Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich. Herausgegeben von Prof. Dr. HANS SCHINZ Direktor des Botanischen Gartens und Museums der Universität Zürich, Sechsundsechzigster Jahrgang. 1921. Mit 5 Tafeln und 16 Abbildungen. Zürich, in Kommission bei Beer & Co. in ZürjgggR) BOTL 3 1921. ae > WL In ıg0G -] Gründungsjahr der Gesellschaft 1746. S. 1212 usgegeben am 1. Juli 1921. x S. 213—360 und I—-XLVII ee am 31. Dezember 1921. = we > AN Er uchdruckerei Gebr. Freiz A.G. Zürich, Inhalt. Erster Teil: Abhandlungen. l. en Versuch einer rg Se des zeitlichen Ablaufes r Infektionskrankheite . usgegeben aclabäriek am 10. März 1921. Helen Bodmer. Die Reservestoffe bei einigen anemophilen Pollenarten. (Vorläufige Mitteilung. Ausgegeben als ER am 31. Dash 1921. A. Fliegner. Der unstetige Vorgang beim Ausströmen der Gase Äusgegeben als Separatabdruck am 10. März 1921. C. F.Geiser. Zur Erinnerung an Theodor Reye Ausgegeben als ER a am 30, Jusi 1921. Walter M. Hauser. Osteologische rest ngetlierkmale der schweize- rischen Feld- n ——— . : ge n als Separatabdruck am 15. "Oktober 1921. A. Kiefer. Zum Normalenprobiem bei den Flächen zweiten Grades Ausgege als Separatabdruck am 30. Juni 1921. A. Kiefer. Eine irn abe und eine Kugelaufgabe . Ausgegeben als Separatabdruck am 15. Oktober 1921. Ernst Meissner. Elastische Oberflächenwellen mit Dispersion in einem in- Er Medium . ; usgegeben als ba, am 30, Juni 1921. Dr. Adolf Naef. ie Bau und Lebensweise der tetrabranchiaten Cephalo- poden . : e 3 Kissigeheh a Sefäistahäruck am 31. Dsieher 1921. Prof. Dr. M. Rikli. Zur Pflanzengeographie der Carices der een Ausgegeben als Separatabdruck am 10. März 1921. M. Rikli. Die subarktischen Arten der Gattung Phyllodoce Salisb. sgegeben als Separatabdruck am 31. Dezember 1921 Ferdinand Er und Carl $chröter. Notizen zur schweizerischen Kultur- geschichte . Die Enleraussabs (Fortsetzung) ; 54. Nekrologe: Hans Kronauer. Herbert Haviand Field. Harlem Tigran Abeljanz. Rudolf Escher. Hermann Amandus Schwarz Ausgegeben als Separatabdruck am 31. Dezember Hans Schinz und Albert Thellung. I. Beiträge zur Kenntnis der rkkanischen Flora (XXX.). — II. Beiträge zur Kenntnis der ee (VIH Weitere Beiträge zur Nomenklatur der Schweizerflora (VI Ausgegeben als Separatabdruck am 15. Oktober _ Seite 196 318 221 Benno Slotopolsky. Beiträge zur Kenntnis der Verstümmelungs- und Re- generationsvorgänge am Lacertilierschwanze . : r 3 Ausgegeben als Separatabdruck am 10. März 1921. Andreas Speiser. Über die geodätischen Linien auf einem konvexen Körper Ausgegeben als Separatabdruck am 10. März 1921. Rudolf Staub. Über den Bau des Monte della Disgrazia i Ausgegeben als Separatabdruck am 30. Juni 1921. J. Strohl. Physiologische Gesichtspunkte in der Tiergeographie : usgegeben als Separatabdruck am 22. Februar 1921. A. Tschirch. Besitzt die Pflanze Hormone ? 5 } i . Ausgegeben als Separatabdruck am 30. Juni 1921. Zweiter Teil: Sitzungsberichte. Seite Prof. Dr. Otto Schlaginhaufen. Sitzungsberichte von 1921 I Darin sind folgende Autoreferate enthalten: Dr. R. Billwiller. Der see es und seine meteorologischen Bedingung V Prof. Dr. P.Debye. Das elektrische ann . Moleküle XXI Prof. Dr. R. Eder. Natürliche und künstliche Riechstoffe . : XXVI Prof. Dr. Eleutheropulos. Was ist Naturgesetz? 111 Prof. Dr. H.E. Fierz. Reisen durch einige Ss Nord- amerikass . f . XXIV Prof. Dr. Albert Hein, Die M hin XXV yt (Der Vortrag erscheint als Nenjahrsblatt'u unserer Gesellschaft.) Dr. K.Meissner. Die Gesetze der Wärmestrahlung und ihre ik Anwendung auf die Leuchttechn « XXVIH Prof. Dr. Ad. Oswald. Die Beziehungen ewinehen ehaliischer Konstitution und Wirkung der Arzneimittel k VI Dr. Ernst Waser. Fleischbrühe und ischextäkt. i XXV gen Wirth (Aarau). Verdampfung ohne steh X Dr. Zietzsehmann. Funktionen des weiblichen Genitals bei Säugetier und Mensch (Brunst und Menstruation) A vIu Exkursionen: Prof. Dr. Schlaginhaufen. Exkursion an den Pfäffikersee . XXI Dr. M. Baumann-Naef. Bericht des Quästors über die Rech- nung der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich für das Jahr Xu Prof. Dr. Otto aehia neh Bericht des Sekretärs über die wissenschaftliche Tätigkeit und den Bestand der Natur- forschenden Gesellschaft in Zürich 1920/21 „. XV Prof. Dr. Hans Schinz. Bericht des Redaktors - : ; XVII Verzeichnis der Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich auf den 31. Dezember 1921 i ; ; XLVII Die Separatabdrücke sind nicht im Buchhandel zu haben. Sie 2 ve Erster Teil Abhandlungen En 1 i { i { + ! ST Vierteljahrssehrift . der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich. Herausgegeben von Prof. Dr. Hans Schinz Direktor des Botanischen Gartens und Museums der Universität Zürich. Sechsundsechzigster Jahrgang. 1921. Erstes und Zweites Heft. Ausgegeben am 1. Juli 1921. 4 Zürich, in Kommission bei Beer & Co. 1991: Buchdruckerei Gebr. Fretz A. G., Zürich Inhalt. J. Aebly. Versuch einer mathematischen en des zeitlichen Ablaufes der Infektionskrankheiten . Ausgegeben als Sdshratallernek am 10. März 1921. Andreas Speiser. en die geodätischen Linien auf einem konvexen Körper : egeben als Separatabdruck am 10. März 1921. Benno a: Bes zur Kenntnis der Verstümmelungs- und En am Lacertilierschwanze . . Ausgegeben als Separatabdruck am 10. März 1921. j. Strohl. De klolassche Gesichtspunkte in der Tiergeographie usgegeben als Separatabdruck am 22. Februar 1921. A. Fliegner. Der unstetige Vorgang beim Ausströmen der Gase usgegeben als Separatabdruck am 10. März 1921. er Dr. M. ne Zur Pflanzengeographie der Carices der Polarregion sgegeben als Separatabdruck am 10. März 1921. Rudolf Staub. mare den Bau des Monte della Disgrazia . Ausgegeben als Separatabdruck am 30. Juni 1921. C. F.Geiser. Zur Erinnerung an Theodor Reye . Ausgegeben als Separatabdruck am 30. Juni 1921. Ernst Meissner. Elastische Oberflächenwellen mit Dispersion in einem in- homogenen Medium . : usgegeben als Serien am 30. ne 1921. A. Kiefer. Zum ee aeg bei den Flächen zweiten Grades sgegeben als Separatabdruck am 30. Juni 1991. A. Tschirch. Be die Pflanze Hormone? Ausgegeben als Separatabdruck : am 30, Je 1921. NB. Die Separatabdrücke sind nicht im Buchhandel zu haben. Seite 196 201 Versuch einer mathematischen Analyse des zeitlichen Ablaufes der Infektionskrankheiten. Von J. Argıy (Zürich). (Als Manuskript eingegangen am 24. Juli 1920.) Eine. mathematische Theorie der Infektionskrankheiten ist z. Z. noch ein frommer Wunsch und wird es wohl noch für absehbare Zeit ‘bleiben. Sind doch die dem physiologischen und pathologischen Ge- schehen zugrunde liegenden physikalischen, phıysikalisch-chemischen und chemischen Vorgänge so kompliziert, dass von einer eigentlichen exakten Analyse der Gesamtheit der eine bestimmte Krankheit be- dingenden Erscheinungen noch keine Rede sein kann, obschon man in den letzten Jahren einzelne Vorgänge erfolgreich durch physika- lisch-chemische Betrachtungen und Experimente zu klären begonnen hat, woran insbesondere die Kolloidehemie hervorragenden Anteil hatte. - Die Aufgabe, die im folgenden behandelt werden soll, soll nun nicht in der möglichst eingehenden exakten Analyse irgend welcher speziellen pathologischen Erscheinungen bestehen, sondern vielmehr in dem Versuch, auf Grund einer formalen mathematischen Analyse, möglichst unabhängig von speziellen Hypothesen chemischer oder phy- sikalisch-chemischer Natur, gewisse Eigentümlichkeiten des zeitlichen Ablaufes der Infektionskrankheiten verständlich zu machen. Dass gerade die Infektionskrankheiten für die Betrachtung ge- wählt wurden, liegt darin begründet, dass sie gewissermassen von zwei Seiten her zugänglich sind, nämlich 1. der rein klinischen Be- trachtung, die schon Jahrhunderte zurückdatiert und 2. einer bakte- riologischen Betrachtung, resp. einer Analyse, vom Standpunkt der Immunitätslehre aus, welche Betrachtungsweise viel jünger ist, indem sie erst in den letzten Dezennien des 19. Jahrhunderts aufkam. Der Begriff der Krankheit ist im Laufe der Zeit von den verschiedenen Autoren verschieden definiert worden. Es kann sich hier natürlich nieht darum handeln, eine historisch-kritische Würdigung aller oder auch nur der hauptsächlichsten Definitionen zu geben. Wir wollen Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg.66. 1921. 1 B) Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 uns vielmehr damit begnügen, den Begriff so zu definieren, dass wir eine für unsere Zwecke passende Unterlage haben, die auch, wenig- stens im Prinzip, quantitativ fassbar ist. Wir wollen demnach unter Infektionskrankheit verstehen: Die Gesamtheit der durch einen körper- fremden Reiz (Infektionserreger) verursachten Vorgänge im Orga- nismus, möge es sich um qualitative Abweichungen vom physiolo- gischen, „normalen“ Geschehen oder um rein quantitative Abwei- chungen handeln. Durch die Bezeichnung „Gesamtheit“ soll hervorgehoben werden, dass die die Krankheit bildenden Vorgänge eine Einheit bilden, d.h. von einander abhängig sind, wenn auch nicht in dem Sinne, dass jeder Vorgang direkt von jedem andern abhängt, so doch wenigstens indirekt. Dass für den Fall rein quantitativer Abweichungen in praxi’ Schwierigkeiten entstehen können bez. der noch als „im Bereiche des Normalen liegenden Abweichung“ soll hier nur vermerkt, aber nicht weiter ausgeführt werden. Als notwendige, aber durchaus nicht hinreichende Bedingung des. Auftretens einer Infektionskrankheit hat die Bakteriologie das Ein- dringen von körperfremden kleinsten Lebewesen aus dem Tier- und Pflanzenreich kennen gelehrt. Die Art und Weise des Eintrittes der Krankheitserreger in den Körper ist dabei für die verschiedenen Er- reger verschieden, doch kommen für die meisten Infektionskrankheiten nur eine kleine Zahl von Eintrittspforten in Frage. Der zeitliche Ablauf einer Infektionskrankheit ist nun abhängig einerseits von den Erregern, anderseits von den Abwehrreaktionen des befallenen Organismus. Wir wollen nun versuchen, uns ein Bild davon zu machen, wie sich die Erreger unter dem Einfluss der ge- nannten Abwehrreaktionen verhalten. Für die von uns gewählte Form der Behandlung ist es nun gleichgültig, ob die Erreger als solche, durch nach aussen abgeson- derte Toxine (Exotoxine), oder durch in ihrem Innern aufgespeicherte Toxine wirken, die erst durch den Zerfall der Erreger in Freiheit gesetzt werden. Es handelt sich nur darum, ein Mass für die Stärke des pathogenen Reizes zu erhalten, den wir — wenigstens in erster Annäherung — proportional der Zahl der Erreger, oder der in irgend einem passenden Masse gemessenen Menge der Toxine in der Vo- lumeneinheit des in Betracht kommenden Organs setzen können. Da wir die Menge der Toxine ja ebenfalls proportional der Zahl der Er- reger setzen können, so können wir uns der grössern Anschaulich- keit wegen darauf beschränken, die Abhängigkeit der Zahl der Er- reger von der Zeit festzustellen. Jahrg.66. J. Aebly. Math. Analyse des zeitl. Ablaufes d. Infekt.-Krankheiten. 3 Sei demnach P= Ft) die Zahl der im Zeitpunkt t vorhandenen. Erreger und A P die während des sehr kleinen Zeitintervalles At im Bestande eingetretene Änderung, so haben wir die NE BP=AP,-—- AP, wenn AP, die Zahl der neu entstandenen, AP, die Zahl der zugrunde- gegangenen Erreger ist. Dividiert man beiderseits durch P- At, so erhält man AP er ER DR P+‘t ER 3:2 Pa 0% Lässt man nun £ nach Null konvergieren und setzt voraus, dass N j AP AP, AP. die Grenzwerte im ——, ln ——", lim ” ES At=0 Ab nt=0 At existieren, so hat man in der üblichen Bezeichnungsweise 14 ep Te aF, ET Er rl RT ET Nach einer in der formalen Bevölkernngstheorie üblichen Be- (1) zeichnung nennt man nun a: = die Gesamtintensität der Bevöl- » kerungsänderung im ren - gleicherweise sind die Ausdrücke ER d Pr AP, a PR . ee > re der Bevölkerungstheorie unter dem Namen der Natalitäts- und Mortalitätsintensität der Bevölkerung P im Zeitpunkt t bekannt. Wir haben im Sinne der Bevölkerungs- theorie eine „geschlossene Bevölkerung“ vor uns, d.h. eine Bevölke- rung, die sich nur durch Geburten und Todesfälle ändert und wo keine Ein- und Auswanderungen stattfinden. Über die Berechtigung, an Stelle der tatsächlich vorhandenen diskontinuierlichen Veränderung in unserer Bakterienbevölkerung zwecks Vereinfachung der Rechnung kontinuierliche Veränderungen zu setzen, die die Anwendung der Infinitesimalrechnung erlauben, braucht wohl nicht lange diskutiert zu werden. Dieses Verfahren ist ja sowohl in der theoretischen Physik, als auch in der formalen Bevöl- kerungstheorie mit grossem Erfolg angewandt worden. Namentlich für die Bevölkerungstheorie haben die Intensitätsfunktionen verschie- dene Vorteile, wie sie z.B. von L.G. Du Pasquier (1) herverge- hoben worden sind. Es ist die von uns abgeleitete Gleichung (1) ein Spezialfall des allgemeinen Satzes, dass die. Intensität der Gesamt- änderung einer Bevölkerung gleich ist der algebraischen Summe der Intensitäten der partiellen Änderungen. Der grosse Wert der In- 4 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 tensitätsfunktionen beruht dabei darin, dass jede numerisch un- abhängig von den andern ist. Bezeichnen wir die Intensität der Gesamtänderung mit 6 (f), die „Natalitätsintensität* mit »(f) und die „Mortalitätsintensität“ mit u(t), so haben wir nach (1) WE rd. EREEET, Ich habe die Worte „Natalitätsintensität“ und „Mortalitätsinten- sität“ in Anführungszeichen gesetzt, um anzudeuten, dass die Begriffe, wie wir sie in unserer Untersuchung verwenden, sich nicht ganz mit den ın der Bevölkerungstheorie üblichen decken. Es gibt nämlich eine ganze Reihe von Umständen, die nicht im eigentlichen Sinne ein Zugrundegehen von Erregern bedeuten, die aber gleichwohl auf dasselbe hinauslaufen, wie z. B. Agglutination, eine eventuell statt- findende Verminderung der Toxinbildung bei gleichbleibender Ver- mehrungsgeschwindigkeit ete. Wir können alle diese Veränderungen formal als Änderungen in der Mortalitätsintensität auffassen und in analoger Weise mit der „Natalitätsintensität“ verfahren. Man könnte sich allerdings fragen, ob man nicht lieber die Natalitätsintensität in ihrer ursprünglichen Bedeutung belassen sollte, ebenso wie die Mor- talitätsintensität und für die in Betracht kommenden anderweitigen Veränderungen andere Intensitätsfunktionen einführen sollte. Ich glaube nicht, dass für die allgemeine Behandlung etwas dabei heraus- käme, das die grössere Kompliziertheit der Ansätze aufwöge, doch wären eventuell bei der Behandlung konkreter Probleme solche Be- trachtungen von Nutzen. Es sollen also im Folgenden unter Nata- litätsintensität die Intensität aller mit der Natalität gleichsinnig wir- kenden. Veränderungen zu verstehen sein, ebenso unter Mortalitäts- intensität die Intensität aller mit der Mortalität gleichsinnig wirken- den Veränderungen. Wir können dann v (f) als Wert des pathogenen Reizes betrach- ten, während in «(t) die Stärke der Abwehrreaktionen des Orga- nismus sich äussert. Um möglichst einfache Verhältnisse zu haben, wollen wir uns ein Modell vorstellen, das zwar in der Wirklichkeit nicht realisiert ist, jedoch so beschaffen, dass sich die an diesem Modell gefundenen Erkenntnisse unter Berücksichtigung der Verhältnisse — wenn auch nur als grobe Näherungen — auf einfache tatsächliche Verhältnisse übertragen lassen. Wir nehmen ein geschlossenes System, in dem sowohl: »(f) als auch «(t) an allen Punkten gleich sind, das also in Jahrg.66. J. Aebly. Math. Analyse des zeitl. Ablaufes d. Infekt.-Krankheiten. 5 bezug auf v (t) und u(t) homogen ist. Das wäre z. B. realisiert in einem geschlossenen Gefäss, in das einerseits eine durch v (f) bestimmte Menge Toxin hineinfliesst, anderseits eine durch u (ft) bestimmte Menge Antitoxin, falls sofort beim Eintritt des Toxins und des Antı- toxins dieselben durch vollständiges Mischen gleichmässig im &efäss verteilt werden, wobei dann jede Menge Antitoxin die ihr entspre- chende Menge Toxin neutralisiert, d. h. unwirksam macht. Während nun die Annahme, dass sich P im Laufe der Zeit stetig ändere, nach geschehener Infektion zulässig ist, ist sie es nieht in jedem Falle für den Zeitpunkt t= 0. Im allgemeinen sind nämlich die pathogenen Kleinlebewesen im Körper unter normalen Umständen nicht vorhanden; es hat also die den Verlauf der Funktion P dar- stellende Kurve, wenn wir t als Abszisse und P als Ordinate in einem rechtwinkligen Koordinatensystem darstellen, eine Knickung. Das ändert aber an unsern Betrachtungen nichts Wesentliches. Wir werden entweder diesen Punkt überhaupt nicht in die Diskussion einbeziehen, oder die Unstetigkeit der empirischen Kurve durch die den späteren Verlauf charakterisierende stetige theoretische Kurve ersetzen und den so erhaltenen Wert für P, benützen. Integrieren wir (2) von 0 bis t, so erhalten wir, wenn wir mit Ln den natürlichen Logarithmus bezeichnen Ln (+) -|| ocHddi= ih E (dd) — «( |aı 5 —= exp I. 6 (f) at | = exp [Jr Ü)— ut] au P=P..exp ERIC a: =P,: sp | 1 v(b) — Mora 6 wo P, die zu Beginn der Beobachtung vorhandene Zahl der Er- reger ist. Kennen wir die Funktion 6 (t), so können wir das Integral, nö- tigenfalls durch Entwicklung in eine unendliche Reihe, berechnen. Nun kennen wir aber die Funktion 6 (f) nicht, sondern müssen uns viel- mehr mit gewissen, mehr oder weniger naheliegenden Annahmen begnügen. Wir gehen dabei von Annahmen über die Natalitäts- und Mortalitätsfunktionen aus, als deren Differenz 6 (t) erscheint. Fassen wir zuerst v (f), die Natalitätintensität, ins Auge. Die Annahme rin Ront. . . . iM) ergibt uns das unter dem Namen „Gesetz des organischen Wachs- 6 . Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 tums“ bekannte Wachstumsgesetz, das indes auch für eine ganze Reihe physikalischer und chemischer Vorgänge gilt, besonders wenn die Konstante einen negativen Wert hat. Auf das Wachstum der Zellen der Erreger angewandt, besagt es, dass jede Zelle sich un- abhängig von allen andern mit konstanter Geschwindigkeit teilt, was auch so lange richtig ist, als nicht durch Raummangel, Mangel an Nahrungsstoffen, Einwirkung von Giften ete. eine Änderung eintritt. Da wir die die Vermehrung hindernden Momente in die „Mortalität“ einbeziehen können, würde also für uns die Annahme »(t) — konst. den Tatsachen offenbar nicht schlecht entsprechen. Die Konstanz von v(t) wäre dabei nicht etwa in dem Sinne aufzufassen, dass nun die Vermehrungsintensität von der Zeit unabhängig wäre.oder gegen- über allen Organismen konstant, was den Tatsachen durchaus nicht entspräche, sondern nur in dem Sinne, dass für die in einem be- stimmten Zeitpunkt in das betrachtete System eingedrungenen Er- reger v(t) während der Zeit ihres Aufenthaltes in dem betreffenden System konstant bleibt. Man könnte aber auch einer Vermehrung der Natalitätsintensität Rechnung tragen, die eventuell nach einer vorhergehenden, durch die Anpassung an das neue Milieu verursach- ten Verminderung eintreten sollte. Wir hätten dann entweder AUS ai wobei zu bemerken ist, dass v (£) natürlich nicht & werden, sondern nur bis zu einem bestimmten Wert wachsen kann, was besser durch die Annahme = V/ 1 v,—d).... (c) i=1r ausgedrückt wird, wo 7, die Zeit ist, nach der die grösste Natali- tätsintensität V erreicht wird. Wir wollen nunmehr an Stelle der Ausdrücke Natalitätsintensität und Mortalitätsintensität Begriffe ein- führen, die in der Immunitätslehre gebräuchlich sind und wollen v(t) als die „Virulenz“ der betreffenden Erreger bezeichnen. Diese ist im Fallle (a) konstant, in den Fällen (b) resp. (ce) veränderlich. «, bezw. V—yT, ist dann die Virulenz im Zeitpunkt t=0, d.h. zu Beginn der Beobachtung, während V die nach T,-Zeiteinheiten ein- getretene, nunmehr konstant bleibende Virulenz ist. Im Falle (b) und (c) ist y die Geschwindigkeit der Virulenzzunahme. Bei wirk- lichen Infektionskrankheiten müsste man eventuell alle hier als kon- stant gedachten Grössen als veränderlich annehmen. Gegenüber der Virulenz der Erreger, die durch v (f) charakte- risiert ist, wollen wir u(t) die Resistenz nennen und haben Jahrg.66. J. Aebly. Math. Analyse des zeitl. Ablaufes d. Infekt.-Krankheiten. 7 rl) =ß-H 5:2. dh resp. u. (t)= I — 0 ne —d). . (ed) t=T; ß resp. R— 07T, ist hier die Anfangsresistenz, während R die nach 7, Zeiteinheiten erreichte Maximalresistenz ist; o ist die Ge- schwindigkeit der Resistenzvermehrung. Selbstverständlich brauchen v(t) und u(t) nicht lineare Funktionen der Zeit zu sein. Es sind dies aber die einfachsten Annahmen, die wir unsern weitern Unter- suchungen zugrunde legen wollen. Die Intensität der Gesamtänderung ist nun nach (2) clt)=e—B—-(le— nt resp. 6 Q= V—Yy Tr — (R—-e 7) — e— Pt Setzen wir noch a—ß=a unde —Y= resp. V—-Y T,r— (k—eT,)=ua so haben wir: oc(t)=a—bi wo a von nun an kurz als „relative Virulenz“ bezeichnet werden soll. Soll diese Formel den ganzen Ablauf einer Erkrankung darstel- len können, so muss a positiv sein. Denn wenn a negativ wäre, So würde die Menge der Erreger vom Momente der Infektion an immer abnehmen. Man hätte also nicht den typischen Verlauf eines An- steigens und Abnehmens der Krankheit. Aus dem gleichen Grunde muss b positiv sein. Denn wäre b negativ, so würde die Menge der Erreger immer zunehmen. Man könnte also damit höchstens einen tödlich verlaufenden Fall darstellen, aber nicht einen, der in Gene- sung übergeht, d. h. wo die Erregermenge schliesslich wieder auf Null zurückgehen muss, falls es sich nicht etwa um „Bazillenträger“ han- delt, die, ohne im klinischen Sinne krank zu sein, Krankheitserreger beherbergen, mit denen sie u. U. andere infizieren können. Wird dieser Wert für o(f) in (3) eingesetzt, so erhalten wir P=P,-explet— En. BPERIELEENIE Das ist also die Formel, die uns die in jedem Moment in unserm System vorhandene Menge von Erregern, resp. Toxinen, d. h. die In- tensität des pathogenen Reizes angibt. Wie nun allerdings die In- tensität der Erkrankung von der Intensität des pathogenen Reizes abhängt, ist damit noch nicht entschieden. Die Annahme, dass sie ihm proportional sei, darf jedenfalls nicht ohne triftige Gründe ge- _ macht werden. Wir werden in der Tat später, bei der Anwendung der Formel (4) auf Verhältnisse der menschlichen Pathologie sehen, dass diese Frage auf Grund unserer Voraussetzungen noch gar nicht Ss Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 beantwortet werden kann, sondern dass wir nur über einige beson- dere Momente in dem Ablauf der Erkrankung Rechenschaft geben können und auch das nur in qualitativer Weise, solange uns die für die quantitative Bestimmung nötigen Grössen nicht zugänglich sind. Immerhin können wir aus dem Verlauf der Funktion, resp. der sie darstellenden Kurve, die eine zu der bekannten Fehlerkurve af- fine Kurve darstellt, schon einige Schlüsse ziehen, da wir doch im- merhin annehmen können, dass sich Krankheitsintensität und Menge der Toxine der Erreger gleichsinnig ändern, d. h. in positiver Kor- relation stehen. Eine nähere Analyse wird uns allerdings zeigen, dass diese Gleichsinnigkeit durchaus nicht für den ganzen Ablauf der Er- krankung zu bestehen braucht, ja sich während eines, von den Um- ständen abhängenden Intervalles sogar umkehren kann. Die folgenden, aus der Diskussion der Kurve gezogenen Schlüsse sind also nur als erste Annäherungen zu betrachten, die im konkreten Falle u. U. noch ziemlich modifiziert werden müssen. Die Kurve hat ein Maximum und zwei Wendepunkte, die sich nach den bekannten Verfahren bestimmen lassen. Die Abszissen sind: 3 A la? Maximum: t= 5 ; P=P,.exp Es Wendepunkte: = + wie ar Die Zeit, nach der das Maximum der Erreger erreicht wird, ist also direkt proportional der relativen Virulenz und umgekehrt pro- portional der Differenz der Geschwindigkeiten der Resistenz- und Vj- rulenzvermehrung, welche Differenz wir als die Geschwindigkeit der relativen Resistenzvermehrung bezeichnen können. Für die Menge der vorhandenen Erreger ist die relative Virulenz von grösserer Be- deutung, kommt sie doch im Quadrat vor, während b im Nenner nur in der 1. Potenz vorkommt. Da nun die Menge der vorhandenen Er- reger für den Verlauf einer Erkrankung, namentlich auch bezüglich eventueller Komplikationen von nicht geringer Bedeutung ist, so ist es klar, dass die Verhältnisse möglichst günstig liegen, wenn a mög- Weitere Einblicke in die gestaltlichen Verhältnisse der Kurve gibt uns folgende kleine Tabelle. Sa ah a ae u Jahrg.66. J. Aebly. Math. Analyse des zeitl. Ablaufes d. Infekt.-Krankheiten. 9 ! | | | Kurve 2 | IRRE BERER. | | e. | | — bis ) vs | =.0 | >o0 | konvex zur t-Achse EEE Ei. | r vn el Wendepunkt TEE. er EL EHEN N | ah ) > ) Vb | ei, konkav zur t-Ac S I ee | | <0 | konk Ach 7 vn 7 >O | | ah av zur t-Achse ER > UEERT EEE ei RER a die neh BE ==.) u | Maximum .pis — = Ks 5 b VB a <0 | konkav zur t-Achse [40 1 | a w j' ; er b u RN — | ö. W aepu meet... 2 a a Er | 0 | konvex zur t-Achse Die erste Ableitung gibt die Geschwindigkeit der Änderung von P, die 2. Ableitung die „Beschleunigung“ der Änderung von P. Die Vermehrungsgeschwindigkeit der Erreger in unserm System wächst 2 a positiv ist, d. h. von — % bis r = = vom Beginne der Infektion bis zum 1. Wendepunkt. Dort erreicht sie ihren Höhepunkt und es findet die stärkste Vermehrung der Er- reger statt. Von da ab nimmt zwar die Menge der Erreger noch immer zu, aber die Geschwindigkeit der Neubildung nimmt ab bis resp. also, solange a r . ; - zum Wertt= u. einerseits das Maximum der Erregerzahl im System ist, anderseitsaber die Neubildung und Zerstörung sich die Wage halten, so dass die Vermehrungsgeschwindigkeit gleich Null ist. Von jetzt an überwiegt die Zerstörung der Erreger deren Neubildung in immer höherem Masse. Im 2. Wendepunkt ist die Intensität der Zerstö- rung am grössten und nimmt von da an wieder ab. Unter den gemachten Annahmen, die zu einem symmetrischen Kurvenverlaufe führen, sind 10 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich, 1921 die Verhältnisse puncto Neubildung und Zerstörung von Erregern in Punkten, die symmetrisch zur Ordinate des Maximums liegen, ein- ander gleich. Setzt man in — die Werte t = = + 77 ein, so erhält man die maximale Geschwindigkeit der Neubildung und Zer- störung: : (e = 2,7183...) 2) = um = —-P ee Gllmn et“ wo Fra = P, exp je} Wir haben schon früher erwähnt, dass die über die Virulenz und Resistenz gemachten Annahmen nicht die allein möglichen sind, son- dern nur als die einfachsten genommen wurden. Es ist auch klar, dass selbst für die Annahme, dass sie ganze Funktionen seien, die Annahme, sie seien linear, ebenfalls nur den einfachsten Fall dar- stellt. Nimmt man statt einer "linearen Funktion eine solche höheren Grades, z.B. 2. Grades, so ist die Kurve nicht mehr symmetrisch zur Maximalordinate, Wir haben dann entweder flachen Anstieg bei für 6 (t)] zu einer Gleichung 4. Grades, die sich dann leicht näherungs- weise lösen lässt, wenn der Koöffizient von £? in 6(t) den andern Koöffizienten gegenüber klein ist. Ist das nicht der Fall, so wird die Sache viel komplizierter. Ein weiteres Eingehen auf diese Ver- hältnisse muss hier unterbleiben. Es soll nun vielmehr versucht werden zu bestimmen, inwiefern sich die gewonnenen Erkenntnisse auf das wirkliche Geschehen, also vor allem auf die uns speziell in- teressierende menschliche Pathologie anwenden lassen. Da ist nun zu sagen, dass wir wohl selbst im günstigsten Fall ein mathematisches Pendel zu einem physikalischen, das in einem ziemlich stark widerstehenden Mittel schwingt. Man wird ja auch da für die Schwingungszeit einen Wert aus der Theorie des einfachen Pendels ableiten können, der einen gewissen Anhaltspunkt gibt, ander- seits aber um so mehr von dem wirklichen Wert differiert, je mehr ; “ Jahrg.66. J. Aebly. Math. Analyse des zeitl. Ablaufes d. Infekt.-Krankheiten. 11 Zeit seit dem Beginne der Schwingungen verflossen ist. Das Modell wird noch am ehesten passen in dem einfachen Fall einer Infektion, die vorwiegend lokal abläuft, wie z. B. einer Infektion mit Eiter- erregern, die sich selbst überlassen bleibt und wo es nicht zur Bildung eines sich nach aussen entleerenden Abszesses kommt. Wir können dann an Stelle unseres supponierten Grefässes den Infektionsherd setzen, wobei wir allerdings nicht recht wissen, wie gross wir das Volumen desselben nehmen müssen. Man wird es jedenfalls so wählen, dass es sämtliche Erreger enthält, was natürlich schon mit der angenom- menen Konstanz des Volumens im Widerspruch steht. Anderseits ist die Forderung der gleichen Konzentration der Toxine an allen Stellen des Raumes nicht erfüllt. In Wirklichkeit wird aber auch das System nicht abgeschlossen sein, wie wir es vorausgesetzt haben. Es werden vielmehr, sei es auf dem Lymphwege, sei es auf dem Wege der direkten Diffusion, Toxine in das Blut übertreten, sodass das ursprüng- liche System mit dem 2., dem Blut, gekoppelt wird. Es wird sich dann im Blut wieder ein analoger Vorgang abspielen, der sich eben- falls durch eine analoge Formel darstellen lässt. Die Vorgänge im 2. System (Blut) wirken nun modifizierend auf diejenigen im 1. System ein, was sich mathematisch darin äussert, dass sich die als konstant vor- ausgesetzten Koöffizienten mit £ verändern. Wie sie sich ändern, das hängt von der Art des Einflusses des Geschehens in System 2 auf System 1 ab. Wir dürfen jedenfalls annehmen, dass wir es mit mehr oder weniger stetigen Übergängen zu tun haben, so dass wir u.U., d.h. wenn der Einfluss von 2 auf I nur klein ist, denselben vernach- lässigen können. Wir könnten auch so verfahren, dass wir an Stelle der stetigen Änderungen unserer Parameter unstetige setzen, indem wir das in Betracht kommende Intervall in eine genügend grosse An- zahl Teile teilen, sodass wir in diesen Intervallen die Parameter mit der für uns in Betracht kommenden Annäherung als konstant ansehen können. Gehen nun die Bakterien resp. Toxine aus dem Blut noch in weitere Organe über, so wiederholt sich an jedem Orte im Prinzip dasselbe Spiel. Das Geschehen in jedem Organ ist von dem Geschehen in jedem andern abhängig. In der Intensität des gegenseitigen Ein- flusses kommt die Abhängigkeit zum Ausdruck. Kausal betrachtet ist dabei die Abhängigkeit, wie schon früher hervorgehoben, in vielen Fällen nur indirekt, im funktionalen Sinne hingegen tritt sie viel besser in Evidenz. Denn denkt man sich die Abhängigkeitsbeziehungen der Parameter, die das Geschehen in irgend einem System charakteri- sieren, dargestellt, so erscheint jeder Parameter als Funktion von sämtlichen Parametern der andern Systeme. Da diese alle ihrerseits 12 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Funktionen der Zeit t sind, so könnte man diese als unabhängige Variable wählen, wobei dann als Parameter die Werte der Parameter der anderen Systeme für einen bestimmten Zeitpunkt genommen werden müssten. Wir hätten also, um den zeitlichen Ablauf einer Infektionskrank- heit zu studieren, den Organismus in „Systeme“ zu zerlegen, welche Systeme wohl mehr oder weniger mit den Organen zusammenfallen würden, da ja diese morphologische Einheiten bilden. Im Prinzip müsste man allerdings erwarten, dass sich auch hier die Vorgänge in den verschiedenen Zellen des Organs, sofern sie verschiedene Funktio- nen haben, auch verschieden äussern werden. Haben wir dann für ein bestimmtes System die Parameter wie oben erwähnt bestimmt, so wäre damit der zeitliche Ablauf der Vorgänge in diesem System be- schrieben. Auch der pathologische Anatom studiert ja bei den Krank- heiten überhaupt und nicht nur bei den Infektionskrankheiten die Vorgänge in jedem Organ. Neben der gewissermassen generellen Richtung desGeschehens, wie es durch die Erreger, resp. deren Toxine, bedingt ist, sind natürlich die speziellen Verhältnisse jedes einzelnen Organs ebenfalls von Bedeutung für die Art des Geschehens. Es ist natürlich vorläufig, und jedenfalls für lange Zeit noch, nicht daran zu denken, dass eine Analyse in unserm Sinne der durch eine Infektions- krankheit an den Organen bedingten Veränderungen möglich sein wird. Die Überlegungen haben daher rein theoretischen Wert, können aber doch, wie sich später noch zeigen wird, jetzt schon gewisse Erfahrungen „erklären“. Wir wollen nunmehr den Begriff der Intensität einer Krankheit etwas näher ins Auge fassen. Jedermann weiss, was eine „leichte“ und eine „schwere“ Erkrankung ist, obschon darunter ganz verschie- dene Sachen zusammengefasst werden. Unter einer leichten Erkran- kung verstehen wir z. B. eine solche, die das Befinden nicht stark verändert, die rasch vorüber geht, die keine „Komplikationen“ zeigt und ohne bleibende oder sich länger erhaltende Störungen in wich- tigern Organen abläuft usw. Eine schwere Erkrankung äussert sich im Gegenteil durch starke Beeinträchtigung des Befindens, lange _ Dauer, Komplikationen, d.h, Beteiligung von Organen, die im allge- meinen von der Krankheit nicht betroffen werden, bleibende Stö- rungen in wichtigen Organen und schliesslich als schwerste Erkran- kung in tödlichem Ausgang. In erweitertem Sinne spricht man nicht nur im einzelnen Falle von einer leichten bezw. schweren Erkran- kung, sondern von leichten beziehungsweise schweren Krankheiten, und versteht darunter solche Krankheiten, die in der Mehrzahl der I Aa et en sehe e „inn Auen aan un Jahrg.66. J.Aebly. Math. Analyse des zeitl. Ablaufes d. Infekt.-Krankheiten. 13 Fälle unter dem Bilde der oben als leicht, bezw. als schwer charakterisierten Erkrankungen verlaufen. Eine solche Definition kann natürlich nicht genügen. Es handelt sich vielmehr darum, zu suchen, ob sich nicht eine Definition finden lässt, die, wenigstens im Prinzip, eine quantitative Feststellung erlaubt. Da liegt es nun nahe, eine rein energetische Definition zu wählen. Jedes Leben ist mit der Leistung von Arbeit verbunden, selbst dann, wenn das Individuum im Sinne der Sprache nicht „arbeitet*. Wir wollen die Arbeit, die ein Individuum leistet, indem es irgend eine körperliche Tätigkeit ausführt, als „äussere Arbeit“ bezeichnen, während wir die von den Organen geleistete physikalische und che- mische Arbeit als „innere Arbeit“ bezeichnen. Die äussere Arbeit lässt sich in vielen Fällen leicht direkt messen, wo es sich z. B. um mechanische Arbeit handelt. Die innere Arbeit muss prinzipiell messbar sein, denn jede Art von Arbeitsleistung lässt sich berechnen, wenn die in Betracht kommenden Grössen bekannt sind, was aller- dings im Organismus für die wenigsten Arbeitsleistungen der Fall ist, von der mechanischen Leistung des Herzens abgesehen. Wir hätten also: ! Gesamtarbeit = Innere -- äussere Arbeit. Die innere Arbeit in einem Minimalbetrag ist eine conditio sine qua non des Lebens. Die äussere Arbeit in irgendwelcher Form kann zwar, falls das Individuum leistungsfähig bleiben will, auf die Dauer nicht unterbleiben. Für kürzere oder längere Zeit hingegen ist das mög- lich. Wir haben dann, theoretisch gesprochen, ein Minimurn von äusserer Arbeit, praktisch gesprochen, eine äussere Arbeit vom Werte Null. Jede Leistung von äusserer Arbeit ist mit einer Steigerung der in- nern Arbeit, wenigstens in einem bestimmten Teil des Systems, ver- bunden. Die Krankheit besteht nun, energetisch gesprochen, in einer Veränderung der innern Arbeit. Man würde also die Intensität der Krankheit messen durch die Änderung der gesamten innern Arbeit gegenüber dem normalen Zustande des Individuums unter gleichen äussern Umständen, da ja die Krankheit kein Wesen ist, das als ganzes gemessen werden kann. Die so definierte Intensität wäre aber offenbar nicht ein Mass der Intensität des pathologischen Geschehens, in dem dasselbe rein zum Ausdruck käme. Es ist vielmehr anzunehmen, dass durch Re- gulation die Mehrarbeit an einzelnen Orten so viel als möglich durch Herabsetzung der Arbeit an andern Orten kompensiert wird und eine relativ grosse Abweichung vom Normalen könnte durch gute Kom- pensation sehr weitgehend verschwinden, während bei weniger gut 14 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 ausgebildeter Kompensation schon eine geringe Steigerung der Arbeits- leistung, wie sie die Abwehraktionen des Organismus bedingen, sich deutlich bemerkbar machen würde. Anderseits aber hätte man in der so definierten Intensität vielleicht prognostische Anhaltspunkte, denn es ist plausibel, anzunehmen, dass eine Krankheit um so gün- stiger verläuft, je mehr der Organismus im Stande ist, Mehrleistungen an einem Orte durch Minderleistungen an andern zu kompensieren. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass es schliess- lich nicht allein auf die totale Steigerung der innern Arbeit ankommt, sondern auch auf die absolute Grösse der Arbeit, die ein bestimmtes Organ leisten muss, da diese eine gewisse — von den Umständen abhängige Grösse nicht überschreiten darf, ohne dass das Organ an- fängt, insuffizient zu werden, d. h. seine Leistungen: nicht mehr richtig ausführen kann. Diese Frage, die schon zu der spätern qualitativen Betrachtung überführt, soll dort noch mehr gewürdigt werden. Die Definition der Intensität der Krankheit als Grösse der Ab- weichung der innern Arbeit unter pathologischen Bedingungen von derjenigen unter normalen Bedingungen leidet an dem Mangel, an dem ein durch die algebraische Summe der Abweichungen von einem bestimmten Wert aus definierter Fehler leidet. Man würde also, da, ähnlich wie in der Fehlertheorie, Abweichungen von einem mittlern physiologischen Zustand in Frage kommen, eher in Anlehnung an die Fehlertheorie ein Analogon zum durchschnittlichen oder zum mittlern Fehler als für die Intensität der Erkrankung massgebend annehmen. Eventuell ergäbe auch ein Vergleich der nach beiden Definitionen berechneten Intensität gewisse Schlüsse in bezug auf die Schwere der Erkrankung. Bei den bisherigen Betrachtungen ist aber ein Moment absicht- lich aus der Erwägung fortgelassen worden: die Wichtigkeit der Or- gane. Es leuchtet ohne weiteres ein, dass ein sehr intensiver Krank- heitsprozess, solange er sich auf wenig wichtige Organe beschränkt, weniger schwer ist, als ein leichterer Prozess, der ein oder sogar mehrere wichtige Organe trifft, wofür sich Ja leicht Beispiele geben liessen. Es kommt also hier ein ausgesprochen qualitatives Moment trachtungen als wertlos, resp. nur sehr bedingt richtig erscheinen lässt. Dem ist aber nicht so. Die Wichtigkeit eines Organes für den Gesamtbetrieb zeigt sich eben gerade darin, dass selbst kleine Störungen in dem betreffenden Organ mehr oder weniger rasch stär- kere Störungen in andern Organen nach sich ziehen, so dass die oben definierte Intensität auch hier Geltung haben wird, wenn auch natür- Jahrg.66. J. Aebly. Math. Analyse des zeitl. Ablaufes d. Infekt.-Krankheiten. 15 lich zugegeben werden muss, dass Fälle, die nach dieser Definition als von gleicher Intensität erscheinen, nun deshalb noch lange nicht in jeder andern Hinsicht als gleichwertig zu betrachten sind, nicht einmal in bezug auf die Prognose. Solange natürlich nicht die Mög- lichkeit gegeben ist, die so oder in irgend einer andern Weise de- finierte Intensität auch wirklich zu messen und Beziehungen zwischen Intensität der Krankheit und andern Merkmalen derselben festzu- stellen, haben weitgehende Spekulationen keinen Sinn. Immerhin scheint mir doch die Frage nicht ganz müssig, wie sich, wenigstens prinzipiell, die Intensität einer bestimmten Krankheit definieren lässt. Wir wollen nunmehr sehen, ob unsere bis jetzt gefundenen For- meln gewisse Schlüsse auf den Ablauf der Infektionskrankheiten ge- statten, wie er klinisch zur Beobachtung kommt. Da ist es vor allem die Inkubationszeit, die uns zuerst beschäftigen soll. Es ist dies die Zeit, die verstreicht vom Momente der Infektion bis zum Momente des Ausbruchs der Krankheit, d.h. bis zu dem Moment, wo sich in dem Zustande des Individuums subjektive oder objektive Verände- rungen zeigen, die man als Krankheit bezeichnet. Es lässt sich nun allerdings kein scharfer Beginn der Krankheit angeben, sondern der Übergang aus der Gesundheit in die Krankheit vollzieht sich allmählich ; in einzelnen Fällen allerdings so rasch, dass man von einem „plötz- lichen“ Beginn spricht, namentlich dann, wenn die Temperatur sehr rasch ansteigt. In welchem Moment ist nun das Inkubationsstadium beendet? Darüber wissen wir nun leider nichts Sicheres. Es liegt aber nahe, anzunehmen, dass dies dann der Fall ist, wenn der pa- thogene Reiz eine gewisse Stärke (Schwellenwert) erreicht hat. Diese Auffassung gibt auf alle Fälle von dem tatsächlichen Geschehen gut Rechenschaft. Es ist darnach auch möglich, dass viele Fälle von In- fektionen unterschwellig verlaufen, d. h. dass es zu keinen merklichen Erscheinungen kommt, das Individuum also trotz Infektion „gesund“ bleibt. Diese Annahme drängt sich so zwingend auf, dass man nicht darum herum kommt; denn anzunehmen, dass, weil es nicht zu einer merkbaren Störung der Gesundheit kommt, deshalb überhaupt nichts geschehen sei, wäre sicher nicht richtig. Die einfachste Annahme, die allen Erfahrungen gerecht wird, ist die, dass die Erscheinungen unterschwellig verlaufen, wodurch wir eine kontinuierliche Reihe von der allerleichtesten bis zur schwersten Erkrankung erhalten. Der Schwellenwert, der den Ausbruch der manifesten Erscheinungen be- wirkt, ist nun aber ebensowenig konstant wie diejenige Menge von Erregern, die eine Erkrankung erzeugen können. Er ist nicht nur für die verschiedenen Erreger und die verschiedenen Individuen ver- 16 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 schieden, sondern wird auch beim selben Individuum demselben Er- reger gegenüber nicht unter allen Umständen gleich sein. Momente, die die Widerstandskraft des Individuums erhöhen, werden ihn er- höhen, während alle Momente, die die Widerstandskraft herabsetzten ihn erniedrigen. Sei nunmehr t; der Zeitpunkt des Ausbruches der manifesten Er- scheinungen, P, die dann vorhandene Zahl der Erreger resp. die Kon- zentration der Toxine, dann haben wir: P;= P,-explat; — .- 1] ey at2 inte =o ne I RE ET = + 2 (E)r ee: Man erhält also, sofern die Diskriminante positiv ist, zwei Werte für £,, die symmetrisch zur Maximalordinate liegen, was zu erwarten war, falls der Wert von P, kleiner ist, als der Maximalwert von P. Von diesen beiden Werten entspricht nur der erste der Inkubations- zeit, der der negativ genommenen Wurzel entspricht. Es ist ja wohl nicht gut annehmbar, dass der Organismus auf die viel grössere Menge von Erregern, wie sie zwischen den beiden Werten P, auf- treten, nicht reagiere, und erst dann auf den Wert P, wenn er zum zweiten Mal erreicht wird. Wir erhalten also für t,; ne Br ar t; air b 1% b2 2 Ln (7) Damit ?, reell wird, muss sein d. h. der Wert P; muss kleiner sein als der Maximalwert von P, was die Kurve ohne weiteres erwarten lässt. ee er Ile a nn Hull nal udn Do Sr Jahrg.66. J.Aebly. Math. Analyse des zeitl. Ablaufes d. Infekt.-Krankheiten. 17 Für die Diskussion ist der oben gefundene Ausdruck für t, etwas unbequem. Er wird übersichtlicher, wenn wir die Wurzel nach dem binomischen Satz entwickeln, indem wir Be das Wurzelzeichen ) nehmen. Wir erhalten dann I, == ln (3)+ er rn 2) ln: EAweR 1 ne (2) wa LE , Ln (+ m). = wei PA) | P EN. FE) En P, ) 1 Die Inkubationszeit hängt also vor allem ab von dem Verhältnis der zum Manifestwerden der Krankheitserscheinungen nötigen Zahl der Erreger zu der ursprünglichen Zahl der Erreger, sowie von der relativen Virulenz der Erreger. Dabei ist der Einfluss der relativen Virulenz grösser als der der Zahl der Erreger, denn,a kommt direkt im Nenner (in verschiedenen Potenzen) vor, während von dem Quo- tienten P;/P, nur der Logarithmus auftritt. Die in 5 sich äussernde Steigerung der Abwehrkräfte des Organismus kommt demgegenüber nicht so sehr in Betracht. Ist P; = P,, so ist die Inkubationszeit gleich Null, was ja auch sein muss, da die Krankheit sofort aus- brechen muss, wenn der Schwellenwert für die Erreger schon von Anfang an erreicht ist. Eine weitere Vereinfachung von (6) können wir dann eintreten lassen, wenn b gegenüber a klein ist, was im allgemeinen wahrscheinlich der Fall sein wird. Ist dann nicht gleich- zeitig /’; sehr klein gegenüber P,, so können wir die Reihe in der Klammer nach dem ersten Glied abbrechen und erhalten als sehr einfache Näherungsformel (En ee ein Nun ist schon lange bekannt, dass für gewisse Infektionskrank- heiten (z. B. Tetanus) eine kurze Inkubationszeit die Prognose ver- schlechtert. Die Formel ergibt klar, dass eine kurze Inkubationszeit entweder die Folge einer sehr starken relativen Virulenz der Erreger ist oder einer „massiven“ Infektion, d. h. einer Infektion mit einer sehr grossen Menge von Erregern, die dem Schwellenwert nahekommt, oder auch einer Kombination von beiden. Das Gegenteil gilt für eine lange Inkubationszeit, was wohl keiner weitern Erläuterung bedarf. Ebenso ist im allgemeinen eine rasche ERNRKUNg der Krankheit Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 66. 1921 ı 1S - Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 zur vollen Höhe von ungünsZfiger Bedeutung, was dann vorkommt, wenn die Kurve steil ansteigt. Das ist der Fall, wenn a gegenüber b gross ist. Er handelt sich dann um eine grosse relative Virulenz der Erreger und eine schwache Steigerung der initialen Resistenz des Organismus, also um dieselben Ursachen, die eine kurze Inkubations- zeit bedingen. enken wir uns nun eine Gesamtheit von Individuen, die alle einer bestimmten Infektion ausgesetzt sind und von denen ein ge- wisser Prozentsatz von der Krankheit befallen wird. Dabei sind nun unter normalen Verhältnissen die Werte a, b, P, und P; für die ver- schiedenen Individuen verschieden. Anderseits aber dürfen wir an- nehmen, dass die Werte für die einzelnen Individuen sich in ähnlicher Weise um den Durchschnittt gruppieren, wie das für andere mess- bare Eigenschaften der Individuen einer Gruppe der Fall ist. Solche Verteilungen lassen sich nun häufig mit grosser Annäherung durch Gausssche Fehlerkurven darstellen, womit natürlich nicht gesagt sein soll, dass nun die Gausssche Fehlerkurve die Verteilungskurve für alle möglichen biologischen Eigenschaften sei, wie das früher ohne weiteres angenommen wurde. Wichtig ist aber, dass infolge der sehr verwickelten Bedingungen, wie sie den biologischen Erschei- nungen zugrunde liegen, Verteilungskurven entstehen, die ähnliche gestaltliche Verhältnisse zeigen, wie die Gausssche Fehlerkurve. Nun hat Bruns gezeigt, dass man jede solche Kurve durch eine unendliche Reihe darstellen kann (resp. geometrisch durch unendlich viele Kurven, die mit der Gaussschen Kurve in Beziehung stehen). Als erstes Glied der Reihe erscheint die Gauss sche Fehlerfunktion, während die folgenden Glieder die mit bestimmten aus der „ vertei- lungstafel“ zu berechnenden Koöffizienten multiplizierten Ableitungen der Gaussschen Fehlerfunktion sind. In den Fällen, wo die Asym- metrie der Verteilung nicht sehr ausgesprochen ist, genügen die drei ersten Glieder der Reihe, um die Verteilung mit genügender An- näherung darzustellen, oft sogar schon das erste Glied. Das heisst also: die Gausssche Fehlerfunktion erscheint als erste und in vielen Fällen genügend angenäherte Darstellung einer empirisch gegebenen Verteilungsfunktion. Diese Art der Betrachtung scheint mir ein ge- wisses Licht auf die Analyse vieler biologischer Verhältnisse zu werfen und auch geeignet zu sein, die übermässige Wertschätzung, deren sich die Gausssche Kurve speziell bei den Biologen erfreut, auf das richtige Mass zurückzuführen. Man könnte ihre Rolle mit der Rolle der linearen Funktion bei der Interpolation vieler Funk- tionen vergleichen. Vielleicht bestehen zwischen beiden auch noch Jahrg.66. J.Aebly. Math. Analyse des zeitl. Ablaufes d. Infekt.-Krankheiten. 19 innigere Beziehungen, worauf eventuell der durch die Intensitäts- funktionen vermittelte Zusammenhang zwischen beiden hinweisen könnte. Die Gausssche Kurve als Verteilungskurve. für einen ge- gebenen biologischen Kollektivgegenstand wird in der Variations- statistik auf anderm Wege abgeleitet. Es scheint mir aber nicht ausgeschlossen, dass sich für viele Fälle der von mir gewählte, über die Intensitätsfunktionen führende Weg auch als fruchtbar erweisen könnte. Interessant ist nun, dass, wie J. Haag, auf Beobachtungen von Levy-Bing und Gerbay fussend, gefunden hat, die Inkubations- zeit für die Syphilis durch das Gausssche Gesetz mit sehr grosser Annäherung dargestellt wird. So gut sogar, dass, falls die zugrunde- liegende Verteilung wirklich dem Gaussschen Gesetz entspräche, die rein zufälligen Abweichungen im allgemeinen grösser wären, als im Material von Levy-Bing und Gerbay. (2) Wir können darin eine empirische Bestätigung unserer theo- retischen Schlüsse sehen und erwarten, dass es sich bei andern In- fektionskrankheiten ähnlich verhalten werde. Dass dabei von Haag die Bedeutung des speziellen Gaussschen Gesetzes überschätzt wird, habe ich (l. c.) betont. Eine Anregung, die Verhältnisse bei der Grippe zu prüfen, hat bis jetzt noch keinen Anklang gefunden, da sich Betrachtungen dieser Art der etwas schematischen Betrachtungs- weise der heutigen Medizin gegenüber dem Problem der Inkubations- zeit noch nicht durchzusetzen vermochten. ‘Man wird sich natürlich fragen, ob Formel (7) nicht doch einer, wenn auch sehr rohen quantitativen Auswertung zugänglich sei. Darauf ist zu antworten, dass davon z. Z. für den Menschen noch keine Rede sein kann, wohl aber eventuell auf dem Gebiete der ex- perimentellen Tierpathologie. Man hätte im Prinzip so vorzugehen, dass man mehrere Tiere, die durch Abstammung, Aufzucht ete. die weitestgehende Ähnlichkeit haben, heranzöge, so dass man annehmen könnte, dass die das pathologische Geschehen bestimmenden Para- meter a und 5b die gleichen seien. Wird dann bei allen die gleiche Menge von Erregern eingeführt, so muss die Krankheit bei allen nach der gleichen Zeit auftreten oder wenigstens dürfen die Zeiten nur wenig von einander differieren. Ist dies der Fall, so dürfte man die angenommenen Voraussetzungen als einigermassen adäquate Beschrei- bung der tatsächlichen Verhältnisse betrachten und könnte dazu über- gehen, sich eine Vorstellung von der Grösse der Parameter zu machen. Zu diesem Zwecke würden die verschiedenen Tiere mit verschiedenen — der einfachern Berechnung halber am besten mit systematisch 20 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 abgestuften — Erregermengen geimpft und die zu jeder initialen Er- regermenge gehörende Inkubationszeit beobachtet. Man würde so ein System von Gleichungen erhalten, aus dem sich die Unbekannten leicht bestimmen liessen. Da es sich um Bestimmungen empirischer Werte handelt, würde man nicht nur so viel Gleichungen aufstellen, als zur Berechnung der Unbekannten nötig sind, sondern einige mehr und dann die Unbekannten nach der Methode der kleinsten Quadrate bestimmen. Die Annahme, dass in bezug auf Abstammung, Aufzucht usw. übereinstimmende Tiere auch sonst sehr ähnlich sind, ist eine Grund- forderung der experimentellen Pathologie, denn sonst hätten ja „Ver- gleichsexperimente* überhaupt keinen Sinn. Die Bestimmung der In- kubationszeit bei einer Anzahl solcher „gleicher“ Tiere. die mit glei- chen Mengen Erregern geimpft werden, böte eine gute Gelegenheit, die Hypothese der Gleichartigkeit zu prüfen. Interessant wäre even- tuell auch ein Vergleich von empirisch gefundenen Schwankungen und denen, die sich aus (7) ergeben, wenn der m. F. von t, als Funk- tion der „Fehler“ von a, P,, P. berechnet würde. Schwierig zu beantworten ist die Frage nach dem Zeitpunkt der grössten Intensität der Krankheit. Der Zeitpunkt der grössten Er- regermenge entspricht dem stärksten pathogenetischen Reize, womit aber noch nicht gesagt ist, dass er auch dem Zeitpunkt der grössten Intensität der Krankheit entspräche. Die Reaktion des Körpers, wie sie in der Zerstörung der Erreger zum Ausdruck kommt, ist, wie früher hervorgehoben, im 2. Wendepunkt am grössten, so dass man sich fragen könnte, ob nicht eventuell dort der Höhepunkt der Krank- heitsintensität liege. Anderseits sind die Erkrankungen der einzelnen Organe, die wir uns als möglichst einfachen Fall nur durch das Ein- dringen der Toxine bedingt denken, wie wir sehen werden, noch von andern Bedingungen abhängig, so dass die Kurven, die die Konzen- tration der Toxine in den einzelnen Organen angeben, u. U. nicht unbeträchtlich gegenüber der „Erregerkurve“ verschoben sind, so dass man sich von diesem Standpunkte aus fragen könnte, ob es über- haupt einen Sinn hat, nach der maximalen Intensität der „Krankheit‘ zu fragen. Und doch ist die „Höhe der Erkrankung“ etwas jedem Arzte so geläufiges, dass er diesen Begriff nicht preisgeben möchte. Es steckt dahinter letzten Endes doch die feste Überzeugung von der Einheit des Organismus, die uns bei unsern physikalich-chemi- schen Betrachtungen nur zu leicht aus dem Gesichtsfeld kommt, wäh- rend sie am Krankenbette sich viel mehr geltend macht. Wir wollen nunmehr noch, unter Voraussetzung sehr einfacher a a a u aa Jahrg.66. J. Aebly. Math. Analyse des zeitl. Ablaufes d. Infekt.-Krankheiten. 21 Verhältnisse, untersuchen, wie sich die einzelnen Organe gegenüber den Toxinen verhalten, da ja in letzter Linie das Verhalten der ein- zelnen Organe, und besonders der lebenswichtigsten, für den Ausgang der Erkrankung massgebend ist. Wir fassen nur ein einziges Toxin ins Auge, da bei mehreren die Schlüsse im Prinzip die gleichen bleiben und sich nur die für die Diffusion charakteristischen Werte ändern. Wir wollen annehmen, dass die Konzentration der Toxine im Blut c, zur Zeit t durch die frühere Formel (4) gegeben sei, wobei wir statt P, (c,), schreiben. Ferner soll im Zustand des Gleichge- wichts das Henrysche Verteilungsgesetz gelten, solange man keine sichern Anhaltspunkte hat, die das Nernstsche Gesetz als gültig anzunehmen nötigen. Sei der Verteilungsquotient #. Die Diffusion wird nun offenbar um so rascher stattfinden, je grösser der Konzen- trationsunterschied ausserhalb und innerhalb der Zelle ist, d.h. je weiter die Konzentration in den Zellen von der unter den gegebenen Umständen erreichbaren maximalen Konzentration #c, entfernt ist. Man wird sie also dieser Differenz proportional setzen. Es soll die Diffusion ferner als reversibel angenommen werden, was vielleicht nicht in jedem Falle vollständig zutrifft, da eventuell doch die Mög- lichkeit besteht, dass die Toxine innerhalb der Zellen auf irgend eine Art unwirksam gemacht werden, so dass dann die gemachte An- nahme nicht mehr zu Recht bestände. Sei m; die Menge des Toxins : ". in dem Organ, v, das Volumen des Organs, dann ist c; = x die To- xinkonzentration in dem Organ. O sei die Grenzfläche zwischen Or- ganzellen und Blut, resp. zwischen Organ und Gewebsflüssigkeit; k der Diffusionskoöffizient, der die in der Zeiteinheit durch die Ober- flächeneinheit diffundierende Substanzmenge darstellt, wenn die Dif- ferenz zwischen äusserer (resp. der ihr entsprechenden Inzenkonzen- tration) und innerer Konzentration gleich der Einheit ist. O, v, und k sollen als konstant betrachtet werden. Dann ist die Differential- gleichung des Vorganges: dm, =k(rc, — ec) Odt de; kO 5 Oo Ba AR 2 = —ye, dt V; x U; Das ist eine lineare Differentialgleichung erster Ordnung, die sich ofine weiteres integrieren lässt. an erhält, wenn man noch für e, seinen Wert aus (4) einsetzt Ok OR“. Ok 1 6; = exp [-°% |} | — % (&)o EXP «+: - zul di+ c\ vo V; 23 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Die Konstante € bestimmt sich aus den Anfangsbedingungen, wo die Konzentration der Toxine in dem betrachteten Organ gleich Null ist zu Null. Wir haben also für c; den Ausdruck Bill), = - exp ®E e t If: exp (. - | Et — : oe] di Für die Diskussion sowie die numerische Berechnung ist es be- quemer, das Integral durch Einführung einer neuen Variablen umzu- formen. Man setzt und erhält Ok r en Fi 5 | | TER: Ok\*® } R ya ih («+ Yu. Ok: : Br G=%(0.), u exp BE v, t ep [— z°’]d.x } BR Ok “ RR vi v2» Setzt man noch für das Integral die entsprechenden Werte der Funktion ®(t), die durch die Gleichung © (t) = 7— [em I—- 2?]dx HK o definiert ist, so erhält man schliesslich Pr kO | :O\ o oe ale) ep are kO, & LE IB ; be J Z vi; 2b 2 VD 2b Te k} Dieser Ausdruck ist etwas kompliziert, sodass eine allgemeine Diskussion etwas schwierig wäre, weshalb wir uns mit einer ober- flächlichern begnügen wollen. Wir können den Ausdruck, soweit von t abhängige Ausdrücke in Frage kommen, in zwei Teile zerlegen. 5, Kl)? : 6 kO Der erste, nämlich exp es u —: £ | nimmt mit wachsendem t ab und strebt für grössere Wert von t rasch der Null zu. Der zweite durch die geschweifte Klammer bezeichnete Faktor hat fürt= 0 den Jahrg.66. J. Aebly. Math. Analyse des zeitl. Ablaufes d. Infekt.-Krankheiten. 23 Wert Null und wächst mit {. Den Maximalwert 1 erreicht der zweite Summand erst für =». Praktisch aber ist die Konvergenz gegen den Grenzwert 1 so stark, dass schon ® (3) sich von 1 nur noch um etwa zwei Einheiten der 5. Dezimale unterscheidet. Die Kurve wird also, vom Werte Null ausgehend, ein Maximum erreichen und dann wieder abfallen, um sich dem Wert Null asymp- totisch zu nähern. Die Lage des Maximums hängt bei gegebenen Werten von a und b von den Werten von k, O und v, ab. Je grösser k, um so näher liegt das Maximum von c, demjenigen von c,, denn der Ausgleich der Konzentrationsdifferenz findet dann rasch statt. Je kleiner k, um so weiter verschiebt sich das Maximum von «,; und um so weniger gross wird es gleichzeitig. Bei grossem % diffundiert das Toxin anderseits auch wieder rasch aus den Zellen heraus, bei kleinen : dagegen dauert es längere Zeit, bis alles Toxin herausdiffundiert ist. Ist%k sehr klein, so findet nur eine sehr schwache Diffusion des Toxins in die Zellen hinein statt, besonders wenn x noch klein ist. Das Toxin hat dann, wie man zu sagen pflegt, keine „Affinität“ zu den betr. Zellen. Ob überhaupt eine solche Affinität im chemischen Sinne besteht, die durch bestimmte aufeinander passende Gruppen im Zelleiweiss und im Toxin bedingt sein soll, nach Auffassung der Ehr- lichschen Schule, ist noch sehr fraglich. Mir scheint die physikalisch- chemische Auffassung, wie sie von anderer Seite vertreten wird, weniger hypothetisch. Die Berücksichtigung der verschiedenen Diffusionsgeschwindig- keiten der verschiedenen Toxine in die Zellen der verschiedenen Organe könnte auch Licht werfen auf das verschiedene zeitliche Auftreten der verschiedenen Organaffektionen. Speziell wäre bei solchen Organen, - die einen kleinen Diffusionskoöffizienten gegenüber einem bestimmten Toxin haben, zu erwarten, dass sich die „Erkrankung“ erst relativ spät zeigt, d.h. wenn eben die Toxinkonzentration in dem betreffen- den Organ eine gewisse Schwellenhöhe erreicht hat. Denken wir uns nun die (4) gegebenen Kurve der Toxinkonzen- tration im Blut aufgezeichnet, sowie die Kurven der Toxinkonzentration in den verschiedenen Organen, die sich infolge der Verschiedenheit der Werte #, k, O, v, eventuell ziemlich voneinander unterscheiden, sowohl in bezug auf den Maximalwert, als auch in bezug auf die Lage des- selben. Wir haben dann ein anschauliches Bild des Verlaufes der Erkrankung der einzelnen Organe. Je nachdem sich nun die Maxima der einzelnen „Organkurven‘“, wie wir sie kurz nennen wollen, mehr oder weniger zusammendrängen, verläuft die Erkrankung mehr oder weniger rasch. Der Höhepunkt der ganzen Erkrankung wird nach 24 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich, 1921 dieser Auffassung dort liegen, wo sich die Maxima der Kurven be- finden, d. h. wir werden eventuell nicht nur ein Maximum haben, sondern eine ganze Reihe und wir werden die Periode, innerhalb deren sie liegen, im klinischen Sinne als Höhe,punkt“ der Krankheit be- zeichnen. Damit haben wir uns wenigstens ein prinzipielles Verständnis für den Ablauf der Infektionskrankheiten eröffnet und wir werden uns nicht wundern, wenn wir sehen, dass in einer ganzen Reihe von Fällen eine Krankheit, die gewöhnlich „kritisch“ abfällt, d. h. wo Temperatur und Puls sowie die andern Erscheinungen brüsk zurückgehen, lytisch abfällt, d. h. die Erscheinungen langsam zurückgehen. Im erstern Fall sind eben die Maxima der Organkurven nahe beieinander, wäh- rend sie im zweiten weiter auseinander liegen. Ein prinzipieller Unter- schied liegt aber von unserm Standpunkt aus nicht darin und es bleibt so die Einheit der Auffassung in der Kontinuität des Geschehens ge- wahrt, was entschieden ein Vorteil ist. Auch das Problem des Insuffizientwerdens eines Organs oder Örgansystems ist im Lichte unserer Auffassungen ohne weiteres ver- ständlich. Wir wollen als Beispiel das Herz nehmen, da das in praxi die grösste Rolle spielt. Das normale Funktionieren des Herzens ist an eine normale Zusammensetzung des Substrates gebunden. Wir können annehmen, dass unter diesen Umständen eine bestimmte maxi- male Arbeit geleistet werden kann, wenn der diese maximale Arbeit auslösende Reiz auf das Herz wirkt. Verändert sich nun das Substrat in dem Sinne einer Verschlechterung, so wird die maximale Arbeits- leistung sinken. Diffundieren nun von aussen Toxine in die Zellen hinein, so bewirken sie Veränderungen in dem kolloiden Milieu, die ihren Einfluss im Sinne der Herabsetzung der Leistungsfähigkeit be- merkbar machen. Je höher die Toxinkonzentration in den Zellen, um so mehr wird die Leistungsfähigkeit herabgesetzt sein, womit natürlich nicht gesagt ist, dass dies proportional geschehen müsse. Es kann vielmehr irgend eine Funktion der Konzentration sein, die wir nicht kennen. Jedenfalls dürfen wir aber auch hier annehmen, dass das Unvermögen, eine bestimmte Arbeit zu leisten, eintreten wird, wenn eine bestimmte Konzentration der Toxine in den Zellen erreicht ist. Diese Schwellenkonzentration wird um so rascher erreicht, je grösser a, k, #, O und je kleiner b und v, ist. Eine kurze Zeit bis zum Insuffi- zientwerden eines Organs zeigt also, analog wie eine kurze Inkubations- zeit an, dass es sich um grosse relative Virulenz der Erreger oder wenig starke Reaktionskraft des Organismus handelt, oder auch um eine sehr massive Infektion, resp. um eine Kombination der genannten Bedingungen. Daneben kommen dann noch die Werte von k,#, Oundv; Jahrg.66. J. Aebly. Math. Analyse des zeitl. Ablaufes d. Infekt.-Krankheiten. 25 in Betracht, die wir bei der Frage der Inkubationszeit noch nicht be- rührt hatten, deren Bedeutung aber ohne weiteres klar sein dürfte. Noch einen Schritt weiter und wir stehen vor der Frage, wann der Tod in einer Infektionskrankheit eintritt. Offenbar dann, wenn im Sinne der obigen Ausführungen die Konzentration der Toxine in einem lebenswichtigen Organ eine solche Höhe erreicht hat, dass es die für den Unterhalt des Lebens notwendige minimale Arbeit nicht mehr verrichten kann. Es wird also der Tod durch Insuffizienz des- jenigen Organs eintreten, bei dem diese Schwellenkonzentration am frühesten erreicht ist, was ja, wie wir oben gesehen, von einer ganzen Reihe von Umständen abhängen wird. Sind in dem Ausdruck für die Toxinkonzentration in einem gegebenen Organ einzelne Grössen gegen- über andern klein, so können sie, wenn sie in additiver Verbindung auftreten, weggelassen werden, wodurch das Problem vereinfacht wird. Unsere Betrachtungen werfen nun auch einiges Licht auf interes- sante Verhältnisse, wie sie in einer vor mehr als 10 Jahren erschie- nenen Arbeit von John Brownlee aufgedeckt wurden (3). Die Aufgabe, die Brownlee sich stellte, war die, für die Prognose der akuten In- fektionskrankheiten objektivere Anhaltspunkte zu finden, als das bis dato der Fall war. Nach Brownlee ist der Prozess, durch welchen der Arzt im konkreten Fall zur Prognose kommt, in weitgehendem Masse unterbewusst. Er suchte daher die verschiedenen Momente im Laufe einer Infektionskrankheit quantitativ zu erfassen und daraus solche hervorzuheben, die ihm einen Schluss auf die Prognose erlauben würden. Er fand dabei sehr interessante Tatsachen, von denen ich einige kurz erörtern will. Es zeigte sich z.B., dass bei einer grösseren Reihe von Fällen von „Typhus-Fieber“ die durchschnittliche Länge der Krankheit bis zur Genesung, resp. bis zum Tode ziemlich konstant war. Die einzel- nen Daten verteilten sich um diese Mittelwerte im grossen ganzen so, dass sich die Hauptzahl um den Mittelwert gruppierte, während die weiterabliegenden seltener waren, also analog wie bei andern biologischen Merkmalen einer Gruppe. Ähnlich verhielt es sich mit dem Zeitpunkt, wo sich die ersten Zeichen von Herzinsuffizienz zeigten, d.h. wo eine Stimulation des Herzens als nötig erachtet wurde. Interessant ist nun besonders die sehr enge Beziehung zwischen Datum der Stimulationsnotwendigkeit und Sterbenswahrscheinlichkeit. Je früher die Insuffizienz im Laufe der Krankheit auftrat, um so grösser war die Sterbenswahrscheinlich- keit; sie nahm mit der Zeit fast linear ab, so dass man also darin ein Symptom von prognostischer Wichtigkeit hätte. Im Lichte unserer 26 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 vorangegangenen Ausführungen erscheint diese Beobachtung ganz be- greiflich, denn sie sagt eben nichts anderes aus, als eine kurze In- kubationszeit, ein rasches Ansteigen der Krankheit zur vollen Höhe u.a. Erscheinungen; nämlich, dass es sich um einen um so schwerern Fall handelt, je früher das Herz Zeichen von Insuffizienz zeigt, wobei die die Schwere des Falles bedingenden Momente ebensogut im Körper als in den Erregern gelegen sein können. Es sind natürlich noch andere Wege denkbar, auf denen das uns beschäftigende Problem in Angriff genommen werden kann. Ich habe nur denjenigen gewählt, der mir am leichtesten gangbar erschien. Dass das Problem dadurch noch nicht gelöst ist, brauche ich wohl nicht zu betonen, ebensowenig wie die Tatsache, dass es sich, sobald die aus äusserst einfachen Voraussetzungen abgeleiteten Schlüsse auf wirkliche biologische Verhältnisse übertragen wurden, nur um grobe Näherungen handeln kann. Wenn vom Standpunkt des Mediziners aus der Aufwand an mathematischen Formeln etwas reichlich erscheint, so müsste ich dazu bemerken, dass es sich ja nicht darum handelt, a tout prix ohne Mathematik auszukommen, wie es leider bei den Medizinern fast allgemein Gewohnheit ist. Massgebend für die ge- wählte mathematische Form der Betrachtung waren für mich u.a. besonders 2 Umstände: Erstens zwingt die mathematische Behandlung dazu, die Voraussetzungen auf denen man aufbaut, so bestimmt als mög- lich zu formulieren. Zweitens leistet sie bessere Gewähr dafür, dass die aus den aufgestellten Prämissen auf rein rechnerischem Wege abge- leiteten Schlüsse nicht irgend welche neuen Voraussetzungen invol- vieren, die sich im Laufe des Denkprozesses unbemerkt eingeschlichen haben; eine Möglichkeit, die bei dem „gewöhnlichen“ Denken sehr leicht eintreten kann, wenn es sich um kompliziertere Verhältnisse handelt. Zwar werden bei der Diskussion der Formeln u. U. noch weitere Voraussetzungen gemacht, um möglichst einfache Verhältnisse zu erhalten. Sie müssen aber immer ausdrücklich formuliert werden. Diese Vorteile der mathematischen Behandlung gegenüber der nicht mathematischen scheinen mir schon an und für sich zugunsten der erstern zu sprechen, selbst in Fällen, wo eine quantitative Verifizierung der Schlüsse nicht möglich ist. Zusammenfassung. Es wird in der Arbeit der Versuch gemacht, den Verlauf der Infektionskrankheiten in grossen allgemeinen Zügen aus einigen plau- siblen Annahmen über die Vermehrung der Infektionserreger sowie über die Abwehrreaktionen des befallenen Organismus abzuleiten. Da- Jahrg.66. J. Aebly. Math. Analyse des zeitl. Ablaufes d. Infekt.-Krankheiten. 27 bei zeigt es sich, dass die auf diese Weise gewonnenen Schlüsse zu Folgerungen führen, die z. T. bereits durch die Erfahrung bestätigt sind. Die hier vertretene Auffassung gestattet eine einheitliche Auf- fassung einer Reihe von Erscheinungen, deren Zusammenhang sonst nicht so ohne weiteres als gegeben erscheint. Sie sucht also quali- tative Unterschiede so viel als möglich in quantitative aufzulösen, wo- durch eine „kontiniuierliche* Auffassung der Erscheinungen ermöglicht wird. Eine quantitative Prüfung der Ergebnisse scheint z. Z. am Menschen infolge der komplizierten Verhältnisse als ausgeschlossen, doch ist die Möglichkeit einer experimentellen Prüfung am Tier dar- getan. Literaturverzeichnis. 1. L.G. Du Pasquier: Esquisse d'une nouvelle theorie de la population. Viertel- jahrsschrift der Naturf. Ges. Zürich. 63. Jahrg. Heft 1 u. 2. ; aag: Sur une application de la loi de Gauss ä la Syphilis. Comptes rendus T. 166, pag. 673. (Referiert u. kritisch besprochen von J. Aebly im Korrespondenz- blatt für Schweizer Aerzte 1919, No. 11.) i 3. John Brownlee: Statistical Studies in Immunity. Biometrika Band V, 1906 u. 07. Über die geodätischen Linien auf einem konvexen Körper. Von ÄNDREAS SPEISER. (Als Manuskript eingegangen am 24. Juli 1920.) Zwischen zwei Punkten eines konvexen Körpers lassen sich im allgemeinen unendlich viele geodätische Linien ziehen. Mindestens eine davon ist jedoch so beschaffen, dass sie die zu den Endpunkten kon- jugierten Punkte nicht enthält, insbesondere gehört dazu die kürzeste Verbindungslinie. Für diesen von Hilbert zuerst mit Methoden der Mengenlehre bewiesenen Satz geben wir in $ 1 einen Beweis, der 'sich auf das Cauchysche Existenztheorem stützt, und in $ 3 unter engeren Voraussetzungen einen zweiten wesentlich davon verschie- denen und ganz elementaren Beweis. Dabei untersuchen wir den Inbegriff des von den geodätischen Linien zwischen dem (n—1)-ten und dem n-ten Brennpunkt überstrichenen Gebietes. Unter ge- wissen Voraussetzungen (aber stets für „=1), bedeckt dieses Gebiet den ganzen Körper. Dieser Satz gilt jedoch nicht für beliebige Körper, z. B. nicht mehr stets für den Torus mit n=2 In $ 4 wird mit diesen Prinzipien ein einfacher Beweis eines Satzes von Poincar& über geschlossene geodätische Linien‘) gegeben und im Schlussparagraphen wird hieraus mit Hilfe von Sätzen des- selben Mathematikers die Existenz von unendlich vielen geschlossenen geodätischen Linien bewiesen auf konvexen Körpern, die sich nicht zu sehr von einer Kugel unterscheiden. Die Methoden lassen sich auf allgemeinere definite Variationsprobleme ausdehnen. > Es sei $ eine Fläche, die Grundfläche, welche in jedem Punkt eine bestimmte Tangentialebene besitzt. In einem rechtwinkligen Koordinatensystem, dessen Ursprung in einem Punkt der Fläche sich befindet, während die z-Achse mit der Normalen zusammenfällt, sei ') Poincare: Sur les lignes geodesiques des surfaces convexes. Amer. Trans- actions t. 6. pg. 237 Jahrg. 66. Andr. Speiser. Über die geod. Linien auf einem konvexen Körper. 29 die Gleichung der Fläche für eine gewisse Umgebung gegeben durch z=/(x,y), wobei die Ableitungen von f bis zur dritten Ordnung existieren und beschränkt sein sollen. Alsdann folgt aus dem Cauchy- schen Existenztheorem, dass von jedem Punkte in jeder Richtung genau eine geodätische Linie ausgeht. Sie ist rektifizierbar und be- liebig weit fortsetzbar. Ist ferner eine abzählbare Menge von Punkten mit Richtungen auf der Fläche gegeben, die gegen einen Punkt ® mit einer Richtung R konvergieren und trägt man auf den geodätischen Linien, welche in diesen Punkten mit den gegebenen Richtungen aus- gehen, dieselbe Länge / ab, so konvergieren auch die Endpunkte und die Endrichtungen gegen den Endpunkt und die Endrichtung der geodätischen Linie, welche aus ® mit der Richtung R ausgeht. Wir nehmen nun an, dass die Fläche unberandet ist, und betrachten von allen geodätischen Linien, welche vom Punkte ® ausgehen, Stücke von der Länge /, von ® an gerechnet. Aus den bisherigen Ausführungen folgt, dass die Punkte dieser Kurven eine Fläche erzeugen, welche auf der Grundfläche aufliegt und sie teilweise mehrfach überdecken kann. Insbesondere wird von ihr jeder Punkt über- deckt, der mit ® durch eine Kurve von einer Länge 1 — = auf der _ _ ja verkürzten Kurve gemessen. Daher wäre RO kleiner als das Mini- mum von / (e) — ( 2), entgegen der Voraussetzung. g.2. Wir betrachten nunmehr von den geodätischen Linien, die von P ausgehen, bloss die Stücke bis zur Enveloppe. Diese bilden das erste Blatt der Deckfläche. Entsprechend werden die Teile zwischen dem n — I-ten und dem n-ten Brennpunkt das »-te Blatt bilden. Nach dem Satz von $ 1 überdeckt das erste Blatt bereits die ganze Fläche, denn auf der kürzesten geodätischen Linie von ® nach Q liegt der zu P konjugierte Punkt jenseits von Q. Ist die Fläche mehrfach zusammenhängend, so wird man mit Vor- teil an ihre Stelle die universelle Überlagerungsfläche setzen. Wenn die ursprüngliche Fläche einen endlichen ; Flächeninhalt hat, so ist die kürzeste geschlossene | a tung) un ut ne nn an nl „22205 keine Ecke mehr aufweisen, weil sie sonst noch verkürzt werden könnte, entgegen der Voraussetzung. Dasselbe gilt auch für Flächen I i ; ) Ve. Hadamard: Les surfaces ä courbures Opposees ,. . . Journal de Math., Home sep. t. 4, pp. 97 Jahre. 66. Andr. Speiser. Über die geod. Linien auf einem konvexen Körper. 31 > die sich ins Unendliche erstrecken, wenn von vorneherein die zur Kon- kurrenz zuzulassenden Kurven auf ein endliches Gebiet beschränkt werden können, wie z. B. beim einschaligen Hyperboloid oder bei der Schwarzschen Minimalfläche. Während bei den Flächen negativer Krümmung die Deckfläche denkbar einfach ist — sie stimmt mit der universellen Überlagerungs- fläche überein und versieht sie mit einem überall (ausser i in ®) regu- lären System von Polarkoordinaten, eine Enveloppe auftritt, die Verhältnisse ode kaisie listen Es sei eine konvexe geschlossene Fläche gegeben, deren Krüm- mung der Ungleichung genügt: = ne Er Alsdann liegt der zu PB konjugierte Punkt in einer Entfernung, deren Grösse zwischen x b und za liegt. Es sei g («) die Entfernung des konjugierten Punktes zu ® auf der durch den Ausgangswinkel « festgelegten geodätischen Linie. Alsdann ist y («) eine stetige periodische Funktion; sie be- sitzt daher mindestens ein Maximum und ein Minimum innerhalb einer Periode. Diesen entsprechen die Rückkehrpunkte der Enveloppe. Im Falle des Maximums besitzt die Deckfläche eine Spitze, im Falle des Minimums dagegen greift die Deckfläche über sich selbst hinweg. Der erstere Fall ist derjenige des foyer en talon, der andere Fall entspricht dem foyer en pointe. !) Ein einfaches Beispiel in der Ebene mag dieses Verhalten an- schaulich machen. Die Normalen auf einer Ellipse besitzen als Enve- loppe eine Asteroide. Wir nehmen bloss die äussere Normale, sowie das Stück der inneren Normalen bis zur Enveloppe und betrachten die hievon überstrichene Fläche. Sie kann folgendermassen konstruiert werden: Man schneide die grosse Achse, welche wir als die x-Achse an- nehmen, zwischen den beiden daraufliegenden Spitzen der Asteroide auf und hefte die obere Hälfte der Asteroide an das untere Ufer des Schnittes, die untere Hälfte an das obere Ufer an. Die Deckfläche besteht alsdann aus der ganzen Ebene, zusammen mit den beiden angehefteten Lappen, die sich längs des aufgeschnittenen Stückes der x-Achse durchdringen. An diesem Beispiel wird man die Natur der Flächen in der Nachbarschaft von Rückkehrpunkten leicht erkennen: Einem Minimum von 4(«) entsprechen hier die Rückkehrpunkte auf der x-Achse, einem Maximum diejenigen auf der y-Achse. Auf ähnliche Weise kann man Flächen mit drei Paaren von Rückkehrpunkten ') Vgl. Hadamard, Lecons sur le caleul des Variations, pg. 110, und Bolza, Vorlesungen über Variationsrechnung pg. 360, wo sich auch Figuren befinden. 