig auslaufen, müßten also die Knoten- zellen alle auf einer Seite liegen. So war es auch in der Mehrzahl der untersuchten Fälle. Die gebogenen Wände waren annähernd untereinander gleich gerichtet, die Knotenbildung erfolgte also immer auf der oberen (abaxialen) Seite der Wurzeln. Doch kommen auch hier gelegentlich Abweichungen vor, sowohl in der Richtung der Wände (von denen ich annehmen möchte, daß sie eine schwach spirotrophe ist), als darin, daß in einem Falle die Knotenanlegung nicht im vorderen, sondern im hinteren Ende der Segmentzelle stattfand. Hl. Experimentell-Morphologisches. Vegetationsorgane. } Die Characeen sind für experimentell-morphologische Unter- suchungen schon deshalb besonders geeignet, da sie meist leicht zu kultivieren sind. Sie sind auch schon wiederholt in dieser Richtung benutzt worden. Zuerst von Pringsheim, welcher zeigte, daß an isolierten Knoten „Zweigvorkeime“ und nacktfüßige Zweige (aus den Knoteninitialen) enstehen. Wir wissen jetzt, daß das bedingt ist durch die Entfernung oder Hemmung aller Sproßvegetationspunkte. Dieser Nachweis wurde von J. Richter!) geführt. Er stellte a. a. fest, daß 1) 3. Richter, Über Reaktionen der Characeen auf äußere Einflüsse. Flora, Bd. LXXVIIL (1894), pag. 399 ff. Zur Organographie der Characeen. 363 die Neubildung von Rhizoiden erfolgt, wenn die vorhandenen entfernt werden '), und daß die Rhizoidenbildung auch an intakten Sprossen durch partielle Verdunkelung hervorgerufen werden kann. Er konnte auch dureh andere, als die schon von Pringsheim angewandten Me- thoden (Kultur‘isolierter Knoten) nacktfüßige Zweige und Zweigvorkeime erhalten (so durch Entfernung sämtlicher Sproßvegetationspunkte oder deren Hemmung). Die Bedingungen für das Auftreten dieser Ersatz- gebilde sind also vor allem durch die Entfernung oder Inaktivierung der normalen Vegetationspunkte gegeben, ähnlich etwa wie bei einem Bryophylium. Dagegen gelang es Richter nicht, zu ermitteln, weshalb bei den nacktfüßigen Zweigen die Berindung ganz oder teilweise weg- fällt, er meint: „Ein Mangel an Nährstoffen dürfte kaum die Veran- lassung dazu bilden“ (a. a. O. pag. 415), ohne diese Ansicht näher zu begründen. Seine morphologischen Angaben über die Vorkeime sind irrig. Offenbar hat er de Bary’s Abhandlung über die Keimung der Charen nicht gekannt. Regenerationsversuche ergaben, daß Seitenäste den verloren gegangenen oder künstlich gehemmten Hauptgipfel, ersetzen können. Isolierte Blätter, Internodien und Rhizoiden dagegen zeigten keine Weiterentwieklung. Das beweist natürlich noch nicht, daß es nicht möglich sei, z, B. junge Blattanlagen zu Sproßanlagen oder Vorkeimen umzubilden. Isolierte Teile befinden sich unter Verhältnissen, die für ihre Weiterentwicklung ungünstiger sind, als wenn sie noch mit den übrigen im Zusammenhang stehen. Auch wurde oben schon erwähnt, daß Wurzeln — wenn sie nicht zu alt sind — an der Spitze zu Vor- keimen werden können, wenn man alle Vegetationspunkte entfernt. Es ist trotz früherer Angaben?) vielleicht nicht überflüssig darauf hinzuweisen, wie leicht man an Chara Reduktionserscheinungen hervor- rufen kann. Seit Jahren benützt der Verf., an dessen Wohnort Nitella nieht leicht zu haben ist, diese Erfahrung, um Chara foetida oder Chara fragilis, die überall gemein sind, zu „nitellisieren“. Derartige Pflanzen eignen sich dann besonders gut zur Vorführung der Plasmaströmung. wie zur Untersuchung der Gametangien (vgl. Fig. 6, 7). Auch sind 1) Außer dieser Korrelation ist auch noch eine andere vorhanden. An um- gekehrt aufgehängten Sprossen bilden sich Rhizeiden viel früher als an in normaler Lage befindlichen, was offenbar durch die Hemmung des Sproßwachstums im ersteren Falle bedingt ist. . ı . 2) vo. Giesenhagen, a. 5. O.; Goebel, Einleitung in die experimentelle Morphologie der Pflanzen (1908), pag- 207. 364 K. Goebel, häufig an ihnen die Sproßspitzen mit ihren Scheitelzellen ohne weiteres der Untersuchung zugänglich. Zu ersterem Zwecke braucht man nur abgeschnittene Charasproßspitzen umgekehrt in den Schlamm zu stecken. In kurzer Zeit erhält man im Sehlamm weiter gewachsene (etiolierte) Sproßspitzen mit Internodien ohne Berindung, an denen man die Plasma- strömung um so schöner sehen kann, als die Chlorophylikörper, welche diese sonst etwas zu verdecken pflegen, nur als glänzende Punkte im Wandbelag angedeutet sind. Wie früher gezeigt wurde, kann man durch ungünstige Ernährung bei Chara weitgreifende Verein- fachungen des Aufbaues herbei- führen. Diese machen sich zu- nächst an den Blättern, dann auch an der Sprossenachse gel- tend. Die Berindung unterbleibt ganz oder teilweise (mit allen Übergangsstufen). Dann kann bei den Blättern die Knotenbil- dung ganz oder teilweise unter- drückt werden (vgl. Exp. Morph. Fig. 107 pag. 208). Die Blätter sind dann also auf das Primär- blattstadium zurückgebildet und selbstverständlich steril. Wo aber noch Knoten vorhanden sind, können selbst an sehr ver- Fig. 6. Chara foetida. 7 Nitellisiertes Blatt einfachten Blättern von Chara mit Gametangien (24fach vergr.), Die Inter- foetida noch normale Gamet- (m herr Oerngen. Die ataraen Anl gebildet werden (ig.6,7) sind berindet. eine Erscheinung die erinnert z. B. an die, daß bei Nuphar unter bestimmten Umständen auch Pflanzen, die nur mit den stark reduzierten Wasserblättern versehen sind, zur Blüte gelangen können‘). Dagegen ist es mir bis jetzt nicht gelungen, eine Sproßspitze in einen „Vorkeim* umzubilden, obwohl dies eigentlich auch möglich sein müßte. Es wurde also wohl nur bis jetzt nicht der richtige Weg zur Er- reichung dieses Zieles eingeschlagen. Jedenfalls tritt bei Betrachtung dieser Vereinfachungserscheinungen folgendes deutlich hervor: 1} Goebel, Pflanzenbiologische Schilderungen, Bd. II, pag. 304. Zur Organographie der Characeen. 365 1. Die Vereinfachung trifft zunächst die ohnedies „schwächeren“ Glieder — also die Blätter — und ist bei diesen in der apikalen Region stärker als in der basalen; 2. die dabei auftretenden Erscheinungen stimmen vielfach überein mit solchen, die bei anderen Characeen normal auftreten. Das zeigt schon der Vergleich von Chara mit Nitella, außerdem aber auch der der vereinfachten Chara foetida mit anderen Chara-Arten. 2. Gametangien. Die Gametangien der Characeen, die Antherirlien und die Ei- knospen*) sind bekannt- lich durch eine ganze Anzahl merkwürdiger Eigenschaften ausge- zeichnet. Für uns kommt vor allem in Betracht, daß sie — obwohl sie an den dorsiventralen Blättern entspringen — doch radiäre Gebilde sind, was namentlich bei den Eiknospen eine Ähnlichkeit mit den Sprossen bedingt. Stim- men die beiderlei Ga- metangien nun auch in ihrer Symmetrie und, E: wie ich?) früher darzu- x, 7 (mach Sachs). Chara fragilis nach Sachs. 