32 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Geseilsch. in Zürich. 1922 bilden: Man denke sich ein Dreieck aus der Fläche ausgeschnitten, | und an jeder Seite einen Lappen mit einer Spitze angeheftet. Die | beiden in einer Ecke zusammenstossenden Lappen müssen sich dort | berühren und alsdann übereinandergreifen. In bezug auf die Enveloppe gilt im übrigen noch folgende Regel, | die man leicht an den Zeichnungen beweist: | Regel: Wird die Enveloppe in der Richtung wachsender « um- laufen, und gelangt man in die Nähe eines Rückkehrpunktes, so liegt | der von ihm ausgehende nächste Zweig stets zur Rechten desjenigen Zweiges, auf dem man sich dem Rückkehrpunkt nähert. | Wir bezeichnen einen Rückkehrpunkt, in dem g («) ein Minimum hat, als Minimalspitze, einen solchen, wo g («) ein Maximum hat, als Maximalspitze, dann gilt die Tatsache, dass in der Nach- barschaft einer Minimalspitze der eine Zweig der En- veloppe stets auf der Deckfläche aufliegt, dievondem andern Zweig begrenzt ist. Dieses gegenseitige Überschnei- den der beiden Lappen folgt ohne weiteres aus der Jacobischen “ Gleichung, nach welcher der Berührungspunkt mit der Enveloppe Schnittpunkt zweier benachbarter Extremalen ist. i Betrachten wir das zweite Blatt der Deckfläche. Es ist berandet } | durch die erste und die zweite Enveloppe. Für die letztere ist das Verhalten in den Minimal- und Maximalecken gleich wie beim ersten Blatt. Dagegen ist am inneren Rand der Fläche, d.h. an der 1. En- veloppe, das Verhalten entgegengesetzt, wie bei dem ersten Blatt: Bei einer Maximalspitze findet die Überschneidung statt, die Minimal- | spitze bildet eine eigentliche Spitze des Blattes. Genau dasselbe gilt | von den übrigen Blättern. Mit Hilfe dieser Blätter setzt sich die ganze Deckfläche zusammen. Sie besitzt sämtliche Enveloppen als Rückkehrkanten, und diese wenden ihre konvexe Seite gegen das Innere der Fläche. Es gilt nun der Satz 1: Für jeden Punkt der Deckfläche ist die geo- dätische Linie, welche durch ihn geht, kürzeste Ver- I bindung mit ®. = P aus und endet in Q (wo), so ist ihre Länge [ds>u. Das Gleichheitszeichen findet nur statt, Jahrg. 66. Andr. Speiser. Über die geod. Linien auf einem konvexen Körper. 33 wenn überall C’ dv = o ist, also 1. auf der geodätischen Linie (dv = 0), 2. auf Linien, die teilweise Randlinien (Ü = o), teilweise geodätische Linien sind. Die letzteren können so beschrieben werden: Man gehe von Q aus auf der geodätischen Linie in der Richtung nach ® bis zur nächsten Enveloppe. Hier kann man in der Richtung nach der nächsten Minimalecke auf der Kante weitergehen und sie auf einem beliebigen Punkt verlassen, um auf der dort berührenden geodätischen Linie in der Richtung nach ® weiterzugehen usf. Alle diese Wege haben dieselbe kürzeste Länge u. Als Ganzes genommen ist das Linienelement du? + C? dv? dasjenige der Deckfläche und nicht der Grundfläche. Über die Enveloppe gelten noch folgende Sätze: Satz 2: Wenn sich die p-te und die q-te Enveloppe gleichsinnig berühren, so gilt dasselbe von der (p-+r)- ten und der (g-+r)-ten. Insbesondere geht die (9— p)-te Enveloppe durch den Punkt %. Hierbei vorkommende Deckflächen und Enveloppen mit negativer Ordnungszahl sind gleichbedeutend mit den entsprechenden positiven, bloss ist der Richtungssinn der geodätischen Linien umzukehren. Beweis: Es sei der Punkt Q mit der Richtung R gemeinsam den beiden Enveloppen €, und &,. Durch Q und R ist der konjugierte Punkt und die dazu gehörige Richtung eindeutig bestimmt, er liegt also sowohl auf E&,,, wie auf &,,,. Dasselbe gilt auch von dem rück- wärtigen konjugierten Punkt, der alsdann €,_, und &,_, gemeinsam ist. Satz 3: Wenn sich die p-te und die q-te Enveloppe gegensinnig berühren, so geht die (p-+g)-te Enve- loppe durch ®. Denn alsdann berühren sich €_, und €, gleich- sinnig. Satz 4: Die Anzahl der gleichsinnigen, sowie die- jenige der ungleichsinnigen Berührungen zweier En- veloppen ist jeweils eine gerade Zahl. Beweis: Der Satz folgt aus der Tatsache, dass, wenn Q der zu ® konjugierte Punkt auf einer geodätischen Linie ist, auch umge- kehrt ® den zu Q konjugierten Punkt auf derselben Linie mit um- gekehrtem Richtungssinn darstellt. Wenn Q mit PB zusammenfällt und n-ter konjugierte Punkt zu PB ist, wenn ferner «, und«, die Richtungen der geodätischen Linien in ® beim Ausgang und bei der Rückkehr bedeuten, so stimmt die geodätische Linie, welche unter dem Winkel @, + 180° von ® ausgeht, mit der vorigen überein, nur ist der Richtungs- _ sinn umgekehrt. Daher geht die »-te Enveloppe unter den Winkeln @, und «, 4+180° durch den Anfangspunkt, wobei «, + «, -+ 180° ist. Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 66. 1921. 3 34 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 3 Bekanntlich ist eine geodätische Linie auf einer Fläche höchstens solange kürzeste Verbindung zweier Punkte B und Q, als der zu PB konjugierte Punkt nicht zwischen ® und Q liegt. Hieraus und aus dem in $ 1 besprochenen Satze folgt, dass das 1. Blatt der Deckfläche die Grundfläche in jedem Punkt mindestens einmal überdeckt. Dies ist keineswegs eine Eigenschaft eines beliebigen Systems von Kurven mit Enveloppe, wie man sich sofort durch Beispiele überzeugen kann, sondern die Tatsache, dass die Kurven durch ein definites V ariations- problem geliefert sind, kommt hier wesentlich zur Geltung. Wir setzen voraus, dassdie Enveloppenureineend- liche Anzahl von Minimal- und Maximalspitzen sowie von Doppelpunkten besitzt. Alsdann gilt der Satz 5: Jeder Punkt Q der Enveloppe ausser Minimal- spitzen liegt auf einem Punkt der Deckfläche auf. Beweis: Wir gehen von Q aus in Richtung abnehmender « auf der Enveloppe weiter bis zum nächsten Doppelpunkt Q, : Hier wählen wir denjenigen Zweig, der in Q, die niedrigste Koordinate u aufweist, gehen auf ihr weiter in Richtung abnehmender x und fahren in gleicher Weise fort, bis wir in eine Minimalspitze M gelangen. Nun betrachten wir die Deckfläche und beschreiben auf ihr denselben Weg, aber im umgekehrten Sinn durchlaufen, von M beginnend und in Q endend. Er beginnt in M auf einem der beiden in M auslaufenden Zweige; dieser liegt auf dem Inneren desjenigen Teils der Deckfläche, der durch den anderen Zweig begrenzt ist ($ 2), und auf diesem Teil zeichnen wir den Weg auf. Ich behaupte, dass wir niemals an denRand der Fläche anstossen. Denn die Werte der Koordinate x, die auf dem Randweg aufgezeichnet sind, nehmen genau mit der Länge des Weges zu, nur in den Eckpunkten können sie Sprünge nach oben auf- weisen. Da aber der Weg keine geodätische Linie ist (die Enveloppe besitzt eine von o verschiedene geodätische Krümmung), so nehmen die Werte von u, welche die auf der Deckfläche aufgezeichnete S pur dieses Weges durchläuft, um weniger zu. Wenn wir also an den Rand stossen, so ist der dortige Wert von u kleiner als der auf dem Rand- weg aufgezeichnete, und wir hätten in diesem Doppelpunkt den falschen Zweig genommen. Hieraus folgt der Satz 6: Das erste Blatt der Deckfläche bedeckt die Grundfläche in jedem Punkt mindestens einfach. Denn ein unüberdecktes Gebiet müsste von Enveloppestücken begrenzt sein. Diese liegen aber auf überdecktem Gebiet, EUER Jahrg. 66. Andr. Speiser. Über die geod. Linien auf einem konvexen Körper. 35 Damit ist zugleich der Satz bewiesen, dass jeder Punkt mit ® durch eine geodätische Linie verbunden werden kann, welche kürzeste Verbindungslinie ist. Satz6a: Wenndie (»—1)-te are die »n-te Enveloppe sich nirgends schneiden, so bedeckt das »-te Blatt der Deckfläche dieGrundflächeüberallmindestenseinfach. Beweis: Die Grenzen der unbedeckten Gebiete müssten wieder- um durch Stücke der Enveloppen gebildet werden. Für die »-te be- weist man aber genau wie vorher, dass sie ganz im überdeckten Gebiete liegt. Dasselbe zeigt man für die (n—1)-te, nur muss für die Kon-- struktion des Weges überall der Richtungssinn umgekehrt genommen werden, sodass die Maximalspitze an die Stelle der Minimalspitze tritt. Aber wir wissen, dass das Verhalten bei den Maximalspitzen. des innern Randes gleich ist wie dasjenige der Minimalspitzen des: äussern Randes, SERIEN dass ein Übereinandergreifen der Ränder stattfindet. 84. Wir wollen. nun annehmen, dass sich für alle Punkte der Grund- fläche die erste und zweite Enveloppe weder schneiden noch berühren. Dann geht die erste Enveloppe auch niemals durch ®. Offenbar ist dies erfüllt für Körper, die sich nicht sehr von der Kugel unterscheiden. Alsdann überdeckt die zweite Deckfläche die Grundfläche überall mindestens einfach. Insbesondere wird ® von ihr überdeckt und daraus schliessen wir den Satz 7: Durch jeden Punkt ® der Fläche geht min- destens eine geodätische Linie, welche nach einmaliger Berührung der Enveloppe nach ® zurückkommt. Wir suchen nun die kürzeste derartige Linie. Für diese ist ge- wiss ® nicht der zweite konjugierte Punkt, ausser wenn dieser eine Minimalspitze wäre, denn ein Punkt der zweiten Enveloppe liegt stets auf einem inneren Punkt des zweiten Blattes mit niedrigerer Koordinate «auf. Variieren wir nun den Ausgangspunkt ®, so variiert auch nach dem Existenztheorem von Cauchy das 2. Blatt stetig und, da ® durch das Innere überdeckt ist, so bleibt dies bestehen für eine gewisse Umgebung von ®. Dasselbe gilt auch im Fall der Minimalspitze. Hieraus folgt der Satz 8: Betrachten wir die kürzeste geodätische Linie, welche von ® aus nach Berührung von €, in den Ausgangspunkt zurückgeht, so gibt es durch jeden Nachbarpunkt ®’ benachbarte geodätische Linien, welche. 36 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 in diesen zurückkehren. Diese bilden also jeweils eineschwache Variation der Linie durch®. Sind dx, öy die Koordinaten von BP’, so gilt für die Variation der Länge die Gleichung: 6J=(F„ö6x-+- F, öy)ä wobei E die Endrichtung, ‚A die Anfangsrichtung in ® bedeutet und dz\ dx dy dy \? rare, Soll nun die Länge ein Minimum sein, so muss ö .J verschwinden für jedes öx und öy, d.h. es muss sein F# = F#, und FÜ=F#. Daraus folgt: «= x’* und y’”=y'“, d.h. die Ausgangsrichtung stimmt mit der Endrichtung überein, und die Kurve ist eine geschlossene geo- dätische Linie. Satz 9: Auf der Fläche gibt es mindestens eine geschlossene geodätische Linie. Sieistauch diekürzeste aller geodätischen Linien, welche in den Ausgangs- punkt zurückgehen. $ 5. In diesem Paragraphen soll die Anwendung des letzten Theo- rems von Poincar&') ausgeführt werden. Ist das Variationsproblem in Parameterform gegeben: SF(a,y,x',y') dt = Extr., so lautet die Eulersche Gleichung: | Fı(&y" — a" Y)—+ Fayr — Fur = 0, wobei F, = Faraı Führt man den Winkel g ein, den die Tangente mit der x-Achse bildet, so kommt man zu folgenden Gleichungen: da uyaH dp an ee dt Der Parameter t stellt alsdann die Bogenlänge dar. Dieses System besitzt die Integral-Invariante SISF,dx dy dp, 1 ee Pi; LE er Br) denn es gilt: OF,csp BF, Sin p |, Fe — Pay) er d, dy dp on 0. RR ') Vgl. Poincars: Sur un theoröme de Geometrie, rendic. del eire. mat. di Palermo, t. 33, pg. 375. G. D. Birkhoff: Demonstration du dernier th&or&me de Geometrie de Poin- care. Bull. de la soc. math. de France. A. 42, pg- 1; sowie The restrieted problem of three bodies, rendic. del eire. mat. di Palermo, t. 39, pg. 265 Jahrg. 66. Andr. Speiser. Über die geod. Linien auf einem konvexen Körper. 37 Im Falle der geodätischen Linien wird F, = eg — f?. Nun ist Vey—f*dx dy das Flächenelement do auf der Fläche und VYeg—f? dp ist der infinitesimale Winkel dö auf der Fläche, dessen Projektion dp ist. Daher lässt sich die Invariante auch so schreiben: | [ fdodö. Nun betrachten wir die geschlossene geodätische Linie %. Sie zerlegt die Fläche % in zwei Hälften, von denen wir die eine, 9, betrachten. Von jedem Punkt von 9 ziehen wir die kürzeste Linie nach 2. Eine solche existiert nach $ 1 und sie schneidet £ unter 90°. Das System dieser Kurven bedeckt $ überall einfach, aber es weist Unstetigkeits- stellen auf in denjenigen Punkten, von denen zwei verschiedene kürzeste Linien ausgehen. Es bildet einen Teil des ersten Blattes der Deck- fläche, erzeugt durch die zu ® normalen geodätischen Linien. Die orthogonalen Trajektorien des Systems sind die Parallelkurven zu 2. Sie sind konvex gegen & und ihre Ecken, welche in den Unstetig- keitspunkten auftreten, weisen ebenfalls gegen % hin. Ferner sind sie geschlossene Kurven, welche sich gegen einen Punkt zusammen- ziehen, den von & entferntesten Punkt in 9. Durch eine kleine De- formation des Systems können die Ecken weggeschafft werden, und wir erhalten ein System S geschlossener, gegen 2 konvexer Kurven, das mit ® beginnend zunächst aus Parallelkurven besteht und sich schliesslich in einen Punkt Q reduziert. .Q denken wir uns als Inbe- griff aller Flächenrichtungen durch den Punkt Q. Nun versehen wir die Kurven von © mit einem bestimmten Richtungssinn und betrachten die Gesamtheit der so gerichteten Linienelemente von ©. Sie bilden eine zweidimensionale Mannigfaltigkeit vom Typus des Ringes, begrenzt von & und von den Richtungen in Q. Hieraufändern wir den Richtungs- sinn und gehen von Q wiederum nach 2 zurück. Jede Kurve ist nun mit doppeltem Richtungssinn versehen und die Linienelemente bilden wiederum eine Ringfläche, begrenzt von den Linienelementen von &£, in den beiden Richtungen genommen. Bei Q findet keine Unstetigkeit statt. Wir nehmen die geodätische Linie, welche von dem Linienelement lin © ausgeht, und verfolgen sie, bis sie & zum ersten Mal berührt in I. I>[' ist eine Transformation 7 des Ringes in sich. Wenn I nahe bei 2 sich befindet, so folgt aus der Theorie der Jakobischen Gleichung, dass ein (' existiert, und hieraus durch Stetigkeit, weil die geodätische Krümmung der Kurven von © überall von 0 verschieden ist, dass dies für jedes Linienelement gilt. Für diesen Schluss vgl. Poincare. Die Länge des Stückes der geodätischen Linie zwischen I und ! sei Z (I). Tragen wir auf ihr von I aus die Strecke ?_L ab, und ordnen wir I das Linienelement dem Ende dieser Strecke zu, so er- halten wir eine Transformation der Linienelemente von ©, die stetig we Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 ist. Lassen wir ? von 0 bis 1 variieren, so variiert auch die Trans- formation stetig und für t=1 erhalten wir die Transformation 7 von © in sich selbst. Hieraus wird klar, dass die Linienelemente von & durch die Transformation im entgegengesetzten Sinne versetzt werden. Das invariante Flächenintegral lässt sich hier explizit angeben. Es gilt der Satz 10: Die Transformation T lässt das Integral Sfydw invariant, wobei y die geodätische Krümmung der Kurve © in jedem Punkte bedeutet. Beweis: Man erstreckt das invariante Raumintegral über die Ge- samtheit der Linienel teder geodätischen Linien von denInach den !'. Verschiebt man jeden Punkt auf der geodätischen Linie um die Strecke ds, so muss das Integral unverändert bleiben. Hierbei fällt am Anfang bei l ein Raumstück weg, am Ende wird ein anderes zugesetzt, und die Grösse ist offenbar: [ff drdw, wobei dr den Kontigenzwinkel der Kurven © bedeutet. Nun ist dr — y ds; daher bleibt das Integral dsffydo invariant, und da ds konstant ist, ist der Satz bewiesen, Hieraus folgt die Existenz von unendlich vielen ge- schlossenen geodätischen Linien. Zürich, den 23. Juli 1920. Aus dem zoologisch-vergleichend anatomischen Institut d, Univ. Zürich. Beiträge zur Kenntnis der Verstümmelungs- und Regenerationsvorgänge am Lacertilierschwanze. Von BENnno SLOTOPOLSKY. (Als Manuskript eingegangen am 28. Juli 1920.) Die folgenden Mitteilungen sind ein Auszug aus einer auf An- regung und unter Leitung von Herrn Professor Dr. K. Hescheler ausgeführten Dissertation, die in den „Zoologischen Jahrbüchern“ er- scheinen wird. Den Herren Professoren Dr. K. Hescheler und Dr. J. Strohl, sowie Fräulein Privatdozent Dr. M. Daiber möchte ich auch an dieser Stelle für ihr Interesse und ihre Unterstützung meinen ergebensten Dank aussprechen, ebenso dem Leiter des Röntgeninstitutes am hiesigen Kantonsspital, Herrn Dr. med. H. R. Schinz, für die An- fertigung der zahlreichen Röntgenaufnahmen, die einen integrierenden Bestandteil meiner Arbeit bilden. Die unter natürlichen Verhältnissen so häufige Schwanzruptur bei am Schwanze ergriffenen Eidechsen und Blindschleichen gilt als Schulfall der im Tierreich weit verbreiteten Selbstverstümmelung oder Autotomie, aber mit Unrecht, denn gerade dieses Verstümmelungs- phänomen ist trotz einer Reihe bisher darüber gemachter, interes- santer Untersuchungen einer gründlichen Abklärung noch recht be- dürftig. Der Grund liegt in der Vielheit der Bedingungen, unter denen der Schwanzverlust bei den Lacertiliern in der Natur zustande kommt, und deren sorgfältige Isolation und Variation notwendig ist, um die wahre Natur des Vorgangs zu erfassen. Wenn ein lediglich auf die Handfläche gelegter — an keinem Punkte seines Körpers festge- haltener — Regenwurm aus „Unbehagen“ ein Stück seines Leibes abschnürt?), wenn ein auf den Tisch gelegter Seestern einen Arm verliert — ebenfalls, ohne dass dieser irgendwie hätte fixiert werden müssen ?) — dann ist der Charakter dieser Verstümmelung als einer K. Hescheler, Über Regenerationsvorgänge bei Lumbrieiden. Jen. Zeitschr. f. Naturwiss. 1896. ?) E. Riggenbach, Die Selbstverstümmelung der Tiere. Erg. d. Anat. u. Entwicklungsgesch. Bd. 12. 1902. 40 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Selbstverstümmelung evident. Hier genügt die blosse Beobachtung zur richtigen Erfassung des Vorgangs. Anders ist es bei der natür- lichen Schwanzruptur der Lacertilier. Diese kann nur eintreten, wenn der Schwanz an irgend einer Stelle festgehalten wird, wie das z.B. der Fall ist, wenn man in der Verfolgung einer fliehenden Eidechse sie mit den Fingern am Schwanze packt. Hier erhebt sich sogleich die Frage: Ist der Eidechse der Schwanz — durch den Druck der zupackenden Finger und den Zug, den sie enteilend selbst auf den festgehaltenen Schwanz ausübte — ausgerissen worden, oder hat sie ihn durch eine aktive, eigens darauf gerichtete Kontraktion ihrer Schwanzmuskulatur abgeworfen, liegt passive Verstüm- melung oder liegt Autotomie vor? Diese Frage muss durch das Experiment beantwortet werden. In erster Linie ist der Druck auf den Schwanz, der beim Zu- packen erfolgt, auszuschalten; zu diesem Zwecke wird, nach dem Vor- gang von Frederiegq, die Eidechse vermittels eines durch ein Pflaster am Schwanze befestigten Fadens gefesselt, an dem wir das Tier nun festhalten. Wenn jetzt eine Schwanzruptur erfolgt, so kommen als bewirkende Faktoren nur noch der Zug des zerrenden Tieres, oder aber eine besondere Kontraktion der Schwanzmuskulatur in Betracht. Wir müssen einen Weg suchen, um zwischen diesen beiden Möglich- keiten entscheiden zu können. In der beschriebenen Pflasterfesselung tritt nun nach Fred erieg und Contejean eine Schwanzruptur nie ohne vorausgegangene direkte Reizung des Schwanzes ein. Ich habe im Gegensatz dazu feststellen können, dass gelegentlich eine Schwanzruptur in der Pflasterfesselung auch erfolgt, ohne dass das Tier überhaupt besonders gereizt worden wäre, bezw. nach Reizung ') auch an Rumpf oder Extremitäten. In solchen Fällen ist nun die Frage: Autotomie oder passive Verstüm- melung?“ ohne weiteres gar nicht zu entscheiden ?). Wir müssen dazu wissen, ob die maximale Zugkraft, deren das Tier fähig ist, und die es ja bei dem Versuche sicherlich entfaltet, aus ') In allen massgebenden Versuchen r eines Streichholzes, um jeden Druck oder 7 passiven Schwanzruptur denen erst bei Reizung am Schwanze die Ruptur erfolgt. Diese Fälle werden wir später diskutieren. ER Jahrg. 66. B. Slotopolsky. Regenerationsvorgänge am Lacertilierschwanze, 41 Das Erste ist einfach, das Zweite stösst auf so viele Schwierigkeiten, dass eine exakte Ausführung dieser Aufgabe nicht möglich ist. Der zur passiven Zerreissung des Schwanzes erwachsener Mauer- eidechsen auf seiner mittleren Höhe notwendige Zug beträgt nach meinen Versuchen durchschnittlich 150—200 gr. Die maximale Zug- kraft lebender Mauereidechsen, die in der Fredericgschen Pilaster- fesselung ohne direkte Reizung des Schwanzes — also entweder ohne besondere Reizung überhaupt oder auf Reize an Rumpf oder Ex- tremitäten — die Schwanzruptür erleiden, muss kleiner sein, wenn wir eine Autotomie annehmen sollen. Zur Messung der Zugkraft von Eidechsen verwandte ich eine von zwei hohen Glasplatten begrenzte schmale, steinerne Laufbahn, an deren einem Ende eine Rolle sich befindet. In diese Laufbahn wurden frischgefangene — also nicht durch Transport und Gefangenschaft geschwächte — erwachsene Mauer- eidechsen gesetzt und vermittels Faden und Heftpflaster am Rücken gefesselt; der Faden wurde sodann über die Rolle geführt und mit einer Gewichtsschale verbunden. Nunmehr war durch Auflegen von Gewichten auf diese der maximale Zug, dem das Tier in der Lauf- ‚bahn noch das Gleichgewicht halten konnte, zu ermitteln. Aber, wie gesagt, eine exakte Durchführung dieser Aufgabe war nicht möglich, hauptsächlich deshalb, weil die Eidechse sich nicht immer gleich gut an den Boden der Laufbahn anklammert, so dass man mit einunddem- selben Tier in dem gleichen Versuch manchmai beträchtlich schwan- kende Werte erhält. So konnte nur approximativ festgestellt werden, dass die maximale Zugkraft frischgefangener Mauereidechsen etwa 55—110 gr, mithin weniger beträgt, als der zur passiven Zerreissung ihres Schwanzes nötige Zug. Den exakten Nachweis des Selbstverstü lung ög der Lacertilier müssen wir in anderer Weise zu führen versuchen. Wir haben oben gesagt, dass in einer Reihe von Fällen der Pflasterfesselungs- versuch tatsächlich in der von Frederieq und Contejean ange- gebenen Weise verläuft, d. h. dass in diesen Fällen das am Schwanze gefesselte Tier ohne besondere Reizung trotz selbstverständlich heftigen Zerrens und selbt nach starker Reizung an Rumpf oder Extremitäten trotz doch nunmehr gewiss heftigsten Zerrens sich nicht zu befreien vermag; der Schwanz bricht nicht, der äusserste Zug, dessen das be- treffende Tier zur Zeit fähig ist, genügt also offenbar nicht, um die Schwanzruptur zu bewirken, und doch erfolgt diese, sobald man in der gleichen Versuchsanordnung bei dem gleichen Tiere den Schwanz selber reizt; sie kann folglich da nur durch eine besondere Aktion der Schwanz- muskulatur zustandegekommen, muss also Autotomie gewesen sein. 42 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Neben dem experimentellen Nachweis des Vorkommens einer Autotomie bei den Eidechsen scheint mir auch jene mehr subjektive Beobachtung der Beachtung nicht unwert, dass die am Schwanze ge- packte Eidechse diesen, ohne dass ein merkbarer Zug ausgeübt würde, förmlich spielend verliert. Denn wer dieses erlebt hat, wird gewiss auch ohne einen exakten, objektiven Beweis schon davon überzeugt sein, dass die Eidechse ihren Schwanz abwarf, dass sie also selbst sich verstümmelte. Die gleiche Erfahrung hat Frenzel an Iguana gemacht, und auch bei der Blindschleiche ist sie sehr eindrucksvoll. Hier ist im übrigen der exaktere Nachweis der Autotomie auf einen Versuch zu basieren, bei dem das mittels Pflasterfesselung am Schwanze aufgehängte Tier auf einen raschen, scharfen Scherenschnitt, der die Schwanzspitze abträgt, unter Schwanzruptur zu Boden fällt. Der Um- stand, dass das Körpergewicht der Blindschleiche nur den 25. Teil des zur passiven Zerreissung ihres Schwanzes erforderlichen Zuges ausmacht und in der hängenden Lage eine Verstärkung des Zuges durch die Bewegungen des Tieres auf das 25-fache wohl nicht anzu- nehmen ist, lässt die Schwanzruptur in diesem Falle als Autotomie erscheinen. Diesen Versuch mit der Blindschleiche hat übrigens schon Fre- dericq gemacht, ohne jedoch die obige Argumentation auf ihm auf- zubauen, wie überhaupt die früheren Autoren auf diesem Gebiete sowohl für Saurier mit, wie ohne Extremitäten im wesentlichen sich zum Autotomiebeweise einer ganz anderen Argumentation bedienten, die ich grundsätzlich bekämpfen möchte. Diese Forscher nämlich be- stimmten allein die am toten Tiere für eine passive Zerreissung des Schwanzes notwendige Zugkraft und setzten sie höchstens noch mit dem Körpergewichte des betreffenden Tieres in Relation.) Es kommt aber für den Autotomienachweis natürlich auf dieses gar nicht an, sondern vielmehr auf die Zugkraft des Tieres. In jedem experi- mentellen Autotomiebeweis muss die maximale Zug- kraft des Tieres, sei’s direkt bestimmt, sei’s indirekt erschlossen, figurieren. Auf diese Weise und im Verein mit den subjektiven Beobachtungen beim Schwanzverlust an diesem Organ gepackter Lacertilier, lässt sich das Selbst t l ögen dieser Tiere zur Gewissheit machen. Ich sage ausdrücklich Selbstverstüm melungsvermögen. Denn unsere einheimischen Saurier jedenfalls können nicht nur durch Autotomie in der Natur ihren Schwanz einbüssen; auch passive ’) Frenzel allerdings nähert sich in eine Ansicht nach richtigen Problemstellung an. oO oO m Teil seiner Ausführungen der meiner | ; nr TRIERER 2 ‚Jahrg. 66. B. Slotopölsky. Regenerationsvorgänge am Lacertilierschwanze. 43 Verstümmelung ist hier möglich und kommt jedenfalls immer dann vor, wenn ein zur Autotomie nicht fähiges Individuum (ein gut Teil auch der frischgefangenen Tiere erweist sich als überhaupt selbst- amputationsunfähig) von einem Schlangen- oder Katzenmaul oder dem eines Art- oder Gattungsgenossen oder einer Menschenhand mit grösserer Kraft am Schwanze gepackt wird, oder wenn ein Stein auf seinen Schwanz herabfällt, oder durch ähnliche Veranlassungen. Denn die Brüchigkeit des Schwanzes unserer einheimischen Saurier, ganz besonders der Eidechsen, ist so gross, dass eine passive Verstümme- lung durch Zug und ganz besonders durch Druck nur geringe Schwierig- keiten bietet. Nichts ist einfacher, als einer Eidechse, ob lebend oder tot, ein Stück ihres Schwanzes abzuquetschen. Wir können darum der bis- herigen Anschauung nicht beipflichten, dass jeder Schwanzverlust einer Eidechse in der Natur Autotomie ist. Wenn Faussek nach Schilderung der Schwanzverstümmelung einer von einer Katze angegriffenen Eidechse sagt: „Dabei glaubt der Zuschauer gewöhnlich, die Katze habe mit ihren Krallen und Zähnen den Eidechsenschwanz abgerissen. In Wirk- lichkeit ist es aber ganz anders. Es ist nicht die Katze, welche der Eidechse den Schwanz nimmt, sondern diese selbst ist es, welche ein Stück ihres Schwanzes abbricht......“, so ist das eine voreilige An- nahme. Es kommt ganz darauf an, ob die betreffende Eidechse auto- tomiefähig war, oder nicht. Im letzteren Falle würde sie ihren Schwanz sicherlich leicht durch passive Ruptur verloren haben. Diese grosse Zerbrechlichkeit des Saurierschwanzes, die der Blind- schleiche den so treffenden Namen Anguis frayilis eingetragen hat, findet eine anatomische Grundlage in dem Vorhandensein einer prä- formierten Bruchstelle in jedem Schwanzwirbel mit Ausnahme der 4—6 vordersten. Diese Bruchstellen bilden den locus minoris resistentiae sowohl für Druck und Zug, wie für Biegung, also sowohl für die passive Verstümmelung, wie für die Autotomie.. (Diese kommt durch s-förmige Krümmung des Schwanzes zustande.) Ich habe die präformierten Bruchstellen topographisch und histo- logisch näher untersucht. Es handelt sich nicht, wie die Lehrbücher inAnlehnung an Hyrtls Darstellung angeben, um eine Knorpelscheibe, die den Wirbel quer durchsetzt, sondern um einen Spalt. Allerdings durchsetzt dieser Spalt, der den Wirbel in einen längeren kaudalen und kürzeren kranialen Abschnitt teilt, nicht die ganze Dicke des Wirbels; die Spalthälften werden nicht nur durch das Periost, sondern auch noch durch einen peripheren Ring, ja sogar bisweilen ausserdem durch unregelmässige, diffuse, mehr zentral gelegene, Brücken. ver- bunden. Von diesen Brücken abgesehen, hängen die beiden Wirbel- 44 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 abschnitte so miteinander zusammen, wie zwei mit ihren Konkavitäten 4 aufeinandergelegte Teller. Besonders bemerkenswert ist, dass der periphere Ring (und, wo sie vorhanden sind, die zentralen Brücken) aus Knorpelgewebe bestehen. Es wird so bei jeder Ruptur Knorpel verletzt werden müssen. An den quergeteilten Schwanzwirbeln sind auch die Querfortsätze gespalten und der Wirbelbogen erhebt sich an der Teilungsstelle zu einem sog. sekundären Dornfortsatz, der ebenfalls an der Spaltung Anteil nimmt. Vom 7. bis 10. Schwanzwirbel ab kaudalwärts ist die kaudale Zacke des Querfortsatzes stark verkümmert, so dass dieser hier einfach zu sein scheint. Die Ruptur geht jeweils zwischen den beiden Zacken der Querfortsätze und des sekundären Dornfortsatzes hindurch. Die beschriebene Querteilung beginnt bei unseren einheimischen Eidechsen nicht, wie man bisher annahm, konstant am 7. Schwanz- . wirbel. Die Verhältnisse variieren vielmehr, sie variieren sogar indi- viduell. Ja, die Regel scheint ein Beginn am 6. Schwanzwirbel zu sein; es kommt aber auch vor, dass schon der 5, die Spaltung auf weist. So locker die beiden Abschnitte eines jeden quergeteilten Schwanzwirbels verbunden sind, so fest ist die Verknüpfung der ein- zelnen Wirbel miteinander. Die Schwanzwirbelkörper unserer Eidechsen sind nicht gelenkig, sondern durch Synchondrose verbunden. . Diese Eigentümlichkeit beschrieb bereits 1864 H.Müller, und belegte seine Angabe durch eine vorzügliche Abbildung — meines Wissens übrigens bisher die einzige Abbildung eines Sagittalschnittes durch Eidechsen- schwanzwirbel. Diese Erkenntnis scheint aber dann wieder in Ver- gessenheit geraten zu sein; nichtsdestoweniger ist sie für das Ver- ständnis des Verstümmelungsmechanismus ziemlich wichtig. Die kom- pakte Verbindung der einzelnen Wirbel untereinander erhöht die Be- deutung der Wirbelspalte als locus minoris resistentiae. Der embryo- nale kontinuierliche Intervertebralknorpel persistiert also im Schwanze unserer Eidechsen zeitlebens. Immerhin lassen sich anihm eine einem Gelenkkopf, eine einer Gelenkpfanne entsprechende und eine dazwischenliegende Partie, der Intervertebralknorpel i. e. 8. unterscheiden, die durch die Orientierung ihrer Zellen und ihr Ver- | Resultate verdanke ich der Kombination dreier Untersu chungsmethoden, der Zerlegung in Schnittserien, der Röntgenphotographie und dem ') W. Spalteh olz, Über das Durchsichtigmachen menschlicher und tierischer Präparate, 2. Aufl. Leipzig 1914. N Jahrg. 66. B. Slotopolsky. Regenerationsvorgänge am Lacertilierschwanze, 45 Aufhellungs- und Färbungsverfahren von Spalteholz'), auf dessen Fruchtbarkeit ich noch besonders hinweisen möchte. Das Zustandekommen einer Schwanzautotomie hat zwei Voraus- setzungen, eine mechanische und eine nervöse. Die mechanische be- steht darin, dass der Schwanz, um abgeworfen werden zu können, an zwei Punkten fixiert sein muss. Ein Fixpunkt ist natürlich mit der Befestigung am Becken gegeben. Der andere muss jeweils geschaffen werden. Autotomie an frei flottierenden Schwanzenden ist unmöglich. Sie kann nur durch s-förmige Krümmungen des Schwanzes zwischen zwei fixen Punkten zustande kommen. Ich konnte hierfür sowohl für Eidechsen, wie für Blindschleichen den Beweis erbringen. Eine Blindschleiche wird auf den Tisch gelegt, am Schwanze gefasst, und, indem das Tier festgehalten bleibt, wird eine Weile gewartet. Es erfolgt keine Verstümmelung. Das wird einige Male wiederholt, immer mit dem gleichen Resultat, woraus hervorgeht, dass bei dem vorliegenden Individuum blosses Festhalten am Schwanze ie Autotomie nicht auszulösen vermag, dass also diese Manipulation hier nur die . hat, einen zweiten Fixpunkt zu schaffen, und nichts weiter wird dem unausgesetzt am Keen ee Tiere durch einen en das Schwanzende amputi Im Verlauf weniger Sekunden erfolgt unter s-förmigen Krümmungen ee Sn Tier ist also selbstampu- tationsfähig. Es wird ein weiterer Scherenschnitt gemacht, dann aber der festgehaltene Schwanz rasch losgelassen: es erfolgt keine Ruptur. Die Ursache hierfür muss darin erblickt werden, dass diesmal der zweite Fix- punkt fehlte. ass die Autotomie dabei nicht etwa infolge eingetretener Schwächung des Tieres unterblieb, beweist ein weiterer Scherenschnitt bei festgehaltenem Schwanz, r wiederum die Selbstverstümmelung zur Folge hat. er Satz, dass für die Autotomie bei der Anguis fragilis zwei fixe Punkte Bedingung sind, ist also evident. Auch für die Eidechsen ist der Beweis leicht. Reizt man in der Pflasterfesselung distal von der Fesselungsstelle rein thermisch, so erfolgt die Ruptur dennoch proximal von der Fesselungsstelle, zwischen ihr und dem Becken; reizt man aber distal von der Fesselungsstelle durch Kneifen und schafft so einen weitern Fixpunkt, so bricht der Schwanz auch distal von der Fesselungsstelle unmittelbar vor der Reizstelle. Die mechanische Vorbedingung haben wir kennen gelernt. Die nervöse liegt in der erhaltenen vollen Vitalität des Tieres. Nach Dawydoff hängt das Selbstamputationsvermögen stark von der Temperatur ab; dass Gefangenschaft es beeinträchtigt, ja aufhebt, wird allgemein angegeben und kann ich durchaus bestätigen. Sind die Vorbedingungen erfüllt, dann muss ein Reiz die Eidechse 46 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. a9 | treffen, um die Autotomie auszulösen. Wenn man eine flüchtende E 4 Eidechse am Schwanze ergreift, so schafft man die mechanische Vor- 3 bedingung und meist gleichzeitig den Reiz. Im Experiment kann man das trennen. Ist nun die Reaktion, die ın der Selbstverstümmelung liegt, eine ; willkürliche oder eine reflektorische? Dass die Autotomie als reiner Reflex verlaufen kann, scheint durch die Versuche Fre- deriegs und namentlich Contejeans bewiesen, nach dem sogar an des ganzen Vorderkörpers beraubten „Eidechsen“ die Selbstamputation 5 noch auszulösen ist. Ich selbst habe diese Ergebnisse trotz aller mög- lichen Kautelen nicht bestätigen können, aber ich kann meine negativen Resultate selbstverständlich nicht gegen diese positiven und bestimmten Angaben ins Feld führen. Hingegen ist es sehr zweifelhaft, ob nur direkte Reizung des Schwanzes den Autotomiereflex auszulösen vermag, wie Fredericgqg und Contejean meinen. In all den Fällen, in denen ich die Eidechse in der Pflasterfesselung sich ohne direkte Reizung des Schwanzes \ durch Schwanzruptur befreien sah, kann ja möglicherweise die Auto- tomie (deren Vorliegen wir ja auch in diesen Fällen mit gutem Grund vermuten) durch einen durch das zerrende Tier selbst auf den Schwanz produzierten Zugreiz zustandegekommen sein, es kann sich aber auch ebensogut um einen psychogenen Reflex, ausgelöst durch rein affektive Reize, oder, sofern an Rumpf oder Extremitäten be- sonders gereizt wurde, durch Schmerzreize gehandelt haben. Ob und inwieweit nun vollends noch der Wille des Tieres bei der Autotomie mitzuspielen vermag, ist experimentell nicht zu eruieren. Fredericqs Argumentation gegen einen Einfluss des Willens auf die Autotomie ist ebensowenig stichhaltig, wie die Dawydoffs dafür. Zu dieser Frage können wir meiner Ansicht nach nur mit einem „Ignoramus“ Stellung nehmen. Uber die Selbstverstümmelung bei Eidechsen mit regenerier- tem Schwanze herrschten bisher recht unklare Vorstellungen. Die Dinge liegen aber ziemlich einfach; der Versuch bestätigt, was man aus den Bauverhältnissen schon deduzieren kann. Im Bereich eines Regenerates, das statt der quergeteilten Wirbel ein einheitliches kom- paktes Kuorpelrohr besitzt, ist eine Autotomie unmöglich, wohl aber können auch am Regenerat applizierte Reize eine solche auslösen, so- fern nur der normale Schwanzabschnitt, an den das Regenerat ansetzt, noch präformierte Bruchstellen enthält. Eine Eidechse kann also mehr- mals im Leben autotomieren. Sie ist übrigens auch imstande, mehrmals hintereinander zu autotomieren. Man kann eine gut disponierte Ze ex a Er EA TTNRREER Jahrg. 66. B. Slotopolsky. Regenerationsvorgänge am Lacertilierschwanze. 47 Eidechse oder Blindschleiche, indem man sie von der Schwanzspitze kranialwärts aufsteigend immer wieder durch Fassen am Schwanze zur Selbstamputation reizt, im Verlauf weniger Sekunden ihren ganzen Schwanz abwerfen lassen, bis auf das nicht autotomierbare kranialste Stück, das die ersten 4—6 ungeteilten Schwanzwirbel enthält. Nach erfolgter Schwanzautotomie ist das Schicksal der voneinander getrennten Teile ein sehr verschiedenes. Das Amputat stirbt natürlich in kürzester Zeit ab und verwest, der zurückgebliebene Stumpf aber lässt ein Regenerat aus sich hervorsprossen. Jedoch beansprucht auch das Amputat noch unser Interesse. Es zeigt nämlich unmittelbar nach der Autotomie eine auffallende Er- scheinung, indem es heftige schlängelnde Bewegungen ausführt — geeignet, die verfolgende Schlange oder Katze in Staunen oder Schrecken zu setzen —, die allmählich immer schwächer werdend, im Laufe von etwa 10 . Minuten erlöschen. Aber damit ist noch nicht alles Leben aus dem Amputate gewichen, durch besondere Reizung können nun noch, wenn auch nur schwache Bewegungen ausgelöst werden, bis dann schliesslich nach etwa einer Stunde das animale Leben in dem Amputat vollständig aufgehört hat. Diese sämtlichen Bewegungen hat man bis- her schlechthin als Reflexbewegungen aufgefasst. Mir scheint, das trifft nur für die durch besondere Reize provozierten Bewegungen zu. "Die automatischen Bewegungen der ersten 10 Minuten hingegen sind wohl auf die vorangegangene ausserordentliche Reizung des bei der Autotomie durchtrennten Rückenmarkes zurückzuführen, das nun noch eine Zeitlang allmählich schwächer werdende motorische Impulse aussendet. Da der Lacertilierschwanz sowohl bei der Autotomie, wie auch bei passiver Verstümmelung durch Druck oder Zug an den gleichen präformierten Stellen bricht, so dürfte in der Natur wohl überhaupt nur im Bereiche der Wirbelspalte eine Schwanzruptur erfolgen und dementsprechend auch eine Regeneration ebenso nur von solchen in- travertebralen Bruchflächen aus. Ich konnte nun die interessante Fest- stellung machen, dass auch aus einer künstlich geschaffenen!) inter- vertebralen Bruchfläche ein Regenerat hervorsprosst. Des weiteren ist Regeneration auch zu konstatieren nach Amputation im Bereiche der ersten (ungespaltenen) Kaudalwirbel'). Diese Tatsachen können vielleicht für die Auffassung der histogenetischen Vorgänge bei der Regeneration des Saurierschwanzes Bedeutung haben. Die Zone der Regenerierbarkeit fällt also nicht mit der Zone der '!) Die Schnittführung in den betreffenden Versuchen wurde durch gewisse Be- ziehungen bestimmt, die zwischen Wirbel- und Schuppenwirtelzahl bestehen. 48 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Autotomierbarkeit zusammen, sie erstreckt sich vielmehr über den ganzen Eidechsenschwanz. Nur will es scheinen, als ob das äusserste Schwanzende (Zone der letzten 6 Schwanzwirbel) nicht mehr regeneriert werden könne. Mit der allgemeinen Theorie der Regeneration verknüpft ist ein von altersher viel diskutiertes Phänomen am Lacertilierschwanze: die Mehrfachbildungen. Die ursprüngliche teratologische Auffassung der Doppelschwänze wich anhand ihrer anatomischen Untersuchung der Erkenntnis, dass sie durch einen Regenerationsprozess zustande kommen. Weiterhin wurde die Vermutung aufgestellt, dass dieser Regenerationsprozess sich an eine partielle Schwanzrupturan- schliesse. Vor allem Tornier lieferte hierzu die experimentelle Be- stätigung. Er hält es aber für notwendig, dass der Schwanz nicht nur eingeknickt, sondern gleichzeitig auch seiner Spitze beraubt werde, indem das dann überschüssige Nährmaterial sich auf beide Wundflächen verteile und nur so ein einigermassen ansehnlicher Doppelsch wanz entstehen könne. Tornier hält also die Überernährung der Wundstelle für eine wesentliche Bedingung des Regenerationserfolges. Mir gelang es nun, auch durch einen blossen Einschnitt eine an- . sehnliche überzählige Schwanzspitze zu erzeugen. Das könnte dafür sprechen, dass es auf eine Überernährung der Wundstelle für den Regenerationserfolg nicht ankommt. Es handelt sich aber um einen besonderen Fall, indem der Einschnitt an einem regenerierten Schwanze gemacht worden war, in welchem möglicherweise eine so starke Wachs- tumsenergie stecken könnte, dass hier — im Gegensatz zum normalen Schwanze — eine Überernährung der Wundstelle für eine erfolgreiche Regeneration nicht nötig wäre. An normalen Schwänzen nun vermochte ich bisher durch blossen seitlichen Einschnitt keine Doppelbildungen hervorzurufen; doch beweisen die betreffenden Versuche nichts; sie i scheiterten von vorneherein daran, dass die abgeknickten Schwanz- enden bei sämtlichen Individuen dieser Versuchsgruppe abfielen, wie ich überhaupt Torniers Angabe, dass nach zu starker Abknickung die betreffenden Stücke abfallen, nach ungenügender Abknickung die Wunde aber einfach verheilt, bestätigen kann, Sicher ist, dass der Regenerationsprozess eine Skelettfraktur zur Voraussetzung hat, und es scheint, als ob diese eine vollkommene E sein muss. Im übrigen gelang es mir, wie Tornier, von einem normalen Schwanze aus durch Amputation der Schwanzspitze und Ein- knickung des Stumpfes eine überzählige Schwanzspitze zu erzeugen. Die Frage nach der Bedeutung der Überernährung der Wund- stelle für den Regenerationserfolg bedarf noch weiterer Untersuchungen. Physiologische Gesichtspunkte in der Tiergeographie. Von J. STROHL. (Aus der am 29. Dezember ge Herrn Prof. Dr. Otto Stoll [Zürich] zu seinem 70. Geburtstag m Manuskript überreichten Festschrift. ‚(Als Manuskript bei der Redaktion eingegangen am 7. September 1920.) Längst schon besteht in der Tiergeographie neben dem regi- strierenden Aufzählen der in einem Gelände vorkommenden Faunen- vertreter das Bedürfnis nach kausaler Betrachtungsweise. Während die katalogisierende Tiergeographie selbst durch immer feinere Grup- pierungen und Kategorienbildungen diesem Erkenntnisdrang zu genügen und allgemeine Gesichtspunkte zu gewinnen sucht, sind ihr in diesem Bestreben vor allem die phylogenetische Forschung und die Paläonto- logie helfend zur Seite getreten. Zunächst hat Wallace!) versucht, die Verteilung der Tiere über die Erde durch Verwertung der Erkennt- nisse der Abstammungslehre als Resultat der erdgeschichtlichen Aufein- anderfolge verschiedener Faunen zu erfassen. Er hat damit den Grund zur historischen Tiergeographie gelegt, an deren Ausgestaltung auch heute noch mit Recht gearbeitet wird. Denn ganz zweifellos vermag diese Methode sehr viel zum Verständnis der gegenwärtigen Tierver- breitung beizutragen, namentlich soweit es sich um die hohen systema- tischen Einheiten (Klassen, Familien) handelt. In wie weitgehender Weise dies unter Umständen, bei Wirbel- tieren z. B., auch für niedrigere Einheiten geschehen kann, hat erst neulich wieder sich erwiesen durch die letzte Publikation August Brauers?), in welcher dieser Forscher unter Berücksichtigung des entsprechenden fossilen Materiales die Verbreitung der Säugetier- Gattung Procavia (Klippschiefer) in Afrika zu erklären vermochte. Durch Feststellung zweier nach ihrem Gebiss und übrigen Schädel- merkmalen distinkten, aber durch Mittelformen verbundenen Unter- ') A.R. Wallace, The geographical distribution of animals. London 1876; deutsche Übersetzung von A. B. Meyer, Dresden, 1876. ®) Aug. Brauer, Die Verbreitung der Hyracoiden. Sitz.-Ber. Akad. Wiss. Berlin 1916. Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 66. 1921. 4 50 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Gattungen, von denen die eine, die ältere, auf Bäumen lebt, die zweite, jüngere, als Grasfresser und Steppenbewohner sich charakterisieren lässt, macht es Brauer wahrscheinlich, dass die Gattung Procavia, bei der Zurückdrängung des Waldes und der Ausbreitung der Steppe infolge ihrer Anpassungs- und Variationsfähigkeit sich das letztere Ge- lände neu eroberte, während für andere Waldtiere, denen diese Plastizi- tät fehlte, durch das Verschwinden des Waldes nur eine Verengerung des Wohngebietes eingetreten ist. Dieser Unterschied in der Variations- und Anpassungsfähigkeit deutet nun aber gleichzeitig darauf hin, dass für eine Vertiefung des tiergeographischen Studiums noch eine andere Betrachtungsweise er- gänzend zur paläontologischen und vergleichend - anatomischen Me- thode hinzukommen muss, eine Betrachtungsweise, die gerade umge- kehrt die engeren, jetzt lebenden Kategorien (Art und Individuum) ins Auge fasst, an denen das Wesen von Variations- und Anpassungs- fähigkeit allein studiert werden kann. Von hier ausgehend könnte dann letzten Endes auch neues Verständnis entstehen für die Verhält- nisse in früheren geolggischen Perioden. Mit aller wünschbaren Deutlichkeit hat im Zusammenhang mit tiergeographischen Problemen schon bald nach dem Erscheinen des Wallaceschen Werkes, Carl Semper!) diesen Weg gewiesen, indem er betonte: „Ohne ein genaues Studium der allgemeinen Physiologie werden wir nie im stande sein, die Tiergeographie wirklich wissen- schaftlich, d. h. geschichtlich, zu behandeln“. Trotzdem ist bis heute kein frischer Zug aus dieser Richtung in die tiergeographischen Be- trachtungen und Untersuchungen hineingekommen. Versuchen wir zunächst zu verstehen, warum sich das so verhalten mag. Wohl war das Bedürfnis, die Lebenserscheinungen der Tiere im Zusammenhang mit der geographischen Verbreitung zu studieren, allent- halben vorhanden, aber es fehlte an scharfen programmatischen Richt- linien. Mehr und mehr verflossen daher die Forderungen nach physio- logischen Gesichtspunkten mit solchen ökologischer Art, wie das in den letzten Jahren vor allem in gewissen, an und für sich sehr wertvollen Materialbefunden („Behavior“-Studien) amerikanischer Forscher (Shel- ords z. B.°) zum Ausdruck kommt, wo die Begriffe „physiologisch“ ') Carl Semper, Über die Aufgabe der modernen Tiergeographie. Virchow- Holtzendorffs S r wissensch.Vortr. (14. Serie, 322. Heft) 1879. VB Shelford, Physiological a eography. Jou f Whit- man- Vokme) Vol. 23, 1911. geography. rn. of Morphol. ( id., Prineiples un Problems of ecology as illustrated by animals. Journ. of ecology, Vol. 3, 1915. Auch bei Rich. Hesse, „Die ökologischen Grundlagen der Tiergeographie* ın ie Jahrg. 66. J. Strohl. Physiologische Gesichtspunkte in der Tiergeographie. öl und „ökologisch“ bisweilen fast gleichbedeutend verwendet werden. Es werden dabei die Beziehungen und die Reaktionen des Gesamt- organismus zur Umgebung studiert, aber ohne dass das Wesen gerade dieser Lebensäusserungen und die Voraussetzungen dazu, soweit sie im Tiere selbst liegen, hinreichend erforscht wären. So interessant daher die Resultate in einzelnen Fällen auch sein mögen, so fehlt doch zur fruchtbaren Verwertung dieser Arbeitsrichtung im Bestreben nach Klärung des Verbreitungsproblems vorläufig eine prinzipielle Grundlage. Es muss zuvor klar sein, dass die nach aussen sich bemerkbar machen- den, für die Verbreitung bedeutsamen Lebensäusserungen des Tieres in inneren organischen Gesetzmässigkeiten ihren Grund haben (Beispiele dafür siehe p.55 u.66). Deshalb ist alsV oraussetzung biogeographischer Arbeit ebenso wertvoll und notwendig wie die Erforschung und Analyse der klimatischen und faziellen Umgebung, auch diejenige des Organis- mus selbst, dessen Beziehungen zu dieser Umgebung begriffen werden sollen. Erst wenn wir die beiden Komponenten (Aussenmedium und Organismus), die wir in ihren gegenseitigen Beziehungen erfassen wollen, kennen, werden wir auch für das Verständnis der Beziehungen der einen zur andern die richtige Einstellung gefunden haben. Sonst gelangt man bei „Behavior“-Studien, die im Zusammenhang mit dem Verbreitungsproblem stehen, im besten Fall, wie dies z. B. bei den Untersuchungen von Chenoweth, Weese?) u.a. tatsächlich geschehen ist, einfach zur Feststellung, dass die optimalen Bedingungen für die Existenz eines bestimmten Organismus denen entsprechen, die in seinem natürlichen Milieu verwirklicht sind. Erst eine physiologische Ein- stellung, wie sie Torrey‘*) für das Studium der Tropismen angestrebt Hettner's Geogr. Zeitschr. 19. Jahrg. 1913, finden sich physiologische und ökologische Angaben gleichwertig nt Die vermutlich ‚verschiedenen exkretorischen we swoifeibis das Verdiekel die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung der Tier- geographie als dringendes Bedürfnis erkannt zu haben. Wo übrigens Shelford wirklich physiologische Fragen behandelt, da ı er sie sehr wohl (z. B. 1911, 1. c. p. 608) als „the more purely physiological problems“. Aber sie treten in seiner „Physiologieal animal geography“ fast ganz zurück hinter den ökologischen rn -Studien. H. E. Chenoweth, The ERRBNODE of — forest mammals to air con- ditions and its bearing on problems of tion. Biol. Bull, XXXII, 1917. eese, An ee study of the reaction of the horned lizard Phry- nosoma ER Gir. a reptile of the semi-desert. Biol. Bull. XXXU, 1917. *) H. B. Torrey, The physiologieal analysis of behavior. Journ. Animal Be- havior VI, 1916. 52 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 hat, wird auch die „Behavior“-Untersuchungen für die Probleme der Tierverbreitung fruchtbar gestalten. Wenn physiologische Untersuchungen einstweilen wenig auf die Bedürfnisse der Tiergeographie hin orientiert wurden und in Be- ziehung mit derselben kaum gepflegt werden, so mag der Grund dazu ausser in den technischen Schwierigkeiten solcher Unter- suchungen, fern von den Laboratorien, z. T. auch in der Entwick- lung der entsprechenden botanischen Forschung zu suchen sein. Zwar war gerade in der Botanik in hervorragender Weise durch A. Schimpers') Unternehmung eine bewusste Orientierung nach der physiologischen Seite vorgenommen worden. Aber es blieben nichts- destoweniger eigentliche für die biogeographische Forschung verwert- bare botanische Untersuchungen über die Lebensfunktionen und -bedürfnisse der Pflanzen sehr vereinzelt?), und es wurden auch hier unter Umgehung der eigentlichen physiologischen Probleme gleich die Beziehungen zur Umgebung in den Vordergrund gerückt. Und doch hat Schimper selbst betont: „Nur wenn sie in innigster Fühlung mit der experimentellen Physiologie verbleibt, wird die Ökologie der Pflanzengeographie neue Bahnen eröffnen können, denn sie setzt eine genaue Kenntnis der Lebensbedingungen voraus, welche nur das Experi- ment verschaffen kann. Dadurch allein wird es möglich werden, die Anpassungslehre dem Dilettantismus, welcher sich in derselben mit Vorliebe breit macht, zu entreissen!‘ Wenn Schimper trotzdem relativ wenig Nachfolger in seinem Sinne gehabt hat, so dürfte das nicht so sehr in der dilettantischen Tendenz der Beobachter, als im Wesen der pflanzlichen Organismen selbst gelegen sein, deren Lebens- äusserungen auch in den Beziehungen zur Umgebung zu einem guten Teil solche der Form und des Wachstums sind. Diese Form- oder Wachstumsphänomene lassen sich schon durch blosse Inspektion als sog. „Anpassungen“ feststellen und nach Kategorien ordnen, so dass schon auf diese Weise eine Beherrschung und Klärung des Durch- einanders möglich erscheint. Hinter diesen Formäusserungen spielen sich in der Tat bei den einzelnen Gruppen nur relativ schwach oszil-: lierende, energetische Prozesse ab, so dass bei den Pflanzen dem Formenwechsel eine durchaus überwiegende Bedeutung zukommt. Es sei nur daran erinnert, wie verhältnismässig einförmig und gering im ') A. Schimper, Lehrbuch der Pflanzengeographie auf physiologischer Grund- lage. Jena 1897. — 2. (unveränderte) Auflage 1908. *) Soweit allerdings physiologische Untersuchungen in der Botanik im Zusammen- hang mit biogeographischer Problemstellung ausgeführt wurden, handelt es sich meist um ganz besonders wertvolle Leistungen. » A dass ‚Jahrg. 66. J. Strohl. Physiologische Gesichtspunkte in der Tiergeographie. 53 ganzen Pflanzenreich die für die Beziehungen der Tiere zur Umgebung so wichtigen Äusserungen des Wärmehaushaltes sind. Als Äusserung des tierischen Lebens kommt dagegen ein ganz bedeutender Energiewechsel mit mächtigen Ausschlägen zustande, die schon für den naiven Betrachter das gesamte tierische Leben viel bewegter und plastischer erscheinen lassen als das pflanzliche. Gerade diese so wichtigen Lebenserscheinungen nun registrieren sich beim Tier nicht mehr in gleichem Masse dem Auge des Beobachters wahr- nehmbar in Wachstumsreaktionen. Die Folge davon ist, dass im Tierreich viel häufiger als bei den Pflanzen hinter äusserlich ähnlicher Form ganz verschiedene Funktionskomplexe sich bergen können. Da- mit verliert diese äussere Form (die „morphologische Anpassung‘), wenn zwar selbstverständlich nicht jede Bedeutung, so doch den aus- zeichnenden Charakter, der ihr bei den Pflanzen im Verhältnis zur Umgebung eigen ist und in ‚pflanzengeographischen Begriffen, wie „Baumgrenze“ z. B., zum Ausdruck kommt. Dieses Zurücktreten des Indiziencharakters der Form hat aber gleichzeitig in den Beziehungen der Tiere zur Umgebung zur Folge: weites Auseinanderrücken der Momente, die für die physiologische Erforschung einerseits und die ökologische andererseits in Betracht kommen, indem nun erst die hinter der Form versteckten Eigenarten für sich untersucht zu werden ver- langen, bevor die Beziehungen und Reaktionen zur Umgebung ver- standen sein können. Dass im Hinblick auf biogeographische Probleme sowohl allge- meiner als spezieller Art (Ausbreitung, Reliktentheorie ete.) Unter- schiede zwischen Tier und Pflanze bestehen, dessen ist man sich längst sehr wohl bewusst. Mancherlei Hinweise auf die verschiedene Art der Beziehung zum Boden, der Bewegungs- und Bergungsmöglich- keit der Tiere, verglichen mit denen der Pflanzen, liegen vor.. In ausdrücklicher Weise auf prinzipielle Unterschiede solcher Art hinge- wiesen hat vor allem der Jubilar!), den zu erfreuen und zu interes- sieren der vorliegende Orientierungsversuch unternommen wurde. Für die verschiedene Art der Verbreitung der Tiere, gegenüber derjenigen der Pflanzen, wesentlich in Betracht kommen dürfte nun auch ein physiologisches Moment, darin bestehend, dass beim Tier das, was man, im Anschluss an Claude Bernards etwas anders verwendeten Ausdruck „milieu interne“, als Innenmedium bezeichnen möchte, sich stärker bemerkbar macht, ja unter Umständen bis zu einem ge- wissen Grad in Gegensatz tritt zur Aussenwelt, deren mannigfach 1) Ö. Stoll, Über xerothermische Relikten in der Schweizer Fauna der Wirbel- losen. Festschrift Geogr.-Ethnogr. Gesellsch. Zürich 1901, p- 13 ff. 54 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 wechselnde Bedingungen es für den Organismus zu vereinheitlichen und mehr oder weniger indifferent zu machen bestrebt ist. In der Ausgestaltung des Innenmediums ist prinzipiell für den Organismus die Möglichkeit gegeben, sich auch physiologisch, nicht nur mehr durch die mechanische Flucht, der Einwirkung der Aussenwelt zu entziehen. Dadurch entsteht aber gerade für die biogeographische Forschung eine neue Problemgestaltung. Ebenso wie längst anerkannt ist, dass die Verbreitung der Wasser- tiere infolge des relativ konstanten Aussenmediums anderen Prinzipien folgt, als die der Landorganismen, so müssen wir damit rechnen lernen, dass der tierische Organismus infolge seines mehr oder weniger konstanten, in einzelnen wichtigen Gruppen, dank der Reinigung der Körperflüssigkeit durch Respiration und Exkretion, fast unbegrenzt erneuerungsfähigen Mediums, das er in sich trägt, für die Verbreitung über die Erde besondere Verhältnisse darbietet. Dementsprechend gilt es, die physiologischen Faktoren, die für die Verbreitungsverhält- nisse in Betracht kommen können, herauszuarbeiten. Mehr und mehr in der aufsteigenden Tierreihe gewinnt jenes Moment des eigenartigen Innenmilieus an Bedeutung, um etwa bei Säugern und Vögeln eine derartige Selbständigkeit zu erlangen, dass es seine Träger, innerhalb gewisser Grenzen, z. B. der Temperatur des Aussenmediums gegenüber, völlig unabhängig macht. Es kann wohl für die Probleme der allgemeinen Tiergeographie nicht gleichgültig sein, dass diese zwei grossen Klassen des Tierreiches, die im Wallace-Sclaterschen Faunen-System sogar fast ausschliess- lich Berücksichtigung gefunden haben, eine konstante, eigene, von der der Aussenwelt unter Umständen in weiten Grenzen abweichende Wärme aufweisen, wodurch sie in scharfen Gegensatz zu sämtlichen Organismen treten, mit denen es die Pflanzengeographie zu tun hat. Auch die Wärmeverhältnisse der kaltblütigen Organismen sind mannig- fach verschieden. An anderem Ort!) wurde darauf hingewiesen, dass ein bestimmter Erwärmungsgrad zweier Kaltblüter auf verschiedene Weise zustande kommen kann, und es wurde dort u. a. auf die Be- deutung der Verdunstung für den Wärmeentzug hingewiesen. Trocken- heit der Umgebungsluft wirkt im Hinblick auf die Wärmeverhältnisse eines poikilothermen Organismus in gleichem Sinne, wie Herabsetzung der Aussentemperatur. In einfachen Versuchen schon lässt sich nach- weisen (Prof. 0. Stoll in litteris), dass z. B. jene schwarmbildenden kleinen Fliegen, die an schönen Wintertagen sich zeigen, Trichocera ' ') J. Strohl, Poikilothermie und Homoiothermie. Festschrift für F. Zschokke. Basel, 1920. ee wi ; Jahrg. 66. J. Strohl. Physiologische Gesichtspunkte in der Tiergeographie. 55 hiemalis, ebenso empfindlich sind gegen 0° Kälte wie gegen den Auf- enthalt in einem trockenen Gefäss. In der Tat ist durchaus damit zu rechnen, dass poikilotherme Organismen in feuchter Umgebung eher Kälte auszuhalten vermögen als in trockenem Milieu. Derartige für die Verbreitungsmöglichkeiten einer Tiergruppe sehr wichtigen Er- scheinungen gehen auf Gesetzmässigkeiten in den inneren Lebens- funktionen der Organismen zurück. Eine rein ökologische Betrach- tungsweise hätte hier nur die Abhängigkeit des Vorkommens vom Grad der Feuchtigkeit des Milieus einerseits und andererseits vom Grad der Aussentemperatur festzustellen vermocht. Das die beiden Momente im Hinblick auf den Organismus verbindende Motiv wäre aus der Art der Beziehungen zur Umgebung nicht zu erkennen und doch zum Weiterkommen in dieser Frage wesentlich. Und die Wärmeverhältnisse sind nur ein Punkt, bei dem das besondere Gewicht des inneren Milieus deutlich zu Tage tritt. In gleichem Sinn auf Verselbständigung ihrer Träger gerichtet, wie die Wärmeregulation, sind auch andere Regulationsmechanismen z. B. in der Verteilung des osmotischen Druckes, des Nahrungs-, Atmungs- und Ausscheidungsmaterials. Im Zusammenhang mit dem Wesen dieser inneren Prozesse wird beim Tier bekanntlich auch das Verhältnis zum Aussenmedium rein äusserlich ein anderes, was z. B. in der Notwendigkeit der Aufnahme organischer Nahrung und dem Fehlen der spezifischen, für CO,-Assi- milation notwendigen Beziehung zum Sonnenlicht der Fall ist. Das alles bedingt ein ganz anderes Verhältnis des Tierreiches zu Erde, Licht und Luft, den wesentlichen Bestandteilen des bei biogeogra- phischen Betrachtungen so wichtigen Begriffes des Klimas. Gewiss bestehen auch für den tierischen Organismus noch Beziehungen zum Sonnenlicht und Bedürfnisse nach anorganischem Material, auch die Tiere sind durch die pflanzlichen Organismen, die vielen von ihnen zur Nahrung dienen, indirekt an den Boden und an gewisse Gesetz- mässigkeiten der Pflanzenverbreitung gebunden und auch die konstante Wärme ist bei den Homoiothermen nur auf Kosten von Stoffwechsel- vorgängen (Verbrennungsprozessen) zu erzielen, deren Regulation durch die Aussentemperatur bedingt wird, aber diese Beziehungen zum Aussenmilieu haben im Gesamtbild eine andere Bedeutung und Stellung als bei den Pflanzen. Wie stark verschieden ist doch z. B. im pflanz- lichen und im tierischen Haushalt die Bedeutung der dem Aussen- medium gegenüber weitgehend von gleichen physikalischen Gesetz- mässigkeiten beherrschten Transpiration: beim Tier hauptsächlich 56 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 wärmeregulierend, bei der Pflanze im Zusammenhang mit der Nähr- salzlieferung in ausgiebigem Masse nutritiver Art. Massgebend für die Bewertung des Einflusses der Aussenwelt auf Organismen kann nur die Art der Reaktion sein, und hierfür sind beim Tier mannigfache bei den Pflanzen nicht verwirklichte Möglichkeiten gegeben. Während z. B. die steigende Temperatur für gewöhnlich eine Beschleunigung der chemischen Prozesse und damit auch des organischen Stoffwechsels zur Folge hat, wird bei den höheren Wirbel- tieren durch das Dazwischentreten des zentralen Nervensystems ein derart beschleunigt eintreffender Reiz höchstwahrscheinlich auf hem- menden Bahnen weitergeleitet; jedenfalls ist das Resultat eine Ver- langsamung gewisser Stoffwechselprozesse. Dasselbe Prinzip, das hier direkte Umkehrung der Reizwirkung zustande kommen lässt, ist aber durch die Existenz eines, allerdings verschieden leistungsfähigen Nervensytems auch sonst in der Tierreihe verwirklicht und vermag mannigfach-kombinierte Reaktionsmöglichkeiten zustande zu bringen. Es kommt bei den Tieren hinzu: die gleichzeitige Existenz von Sinnes- organen und Bewegungsfähigkeit. Mit Hilfe ihrer Sinnesorgane können sich auch niedere tierische Organismen über Temperatur und Feuchtig- keit ebenso wie über mannigfache andere Eigenschaften der Umgebung (Stille, Unruhe etc.) orientieren und infolge ihrer Bewegungsfähigkeit unter Umständen ungünstigen Verhältnissen sich entziehen. Dazu kommen die im verschiedenen Entwicklungszyklus der beiden Organis- mentypen gelegenen Momente, etwa im Fall der Insekten die zahl- reichen mit der Metamorphose zusammenhängenden Erscheinungen (Larvenleben, Verpuppung, Kokonbildung ete.), bei denen ebenfalls wieder innerlich und äusserlich bedingte Faktoren beteiligt sind. Gewiss hat Pagenstecher ') Recht, wenn er sein Werk über die Verbreitung der Schmetterlinge mit den Worten beginnt: „Die geographische Verbreitung der Schmetterlinge ist aufs innigste ver- knüpft mit derjenigen der Pflanzenwelt.“ Wir werden aber diese Be- ziehungen nur dann richtig in Rechnung stellen und damit für die Verbreitung der Schmetterlinge Verständnis erlangen, wenn wir ihre und ihrer Raupen Konstitution und Funktionsweise berücksichtigen, die von derjenigen der Pflanzen und anderer Tiere ganz verschieden sein können, ganz ebenso wie es uns selbstverständlich erscheint, ihr hohes Alter (etwa den Säugetieren gegenüber) im Auge zu behalten. ') A. Pagenstecher, Die geographische Verbreitung der Schmetterlinge. Jena 1909. Zwar werden auch bei Pagenstecher organisch - physiologische Fak- toren als neben den klimatischen für die Verbreitung bedeutsam erwähnt, wirklich berücksichtigt werden sie aber weiter nicht, weil eben hier zu wenig vorgearbeitet ist. Jahrg. 66. J. Strohl. Physiologische Gesichtspunkte in der Tiergeographie. 87 Es erscheint darnach nicht wohl angezeigt, die Probleme der Ver- breitung der Tierwelt allzu sehr nach den Gesichtspunkten zu orien- tieren, die für das Studium der Verbreitung der Pflanzen in den Vorder- grund gerückt worden sind, so stark die Versuchung dazu auch sein mag, beim Anblick der so viel geschlossener auftretenden und so systema- tisch durchgeführten pflanzengeographischen Forschung. Wie man kaum geneigt sein wird, die Gesetzmässigkeiten der Pflanzenverbreitung ohne weiteres auf diejenige der Verbreitung des Menschen anzuwenden, so ist ähnlich auch Zurückhaltung gegenüber entsprechender Anwen- dung auf die Tiergeographie angezeigt. Auch beim Menschen bestehen sicherlich Beziehungen zu Boden und Klima, sie sind aber durch- kreuzt und in mannigfacher Weise beherrscht durch andere Momente (psychischer, sozialer, wirtschaftlicher, konstitutioneller, physiologi- scher Art). Vom biogeographischen Standpunkt stellen Mensch und Pflanze in gewisser Hinsicht zwei extreme Punkte dar, zwischen die in viel- fältiger Ausgestaltung das Tierreich sich einschiebt. Innerhalb des letzteren beginnt das Gegengewicht des Innen- gegenüber dem Aussen- medium sich physiologisch anzumelden, ohne noch die vielfältige Siche- rung seiner Selbständigkeit, die es beim Menschen erlangt hat, aufzu- weisen. Aufgabe der tiergeographischen Forschung muss es sein, durch geeignete physiologische Untersuchungen festzustellen, wie weit diese Eigentümlichkeit für die Gesetzmässigkeiten derVerbreitung in Betracht kommt. Letzten Endes werden ja dabei auch Gesichtspunkte gewonnen werden, die zur Bereicherung der Kenntnis von den Verbreitungs- gründen der Pflanzen dienen können, da natürlich die dabei in Betracht ‚kommenden physiologischen Momente den Pflanzen keineswegs ab- gehen, nur bei den Tieren eben verstärkt, mannigfaltiger und deut- licher in den Vordergrund gerückt sind. Es würde so die Pflanzen- geographie wertvolle und, wie Schimpers Werk zeigt, wohlempfundene Bedürfnisse befriedigen können und für vielfache fruchtbare Anregung entschädigt werden, die sie der Tiergeographie hat zugute kommen lassen, Klagt doch auch Wangerin!) bei seinem Bestreben, dem Wesen und den Gründen gewisser Pflanzenverbreitung nachzugehen: ‚Man kommt immer wieder auf die grosse Unbekannte, die innere Konstitution und biologische Eigentümlichkeit der einzelnen Art, worüber sich bislang leider wenig Positives aussagen lässt“. Aber viel ist schon gewonnen, wenn dieses Moment als wichtig erkannt und nicht überhaupt der vorzeitigen Schlussfolgerung zuliebe übersehen A WWangerin, Reliktenbegriff und Konstanz der Pflanzenstandorte. Fest- schr. 50-jähr. Best. preuss. Bot. Verein, 1912, p. 158 ff 58 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 wird. Uns davor zu bewahren, dazu dürfte im besonderen Masse bei- tragen: Verwertung und Ausbau der physiologischen Einsichten im Hinblick auf biogeographische Probleme. * & En Praktisch wird für die Zoologie die Aufgabe zunächst lauten: physiologische Charakterisierung möglichst vieler Tierformen und zwar solcher, die besonders geeignet erscheinen zur Lösung bestimmter tiergeographischer Probleme. Es gälte z. B. festzustellen: Was die besondere Eignung eines Tieres oder ganzer Tier- gruppen als Wüstenbewohner ausmacht? Allererste Aufmerksamkeit wird natürlich hier den biothermischen Verhältnissen zuzuwenden sein, im besonderen dem Grad der Komplizierung und der Wärme- empfindlichkeit der nervösen Apparate. Ausserdem aber wird sich als nötig erweisen, das Bestehen verschiedener Stoffwechseltypen bei den einzelnen Tiergruppen im Auge zu behalten und die Be- deutung der bei einer Tiergruppe verwirklichten Kombination be- stimmter nervöser Funktionen und Stoffwechselprozesse zu würdigen. So wird z. B. beiden in der Wüste viel vertretenen Reptilien zu unter- suchen sein, wie weit etwa neben den thermischen Verhältnissen die wenig Wasser verlangende Exkretion von Harnsäure hier in Be- tracht kommt, die nach A. P. Mathews (zitiert bei Shelford l. e. 1911, p. 688) infolge ihres niedrigen osmotischen Druckes bei Wüstentieren besonders günstige Verhältnisse schafft. Bis jetzt war das Vorkommen von Wüstenreptilien meist nur im Zusammenhang mit erdgeschichtlichen Motiven erörtert worden: 2. wie sich physiologisch etwa zwei nahverwandte Formen (2. B. Schneckenarten des Genus Bulimus) unterscheiden, von denen die. eine auf feucht-schattige, die andere auf heiss-trockene Umgebung angewiesen ist; 3. worin sich, physiologisch, tropische Formen von ihren Ver- wandten in den gemässigten und kalten Regionen unterscheiden ; !) 4. wie.sich ein bestimmter nivaler Typus physiologisch cha- rakterisieren lässt; Pütter z. B. erörtert in seiner Studie „Über den Stoffwechsel des Blutegels* (Zeitschr. f. allg. Physiol. Bd. 7, 1908) die möglichen Beziehungen zwischen der ver- mutlich kohlehydratreicheren Jahrg. 66. J. Strohl. Physiologische Gesichtspunkte in der Tiergeographie. 59 5. wie weit das ausschliessliche Vorkommen der Korallen inner- halb einer Meereszone von bestimmter Wärme eventuell mit ge- wissen physiologischen Eigentümlichkeiten dieser Tiere (punkto Kalkabsonderung und dgl.) zusammenhängt |[vgl. Pfeffer!) oder Simroth?)]; 6. ob nicht Begriffe wie „Vorposten‘ und „Relikte“, die im Hinblick auf die erdgeschichtlichen und klimatischen Verhältnisse entstanden sind, bei Berücksichtigung der physiologischen Be- trachtungsweise durch solche wie „optimale Nutzniesser“ etc. er- gänzt und korrigiert werden könnten. Solehe und zahllose ähnliche Klärungsversuche würden dazu bei- tragen, die verschiedenen Organismen nicht nur als morphologisch und historisch zu verstehende und unterscheidbare Einheiten, sondern auch als physiologische Komplexe verschiedener Leistungsgrade er- kennen zu lassen, deren entsprechende Berücksichtigung ergänzend auch dort von Wert sein würde, wo die geologisch-paläontologische Deutung im Stich lässt oder — allein berücksichtigt — in die Irre führen würde. Das sich gegenseitige Bedingen von Bauplan und Leistung ist für die biogeographische Forschung gerade auch von der Seite der „Leistung“ her von Bedeutung. Dass es z. B. keine kiemenatmenden Warmblütler gibt, hängt nicht einseitig nur vom Formzwang des Bau- planes beim Vogel oder Säugetier ab, sondern ist ebenso auch dadurch bedingt, dass diese Baupläne an einen gewissen physiologischen Leistungsgrad, etwa den der Warmblütigkeit, gebunden sind, welch letzterer wieder nur durch Bestehen der hochwertigen Lungenatmung möglich ist. Bietet doch offenbar nur die atmosphärische Luft mit ihrem zirka 30 mal grösseren Sauerstoffgehalt die nötige Grundlage für das energetische Spiel, das den warmblütigen Organismus aus- zeichnet. Dass die betr. Organismen an Land oder für die atmo- sphärische Luft entstanden sind, ist dafür nicht entscheidend, denn andere, ebenfalls als Landtypen entstandene Formen, die Insekten z. B., vermochten sich bei sekundärem Übergang ins Wasser sehr wohl mit der Kiemenatmung zu begnügen °). Pfeffer, Über die gegenwärtigen Beziehungen der arktischen und antarktischen Faunen. Verhdl. deutsch. zool. Gesellsch. 9. Vers. Hamburg (1899) p. 270. ®) H. Simroth, Die Pendulationstheorie, Leipzig 1907, p. 38 3) Man vergleiche übrigens zu dieser Frage . Döderleins Ausführungen „Über Wassertiere und Landtiere“ (Zool. Anz. Bd. 40, 1912). Erörterungen wie die, warum es keine ständig in der Luft sich schwebend erhaltenden Tiere gibt (als Gegenstück zu entsprechenden, schwebenden Formen im Wasser), muten hier ebenso klassisch an, wie es alsmodern überrascht, wenn man der Erwähnung der Tatsache, dass es keine solchen Lufttiere gibt, im I. Buch der aristotelischen Tiergeschichte begegnet. 60 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Ist: aber eine solche Art des gegenseitigen Bedingtseins von Gesamtbau und Leistung einmal anerkannt, so dürfen bei verschiede- nem Bauplan zweier Formen gewisse Übereinstimmungen und Ähnlich- keiten funktioneller wie morphologischer Art nicht ohne weiteres in den Vordergrund gedrängt werden. Hier hat vielmehr die Untersuchung erst einzusetzen, um unter dem verdeckenden, äusseren Moment den Grad der Leistungsverschiedenheit festzustellen und danach die ent- sprechende Eignung im Hinblick auf die Verbreitungsverhältnisse zu würdigen. Erst solche Analyse und Feststellung wäre wohl Aufgabe einer „physiologischen Tiergeographie*. Das, was Leo Waibel gelegentlich so genannt hat !), entspricht wohl ebensowenig wie Shelfords Verwendung des Begriffes (s. S. 50) den hier zu stellenden Anforderungen. In einem kürzeren, frisch ge- schriebenen Artikel zu Beginn einer Forschungsreise nach Afrika, auf der er dem Tierleben viele und wertvolle Beachtung geschenkt hat°), beschäftigt sich dieser Forscher 1912 mit der Bedeutung der Lebenserscheinungen der Tiere für den Biogeographen. Vom Schiff aus auf das Leben der im Kielwasser sich tummelnden Delphine auf- merksam gemacht, meint er z.B.: „Die gleiche äussere Gestalt von Fisch und Delphin beruht auf Convergenz in Folge physiologisch gleicher Bedingungen und dies interessiert uns eESaplRn e. Fe als a; schiede im Bau zwischen beiden. Durch diese weise erhalten wir einen ganz neuen Begriff für die Tiergeographie.* In Wirklichkeit dürfte kaum etwas anderes als Ausgangspunkt für eine neue Betrachtungsweise in der Tiergeographie gefährlicher sein als eine solche Einstellung. Durch die Berücksichtigung einer einzigen Funktion (äussere Gestaltausbildung) wird eine solche Betrachtungs- weise in der Tat nicht zu einer physiologischen. Abgesehen von dieser einzelnen, Ähnlichkeit schaffenden Funktion nehmen bei dem von Waibel erwähnten Beispiel die beiden konvergierenden Formen: der kiemenatmende, wechselwarme Fisch und der warmblütige, luft- atmende Delphin mit ihren ganz verschiedenen nervösen und inner- sekretorischen Regulationssystemen im gleichen Medium wesentlich verschiedene Plätze ein. Auch in physiologischer Hinsicht weichen diese beiden Einheiten so stark auseinander, wie die den beiden Organismen zugrunde liegenden Baupläne. So verwirrend also die Vereinigung analoger Strukturen für die morphologische Systematik sn Re L. zer Physiologische Tiergeographie. Hettners Geogr. Zeitschr., i e m, Lebensformen und Lebensweise der Tierwelt im tropischen Afrika. Versuch einer geographischen Betrachtungsweise der ee auf physiologischer Grundlage. Mitteil. Geogr. Gesellsch. Hamburg Bd. 97, 1912. Jahrg. 66. J. Strohl. Physiologische Gesichtspunkte in der Tiergeographie. 61 sich gezeigt hat, so wenig geeignet erscheint sie letzten Endes auch in physiologischer Hinsicht. Ein Arbeiten nach solchen Gesichtspunkten würde auch für die Tiergeographie wenig Förderung bedeuten. Biogeographische Einteilungen nach äusseren, sog. Anpassungs- merkmalen vornehmen, hiesse in einer als nötig empfundenen Forderung zu früh zum Schaden der Gesamterkenntnis Halt machen. Niemand, der — um ein extremes Beispiel zu wählen — etwa das Kamel, ein bestimmtes Reptil und eine bestimmte Schneckenart zu einer Xero- thermen Gruppe vereinigt hätte, dürfte den Eindruck haben, damit eine wissenschaftliche Erkenntnis gewonnen zu haben. Werden doch die tatsächlich bestehenden, einer solchen Vereinigung widerstrebenden biologischen‘ Unterschiede zwischen den drei Tierformen zu wohl ge- ahnt. Ebensowenig dürfen wir uns dann begnügen, die Feststellung des Kletter-, Grab- oder Laufcharakters einer Wald-, Steppen- oder Wüstenfauna für etwas anderes als einen ganz vorübergehenden Haltepunkt in unserm Suchen nach einer kausalen Erfassung der Tierverbreitung anzusehen. So verstanden und angewandt, wie es bisher geschah, hängt der Begriff der Charakterform in der Luft. Er bedeutet einstweilen einfach die nachträgliche Registrierung schon früher gemachter Erfahrungen über das Vorkommen einer bestimmten Form, während er wohl nur dann eine wesentliche und wissenschaftliche Erkenntnis darstellen dürfte, wenn wir ihn aus Momenten heraus ver- stehen werden, die dem Organismus selbst eigen, also physiologisch zu ergründen sind. Gewiss können wir, wenn wir bestimmten „Charakter- formen“ begegnen, aus bereits gemachten Erfahrungen auf ihre Um- gebung, auf Steppe, Wüste, Alpen schliessen, wir vermögen aber vor- erst nicht zu sagen, warum sie und warum nicht andere daneben oder an ihrer Stelle an diesen Zusammenhang gebunden sind; warum z.B. die Hühner, nicht aber die Tauben, alpine Formen ausgebildet haben. Nahrung, Konstitution der nackten, nesthockenden Jungen kommen wohl in diesem Falle, als Motive der Nicht-Ausbildung alpiner Tauben, vor allem in Betracht; daneben ist aber zweifellos die ganze physio- logische Struktur und ihre verschieden grosse Plastizität weitgehend zu berücksichtigen. Wissen wir doch z. B., dass der Höhenaufenthalt an Herz, Kreislauf, Atmung und Exkretion, an den ganzen Stoffwechsel, Ansprüche besonderer Art stellt, die wohl nicht von jeder Tierform in gleicher Weise erfüllt werden können. Wir machen gewöhnlich bei solchen Problemen ganz allgemein gehaltene, physiologische Voraus- setzungen über bestimmte Kälte-, Wärme-, Feuchtigkeits- und Nahrungs- bedürfnisse, die stillschweigend nebenhergehen. Indem wir diesen Ge-. sichtspunkten selbständige Bedeutung zuerkennen, werden wir den 62 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Einblick in die mannigfache Bedingtheit der Verbreitung der Lebe- wesen noch um ein bedeutendes erweitern auf Gebieten, wo die zoologischen Objekte günstigere Verhältnisse aufweisen als die botanischen. | Gerade weil das funktionelle Getriebe der Tiere so viel mannig- fachere und stärkere Ausschläge zeigt als dasjenige der Pflanzen, muss hier, an diesem Material, das Bestreben walten, hinter den Masken- charakter der äusseren sog. Anpassungsmerkmale zu gelangen und an geeigneten Beispielen das Lebensbedürfnis der Individuen einer Art zu ergründen, um deren Stellungnahme im Milieu dann zu begreifen, d. h. vom physiologischen zum ökologischen Verständnis vorzugehen. * * * Eine solche physiologische Fundierung der Tiergeographie setzt nun gründliches, systematisches Experimentieren voraus. Auc Schimper hatte das, wie wir gesehen haben, als Forderung für die ihm vorschwebende Pflanzengeographie aufgestellt. Es ist aber gerade heute bei den Biogeographen (zoologischer wie botanischer Richtung) die Auffassung ziemlich verbreitet, dass Einsichten in das funktionelle Getriebe des Organismus, wie sie vor allem in Laboratorien (aller- dings auch ausser-europäischen) gewonnen werden müssen, nicht viel von Bedeutung für die Erkenntnis der Verbreitung zu vermitteln ver- mögen, da bei solchen Versuchen nur ein oder wenige Faktoren isoliert betrachtet werden können. In der freien Natur aber, wo sie als Klima für die Organismen und deren Verbreitung von Bedeutung sind, wirken die Einflüsse nur mannigfach verknüpft und gleichzeitig ein. Was da gemeint wird, ist an und für sich gewiss berechtigt, lässt sich jedoch als Fehlerquelle in weitem Masse mit berücksichtigen. Mit den einzelnen Resultaten der physiologischen Experimente ist aber der Wert dieser Arbeitsart keineswegs erschöpft. Ein ganz wesentliches, daraus erwachsendes Ergebnis liegt darin, dass wir den Organismus als ein lebendiges System, als einen funktionellen Komplex respektieren und in Rechnung stellen lernen, der in seinen Dispositio- nen ebenso variabel ist, wie das von aussen her einwirkende Milieu. Daher einem dann auch die eigentlich ganz selbstverständliche Tatsache ständig bewusst bleibt, dass die Verbreitung der Lebewesen nicht das Ergebnis der Einwirkung verschiedener Klimate auf eine einheit- liche Organismen-Masse ist, sondern das gegenseitige Ausbalanzieren zweier Gesetzmässigkeitskomplexe, nämlich von Aussen- und Innen- milieu. Mit andern Worten: eine Tiergeographie, die ihre Objekte nicht nur als gegebene und gewordene morphologische Einheiten hin- Jahrg. 66. J. Strohl. Physiologische Gesichtspunkte in der Tiergeographie. 63 nimmt, sondern auch nach ihren Leistungen betrachtet, deutet an, dass es sich bei der Verbreitung der Organismen nicht nur um Auf- nahme und Duldung dieser Organismen in einem bestimmten Gelände handelt, sondern auch um Ausnützung und Beherrschung dieses Ge- ländes durch die Organismen. Wir sind einstweilen noch viel zu ausschliesslich geneigt, die Verbreitungweise der Organismen durch Wanderungen und zeitliche Veränderungen der Umgebung zu erklären und das zu vergessen, worauf Agassiz') in seinen Erörterungen über tiergeographische Probleme immer wieder hinauskam, dass nämlich weite Verbreitung und Beschränkung des Vorkommens, Gemeinheit einzelner Tiere und Seltenheit anderer, nicht durch wechselnde Umgebung bestimmt werden, sondern von Anfang an mit zu den betr. Tieren gehörten, wir würden heutzutage sagen, mit ihr Wesen ausmachen. Dieses Wesen müssen wir auf jeden Fall möglichst vollständig mit in Rechnung zu stellen bemüht sein und es ist sehr verschieden, gerade im Hinblick. auf die Verbreitungsverhältnisse. Ganz abgesehen von den Unterschieden grosser Kategorien, wie Kosmopoliten und Spezialisten, Xerothermen, Stenothermen und Eurythermen, die physiologisch auch erst noch ergründet werden müssen, spielt schon bei den einzelnen Arten eines Geländes das funktionelle Moment eine gewichtige Rolle. So kommt Dahl?) bei seiner Untersuchung der Spinnen Deutsch- lands zum Schluss: „dass es unter den einheimischen Spinnen nicht zwei Arten gibt, welche genau die gleiche Stelle im Haushalt der Natur einnehmen“; und in ähnlichen Zusammenhang gehört sicherlich folgende Erwägung, zu der Thienemann ’°) durch das Studium der Fischverbreitung gelangt. „Aber noch wäre das Problem des örtlichen !) Louis Agassiz, a) Notice sur la geographie des animaux. Neuchätel 1845. b) Prineiples of Zoology Pt. I Comparative Physiology by Agassiz and Gould, Boston 1848, p. 154 ff. c) The geographical distribution of animals. Edinburgh New Phil. Journal vol. 46, 1850 (deutsch inVerhdl. Natur- hist. Ver. preuss. Rheinlande Bd. 7, 1850). . Agassiz ging in den oben erwähnten Vorstellungen so weit, dass er p. S des unter a) genannten Aufsatzes schrieb: „Les animaux n’ont pas ete adaptes ä des conditions d’existence donnees A la surface du globe, mais notre terre a ete modifiee en vue des £tres qui devaient l’habiter.* (Wegen dieser mit dem Schöpfungsgedanken verbundenen Vorstellungen, siehe auch den Schluss der Anmerkung 3 auf S. 65.) ®) F. Dahl, Die physiologische Zuchtwahl im weiteren Sinne. Biol. Gentrbl. Bd. 26; 1906. ®) Aug. Thienemann, Der Wechsel in der Zusammensetzung der Fauna. Mitteil. Fischereiverein Prov. Brandenburg, Bd.5, 19 64 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 und zeitlichen Wechsels in der Zusammensetzung der Faunenverhält- nisse verhältnismässig leicht zu beantworten, wenn es wirklich nur die chemische Zusammensetzung und die physikalischen Eigenschaften des Wassers, sowie geographisch - geologische Momente. wären, von denen die Verbreitung der Organismen abhängig ist. Aber es kommt ein drittes hinzu, etwas Biologisches, das aus dem Wesen des Organis- mus heraus wächst, und unserm Probleme erst seine tiefste und eigent- liche Komplikation verleiht“. Thienemann sieht dieses Spezifische in der Summe all der Beziehungen, durch die Pflanzen und Tiere einer bestimmten Oertlichkeit, einer Lebensgemeinschaft aneinander ge- bunden sind, d.h. er weist auf das Problem der Biocoenose hin. In Wirklichkeit dürfte aber auch dieses Moment, so wertvoll seine Mitberücksichtigung an und für sich ist, nur ein Teilmoment eines weiteren Komplexes sein und jene eigentliche Vertiefung in die Gründe der Verbreitung der Tiere nicht bringen. Diese Gründe sind, wie Thienemann richtig vermutet, im Wesen der Organismen selbst gelegen. Und damit ist wohl dasselbe gemeint, was Alex. von Humboldt?) mit seinem Zahlengesetz zu treffen suchte, demzu- folge die Arten jeder Ordnung in einer bestimmten Zone einen ge- gebenen unveränderlichen Bruchteil der Gesamtfauna ausmachen sollen. Dasselbe, was letzten Endes an eigentlicher Erkenntnis bei der Ver- wendung des „generischen Koöffizienten“ gewonnen wird (Jaccard, Monard, Piaget)?), mittels dessen in interessanter Weise Beziehungen festgestellt werden zwischen der Zahl der Arten und Genera und der klimatisch faziellen Verschiedenheit resp. Einheitlichkeit des Areals, in dem sie vorkommen. Dasselbe, was die vordarwinsche Tiergeo- graphie (s.z. B. Bourdon)°) mit der Erschaffung der einzelnen For- ') Alexander von Humboldt, Ansichten der Natur. 29. Bd.. Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse. Cotta, Stuttgart 1860, p. 84—97, 97—101. ?) P. Jaecard, Bull. Soc. vaud. sc. nat. Lausanne vol. 38, 1902, vol. 44, 1908. — Le Coefficient generique dans la distribution des especes animales. Atti Soc. elvetica Sc. Nat. 1919, Congresso di Lugano Pt. II, p- 123. [In letzterer Notiz Erwäh- nung Piagets.] A. Monard, La faune profonde du lac de Neuchätel. These &s sciences Neuchätel 1919. (Bull. Soc. neuch. Se, nat. XLIV, 1919.) gl. dazu auch: Aug. Thienemann, Die Grundlagen der Bioevenotik und Monards faunistische Prinzipien, in: Festschrift für F. Zschokke, Basel 1920. [Der Inhalt dieser letztgenannten Arbeit konnte allerdings hier nicht mehr berücksich- tigt werden.] *) „Admettant, avec la plupart des zoologistes, des centres de creation distinets pour les differentes especes animales, nous ne pouvons reconnaitre aux climats qu’une influence secondaire sur la distribution des animaux ä la surface du globe. Ghaque espece habite une certaine rögion jusqu’aux limites de laquelle elle a par consequent Jahrg. 66. J. Strohl. Physiologische Gesichtspunkte in der Tiergeographie. 65 men an ihren jeweiligen Zentren erklärte, was ja auch Louis Agassiz, wie wir sahen, der Schöpfungsidee zuschrieb. Dasselbe endlich, was Friedmann‘) im Auge hat, wenn er im Zusammenhang mit tiergeographischen Problemen von psychischen Beziehungen der Organismen zur Umgebung spricht. Dem allem dürfte in wesentlicher Weise gedient sein und zugleich diesen Zusammenhängen gegenüber stets der nötige Grad von Osjektivität gewahrt bleiben, wenn im Hinblick auf die Verbreitungsprobleme den phy«-iologischen und kon- stitutionellen Eigenschaften der Organismen nachgegangen wird. erade diese Seite des Problems ist, worauf wir immer wieder zurückgeführt werden, bei den Tieren deutlicher erkennbar und sollte daher hier näher verfolgt werden. Sie drängt sich z. B. direkt auf, wo der vom Organismus in die Gemeinschaft mit der Aussenwelt für gewöhnlich stillschweigend eingebrachte Anteil einmal, auch für uns erkennbar, ausbleibt. Das ist dort etwa der Fall — und dieser Fall ist häufig verwirklicht —, wo in einem bestimmten Gelände zwar alle erkennbaren Eigenschaften gegeben zu sein scheinen, damit ein be- stimmter Organismus vorkomme, dieser aber trotz wiederholter An- siedelungsversuche (Einschleppung durch den Menschen, Wanderung, Wellentransport etc.) sich nicht zu halten vermag. Entsprechend der einstweilen beim Biogeographen bestehenden bevorzugten Ein- schätzung der Aussenwelt (Klima, Terrain), (deren Bedeutung ja hier nicht geleugnet oder unterschätzt werden soll), ist man geneigt, an ungenügende Übersicht über die wirksamen und notwendigen Aussen- faktoren zu glauben und die Ursache für die erwähnte Erscheinung im Fehlen irgend eines Gliedes im Aussenkomplex zu suchen. Hier müsste nun aber auch fragend an den andern Komplex, den Organis- mus, herangetreten werden, der nur zu oft als viel zu sehr passiv und ein für allemal konstant hingenommen wird. Und doch, wie mannigfach und labil sind die Gesetzmässigkeiten und Reaktionen des- selben! Z. B. hat Barfurth°) (schon 1886) bemerkt, dass die pu s’etendre A partir d’un point central oü se trouve son origine; le climat n’a pu €videmment exercer aucune influence sur la position de ce point central, anterieure- ment determinsge par la nature; mais l’espece &tant cr&ee, le climat a agi, avec d’autres causes, pour fixer les limites de la region dans laquelle elle a pu se repandre*, J. Bourdon, De l'influence des elimats sur les phenomenes de la vie. (M&moire eouronne) Annales des Universites de Belgique 1854, p.1. — Dadurch, dass später im Gefolge der Darwin-Wallaceschen Epoche bei Behandlung naturwissenschaftlicher Probleme der Begriff der Schöpfung als Erklärung beiseite gerückt wurde, sind natürlich die Probleme selbst, die früher damit erklärt wurden, nicht verschwunden. Friedmann, Die Konvergenz der Organismen. Berlin 1904, p. 169 ff. und vorangehende. D. Barturth, Biologische Untersuchungen über die Bachforelle. Arch. mikr. Anat. 27. Bd., 1886. elite d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 66. 1921. 5 66 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Forellen nicht laichen, wenn ihnen nicht ein bestimmter Untergrund (Kieselboden) zur Verfügung steht. Auf Schlammboden z. B. behalten sie die Eier im Körper zurück und diese werden dann allmählich resorbiert, was bei guter Ernährung der Tiere lange Zeit, monate- und jahrelang dauern kann. Solange aber die Resorption der zurück- behaltenen Eier nicht vollendet ist, werden keine neuen gebildet. Es kann also geschehen, dass in der auf die Periode der verhinderten Eiablage folgenden Laichzeit, trotz nunmehr günstigen Untergrundes, wieder kein Laich abgesetzt wird, weil diesmal überhaupt keiner ge- bildet wurde. Da haben also Gesetzmässigkeiten in den Funktionen des Organismus die Beziehungen zur Umgebung in deutlicher Weise beherrscht. Eine ökologische Untersuchung hätte wohl die Abhängig- keit des Laichens von der Natur des Untergrundes, auch die für eine oder mehrere weitere Laichperioden "bedeutsame Rückwirkung eines . Aufenthaltes über schlammigem Boden festzustellen erlaubt, dagegen nicht die eigentlich wesentlichen Zusammenhänge zu erkennen gestattet (hier noch weniger als im Fall der Wirkung von Feuchtigkeit und Kälte auf den Organismus s. p. 55). Prinzipiell ähnliche Feststellungen wie Barfurth an Forellen hat kürzlich Stieve!) an Haushühnern gemacht, bei denen Transport, Einschliessen in Käfige ete., vor allem offenbar psychisch wirksame Momente ?) eine Resorption der in Bildung begriffenen Eianlagen und länger dauernde Unfruchtbarkeit zur Folge haben. Bei der grossen Bedeutung, die der Fortpflanzungsfunktion für die Ansiedlung zukommt, sind diese Vorgänge sicher vom tier- geographischen Gesichtspunkt weiterer Untersuchung wert. Und wie vielfach würden bei näherer Betrachtung diese Phänomene sich wieder im funktionellen Getriebe mit andern verknüpft zeigen, die ebenfalls für die Verbreitung in Betracht kämen! Vor allem würde die verschiedene Periodizität in den Lebensfunktionen des Organismus in dieser Hinsicht Beachtung verdienen; so ist den Physiologen längst bekannt, dass z. B. ein Winterfrosch etwas ganz anderes darstellt als ein Sommerfrosch. Nur im Winter genügt dem Frosch z. B. die Hautatmung zum Leben. Entsprechend hat kürzlich Portier?) nach- gewiesen, dass gewisse im Holz lebende Raupen nur zu bestimmter Zeit ') H. Stieve, Über experimentelle, durch veränderte äussere Bedingungen her- vorgerufene Rückbildungsvorgänge am Eierstock des Haushuhns. Arch. f. Entw. Mech. Bd. 44, 1918. — Stieve ist es auch, der zuerst wieder, ausserhalb der Fischerei- literatur, auf Barfurths Arbeiten aufmerksam gemacht hat. ) Vergleiche hiezu auch Wallace Craig, The stimulation and the inhibition of ovulation in birds and mammals. Journ. Animal Behavior III, 1913 (p. 219/220). *) P. Portier, Recherches sur la resistance au froid des chenilles de Cossus et de Carpocapsa. CR. Soc. Biol. Paris t. 79, 1916, p. 774 Jahrg. 66. J. Strohl. Physiologische Gesichtspunkte in der Tiergeographie. 67 im Jahr, nämlich im Winter, eine vollständige Durchfrierung ohne Schaden zu ertragen vermögen, während sie unter gleichen Versuchs- bedingungen im Sommer alsbald zu Grunde gehen. Auch solche Perio- dizität der Lebensfunktionen wäre bei Besiedlungsfragen zu berück- sichtigen. Ebenso mag daran: erinnert werden, wie in zahlreichen Fällen, wo in neuerer Zeit europäische Insekten nach Amerika aus- geführt wurden, sich dem Beobachter der labile Charakter des Orga- nismus im Hinblick auf Verbreitungsprobleme aufdrängt. Wie viele von diesen Neuansiedlern haben doch, aus den Bedingungen der alten Umgebung gelöst, ganz neue Gewohnheiten und damit Stellungen im Gesamtbild angenommen. Wir müssen durchaus daran denken, dass bei wechselnden Aussenverhältnissen auch der lebende Organismus, der diesen Änder- ungen ausgesetzt ist, in gewissem Sinne ein anderer werden kann. Und wie das funktionelle Moment für die Verbreitung der Indivi- duen ein und derselben Art in Betracht kommt, so besteht es auch zu Recht für die Verbreitung der höheren systematischen Kategorien (Arten, Gattungen, Familien). Darauf deuten schon morphologische Feststellungen, wie die, dass etwa ein Organ in einer Gruppe sehr variabel, in einer andern dagegen ganz unplastisch erscheint. So konnte z. B. Eisig bei den Capitelliden eine ungewöhnlich grosse Mannigfaltigkeit in der Ausbildung der Nephridien feststellen, während in einer andern Polychaetenfamilie, bei den Ariciiden, die Exkretions- Organe so wenig verschieden sind, dass sie geradezu als systematischer Familiencharakter Verwendung finden konnten. Dass solche Ver- hältnisse unter Umständen auf die Leistung der Organe und infolge davon auch auf die Verbreitungsmöglichkeit von Einfluss sein können, ist eine naheliegende Annahme. Aber auch zahlreiche physiologische Erfahrungen, darunter etwa die folgenden, sind geeignet, uns in solchen Auffassungen über die ver- schiedene Eignung einzelner Gruppen für die Ansprüche des einen oder andern Milieus zu bestärken: Polimanti')z. B. hat auf interes- sante Zusammenhänge zwischen dem Fettgehalt der Fische und ihrem vertikalen Aufenthaltsort im Wasser (Erleichterung des Schwimmens) oder auf solche zwischen Atemrhythmus und Umgebung hingewiesen. Die Folgerung ist naheliegend, dass, da auf Grund ihres Konstitutions- typus eine Form eher als eine andere zu Fettbildung befähigt ist, sie ') O.Polimanti, Über den Fettgehalt und die biologische Bedeutung desselben für die Fische und ihren Aufenthaltsort. Biochem. Zeitschr. Bd. 56, 1913 u. Bd. 69, 191 olimanti, Studi di Fisiologia etologica. IV. Influenza dell’ „Habitat“ Ei ritmo respiratorio nei pesci. Rivista di Biologia vol. 2, 1919. 68 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 auch für einen bestimmten Aufenthaltsort besser geeignet erscheint. Oder: Portier ‘) hat bei einem in den Fjorden Spitzbergens lebenden Fisch, der durch das Schmelzwasser der im Meere schwimmenden Eisberge ausserordentlich veränderlichem Salzgehalt des Wassers aus- gesetzt ist, also bald in fast reinem Süsswasser, bald in normalem Meerwasser zu leben veranlasst wird, eigenartige, stark wechselnde osmotische Eigenschaften des Blutes festgestellt. Der Beobachter ge- langt im weiteren Verlauf seiner Untersuchungen zur Annahme eines spezifischen Regulationsmechanismus, der an die Anwesenheit chole- sterin-artiger Lipoide in den Geweben [Blutkörperchen?] gebunden ist. Es liesse sich auch hier durchaus damit rechnen, dass solches Verhalten bei bestimmten Örganisationstypen eher zu verwirklichen ist, als bei anderen. Und um nur noch einen Fall anzuführen, sei daran erinnert, wie schon vor längerer Zeit Krehl und Soetbeer?) gzeigt haben, dass gewisse, den tropischen Regionen angehörende Reptil- arten beisteigender Temperatur pro Zeit- und Körpergewichtseinheit eine relativ geringere Wärmeproduktion aufweisen, als gleiche Gewichtsein- heiten einer der gemässigt Zone angehö ‚allerdings mit der ersten nicht näher verwandten Form. Beide werden sich also der Temperatur der Umgebung gegenüber ganz verschieden verhalten. Dergleichen bringt nicht nur eine Präzision und Vertiefung des Begriffes „Anpassung“, son- dern hilft auch die Vorstellung korrigieren, als ob nur die äusseren Ver- hältnissesich änderten, dasO gani terialaberinseinen Funktionen weitgehend sich gleich bliebe, Reptil und Reptil, Wurm und Wurm eine bei tiergeographischen Kategorienbildungen stets gleich einzu- setzende Einheit repräsentiere, Diese Verschiedenheit der physiolo- gischen und konstitutionellen Einheit, auf die an und für sich schon alle unsere modernen Erfahrungen hinweisen, lassen sich auch aus Feststellungen entnehmen, wie derjenigen der so ungleichen Variabili- tät verschiedener Haustiere, etwa bei Hund, Taube und Ente einer- seits und bei Gans, Katze und Esel andererseits (die einen: zahlreiche verschiedene Rassen, die andern: äusserst wenige bildend), und weisen übrigens auf die eingangs dieser Studie erwähnten Argumentationen Brauers zurück (p. 50). * ') P. Portier, Ada milieu exterieur. IX® Congres Intern. de Physiol. Gronin i 4 . . gue, 1913. Vide Centralbl. f. Phy- siol. XXVII (Erg.-Bd.) p. 346 oder Arch. i : Jouve et Cie., 1919, p. 36. Untersuchungen über die Wärmeökonomie Pflüger's Archiv ges. Physiol. Bd. 77, 1899, Jahrg. 66. J. Strohl. Physiologische Gesichtspunkte in der Tiergeographie. 69 Zum Schluss seien einige Hauptgesichtspunkte unserer prinzipiellen Erörterungen nochmals hervorgehoben. Gegenüber den vielfachen, Tier und Pflanze gemeinsamen Grund- eigenschaften, die eine Ausgestaltung der Tiergeographie parallel der- jenigen der Pflanzengeographie könnten naheliegend erscheinen lassen, sollten hier gewisse Probleme beleuchtet werden, in denen sich Unter- schiede zwischen Tier und Pflanze bemerkbar machen, welche für die kausale Erkenntnis der Verbreitungsverhältnisse der Organismen im allgemeinen und speziell für die Begriffsbildung in der Tiergeographie von Bedeutung sein dürften. Solche Unterschiede (quantitativer und kombinatorischer Art) be- stehen vor allem in physiologischer Hinsicht. Durch die Art der Aus- bildung seines Innenmediums tritt das Tier in eigenartige Beziehungen zur Aussenwelt, deren Einflüssen gegenüber es unter Umständen weit- gehend indifferent zu werden vermag. Diese Momente sind im Leben des Tieres infolge Überwiegens des Energiewechsels besonders markant. Es müssen demnach gerade hier die Gesetzmässigkeiten der Innen- funktionen, diese physiologischen Momente, berücksichtigt werden, wenn die Beziehungen zur Aussenwelt, also die ökologischen Momente, und darnach auch die Verbreitung im Raum richtig begriffen werden sollen. Für die Probleme der Biogeographie ist also der Organismus nicht nur als morphologische und historisch gewordene Einheit, sondern auch als funktioneller Komplex zu würdigen. Zu dem Gleichgewicht, in das er mit der Umgebung gelangt, steuert der Organismus einen funktionell-aktiven, nur aus der jeweiligen Eigenart seines Trägers heraus zu verstehenden Anteil bei, der ge- gebenenfalls ganz oder teilweise ausbleiben kann, auf jeden Fall jedoch prinzipiell in Rechnung gestellt werden muss. Es gilt ferner, nicht nur sog. Anpassungstypen festzustellen und zu klassifizieren, sondern diese „Anpassungen“ vor allem als Indizien zu verwerten, um daraufhin zu untersuchen, was gerade eine gegebene Organismenform zum Leben in einer bestimmten Umgebung befähigt hat, während andere von den gleichen Zusammenhängen ferngehalten werden. Dadurch würde auch grössere Sicherheit gewonnen für die Be- urteilung und Anwendung von biogeographischen Begriffen, wie „Relikt“ und „Vorposten“ etc., die zu einem guten Teil entstanden sind aus der Vorstellung räumlicher Verschiebungen von Faunaelementen, die gegen- über der wechselnden Aussenwelt als unabänderlich angesehen wurden. 70 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Letzten Endes würde durch solche Orientierung der tiergeo- graphischen Forschung eine Erweiterung des zoologischen Arbeitsfeldes geschaffen, bei der die morphologisch-historische und die physiologisch- kausale Betrachtungsart in glücklichster Weise sich zu gemeinsamer Aufgabe zusammenfänden. Der unstetige Vorgang beim Ausströmen der: Gase. Von A. FLiEGNER. (Als Manuskript eingegangen am 6. Oktober 1920.) Wenn ein vollkommenes Gas vom Zustand p;, v,, 7; aus einem Gefäss in einen Raum strömt, wo der Druck auf einer Höhe p, ib nannt wird und die dort eine wichtige Rolle spielt. die ganze Gasmasse die Seitengeschwindiekeiten w, und w, ange- nommen hat. Daher bewegt sie sich schliesslich mit der Ge- schwindigkeit v=yw,+w, . ü i (18) und unter einem Winkel & mit der Strahlachse, der sich berechnet aus anygs=", _ ang “= Be Beim unstetigen Vorgang nimmt auch das spezifische Volumen der unendlich kleinen Gasmasse zu. Denn ihre vordere Endfläche legt Jahrg. 66. A. Fliegner. Der unstetige Vorgang beim Ausströmen der Gase. 75 Verhältnis des Endvolumens v gegenüber dem Anfangsvolumen v,, unmittelbar der Ausdruck: v _rdpw, di (dr + w, dt) (14) DR r dp dx dr Darin hebt sich rdp weg. Nimmt man ferner das dx aus dem Nenner zu dem Faktor dt, der im Zähler vor der Klammer steht, dividiert man noch mit dr in diese Klammer, und führt man endlich die kürzern Bezeichnungen aus (6) und (9) ein, so kann man das Volumenverhältnis einfacher darstellen durch: ® W, Um Um er Se ee) Zwischen den verschiedenen Grössen besteht nun noch eine Be- ziehung, die man aus dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik her- leiten muss. Da der betrachtete Vorgang wirklich plötzlich abläuft, so ist keine Zeit für einen Wärmeaustausch mit der Umgebung vor- handen, und man muss folglich (dQ—= 0 setzen. Dagegen ändert sich beim unstetigen Vorgang: die Molekularenergie aus dem Anfangswerte v„/(#«—1) in den endlich davon verschiedenen Endwert p,v/(#«—1), die Strömungsenergie ebenso aus w?,/2g in w?/2g, und da sich das Gas hier fortschreitend bewegt, so muss man die äussere Arbeit als /d (pv) einführen, also = p,v—p,v,„. Andere Einwirkungen sind nicht vorhan- den, oder sie gehen, wie die Schwerkraft, zu vernachlässigen, und daher nimmt die integrierte erste Hauptgleichung die Gestalt an: PRO ET: ee | ER Rd ‚as22(10) Ist nun der ne des Gases im Innern des Ausflussgefässes mit Pi, v;, T, und w,— 0 gegeben, so sind durch die Gleichungen (1) und (3) bis (5) die Zustandsgrössen in der Mündungsebene mit bestimmt, also namentlich die Werte von p,„, v,„ und ır,. Ebenso muss der äussere Druck p, bekannt sein. Dann bleiben als Unbekannte die sechs Grössen W,, %,, w,ö,cundv übrig, und da man dafür die sechs voneinander unabhängigen Gleichungen (10) bis (13), (15) und (16) aufstellen konnte, so ist man imstande, alle Unbekannten zu berechnen. Am einfachsten findet man aus (10): N —: De. 20% s . (17) Um die übrigen Grössen zu | muss man aus (ll) und (12) ce und w durch w, ausdrücken, diese Werte in (15), sowie daraus v=f(w,, w,) in (16) einsetzen und schliesslich noch umformen. Dann kann man die Gleichung (16) in die Gestalt bringen: 76 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 2n w, Pu a w, ) ö ; ee, Te —— ‚= 4 —— Ip, — 3; 2 _9u2, (18) I: "1 W,, | 230 9,1 (»- W, Pa Unt Em = ( 8) m Und da man w, aus (17) kennt, so erhält man aus (18) w,, damit aus (11) e, aus (12) w, aus (13) ö und endlich aus (15) ». Die Ausdrücke für w,, ce und v sind nun so gebaut, dass sie nicht, unmittelbar erkennen lassen, wie diese Grössen verlaufen. Man muss daher ein Zahlenbeispiel durchrechnen. Dazu habe ich im Innern des Ausflussgefässes immer denselben Zustand beibehalten und zwar pP, = 10kg/en?, T,=18°C. Dann gelten auch für die Mündungsebene immer dieselben Werte, nämlich In = 9,2828 kg/cm?, v, = 0,13436 m?/kq und w, = 312,22 m/Skd. Dagegen musste ich dem äussern Drucke p, nacheinander verschiedene Werte geben, nur immer kleinere, als p,, damit überhaupt ein unstetiger, nicht umkehrbarer Vorgang auftrat. Um aber dabei die gebrochenen Potenzen leichter berechnen zu können, habe ich »01,4 angenommen. Die Ergebnisse der Rechnung sind in der Zahlentafel auf Seite 77 zusammengestellt. Diese Zahlentafel bestätigt zunächst das, was sich schon unmittel- bar aus der einfacher gebauten Gleichung (17) erkennen lässt, dass nämlich die axiale Seitengeschwindigkeit w, mit abnehmendem Drucke p, linear zunimmt. Die radiale Seitengeschwindigkeit w, bleibt dagegen bei geringen Druckunterschieden Pn—-P.sehr klein, später wächst sie aber immer rascher, und bei ganz kleinen Aussenpressungen wird sie sogar etwas grösser, als w,. Das hat dann zur Folge, dass. die ganze Gesch windigkeit w anfänglich ziemlich gleichförmig zu- nimmt, wie w,, später dagegen immer rascher, wie w,. Mit w, bleibt auch der Winkel 6 anfänglich sehr klein, er wächst aber ebenfalls immer rascher, und schliesslich überschreitet er den Wert von 45°, wenn auch nur wenig. Das letzte Ergebnis geht nun mit Beobachtungen zu vergleichen. * ” E35 ” Dazu will ich zwei der Versuche heranziehen, die Rob ert Emden in seiner Habilitationsschrift über „Die Ausströmungserscheinungen per- manenter Gase“ veröffentlicht hat. Als Mündung diente ihm ein An- satzrohr, bei dem die Gasteilchen genügend genau mit gegenseitig parallelen Bahnen durch die Mündungsebene geströmt sind. Er hat dann auf seiner Taf. I die Schlierenbilder von einigen dieser Strahlen beigefügt, allerdings in ziemlich kleinem Maßstab, ich konnte aber daran doch den Winkel 6, wenigstens angenähert, nachmessen. Dabei habe ich gefunden für den Strahl der dortigen Fig. 8 mit P=6 und p =1:5 19° Fig. 15 mit P:= 6,6 undp, 0,4160 30° big 350, Zahlentafel. o 1 | 2 5 4 5 6 7 8 9 10 Pu w, w, | w ö C v Pa vr V, Wu Pa) 312,2 ) 312,22 ) (©) 0.13436 3180,0 0,13436 312,22 5,27 312,76 0,03 312,76 It 6635,17 0,13459 3180,0 0,13459 312,76 5,2 315,71 0,41 315,71 u 26° 2688,32 0,13588 3180,0 0,13588 315,71 5,1 319,94 1,33 319,94 14 19° 1807,59 0,13778 3150,0 0,13778 319,94 5,0 324,16 2,57 | 324,17 27: 15° 1450,36 0,13974 3179,9 0,13974 324,16 4,5 | 345,26 12,00 | 345,47 BB: 00 859,77 0,15065 3179,6 0,15066 345,41 4,0 366,37 25,71 | 367,27 u 0 5 657,55 0,16382 3178,3 0,16389 367,04 8,5 | 387,48 43,45 | 389,91 Bm Br 540,81 0,18014 3176,3 0,18029 389,32 3,0 | 408,59 | 65,37 | 413,78 9° 57 "| 460,5 0,20080 3169,5 0,20127 412,60 2,5 | 429,69 | 261 | 439,56 42° .9 :45° 396,05 0,22814 3158,2 0,22927 437,36 230 | 450,80 | 126,88 | 468,32 15° 48’: 12" 341,01 0,26675 3134,6 0,26888 464,32 1,5 471,91 | 171,61 | 502,14 39° 59 .:2° 290,53 0,32303 3053,4 0,33022 494,71 in} 498,02 | 234,03 545 74 zur 2 :389 241,20 0,41801 2948,9 0,44115 530,98 0,8 501,46 | 267,17 568,19 ee 1? Se 221,15 0,47649 2833,8 0,51738 548,32 0,6 | 509,90 | 308,43 595,93 ar WW 200,11 0,55762 2648,7 0,63540 568,40 0,4 | 518,35 | 361,38 631,89 Be? 58°. .1% 178,08 0,67570 2310,6 0,84885 593,05 0,3 | 522,57 | 394,55 654,79 8: 5 18% 166,45 0,75790 2035,1 1,0425 608,37 0,2 526,79 | 434,28 682,72 20% .80' 0° 154,26 0,86486 16321 1,3927 627,38 1 531,01 483,29 | 718,01 222. 10 22° 141,35 1,04663 1665,9 2,2849 654,20 0,01 534,81 539,14 75940 | 45° 13° 51” | 128,90 1,12971 128,0 11,8347 709,66 ) 535,23 546,27° | 764,776 | 45° 35° 5” | 127,46 1,27142 ) Ps 764,774 | '9SBH) IOp uOWGIJSSNY uog ZueZ.l1o A S3Tj94suUn I "IOUZaIL I 'Y '99 'Zayef LL 78 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Berechnet man die Werte von ö aus den hier entwickelten Gleichungen, aber auch mit «=1,4, so erhält man für den Strahl der Fig. 8: ö=18° 27'50'’, für den Strahl der Fig. 15: 6 = 30° 13’ 30”, also Werte, die mit den beobachteten ganz befriedigend übereinstimmen. Einen eigentümlichen Verlauf zeigt in der Zahlentafel die radiale Durchschlagsgeschwindigkeit c. Für die Luftsammelbremsen der Eisenbahnen haben Beobachtungen und Rechnungen übereinstimmend ergeben, dass die Durchschlagsgeschwindigkeit bei Überdruckbremsen immer kleiner bleibt, als die Schallgeschwindigkeit, dass sie diese dagegen bei Saugbremsen gewöhnlich überschreitet'). Dabei gilt die Schallgeschwindigkeit für den Zustand, worin sich die Luft in der Bremsleitung vor dem Beginne der Bremsung befunden hatte. Beim höherm Drucke ein, und man sollte hiernach eigentlich erwarten, dass das mit einer Geschwindigkeit geschehe, die kleiner bleibt, als die für den Mündungszustand geltende Schallgeschwindigkeit. Diese Er- wartung bestätigt sich jedoch nicht. Denn der unstetige Vorgang beginnt ununterbrochen unmittelbar ausserhalb der Mündungsebene, und das beweist zunächst, dass sich die Druckabnahme in der Be- wegungsrichtung des Gasstromes diesem entgegen genau mit dessen Austrittsgeschwindigkeit %„, also genau mit der Schallgeschwindig- keit, nach rückwärts zu fortpflanzt. Ausserdem dringt aber die Druckabnahme mit der Geschwindigkeit c radial nach einwärts in den Strahl ein, so dass die ganze, schräg nach rückwärts und einwärts gerichtete Durchschlagsgeschwindigkeit, nämlich V ee für alle Pressungen grösser ist, als die Schallgeschwindigkeit. Dabei deutet die Zahlentafel darauf hin, dass c, und daher auch Vu, te ‚ für den Grenzfail p,— P„ unendlich gross werden. Und das liess sich auch von vornherein erwarten. Denn dann kommt der ganze Strahlquer- schnitt schon mit dem Drucke p,= p, in der Mündungsebene an, was so aufzufassen geht, dass sich der Druck mit dem umgebenden Druck ') S. z. B, Schweiz, Bauztg., Bd. 59 1912, S, 160 Er ” "o,, i und Fort 5 s h noch andere Quellen angegeben finden, i Pe 0 weh uk Jahrg. 66. A. Fliegner. Der unstetige Vorgang beim Ausströmen der Gase. 79 andern Gesetzen, als in der vorher ruhenden Luft der Bremsleitungen. Die Zahlentafel zeigt ferner, dass das spezifische Volumen v des Gases mit abnehmendem Werte von p, immer rascher wächst, dass es aber auch für 2,=0 doch nur den endlichen Grenzwert lim v—1,27142 m?/kg erreicht. Der für den unstetigen Vorgang ver- fügbare Überdruck p„— p, bleibt eben auch im Grenzfalle p.=0 end- lich, und er kann daher dem Gase auch nur endliche Geschwindig- keiten erteilen, so dass sich die Gasteilchen in der unendlich kurzen Zeit dt auch nur unendlich wenig von der Mündungsebene entfernen können. Wesentlich ebenso verhält sich das spezifische Volumen bei den Luftsammelbremsen. Gilt der Zeiger ;, für den Zustand, worin sich die ruhende Luft in der Leitung befindet, ehe die Bremsung beginnt, so hatte sich dort für das Volumverhältnis der Ausdruck u veimrrpe ergeben, der für p,—=0 auf den ebenfalls endlichen Grenzwert et! lim EUREN 6 i . >20) führt. Aus der Zahlentafel folgt dagegen lim (v/v,)> 9,4. Das strömende Gas dehnt sich also verhältnismässig stärker aus, als das vorher ruhende. Wenn schliesslich beim Ausströmen v immer und p, im allgemeinen ebenfalls endlich bleiben, so ist das auch mit der Temperatur der Fall. Nur an der untern Grenze P.=0 sinkt diese auf den absoluten Nullpunkt. Berücksichtigt man den unstetigen Vorgang nicht, und nimmt man an, das Gas ändere seinen Zustand vom Innern des Aus- fussgefässes bis beliebig weit ausserhalb der Mündungsebene stetig nach derselben Adiabate pv" = const, so erhält man an jenen Stellen des Strahles, wo der Druck auf einen Wert p. gesunken ist, für die _ übrigen Zustandsgrössen die Ausdrücke Pan raue, a) ne) Da, 0... 00 ner e)] ns 80 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Um diese Grössen mit den vorigen vergleichen zu können, habe ich sie ebenfalls mit #x—1,4 berechnet und die Werte von v, und ww, in den beiden letzten Spalten der Zahlentafel hinzugefügt. Die beiden Spalten 7 und 9 zeigen nun zunächst, dass immer v, > v ist, nur bleibt der Unterschied für die grössern Werte von p, so klein, dass er in den ersten fünf geltenden Stellen noch nicht zur Erscheinung kommt. Nimmt aber p, weiter ab, so wächst der Unterschied immer rascher, und an der untern Grenze, also für p, = 0, wird sogar v,—= », während v dort einen ziemlich kleinen, endlichen Wert beibehält. Allerdings könnte v, erst nach unendlich langer Zeit und in unendlich grosser Entfernung von der Mündung unendlich gross werden. v erreicht dagegen seinen endlichen Grenzwert sofort und unmittelbar vor der Mündungsebene. Da ferner für beide Werte des spezifischen Volumens der Druck jedesmal dieselbe Grösse besitzt, so folgt aus diesem Verhalten von v„ gegenüber v, dass auch ununterbrochen von den beiden Tempera- turen 7, > 7 bleibt. Nur im Grenzfalle pP. = 0 sinken beide Tempera- turen übereinstimmend auf den absoluten Nullpunkt. Wenn hiernach von der Energie, die das Gas im Innern des Aus- flussgefässes enthielt, beim stetigen, adiabatischen Ausströmen ein grösserer Teil in Form von kinetischer Molekularenergie im Gase zurückbleibt, als beim unstetigen, nicht umkehrbaren Vorgang, so kann die Strömungsenergie im ersten Falle nicht so hoch ansteigen, wie im zweiten. Und das bestätigt die Zahlentafel auch: es bleibt immer w,= |. 20m, Wesel ale BEE Je zB re SE nn Jahrg. 66. Rudolf Staub. Über den Bau des Monte della Disgrazia. 123 dieses Berges und den Südwestabsturz des Pizzo Rachele (P. 2996) hinüber zu den Laghetti im obersten Val Sassersa, und von dort westlich unter P. 2597 vorbei zu den Cavi di Amianto in Val Giumellino zieht. Dass es sich dabei wirklich um Bündnerschiefer- gesteine handelt, zeigt der Gesteinscharakter der relativ unverän- derten Partien, die Lage im Serpentin und die Verfolgung solcher analoger Marmorzüge durch den Monte del Forno und den Pizzo dei Rossi bis hinaus in das Bündnerschiefergebirge im Bergell. Wenig habe ich hier über die näheren petrographischen Eigenschaften des Serpentins zu sagen. Melzi, Bodmer-Beder, Brugnatelli, später Cornelius und ich, haben ihn genauer mikrosko- pisch untersucht, und ich kann für Details auf jene Arbeiten ver- weisen. In der Hauptsache handelt es sich um Antigoritser- pentin. Derselbe enthält selten Relikte von Olivin, darunter Titanolivin, sehr oft gar keine Reliktmineralien, fast ebenso oft aber auch massenhaft solche von Pyroxenen und endlich auch solche von Strahlstein. In der Disgraziagruppe scheinen im allge- meinen die reliktfreien Antigoritserpentine vorzuherrschen, doch lässt sich dies ohne eine Unzahl von Dünnschliffen von den verschieden- sten Lokalitäten vorderhand nicht sicher sagen. Chlorit- und Strahl- steinmineralien, auch Asbest und Talk sind sehr verbreitet, während der im Puschlav auftretende Nephrit bis heute in der Dis- graziagruppe noch nicht gefunden wurde. Melzi hält den Serpentin für einen umgewandelten Pyroxenit, was für einzelne Fälle wohl zutrifft, während Bodmer-Beder, Brugnatelli, Cornelius und ich in der Hauptmasse mit guten Gründen, wie an anderer Stelle aus- geführt worden ist, einen metamorphen Peridotit sehen. Das Alter der Malencoserpentine, der Ophiolithe der Suretta überhaupt, ist durch eine Reihe von Vorkommnissen von kontakt- metamorphen Trias- und Bündnerschiefergesteinen als postliasisch bestimmt. Solche Kontaktgesteine kennen wir von den verschieden- sten Punkten des Serpentingebietes. Wir finden sie am Passo d’Uer, auf Canciano, an der Bocchetta delle Forbiei, dort deutlich von den alten Fedozgesteinen getrennt, wir treffen sie wiederum in pracht- voller Entwicklung in den Serpentinen von Val Torreggio, unter dem Lago della Cassandra und dem Passo Cornarossa, in Val Ventina und Sassersa. Gegenüber den Bündner Serpentinen der Margnadecke er- geben sich bedeutende Unterschiede. Das auffallendste Merkmal der Malencoserpentine gegenüber den Serpentinen Graubündens ist aber nicht etwa der Reichtum an Relikten, solche finden sich gerade 124 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 im Oberengadin auch im Bündner Serpentin relativ häufig, sondern der Hauptunterschied liegt in der verschiedenen Struktur dieser Gesteine. Die Serpentine der Margnadecke zeigen lediglich die gewöhnliche Epimetamorphose der Peridotite, reine Re- liktstrukturen bei völlig massiger Textur, sie zeigen eine gewaltige Kataklase, sie sind unter dem Einfluss der Gebirgs- bildung einfach zerbrochen oder aber mylonitisiert worden. Ganz anders der Malencoserpentin. Er besitzt in weitaus den meisten Fällen eine wundervoll kristalloblastische Struktur wie selten ein Gestein, und eineKristallisationssch ieferung ersten Ranges, die wir bei den Bündner Serpentinen vergebens suchen. Er zerfällt nicht in lose Brocken, wie der strapazierte Bündner Serpen- tin, sondern er ist durch eben diese spätere Umkristallisation zum festen kristallinen Schiefer geworden, der sich auch falten liess, wie das gefügigste Sediment. Die Metamorphose des Malencoserpentins verrät mehr Mesocharakter, während die Bündnerserpentine reinsten Epicharakter besitzen. Der Bündnerserpentin ist der ge- wöhnliche Episerpentin, der Malencoserpentin hin- gegen kann in gewissem Sinneals ein Mesoserpentin bezeichnet werden. Der Grund dieser verschiedenartigen Meta- morphose ursprünglich gleicher Peridotite ist in der Stellung der- selben im Gesamtbau der Alpen zu suchen. Die Malencoserpentine liegen in bedeutend grösserer tektonischer Tiefe als die- jenigen Bündens, sie liegen unter den mächtigen Massen der Margna- decke, die Bündnerserpentine aber über denselben, und die Malenco- serpentine tragen eben darum den Charakter einer tieferen Meta- morphose. In ihnen wirkte die postalpine Regionalmetamorphose nach den alpinen tektonischen Tiefen noch kräftig, die Bündner- serpentine hingegen lagen für dieselbe bereits zu hoch. Diese Unterschiede in der Metamorphose der verschiedenen Ser- pentine haben auch praktische Bedeutung. Dank ihrer grossartigen Kristallisationsschieferung eignen sich die Malencoserpentine von vielen Stellen wie selten ein Gestein als ausgezeichnete Dachschiefer. Diese Serpentinplatten von Malenco sind schon seit den Tagen Scheuchzers und Ebels hochberühmt. Nördlich Chiesa z. B. werden sie in Masse gebrochen und weithin durch das ganze Veltlin verführt. Sie lassen sich dort spalten bis auf Bruchteile von Centimetern und sind äusserst solid. Wo aber kann in Bünden Serpentin je zu Dach- platten gebraucht werden? Die Lagerung der Serpentine von Malenco schmiegt Sich im grossen Ganzen der der Umgebung an. In den unteren. Jahrg. 66. Rudolf Staub. Über den Bau des Monte della Disgrazia. 125 Teilen folgt sie dem Bau des Surettadeckenkernes, in den oberen dem der Margnadecke. Dazwischen aber legt sich diese gewaltige Zone in selbständige Falten, deren nähere Enträtselung und Verfolgung heute noch nicht abgeschlossen ist. Als Ganzes macht der Serpentin das Deckenscheitelgewölbe an der Disgrazia als solches mit, allerdings mit sekundären Detailfalten. Steilen nordwärts ge- richteten Faltenwurf beobachten wir in der Kette des Pizzo Ven- tina und östlich davon am Pizzo Rachele und Pizzo Cassandra, prachtvolle, zum Teil doppelt überkippte Faltung treffen wir nörd- lich des Passo Ventina in den Bergen des Monte Braccia. Zu nordwärts überliegenden Mulden gedrehte Gewölbe sind in jenen Ser- pentinbergen keine Seltenheit. Geradezu grandios ist die Verfaltung des Serpentins mit dem Kristallin der Margnadecke in den Ventina- bergen, auf die wir später im Zusammenhang zu sprechen kommen werden. Grossartig ist die Querfaltung der ganzen Serpentinzone an der Disgrazia selbst. Dort werden die Serpentine von der grossen Querfalte des Murettopasses noch ergriffen und durch dieselbe in bedeutendem Masse nach Osten überkippt. In den höheren Teilen des Disgraziagipfelbaues fallen die Serpentine nicht mehr wie sonst allgemein nach Osten, sondern sie stehen durchweg steil und fallen sogar, besonders in der Nähe des Gipfels selbst, steil nach Westen ein, wie im Norden die Amphibolite am Pizzo dei Rossi, und erst östlich der Punta Speranza drehen sie wiederum in nor- males flaches Ostfallen um. Die betreffenden Biegungen sind süd- lich des Gipfelkammes gut zu sehen, in Taf. III habe ich dieselben schematisch dargestellt. Ähnliche, aber minder scharfe Querfalten finden sich auch noch westlich des Passo Cassandra. Am Südabfall des Gebirges treffen wir ähnliches. Zu- nächst sinkt der Serpentin als mächtige, schwach gewellte Platte von der Disgrazia flach nach Süden gegen den Passo di Cornarossa. An den Corni Bruciati jedoch sehen wir ihn wieder steil aufge- richtet. Mehrere südfallende Mulden und Gewölbe sind südlich der- selben gut zu sehen. Die Rückfalten östlich Averta haben wir schon erwähnt. Querfalten gibt es auch hier, wodurch die Basis der Serpentine oft senkrecht gestellt wird. Gegen Süden wird nun die Serpentinzone immer dünner und schmäler, und am Sasso Arso sehen wir bereits das Hangende derselben in Form eines isolierten Lappens altkristalliner Gesteine der Margnadecke flach von oben in den Serpentin eingefaltet. Südlich des Sasso Arso stellen die Serpentine sich steil, analog den unterliegenden 126 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich, 1921 Gneisen und Dolomiten der Surettadecke, analog auch den hangenden Gesteinen der Margnadecke, und zwi- schen beiden altkristallinen Komplexen ziehen nun Trias und Serpentine in schmalem, oft völlig ausge- quetschtem Zuge steil hinab zur Alp Sass Pisöl, In der orographischen Höhe von Alp Foppa, am Terzanabach, treffen wir den eigentlichen Malencoserpentin zum letztenmal, steil aufgerichtet zwischen den Marmoren der Surettatrias im Norden, den kristallinen Schiefern und der verkehrten Trias der Margnawurzel im Süden. Weiter unten fehlt der typische ‚Serpentin bis auf ein unsicheres Vorkommen östlich Alp Sass Pisöl, er wird ersetzt durch Amphi- bolite vom Fornotypus, und endlich keilen auch diese aus, und nur die Trias erreicht als trennendes Mesozoikum zwischen Suretta- und Margnadecke den Talboden bei Alp Sass Pisöl. Cornelius zeichnet in seiner tektonischen Karte des untern Veltlins diese Verhältnisse ganz anders. Er lässt die Trias mitsamt den Gneisen der Pedrarossa um den Serpentin des Sasso Arso schon hoch oben direkt in die steilgestellte Margnadeckenwurzel einschwen- ken, und wollten oder müssten Iwir Cornelius hier folgen, lägen die Verhältnisse tatsächlich so, wie Cornelius sie schildert, so müssten auch die Gneise und Dolomite der Disgrazia und endlich sogar die der Vazzeda und des F ornogebietes zur Margnadecke gerechnet werden. Dies ist nun aber völlig ausgeschlossen, der Zusammenhang dieser ganzen Zone mit der Suretta ist ja nunmehr klar dargelegt, und auch Cornelius selbst wird dies heute zugeben. Nach unseren jetzigen Erfahrungen musste die Tektonik um den Sasso Arso herum eine ganz andere sein als die von Cornelius zum Ausdruck gebrachte. Dies ist nun in der Tat der Fall. Ich bin der mesozoischen Zone zwischen den Margnawurzelgesteinen und den Pedrarossagneisen Schritt für Schritt in den äusserst mühsamen und gefährlichen To- beln des Sass Pisöl nachgestiegen, oft mehr geklettert, und habe den Zusammenhang so gefunden, wie ich ihn schon oben kurz dargestellt. Der Serpentin des Sasso Arso geht senkrecht mit nor- Fallenregelmässig in die Tiefe, der Alp Sass Pisöl zu. Desgleichen nördlich und südlich davon die umgeben- den Gneise. Der Serpentin reicht micht so weit hinab, wie es im Interesse einer völlig einwandfreien Darlegung der Tektonik Jahrg. 66. Rudolf Staub. Über den Bau des Monte della Disgrazia. 127 wäre; er keilt auf der Höhe der Alp Foppa, das ist immer- hin beinahe 300 m unter der Pedrarossa, aus, und nur ein ganz zerriebener Mylonitaus Serpentin findet sich noch in einem Tobel des Terzanabaches zwischen nördlichem und südlichem Gneis, Weiter unten jedoch stellen sich am Nordrand des südlichen Gneises wieder Linsen von Trias und Bündnerschiefern ein, an diese schliessen sich noch weiter unten wiederum Grüngesteine in Form von Amphibo- liten nördlich an, und jenseits derselben endlich finden wir die schon erwähnten Triaslinsen im Gneis der Alp Sass Pisöl. Die mesozoische Zone zwischen Suretta- und Mar- gnadeckenkernen zieht also ohne jeden Zweifel vom Sasso Arso, immer schmäler werdend, als langer Wur- zelkeil tief in dieGneise hinein. Suretta- und Margna- kristallin werden dadurch auch in der enggepressten Wurzelzone noch immer von einander getrennt. Dass der Serpentin von Malenco so rasch auskeilt, ist entschieden sehr schade. Es ist dieses Auskeilen aber nicht so plötzlich wie man an- nehmen könnte; denn schon nördlich des Sasso Arso sehen wir, dank der von oben eingefalteten kristallinen Klippe der Margnagesteine, wie schmal die an der Disgrazia noch so gewaltige Serpentinzone schon hier geworden ist. Sie misst kaum mehr 200 m. Auch damit dokumentiert sich bereits das allmähliche Auskeilen der mesozoischen Zone zwischen den kristallinen Deckenkernen in der Nähe der Wur- zeln. Ein schmaler Schwanz von Serpentin wäre aber wohl trotzdem auch in den tiefen Schluchten am Sass Pisöl noch zu erwarten. Das ist aber mit einziger Ausnahme einer nicht ganz sicher anstehenden Serpentinmasse nicht der Fall. Es scheint vielmehr, dass aus den südlichen, engen Partien dieser mesozoischen Synklinalzone grössere Partien von Serpentin durch den Schub der darüber hinweggleitenden Margnadecke von ihrer Unterlage, der Surettatrias oder gar den Su- rettagneisen, abgescheert und nach Norden verfrachtet worden sind. Dort sehen wir tatsächlich über den ruhigen Gewölben des Suretta- deckenkernes innerhalb der Serpentinzone heftige Faltungen, und dort dürfte vielleicht das Material zusammengestaucht liegen, das wir heute in der enggepressten Wurzelsynklinale leider vergebens bis in die letzten Tiefen hinab suchen. Eine weitere Stütze für die Richtigkeit unserer Auffassung über das Ende der Serpentine am Sasso Arso erblicken wir in den Ver- hältnissen am Südrand der Serpentine in ValMalenco. Dort ist zwischen den Surettagneisen und deren Trias einerseits, der Margna- wurzel andererseits, ein ganz beträchtliches Paket steilgestellter Ser- 128 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 pentine eingeschaltet, dort haben wir tatsächlich einen solchen Wurzelsynklinalschwanz in vollständiger Ausgabe vor uns. Derselbe zieht durch Val Torreggio hinauf, wir beobachten ihn noch unter dem Passo Caldenno, und in seine Fortsetzung fällt zweifellos unsere Syn- klinalzone von Alp Sass Pisöl. Wenn im Osten auf dem Profil des Malencotales diese Wurzelsynklinale so breit und wohl entwickelt, als fast regelmässige Mulde, erscheint, im Westen bei der Alp Sass Pisöl hingegen so arg verdrückt und strapaziert, so können wir auch dies mit einem Blick auf die tektonische Karte und die Geschichte der Alpenfaltung heute begreifen. Die letzten Schübe der spä- teren insubrischen Phasen der Faltung, die die Wurzelgebiete noch mehr zusammenpressten, steiler stellten, noch stärker über- kippten, trafen bereits das Bergellermassiv an seinem heutigen Platz. Dasselbe bildete daher für diesen letzten Schub einen starken Widerstand, der sich in den Zonen südlich des Massivs deutlich in vermehrter Zerdrückung der Wurzelzonen äussern musste. In Val Sass Pisöl wirkte dieser Bergeller Widerstand sehr beträchtlich, weiter im Östen, im Malenco hingegen fehlte derselbe. Deshalb sehen wir die Wurzelmulde des Malencoserpentins im Osten so gut erhalten, im Westen hingegen fast zerdrückt. Damit wäre die Frage der Tektonik an der Südwestecke des Sasso Arso, deren Klarstellung von grösster Bedeutung war, erledigt. Bis hierher haben wir uns hauptsächlich mit dem Westabfall des Gebirges gegen Masino hin oder mit der Hochregion selbst be- schäftigt. Unsere Studien führen uns nun aber allmählich weiter gegen Osten, in die Tiefen der Maleneotäler hinab. Im Hochgebirge ist die Serpentinhülle der Surettadecke eine vollständige, in den tiefen Einschnitten der Malencotäler aber hat die Erosion dieselbe durch- löchert, und die liegenden Gneise und Triasgesteine der Suretta kom- men darunter von neuem zum Vorschein. Es sind dies Die Fenster der Surettadecke in Val Malenco. Dieselben treten auf zwei Antiklinalen unter den Serpentinen ans Tageslicht empor. Die nördliche derselben ist die Fortsetzung des Deckenscheitelgewölbes, das wir an der Disgrazia kennen gelernt haben, und das weiter zum Passo d’Uer und ins Puschlav hinüber- zieht, in sie fällt das altbekannte Fenster von Lanzada. Nördlich Torre Sta. Maria, hart am Nordrand der Margnawurzel, finden wir das zweite Gewölbe, das zwar schon von Cornelius beobachtet, aber als verkehrte Mulde gedeutet worden ist. In ihm liegen die Fenster von St. Anna und von Airale. Wir betrachten zunächst Jahrg. 66. Rudolf Staub. Über den Bau des Monte della Disgrazia. 129 Das Fenster von Lanzada. Dasselbe tritt nur zu seinem allerkleinsten und unvollständigsten Teil in den Bau des Disgraziagebirges ein. Seine Hauptmasse liegt östlich des Mallero in der Gegend von Lanzada am Fusse des Monte Motta,. Es ist dort das tiefste Glied des Berninagebirges. Gneise, Glimmerschiefer und Amphibolite der altkristallinen vor- triadischen Serie, Quarzite, Dolomite und Marmore der Trias und liasische Bündnerschiefer sind dort unter den Serpentinen in zum Teil grosser Mächtigkeit als vollkommene penninische Schichtreihe entwickelt. Am Monte Motta erreicht der in gedrungene Falten zu- sammengetauchte Triasmantel der Surettagneise eine Mächtigkeit von mehreren hundert Metern, die ganze senkrechte Felswand zwischen Lanzada und Cima di Sassa bildend (vergl. Tafel V, Profil 1). Nichts von alledem im Westen, in der Disgraziagruppe. Die Trias fehlt dort tektonisch vollständig. Nur die Gneise sind in typischer Entwick- lung wie bei Lanzada vorhanden. Nördlich Chiesa finden wir sie auf kurze Strecke längs der neuen Murettostrasse vortrefflich aufgeschlossen, und über die Hügel, auf denen die Häuser von Costi Battaini stehen, verfolgen wir sie bis zum Mallero bei Ponte Curlo. Schon Studer und Theobald haben sie dort gesehen. Wie bei Lanzada sind es grüne Paragneise und @limmerschiefer, hie und da spärliche Amphibolite. Sie streichen ostwestlich quer über das Tal, direkt auf die Masse von Lanzada zu und bilden, wie schon Theobald erwähnt, eine steile. Antiklinale. Nördlich fallen sie gegen Norden, südlich gegen Süden ein. Den Nordrand der Gneise treffen wir beim Strasseneinschnitt direkt hinter den oben genannten Häusern. Der Malencoserpentin liegt dort mit einer Zwischenlage von gelblichem Talkschiefer direkt auf dem Altkristallin. Die Grenze ist eine Rutschfläche, also tektonisch. Der Südrand der Gneise ist nicht aufgeschlossen, der Westrand ebenfalls nicht. Das nächste An- stehende ist jedoch überall Serpentin. Der Fensterrand ist also westlich des Mallero nicht gerade über- zeugend aufgeschlossen. Östlich desselben jedoch sehen wir bei Tor- nadri die Gneise von Lanzada gewölbeartig überdeckt und umhüllt von mächtiger, stark gefalteter Trias, und diese ihrerseits taucht allseitig unter den Serpentin, wie dies schon Studer und Theobald und später Cornelius beschrieben haben. Sie bilden das normale Liegende desselben. Aber auch in der Disgraziagruppe kann der Gneis nördlich Chiesa nichts anderes als das normale Liegende der Serpentine sein, er muss nach den nächsten Aufschlüssen ebenfalls Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich: Jahrg.66. 1921. 130 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 gewölbeartig unter dieselben eintauchen. Ein anderer Zusammenhang ist ausgeschlossen. Bedeutend komplizierter, in mancher Hinsicht aber auch viel klarer, sind die Verhältnisse im Fenster von St. Anna. Schon Theobald hat die Gneise und Dolomite von St. Anna ge- sehen, und schon Theobald verband diese Gesteine mit dem Monte ‚Motta. Allerdings auf eine etwas andere Weise als wir dies heute tun, und im Zusammenhang mit dem viel höheren Triasband Le Prese-Scalino, das zur Margnadecke gehört. Cornelius hat dann auf der Ostseite des Mallero die gewölbeartige Lagerung der Trias unter den Serpentinen erkannt, glaubte aber, es handle sich um eine zum Gewölbe gedrehte Mulde. 1915 brachten mich allgemeine Über- legungen über den Bau dieser Gebirge und die Verwertung der be- kannten Beobachtungen zu der Überzeugung, dass es sich hier wie bei Lanzada gleichfalls um das Wiederauftauchen der Surettatrias handle, also um ein zweites Fenster der Surettadecke im Malenco. Diese Auffassung der Dinge harrte noch ihrer Prüfung durch weitere Beobachtungen im Felde, heute kann ich dieselbe nach näherem Stu- dium der Gegend bestätigen und erweitern. Als südlichen Abschluss des Fensters von Lanzada sehen wir südlich Chiesa beidseits des Mallero die Serpentine von Malenco steil, beinahe senkrecht in die Tiefe schiessen. Beim Castell unter der Strasse, die von Torre direkt nach Lanzada und Caspoggio führt, treten dieselben an den Fluss hinunter. Westlich des Mallero sehen wir sie in der Gegend von Basci in gleicher Lagerung. Die ganze Westwand der „Motta“ zwischen dem Castell und Melirolo besteht aus massigem dunkelm Serpentin. Darunter aber schen wir wenig südöstlich von P. 805 der Karte das von Cornelius erwähnte Trias- gewölbe. Der Südschenkel desselben steht fast senkrecht, der nördliche fällt flacher in die Tiefe. Unter den Dolomiten findet sich dort ein dunkler plattiger Kalkmarmor, den Cornelius als Lias aufgefasst hat. Deshalb sah er in dem Triasgewölbe eine verkehrte Mulde Diese Kalkmarmore unterscheiden sich aber in nichts von analogen Schichten der unteren Trias, die dem ganzen Zuge der Surettatriasvom Avers bis ins Malenco eigen sind. Es steht deshalb nach unseren heutigen erweiterten Kenntnissen der Auffassung der Trias östlich des Mallero als normales Gewölbe nichts mehr im Wege. Zur Ge- wissheit aber wird uns die normale Gewölbenatur derselben bei der Betrachtung ihrer Fortsetzung westlich des Mallero. Jahrg. 66. Rudolf Staub. Über den Bau des Monte della Disgrazia. 131 Dort treffen wir nördlich der Häuser von St. Anna am Ostab- hang der Rocca Castellaccio unsere Trias wieder. Diesmal nicht mehr als einfaches, an den Jura erinnerndes Gewölbe wie östlich des Tales, sondern in zwei steil den Berg hinauf ziehenden getrennten Zügen. Zwischen denselben ist auch das Liegende der Trias aufge- schlossen, es erscheinen zunächst Quarzite und dann ein langer Gneiskeil. Höher oben am Hang keilt derselbe in der Trias aus, dieselbe umschliesst ihn in ziemlich spitzer Umbiegung. Der hangende Serpentin macht dieselbe gleichfalls mit, nördlich und südlich der Trias zieht er konkordant mit derselben ins Tal hinab. Der nörd- liche Serpentin setzt sich ununterbrochen gegen Chiesa fort, der südliche schiesst als Wurzelmulde steil in die Tiefe. Wenig weiter südlich wird diese letztere nochmals durch einen Triaszug in zwei weitere Teile zerschlitzt, diese Trennung geht bis zum Gipfel der Rocca Castellaceio, doch ist in dieser Trias vorderhand kein Gneis mehr gefunden worden. Bei St. Anna stösst dieser südlichste Ser- pentin konkordant an die steilgestellten Gneise und Triasgesteine der Margnawurzel. Durch das Auffinden des Gneiskeiles in der Trias ‚an der Rocca Castellaccio ist die Gewölbe- und damit die Fensternatur der Vorkommnisse von St. Anna aufs schönste bestätigt. Es ist noch zu bemerken, dass dieselben nicht streng genommen über St. Anna streichen, sondern ungefähr 500 m nördlich davon. St. Anna ist aber die glücklichste Bezeichnung für dieses Fenster, da weitere Namen der Gegend entweder auf der Karte fehlen oder aber zu nichtssagend oder unbequem sind. Wir werden also in Zukunft vom Fenster von St. Anna reden und uns dabei wohl bewusst sein, dass dasselbe eigentlich etwas ausserhalb dieses Ortes liegt. Dank dem hier starken Axialgefälle gegen Osten erscheinen jenseits des Mallero bei P. 805 die Surettagneise nicht mehr, sie liegen bereits im Schutt oder in der Tiefe verborgen. Das ganze Fenster hat eine Länge von rund anderthalb Kilometern, eine grösste Breite von knapp 600 m. Es ist also bedeutend kleiner als das - Fenster von Lanzada, das eine Länge von fast 5 km erreicht. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass eine genauere Untersuchung der Rocca Castellaccio, deren Hänge in den oberen Teilen stark mit Wald und Moränen bedeckt sind, das Fenster von St. Anna noch etwas nach Westen verlängern kann. Dank dem starken Ansteigen der Achsen gegen Westen, das in der mittleren Disgraziagruppe einsetzt, erscheint nun die Fortsetzung 132 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 des Gewölbes von St. Anna weiter im Westen im Bereich der Alpen Mastabbio und Airale von neuem. Es bildet dort ein weiteres lang- gestrecktes Fenster der Surettadecke im Malencoserpentin. Nach der am nächsten gelegenen Lokalität nennen wir es Das Fenster von Airale. Bei Alp Airale treffen wir, von Süden herkommend, das gleiche Profil wie unten im Tal des Mallero bei St. Anna (vergl. Pr. 2, Taf. V). Im Süden die steilgestellten Gneise und Glimmerschiefer der Margna- wurzel, mit zahlreichen Triaskeilen, nördlich davon eine schmale erste Zone von Serpentin, darauf die Trias und Gneise des Fensters, nördlich wiederum begrenzt und überdeckt von Trias und Serpentin. Auf der Strecke zwischen Airale und der Alp Lago bilden Trias und Gneise eine einfache steil nordfallende isoklinale Serie zwischen den Serpentinen der Disgraziamasse und einem schmalen südlichen steilstehenden Serpentinzug. Derselbe ist sowohl bei Alp Airale selbst hinter den nördlichsten Hütten, als auch ob Alp Mastabbio und Alp Lago deutlich aufgeschlossen. Der Gneiskern ist in wilder Tektonik mit dem Mesozoikum ver- faltet und verschuppt. Dabei gesellen sich zu Dolomit und Gneis einerseits Triasquarzite, anderseits Bündnerschiefer, und, was für die Deutung der Zone gleichfalls sehr wichtig ist, typische hellgrüne Prasinite, wie wir sie aus der übrigen Suretta- decke vom Duangebiet her wohl kennen. An einigen Stellen ist in diesen Kern von Gneis, Trias, Bündnerschiefer und Prasinit auch noch der hangende Serpentin eingekeilt. Daraus resultiert eine äusserst starke enge Faltung der ganzen Zone: dieselbe ist eine Rückfaltung kompliziertester Art, die Umbiegungen der Gneisantiklinalen schauen nach Süden. An vielen Stellen wird die Unterlage der Serpentine normal durch die Trias gebildet, an anderen Stellen aber fehlt dieselbe wieder vollständig, die Trias. ist nur im Innern der Gneiskerne noch vorhanden, und der Serpentin grenzt dann mit scharfer Fläche direkt an die steil gestellten Gneise. ‘ Genau wie nördlich von Chiesa. Im Kristallin dieser Zone sind bemerkenswert Granat führende graue Schiefer ähnlich solchen der Surettadecke im Bergell und grobe Augengneise vom Typus derer im unteren Bergell. Amphi- bolite sind gleichfalls hie und da, zum Teil mit Granaten, vorhanden, aber selten. Die Trias des normalen Nordschenkels der Gneise ist oft am Serpentin sehr schön kontaktmetamorph, in Form von groben Diopsid- und Klinozoisitfelsen. So besonders Bu a ee Per 7.9 F Jahrg. 66. Rudolf Staub. Über den Bau des Monte della Disgrazia. 133 schön in der Gegend von P. 2379 und dann wiederum im westlichen Hintergrund von Val Torreggio unter dem Passo Caldenno. Im Serpentin entwickelt sich dabei oft eine Art Randfazies von Gabbro. Oestlich Alp Airale ist der a) des kompliziert ge- bauten Fensters nirgends vollständig zu sehen, er ist tief abgewittert, und nur die beiden Serpentinschenkel des Gewölbes stehen noch. Westlich der Alp hingegen sehen wir den Malenco- serpentin in prachtvollem südwärts geschlossenem Ge- wölbe allseitig Trias und Gneise der Alp Airale um- schliessen, dieselben tauchen tunnelartig darunterein. Ob sie weiter im Westen unter dem Passo Caldenno nochmals zum Vorschein kommen, kann ich heute noch nicht mit Bestimmtheit sagen, doch scheint mir dies wahrscheinlich. Auf jeden Fall er- scheinen die Rückfalten von Airale am Westrand der Disgrazia- gruppe wieder. Wir kennen sie bereits in den Keilen von Averta in Val Pedrarossa. Die aufgeschlossene Länge des Fensters von Airale beträgt gegen 4km. Die mit Schutt erfüllten Kessel der Alp Lago lassen uns jedoch im Zweifel darüber, ob dasselbe nicht vielleicht bis ganz nahe an das Fenster von St. Anna heranstreicht oder nicht. Die weitere Untersuchung der Rocca Castellaccio wird einst darüber nähere Auskunft zu geben haben. Alle drei Fenster der Surettadecke in Val Malenco waren in ihren Gesteinen schon Theobald, ja zum Teil sogar schon Studer be- kannt. Auch Cornelius kannte diese Gesteinszonen, aber über ihre Tektonik und ihre tektonische Zugehörigkeit hat er sich nicht ge- äussert. Das Fenster von Lanzada als das auffallendste wurde 1915 von mir erkannt, die beiden anderen sind die Frucht diesjähriger Studien. Damit haben wir die wichtigsten Glieder der Surettadecke im Disgraziagebirge behandelt, wir schliessen damit unsere Betrachtung derselben und ‚gehen nun über zur höchsten tektonischen Einheit dieser Gruppe, das ist Die Margnadecke. Die Margnadecke teilt das Schicksal der Suretta insofern, als auch sie in den letzten Jahren ständig an Umfang und Verbreitung zugenommen hat. Zuerst im Schams, Avers und Bergell, und heute wiederum in Val Malenco und Masino. Bei der Behandlung der Margnadecke des Disgraziagebirges 134 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 sind zwei Komplexe scharf zu scheiden, die Deckenteile im Norden, und die Wurzelteile im Süden. Die letzteren sind seit den Untersuchungen von Cornelius bekannt, die ersteren sind als solche erst im Lauf der vorliegenden Untersuchungen erkannt worden. Wir beginnen mit diesen, das heisst mit der eigentlichen Margnadecke im nördlichen Disgraziagebirge. Dieselbe bildet den tektonisch schönsten Teil des Disgraziage- birges, dank ihr wird die Deckentektonik des südlichen Bündens um ein hochinteressantes Kapitel bereichert, Vom Piz Longhin und dem Piz della Margna im Oberengadin zieht diese Decke in gewaltiger Mächtigkeit über den Muretto und die Berge von Fedoz und Fex nach Süden. Auf der Linie Alp Fora-Forcella d’Entova-Bocchetta delle Forbici-Passo d’Uer sah man dieselbe über dem liegenden Serpentin von Val Malenco in die Luft hinausstechen, desgleichen über den Amphiboliten im Fornotal und am Muretto. Daraus glaubte man den Schluss ziehen zu dürfen, dass die grosse Hauptmasse der Margnadecke schon nördlich des obersten Malenk überall in die Luft hinaussteche, und damit am Aufbau der Disgraziagruppe nicht mehr beteiligt sei. Aber schon die alten Schriften und Karten der Escher, Studer und Theobald mussten einen stutzig machen, geben doch alle diese Autoren in der ganzen Talsohle von Chiareggio bis gegen Chiesa hinab nicht Serpentin, sondern mit grosser Bestimmtheit Gneis an. Zum selben Resultat gelangte auch Cor- nelius im Jahr 1915, er verfolgte die Gneise von Chiareggio mit ihren Begleitgesteinen wie Gabbros und Kalksilikatfelsen, mit ihren Marmoren gleichfalls bis gegen Chiesa hinab und auch ein Stück weit in die Disgraziagruppe hinein. 1916 konnte ich auf Grund der Beschreibungen von Cornelius und meiner eigenen Beobachtungen im Öberengadin diese ganze Masse von Chiareggio mit Sicher- Erläuterung zu Tafel IV. D. Monte della Disgrazia M.S. Monte Senevedo Ch. Chiesa M. P, Monte Pioda B.C. Boechel del Cane P Primolo A. Monte Arcanzo R.C. Rocca Castellaecio Cr Chiareggio C.B. Corni Brueiati S.M. San Martino G Alp Girosso S.A. Sasso Arso C. Cattaeggio L. Alp Laguzzolo P. V. Pizzo Ventina S.P. Alp Sass Pisöl F. Alp Forbieina P.C. Pizzo Cassandra Av. Averta A. V. Alp Vazzeda P.R. Pizzo Rachele Ce. Cap. Cecilia C.AI. A.S. Alp Sissone Ps. V. Passo Ventina FT. Torre Sta. Maria L.P. Lago Pirola M. B. Monte Braccia St. A. St. Anna A. A. Alp Airale Ba EN A N aneIs’y ‘ "gzwadsıg] eIop SUOM Soap neg] uop aoqy) a =. R Tektonische Karte des Disgraziagebirges /_ Jen nenne „fer 0 yo ED Er Er ET I BE rc aaa Ee . . N; = A 4.100000 RE = u „ _ ss D FREE ee ar A a ee a u aa er See De ae DIR De Te ee ee ee Me sr Sb A Ten re ER ER EEE N ET EUER % . u ® Pe een ra SE En Ra re 2 Beer er a a BEE, mar | Pe a f Be RP "Av: ae ea le RR We re N eh A er a a 2 ee Be ” #; et en D £ CW/; er une Pr . EEE A N hai ee... U De . wi . Fa Er ne ae RE 5 EEE I RE BE EL Te a a ee ee en We EEE en Bee EEE EN RR a ET . # ee ER “ Ss rt ı) zul) m Be .. Be Rn . ll I — AU! Kupne DREH HERREN 3) . KTITT1 IT al A = u oem ARE En Daie TSE TENETRe N-——4 EEE, en fe ee “yolnz 'sa9 "ynyen "pP YLyossuyeljaneig il Zr | Val Tor M an of ee | i j j [ ! | I 1d HUHN : ' Hl ' } ee AHNUN Hi ‚ His -i ES Mesozoikum ei = \öuretindecke # Altkrısiatlin A.Staub ‘99 "Buyer 1061 "Al el Jahrg. 66. Rudolf Staub. Über den Bau des Monte della Disgrazia. 135 heit der Margnadecke zuweisen, ich konnte im besonderen die Gabbros, Marmore und Kalksilikatfelse jener Gebiete restlos in meine Fedoz-Valpellineserie einreihen. Cornelius hatte sich seinerzeit weder über das Alter noch die tektonische Zugehörigkeit dieser merkwürdigen Gesteinszone geäussert. Ich fasste sie nun erstmals als altkristalline Gesteine der Margnadecke, und zwar tektonisch als untere Abspaltung derselben auf. Karte und Profile der Südöstlichen Schweizeralpen von 1916 zeigen den damals von mir vermuteten Zusammenhang. 1917 schon konnte ich mich aber durch die Arbeiten im öst- lichen Fornogebiet genugsam davon überzeugen, dass der Zusammen- hang auf jeden Fall ein anderer war als der vermutete, aber der Krieg liess leider damals eine Begehung des fraglichen Gebietes, ge- schweige denn eine genauere Untersuchung desselben, nicht in An- griff nehmen. Dass hier ein grossartiges Problem noch seiner Lösung harrte, sah ich wohl, mit dessen Lösung aber musste ich bis zum Friedensschluss, der weitere Arbeit in den südlichen Tälern wieder ermöglichte, zuwarten. Heute bin ich auf des Rätsels Lösung gekommen und kann die- selbe auch mit genauen Beobachtungen belegen. Nicht eine untere Abspaltung, sondern die grosse Hauptmasse der Margnadecke, deren ureigentlicher Kern ist es, der über Chiareggioununterbrochen noch weit in die Disgraziagruppe hineinstreicht. Dabei liegen diese Margnagesteine nur zum kleinsten Teil über den Serpentinen von Malenco, zum grösserensind sie unter und zwischen dieselben eingekeilt. Diese Einkeilungen der Margnadecke in den Malencoser- pentin reichen weit zurück bis in die Gegend von Chiesa, sie dokumentieren eine ganz gewaltige Ein- wicklung der höheren Margna- in die tiefere Surettadecke. Die Tektonik der nördlichen Disgraziagruppe, oder vielmehr die ganze Tektonik des Serpentingebietes von Malenco wird dadurch zu einem der grandiosesten Phänomene im Aufbau der südrätischen Alpen. Deren Entzifferung galt unter anderem im besondern die Ausdeh- nung meiner Untersuchungen in die Disgraziagruppe hinein. Stratigraphisch beteiligen sich am Aufbau der nördlichen Disgraziagruppe nur die altkristallinen Schiefer der Margna- decke. Trias und jüngere Gesteine treten dort nicht auf. Hingegen sind beide kristallinen Serien dieser Decke, die wir vom Oberengadin und Bergell her kennen, Malojaserie und Fedozserie, hier 136 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 typisch vertreten. Die Hauptmasse jedoch bildet unbedingt die Fedozserie. Deren Bestand ist hier im grossen derselbe wie im Oberengadin: Biotitschiefer und Biotitgneise, granatführendekinzi- gitähnliche Gesteine, Amphibolite, dann alte Marmore und Kalksilikatfelse, die Pyroxenquarziteder Muretto- gegend, und daneben in gewaltigen Massen die grobkörnigen weissen Gabbros. Letztere nehmen im allgemeinen die höheren, die Biotitschiefer-Marmorserie dagegen gerne die tieferen Teile der Fedozserie ein. Der Gabbro liegt sehr oft zwischen der eigent- lichen Fedozserie und den Malojagneisen, eine Ordnung der Dinge, die ich auch aus dem Oberengadin kenne, und die auch Argand aus den analogen Gebieten des Wallis erwähnt. Die ganze Serie ist ununterscheidbar von der in Val Fedoz, in die sie auch kontinuierlich übergeht, und von der sie ja nur wenige Kilometer trennen. Im besonderen gilt dies für die Gabbros, Marmore und Kalk- silikatfelse. Mehr verbreitet scheinen im Malenco die älteren Granit- gneise der Serie, die bis jetzt nicht immer sicher von den oft sehr ähnlichen Malojagneisen zu scheiden sind. Auch die Malojaserie unterscheidet sich in nichts von den analogen Gesteinen des Oberengadins. Grüne granitische Au gen- gneise bilden die tieferen Lagen, grüne Injektionsgneise und Paraschiefer, hie und da noch Quarzite, die höheren. Betrachten wir nun die nähere Tektonik der Margnadecke im nördlichen Disgraziagebirge. Wenig ist vorderhand über deren inneren Bau zu sagen. Für eine restlose Entzifferung desselben fehlen uns bis heute noch die nötigen stratigraphischen Untersuchungen innerhalb der alt- kristallinen Serien, insbesondere der Fedozserie. Die Aufstellung einer solchen kristallinen Stratigraphie liegt hier durchaus im Bereich der Möglichkeit. Es wird dies eines der nächsten Ziele meiner weiteren Forschungen sein, und nach deren Abschluss wird sich dann auch der nähere innere Bau dieser altkristallinen Gebiete eher aufklären lassen, als dies momentan noch der Fall sein kann. Für heute betrachten wir daher lediglich die Gesamttektonik der Margnadecke gegenüber ihrer Umgebung. Für die Disgrazia- gruppe kommt nur deren Liegendes, der Serpentin von Malenco, in Betracht. Der Verlauf der Grenze zwischen dem Malenco- serpentin und den altkristallinen Gesteinen der Mar- Jahrg. 66. Rudolf Staub. Über den Bau des Monte della Disgrazia. 137 gnadecke ist es daher in erster Linie, der uns die Tektonik dieser Gebiete im grossen enthüllt, und diese Grenze ist auch im Gebirge eine so scharfe, durch Formen und Farben so ausgeprägte und deut- liche, dass ihre weitere Verfolgung, wenn man einmal die Grundzüge der Tektonik erfasst hat, keine ernsten Schwierigkeiten mehr bietet. Auf-der Linie Septimer-Casaceia-Muretto überlagern im allge- meinen die altkristallinen Gesteine der Margnadecke direkt die Ophiolithe der nächstunteren, der Surettadecke. Dabei treten sowohl Maloja- wie Fedozgesteine mit denselben in Kontakt. Nördlich des Bergells sind es hauptsächlich die ersteren, südlich desselben die letzteren. Infolge fast vollständigen Verschwindens eines Mittel- schenkels ruhen dort die ältesten Kerngesteine der Decke, eben die Fedozgesteine, meist direkt auf den Ophiolithen. Nur hie und da stellen sich kümmerliche Reste eines ausgewalzten Mittelschenkels wieder ein, in Form von schmalen Zwischenlagen von Gesteinen, die wir der Malojaserie zuweisen können. So liegen die Verhältnisse am Murettopass, so treffen wir sie wieder am Nordrand der Disgraziagruppe. Im allge- meinen liegen die Fedozgesteine oder wenigstens deren höheren Teile, die Gabbros direkt am Serpentin, an vielen Stellen je- doch treffen wir zwischen Serpentin und Gabbro, oder zwischen Serpentinen und Parafedozgesteinen einen typischen Mittel- schenkel von Malojaserie eingeschaltet, oft mit der ganzen normalen Schichtfolge von Gabbro über Augengneis und Injektions- gneis bis zu den Paraschiefern und Quarziten. Eine Trias des Mittelschenkels oder auch nur Bündnerschiefer desselben, wie wir sie etwa nördlich des Bergells und am Piz Salacina noch hie und da finden, habe ich in der Disgraziagruppe bis jetzt nicht beobachtet; einen solchen finden wir erst ausserhalb derselben in der südlichen Berninagruppe wieder. Verfolgen wir nun die untere Grenze der Margnadecke vom Murettopass nach Süden (s. Prof. 3, Taf. V). Steil schiessen dort die mesozoischen Amphibolite des Monte del Forno unter die Gesteine der Margnadecke ein. Eine heftige Querfaltung, von der an anderen Orten berichtet worden ist, stellt hier die Grenze der beiden Komplexe beinahe senkrecht, ja nördlich des Muretto selbst sehen wir sie sogar nach Osten überkippt. Aehnlich liegen die Ver- hältnisse, wenn wir dem Lauf des jungen Mallero gegen Chiareggio hinab folgen. Die Steilstellung hält fortwährend an, bis hinab nach Forbieina und weiter in die Disgraziagruppe hinein. Bis Alp della Valle verläuft die Deckengrenze fast stets in der tiefeingerissenen 138 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Talschlucht, nachdem sie wenig südlich der Passhöhe in mehreren Zickzackfalten von den Osthängen des Monte del Forno in dieselbe hinabgestiegen ist. Bei Alp della Valle tritt sie von neuem wieder auf die Westseite des Mallero und zieht von dort hinauf zu den malerischen Hügeln der Alp Vazzeda. Dort sehen wir die Margna- gesteine auf kurze Strecke zum erstenmal von Serpentin, wenn auch nur in schmalem Bande, unterlagert. Bis hierher waren es stets die schwarzen Amphibolite des Monte del Forno, die die direkte Unter- lage des Margnakristallins bildeten. Bei Alp Vazzeda schiebt sich nun erstmals der Serpentin von Malenco in dieselbe ein. In den Bächen südlich derselben jedoch ist die Basis der Decke wiederum als Amphibolit entwickelt, wir können sie dort ausgezeichnet studieren. Sie fällt immer noch steil mit 80° und mehr nach Osten ein. Am Eingang von Val Sissone treffen wir die Grenze von neuem. Hier schaltet sich abermals eine grössere Lage von Ser- pentin an der Deckenbasis ein, und eine weitere grössere tektonisch tiefere Serpentinmasse beobachten wir höher oben in den Felsen nördlich Alp Sissone. Wir haben überhaupt in dieser Gegend den Uebergang von den noch gabbroiden Gesteinen der Fornokettein die rein peridotitischen ultrabasischen der Disgraziagruppe. Der eben genannte Kontakt zwischen Serpentin und Valpelline- gesteinen in Val Sissone findet sich wenige Schritte hinter den letzten Ziegenställen westlich der Brücke, über die der Weg von Forbiecina zur Alp Zocca führt. Am Osthang von Val Sissone sehen wir nun die Margnagesteine über den Serpentinen, später wieder über den Amphiboliten, eine Weile flach in die Höhe ziehen. Dann aber wird die bis anhin immer ruhige flache Basis derselben von heftiger Faltung ergriffen. Sie steigt zunächst plötzlich senkrecht auf, knapp vor die synklinale Einknickung der Margnabasis, die ich eben erwähnte. Die Margnagesteine aber ziehen noch weiter nach Süden. Am Östrand des Disgraziagletschers sind sie noch einige Male hart über den Moränen sichtbar. Aber dort werden sie bereits vom Serpentin des Pizzo Ventina, d.h. ihrer normalen Unterlage, wieder überlagert. Die Ophiolithe der Unterlage derMargnadecke legen Jahrg. 