4 legen versucht habe, in Blattstück mit Antheridium 12) und Eiknospe 5 in R ick erwachsenem Zustand. # Längsschnitt durch ein ihren ersten Entwick- junges Antheridium fa) und Eiknospe S#. “ lungsstadien überein, so . sind sie doch. namentlich bei Chara, voneinander unterschieden durch ihre Stellung. Diese Versehiedenheit hat Anlaß zu Erörterungen über die „morphologische Bedeutung“ der (Gametangien gegeben, die aus mehr als einem Grunde hier anzuführen sind. 1} Im folgender bezeichne ich im Anschluß an andere Autoren das mit Hüllschläuche umgebene Oogonium als Eiknospe Zelle der letzteren. . \ 2) Goebel, Homologie in der Entwicklung männlicher und weiblicher Ge- schlechtsorgane. Flora, Bd. XCVIlf (1902), pag. 279. ‚ als Oogonium nur die zentrale 366 K. Goebel, Erinnern wir uns zunächst des Verhaltens von Chara (Fig. 7). Bekanntlich stehen hier die Antheridien an Stelle eines Blättchens auf der adaxialen Seite der Kurztriebe (Blätter). In der Achsel eines An- theridiums entspringt normal eine Eiknospe. A. Braun sagt!): „Ich finde in dieser axillären Stellung des weiblichen Fruktifikationsorgans einen der hauptsächlichsten Anhalts- punkte, welche mich bestimmen, dasseibe für mehr als einen bloßen Teil des Blattes selbst, nämlich für ein Gebilde vom morphologischen Rang eines Sprosses zu halten und in dieser Beziehung eine Analogie des Sporenknöspehens der Characeen mit dem Eiknöspchen (Ovulum, Gemmula) der Phanerogamen zu erblicken“ .... Er gibt aber zu, daß auch „für die entgegenstehende Auffassung des Sporenknöspchens“, nach weicher es „als bloßer Teil, als untergeordneter Strahl des Blattes betrachtet würde, mannigfache Anhaltspunkte vorhanden sind“. So namentlich sein Ursprung bei Nitella und der Umstand, daß die Knoten- zelle, aus der die Hüllschläuche entspringen, sich nicht wie bei den Stengelquirlen teilt, sondern einfach bleibt, wie es bei der Bildung der Foliolarquirle am Blatt der Fall ist. Die abnormen Bildungen unterstützen nach ihm teils die eine, teils die andere Ansicht. Bei N. syncarpa beobachtete er Sporen- knöspchen, bei denen die Hüllschläuche sich nicht dem Oogonium an- gelegt hatten, sondern frei als Quirl entwickelt waren, während die mittlere Zelle wie ein Endglied eines Nitellablattes ausgebildet war. Hier hatte sich das aufgelöste Sporenknöspchen in einer, völlig der Blattnatur entsprechenden Weise abgeschlossen. „Andererseits sah ich aber auch mehrmals (namentlich bei N. flabellata) gewöhnliche vegetative Sprosse mit völlig normaler Bildung des Stengels und der Blattquirle zwischen den Seitenstrahlen des Blattes, also an der Stelle, wo sonst die Sporenknöspchen sich befinden, erscheinen; doch fehlen bis jetzt Mittelstufen, durch welche die Möglichkeit der wirklichen Umbildung des Sporenknöspchens in solche vegetative Sprosse bestimmt nach- gewiesen werden könnte.“ Es ist klar, daß A. Braun einer solchen Umbildung deshalb zweifelnd gegenüberstand, weil er, ebenso wie die ferner anzuführenden Autoren, selbst bei den Charen eine scharfe Schei- dung der Organkategorien „Sproß* und „Blatt“ annahm. Ist eine solche nicht vorhanden, so ist auch nicht zu verwundern, wenn eine Eiknospe sowohl in ein „Blatt“ als in einen „Sproß“ umgebildet werden kann. Dieser Schluß wurde aber erst viel später gezogen. Zunächst 1) A. Braun, a. a. O. (1853) pag. 69. Zur Organographie der Characeen. 367 bewirkte die Erinnerung an die Samenpflanzen, die sich ja auch in der Benennung „Sproß“ und „Blatt“ ausspricht, daß man sich auch bei den Characeen bemühte, diese beiden Orgaue voneinander scharf zu son- dern und lieber die Homologie von Antheridien und Eiknospen preisgab. So erklärte — wohl unter dem Einfluß von A. Braun — Sachs!) in der letzten Auflage seines Lehrbuches von der Eiknospe: „das Ganze muß als ein metamorphosierter Sproß betrachtet werden. Die Stielzelle entspricht dem untersten Internodium eines solchen, sie trägt eine kurze Knotenzeile, aus welcher die Hüllschläuche als Blattquirl ent- springen.“ Celakovsky?) dagegen ist der Meinung. daß die Eiknospen (ebenso wie die Antheridien) nichts anderes sind als umgebildete Blatt- teile. Es sei aber noch ein Experiment übrig, „welches zwar bisher der Botaniker selbst nicht einleiten kann, welches aber die Natur selbst bisweilen so gütig ist uns vorzudemonstrieren, womit sie, menschlich gesprochen, ihre eigentliche Absicht und Meinung ausspricht“. Das Ex- periment wäre künstlich zu machen, wenn man wüßte, wie das be- treffende Organ aus seiner der physiologischen Aufgabe entsprechenden Metamorphose in seine (phylogenetisch) ursprüngliche Form zurückzu- bilden wäre. „Gelänge es, das Oogonium in einen vegetativen Sproß zu überführen, so besäße es ganz gewiß Sproß- natur, würde es dagegen in ein Blättchen sich zurück- bilden lassen, so wäre das ein zweifelloser Beweis seiner Blattnatur“®) Das sei durch die von A. Braun beobachtete Um- bildung vollständig bewiesen. Der Verf. hat, als er in seiner „Vergleichenden Entwicklungs- geschichte“) zum ersten Male allgemein die Homologie von männlichen und weiblichen Sexualorganen darzutun suchte — ein Versuch, der ganz unbeachtet blieb —, auch die Homologie der Antheridien und Eiknospen der Characeen betont. Beide können als blattbürtig angesehen werden, beanspruchen aber bei den einzelnen Arten verschiedene Teile des Blattes zu ihrer Bildung. Im Gegensatz zu Celakovsky aber hob 1) I. Sachs, Lehrbuch der Botanik 1874, pag. 300; vgl. damit Goebel, Grundzüge der Systematik usw. (1882), pag. 64. „Das ganze kann man sich als einen metamorphosierten Sproß vorstellen, obne daß damit gesagt sein soll, daß die Eiknospe wirklich durch Umbildung eines Sprosses entstanden ist.“ 2) L. Öelakovsky, Über die morphologische Bedeutung der sogenannten Sporensprößchen der Characeen. Flora, 1876. 3) Sperrung von mir. 6. 4) In Schenk, Handbuch der Botanik, Bd. II. Breslau 1884, pag. 419. 368 K. Goebel, er schließlich hervor: „Bei der großen Übereinstimmung von „Blatt, und Stamm bei den Charen ist auch direkte Umbildung einer Eiknospenanlage in einen Sproß durchaus nicht undenk- bar.“ Daß er damit Recht hatte und daß das Dogma von scharf und unabänderlich voneinander geschiedenen Organkategorien auch für die Characeen nicht gilt, hat sich, freilich erst recht spät, gezeigt. Denn trotz Celakovsky’s Hinweis auf das Experiment, das ‚bisher dem Botaniker nicht gelungen‘ sei, scheint das Problem einer künstlichen Vergrünung der Eiknospen (und der Antheridien) der Charen niemand gereizt zu haben. Und die Beobachtungen über spontan auftretende Um- bzw. Mißbildungen haben für die in Rede stehende Frage zwar einige wei- tere Tatsachen aber keine neuen Aufschlüsse ergeben. Namentlich teilte A. Ernst‘) in seiner interessanten Mitteilung über Pseudohermaphro- ditismus auch einige Beobachtungen über abnorme Umbildungen von Eiknospen bei Nitella mit. So die Ablösung der Hüllschläuche (deren Zahl statt 5 ausnahmsweise auch 6 und 7 betragen kann), blattähnliches Auswachsen der Oogoniumzelle (entsprechend dem schon von A. Braun beobachteten Falle), blattähnliche Stielzellen verkümmerter Eiknospen sowie das Auftreten eines dreizähligen blattähnlichen. Gebildes an Stelle einer Eiknospe. . Man kann aber eine weit größere Zahl und noch viel weiter gehende Abnormitäten bei Chara künstlich hervorrufen. Ich möchte deshalb den vor 85 Jahren fallen gelassenen Faden wieder aufnehmen und zeigen, daß das von Gelakovsky als zunächst nicht ausführbar betrachtete Experiment in Wirklichkeit leicht zu machen ist. Es handelte sich darum, Pflanzen von Chara unter Bedingungen zu bringen, welche der normalen Weiterentwicklung der Sexualorgane ungünstig sind, die vegetative Entwicklung aber nicht nur nicht ver- hindern, sondern begünstigen. Das wurde zu erreichen gesucht durch Verkinderung der Anhäufung von Assimilaten, wie sie für die Bildung von Sexualorganen notwendig ist. Daß dabei das Lieht von großer Bedeutung sein werde, war nach anderweitigen Erfahrungen von vorn- herein wahrscheinlich und hat sich auch durchaus bestätigt. Es war meine Absicht indes nicht auf die Ermittelung der Be- 1) A. Ernst, Über Pseudohermaphroditismus und andere Mißbildungen der Ovgonien bei Nitella synearpa (Thuillj. Kützing. Flora, Bd. LXXXVIH (1901), pag. 9. " Zur Organographie der Characeen. 