66. Rudolf Staub. Über den Bau des Monte della Disgrazia. 139 sich am Pizzo Ventina nochmals auch über deren Ge- steine hinweg. Dieselben sind in Form einer tiefgrei- fenden liegenden Mulde in ihre Unterlage eingekeilt. Wo westlich des Pizzo Ventina die Margnagesteine zum letzten ” Mal erscheinen, ist zwar eine Muldenumbiegung in ihnen nicht zu sehen. Hingegen beobachten wir eine solche in dem analogen sekundären Keile von Margnakristallin, der etwas weiter nördlich, ungefähr auf der Höhe des Gletscherendes, in den Serpentin hinein- sticht, und sehen dort gleichzeitig jene spitze Biegung auch lücken- los vom Serpentin umhüllt. Die liegende Mulde ist dort aber bereits zum falschen Gewölbe gedreht. Ein Teil der Malencoserpentine legt sich also in der Ventinagruppe in Form einer gewaltigen liegenden Falte nochmals über das Kristallin der Margnadecke hinweg. Die Margnadecke ist tief in die Serpentine von Malenco _ eingekeilt, weithin in ihre Unterlage eingewickelt. Ihre letzten ‚Spuren treffen wir nordwestlich unter dem Pizzo Ventina. Die gleiche grossartige Einkeilung der Margnadecke in die Malencoserpentine finden wir nun in prachtvoller Form, noch viel überzeugender, weiter östlich ein zweites Mal in den Abstürzen des Monte Braccia gegen denMallero. (s. Prof. 2, Taf. V und Taf. IV.) Wir steigen von Chiesa hinauf gegen Chiareggio. Aus den Surettagneisen des Fensters von Lanzada gelangen wir hinein in die gewaltige Masse des Malencoserpentins, die sich vom Monte Motta im Osten ununterbrochen über den wilden Mallero in die Basis des Monte Braccia und die zentrale Disgraziagruppe hinein verfolgen lässt. Vom engen Ausgang der Malleroschlucht bei Ponte Curlo über die altberühmten Ardesiabrüche bleiben wir in diesem untersten normal gelagerten Serpentin der Surettadecke bis weit gegen San Giuseppe hinein. Bei la Zocca sehen wir von ferne schon die obere Grenze des Serpentins. Deutlich hebt sich über seinen braun- roten massigen Wänden das hellere Grau und Grün einer höheren Serie ab. Es sind die Gesteine der Valpelline-Fedozserie, und im besonderen deren Gabbros, die hier lokal die Basis der Margnadecke bilden. Bei La Zocea sehen wir die Grenze steil durch das Tobel, durch welches der Weg nach der Alp Girosso führt, hinaufziehen, dann legt sie sich flacher nach Süden hin, und nun verfolgen wir im grossen längs des Weges, der von Girosso fast „horizontal“ nach Pradaccio in Val Sassersa führt, die Gesteine der Fedozserie 140 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 ununterbrochen als hellere graue und rostig gebänderte Felsen hoch über dem Serpentin der Tiefe bis zurück in die Tobel ob Primolo. Gabbros, Biotitschiefer, Marmore, Kalksilikatfelse, granatführende Gneise und Glimmerschiefer, Pyroxen- quarzite, Pegmatite, kurz der ganze typische Bestand der Fedozserie findet sich hier in reichem Durchein- ander und vollständigerSammlung vor. Unmittelbar unter La Zocca, dort wo der alte Murettoweg über den Mallero führt, finden wir prachtvolle Kalksilikatfelse, genau dieselben wie in Fex und Fedoz, weiter südlich Biotitgneise und -Schiefer. Erstere sind jene „kalkhaltigen Quarzite“, die schon Theobald erwähnt. Die tal- aufwärts folgende wilde Enge, in der der Mallero dahinbraust, liegt völlig in der Fedozserie. Marmore, Kalksilikatfelse und Amphibolite, auch kinzigitähnliche Gesteine finden wir noch bis gegen den Ein- gang von Val Orsera, und wenn wir von Girosso hinüber- steigen zum einsamen Laguzzolo, so queren wir die gleiche Ge- steinssippe mit Marmoren, Gabbros und Kalksilikatfelsen ohne Unter- bruch von Val Fura bis Val Orsera wie unten im Tal. Ein Zweifel an der Zugehörigkeit dieser Gesteinsgesellschaft zur Fedozserie der Margnadecke kann gar nicht aufkommen. Zudem verfolgen wir dieselbe ohne jeden Unterbruch über die Nordosthänge des Monte Senevedo bis in die Gegend von Chiareggio hinein. Sie bilden den ganzen Talhang vom Mallero bis zum Lago Pirola und Monte Senevedo hinauf. Am Ausgang von Val Fura- chetta queren sie ohne Unterbrechung den Mallero und stehen in sicherer Verbindung mit der Fedozserie des Piz Fora, und über den Lago Pirola und die untere Ventina erreichen sie gleichfalls ohne jede Unter- brechung die Gneise von Forbicina, die wir vom Muretto her ohne Unterbruch als die Gesteine der eigentlichen Margnadecke verfolgt haben. Auf der ganzen Strecke von Primolo bis Forbieina ist der Charakter der Serie unzweideutig. An den Hängen ob dem See von Laguzzolo finden wir den Fedozer gabbro in grossartiger Entwicklung, des- gleichen am Lago Pirola und in Val Ventina, und am Monte Senevedo erscheint die reichgebänderte Marmorserie mit herr- lichen Kalksilikatfelsen und Granatgneisen, mehr durch die Tiefe des Tales ziehen die gewöhnlichen Gneise, Die Gesteine des Zuges Lago Pirola-Primolo sind genau dieselben wie die der Margnadecke, sie hangen auch direkt mit deren Hauptmasse zusammen. Jahrg. 66. Rudolf Staub. Über den Bau des Monte della Disgrazia. 141 Auf der Linie Zocca-Girosso-Val Fura sehen wir die Serpentine von Malenco unter diese Margnagesteine einschiessen, und dasselbe beobachten wir östlich des Mallero am Monte Motta (s. Pr. 1, Taf. V). Hier haben wir dienormale AuflagerungdesMarg nakristal- lins auf den Malencoserpentin. Wie staunen wir aber, wenn wir hoch über der Fedozserie, die wir eben beschrieben haben, den Malencoserpentin von neuem als gewaltige Decke sich über die Fedozgesteine ausbreiten sehen (Taf. IV). Durch die Wände des Monte Braccia, die höheren Partien von Val Fura, den Hintergrund von Val Orsera sehen wir denselben von neuem nach Norden vorstossen, und die düsteren Hochgipfel dieser Region gehören samt und sonders bis über die Bocchetta delCane hinaus zum Serpentin. Als scharfe Linie verfolgen wir die Grenze von Serpentin und Fedozgesteinen weithin flach durch das Gebirge. Vom oberen Laguzzolosee läuft sie östlich um P. 2625 herum, erreicht, nun steilgestellt, die Furkel von P. 2506, die ich Bocchetta Pirola nennen möchte, und zieht von dort in scharf westlicher Richtung schnurgerade zum Lago Pirola. Der nun folgende tiefe Kessel der unteren Ventina ist bis weit in die Fedozserie hına ingeschnitt An seiner Ostseite sehen wir den Serpentin der Monte Bracciagruppe abermals flach nach Süden ziehen, auf weite Strecken die liegenden Fedozgesteine flach überlagernd. Gegen Westen hängt dieser Serpentin des Monte Braceia zusammen mit dem des Ventinanordgrates, und die liegenden Fedozgesteine sehen wir um P. 2554 herum in jenen Einwicklungskeil einschwenken, den wir oben aus Val Sissone beschrieben haben. Der Zusammenhang ist also lückenlos. Wir verfolgendie Fedozgesteine der Margnadecke also bis tief in die Disgraziagruppe unter den Pizzo Ventina und hinter den Monte Braceia hinein, unddie- selben werden bis hinaus zum Lago Pirola von neuem durch den Malencoserpentin überdeckt. Die höhere Margnadecke ist hier gewaltig in ihr Liegendes, die Malencoserpentine,eingefaltet inFormeinermächtigen weit ausholenden liegenden Falte. Der Serpentin dringt in Form einer grossartigen, liegenden Faltenstirn tief in den hangenden Kern der Margnadecke ein. Diese Falte erreichte aber am Nordrand des Lago Pirola, wo die Fedozgesteine sich vor den Serpentinen steilstellen, noch keineswegs ihr Ende, sondern die Ser- pentine drangen, wie uns die Verhältnisse im südlichen Berninagebirge jenseits des Tales von Chiareggio lehren, noch bedeutend weiter nach Norden vor (s. Taf. V). Diese obern Serpentine des Monte Braceia 142 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 bilden östlich des Mallero die Masse des Monte Nero, sie ruhen dort gleichfalls auf Gesteinen der Margnadecke, die ihrerseits dem Serpen- tin des Monte Motta aufliegen. Am Monte Sasso Moro schliessen die beiden Serpentine um das keilförmige Ende der Margnadecke zu- sammen, sie vereinigen sich. In der Gegend der Alp Fora und am Piano Tremoggia stossen die obern Serpentine bis nahe unter den Chapütschpass, die Wasserscheide gegen Fex und Oberengadin; sie werden dort vom normalen, ununterbrochen mit der Wurzel zu- sammenhangenden oberen Hauptteil der Margnadecke überlagert. Derselbe biegt dort sichtbar um diese Serpentine herum in den Ein- wicklungskeil der Margnadecke zurück, und nur einer äusserst heftigen Querfalte ist es zuzuschreiben, dass diese Serpentine nicht auch noch geöffnet hat. Westlich Val Ventina hingegen, wo die Axen der Falten stark in die Höhe steigen, erscheint die Margnaunterlage in aus- gedehnten Flächen entblösst, und die Se rpentine der Braccia- ‚masse sind in einzelne „K lippen“ aufgelöst. Eine solche liegt gerade westlich Alp Ventina. 3 Über die nähern Zusammenhänge mit der Berninagruppe siehe: R. Staub, Zur Tektonik der penninischen Decken in Val Malenco. Jahresber. Naturf. Ges. Graubündens. Chur 1921. Jahrg. 66. Rudolf Staub. Über den Bau des Monte della Disgrazia. 143 Die Fedozgesteine sind an mehreren Orten mit den Serpentinen noch in steil nordwärts überlegte Falten gelegt. Die oberen Serpentine des Monte Braccia greifen dabei tief muldenförmig in die Margna- gesteine hinein. Sie werden nun ihrerseits in diese selbst eingewickelt, und umgekehrt sehen wir oft den Margnakeil steil aufgerichtet auf weite Strecken das Gebirge durchziehen. Dank dieser Lokalfaltung gelangt so das Margnakristallin an gewissen Stellen so hoch hinauf, dass es die Serpentinhülle ganz durchsticht, und dann sehen wir die obere Serpentinmasse des Pizzo Ventina und Monte Braceia weithin geteilt durch einen Gneiszug der Margnadecke, der von unten hinauf- gefaltet worden ist. Zwei solcher Keile finden sich auf der Westseite von P.2554 im Nordgrat des Pizzo Ventina. Weithin sicht- bar ziehen dort die Gneise der Margnadecke aus der Tiefe herauf, sie erreichen den Grat und trennen dort die Serpentine des Pizzo Ventina in zwei Massen. Diese Faltung ist so grossartig und allgemein, dass wir diesen aufgerichteten Margnagneis von P. 2554 quer durch das ganze Gebirge hindurch verfolgen können. Am Ende des Ven- tinagletschers treffen wir ihn von neuem, am Passo di Ventina stechen seine grauen Felsen von weitem schon aus dem dunklen Braun der Serpentine, und von dort verfolgen wir ihn über die Laghet ti in Val Sassersa bis gegen Pradaccio hinab. Dieser lange Gneiszug ist einer der Muldenkeile der Einwicklung, steil gestellt durch letzte Lokalfaltung. Er trennt die Masse des Monte Braccia vollständig von den Serpentinen der zentralen Disgraziagruppe ab. In Val Sassersa und am Passo Ventina habe ich diesen merkwürdigen Gneiszug, der übrigens aus Sassersa schon Theobald bekannt war, näher studiert. In der Mitte des Zuges finden wir entweder den Gabbro der Fedozserie oder aber deren Biotitschiefer oder Am- phibolite, an beiden Rändern gegen den Serpentin zu, sowohl im Norden wie im Süden, zunächst grüne Augengneise, dann gewöhnliche grüne Paragneise der Malojaserie. Ein Zeichen, dass hier gegen die Mulden- umbiegung des Einwicklungskeiles hin ein Mittelschenkel noch recht gut erhalten geblieben ist. Die Gabbros im Kern des Zuges traf ich zwischen Pradaccio und den Laghetti im mittleren Val Sassersa, die Biotitschiefer und Amphibolite direkt unter den Laghetti und am Passo Ventina. Zwischen diesem zentralen Gneiszugdes Passo Ven- tina und dem Lago Pirola ist der obere einwickelnde Malencoserpentin tiefmuldenförmigeingesenkt, selbst wiederum eingewickelt, und nur dieser Versenkung verdanken wir heute noch dasVorhandensein der herr- 144 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 lichen verkehrten Klippe von Malencoserpentin am Monte Bracecia, Bis jetzt haben wir zwei eingewickelte Keile von Margna- kristallin im Malencoserpentin behandelt, denjenigen, den wir bis unter den Pizzo Ventina verfolgen konnten, und dann den grossen, der im Zuge des Passo Ventina—Val Sassersa steil aufgerichtet er- schien. Ein dritter solcher Keil,im grossen derselben Einwicklung erster Ordnung angehörend wie die andern, dokumentiert sich im Tal des Mallero nördlich der Plattenbrüche. Dort sehen wir an der westlichen Talwand den Serpentin unter der grossen Masse von Fedozgesteinen nochmals durch Margnagesteine in zwei Teile ge- trennt, dieselben greifen dort nochmals ungefähr einen Kilometer weit noch Süden in ihre Unterlage ein. Ein weiterer solcher Einwicklungskeil liegt wenig ausserhalb des eigentlichen Disgraziagebirges, es ist der Gneis der Alp Vaz- zeda, den wir eingangs erwähnten. Derselbe wird im Osten noch- mals durch Serpentine von der eigentlichen Margnadecke der Alpe dell’Oro getrennt. Der Zusammenhang ist zwar nicht ganz klar aufgeschlossen, ich vermute aber etwas Analoges wie weiter im Süden, d. h. dass der Gneiss der Alp Vazzeda gegen Süden hin auskeilt und eingewickelt und umschlossen wird vom Serpentin, der keilartig zwischen ihm und Alpe dell’Oro nach Norden dringt. Genau be- weisen lässt sich dieser Zusammenhang leider nicht, er wird aber durch die analogen Fälle in der Disgraziagruppe äusserst wahr- scheinlich gemacht. Auch weiter im Norden am Murettopass und im Bergell finden wir Ähnliches. Etwas Merkwürdiges bleibt mir noch zu erwähnen, das ist eine Platte von Serpentin am Ausgang von ValOrsera. Dieselbe scheint im Westen mässig steil auf der Fedozserie von Laguzzolo zu liegen. Danach könnte sie den Serpentinen des Monte Braccia ent- sprechen. Das daraus konstruierte überstürzte Axialgefälle derselben würde ausgezeichnet zu jener Querfalte passen, dank welcher jenseits des Mallero auf Alp Fora der Serpentin nach Westen hin definitiv in die Luft hinausgehoben wird. Daneben ist dieser Serpentin auch noch normal in die Fedozserie eingefaltet. Damit haben wir nun die Komplikationen im Bau der Margna- decke in der nördlichen Disgraziagruppe erschöpft. Das Studium derselben hat uns eine herrliche Tektonik offenbart, wie sie nur selten in einem so geschlossenen Gebirgsstück zutage tritt. Die Margnadecke ist dort tief in ihre Unterlage, den Ma- lencoserpentin, eingewickelt, und derselbe greift in Form einer Jahrg. 66. Rudolf Staub. Über den Bau des Monte della Disgrazia. 145 gewaltigen liegenden Falte weit in den Deckenkern der Margna vor. Diese Einwicklung beträgt etwa 8 km. Damit schliessen wir unsere Betrachtungen über die Margna- decke der nördlichen Disgraziagruppe und wollen nun noch kurz deren Verbreitung im Süden studieren. Die Margnadecke im Süden der Disgrazia. Die Margnadecke ist auch im Süden der Disgrazia noch einmal als Decke, flach gelagert auf den Serpentinen, vorhanden, bevor sie steil zur Wurzel hinabsinkt. Es handelt sich um ein einziges Vor- kommen am Sasso Arso. Dort sehen wir über den Serpentinen nochmals Trias und Gneise, die nur der Margnadecke angehören können. Sie sind den Serpentinen muldenförmig eingelagert und bilden dort eine kleine Klippe. Dieselbe war bisher nicht bekannt. Weitere Vorkommnisse dieser Art kenne ich bis jetzt nicht, ich habe auch die Klippe am Sasso Arso nicht genauer untersucht. Endlich bleibt uns noch als letztes tektonisches Element der Disgraziagruppe kurz zu betrachten Die Wurzelzone der Margnadecke. Dieselbe bildet den südlichen Abschluss des weiten Serpentin- gebietes von Malenco und Pedrarossa und damit den eigentlichen Abschluss des Disgraziagebirges gegen Süden. Sie ist von Cornelius vor kaum fünf Jahren genauer beschrieben worden, und ich kann mich daher kurz fassen. Ich habe diese Zone im Detail auch nur sehr wenig studiert, da sie bereits ausserhalb des in Betracht ge- zogenen Gebietes liegt, und würde sie kaum erwähnt haben, wäre mir nicht gerade hier ein wichtiger Fund gelungen, nämlich die Ent- deckung der Fedoz-Valpellineserie. Bis jetzt war diese typische tiefere kristalline Serie der Margna- decke wohl im Deekenteil dieser Einheit, d. h, im Bergell, Ober- engadin und Malenco nachgewiesen, aus der Wurzelzone von Val Malenco hingegen kannte man sie nicht. Dies musste bei der rela- tiv geringen Entfernung der beiden Gebiete umsomehr befremden, als sich diese Serie andererseits fast unverändert vom Engadin bis ins Wallis erstreckt, und als sie auch in der Wurzelzone im Tessin hatte aufgefunden werden können. eute kann die Fedozserie aueh in der Wurzel der Margnadecke im Malenco als weit verbreitet gelten. Ich kenne sie von ValMasino bis zum Passo d’Uer, also weit über das engere Disgraziagebiet hinaus. Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 66. 1921. ‚10 146 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 In Val Masino gehören hierher feinkörnige, oft monzonitähnliche Gabbros, ich fand solche beispielsweise südlich Val Sass Pisöl und in Val Terzana.. Um die Wurzelsynklinale der Alp Sass Pisöl er- reichen sie vereinzelt auch noch die Surettagneise. Die Fedozserie reicht hier also auch noch in den allersüdlichsten Teil der Surettadecke hinein. — Östlich Val Malenco sind es gleichfalls diese Gabbros, zum Teil zusammen mit Marmoren und kinzigitähnlichen Gestei- nen, die von ferne schon innerhalb der Malojaserie auffallen. In der Disgraziagruppe treffen wir im Bereich von Val Tor- reggio die alte Marmorserie an verschiedenen Stellen, so sehr schön in der Gegend der Alpen Palü und Serra. Die ganze Serie ist auch hier genau wie im Norden oder im Wallis schon von weitem dank ihrer rostbraunen Farbe und ihrer charakteristischen Bänderung gegenüber den kompakteren heller graugrünen Malojagesteinen zu erkennen. Sie bildet auch hier den Kern der Decke, d.h. sie wird auch hier in der Wurzel beidseits von Malojagesteinen und Mesozoikum umschlossen. Malojaserie und Trias nördlich der Fedoz-Valpellinegesteine des Wurzelkernes sind nur als schmale, aber vielfach in sich geschuppte Zone entwickelt. Dieselbe spielt die ty- pische Rolle eines reduzierten Mittelschenkels, während Maloja- serie und Trias im Süden des Fedozkernes die normale Mächtigkeit _ der Schichtfolge aufweisen. Gewaltig ist auch die Schuppung dieser südlichen Zone am Monte Arcoglio, am Monte Caldenno und in den Tobeln westlich von Torre, und durchgreifend die grossartige Uberkippung derselben, dank welcher die Wurzelgesteine bis gegen 45° oft flach nach Norden einschiessen. In den Talgründen von Val Torreggio und Malenco hingegen steigen dieselben fast senk- recht aus der Tiefe empor. Damit haben wir den Bau des Disgraziagebirges in kurzen Zügen umrissen. Derselbe fügt sich mühelos in das Gebäude unserer Bünd- nerdecken. Es bleibt uns nur noch übrig, die wichtigsten Resultate unserer Untersuchungen im folgenden kurz zusammenzufassen und etwelche allgemeinere Ergebnisse hervorzuheben. Der Bau des Monte della Disgrazia. Drei grosse Einheiten sind es, die dieses gewaltige Felsengebirge aufbauen. Im Westen das Bergellermassiv, im Osten die höchsten penninischen Decken, Suretta und Margna. Das Bergellermassiv steht ausserhalb der Alpenfaltung, als mehr oder weniger steifer, relativ unbewegter jüngerer Klotz mitten im bewegten alpinen Deckenland, a Jahrg. 66. Rudolf Staub. Über den Bau des Monte della Disgrazia. 147 die penninischen Decken jedoch zeigen die reiche Architektur der alpinen Faltung. | Das tiefste tektonische Glied der Disgraziagruppe ist die Su- rettadecke. Sie reicht nach unseren heutigen Unter- suchungen nun vom Bergell zurück bis an den Südfuss der Disgrazia inVal Sass Pisöl und Val Torreggio und erreicht damit von ihrer Stirn bei Andeer bis zurück zu ihrer Wurzel in Val Masino eine Länge von weit über 50 km. Sie baut den weitaus grössten Teil des ganzen Ge- birges auf. Ihre Schichtreihe ist gegenüber der nördlich des Bergells stark verändert. An die Stelle der Bündnerschiefer treten die Ophio- lithe, und unter diesen herrschen wiederum deren ultrabasische Glie- der, die Serpentine. Dazu ist die Trias durchwegs viel weniger mächtig als in den Deckenteilen nördlich des Bergells, und treten im beson- deren die Quarzite derselben ganz zurück. Der Wechsel der Fazies ist aber kein sprunghafter, sondern ein kontinuierlicher, der Über- gang vollzieht sich im Fornogebiet. Die Hauptänderung der Surettaschichtreihe von Norden gegen Süden liegt in der gewaltigen Zunahme der Ophiolithe. Deren Verbreitung lässt sich nun genauer verfolgen als vor einigen Jahren. Die Ophiolithe der Surettadecke zwischen Avers und Malenco gehören alle mehr oder weniger einem ge- waltigen Laccolithen grossen Stiles an. Im Süden ist derselbe einheitlich und geschlossen, gegen Norden verfingert er sich immer mehr und mehr mit seiner sedimentogenen Hülle, den Schistes lustres, und seine letzten Ausläufer verlieren sich schliesslich in ein- "zelnen Lagern im Bündnerschiefer des Avers. Im Avers füllen die Bündnerschiefer fast den ganzen weiten Raum zwischen der Surettatrias und den überschobenen Massen der Margnadecke, und die Ophiolithe sind nur äusserst selten. Gegen Süden nehmen sie aber schon im Avers stark zu. Am Piz Piott, an den Gletscher- hörnern, am Piz Duan schwellen die Ophiolithlager an Zahl und Mächtigkeit immer mehr an, und südlich des Bergells ver- einigen sich alle diese einzelnen Lager zu einem gros- sen einheitlichen Laeccolithen, der nur noch selten etwa durch ein Bündnerschieferband zerlappt .ist. So liegen zum Beispiel die Verhältnisse im Fornogebiet. In der Dis- graziagruppe endlich, in Val Malenco überhaupt, ver- lieren sich auch die letzten Bündnerschieferkeile im Laceolithen, und derselbe füllt nun den ganzen weiten 148 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Raum zwischen Surettatrias und Margnakristallin als gewaltige, durch und durch einheitliche Masse. Fig. 1. Schema des Ophiolithlaccolithen der Surettadecke zwischen Avers und Val Malenco. # ? i R, Staub, 1920. Val Malenco Bergell Avers Glaukophangesteine Gabbros Prasinite, Amphibolite Serpentine Bündnerschiefer Altkristallin Aus dieser Verteilung der Ophiolithe zwischen Avers und Ma- lenco geht nun deutlich hervor, dass der Herd der Intrusion im Süden, d.h. in Val Malenco selber lag. Dort drang der Laccolith in das penninische Mesozoikum, und dort finden wir daher die grössten Massen der Ophiolithe, gewissermassen den Kern der In- trusion. Die einstige Vorstellung von Cornelius und mir, die Ser- pentine von Malenco seien im Süden der Margnadecke an der Basis der ostalpinen Schubmassen intrudiert worden, und dann durch die spätere Überfaltung der Margnadecke in ihre heutige Lage unter derselben gebracht worden, muss heute verlassen werden. DieOphio- lithe von Malenco haben mit denen im Hangenden der Margnadecke nichts zu tun, sie sind nicht an der ost- alpin-penninischen Grenze wie jene, sondern mit- ten im penninischen Sedimentationsraum emporge- drungen. Eine wichtige Frage ist heute die: gehören die Ophiolithe der penninischen Zone dem ersten Hauptstadium der tertiären Alpenfal- Jahrg. 66. Rudolf Staub. Über den Bau des Monte della Disgrazia. 149 tung an, oder fällt ihre Intrusion schon in die geosynklinale, embryo- nale Phase der Gebirgsbildung? Sind es Intrusionen längs den Überschiebungsflächen der grossentertiärenDek- ken, oder sind sie eine Erscheinung,diezusammengeht mit denembryonalen orogenetischen Bewegungen wäh- rend der Versenkung der Geosynklinalen? Die Lösung dieser Probleme ist nicht so einfach. Einerseits finden wir grosse Ophiolithmassen an der Basis verschiedener grosser Decken, so die des Oberhalbsteins und Engadins an der Basis des ostalpinen Decken- blockes, die von Zermatt und Avers-Malenco an der Basis der Dent- blanche-Margnadecke, und jene von Antrona und Chiavenna-Misox wiederum unter der Monte Rosa- und Tambo-Surettadecke. Anderer- seits aber kennen wir in den Alpen so und so viele gewaltige Über- schiebungen ohne eine Spur von Ophiolithen. So fehlen sie überall innerhalb der ostalpinen Decken, zum Beispiel an der Basis der Sil- vretta, an der Basis der Campo-, der Languard-, der Berninadecke, so fehlen sie im Penninikum der Basis der weitaus gewaltigsten Decke der Region, der Bernharddecke, bis auf geringe Spuren völlig. Die Intrusion derOphiolithe an derBasis vongros- sen Decken ist also zum mindesten keine Regel. Hin- gegen ergeben die Untersuchungen über die Verbreitung und Ver- teilung der Ophiolithe mit Sicherheit, dass dieselben stets an bedeutende Geosynklinalen geknüpft sind. Sie finden sich erstens nur im penninischen Mesozoikum, sie fehlen dem Ost- alpinen und dem Helvetikum als Geantiklinalgebieten vollständig, und innerhalb des Penninikums sehen wir sie gleichfalls wieder nur in den sekundären tiefen Geosynklinalen desselben gehäuft, sie fehlen überall den Geantiklinalgebieten. Darum fehlen sie zum Beispiel der normalen Hülle der Adula in der Umgebung von Vals, darum auch den Bündnerschiefergebieten um Splügen und Andeer, darum suchen wir sie auch vergebens in den sogenann- ten „Teilsynklinalen“ der Margnadecke im Oberengadin, Bergell, Avers und Schams. Alle diese Gebiete lagen im Bereiche von Ge- antiklinalen, wie der Charakter ihrer Sedimente zeigt, und die Ophiolithe stellen sich in diesen Deckengebieten im- mer erst alpeneinwärts gegen die Geosynklinalzone der Decke hin ein. Das Einsetzen und Anschwellen der Ophio- lithe der Surettadecke im Avers und Bergell, das im Malenco bis zur völligen Verdrängung der Sedimente geführt hat, ist wohl das schönste Beispiel dieser Art. Die Verfolgung der Ophiolithhorizonte der Adula und der Margnadecke führt aber zum selben Resultat. Die 150 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Ophiolithe stellen sich von den Deckenstirnen gegen Süden ganz all- mählich ein, in der Adula zum Beispiel zwischen Valserberg und Chiavenna, und die höheren Teilelemente dieser Decken, ‚deren hö- here Schuppen, die aus dem südlicheren Geosynklinalgebiet der Decken stammen, zeigen immer mehr die Zunahme und schliessliche Vorherrschaft der Ophiolithe. So sehen wir dieselben in den höheren Schuppen der Adula zwischen Piz Aul und Safien in grossen Massen, so erlangen sie gewaltige Mächtigkeit in den höheren Schuppen der Margnadecke, ich brauche nur an die riesigen Ophiolithmassen des Oberhalbsteins zu erinnern. All das zeigt uns, dass die Ophiolithe in erster Linie an die Geosynklinalen gebunden sind, also nicht erst zur Zeit der ersten grossen Schübe am Anfang der tertiären Faltung intrudiert sein können. Anlass zu diesen Intrusionen müssen allerdings gebirgsbildende Bewe- gungen gewesen sein, ohne solche wäre der einseitige Charakter dieser Lakkolithen undenkbar, aber solche orogenetische Bewegungen spielten sich ja, wie wir nun wissen, auch schon in den Geosynklinalen ab. Die tieferen Ursachen dieser Intrusionen sind sogar an solche embryonale Bewegungen geknüpft, doch sind wir über deren Ausmass heute noch nicht genau aufgeklärt. Das eine scheint heute sicher, dass die grossen Ophiolithintrusionen des Penninikums schon eine Begleiterscheinung dertiefgreifenden Geosynkli- nalen gewesen sind, und dass dieselben damit schon in eine frühere embryonale Epoche der Gebirgsbildung fallen, wahrscheinlich in das spätere Mesozoikum (8. Fig. 1, pag. 148). Die Verteilung der Ophiolithe zwischen Avers und Malenco führt uns nun auch zum Verständnis der Di fferenziation in diesem vielgestaltigen Laccolithen. In den tieferen Kern- teilen desselben sammelten sich die schwereren ultrabasischen Massen, dort kristallisierten die Peridotite ‚ deren spätere Metamor- phose die Serpentine lieferte. Indiehöheren und entfernteren Lagen desselben drangen nur die leichteren saureren Magmen ein, sie erstarrten dort als Gabbros und Diabase, Diabasporphyrite usw.; deren Metamorphose schuf jene Saussuritgabbros, Prasi- ni te und Amphibolite, die wir heute beobachten können. So finden wir die grossen Serpentinmassen nur im ein- heitlichen Kern des Laceolithen im Malenco, dieGrün- schiefer und Amphibolite mehr gegen den Rand hin im ganzen Gebiet zwischen Malenco und Avers, die reinen Gabbros erst weit draussen in Avers. Desgleichen sind die Jahrg. 66. Rudolf Staub. Über den Bau des Monte della Disgrazia. 151 natronreichen Glieder der Serie, die Glaukophangesteine, an die äussersten Ränder lokalisiert, wir treffen sie gleichfalls nur zwischen Bergell und Avers (s. Fig. 1). Ähnliche Differenziationen innerhalb desOphiolithlaccolithen treffen wir auch im Zuge Valserberg-Chiavenna. Auch dort sind die Serpen- tine als basische Kernmassen nur im einheitlichen Laccolithen im Süden entwickelt, die gabbroiden Grünschiefer in den Ausläufern desselben im Norden. Auch in den Ophiolithgebieten der Margnadecke scheinen ähnliche Verhältnisse vorzuliegen, doch erlauben vorderhand die äusserst komplizierten tektonischen Verschuppungen derselben kein sicheres Urteil. Nach dieser Abschweifung kehren wir zurück zum Monte della Disgrazia. Die Ophiolithe bilden die Hauptmasse der Surettadecke im Disgraziagebirge. Deren Unterlage, Surettatrias und Suretta- gneise, tritt am Westrand der Gruppe auf der Linie Disgrazia- gletscher-Alp Sass Pisöl unter denselben hervor, ferner in Form von drei Fenstern im Gebiet von Val Malenco, bei Chiesa, St. Anna und Airale. Die ganze Decke bildet im grossen ein flaches Gewölbe mit sekundär gefalteten Schenkeln, dessen Scheitel treffen wir an der Disgrazia. Es entspricht der grossen Wölbung der Deckenscheitel, die wir durch dig ganzen Alpen verfolgen können. Interessant ist der Verlauf der Deckenaxe. Dieselbe fällt zunächst am West- rand der Gruppe mässig gegen Osten, wird dann durch die mächtige Murettoquerfalte zum Teil überkippt und sinkt dann wieder flacher in jene Depression hinab, in der die grössten Serpentinmassen des Gebirges liegen. Jenseits des Ventinagletschers hebt sich die Axe aber von neuem und steigt, allerdings in mehreren Querfalten, zur Kulmination von Lanzada empor. Dank derselben erscheinen bei Chiesa die Surettagneise nochmals unter dem Serpentin. Gross- artig ist endlich die Verfaltung der Surettadecke mit der nächst hö- heren Einheit, der Margnadecke. Die Margnadecke ist nun erstmalsinder Disgrazia- gruppe nachgewiesen. Ihr Altkristallin ist dasselbe wie im Oberengadin, es zerfällt wie dort in Fedoz- und Malojaserie. In der nördlichen Disgraziagruppe ist dieseDecke tiefin den Malencoserpentin eingewickelt. Diese Einwicklungskeile sind abermals mit den Serpentinen noch sekundär verfaltet. Wir können daher die Bewegungen in den Decken des Malenco in drei Phasen gliedern. In einer ersten wurden die Margnagesteine flach über die Serpentine von Malenco überschoben, in einer zweiten wurden sie in dieselben eingewickelt, in einer dritten endlich wurde | 152 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 das Ganze noch enger miteinander verfaltet. Dabei kam es oft so weit, dass die in der zweiten Phase aktiv einwickelnden Serpentine nun ihrerseits von den von ihnen selbst eingewickelten Margnagesteinen nochmals eingewickelt wurden. Die Axen dieser Falten erleiden die- selben Verbiegungen wie die der Surettadecke. Die Beobachtung der grossen Einwicklung der Margnadecke unter die Serpentine von Malenco ist von grundlegender Bedeutung, auch für die weitere Tektonik Bündens. Diese Einwicklung von Val Malenco bedingt alle jene kleineren Phänomene gleicher Art, die wirbisheraus Bünden gekannthaben. Ihrver- danken wir jenen neuen energischen Vorstoss der ge- samten oberen Deckenmassen, bei dem jeweilen jede tiefere die nächst höhere Deckeuntersich eingewickelt hat. Der Serpentin von Malenco wickelt die Margnadecke ein, diese die Errdecke, diese wiederum stösst ihren Stumpf in die hangenden Komplexe der Languard- und Campodecke, stellt deren Basis steil oder überkippt dieselbe, und schliesslich wird durch das Medium der Aeladecke auch die höchste tektonische Einheit Bündens, die Silvretta, von diesem letzten Schub erfasst und in ihre Unterlage eingewickelt. Die Amplituden dieser Einwicklungen nehmen dabei mit zunehmender Entfernung vom Malencoserpentin gegen Norden .ab. Die Decken- synklinale von St. Moritz gehört wohl gleichfalls hierher. Alle diese Einwicklungen, von Schuls und vom Stragliavitapass im Unterengadin und vom Chavagl grond und Val Tisch bei Bergün, über die Fuorcla Tschitta und den Albula- pass, die Maduleinerfaltenzüge, über die Roccabella bei Bivio und die Steilstellung der ostalpinen Decken beiSilvaplana bis zurück zur Einwicklung der Margna- decke im Bergell, sie alle werden verständlich durch den grossen Stoss, den uns die gewaltige Einwicklung der Margnadecke unter die Serpentine von Malenco offenbart. Im Süden der Disgrazia konnte die Margnadecke auch im oberen Masino als Klippe am Sasso Arso nachgewiesen werden. In der Wurzelzone der Decke gelang der Nachweis der Fedoz- Valpellineserie., AufderLinie Alp Sissone-MontePioda-Pedrarossa- Sass Pisöl wird der komplizierte Bau des Disgrazia- gebirges vom Bergellermassiv steil durchbrochen. Dasselbe schneidet zunächst die Gneise und Triasge- steine der Surettadecke gegen Westenab, dann. die Jahrg. 66. Rudolf Staub. Über den Bau des Monte della Disgrazia. 153 enggepresste Wurzelsynklinale derselben, und end- lich die Wurzel der Margnadecke. Dabei wird sowohl das Altkristallin der Suretta- und der Margnadecke als auch die Trias derselben, und endlich der Malencoserpentin kontaktlich verändert, und das Ganze im Tonalit von Masino aufgelöst. * * * Unsere Wanderung um den Monte della Disgrazia ist zu Ende. Nicht dass uns dieselbe die Lösung aller, auch der letzten Probleme dieser wilden Gebirge gebracht hätte. Aber die einfach grossen Züge des Gebirgsbaues, der Zusammenhang mit den Nachbargebieten des Bergeller- und Berninagebirges, die allgemeine Rolle der Dis- graziagebirge im Bau der südrätischen Alpen, der Grundplan des Ganzen, das alles trat uns dabei deutlich und in herrlichen Formen vor Augen. Und wenn wir heute unsere Blicke hinüberlenken zu dem einsamen Bergriesen jenseits unserer Grenzen, so bewundern wir zwar immer noch in ungeschmältem Masse die gewaltigen Linien, die Eleganz und Kühnheit seiner Felsengräte, die blendende Pracht seiner Gletscher, die leuchtende Reinheit seiner Firnenwelt und seine stolze Abgeschlossenheit, daneben aber zieht vor unserm Geiste jener noch viel gewaltigere Grundbau herauf, dessen grossartige Architek- tur uns die geologische Forschung offenbarte, und jenes grandiose Geschehen, das im Laufe von unendlichen Epochen in grauer Vor- zeit unsere Alpen aufgetürmt. Dann werden wir wohl still im An- blick jenes Berges und denken an die gewaltigen Schicksale dieser elt, die kommen und gehen ohne Ende, die brausen über Länder und Meere von einer Ewigkeit zur andern, und die Geschichte un- serer Menschheit erscheint uns wie ein wesenloser Traum. Literatur. 1. P.Arbenz, Probleme der Sedimentation und ihre Beziehungen zur Gebirgs- bildung in den Alpen. 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Beitr. z. geol. Karte d. Schweiz. 1920. (Im Druck!) 40. — Über Alter, Wesen und Ursachen der Gesteinsmetamorphosen in Graubünden. Vierte]j. d. Naturf. Ges. Zürich, 1920. 41. — Über den Bau des Pizzo della Margna, Sep. aus Albert Heim, Geologie der Schweiz, Bd. II. 1920. 49. — Über ein neues Vorkommen von Glaukophangesteinen in Graubünden, Ecl. Geol. Helv. Vol. XVI. 1920. 43. — Über ein Glaukophangestein aus dem Avers. Ebenda 1921. 44. — Über ein weiteres Vorkommen von Trias in Val Masino. Ebenda 1921. 45.6. Steinmann. — Die Bedeutung der jüngeren Granite in den Alpen. Geol. Rundschau. 1913. 46. E.L. Strutt, The alps of the Bernina, London 1910. 47.B. Studer, Geologie der Schweiz, 1851. 48. — Index der Petrographie und Stratigraphie der Schweiz, Bern 1872. 49.6. Studer, Ueber Eis und Schnee. Bd. Ill. Bern 1899. 50.E. Suess, Das Antlitz der Erde, II. Teil, 1910. 51.H. A. Tanner, Forno-Albigna-Bondasca, Basel 1906. 52. T. 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Theobald, Siber-Gysi ee Taramelli, Melzi Cornelius Eigene Unerhiigen Tektonische Gliederun Das Bergellermassiv Gesteine Val Sissone Disgrazia Pedrarossa Die Surettadecke Allgemeines Altkristallin und Triös am MW ontr and des Disgraziastockes Das altkristalline ee : ; Disgrazia Pedrarossa-Sass Pisöl Trias der Surettadecke Disgrazia-Sass Pisöl Gesteine und deren Kontaktmetamorphos Bau der Zone 2 3 Zusammenfassung i Die Zone des ee Disgraziagipfel Weitere Verbreitung Chloritschiefer und Anptridoirts Bündnerschiefer ., Petrographisches und Vergleich win Bauweise ee % erung des Berbentins Nordabiat der Disgrazia Querfalten h : Südseite derselben ; Das Ende der a inter dan Bass Ks ; Südrand im Val Malen Die Fenster der Surstinranng in Val Marche Das Fenster von Lanzada Das Fenster von St. Anna Das Fenster von Airale . Die Margnadecke Die Decke im nördlichen Disgrazingebirge Allgemeines und Historisches . Stratigraphisches . . Vierteljahrsschrift d. Naturf, Ges. Zürich. Jahrg. 66, 1921. Scerscen Monte Nero Vedrelta di Piz Roseg (3942) Monte Motta Südliches Berninagebirge. Profil 1 La Piz Piano Mallero Monte Muongia Tremoggia Tremoggia s, Senevedo Senevedo IKKENTERN yyı\ Ylyyy rest, ln Un am K \ x \ ‚\ Monte Braceia Passo (P. 2967) Ventina Rac {P.2 Östliche Disgraziagruppe. Profil 2 iz Piano Mallero Zocca P. 2554 Pizzo Fora dell’Oro w. Chiareggio Ventina Cima di Vazzeda Vazzeda Profil 3 R. Staub, Über den Bau des Monte della Disgrazia. Monte della Disgrazia Zentrale Disgraziagruppe. Pizz Val Lanterna ob Lanzada o Pizzo Val hele Cassandra Giumellino 996) Corni Passo Cornarossa Brueiati Monte Gavagli 1a Alp Airale Pe rossa l Val Pain: @ ıle dra- Sass Pisöl T I r u Cresta Caldenno Averta Sasso Arso ÜCresta Scermendone Val Terzana Taf: V. Querprofile durch die Gebirge zwischen Disgrazia und Bernina von Rudolf Staub, 1920 Legende. Altkristallin Ostalpine Decken (Bernina, Err, Sella) Granite, Monzonite, Diorite Casannaschiefer s. S. Margnadecke Malojaserie Fedozserie + Kristallin d. Margnadecke i. A. Surettadecke Gneise, Glimmerschiefer etc. Mesozoikum Serpentin von Val Malenco Amphibolite und Prasinite Bündnerschiefer Trias Tertiär Bergellermassiv N 1 2 3 km Taf. V. Jahrg. 66. Rudolf Staub. Über den Bau des Monte della Disgrazia. Tektonik t Verbindung nit Öneteurea und Bergell : Murettopass ; Von Val ee ira Wohlier: ; Monte Braceia Primolo-Val Orsera . i Monte Senevedo-Lago Piröle i Val Ventina 1 “ : s ß Die Binkiekiiie der Dicke in die Serpentine Disgraziagruppe Einwicklungsstirn Verfaltung der Einwierkeiiekeie Der Gneiszug des Passo Ventina . ; 5 3 . Weitere Keile (Zocca, Vazzeda) . x i ® . Serpentin von Orsera Die Margnadecke im Süden der Disgrazia am PERR Kess Die Wurzelzone der Margnadecke . . - Der Bau des Gebirges . i i B Schichtreihe der Barörte . Ophiolithintrusionen u der Suretta- as der Margnadecke, hängsprofil Bedeutung der Einwicklung Bergellermassiv ; Schluss Zur Erinnerung an Theodor Reye. Vortrag im mathematischen Colloquium zu Zürich am 26. Oktober 1920 ©. F. GEIsEr. (Als Manuskript bei der Redaktion am 2. Februar 1921 eingegangen.) Am 2. Juli 1919 ist in Würzburg der Professor der Strassburger Universität Theodor Reye gestorben. Der ausgezeichnete Lehrer und Forscher hat in den Jahren 1863—70 am Eidg. Polytechnikum zuerst als Privatdozent, dann als Titularprofessor gewirkt. Sein Hauptwerk „Geometrie der Lage“ war in der ersten Auflage als ein wissenschaft- liches Fundament für Culmanns Vorlesungen über graphische Statik ausgeführt und hat auch nach dem Weggang des Verfassers den Schü- lern des genialen Ingenieurs treffliche Dienste geleistet. Für die Studierenden unserer Abteilung für Fachlehrer in Mathematik und Physik, soweit sie eine geometrische Richtung bevorzugen, bilden die erweiterten Neuauflagen des Buches (denen zahlreiche Abhandlungen in Zeitschriften zur Seite gingen und nachfolgten) auch jetzt noch einen zuverlässigen und anregenden Führer. Die „Schweiz, Bauzeitung‘“ ') hat deshalb gewünscht, durch einen Nekrolog Reyes Andenken bei ihren Lesern aufzufrischen und mich eingeladen, dessen Redaktion zu übernehmen. Die Notwendigkeit, von der wissenschaftlichen Bedeutung des Forschers eine wenigstens in den Grundzügen ausreichende Vor- stellung zu geben, der Wunsch, auch die Fragen des „theoretischen“ Unterrichts an den technischen Hochschulen zu erörtern, die sich an die Tätigkeit des Lehrers knüpften und deren spätere weit ausgreifende Diskussion auch dann noch, als er ihnen persönlich durchaus ferne stand, fortwährend sein Interesse erweckten, vor allem das Bedürfnis, die Schicksale des Menschen im Zusammenhang mit den Zeitereig- nissen darzustellen), haben mich freilich weit über den Rahmen hinaus- ') Organ der Gesellschaft ehem. Stud. der Eidg. Techn. Hochschule. °) Herrn Prof. Lasius, der während mehr als einem halben Jahrhundert mit Reye in enger Freundschaft verbunden war, bin ich für wertvolle biographische Notizen zu grossem Dank verpflichtet. Jahrg. 66. C. F. Geiser. Zur Erinnerung an Theodor Reye. 159 geführt, in welchen die Bauzeitung gespannt ist. — Möge der heutige Vortrag wenigstens in dem engern Kreise eine freundliche Aufnahme finden. I. Carl Theodor Reye ist am 20. Juni 1838 zu Ritzebüttel (Ham- burg) geboren. Auf dem Johanneum und dem akademischen Gymna- sium absolvierte er den Schulkursus und studierte darauf während drei Jahren an der polytechnischen Schule Hannover Mathematik, Mechanik und Maschinenbau. Nach kurzer praktischer Tätigkeit folgten von Herbst 1859 an zwei Semester am Züricher Polytechnikum, wo damals Clausius insbesondere auch mathematische Physik und ana- lytische Mechanik lehrte. Den Abschluss der Studienzeit bildete ein Jahr in Göttingen, wo er Gelegenheit fand, bei Riemann eine Vor- lesung über partielle Differenzialgleichungen und deren Anwendungen auf physikalische Fragen zu hören. In diese Zeit fiel seine Promo- tion (1861). Die Dissertation über „Die mechanische Wärmetheorie und das Spannungsgesetz der Gase“ ist wohl auf Grund von Anregungen ent- standen, die Reye bei Clausius, dem Schöpfer dieser Theorie empfan- gen hatte. Die Arbeit zeigt ihn gründlich vertraut mit den berühmten Versuchsresultaten Regnaults; sie enthält als ein Hauptergebnis den Satz: „Während die Regnault’schen Versuche der mechanischen Wärmetheorie in dem Mariotte'schen Gesetz eine ihrer Grundlagen zu entziehen schien, bestätigt nicht nur das auf dieselbe gegründete genauere Spannungsgesetz der Gase die aus Mariottes Gesetz ge- zogenen Schlüsse bis auf kleine Correctionen, sondern es führte noch zu neuen der Erfahrung entsprechenden Resultaten, die als eben so viele neue Belege der mech. Wärmetheorie angesehen werden können.“ Eine zweite Arbeit auf dem nämlichen Gebiete behandelt „Die Ausdehnung der atmosphärischen Luft bei der Wolkenbildung“ (1863). Sie wendet sich gegen eine von F. Mohr gegebene Erklärung von der Entstehung des Hagels und ist interessant als eine der frühesten, durch genaue numerische Berechnung belegte Anwendung der mechanischen Wärmetheorie auf Meteorologie. Es sei daran erinnert, dass in der Jahresversammlung der Schweiz. Naturforschenden Gesellschaft von 1864 in Zürich die Entstehung des Föhns sehr lebhaft diskutiert wurde, ohne zu einem sichern Resultate zu führen. Erst einige Jahre später ist eine richtige Erklärung gegeben worden, die sich ebenfalls auf die von Reye benutzten Sätze stützte). Reye hat sein Interesse für Meteorologie auch durch das 1872 erschienene Buch: „Die Wirbelstürme, Tornados und Wettersäulen* bekundet. 160 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Die akademische Lehrtätigkeit hat Reye im Herbst 1861 in Han- nover begonnen, ist aber bereits Ostern 1863 als Privatdozent ans Eidg. Polytechnikum übergesiedelt, wo er für das erste Semester eine Vorlesung über Anwendungen der Differentialgleichungen auf mathe- matische Physik ankündigte. Il. Dem Eidg. Polytechnikum ist durch Karl Culmann, als dem Schöpfer der graphischen Statik, ein Ruhm zugefallen, der freilich schon seit längerer Zeit nur noch als ein historischer nachwirkt, inso- fern sich zwar die Grundgedanken erhalten haben, die ausführenden Methoden aber zum grossen Teil durch andere ersetzt wurden. Immer- hin wird es gestattet sein, hier eingehender von dem Manne und seinen Leistungen zu reden, weil sich an dieselben der Übergang Reyes von der mathematischen Physik zur Geometrie knüpfte, eine Wendung, die für sein ganzes späteres Leben von entscheidender Bedeutung ge- worden ist. Culmann beginnt die Vorrede zur ersten Auflage seines Buches (1865) mit dem Satze: „Was mit allen jenen Theorien anfangen, zu denen die verschiedenen Zweige der Ingenieurkunde Veranlassung ge- geben haben... ist eine Frage, die ohne Zweifel Poncelet vorschwebte, als er sich bemühte, geometrische Lösungen für die verschiedenen im Ingenieurfach sich darbietenden Aufgaben zu ersinnen.“ Man kann diesen Hinweis auf Poncelet durch den Umstand erklären, dass Culmann 1837 nach Metz kam, um sich auf die Ecole polytechnique vorzubereiten. Poncelet war bis 1834 an der Metzer Artillerieschule Professor gewesen und mit der Stadt (seinem Heimatsort) trotz der Versetzung nach Paris in dauernder Verbindung geblieben. Da ein Onkel Culmanns ebenfalls an der Artillerieschule lehrte, so hatte der siebzehnjährige Jüngling Gelegenheit, mancherlei Persönliches über den berühmten Mathematiker und Ingenieur zu hören, er konnte zudem die erste Zugbrücke („Pont-levis & la Poncelet“) und die ersten „Poncelet-Räder‘“ im Betrieb sehen. Dazu trat später das Studium der Schriften des Meisters, so dass uns Poncelet als Vorläufer und direkter Wegweiser Culmanns in der auf neuere Geometrie gebauten graphischen Statik erscheint. Die Absicht Culmanns, später die Aufnahmeprüfung für die Pariser Schule zu machen, kam freilich nicht zur Verwirklichung. Er erkrankte bald nach seiner Ankunft in Metz am Typhus, dessen Nach- wehen ‚mehr als ein Jahr andauerten. Die Eltern (der Vater war Pfarrer in Bergzabern, die Mutter eine Elsässerin) sahen darin, wie Jahrg. 66. C. F. Geiser. Zur Erinnerung an Theodor Reye. 161 in einem currieulum vitae steht, „einen Fingerzeig Gottes“, dass ihr Sohn nicht für Frankreich, sondern für Deutschland bestimmt sei und schickten ihn an das Polytechnikum in Karlsruhe. Den Einblick in die praktischen Fragen, welche theoretisch zu lösen waren, gewann Culmann als Bahningenieur im bayerischen Staatsdienst (1841—48) und dann auf einer grossen Studienreise in England und Nordamerika (1849—51). Er gab über diese in Försters Bauzeitung einen Bericht: „Darstellung der neuesten Fortschritte im Brücken-, Eisenbahn- und Flussdampfschiffbau in England und den Vereinigten Staaten Nordamerikas.“ Von diesem Berichte schrieb er bei Gelegenheit der Berufungsverhandlungen an den schweiz. Schulrat: „Ich bilde mir ein, in demselben zuerst klar nachgewiesen zu haben, wie die verschiedenen Kräfte in den zusammengesetzten Brücken wirken und wie dementsprechend deren Dimensionen berechnet werden müssen.“ Damit war bereits auf eine Hauptrichtung der Tätigkeit des künf- tigen Professors hingewiesen, der von 1860 an die graphische Statik als eine besondere Vorlesung einführte. Da aber in den ersten Jahren die ungenügende geometrische Vorbildung der Studierenden als ein schwerer Übelstand empfunden wurde, so übernahm Reye 1864 eine einleitende Vorlesung über „Geometrie der Lage“ und betrat damit ein neues Gebiet, das bald seine ganze wissenschaftlich produktive Tätigkeit in Anspruch nahm. II. In die Zeit des Übergangs fällt eine von 1865 datierte, in Schlö- milchs Zeitschrift erschienenen Arbeit: „Beitrag zur Lehre von den Trägheitsmomenten.“ Wird ein System M materieller Punkte von den Massen m, ,.... m, auf ein rechtwinkliges Koord.-System im Raume bezogen, so dass zu m, die Coord. x, Y,, 2; gehören, so ist T,— 2, m; 2? das Trägheitsmoment von M in bezug auf die YZ-Ebene, ebenso k k . = T,= Im, y? das Trägheitsmoment auf die ZX-Ebene, T= > m, (4-7) ii i=i das Trägheitsmoment auf die Z-Axe; es ist also Ten HT, Es folgt daraus, dass das Trägheitsmoment eines Massensystems M in bezug auf eine Gerade @ gleich ist der Summe der Trägheits- momente von M in bezug auf irgend ein rechtwinkliges Ebenen- paar EE', dessen Schnittgerade mit @ zusammenfällt: man findet demnach aus den Trägheitsmomenten von M nach den sämtlichen Ebenen des Raumes diejenigen nach den sämtlichen Geraden und kann aus den Eigenschaften der ersten diejenigen der zweiten ableiten. Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 66. 1921. 162 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Reye zeigt nun, dass ein beliebig gegebenes System M auf» viele Arten durch ein anderes M’ ersetzt werden kann, welches nur aus vier Punkten besteht, deren Lagen und Massen derart zu bestimmen sind, dass die entsprechenden Trägheitsmomente von M und M’ nach allen Ebenen (oder Geraden) des Raumes übereinstimmen. Jede Gruppe von vier solchen Punkten ist „Poltetraeder* (Quadrupel harmonischer Punkte) in bezug auf eine Fläche zweiten Grades B, welche in ein- fachem Zusammenhang mit dem sogenannten Centralellipsoid © des Massensystems M steht. Von der Fläche ®8, welche unter der An- nahme, dass die Massen der Systemspunkte alle positiv sind, nicht reell sein kann (sie wird deshalb „das imaginäre Bild des Systems‘ genannt), kat dann Hesse gezeigt, dass sie von allen Ebenen um- hüllt wird, welche in bezug auf M das Trägheitsmoment Null erzeugen. Man nennt deshalb ®B auch die „Nullfläche“ der Trägheitsmomente von M. In dem algebraischen Teil der Abhandlung spielt die Trans- formation der ganzen homogenen Funktion zweiten Grades von vier Veränderlichen in eine Summe von vier Quadraten linearer Funk- tionen eine Rolle; damit ist eine Beziehung zu den orthogonalen Substitutionen von vier Dimensionen hergestellt. Fast gleichzeitig veröffentlichte Reye eine durchaus synthetisch gehaltene Arbeit „Über geometrische! Verwandtschaften 2. Grades.“ Sie betrifft Fragen, die teilweise schon von Steiner und Seydewitz behandelt waren. Die völlige Herrschaft Reyes über das neue Arbeitsgebiet trat glänzend hervor in seinen Vorträgen: „Die Geometrie der Lage“, deren erster Teil 1866 erschien. Sie sollten zwar zunächst als Einleitung zu den Culmannschen Vorlesungen dienen, dann aber allgemein das Verständnis des gleichnamigen Buches von Staudts (1847) eröffnen und erleichtern. Reye erklärt, dass er auch ohne den von ihm ver- langten Anschluss an diesen Mathematiker dessen Methoden allen andern würde vorgezogen haben. Die Geometrie der Lage zu einer vollständigen Wissenschaft zu machen, wie es Staudt versucht hat, ist nun freilich nur soweit möglich, als man von ihr alle metrischen (auf Winkel und Strecken bezüglichen) Eigenschaften der Figuren, also die „Geometrie des Masses“ ausschliesst. Und es erscheint doch, seit Poncelet und Steiner gezeigt haben, wie enge und sich gegenseitig fördernd die beiden Richtungen miteinander verbunden werden können, nicht naturgemäss, eine strenge Trennung vorzunehmen. Wer wird den rechten Winkel erst in Verbindung mit der Involution behandeln, wer wird Kreis und Kugel erst als Spezialfälle von Kegelschnitt und Fläche zweiten Grades Jahrg. 66. C. F. Geiser. Zur Erinnerung an Theodor Reye. 163 einführen ? In diesem Sinne sprichtsich namentlich auch Cremona aus (Opere matematiche I. 35) in der Rezension über die „Beiträge zur Geo- metrie der Lage“, welche Staudt (1856/57) als Fortsetzung der Geo- metrie der Lage veröffentlicht hatte. Es kommt hinzu, dass die grundlegenden Gebilde und Voraus- setzungen nicht durchweg ausreichend definiert, resp. begründet sind. So beginnt $ 2: „Eine Ebene ist eine Winkelfläche erster Ordnung, in welcher jeder Punkt als Mittelpunkt betrachtet werden kann. Geht also eine Gerade durch zwei Punkte einer Ebene, so liegt sie ganz in derselben“ '). In $ 3 heisst es: „Zwei Gerade, welche in einerlei Ebene liegen, ohne sich zu schneiden, heissen zueinander parallel.... Durch jeden ausserhalb einer Geraden befindlichen Punkt gibt es eine zur erstern parallele Gerade“ °). Es sei noch an die Einführung der projektivischen Verwandt- schaft zwischen einförmigen Gebilden erinnert ($ 9): „Zwei ein- föürmige Grundgebilde heissen zueinander projektivisch, wenn sie so aufeinander bezogen sind, dass jedem harmonischen Gebilde in dem einen ein harmonisches Gebilde im andern entspricht“ und: „Will man zwei einförmige Grundgebilde projektivisch aufeinander beziehen, so kann man zu drei Elementen des einen drei Elemente des andern, welche jenen entsprechen sollen, nach Belieben annehmen, wobei aber alsdann jedem Elemente des einen Gebildes ein Element im andern zugewiesen ist.“ Es sind gegen diese Darstellung Bedenken erhoben worden, die aber schliesslich haben gehoben werden können’). Man muss noch’ hinzufügen, dass die abstrakte und aufs aller- ‚notwendigste zusammengedrängte Darstellung Staudts das Studium seiner bezüglichen Schriften zu einem sehr mühsamen gestaltet. Felix Klein, der so vielfach und so erfolgreich in geometrischer Richtung gearbeitet hat, erinnert sich mit Dank daran, dass in seiner ersten Dozentenzeit ein Freund ihm „die schwer zugänglichen Gedanken- reihen von Staudts über eine von Massbeziehung freie Begründung der Geometrie der Lage zugänglich machte.“ Die Bedenken wissenschaftlicher Natur sind nun erledigt, inso- fern es auf Grund der Ergänzungen durch die Nachfolger gelungen ist, die Möglichkeit einer in sich durchaus konsequenten und lücken- losen Geometrie, ohne den Begriff des Masses darzutun. Den päda- gogischen Anforderungen aber ist durch Reye vollste Befriedigung 1) In Gauss’ Werken VII., 194, finden sich Definition und Satz unter Zuziehung metrischer Begriffe behandelt. 2) Über die Parallelentheorie bietet der zitierte Gauss-Band reiches Material. 8) Vergl. die Notizen von Klein und von Darboux, Math. Annalen, Bd. XVIl. 164 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 gewährt. Er selbst hat gelegentlich erklärt, dass es ihm nur unter den grössten Anstrengungen gelungen sei, den Gedankengehalt Staudts ganz zu erfassen und die fast skelettartigen Sätze in lebendige Formen überzuführen. Als Preis seiner unermüdlichen Arbeit ist ihm ein Werk gelungen, das in ganz vorzüglicher Klarheit und Anschaulichkeit eine systematische Einführung in die Staudtschen Schriften!) und allge- mein in die „neuere“ Geometrie bietet. Entsprechend dem unmittelbaren praktischen Zwecke leitet er seine Vorträge nicht mit einer streng systematischen Entwicklung der Grundlagen ein, sondern setzt nur überhaupt einen genügenden - geometrischen Vorunterricht voraus, auf welchen er die für die gra- phische Statik besonders wichtigen Sätze und Beweismethoden in der von Staudt gegebenen Form aufbaut. Dabei: weist er in Anhängen und in einzelnen besondern Vorträgen auf die metrischen Beziehungen hin (welche ja auch bei Staudt gelegentlich berücksichtigt sind). — Dem ersten 1866 erschienenen Teil folgte 1868 ein zweiter, der nun weit vordringt und neben den bekannten Resultaten der zeitgenössischen Forscher auch sehr wertvolle eigene Untersuchungen brachte. Aber das vom 5. Oktober 1867 datierte Vorwort teilt mit: „Leider ist mir von jetzt an versagt, in gleicher Weise wie bisher als Lehrer mitzuwirken an der Verbreitung meiner Lieblingswissenschaft; denn mein Colleg über Geometrie der Lage ist mir kürzlich rücksichtslos entzogen worden, um es dem neu berufenen Professor für darstellende Geometrie auf dessen Verlangen zu übertragen“ ?). Reye war um so schwerer getroffen, da er als Assistent bei Prof. Deschwanden gewirkt und nach dessen Erkrankung längere Zeit als Stellvertreter die darstellende Geometrie gelehrt hatte. Zudem hatte Culmann in der Vorrede zur graphischen Statik auf die Vor- teile einer Verbindung der darstellenden und der neuern Geometrie hingewiesen und Reye, der auch seinerseits in der ersten Vorlesung der Geometrie der Lage darauf deutet, glaubte mit Recht dieser Ver- bindung durchaus gewachsen zu sein. Aus seiner verbitterten Stim- mung hat ihn die 1870 erfolgte Berufung als Professor der Geometrie und graphischen Statik an das neugegründete Polytechnikum in Aachen befreit. -') Auch Klein anerkennt ausdrücklich, dass in Reyes Geometrie der Lage die Stau dtschen Betrachtungen in übersichtlicher Form dargestellt seien. - °) Die Vorrede zur zweiten Auflage der zweiten Abteilung enthält die durch- aus berechtigte Reklamation gegen einen Italiener, der eine Geometrie der Lage publiziert hatte, von welcher ®/,, ohne Queilenangabe aus Reyes Buch entnommen waren. Das Plagiat hatte bereits eine Übersetzung ins Französische erlebt. Jahrg. 66. C. F. Geiser. Zur Erinnerung an Theodor Reye. 165 IV. Der neue Professor Fiedler fand in Zürich von seinem ersten Auftreten an die grösste Anerkennung als ausgezeichneter Dozent. Es wirkten dabei zusammen die gedankliche Sicherheit und formale Gewandtheit des Vortrages, die ausserordentliche Begabung für rasche und übersichtliche Zeichnung an der Tafel — zudem fühlten die Studie- renden eine feste und einheitliche Willenskraft, die auf ein bedeu- tendes Ziel gerichtet war. Auch nach aussen hin erwarb sich die neue Richtung des Unterrichts vielfache Zustimmung und teilweise Nach- folge, nachdem die systematische Grundlage der Vorlesungen in voll- ständiger Ausführung und Weiterentwicklung im Jahre 1871 als grosses Lehrbuch erschienen war'). Man würdigt das Buch in seiner prinzipiellen Bedeutung vielleicht am besten, wenn man es mit de la @ournerie’s „Trait6 de G6o- metrie deseriptive“ (1860—64) vergleicht. Dieser ist in gewissem Sinne eine Zusammenfassung der darstellenden Geometrie, wie sie sich seit Monge in Frankreich entwickelt hatte und ergänzt vielfach die konstruktiven Partien durch interessante analytische Entwicklungen algebraischer oder infinitesimaler Natur. Der sorgfältig redigierte Text ist zudem von einem Atlas begleitet, dessen Figuren an Klarheit und Schönheit vom ersten Range sind. Aber neben solchen Darstellungen einer abgeschlossenen Epoche erscheinen doch die grossen prinzipiell durchgeführten Neugestaltungen, auch wenn sie einseitig sind, in frischerem Ruhmeskranze. Trotz aller Anerkennung tauchten aber bald Klagen der Studie- renden auf über die Last der ihnen zugemuteten Arbeit und die bei wachsendem Stoff zunehmende Schwierigkeit des Verständnisses?). Auch unter den Kollegen wurde geltend gemacht, dass es organisatorisch nicht zweckmässig sei, einem einzelnen Fache eine so grosse Bedeu- tung beizulegen. Architekten und Maschinenbauer beschwerten sich darüber, dass Fiedlers Aufgaben und die für dieselben nötigen Zeichnungsmethoden keinerlei Rücksicht auf die Praxis nähmen°). „Die darstellende Geometrie“ hat in zweiter Auflage den Titelzusatz: „in BRR da Verbindung mit der Geometrie der Lage“ erhalten, wodurch der Grund- gedanke des Werkes deutlich zum Ausdruck gebracht ist. ?2) Dagegen bezeugt Culmann (der auch. für seine eigenen Publikationen und Vorlesungen jede „populäre“ Behandlung ablehnte) in der Vorrede zur zweiten Auf- lage der gr aphischen Statik (1875): die notwendigen Vorkenntnisse des geometrischen Teiles seien bei seinen Schülern vorhanden, seit Prof. Fiedler dieselben vorbereite. 3) Fiedler sagt in der Vorrede seines Buches: „Eigentlich technische Bei- spiele und Anwendungen sind ausgeschlossen, weil sie nicht von allgemein gültigem Werthe für die Wissenschaft sind.“ 166 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 So entstanden Mißstimmungen, die zu unerquicklichen Zwischenfällen führten, ohne das nötige Gleichgewicht herzustellen. Erst die grössere Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der verschiedenen Fachschulen und die abnehmende Bedeutung der speziell Culmannschen Methoden der graphischen Statik bewirkten eine Reduktion der Studienpro- gramme und der Studienpläne, die allseitig befriedigte'). V. Wenn von diesen weit zurückliegenden Dingen hier die Rede war, so geschah es, weil sie ein charakteristisches Moment bezeichnen in der grossen fortwährend hin und her flutenden Diskussion über den zweckmässigsten Inhalt und Umfang des „theoretischen“ Unterrichts an den technischen Hochschulen, wobei es sich naturgemäss vor allem um Mathematik, darstellende Geometrie und Mechanik handelt. Eine vorzügliche historische Darstellung dieser Streitfragen bietet Paul Stäckels Buch: „Die mathematische Ausbildung... an den deutschen technischen Hochschulen“ (1915), in welchem auch Fiedlers Bedeu- tung für die darstellende Geometrie besprochen wird. Aber viel wich- tiger und von bleibendem Interesse ist die Schilderung der grossen „Ingenieurbewegung“ ‚die unter Führ ung desBerl Professors Riedler in den Jahren 1895—1900 eine durchgreifende Reform des theore- tischen Unterrichts anstrebte und in weitem Umfang erreichte?). Der Angriff Riedlers war durch Resolutionen des Vereins deutscher Ingenieure (1895) unterstützt worden, worauf eine Erklä- rung sämtlicher Professoren der Mathematik, darstellenden Geometrie und Mechanik, deren abweichende Meinung begründete (1896). Diese ‘) Über den gegenwärtigen Lehrstoff der Vorlesung vergl. die kleinen Hand- bücher der Nachfolger Fiedlers: Darstellende Geometrie von M. Grossmann (1915) Kollros, Geometrie descriptive (1918). ?) Stäckel führt die bezüglichen Hauptschriften Riedlers an — sie reichen über die Zeit der „Ingenieur-Bewegung“ hinaus, ohne dass sie etwas von ihrer pole- mischen Kraft verloren hätten, wie das folgende Zitat zeigt (Stäckel, pag. 83): „A.Riedler, Abseits vom Gänsemarsch, Berlin 1914. Vorwort S. 1. Ein Theoretiker wird hier in einer Vignette als ein Jagdhund dargestellt, der auf Hühner steht, während ihm ein Huhn auf dem Schwanze sitzt.“ Das letzte, was mir (seit Jahrg. 66. C. F. Geiser. Zur Erinnerung an Theodor Reye. 167 rief freilich einer Gegenerklärung, in der Mehrzahl von „praktischen“ Professoren unterzeichnet (1897), des Inhalts: „Der heutige Ausbil- dungsgang der Mathematiker befähigt sie nicht zur richtigen Erkennt- nis der Bedürfnisse der Technik, welche sie nach mathematischer Seite überschätzen. Deshalb müssen für den mathematischen Unter- richt Lehrer mit wesentlich technischer Grundlage ihrer Ausbildung gewonnen werden. Ein zweijähriges Studium an einer technischen Hochschule kann diese Grundlage nicht schaffen, sie kann nur durch Studium in einer der Ingenieur-Fachabteilungen gewonnen werden.“ „Den technischen Abteilungen muss ein massgebender Einfluss auf.. die Berufungen von Lehrern der Mathematik zustehen.“ „Der Unter- richt in allen Teilen der Mechanik darf nur Ingenieuren übertragen werden.“ „Der Anfang eingehenden Unterrichts in der Mechanik soll am Beginn des Studiums liegen und darf nicht von der Erreichung einer bestimmten Stufe mathematischen Unterrichts abhängig gemacht werden.“ Soweit sich das schroffe Urteil über die Mathematiker auf Pro- fessoren bezieht, die ihren Unterricht an der technischen Hochschule nach dem Muster von Universitätsvorlesungen gestalteten, ist es durch- aus berechtigt. Aber es hat immer Dozenten gegeben, die trotzdem sie nur an Universitäten studiert hatten, sich den Bedürfnissen der Techniker in vorzüglichster Weise anzupassen wussten. Vor meinen Augen steht, trotzdem seither mehr als ein halbes Jahrhundert vor- übergegangen ist, immer noch in unverwelkter Erinnerung die Ge- stalt Christoffels!), der am Zürcher Polytechnikum als unvergleich- licher Lehrer das dauernde Interesse und die bereitwillige Arbeit der künftigen Techniker für seine Vorlesungen heranzog. Dass der Studiengang für die Vortragsrichtung eines Divantsk durchaus nicht massgebend ist, zeigt die verschiedene Art, in welcher Reye und Fiedler die darstellende Geometrie behandelt haben, ob- schon beide eine vollständige technische Ausbildung besassen. Reye hatte als Vertreter Deschwandens (über dessen Tod hinaus) den gewohnten Lehrgang innegehalten und würde bei einer Wahl als Nach- folger die nähere Verbindung mit der Geometrie der Lage durchge- führt haben, ohne die berechtigten Ansprüche der Praktiker zurück- zusetzen. Fiedler, der als Lehrer an der Chemnitzer Gewerbeschule die darstellende Geometrie übernehmen musste, hat schon damals seine Vergl. über Christoffel die ee Notiz in Bd. I seiner gesam melten Abhandlungen (Teubner, 1910). An der Gewerbeakademie in Berlin Marta seit 1861 Aronhold (der seine Studien an der Universität Königsberg gemacht hatte) die Mathematik mit glänzendem Erfolge (Stäckel, pag- 98). 168 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 121 Reformgedanken in der Schrift: „Zentralprojection als geometrische Wissenschaft“ (1859) niedergelegt. In Zürich hat er dann die „prak- tische Anwendung“ gegenüber der „reinen Wissenschaft“ durchaus zurückgedrängt. Die wichtigste der vonder „ Ingenieurbewegung“ behandelten Fragen betrifft den Unterricht in Mechanik. Um jede voreingenommene Partei- nahme zu vermeiden, seien hier zwei ganz ausserhalb des geführten Streites liegende Urteile angeführt. In der Vorrede vom Juli 1867 zu der in Gemeinschaft mit P. G, Tait verfassten „Natural Philo- sophy“ („Handbuch der theoretischen Physik“) sagt W. Thomson: „Nichts kann für den Fortschritt verhängnisvoller sein, als ein zu grosses Vertrauen auf mathematische Symbole, denn der Studierende ist nur zu sehr geneigt, den bequemern Weg einzuschlagen und die Formel, nicht die Tatsache als die physikalische Realität anzu- sehen').“ Und fast ein halbes Jahrhundert später eröffnet H. Poin- car& in dem Buche „La Science et Hypothöse“ das Kapitel VI „La Mecanique elassique“ mit den Worten: „Les anglais enseignent la mecanique comme une science experimentale; sur le continent on l'expose toujours plus ou moins comme une science deductive et & priori. Ce sont les Anglais qui ont raison, cela va sans dire.“ In dem Zeitraum, der zwischen den beiden Urteilen liegt, sind an den technischen Hochschulen physikalische Laboratorien eingeführt worden und neben diesen sind Versuchsanstalten für verschiedene technische Richtungen entstanden, so dass den Studierenden mannig- fache Gelegenheit geboten wird, den Zusammenhang zwischen theo- retischer Entwicklung und experimentaler Bestätigung mechanischer Vorgänge in Vorlesungen und Übungen zu erfahren. Es sei aber über diese mehr praktischen Gesichtspunkte hinaus noch auf den grossen ‚allgemein bildenden Wert der mathematischen Studien auch für Tech- niker hingewiesen, wozu uns der Ausspruch Riedlers die Veran- lassung gibt: „Allmächtig und unduldsam herrscht ein Unterrichts- system, welches mit dem grössten Aufwand die geringsten Leistungen erzielt. Die gelehrte unfruchtbare Theorie fliegt der wirklichen Welt aus den Augen über Wolken zu Abel und Riemann, wo die Theta- funktionen verschwinden, wo der spezielle Begriff Dimension durch den allgemeinen Begriff Mannigfaltigkeit ersetzt wird und dann in einer Welt von vier und mehr Dimensionen geturnt werden kann“ (Stäckel, pag. 34). ') Vergl. damit, was Helmholtz im Vorwort zur deutschen Übersetzung des Buches (pag. XI) über „die Hervorhebung des physikalischen Zusammenhangs im Gegensatz zu der Eleganz der mathematischen Methoden“ sagt. Jahrg. 66. C. F. Geiser. Zur Erinnerung an Theodor Reye. 169 Um den Unverstand dieses Satzes zu erkennen, braucht man nur an die „physikalischen Grundlagen einer Gravitationstheorie“ von Albert Einstein zu denken. Sie sind hervorgegangen aus einer Verallgemeinerung der durch Lorenz und Einstein aufgestellten Relativitätstheorie, deren mathematischer Ausdruck in ein Gebiet von vier Dimensionen führt (wie ja auch die analytische Mechanik als vierdimensional [x, %, 2, t: Raumkoordinaten und Zeit] aufge- fasst werden kann). In der Relativitätstheorie ist der Ausdruck edt?—da?—dy?— dz? (wo c die Lichtgeschwindigkeit bedeutet) von beson- derer Bedeutung; er ist eine ganze koitiogene‘; Funktion weile Grades in den vier Differentialen dt, dx, dy, dz, der durch Einführung neuer Veränderlicher in die Form da? + da@3 + da3 +- dx} gebracht werden kann. Werden nun in einem Raume von vier Dimensionen die &,, 2, %,, x; als rechtwinklige Koordinaten eingeführt, analog wie «, y, z im Raum von drei Dimensionen, als kartesische Koordinaten, so nennt man ds? —= da? + da? +- da} —+- dx? das Quadrat des Linienelements im Raum (2), %,, &,, x,). Jetzt führe man an Stelle von &,, &,, z,, x, neue Ver- änderliche x, &;, x, x, ein, die mit den ursprünglichen durch eine lineare Substitution verbunden sind. Es entsteht dadurch aus ds? eine allgemeine Funktion zweiten Grades der d«x,, die für orthogonale Substitutionen sich auf dx/?+ dx? + dx? +. dx/? reduziert, was merk- würdigerweise mit physikalischen Theorien von Lorenz zusammen- hängt, weshalb die entsprechenden Transformationen dessen Namen tragen !). Die von Einstein durchgeführte Verallgemeinerung besteht nun darin, das Quadrat des Linienelements in die Form zu setzen ds? = I9m dx; dx, wo i und k die Werte 1,...4 durchlaufen und die - 94-Funktionen der x,....x, sind?). In mathematischer Richtung hängt [3 !) Eine rein mathematische Darstellung von höchster Symmetrie gibt Min- kowski: „Die Grundgleichungen für die elektromagnetischen Vorgänge in bewegten Körpern.“ (Nachrichten der k. Gesellschaft der Wissensch. zu Göttingen. 21. Dez. 1907.) Dazu vergl. Minkowskis Vortrag: „Raum und Zeit“. Deutsche Naturf.-Versamm- lung, Köln, 21. Sept. 1908. 2) Die bezüglichen Abhandlungen Einsteins sind: „Entwurf einer verallgemeinerten Relativitätstheorie und einer Theorie der Gravitation“, Schlömilchs Zeitschrift für Math. u. Phys., Bd 2. „Kovarianzeigenschaften der Feldgleichungen...“ Schlömilch, Bd. 6 „Physikalische Grundlagen einer Gravitationstheorie* ? ee der Naturf. Gesellsch. Zch., Bd. 58. Jeder der Abhandlungen folgt eine mathematische Entwicklung von M Grossmann Ihre abschliessende Gestalt haben die Einsteinschen Gedanken dann in ‚der Abhandlung: „Die formale Grundlage der allgemeinen Relativitätstheorie“, Berliner Sitzungsberichte phys, math. Klasse, 29. Okt. 1914, erhalten. 170 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 die Verallgemeinerung mit der fundamentalen Arbeit Christoffels „Über die Transformation der homogenen Differentialausdrücke zweiten Grades“ (Crelle, Bd. 70) zusammen, wie diese weiter auf Riemanns Habilitationschrift: „Über die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen“ hinweist; mit diesen beiden Abhandlungen ist man freilich in eine „Welt von mehr als vier Dimensionen“ versetzt.') Die physikalischen Konsequenzen, die Einstein aus seiner Theorie gezogen hat, beziehen sich auch auf eine Erklärung der be- kannten Anomalie der Perihelbewegung des Merkurs (1915). Le Ver- rier hat diese Bewegung in Einklang mit der Newtonschen Gra- vitationstheorie bringen wollen, mit Hülfe eines neuen Planeten „Vulkan“, dessen angebliche Entdeckung durch Lescarbault sich freilich nicht bestätigte. Eine neue Lösung strebte der talentvolle, leider so jung verstorbene W. Ritz?) an, auf Grund der allgemeinen Theorie der Elektrodynamik (wobei die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Gravitation gleich derjenigen des Lichtes angenommen wird) — ohne indess zu einem befriedigenden Resultat zu gelangen.?) Von viel grösserer prinzipieller Bedeutung war aber Einsteins Voraussage der „Krümmung der Lichtstrahlen in einem Schwere- feld, welche für einen an der Sonne vorbeigehenden Lichtstrahl 0,84 Bogensekunden beträgt, also der experimentellen Prüfung nicht un- zugänglich ist.“ Die Bestätigung dieser aus einer umfassenden Theorie gefolgerten Ablenkung ergab sich bei der Sonnenfinsternis vom 25. V. 19. Sie bedeutet, dass mit höchster Wahrscheinlichkeit das New- tonsche Gesetz nicht von absoluter Genauigkeit ist, sondern nur eine (allerdings ausserordentliche) Annäherung an die Wirklichkeit. Um den ganzen Wert dieser Erkenntnis einzusehen, denke man an den Schluss des Eloge, den Bertrand in der Pariser Akademie auf Le Verrier hielt: „Le consentement unanime assure A l’astronomie entre toutes les sciences le ‘premier rang. Seule elle a r&vele une regle invariable et precise qui explique tout. Si l’&tude du ciel ap- portait une restrietion, si petite qu’elle füt & la loi de Newton, ‘) Der Zusammenhang der beiden Abhandlungen tritt deutlich zutage in der Untersuchung, die R.Dedekind der „Pariser Preisschrifi“ Riemanns (dessen Werke erste Auflage pag. 384) angefügt hat. = Ritz; Partie $ 16 Gravitation pag.419. [Ritz war 18971900 Stud. des eidg. Polyt.] leiten sein dürfte. Jahrg. 66. . C.F. Geiser. Zur Erinnerung an Theodor Reye. 171 l’astronomie aurait perdu sa couronne. Le Verrier la lui a con- servee.“ [Gauss und Riemann würden freilich dieser Ansicht kaum zugestimmt haben. ] Wenn nun während des eröffneten Wintersemesters entsprechend den Ankündigungen von Prof. Weyl unsere mathematisch hin- reichend vorgebildeten Studierenden in den wunderbaren Gedanken- gehalt der Riemannschen Habilitationsschrift eingeführt werden sollen und zudem in einer gemeinverständlichen Vorlesung über Re- lativitätstheorie auch für die höheren wissenschaftlichen Interessen der künftigen Ingenieure gesorgt wird, so darf unsere technische Hochschule [an der ja auch Einstein Studierender, dann Professor war], den Riedlerschen Ausdruck getrost aufnehmen und den An- spruch erheben, eine vorzügliche „Turnschule für vier und mehr Dimensionen oder Mannigfaltigkeiten“ zu sein. Ich kehre noch einmal zu Stäckels Buch zurück, das Gelegen- heit geboten hat, Hauptfragen des höhern technischen Unterrichtes zu besprechen und dem mehrfach Proben heftiger Polemik entnom- men worden sind. Als idyllischen Ruhepunkt in dem Streit zitiere ich noch ein Urteil des Dresdener Kunsthistorikers Gurlitt (Stäckel pag. 60) das wohl die jubelnde Zustimmung der gesamten beteiligten Studentenschaft gefunden hat und immer wieder finden wird: „Einem jungen Architekten, der eine Villa entwerfen will, nutzt es nichts, dass er Mathematik studiert hat, wenn er die Lebensformen der Bewohner einer Villa nicht kennt; ein Diner in einem guten Hause lehrt ihn für seine Lebensaufgabe, Wohnstätten für vornehme Leute zu bauen, Wichtigeres als ein Semester höherer Algebra.“ v1 Kaum hatte sich Reye in Aachen eingelebt, als er, hauptsäch- lich auf Veranlassung Christoffels, der ihn von Zürich her kannte und schätzte, eine Berufung als ordentlicher Professor für Geometrie und angewandte Mathematik an die neue Kaiser-Wilhelms-Universität in Strassburg erhielt. Da er nun vor allem über synthetische (und er- gänzungsweise über analytische) Geometrie, dann nach freier Wahl abwechselnd über analytische Mechanik, Elastizität fester Körper, oder Potentialtheorie vortrug, so bewegte sich seine Lehrtätigkeit ganz in denjenigen Gebieten, in denen er schöpferisch wirkte oder in denen er von seiner Studienzeit her sich mit dauerndem Interesse gründlich orientierte. (Er hatte z. B. während der Zeit seiner Lehr- tätigkeit in Zürich die bezüglichen Vorlesungen Christoffels eifrig besucht und teilweise ausgearbeitet.) Freilich hatte er in der ersten 172 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich: 1921 Vorlesung (Sommer 1872) nur einen einzigen Studenten und zwei Hospitanten als regelmässige Hörer, doch schon im Winter 1876/77 waren es 27, was zugleich dem Durchschnitt der spätern Zeit ent- sprechen mag. Über den Erfolg spricht sich ein ehemaliger Schüler, Prof. Timerding, dahin aus'): „Reye war der geborene Lehrer, der von Anfang an für jeden Schüler auch ein persönliches Interesse hat und seine Eigenart zu erfassen sucht. Sein Seminar war musterhaft, nicht bloss in dem Betriebe und dem Erfolge, sondern auch in der Art, wie er die Studierenden anzufassen und ihre Empfindlichkeit zu schonen wusste. Seine Vorlesungen über synthetische Geometrie waren bis zur Vollendung durchgearbeitet. Unerreicht war seine Fähigkeit, die räumlichen Gebilde durch den Vortrag vor dem geistigen Auge des Zuhörers erstehen zu lassen.“ Von den wissenschaftlichen Leistungen Reyes während seiner Tätigkeit in Strassburg, die mehr als die Hälfte seines langen Lebens umfasste, kann hier nur unter Beschränkung auf die massgebenden E, deren zugehöriges statisches Moment gleich Null ist, gehen durch den Schwerpunkt 8 des Systems M. Analytisch folgt dies daraus, dass die sogenannten Ebenenkoordinaten dieser X einer Glei- chung ersten Grades genügen (welche die Gleichung von $ heisst); entsprechend wird nun der Punkt S, als Inbegriff aller durch ihn gehenden Ebenen, als Fläche erster Klasse bezeichnet. — Werden ') Das Urteil, welches sich auf die Zeit nach 1890 bezieht, steht in dem Buche von W.Lorey: „Das Studium der Mathematik an den deutschen Universitäten‘, pag. 158. Auf der gleichen Seite ein Urteil über Christoffel. °) Die überwiegende Zahl der Reyeschen Arbeiten ist in Crelles „Journal für die reine und angewandte Mathematik“ erschienen. Sie sind an Hand der zu- sammenfassenden Inhaltsverzeichnisse, die jeweilen den Schluss einer Serie von 10 Bänden bilden, leicht zu finden. Hier muss. darauf verzichtet werden, einläss- lichere Zitate anzubringen. Jahrg. 66. C. F. Geiser. Zur Erinnerung an Theodor Reye, 173 umhüllen eine Fläche 2. Klasse (die Nullfläche oder das imaginäre Bild des Systems). Bildet man die Summe der Produkte der Massen- elemente in die Kuben ihrer Abstände, so entsteht ein Moment hö- herer Art!) des Massensystems nach einer Ebene, und alle Ebenen, für welche dieses Moment — 0 ist, umhüllen eine Fläche 3. Klasse. Man unterscheidet also für ein gegebenes Massensystem ein 1., 2., 3, .... Moment in bezug auf eine Ebene und jeweilen zugehörig ‚eine 1., 2., 3., .... Nullfläche von 1., 2., 8, .... Klasse. Umgekehrt lässt sich jede beliebige Fläche »nter Klasse als »te Nullfläche, und deren Gleichungspolynom als die Summe »ter Potenzen darstellen. Damit ist die Lehre von den algebraischen Flächen in einfache und fruchtbare Beziehung zur Massengeometrie gebracht. Ein interes- santes Beispiel ist folgendes: Es gibt © viele verschiedene Massen- systeme, von denen alle eine vorgeschriebene Fläche 3. Klasse als 3. Nullfläche besitzen. Unter diesen befindet sich eines, das nur aus 5 Massenpunkten besteht, d.h. die Gleichung jeder Fläche 3. Klasse kann in eine solche Form gebracht werden, dass die Summe von 5 Kuben (linearer Ausdrücke inden Ebenenkoordinaten) = 0 sein muss. Damit ist unter Anwendung des Dualitätsprinzips zugleich der massen- geometrische Beweis eines Sylvesterschen Satzes erbracht, der in die erste Reihe derjenigen gehört, mit deren Hülfe die Flächen 3. Grades jetzt fast ebenso leicht zu behandeln sind als die Flächen 2. Grades. (Die allgemeine Fläche 4. Klasse [oder Grades] erfordert mindestens 10 Biquadrate.) Reye hat seinen Arbeiten über Massengeometrie einen gewissen Abschluss gegeben, indem er den allgemeinen Begriff „apolarer“ Flächen entwickelte. Ausgangspunkt ist die Fundamentaldefinition: Es sei eine beliebige Fläche nter Klasse ®" als nte Nullfläche eines Massensystems m; (&, 4, 2), wi —1, 2, 3....ist, durch die Glei- chung in den Ebenenkoordinaten a, ß, 9, » als on = ID m,(au;+ By; + yz; — p)" = 0 | dargestellt, ferner eine Fläche kten Grades durch F* (x,.y, 2) = 0. Aus den Elementen M; = m; : F* (x, y, 2;) . bildet man ein neues Massensystem und mit Hülfe desselben die Gleichung I — SM, - (ax; + By; + 92 — pP)"*= 0. Diese Fläche (n—k)ter Klasse wird die Polare von #* nach ®" genannt. Aus ®* und F* ist 17”-* im allgemeinen bestimmt, es kann aber ein- treten, dass in dem Polynom /T”*, wenn es in bezug auf die Ver- änderlichen «, ß, 7, p geordnet wird, alle Koeffizienten — 0 sind, so Sr Andeutung über „Höhere Momente im Allgemeinen“ gibt Cul- mann, Graph. Stat. 1. Aufl. Sn 174 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 dass eine bestimmte Polare von F* nach ®" nicht mehr existiert. In diesem Falle heisst F* apolar zu ®*. Für den einfachen Fall n=2,k— 2 hängt die Apolarität von der einzigen Bedingung D' m, F°® (2, Y, 2) = 0 ab; sie ist identisch mit dem Verschwinden der simultanen bilinearen Invariante der Polynome ®® und F®, die zuerst in Hesses Theorie der Poltetraeder der Flächen zweiten Grades aufgetreten und dort von fundamentaler Bedeutung ist (vergl. Vorlesungen über anal. Geometrie des Raumes. 1. Aufl., pag. 153). Eine andere Fortsetzung der Arbeit über Trägheitsmomente ging von den Sätzen aus: In bezug auf ein gegebenes Massensystem M erzeugt jeder Punkt O des Raumes ein Trägheitsellipsoid €, dessen Mittelpunkt O ist; die Hauptebenen und Hauptachsen von € sollen auch als Hauptebenen und Hauptachsen von O bezeichnet werden (insbe- sondere für den Schwerpunkt S des Systems nennt man sie Zentralebenen und Zentralachsen). Eine Gerade g ist nur dann eine Hauptachse, wenn sie zu ihrer Polaren nach dem „imaginären Bilde“ des Massensystems senkrecht steht. Durch einen beliebigen Punkt P des Raumes gehen &® viele Hauptachsen, die einen Kegel 2. Grades bilden, in einer be- liebigen Ebene liegen © viele Hauptachsen, die einen Kegelschnitt umhüllen. Darauf baute schon der 2. Teil der „Geometrie der Lage“ weiter, wo die neuen Gedanken von Plücker über die Geometrie der geraden Linien, wie sie dieser 1865 in englischen Zeitschriften veröffentlicht hatte'), angewendet werden. Die vorhin als Hauptachsen bezeichneten Geraden bilden eine ( ©?) Mannigfaltigkeit, die man als Strahlen- komplex 2. Grades bezeichnet.) Sie kann direkt, ohne Beziehung auf das Massensystem definiert werden, als Inbegriff aller Geraden, die in bezug auf eine gegebene Fläche 2. Grades zu ihren Polaren senkrecht stehen. Durch die Fläche ist der Komplex bestimmt, nicht aber umgekehrt durch den Komplex die Fläche. Dies führt dann zu Sätzen über die Normalen eines Systems konzentrisch-homothetischer Flächen 2. Grades und zu solchen über die Normalen eines konfokalen Systems. — Viel später hat Reye sich damit beschäftigt, eine Klassi- fikation der durch die allgemeinsten Gleichungen gegebenen Komplexe 2. Grades aufzustellen — analog wie man die durch die allgemeinsten Gleichungen gegebenen Flächen 2, Grades einteilt in 1. reelle 7‘, [a) mit ‘) Plückers Hauptwerk über diesen Gegenstand: „Neue Geometrie des Raumes, gegründet auf die Betrachtung der geraden Linie als Raumelement“ erschien erst nach seinem Tod 1868/69, also später als Reyes Buch. ) Es ist ein: sehr spezieller Komplex 2. Grades; vor Reye hat ihn schon Chasles behandelt. Jahrg. 66. C. F. Geiser. Zur Erinnerung an Theodor Reye. 175 reellen, b) mit imaginären Geraden], 2. imaginäre F,. Er gelangt zu 8 Arten, von denen 3 noch je in 2 Unterabteilungen zerfallen.') Reye hat ein Analogon zu den Strahlenkomplexen untersucht, indem er von der Gesamtheit aller Kugeln im Raume ausging, die eine (©*) Mannigfaltigkeit bilden und durch analytische oder geometrische Bedingungen (©?) Mannigfaltigkeiten ausschied, die er „Kugelkomplexe“ nennt.?) Diese Gebilde sind wesentlich leichter zu behandeln als die Strahlenkomplexe [die als (© °) Mannigfaltigkeiten aus den ©* Geraden des Raumes erzeugt werden]. Ist in kart. Koord. A=a, ("+ y’+z°) — 2,2 —-29,y— 20,240, = 0 die Glei- chung einer Kugel A, so werden «,, @,,@,,@,, a, als homog. Koord. von A bezeichnet. Sei nun X =& (2?+y?-+ z?) — 28x — 2&y —25,z-+35,=0, so findet man, dass alle Kugeln X, welche A unter rechtem Winkel schneiden, in ihren homogenen Koord. die Gleichung u, — 2,5 20,8, —20,&, +0a,&, =0 erfüllen. Da dieselbe in den & linear ist, so sagt man: die X bilden einen linearen Kugel- komplex. Allgemeiner: Sollen sich A und X unter dem Winkel schneiden, so ist cos g (+ +3 — a) 2+2+8—8&$8,) — +. (0, &, — 2,5, — 2a,&, — 20,8, —+ a, &,)*, also bilden die Kugeln X, welche A unter dem gegebenen Winkel g schneiden, einen Komplex zweiten Grades. Für g = 90 ® erhält man den schon gefundenen Komplex 1. Grades doppelt; für g = 0 oder 180° den Komplex 2. Grades, dessen Kugeln A berühren. Die Gleichung 3+3+3—338, = r& gibt die Kugeln vom Radius r, also für r— 0 den Komplex der Null- kugeln.’) Aus diesen wenigen Grundbegriffen und ihrer Weiterent- wicklung lässt sich eine grosse Zahl .von Sätzen über Schneiden und Berühren von Kugeln leicht analytisch ableiten. (Man vergl. Reyes Büchlein „Synth. Geometrie der Kugeln und linearen Kugelsysteme* sowie die Abh. „Über quadr. Kugeleomplexe*, Crelle, Bd. 99). Mit den Untersuchungen über Strahlenkomplexe und über Kugel- komplexe, die beide als (©°) Mannigfaltigkeiten auf (o0*) Mannig- faltigkeiten erzeugt werden, stehen in Zusammenhang die sechs Ab- handlungen „über lineare Mannigfaltigkeiten projektiver Grundgebilde“ (Crelle, Bd. 104—108) insofern im Eingang zur vierten (Bd. 107, ER it für die Komplexe wie für die F‘, vorausgesetzt, dass die Gleichungen nur reelle Koeffizienten enthalten. ?) Eine prinzipielle Beziehung (Verwandtschaft) zwischen Strahlengeometrie und Kugelgeometrie hatte schon vor Reyes Arbeiten Sophus Lie gegeben. °») Da die Nullkugel identisch ist mit dem Kegel, der von ihrem Mittelpunkte aus über dem & fernen imaginären Kreise K„ des Raumes steht, so erscheint der Nullkugelkomplex zugleich auch als Strahlenkomplex der Geraden, welche K„ en. * schneid 176 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 pag. 162) die Möglichkeit rein geometrischer Erkenntnis einer Mannig- faltigkeit von mehr als drei Dimensionen erörtert wird. Zum Schluss der Andeutungen über die verschiedenen Richtungen von Reyes wissenschaftlicher Tätigkeit heben wir noch seine Ar- beiten über Schnittkurven und Schnittpunktsysteme algebraischer Flächen hervor. Er behandelt die Jacobischen Sätze und gibt ins- besondere über die Schnitte von Flächen 2. Grades interessante Re- sultate. Sehr schön ist seine geometrische (lineare) Konstruktion des 8. Schnittpunktes dreier F,, wenn die 7 übrigen gegeben sind; es ist wohl die einfachste Lösung des vielfach behandelten Problems (vergl. Crelles Journal, Bd. 100. Der Band 99 enthält Lösungen von Hesse [Caspary], Schröter, Sturm, Zehnter, von denen die erste analytisch ist und auf den Eigenschaften der ortho- gonalen Transformationen einer homogenen Funktion 2. Grades von 4 Veränderlichen beruht). vn. Nach vollendetem 70. Lebensjahre trat Re ye von seinem Lehr- amte zurück. Er durfte sich bei diesem Anlasse sagen, dass er in rastlosem idealem Streben für seine „Lieblingswissenschaft“ einen dauernden Erfolg errungen habe. Dies war im Laufe der Zeit aner- kannt worden, indem ihn die Gesellschaft'der Wissenschaften in Göt- seine Stellung getreu der Auffassung erfüllt zu haben, der er später einmal den bescheidenen, unpersönlichen Ausdruck gab: „Es galt uns als selbstverständlich, dass wir Professoren 1872 zur Pflege und Aus- breitung der Wissenschaft nach Strassburg berufen waren. Jeder suchte dabei sein Bestes beizutragen, ohne viel darüber zu reden.“ Diese, dem früher zitierten, 1916 erschienenen Buche Loreys entnommene Briefstelle führt uns bereits in die Zeit der grossen Weltereignisse und klingt jetzt wie ein wehmütiger Nachruf auf die Universität, an deren Aufstieg Reye mitarbeitete und deren Untergang er miterleben musste. Anfang und Ende aber wurden stellung auf.einem bedeutenden historischen Untergrunde erscheinen. Am 24. Dezember 1867 wurde bei der Beerdigung Poncelets, Jahrg. 66. C. F. Geiser. Zur Erinnerung an Theodor Reye. 177 der als Mathematiker, Techniker, Genieoffizier einen so glorreichen Namen hinterlassen hat, von der Academie des Sciences, von der Faculte des Sciences (die ihm den weit über die Grenzen des Hör- saals hinaus wirkenden „Cours de Mecanique, physique et experi- mentale“ verdankte) und dem Comite du Gönie die letzten Ehren erwiesen. Als erster sprach der berühmte Geometer und vielgewandte Politiker Charles Dupin; im Eingang seiner Rede wies er auf die Geburtsstadt des Verstorbenen hin: „Metz oü tout respire ä la fois la science et la guerre — devant laquelle se brisaient autrefois les efforts de Charles-Quint, et devant laquelle se briseraient encore les efforts de quelque empereur improvise des bords du Rhin et de la Moselle.“ Und doch musste der (1784 geborene) Prophet noch er- leben, dass Metz fiel und dass im Spiegelsaal des Schlosses zu Ver- sailles der „empereur improvise*“ zum erstenmal mit seinem neuen Titel begrüsst wurde. Nach der Vereinigung von Elsass-Lothringen mit Deutschland entwickelte sich Metz zu einem gewaltigen Bollwerk gegen Frank- reich. In Strassburg trat neben die Vorsorge für militärische Siche- rung die friedliche Aufgabe der mit den reichsten Mitteln ausgestat- teten, nach Kaiser Wilhelm benannten Universität: Sie sollte den geistigen Interessen der neu gewonnenen Reichsbürger die Richtung auf den Staat geben dem sie nun angegliedert waren, und damit einen dauernden Anschluss an das Reich fördern. eye, der ein guter Deutscher!) aber durchaus nicht chauvi- nistischer Natur war und dem die liebenswürdige Bescheidenheit seines Auftretens gewiss auch bei seinen elsässischen Schülern lebhafte Sym- pathie erwarb, mochte glauben, dass die Annäherung und Assimi- lation mit der Zeit immer grössere Fortschritte mache. Es ist das zu vermuten auf Grund einer fast zufälligen Stelle in seiner Rekto- ratsrede vom 1. V. 86 über „Die synthetische Geometrie im Alterthum und in der Neuzeit.“ Es heisst dort, dass erst das 19. Jahrhundert eine wichtige, auf die Anschauung gegründete Methode der Übertragung fundamentaler Sätze von Kreisen auf Kegelschnitte und Kegel aus- gebildet habe. „Diese Methode der centralen Projection verdanken wir hauptsächlich einem Sohne unseres Reichslandes, dem 1788 in Metz geborenen Poncelet.“ Was würde der seiner Vaterstadt so anhängliche Bürger, was der tapfere Soldat und feurige Patriot zu der ihm zugefallenen Reichsangehörigkeit gesagt haben ? ') we hatte 1863 den Entschluss gefasst, einem geplanten rg r Befreiung Schleswig-Holsteins von der dänischen Herrschaft beizutreten (das freilich ge politischer Konstellationen wegen, nicht zustande kam). Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 66. 1921. 12 18 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Weit selbstbewusster und schärfer als die durchaus harmlos ge- meinten Worte Reyes klingen aber einzelne Sätze aus den Reden, welche bei der Jahrhundertfeier der technischen Hochschule Berlin- Charlottenburg (18./21. X. 99) und bei zwei rasch darauf folgenden Festakten (Januar 1900) gehalten wurden.') Für dieses Jubeljahr war der Professor des Maschinenbaues Riedler zum Rektor erwählt, wohl zunächst in Rücksicht auf seine vorzügliche Eignung zur Re- präsentation, dann aber auch in Anerkennung für die erfolgreiche Arbeit an der Reorganisation der Hochschule?) und damit für den höhern technischen Unterricht überhaupt. Er gab schon am Vortage der Hauptfeier den fremden Ehrengästen Gelegenheit, ihn bei einem wunderbaren Diner kennen zu lernen, an dessen Schluss auch die an- wesenden „reinen“ Mathematiker sich heitern Gemütes der dem Gast- geber dargebrachten Huldigung anschlossen, wobei allerdings der Ge- nius der „höhern Algebra“ trauernd sein Haupt verhüllte. Der Haupttag brachte zunächst auf dem Vorplatze zur Freitreppe der Hochschule die Enthüllung der Denkmäler von Werner Siemens und Alfred Krupp, der beiden Weltgrössen der deutschen wissen- schaftlichen Technik und industriellen Organisation. Und nun folgte als Mittelpunkt des ganzen Festes die Proklamation des Rechtes der preussischen technischen Hochschulen „Diplom-Ingenieure auf Grund einer Prüfung zu Doktor-Ingenieuren (abgekürzte Schreibweise, und zwar in deutscher Schrift: Dr. Ing.) zu promovieren.“ Umgeben von seinen Kollegen und den höchsten Beamten seiner Verwaltung verlas der Unterrichtsminister die Urkunde, dann trat der Rektor „an die Stufen des Thrones‘, um den Dank der Hoch- schulen für diesen Huldbeweis (sowie für die Berufung von Vertre- tern derselben im Herrenhaus) auszusprechen. Den Mittelpunkt des Mittelpunktes aber bildete die Rede des Kaisers, „die in der Geschichte der technischen Wissenschaften und ihrer Hochschulen für alle Zeiten mit goldenen Lettern strahlen wird.... Es war als spräche der Zeit- geist selbst, als rausche über diesen vor ihrem kaiserlichen Herrn versammelten Schaaren der Flügelschlag einer grossen Zukunft.* Man kann sich vorstellen, wie auf diesem byzantinischen Gold- grund die Reden der Festtage (von denen amtsgemäss ein reichliches ') Vergl. die „Festschrift zur Jahrhundertfeier“ und die „Chronik der Hochschule 1799 —1899*, °) Chronik, pag. 179—198. Riedler hatte zur Durchführung seiner Ideen auch persönliche Opfer gebracht, indem er für das neue, ihm unterstellte Labora- torium Maschinenanlagen im Werte von 120000 und 24000 Mark stiftete. Jahrg. 66. C. F. Geiser. Zur Erinnerung an Theodor Reye. 179 Teil auf den Rektor fiel), sich zu einem ungewöhnlichen Ausdrucke!) . des Kraftgefühls und des Siegesbewusstseins eines in gewaltigem ma- teriellen Fortschreiten begriffenen grossen Volkes gestalteten: „Das Ende des Jahrhunderts findet die romanischen Völker im Niedergang, die germanische Kultur im Begriff die Welt zu erobern. Es findet Deutschland politisch und wirtschaftlich als führende Macht, mit stahl- gepanzerter Faust seine schaffende Arbeit schirmend.“ — „Deutsch- lands Zukunft liegt auf der See.... Die Ausgestaltung der deut- schen Kriegsflotte ist die nächste grosse Aufgabe des neuen Jahr- hunderts, des deutschen Reiches und der deutschen Technik“. — „Die Kriege sind um so seltener geworden, mit je vollkommeneren Mitteln sie geführt werden: die Furcht vor diesen Mitteln erzwingt jetzt schon Friedensliebe und das Reich gebietet Frieden, das am besten gerüstet ist.“ ?) Ganz anders als es diese begeisterten Reden anzukündigen schie- nen, hat sich die Zukunft enthüllt. Der grosse Kampf um die Welt- herrschaft, der aus ihnen wetterleuchtete, a. einen nn Ab- schluss gefunden. Und nicht die Feldl l t Hind ndorffs, nicht die gewaltige Stosskraft und der zäheste Widerstand der Mil- lionenheere, auch nicht die mächtige Kriegsflotte und die voll- kommensten technischen Kriegsmittel haben es vermocht, die Ent- scheidung im Sinne der damaligen Fanfaren zu erzwingen. Ein grosser Historiker hatte in einer Betrachtung über den Tod des Statthalters Feldmarschall Manteuffel (1885) den sonderbar ver- klausulierten Ausspruch getan, „dass das Elsass durch die Entschei- dung der Waffen, also wie die Alten glaubten und die Neuern ver- sichern, durch den Willen Gottes von Frankreich losgerissen an Deutschland geknüpft worden sei.“ Unter Umständen, für welche sich eine ähnlich bedingte Erklärung geben liesse, sind die Reichs- lande wieder mit Frankreich vereinigt. Aber warnungsvoll stehen vor uns die Worte des alten Moltke (vom 14. Mai 1890): „Wenn der Krieg, der schon mehr als 10 Jahre lang als Damoklesschwert über unsern Häuptern schwebt, wenn dieser Krieg zum Ausbruch kommt, so ist seine Dauer wie sein Ende nicht abzusehen. Es sind die gröss- je Sie durch die hier bedingte unmittelbare Aufeinanderfolge der Sätze noch erhöht wir ee 5 Meinbärgselieh nahm sich gegenüber diesen Sätzen die vom eidg. Poly- technikum überreichte Glückwunschadresse aus, welche mit den Worten schloss: „Möge nun der neue Zeitabschnitt, der für Ihre Hochschule beginnt, die segens- reiche Wirksamkeit derselben noch erweitern und erhöhen; möge sie auch in ihrem zweiten Jahrhundert eine leuchtende Stätte freudiger Arbeit an den völkerverbin- denden Werken, Künsten und Wissenschaften des Friedens bleiben.“ 180 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 „ten Mächte Europas, welche, gerüstet wie nie zuvor, gegeneinander in den Kampf treten; keine derselben kann in einem oder in zwei Feldzügen so vollständig niedergeworfen werden, dass sie sich für überwunden erklärte, dass sie auf harte Bedingungen hin Frieden schliessen sollte, dass sie sich nicht wieder aufrichten sollte, wenn auch erst nach Jahresfrist, um den Kampf zu erneuern. Es kann ein 7jähriger, es kann ein 30 jähriger Krieg werden.“ Ob es dem Völkerbund, der binnen wenigen Wochen in Genf seine erste Tagung halten wird, beschieden ist, die Wiederkehr des Mordens und des Verwüstens, das in den Kriegsjahren über uns gegangen ist, zu ver- hindern — wer vermöchte es zu sagen? Nach dem Verzicht auf seine Vorlesungen hatte Reye als, Eme- ritierter immer noch an den Beratungen des Professorenkollegiums teilgenommen; ein friedliches und geistig angeregtes Dasein in dem vertrauten Kreise schien ihm bis zum natürlichen Abschlusse gesichert. Doch der Krieg brachte auch in seine Familie schwere Sorgen: ein Sohn, der während der ganzen Dauer desselben unter den Waffen gestanden, kam glücklich zurück, aber ein Enkel war gefallen. Im Herbst 1918 fasste Reye den Entschluss, nach dem alten Deutsch- land überzusiedeln, indem er hoffte, dort die letzten Lebenstage in Stille und Ruhe verbringen zu können. Leider ergaben sich für den definitiven Ortswechsel mancherlei Schwierigkeiten, die sich, wenn eine Verfügung durch Gegenverfügung aufgehoben wurde, zu ganz widerwärtigen Verzögerungen gestalteten und schliesslich den Achtzig- jährigen zwangen, den komplizierten Umzug ohne die erhoffte Hülfe des Sohnes zu besorgen. Immerhin konnte er sich schliesslich in dem behaglichen Heim, das ihm ein Schwiegersohn in Würzburg aus- gesucht hatte, einrichten und im Mai 1919 noch seine goldene Hoch- zeit feiern ; aber die Erschütterungen, Enttäuschungen und Aufregungen der letzten Zeiten wirkten so stark nach, dass er ihnen einige Wochen nach diesem Feste erlag. Elastische Oberflächenwellen mit Dispersion in einem inhomogenen Medium.') Von Ernst MEIssNER. (Als Manuskript eingegangen am 12. März 1921.) Die seismologischen Aufzeichnungen unserer Bebenwarten stellen dem Beobachter eine Reihe von Rätselfragen, deren Lösung für die Erforschung der elastischen Natur des Erdballs von grösster Be- deutung ist. Die theoretische Elastizitätslehre kann feststellen, was für Erscheinungen unter gegebenen einfachen Verhältnissen zu er- warten sind. Sie erklärt die beiden Vorläuferwellen als die direkt durch das Erdinnere fortgepflanzten Störungen, während sie die grossen Wellen des Hauptbebens als Oberflächenwellen deutet. In- dessen zeigt der verwickelte Verlauf der Nahbebenaufzeichnungen, dass die wahren Verhältnisse jedenfalls nicht einfach sind, und die neuerdings ?) überraschend deutlich festgestellten identischen Aufzeich- nungen verschiedener Beben vom selben Herd machen es wahr- scheinlich, dass daran die komplizierte Struktur der Erdrinde einen wesentlichen Anteil hat. Wenn hier ein theoretisches Erfassen der Erscheinung noch in weiter Ferne liegt, so erscheint die Analyse von Fernbebendiagrammen etwas hoffnungsvoller. Diese zeigen in ihrer Maximalphase Wellenzüge von bemerkenswerter Regelmässigkeit.?) Deutet man sie als Rayleighsche Oberflächenwellen, so steht das beobachtete Verhältnis von Horizontal- und Vertikalbewegung damit nicht in Einklang und auch nicht die Tatsache, dass wenigstens zu Beginn der Maximalphase die Bewegung normal zur Ausbreitungs- richtung in der Oberfläche erfolgt. Der fühlbarste Mangel dieser Auffassung liegt aber darin, dass die Oszillationen der Bodenbewe- gung nicht erklärt werden. Deren Ursache in der Erregung oder der Reflexion zu suchen, geht für diese regelmässigen Wellenzüge !) Vergl. Actes Soc. helv. Sc. nat. Neuchätel 1920. ”) A.de Quervain u. A.de Weck. ibid. loc. ®) Vergl. die Diagramme in Galitzin: Vorl. ü. Seismometrie. Leipzig 1914 S. 110 u.389. 182 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 kaum an. Ihre Gesetzmässigkeiten deuten vielmehr auf Dispersion. Wenn die Rayleigschen Wellen eine Dispersion nicht zeigen, so liegt das daran, dass ihnen die Annahme eines homogenen Erdkörpers zu- grunde liegt. Schon wenn man über dem homogenen Erdkern eine homogene Rindenschicht annimmt, die andere elastische Eigenschaften hat, stellt sich in der Theorie die Dispersion ein, wie A. E. H. Love gezeigt hat.') Nun ist die elastische Inhomogenität eine der wenigen Tatsachen, die die Seismologie mit Sicherheit festgestellt hat. Wir wissen aus den Taufzeitkurven der beiden Vorläufer, dass die Fortpflanzungs- geschwindigkeit sowohl für Kondensations- wie für Torsionswellen mit der Tiefe zunimmt nach einem Gesetz, das für die ersten 1200 km nahezu linear ist.) Es stellt sich daher die Frage, wie es sich für ein derartig beschaffenes Medium mit den Oberflächen- wellen verhält, die ja, weil die Energie nur nach zwei Seiten streuend, für Fernbeben die Hauptrolle spielen. Es ist Zweck dieser Arbeit, den Nachweis zu führen, dass (unter den erwähnten, der Wirklichkeit angepassten Voraussetzungen über das Erdinnere) Oberflächenwellen von reinem Torsions- charakter existieren, Wellen, die horizontal und normal zur Fort-. pflanzungsrichtung schwingen, und die daher als Querwellen be- zeichnet werden sollen. Es wird ausserdem gezeigt, dass diese Wellen Dispersion aufweisen, und unter bestimmten Annahmen wird geradezu das Dispersionsgesetz numerisch berechnet. Zu bemerken bleibt, dass das Problem insofern noch nicht ein- deutig ist, als neben der Änderung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit auch noch die Diehteänderung mit der Tiefe von Bedeutung ist. Querwellen. Ein elastischer Halbraum sei begrenzt durch die unendliche Halbebene 2= 0; did + 2- Axe weise in sein Inneres. Wir unter- suchen ebene Wellen in der c—z-Ebene, die sich in der x-Rich- tung fortpflanzen. Reine Torsionswellen erhalten wir, wenn wir die elastische Verschiebung parallel zur Yy-Richtung, d.h. normal zur %2-Ebene voraussetzen. Entsprechend diesen Annahmen setzen wir n= Z(2). cos (p-t—f-x) (1) AD H.Love, Some Problems of Geodynamics, Cambridge 1912. Art. 176. ?) Galitzin, loc. eit. 8. 139. Jahrg. 66. Ernst Meissner. Elastische Oberflächenwellen mit Dispersion ete. 183 Es ist dann ar p 2r 7 r 3 (2) wenn L die Länge, V die Laufgeschwindigkeit, 7 die Schwingungs- dauer der Welle bezeichnet. Es treten keine Dehnungen auf und die Schiebungen berechnen sich aus 97 Be “ Yay 7 dx Yzr ER 0 Hieraus folgen die Schubspannungen in Elementen parallel den Koordinatenebenen FR T BRD N) (3) Dabei ist @ der Torsionsmodul. Wir nehmen an, dass er Funk- tion der Tiefe z sei. Wenn nun noch e(z) die Dichte des Mediums bedeutet, lautet die Bewegungsgleichung für das Medium 5a Y OTy EL AR a +8 y 4 oder nach Einsetzen von (1) und (2) G(ZY +Z. (er -FM)=0)) Es treten hiezu die Randbedingungen: 1) Die freie Oberfläche muss ar sein. r,. muss für z2=( verschwinden. Dies gibt (1) Z()=0 (Ia) 2) Es darf die Welle nur oberflächlich verlaufen. Daraus folgt (Ib) Limes Z (2) = 0 In der Annahme der Funktionen @ (z) und 0 (2) sind wir nicht ganz frei, wenn wir mit den Beobachtungen in Übereinstimmung bleiben wollen. Denn es ist J)=Ve& w EB: 1) Akzente bedeuten Ableitungen nach 2. 184 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 die aus der Laufzeitkurve bekannte Ausbreitungsgeschwindigkeit der Torsionsstörungen in der Tiefe 2. Annähernd ist v (z) linear in z. Indessen kommt für oberflächlich verlaufene»Wellen, wie die Quer- wellen wesentlich in Betracht nur der Verlauf von v(z) bis zu einer Tiefe, die von der Grössenordnung der Wellenlängen ist, also 200 km nicht übersteigt. Innerhalb dieses Bereiches aber darf das lineare Gesetz auch durch ein anderes ersetzt werden, das davon genügend wenig abweicht. Eine ausführlichere Untersuchung, die vorbehalten wird, kann Genaueres darüber aussagen, inwiefern die Dispersions- kurve von Variationen in den Funktionen @ (2) und e (z) beeinflusst wird. Es lässt sich voraussehen, dass für kurze Wellen dieser Ein- fluss unbeträchtlich ist. Um an einem bestimmten Fall die allgemeinen Verhältnisse dar- zustellen, machen wir jetzt die Annahme G=@,-(1+02)? e=9(1+B82), (1) so dass sich für die Geschwindigkeit v der Torsionswellen mit der Tiefe das Gesetz ergibt BU dr ÖD) v= V“ — Öberflächengeschwindigkeit (2) ®& Setzt man jetzt noch = e. -(1-+62) und bezeichnet man Ableitungen nach dieser neuen Veränderlichen mit Punkten, so erhält man aus (I) 8Z+22+(6—-2)Z=0 (I) wobei noch abkürzend gesetzt ist | in er = (3) Die zu erfüllenden Grenzbedingungen lauten: z(£) og (Ile) Limes Z= 0 (Ib) S=+® ) Vergl. Math. Enzykl. II B.5. E.Hilb, Art.5. Jahrg. 66. Ernst Meissner. Elastische Oberflächenwellen mit Dispersion ete. 185 Nach allgemeinen, von Poincar6 u.a.!) herrührenden Sätzen hat (II) ein und nur ein Integral, das sich asymptotisch wie e” - a5"! verhält, wenn 3 im Reellen nach + ® läuft. Nennen wiresZ,. Es erfüllt (IIb) und es bleibt nur noch zu zeigen, dass auch (Ila) erfüllt werden kann, was weiter unten geschehen soll. Ist nun 3 eine Wurzel von Z (2)= 0, so hängt 3 parametrisch von s ab. Nach (3) wird nun %: 5 2x he nu Man gewinnt mithin durch Elimination von s einen Zusammen- hang zwischen V und L. Verschieden lange Wellen laufen ver- schieden rasch. Die untersuchten Oberflächenwellen zei- gen Dispersion und die Gleichungen (4) enthalten das Disper- sionsgesetz. Alle vorkommenden Wellengeschwindigkeiten übertreffen den Öberflächenwert v, der Torsio indigkeit. Dies lässt sich so zeigen: Ist 3 irgend eine Nullstelle für Z, für die Z und Z ver- schiedene Vorzeichen haben, so ist wegen (II) sicher 58 (5) Oberhalb 2= s können sich also ausschliesslich Nullstellen befinden, für die Z: Z positiv ausfällt. Solche sind aber wegen (IIb) ausge- schlossen. Es gibt demnach eine grösste Wurzel von (la) und sie liegt unterhalb s. Aus (4) schliesst man dann >03 Die polynomischen Lösungen. Ein Integral der Gleichung (II) ist von der Form Z = e”° limes ie „— > +1,2,2 he) h=o h 2 wo F die hypergeometrische Reihe bedeutet. Ist n eine ganze posi- tive Zahl und s=2(n-+1) so wird _n)(-n-+1)..n+k—1 zZ =e (14 seen 3°) (6) 186 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich, 1921 eine Lösung, die der Bedingung (IIb) genügt. Auch (Ha) kann erfüllt werden; denn nach Sätzen von Hurwitz u. a.!) sind die sämtlichen Nullstellen von Z und damit auch die von Z positiv reell. Es ist ein wesentlicher Unterschied festzustellen in den Wellen, die zu verschiedenen Wurzeln von Z=0 gehören. Bezeichnen wir sie in absteigender Grössenfolge geordnet mit Gar are. so wird für die 3, zugeordnete Welle W, Z und damit z,, im Gebiet 2>0kmal verschwinden, nämlich in denjenigen Ebenen z = z,,, die durch = 4, (1-+6z,,) is) auf der reellen Axe symmetrisch zu 0 zwischen — 1 und +1 liegen. Die Form und Konstruktion des Weges (Fig. 1) folgt aus der Gleichung Ss 5 Jahrg. 66. Ernst Meissner. Elastische Oberflächenwellen mit Dispersion ete. 189 Er besteht aus zwei zur v-Axe symmetrischen Schlaufen, die die Asymptoten v = + = besitzen. Als Integrationsweg kommt nur die links gelegene in Betracht, die den Sattelpunkt S Ss ren a ee w= Yı no. enthält. Auf dem Integrationswege A 8. B ist jetzt t=f(w,) — f(w) eine reelle Veränderliche, die von + © nach 0 und nach + ® zu- rückgeht, wenn der Weg von A nach $ und B durchlaufen wird. t wird als Integrationsvariable gewält. Jetzt ist in Jee@9 [ec dw (11) dw als Funktion von t auszudrücken. Man erkennt, dass nur der Teil des Integrationsweges in der Nähe des Sattelpunktes t = 0 einen wesentlichen Beitrag an das Integral gibt und man gründet hierauf eine asymptotische Entwicklung, indem man Reihenentwicklungen in der Umgebung von t= 0 benützt. Nach Taylor ist eye (12) wo Punkte (wie im folgenden) weitere Glieder der Reihenentwick- lung andeuten. Daraus folgt 0 VE Ve Urea zitt i dw = 37V gRrz dtf1-+--] Legt man den Wurzeln rechter Hand ihren Absolutwert bei, so entspricht dem positiven Vorzeichen ein Fortschreiten von S aus gegen B hin, dem negativen ein Fortschreiten in der Richtung 5 A. Es ist J=fi+ßE =Ss —Ss 488) Beachtet man, dass s , 1+35 | isn je Se Sw)=-25+z 81-2+ 73 I Ya (14) 190 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 so ergibt sich Jared ir SL yar e'2 8 und da im3=1 m 9as $=o so wird für sehr grosses 3 “- J © konst. e”?, ar -1 was beweist, dass (7) die Bedingung (IIb) erfüllt. Asymptotische Entwicklung der Funktion Z(&) für den Fall 2 or jez} I ” Ne) je en, A. Vorderextremität. Der Feldhase zeigt Tendenz zu relativ längerem Radius. , Der Alpenhase besitzt relativ längere Phalangen, verglichen mit 7. Thoracalwirbel und Handlänge. . Bei gleicher Länge des Humerus, Radius und des Carpus und Metacarpus zeigt der Alpenhase grössere Handlänge. . Die grössere Handlänge des Alpenhasen beruht nur auf seiner grösseren Phalangenlänge. B. Hinterextremität. . Ausgedrückt in Längen des 7. Thoraealwirbels sind Femur, Tibia und Tarsus-Metatarsus bei Feldhase und Alpenhase zirka gleich lang, nur Tibia und Tarsus-Metatarsus des Alpenhasen zeigen geringe Tendenz zu grösserer Länge. . Ausgedrückt in Längen des 7. Thoracalwirbels sind die Hinter- fuss-Phalangen des Alpenhasen bedeutend länger. Bei gleicher Femur-, Tibia- wie Tarsus-Metatarsuslänge besitzt der Alpenhase einen längeren Hinterfuss. i Die grössere Hinterfusslänge des Alpenhasen beruht vor allem auf seinen längeren Phalangen. Ci Vorder-- Hinterextremität. . Beim Alpenhasen sind die Hinterbeine sowohl gegenüber den Vorderbeinen wie auch gegenüber der Basilarlänge grösser. . Das stärkere Überwiegen der ' Hinterextremität gegenüber der Vorderextremität beim Alpenhasen beruht: a) Auf der grösseren Radiuslänge des Feldhasen, b) auf einer längeren Tibia des Alpenhasen, ec) vor allem aber auf dem bedeutend längeren Hinterfuss des Alpenhasen, hervorgerufen durch grössere Phalangenlängen. Und was am wichtigsten ist: Der Radius des Feldhasen ist bei gleicher Tibialänge durchwegs grösser als der Radius des Alpenhasen, so dass sich auf Grund der Radiuslänge, ausgedrückt in "o der Tibialänge, die beiden Arten sicher trennen lassen. 220 Vierteljahrsschrift’d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Schwanzwirbel. Die Ermittlung der richtigen Schwanzwirbelzahl erfordert eine exakte Präparation, denn der letzte Wirbel ist oft nur so gross wie ein Stecknadelknopf und wird deshalb leicht mit der Haut entfernt. In anderen Fällen verwächst er häufig mit dem vorletzten Caudal- wirbel. Durch Vergleichung der Wirbelenden ist jedoch leicht zu kontrollieren, ob die Caudalwirbel vollzählig sind oder nicht. Weil es oft nicht leicht ist, die Caudalwirbel von den Sacralwirbeln zu trennen, habe ich die Kreuzwirbel hinzugezählt, wodurch jede Un- sicherheit ausgeschlossen ist. Darnach beziffert sich die Zahl der Kreuz-Schwanzwirbel beim Feldhasen auf 18—19, nur 1 Fall mit 20, beim Alpenhasen auf 16—17, mit drei Fällen von 18. Es ist also mit ziemlicher Sicherheit die Art auf Grund der Zahl der Sacral-Caudalwirbel zu bestimmen. Blicken wir zurück, so haben sich im Verlaufe der Untersuchungen nur zwei absolut trennende Merkmale ergeben: 1. die Form des oberen Ineisiven-Querschnittes und 2. die Radiuslänge in %, der Tibialänge. Andere Charaktere erwiesen sich wohl bis zu gewissem Grade als unterscheidend, jedoch nicht als absolut trennend. Dies ist das Bild der osteologischen Charaktere von Lepus euro- paeus Pall. und Lepus medius varronis Miller, zu dem wir gelangt sind durch Untersuchungen am vorliegenden Material. Weitere Forschungen an vermehrtem Material können es wieder verändern oder ergänzen und verfeinern. Mitteilungen aus dem Botanischen Museum der Universität Zürich. (XCHL) * Beiträge zur Kenntnis der afrikanischen Flora (XXX.). (Neue Folge.) Herausgegeben von HANS SCHINZ (Zürich). Mit Beiträgen von Albert Thellung (Zürich) und Hans $chinz (Zürich). (Als Manuskript eingegangen am 20. April 1921.) Amarantaceae. Hans Schinz (Zürich). Celosia (Pseudohermbstaedtia) Schaeferi Schinz nov. spec. „ Suffruticoa, erecta, glabra, ramulis angulosis, sulcatis; foliis longe petiolatis, subcarnosis, late ovatis vel suborbieulari-ovatis, obtusis, basi subeordatis et in petiolum angustatis; spieis elongatis vel capi- tatis, basi interruptis, argenteis; spieulis congestis; tepalis ovato- lanceolatis, mucronatis, 3nervls; cupula staminea hyalina, quam filamentorum pars libera 3-plo longiore, filamentis late ovato-lanceo- latis; utrieulo circumeisse dehiscente, 3-ovulato; stylo valde elongato, quam ovarium 2—3-plo longiore; stigmatibus 3, papillosis, exsertis; seminibus lenticularibus, nitidis. SÜDWESTAFRIKA (Gross-Namaland): bei der Station Gawachab, leg. Dr. Schaefer, commun. Kurt Dinter. Ein kahler, krautiger Halbstrauch mit graugrünen, kantigen und gefurchten Zweigen und langgestielten Laubblättern mit + #4 cm langen Stielen und dicklicher, breiteiförmiger bis fast kreisrund-eiför- miger, am Grunde -+ herzförmig ausgerandeter und in den Stiel vorge- zogener, stumpfer, am Rande etwas wellig gebuchteter, schmutzig- grüner (getrocknet), + 3 em langer und + 3,3 cm breiter Spreite. Neben verlängerten, -+ 20 em langen, unterwärts unterbrochenen, aus büschelig gehäuften Blüten zusammengesetzten Inflorescenzen kommen einfach-ährige, kopfige Blütenstände vor. Die 3-nervigen Tepalen sind weiss, länglich eiförmig.lanzettlich, bespitzt oder stumpf, 292 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 + 6 mm lang und + 3 mm breit. Die Staubfadenröhre ist häutig, + 3 mm hoch, überragt vom breiteiförmig lanzettlichen, 1 mm langen, in einer Ausbuchtung bespitzten Staubfadenteil. Die Staubbeutel sind dorsifix und 1—2 mm lang. Der nachträglich sich streckende, aus der Blüte mit den Narben herausschauende Griffel erreicht eine Länge von 3 mm; die drei Narbenäste sind 1 mm lang. Die eiförmige Kapsel ist kahl und birgt 3 bis 4 linsenförmige, glänzende Samen. Die Gestalt der freien Staubfadenteile weist die Art in die Unter- gattung Pseudohermbstaedtia (vergl. Schinz in Engl. Bot. Jahrb. XXI [1895], 180 pr. p., Lopriore l.c. XXX [1901], 104 und Engl. et Prantl Natürl. Planzenfam. Ergänzungsheft II [1908], 103) und zwar entspricht die Figur © (zwei Staubfäden von Celosia scabra Schinz repräsentierend) in Engl. Bot. Jahrb. XXX, 104 fig. 1 durchaus den Staubfäden von C. Schaeferi. €. scabra Schinz hat aber sitzende oder kurzgestielte Laub- blätter und papillöse Kapseln. Cyathula hereroensis Schinz nov. spec. Suffruticosa;- caule quadrangulari, canaliculato, tomentoso; foliis ovato-lanceolatis vel ellipticis, tomentosis, breviter petiolatis; inflores- centia capituliformi, subsphaerica; inflorescentia speciali e floribus 1—3 fertilibus et 2—4 sterilibus composita; bracteis et bracteolis ovafo- lanceolatis, in aristulam desinentibus; tepalis pilosis; pseudostami- nodiis subtriangularibus lanceolatis, quam filamenta triplo brevioribus. Stark verästelter, sparriger Halbstrauch mit kantigen und gerieften, in den Riefen anliegend dicht langbehaarten Zweigen. Laubblätter + 2 mm lang gestielt, eiförmig lanzettlich bis elliptisch, mit zum Teil gut abgesetzter, weisslichgelber, kurzer Grannenspitze, zerstreut- bis dicht langbehaart, + 25 mm lang und + 10 mm breit. Blütenstände + 3 cm lang gestielt, kugelig, kirschengross. Blütengruppen aus je 1 bis 3 fertilen und 2 bis 4 zu Dornen umgewandelten sterilen Blüten be- stehend. Trag- und Vorblätter eiförmig lanzettlich, in eine lange Spitze ausgezogen, zerstreut weich behaart, 6 bis 7 mm lang. Tepalen lan- zettlich, spitz, + dicht weich behaart, namentlich oberwärts, + 6 mm lang. Pseudostaminodien dreieckig lanzettlich, unregelmässig gezähnt, ein Drittel der Länge der 3 mm langen Staubfäden erreichend. Staub- beutel eiförmig, kurz. Griffel'4 bis 5 mm lang. Die zu Dornspitzen aus- wachsenden sterilen Blütenanlagen scheinen sich nach inet Anthese bräunlich zu färben. SÜDWESTAFRIRA: Etosapfanne im Norden des Hererolandes, Dinter 731; Otjitambi im Kaokofeld, Schlettwein. Die Pflanze erinnert habituell stark an Cyathula crispa Schinz Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCI). 223 in Engl. Bot. Jahrb. XXI (1895), 188, sie weicht aber von dieser ab durch die weich behaarten Tepalen und den mindestens zweimal längern Griffel. Anlässlich der Publikation der Ü. erispa lag mir nur das Exemplar von Rehmann, No. 5420 (Transvaal) vor, inzwischen ist mir aber weiteres, gleicherweise aus der Transvaal stammendes Material (Schlechter 4508) zugekommen und an dessen Hand habe ich mich überzeugen können, dass die Partialblütenstände bei C. crispa aller- dings dreiblütig sind, dass aber die seitlichen Anlagen sich überhaupt nicht entwickeln, sondern als sterile Blüten aufzufassen sind, deren Vor- und Tragblätter zu Dornspitzen auswachsen. Dadurch wird die von Cooke und Wright in Dyer Fl. Cap. V (1910), 422 geäusserte Ver- mutung, (©. crispa gehöre vielleicht gar nicht in die Gattung Oyathula, hinfällig. Leguminosae. Hans Schinz (Zürich). Podalyria pulcherrima Schinz nov. spec. Ramis sericeis; foliis breviter petiolatis, late ovatis, apice mucro- natis, erassiusculis, supra tenuis subtus densius sericeis, avenlis; pedunculis folio paulo longioribus plerisque bifloris; calycibus adpresse rufo-sericeis, laciniis lanceolatis, acutis, lateralibus carinam sub- aequantibus; legumine villosissimo. SÜDAFRIKA (westl. Region): in planitie summi montis Piquet- berg 500 m, Schlechter 5254, fl. 9. IX. 1894. Die ganz kurz gestielten Laubblätter sind breit oval bis breit- eiförmig, unterseits dicht-, oberseits dünner seidig behaart, + 10 mm lang und + 8 mm breit, mit unterseits etwas hervortretendem Mittel- nerv versehen, am Rande etwas verdickt, mit einem zurückgekrümmten Spitzchen versehen, ober- und unterseits zuerst rostbraun, später matt- grau. Die Blüten beschliessen zu zweien auf verhältnismässig kurzem Blütenstandstiel kurze, beblätterte Seitenzweige. Die Vorblätter sind schmal und bieten kein besonderes Merkmal. Der Kelch ist + 14 mm lang und zwar entfallen auf die Kelchröhre + 4 mm, auf die Ab- schnitte 10 mm, er ist rotbraun anliegend seidig behaart. Die Ab- schnitte sind lanzettlich, spitz, die seitlichen ungefähr so lang wie der Kiel. Die Fahne der prächtig rosarot gefärbten Blüten ist nahezu 30 mm breit und samt Nagel + 23 mm lang, die Flügel messen ++ 20 mm und der stumpfe Kiel hat eine Länge von zirka 13 mm. Die Hülsen sind dicht rotbraun behaart. Die Art gehört wohl in die Section Sericeae Harvey’s in Harv. et Sond. Fl. Cap. II, 9 und hat wohl grosse Aehnlichkeit mit P. biflora 224 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Lam., nur dass die Pedunculi bei dieser bedeutend länger sind. Mög- licherweise gehört hierher auch Rehmann 1634 von der Houtbay, von der mir aber nur ein kleines Zweigexemplar vorliegt. Nicht ausgeschlossen erscheint mir die Möglichkeit, dass wir es mit einer Spielart von P. biflora zu tun haben, mein Vergleichsmaterial reicht aber zu dieser Feststellung nicht aus. Borbonia parviflora Lam. Eneyel. I (1783), 437 var. glabrescensSchinz nov. var. ; SUDAFRIKA (reg. occident.): Zwartberg, 660 m, Schlechter 5549, bl. 16. X. 1894. Vexillum + glabrum. Beim Typus ist die Fahne dicht weichbehaart. Buchenroedera Jacottetii Schinz nov. spec. Suffruticosa, multo ramosa, rami divaricati, juveniles sericei; folia conferta in parte superiore ramorum, petiolata; foliola spathulata, apiculata, sericea; stipulae oblanceolatae, petiolos superantes; flores solitarii, axillares, pedicellati; calyx sericeus, lobis subulatis tubo longioribus; bracteae lineares, calyce breviores; vexillum externe seri- ceum, unguiculatum; legumen sericeum; flores atropurpurei (?). BASUTOLAND: White Hill, Jacottet 144, blühend I. 1912. Ein stark verzweigtes Zwergsträuchlein von kaum Spannenhöhe (so die vorliegenden zwei Exemplare) mit + spatelförmigen, bespitzten, lang- und dicht seidig behaarten, -+ 6 mm langen und + 3 mm breiten, auf dicken, kantigen, + 3'/, mm langen Blattstielen stehenden Laubblätt- chen. Nebenblätter + verkehrtlanzettlich, + 7 mm lang und + 2'/, mm breit. Blüten einzeln, auf -+ 3 mm langen Stielen und mit linealischen, + 5 mm langen Tragblättern. Kelch seidig behaart, mit glockiger, 3", mm hoher Röhre und fünf + 4 mm langen, pfriemlichen, spitzen Kelchabschnitten, die durch + flache Buchten von einander getrennt sind; da die Ränder der Kelchabschnitte etwas der Länge nach nach innen gekrümmt sind, sind sie etwas dicklich. Krone blau oder purpur- farbig (?), Fahne aussen seidig behaart, mit nahezu kreisrunder Platte und + 2", mm langem Nagel, Flügel kahl, +: 9 mm lang, mit + 3mm langem Nagel, Kiel seidig behaart, etwa so lang wie die Flügel, nicht geschnäbelt, abgerundet. Fruchtknoten seidig behaart. Von den beschriebenen armblütigen Buchenroedera-Arten unter- scheidet sich B. Jacottetii wie folgt: bei B.sparsiflora Wood et Evans in Journ. of Bot. XXXV (1897), 487 sind die Blattstiele so lang wie die Blättchen, die Kelchzipfel von der Grösse der Kelchröhre und drei- Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCIlI). 225 eckig; B. biflora Bolus in Journ. of Bot. XXXIV (1896), 18 hat Kelch- abschnitte die kürzer sind als die Kelchröhre und die Pflanze ist über- dies nur pubeszierend; B. pauciflora Schlechter in Journ. of Bot. XXXIV (1896), 891 hat nahezu kahle Laubblättchen und kahle Fahne; bei B. uniflora Dümmer in Kew Bull. (1912), 226 und B. griquana Schlechter in Ann. Hofm. Wien XX (1905), 18 ist die Fahne eben- falls kahl und für B. Macowanii Dümmer in Kew Bull. (1912), 225 endlich gibt der Autor an, dass die Kelchabschnitte '/, so lang wie die Kelchröhre seien. Argyrolobium glaucum Schinz nov. spec. Herba erecta, parce ramosa, subglabra; foliis breviter petiolatis (fere subsessilibus), trifoliolatis; foliolis obovatis vel + late ellipticis, basi cuneatis, apice acutis vel apiculatis, juvenilibus subtus adpresse seri- ceis, adultis glabris, in statu sicco brunneis; stipulis Janceolatis, acutis, petiolo longioribus vel eum aequantibus; racemis longe pedunculatis, terminalibus; floribus pedicellatis; bracteolis geminis ad basin calycis lanceolatis; calyce sericeo, fere ad basin bilabiato, lobis + acuminatis; vexillo extus sericeo. SÜDAFRIKA (Transvaal): in convalle mont. Elandspruitberg, 3. XU. 1893, Schlechter 3841. 25 cm hoch, krautig, wenig verzweigt, mit dünn-rübenförmiger ‘Wurzel. Laubblätter dreizählig, bis 8 mm — (meist kürzer) lang ge- stielt; Blättchen verkehrteiförmig bis breit-, obere + schmal ellip- tisch, nach dem Grunde zu + keilförmig auslaufend, spitz oder stumpf und apikulat, + 35 mm lang und + 17 mm breit, oberste auffallend schlanker, zuerst unterseits anliegend zerstreut behaart, frühzeitig ver- kahlend, trocken dunkelbraun. Nebenblätter lanzettförmig, behaart, verkahlend, 10 mm lang. Blütenstand endständig, + 9 cm lang ge- stielt, 3- bis Sblütig, die Blüten am Ende des Blütenstandes gedrängt, + 3 mm lang gestielt. Kelch anliegend behaart, 2-lippig. Unterlippe 3-lappig, von der Oberlippe durch 8 mm tiefe Einschnitte getrennt; die zwei seitlichen Abschnitte der Unterlippe von dem schmälern Mittel- abschnitt durch 3 bis 4 mm tiefe Einschnitte getrennt. Alle Abschnitte + zugespitzt. Die breit lanzettlichen Abschnitte der Oberlippe durch + 6 mm tiefe Einschnitte von einander getrennt. Die beiden lanzett- lichen Vorblätter dicht unterhalb des Kelches. Kelchröhre + 3 mm hoch. Fahne aussen dicht anliegend behaart. Dürfte wohl in den Verwandtschaftskreis von A.speciosum E. et 2., A. baptisioides (E. Mey.) Walp. (mir unbekannt), A. Sandersoni Harv. und A. Sutherlandi Harv. gehören, A. Sutherlandi soll gleich A. San- 236 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 dersoni nach Harvey (Harv. et Sond. Fl. Cap, II, 594) ganz kahle Petalen haben (was ich zwar mindestens für A. Sandersoni nicht be- stätigen kann, aber jedenfalls ist die Behaarung der Fahne viel spär- licher als bei unserer Art), ferner ist die Kelchunterlippe von Sandersoni nur kurz dreizähnig. Bei A. speciosum, das nach der Beschreibung unserer Art am nächsten zu kommen scheint, sind die Nebenblätter 2 bis 2'/, cm lang, wogegen sie bei baptisioides kürzer als die Blatt- stiele sein sollen, mindestens die der obern Laubblätter. Rhynchosia Dinteri Schinz nov. spec. Suffrutex erectus?; ramis filiformibus, hirsutis; stipulis ovato- lanceolatis; foliis trifoliolatis, longe petiolatis; foliolis + ovatis vel late elliptieis, obtusis vel acutis, subtus glandulis numerosis ornatis, supra adpresse hirsutis; racemis axillaribus, paucifloris, folia vix excedentibus; calyce campanulato, segmentis + late lanceolatis, hir- sutis; vexillo glabro. SÜDWESTAFRIKA (Hereroland): Gamams, Dinter 350, bl. I. Es scheint sich um einen buschigen, wenig hohen Halbstrauch zu handeln, dessen stielrunde Zweige fahlgelb und dicht mit langen, mit kürzeren abstehenden untermischten Mähnenhaaren besetzt sind. Dieselbe Behaarung zeigen, abgesehen von den Blüten, auch alle übrigen oberirdischen Organe. Der bis 25 mm lange Blattstiel der dreizähligen Laubblätter ist kantig und gerieft. Die -+ 3 mm langen und am Grunde + 2 mm breiten Nebenblätter sind vielnervig, spitz und + eiförmig lanzettlich. Die 10 bis 20 mm langen und 5 bis 15 mm breiten Laubblättchen sind von eiförmigem bis breitelliptischem Um- riss, stumpf oder spitz, am Grunde abgerundet oder spitz, mit drei vom Grunde aus eintretenden, unterseits stark hervortretenden Nerven versehen, oberseits anliegend lang behaart, unterseits vieldrüsig und mit zur Hauptsache auf die Nerven beschränkter Behaarung. Die beiden seitlichen Blättchen sind ungleichhälftig; das endständige ist bis 8 mm lang gestielt. Der Blütenstand ist blattachselständig (an- scheinend, das vorliegende Exemplar ist in dieser Hinsicht etwas dürftig), traubig und wenig länger als die grössern Laubblätter. Die Tragblätter der Blüten sind schmal lanzettlich, lang bewimpert. Der glockige Kelch der + 2 mm lang gestielten, + 10 mm langen Blüten besitzt + breit lanzettliche, + 2 mm lange Kelchabschnitte, die eher etwas kürzer als die Kelchröhre sind. Die Fahne ist ganz sicherlich kahl. Hülsen ? Rhynchosia Jacottetii Schinz nov. spec. Herba perennis, e basi ramosa, demum volubilis; ramis hirsutis; Jahrg. 66. HansSchinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCIl), 227 stipulis lanceolatis, acutis, plurinervis; foliis trifoliolatis, longe petio- latis ; foliolis rhombeo-ovatis vel rhombeo-obovatis, apiculatis, velutinis; racemis axillaribus, folia excedentibus, laxe paucifloris; calyce hirsuto, segmentis anguste lanceolatis; vexillo glabro; ovario sericeo-piloso. SÜDOSTAFRIKA (Pondoland): Muceba, Jacottet 644, bl. II. — Plante rampante, fleur jaune. — (Natal) Komgha River, 600 m, Schlechter 6170, bl. 2. I. 1895. Am Grunde viel verzweigt, oberwärts windend, abgesehen von der Krone und den Staubblättern mit langen Mähnenhaaren dicht bekleidet. Die + 30 mm lang gestielten Laubblätter sind dreizählig und am Grunde von breit lanzettlichen, spitzen, mehrnervigen, unterseits lang behaarten, oberseits kahlen, + 10 mm langen und + 3 mm breiten Nebenblättern begleitet. Die + 24 mm langen und + 24 mm breiten Blättchen sind rhombischverkehrteiförmig bis rhombischeiförmig, kurz bespitzt, beidseitig behaart, von drei vom Grunde eintretenden Nerven durchzogen und überhaupt vortretend genervt; die zwei seitlichen Blättchen sind leicht ungleichhälftig, das endständige ist + 5 mm lang gestielt. Die jungen Blättchen sind gleich den jungen Trieben über- haupt samtig behaart und besitzen einen sehr ausgesprochenen Samt- glanz. Die traubigen Blütenstände sind blattachselständig, + 8!/a cm lang, sie tragen oberwärts einige wenige Blüten in lockerer Anordnung. Die in der Achsel lanzettförmiger, nebenblattartiger Tragblätter von 5 mm Länge befindlichen Blüten sind + 3 mm lang gestielt und 5 bis 7 mm lang. Die lang behaarte Kelchröhre ist trichterförmig, + 21/2 mm lang, die Abschnitte sind schmal lanzettlich, spitz, + 5 mm lang und zwar sind deren zwei etwas höher hinauf verwachsen. Die Fahne ist kahl, der junge Fruchtknoten dagegen lang seidig behaart. Erinnert habituell an R.minima (L.) DC., weicht indessen ab durch die ansehnlichen Nebenblätter und das samtartige Indument. Unsere Pflanze dürfte auch R. erassifolia Benth., von der mir aller- dings nur zwei nicht einwandfrei zu dieser Art gehörende Exsik- katen vorliegen, ähneln, immerhin scheinen die Laubblätter bei crassi- folia grösser, die Pedunculi stark verlängert zu sein; die Fahne soll behaart sein. Rhynchosia Orthodanum Benth. ex Harv. et Sond. Fl. Cap. I (1861—62), 257 ist umzutaufen in R. sordida (E. Mey.) Schinz nov. comb. Rhynchosia Orthodanum Benth. ist identisch mit Ortho- danum latifolium E. Mey. Comm. (1835), 131 inel. O. sordidum E.Mey. l. e., 131 und mit O. argenteum E. Mey. l. c. 132. Mit der Gattung 228 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Rhynchosia vereinigt. hätte daher die Art die Bezeichnung R. lati- folia zu tragen, da aber inzwischen eine zu Recht bestehende Rhyn- chosia latifolia Nutt. (ex Torr. et Gray Fl. N. Am. I [1838/40], auf- gestellt worden ist, muss für die afrikanische Pflanze von dieser Kombination abgesehen werden. Das gleichalterige spec. Epitheton sordida scheint für die Gattung Rhynchosia noch nicht vergeben zu sein (für „argenteum“ träfe dies dagegen zu), und es kommt daher un- serer Pflanze die Bezeichnung R. sordida (E. Mey.) Schinz (= Rhyn- chosia Orthodanum Benth. = Orthodanum latifolium E. Mey. = O0. sordidum E. Mey. = O. argenteum E. Mey.) zu. O. Kuntze (Rev. Gen. Pl. III/2[1898], 60) hat, Hiern in Cat. Welw. Pl. I (1896), 266 folgend, dem von Medikus 1787 publizierten Gat- tungsnamen Dolicholus den Vorrang gegeben, aber Rhynchosia Lour. ist, obschon erst 1790 aufgestellt, in die Liste der „nomina conser- vanda“ aufgenommen worden und besteht daher zu Recht. Als Spielart ist zu erwähnen: R. sordida (E. Mey.) Schinz var. Mühlenbeckii (Hook.) Schinz (= Orthodanum Mühlenbeckii Hook. in Hook. London Journ. Il [1843], 92). Die übrigen Spielarten und Formen (vergl. O. Kuntze 1. c.) sind mir fremd und ich überlasse es daher einem spätern Monographen, die zutreffenden Kombinationen zu bilden. Ausser Orthodanum haben sich noch einige weitere südafrikanische Rhynchosia-Arten neue Namenkombinationen gefallen zu lassen, so Rhynchosia puberula (Eckl. et Zeyh.) Harvey in Harvey et Sond. Fl. Cap. II (1861—62), 255 (= Eriosema puberula Eckl. et Zeyh. Enum. [1835], 256), die, wie schon O. Kuntze ].c. hervorgehoben hat, nicht verschieden ist von Hedysarum ciliatum Thunb. in Nov. Act. Soc. Se. Upsal. VI (1799), 43 und daher die Bezeichnung Rhynchosia eiliata (Thunb.) Schinz zu tragen hat; ferner Rhynchosia glandulosa (Thunb.) DC. Prodr. 11(1825),388 (= Glyeine glandulosa Thunb. Prodr. pl. Cap. II [1800], 131), die identisch ist mit Phaseolus capensis Burm. Prodr. fl. Cap. (1768), 81 non Thunb. Prodr. pl. Cap. II (1800), 130 (= Vigna capensis Walp. in Linnaea XIII [1839], 533 non Hort. ex Schur Enum. Pl. Transs. [1866], 177 [= Phaseolus vulgaris L.]) und folglich den Namen Rhynchosia capensis (Burm.) Schinz erhält. Im Anschluss hieran sei auch darauf aufmerksam gemacht, dass, wie O. Kuntze l. c. mit Recht bemerkt, Rhynchosia nervosa Bentbh. in Harv. et Sond. Fl. Cap. II (1861-62), 253 sich deckt mit R. hirsuta Eckl. et Zeyh. Enum. (1835), 256 var. rhombifolia Eckl. et Zeyh. 1. c. und daher als Artname verschwindet; die von O. Kuntze (Rev. Gen. Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil.ausdem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCIH). 229 Pl. III/2 (1898), 61 aufgestellte var. Krebsii (= Dolicholus hirsutus [Eekl. et Zeyh.] O. Kuntze var. Krebsii O.Kuntze) hat daher die Bezeich- nung R. hirsuta Eckl. et Zeyh. var. Krebsii (O. Ktze.) Schinz zu tragen. Mit Otto Kuntze l. c. betrachte ich endlich Rhynchosia pilosa Harv. in Harv. et Sond. Fl. Cap. II (1861—62), 256 als nicht verschieden von Rhynchosia Totta (Thunb.) DC. Prodr. II (1825), 388 (= Glyeine Totta Thunb. Prodr. pl. Cap. II [1800], 131). Die von Reno Pott-Leendertz in Ann. Transvaal Museum III (1912), 119—182 publizierte und von Burtt-Davy in South Afr. Journ. of Se. (1913), 1—14 erweiterte Check-list der Transvaal-Pflanzen ist durch folgende Rhynchosia-Arten zu erweitern: R. ecinnamomea Schinz in Vierteljahresschr. Naturf. Ges. in Zürich LII (1907), 429 in fruticetis mont. Magalisberg pr. Aaapiesrivier, 1600 m, fr. 14. I. 1894, Schlechter 4162; Wonderboompoort, Rehmann 4378. R. elegantissima Schinz 1. c. Makapansberge-Streydpoort, Rehmann 5543. R. resinosa (A. Rich.) Hochst. ex Baker in Oliv. Fl. trop. Afr. II (1871), 218. Makapansberge-Streydpoort,-Rehmann 5548; Boshveld, Elands- rivier (Neu-Halle), Rehmann 4912. Eriosema elliptieifolium Schinz nov. spec. Suffruticosum, erectum ; ramulis hirsutis; folia petiolata, trifolio- lata; foliolis elliptico-lanceolatis, basi et apice acutis, supra adpresse villosis, subtus hirsutis (imprimis ad nervos), terminalibus petiolulatis; stipulae lanceolatae: racemi axillares, pauciflori, pedunculati; calyx hirsutus; vexillum extus adpresse pubescens; ovarium hirsutum. SÜDAFRIKA (Transvaal): Shilouvane, Sanatorium, Junod 1411; Marovunge, Junod 2534, bl. XII. 1905, 1200 m. Fleur jaune-brune. Ein Halbstrauch mit holzigem, knorrigem Stämmchen und + kantigen, mit namentlich unterwärts abwärts gerichteten, braunen, langen Haaren dicht bekleideten Zweigen. Die dreizähligen Laubblätter sind bis 6 mm lang gestielt. Die elliptisch-lanzettlichen Blättchen sind beidendig spitz, bis 65 mm lang und & 12 mm breit, wobei die zwei seitlichen meist kürzer, ja bisweilen viel kürzer und schmäler oder auch breiter als das um etwa 4 mm abgerückte endständige Blättchen sind. Die Spreite der Blättchen ist oberseits anliegend + dicht seidig behaart; unterseits ist die Behaarung auf die hervortretenden, braunen Nerven beschränkt. Die untersten Nebenblätter sind + breiteiförmig, die der obern Laubblätter lanzettlich, + 6 mm lang. Die + 10 mm Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg.66. 1921. 16 230 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 langen Blüten stehen zu 2 bis 3 bis 4 am Ende des + 4 cm langen Blütenstandes. Die Tragblätter der + 1!/; mm lang gestielten Blüten sind + eiförmig lanzettlich, spitz, + 7 mm lang. Die unmittelbar an den Kelch herangerückten zwei Vorblätter sind pfriemlich, + 1!/a mm lang. Die langbehaarte Kelchröhre ist + 3 mm hoch; die Abschnitte sind 7 mm lang, am Grunde 1'/s mm breit, linealisch-lanzettlich, spitz geschwänzt, zwei der Abschnitte sind bis zu einer Höhe von 5 bis 6 mm verwachsen. Die Fahne ist mit kurzen Haaren und sitzenden Drüsen bekleidet. Der Fruchtknoten ist lang behaart. Solange keine reifen oder nahezu reifen Früchte vorliegen, ist es vorläufig ein aussichtsloses Bemühen, feststellen zu wollen, ob es sich um eine RKhynchosia- oder eine Eriosema-Art handelt, sicher ist, dass sie sich mit keiner der mir bekannten Arten dieser oder jener Gattung deckt. Habituell erinnert sie an Eriosema salignum E. Mey,., deren Blättehen aber unterseits ein durchaus verschiedenes Indument besitzen. Eriosema fasciculatum Schinz nov. spec. Suffruticosa nana; caulibus erectis, villosis; folia petiolata, trifolio- lata; foliola oblongo-ovata vei oblongo-obovata, obtusa vel subacuta, villosa, nervatura subtus prominula; stipulae lanceolatae; racemi axil- lares, pauciflori; calyx hirsutus; vexillum glabrum; ovarium hirsutum. SUDAFRIKA (Transvaal): Shilouvane, Junod 1407, prairies du Sanatorium; plante demi-ligneuse, trös nombreuses tiges. Ein aufrechter, von zahlreichen gebüschelten Zweigen gebildeter Halbstrauch. Die kantigen und gerillten, weichbehaarten Zweige sind am Grunde mit zahlreichen, dachziegelig sich deckenden breiteiförmigen Niederblättern besetzt. Die dreizähligen, + 5 mm lang gestielten Laub- blätter setzen sich aus länglich eiförmigen oder länglich verkehrt- eiförmigen, stumpfen oder nahezu spitzen, +30 mm langen und + 16 mm breiten Blättchen zusammen. Die beiden seitlichen Blättchen pflegen etwas ungleichhälftig zu sein, das Endblättchen ist um etwa 5 mm abgerückt, alle sind braun weichbehaart, unterseits etwas heller und mit hervortretenden Ian- und Ilan-Nerven versehen. Die blattachsel- ständigen wenigblütigen Blütenstände sind gestaucht und kürzer als die Laubblätter, sodass die + 9 mm langen Blüten + zwischen den Blättern versteckt sind. Die Tragblätter sind lanzettlich, + 5 mm lang und aussen behaart. Die Röhre des langbehaarten Kelches ist + 3 mm hoch, die Abschnitte sind linealisch lanzettlich, + 8 mm lang und am Grunde + 1'/; mm breit, zwei davon sind bis zu einer - Höhe von + 5 mm untereinander verwachsen und am Grunde dem- Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCM). 231 entsprechend etwas breiter. Die Fahne ist kahl, breitverkehrteiförmig, am Grunde beidseitig des sehr kurzen Nagels geöhrt, + 9 mm lang und + 8 mm breit. Die Flügel haben bei einer Breite von 2 mm eine Länge von 8'/; mm. Der Fruchtknoten ist lang behaart. Ich stelle die Pflanze vorläufig zu Eriosema, obschon es mir be- wusst ist, dass die Entscheidung erst getroffen werden kann, wenn einstens reife oder nahezu reife Hülsen vorliegen, denn Eriosema und Rhynchosia lassen sich ja vorläufig nur auf Grund des Hilums und der Fun:cu'us-Insertion unterscheiden. Das veranlasst mich aber auch, die von mir 1908 beschriebene Rhynchosa angulosa Schinz in Bull. Herb. Boiss. 2me ser. VIII, 628 zu Eriosema zu stellen und sie Eriosema angulosum Schinz zu benennen. Sterculiaceae. Hans Schinz (Zürich). Hermannia ($Euhermannia) hyssopifolia L. var. integerrima Schinz nov. var. Foliis integerrimis, stipulis lineari-lanceolatis petiolum sub- aequantibus. SÜDAFRIKA: in fruticetibus litoralibus, Vietoria Bay in provincia George, 60 m, Schlechter 2397, bl. 2. III. 93. Besitzt den für H. hyssopifolia L. und H. suavis Presl charakte- ristischen, kurz fünfzähnigen, aufgeblasenen Kelch, weicht aber von hyssopifolia ab durch die ungezähnten Laubblätter, von suavis durch die Nebenblätter, die bei der oben diagnostizierten Varietät nur die Länge der Blattstiele besitzen, während sie bei suavis, die Harvey (Harvey et Sonder, Fl. Cap. 1 [1859/60], 198 ) mit H. trifoliata L. ver- gleicht, laubblattartig sind. Hermannia ($ Mahernia) setosa Schinz nov. spec. Herba perennis, setosa, basi lignescens, caulibus decumbentibus teretibus; foliis ovatis, obtusis, basi leviter cordatis, serratis vel crenatis; stipulis lineari-lanceolatis; floribus + glomeratis, longe pedunculatis axillaribus vel floribus solitariis axillaribus; calyce turbinato ultra medium in lacinias anguste lanceolatas diviso; petalis calyce brevioribus, basi inflexis, + orbieulato-obovatis; filamentis obdeltoideis, superne setosis; antheris ciliolatis; ovario piloso. PORTUG.SÜDWESTAFRIKA: Uukuanyama, A.Kestila 120, bl.H. Offenbar eine niederliegende, mit Ausnahme der Kron-, Staub- und Fruchtblätter abstehend rauh behaarte Staude. Diese für obige Art höchst charakteristische Behaarung setzt sich aus auf kleinen, 232 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 aber wohlprononcierten Höckerchen aufsitzenden, vielarmigen Stern- haaren zusammen, deren Seitenarme aus sehr steifen, dickwandigen, starren, einzelligen Haaren bestehen ; zudem ist der Pflanze ein leichter Stich ins Goldgelbe eigen. Die bis 25 mm lang gestielten Laubblätter sind von eiförmigem Umriss, beidendig abgerundet, am Grunde mit- unter schwach herzförmig ausgerandet, meist 25 mm lang und 15 mm breit, immerhin kommen auch bis 5 cm lange und bis 3'/2 cm breite Laubblätter vor; der Blattrand ist grob gezähnt oder gekerbt. Die Blüten entspringen entweder einzeln den Blattachseln und sind ganz kurz gestielt, sitzen aber einem + 15 mm langen, verarmten Blüten- standstiel auf, viel häufiger beschliessen sie aber, fast ungestielt, in mehr- bis vielblütigen dichten Knäueln bis 35 em lange, blattachsel- ständige Seitenzweiglein, die mit ein paar reduzierten Laubblättern besetzt sind. Die dicht an den Kelch gerückten Hochblätter sind gleich den Nebenblättern linealisch lanzettlich und + 4 mm lang. Der + 3mm hohe Kelchtubus ist weit trichterförmig; die Kelchzipfel sind bei einer Länge von 5 mm schmal lanzettlich, schlank, abstehend oder zurück- gebogen, am Grunde bis 2 mm breit und von dicklicher Konsistenz. Die 3?/: bis 4 mm langen, kahlen Kronblätter besitzen eine nahezu kreisrunde Platte; sie sind genagelt und zwar sind die Ränder des Nagels längs einwärts geschlagen. Die Staubfäden sind breit kreuz- förmig, die seitlichen Verbreiterungen sind callös und abstehend be- haart; ihre Länge beträgt + 3 mm. Die schlanken, spitzen, im untern Drittel ihrer Länge dicht kurzbehaarten Staubbeutel sind + 6 mm lang. Der Fruchtknoten ist dicht behaart. Schumann’s Schlüssel in Engl. Monogr. afr. Pfl. V, 61 der Gattung Hermannia $ Mahernia führt auf H. grandiflora Ait., eine Art, die wie schon die Artbezeichnung andeutet, mit H. setosa nichts gemein hat. Thymelaeaceae. Hans Schinz (Zürich). Gnidia clavata Schinz nov. spec. Ramulis junioribus sericeis; foliis oppositis, sericeo-pilosis, lan- ceolatis vel ovato-lanceolatis; capitulis terminalibus, 1- vel 2- vel 3-floris; floribus extus dense sericeo-villosis, limbi lobis ovato-lanceo- latis, obtusis, squamas 8 carnosas clavatas glabras duplo superantibus. SUDAFRIKA (westl. Region): in elivib. mont. Olifant Rivier Bergen, 330 m, Schlechter 5101, 31. VIII 1894. Ein offenbar reich verzweigter Zwergstrauch. Laubblätter gegen- ständig, bis 8 mm lang und 3'/s mm breit, lanzettlich bis eiförmig- lanzettlich, beidseitig dicht- und weich lang seidig behaart, oberseits Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil. ausdem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCII). 233 fast atlasglänzend, unterseitsmit drei + deutlichhervortretenden Längs- nerven, später oberseits + filzig grauweiss, unterseits — etwas stärker verkahlend — graugrün. Der Spreitenrand ist leicht nach oben um- gerollt. Die Zweige sind weich seidig langhaarig, verkahlen mit der Zeit und besitzen dann eine rötliche Rinde. Die Blüten sitzen einzeln oder zu zweien oder dreien in den allerobersten Blattachseln; sie messen samt Fruchtknoten + 15 mm und zwar entfallen auf den Fruchtknoten + 3'/ mın, auf die Röhre + 7 mm und auf die Saum- lappen -+ 4'/ mm. Die Blüten sind aussen dicht mit weichen Seiden- haaren bekleidet. Die auf der Innenseite kahlen, + 2 mm breiten Saumlappen sind von eiförmig lanzettlichem Umriss und dabei stumpf. Die 8 Petalen sind kahl, wachsartig, gelb, keulenförmig, + 2 mm lang und °®/ı bis 1 mm dick. Die 8 Staubblätter sind kahl und I mm lang. Die Narbe ist mit langen Papillenhaaren besetzt. ie Pflanze erinnert an Gnidia anomala Meisn. und an Gnidia tenella Meisn., diese haben aber nur 4 fertile Staubblätter; bei Gnidia sericea L., die auch etwa in Frage kommen könnte, stehen die Laub- blätter dichter und die Petalen sind pfriemlich. Gnidia psilotoides Schinz nov. spec. Herbacea, caulibus ramulisque filiformibus, glabris; foliis sparsis, lineari-lanceolatis, acutis; spieis terminalibus; floribus tetrameris demum remotiusculis, extus sericeo-pubescentibus, limbi lobis obtusius- culis vel mucronatis, ovatis: faucis squamis 8, clavatis, carnosis, hirsutis. SÜDAFRIKA: in colle pr. George, 250 m, Schlechter 2305, 9. III. 1893. Eine aufrechte, kahle, ginsterartige, krautige, nicht oder nur sehr schwach verzweigte, + 40 cm hohe Pflanze mit aufrechten, + 1 mm dieken Zweigen. Die abwechselnd gestellten Laubblätter sind dem Hauptstamm und den etwa vorhandenen Zweigen angedrückt, kommen in sehr geringer Zahl vor und sind ungestielt, kahl, pfriemlichlanzett- lich, spitz und bis 10 mm lang, sie sind oberwärts etwas gedrängt, unterwärts + 15 mm von einander entfernt. Der Blütenstand, an dem die Blüten oberwärts gedrängt stehen, ist traubig und erreicht schliess- lich eine Länge von bis zu 8 cm; während dieser Streckung fallen die Früchte allmählich ab und ‘die Pflanze erinnert dann auffallend an Psilotum triquetrum. Die Blüten sitzen auf einem erhöhten Polster, das anfangs zierlich mit langen starren Wimperborsten kranzartig besetzt ist, später indessen verkahlt. Die Blütenröhre hat eine Länge von 4 bis 5 mm und ist gleich den + 1'/ı mm langen, eiförmigen, stumpflichen, mitunter von einem Spitzchen überragten Saumlappen 234 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich, 1921 anliegend seidig behaart. Die acht paarweise genäherten, fleischigen, keulenförmigen Petalen sind beinahe so lang wie die Saumlappen. Staubblätter acht, + 1 mm lang. Frucht eiförmig, mit langen, ein- zelligen, sehr dickwandigen, spitzen Borsten besetzt. Griffel seitlich, Narbe schwach keulenförmig, mit Papillen. Scrophulariaceae. Hans Schinz (Zürich). Anticharis azurea Dinter in herb. Annua, glanduloso -pilosa; foliis sessilibus, lineari - lanceolatis, subacutis; pedicellis gracilibus, calyce duplo langioribus, infra medium bibracteolatis; bracteolis parvis, linearibus; antheris liberis. SÜDWESTAFRIKA (Hereroland): Okahandya, auf zerfallendem Granit und Glimmerschiefer, 1300 m, Dinter 483, Eine einjährige, verzweigte, + 40 cm hohe, dicht mit kurzen Stieldrüsen besetzte Pflanze. Die Laubblätter sind linealischlanzettlich, spitzlich, drüsig, mit der Zeit verkahlend, + 4 mm lang und + 2 mm breit. Die fädlichen, + 10 mm langen Blütenstiele tragen gegen den Grund zu 2 fädliche, abfällige Vorblätter. Die dicht drüsig behaarten Kelchzipfel sind linealischlanzettlich, spitz und 5 mm lang, die Krone misst ungefähr 9 mm. Die Staubbeutel sind frei. Die bekannte Blau- färbung der getrockneten Anticharis-Pflanzen, die für mehrere Arten bekannt ist, ist hier nur schwach angedeutet. A. azurea Dinter erinnert habituell in jeder Hinsicht an die von mir in den Verh. des Bot. Ver. Prov. Brandenb. XXXI (1890), 788 be- schriebene A. Aschersoniana, sie unterscheidet sich aber von dieser wie von A. linearis (Benth.) Hochst. durch unterhalb der Mitte der Blütenstiele inserierte Vorblätter. Zudem sind die Laubblätter bei A. linearis um ein Geringes breiter als bei A. azurea, auch ist bei ersterer wie bei A. Aschersoniana die Blaufärbung der getrockneten Pflanze auffallend stärker. Compositae. Albert Thellung (Zürich). Vernonia pinifolia (Lam.) Less.!) var. canescens (Rehm.) Thellung var. nov. ‘) Die Nomenklatur dieser Art ist ziemlich verwirrt. Synonymie: V. pinifolia (Lam.) Less. 1829; Conyza canescens L. f. 1781, Thunb. 1823; V. canescens Sch. Bip. 1844 — non H.B,.K. 1820 (spec. peruviana admissa!); Erigeron capense Houtt. ca. 1783 (nomen abortivum!); Conyza pinifolia Lam. 1786 (excl. syn. Seb.; nomen abortivum!); Webbia pinifolia DC. 1836. Für den ältesten Artnamen, Conyza canescens, fehlt merkwürdigerweise das ursprüngliche Zitat L. fil. Suppl. (1781), 367 () sowohl / Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCIl). 235 Vernonia natalensis Sch. Bip. var. canescens Rehmann! exsicc. 7070. Folia etiam adulta superne dense cano-tomentoso-pubescentia, inferne potius opaca et tomentosa quam (ut in typo) nitido-sericea. L: Drakensberg, Biggarsberge, 1875— 80, Rehmann 7070. KAFFRARIA: Cooper (ann. 1860) 2576. GRIQUALAND OR.: in graminosis circa Kokstad, 5000’, 1882, Tyson 1523. Vernonia hirsuta (DC.) Sch. Bip. X pinifolia (Lam.) Less.; Schlechter Thell. hybr. nov. = V. adulterina?) Thell. Intermedia inter parentes. Folia oblongo-lanceolata, + 5 cm longa, S—9 mm lata, apice acutata et subito mucronata, basi obtusius- eula, leviter retieulato-bullata, supra obscure viridia et laxe pilis flaccidis adpressis partim subsetiformibus et ultra '/. mm longis ad- spersa, infra pilis densissimis et valde intrieatis cano-tomentosa et (praesertim in superioribus) leviter sericeo-nitidula, margine subplana (leviter undulata sed — exceptis summis — vix manifeste revoluta). Indumentum pedunculorum (modice crassorum) subpatens. Species generatrices differunt: V.pinifolia foliis multo angustioribus (1—4 mm), supra laevibus (nec bullatis) glabris vel pube subtiliore et breviore canescentibus, infra sericeo-tomentosis et nitidis, margine revolutis nec undulatis, pedunculis gracilioribus subadpresse canescentibus. V. hirsuta differt foliis latioribus (plerumque ultra 1 cm), magis reti- eulato-bullatis, supra subhirsuto-scabris, infra laxe villoso-tomentosis et subopaeis, margine valde undulatis nec revolutis, basi subeordato-sub- amplexicaulibus, pedunculis crassioribus plerumque patenter villosulis. KAPKOLONIE: Reg. orientalis: in collibus pr. Korngha (?) 2000’, bei De Candolle (Prodr. V [1836], 72), als auch bei Harvey (Fl. Cap. II [1864/5], 51); diese Autoren schreiben vielmehr den Namen Conyza canescens Thunberg (Fl. Cap. ed. Schultes [1823], 665) zu, obgleich dieser selbst Linne fil. zitiert! (der letztere Autor figuriert indessen richtig im Index Kewenis). Die Kombination V. canescens (L. £.) Sch. Bip. ist jedoch unanwendbar wegen des ältern gültigen Homonyms von erhalten sollen; ebenso Conyza pinifolia Lam. Eneyel. II (1786—...), 86, zu der Lamarck selbst bemerkt „an C. canescens Lin. £. Suppl. 367.* Es bleibt also als gültiger Name nur die älteste Kombination in der riehtigen Gattung, nämlich V. pinifolia (Lam.) Less., übrig. ?) Gerne hätte ich diesen Bastard nach dem Finder V. Schlechteri benannt; doch existiert bereits eine Art dieses Namens von O. Hoffmann in Engler's Bot. Jahrb. XXIV (1898), 818. 236 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 1895, Schlechter 6227, bl. 10. I; vom Finder selbst als Bastard zwischen seinen beiden am gleichen Fundort gesammelten Nummern 6226 (= V. pinifolia) und 6228 (= V. hirsuta) bezeichnet, während F. W. Klatt alle 3 Nummern als V. hirsuta bestimmte. Aster ($ Diplopappus) Peglerae Bolus! in Trans. 8. Afr. Phil, Soe. XVIII, 379 (1907) var. longipes Thell. var. nov. Differt a typo foliis angusti- oribus (oblongis usque lanceolatis) subtilius serrato-dentatis usque integerrimis, apicem caulis versus valde decrescentibus, capitulorum pedunculis elongatis (+ 5—9 cm longis). TRANSVAAL: Houtbosch, 1875—1880, Rehmann 6109; in damp places, Saddleback Mtn. Barberton, 4000/4500', E. E. Galpin 1165, bl. XII. Die von Bolus (l. c.) angegebenen Unterscheidungsmerkmale seines A. Peglerae gegenüber A. hispidus (Thunb.) Baker (nec. Thunb.) = Diplopappus asper Less.| (breitere, stärker gezähnte Laubblätter, verkürzte und beblätterte Kopfstiele) sind unbeständig. Der spezifische Unterschied liegt vielmehr in der Behaarung der Spitze der Kopfstiele und der Hülle, welche Organe bei A. hispidus kurz steifhaarig, bei A. Peglerae dagegen fast kahl (nur von sitzenden Drüsen etwas papillös- mehlig) sind. remote foliatus, fere a basi ramosus, valde flexuosus, ramis laxe foliatis fere obovato subtrilobo; rhachis apicem versus dilatata, infra lobos semiamplexicaulis (nec tamen auriculata). Capitula mediocria, solitaria, terminalia, radiata. Involuerum (exsiccatione compressum) hemisphae- rıcum (basi truncatum), indistincte imbrieatum, phyllis sub-3-seriatis, Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCIH). 