369 dingungen der Vergrünungen im einzelnen gerichtet, sondern auf die Feststellung der dabei eintretenden Gestaltungsverhältnisse. Die Methode bestand einfach darin, daß von ihrem natürlichen Standorte hereingeholte Chara foetida im Zimmer teils frei, im Wasser sehwimmend teils mit der Basis in Erde steckend bei geminderter Be- leuchtung kultiviert wurde. Es zeigte sich dabei, daß Chara eine auf die geänderten Lebens- bedingungen sehr rasch mit Gestaltveränderungen antwortende Pflanze ist. Es gelang, nicht nur Vergrünungen verschiedener Art in beliebiger Zahl herbeizuführen, sondern auch Verschiebungen, derart, daß an Stelle von Oogonien Antheridien auftraten, ferner die Bildung der Sexual- organe vollständig zu unterdrücken. Daß in erster Linie das Licht in Betracht kommt, läßt sich leicht zeigen. Wenn ich eine Kultur, die bisher am Fenster gestanden hatte und mit üppig entwickelten Antheridien und Oogonien versehen war. in den Hintergrund des Zimmers stellte, war in kurzer Zeit der hem- mende Einfluß der verminderten Beleuchtung auf die Gametangienbil- dung sichtbar. Die Oogonienanlagen blieben stehen und wurden schließ- lich ganz unterdrückt. Die Antheridien zeigten sich, wie zu erwarten war, weniger empfindlich, wenn sie auch nicht mehr die normale Aus- bildung erreichten. Es war leicht möglich, Blättehen zu erzielen, an denen — wenigstens an einzelnen Knoten — nur noch Antheridien saßen, also keine Spur mehr von den sonst nie fehlenden Eiknospen vorhanden war. Es ist das ein weiteres Beispiel dafür, daß man bei einer Art eine abnorme Erscheinung hervorrufen kann, die bei anderen normal ist, denn es gibt auch eingeschlechtige Characeen. Es trat also einerseits eine Hemmung in der Ausbildung der Gametangien, andererseits eine Vergrünung, d. h. eine vegetative Weiter- entwieklung der Gametangien oder ihrer Träger ein, wobei es einst- weilen dahingestellt bleiben mag, ob beide Erscheinnngen durch die- selben oder durch verschiedene Einwirkungen bedingt werden. Die beobachteten Vergrünungen waren so mannigfaltig, daß ich mich auf eine Schilderung der hauptsächlichsten Formen beschränken muß. Die Mannigfaltigkeit hängt jedenfalls damit zusammen, daß die Bedingungen, denen die Pflanzen ausgesetzt waren, nicht gleichmäßig waren. So schwankte natürlich die Lichtintensität, namentlich im Winter, erheblich. Auch die Temperatur war nicht konstant und die Ernäh- rungsbedingungen waren — schon durch das Wachstun der Pflanzen selbst — innerhalb der Versuchsdauer ebenfalls keine gleichmäßigen. 24 Flora, Rd. 110 370 K. Goehel, I. Umbildung von Antheridien. 1. Vegetative Entwicklung der Tragzelle. Das Chara-Antheridium sitzt im Gegensatz zu dem von Nitella — bei welcher das Antheridium am Ende eines Blättchens sich be- findet — bekanntlich nur einer kurzen, äußerlich gar nicht hervor- tretenden (auch, soweit untersucht, nicht chlorophylihaltigen) Tragzelle auf. In den Kulturen entwickelte sich diese in verschiedener Weise Fig. 8. Chara foetida; Vergrünung des Antheridienstiels zu einem Blättchen. 7 Das Antheridium steht auf einem aus zwei Zellen bestehenden langen, nieht in Knoten und Internodien gegliederten Stiel. /7 Das Antheridium (Oktantensta- dium) steht auf einem Rlättehen mit zwei Knoten. /// Ein rein vegetatives Blätt- chen an Stelle eines Antheridiums. /Y Ähnliche Vergrünung wie bei /. P Das Blättehen an Stelle des Antheridiums hat einen aus vier Zellen bestehenden Knoten (wie der darunter gezeichnete optische Querschnitt zeigt), darüber eine stehenge- bliebene Eiknospe. Y7 Antheridienblättchen mit zwei Knoten und einer Eiknospen- anlage, die jünger ist, als die in Fig. 97 gezeichnete. vegetativ, entweder zu einer oder zwei langgestreckten chlorophylireichen Zellen (Fig. 8, /) oder zu einem in Knoten und Internodien geglie- derten Kurztrieb (Fig.8,/7). Wir sehen also, daß eine bei Nitella normal auftretende Eigenschaft: die, das Antheridium am Ende eines vegetativ entwickelten Kurztriebes zu entwickeln, auch bei Chara latent vorhanden ist, und unter bestimmten Bedingungen wieder auftreten kann, wenn Zur Organographie der Characeen. 371 auch die Antheridien selbst dabei eine Hemmung erfahren. Für ge- wöhnlich aber wird die vegetative Entwicklung so frühzeitig gehemmt, daß die allgemein anerkannte Tatsache, daß das Antheridium eigentlich an der Spitze eines Kurztriebes steht, nur durch die Stellungsverhält- nisse und den Vergleich zu ermitteln ist. Die Entwicklungsgeschichte dieser Vergrünungsbildungen konnte nicht verfolgt werden, weil sie zu wenig gleichmäßig auftraten. Das ist zu bedauern, weil der dabei stattfindende Vorgang aus dem fertigen Zustand nicht eindeutig zu erschließen ist. Es ist nämlich offenbar zweierlei denkbar: Entweder es entstand zunächst ausnahmsweise ein Blättchen (Kurztrieb) und an dessen Spitze später eine in ihrer normalen Weiterentwicklung gehemmte Antheridien- anlage. Oder es war das Antheridium sofort vorhanden, ist aber in seiner Entwicklung infolge des Vergrünungsantriebes stehen geblieben und die Bil- dung des Blättchens ist nachträglich erfolgt durch Teilung der Stiel- zelle des Antheridiums. Diese erfährt normal eine Hemmung in ihrer Entwicklung. Wenn diese Hemmung fortfällt, kann sie sich vegetativ entwickeln. Nach der ganzen Sachlage, vor allem nach dem Vergleich mit dem normalen Verhalten, ist die letztere Annahme die wahrschein- lichere, um so mehr, als alle Übergänge vorliegen von vergrößerten oder einmal quergeteilten Stielzellen (Fig. 9, 7) zu einem in einen oder mehr Knoten und Internodien gegliederten Kurztrieb. Ist das so — und die Folgerung erscheint kaum abweisbar — so ist hier eine Gliederung in Knoten und Internodien zustande ge- kommen, die nicht von einer Scheitelzelle ausging, also eine Abweichung von dem gewöhnlichen Verhalten, das bis jetzt als strengste Regel galt. Es ist das aber nicht die einzige, denn es wurden auch Fälle beobachtet, in denen die Regel, daß Knoten stets durch ein Internodium getrennt sind, außer acht gelassen wurde, indem zwei Knoten aufeinander folgten (Fig. 8, /77), ebenso die des Auftretens einer Verzweigung ohne Knotenbildung (Fig. 4, 4 und Anm. auf pag. 351). Im äußersten Falle wird die Entwicklung des Antheridiums ganz unterdrückt; an dessen Stelle steht dann ein vollständig steriles Blättchen (Fig.8, ZT). Es ist aber von den anderen benachbarten stets noch — auch abgesehen von seiner Stellung —- verschieden durch höhere Gliederung, besteht diese auch nur in einer oder wenigen Querteilungen. Das ist für unsere allgemeine Auffassung von erheblichem Interesse: höhere Gliederung setzt, wie wir sahen, das Vorhandensein anders gearteter Baumaterialien voraus als die einfachere Gestaltung. An den für Bil- dung der Sexualorgane bestimmten Stellen findet also offenhar eine 24* 372 K. Goebel, Anhäufung von Baumaterial statt, welche, wenn auch Antheridien und Eiknospen sich nieht mehr ausbilden können, doch an der Stelle des Antheridiums das Auftreten eines besser als sonst ausgerüsteten Blätt- chens ermöglicht. — Außerdem liegt auch hier wieder eine Ausbildung vor, welche mit der bei anderen — eingeschlechtigen — Charen nor- mal übereinstimmt. Auch bei diesen findet sich an Stelle des Anthe- ridiums ein normales Blättchen, „das man „Braktea“ nennen kann“?). Weshalb man einen so überflüssigen Namen beibehalten soll (nur deshalb, weil bei diesen weiblichen Charen darüber eine Eiknospe steht), ist freilich nicht abzusehen. Die Hineintragung von Bezeichnungen, die höheren Pflanzen entnommen sind, in die Chara-Morphologie, wie „bractea“, „stipulae“ usw. ist ebenso mißlich wie das Bild der beiden umgedrehten Füße bei den Rhizoiden! Noch sei erwähnt, daß die bisher mitgeteilten und die noch weiter zu erwähnenden Vergrünungen in überraschend kurzer Zeit auftraten — schon 10 Tage nachdem (Anfang März) Chara foetida aus einem Weiher (bei Ambach) geholt und in einem geheizten Zimmer aufgestellt worden war, zeigten sie sich. 2. Nicht als Vergrünung kann bezeichnet werden (mag aber an dieser Stelle erwähnt sein) das Auftreten von Antheridien in ab- normer Stellung. In einer Kultur trat außerordentlich häufig an Stelle der Eiknospe ein Antheridium auf (Fig. 9). Nur ein weiterer Sehritt in derselben Richtung ist es, wenn in zwei Fällen Antheridien an der Spitze von aus Oogonien hervorgegangenen Längstrieben beob- achtet wurden. Hier war also eine „Vermännlichung“ eingetreten, die offenbar darauf beruht, daß die Bedingungen für das Auftreten der Eiknospen nicht ganz mit denen für das Auftreten der Antheridien übereinstimmen. Daß sie normal gleichzeitig und in unmittelbarer Nachbarschaft von- einander auftreten, beweist keineswegs das Gegenteil. Hier sind opti- male Verhältnisse für beiderlei Gametangien gegeben. Die untere Grenze für das Auftreten der Eiknospen ist aber, wie schon aus dem früher Mitgeteilten hervorgeht, früher erreicht als die für das Entstehen der Antheridien. Diese können demgemäß entweder allein übrig bleiben oder auch in vermehrter Zahl auftreten, ohne daß sie sich dabei alle normal weiter entwickeln, denn auch die Bedingungen für die erste Aniegung und für die Weiterentwicklung sind verschieden. Wenn an Stelle einer Eiknospe sich ein Antheridium entwickelt, ist es sehr häufig, daß an Stelle eines Hüllschlauches sich ein geglie- 1) Oltmanns, Algen, pag. 340. Zur Organographie der Characeen. 373 dertes „Blättchen“ entwickelt. Es war dies in den beobachteten Fällen stets das nach außen gekehrte (Fig. 9, 77, ZIT). Dieses Blättchen ist, wenn es eine radiäre Ausbildung zeigt, von einem „Sproß“ äußerlich nicht wesentlich verschieden — wie sich die Knotenteilung verhält, wurde nicht untersucht. Derartige Fälle bilden den Übergang zu denen, in denen ein Antheridium, einen noch mehr sproßartig ausgebildeten Trieb!) abschloß. Da es sich dabei nicht um kräftig wachsende, son- dern in ihrer Entwicklung gehemmte Triebe handelt, so liegt hier ein ähnliches Verhalten vor, wie ich es früher für Laubmoose nachwies. Bei diesen ist es unter gewöhnlichen Umständen nicht möglich ge- Fig. 9. Auftreten von Antheridien an Stelle von Eiknospen. An Stelle des einen Hüllschlauchs bei 7 eine Eiknospenanlage (0), bei /7 und 2/7 Anlage eines Blättchens. wesen, die Scheitelzelle zu einem Protonemafaden auswachsen zu lassen. Wohl aber gelang dies bei Schistostegasprossen, die begrenztes Wachs- tum und demgemäß in einem bestimmten Zustand eine „abgeschwächte“ Scheitelzelle besitzen. Diese kann man veranlassen zu einem Proto- nemafaden auszuwachsen. Ebenso waren die Sprosse, die mit einem Antheridium abschlossen, schwachwäüchsig und deshalb den „Blättern“ in ihrer inneren Beschaffenheit ähnlicher als die gewöhnlichen vege- tativen Sprosse. Demgemäß ist bei ihnen die Möglichkeit einer termi- nalen Antheridienbildung gegeben. 1) Es sei daran erinnert, daß „Blätter“ und Sprosse der Charen sich nach ihrer Symmetrie unterscheiden {vgl. pag. 361). 374 K. Goebel, 3. Abnorme Ausbildung der Antheridien. a) Der Antheridienkörper selbst zeigte gelegentlich Unregelmäßig- keiten in der Zellenanordnung. Ferner fielen einzelne Antheridien der Verkümmerung anheim, während andere sich normal öffneten. Doch sollen diese Erscheinungen hier nicht näher beschrieben werden. Weniger leicht tritt eine Vergrünung des Antheridienkörpers selbst ein. Offenbar deshalb, weil schon sehr frühzeitig in ihm eine Veränderung eintritt, welche die vegetative Weiterentwieklung unmöglich macht, so daß, wenn die Bedingungen für eine normale Weiterentwick- lung nicht gegeben sind, nur ein Stehenbleiben und Verkümmern, aber keine Vergrünung erfolgt. Fig. 10. Vergrünte Antheridien. o die Eiknospenanlage, die bei / und 77 zu einem weiteren Antheridium geworden wäre. @ und 2 in J die zu Blättchen ausgewach- senen Quadranten der Antheridienanlage, c d die nicht ausgebildeten, 4 in 77 die vergrünte Antheridienanlage. Als solche Grenze erwies sich in meinen Versuchen die Qua- drantenbildung, d. h. es gelang, eine Antheridienvergrünung höchstens noch auf dem vierzelligen Stadium, nicht auf einem weiteren, wohl aber natürlich auf dem zwei- bzw. dreizelligen — auf dem einzelligen kann man nicht mehr recht von Vergrünung sprechen, da die Antheridien- anlage dann nicht scharf genug als solche hervortritt. Als ein extremer und zugleich besonders lehrreicher Fall sei Fig. 10, / angeführt. Hier sind aus der Antheridienanlage zwei Blättchen a und 5 entstanden. Indes war, wie eine Drehung zeigte (Fig. /, a), die Antheridienanlage schon vierzellig gewesen, von den vier Zellen a, d, c, d sind aber nur zwei (@ und 5) vegetativ ausgewachsen. Zur Organographie der Characeen. 