237 exterioribus (pareis) multo minoribus et angustioribus lineari-lanceolatis magis herbaceis purpurascentibus dorso hispidulis et glandulosis, in- terioribus lanceolato-ellipticis, margine late membranaceis albidis glabris, acuminatis apice purpureo, in extremo minute lacerato. Flores radii feminei, eier. 25--30, ligula rosea involucro sublongiore lineari- elliptica 5-nervi apice attenuata. Flores disci hermaphroditi, eire. 60, tubulosi, lutei; tubus anguste infundibuliformis, limbo brevior, extus glandulosus; limbus glaber, ovato-campanulatus, breviter 5-dentatus dentibus triangulari-ovato-lanceolatis acutiusculis laevibus. Antherae, stylus et stigmata generis. Achaenia (immatura) obovata, apice rotun- data, compressa, pilis sursum subadpressis setulosa et glandulis brevibus flavidisconspersa. Pappi haud copiosi setae longiores (ca. 20) uniseriatae, dentato-scabrae, adjecta serie setarum paucarum exteriorum multoties breviorum. Pflanze 15 cm hoch. Borstenhaare des Stengels + °/s mm lang. Laubblätter (mit dem Stiel) 3—1 em lang, 6-3 mm breit. Hülle 5 mm hoch, (gepresst) 1 cm im Durchmesser. Innere Hüllblätter fast 1!/e mm breit. Zunge der Strahblüten 7 mm lang, 1'/s mm breit. Krone der Scheibenblüten fast 3 mm lang; Röhre + 1'/ı mm, Saum 1°/s mm, seine Zähne + °/s mm lang. Antheren 1'/; mm lang. Frucht- knoten 1 mm lang. Innere Pappusborsten so lang wie die Krone, äussere sehr kurz. TRANSVAAL: Matchatchi-Gebirge, 2800—3000 m, Mr. Jacottet 1936. F. erucifolia kann nur mit der (mir lediglich nach der Beschreibung bekannten) F. pinnatifida Wood et Evans in Journ. of Bot. XXX VII (1899), 253 aus Natal verglichen werden, die sich jedoch anscheinend — wenn wenigstens die etwas verstümmelte Diagnose wörtlich ge- nommen werden darf — nicht unerheblich unterscheidet durch 3- bis 4-fach fiederspaltige (?) Laubblätter mit bis zu 1 Zoll langen Zipfeln, durch grössere Köpfe (Scheibe 12—18 mm im Durchmesser), schmälere (linealisch-lanzettliche) Hüllblätter mit auf dem Rücken fast dorniger Behaarung, den reichlichen, 1-reihigen Pappus und schwach flaumige Früchte; auch vermisst man in der Beschreibung die Erwähnung der bei F, erucifolia an allen Teilen -+ reichlich vorkommenden, kurzen Drüsenhaare. Die Gattungszuweisung bereitet etwelche Schwierigkeit, wie jaüber- haupt die Abgrenzung von Felicia gegenüber Aster zurzeit noch un- klar und strittig ist. Die südafrikanischen Diplopappus-Arten werden von O0. Hoffmann (in Engler-Prantl Nat. Pfl. fam. IV, 5 [1894], 163) zu Aster (sect. VI. Alpigenia Benth.), von Thonner dagegen (Die 238 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Blütenpfl. Afrikas [1908], 600) zu Felicia gerechnet. Die neue Art scheint mir mit Rücksicht auf den schwach entwickelten Pappus mit den sehr spärlichen Aussenborsten am richtigsten unter Felicia (nicht unter Diplopappus) untergebracht. Chrysocoma subumbellata Thell. spec. nov. Planta fruticulosa. Rami inferne lignosi, aphylli, cortice griseo- fuliginoso longitudinaliter striato tecti, cicatrieibus verruciformibus ornati. Rami novelli herbacei, longitudinaliter striati, papillis minutissi- mis albidis punctulati, dense foliati. Foliaapproximata, alterna, gemmam vel fasciculum foliorum brevissimum depauperatum in axilla gerentia, lineari-filiformia subteretia, supra sulcata, infra convexa, apice obtusa et callosa, glabra, impresso-punctata, illa ramorum prineipalium elon- gata, flaccida, valde flexuosa, patentia vel recurvato-pendentia, illa ramulorum capituligerorum (vel pedunculorum) subito multoties bre- viora, suberecta. Ramuli capituligeri (vel peduneuli foliati) ad apicem ramorum umbellatim vel corymbose congesti, breves, foliis abbreviatis muniti, simplices et monocephali, corymbum densum convexum (usque hemisphaericum) plerumque 5—8-cephalum formantes. Capitula satis parva, 4-5 mm alta, (exsiccatione compressa) 8—10 mm lata, late campanulata (basi late rotundata vel fere truncata), cire. 60-flora. Involuerum imbriecatum sub-4-seriatum; foliola anguste lanceolato- oblonga, papillis minutis albidis adspersa, apice interdum eroso-cilia- tula, ceterum glabra, dorso vitta fulvo-brunnea notata, margine late coriaceo-membranacea, exteriora angustiora acutiuscula, interiora valde obtusa, latius marginata, vitta apicem versus dilatata. Flores omnes tubulosi et hermaphroditi, fertiles, involucrum manifeste superantes. Corollae tubus brevis, in limbum infra anguste infundibuliformem sensim abiens. Limbi pars connata extus glandulis disseminatis ad- spersa, sub a vittis re Tune brunneis apice clavato- incrassatis notata; t i-ovati, acutiusculi, extremo apice obtusi et glaberrimi, nie utzogna vitta rubro-brunnea ornatı. Antherae, filamenta, stylus et stigmata generis. Achaenia late oblonga, compressa, basi subattenuata, apice paulum contracta et truncata, margine annuliformi suberenato cinceta, ad angulos vittis plerumque 2 rubro-brunneis apice incrassatis longitudinaliter percursa, pareissime puberula pilis brevibus subadpressis apice saepe bidentatis. Pappus uniseriatus, e pilis dentato-scabris satis cadueis constans. Beblätterte Zweigenden etwa 5—7 cm lang, ihre Laubblätter 1'/.—2 em lang, '/’—?/s mm breit. Kopfstiele 1—2 cm lang, ihre Laubblätter 2-3: '/;—"/; mm. Hülle 3—4 mm hoch; innere Hüll- Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCH). 239 blätter + °/s mm breit. Ganze Krone 3!/; mm, Zähne fast 1 mm lang. Antheren (mit dem apikalen Anhängsel) 1'/; mm lang, auf an der Spitze angeschwollenem Filament. Pappushaare 2 mm lang. SÜDAFRIKA: Div. Malmesbury, Umgegend von Hopefield (z. B. Hamburg), 1885/6, Bachmann 979, 981; bl. XI, fr. XII. Von Klatt teils als Chr. Coma-aurea, teils als Chr. longifolia bestimmt. Chr. subumbellata scheint nach den technischen Merkmalen der Chr. tenuifolia Berg., als welche sie nach der Flora Capensis wegen der bis zur Spitze beblätterten Seitenzweige (bezw. Kopfstiele) be- stimmt werden müsste, am nächsten zu stehen, unterscheidet sich jedoch von dieser Art auffallend durch die Heterophyllie (Laubblätter der Hauptzweige lang und schlaff, abstehend bis herabhängend, die- jenigen der Kopfstiele kurz und fast aufrecht), durch die an den Zweig- spitzen fast scheindoldig gedrängten, kurzen Kopfstiele, durch die auffallend lebhaft braunrot gefärbten Sekretkanäle der Krone und der Fruchtwand, sowie durch die sehr spärliche und kurze Behaarung der Frucht, deren Apikalhaare (wenn vorhanden) die Spitze der Frucht kaum überragen und (im Gegensatz zu Chr. tenuifolia) nicht einen äussern Pappus vortäuschen. Natürlich kann die Pflanze auch als eine discoide Felicia aufge- fasst werden; indessen gehört sie wohl sicherlich nicht als blosse Form zu einer bereits beschriebenen Art (z. B. zu F. muricata [Less.] Nees, der sie in der Blattform stark ähnelt). Die Unterschiede zwischen diesen beiden Gattungen, deren Vertreter einander oft zum Verwechseln ähneln und auch tatsächlich in den Herbarien zuweilen -unrichtig be- stimmt sind, bedürfen einer erneuten Prüfung und Feststellung. Wohl stellt O. Hoffmann (in den „Natürl. Pflanzenfamilien*) Felicia zu den Astereae-Asterinae und Chrysocoma zu den Astereae-Conyzinae; doch beruht auch bei ihm, wie in der übrigen systematischen Literatur, der ganze Unterschied auf dem Vorkommen bezw. Fehlen von zungen- förmigen Randblüten. Unter diesen Umständen bleibt es rätselhaft, aus welchen Gründen Harvey (in Fl. Cap. II [1864/65], 76) den durch discoide Köpfe ausgezeichneten Aster discoideus Sonder bei Aster (sect. Felicia) belassen und nicht zu Chrysocoma gestellt hat. Helichrysum (vel Elichrysum) Moeserianum ') Thell. spec. nov. !) Dem Andenken des verdienten, der Wissenschaft zu früh entrissenen (1913 mit der Polar-Expedition Schröder-Strantz ums Leben gekommenen) Bearbeiters der afrikanischen Helichrysum-Arten, Walter Moeser, gewidmet. Vrgl.: W. Moeser, ber die systematische Gliederung und geographische Verbreitung der afrikanischen Arten von Helichrysum Adans., in Engler’s Bot. Jahrb. XLIII (1909), 420—460; _ Die afrikanischen Arten der Gattung Helichrysum Adans., ebenda XLIV (1910), —345. 240 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Annuum. Radix tenuis, griseo-brunnea, parce fibroso-ramosa. Caulis in speciminibus exilibus unicus et infra inflorescentiam simplex, in validioribus caules complures, pumili, e basi arcuata-ascendente suberecti, fere a basi ramosi, inter ramos flexuosi, paucifoliati, ut rami in corymbum densum compositum abeuntes, laxe et satis tenuiter lanosi lana partim detersili. Folia basilaria rosulata, plerumque elliptico- lanceolata obtusa subsessilia, caulina oblongo-spathulata usque oblongo- lanceolata obtusa vel obtusiuscula, ipsa basi lata vel dilatata + ample- xicaulia, omnia satis tenuia, lana alba vel grisea satis tenui obducta. Capitula satis parva, ad apicem caulis et ramorum in corymbos relative amplos densissimos compositos hemisphaerico-convexos vel subumbra- euliformes disposita, sessilia, basi lana grisea cohaerentia; corymbi omnes in corymbum collectivum densum dispositi. Involucrum sub- campanulatum (crassitudine 1'/s-plo longius), imbricatum; phylla eire. 4-seriata, alba (leviter griseo-luteola) opaca suberecta, exteriora acutius- cula, interiora obtusiuscula vel obtusa, exteriora ovata sessilia, cetera unguiculata ungue extus leviter lanoso, lamina glabra anguste ovata supra concava (incurva); intima angustiora (lamina sublanceolata) sed vix breviora. Receptaculum fere planum, levissime scrobiculatum nee fimbrilliferum. Flores circ. 20, plerique hermaphroditi, pauci (cire. 3) feminei, intermixtis nonnullis intermediis (staminibus abortivis donatis). Corolla tubulosa, in floribus femineis leviter lageniformis (apicem versus angustata), glabra; limbus 5-dentatus dertibus triangulari-lanceolatis extrorsum curvatis ipso apiee obtusiuseulis et leviter granuloso- papillosis. Stamina, stylus et stigmata generis. Achaenia minuta, obovata, apice fere truncata, basi attenuata, sicca leviter anguloso- costata, quoad indumentum biformia: plurima glandulis satis magnis lueidis et pellueidis, sub aqua auctis (submucilaginosis) et vesiculi- formibus onusta, ceterum glabra, pauca (eire. 3)!) papillis breviter eylindrieis undique patentibus densissimis sub aqua immutatis quasi muriculata. Pappi setae corollam fere aequantes, paucae, liberae, valde caducae, basi papillis nonnullis adunco-recurvis munitae, dein sublaeves, a medio ad apicem sensim longius papillosae et subplumu- losae, leviter clavato-incrassatae. urzel dünn, auch an kräftigen Exemplaren oberwärts kaum 2 mm dick. Stengel 7—10 em hoch. Stengelblätter etwa 1'/ em lang, 3—4 mm breit, an Kümmerexemplaren kleiner. Gesamt-Kopfstand ') Es ist nach den Zahlenverhältnissen zu vermuten, dass die stachelig-papillösen Früchte den weiblichen Randblüten, die drüsigen den Zwitterblüten angehören. Der Zusammenhang ist'jedoch nicht mit Sicherheit nachweisbar, da beim Präparieren der Köpfe Krone, Pappus und Frucht sofort auseinander fallen. Jahrg. 66. HansSchinz. Mitteil. ausdem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCII). 241 bis 6 em im Durchmesser; die zusammengesetzten Einzel-Korymben (am Ende des Stengels und der Äste) etwa 2 cm im Durchmesser. Köpfe 4 mm hoch, knapp 3 mm dick. Spreite der grössten Hüllblätter ca. 1 mm breit. Receptakulum 1!/a mm im Durchmesser. Krone 2'/s mm lang, ihre Zähne ca. '/ı mm lang. Antheren (mit dem apikalen An- hängsel) ca. 1 mm lang. Frucht kaum über !/s mm lang, '/—"/ı mm im grössten Querdurchmesser. SÜDAFRIKA: Tomos River, Talsohle, Anfang November 1898, A. F. W. Schimper. Diese von einem den Botanikern nicht unbekannten Orte stam- mende Pflanze scheint merkwürdigerweise noch nicht beschrieben zu sein. In der Form des Gesamtblütenstandes und der Hülle stimmt sie in weitgehendem Masse mit H. petiolatum DC. und H. crispum (L.) Less. überein, die sich jedoch anderseits durch den strauchigen Wuchs, das mit Fimbrillen versehene Receptakulum, die zahlreichen, am Grunde verschmolzenen Pappusborsten und die kahlen Früchte nicht unwesentlich unterscheiden, so dass es trotz der erwähnten Ähnlichkeit zweifelhaft erscheint, ob die Art in der Gruppe Auriculata Moeser (in Engler's Bot. Jahrb. XLIV [1910], 310) untergebracht werden darf. Helichrysum (vel Elichrysum) aretioides Thell. spec. noV. Planta suffruticosa dense hemisphaerico-pulvinata, intus compacta. Rami cortice nigrescente tecti, radiatim dense et intricato-ramosi ; ramuli rudimentis squamosis dense imbricatis nigrescentibus foliorum emortuorum dense vestiti, apice in rosulam foliorum stellato-patentium et in capitulum unicum terminale sessile foliis immersum abeuntes. Folia duro-coriacea, parva oblongo-spathulata obtusiuscula, leviter extrorsum arcuata, supra leviter concava, margine crasso obtuso, enervia, utrinque appresse albido-tomentosa, basin laminae versus attenuata, dein in vaginam longam caulem ampleetentem, intus atro- brunneam et glabram, submembranaceam et longitudinaliter 5-nerviam dilatata. Capitula ad apicem ramulorum solitaria, sessilia, folia non superantia, mediocria, subglobosa. Involueri phylla multiseriata, omnia nitide nivea (vel interdum rosea) glabra, quorum exteriora ovata obtusa, interiora (longissima) anguste ovato-lanceolata acutiuscula, intima denuo decrescentia et fere lanceolata; phylla majora et intima in statu exsiccato (post deflorationem) stellatim refracto-patentia et valde radiantia. Receptaculum fere planum, leviter alveolatum. Flores eirc. 40—45, omnes tubulosi et hermaphroditi, limbo quam tubus vix latiore, apice in dentes 5 breves lanceolatos acutos apice papillosos, 242 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 extus glandulosos fisso, tubo immediate supra basin leviter subgloboso- inflato. Antherae, stylus et stigmata generis; antherarum caudiculae (basales) longe fimbriato-ciliatae. Achaenia subeylindrica, undique papillis grossis vesieulosis, sub aqua valde mucilaginosis vestita. Pappi uniseriati valde caduci setae liberae, per maximam partem longitudinis breviter dentato-scabrae, apicem versus papillis longioribus sub- plumosae, corollam aequantes. Die Pflanze bildet kompakte, halbkugelige Polster von ca. 5 em Höhe. Stärkere Äste + 4 mm dick. Der mit lebenden Blättern be- kleidete Teil der Zweigspitzen + 1 cm lang; Durchmesser der Einzel- rosetten 1—1'/s cm. Abstehender Teil der Laubblätter 5—7 mm lang, 2—2'/. mm in der grössten Breite, etwas sattelförmig gekrümmt (Oberseite parallel der Längsachse konkav, parallel der Querachse konvex); Scheide ungefähr ebenso lang, (ausgebreitet) 4—4'!/ mm breit. Köpfe + 1 cm hoch, ausgebreitet -+ 1!/. cm im Durchmesser. Grösste Hüllblätter + 10:2 mm. Receptaculum 1?/ı mm im Durch- messer. Krone 4'/s mm, ihre Zähne '/g mm, Antheren (mit den apikalen und basalen Anhängseln) 2 mm lang. Pappusborsten bis 4'/; mm lang. Achänien (reif?) 1—1'/; mm lang, ihre Papillen bei Benetzung stark aufquellend und klebrig verschleimend. BASUTOLAND: Mt. Sauer, dans les terrains pierreux ou sur les rochers („fleur* blanche, rose parfois), 1913, Jacottet 521 (B 609); bl. X. Die Art lässt sich im Wuchs und in der Beschaffenheit der Hülle am ehesten mit H. chionosphaerum DC. vergleichen, das sich jedoch durch die unterseits längsrippigen Laubblätter und durch die (wenn- gleich zuweilen kurz-) gestielten Köpfe leicht unterscheidet. Ob H. aretioides gleichwohl zur Gruppe Chionosphaera Moeser (in Engl. Bot. Jahrb. XLIII [1909], 459; XLIV [1910], 316) in erweitertem Sinne gestellt werden darf, muss ich dahingestellt sein lassen. Lopholaena pauciflora Thell. spec. nov. Suffrutex valde ramosus glaber. Rami vetustiores cortice griseo- brunneo longitudinaliter rimoso-striato teeti. Ramuli tenues et fragiles, lineis elevatis longitudinalibus a marginibus foliorum decurrentibus muniti, dense foliati, internodiis brevibus. Folia alterna, saepe fasci- culum foliorum vel ramulum abbreviatum in axillis gerentia, coriacea sicca valde rugosa, lineari-oblanceolata vel lineari-spathulata, uninervia, margine integerrima, apice acuta vel obtusiuscula et apiculo carti- lagineo brevi et lato, saepius obtuso notata, basin versus sensim quasi in petiolum indistinetum angustata, ipsa basi saepe leviter dilatata, Jahrg. 66. Hans Schinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCI). 243 axilla interdum parce lanosa. Capitula pedunculis graeilibus elongatis axillaribus, folia plerumque multo superantibus, versus apicem ramorum + congestis insidentia, eylindrica, basi in pedunculum producto- attenuata. Receptaculum leviter convexum, subfavosum. Involueri phylla 3—4, oblongo-linearia, primum ad */s altitudinis connata, dein secedentia, apice breviter triangulari (plerumque latiore quam longiore), acuto et saepe in mucronem callosum incrassatum subobtusum desinente, margine anguste membranaceo-hyalina. Flores 3—4, omnes conformes tubulosi hermaphroditi fertiles. Corollae tubus gracilis subeylindricus; limbus anguste infundibuliformis, dentibus eirc. ad '/« ineisis, anguste ovato-triangularibus, latitudine 1'/2-plo -longioribus, acutiuseulis, ex- tremo apice obtusiusculis incrassatis et papilloso-asperulis. Antherae, stylus et stigmata generis; ramorum styli appendice pilosa medio pilis longioribus munita. Achaenia immatura compressa subglaberrima. Pappi sordide albi copiosissimi setae dentato-exasperatae, involucro sesquilongiores, corollae tubum superantes. Die vorliegenden Aststücke sind 30—40 cm lang, am Grunde 4 mm dick. Beblätterte Zweige 5—10 em lang, 1—1!/; mm dick Laubblätter 11/3 cm lang, grösste Breite (gegen die Spitze) 2—3'je mm. Kopfstiele bis 4 em lang, '/ mm dick. Hülle 10—12 mm hoch, 3—4 (5) mm diek; Hüllblätter 2—3 mm breit, die freien dreieckigen Spitzen 11/—2 mm hoch. Krone 12 mm lang; Röhre 6 mm lang; Saumzähne 1!s: 1 mm. Antheren (mit dem apikalen Anhängsel, aber ohne die Endanschwellung des Filamentes) 2'/s mm lang; behaarter Teil der Griffeläste 1°/ mm, längste Pappusborsten 10 mm Jang. TROPISCHES AFRIKA: Nyassa-Hochland, Station Kyimbila, 1913, A. Stolz 2267. Die neue Art gehört entschieden zur Gattung Lopholaena DC. in der erweiterten Fassung durch S. Moore (Journ. of Bot. 1903, 134; Bull. Herb. Boiss. 2° ser. IV [1904], 1021), und zwar in die nächste Verwandtschaft von L. eneorifolia (D C.) S. Moore und L. dolichopappa (0. Hoffm.) 8. Moore (die sich indessen durch die zahlreicheren Hüll- blätter mit den verlängerten und zugespitzten freien Zipfeln leicht unterscheiden), sowie anscheinend besonders von Doria longipes Harv., die nach der Beschreibung unserer Art sehr nahe zu stehen scheint und daher wohl sicher als Lopholaena longipes (Harv.) Thell. zu be- zeichnen ist; sie unterscheidet sich anscheinend fast nur quantitativ durch die grösseren, 4—6 mm breiten Laubblätter, die 7”—10 cm langen Kopfstiele und die 15 mm lange, aus 5 — 6 Blättern bestehende Hülle. Es dürfte sich daher L. paueiflora später möglicherweise als eine Abart von L. longipes erweisen; indessen möchte ich sie vor- 244 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich, 1921 läufig, nicht zuletzt mit Rücksicht auf das stark abweichende Ver- breitungsareal, als eigene Art aufstellen. Othonna denticulata Aiton (O. amplexicaulis Thunb.) var. (?) Schlechteri Thell. var. nov. Folia basi ample auriculata et amplexicaulia (ut in typo et in varietatibus descriptis), ambitu panduriformi-oblongo-obovata acuta, lyrato-pinnatifida lobis lateralibus sublanceolatis remotis utrinque 2—3, terminali multo majore oblongo-elliptico; lobis et sinubus (et auri- eulis) margine ubique irregulariter et acriter denticulatis (dentibus pungenti-mucronatis) et undulato-crispatis. SÜDAFRIKA: in clivis montis Tabularis supra Orange Kloof, alt. 2000, 1892, Schlechter 730; bl. V. Die Blattgestalt weicht zwar von derjenigen der bis jetzt be- schriebenen Varietäten der O. denticulata (« integrifolia, 8 denticulata und 7? Dregeana [Harv. sub O. amplexicauli]) erheblich ab; indessen stimmen Blattkonsistenz, Gesamtblütenstand, Blüten und Früchte an- scheinend völlig mit dieser Art überein, so dass wohl doch nur eine extreme Abart der O. denticulata vorliegt. Senecio achilleifolius („achilleaefolius“) DC. var. glanduloso-scaber Thell. var. nov.') Differt a typo pedunculis et involueri phyllis desen glanduloso-scabris, pilis glanduliferis brevibus basi incrassatis. BASUTO-LAND: Leribe, Dieterlen 802. : TRANSVAAL: Bei der Stadt Lydenburg, 1885, F. Wilms 810. NATAL: Wood 4322. SÜDAFRIKA: Belfort, dans les pierres, mars 1912, Jacottet 37. Sowohl De Candolle (Prodr. VI [1837], 396) als Harvey (Fl. Cap. III [|1864—65], 394) beschreiben die Kopfstiele und die Hülle des S. „achilleaefolius“ als kahl, was auch für die meisten Exsikkaten zutrifft; die recht auffällige drüsigrauhe Abart dürfte daher den Rang einer guten Varietät beanspruchen können. Sie nähert sich durch die Behaarungsverhältnisse dem S. serrurioides Turez.?) (Zeyher 2974!), der sich jedoch durch die viel grösseren Köpfe und die längeren Blatt- zipfel genügend unterscheidet. ‘) Wie ich nachträglich bemerke, entspricht diese Pflanze (Dieterlen 802) nach Phillips (Ann. S, Afr. Mus. XVI, 1 [1917], 156) dem mir unbekannten S. seminiveus Wood et Evans, den auch Phillips für eine Abart des $. achilleifolius anzusehen geneigt ist. °) Diese Art fehlt in R. Muschler’s Systematischer und pflanzengeographischer Gliederung der afrikanischen Senecio-Arten (Engler’s Bot. Jahrb. XLIII [1909]). Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCIH). 245 Senecio basutensis Thell. in Vierteljahrsschr. der Naturf. Ges. Zürich LVI (1911), 267 > entspricht nach dem Vergleich der Originale dem von R. Muschler in seiner Systematischen und pflanzengeographischen Gliederung der afrikanischen Senecio-Arten (Engler's Bot. Jahrb. XLII [1909]) über- gangenen. $. pullus Klatt in Bull. Herb. Boiss. IV (1896), 469. Gleich- wohl ist der Name $. basutensis beizubehalten, da schon ein älterer $. pullus Klatt (in Abh. Naturf. Ges. Halle XV [1882], 333) aus Mexiko existiert, der auch von Hemsley (Biol. Centr.-Am. IV [1886/8], 64) als gültige Art anerkannt wird. Senecio Serra Sonder var. longipedunculatus (Volkens) Thell. var. nov. — S. longipeduneulatus Volkens! in sched. — Folia caulina (praesertim inferiora) longe decurrentia; caulis inde alatus, alis plerumque integerrimis. Capitulorum pedunculi elongati, ad 5 cm longi. TRANSVAAL: bei der Stadt Lydenburg, 1895, Wilms 800, bl. XI; zwischen Middelburg und dem Krokodilfluss, 1883, Wilms 800a, bl. XII; beide als S. longipedunculatus Volkens spec. NOV. ausgegeben. Von ähnlichen Formen mit herablaufenden Laubblättern (S. alba- nensis DC. var. pseudo-decurrens Thell., S. decurrens DC. und S. digi- talifolius DC.) unterscheidet sich die neue Form durch die kleinere, schmal- glockige Hülle mit kurzen Aussen- und nur schwach gefurchten Innen- hüllblättern, sowie durch den (bei der Reife) die Hülle fast ums Doppelte (statt nur wenig) überragenden Pappus. Senecio albanensis DC. var. pseudo-decurrens Thell. var. nov. Folia caulina (praesertim inferiora) longe decurrentia; caulis inde alatus, alis plerumge calloso-crenatis. SÜDAFRIKA (östl. Region): in lapidosis pr. Bluekranz River, 3700, 1895, Schlechter 6877, bl. 25. II. — TRANSVAAL;: Pretoria, 187580, Rehmann 4724. — NATAL: Drakensberg, Coldstream, 1875--80, Rehmann 6923. Die neue Abart weicht vom Typus und den übrigen Varietäten des 8. albanensis anscheinend ausschliesslich durch die deutlich herab- - laufenden Stengelblätter ab. Nach dem von Harvey (Fl. Cap. IU [1864/5], 346-354) gegebenen Bestimmungsschlüssel der Senecio- Arten müsste die Pflanze als S. decurrens DC. oder 8. digitalifolius DC. bestimmt werden (tatsächlich wurden die beiden Rehmann’schen . Exsikkaten von Klatt zu $. deecurrens gerechnet); sie stimmt jedoch ‘in der Beschaffenheit der Hülle völlig mit $. albanensis überein und weist nicht die für $. deeurrens und digitalifolius charakteristische, Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg.66. 1921. 17 246 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 reich- und langblätterige Aussenhülle auf. Beiläufig bemerkt, ist die Verschiedenheit der beiden letzteren Arten unter einander höchst problematisch (vrgl. Harvey |. c. 373); die mir vorliegenden, in diesen Formenkreis gehörigen Exsikkaten (Mac Owan 628 als S. digi- talifolius; Junod 405; Rudatis 1602 als S. caudatus forma discolor Muschler) kombinieren in verschiedener Weise die Merkmale beider Arten, ohne mit einer derselben (nach den Beschreibungen) völlig übereinzustimmen. Senecio serratuloides DC. Prodr. VI (1837), 395; Harvey in Harvey et Sonder Fl. Cap. (1864—65), 382 variat: 1. Folia caulina petiolata, distincte lyrata, basi lobis lateralibus ‚utringue 2—4 a lobo terminali distinete separatis et remotis angustis (sublinearibus) aucta. 2. Foliorum lobus terminalis latus, ovato-lanceolatus. 3. Caulis et petioli scabro-puberuli (et folia subtus saepe + puberula). . ee Ta tar DIOR: 3.* Caulis et folia ER net 2... Bglabratus. 2.* Foliorum lobus terminalis Tnssalatın: rami gra- ciles, laxe foliati . .....y gracilis. 1.* Folia caulina sessilia, lobie Teeselihns indie, = dentes utringque 1—2 magis prominulos, elongatos angustos reductis. 4. Folia late lanceolata (+ 1:6). 5. Caulis et folia (subtus) + scabro- ar .. . Ö Rehmannü. 5.* Caulis et folia glabri . . . 20. 8 Dieterleni. 4.* Folia lineari-lanceolata (+ 1: 12) Senn wit Dioladi: «@ typicus Thell. var. nov. (= S. serratuloides DC. 1. c. sens. strict.). Dazu rechne ich z. B. die Exsikkaten: Wood 4000 (Natal), Reh- mann 8113 (Natal), Rudatis 1396 (Natal), Herb. norm. Afr. austr. 835 (Griqualand East), Tyson 2541 (desgl.). B glabratus DC. 1. ce. (1837), 395 [von Harvey übergangen]. Dazu dürften gehören: Rehmann 7017 (Natal) und Dieterlen 778 z. T. (Basuto-Land). y gracilis Harvey 1. c. (1864—5), 382. Natal, leg. Dr. W. B. Grant (nach Harvey; mir unbekannt). d Rehmannii Thell. var. nov. Transvaal: Hogge Veld, Pages Hotel, 1875— 80, Rehmann 6853. & Dieterleni Thell. var. nov. Basuto-Land: Leribe, 1911, Dieterlen 778 z. T.; Transval: sine loc,, 1892, Fehr 57. & Holubii Thell. var. nov. Transval: Hogge Veld, inter Porter et Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCII). 247 Trigardsfont., 1875—80, Rehmann 6627; Linokana, 1887, Holub. 3773/4 (A. IV); Phoberg, Holub 4786, 4788 (f.fr.V); Matebequellen, 1887, Holub sine num. (fl. fr. V); Natal: Howick, 1890, Junod 16. So verschieden auch die aufgeführten Varietäten — besonders der beiden Hauptgruppen gegen einander — in typischer Ausbildung erscheinen mögen, so lässt sich doch kein konstantes und durch- greifendes Merkmal finden, das etwa gestatten würde, die Haupt- gruppe 1* als besondere Art abzutrennen. Klatt und Muschler haben die Varietäten ö und & meist als S. Serra Sonder bestimmt, welche Art sich durch die viel seichter und vollständig gleichmässig gesägten, am Grunde etwas herablaufenden Stengelblätter leicht unter- scheiden lässt. Senecio isatideus DC. variat: « var. typicus Thellung var. nov. (S. isatideus DC. Prodr. VI [1837], 387; Harvey in Harvey et Sonder Fl. Cap. III [1864—5], 378 sens. striet.): foliis caulinis inferioribus oblongo-obovatis vix ultra 3—4 cm latis, levissime calloso-dentieulatis; mediis et superioribus eito diminutis bracteiformibus, caule inde superne subnudo. ß var. macrophyllus Thellung var. nov.'): foliis caulinis (etiam mediis et superioribus) bene evolutis, majoribus 5-9 em latis, mani- festius erenato-dentatis (dentibus '/—1 mm altis); caule fere ad in- florescentiam folioso. — Nach Harvey (l. e. 349) bildet der ober- wärts nackte Stengel ein Hauptmerkmal des S. isatideus gegenüber dem verwandten $. venosus Harvey. Der letztere unterscheidet sich (z. B. in dem Exsikkatum Conrath 497 von Modderfontein [Trans- vaal]) von der neuen Varietät durch viel derbere Laubblätter mit unterwärts stärker vorspringenden, auffallend steiler verlaufenden Nerven, durch dickere (+ 10- statt £ 5-blütige), viel weniger dicht gedrängte Köpfe ete. Auf die var. « beziehe ich die Exsikkaten: Mac Owan 95, Schlechter 6313, Tyson 1811 (etwas unklar — vielleicht eine besondere Abart? — ist eine gleichfalls unter No. 95 von Mac Owan ausgegebene Pflanze mit grossen, aber fast ganzrandigen Laubblättern). Var. ß macrophyllus: Transvaal: Houtbosch, 1875—1880, Reh- mann 6071; in humidis pr. Lydenburg, 4800’, 12. XII. 1893, Schlechter 3956; Haenertsburg (entre Shilouwane et Pietersburg), 1300 m, !) Nachträglich bemerke ich, dass durch ein eigenaitiges Zusammentreffen diese gleiche Pflanze von Phillips (Ann. 8. Afr. Mus. XVI, 1 [1917], 154) als S. macro- phyllus sp. nov. beschrieben worden ist. 248 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Jan. 1903, Junod 1726; Natal: Drakensberg, Biggarsberge, 1875 bis 1880, Rehmann 7061. Ursinia ($ Eu-Ursinia) Jacottetiana Thell. spec. nov. Planta basi sublignosa, humilis, caespitosa. Radieis fibrae satis tenues, brunneae. Caudex brevis, repens, cortice brunneo-fuliginoso tectus, sublignosus, breviter ramosissimus, ramis in fasciculum foliorum et in pedunculum longum nudum pseudoterminalem abeuntibus. Folia ad apicem ramorum caudieis fasciculatim congesta, partim pilis flaccidis appressis albis brevibus araneoso-puberula, vix vel valde indistincte impresso-punctata, crassiuscula, supra medium pinnatipartita lobis plerumge 5 remotis, aeque ac rhachis lineari-subteretibus, apicem versus leviter dilatatis, supra sulcatis, subtus convexis, apice obtusius- eulis et subito in mucronem cartilagineum conico-acutissimum sub- pungentem contractis,’ interdum bifidis. Petiolus subtus carinatus, - basi leviter vaginato-dilatatus et submembranaceus. Pedunculus plerumque unicus ex quovis fasciculo, pseudoterminalis (revera tamen axillaris), longissimus (foliis ‘multoties longior), gracillimus, inferne anguloso-sulcatus, junior. arachnoideo-puberulus, demum glabratus, nudus et monocephalus. Capitulum mediocre, late turbinato-campa- nulatum. Involuerum cire. 4-seriatum, phyllis minute papillosis et apicem versus araneoso-pubescentibus, extimis brevibus triangulari- lanceolatis vel triangulari-ovato-lanceolatis acutis marginibus rectis anguste atrobrunneis, mediis triangulari-ovatis apice obtusioribus ceterum similibus, intimis apice in appendicem suborbiculatam brun- neam margine hyalinam dilatatis, Receptaculi paleae oblongae, hyalinae, tenerae, apice 3-lobae lobo mediano suborbiculari rotundato-obtusissimo. Flores radii eirc. 14, neutri, ligula lanceolato-elliptica, involucro sub- aequilonga, 5—7 nervia, apice obtusa, supra albida et basi lutescente, subtus atropurpurea. Flores disei circ. 30, hermaphroditi, tubuloso- infundibuliformes, flavi; limbi dentes triangulari-ovati, apice obtusi et incrassati. Antherae, stylus et stigmata generis. Achaenia (florum hermaphroditorum exterorum) oblique eurvato-turbinata, glaberrima, longitudinaliter striato-sulcata. apice oblique truncata; pappus ®@ squamis 5 albis latissimis rhombico-suborbicularibus obtusissimis et 5 setis interpositis constans. flanze 10—15 em hoch. Laubblätter (mit Stiel) etwa 3 cm lang; Abschnitte + 4—5 mm lang, gleich der Spindel + °/ı mm breit. Koptstiele 8—10 em lang, °/; mm diek. Hülle 7—8 mm hoch, (ge- presst) bis 15 mm im Durchmesser; apikales Anhängsel der inneren Hüllblätter 2!/s mm breit. Zunge der Randblüten ca. 9 mm lang, Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürieh (XCII). 249 fast 2!/; mm breit. Krone der Scheibenblüten 3!/. mm lang; Röhre 1 mm, Zähne des Saumes ca. °/s mm lang. Antheren (mit dem apikalen Anhängsel) 1?’ mm lang. Frucht (an der längsten Kante gemessen) 3 mm lang; grösster Querdurchmesser (der schiefen Apikalfläche) 1!s mm. Pappusschuppen 3 mm lang, 4 mm breit. BASUTOLAND: Quacha’s Nek, endroits pierreux, 1911, Jacottet 3a (B 150); bl. XI. SÜDAFRIKA: Belfort, 1911, Jacottet 3b; fr. XI („seconde _floraison‘). U. Jacottetiana ähnelt in der Tracht der Gruppe von U. montana DC., U. apiculata DC., U. saxatilis N. E. Br., U. alpina N. E. Br. und U. brevieaulis Wood & Evans. Die 2 erstgenannten Arten unterscheiden sich durch die verkleinerten, zahnförmigen unteren Fiederabschnitte, U. montana ferner durch die stumpfen äusseren Hüllblätter und durch gestutzte Spreublätter, U. apieulata auch durch die kahlen, flachen, allmählich zugespitzten Laubblattzipfel. Die 3 letztgenannten Arten besitzen kahle, stark punktierte Laubblätter; U. saxatilis unterscheidet sich ferner durch die längere, haar- oder grannenförmige Stachelspitze der-Laubblattzipfel und durch die fast linealischen (statt dreieckigen), 1/s (statt '/.) so breiten als langen äusseren Hüllblätter, U. alpina durch den mit Hochblättern besetzten Schaft und die an der Spitze spitz 3spaltigen Spreublätter, U. brevicaulis endlich durch die sämt- lich stumpfen Hüllblätter. Ursinia (Sphenogyne) Bolusii Thell. spec. noV. Planta suffruticosa? Rami (tantum suppetentes) subeylindrici, longitudinaliter striato-suleati, pilis subadpressis flaceidis valde undu- lato-flexuosis albidis breviter et tenuiter arachnoideo-puberuli, dense foliati, apice in peduneulos 2—4 monocephalos divisi. Folia parva, ambitu obovata, pinnatipartita lobis remotis et distinctis, juniora parcissime arachnoideo-puberula, mox glabrescentia, vix conspicue impresso-punctata. Lobi suboppositi, plerumque 9, aeque ac rhachis anguste lineares, crassiusculi, subtus convexi usque subcarinati, supra sulcati, obtusiusculi, apice in mucronem breviter aristiformem albidum + subito contracti, inferiores brevissimi et semper simplices, summi laterales (denuo descrescentes) saepius bifidi, terminalis trifidus. Rhachis insertione leviter dilatata. Folia summa (ad basin pedunculorum) inter- dum simplicia linearia integerrima. Capitula pedunculo elongato nudo vel parcissime bracteato, apice arachnoideo-tomentosulo insidentia, mediocria. Involuecrum subhemisphaericum imbrieatum multiseriatum glabrum. Phylla vix discolora, omnia in appendicem membranaceam 250 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 latam pallide brunneam (extremam marginem versus lutescentem) desinentia et sub appendice linea transversali recta obscurius fusca et secus margines linea longitudinali eodem colore notata; appendices concavae, exsiccatae plerumque laceratae, phyllorum interiorum ovatae apice subacuto-attenuatae. Receptaculum planum; paleae oblongae hyalinae plicato-concavae apice truncatae subintegerrimae. Flores radii eire. 20 ligulati neutri, ligula (expansa) quam involucrum conspicue longiore pallida concolore (?) elliptico-lanceolata 10—12-nervia apice obtusa. Flores disei infundibuliformi-tubiformes hermaphroditi; limbus extus glandulosus, dentibus satis profundis oblongo-ovatis obtusis apice incrassatis et glanduloso-verrucosis. Antherae, stylus et stigmata ‚generis. Achaenia (florum disei exteriorum) subeylindrico-turbinata, longitudinaliter leviter sulcato-striata, apice truncata, basi coma pilorum longissimorum mollium flaceidorum lanosa, ceterum glaberrima. Pappi (simplieis) squamae achaenio breviores, rotundato-obovatae obtusisimae, albae, marginem versus subhyalinae. f Das vorliegende Aststück misst 25 cm mit 7—9 em langen be- blätterten Zweigen. Laubblätter 15 mm lang, grösste Breite (bezw. Spannweite) 8-9 mm; Zipfel und Spindel ®/;—!/s mm breit, längste Zipfel (des dritten Paares von unten) + 5 mm lang. Kopfstiele + 3 cm lang, + 1 mm dick. Hülle 10-11 mm hoch, gepresst + 15 mm im Durchmesser. Zunge der Strahblüten 17:4'/s mm. Krone der Scheibenblüten -+ 3'/z mm lang; Röhre knapp 1 mm lang, Zähne 1: !/; mm; Antheren (mit dem apikalen Anhängsel) 1° mm lang. Frucht 3 mm lang, an der Spitze fast 1 mm dick; Pappus- schuppen + 1’/s mm lang und breit. SÜDAFRIKA: in montibus Zwartebergen prope Avontuur, 1870, H. Bolus 2329; bl. fr. XI (von Klatt als Ursinia paradoxa bestimmt). Ursinia Bolusii gehört zur Gruppe Xerolepis und genauer in die Verwandtschaft von Sphenogyne pilifera (Thunb.) Less., Sph. scariosa (Willd.) R. Br. und Sph. pilifera Ker nec Less., welche 3 Arten sich durch die zweifarbigen Strahlblüten und (ob auch die mir nur aus der Beschreibung bekannte Sph. scariosa?) durch den stark hervor- tretenden, silberweissen Rand der Hüllblatt-Anhängsel unterscheiden; Sph.pilifera Less. ausserdem durch die an der Spitze gezähnt-zerschlitzten Spreublätter, Sph. scariosa durch die Kahlheit und durch die unge- teilten Blattabschnitte, Sph. pilifera Ker endlich durch die allmählich zugespitzten Blattzipfel. Die in der Flora‘ Capensis übergangene Sph. brachylöba Kunze, von ihrem Autor zu Xerolepis gestellt und nachider Beschreibung anscheinend der U. Bolusii recht ähnlich (vrgl. auch‘die Abbildung im Journ. Linn. Soc. Bot. XXXVI, No. 260 [1906], Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil. ausdem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCIH). 251 pl.14), unterscheidet sich jedoch durch die spitzen, lanzettlichen äusseren Hüllblätter. Dicoma (sect. Pterocoma) thyrsiflora (Klatt) Thell. comb. nov. Syn.: D. Zeyheri Sonder var. thyrsiflora Klatt! in Bull. Herb. Boiss. IV (1896), 844. Planta perennis. Caules complures, erecti, subeylindrieci, leviter anguloso-striati, albido-arachnoideo-tomentosi, valde foliosi (foliis infra inflorescentiam circ. 20), simplices et subvirgatı, apice tantum in in- florescentiam dense thyrsoideam divisi. Folia erecta, anguste obovato- oblonga, coriacea, supra viridia et subnitida (sub lente composita minute tantum papillosa), penninervia nervis lateralibus (modo bupleu- roideo) per longum tractum mediano parallelis et contiguis, dein ad angulum acutissimum solutis et ante marginem dissolutis et anasto- mosantibus, rete irregulare et haud valde distinetum (areolis primariis oblique oblongis) formantibus, subtus albo-arachnoideo-tomentosa, apice acutiuscula et in acumen breve durum saepius curvatum abeuntia, basi attenuata vix amplectentia, margine revoluta et minute et remote repando-denticulata dentibus mucronulatis. Capitula 15—20, infima in axillis foliorum summorum subsessilia, superiora pedunculis brevibus ramosis 2—3cephalis subnudis insidentia, summa denuo subsessilia solitaria, in toto thyrsum densum pyramidato-corymbosum formantia. Capitula pro genere mediocria, ovato-ellipsoidea. Involueri phylla multiseriatim imbricata, erecto-patentia, sensim magnitudine aucta, intima denuo breviora, omnia rigida, anguste ovata, acuminata et pungenti - mucronata, inferiora (patentia vel subreflexa) anguste -, cetera sensim latius argenteo-marginata, ceterum griseo-viridia vel leviter purpureo-suffusa, margine (praesertim apicem versus) minute dentellato-scabra. Receptaculum obconicum, apice truncatum et sub- concavum, favosum marginibus areolarum elevatis et dentatis. Flores eirc. 20, omnes tubulosi et hermaphroditi, lutei, inferne purpureo- suffusi. Corollae limbus tubo 2'ys-plo longior, fere ad basin in lacinias 5 lineares, apice paulum attenuato et obtusiuseulo papillosas divisus. Antherae (apice longe acuminatae, basi longissime caudatae), stylus et stigmata generis. Achaenia pilis longis partim fuscis dense setoso- villosa. Pappi setosi radii pluriseriati, omnes subaequales, plumoso- barbati. Stengel 45 cm hoch, am Grunde 3—4 mm dick. Grössere Stengel- blätter 10--12:2 em. Köpfe 2 cm lang, 1'!/a cm im Durchmesser. Längste Hüllblätter 15:4 mm. Grubenränder des Receptaculums 1Ys mm hoch. Krone 7 mm lang (Röhre 2 mm, Saum 5 mm, seine 252 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Zipfel 4'/. mm lang, ?/s mm breit). Antheren (mit den apikalen und den basalen Anhängseln) 6'/ mm lang. Frucht (unreif) 1'/. mm lang, ihre Haare ebenso lang. Pappusborsten 8 mm lang, ihre Fieder- haare 1 mm. TRANSVAAL: Barberton, lower slopes, Queen’s river valley, alt. 2000 m, E. E. Galpin 911; bl. IV. D. thyrsiflora steht augenscheinlich der D. Zeyheri Sonder, zu der sie von Klatt als Varietät gestellt worden ist, nahe, unterscheidet sich aber von ihr durch die viel kleineren, zahlreicheren Köpfe, die viel kleineren Hüllblätter, die fast in der ganzen Länge gelben (statt purpurnen und nur aussen an der Spitze gelben) Kronzipfel und die dünneren Pappusstrahlen mit nur 1 (statt fast 2) mm langen Fieder- haaren. Nachdem die Sektion Pteroecoma DC. in neuerer Zeit um eine Reihe von zweifellos teilweise sehr nahe verwandten Arten bereichert worden ist, scheint es angezeigt, im Interesse einer gleichmässigen Durcharbeitung die Klatt’sche Varietät zur Art zu erheben. In der Ausbildung der Köpfe erinnert sie stark an D.membranacea $.Moore, die sich jedoch schon durch die dünneren (häutigen), am Rande flachen, viel feiner netznervigen Laubblätter (mit durchwegs isodiametrisch- polygonalen Netzmaschen) unterscheidet. Sonchus delagoönsis Thell. spec. (?) nov. Perennis, glaucescens, glaber. Caulis satis robustus, foliosus, simplex vel apice parce ramosus. Folia elongata, basalia pinnatilobata lobis utrinque plerumque 5 patentibus oblongo-lanceolatis obtusiuseulis, margine breviter spinulosa, ceterum glabra et inermia, Folia caulina ambitu lanceolata, pinnatilobata lobis utringue 3—1 anguste lanceolatis horizontaliter patentibus vel leviter retrorsis integris margine parce spinulosis, rhachi ab apice anguste lanceolato acutato-angustato et calloso-mucronato ad basin sensim dilatata margine remote brevissi- meque spinulosa ceterum (praeter lobos) integra, basa rotundata semiamplexicauli et in ipsa insertione minute sagittata nempe utrinque dente unico triangulari-lanceolato acutissimo patente aucta. Folia summa interdum integra, e basi rotundata et ovato-lanceolata caudato- acuminata. Capitula 1—4 in apice caulis (et ramorum), pedunculo longo insidentia, magna, multi- (eire. 50- ?)!) flora. Involucrum ovatum, exsiccatione compresssum campanulatum, pluri- (circ. 4-) seriatum, glaberrimum vel (in statu Juniore) basin versus pareissime et disperse ‘) Im Interesse der Schonung des spärlichen Materials musste von der genauen Feststellung der Blütenzahl, die ohne Zerstörung eines Kopfes nicht möglich gewesen wäre, Umgang genommen werden. Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCIM). 253 arachnoideo-floceosum, phyllis exterioribus et mediis triangulari-ovato- lanceolatis herbaceo-subcoriaceis, nervo mediano distineto et basin versus subincrassato-prominente pereursis, angustissime pallido-mar- ginatis, apice obtusiusculis et leviter calloso-incrassatis, intimis (circ. 12—14) elongato-lanceolatis latius hyalino-marginatis. Flores evoluti ignoti. Corollae tubus extus apicem versus villoso-pubescens. Achaenia oblongo-fusiformia compressa margine obtusiuscula in utraque facie costis 5 distinetis approximatis laevibus percursa et inter costas laevia, utrinque attenuata, insertione tubereulis 4 callosis munita. Pappus copiosus niveus, setis achaenio ultra duplo longioribus flexibilibus teneribus remote et parce papilloso-denticulatis. Pflanze 40-50 cm hoch. Stengel am Grunde 3—4 mm dick. Untere Laubblätter 12—15 em lang, im Umriss (mit den ausgespreizten Lappen) 4—5 cm breit; Spindel in der Mitte 8-10-, am Grunde 10—15 mm breit. Fiederlappen der mittleren Stengelblätter 2—3 cm lang bei 2—3 mm Breite, jederseits etwa um ihre Länge von einander entfernt. Kopfstiele 5—7 em lang. Hülle 20-22 mm hoch, gepresst 2_3 em breit. Innerste Hüllblätter 2—2'/: mm breit. Frucht 6 mm lang, ihre grösste Breite (über der Mitte) 1 mm. Pappushaare bis 15 mm lang. MOZAMBIQUE: Delagoa Bay, 1890, Junod 174. Ibid., 20, 1898, - Schlechter 11971; bl. I. Die Pflanze. die von O. Hoffmann mit Fragezeichen als S. inte- grifolius Harv. (Junod 174), von Schlechter (11971) dagegen als S. Dre- geanus DC. var. bestimmt worden ist, steht, tatsächlich den genannten Arten nahe, kann aber nicht wohl mit einer derselben identifiziert werden. $. Dregeanus, dem unsere Pflanze durch die bläulichgrüne Färbung nahesteht, unterscheidet sich selbst in kräftigen Exemplaren (Mae Owan 531) durch die viel kleineren, ungeteilten Stengelblätter, durch noch immer etwas kleinere Köpfe und die am Grunde deutlich filzige Hülle. $. integrifolius (zu weleher Art ich Schlechter 3091 von Claremont rechne) differiert dureh die nicht deutlich blaugrüne Färbung, die ungeteilten oder nur schwach runeinaten Laubblätter, die fast abgerundet-stumpfen Öhrchen der Stengelblätter und die gleichfalls etwas kleineren Köpfe. Sonchus scapiformis (an Lactuca scapiformis?) Thell. spec. noV. Herba perennis elanduloso-hispidula. Radix satis tenuis. Folia omnia ad basin caulis rosulatim congesta, suberecta, oblongo-oblan- ceolata, apice acuta et calloso-mucronata, basi non attenuata sessilia caulem subvaginantim amplectentia, margine inaequaliter repando- 254 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 denticulata dentibus subretrorsis calloso-mucronatis, membranacea, utrinque pilis brevibus setiformibus flavidis glanduligeris asperula, nervis conspieuis subtus prominulis reticulata. Caulis folia basalia parum (usque duplo) superans, prope basin unifoliatus (folio basilaribus simili), ceterum subnudus, superne tantum foliis reductis squamiformibus pallidis triangulari-ovatis longe caudato-acuminatis glanduloso-villosis (praesertim in inflorescentia) vestitus, in corymbum unicum terminalem densum 5—6-cephalum abiens, ubique dense breviterque brunneo- glanduloso-villosus. Capitula peduneulis brevibus mono-vel dicephalis, squamis paucis onustis, glanduloso-villosis insidentia, satis magna, anguste ovata EERREEE compressa subcampanulata), circ. 20-flora. - Involueri phylla eire. 4-seriata, omnia triangulari-lanceolata, longe attenuato-acuminata marginibus fere rectis, extus (interiora superne tantum in parte non obtecta) glanduloso-hispidula pilis flavidis et nervo mediano (praesertim apicem versus distincto) percursa, intus glaberrima nitida sub mieroscopo rubro-striolata, intima margine hyalino-mebranacea, exteriora herbacea, extima squamis pedunculorum similia. Flores omnes ligulati, hermaphroditi, flavi, involucrum paulo superantes. Corollae tubus extus apicem versus villoso-pubescens; ligula linearis, tubo duplo longior, sub-4-nervis, apice truncata et breviter 5-dentata dentibus oblongo-lanceolatis obtusis apice papillosis, extus (praesertim in parte inferiore) pilis satis longis appressis villo- . sula, intus glabra. Achaenia valde compressa, ovato-elliptica, latitudine sub-4-plo longiora, basi parum, apice quasi in rostrum brevissimum et indistinetum attenuata, (semimatura?) obscure brunneo-purpurea, utrinque nervis 5—6 longitudinalibus ne BERNPRRNIE costiformibus percursa, inter costas laevia. Pappı (subd )longior, copiosus, setis niveis tenuibus minute papilloso- Aentioulakis dentienlis porreetis. Pflanze + 20 cm hoch. Wurzel an der Spitze 3 mm diek. Laub- blätter 10—12 cm lang, grösste Breite (über der Mitte) + 2 em (am Stengelblatt 1'/. em); Zähne !/.—1'/z mm hoch. Schuppenförmige Hochblätter etwa bis 1 cm lang, am Grunde 2 mm breit. Kopfstiele ca. 1—1!/s cm lang. Hülle 15 mm hoch, 8—10 mm im Durchmesser; innere Hüllblätter (ca. 15) am Grunde 2 mm breit, äussere im Durch- schnitt etwa 5:1'/; mm, den Grund der Köpfe einhüllend und all- a in die Hochblätter der Kopfstiele übergehend. Ganze Krone cm lang; Röhre 6'/; mm lang, Zunge 13!/2:1'/; mm, Antheren : mm lang. Frucht 5 mm lang, fast 1!/; mm in der grössten Breite (unter der Mitte). Pappushaare 1 cm lang. GRIQUALAND EAST: Glen Hope, 1913, Jacottet 619 (B 699), bl. XI; croit dans l’herbe, peu commune, fleur jaune. Jahrg.66. Hans Schinz. Mitteil. ausdem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCIH). 255 Die Feststellung der Gattungszugehörigkeit der neuen (bisher anscheinend weder unter Sonchus, noch unter Lactuca, noch unter Crepis beschriebenen) Art bereitet Schwierigkeiten, da die Ausbildung der Frucht so ziemlich auf der Grenze zwischen Sonchus und Lactua steht, wie denn überhaupt die Abgrenzung der beiden Gattungen un- sicher ist (vrgl. Lactuca nana Baker, die von O.Hoffmann und Hiern zu Sonchus gestellt wird). Anderseits steht die Behaarung der neuen Art innerhalb der Gattungen Sonchus und Lactuca ganz eigenartig da und würde eher auf Crepis weisen, welche Gattung jedoch wegen der stark flach zusammengedrückten Früchte des $. scapiformis aus- geschlossen erscheint. Da die Frucht der Jacottet’schen Pflanze hinsichtlich der apikalen Verjüngung nicht schlecht mit der Abbildung derjenigen von S$. lasiorrhizus O. Hoffm. (in Engl. Bot. Jahrb. XXX [1902], 444 [1901]) übereinstimmt (allerdings. nieht in der Umriss- form der — bei S. lasiorrhizus verkehrteiförmig-länglichen — Frucht), ‘so glaube ich die neue Art unter Sonchus (im Sinne O. Hoffm ann's) einreihen zu sollen. Crepis hypochoeridea (DC.) Thell. comb. nov. Anisoramphus hypochaerideus DC. Prodr.VII (1838), 251; (hypochoe- videus) Sonder in Harvey et Sonder Fl. Cap. III (1864/5), 530. Hieracium polyodon Fries Epier. Hierac. (1862), 67; Sonder l. c. (1864/5), 530. Crepis polyodon Phillips in Ann. South Afr. Mus. XVI (1917), 171. Dass „Hieracium“ polyodon Fr. mit seinen schnabelförmig ver- jüngten und bei der Reife geschnäbelten Früchten kein Hieracium, sondern eine Crepis ist, wurde bereits von verschiedenen Sammlern und Systematikern (auf Herbar-Etiquetten) bemerkt. Nach der Be- schreibung ist offenkundig auch Anisoramphus hypochaerideus DC. mit dieser Pflanze identisch, woraus sich aus Prioritätsgründen die anscheinend noch nicht publizierte (wenigstens im Index Kewensis zurzeit nicht verzeichnete) Namenskombination Crepis hypochoeridea ergibt. var. (?) Junodiana (©. Hoffm.) Thell. var. noV. Crepis Junodiana 0. Hoffmann ined. in herb. Univ. Zürich. Planta robusta, pedalis. Caulis (ut folia) ad basin usque setoso- hispidus setis ad 1 mm longis flavidis, fere a basi ramosus ramis apice corymbosis. Capitula breviter pedunculata. Pedunculi dense villoso-setosi pilis patentibus 1!/. mm longis flavidis glanduliferis et insuper parcissime griseo-puberuli. Involuera item setosa pilis basi atratis. Achaenia centralia (sine rostro 1!/; mm longo) 8 mm longa. 256 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 NATAL: Howick, 1000 m, champs (pas frequente), 1893, Junod 277 (von Klatt als Senecio gyrophyllus Klatt bestimmt). Junod 277 ist zwar durch die Tracht (zusammengesetzter Ge- samtblütenstand mit doldentraubigen Ästen und kurzgestielten Köpfen — im ganzen 12 Köpfe) und die langborstige Behaarung von dem gewöhnlichen Typus der ©. hypochoeridea (Mac Owan 1989; Galpin 1027; Schlechter 3325; Tyson 1097; Wilms 647c) auffällig ver- schieden; doch finden sich Anfänge zu zusammengesetzten Gesamt- blütenständen auch bei vereinzelten Exemplaren des Typus, und die Verschiedenheit des Indumentes ist nicht grösser als bei den extremen Varietäten der Or. nicaeensis Balbis (vgl. Thellung in Vierteljahrsschr. d. Naturf. Ges. Zürich LV [1910], 286), so dass eine spezifische Ab- trennung der Ü. Junodiana nicht ratsam erscheint, umso mehr, da Wood 5224 (gleichfalls von Howick) mit dem ebenfalls langborstigen (aber mehr schwärzlichen) Indument der Kopfstiele und Hüllen und den langen, 1-köpfigen Ästen (bezw. Kopfstielen) einen Übergang dar- zustellen scheint. Für diese letztere Pflanze schlage ich den Namen var. Woodii Thell. var. nov. (foliis parce setulosis; indumento pedun- ceulorum et involucri nigrescenti-setoso setis 11/.—2 mm longis glan- duliferis, et insuper parce griseo-puberulo) vor, während der gewöhn- liche Typus als var. genuina Thell. var. nov. (foliis glabratis, indumento pedunculorum et involucri breviter nigrescenti-setoso pilis 1/. —1l mm [vel vix ultra]longis glanduliferis, et insuper conspicue griseo-puberulo) bezeichnet sei. Ich lege bei der Begründung dieser Varietäten (wie bei den entsprechenden Abarten der C. nicaeensis) das Hauptgewicht auf das Indument der Kopfstiele und Hüllen, während die Behaarung der Laubblätter und die Form des Gesamtblütenstandes von mehr sekundärer Bedeutung zu sein scheinen. II. Beiträge zur Kenntnis der Schweizerflora (XVII). Herausgegeben von HANS SCHINZ (Zürich). Weitere Beiträge zur Nomenklatur der Schweizerflora (VIL.)’) Hans Schinz (Zürich) und Albert Thellung (Zürich). (Als Manuskript eingegangen am 20. April 1921.) Dryopteris Adanson Fam. pl. II (1763), 20. Thelypteris Schmidel Icon. pl. ed. J. €. Keller (1762), 45 ex p. et t.10 et 13; Nieuwland in Am. Midland Nat.I (1910), 226; C. A. Weatherby in Rhodora vol.21 No.250 (Oet.1919), 174, 177 — vix Adanson Fam. pl. II (1763), 20. Neuerdings wird von amerikanischen Schriftstellern der Name Thelypteris Schmidel (1762) an Stelle von Dryopteris Adans. (1763) vorgeschlagen und verwendet. Gegen diese Voranstellung des Namens Thelypteris hat sich bereits 7 H. Woynar (Hedwigia LVI [1915], 385, Fussn.) gewendet, und seine Gründe scheinen uns durchaus über- zeugend. Ähnlich wie Pteridium Scop. (vrgl. Vierteljahrsschr. d. Naturf. Ges. Zürich LXI [1916], 415/6), entspricht Thelypteris Schmidel nach der Definition in der Hauptsache der Linne’schen Gattung Pteris, die umzutaufen kein Grund vorlag; wenn Sch midel auch Dryopteris- Arten unter seine Gattung einbezogen hat, so geschah dies nur mit Vorbehalt und auf Grund ungenügender Kenntnis der betreffenden Arten. Panieum Ischaemum Schreber ex Schweigger 1804. Panicum lineare Krocker (1787); A. et 6. (1898); O. A. Far- well in Th. Am. Midland Nat. vol. vV1(1919), 49—51 — non L. nee Burmann. — Digitaria linearis Crepin Man. Fl. 1) 1: Vierteljahrsschr. d. Naturf. Ges. Zürich LI (1906), 210—220, 489—501. II: Bull. Herb. Boiss. 2° ser. VII (1907), Nr. 3—7. II: Vierteljahrsschr. d. Naturf. Ges. Zürich LIIT (1908), H. IV (1909), 493 — 593- IV: Ebenda LVII (1913), 35—9. V: Ebenda LX (1915), 337—369. VI: Ebenda LXI (1916), 414—430. [53] [2], 0 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Belg. ed. 2(1866), 335; Rostaf.1872; O. A. Farwell 1. c. (1919), 51 — non Pers. — Panicum humifusum (Rich.) Kunth. Vergl. Vierteljahrsschr. d. Naturf. Ges. Zürich LITI (1908), Heft IV (1909), 517—9 und LVIII (1913), 39. Neuerdings schlägt Oliver A. Farwell (l.c.1919) vor, für die in Frage stehende Art den Namen Panicum lineare L. bezw. Digitaria linearis (L.) Pers. zu verwenden. Für die Identifikation der Linn&’schen Spezies stützt sich der ge- nannte Schriftsteller, da die Pflanze in Linn&’s Herbar fehlt und ursprünglich (1762) keine ältere Synonyme genannt werden, auf die Diagnose („Panicum spieis digitatis subquaternis linearibus, floseulis solitariis secundis mutieis. — Habilat in Indiis. — Culmi prostrati, laeves, ramosi. Spiculae lineares, rectae, angustae. Flores subtus alterni. Calyeis squama exterior brevior, patens, rachi adhaerens“), die sich nach seiner Meinung nur auf unsere Pflanze soll beziehen können. Mit dieser Auffassung können wir uns jedoch in keiner Weise einver- standen erklären. Denn wenn, wie Farwell (l.c. 49) mit Recht hervorhebt, die Zugehörigkeit des P. lineare L. zu P. sanguinale L. oder P. filiforme L. durch die ‚Hoseuli solitarii“ ausgeschlossen ist, so gilt diese gleiche Überlegung auch für unser P. Ischaemon, das bekanntlich gleich P. sanguinale und P. filiforme gepaarte Ährchen besitzt, auch wird man bei P. Ischaemon vergeblich die von Linne für sein P. lineare hervorgehobene abstehende äussere Hüllspelze suchen. Alle diese Merkmale stimmen vielmehr, wie auch die übrige Diagnose, leidlich zu Cynodon Dactylon. Man wird daher wohl nicht fehlgehen, wenn man die 1768 publizierte Abbildung des P. lineare L. bei Bur- mann fil. Fl. Ind. t.10 fig. 3?), die Linne selbst später (Mant. 11 [1771], 323) zu seinem P. lineare zitiert, und die offenkundig — auch nach J. D. Hooker Fl. Brit. Ind. VII (1897), 289 — einer Form von Cynodon Dactylon entspricht, als den authentischen Typus der Linn&’schen Art betrachtet?). — Wir verbleiben daher für unsere Art bei der Benennung Panieum Ischaemum Schreber. Setaria Pal. Agrost. (1812), 51 1.13 fig. 3 et Fl. de l’Oware et de Benin II, 80 t. 110 fig. 2 (1818) — non Michx. 1803. Chaetochloa Scribner 1897. ') Nicht fig. 2, wie Burmann selbst im Text (und nach ihm Linne& später) irrtümlich zitiert, was in der Folge zu schweren Missverständnissen Anlass ge- geben hat. °) Die westindische Pflanze von Sloane, die Burmann und Linne (1771) zitieren, entspricht nach Hitcheock der als Syntherisma setosa (Desv.) Nash oder S. digitata (Sw.) Hitche. bekannten Unterart des P. sanguinale, kann also, weil von der Diagnose des P. lineare L. durchaus abweichend, nicht als Typus des letztern in Frage kommen. Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil.aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCIl). 259 Vrgl. Vierteljahrsschr. Naturf. Ges. Zürich LX (1915), 346—7. Neuerdings hat sich auch O. Stapf (in Kew Bull. 1920 No. 4, 124—127) für die Beibehaltung von Setaria Pal. ausgesprochen. Setaria Achar. ist schon aus dem Grunde hinfällig, weil der Name, entgegen unserer Annahme (l. c. 346), nicht für eine Gattung, sondern für eine „Tribus“ innerhalb der weitgefassten, die sämtlichen Flechten enthaltenden Linn6’schen Gattung Lichen aufgestellt worden ist. Dagegen hebt Hitchcock (Contrib. U. S. Nat. Herb. vol. 22, part 3 [1920], 208) mit Recht hervor, dass die Acharius’sche „Tribus“ Setaria schon 1803 (also längst vor der Publikation von Setaria Pal.) von Michaux (Fl. Bor. Am. II, 331!) zur Gattung erhoben worden ist. Es wäre also die Flechtengattung Setaria (Achar.) Michx. vor der homonymen Gräsergattung Setaria Pal. prioritätsberechtigt; wenn wir gleichwohl ür die — mindestens vorläufige — Beibehaltung von Setaria Pal. ein- treten, so sind dafür die früher (l. c. 1915) namhaft gemachten Zweck- mässigkeitsgründe massgebend. — Berichtigend sei noch bemerkt, dass das in der Literatur meistens anzutreffende Zitat für Setaria Pal.: „Fl. de l’Oware (1807), 80“ ungenau und bezüglich des Publikations- datums unrichtig ist; Setaria findet sich nämlich nicht im 1. Bande (laut Titel 1807), sondern in dem im Zeitraum von 1808 bis 1821 er- schienenen 2. Bande des genannten Werkes, und zwar (vrgl. Stapf l. ce. 126) in der 17. Lieferung von 1818, so dass die erstmalige Pub- likation von Setaria in Palisot’s „Agrostographie“ (1812) erfolgt ist. Setaria verticillata (L.) Pal. Agrost. (1812), 178 [ef. ibid. p.51')]. Panicum verticillatum L. Spee. pl. ed. 2, I (1762), 82. — Cynosurus paniceus L. Spec. pl. ed. 1 (1753) 73 ex syn. nonnull., exel. deser.!, nec L. herb. — Setaria panicea Schinz et Thellung in Vierteljahrsschr. Naturf. Ges. Zürich LIII (1908), Heft IV (1909), 519. Wir hatten (l. c. 1909, 519/20) die Auffassung vertreten, Cynos- urus paniceus L. (1753) sei ein Gemenge aus Setaria viridis (L. 1759 sub Panieo) Pal. und S. vertieillata (L. 1762 sub Panico) Pal., und es müsse nach der Abtrennung des Panicum viride (1759) Cynosurus paniceus im Sinne des 1762 aufgestellten P. vertieillatum präzisiert und das Epitheton paniceus für diese letztere Art gebraucht werden; wir hielten es für ausgeschlossen, dass Cynosurus paniceus L. dem !) Auf 8.51 des zitierten Werkes führt Palisot de Beauvois Panicum verti- eillatum L. unter den zur Gattung Setaria gehörigen Arten an; im Register S. 178 findet sich dann richtig die Kombination S, vertieillata unter Verweis auf S.5l. 260 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 spätern Alopecurus paniceus L. (1762)'), zu dem Linne& selbst seinen einstigen Cynosurus zitiert, entsprechen könnte, da Linn& sicherlich einen ihm in conereto vorliegenden Polypogon nicht zu Cynosurus gestellt haben würde. Indessen macht Hitchcock (Contrib. U. 8, Nat. Herb. vol. 22, part 3 [1920], 179) mit Recht darauf aufmerksam, dass Linne&’s Diagnose des C. paniceus („panicula subspicata, floseulis simplieibus biaristatis“) auf keine Setaria, sondern nur auf einen Polypogon passt; noch deutlicher geht dies, wie wir nachträglich bemerken, aus der Beschreibung des Cynosurus paniceus in Linn&’s Flora Suecica ed. 2 (1755), 30 hervor: „Flores in paniculam digesti, deorsum nutantes, spicam mentientes. Calyx bivalvis, oblongus aequalis compressus linearis: valvula utraque terminata Arista triplo longiore aequali.“ Es entspricht als Cynosurus paniceus ER neben den in der Synonymie enthaltenen Setaria viridis und verticillata, doch in: erster Linie dem Polypogon paniceus (L.) Lag., und damit wird die von uns früher vorgeschlagene Kombination Setaria panicea hinfällig. Für die Nomenklatur von Setaria glauca (L.) Pal. ist sehr wichtig eine äusserst ausführliche, kritische Studie von Agnes Chase: The Linnaean concept of Pearl Millet, in Amer. Journ. of Bot. VII, No.1 (Jan. 1921), 41—49. Die Verfasserin schlägt, entgegen unserer. Auffassung (Vierteljahrsschr. d. Naturf. Ges. Zürich LXI [1916], 419—421), vor, den Namen Panicum glaucum L. im Sinne des „Pearl Millet“ (Pennisetum americanum [L.] K. Schumann) zu präzisieren und für diese Art den Namen Pennisetum glaucum (L.) R. Br. (sensu Stuntz) zu verwenden; unsere Art müsste dann die Bezeichnung Setaria lutescens (Weigel) F.Traey Hubbard in Rhodora vol. 18 No. 215 (1916), 232 erhalten. Ohne die Gewichtigkeit der von der Verfasserin vorgebrachten Argumente zu verkennen, ziehen wir es doch vor, min- destens vorläufig von der erwähnten Änderung abzusehen; denn es steht zu erwarten, dass ihre Auffassung nicht ohne Widerspruch bleiben und die Diskussion vielleicht noch neue, wichtige Gesichtspunkte zu Tage fördern wird, die unter Umständen das Endresultat neuerdings modifizieren könnten. Oryza oryzoides (L.) Brand in Hallier-Wohlfarth, Koch’s Synopsis ed.3, 16. Lief. (ca. 1903), 2704; Dalla Torre et Sarnth. Fl. Tirol ete. VI, ı (1906), 141; Schinz et Thellung in Verz. d. Säm. u. Früchte des bot. Gartens d. Univ. Zürich (Dez. 1906), 3 (nomen tantum) et in Bull. Herb. Boiss. 2° ser. VII (1907), 104. ') = Polypogon monspeliensis’(L.) Desf. oder wohl richtiger = P. paniceus (L.) Lag. (= P. maritimus Willd.). Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCH). 261 Alopecurus aequalis Sobolewski Fl. Petrop. (1799), 16. Alopecurus fulvus Smith Engl. Bot. XXI (1805), t. 1467. F.N. Williams (Journ. of Bot. LVI No. 666 [Jun. 1918], 189/90) beanstandet die von uns (Bull. Herb. Boiss. 2° ser. VII [1907], 396) vorgenommene Ersetzung des bekannten Namens A. fulvus durch A. aequalis, die auch in die englische Literatur Eingang gefunden hat, mit der Begründung, dass die von Sobolewski gegebene Dia- gnose („aristis glumä aequalibus“) zur Erkennung der Art unzuläng- lich sei. Wir geben zu, dass es von uns etwas voreilig gehandelt war, lediglich auf die Autorität Ledebour’s hin, der A. aequalis ohne Vorbehalt in der Synonymie von A. fulvus führt, die genannte Namensänderung vorzunehmen, wie wir denn überhaupt, durch lang- jährige Erfahrung gewitzigt, jetzt die strikte Forderung für die Zu- kunft aufstellen möchten, dass Namensänderungen nur auf Grund gewissenhafter Autopsie und Nachprüfung der einschlägigen Literatur- stellen, nötigenfalls auch des Original- Herbarmaterials, vollzogen werden dürfen. Indessen scheint uns Williams’ Vorschlag, zu dem bekanntern, aber jüngern Namen A. fulvus zurückzukehren, doch nicht genügend begründet; denn wenn auch Sobolewski’s Beschreibung in ihrer Kürze in fataler Weise an die Linn&’schen Diagnosen er- innert, so enthält sie doch gerade eines der auffallendsten Unter- scheidungsmerkmale gegenüber dem nächstverwandten A. geniculatus (nämlich die kurze Graune) und dürfte demnach als ausreichend taxiert werden. Leider konnten wir uns Sobolewski’s Flora bis jetzt nicht zugänglich machen und wissen daher nicht, ob unsere Vermutung, dass die neue Alopecurus-Art darin im Anschluss an A. geniculatus aufgeführt sein dürfte, auch wirklich zutrifft. Agrostis capillaris L. Spec.pl. (1753), 62; Hudson Fl. Angl. (1762) 27!; Leers Fl. Herborn. (1775), 20 t. IV £.3; Hitchcock in U. 5 Dept. of Agrie. Bull. No. 772 (1920), 129. Agrostis tenuis Sibth. 1794; — A. vulgaris With. 1796. Vrgl. Bull. Herb. Boiss. 2° ser. VI (1907), 396. Gegen die Verwendung des Linn ö’schen Namens könnte geltend gemacht werden, dass A. capillaris im Laufe der Zeit von verschiedenen Autoren für sehr verschiedene Arten gebraucht worden ist. Indessen kann es, wie schon H. F. Richter (Üod. Linn. [1840], 77) mit Recht bemerkt, keinem Zweifel unterliegen, dass weitaus die nächstliegende und natürlichste Interpretation der Linne&’schen Spezies diejenige im Sinne von A. tenuis (= vulgaris) ist, und da unseres Wissens die störenden Homonyme aus der neueren Literatur völlig verschwunden Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 66. 1921. 18 262 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 sind, sehen wir keinen Grund, um nicht A. capillaris im ursprüng- lichen Sinne wieder als gültige Art einzuführen, umso mehr, da die erste eindeutige Restriktion der Art, nämlich durch Hudson (1762), im gleichen Sinne erfolgt ist. — Für gänzlich verfehlt halten wir das Vorgehen von Willkomm u. Lange, die (Prodr. Al. Hisp. I, 1 [1861], 55) den Namen A. capillaris im Sinne von A. delicatula Pourret gebrauchen; denn wenn auch nach Smith in Linne’s Herbar unter A. capillaris ein Exemplar dieser oder einer ähnlichen glattspelzigen Art liegt, so lehrt doch ein Blick auf Linne’s Diagnose (, der ausdrücklich mehrblütige Ährchen («Tous ont plusieurs fleurs hermaphrodites>) zugeschrieben werden. Im Register S. 559 findet sich der Name mit folgenden Synonymen: Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil.ausdem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCI!). 263 PHRAGMITES. Diosk. Saccaron. Plin.? Saccharum. C.B.? Arundo. Scheuz. 161. Sucrier. Gall. Canne ä sucre. Gall. Man hat aus dieser Stelle ableiten wollen, dass Phragmites Adanson zu Saecharum L. zu ziehen sei; indessen entspricht das erste ohne Fragezeichen angeführte Synonym (Arundo .... Scheuchzer Agrostogr. [1719], 161!) durchaus unserm Schilfrohr, und auch die mehrblütigen Ährchen sprechen mit aller Sicherheit für die Zugehörigkeit von Phragmites Adanson zu der homonymen Trinius’schen Gattung, so dass demgegenüber die als fraglich zitierten Synonyme von Plinius d €. Bauhin und die französischen Vulgärnamen, die sich auf Saeccharum (mit 1-blütigen Ährchen!) beziehen mögen, nicht ernstlich in Betracht fallen. Koeleria vallesiana (All.) Bertol. ex Roemer et Schultes Mant. 10 (1824), 346 [valesiana]; K. Vallesiana Ascherson et Graebner Syn. d. mitteleur. Fl. I, 1, 354 (1900) „comb. nov.“ Festuca splendens Pourret in Act. Toul. III (1788), 319. — Koeleria splendens 6. Cl. Druce in Journ. of Bot. XLIII (1905), 313 — non Presl 1820. — Aira valesiana All. Auct. fl. Pedem. (1789), 40. — Aira valesiaca Suter Fl. Helv. I (1802), 40. — Koeleria valesiaca Gaudin Agrost. Helv. I (1811), 149 et auct. plur. Die von Druce (l. e.) vorgeschlagene Kombination K. splendens ist unanwendbar wegen der Existenz eines ältern, allgemein als gültig angesehenen Homonyms: K. splendens Presl Cyp. et Gram. Sie. (1820), 34. In der Synonymie der letztern Art findet sich wohl (mit einigen Zweifeln) ein älterer Name: Poa nitida Savi Bot. Etrusc. II (1815), 51 [non Lam. Illustr. I (1791), 182 ')]; aber da derselbe auf einer Um- deutung bezw. auf falscher Interpretation eines bereits bestehenden Namens — Savi zitiert selbst als Autor: „Poa nitida Enec.“ (nach freundlicher Mitteilung von Prof. Dr. A. Beguinot) — beruht, kann !) Diese wird von Domin (Monogr. Koeleria in Bibl. Bot. Heft 65 [1907], 176) zu K. graeilis Pers. (1805) gezogen, kann aber nicht gut zur Bildung einer neuen, gültigen Kombination für die letztere Art verwendet werden, da bereits eine nord- amerikanische K.nitida (Nutt. 1818 pro var. K. cristatae) Domin I. c. 229 (pro sub- spec. K. gracilis) existiert. Zudem betrachten wir mit Aseherson u. Graebner (l. e. 1900, 354) K. gracilis als Unterart der K. cristata (L. 1753 sub Aira) Pers., und in dieser Rangstufe hat die Pflanze nach Art. 49 der Nomenklaturregeln unter allen Umständen den Namen ssp. gracilis zu behalten. 264 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 er nach unserer Meinung nicht als „gültig“ im Sinne der Regeln und folglich auch nicht als prioritätsberechtigt zur Bildung einer neuen Kombination betrachtet werden, sondern K. splendens Presl bleibt zu Recht bestehen. Puceinellia Parlat. Fl. Ital. I, 2 (1850)'), 366. PoaB.(Atropis) Trin. Gram. Suppl. („1835“), 60, 64 in Mem. Acad. sc. Petersb. 6° ser. (sc. mat. phys. et nat.) IV, 2 (1838) Bot. — Poa sect. Atropis Trin. ap. Rupr. Beitr. Pfl. k. Russ. Reichs, II. Fl. Samojed. (1845), 61, 64.— Atropis Rupr. ex Griseb. in Ledeb. Fl. Ross. IV (1853),: 388. Wie neuerdings Fernald u. Weatherby (The Genus Puceinellia in Eastern North America; Rhodora XVIII No. 205 [Jan. 1916], 1—2) und O.R. Holmberg (Släket Puccinellia Parl. i Skandinavien; Bot. Notiser 1916, 251—254) gezeigt haben, kann der in den mittel- europäischen Floren gebräuchliche Gattungsname Atropis nicht als solcher aufrecht erhalten werden, da er in der ersten Publikation (l. e. 1845) lediglich als Sektionsname figuriert. Trinius äussert wohl gelegentlich im Text die Meinung, dass die von ihm aufgeführten Sektionen vielleicht eigene Gattungen seien („.... from the condition of the glumes perhaps a series of genera as follows: Dupontia..... Poa, Atropis..... “ [zitiert nach Fernald u.Weatherby 1. ce. 2]); doch kann nach Art. 37 und 38 diese gelegentliche Erwähnung (gleich- sam in der Synonymie) nicht als gültige Publikation betrachtet werden. Als gültiger Gattungsname figuriert Atropis Rupr. erst bei Grise- bach ]. c. 1853); inzwischen war aber (1850) durch Parlatore die Gattung Puceinellia rechtsgültig publiziert worden. Unsere Art hat folglich zu heissen: Puceinellia distans (L.) Parlat. Fl. Ital. I, 2 (1850), 367. Poa distans L. Mant. I (1767), 32. — Glyceria distans Wahlenb. Fl. Upsal. (1820), 36. — Festuca distans Kunth Enum.I (1833), 393. — Atropis distans Griseb. in Ledeb. Fl. Ross. IV (1853); 388 2). Pholiurus Trin. Fund. Agrost. (1820), 131. Lepturus Trin. Fund. Agrost. (1820), 122 pro parte et auct. rec. plur. — non R.Br. ‘) Nicht 1848, wie auf dem Titel des ersten Bandes steht und wie meistens zitiert wird. - ?) Der Index Kewensis gibt als Autor dieses Namens an: „Rupr. Fl. Samoj. 64*, wo sich die betreffende Kombination jedoch nicht findet. Jahrg. 66. HansSchinz. Mitteil.ausdem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCII). 265 Wie A.S. Hitchcock (U. S. Dept. of Agric. Bull. No. 772 [1920], 105/6) mit Recht hervorhebt, entspricht Lepturus R. Br. Prodr. fl. Nov. Holl. I (1810), 207 ursprünglich der durch das Vorkommen einer einzigen Hüllspelze pro Ährchen ausgezeichneten Gattung Monerma Pal. Agrost. (1812), 116 t. 20 £..10'). Trinius hat dann (l. c. 1820) den Umfang der Gattung erweitert, indem er auch Arten mit 2 Hüll- spelzen (L. incurvatus [L.] Trin. = L. ineurvus [L.] Druce und L. fili- formis [Roth] Trin.) darin einbezog. Werden nun, wie dies neuerdings allgemein geschieht, die beiden Gattungen wieder getrennt, so ist es nach Art. 45 der Internationalen Nomenklaturregeln klar, dass der Name Lepturus nur im ursprünglichen Sinne für Monerma, nicht aber, wie dies in der neueren Literatur fälschlich üblich ist, für die Arten mit 2 Hüllspelzen beibehalten werden kann; für Lepturus auct. rec. hat vielmehr Pholiurus Trin. sens. ampl. (em. Hitchcock 1. e. 105) ein- zutreten. Die bei uns verschleppt vorkommende Art, die wir für von Ph. incurvus (L.1753 sub «Aegilops>) Schinz et Thellung comb. nov. (= Lepturus ineurvus Druce List Brit. pl. [1908], 85 = L. incurvatus [L. 1763 sub «Aegilops»] Trin. = Ph. incurvatus Hitchcock 1. c. 106) spezifisch verschieden halten, hat den Namen Ph. filiformis (Roth) Schinz et Thellung comb. nov. (= L. filiformis [Roth] Trin.) zu erhalten. ‘Trichophorum pumilum (Vahl) Schinz et Thellung comb. nov. Seirpus pumilus Vahl Enum. pl. II (1806), 243. — Isolepis pumila Roemer et Schultes Syst. veget. II (1817), 106. — Seirpus alpinus Schleicher in Gaudin Fl. Fl. Helv.1(1828)» 108 — [non Trichophorum alpinum (L.) Pers.]. — Limnochloa alpina Rchb. Fl. Germ. excurs. sect. 1 (1830), 1401, — Isolepis oligantha C. A. Meyer „Oyperaceae novae iconibus illustratae (1825)?)* in Mem. pres. Acad. imp. Se. Pötersb. par div. Sav.I (1831)?),197—198, Tab. I! — Triehophorum oliganthum Fritsch Ex- 1) Die Gattungen Lepturus R. Br. und Monerma Pal. sind beide in erster Linie auf die Art Rottboellia repens Forster begründet. Dazu erwähnt R. Brown noch als fragliche Arten R. ineurvata L. und R. filiformis Roth, deren Zugehörigkeit zur Gattung Lepturus er wegen des Vorkommens einer zweiten Hüllspelze selbst stark in Zweifel zieht. ®) Das von uns früher (1913) aus der Literatur kopierte Datum 1825 ist un- richtig; wohl ist die Abhandlung im Jahre 1825 der Akademie vorgelegt worden («Conventui exhib. die 9 Novembris 1825»), aber die endgültige Publikation erfolgte laut Titelblatt der «M&moires» erst 1831. Durch diese Feststellung erweist sich übrigens Is. oligantha (1831), weil jünger als Seirpus alpinus (1828), als totge- borener Name. 266 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 kursionsfl. Oesterr. ed. 2 (1909), 87; Schinz et Thellung in Vierteljahrsschr. der Naturf. Ges. Zürich LVIII (1913), 42. — Isolepis elongantha (sie!) C. A. Meyer in Ledeb. Fl. Alt. I (1829), 64. — Eleogiton elongantha Dietr. Spec. pl. II (1833), 96. — Triehophorum atrichum Palla in Engler’s Bot. Jahrb. X (1889), 296. — Scirpus atrichus Lindman Svensk Fanerogamfl. (1918), 117. Vrgl. Vierteljahrsschr. a. a. O. (1913), wo wir aus Unkenntnis des ältesten Namens $. pumilus Vahl die Kombination T. oliganthum (©. A. Meyer) Fritsch als gültig verwendet hatten. Vahl’s Spezies, auf die uns Herr Hans Stiefelhagen in Dresden aufmerksam gemacht, ist folgendermassen beschrieben: „..... squamis duabus infimis sub- aequalibus spica brevioribus, culmis tetragonis setaceis, vaginis aristatis. — Habitat in Helvetia. Colsmann. 9. — Radix fibrosa. Culmi bipolli- cares. Vaginae in aristam semiunguicularem subfoliaceam desinentes, squamis non interstietae. Spica tri-quadriflora obtusa: squamae ovatae, acutae, nitidae. Stylus basi aequalis. Semen obovatum, obtuse trigo- num, laeve. Setae nullae.“ Die Art selbst steht unmittelbar hinter Seirpus caespitosus, der von Vahl ($. 242/3) folgendermassen charak- terisiert wird: „squamis infimis spicam aequantibus, ceulmis teretibus, vaginis aristatis, radicibus squamula interstictis. — Culmi copiosissimi, digitales vel altiores. Vaginae oblique truncatae; interstictae squamis plurimis, ovato-lanceolatis, membranaceis, nervosis, pallide fuseis. Spica parva, pauciflora, rufa. Squamae duae infimae longitudine spicae. Semen et setae minutae“. Kunth, der (Enum. pl. II [1837], 188) Vahl’s Pflanze gesehen hatte, verwendet den Namen Isolepsis pumila als gültig mit dem Synonym I. oligantha C, A. Meyer und Eleogiton elongantha Dietr. und der veränderten Diagnose „repens“. Die gleiche Synonymie wird auch von K. Richter (Pl. Europ. I [1890], 137) und vom Index Kewensis akzeptiert, die beide $. pumilus als gültigen Namen anwenden; der Index Kewensis setzt ausserdem auch Seirpus alpinus Schleicher, der bei Kunth (l.e.) fehlt und bei Richter (l. c.139) als besondere Spezies figuriert, = S. pumilus. Tatsächlich passt Vahl’s Beschreibung, zumal im Vergleich mit derjenigen von dessen S. caespitosus, recht gut auf die als Seirpus alpinus oder Triehophorum atrichum bezw. oliganthum bekannte Pflanze; jeden- falls kommt keine andere schweizerische Art in Betracht. Bedenken könnte noch der Umstand erwecken, dass Vahl seiner Pflanze keine Ausläufer zuschreibt; tatsächlich fehlen dieselben jedoch bei T. atri- chum (oliganthum) im Herbarium oft (vrel. z.B. die Beschreibung [„rasig*] und die Abbildung [ohne Ausläufer!] des S. alpinus bei Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil.aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCIH). 