375 Fig. 10, 27 zeigt das Auswachsen von zwei Antheridienzellen. Die dritte, einem ungeteilt gebliebenen Quadranten entsprechend, ist zurück- geblieben. Vielfach tritt ein solches Zurückbleiben einer Hälfte des Antheridiums ein, die dann auch weitere Teilungen erfahren kann, ohne selbst auszuwachsen (Fig. 10, ZIT,. Als besonders eigentümlicher Fall sei schließlich Fig. 11 noch erwähnt, wo aus der einen Antheridium- hälfte eine Eiknospenlage mit fünt Hüllschläuchen ausgewachsen ist — auch die gewöhnliche Eiknospenanlage (O,)ist vergrünt. Das Oogen selbst ist stehen geblieben, aber die Hüllschläuche sind zu gegliederten Blättehen ausgebildet. Manche Bilder wei- sen auch darauf hin, daß es sich um Vergrünun- gen von Antheridienan- lagen handelt, bei denen wohl in der unteren Zelle eine Längsteilung eingetreten war, nicht aber in der oberen, die sich nun zum Blättchen weiter entwickelt. I. Vergrünung der Eiknospen. Zunächst sei da- ran erinnert, daß das Oogon normal von fünf Fig. 11. Aus einer Zelle der gehemmten Antheridien- Hüllschläuchen um- anlage hat sich eine Eiknospe «, entwickelt. Die i ii fi ursprünglich vorhandene Riknospe o, hat ihre Hüll- geben ist, die man öfters schläuche {von denen zwei gezeichnet sind), zu ge- mit Blätichen verglichen gliederten Biättehen entwickelt. hat. Sie unterscheiden . sich aber von solchen schon dadurch, daß sie normal aus zwei sehr ungleich langen Zellen bestehen — einer kurzen oberen {Krönchen- zelle) und einer viel längeren unteren. Dadurch, daß die Hüllschläuche sich ungleichzeitig entwickeln, ist die Möglichkeit gegeben, daß die einzelnen Hüllschläuche einer Eiknospenanlage sich ungleichartig bei der Vergränung ausbilden. Es kommt immer auf den Zeitpunkt der Eiknospenentwicklung an, in welchem der „Vergrünungsantrieb* ein- wirkt. Je frühzeitiger dies der Fall ist, desto stärkere Ablenkungen von der normalen Entwicklung sind möglich, namentlich auch dadurch, daß dann die Oogoniumzelle selbst eine Weiterentwicklung erfahren 376 K. Goebel, kann. In späteren Entwicklungsstadien aber ist dies nicht mehr mög- lich. Es kann wohl durch Abänderungen des normalen Wachstums- verlaufes die Gestalt des Organs abnorm sich ausbilden. Aber das Oogon selbst bleibt stehen oder wird zu einer chlorophyllreichen Zelle. Es ergibt sich eine auffallende vegetative Ausbildung namentlich dann, wenn die grüne Oogonzelle nieht von den Hüllschläuchen um- ' geben ist, und auf einer langen, durchaus einem Blättchengliede ent- sprechenden Zelle sitzt. So sehen wir z.B. in Fig.12,7 eine Fiknospe, die, wie das häufig vorkommt, nur vier Hüllschläuche angelegt hat. Diese stehen aber weit vom Oogon ab. Sie sind, wie in anderen Fällen, leicht daran zu erkennen, daß sie an ihrem Ende eine kleine Zelle (die Krönchenzelle) abgetrennt haben). Während in diesem Fall die Oogonzelle selbst (in der keine „Wendungszelle“ ge- bildet worden war), annähernd Kugelform besaß, war sie in dem in Fig. 12, /7 abgebil- deten Falle dieckwandig und ähnlich zugespitzt wie die Endzelle eines Blättchens. Das ganze entspricht einem etwas abweichend ausgebil- deten Blättehen, ähnlich dem Fig. 12. Vergrünte Eiknospen, die auf langen von A. Braun bei Nitella blättchenartigen Stielen sitzen. Die Hull. beobachteten. Auf die theo- schläuche (vier statt fünf) stehen von Oogon (o)ab. retische Deutung können wir . . . erst später eingehen. Doch sei darauf hingewiesen, daß, wenn das Oogon durch ein Antheridium ersetzt wird, das gleichfalls einen Ersatz durch ein sonst nur blatt- bürtiges Organ darstellt. Hier lag also eine einfache Vergrünung ohne Weiterentwicklung vor. Viel häufiger ist es, daß eine Eiknospe, erst nachdem sie drei zusammenschließende, aber in ihrer Entwicklung stehenbleibende Häll- 1) Gelegentlich traten auch in meinen Kulturen an nicht vergrünten Ei- knospen Querteilungen der Krönchenzellen an Oogonien ein, was gleichfalls (wie die oben angeführte Vergrünung des Antheridiumstieles) an das bei Nitella nor- male Verhalten erinnert. Zur Organographie der Characeen. 377 schläuche angelegt hat, nun statt der zwei anderen (oder eines davon) eine neue Eiknospe oder einen Seiten- trieb?) anlegt. Die erstangelegten Hüllschläuche bilden dann eine Art Tabernakel über dem verkümmernden Oogon. Seitlich aus dem Knoten, aus dem die Hüll- schläuche entspringen, entsteht eine neue Eiknospe (Fig. 13), an welcher sich, wenn es auch verkümmert, der- selbe Vorgang wiederholen kann — oder ein Vegetationspunkt, der das verkümmerte Oogon dann bald zur Seite drängt. Das erläutert Fig. 13. O, bezeichnet das verkümmerte Oogeon, % die ersten drei Hüllschläuche, O, eine neue, an Stelle eines Hüll- schlauches entsprungene Eiknospe. In Fig. 14 ist eine Eiknospe abgebildet, deren Oogon eine Wen- dungszelle zeigt. Es bilden vier Hüll- schläuche ein un- regelmäßig geform- tes Dach über dem Oogon (Fig. 14, 2). An Stelle des fünften ist ein Seitentrieb entstanden, der statt- liche Größe erreicht bat. Bei x ist an einem Knoten statt eines Blättchens ein Fig. 13. 4 Antheridium, o, Oogon, 3 Hüllschläuche bilden ein Taber- nakel an Stelle des vierten eine neue Eiknospenanlage, o,, mit 5 jungen Hüllschläuchen. Hüllschlauch zu Fig. 14. In 4 die Hüllschläuche des Oogons O nicht h gezeichnet, nur der Seitentrieb, welcher in Knoten und sehen. Internodien gegliedert ist, bei x ein Hüllschlauch zwischen Da an den Sei- normalen Blättchen. 3 das Oogon (0) mit Hüllschläuchen tentrieben vergrünte (um 180% gegen 4 gedreht) obne Seitentrieb gezeichnet 1) So bezeichne ich die in Knoten und Internodien gegliederten Aus- zweigungen bei dieser man sie einen Langtri Vergrünung, von denen man oft kaum entscheiden kann, ob ieb (Sproß) oder einen Kurztrieb nennen soll. BTR K. Goebel, Eiknospen mit neuen Seitentrieben entstehen können, so ergeben sich manchmal hexenbesenartige, schwer zu entwirrende Gebilde, die hier nicht näher geschildert werden sollen. Die Ungleichartigkeit der Vergrünungen hängt, wie oben schon erwähnt wurde, offenbar mit dem Schwanken der äußeren Be- dingungen zusammen. 2. Durchwachsene Eiknospen. Wenn die Oogonanlage selbst sich weiter entwickelt, so kann aus ihr entweder eine neue Eiknospe oder ein Seitensproß hervorgehen. a) Oogonbildung nach Durch- wachsung. Fig. 15 zeigt die Basis einer normalen Eiknospe, die durch ein Internodium von dem Knoten ge- Fig. 15, Durchwachsene Eiknospe, unten trennt ist, an welchem die Hüll- die alten, abstehenden Hüllschläuche, N oben ein normales Oogon mit anliegen- schläuche (77) des durchwachsenen den Hüllschläuchen. A Rest eines Anthe- ÜOogons sich befinden. ridiums, Fig. 16 erläutert einen ähn- lichen Fall. Hier ist auch die neue Eiknospe abnorm entwickelt. Nur ein Teil der Hüllschläuche (von denen nur einer, A,, gezeichnet ist) ist normal entwickelt. An Stelle des jüngsten steht eine neue Ei- knospe O,. Das ist auch in Fig. 17 der Fall, nur ist hier die Eiknospe 1 nor- malund 2 steht an Stelle eines der Hüllschläuche der durchwachsenen Ei- knospe. b) Sproßbildung aus durchwachsenen Ei- knospen. Vegetative Sprosse Kg. 16. Ähnliche Durchwachsung wie bei Fig. 15, an Stelle der Eiknospen statt einer neuen normalen Eiknospe hat sich aber Anfi . ein solches gebildet, das an Stelle eines Hüllschlauches kamen häufig zur Beob eine neue Eiknospe o, gebildet hat. achtung. Sie hatten dann pr Zur Organographie eer Characeen. 