267 Reichenbach Deutsche Fl. Cyperoid. [1846], 36 t. CCC fig. 7092). Abgesehen von diesem einen Punkt stimmt Vahl’s Diagnose sogar erheblich besser mit unserer Schweizerpflanze überein als die Original- Beschreibung und -Abbildung der Isolepis oligantha. Wir tragen daher kein Bedenken, Seirpus pumilus Vahl, der in Nyman’s Üonspectus und in Ascherson u. @raebner’s Synopsis völlig übergangen wird, für den ältesten Namen der in Frage stehenden Trichophorum- Art zu erklären und die entsprechende neue Kombination zu bilden. Carex ericetorum Pollich var. [1] aZpina Hagenb. Fl. Basil. Suppl. (1843), 189. Carex approximata All. Fl. Pedem. II (1785), 267, non Willd. nec Hoppe. — Carexericetorum b)approximata Richter Pl. Europ. I (1890), 157. — Carex membranacea Hoppe in Sturm Deutschl. Fl. Heft 61 (1835). - Carex ericetorumß membranacea Koch Syn. Fl. Germ. Helv.ed.2, I1(1844), 876. Hagenbach hat (I. c.) offenbar als erster die beiden meist als Gebirgs- bezw. Ebenenrasse von Ü. ericetorum aufgefassten Formen mit dem Range von Varietäten (1. alpina, 2. planitiei) benannt, und die von ihm gewählte Nomenklatur muss daher, sofern man über- haupt an der Scheidung der beiden Sippen festhalten will (vrgl. hier- über besonders O0. Naegeli in-Ber. Zürch. Bot. Ges. XII [1917], 57—58), zu Recht bestehen bleiben. Sisyrinchium angustifolium Miller Gard. Dict. ed. 8 (1768), n. 2. Sisyrinchium Bermudiana L. Spee. pl. (1753), 954 ex p. (excl. var. ß); O. Farwell in Mem. Torrey Bot. Club XVII, 82—83 (Jun. 1918) et in Journ. of Bot. LVI, No. 669 (Sept. 1918), 271—272 — non Miller (1768) nec auct. rec. plur. (quod — 8. iridioides Curtis Bot. Mag. III [1790], t. 94 [11..IX. 1789]). Wie Farwell (.c.) mit Recht hervorhebt, entspricht der Typus des Linn&’schen $. Bermudiana nach Beschreibung und Synonymen der als S. angustifolium Miller bekannten Pflanze, während die (un- benannte) var. ß sich mit $. Bermudiana Miller et auct. rec. (= 8. iri- dioides Curtis) deckt. Der genannte Verfasser schlägt daher vor, den Namen $S. Bermudiana L. (in seiner ursprünglichen, aber vom gegen- wärtigen Gebrauche abweichenden Bedeutung) für $. angustifolium Miller einzusetzen. Wir möchten dagegen den schon früher in den analogen Fällen von Setaria glauca, Salix arbuscula, Euphorbia hype- ricifolia und Doronieum Pardalianches (vrgl. Vierteljahrsschr. Naturf. Ges. Zürich LVII [1913], 88—89 und LXI [1916], 420) vertretenen 268 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Standpunkt geltend machen, dass bei der Aufteilung komplexer Linne&’scher Sammelspezies der erste Autor, der die Zerlegung vor- nahm, hinsichtlich der Beibehaltung des Artnamens für die eine oder andere der von Linn& ausdrücklich zu einer Art vereinigten Teil- spezies volle Freiheit besass und keineswegs genötigt war, der an erster Stelle stehenden Teilspezies den Artnamen zu belassen, und dass die von ihm getroffene Wahl für alle Zukunft massgebend ist und nicht wieder rückgängig gemacht werden kann (vrgl. Art. 47 der Internationalen Nomenklaturregeln). Wir empfehlen daher den Fachgenossen die Beibehaltung der von Miller gewählten Benen- nungen der beiden fraglichen Sisyrinchium-Arten, umso mehr, da die Einführung von S. Bermudiana in einem vom herkömmlichen ab- weichenden Sinne (nomen confusum!) zu schweren Unzuträglichkeiten führen müsste und daher schon aus Opportunitätsgründen (vrgl. Art.51, Al. 4) zu verwerfen ist. Salix livida Wahlenb. Fl. Lapp. (1812), 272 et auct. plur. Salix depressa Fries Novit. fl. Suec. ed. 2 Mant. I (1832), 56 [eit. sec. Koch]; Koch Syn. fl. Germ. Helv. ed. 1, II (1837), 652, ed. 2, II (1844) 751; O. v. Seemen in A. et @. Syn. IV, 115 (1909) et auct. nonnull. — nonL. — Salix Starkeana . Ledeb. Fl. Alt. IV (1833), 274; C. K. Schneider in Oesterr. Bot. Zeitschr. LXVI (1916), 115 — an Willd.? — Salix vagans Andersson in Öfs. K. Vetensk. Akad. Förh. 1858, 121 et Salie. Bor. Am., p. 15 in Proc. Am. Acad. IV (1858), 61. S. depressa L. Fl. Suec. ed. 2 (1755), 352 ist nach Enander und €. K. Schneider (l.c,, 1916) in der Hauptsache (nach dem Zitat aus der Flora Lapponica) eine Form von $. caprea L. und begreift auch noch hybride Formen. Die Haller’sche „Salix folio subrotundo, acuminato, integerrimo, subtus sericeo“ (Enum. stirp. Helv.indig. [1742], 154 n. 16), von Linn& an zweiter,Stelle als „S. folio') rotundo acumi- nato integro subtus sericeo“ zitiert und von Haller später (Hist. stirp. indig. Helv. II [1768], 310 n. 1651) als „S. foliis integerrimis, ovato lanceolatis, subtus sericeis, julis ovatis‘“ aufgeführt, ist nach dem Synonym S. latifolia rotunda C. Bauhin, nach der Angabe des Vorkommens („in dumetis frequens‘) und der Beschreibung, sowie auch nach dem Zeugnis@audin’s (Fl. Helv. VI [1830], 239), eine Form von S.Caprea L., keineswegs aber, was ©. Schneider (l. ec. 115) für möglich hält, die in der Schweiz gar nicht vorkommende S. depressa auct. ') Nicht „foliis*, wie C. Schneider l. ce. (1916), 115 unrichtig reproduziert. Jahrg.66. Hans Sehinz. Mitteil. ausdem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCII). 269 Was den von €. K. Schneider (l. c.) als Ersatz für die zu ver- werfende $. depressa auct. vorgeschlagenen Namen S$. Starkeana Willd. Spec. pl. IV, 2 (1806), 677 betrifft, so ist nach Ad. Toepffer (Oesterr. Bot. Zeitschr. LXVI [1916], No. 10—12 [VI. 1917], 401) seine Be- deutung zu unklar, als dass sich seine Voranstellung empfehlen würde; was in den Herbarien als $. Starkeana geht, ist allermeist S. aurita > livida f. super-livida, undauch Willdeno w’s Originalpflanze dürfte mit grösster Wahrscheinlichkeit dieser Kombination entsprechen. An der gleichen Stelle (S. 112—116) spricht sich (. Schneider auch für die Ersetzung des Namens $. arbuscula auct. durch S. formosa Willd. und von $. nigricans Sm. durch 3. myrsinifolia Salisb. aus. Wir verweisen demgegenüber auf unsere früher gegebene, dem Verfasser offenbar unbekannt gebliebene Begründung der Beibehaltung der beanstandeten Namen (Vierteljahrsschr. d. Naturf. Ges. Zürich LVIII [1913], 50—53 und 88—89) und auf die zustimmenden Ausführungen von Ad. Toepffer (l. e. 1917, 400—401). Statt S. appendieulata Vill., welcher Name ihm in seiner Be- deutung zu wenig sicher erscheint, möchte Ad. Toepffer (l. c. 1917, 401—402), entgegen unserm Vorschlag (Vierteljahrsschr. d. Naturf. Ges. Zürich"LVIII [1913], 49), den Namen S. grandifolia Ser. vorge- zogen wissen. Ohne die Richtigkeit der von Toepffer vorgebrachten Argumente bestreiten zu wollen, halten wir seine Schlussfolgerung doch für zu rigoros und glauben an unserm frühern Standpunkt fest- halten zu müssen. Ulmus. In einem Artikel „Über die richtige Benennung der europäischen Ulmen-Arten“ (Oesterr. bot. Zeitschr. LXVI [1916], 65—82) schlägt C. Schneider vor, den Namen U. scabra Miller (1768) durch U. glabra Hudson (1762) und U. campestris L. (1753, em. Hudson 1762) durch U. foliacea Gilib. (1792) zu ersetzen. Wir haben uns schon früher (Bull. Herb. Boiss. 2° ser. VII [1907], 177 und Vierteljahrsschr. d. Naturf. Ges. Zürich LVIII[1918], 56) für die Beibehaltung der von C.Schneider angefochtenen Namen ausgesprochen und glauben, da inzwischen keine neuen Gesichtspunkte zu Tage getreten sind, lediglich auf unsere früheren Begründungen verweisen zu dürfen. Vrgl. auch Alfr. Rehder in Mitteil. Deutsch. Dendrol. @es. 1915, 215, 218, der die Namen U. glabra Hudson und U. nitens Mönch vorschlägt. Melandryum Reel. [Deutsch]. Fl. ed 2°), II (1812), 274 sub „Me- landrium“, nomen!] corr. Rehb. Handb. (1837), 298. !) nicht ed. 1 (4794), wie oft zitiert wird; hier findet sich der Name nicht! 270 Vierteljahrsschrift d. Naturf, Gesellsch. in Zürich. 1921 Physocarpon Necker Elem. II (1790), 164 — non Physo- carpus Maxim. 1879 (nomen conservandum!). Wiewohl der Name Physocarpon Necker, der meist zu Lychnis gezogen wird, in evidenter Weise die Priorität vor Melandryum hat, empfiehlt sich doch seine Voranstellung nicht, da 1. eine zwar jüngere, aber als gültig angenommene und auf der Liste der «nomina con- servanda» figurierende Gattung Physocarpus besteht, deren Name wegen allzu grosser Ähnlichkeit Verwirrung stiften würde, und da 2. Physocarpon ein gänzlich in Vergessenheit geratener Name ist, der unseres Wissens noch nie in binärer Verbindung mit Artnamen ge- braucht worden ist, und dessen Wiedererweckung keinerlei Vorteile bringen würde. Zur Vermeidung jeglicher Unsicherheit schlagen wir vor, Melandryum auf die Liste der «nomina conservanda» zu setzen. — Was schliesslich noch die Orthographie Melandryum bezw. Melandrium anbetrifft, so ist die erstere sprachlich zweifellos richtiger (die von Wittstein angenommene Benennung nach dem Italiener Melandri hat wenig Wahrscheinlichkeit für sich), und es empfiehlt sich die von Reichenbach vorgenommene Korrektur, die deswegen zulässig ist, weil Röhling die Gattung ursprünglich (1812) ohne Beschreibung, nur unter Anführung der dazu gehörigen Arten, aufgestellt hat, was nach Art. 38 der Nomenklaturregeln keiner rechtsgültigen Publikation entspricht. Melandrium dieeum (L.) Simonkai Enum. Fl. Transsilv. (1886), 129; Schinz et Thellung in Bull. Herb. Boiss. 2° ser. VII (1907), 179. NMinuartia rostrata (Clairv.) Rehb. (1842). Arenaria fasciculata ßProstrata Pers. (1805). — Sabu- lina rostrata Rechb. (1832). — Alsine rostrata Fenzl (1833). — Alsine mucronata Gouan (1773) & non L. (1753). — Minuartia mucronata Schinz et Thellung (1907). Vrgl. Briquet Prodr. fl. corse I (1910), 533; Schinz et Thellung in Vierteljahrsschr. Naturf. Ges. Zürich LVIH (1918), 58; Ascherson et Graebner Synopsis V, Lief. 95 (1918), 723. Hinzu- zufügen sind die 2 wichtigen Synonyme: 1. Arenaria rostrata [Pers. ex Schleicher Cat. 1807 p. (7), eit. sec. Wilezek in litt. (nomen); Pers. ined. ex Murith Guide Bot. Valais (1810), 53! (nomen)] Clairv.! Man. Herbor. (1811),149!; 2. Arenaria mutabilis Lapeyr. Hist. pl. Pyren. (1813), 256 et herb. (teste Clos Rev. comp. Herb. et Hist. abr. Pyr. de Lepeyr. [1857], 38 [eit. sec. Briquet in litt.] et testib. Timbal Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCIl). 271 et Loret sec. Bubani Fl. Pyren. III [ed. Penzig 1901], 47). Ohne das Bestehen der Ar.rostrata Clairv. (1811) müsste die Art M. mutabilis (Lapeyr. 1813 sub Arenaria) genannt werden, da Persoon selbst, entgegen manchen Literaturzitaten (so auch im Index Kewensis), seine A. rostrata nicht als Art, sondern als Varietät der A. fasciculata aufgestellt hat. Minuartia capillacea (All.) Ascherson et Graebner Synopsis V, Lief. 95 (1918), 767. Arenaria capillacea All. Fl. Pedem. II (1785), 365 t. 89 fig.2. — Sabulina capillacea Rchb. Ic., deutsche Ausg. Ill (1842/3), 87°. — Alsine capillacea Beck in Glasnik Muz. Bosn. Herceg. XVIII (1906), 493. — Alsine Bauhinorum J.Gay in Gren. et Godron Fl. Francel,1 (1847),253.—Arenaria laricifolia L. Spee. pl. ed. 1 (1753), 424 ex p. (quoad syn. Hall. ex p.); Gren. in Mem. Soc. Emul. Doubs I (1841), 33 t. I fig. 2 — non Jacq. nec All. nec Vill. nec Alsinelaricifolia auct. nee. M. larieifolia auet. — Alsine larieifolia Crantz Instit. II (1766), 407 ex p.; Pospichal Fl. Oesterr. Küstenl.1 (1897), 431 — non Wahlenb. — Sabulina larici- folia Rehb. Fl. Germ. excurs. sect. 3 (1832), 789. — Wierz- bickia laricifolia Rch. Ice. fl. Germ. Helv. V (1842), 30 t. COXI fig. 4933. — Alsine larieifolia ß glandulosa Koch Syn. fl. Germ. Helv. ed. 1, I (1835), 113. — Arenaria striata L. Ameen. acad. IV (1759), 315 ex p. (quoad syn. Bauh.); Vill. Hist. pl. Dauph. III (1789), 638 t.47 fig.6 — non L. Cent. II. pl. (1756), 17 nee L. herb. — Alsine striata Crantz Instit. II (1766), 408 (!) ex minima p.?; Caruel Suppl. Prodr. fl. Tosc. (1866), 18 — non Gren. — Arenaria larici- folia ß striata Ser. in DC. Prodr. I (1824), 404. — Arenaria montana All. Fl. Pedem. II (1785), 112 —- non L. (nee Minuartia montana L.). — Arenaria liniflora auct. nonnull.: ad ex. Hegetschw. in Suter Fl. Helv. ed. 2, I (1822), 314 [et A. laricifolia ibid. 312 ex p- quoad loc. Thuiry]; Gaudin Fl. Helv. III (1818), 201 — non Murray Syst. veget. ed. 13 (1774), 355 nec L. fil. Suppl. (1781), 241. — Alsine liniflora Hegetschw. Fl. Schweiz fasc. 2 (1838—39), 421 et auct. Helv. mult. — Minuartia liniflora Schinz et Thellung in Bull. Herb. Boiss. 2° ser. VII (1907), 403. Der seit Hegetschweiler in den Schweizerfloren gebräuch- liche Speziesname liniflora kann leider für unsere Art nicht beibe- 272 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 halten werden. Zunächst ist mit Beck (l. c. 1906) und Graebner (1. e. 1918, 768) festzustellen, dass eine „Arenaria liniflora L. Spec. pl. ed. 2, I (1762), 607*, wie viele Schriftsteller (und auch der Index Kewensis) zitieren, nicht existiert; sie erscheint vielmehr erst bei Murray (l. c.1774) und Linne dem Jüngern (l. c. 1781), und zwar mit einer Diagnose (calyeis foliolis lanceolatis bistriatis.... Differt ab A. grandiflora..... calyce foliolis non multistriatis....), die, wie Beck (Ann. Naturhist. Hofmus. Wien VI [1891], 326) hervorhebt, die Zugehörigkeit zu unserer Spezies ausschliesst. Als ältester Name für dieselbe käme zunächst Arenaria laricifolia L. (1753) in Betracht, eine Kollektivspezies, deren allzu vage Diagnose (l. c. 424: foliis setaceis, caule superne nudiusculo, calycibus subhirsutis) eine sichere Erkennung der Art nicht zulässt, und die in der Form des Haller’schen Syno- nyms (Alsine foliis fasciculatis, petiolis simplicibus, calyce hirsuto Haller Enum. meth. stirp. Helv. indig. [1742], 388) die beiden als M. liniflora und M. laricifolia (auf die erstere bezieht sich der zuerst genannte Fundort „Thuiri“ = Reculet, auf die letztere die Fundorte Silsersee und zwischen Faido und Airolo) bekannten Arten enthält, während das Synonym Lychnoides, juniperi folio, perennis Vaillant Bot. Paris. (1727), 121!) [= Arenaria larieifolia Thuill. Fl. Paris ed. 2 (1799), 219 quoad syn. Vaill. et loc.] zu Arenaria grandiflora L. und endlich Linn&’s Herbarexemplar nach Rouy et Foucaud Fl. France Il (1896), 270 zu Min. setacea (Thuill.) Hayek gehört! Da nun, wie gleich zu zeigen sein wird, Arenaria striata L. in der ersten Fassung (1756) vollständig der Min. laricifolia auct. rec. entspricht, könnte man daran denken, Aren. laricifolia L. (ex p.) im Sinne der Min. liniflora auct. rec. zu verwenden und für Min. larieifolia auct. rec. das Epitheton striata einzusetzen, wie denn tatsächlich die Sabulina striata Rehb. Fl. Germ. excurs. sect. 3 (1832), 789 [= Wierzbickia striata Rehb. Ic. fl. Germ. Helv. V (1842), 30 t. CCXI fig. 4932 = Alsine striata Gren. in Mem. Soc. Emul. Doubs I (1841), 33 t. I fig. 1; Gren. et Godron Fl. France I, 1 (1847), 253 — Minuartia striata Mattfeld in Ascherson et Graebner Synopsis V,1, Nachtr. 940 (1919)] der M. larieifolia auct. und die Sabulina (Wierzbickia) larieifolia Rehb. der M. liniflora auct. ') Vaillant’s Pflanze ist nach der Beschreibung [exel. syn.!], in der von einer 5- oder 6-zähnigen Kapsel die Rede ist, jedenfalls keine Minuartia, sondern offenbar die am angegebenen Fundort (Fontainebleau) tatsächlich vorkommende Arenaria grandiflora L. Mit grösster Wahrscheinlichkeit gehört zu Vaillant’s Lyehnoides juniperi folio die Abbildung Fig. 1 auf Taf. 4 des gleichen Werkes, die den (in dem [posthum herausgegebenen!) Text nirgends zu findenden) Namen Alsine saxatilis, juniperi folio trägt, und die Thuillier (Fl. Paris ed. 2 [1799], 218) zu seiner Arenaria juniperina [non L.!] zitiert. Jahrg.66. Hans Schinz. Mitteil. ausdem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCI). 273 entspricht. Wir halten jedoch eine derartige Änderung für untunlich; denn Arenaria laricifolia L. ist schon 1775!) von Jacquin (Fl. Austr. II, t. 272), 1785 von Allioni (Fl. Pedem. Il, 113) und 1789 von Villars (Hist. pl. Dauph. III, 629 t. 47) übereinstimmend im Sinne der M. (Alsine) laricifolia auct. präzisiert und für die Zukunft festgelegt worden, so dass eine nachträgliche Änderung der Bedeutung des Namens (im Sinne von Reichenbach) zu schweren Unzuträg- lichkeiten führen müsste und folglich praktisch undurchführbar würde; vielmehr müsste der älteste Name larieifolia gänzlich verschwinden, was mit Art. 44 der Nomenklaturregeln nicht gut in Einklang zu bringen ist, und wozu unseres Erachtens auch kein zwingender Grund vorliegt. Wir schlagen daher vor, bei dem Namen M. larieifolia im herkömmlichen Sinne zu verbleiben.?) Was für eine Bewandtnis hat es nun mit Arenaria striata L., die von Villars im Sinne von M. liniflora auct., von Reichenbach und Grenier dagegen im Sinne von M. larieifolia auct. interpretiert worden ist?®) In der „Centuria II plantarum* (1756) figuriert die Art mit einer Beschreibung („foliis linearibus erectis, calyeibus oblongis striatis.... Radix perennis.... Folia opposita, linearia, crassiuscula, subtus convexa, nuda, acutiuscula, erectissima.... Calyces oblongi ut in Cerastiis. Petala 5, oblonga, integra, calyce duplo longiora‘), die ebenso gut auf M. laricifolia wie auf M.liniflora auet. passt, und mit einem Synonym von Burser: Caryophyllus saxatilis, polygoni minoris folio-& facie. Burs. XI. 129. Diese Burser’sche Pflanze wird von Linn& schon früher (Plantae Martino-Burserianae [1745], in Amoen. acad. I [1749], 158/9 unter Vol. XI No. 126) als „CARYO- PHYLLUS saxatilis, polygoni minoris foliis & facie, floribus albis !) Stellaria larieifolia Scop. Fl. Carn. ed. 2, I (1772), 317 tab. 18! ist kaum klarer als die von Scopoli als Synonym zitierten Arenaria laricifolia L. und die Haller’sche Pflanze; in der Eigenbeschreibung des Autors («Calyces modice villosi‘ tenues, acuti, capsula longiores“) scheint die kurze Kapselfrucht eher auf M. larici- folia auct. zu weisen, während die Abbildung zur sichern Erkennung der Art un- zulänglich ist. ?) Der Name M. striata scheint uns nur für den Fall gerechtfertigt, dass, wie dies in der Synopsis geschieht, gleichzeitig der Name M. larieifolia im Sinne einer Gesamtart beibehalten wird. $) Wenn der Index Kewensis „Arenaria striata L. = capillacea, cephalotes, larieifolia, recurva, saxatilis, verna* setzt, sO kann der Sinn dieser wunderlichen ngabe doch nicht wohl der sein, dass alle diese Arten in der einen Linn&’schen Spezies, die der Autor (nach Burser) aus den österreichischen Alpen und dem Aostatal angibt, enthalten seien, sondern nur, dass nach-Linneische Schriftsteller den Namen gelegentlich im Sinne dieser Arten gebraucht haben (wofür wir allerdings auch keine Anhaltspunkte finden können). 274 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 tanquam in umbella positis“ aufgeführt und mit einem Synonym (Arenaria foliis subulatis, calycibus striatis, germinibus oblongis, floribus corymbosis) und einer besondern Beschreibung (l. c. 159 not. o: RADIX repens; caespites sparsi ut Seleranthi; CAULES erecti, vix spithamaei, teretes. FOLIA opposita, linearia, minus acuta.... CALYX cerastii: foliolis oblongis, obtusis sulcatis. PETALA integra, calyce duplo majora alba) versehen. Das genannte Synonym (Arenaria foliis subulatis....) zitiert Linne selbst später (Spec. pl. ed. 1 [1753], 422) zu seiner Stellaria [= Alsine = Minuartia] biflora; Burser’s Pflanze kann jedoch mit Rücksicht auf die grossen, den Kelch ums Doppelte überragenden Kronblätter nicht zu dieser Art, sondern nur zu M. larici- folia oder M. liniflora gehören, und zwar trifft nach gütiger Mitteilung von Herrn Prof. Dr. OÖ. Juel in Uppsala, der uns einen die fragliche Pflanze betreffenden Auszug aus seiner noch ungedruckten Arbeit über die Pflanzen des Burser’schen Herbars freundlichst zur Ver- fügung stellte, die erstere Eventualität zu. Da zudem nach J. Gay (in Gren. et Godron Fl. France I, 1 [1847], 253) die Arenaria striata auch in Linn&’s Herbar durch ein Exemplar von M. laricifolia auct. vertreten ist, so gehört die Arenaria striata der Centuria Il voll und ganz zu dieser letztern Art, und ihr Name ist mit- hin in die Synonymie derselben zu verweisen. — Im Neudruck der Centuria II in den Amoenitates academicae IV (1759), 315 (erst hier!) fügt dann Linn& nach der Beschreibung an erster Stelle ein Synonym von J. Bauhin ein: Auricula muris pulchro flore folio tenuissimo J. Bauhin Hist. III (1651), 360 !) (cum ie.!), das sich nach Beschreibung, Abbildung und Fundort (inmontibus circa Genevam, ut Thuiri !—= Reculet ob Thoiry |) unzweifelhaft auf M.liniflora auct. bezieht. Allerdings muss zugestanden werden, dass J. Bauhin’s Abbildung — offenbar infolge eines Beobachtungsfehlers an der getrockneten Pflanze — zweispaltige Kronblätter aufweist, und dass auch die Beschreibung (flores magni sunt &albi, non differentes ab Auricula muris flore pulchro‘ [= Cerastium arvense]) dieses Verhalten zu bestätigen scheint. Indessen kann nach den übrigen Merkmalen der Pflanze (z. B. nach den auch in der Be- schreibung hervorgehobenen nadelförmigen Laubblättern) ein Cerastium nicht in Frage kommen; auch Linne, der auf die ungeteilten Kron- blätter seiner Arenaria striata ausdrücklich hinweist, setzt sich über den offenkundigen Widerspruch in diesem Punkte hinweg, ebenso zieht Gaudin (l.e.) die Bauhin’sche Figur, die er als „bona“ zensiert, ohne Vorbehalt zu seiner Arenaria liniflora, und auch J. Gay legte seiner Alsine Bauhinorum zweifellos die Bauhin’sche Pflanze zugrunde. ') Nicht 361, wie Linne fälschlich zitiert. Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCID. 275 Die Identität der Bau hin’schen Spezies mit unserer in Frage stehenden Art (unter Ausschluss der M. larieifolia auct., die am Reculet nicht vorkommt, während dieser Berg die bekannte klassische Fundstelle der M.liniflora auet. darstellt) kann daher als feststehend gelten. Für die Interpretation der Arenaria striata L. und für unsere vorliegende Nomenklaturfrage ist diese Feststellung jedoch belanglos; denn bei der Aufteilung komplexer Spezies kann nach Art. 47 der Nomenklatur- regeln der Name nur im Sinne ihres ursprünglichsten Bestandteils festgelegt werden, und nachträglich eingefügte Synonyme (wie in unserm Fall das Bauhin’sche) vermögen an der ursprünglichen Be- deutung des Namens nichts zu ändern. Es kann mithin Arenaria striata L. als gültiger Name für unsere Pflanze nicht in Betracht kommen. Der älteste unanfechtbare Name ist vielmehr Arenaria capillacea All. (1785), auf welche Ascherson u. Graebner mit Recht die Kombination Minuartia capillacea begründet haben. Nymphozanthus L. €. Rich. Anal. du Fruit (Mai 1808), 63, 68 («Nymphosanthus»), 103 et in Ann. Mus. Par. XVII (1811), 230; Desv. Fl. Anjou (1827), 80 («Nymphosanthus>); M. L. Fernald in Rhodora vol. 21 No. 250 (Oet.-1919), 183—188. Nymphaea L. Spec. pl. ed. 1 (1753), 510 ex p.; Gen. pl. ed. 5 (1754), 227 ex p.; Greene in Bull. Torrey Bot. Club XIV (1887), 177—179, 257—258 et auct. nonnull. — non L. Gen. pl. ed. 6 (1764), 264 nec Juss. Gen. pl. (1789), 68; ef. Bull. Herb. Boiss. 2° ser. VII (1907), 404—5, 505, et Vierteljahrsschr. d. Natf. Ges. Zürich LVII (1913), 59—61; Conard in Rhodora XVII (1916), 161—164. — Nuphar Smith in Sibth. et Sm. Fl. Graee. Prodr. I (1806—...), 361 (vers. finem a. 1808 vel initio a. 1809). Der alte und langatmige Streit um die Nomenklatur der gelben Seerosen (vrgl. Bull. Herb. Boiss. l.e, und Vierteljahrsschr. 1. e.) scheint noch immer nicht zur Ruhe kommen zu sollen. Leider kann der be- kannte Name Nuphar nicht beibehalten werden, da in Nymphozanthus ein um einige Monate älteres Synonym besteht, gegen dessen Gültig- keit anscheinend nichts einzuwenden ist. Obwohl die Tatsache der Priorität von Nymphozanthus schon von Desvaux (l. c. 1827) be- merkt und von Britten (Journ. of Bot. XXV1 [1888], 7) klar hervor- gehoben worden war, haben ihr die neueren Schriftsteller, die sich mit der Nomenklatur der Seerosen befasst, keine Beachtung geschenkt, bis endlich Fernald (l. e. 1919) die einzig mögliche Konsequenz daraus gezogen und den Namen Nymphozanthus vorangestellt hat. Sofern man nicht Ausnahmen von den Prioritätsgesetzen zulassen 276 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 und z. B. Nuphar auf die Liste der Nomina conservanda setzen will, wird man nicht umhin können, dem Vorgang Fernald's Folge zu leisten. Unsere beiden Arten haben demnach zu heissen: Nymphozanthus luteus (L.) Fernald 1. c. (1919), 185. Nymphaea lutea L. Spec. pl. ed. 1 (1753), 510 (sphalm. «lusea»). — Nuphar lutea Sm. in Sibth. et Sm. Fl. Graee. Prodr. I (1808—9), 361. — Nymphozanthus vulgaris L. €. Rich. in Ann. Mus. Par. XVII (1811), 230. Nymphozanthus pumilus (Hoffm.) Fernald 1. c. (1919), 186. Nymphaea lutea ß pumila Timm in Mag. f. Naturk. Mecklenb. II (1792), 256. — Nymphaea pumila Hoffm. Deutschl. Fl. ed. 2, I, 1 (1800), 241. — Nuphar pumilaD(C. Syst. II (1821), 61. Über die zahlreichen weiteren, die Nomenklatur nicht direkt berührenden Synonyme der Gattung und der Arten siehe Fernaldl.c. Erucastrum nasturtiifolium (Poiret) O. E. Schulz in Engl. Bot. Jahrb. LIV, Beibl. No. 119 (4. X. 1916), 56. Brassica erucastrum Vill. Prosp. Hist. pl. Dauph. (1779), 40 et t. 20 f.5 [ex descer. ap. All.]; All. Fl. Pedem. I (1785), 267; DC. Syst. II (1821), 600 pro parte; Gaudin Fl. Helv. IV (1829), 380 excl. var. ß ochroleuca; Soyer-Willemet in Ann, sc. nat. 2° ser. (Bot.) II (1834), 116; Fiori et Paoletti Fl. anal. Ital. I, 2 (1898), 448 et auct. rec. nonnull. — sed vix L. vel pro minima parte tantum. — Sisymbrium Erucastrum Vill. Hist. pl. Dauph. III (1789), 342 — non Gouan (1773) nee Pollich (1777). — Diplotaxis Erucastrum Gren. et Godron Fl. France I, 1 (1847), 81; Rouy Fl. France II (1895), 45. — Brassicaria erucastrum Gillet et Magne Nouv. Fl. frang. (1863), 26. — Hirschfeldia Erucastrum Fritsch ap. Janchen in Mitteil. Naturw. Ver. Univ. Wien V (1907), 92. — Eruca aspera Miller Gard. Dict. ed. 8 (1768), n. 4 pro parte?? — Eruca sylvestris Lam. Fl. frane. II (1779), 497 pro parte?? — Sinapis nasturtiifolia Poiret in Lam. Eneyel. IV (1796—...), 346. — Sinapis nasturtioides [sphalm.] „Lam“ ex Gaudin Fl. Helv. IV (1829), 381 et Rehb. Fl. Germ. excurs. sect.3 (1832), 693 in syn. (nomen neglectum!). — Sisymbrium obtusangulum [Haller £. ap. Schleicher Cat. pl. Helv. (1800), 48, nomen nudum] Schleicher ap. Willd. Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCI). 277 ‚Spec. pl. III, 1 (1801), 504. — Erysimum obtusangulum [Clairv.] Man. herb. (1811),219. — Brassica obtusangula Rehb. in Moessler Handb. ed. 2, TI (1829), 1185; Shuttlew. in Magaz. Zool. Bot. II (1838), 531. — Erucastrum obtus- angulum Rchb. Fl. Germ. excurs. sect. 3 (1832), 693. — Hirschfeldia obtusangula Fritsch ex Vollmann Fl. Bayern (1914), 304 in syn. — Sisymbrium jacobeaefolium Bergeret ex Vill. Cat. Strasb. (1807), 259 et ex DC. Syst. II (1821), 465 pro syn.'!) — Erucastrum Gmelini et E. Lamarkii [sie] Schimper et Spenner in Spenner Fl. Fri- burg. III (1829), 947 et 1087. — Brassica Erucastrum «maior Gaudin Syn. fl. Helv. (1836), 569. — Erucastrum montanum Hegetschw.! Fl. d. Schweiz Lief. 3 (1839), 696. Über weitere, die Nomenklatur der Art nicht direkt berührende Synonyme siehe Thellung in Hegi Ilustr. Fl. v. Mittel-Europa Bd.IV, Lief. 38 (1918), 220—222, Eine Änderung der Nomenklatur der als Erucastrum obtusangulum bekannten Art hat schon lange gedroht, da eine ganze Reihe älterer spezifischer Epitheta in der Synonymie dieser Spezies geführt wird. Wir hatten uns bis jetzt mit der Annahme beruhigt, dass Brassica Erucastrum L. der älteste Name für unsere Art sei, dass folglich die zeitlich darauffolgenden neuen Namen in Kombination mit den Gattungsnamen Eruca, Sinapis und Sisymbrium, weil Art. 48 der inter- nationalen Regeln zuwiderlaufend — es waren in diesen Gattungen nur Kombinationen mit dem Speziesnamen Erucastrum zulässig — als „totgeboren“ für die Nomenklatur ausser Betracht gelassen werden könnten, und dass, da die tautologische Kombination Erucastrum Eruc- astrum durch Art. 55, Al.2 der Regeln gleichfalls ausgeschlossen ist, der älteste Name in der richtigen Gattung, also E. obtusangulum Rchb. (1832), als gültig verwendet werden müsse. Leider halten nun diese Argumente einer eingehenden Prüfung nicht Stand; denn einmal ist die Zugehörigkeit von Brassica Erucastrum L. zu unserer Art ganz unsicher, ja selbst unwahrscheinlich, und ferner existieren in der richtigen Gattung 2 ältere Namen, E. Gmelini und E. Lamarckii Schimper u. Spenner (1829), deren letzterer*) in erweitertem Sinne !) De Candolle (l. c.) zitiert: „Berg: phyton. ie.“ ; indessen findet sich die fragliche Spezies in Bergeret's „Phytonomatotechnie“ (11773—] 1783—86) nach freundlicher brieflicher Mitteilung von f Dr. C. de Candolle nirgends be- schrieben oder abgebildet. « ?) Spenner selbst hat die Identität seiner beiden Spezies später erkannt und sie (l. c. [1829] 1087) unter dem Namen E. Lamarkii vereinigt, dagegen E. Gmelini als „nomen delendum“ bezeichnet. Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 66. 1921. 19 278 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 gebraucht werden müsste — wenn nicht Sinapis nasturtiifolia Poiret (1796) sich als der älteste rechtsgültig publizierte Name erwiese. Brassica Erucastrum L. Spec. pl. (1753), 667, die meist mit Eruc- astrum obtusangulum identifiziert wird, ist zweifellos eine Sammelart. Linne& stellt sie (l. c.) innerhalb der Gattung Brassica in die durch „siliquis stylo ensiformi“ charakterisierte Gruppe der „Erucae‘, vor Br. Eruca L. [= Eruca sativa Miller] und Br. vesicaria L. |= Eruca vesicaria Cav.], was darauf hindeutet, dass Linn& die heutige Brassi- cella Erucastrum (L.) ©. E. Schulz |= Brassica Cheiranthos Vill. — B. monensis auct. ex p.), die tatsächlich eine weitgehende Ähnlich- keit mit Eruca vesicaria (sativa) aufweist, im Auge hatte. Anderseits ist Linne’s Spezies in der Hauptsache?) — die Diagnose („foliis dentato pinnatifidis, caule hispido, siliquis laevibus“) ist zur sichern Identifikation zu unvollständig — begründet auf Eruca sylvestris major lutea caule aspero C. Bauhin Pinax (1623), 98 No. IV, die ihrerseits der Eruca sylvestris der älteren Kräuterbücher entspricht. Nun wird aber unter dieser letztern Bezeichnung seitens der älteren Autoren sehr Verschiedenes verstanden. Die Eruca sylvestris von Matthioli (ebenso wohl auch diejenige von Dalechamps ?) entspricht der spätern Diplotaxis tenuifolia (oder muralis?), die gleichnamige Pflanze von De l1’Obel und Dodoöns ist Brassicella Erucastrum, diejenige von Tabernaemontanus ist Erucastrum gallicum (= Pollichii). [Eruca sativa Fuchs, die Linne als Synonym zu seiner Brassica Erucastrum zitiert, ist Diplotaxis tenuifolia.] Darüber, was C. Bauhin in Wirklichkeit unter seiner Eruca No. IV verstanden hat, gibt nun sein Herbar Auskunft. In dem betreffenden Herbar-Doppelbogen, dessen Übermittlung wir der Freundlichkeit des Herrn Konservator Dr. A. Binz in Basel verdanken, liegen heute gemischt: ein Exemplar von Eruc- astrum gallicum (Pollichii) und mehrere Exemplare und Bruchstücke von Brassicella Erucastrum, dabei eine Etiquette mit der Aufschrift: „Eruca sylvestris [,villosa* durchgestrichen, dafür:] caule subaspero. a priore flore maiore.... differt. ex horto dei D. Burserus. foliü separatü cu flore Mdsp [?] D. Rumbaum [?]“, endlich noch ein Aus- schnitt aus Tabernaemontanus’ Kräuterbuch mit der Abbildung von dessen Eruca sylvestris (= Erucastrum gallicum). Dieser Befund ist nun nicht allzu schwer zu deuten. Wenn man bedenkt, dass C. Bauhin in seinem 1622 erschienenen „Catalogus plantarum eirca ’) Linne's Herbarexemplar, das aus Spanien stammt, vermochte De Candolle (vrgl. Syst. II [1821], 600) nicht zu bestimmen. Die genaue Identifikation desselben wäre jedoch auch nicht von entscheidender Bedeutung, da die Pflanze mit grösster Wahrscheinlichkeit erst nach 1753 in das Herbar gelangt ist. Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCIl). 279 Basileam sponte nascentium“ S. 27 die fragliche Eruca vom sandigen Ufer der Wiese angibt (von wo Erucastrum gallicum, aber weder Erucastrum nasturtiifolium noch Brassica Cheiranthus signalisiert wor- den sind), und dass die grossblütige Pflanze ausdrücklich als Abart bezeichnet wird („Flore majore, eirca Monspelium in horto Dei, crescit“ Pinax ]. c.), so muss man notwendig zu der Ansicht gelangen, dass das Exemplar von Erucastrum gallicum, das mit grösster Wahrschein- lichkeit vom Ufer der Wiese stammt, und das ja auch mit der bei- gelegten Tabernaemontanu s’schen Abbildung übereinstimmt, als der [kleinblütige] Typus der Bauhin’schen Eruca No. 1V aufzufassen ist. Die grossblütige „Abart“ dagegen wird, wie dies nach dem Fundort („hortus Dei“ — Mont Aigoual in den Sevennen, Dept. Gard) nicht anders zu erwarten war, im Herbar durch die Exemplare von Brassi- cella Erucastrum repräsentiert, und auch das einzelne Blatt und die losgelöste Inflorescenz, von denen die Etiquette spricht, gehören zu dieser Art). Da jedoch diese Verhältnisse nur aus ©. Bauhin’s Herbar, nicht aber aus der Darstellung im „Pinax“ (wo auch unter dem Typus der Art zu Brassicella Erucastrum gehörige Synonyme aufgeführt werden) hervorgehen, sind sie für die literarische Deutung der Bau- hin’schen Eruca No. IV nicht von grossem Belang. — Es sind also sowohl die Bauhin’sche Eruca No.IV als auch die darauf begründete?) Brassica Erucastrum L. nach den Synonymen Mixta-Composita aus Diplotaxis tenuifolia [und muralis?], Brassicella Erucastrum und Erucastrum Gallicum — aber gerade unser Erucastrum nasturtiifolium, mit dem die Linn 6’sche Spezies neuerdings fast allgemein identifiziert 1) Wenn Th. A.Bruhin („Bauhinus redivivus“ in Deutsche bot. Monatsschr. 1894, Beil. 19) die Eruca sylvestris etc. C. Bauh. Cat. für „Erucastrum Pollichii Sch. und Sp. promiscue cum E. obtusangulo Rehb.“ erklärt, so hat er offenbar die Brassica Cheir- anthus in C.Bauhin’s Herbar irrtümlich als Erucastrum nasturtiifolium bestimmt — beiläufig bemerkt, eine in den Herbarien und in der ältern Literatur sehr häufig anzutreffende und angesichts der Ähnlichkeit der beiden Arten gewiss entschuldbare Verwechslung. — Auch A. Pyr. de Candolle hat im Oktober 1818 das Herbarium auhin revidiert und die fragliche Eruca als „Brassica erucastrum* [unter welcher ihm selbst unklaren Bezeichnung — vrgl. Syst. H (1821), 600 — der Autor recht Verschiedenes (zeitweise offenbar auch Erucastrum Gallicum) verstanden hat] bestimmt (vgl. Bull. Herb. Boiss. 2° ser. IV [1904], 213); die Varietät „Flore mojore etc.“ bezeichnet er mit dem Vermerk: „videtur diversa”. ?) Linne zitiert (Spec. pl.1.c.) in erster Linie seinen Hortus Cliffortianus (1737), wo die Spezies (S. 337, No. 6) als „Sisymbrium foliis linearibus pinnato-dentatis“ aufgeführt wird mit den Synonymen Eruca.... Bauh. pin., Eruca sylvestris major vulgatior foetens Morison Hist. univ. Oxon. I (1680), 230, sect. 34.6 f. 16 [nach der Beschreibung = Diplotaxis tenuifolia, nach der Abbildung = Brassicella Erucastrum] und Eruca silvestris Dod., Lob. [= Brassicella Erucastrum]. 280 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 wird, lässt sich als Bestandteil derselben nicht mit Sicherheit nach- weisen, obgleich es recht unwahrscheinlich ist, dass Linn& diese immerhin verhältnismässig häufige Art, die z. B. von Morison Hist. pl. univ. Oxon. II (1680), sect. 3t. 5 f. 10 abgebildet wird, gar nicht gekannt haben sollte. Da nun Brassicella Erucastrum tatsächlich als nachweislicher Bestandteil in Brassica Erucastrum L. enthalten ist und Linn& offenbar — nach dem spezifischen Namen und der inner- halb der Gattung Brassica angewiesenen Stellung zu urteilen — unter seiner Art in erster Linie die genannte Spezies verstand, erscheint es uns mit OÖ. E. Schulz angezeigt, den Namen Brassica Erucastrum L. trotz einer gewissen Unsicherheit in seiner ursprünglichen Bedeutung nicht völlig fallen zu lassen, sondern ihn, im Sinne von Pollich, Gmelin, Moris und Jordan (vergl. unter Brassicella Erucastrum)') restringiert und emendiert, in neuer Kombination in der Gattung Brassicella zu verwenden, wo er zu keinerlei Verwirrung Anlass gibt. Eruca aspera Miller und E. silvestris Lam. sind nach Beschreibung und Synonymen völlig identisch mit Brassica Erucastrum L., von welchem ‚Namen sie lediglich — nach Art. 50 und 48 unzulässige — Umtaufungen darstellen ; die beiden Namen müssen also, auch abge- sehen von der Unsicherheit ihrer Bedeutung, als „totgeboren“ unbe- rücksichtigt bleiben, so dass sich Sinapis nasturtiifolia Poiret als der älteste gültige, mithin in neuer Kombination (mit dem Gattungsnamen Erucastrum) zu verwendende Name erweist. Erucastrum gallicum (Willd.) 0. E. Schulz in Engl. Bot. Jahrb. LIV, Beibl. Nr. 119 (1916), 56. | BrassiaErucastrum L. Spee. pl. (17583), 667 ex p. [cf. supra pag. 278/9]; Schultes [Oestr. Fl. II (1794), 881?] Oesterr. Fl. ed. 2, II (1814), 255 sec. Neilreich Fl. Nied.-Oesterr. U (1859), 736; DC. Syst. II (1821), 600 ex p. ?; Boenningh. Prodr. fl. Monast. (1824), 202; C. C. Gmelin Fl. Bad. Als. IV (1826), 483—4, 510; Labram et Hegetschw. Abbild. Schwei- zerpfl. (1826—34), fasc. 8 t. 6! (ante a. 1829); Schleicher exsicc. sec. Gaudin Fl. Helv. IV (1829), 381; Hagenb. Fl. Basil. II (1834), 177; Schmitz et Regel Fl. Bonn (1841), 360 — non auct. plur. — Sisymbrium erucastrum Pollich Hist. pl. Palat. II (1777), 234; Chaix ap. Viil. Hist. !) Die Verwendung des Namens Brassica Erucastrum durch -Villars (1779), im Sinne von Erucastrium nasturtiifolium, kann nicht als Restriktion und Emendation, sondern nur als Fehlbestimmung gedeutet werden und ist daher für die Zukunft nicht massgebend. Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil.ausdem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCII). 251 pl. Dauph. I (1786), 331 et Chaix herb. vol. 4 fol. 2 teste Timbal-Lagrave in Mem. Acad. Sc. Toulouse 4° ser. VI (1856), 133; C. ©. Gmelin Fl. Bad. Als. III (1808), 67 (ex p.) — non Gouan 1773 [= Diplotaxis muralis (L.) DC.] nee Vill. Hist. pl. Dauph. II (1789) |= Erucastrum nasturtiifolium ]. —_ Eruca Erucastrum Gaertner, Meyer et Scherbius FI. Wett. II (1800), 458! (ex deser. et loc.). — Erucastrum Erucastrum Huth in Helios Frankf. 11. Jahrg. 9. Heft (Dez. 1893), 134! (nomen negleectum). — Eruca aspera Miller et E.sylvestris Lam. ex p. (cf. supra pag. 280). — Sisymbrium supinum Gouanlll. et Obs. bot. (1773), 43. — Sisymbrium Erucastrum var. B Vill. Hist. pl. Dauph. III (1789), 343. — Sisymbrium gallicum Willd. Enum. h. Berol. II (1809), 678 ex ejus herb. teste O. E. Schulz I. e.; DC. Syst. II (1821), 487; Loisel. Fl. Gall. ed. 2, 11 (1828), 83.— Brassica Erucastrumß ochroleuca Gaudin Fl. Helv. IV (1829),381.—Brassica ochroleuca Soyer-Willemet in Ann. sc. nat. 2° ser. (Bot.) II (1834) '), 116!; Fiori et Paoletti F]. anal. Ital. I, 2 (1898), 447. — ErucastrumPolliehii Schimper et, Spenner in Spenner Fl. Friburg. III (1829), 946. —Brassica Pollichii Shuttlew. in Magaz. Zool. Bot. II (1838), 531 [see. Ind. Kew. = Bras- sica Cheiranthus ???]. — Brassica obtusangula d Pol- lichii Arcang. Comp. fi. Ital. (1882), 45. — Hirschfel- dia Pollichii Fritsch ap. Janchen in Mitteil. Bot. Ver. Univ. Wien V (1907), 92. — Erucastrum vulgare Endlicher Fl. Poson. (1830), 396 sec. Neilr. Aufz. Ungar. Slavon. Gefässpfl. (1866), 258 (nomen neglectum N. — Si- symbrium hirtum Host Fl. Austr. I (1881), 261. — Diplotaxis hirta Hermann Fl. Deutschl. Fennoskand. (1912), 221. — Erucastrum inodorum Rchb. Fl. Germ. excurs. sect. 3 (1832), 693. — Diplotaxis bracteata Gren. et Godron Fl. France I, 1 (1847), 81; Rouy et Fouc. Fl. France II (1895), 44. — Brassicaria bracteata Gillet et Magne Nouv. Fl. frang. (1863), 26. — Brassica bracteata Janka in Termesz. Füzetek VI, 1882 (1883), 178. — Erucastrum bracteatum St. Lager in Üa- riot Eitud. des Fleurs ed. 8, II (1889), 54. Sisymbrium gallicum Willd., das bei DeCandolle (l.e.) unter den ungenügend bekannten Arten figuriert, wurde von Fournier 1) Nicht 1° ser, (1824), wie der Index Kewensis fälschlich angibt. 282 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 (Rech. Fam. Crueif. [1865], 74) auf Grund der unzulänglichen Original- diagnose zu $. Irio L. var. « xerophilum Fourn. gezogen und geriet auf diese Weise in die Synonymie und in Vergessenheit, bis kürz- lich 0.E. Schulz auf Grund der Autopsie des Willdenowschen Originalexemplars die richtige Zugehörigkeit der Pflanze erkannte p) und (l. ec.) den Namen in neuer Kombination wieder in seine Rechte einsetzte. Da Sis. Erucastrum Pollich (non Gouan) eine auf Fehl- bestimmung, bezw. auf unrichtiger Verwendung eines schon früher aufgestellten Namens beruhende, mithin totgeborene Namensbezeich- nung ist, war die Aufstellung des neuen Epithetons (gallicum) auch in der Gattung Sisymbrium gerechtfertigt. Brassicella Erucastrum (L.) ©. E. Schulz in Engler’s Bot. Jahrb. LIV, Beibl. No. 119 (1916), 53. Brassica Erucastrum L. Speec. pl. (1753), 667 pro parte majore (ef.supra pag. 278/80); Pollich Hist. pl. Palat.II (1777), 249; 0. C. Gmelin Fl. Bad. Als. III (1808), 97 (ex p.); Moris Stirp. Sard. elench. II (1828), 1 |= var. rectangularis (Viv.) 0. E. Schulz]; Jordan Diagn. (1864), 131-— non Vill. nec auct. plur. — Erucaaspera Miller et E.sylvestris Lam.; cf. supra pag. 280. — Brassica cheiranthos Vill. Prosp. Hist. pl. Dauph. (1779), 40, Fl. Delph. (1785), 7 et Hist. pl. Dauph. 1 (1786), 268 [nomen] et III (1789), 332 t. 36. — Bras- sica Cheiranthus Willd. Spee. pl. II, 1 (1801), 552. — Sinapis Cheiranthus Koch in Röhling Deutschl. Fl. ed. nov. IV (1833), 717. — Sisymbrium monense Gilib. El&m. bot. II (1798), 184 [exel. syn.] see. A. Pyr. DC. Syst. Il (1821), 601; ©. €. Gmelin Fl. Bad. Als. IV (1826), 484 (excl. loc. Konstanz); Roth Man. bot. II (1830), 945 — non L. — Brassica monensis Fiori et Paoletti Fl. anal. Ital. I, 2 (1898), 444; Schinz et Keller Fl. d. Schweiz ed. 3, I (1909), 238, II (1914), 131 — non Hudson. — Sinapismonensis Schinz et Thellung in Bull. Herb. Boiss. 2° ser. VII (1907), 183 — non Babington. "Nach neueren Untersuchungen von O. E. Schulz (vgl. Engler's Bot. Jahrb. 1. ec.) muss die als Sinapis Cheiranthus oder Brassica monen- !) Schon Ducommun (Taschenb. f. d. Schweiz. Bot. [1869], 62/3) führt S. gal- licum Willd. richtig als Synonym von E. Pollichii auf, während Rouy et Fou- caud (Fl. France II [1895], 45) das S. gallicum Loisel. (Fl. Gall. [ed. 2!] I [1828]. 80), das nach der ohne eigenen Zusatz kopierten Diagnose mit der Willdenow’schen Spezies direkt identisch ist, als Synonym zu Diplotaxis Erueastrum [= Erucastrum obtusangulum] ziehen. Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCI). 283 sis bekannte Art sowohl von Sinapis als von Brassica generisch ge- trennt werden, und zwar unter dem Gattungsnamen Brassicella Fourr. 1868 (em. O. E. Schulz 1. ce. 52). Des fernern hat sich gezeigt, dass, wie neuerdings z. B. auch 6. Cl. Druce (Rep. Bot. Exch. Club Brit. Isl. for 1913 vol. III part. IV [1914], 451) hervorgehoben hat, die echte englische Brassica monensis (L.1753 sub Sisymbrio) Hudson 1778 — Brassicella monensis O. E. Schulz 1. c. 53) von der Pflanze des westlichen kontinentalen Europas spezifisch verschieden ist, und zwar ist der älteste für die letztere Art in Frage kommende Speziesname, wie wir oben (8.278/80), gezeigt haben, Brassica Erucastrum L.; wir schlagen also nach dem Vorgang von 0. E. Schulz die Kombination Brassicella Erucastrum vor. Hirschfeldia incana (L) Lagröze-Fossat Fl. de Tarn et Garonne (1847), 18 teste E. Bonnet in litt. (nomen negleetum); Lowe Man. Fl. Madeira I (1868), 586! (Ind. Kew.); Burnat Fl. Alpes- Marit. I (1892), 76; Heldr. in Oesterr. Bot. Zeitschr. XLVIII (1898), 183. Sinapis incana L. Cent. I. pl. (1755), 19, Ameen. acad. IV (1759), 281..— Erucastrumincanum Koch Syn. fl. Germ. Helv. ed. 1, I (1835) 56.— Brassica incana F. Schultz Fl. d. Pfalz (1845) '), 47! (nomen neglectum); Döll Fl. Gross- herzgt. Baden IH (1862), 1293! Garcke Fl. Deutschl. ed. 14 (1882), 36 et ed. seq. — non Ten. (1811). — Hirschfeldia adpressa Mönch Meth. (1794), 264. — Brassica ad- pressa Boiss. Voy. bot. Esp. II, 38 (1839). Cardamine hirsuta L. ssp. Hexuosa (With.) Forbes et Hemsley in Journ. Proc. Linn, Soc. XXIII (1886), 43! Cardamine flexuosa With. Arr. Brit. Pl. ed. 3, II (1796), 578. — Cardamine silvatica Link in Hoffm. Phytogr. Blätter I (1803), 50. — Cardamine hirsuta sous-esp. C. silvatica Rouy et Fouc. Fl. France I (1893), 239; Briquet Prodr. fl. Corse II, 1 (1913), 30. Cardamine pentaphyllos (L.) Orantz Class. Crueif. (1769), 127! (nomen neglectum) ex deser. („foliis summis digitatis‘) et quoad var. ß ety,sed excel. var.« [quae — Ü. pinnata (Lam.) R.Br.]; emend. E Br. u Aiton Hort, Kew. ed. 3, IV. (1812), 101, (non Philippi 18645). t) Nicht 1846, wie der Titel angibt (vergl. F.W. Schultz in Pollichia xx XXl [1863], 99 Fussn. und Grundz. Phytost. Pfalz [1863], 3 Fussn. 2). 284 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich, 1921 Dentaria pentaphyllos L.(1753) ex p., em. Scop. (1772). — Dentaria digitata Lam. (1786—88). — Cardamine digitata O. E. Schulz (1903) — non Richardson (1823). Vrgl. Bull. Herb. Boiss. 2° ser. VII (1907), 575. Die Gruppe der um Hutchinsia sich scharenden Cruciferen- Gattungen, die von Prantl (in Engler-Prantl Nat. Pfl. fam. III, 2 [1891], 188) als Hutchinsia zusammengefasst werden, die aber nach Behaarung und Embryobildung nicht unbeträchtlich untereinander ver- schieden sind '), bedarf, wie vom systematischen, so auch vom nomen- klatorischen Standpunkt einer Neubearbeitung. Wir schlagen folgende Benennungen vor: 1. Hymenolobus Nutt. ex Torrey et Gray Fl. North-Am. I (1838), 117. — Hutchinsia sect. Il. Nasturtiolum DC. Syst. U (1821), 388 ex p. — Lepidium sect. Hutschinsia [sie] subsect. Nasturtiolum Rchb. in Mössler Handb. ed. 2, II (1828), 1124 ex p. — Lepidium sect. Pleiospermum Gaudin FI. Helv. IV (1829), 206. — Hutchinsia ce. Psammochamela Fenzl Pug. pl. Syr. (1842), 14 ex Endlicher Gen. pl. Suppl. III (1843), 88. — Capsella [sect.] b. Hinterhubera Rchb. ex Kittel Taschenb. Fl. Deutschl. ed. 2 (1844), 891. — Hinterhubera Rchb. ex Nyman Consp. fl. Eur. I (1878), 66 (in syn.) et ex Bubani Fl. Pyren. III (ed. Penzig 1901), 235 (in syn.) — Hutchinsia b. Hinter- hubera (Rchb.) Nyman |]. c. (1878); sect I. Hinterhubera Prantl in Engler-Prantl 1. e. (1891), 188. — Hutchinsia Desv. in Journ. de Bot. III (1814), 168 ex p.; Vis. Fl. Dalm. IH (1852), 110 — non R. Br. — Capsella Fries Novit. fl. Suec. Mant. I (1832), 14 ex p. — non Medikus. — Noccaea Rchb. Fl. Germ. excurs. sect. 3 (1832), 663 ex p. (sect. a. Nasturtio- ') Sie können in folgender Weise unterschieden werden: 1. Haare sämtlich unverzweigt. Fruchtfächer mehrsamig. Keimling rücken- wurzelig; Keimblätter an seiner Krümmung entspringend. (), meist ästig und beblättert. Laubblätter unregelmässig fiederlappig bis ganzrandig Hymenolobus 1*.Haare der Blütenstiele wenigstens teilweise ästig. Fruchtfächer je 2samig. Laubblätter regelmässig kammförmig fiederlappi 2. Keimling rückenwurzelig; Keimblätter hinter dir Krümmung desselben entspringend. 2]. Stengel fast blattlos, schaftartig. Blüten ansehnlich Hutchinsia 2*.Keimling seitenwurzelig; Keimblätter an seiner Krümmung entspringend. © .Stengel (normal) ästig und beblättert. Blüten sehr klein Hornungia Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCH). 285 lum „Seop.“ ex p.) — non Cav.') nec Mönch 1802 [quae = Thlaspi L.1753/4].))— Stenopetalum Hooker f. in Hooker Ic. pl. IH (ca. 1839), t. 276 — non R. Br. ex DC. (1821). Hymenolobus procumbens (L.) Nutt. ]. c. (1838), 117 in nota. — Lepidium procumbens L. Spec. pl. ed. 1 (1753),.648: — Thlaspi procumbens Lapeyr. Hist. pl. Pyren.: (1813), 366?; Wallr. Sched. erit. I (1822), 349. — Hutehinsia procumbens Desv. in Journ. de Bot. IH (1814), 168; DC. Syst. I (1821), 390. — (apsella procumbens Fries Novit. Fl. Suec. Mant. I (1832), 14. — Noccaea procumbens Rchb. Fl. Germ. ex- eurs. sect. 3 (1832), 663. — Hinterhubera procumbens Rchb, ex Bubani Fl. Pyren. III (ed Penzig 1901), 235 (in syn.). — Hutchinsia procumbens « typica Paoletti in Fiori e Paoletti Fl. anal. Ital. I, 2 (1898), 468. — Lepidium pu- sillum (typus, exel. var. 9) Lam. Fl. frang. 12.:(51778* [1779]), 468. — Capsella elliptica ©. A. Meyer in Ledeb. Fl, Alt. III (1831), 199. — Hymenocarpus divaricatus et H. erectus Nutt. 1. c. (1838), 117 teste Robinson in Gray & Watson. Synopt. fl. N. Am. I, 1 (1895), 131 (sub Capsella elliptica). — Capsella divaricata et C.erecta Walpers Rep. I (1842), 175. — Hinterhubera Berengeriana Rchb. exs. 2463 ex Nyman Consp. I (1878), 66 in syn.; H. Berengariana [sphalm.] Ind. Kew. II (1898), 1162! (cum eit. eadem). Hymenolobus (procumbens ssp.) paucijlorus (Koch) Schinz et Thellung comb. nov. — Capsella pauciflora Koch in Mert. et Koch Röhling’s Deutschl. Fl. IV (1833), 523! et in Sturm Deutschl. Fl. Bd. XV (1834), tab. 28 teste Pampanini in N. Giorn. Bot. Ital. N. S.XVI (1909), 61. — Hutchinsia pauciflora Bertol. Fl. Ital. VI (1844), 572, X (1854), 507; Nyman Syll. Fl. Eur. I (1854), 207.— Hinterhubera pauciflora Rehb. exs. 2256 ex Nyman Consp. fl. Europ. 1(1878), 66 (in syn.). — Hutchinsia procum- bens var. pauciflora Lecoq et Lamotte Cat. pl. vasc. Plat. Centr. 1) Nocea Cav. 1794 gen. Composit. (corr. Noccaea Willd. 1803, Jacgq. 1805, Sprengel 1818; nom. rejieiendum) = Lagasca Cav. 1803 (corr. Re 1809, nom. conservandum). ®) Ebenso gehört das von Dalla Torre u. Harms Gen. Siphonogam. fasc. III (1901), 187 (gleich Noccaea Mönch) zu Hutchinsia sect. 2. Noccaea Prantl n Synonym Cruciundula Rafın. Fl. Tellur. II (1837), 100 in Wirklichkeit zu laspi. 286 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 France (1847), 76 [teste Pampanini 1. c. (1909), 49, 58]; Brügger in Jahresber. Naturf. Ges. Graub. XXIX, 1884/5 (1886), 52; Pao- letti in Fiori e Paoletti Fl. anal. Ital. I, 2 (1898), 468; Pampa- nini 1. ec. 1909, 58. — Noccaea [procumbens forme N.] pauci- flora Rouy et Fouc. Fl. France II (1895), 92 not. — Hutchin- siaprocumbens var. alpicola Brügger ]. c. (1886), 52 in syn. — Capsella elliptica 3 integrifolia Caruel in Parlat. Fl. Ital. IX, 3 (1893), 674 ex p. — non Hutchinsia procumbens y integrifolia DC. w Hutchinsia R. Br. in Aiton Hort. Kew. ed. 2, IV (1812) 82 („loeulis dispermis*) exp. (H. alpina, excel. H.rotundifolia et H. petraea)— non Agardh Syn. Alg. (1817), XXVI. 53 (= Po- lysiphonia Greville 1824). — Hutchinsia subgen. Hutchin- sia Peterm. Fl. Deutschl. (1849), 52 (fide Beck). — Hutchinsia sect. I. Nasturtiolum DC. Syst. II (1821), 388 ex p. — Na- sturtiolum (Bobart) $. F. Gray Nat. Arr. Brit. Pl. II (1821), 692 ex p. — non Medikus 1792 (quod = Coronopus Boehmer 1760). — Lepidium seect. Hutschinsia [sie] subsect. Nasturtiolum Rehb. in Mössler Handb. ed. 2, II (1828), 1124 ex p.; sect. d. Hutschinsia l.c. ed. 3, II (1833—4), 1154. — Lepidium sect. Leptophyllum Gaudin Fl. Helv. IV (1829), 206 exp. — Noec- caea Rchb. Fl. Germ. excurs. sect. 3 (1832), 663 ex p. (a. Nastur- tiolum „Scop.“ ex p.), Ic. fl. Germ. Helv. II (1837), 5 [deutsche Ausg. Kreuzblüthler (1837—8), 41!] t. XI; Bentham et Hooker Gen. pl. I, 1 (1862), 86 — non alior.— Hutchinsia b. Oreo- chamela Fenzl Pug. Pl. Syr. (1842), 14 ex Endlicher Gen. pl. Suppl. III (1843), 88. — Hutechinsia a. Euhutchinsia Ny- man Consp. fl. Eur. I (1878), 65 ex p. — Hutchinsia sect. I Noccaea Prantl in Engler-Prantl Nat. Pfl. fam. II, 2 (1893), 188. — Astylus Dulaec Fl. Hautes-Pyren. (1867), 188 ex p. — Pritzelago O. Kuntze. Rev. gen. pl. I (1891), 35. — Capsella Prantl Exk.fl. Bayern (1884), 239 ex p. — non Medikus. Die Nomenklatur dieser Teilgattung ist ganz besonders schwierig und umstritten. Rob. Brown selbst rechnete zu seiner neu aufge- stellten Gattung („silicula elliptica integra: valvis navicularibus ap- teris: loculis dispermis. Filamenta edentula“) 3 Arten: H. rotundifolia [= Thlaspi rotundifolium (L.) Gaudin], H. alpina und H. petraea. Welche der 3 Arten Rob.Brown als den Typus der Gattung betrachtet wissen wollte, geht aus dem Text nicht hervor. Da H. rotundifolia zu Thlaspi gehört, kann der Gattungsname Hutchinsia nur für H. alpina Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil.aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCH). 287 oder H. petraea beibehalten werden. Zum erstenmal finden wir ihn scharf präzisiert (und zwar im Sinne von H. alpina) bei Reichen- bach (bei Mössler 1. c. 1833—4, als Sektion von Lepidium). Wenn der gleiche Autor später (1837—8) bei der Erhebung dieser Sektion zu einer Gattung den Namen in Noccaea abänderte (worin ihm auch Bentham u. Hooker gefolgt sind), so geschah dies lediglich mit Rücksicht auf die (jüngere!) homonyme Algengattung Hutchinsia, also aus einem Grunde, der nach den modernen Nomenklaturregeln nicht stichhaltig ist. In ungleich höherem Masse ist gerade der Name Noccaea anfechtbar, der ursprünglich wohl auf einer Missdeutung des Mönch’schen Namens von 1802 (= Thlaspi) beruhte und zudem ja noch durch das ältere Homonym von Cavanilles (1794) belastet ist. Während also Hutchinsia bei Reichenbach gänzlich ver- schwindet bezw. in die Synonymie verwiesen wird, gebrauchen später Bentham u. Hooker (1862) den Namen für H. petraea, was uns nicht tunlich erscheint, da auf diese letztere Art schon 1837—8 von Reichenbach eine besondere Gattung: Hornungia begründet worden war. Der einzige unzweideutige Name für unsere Gattung ist Pritzel- ago ©. Kuntze (1891). Da wir jedoch die Gründe, die diesen Autor zu seiner Neuaufstellung geführt haben (Hutchinsia könne nicht für einen Minoritätstypus, d. h. für 1 von 3 Arten, gelten), nicht als stichhaltig anerkennen können (analoge Fälle kommen gerade bei den Crueiferen mehrfach vor; vrgl. z. B. Myagrum und Cheiranthus), so scheint es uns am richtigsten, Hutchinsia für die Art alpina bei- zubehalten, ein Vorgehen, das der ursprünglichen Intention des Autors nicht widerspricht und auch mit dem gegenwärtig eingebürgerten Gebrauch in gutem Einklang steht. — Astylus Dulae ist lediglich ein anderer Name für Hutchinsia oder Noccaea, da dieser Autor die auf Personennamen begründeten Gattungsnamen perhorresziert. Hutchinsia alpina (L.) R. Br. ]. e. (1812), 82. — Lepidium alpinum L. Cent. II pl. (1756), 23 et in Amoen. acad. IV (1759), 321._ Nasturtium alpinum Crantz Class. Crucif. (1769), 80. — Noccaea alpina Rchb. Fl. Germ. excurs. sect. 3 (1832), 669. — Astylus alpinus Dulac Fl. Hautes-Pyren. (1867), 188. — Capsella alpina Prantl Exk. fl. Bayern (1884), 240 ; Ces., Pass. et Gib. Comp. fl. Ital., 824 (1886); Caruel in Parlat. Fl. Ital. IX, 3.(4893), 677. — Pritzelago alpina O. Kuntze Revis. gen. pl. I (1891), 35. ; 3. Hornungia Rehb. Deutschl. Fl. L. Kreuzblüthler (1837—38), 33! [probab. 1837]. — Hutchinsia subgen. Hornungia Peterm. 288 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Fl. Deutschl. (1849), 52 fide G. Beck in Glasnik Zem. Muz. Bosn. Herceg. XXVIII (1916), 153. — Hutchinsia sect. II. Hor- nungia Prantl in Engler-Prantl Nat. Pf. fam. III, 2 (1891), 188. — Buchera Rechb. Ic. fl. Germ. Helv. II (1837—8), 3 [probab. 1837] sec. Dalla Torre et Harms Gen. Siphonog. fasc. III (1901), 188 — sed Teesdalia sect. Buchera Rchb. 1. c. fide Beck 1. c. (1916). — Hutchinsia sect. II. Nasturtiolum DC. Syst. II (1821), 388 ex p. — Nasturtiolum (Bobart) $. F. Gray Nat. Arr. Brit. Pl. II (1821), 692 ex p. — non Medikus 1792. — Hutchinsia R. Br. in Aiton Hort. Kew. ed. 2, IV (1812), 82 ex p.; Bentham et Hooker f. Gen. pl. I, 1 (1862), 92 — non alior. — Hutchinsia a. Euhutchinsia Nyman Consp. fl. Europ. I (1878), 65 ex p. — Lepidium sect. Leptophyllum Gaudin Fl. Helv. IV (1829), 206 ex p. — Hutchinsia a. Petrochamela Fenzl Pug. pl. Syr. (1842), 14 ex Endlicher Gen. pl. Suppl. III (1843), 87. — Asty- lus Dulac Fl. Hautes-Pyren. (1867), 188 ex p. — Teesdalia Rehb. Fl. Germ. excurs. sect. 3 (1832), 658 ex p. — non R. Br. (1812). — Capsella G. F. W. Meyer Chlor.') Hanov. (1836), 140! ex p.; Prantl Exk. Fl. Bayern (1884), 239 ex p. — non Medikus. Für diese Gattung könnte der Name Nasturtiolum S. F. Gray 1821 (non Medikus 1792 = Coronopus Bochmer 1760) in Frage kommen, da die einzige Art, die der Autor aufführt, N. montanum S. F. Gray, = Hutchinsia petraea ist. Indessen ist diese Restriktion gegenüber Hutchinsia R. Br. nur eine geographische (bedingt durch die Beschränkung auf das englische Florengebiet, wo von den 3 Rob. Brown’schen Hutchinsia-Arten nur H. petraea vorkommt), nicht aber eine systematische, da S. F. Gray’s Diagnose, deren Kopie wir der Freundlichkeit des Herrn G. Cl. Druce in Oxford verdanken („Siliculae elliptice not nicked: valves 2, boat-shaped, wingless: cells 2-seeded: filaments toothless‘), eine fast wörtliche Übersetzung der Beschreibung von Hutchinsia R. Br. darstellt; es liegt also eine will- kürliche Änderung eines bereits bestehenden Namens vor, und Nastur- tiolum ist folglich als „totgeborener* Name ausser Kurs zu setzen, — Von den zwei gleichalterigen ”) Namen Hornungia und Bu- ‘) «Chloris», nicht «Flora», wie G. Beck (in Glasnik Zem. Muz. Bosn. Herceg. XXVIN [1916], 134) irrtümlich zitiert, ’) Der in der deutschen Ausgabe gebrauchte Name Hornungia dürfte eher älter sein, da er nach G. Beck (in Glasnik Zem. Muz, Bosn. Herceg. XXVIII [1916], 153) in der lateinischen Ausgabe $. 27 (1837?) zitiert wird. Unzutreffend ist da- gegen die Angabe von Becks, dass Hornungia bei Reichenbach (a. a. 0. 1837) „sine deser.“ publiziert sei; die Gattung ist vielmehr mit deutscher Beschreibung veröffentlicht und die einzige Art binär benannt. Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil.aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCIl). 289 chera') Rchb. geben wir dem erstern den Vorzug, der weitaus be- kannter (Buchera fehlt bei Pfeiffer und im Index Kewensis) und anscheinend allein mit binärem Artnamen eingeführt worden ist. Hornungia petraea (L.) Rchb. Deutschl. Fl. I. Kreuzblüthler (1837—8),33! [probab. 1837] et Ic. fl. Germ. Helv. II (1837[—8?]), 27 fide G. Beck |. c. (1916), 154. — Lepidium petraeum L. Spec. pl. ed. 1 (1753), 644. — Nasturtium petraeum Crantz Class. Crueif. (1769), 80. — Hutchinsia petraea R. Br. in Aiton Hort. Kew. ed. 2, IV (1812), 82. — Teesdalia petraea Rchb. Fl. Germ. excurs. sect. 3 (1832), 659. — Capsella petraea [Fries Herb. norm. fasc. 4, nr. 36 (anno?) fide Beck] &. F. W. Meyer Chlor.?) Hanov. (1836), 140!; Prantl Exk. fl. Bayern (1884), 239; Caruel in Parlat. Fl. Ital. IX, 3 (1893), 675. — Astylus petraea [sie teste Ind. Kew.| Dulac Fl. Hautes-Pyren. (1867), 188. — Thlaspi petraeum (es., Pass. et Gib. Comp. fl. Ital., 824 (1886). — Nastur- tiolum montanum S. F. Gray Nat. Arr. Brit. Pl.1I (1821), 692. P.S. Erst nach Abschluss des Manuskriptes erhielten wir die vorzügliche Bearbeitung der Cruciferen von G. v. Beck in dessen „Flora Bosne, Hercegovine i Novopazarskog Sandzaka“ (Glasnik. Zem. Muz. Bosn. Herceg. XXVIII[1916]). Wir gehen mit dem hochgeschätzten Verfasser in der Aufstellung der Synonymenlisten der 3 obigen Gat- tungen, die mit unseren eigenen Ermittlungen sich fast völlig decken, durchaus einig, nicht aber mit den daraus gezogenen Konsequenzen für die definitive Wahl der Gattungsnamen. v. Beck hat sich leider bezüglich der Verwendung von Hutchinsia (im Sinne von Hornungia) und Noccaea (für Hutchinsia in unserm Sinne) an Bentham u. Hooker angeschlossen, welchem Vorgehen wir aus den oben er- läuterten Gründen nicht beizupflichten vermögen. Hymenolobus figuriert bei v. Beck als seet. Hinterhubera unter Capsella, während wir diese beiden Gattungen schon wegen der verschiedenen Beschaffenheit der Haare (einfach bei Hymenolobus, teilweise verzweigt bei Capsella) getrennt wissen möchten. Erysimum silvestre (Crantz) Scop. Fl. Carn. ed. 2, Il (1772), 28 („Sylvestre“)!; Clairv. Man. herb. (1811), 220 („sylvestre“); A. Kerner Sched. fl. austro-hungar. II (1883), 92 nr. 583. Cheiranthus Sylvestris Crantz Stirp. Austr. I (1762), 48, Bibi Od, 2, I (1769), 45. ?) Letzterer nach v. Beck (a. a. O. [1916]) nicht als Gattungs-, sondern als Sektionsname (von Teesdalia) aufgestellt. 2) Vrgl. S. 288, Fussn. }. 290 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 ssp. I. helveticum (Jacq.) Schinz et Thellung comb. nov. Cheiranthus helveticus Jacq. Hort. Vindob. III (1776), 9 (saltem quoad syn. Hall. et partem descriptionis, excel. tab. 9)') et ap. Murray Syst. ed. 14 (1784), 597. — Erysimum Hel- veticum DC. FI. franc. ed. 3, IV (1805), 658. — Erysimum Cheiranthus b. E. helveticum Scheele in Flora XXVI 1 (1843), 317. — Erysimum longifolium DC. Subspec. E.helveticum Rouy et Fouc. Fl. France II (1895), 33. — Erysimum silvestre y helveticum @. Beck in Glasnik. Zem. Muz. Bosn. Herceg. XXVIII (1916), 100. — Erysimum sylvestre Scop. l. c. (1772) quoad syn. Hall., Clairv. ]. ce. (1811) sens. striet. — non Kerner. ssp. II. Cheiranthus (Pers.) Schinz et Thellung comb. nov. Cheiranthus Sylvestris Crantz et Erysimum Sylvestre Scop. (ex loc. et syn. Morison.), Kerner ]l. ec. sens. striet. — Erysimum silvestre « sylvestre [sic] @. Beck |. e. (1916), 99. — Erysimum Cheiranthus Pers. Encheir. I (1807), 199, emend. Koch Syn. ed. 2, I (1843), 57. — Ery- simum lanceolatum R. Br. in Aiton Hort. Kew. ed. 2, IV (1812), 116; DC. Syst. II (1821), 502; Koch Syn. ed. 1, I (1835), 52. Dazu: var. minus (DC.) Schinz et Thellung comb. nov. Erysimum lanceolatum £ minor DC. Syst. II (1821), 503. — Cheiranthus pumilus Scheicher ex Murith Guide bot. Val. (1810), 61; Hornem. Hort. Hafn. II (1815), 613 (pl eultura mutata). — Erysimum pumilum DC. Syst. II (1821), 510; Gaudin Fl. Helv. IV (1829), 365; Rouy et Fouc. Fl. France IH (1895), 34. — Erysimum Cheiranthus «. pumilum Rchb. Ic. pl. erit. II (1824), 37 t.147 £. 274. — Erysimum silvestre« sylvestre 3. pumilum 6. Beck . c. (1916), 100. Der einzige fassbare Unterschied zwischen E. helveticum und E. silvestre besteht in der Länge des Griffels, einem ziemlich schwanken- den Merkmal (vrgl. z.B. Brügger, Zur Flora Tirols in Zeitschr. Ferdinand. Innsbr. III. Folge, 9. Heft [1860], 35), das sicherlich zu einer spezifischen Scheidung nicht ausreicht, umso mehr, da kurz- griffelige, offenbar zu E. silvestre s. str. zu stellende Formen auch im Wallis vorzukommen scheinen (vrgl.H. Jaecard Cat. fl. valais. [1895], ') Die Abbildung stellt mit ziemlicher Sicherheit das spezifisch verschiedene E. suffruticosum Sprengel dar! N Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil.ausdem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCM). 291 XLII; Hegi Ill. Fl. Mittel-Eur. IV, Lief. 39 [1919], 437); auch E. Rhaetieum var. brevistylum R. Beyer (in Verh. Bot. Ver. Prov. Brandenb. LV [1913], 47) von Zermatt dürfte hieher zu rechnen sein (vrgl. Ber. Schweiz. Bot. Ges. XXIII [1914], 59). Wit folgen daher dem Vorgang von v. Beck, der (l.c. 1916) E. helveticum mit E. silvestre vereinigt; immerhin möchten wir unserer Schweizerpflanze den Rang einer Unterart zuerkannt wissen. — Hervorzuheben ist noch, dass die Namenskombination E. silvestre Scop. (1772) seit ihrer Aufstellung völlig in Vergessenheit geraten zu sein scheint und infolgedessen mehr- fach unnötigerweise neu gebildet wurde; sie findet sich indessen richtig im Index Kewensis aufgeführt. Saxifraga decipiens Ehrh. Beitr. V (1790), 47 (sine deser., sed cum syn. «S. petraea Roth. tent. v. I, p- 184»). Saxifraga caespitosa forme $. decipiens Rouy et Camus Fl. France VII (1901), 62. — Saxifraga caespitosa subsp. deeipiens [Rouy et Camus ex Thellung in Viertel- jahrsschr. Naturf. Ges. Zürich LIl (1907), 450 pro syn.] Engler et Irmscher in Engler’s Pfl.-reich IV. 117.1 (1916), 359. — Saxifraga rosacea Mönch Meth. (1794), 106; Rendle & Britten List Brit. Seed-pl. and Ferns (1907), 12. — Saxi- fraga caespitosa ssp. rosacea Thellung in Vierteljahrs- schr. Naturf. Ges. Zürich LII (1907), 450. — Saxifraga petraea Roth Tent. fl. Germ. I (1788), 184 — non L. S. deeipiens Ehrh. ist, entgegen einer gelegentlich ausgesprochenen Auffassung (vrgl. z. B. neuestens E. S. Marshall in Journ. of Bot. LV [1917], 155), nicht ein nomen nudum, sondern durch den Hinweis auf die Roth’sche $. petraea, die ihrerseits durch die Fundortsangabe („Habitat in Harcyniae rupibus, prope Elbingrode“) definiert ist, ge- nügend gekennzeichnet. Der Fall verhält sich analog mit denjenigen von Orchis sulphureus Link (vrgl. Vierteljahrsschr. d. Naturf. Ges. Zürich LX [1915], 348), Ornithopus sativus Link (ibid. 357), Lythrum meonanthum Link (ibid. 358) und Anthemis praecox Link, welche Namen in Rezensionen oder Reiseberichten hauptsächlich auf Grund geographischer Angaben (ohne eigene Beschreibung) aufgestellt worden sind und gleichwohl von nomenklaturkundigen neueren Autoren (Sampaio, Briquet) als gültig anerkannt werden. Ribes rubrum L. Spec. pl. ed. 1 (1753), 200 (excl. loc. ); Rchb. Fl. Germ. exe. sect. 3 (1832), 562 et auct. plur. pro maxima p.; A. J. Wilmott in Journ. of Bot. 292 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 LVI, No. 661 (Jan. 1918), 19—23 — non Janczewski nec ©. K. Schneider. Ribes vulgare Lam. Encyel. III (1789), 47 (nomen abor- tivum!)y €. K. Schneider Ill. Handb. I, Lief. 3 (1905), 403; Janczewski in Mem. Soc. Phys. Hist. Nat. Geneve XXXV (1907), 276; Schinz et Thellung in Vierteljahrsschr. Naturf. Ges. Zürich LVIIL (1913), 68.— Ribes pendulum Salisb. Prodr. (1796), 355 (nomen abortivum!). — Ribes do- mesticum Janczewski in Compt. Rend. Acad. Paris OXXX (1900), 589. Wie neuerdings A. J. Wilmott in einer eingehenden Studie («The Red Currant», 1. c. 1918) nachweist, war die von uns (l. c. 1913) auf Grund der Autorität von Jancezewski und C. K. Schneider vorgenommene Namensänderung der roten Garten-Johannisbeere nicht genügend gerechtfertigt. Linne’s R. rubrum schliesst zwar auch die durch nicht hängende Blütenstände gekennzeichnete nordische Art (R. rubrum Janczewski 1900, ©. K. Schneider 1905 = R. lithuanieum Janczewski 1900), die nach Wilmott (l. c. 1918,22) den Namen R. spicatum Robson (1797) emend. Wilmott zu führen hat, ein, was jedoch nur aus dem Fundort («habitat in Sueciae borealibus>) hervor- geht, während Linne’s Diagnose (racemis pendulis) und die Mehrzahl der angeführten Synonyme (z. B. dasjenige von J. Bauhin) sich auf die als R. rubrum bekannte Gartenpflanze beziehen, die also den ältesten und hauptsächlichsten Bestandteil des R. rubrum L. ausmacht, und für die nach Art. 47 der Nomenklaturregeln der Name beibehalten werden muss. Wohl sind die Gartenformen grösstenteils hybrider Ab- stammung (Bastarde von R. rubrum var. silvestre Rchb. mit R. spicatum Robson oder mit R. petraeum Wulfen); aber in der Praxis ist doch ein Sammelname für ihre Gesamtheit unentbehrlich, und als solcher eignet sich ganz besonders gut R. rubrum L. Wollte man diesen Namen als zu wenig klar verwerfen, so käme als Ersatz weder R. vulgare Lam. noch R. pendulum Salisb. (beides totgeborene Namen, weil ziemlich vollinhaltlich identisch mit R. rubrum L.!) in Frage, sondern nur R. domesticum Janez. 1900, da R. vulgare Lam. em. C. K. Schneider erst von 1905 datiert. Laburnum alpinum (Miller) Presl var. insubricum (Gaudin) Ascherson et Graebner Synopsis VI, 2, 276 (1907). Cytisus Laburnum? ß Gaudin! Fl. Helv. IV (1829), 459.— Cytisus Laburnum ? ßinsubrica Gaudin! Syn. F). Helv. ed. Monnard (1836), 594. — CytisusInsubrieus (Gaud.) Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCIH). 293 Wettstein in Oesterr. Bot. Zeitschr. XLI (1891), 171. — Cytisus alpinus var. Insubrica Wettst. ibid. (1891), 173. — Cytisus Laburnum ß Weissmanni Ducommun Taschenb. Schweiz. Bot. (1869), 160. — Cytisusalpinus 3. pilosa Wettst. in Oesterr. Bot. Zeitschr. XLI (1891), 171.- Laburnum alpinum ce) pilosum Kehne Deutsche - Dendrol. (1893), 326. Gaudin’s Pflanze aus der Gipfelregion des Monte Generoso (leg. Weissmann), die der Autor „racemis brevibus erectiusculis subovatis, pedunculis, pedicellis petiolisque tomentoso-pilosis, foliolis parvis ovatis.... notis dignoseitur indicatis, foliis praeterea multo minoribus, foliolis basi minus angustatis et fere aequalibus, dorso magis villoso et racemo 3—4-unciali, erectiusculo, denique pedicellis affatim pilosis squamulaque plane destitutis. Legumina ignoro .... Jul. et Aug.“ charakterisiert, ist nach dem Originalexemplar, dessen Einsichtnahme wir der freundlichen Übermittlung des Herrn Prof. Wilczek in Lausanne verdanken, im Wesentlichen lediglich eine stark behaarte Form von L. alpinum und fällt, wie schon Ascherson und Graebner (l. ce.) mit Recht annehmen, mit der var. pilosum (Wettst.) Koehne des L. alpinum zusammen; das mehr rauhharig zottige (statt kurz- seidene) Indument der Blättchen und der Blütenstandsachse (der Aus- druck „tomentoso-pilosis‘ in Gaudin’s Diagnose ist nicht sehr gut gewählt) und der völlig kahle Fruchtknoten schliessen die Zugehörigkeit zu L.anagyroides (—Cytisus Laburnum) aus. Die Kleinheit der Blättchen dürfte auf den hochgelegenen Standort zurückzuführen sein; ebenso teilweise der verkürzte (halb aufrechte?) Blütenstand, dessen abnorme Form sich auch daraus erklärt, dass es sich um einen (im Juli und August blühenden) Spättrieb handelt. (Vrgl. auch v. Wettstein in Oesterr. Bot. Zeitschr. XLI [1891], 171—173, der über die Identität der Varietäten insubrieum und pilosum Bedenken äussert.) Allant|h]us altissima (Miller) Swingle in Journ. Wash. Acad. Sci. VI (1916); 495; L: H. Bailey in „Gentes Herbarum“ I, fasc. 1 (1920), 34. Toxicodendron altissimum Miller Gard. Diet. ed. 8 (1768), nr. 10.— Rhus Cacodendron Ehrh. 1783. — Ailanthus Cacodendron Schinz et Thellung 1912. — Ailanthus glandulosa Desf. 1788. Vrgl. Vierteljahrsschr. d. Naturf. Ges. Zürich LVIII (1913), 73 (hier ist das Publikationsdatum von A.glandulosa „1789“ in 1788 zu korrigieren) und Ascherson u. Graebner Synopis VII, Lief. 89 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 66. 1921. 20 294 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 (1915), 300. Auf die Verwendung des Namens A. altissima Swingle (ohne weitern Zusatz) durch L. H. Bailey (l. c. 1920) sind wir durch Herrn A. Becherer-Basel aufmerksam gemacht worden; das genaue Zitat der im Index Kewensis zurzeit noch nicht nachgetragenen Swingle’schen Kombination und das Miller’sche Synonym ver- danken wir einer freundlichen brieflichen Mitteilung von Professor L.H. Bailey in Ithaca (N. Y.). Miller’s Toxieodendron altissimum (aus China) ist zwar, gerade wie auch Rhus Cacodendron Ehrh., nach einem nichtblühenden Exemplar nur unvollständig beschrieben; doch passt die Diagnose recht gut auf Ailanthus glandulosa (jedenfalls viel besser als auf Rhus succedanea L., mit welcher Art der Index Kewensis die Miller’sche Pflanze — irrtümlich — identifiziert), so dass wohl nichts anderes übrig bleibt, als der Götterbaum, dessen Synoymie in der Literatur bisher nur unvollständig verzeichnet war, abermals umzutaufen. Polygala serpyllifolia J.A.C. Hose in Usteri Ann. d: Bot. 21. Stück (1797), 39!; Freiberg in Verh. Nat. Ver. Preuss. Rheinl. Westf. LXVU (1910), 419 (1911) pro Subsp. P. vulgaris; Ascherson et Graebner Synopsis VII, 369 (1916). Polygala serpyllacea Weihe in Flora IX 1826, 745!'). — Polygala depressa Wender. in Schr. Ges. Förd. ges. Naturw. Marburg II (1831), 239. Abutilon Theophrasti Medikus Malvenfam. (1787), 28 (fide Ind. ew.). | Sida Abutilon L. Spee. pl. (1753), 685. — Abutilon Avicennae Gaertner Fruct. sem. II (1791), 251 t. 135 fig. 1 et auct. Viola montana L. Spec. pl. ed. 1 (1758), 935 pro parte (excel. syn.) et Fl. Suec. ed. 2 (1755), 305; emend. Wahlenb. Fl. Lapp. (1812), 213; W. Becker in Ber. Bayer. Bot. Ges. VIII, 2 (1902), 271 et Die Violen der Schweiz (1910), 47; Burnat et Briquet in Ann: Cons. et Jard. bot. Genöve VI (1902), 143—153 et Fl. Alpes Marit. IV (1906), 264; Schinz u. Keller Fl. d. Schweiz 2. Aufl. (1905) I, 336, II, 157, 3. Aufl., I (1909), 365, II (1914), 251 — non auct.- veter. plur. ante a. 1812. Viola caninay montana Fries Novit. fl. Suec. ed. 2 (1828), ') Nicht 743, wie Ascherson und Graebner (l. ce. 370) irrig zitieren. Jahrg. 66. HansSchinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XC1H). 295 273. — Viola canina subsp. montana Blytt Handb. Norges Fl. (1906), 507, sec. W. Becker in Beih. Bot. Cen- tralbl. XXXIV, 2. Abt., Heft 3 (1917), 386; W..Becker I. c. (1917), 379, 386; J. Braun in Ann. Cons. et Jard. bot. Genöve XXI, 40 (1919). — Viola Ruppii All. Auct. ad syn. meth. stirp. hort. Taur., 84 in Misc. Taur. V., 1770—3 (1774) et Fl. Pedem. II (1785), 99 t. 26 f. 6 et herb. pro parte; A. J. Wilmott in Journ. of Bot. LIV (1916), 261. — Viola montana [ssp.]| III. Ruppii Gaudin F. Helv. II (1828), 206 pro parte [ex altera parte etiam ad V.stagninam spectat sec. W. Becker Die Violen der Schweiz (1910). 50]. — Viola strieta Fries Novit. fl. Suec. Mant. II (1838), 52, IIL (1842), 124; Koch Syn. Fl. Germ. Helv. ed. 2, I (1843), 93; Gremli Excursionsfl. Schweiz ed. 1 (1867), 98 et ed. seg. et auct. mult. — non Hornem. — Viola canina Subspec. III. V.strieta Rouy et Fouc. Fl. France III (1896), S. A. J. Wilmott weist in einer sehr gründlichen Studie: „What is Viola montana L.“ (Journ. of Bot. LIV [1916], 257—62) nach, dass Linne’s Viola montana in der ersten Fassung (1753) in der Hauptsache (nach Synonymen und Herbarexemplar) der spätern V, elatior Fr. (1828) entspricht und auch von Linne’s Zeitgenossen!) allgemein in diesem Sinne aufgefasst wurde, und will die von Linne selbst 1755 (Fl. Suec.) vorgenommene geographische Restriktion — die Lappländische Pflanze ist V.strieta auct., d.h. unsere V.montana — nicht als gültige Aufteilung der komplexen Sammelart V. montana L. gelten lassen. Der Verf. schlägt vielmehr vor, den Namen V. montana L. für V. elatior Fr. und V. Ruppii All. für V. montana auct. rec. einzusetzen. Ohne die Rich- tigkeit der von Wilmott vorgebrachten Gründe bezweifeln zu wollen, können wir uns doch den von diesem Autor gezogenen Schlussfolge- rungen nicht anschliessen. Wir halten mit Becker und Burnat u. Briquet (l.c.) dafür, dass der Name V. montana, wenn überhaupt, zur Vermeidung unheilvoller Konfusionen nur für V. Ruppiüi (V. strieta auct.) beibehalten werden kann. Mit ein Grund, um den zweifellos mehr- deutigen und auch verschieden interpretierten Namen V. montana nicht völlig fallen zu lassen, ist, wie Burnat uud Briquet (l. c. 145) mit Recht hervorheben, der Umstand, dass von den nächst ältesten Namen V.Ruppii All. (1774) teilweise auch V. stagnina umfasst und auch schon in diesem Sinne gebraucht worden ist, während der mehrfach für unsere V. montana angewendete Name V. strieta ursprünglich 1) Vrgl. auch W. Becker in Beih. Bot. Centralbl. XXXIV., 2. Abt., Heft 3 (1917), 394. : 296 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 (bei Hornemann, 1815) die V. stagnina Kit. (1814) bezeichnet. Wir können uns umsoweniger zu einer Änderung der in der Schweizer- flora gebrauchten Nomenklatur entschliessen, als sich V. montana mit Rücksicht auf die zahlreich existierenden nicht-hybriden Übergangs- formen zu V. canina doch nicht als Art aufrecht erhalten lässt, sondern früher oder später zu einer Unterart der letztern wird degradiert werden müssen. Wir schlagen für diesen Fall (nach Art 49 der internationalen Nomenklaturregeln) die Kombination V. canina L. ssp. Ruppi (All. pro. spec. pro parte, Gaudin sub V. montana pro parte) Schinz et Thellung comb. nov. vor, da Fries (l.c. 1828), entgegen der Angabe von W. Becker (l. ce. 1917), nicht eine V. canina ssp. montana, sondern eine var. y montana aufgestellt hat. Den Typus der V. canina be- zeichnet Jos. Braun-Blanquet in Ann. Cons. et Jard. bot. Geneve XXI, 39 (1919) als ssp. eu-canina. Circaea canadensis Hill Veg. Syst. X (1765), 21 t. 21, fig.2!; Fernald in Rhodora XIX (1917), 85—88 — [non Mühlenb. Cat. pl. Am. sept.