379 nieht vergrünte Hüllschläuche, sondern normale, wenngleich einfach gestaltete Blätter. Daß diese nicht immer in Fünfzahl auftraten, ist nieht verwunderlich. Erstens wird, wie wir oben sahen, auch bei den vergrünten Eiknospen die Fünfzahl keineswegs immer eingehalten, zweitens ist eine vollständig vegetative Umbildung der Eiknospen zu Seitenzweigen eben nur im jüngsten Stadium der ersteren möglich, in welchem auch die Zahl der Hüllschläuche noch einer Beeinflussung unterliegen kann. Es kann aber nicht bezweifelt werden, daß die Um- bildung in einen Sproß wirklich stattfand. Nicht nur traten die Sprosse an einer Stelle auf, an der sich normal niemals vegetative Sprosse, sondern nur Eiknospen finden, sondern ich fand auch mehrere Beispiele, in denen an solchen Sprossen in einem und demselben Wirtel sowohl nor- male Charablätter als Hüll- schläuche sich befanden. Der- artige gemischte Sprosse stellen also deutlich Mittelbildungen zwischen Eiknospen und Sprossen dar. Dasselbe gilt für den Fall, daß nach Anlegung von drei Hiüllschläuchen die sonst zum Oogon werdende Zelle zu einem Sproß auswächst‘). Das geschah in dem in Fig. 18 ab- Fig. 17. Durchwachsene Eiknospe, die an gebildeten Falle. Die poten- ihrem Ende eine neue Eiknospe (r) gebildet tielle Oogonzelle ist in einen hat, an Stelle eines ihrer Hüllschläuche (77) Sproß ausgewachsen. eine neue Eiknospe (2). An Stelle des vierten Hüllblattes bat sich ein Seitentrieb ent- wiekelt, der kräftiger als der erstgenaunte gewachsen ist. Manche der Sprosse, die wenig Wuchsvermögen haben, bilden ganz einfache Blätter, wie die Primärblätter am Sproßknoten des Vorkeimes, während bei anderen die Blätter normale Gliederung erreichen. Eine zweite Übereinstimmung mit dem Vorkeim liegt bei den Vergrünungssprossen darin, daß Seitentriebe an Stelle der Blätter auf- 1) Es sei bemerkt, daß in derartigen Langtrieben auch die für diese kenn- zeichnende Zweiteilung der Knotenzelle nachgewiesen wurde. 380 K. Goebel. treten können. Das wäre — falls man die Seitentriebe als Sprosse betrachtet — ein weiterer Grund für die oben dargelegte Auffassung, daß die Vorkeime nur vereinfachte Charasprosse sind. Einen Gipfelpunkt der Vergrünung zeigt Fig. 20. Hier ist das Antheridium dureh ein Blättchen, die Eiknospe durch einen Seitensproß ersetzt. Es sei bemerkt, daß in derartigen Sprossen auch die für sie charakteristische Knotenteilung nachgewiesen wurde. Sie hätten ohne Zweifel auch Rhizoiden gebildet, wenn die äußeren Bedingungen dafür günstig gewesen wären. Die Rhizoidbildung unterblieb aber bei den frei im Wasser schwim- menden Sprossen von Chara foetida ganz all- gemein. Bei dieser Art scheint das Licht be- sonders stark hemmend auf die Rhizoidbildung zu wirken. Bei in Sand gesteckten abgeschnit- tenen Sprossen trat sie dagegen rasch ein. Es ist nach dem obigen anzunehmen, daß die „Adventivknospen“ auf Blättern, welche A. Braun, Wahl- stedt, Giesenhagen Fig. 18. A Antheridium. Das in seiner Achsel be- 1 4 gelegentlich ge- findliche Oogon ‚st durchgewachsen., Es zeigt beixrx funden haben, nichts r a j : Frog rei Hüllschläuche, nr Ex vierten einen Seiten. anderes darstellen, als „vergrünte Eiknospen“. So sagt z. B. WahlstedtY): „Ett par gänger har jag funnit adventiv- knoppar bildade pä sjelfva bladen, nämligen hos Chara tomentosa, der knopperne framkommos i vinkeln mellan bladet och bracteerna pa samma ställe, der annars sporovna hafva sin plats?); samt hos Nitella mucronata, der knopparne framkommo mellan tvänne af bladets 1) L.J. Wahlstedt, Om Characeernas knoppar och öfvervintring. Lund 1864, rag. 9. 2) Sperrung von mir. G. Zur Organographie der Characeen. 381 grenar.“ Wahlstedt schließt aus dieser Beobachtung, daß auch die Blätter von Chara in günstigen Fällen Adventivknospen bilden. Dabei blieb aber ganz rätselhaft, weshalb diese Adventivknospen nur gelegent- lich und dann an denselben Stellen, wie sonst lie Eiknöspen auftreten. Diese Angaben zeigen, daß Vergrünungen von Eiknospen auch an den natürlichen Standorten vorkommen — nur daß sie eben für „Adventivsprosse“ gehalten wurden, weil man ihre Herkunft nicht kannte. Jetzt, da man sie in beliebiger Menge hervorrufen kann, ist auch ihre Entstehung klargelegt. Die von A. Braun vermißten Mittel- stufen, durch welche „die Möglichkeit der wirklichen Uinbildung der Sporenknöspchen in solche vegetative Sprosse bestimmt nachgewiesen werden könnte“, konnten zu Dutzenden hervorgerufen werden. 1. Fig. 19, Verschiedene Stadien der vegetativen Entwicklung von Oogonien (im optischen Durchschnitt). Bei 77 waren noch Hüllschläuche (7) angelegt. Gelakovsky hat die Vermutung A. Braun’s, daß eine solche Umbildung möglich sei, für „unzulässig“ erklärt. Aber die Natur hat sich um das Verbot des geistvollen idealistischen Morphologen nicht "gekümmert. Sie zeigt uns vielmehr, daß gerade das, was Celakovsky als „absurd“ bezeichnete, nämlich, daß bei der Vergrünung aus den Eiknospen sowohl „Blätter“ als Sprosse hervorgehen können, zutrifft, wie ich das 1883 angenommen hatte. Das ist, wie damals hervorge- hoben wurde, offenbar darin begründet, daß der Unterschied zwischen „Sproß“ und „Blatt“ bei den Characeen kein so großer ist, als die formale Morphologie, namentlich auch Celakovsky, geglaubt hatte. Sie hatte dabei unwillkürlich die Samenpflanzen im Auge, bei denen die einzelnen Organkategorien tatsächlich sehärfer voneinander > 382 K. Goebel, abgegrenzt sind, als bei den Charen. Aber selbst bei den Samen- pflanzen ist die Abgrenzung keine durchwegs starre und unabänder- liche. Es darf wohl an die in des Verf.’s „Organographie“ angeführten Beispiele erinnert werden — sie hier zu wiederholen, würde zu weit führen. Es können somit die Vergrünungen der Charen auch einiges all- gemein-morphologisches Interesse beanspruchen, um so mehr, als es kaum eine andere Pflanze geben dürfte, an der diese Erscheinungen so rasch und sicher hervorzurufen sind. Sie zeigen ferner, was der Verf. immer wieder betont hat, daß im Verlauf der Entwicklung eine Umänderung in der inneren Beschaffenheit der Organe eintritt, welche ihre Entwicklungsmöglich- keit einengt — nur die ersten Entwicklungsstadien der Gamet- angien konnten zur vegetativen Weiterentwicklung gebracht wer- den, später ist nur ein Stehen- bleiben, aber keine Umänderung mehr möglich. Auch die ersten Entwick- lungsstadien betrachte ich aber nicht als „indifferent“. Sie unter- scheiden sich in der Zusammen- setzung ihrer Baumaterialien noch Fig. 20. Antheridium durch ein Blätt- weniger von den vegetativen Or- chen, Eiknospe durch einen Seitensprok HAnen als das später der Fall ist. ersetzt, Aber sie sind doch schon in ganz bestimmter Weise „induziert“, sonst wäre es nicht verständlich, daß die einzelnen Entwicklungsstadien sich in gesetzmäßiger Folge aneinanderreihen. Die Induktion ist aber anfangs schwächer als später. Einen Strom kann man nahe seiner Quelle leichter ablenken als später, er hat aber von Anfang an eine bestimmte Strömungsrichtung. Dieses Bild läßt sich auch auf die Organentwicklung anwenden. Wir haben ja eine ganze Anzahl von künstlichen Vergrünungen all- mählich ausführen gelernt: es sei z. B. an die der Sporophylie bei 4. Zur Organographie der Characeen. 383 Pteridophyten), die der Infloreszenzen und Blüten bei höheren Pflanzen erinnert. Für Gametangien sind, soweit mir bekannt, Vergrünungen bis jetzt nur in wenigen Fällen gelungen. So bei Vaucheria Klebs?) beob- achtete, daß bei einer Kultur von Vaucheria repens in 8%,iger Rohr- zuckerlösung, in der zahlreiche Antheridiumanlagen sich entwickelt hatten, diese nach der Überführung in Wasser und nach Verdunkelung an ihren Enden in Zoosporangien sich umwandelten. Bei Kultur in schwachem Lichte wurden manche Antheridien zu Zweigen, auch ein Auswachsen der Oogoniumanlagen trat zuweilen ein (a. a. O. pag. 131). Doch handelte es sich dabei offenbar nicht um die durch eine Wand abgegrenzte eigentliche Antheridium- oder Oogoniumanlage, sondern um den bei den Antheridien verhältnismäßig langen, bei den Oogonien sehr kurzen Auswuchs, an dessen Ende sich die Gametangien erst ab- grenzen. Dieser Fall würde also etwa dem ehtsprechen, bei dem der Stiel einer Antheridium- oder Eiknospenanlage von Chara vergrünt. Ähnlich ist es bei den zu einem vierflügeligen Blatt vergrünten An- theren, die man bei manchen Samenpflanzen als Monstrositäten beob- achtet hat. Hier handelt es sich gar nicht um vergrünte Sporangien, sondern nur um eine vegetative Ausbildung der Gewebewucherung, auf welcher bei normaler Weiterentwicklung ein Sporangium aufgetreten wäre. Fragen wir uns schließlich, ob aus den beobachteten Vergrünungen Folgerungen für unsere Auffassung der Characeen-Gametangien sich ergeben? ” Daß die Homologie von Antheridien und Oogonien durch sie nicht im mindesten in Frage gestellt, sondern nur aufs neue bestätigt wird, dürfte sich aus dem Mitgeteilten von selbst ergeben. Die Tatsache, daß die Antheridienanlage noch nach den ersten 1) Die Vergrünung von Farnsporophylien gelang zuerst bei Onociea Struthio- pteris*), später auch bei Equisetum Telmateja**), Lycopodium***) und Selagi- nella. Aber nicht bei allen Angehörigen dieser Gruppen geht es gleich leicht. Es wird die Vergrünung um so leichter vor sich gehen, je länger Sporophyli und Laub- blatt in ihrer Entwicklung miteinander übereinstimmen. Tritt sehr früh schon eine Abweichung ein, so wird die Umbildung erschwert. So gelang sie z. B. noch nicht bei Aneimia und den Marsiliaceen. 2) &. Klebs, Die Bedingungen der Fortpflanzung bei einigen Algen und Pilzen. Jena 1896, pag. 115. *) Goebel, Über künstliche Vergrünung von Farnsporophylien. Ber. der Deutschen bot. Ges. 1887. **) Goebel, Organographie der Pflanzen. 2. Aufl. (1918), pag. 1093, Fig. 109. *e*) Daselbst pag. 324. 384 K. Goebel, Teilungen zu Blättehen auswachsen könne, ließe sich als Stütze der Hofmeister’schen Hypothese verwenden, daß die Antheridien mit ihrem merkwürdigen Bau eigentlich Antheridienstände seien. Man könnte sich vorstellen, daß die ersten Teilungen im Anthe- ridium eigentlich denen in einem Knoten der Vegetationsorgane ent- sprechen, daß aber die sonst zu Blättehen auswachsenden Zellen mit- einander vereinigt bleiben. Indes gelangt man bei diesen Deutungsversuchen auf einen höchst unsicheren Grund, weil wir keinerlei andere mit Chara näher verwandte Pflanzen kennen. Deshalb mag auf solche Hypothesen hier auch nieht weiter ein- gegangen werden. Zusammenfassung. 1. Die Vegetationsorgane der Characeen zeigen alle eine Glie- derung in Knoten und Internodien, auch die Wurzeln, bei denen das meist in Abrede gestellt wurde. 2. Alle Knoten sind dorsiventral gebaut, Die radiäre Gesamtaus- bildung der Sprosse erfolgt durch „Spirotrophie“. Da diese bei Blättern und Wurzeln ‚kaum hervortritt, so sind diese Organe dorsiventral. 8. Die Ausbildung der Vegetationsorgane ist stark beeinflußbar. Wurzeln lassen sich in „Vorkeime“ umbilden. Berindung und Knoten- bildung lassen sich unterdrücken (letzteres wenigstens bei den Blättern), wenn die Pflanzen unter ungünstige Ernährungsverkältnisse gelangen. Vielfach treten dabei Gestaltungsverhältnisse auf, welcbe bei anderen Characeen „normal“ vorhanden sind. 4. Auch die Gametangienbildung ist beeinflußbar. Sie ist vom Lichte abhängig. Es ist leicht Chara foetida ganz steril zu ziehen. Antheridien können an Stelle der Eiknospen auftreten und mannigfache Vergrünungen erfahren. Statt der Stielzelle der Antheridien kann ein Blättchen auftreten, auf dem die Antheridienanlage selbst schließlich auch ganz fehlen kann. Aus Antheridienanlagen können 1—-2 Blättchen hervorgehen, Eiknospen können durchwachsen, und neue Eiknospen oder Sprosse ausbilden. An Stelle der Hüllschläuche bilden sich dann Seiten- blättchen oder neue Eiknospen. Daß bei den Vergrünungen nicht immer dasselbe auftritt, ist zurückzuführen einerseits auf die nicht immer gleichen Bedingungen, unter denen die Vergrünung stattfand, anderer- seits darauf, daß der Unterschied zwischen Sprossen (Langtrieben) und Blättern (Kurztrieben) ein weni"r scharfer ist, als die formale Mor- phologie ihn annahm. ' Zur Organographie der Characeen. 335 Nachtrag. Nachdem die vorstehende Mitteilung schon gedruckt war, erhielt ich durch die Freundlichkeit von Geh. Rat Oltmanns aus Freiburg weibliche Pflanzen von Nitella opaca {?)%). Sie wurden in ein Glasgefäß mit Erde und Sand gesetzt und Regenwasser zugegeben. Die Untersuchung zeigte, daß die Eiknespen ursprünglich ganz normal waren. Nach 10 Tagen aber hatten sich infolge der geänderten Lebensbedingungen eine große Anzahl Eiknospen abnorm entwickelt. Die Hüllschläuche waren zwar meist in ziemlich normaler Ausbildung, also gewunden und dem Oogon anliegend. Nur gelegentlich traten einzelne abstehende auf. Aber die Oogonzelle selbst hatte abnorme Ausbildung erfahren, sie war durch Teilungen zu einem Zeilkörper ge- worden (Fig. 21, Z, /7). Dieser zeigte bei den verschiedenen Eiknospen verschiedene Gestaltnng. Die Zellkörper waren offenbar nicht etwa ent- standen als eine zweckmäßige Reaktion auf die veränderten Lebens- bedingungen, sondern ganz sinnlose Gebilde, aus denen nichts für das Leben der Pflanze Brauchbares hervorging. Das zeigte sich namentlich auch darin, daß einzeine Zellen dieser Zeilkörper Andeutungen der eigentümlichen „Membranfalten“ zeigten, wie sie für die Wandzellen der Antberidien bezeichnend sind. Und daß tatsächlich hier (freilich verunglückte) Versuche zur Antheridien- bildung gemacht wurden, zeigten andere Fälle, in denen diese Versuche viel weiter gingen, und die mit charakteristischen „Falten“ versehenen Wandzellen einen kleinzelligen inneren Gewebekörper bildeten, iu wel- chem aber Spermatozoiden bildende Fäden bis jetzt nicht auftraten. 1) So bestimmte ich allerdings mit Zweifeln die Pflanze. Mit N. opaca stimmt, daß eine Gallerthülle der Eiknospen nicht nachweisbar war, ferner die Blatt- bildung und die Diöcie. Dagegen besaßen die Blättchen einen „muero“, dessen Fehlen bei N. opaca Migula (a. &. O. pag. 122) als besonders kennzeichnend hervorkebt. Ob etwa eine Bastard vorlag oder die Artmerkmale innerhalb der flexilis-Gruppe nicht so gleichbleibend sind, wie die Diagnosen annehmen, muß ich dahingestellt sein lassen. Ich bemerke noch, daß nicht etwa die Antheridien abgefallen waren und dadurch Diöcie vorgetäuscht wurde. Vielmehr waren auch zwischen ganz jungen Sporenknospen keine Antheridien vorhanden. Ich halte es aber für möglich, daß bei monoceischen Formen, wie z. B. Nit. flexilis, die Anthe- ridienbildung unterdrückt werden kann, und dadurch der Anschein von Diöcie ent- steht, einigermaßen ähnlich wie bei den Prothallien von Equisstum bei guter Er- nährung Antheridienbildung nicht stattfindet. Tatsächlich traten später an den weiter kultivierten Pflanzen such einzelne Antheridien auf, und wie weiterhin zu schildern sein wird, sogar ein Versuch der Antheridienbildung aus abnorm ent- wickelten Oogonien. Ich kann die Pflanze ala vorläufig nur als eine zur flezilis- Gruppe gehörende bezeichnen. Flors. Ba. 110. 25 386 K. Goebel, Ein solches mißglücktes Antheridium (Fig. 21, IIT) innerhalb der Ei- knospenhüllschläuche ist ein höchst sonderbares Gebilde! Es erinnert an die Beobachtungen von Ernst an Nitella syn- carpa, bei der er an zwei im Freien gesammelten Stöcken Pseudo- hermaphroditismus beobachtete. Er nimmt an, daß dieser nieht bloß durch besondere Lebensbedingungen der Pflanzen an ihrem speziellen Standort bedingt gewesen sei. Bei den von mir kultivierten Pflanzen aber war jedenfalls eine Veränderung der Lebensbedingungen sowohl der Grund für das Auftreten von Antheridien an Stelle von Oogonien bei Chara foetida, als für die verunglückten Versuche zur Antheridien- bildung aus Oogonien bei Nitella. Das schließt nicht aus, daß die Reaktions- fähigkeit der einzelnen Exemplareeine verschiedene, und daß diese L L Verschieden- Kir 2 un heit eine gene- mn), imoapen era Osperinn isch. badingia nium erfabren hat. 7 mit einem abstehenden Hüllschlauch, 7 ist. eine der Wendungszellen. /7 Aus dem Oogon ist ein Zell- Eine Ver- körper hervorgegangen. 2/7 Oogon, das zu einem abnormen Antheridium ausgebildet ist im optischen Durchschnitt. Die Srünung fand Hüllschläuche sind gerade gezeichnet. D Antheridiumzellen, j, i i welche in der Aufsicht die charakteristischen „Membranfalten" ich nur in zwei zeigen. Fällen. In . . . beiden war in einer Eiknospe, die schon Hüllschläuche angelegt hatte, das Oogon durch ein deutliches Blättchen ersetzt. Ich zweifle aber nicht daran, daß die Eiknospen auch zu Sprossen auswachsen können, wie sie ja nach dem oben Angeführten bei Nitella wiederholt beobachtet worden sind. Die Hüllschläuche zeigten insofern abnorme Gestaltung, als aus der unteren Krönchenzelle (die man einer rudimentären Knotenzelle gleichsetzen kann) nicht selten ein Auswuchs (Andeutung eines Seiten- blättchens?) sich bildete (Fig. 21, Z) — nur einmal kam ein solcher auch bei der oberen Krönchenzelle vor. at Zur Organographie der Characeen. 387 Indes soll auf das Verhalten von Nitella bei der Fortsetzung dieser Versuche noch eingegangen werden. Hier sollte zunächst nur darauf hingewiesen werden, 1. daß auch bei Nitella die Oogonzellen „labil“ sind, d. h. durch geänderte Lebensbedingungen in kurzer Zeit zu einer abnormen Weiter- entwicklung veranlaßt werden können; 2. daß das noch auf einem viel späteren Entwicklungsstadium als bei Chara foetida möglich ist, selbst noch nach Abtrennung der „Wen- dungszellen*. ö Die fertile Oogonzelle verliert also die Fähigkeit zur Weiterent- wicklung viel später als die von Chara foetida, und auch die sterilen (die „Wendungszellen“) scheinen weiterer Teilung und Entwicklung noch lähig zu sein; selbst die Knotenzelle der Eiknospe wies in zwei Fällen Querteilungen auf. Auch bei Nitella zeigt sich also wie bei Chara, daß zwar die Entscheidung darüber, ob eine Zelle teilungsfähig bleibt oder nicht, schon bei ihrer Entstehung getroffen wird, nicht aber die darüber, was aus ihr werden soll. Wäre das der Fall, so wäre die Entwicklung nicht eine abänderbare. Daß aber gerade bei den Gametangien eine solche Abänderung leicht möglich ist, zeigen ja die beschriebenen Ver- suche. Sie zeigen uns aufs neue die Abhängigkeit der Organbildung von den Einwirkungen der Außenweit. Daß auf Veränderungen der letzteren die Charen sehr empfindlich sind, zeigt z. B. auch das von Zacharias u. a. untersuchte Verhalten der Rhizoiden, die, in anderes Wasser übertragen, meist zunächst ihr Wachstum einstellen, um es dann später in etwas geänderter Weise wieder aufzunehmen. Der Zeitpunkt, in welchem darüber entschieden wird, ob die Oogonzelle noch weitere Teilungen erfahren kann oder nicht, dürfte mit dem zusammenfallen, in welchem eine ausgiebigere Ablagerung von Reservestoffen in der Oogonzelle beginnt. Damit ist noch nicht ge- sagt, daß das auch die Ursache für die Unfähigkeit auf Veränderung der Lebensbedingungen durch Teilungen zu antworten sei. Vielleicht gelingt es, durch weitere Untersuchungen wenigstens die äußeren Be- dingungen für die abnorme Ausbildung der Gametangien näher kennen zu lernen. Druck von Ant. Kämpfe in Jens. Preisaufgabe der Berliner Akademie für 1922. Die Akademie stellt für das Jahr 1922 folgende Preisaufgabe: „Sekundäre Geschlechtsmerkmale sind im Tierreich allgemein ver- breitet. Für das Pflanzenreich liegen nur wenige und zum Teil wider- sprechende Angaben darüber vor, wie weit die Geschlechter diözischer Arten an morphologischen, anatomischen und physiologischen Merkmalen der vegetativen Organe unterschieden werden können. Es sollen die vorhandenen Angaben kritisch gesammelt und unsere Kenntnisse durch neue Untersuchungen fester begründet und erweitert werden.* Der ausgesetzte Preis beträgt fünftausend Mark. Die Bewerbungsschriften können in deutscher, lateinischer, fran- zösischer, englischer oder italienischer Sprache abgefaßt sein. Schriften, die in störender Weise unleserlich geschrieben sind, können durch Be- schluß der zuständigen Klasse von der Bewerbung ausgeschlossen werden. Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Spruchwort zu bezeichnen und dieses auf einem beizufügenden versiegelten, innerlich den Namen und die Adresse des Verfassers angebenden Zettel äußerlich zu wieder- holen. Schriften, welche den Namen des Verfassers nennen oder deut- lich ergeben. werden von der Bewerbung ausgeschlossen. Zurück- ziehung einer eingelieferten Preisschrift ist. nicht gestattet. Die Bewerbungsschriften sind bis zum 31. Dezember 1921 im Bureau der Akademie, Berlin NW 7, Unter den Linden 38, einzu- liefern. Die Verkündigung des Urteils erfolgt in der Leibniz-Sitzung des Jahres 1922. Sämtliche bei der Akademie zum Behuf der Preisbewerbung ein- gegangenen Arbeiten nebst den dazugehörigen Zetteln werden ein Jahr lang von dem Tage der Urteilsverkündigung ab von der Akademie für die Verfasser aufbewahrt. Nach Ablauf der bezeichneten Frist steht es der Akademie frei, die nicht abgeforderten Schriften und Zettel zu vernichten. Inhaltsverzeichnis. GOEBEL, K., Zur Organographie der Characeen. Mit 21 Abbildungen im Ixt ... HIRMER, MAX, Beiträge zur Morphologie der Polyandrischen Blüten. Mit Tafel I-XI .. JANSON, ERNA, Über die Inhaltekörper der Myriophylium- „Trichome . KRATZER,JOHANNES, Die verwandischaftlichen Beziehungen der Cucur- bitaceen auf Grund ihrer Samenentwicklung. (Mit spezieller Berücksichtigung der Caricaceen, Passifloraceen, Aristolochiaceen und Losaceen). Mit 60 Abbildungen im Text . . KÜSTER, ERNST, Die Verteilung des Anthocyans bei Coleusspielarten. Mit 27 Abbildungen im Text. . . LAKON, GEORG, Über die Bedingungen der Heterophyliie bei Peiro- selinum sativum Hoffm. Mit 6 Abbildungen im Text . . . LOEW, OSCAR, Ninhydrin als mikrochemisches Reagens auf Amino- säuren . . NEGER, F. W,, Experimentelle Vatersuchungen "über Babtanpa Mit 31 Abbildungen i im Text ... RÜTER, ELISABETH, Über Vorblattbildung bei. Monokotylen. Mit 198 Abbildungen im Text. . . - SCHÜRHOFF, P. N., Die Beziehungen des Kernkörperchens z zu den Chromosomen und Spindelfasern. Mit 3 Abbildungen im Text TEREG, E., Kann Hexamethylenteiramin als Stickstoffquelle für plan liche Organismen verwendet werden? .. .. 275-348 1-33 34--51 262-264 67—139 193-261 52-66 270-274