(1813),2 nec (©. Iutetiana ß canadensis L. Spec. pl. (1753), 9]. Circaea intermedia Ehrh. Beitr. IV (1789), 42. Nach Fernald (l.c. 85) ist die nordamerikanische C. canadensis Hill mit der europäischen (©. intermedia identisch; bei der Vereinigung der beiden Arten muss aus Prioritätsgründen der um 24 Jahre ältere Name C. canadensis als gültig beibehalten werden. Da uns die amerikanische Pflanze nicht vorliegt, können wir uns über die Frage ihrer Identität kein eigenes Urteil erlauben; wir wollten es jedoch nicht unterlassen, mit allen Vorbehalten die Fachgenossen auf die von Fernald vor- geschlagene Namensänderung aufmerksam zu machen. Bemerkenswert ist noch, dass die angenommene Identität sehr entschieden gegen die Auffassung von C. intermedia als C. alpina > lutetiana sprechen würde, da nach Fernald (l. e.) C. lutetiana in Nordamerika nicht vorkommt. Ludvigia L. Spec. plant. ed. 1 (1753), 118, Gen. pl. ed. 5 (1754), 55 („Zudwigia*); sens. ampl., emend. Baillon Hist. pl. VI (1877), 462. JussiaeaL. Spec. plant. ed. 1 (1753), 388, Gen. pl. ed. 5 (1754), 133; sens. ampl., emend. F. Gagnepain in Bull. Soc. bot. France LXII (1915), N® 1—4 (1917), 104. | Vgl. Bull. Herb. Boiss. 2° ser. VII (1907), 496, wo wir gezeigt haben, dass bei der Vereinigung von LudvigiaL. (1753/4) und IsnardiaL. (1753/4) nach dem Vorgang von Elliott (1817) der erstere Name als gültig verwendet werden muss. Nun schlägt neuerdings F. Gagnepain (l. e. 1917) vor, nach dem Vorgange Baillon’s (l. ec.) auch Jussiaea mit Ludvigia zu vereinigen, und zwar unter dem Namen Jussiaea, Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCII). 297 welch’ letzteres Vorhergehen jedoch Art. 46 der Internationalen Nomen- klaturregeln zuwiderläuft und daher nicht akzeptiert werden kann. Der Name Ludvigia palustris (L.) Elliott bleibt daher unserer früher als Isnardia palustris L. bekannten Schweizerpflanze unter allen Um- ständen erhalten, auch wenn Jussiaea mit Ludvigia vereinigt wird. Oenanthe Lachenalii C.C. Gmelin Fl. Bad. Als. I (1805), 678. In der Synonymie dieser Art zitiert Bubani (Fl. Pyren. II [ed. Penzig 1900], 368) Oe. chaerophylloides Pourret Chlor. Narb. nr. 800 in M6m. Acad. Toulouse III (1788), 323. Wenn diese Identifikation richtig: wäre, so hätte der ältere Pourret’sche Name an die Stelle des jüngern Gmelin’schen zu treten. Über diese Oe. chaerophylloides Pourret herrscht nun in der Literatur grosse Unklarheit und Meinungs- verschiedenheit. A. Pyr. De Candolle zieht sie anfänglich (Fl. frang. IV [1805], 738) als var. 6 zu Oe. pimpinelloides L., sodann (Fl. frang. Suppl. [1815], 507) stellt er sie als eigene Art wieder her, worin ihm auch Duby (Bot. Gall. I [1828], 237) folgt, im Prodromus endlich (IV [1830], 137) figuriert sie als var. a chaerophylloides der Oe. pimpinelloides, was auch die Mehrzahl der neueren Autoren akzeptiert. Timbal-Lagrave dagegen (Mem. Acad. Toulouse ser. 1 II, 30 vel Bull. Soc. Hist. nat. Toul. II, 100, zitiert nach Bubani l. c. 370) erklärt Pourret’s Species für Oe. silaifolia auct. (Oe. media Griseb.), Bubani endlich, wie bemerkt, für Oe. Lachenalii. Diese Meinungsverschiedenheit wird erklärlicher, wenn man sich den äusserst dürftigen Originaltext Pourret’s vor Augen hält. Derselbe lautet nach freundlicher Mitteilung von Herrn Professor G. Nie olas (durch die Vermittlung der Herren Prof. Flahault und J. Daveau in Montpellier) folgendermassen : « (Enanthe chaerophylloides. Filipendula tenuifolia Tabern. ic. 441. — A. Fontlaurier, Donos, ete. — Cette espöce differe par son port, ses feuilles et ses semences de l’CEnanthe pimpinelloides L.» Offenbar haben nun Timbal-Lagrave und Bubani die Pourret’schen Originalexemplare nicht gesehen, sondern die Art nach dem zitierten Synonym von Tabernaemontanus und nach den angegebenen Fundorten zu identifizieren versucht. Filipendula tenuifolia Tabern. Neuw Kreuterbuch I (ed. Franckfurt 1588), 522 (mit Abbildung S. 521), die von Kirschleger (Fl. d’Als, 1[1852], 325) und Bubani (l. c.) für Oe. Lachenalii erkärt wird, halten wir nach der Abbildung mit Rücksicht auf die lang- und dünngestielten, eiförmig länglichen Wurzelknollen und die ausgeprägte Heterophyllie durchaus für Oe. pimpinelloides. Ganz in Übereinstimmung damit stellen auch die Pourret’schen Originalexemplare im Herbier du Mus&um in Paris 298 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 nach einer uns von Herrn Professor H.Lecomte gütigst überlassenen Photographie die typische Oe. pimpinelloides dar,') so dass die DeCandolle’sche Auffassung von 1830 (Oe. chaerophylloides = pimpi- nelloides «) zu Recht bestehen bleibt. Rätselhaft ist zunächst nur noch, wie Pourret, sowie De Candolle (1805,1815) und Duby, die Oe. pimpinelloides L. verkennen und als neue, besondere Spe- zies beschreiben konnten. Da ist zur Erklärung hervorzuheben, dass zu jener Zeit unter dem Namen Oe. pimpinelloides „L.* nicht nur die in engerer Fassung heute darunter verstandene mediterrane Art,?) sondern auch die verwandten, damals von den französischen Botanikern nicht klar erkannten Species Oe. peucedanifolia Pollich, Oe. Lachenalii und Oe. silaifolia (media) vermengt und zusammengefasst wurden, und dass bei manchen Schriftstellern die Neigung bestand, den Namen Oe. pimpinelloides vorzugsweise für eine oder mehrere der letztgenannten Arten zu verwenden; so besonders bei den genannten Autoren (vor 1830), die Oe. charophylloides als besondere Art neben Oe. pimpinelloides „L.“ führten. Laserpitium Halleri Crantz Class. Umbell. emend. (1767), 67!; All. Fl. Pedem. II (1785), 11. Laserpitium Panax Gouan ‘Ill. et obs. bot. (1773), 18. Laserpitium Halleri wird in der Literatur fast allgemein (so auch vom Index Kewensis) Allioni (1785) zugeschrieben und folglich aus Prioritätsgründen als Synonym zu dem als gültig angenommenen L. Panax Gouan (1773) gestellt. Indessen ist der Name schon 1767 von Crantz rechtsgültig publiziert worden, und zwar unter Bezug- nahme auf Laserpitium alpinum extremis lobulis breviter multifidis Haller Enum. meth. stirp. Helv. indig. (1742), 441 t. XI!, welche Pflanze nach der Beschreibung und der vorzüglichen Abbildung zweifel- los dem L. Panax Gouan entspricht; übrigens ist auch Gouan’s Spezies auf die gleiche Haller’sche Art begründet. Androsace multiflora (Vandelli) Moretti Intorno alla Fl. Veron. del Pollini (1822), 30 [eit. sec. E. Chiovenda in N. Giorn. Bot. Ital. N.S. XXVI (1919), 27]’et in Bibl. Ital. XXVIII (1822), 344— non Lam. 1779 (quae —= A. septentrionalis L. 1753). ') Sie trugen ursprünglich auch tatsächlich die Bezeichnung Oe. pimpinelloides L. ?) Die heute übliche Restriktion der Linne&’schen Art ist dadurch gerechtfertigt, dass Linne’'s Diagnose und der zuerst angegebene Fundort „Monspelii*, sowie das an erster Stelle genannte Bauhin’sche Synonym (dieses mindestens zum grössten Teil) deutlich auf die Oe. pimpinelloides auct. rec, weisen, Jahrg. 66. HansSchinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCID). 299 x Aretia multiflora Vandelli 1771. — Aretia Vandeli Turra Fl. Ital. Prodr. (1780), 63 n. 7 sec. Chiovenda |. c. (1919). _ Androsace Vandellii Chiovenda l.c. (1919). — Andr. imbricata Lam. Enceycl. I (1783), 162 n. 7 et auct. — non Lam. FI. franc. II (1779), 253 (quae — A.helvetica [L. 1753 sub Diapensia] All.). In einer sehr gründlichen historischen Studie: «L’Androsace Vandellii (Turra) Chiov.» (l. ec. 1919, 21—29) zieht E.Chiovenda den fast allgemein übergangenen Namen Aretia Vandellii Turra (1780) wieder ans Tageslicht und begründet auf ihn die neue Kombination Androsace Vandellii. Den von uns früher (Vierteljahrsschr. d. Naturf. Ges. Zürich LX [1915], 360 und LXI [1916], 422) vorgeschlagenen Namen A. multiflora (Vand.) Moretti (1822) verwirft der Verf. (1. ec. 27) mit der Begründung, dass in A. multiflora Lam. (1779) ein älteres. Homonym existiere, und dass der Vandelli-Moretti’sche Name die Charakteristik einer besonderen, aberranten Varietät der Art in sich schliesse und folglich zur Bezeichnung der ganzen Spezies unge- eignet sei. Wir glauben indessen, dass diese Gründe nicht stichhaltig sind, und dass es sich um eine reine Prioritätsfrage handelt; denn nach den Internationalen Nomenklaturregeln (Art. 50) kann weder die Existenz eines ältern, gegenstandslosen Homonyms, noch die un- passende Wahl eines Namens die gültige Verwendung desselben hindern. Lomatogonium A. Braun in Flora XIII (1830), I, 221; «v. Braune» ex Rchb. Fl. Germ. exeurs. sect. 2 (1831), 421. Pleurogyna Eschsch. ap. Cham. et Schlechtend. in Linnaea 1 (1826), 187 pro syn.; G. Don Gen. Syst. IV (1837), 188. — Pleurogyne Eschsch. ex Griseb. Obs. Gent. (1836), 31 et Gen. et spec. Gent. (1839), 309. — Narketis Rafin. Fl. Tellur. III (1836), 26. Wie neuerdings M. L. Fernald (Rhodora vol. 21, No. 251 [Nov. 1919], 193— 198) mit Recht hervorhebt, kann der bekannte Gattungs- name Pleurogyna leider nicht beibehalten werden, da er ursprünglich als blosses Synonym einer (nicht benannten) Sektion von Gentiana publiziert wurde in folgender Form: „**** Corolla rotata 4—5 fida, faux breviter fimbriata..... Genus Pleurogyna Eschsch. in litt.“, was nach Art. 37 der Internationalen Nomenklaturregeln keiner rechts- gültigen Publikation entspricht, eine Auffassung, der auch Briquet (briefl. an Fernald, 1. c. 194) beipflichtet. Es hat vielmehr, da der Name Pleurogyna unseres Wissens vor 1830 nirgends als gültiger 300 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Gattungsname verwendet worden ist, der Name Lomatogonium R. Br. (1830) an seine Stelle zu treten. Unsere Art hat somit zu heissen: Lomatogonium carinthiacum (Wulfen) Rchb. Fl. Germ. excurs. sect. 2 (1831), 421; cf. A. Braun |. c. (1830), 221. Swertia carinthiaca Wulfen in Jacg. Misc. Il (1781), 53 t. 6.— Gentiana carinthiaca Frel. De Gent. (1796), 103. — Pleurogyna carinthiaca G. Don Gen. Syst. IV (1837), 188. — Pleurogyne carinthiaca Griseb. Gen. et spec. Br (1839), 310 et auct. plur. Galeopsis dubia Leers Fl. Herborn. (1775), 133. Galeopsis villosa Hudson Fl. Angl. ed. 2 (1778), 256. — Galeopsis ochroleuca Lam. Eneycl. II (1786—...), 600. In der Synonymie dieser Art zitieren Beckhaus-Hasse Fl. v. Westfalen (1893), 704 (unter «G. Ladanum c. ochroleuca>): „G. villosa, Martyn 1763“, worauf uns Dr. H.Gams aufmerksam macht. Das einzige uns bekannte, von 1763 datierende Werk von Thomas Martyn: «Plantae cantabrigienses» ist uns hier nicht zugänglich. Wie uns Dr. 6. Cl. Druce-Oxford auf Anfrage freundlichst mitteilt, enthält dieses Werk nicht nur keine binäre Nomenklatur, sondern es findet sich darin auch keine zufällig binär benannte Galeopsis villosa, so dass das Zitat bei Beckhaus-Hasse offenbar auf einem Irrtum beruhen muss. Wir verbleiben also bei dem Namen G. dubia Leers. — Wenn Briquet (Lab. Alp. Marit. I [1891], 162, 163) den Namen 6. villosa Huds. (ohne Zitat) als gültig verwendet, so geschieht dies offenbar in der Annahme, dass die Art schon in der 1. Auflage (1762) von Hudson's Flora Anglica publiziert sei; wir konnten uns jedoch durch die Autopsie des letztgenannten Werkes überzeugen, dass dies nicht der Fall ist. Petunia integrifotia (Hooker) Schinz et Thellung in Viertel- jJahrsschr. Naturf. Ges. Zürich LX (1915), 361. Als Autor der Kombination P. integrifolia zitiert S. A. Skan (Bot. Magaz. 4" ser. vol. XIV [1918], sub t. 8749): Hort. ex Harrison Florieult. Cab. I (1833), 144. Indessen findet sich, wie der genannte Herr uns auf Anfrage freundlichst mitteilt (22. IV. 1918), der Name P. integrifolia a. a. O. lediglich in der Synonymie von Nierembergia phenicea erwähnt („It was first named Salpiglossis integrifolia, after- wards Petunia integrifolia, but is now called Nierembergia phenicea‘), Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil.ausdem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCII). 301 was nach Art. 37 der Internationalen Nomenklaturregeln nicht einer rechtsgültigen Publikation entspricht, so dass — vorbehaltlich allfällig noch zu machender Ausgrabungen aus der ältern Literatur — bis auf weiteres unsere Autorschaft für die Kombination P. integrifolia be- stehen bleibt. Veronica Tournefortii Gmelin (1805); V. persica Poiret (1808); V. Buxbaumii Ten. (1811). Vrgl. Bull. Herb. Boiss. 2° ser. VII (1907), 518. C. C. Lacaita (Journ. of Bot. LV [1917], 271) verwirft, wie schon früher F. N. Williams (ebenda XLII [1904], 253)'), den Namen V. Tournefortii Gmelin und zwar mit der Begründung, dass diese Art ein Gemenge aus heterogenen Bestandteilen darstelle und der Name folglich nach Art. 51, Al. 4 unzulässig sei. Wir halten nach wie vor dafür, dass keine genügenden Gründe vorliegen, um den ältesten für unsere Art in Frage kommenden Namen fallen zu lassen. Wenn auch die von €. C. Gmelin zitierten Synonyme sich auf V. filiformis Sm. beziehen, so gehört doch die von dem Autor in conereto im Auge gehabte Pflanze nach dem Fundorte (Karlsruhe) zweifellos zu V. Tourne- fortii auct.; und zudem sind die beiden Buxbaum’schen Figuren (Cent. I [1727]2), t. XL) 1 (= V. filiformis) und 2 (=V. Tournefortii) einander dermassen ähnlich, dass nur ein Spezialist sie zu unterscheiden vermag und ein Unkundiger sehr wohl die eine für die andere nehmen konnte, wie dies Gmelin tatsächlich getan hat. Wollte man alle Namen, die mit falschen Synonymen behaftet sind, ausmerzen, dann würde wohl die Hälfte der von Linn& aufgestellten und allgemein anerkannten Namen diesem Schicksal verfallen. Euphrasia Odontites L. Spec. pl. (1753), 604 ex p., sensu auct. rec. Euphrasia verna Bell. App. ad Fl. Pedem. ar 33 in Mem. Acad. Turin V, 1790—91 (1793), 239 tab. 5. — Odontites verna Dumort. Fl. Belg. (1827), 32. Euphrasia serotina Lam. Fl. franc. II («1778> [1779]), 350 sensu auct. rec. Euphrasia Odontites L.1.c. (1753) pro parte. — Odontites serotina Dumort. Fl. Belg. (1827), 32. — Odontitesrubra ssp. O.serotina Wettst. in Denkschr. Akad. Wiss. Wien LXX ') Auch O. A. Farwell (Rhodora vol. 21 No. 245 [1919], 101—2) gibt dem Namen V. persica den Vorzug. ®) 1727 nach Lacaita a.a.O. Das uns vorliegende Exemplar trägt die Jahres- zahl 1728, die z.B. auch A. Pyr. de CGandolle Syst. I (1818), 30 angibt. 302 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 (1901), 321. — Odontites serotina ssp. serotina Hayek Fl. Steierm. II, 181 (1912). — Euphrasia Odontites ssp. serotina Hayek ex Braun-Blanquet Sched. fl. raet. exsiec. III (1920), 88 nr. 284 in LX. Jahresber. Naturf. Ges. Graub. 1920/21. — Odontites rubra Gilib. Fl. lituan. I (1781), 126 sensu Janchen (v.infra). Neuerdings hat E. Janchen (Beitrag zur Floristik von Ost- Montenegro $. 48—49 in Oesterr. bot. Zeitschr. 1919) die Kombination Odontites serotina (Lam.) Dumort. verworfen und durch 0. rubra Gilib. ersetzt mit der Begründung, dass E. serotina Lam. eine blosse Um- benennung von E. Odontites L., also ein totgeborener Name sei. Dieser Auffassung vermögen wir uns nicht vollinhaltlich anzuschliessen. Linn&’s Euphrasia Odontites wird beschrieben: „foliis linearibus: omnibus serratis..... Habitat in Europae arvis pascuisque sterilibus.* Als erstes Synonym figuriert E. foliis lanceolatis Hort. Cliff. (1737), 326 (!) [nicht 346, wie Linne selbst irrtümlich zitiert], als zweites die (im Hort. Cliff. gleichfalls schon angeführte) E. pratensis rubra C. Bauhin Pinax (1623), 234. Zu dieser Art zitiert C. Bauhin die- jenige Pflanze, die dem Namen nach den Typus der Linne'schen Spezies repräsentiert: Odontites I. Tabern. Neuw Kreuterb. I (1588), 681 mit Abbildung, die wir wegen der ziemlich breiten, wenig ab- stehenden Stengelblätter und der bis zur Spitze des Blütenstandes langen Tragblätter für E. verna halten. Auch die im Hortus Cliffor- tianus im Anschluss an das Zitat von C. Bauhin aufgeführte Morison- sche Abbildung («E. pratensis rubra C. B.» Morison Hist. pl. univ. Oxon.111(1699), 431 sect. 11 t. 24 fig. 10) scheint uns aus den gleichen Gründen zu E. verna zu gehören, desgleichen nach dem Standort die E. parva purpurea J. Bauhin Hist. III (1651), 433 («Montbelgardi | = Montbeliard] abundat in agris florens Julio, Augusto, & Septembri »). - Es ist mithin die frühblühende Ackerform der Gesamtart, E. verna (= E. Odontites auct. rec.), mindestens als wesentlicher Bestandteil der Linn&’schen E. Odontites nachzuweisen. Ganz anders verhält es sich bei E. serotina Lam.: wenn schon als Synonyme Pedicularis serotina purpurascente flore Tournef. Inst. (1700), 172 (= E. pratensis rubra C. Bauhin) und E. odontites L. angegeben werden, so beweist doch die Notiz auf S.351: «Cette plante croit dans les lieux steriles & incultes; elle fleurit en automne», dass der Verfasser in concreto die spätblühende Sippe der halbnatürlichen Standorte im Auge gehabt hat. Wir sind daher der Ansicht, da sich E. serotina Lam. offenkundig nicht vollinhaltlich mit E. Odontites L. deckt, dass der erstere Name nicht als totgeborenen fallen zu lassen ist, sondern dass er so gut Jahrg. 66. HansSchinz. Mitteil. ausdem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCII). 203 als gültig bestehen bleiben kann wie etwa Equisetum maximum Lam., Cerastium caespitosum Gilib., Sedum mite Gilib. oder Serophularia alata Gilib., bei deren Aufstellung die betr. Autoren gleichfalls einen bereits bestehenden (unklar gefassten) Linn&’schen Namen durch einen bessern zu ersetzen beabsichtigten. Wir glauben von einer Änderung des be- stehenden Gebrauches (E. Odontites L. für die frühblühende Ackerform, E. serotina Lam. für die spätblühende Sippe des unkultivierten Landes) umso eher absehen zu sollen, als der gegenwärtige Zustand ja doch nur ein Provisorium darstellt; denn die beiden Sippen sind bekannt- lich als Arten unhaltbar und werden früher oder später in irgend einer Form als E. Odontites L. (im ursprünglichen weiten Sinne) oder Odontites rubra Gilib.') vereinigt werden müssen. Valerianella dentata (L.) Pollich Valerianella Morisonii (Sprengel) DC. Vrgl. Vierteljahrsschr. d. Naturf. Ges. Zürich LXI (1916), 423. Neuerdings hat sich auch E. Janchen (Beitrag zur Floristik von Ost-Montenegro S. 63 in Österr. bot. Zeitschr. 1919), unabhängig von unseren Ausführungen (a.a. O. 1916), sehr entschieden für die Bei- behaltung des Namens V. dentata ausgesprochen. Scabiosa canescens Waldst. et Kit. Pl. rar. Hung. I, „1802* (1799—1800), 50 et auct. mult. Scabiosa suaveolens Desf. [Tabl. ed. 1 (1804), 110 (nomen nudum!)] ex Lam. et DC. Fl. frang. ed. 3, IV (1805), 229. — Scabiosa Virga-pastoris Druce in Rep. Bot. Exch. Club Brit. Isl. for 1916, vol. IV, part V (1917), 416 — non Miller. Nach dem Index Kewensis wäre Scabiosa Virga-pastoris Miller Gard. Diet. ed. 8 (1768), n.9 [= S. Virgae-Pastoris (sic!) Chazelles Diet. Jard. VI (1785), 500!] = S. suaveolens, und auch Druce ver- wendet (]. c.) den Miller’schen Namen für die in Frage stehende Art. Ein Blick in das Miller’sche Werk zeigt jedoch sofort, dass von der angenommenen Identität keine Rede sein kann. In der zitierten fran- zösischen Ausgabe von Miller’s Dictionary wird die Spezies beschrieben: „corollulis quinquefidis, aequalibus, caule erecto, hispido, foliis lanceo- latis, dentieulatis, hirsutis, semiamplexicanlibus... . . eroit naturellement Sur les Alpes .... ses fleurs naissent au sommet des tiges, comme celles de la premiere espöce?), et sont de la möme forme“. Als ee ') Sobald die Wiedervereinigung stattfindet, dann sinkt tatsächlich E. serotina Lam. zum totgeborenen Synonym herab. ) Se. arvensis = Knautia arvensis (L.) Duby. 304 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Synonym führt Miller (wenigstens in der französischen Ausgabe!) die Scabiosa Virgae pastoris folio C. Bauhin Pinax (ed. 1671!), 270 an, zu welcher C. Bauhin seinerseits die Sc. latifolia peregrina Tabern. Neuw. Kreuterb. I (1588), 547, 550 No. VIII (!) zitiert; letzteres ist eine Gartenpflanze, die nach der Abbildung in der Tracht der Knautia silvatica oder integrifolia ähnelt. Wie dem auch sei — in allen diesen Fällen handelt es sich um Pflanzen mit ungeteilten Stengelblättern, die von der durch feinzerteilte Laubblätter ausgezeichneten Se. canescens (suaveolens) so verschieden sind wie nur möglich. Chrysanthemum maritimum (L.) Pers. Encheir. II (1807), 462 sens. ampl. Matricaria maritima L. spec. pl. ed. 1 (1753), 891. — Tripleurospermum maritimum Koch Syn. fl. Germ. Helv. ed. 2, III (1845), 1026; em. Brig. et Cavill. in Burnat Fl. Alpes Marit. VI, 1 (1916), 132.— Matricaria inodoral. Fl. Suec. ed. 2 (1755), 297°. — Chrysanthemum inodorumL. Spec. pl. ed. 2, II (1763) 1253. Wie Briquet u. Cavillier (l. c. 133) mit Recht hervorheben, muss bei der — von den neueren Floristen allgemein angenommenen — Vereinigung von Matricaria maritima L. (1753) und M.inodora L. (1755) nach Art. 46 der Internationalen Nomenklaturregeln, entgegen der eingebürgerten Gepflogenheit, das Epitheton maritima als das ältere als gültig verwendet und auch bei der Übertragung in die Gattung Chrysanthemum beibehalten werden. Die bei uns allein vorkommende, nicht-halophile Rasse der Art hat zu heissen: var. agreste (Knaf) A. Becherer in Verh. Naturf. Ges. Basel XXXI (1921), 198. Matricaria inodora et Chrysanthemum inodoruml. ll. ce. sens. striet. — Dibothrospermum agreste Knaf inFloraXXIX (1846), 299.- Matricaria inodora a. agrestis - Weiss in Hallier et Wohlf. Koch’s Syn. ed. 3, 1424 (1895). — Tripleurospermum maritimum Var. agreste Brig. et Cavill. in Burnat 1. e. (1916), 134. Senecio capitatus (Wahlenb.) Steudel var. tomentosus (DC.) Schinz et Thellung comb. nov. Cineraria aurantiaca 8 Tomentosa DC. in Lam. et DC. Fl. frang. ed. 3, IV (1805),170.— Senecio aurantiacusy tomen- tosus DC. Prodr. VI (1837), 362.— Cineraria capitata Jahrg. 66. HansSchinz. Mitteil. ausdem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCIN. 305 3 radiata Rehb. Ie. Pl. erit. I1(1824), 16 1. CXX VIII fig. 243. — Cineraria aurantiaca flocceulosa „Rcehb. Pl. erit. I n. 243, 244* Y) sec. DC. 1. e. (1837). — Cineraria aurantiaca 3 lanata Koch Syn. ed. 2, I (1843), 425. — Tephroseris fuscata Jordan et Fourreau mser. in litt. ad J. B. Verlot (7 mars 1870) in sched. Soc. Dauph. 1878 Nr. 1689 (in syn., sine deser.). — Senecio fuscatus A. v. Hayek in Allg. bot. Zeitschr. XXIII (1917), 4. — Senecio capitatus var. fuscatus A.v. Hayek ibid. — Cineraria aurantiaca Gaudin Fl. Helv. V (1829), 308 — non Hoppe. — Senecio aurantiacus auct. Helv. — non (Hoppe) DC. sec. A.v. Hayek l.c. 1—2. — Senecio campestris (Retz.) DC. forme 3. aurantiacus Rouy Fl. France VIII (1903), 318 (exel. var. «aglabratus). — Cineraria capitata Koch Syn. fi. Germ. Helv. ed. 1, II (1837), 385 — non Wahlenb. sens. striet. Wie A.v. Hayek (l.c. 1917, 1—6) ausführt, ist die von den schweizerischen und französischen Autoren als S. auranticus bezeichnete Pflanze von dem echten, auf die tieferen Lagen der osteuropäischen Gebirge beschränkten (und dann wieder in Nord-Asien auftretenden), dem 8. integrifolius (L.) Clairv. (= 8. campestris [Retz.] DC.) zunächst stehenden $. aurantiacus (Hoppe) DC. (var. glabratus „Rehb.“ DC.) nicht unerheblich — namentlich durch die Behaarung — verschieden und dem in den Karpathen beheimateten S. capitatus (Wahlenb.) Steudel (= 8. aurantiacus 6 capitatus DC.) sehr nahe verwandt, so dass sie am richtigsten dieser letztern Art als Rasse angegliedert werden dürfte; in dieser Rangstufe muss sie — was v. Ha yek entgangen ist — den Namen var. tomentosus (nicht var. fuscatus) führen. Inula Halleri Vill. Fl. Delphin. (1785), 97; Rouy Fl. France VIII (1903), 201; Briquet et Cavill. in Burnat Fl. Alpes Marit. VI, 2 (1917), 231. Aster Vaillantii All. Fl. Pedem. I (1785), 196 n° 710. — Inula Vaillantii Vill. Hist. pl. Dauph. II (1789), 216 et- auct. fere omn. Obwohl die beiden spezifischen Epitheta Halleri und Vaillantii vom gleichen Jahr (1785) datieren, war Villars, als er (1789) die "Vereinigung der beiden Spezies vornahm, doch nicht frei in der Wahl des als gültig beizubehaltenden Namens, da Art. 51, Al. 1 der Inter- nationalen N omenklaturregeln ausdrücklich besagt, dass ein Name (in RER It a. a0, nicht zu finden! 306 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 unserm Fall I. Vaillantii Vill. 1789) nicht anerkannt werden soll, wenn für die betreffende Gruppe bereits ein älterer gültiger Name (I. Halleri All. 1785) vorhanden ist. Die allbekannte Kombination I. Vaillantüi wäre nur dann berechtigt, wenn sich etwa nachweisen liesse, dass Aster Vaillantii innerhalb des Jahres 1785 die Priorität vor Inula Halleri besässe. Inula squarrosa (L.) Bernh. ex Steudel Nomencl. bot. ed. 1,1(1821), 223, 433 et ex DC. Prodr. V (1836), 464 [pro syn.|; Schinz et Keller Fl. d. Schweiz ed. 2, I (1905), 507; Schinz et Thellung in Vierteljahrsschr. Naturf. Ges. Zürich LI (1906), 498 et in Bull. Herb. Boiss. 2° ser. VIII (1907), 516 — non L. Spee. pl. ed. 2, II (1763), 1240 (quae — I. spiraeifolia L. 1759). Conyza squarrosaL. Spec. pl. ed.1 (1753), 861. — Inula Conyza DC. Prodr. V (1836), 464; Briquet et Cavillier in Burnat Fl. Alpes Marit. VI, 2 (1917), 242. Weitere Synonyme siehe bei Schinz u. Thellung a. a. 0. Neuerdings haben Briquet u. Cavillier (a.a. 0. 1917) den von uns vorgeschlagenen Namen I. squarrosa (L.) Bernh. verworfen mit der Begründung, dass zur Zeit, da Bernhardi seine Kombination an Steudel übermittelte (1821), I. squarrosa L. und I. spiraeifolia L. allgemein von den Botanikern als zwei verschiedene Arten angesehen wurden und I. squarrosa L. als ein gültiger Name betrachtet werden musste; I. squarrosa Bernh. war also — damals — ein unanwendbares Homonym zu einem als gültig bestehenden, ältern Namen und der Name I. Vonyza DC. (1836) als der älteste gültige unanfechtbar. Dagegen ist hervorzuheben, dass, wie Briquet u. Cavillier selbst angeben, schon 1813 Poiret (Encyel. möth. Suppl. III, 152) die An- schauung ausgesprochen hatte, dass I. spiraeifolia L. nur eine Varietät der I. squarrosa L. sei; und nichts beweist, dass nicht auch Bernhardi für sich diese Auffassung geteilt hat. Zudem vertreten wir, wie schon früher (Vierteljahrschr. Naturf. Ges. Zürich LIII [1908], Heft IV [1909], 509) dargelegt, in derartigen Fällen die Meinung, dass bezüglich der Gültigkeit oder Ungültigkeit eines Namens nicht der damalige, sondern der heutige Stand unserer Kenntnisse über spezifische Identität bezw. Verschiedenheit massgebend ist (beispielsweise glaubten bei der Auf-" stellung von Equisetum maximum Lam., Sedum mite Gilib. und Serophularia alata Gilib. die betreffenden Autoren einen Linn e’schen Namen, den sie als Synonym aufführen [Equisetum fluviatile L., Sedum sexangulare L., Scrophularia aquatica L.], durch einen neuen zu ersetzen; Jahrg. 66. HansSchinz. Mitteil. ausdem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCID). 307 gleichwohl werden diese neueren Namen von den meisten Autoren mit Recht als gültig anerkannt, da wir heute wissen, dass die betreffenden Lamarck- bezw. Gilibert’schen Arten mit den entsprechenden Linn€'schen nicht identisch sind). Die Kombination Inula Conyza DC. war also nur gültig unter der Voraussetzung der spezifischen Ver- schiedenheit von I. squarrosa I. und I. spiraeifolia L.; nachdem diese Voraussetzung als unhaltbar und irrtümlich erkannt worden ist, unter- liegt unser Fall den mit rückwirkender Kraft begabten Vorschriften des Art. 48 der Nomenklaturregeln,der besagt, dass bei der Überführung einer Art in eine andere Gattung das erste spezifische Epitheton bei- behalten oder wieder eingesetzt!) werden muss, falls in der neuen Stellung sich kein Hindernis ergibt. Wir halten also dafür, dass, wenn auch vielleicht die Berechtigung des Autornamens Bernhardi in Zweifel gezogen werden könnte, doch unter allen Umständen die Kombination I.squarrosa (L.) der einzig gültige Name für die in Frage stehende Art ist, und dass, wenn diese Kom- bination nicht schon existierte, sie heute neu gebildet werden müsste. — Der einzige Einwand, der gegen die Verwendung des Namens I. squarrosa (L.) Bernh. erhoben werden kann, ist, dass noch in neueren Florenwerken (z. B. bei Rouy Fl. France VIII [1903], 204) I. spiraeifolia L. (1759) unter dem unrichtigen (jüngern) Namen I. squarrosa L. (1763) figuriert, wodurch die Gefahr von Verwechs- lungen hervorgerufen wird, so dass es rätlicher erscheinen könnte, den Namen I. squarrosa (L.) Bernh. vorläufig (bis zum Ver- schwinden des störenden Homonyms aus der floristischen Literatur) ausser Kurs zu setzen. Für die Schweizerflora besteht jedoch diese Gefahr nicht, da alle neuern Schweizerfloren (Gremli, Schinz u. Keller) den richtigen Namen I. spiraeifolia gebrauchen. Buphthalmum salicifolium L. var. grandiflorum (L.) Mutel Fl. franc. Suppl. (1838), 163 sec. J. Briquet in litt.; Babey Fl. Jurass. II (1845), 345. Buphthalmum grandiflorum L. Spee. pl. ed. 1 (1753), 304. — Buphthalmum salicifolium 3 DC. in Lam. et DC. Fl. frang. ed. 3, IV (1805), 218; Koch Syn. ed. 1, II (1837), 357. — Buphthalmum salieifolium 8 angustifolium Koch Syn. ed. 2,1 (1843), 391, ed. 3,1 (1857), 306. Helianthus diffusus Sims Bot. Mag. XLV (1818), t. 2020! Harpalium rigidum (ass. in Dict. se. nat. XXV (1821), 300. ') Von uns gesperrt. 308 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 — Helianthus rigidus Desf. Cat. hort. Paris ed. 3 (1829), 184 (cum syn. Bot. Mag. et Cass.); Thell. in Allg. bot. Zeit- schr. XIX (1913), 137.— Helianthus scaberrimus Ell. Bot. Sketch (1824), 423 (non Bentham 1844). Die schon von Desfontaines (l. ec.) vermutete Identität des in der neueren amerikanischen Literatur meist übergangenen H. diffusus Sims, die aus der Originalpublikation nicht mit aller Sicherheit her- vorgeht (die Abbildung zeigt den Kopf nur von oben, ohne Ansicht der Hülle; die Scheibenblüten wären nach der Beschreibung gelb, nach der Abbildung jedoch braunrötlich), mit H. rigidus wird durch Asa Gray (Synopt. Fl. N. Am. I, 2 [1884], 274) bestätigt. Helianthus laetiflorus Pers ! Encheir. II (1807), 476; Thell. in Allg. bot. Zeitschr. XIX (1913), 138. Helianthus serotinus Tausch in Flora XI (1828), 504; Thell. 1. e. (1913), 138. — Helianthus atrorubens Lam. Eneyel. III (1789— ...), 86 et Hort. Paris.! (teste Pers. l.c.), non L. Die Identität des H. laetiflorus Pers. mit der neuerdings (seit 1913) als H. serotinus bestimmten Zierpflanze geht aus der Einsicht der Persoon’schen Originalexemplare (im Herbarium des Reichs- museum in Leyden), deren Übermittlung wir der Freundlichkeit des Herrn A. W. Kloos in Dordrecht verdanken, zur Evidenz hervor. Die äusseren Hüllblätter sind bei kräftigen Kulturexemplaren (s0 auch bei den meisten Pflanzen des Persoon’schen Herbar’s) so lang oder etwas länger als die inneren, bei mageren wilden oder verwil- derten Exemplaren (oder auch an den seitlichen, kleineren Köpfen der Kulturform) dagegen etwas bis merklich kürzer, ohne dass sich jedoch eine irgendwie scharfe Grenze ziehen liesse. Leontodon nudicaulis (L.) Banks (em. Porter). Crepis nudicaulis L. (1753). — Leontodon hirtum L. 1763 ex p. — vix 1759. — Thrincia hirta Roth (1797). — Leontodon taraxacoides (Vill.) Merat (1831)? em. Acherson et Graebner Fl. Nordostd. Flachl. Lief. 5 (1899), 760. Zu der viel diskutierten Frage der Nomenklatur von Thrincia hirta Roth äussert sich neuerdings 0.C. Lacaita in einer sehr gründ- lichen Studie („Crepis nudicaulis L. and Leontodon hirtus L.“, Journ. of Bot. LVI No. 664 [IV. 1918], 97—105) mit der Schlussfolgerung, dass 1.) Crepis nudicaulis L. entweder dem Leontodon Villarsii Loisel. oder dem L. crispus Vill. oder einem Gemenge aus beiden Arten ent- Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCIH). 309 spreche, dass 2.) Leontodon hirtus L. nicht mit Thrincia hirta Roth, sondern mit L. Villarsii Loisel. identisch sei und folglich für die letz- tere Art als gültig einzutreten habe und dass 3.) der richtige Name für Thrincia hirta: Thr. taraxacoides (Vill.) Lacaita 1. c. 97 comb. nov. (non Gaudin Fl. Helv. V [1829], 49, quae ex deser, et syn. plür. = Th. hispida Roth) sei. Wir halten demgegenüber an unseren früher (Bull. Herb. Boiss 2° ser. VII [1907], 387—390) gegebenen, dem Verf. offenbar unbekannt gebliebenen Ausführungen fest; neu ist nur die unsere Nomenklaturfrage nicht direkt berührende, defini- tive Feststellung, dass Leontodon hirtus L. 1759, was wir selbst schon (l. ce. 388 Fussn.) auf Grund der Literatur als möglich anerkannt, nach dem Befunde in Linn&’s Herbar (Lacaita I. ce. 98) dem L. Vil- larsii Loisel. entspricht, und dass erst 1763 in Form des Synonyms Crepis nudicaulis die Thrincia hirta als weiterer Bestandteil hinzu- ommt. Gegenüber Lacaita ist folgendes festzuhalten: Crepis nudicaulis L.,diein Linn&’s Herbar fehlt (Lacaital. ce. 97), ist offenbar lediglich auf das Bauhin’sche Synonym begründet, das etwaskonfus (vrgl. Lacaita l. e. 100, Fussn.), und dessen einzig positiv sicher eruierbarer Bestand- teil die Abbildung in ©. Bauhin’s Prodromus ist (leider fehlt die Pflanze in Bauhin’s Herbar, wie aus der Darstellung von A. Pyr. deCandolle [Bull. Herb. Boiss, 2° ser. IV (1904), 299] hervorgeht, und wie uns auch Herr Konservator Dr. A. Binz in Basel auf Anfrage freundlichst bestätigt). In dieser Abbildung können wir, wie schon früher (l. c. 347 Fussn.), nur Thrineia hirta erkennen. L. Villarsii ist durch die relativ kurzen Stengel der abgebildeten Pflanze und den- Schnitt der Laubblätter ausgeschlossen, L. crispus (zu dem nach La - caita l.c. 99 die Abbildung gehören sollte) durch den Schnitt der Laubblätter, durch die fast einreihige Hülle und durch den kurzen Pappus. Allerdings scheinen zunächst die als einfach dargestellten Haare der Abbildung (und die darauf beruhende Angabe „setis subu- latis“ in der Beschreibung der Crepis nudicaulis) gegen unsere Auffassung zu sprechen; doch ergibt sich für die von Lacaita vor- geschlagene Identification ven Bauhin’s Pflanze mit L. erispus die gleiche Schwierigkeit, da bekanntlich auch L. crispus, wie Thr. hirta (im Gegensatz zu L. Villarsii), gabelig verzweigte Haare besitzt. Die Angabe von Lacaita (l. c. 97), dass die von Linn& (nach Bauhin!) namhaft gemachte Verbreitung der Cr. nudicaulis für L. crispus und ‚Villarsii, aber kaum für Thr. hirta zutreffe, ist völlig unhaltbar, da Thr. hirta um Montpellier weitaus die häufigste der hier in Frage ‚kommenden Leontodon-Arten ist, wie wir schon früher (1. e. 347/8 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich, Jahrg. 66. 1921. 21 310 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Fussn.) hervorgehoben haben. Wir schlagen also den Fachgenossen vor, bei der Benennung Leontodon nudicaulis (L.) Banks em. Porter ') für Thrincia hirta Roth zu verbleiben. Was noch die von Lacaita |. c. 104 Fussn. eswähnte neue Kom- bination Leontodon taraxacoides betrifft, so ist zu bemerken, dass dieselbe, abgesehen von der M6rat’schen von 1831 (von deren Un- gültigkeit — nach Lacaita — wir nicht überzeugt sind), schon 1899 von Ascherson u. Graebner (l.c.) in dem von Lacaita vorge- schlagenen Sinne gebildet worden ist. Und für diejenigen Botaniker, die, wie wir, Thrincia hirta und Th. hispida Roth nicht spezifisch trennen, wäre auch die Kombination Thr. taraxacoides (Lacaita 1. e. 97, 104) nicht neu, sondern es wäre Th. taraxacoides Gaudin (1829) sens. ampl. (incl. Thr. taraxacoides Lacaita) zu verwenden. !) Dass L. nudicaulis Merat in Ann. sc. nat. XXII (1831), 109, welchen Wil- liams (Prodr. fl. Brit. I [1901], 70) als Synonym zu Thr. hirta zitiert, ein „nomen delendum* ist, weist Lacaita (l. c. 97/8) mit überzeugenden Gründen nach. . Jahrg.66. Hans Sehinz. Mitteil.ausdem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCIH). 311 Bemerkungen zu dem Artikel «Plant nomenclature: some suggestions» von F. A.Sprague (Journ. of Bot. LIX, No. 702 [June, 1921], 153—160). Der genannte Aufsatz enthält nach einigen kritischen Bemer- kungen über die Prinzipien und Wirkungen der Internationalen No- menklaturregeln (1906; 2. Aufl. 1912) verglichen mit denjenigen des American Code (1907), eine Reihe von Vorschlägen für Änderungen und Zusätze zu den Internationalen Regeln. So berechtigt die Kritik des Verfassers an einzelnen, auch un- serer Ansicht nach verfehlten und unglücklichen Bestimmungen der Internationalen Nomenklaturregeln ist, so halten wir doch dafür, dass im Interesse der Stabilität der Nomenklatur und der Vermeidung der Wiederkehr anarchischer Zustände an folgenden Grundsätzen fest- gehalten werden muss: 1. Keine klar und eindeutig gefasste Bestimmung der Internatio- nalen Regeln darf wieder umgestossen werden. 2. Änderungen an den Regeln können nur in Zusätzen be- stehen und betreffen: a) Erläuternde Zusätze zu unklaren und mehrdeutigen Stellen der Regeln, die erfahrungsgemäss zu Meinungsverschiedenheiten hin- sichtlich der Interpretation Anlass geben. (Beispiel: die erst in der . 2. Auflage der Regeln eingefügte Erläuterung des Ausdruckes „gül- tiger Name“ in Artikel 56, mit Rücksicht auf die Frage der „tot- geborenen Namen‘); b) Die Entscheidung über neuerdings aufgetauchte, in den Regeln noch gar nicht behandelte Fragen (z. B. über die zufällig binären Namen in Werken mit nicht konsequent durchgeführter binärer No- menklatur); c) Weitere Empfehlungen ; d) Erweiterung der Liste der Nomina generica conservanda. Bemerkungen und Stellungnahme zu den in dem erwähnten Ar- tikel enthaltenen Vorschlägen (die hier selbstredend nicht in extenso wiederholt werden können, sondern im Original nachgelesen werden müssen): 312 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Ad 1 (Aufhebung des Obligatoriums lateinischer Diagnosen für neu aufgestellte Gruppen): Unannehmbar, weil Art.36 zuwiderlaufend. Wo soll übrigens eine Grenze gezogen werden zwischen zugelassenen und nicht zugelassenen modernen Sprachen ? Ad 2A (Verwerfung von Doppelnamen wie Linaria Linaria): Zustimmung, in Übereinstimmung mit Art. 55, 2.— Ad?2B und 2C (Verwerfung von Namen wie Silaum Silaus oder Cerastium cerastioides): nicht annehmbar, weil Art. 48 und 57 widersprechend. Eine scharfe Grenze zwischen widersinnigen und sinngemässen Namen dürfte schwer zu ziehen sein (klar fassbar ist nur die Bestimmung des Art. 55, 2: unveränderte Wiederholung des Gattungsnamens). „Nareissus Pseudo- nareissus“ ist ebenso ein Nonsens und gleichwohl unseres Wissens bisher von keinem noch so extremen Reformer beanstandet worden. Schon Linn hat die Kombinationen Agrimonia Agrimonoides und Alyssum Alyssoides gebildet. Ad 3 (Verwerfung von Artnamen, die schwere geographische Irrtümer enthalten): Unannehmbar, weil Art. 16, 17 und 50 zuwider- laufend. Eine scharfe Scheidung zwischen „schweren“ und „leichten“ geographischen Irrtümern ist nicht durchführbar, es würde daher der subjektiven Willkür ein allzu grosser Spielraum gelassen und in vielen Fällen keine Einigung zu erzielen sein. Ad 4 (Verwerfung von Artnamen, die von einem andern ähn- lichen nur durch die Endung abweichen): Der Vorschlag ist einer ernstlichen Erwägung wert. Die Regeln selbst widersprechen sich! Art.57 und Empf. IX erklären Namen wie Lysimachia Hemsleyi und Hemsleyana, Carex Halleri und Halleriana für genügend verschieden, um neben einander bestehen zu können, während Art. 51, 4 und Empf. XXXI die Verwerfung der jüngeren der beiden allzu ähnlichen Namen verlangen bezw. empfehlen. Ad 5 (Nicht-Gültigkeit zufällig-binärer Artnamen von Garsault, Hill u. A.): Zustimmung! Betrifft einen in den Regeln nicht be- handelten Fall, der als Zusatz zu Art. 55 im vorgeschlagenen Sinne reguliert werden könnte. Die Zahl der nach 1753 publizierten, ZU- fällig binären Namen ist grösser, als gewöhnlich angenommen wird; vgl. z. B.Sampaio, Lista das espeeies.... Herbärio Portuguss (1913) . mit Supplementen (1914) und andere Arbeiten dieses Verfassers. ) Selbst bei Haller, der doch ein erklärter Gegner der binären No- menklatur war, liess sich ein binärer Name entdecken: Doryenium !) Zufällig binäre Namen aus Werken von Hill (1754, 1756), Scopoli (1760), Petiver f. (1764), Ortega (1784) u. a. Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil. aus dem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCII). 313 hispanicum (1769; = D. pentaphyllum Scop. 1772). — Anderseits dürfen Werke mit binärer Nomenklatur, in welche zufällig und ver- sehentlich oder sonst nur ganz vereinzelt nicht-binäre Namen hinein- geraten sind, nicht von der Berücksichtigung für die Nomenklatur der Arten ausgeschlossen werden (z. B. Crantz 1762—7: Papaver album & nigrum Offic., Fragaria Tormentilla Officinarum, F. subtus argentea, Selinum carvifolium Gmelini, $. carvifolium Chabraei; Miller 1758: Eruca bellidis-folia, Digitalis magno flore, Herniaria Alsines folia, Aloe perfoliata humilis, A. perfoliata caulescens, A. per- foliata glauca, A. pumila arachnoides, A. perfoliata, brevioribus foliis; Gilibert 1781: Trientalis Alsines flore). Ad 6 (Verwerfung jüngerer Homonyme unter allen Umständen): Unannehmbar, weil Art. 50 zuwiderlaufend. Ad 7 (Behandlung von neuen Namenskombinationen, die teils auf ein älteres Synonym, teils auf zu einer andern Spezies gehöriges Material begründet sind, als „nomina delenda“): Ein neuer, sehr empfehlenswerter Vorschlag, der vielleicht in erweiterter Fassung bei Art. 51,4 Anschluss finden könnte: Ein Name soll nicht als gültig (oder zur Bildung neuer Kombinationen prioritätsberech- tigt) anerkannt werden, wenn er sich auf die unrichtige Verwendung eines bereits bestehenden, für die No- menklatur der betreffenden Gruppe massgebenden Na- mens bezw. auf eine falsche Bestimmung gründet, selbst wenn jener ältere homonyme Name heute nicht mehr als gültig ver- wendet wird. So halten wir für ungültig: Panicum filiforme Krocker non L.; Sedum rubens Mattuschka non L.; Dianthus glaucus Hudson non L.; Alyssum minimum Willd. non L.; Anthemis Pyrethrum Gouan 1762 [non L. 1753 = Anacycelus Pyrethrum DC.] = A. mon- tana L. 1763; Hieracium praemorsum Gouan 1762 [non L. 1753 = Ürepis praemorsa Tausch] = H. florentinum All. 1774; Equisetum Auviatile Gouan 1762 (non L. 1753) — E. maximum Lam. 1779. — Dergleichen auf Falschbestimmung beruhende Namen sind aber nicht nur selbst als ungültig zu betrachten, sondern auch nicht prioritäts- berechtigt zur Bildung neuer Kombinationen: Antirrhinum molle L. 1755 (non L. 1753) wäre der älteste (aber nicht gültige!) Name für Linaria glauca (L. 1759 sub Antirrhino) R. Br.; Cheiranthus lacerus Gouan 1773 (non L. 1753 = Malcomia lacera DC.) für Sisymbrium Nanum DC. 1821 (— Malcomia nana Boiss. = Maresia nana Batt. et Trab.); Turritis Raji Gouan 1796 (non Vill. 1789). für Arabis mu- ralis Bertol. 1806; Hesperis inodora Gouan 1765 (non L. 1763) für 314 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Arabis cebennensis DC. 1821; Crocus sativus Gouan 1765 (non L. 1753) für Romulea parviflora (Salisb. 1796 sub Ixia) Bubani (= R. Columnae Seb. et Mauri 1818). Es erscheint daher notwendig, im Interesse der Vermeidung jeglicher Missverständnisse den Art. 48 durch die Rinfügung des Begriffes „gültig“ sinngemäss zu ergänzen: „Wird eine Unterabteilung einer Gattung ... in eine andere Gat- tung gestellt... .. .. so muss der ursprüngliche Name der Gattungs- unterabteilung, das erste spezifische Epitheton oder die ursprüngliche Bezeichnung der Unterabteilung der Art beibehalten oder wieder eingesetzt werden, sofern diese ältesten Namen im Einklang mit den Regeln rechtsgültig publiziert sind und falls nicht in der neuen Stellung ..... die Aufnahme des Namens ver- bietet.“ Damit soll auch vermieden werden, dass (was nach der bis- herigen Fassung von Art. 48 wohl möglich wäre) z. B. auch Nomina nuda, sofern sie nur die Priorität besitzen, zur Bildung neuer Kom- binationen herangezogen werden; oder Namen wie Laserpitium peu- cedanoides Desf. 1798 [= Bunium spee.] (spec. nov., ohne Bezug- nahme auf die ältere gültige homonyme Linne&’sche Art aufgestellt), die nach Art. 27 ungültig sind. Namenskombinationen, die auf irrtümlicher Synonymie beruhen, sind nun nicht nur, wie Sprague hervorhebt, selbst als ungültig zu betrachten (Beispiel: Maerua nervosa Oliver [non Niebuhria nervosa Hochst.]), sondern auch nicht ihrerseits weiterhin zur Bildung gültiger Kombinationen zu verwenden: In der. Synonymie von Cnidium ve- nosum (Hoffm. 1800 sub Seseli) Koch wird Athamanta carvifolia Weber (1780) zitiert, ein nach unserer Auffassung ungültiger Name, weil auf der irrtümlichen Voraussetzung der Identität mit Selinum Carvifolia L. beruhend, daher nicht zur Bildung einer Kombination Cnidium carvifolium berechtigend. Wie soll man sich nun gegenüber den bereits bestehenden kom- plexen Namen, die also, nach den für die Nomenklatur massgebenden Synonymen &inerseits und nach der Eigenbeschreibung des Autors anderseits, heterogene Bestandteile umfassen, verhalten? Spragu® ist geneigt, sie in Anlehnung an Art. 51, 4 als Nomina delenda zu betrachten und die betreffende Kombination nötigenfalls im richtigen Sinne neu zu bilden (Merua nervosa [Hochst.] Gilg et Benediet nec Oliver). Die amerikanischen Autoren vertreten einen gänzlich ab- weichenden Standpunkt: „A species transferred without change of name from one genus to another retains the original type even though the description under the new genus war drawn from a dif- Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil. ausdem Botan. Museum der Univ. Zürich (XCIH). 315 ferent species“ '); sie verwenden also z. B. Pennisetum glaucum (L.) R. Br. im Sinne des Pearl Millet (P. americanum = typhoideum — spicatum), obgleich Rob. Brown selbst unter seinem Namen die als Setaria glauca bekannte Pflanze meinte. Wir glauben, dass sich die Meinungsverschiedenheit durch einen Kompromiss beheben liesse: Beibehaltung der beiden in Frage kommenden Autoren in geeig- neter Kombination, also Maerua nervosa (Hochst.) Oliver (pro p., ex syn.) em. Gilg. et Bened.; Pennisetum glaucum (L.) R. Br. (pro p., ex syn.) em. Stuntz 1914. Anderseits können unrichtige, aber für die Nomenklatur nicht unmittelbar massgebliche Synonyme die Gültigkeit eines Namens nicht beeinträchtigen. Z. B. haben als Synonyme zitierte Varietätennamen oder nicht-binäre Bezeichnungen keinen Einfluss auf die Gültigkeit eines Artnamens: Valerianella dentata Pollich (1776) bleibt zu Recht bestehen, unbekümmert darum, ob Valeriana Locusta 6 dentata L. (1753) die gleiche Pflanze bezeichnet oder nicht; Salix appendiculata Vill. (1789) ist gültig unabhängig von der Zugehörigkeit der S. ca- prea ö appendiculata La Tour. (1785); Selinum Carvifolia L. wird als gültig angenommen, obgleich die Carvifolia der vor-linne’schen Schrift- steller einer andern Art (dem Peucedanum carvifolium) entspricht; daher die Einführung des Begriffes des „für die Nomenklatur der be- treffenden Gruppe massgebenden Namens“ in unserm oben gemachten Vorschlage. Ad 8 (Namen, die in Zukunft als „nomina-generica conservanda‘ vorgeschlagen werden, sollen von einer Darstellung der Geschichte der betreffenden Gattung begleitet sein): Die Bestimmung erscheint ziemlich gegenstandslos.. Ob ein Gattungsname auf die Liste der Nomina conservanda gesetzt werden soll oder nicht, ist nicht eine Frage seiner nomenklatorischen Geschichte, sondern eine Zweck- mässigkeitsfrage: ein Name soll entgegen dem Prioritätsprinzip bei- behalten werden, wenn dadurch eine mehr oder weniger grosse Zahl bekannter Namen gerettet werden kann. Von diesem Standpunkt aus konnte sehr wohl Alsine Wahlenb. 1812 (non L. 1753) gegenüber Minuartia L. (1753) zur Beibehaltung vorgeschlagen werden. Ad 9 (betreffend das Geschlecht der botanischen Gattungsnamen): Als Empfehlung sehr nützlich. Ad 10 (Orthographische Korrektur von etymologisch falsch ge- bildeten Gattungsnamen): Bringt nichts wesentlich Neues gegenüber nn ) Type-basis Code of Botanical Nomenclature; «Seience» N. S. vol. LI, No. 1370 (April 1, 1921), 313.° 316 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Art. 57 und Empf. XXX. Der subjektiven Anschauung bleibt in sol- chen philologischen Streitfragen ein weiter Spielraum gelassen; streng bindende und alle Fälle erschöpfende Vorschriften zu erlassen, er- scheint unmöglich. Die Änderung von Tetrapteris in Tetrapteryx erscheint uns unzulässig, da es sich nicht um einen (in Art. 57 vor- gesehenen) typographischen oder orthographischen, sondern um einen etymologischen Irrtum handelt. Briquet ist sogar, fussend auf Art. 57, ein Gegner der Korrektur grammatikalischer Irrtümer und behält das ursprünglich von dem Autor angewandte Geschlecht eines Gattungsnamens entgegen allen philologischen Rücksichten bei (z. B. Potamogeton und Erigeron als neutrum, wie bei Linne), worin wir ihm freilich nicht zu folgen vermögen. Ad 11 (Schreibung aller Artnamen mit kleinen Anfangsbuch- staben): Der Vorschlag erscheint uns nicht sehr zweckmässig und Empf. X den Vorzug zu verdienen. Namen wie Lythrum hyssopifolia, Galium eruciata oder Selinum carvifolia erwecken den Verdacht phi- lologischer Unwissenheit und stehen daher im Widerspruch mit der These No. 9 von Sprague (Vermeidung falscher Konkordanz-zwischen Gattungs- und Artnamen und der Beleidigung des ltphitoISS WERE Sprachgefühls). Ad 12 (Weglassung des -- in der englischen Literatur gebräuch- lichen — Kommas zwischen dem Namen der Pflanze und dem des Autors): Zustimmung. Als Zusatz zu Art. 40 nützlich, allenfalls E auch als besondere, neue Empfehlung. Was den bereits zitierten neuen amerikanischen « Type-basis Code of Botanical Nomenclature» (vrgl. neuestens A. S. Hitchcock in «Science» N. 8. vol. LI, No. 1370 [April 1, 1921] 312—314) betrifft, so ist zu sagen, dass derselbe als Empfehlung für die Zukunft zur Ermittlung des nomenklatorischen Typus aufzuteilender Gattungen und Arten vorzügliche Dienste leisten kann, dass er aber, als Regel mit rückwirkender Kraft durchgeführt, zu umfangreichen, verhängnisvollen und unzweckmässigen Umwälzungen führen müsste. Endlich sei bei dieser Gelegenheit noch ein nomenklatorisches Problem zur Sprache gebracht, das am besten als Zusatzbestimmung zu Art. 46 untergebracht und erledigt werden könnte: Jahrg.66. HansSchinz. Mitteil.ausdem Botan. Museum der Univ. Zürich (XC1I). 317 Die Auswahl zwischen Namen gleichen Datums trifft der Autor, der die Vereinigung vornimmt, und ihm haben sich die folgenden Autoren anzuschliessen, sofern jene Vereinigung imEinklang mit den Bestimmungen des Art. 51,1 erfolgt ist. Art. 46 und Art. 51, 1 stehen sich in einzelnen Fällen antago- nistisch gegenüber und führen zu verschiedenen Resultaten. Aster Vaillantii All. (1785) und Inula Halleri Vill. (1785) sind zwei gleich- alterige, synonyme Bezeichnungen. Sie wurden von Villars (1789) unter dem Namen I. Vaillantii vereinigt, welches Vorgehen nach Art. 46 für die Zukunft massgebend sein sollte. Dem steht jedoch Art. 51, 1 gegenüber, der besagt, dass ein Name (Inula Vaillantii [All. 1785 sub Astere] Vill. 1789) nicht anerkannt werden darf, wenn für die betreffende Gruppe bereits ein älterer gültiger Name (Inula Halleri Vill. 1785) vorhanden ist. — Laserpitium simplex L. (1767) und L. mutellinoides Crantz (1767), zwei gleichalterige und synonyme Namen, wurden von Allioni (1785) unter Ligusticum simplex ver- einigt; dieser Name kann nach Art. 51, 1 jedoch nicht beibehalten werden, da schon 1779 von Villars die rechtsgültige Kombination Ligusticum mutellinoides gebildet worden war. In diesen Fällen der gegensätzlichen Wirkung zweier Regeln empfiehlt es sich zweifel- los, der Bestimmung allgemeinen Inhaltes (Art. 51,1) die Suprematie über eine Spezialbestimmung (Art. 46) einzuräumen und im Interesse der Vermeidung jeglicher Missverständnisse und Meinungsverschieden- heiten den Art. 46 mit der erwähnten, einschränkenden Zusatzbe- stimmung zu versehen, Eine Projektionsaufgabe und eine Kugelaufgabe. Von A. Kırrer (Zürich). (Als Manuskript eingegangen am 1. September 1921.) I. Gesucht im Raum der Ort eines Punktes O, von dem aus die Zentralprojektion eines Kegelschnittes X auf eine Ebene & einen gegebenen Brennpunkt U hat. Sind i, und i, die Geraden von dem Brennpunkt U nach den unendlich fernen imaginären Kreispunkten der Ebene 6, so ist O ein gesuchter Punkt, wenn zwei Tangenten des Kegelschnittes A sich von O aus in die Geraden i,,i, projizieren. Die Ebenen von O nach ij, i, sind also Tangentialebenen des Kegelschnittes. D.h.: Der gesuchte Ort wird von den vier Geraden ge- bildet, in denen die zwei Tangentialebenen durch ;, an denKegelschnitt von den zweiTangentialebenen durch i, an den Kegelschnitt geschnitten werden. Trotzdem die Geraden i,, i, imaginär sind, brauchen von den vier Geraden des Ortes nicht alle imaginär zu sein; im Gegenteil sind im allgemeinen zwei derselben reell und es soll sich darum handeln, dieselben zu konstruieren. Die Geraden i,, i, schneiden die Schnittlinie der Kegelschnittebene und der gegebenen Ebene in zwei Punkten A, B. Man stelle sich dieselben zunächst als reell vor; von A, B aus gehen an den Kegelschnitt vier Tangenten, die ein voll- ständiges Vierseit mit den Gegenecken ©, D und E, F bilden, wobei die Geraden von U nach den Punkten (€, D, E, F die gesuchten Ge- raden sind. Das Diagonaldreieck PQ R des Vierseits ist ein Dreieck harmonischer Pole für den Kegelschnitt. P ist der Pol der Geraden A Bin bezug auf den Kegelschnitt und Q, R teilen die Punkte 4A,B und die Schnittpunkte des Kegelschnittes mit der Geraden AB har- monisch. Bekanntlich liegt der Mittelpunkt M des Kegelschnittes mit den Mitten m,, m, von CD und EF und mit der Mitte m von AB auf einer Geraden; das Vierseit bestimmt nämlich eine Kegelschnitt- schar und die Mittelpunkte ihrer Kegelschnitte liegen auf einer Ge- Jahrg. 66. A.Kiefer. Eine Projektionsaufgabe und eine Kugelaufgabe. 319 raden, aber die Punktepaare ©, D und E, F und A, B sind spezielle Kegelschnitte der Schar. Da die Ecken des Diagonaldreieckes die Diagonalen des Vierseits harmonisch trennen, so ist er m, Gm, nD = m PP m Q:, ——— nE=m, F=m P’mR; aus diesen zwei Gleichungen sind die Punktepaare C, D und E, F zu konstruieren und die Geraden von U nach ©, D, E, F sind die ge- suchten. Die Konstruktion geht auch dann, wenn A, B imaginär sind und macht sich folgendermassen: Die imaginären Geraden i,,i,sindals Doppelstrahlen der Rechtwinkelinvolution mit dem Scheitelpunkt U bestimmt. Die Involution schneidet die Schnittlinie der Kegelschnittebene und der gegebenen Ebene in einer Punktinvolution, deren Mittelpunkt m der Fuss- punkt des Lotes Um von U auf die Schnittlinie ist; die Potenz der Involution ist — m U und die imaginären Doppelpunkte sind A,B. Das gemeinsame Paar dieser Involution mit der Involution harmonischer Pole des Kegelschnittes auf der Schnittlinie ist das Punktepaar Q, R. Der Punkt Pist der Pol der Schnittlinie in bezug auf den Kegelschnitt. Die Gerade vom Mittelpunkt M des Kegelschnittes nach dem Punkte m schneidet PQ und PRin m,,m, und nun sind (©, D und E,F als Doppel- punkte von Involutionen bestimmt mit den Mittel- punkten m,, m, und je einem Punktepaar P,Q, bezie- hungsweise P,R, oder mit den Potenzen m, P-m,Q und m; P- m,R; die Doppelpunkte (,Dund E,F werden reell oder imaginär, je nachdem die beiden Potenzen po- sitiv oder negativ sind, oder anders gesagt, je nach- dem m,, m, ausserhalb oder innerhalb von P,Q@ bezie- hungsweise P,R liegen. Der Punkt m liegt, als Mittel- punkt einerelliptischen Involution, zwischen Q,R; die Gerade von m nach dem Mittelpunkt M des gegebenen Kegelschnittes schneidet daher von den zwei Linien PR, PQ die eine direkt und die andere auf der Ver- längerung, d.h. von den zweiPunktepaaren(, DundE#, F wird das eine reell und das andere imaginär. Die auseinandergesetzte Konstruktion ist auch anwendbar, wenn der gegebene Kegelschnitt imaginär ist. Ein imaginärer Kegel- 320 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 schnitt kann durch ein Polarsystem oder als imaginärer Schnitt einer Ebene mit einer Fläche zweiten Grades gegeben werden. Die Punkte Q, R auf der Schnittlinie von & mit der Kegelschnittebene sind das gemeinsame Paar der durch die Rechtwinkelinvolution mit dem Scheitel U auf der Schnittlinie herausgeschnittenen Punktinvo- lution mit der Involution harmonischer Pole, die durch die Fläche zweiten Grades auf der Schnittlinie bestimmtist. Der Punkt Pist der Schnittpunkt der Kegelschnittebene mit der konjugierten Geraden zur Schnittlinie in bezug auf die Fläche zweiten Grades und der Punkt M ist der Sehnittpunkt der gleichen Ebene mit der konjugierten Geraden zu ihrer unendlich fernen Geraden in bezug auf die Fläche. Alles übrige wie vorhin. Wenn man die Ebene & mit dem Punkte U um die Schnittlinie mit der Ebene des gegebenen Kegelschnittes dreht, so bleiben die Punkte ©, D, E, F unverändert. Bemerkung. Soll die Zentralprojektion eines gegebenen reellen Kegelschnittes von einem Punkte O aus auf eine gegebene Ebene & ein Kreis werden, so ist der Ort von O der reelle Kegelschnitt, in welchem sich die zwei imaginären Zylinder durchdringen, welche durch den gege- benen Kegelschnitt nach je einem der unendlich fernen imaginären Kreis- punkte der Ebene & gehen. Irgend eine Parallelebene zur Ebene & möge den gegebenen Kegelschnitt in zwei imaginären Punkten schneiden, welche die Doppelpunkte einer Involution mit der negativen Potenz — c? sind. Betrachtet man diese Punkte als imaginäre Brennpunkte eines Kegelschnittes in jener Parallelebene, so liegen seine reellen Brennpunkte auf der Mittelsenkrechten und sind bekanntlich bestimmt als Doppelpunkte einer Involution mit derselben Mitte und der Po- tenz -+-c”. Diese Brennpunkte sind zwei reelle Punkte des gesuchten Kegelschnittes, von dem in dieser Weise beliebig viele Punkte ge- funden werden können. (Vierteljahrsschrift der Naturf. Ges. in Zürich. LXV, S. 466.) II. Gesucht im Raum die Gesamtheit aller Ebenen, die aus zwei, oder drei, oder vier gegebenen Kugeln gleich grosse Kreise heraus- schneiden. Zwei Kugeln mit den Mittelpunkten M,, M, und den Radien ?;, , mögen von einer Ebene in gleich grossen Kreisen geschnitten werden; bezeichnet man die Lote von M,, M, auf die Ebene mit d,, d,, 80 muss sein Jahrg. 66. A.Kiefer. Eine Projektionsaufgabe und eine Kugelaufgabe. 321 ri W=ri-d}; also Bee 1 d— d=r .; Beschreibt man um M,,M, als Mittelpunkte Kugeln mit den bezüg- lichen Radien d,, d,, so müssen sich die zwei Kugeln auf der Potenz- ebene der ursprünglichen Kugeln schneiden. Die beiden Kugel- paare haben die gleiche Potenzebene und der Fusspunkt des Lotes von der Mitte von M, M, auf die Schnittebene muss ebenfalls auf der Potenzebene liegen; denn er halbiert die gemeinsame Kugel- tangente, deren Berührungspunkte die Fusspunkte der Lote von M,,M, auf die Ebene sind. Nimmt man umgekehrt den Fusspunkt beliebig in der Potenzebene an, verbindet ihn mit der Mitte von M,M, und errichtet im Fusspunkt auf diese Linie die senkrechte Ebene, so muss sie eine gesuchte Ebene sein. D.h Die Gesamtheit aller Ebenen, die aus zwei Kugeln gleich grosse Kreise herausschneiden, umhüllt einRo- tationsparaboloid, das die Potenzebene der zwei Ku- geln zurScheiteltangentialebene hatunddessen Brenn- punkt die Mitte der beiden Kugelmittelpunkte ist. Dieses Paraboloid berührt auch die zwei gemeinsamen Tangen- tialkegel der zwei Kugeln; die Potenzebene liegt in der Mitte zwi- schen Spitze und zugehörigem Berührungskreis. Das Paraboloid schneidet irgend eine durch die zwei Kugelmittelpunkte gelegte Ebene in einer Parabel, deren Tangenten gleich lange Sehnen der aus den Kugeln herausgeschnittenen Grosskreise enthalten. Sind die zwei Kugeln gleich gross, so reduziert sich das Paraboloid auf ein Punkte- paar, von dem der eine Punkt die Mitte der Zentralen und der an- dere Punkt ihr unendlich ferner Punkt ist. Wird die eine Kugel zu einem Punkt, so berührt das Paäraboloid die andere Kugel längs des Kreises, der in der Polarebene des Punktes in bezug auf die Kugel liegt. Umgekehrt: Nimmt man bei einem Rotationsparabo- loid auf der Achse irgend zwei zum Brennpunkt sym- metrisch gelegene Punkte und legt um sie als Mittel- Punkte irgend zwei Kugeln, deren Potenzebene die Scheiteltangentialebene des Paraboloidsist, so schnei- det jede Tangentialebene des Paraboloids die zweiKu- Seln in gleich grossen Kreisen. Eine Tangentialebene des Paraboloids, welche die eine Kugel berührt, muss auch die andere berühren. Von den zwei Kugelradien ist der eine beliebig wählbar; er kann also auch null sein. 322 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Hat man drei Kugeln, so umhüllen die Ebenen, welche die erste und zweite Kugel in gleich grossen Kreisen schneiden, ein Paraboloid; ebenso umhüllen die Ebenen, welche die zweite und dritte Kugel in gleich grossen Kreisen schneiden, ein Paraboloid. Die gemeinsamen Tangentialebenen beider Paraboloide schneiden alle drei Kugeln in gleich grossen Kreisen und berühren auch das Paraboloid, das die erste und dritte Kugel bestimmen. D.h.: Die Gesamtheit der Ebenen, welcheausdreiKugeln gleich grosse Kreise herausschneiden, bildet eine de- veloppable Fläche vierter Klasse, welche den drei Pa- raboloiden gemeinsam umschrieben ist, die zu je zwei von den drei Kugeln gehören; die developpable Fläche hat auch die unendlich ferne Ebene zur Tangential- ebene und ebenso jede der acht gemeinsamen Berüh- rungsebenen der drei Kugeln. Die drei Tangentialebenen, die auf der Mittelpunktsebene der drei Kugeln senkrecht stehen, schneiden die drei Grosskreise der Mittelpunktsebene in gleich langen Sehnen. Wenn von den drei Ku- geln zwei einander gleich werden, so besteht die developpable Fläche vierter Klasse aus einer Kegelfläche zweiter Klasse und einer para- bolischen Zylinderfläche; die Spitze der Kegelfläche halbiert die Zen- trale der zwei gleich grossen Kugeln und die Tangentialebenen der Zylinderfläche laufen zu jener Zentralen parallel. Kegel und Zylinder- fläche berühren jedes der zwei Paraboloide, die zur dritten Kugel und je einer der zwei gleich grossen Kugeln gehören. Sind alle drei Kugeln gleich gross, so zerfällt die developpable Fläche vierter Klasse in vier Ebenenbüschel; die Scheitelkanten von dreien sind die drei Geraden, welche die Mitten von je zwei der drei Kugelmittelpunkte verbinden und die vierte Scheitelkante ist die unendlich ferne Gerade der Mittelpunktsebene. Hat man vier Kugeln im Raum, so gibt es sechs Paraboloide, die zu je zweien von den Kugeln gehören. Die drei Paraboloide, die zur ersten und zweiten, zur ersten und dritten und zur ersten und vierten Kugel gehören, haben ausser der unendlich fernen Ebene sieben Tangentialebenen gemeinsam, die alle sechs Paraboloide be- rühren. D. h Zu vier Kugeln im Raum gibt es sieben Ebenen, von denen jede alle vier Kugeln in gleich grossen Krei- sen schneidet. Sind zwei von den vier Kugeln gleich gross, so gehen vier von den sieben Ebenen durch die Mitte der Zentralen der zwei Kugeln; die drei Jahrg. 66. A.Kiefer. Eine Projektionsaufgabe und eine Kugelaufgabe. 323 andern Ebenen sind zur Zentralen parallel. Die Ebenen selber sind durch die angegebenen besondern Punkte und je zwei von den fünf nicht zerfallenden Paraboloiden bestimmt. Werden drei von den vier Kugeln gleich gross, so gehen sechs von den sieben Ebenen zu zweien durch die drei Geraden, welche je zwei der Zentralen der drei gleichen Kugeln halbieren und die siebente Ebene ist zur Zentralebene der drei Kugeln parallel; die Ebenen selber sind durch die angegebenen besondern Geraden und je eines der drei nicht zerfallenden Para- boloide bestimmt. Sind alle vier Kugeln einander gleich, so sind vier der sieben Ebenen die Ebenen, welche je drei von den Zentralen halbieren, die vom gleichen Mittelpunkt ausgehen und die drei andern Ebenen halbieren je vier von den Zentralen, welche von je zweien der Mittelpunkte nach den zwei andern laufen. Dabei können die Radien der gleichen Kugeln auch null sein. Die arktisch-subarktischen Arten der Gattung Phyllodoce Salisb. Von M. Rıkrı. (Als Manuskript eingegangen am 12. Oktober 1921.) A. Krone offen-glockig nicht gegen die Mündung zusam- mengeschnürt, nur im vordern Drittel oder Viertel kurz fünf- lappig, Kelch auf der Aussenseite drüsenlos, Zipfel öf- ters -+ spitz und am Rande sehr fein und dicht kurzwimperig, Antheren kurz, in der Krone eingeschlossen. Blüten meist 4—15, Blätter stark eingerollt; Mittelrippe der Blattunterseite spärlich drüsig bis kahl, Rillen dicht drüsig-behaart. 1. Ph. empetriformis (Smith) Don . Krone + krugförmig gegen die Mündung verengt, Kelch drüsenhaarig. a) Blätter nicht ie: -behaart, am Rande deutlich aber fein scharf gezähnelt. (Zähne mit je 1. sitzenden Punktdrüse.) Blüten zu 7—12. Krone kahl, gelblich grün, kaum doppelt so lang als der Kelch. Blütenstiele die Blätter kaum überragend. 2. Ph. aleutieca (Spreng.) D. et 6. Don b) Blätter + reichlich drüsig-behaart. I. Staubfäden dicht feinhaarig. Ganze Pflanze stark drüsig-behaart. Krone gelblich, kurz krugförmig. Blüten zu 4—12. 3. Ph. glanduliflora (Hook.) Howell II. Staubfäden kahl. Pflanze leicht drüsenhaarig, später ver- kahlend. Krone rötlich-violett, en zu 4—8. ‚ Ph. eoerulea (L.) Bab. je) Phyllodoce aleutica (Spreng.) D. et ir Don = Ph. Pallasiana D. et G. Von Ph. coerulea (L.) Bab. weicht diese i. ER durch kürzer gestielte gelblich-grüne Blüten, die auf der Aussenseite Jahrg. 66. M. Rikli. Die arktisch-subarkt. Arten der Gattung Phyllodoce Salisb. 325 nahezu oder völlig kahl sind. Die Kelchblätter erreichen reichlich halbe Kronenlänge; diese ist ziemlich plötzlich verengt, daher von mehr kugeliger Form. Der Blütenstand ist reichblütiger (7”—12). Sehr stark wechselt die Nadellänge, bald hat dieselbe nur 5—7 mm, bald bis 12 mm. Die vorwiegend nordasiatische Art ist von den Gebirgen Zentral-Japans von etwa 36° n an (U. Faurie, T. Makino, R. Yatabe, c. 1200—2500 m) über Kamtschatka bis ins Tschukt- schenland und nach Alaska verbreitet. Die Lütkexpedition sammelte sie an der Senjawinbucht (c. 64” 55'n). Auch F. R. Kjellman sah sie in den Küstengebieten des Tschuktschenlandes, Chamisso und Eschscholtz auf Unalaschka. Als südlichste Fundstelle Nordwest- Amerikas wird die Insel Sitka (Bongard) angegeben, doch bemerkt dazu Camillo Karl Schneider: „Was ich von Sitka sah, war glanduliflora.* 1. Phyllodoce eoerulea (L.) Bab. Andromeda coerulea L. (1753); Bryanthus coeruleus (L.) Dippel; Phyllodoce taxifolia Salisb. (1806). In dem dicht ineinander verflochtenen Kleingezweig der arkti- schen Zwergstrauchheide hat die dem Alpenbotaniker fremde, äus- serst zierliche Phyllodoce öfters eine führende Rolle. Zur Zeit ihrer Vollblüte, Anfang Juli, breitet sie herrliche, rotviolette Teppiche aus und bildet alsdann kleine zierliche Miniaturgärtchen von seltener Anmut und Frische. Doch ihre Pracht ist von kurzer Dauer, kaum 80 m tiefer hat sie schon verblüht, und wenige Tage werden ge- nügen, um auch hier am Berghang die Zauberkünste Floras zu zer- stören. | In der Heide bevorzugt die Phyllodoce tiefgründigere, etwas feuchtere Stellen. Zur schönsten Entfaltung kommt sie in Süd- lagen, an mehr oder weniger geneigten, windgeschützten Berglehnen und am Fuss senkrechter Felswände. Im nördlichen Grenzgebiet ihres Verbreitungsareals meidet sie die Küstennähe, jedenfalls zeigt sie Schon wenige Kilometer mehr land- beziehungsweise fjordeinwärts eine üppigere Entfaltung als an der Aussenküste. Als Humuspflanze hält sie sich vorzugsweise an die Zwergstrauchheiden, kommt jedoch auch unter Saliceten vor; gelegentlich trifft man sie, jedoch stets nur in spärlichen, kümmerlichen Exemplaren, auf Rundhöckern und Flechtenfjelden, oder als Bestandteil der Geröll- und Gratflora an. Im Winter verlangt sie Schneeschutz. Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 66. 1921. 22 326 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Kräftige Exemplare werden 20—25 em, gelegentlich wohl auch 35-40 cm hoch, doch werden diese Maximalmasse nur in den süd- lichen Gebirgsstationen (Japan) erreicht. Die kahlen Zweiglein sind hin und her gebogen (Fig. 1), in windoffenen Lagen + spalierartig dem Boden angepresst; unter günstigeren Verhältnissen auf- steigend bis auf- recht. Starke Äst- chen erreichen einen Durchmesser bis zu 4 mm. Ein von mir am 7. Juli 1908 bei Aumarutigsat ander Südküste von Disko gesammeltes Zweig- stück zeigte einen schwach exzentri- schen Holzkörper von 2,8 mm Durch- messer. Ich zählte reichlich 20 Jahres- ringe. Die ersten Jahrringe waren äusserst schmal und kaum von einander zu unterscheiden. Es ergibt sich für die- sen Fall somit eine mittlere Jahrring- breite von 0,07 mm. Phyllodoce coerulea (L.) Bab. Fig. 1. Unterer Teil eines Zweiges. Natürl. Gr. Fig.2. Zweigachse mitsich entwiekelnderBlatt- knospe. Vergr.2, nach E.Warming. Am Kingawafjord Fig. 3. Blütenzweig. Nat. Grösse. auf Baffin-Land be- Fig. 4. Blütenzweig. Vergr. 1,5. obachtete Am- bronn an einem al- ten Stämmcehen mit ziemlich deutlichen Jahrringen einen grössten Radius von 1,8 mm. Die Zählung ergab ein Alter von 28—30 Jahren, dies entspricht einer mittleren Jahrringbreite von nur 0,06 mm. Übrigens wechseln die Jahresringe mit dem Alter. Vom 1.9. Jakt sind sie ungefähr 0,06 mm breit, von 4.—6. Jahr c. 0,1 mm, sie eT- reichen in den folgenden Jahren sogar eine Breite von 0,12 mm. Die Jahrg. 66. M. Rikli. Die arktisch-subarkt. Arten der Gattung Phyllodoce Salisb. 397 späteren Zuwachsstreifen werden aldann wieder schmäler, um vom 12. Jahr an höchstens noch 0,04 mm zu betragen. Nach O.Kihlman wird das Zwergsträuchlein auf Kola bis über 37 Jahre alt, und zeigt je nach Standort und Höhenlage eine mittlere Jahrringweite von 0,8 bis 0,15 mm. Die dicht stehenden, sich mehr oder weniger dachziegelig decken- den, derb-lederigen, kurz gestielten, glänzenden, 1,8—1 em langen und 1—3 mm breiten, nadelartigen, an der Spitze stumpf abgerun- deten Blättchen (Fig. 2 u. 4) erinnern an kleine Eibenblättchen, weshalb die Pflanze in der Literatur vielfach auch unter dem Namen Ph. taxi- Folia Salisb. aufgeführt wird. Der Rand zeigt eine feine, mehr oder weniger regelmässige, kurzdrüsige Bewimperung. Auch diese Ericacee besitzt „Rollblätter“, doch ist die Zurückbiegung der Blattränder weniger ausgesprochen als bei Empetrum, der , Spalt“ somit weiter offen, d.h. die windstillen mit Hackenhaaren und vereinzelten Drüsen ausge- statteten Rillen sind nicht so tief, also weniger von der Aussenwelt abgeschlossen, als dies bei Zmpetrum oder gar bei Cassiope der Fall ist. Als Anpassung an die physiologische Trockenheit ihrer Standorte finden sich die etwas vortretenden Spaltöffnungen nur unter der zot- tigen Haarbedeckung der Blattunterseite. Aus den Zuwachsverhält- nissen ergibt sich, dass die Nadeln wenigstens drei Jahre, öfters aber auch fünf Jahre assimilationsfähig bleiben, um alsdann zwischen dem vierten und sechsten Jahre abgestossen zu werden. Aber nicht nur die Microphyllie und Ericoidie ist bei der Moorheide weniger typisch als bei den meisten andern arktischen und subarktischen Ericaceen, auch die Blattanatomie lässt erkennen, dass wir es mit einem verhältnismässig wenig ausgeprägten Typus zu tun haben. Dafür sprechen: die verhältnismässig schwach ent- wickelte Cuticula, das Fehlen einer Hypodermis, das Sklerenchym ist auf wenige Zellen in der Nähe der Gefässbündel beschränkt und das Schwammparenchym reichlich von Lufträumen durchsetzt. Auch ist das ein- bis dreischichtige Palissadengewebe wenig ausgeprägt, jedenfalls dürftiger entwickelt als das lockere Schwammparenchym. Auffallend ist endlich die spärliche Entfaltung des Leitungssystems. Neben dem unbedeutenden Mittelnerv finden sich jederseits nur noch ein bis zwei sehr kleine, aus wenigen Zellen bestehende, seitliche Gefässbündel. So zeigt das Blatt einen ausgeprägt dorsiventralen ufbau. Die am Ende der Sprosse doldenartig zu drei bis acht auftre- tenden Blüten (Fig. 3 u. 4) entspringen aus vorjährigen Knospen der oberen Blattachseln (Fig. 11 u. 12); sie erheben sich einzeln auf ver- 328 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 hältnismässig langen (2 bis 3,5 cm) steifen, purpurroten und reichlich rotdrüsigen Stielen. Auch die bleibenden, tief fünfteiligen Kelche sind dunkelrot und drüsen- haarig, deren lanzettlich-zu- gespitzte Zipfel erreichen etwa ein Drittel bis halbe Kronenlänge. Die lebhaft rot- . violetten, 1 cm langen, an ihrer Spitze kurz fünflappi- gen und etwas krugförmig verengten Blütenglocken (Fig. 9) sind überhängend, ihre Aussenseite kahl oder zerstreut behaart. Die Staub- beutel öffnen sich mit zwei endständigen, länglichen Po- ren (Fig. 12), und sind zwei- bis dreimal kürzer als deren kahleFilamente.Dieschildför- Fig. 6—8. Längsschnitte durch die Blüte von Phyllodoce coerulea. mige Narbe ist deutlich fünf- Fig.9. Blüte von aussen, nach Warming. lappig. Honig wird auf der Vergr. 3fach. ganzen Ovarialfläche abge- sondert. Im nördlichen Teil von Dänisch West-Grönland steht die Pflanze Anfang Juli in Vollblüte, doch kann man in günstigen Lagen die Blüten- glocken oft schon mehrere Wochen früher entfaltet sehen. Bei Sukker- toppen sammelte de Quervain schon am 19. Mai 1909 blühende Phyllodoce auf Rundhöckern, etwa Fig. 11 u.12. Bläiter aus der Blüten- 50—100 m über Meer. Auf Disko region. Vergr. 3fach. beobachtete ich 1908 an verschiede- Fig.13. Staubgefäss mit den Längs- nenStellen eine zweite Blütenperiode ; spalten. Vergr. Tfach, nachWarming. doch zeigen die Korollen der Herbst- blüte öfters eine anormale Ausbil- dung, indem sie bis auf den Grund unregelmässig zerteilt sind. Nach der Anthese fällt die Krone ab. Der zuerst in der Ko- rolle eingeschlossene, glatte, zarte Griffel wird nun fester, er ver- längert sich bis zur doppelten oder selbst dreifachen Länge der röt- Jahrg. 66. M. Rikli. Die arktisch-subarkt. Arten der Gattung Phyllodoce Salisb. 329 lichen, borstig behaarten, an der Spitze öfters schwach eingebuch- teten Kapsel. Die 3—4 mm lange, aufgerichtete, fünflappige, wand- spaltige Kapsel wird zunächst vom Kelch umschlossen, zur Reifezeit sind jedoch die Kelchzähne zurück- geschlagen. Die zahlreichen, ova- len glänzenden Samen besitzen einen schmalen Flügelrand. Die Entleerung der Kapsel erfolgt durch Xerochasie. Blütenbiologisch verhält sich unsere Pflanze innerhalb ihres nor- dischen Areals nicht überall gleich. Nach Ekstam ist sie im schwe- dischen Hochgebirge protogyniscl homogam; auch in Grönland be- obachtete EWarmingProto- gynie. Die Narbe ist daselbst viel- fach schon in der Knospenlage klebrig. Wichtig ist die Veränder- lichkeit der Griffellänge. Auf dem Dovrefjeld sah Lindman eine Fig.5. Zweig mit jungen Fruchtkapseln. Form, bei welcher der Griffel nur Verge. fach. 2 mm lang war, so dass die An- theren die Narbe überragten und bei der hängenden Stellung der Blüten mit- hin spontane Selbstbestäubung nicht er- folgen konnte. Anders in Grönland. Hier sind die Blüten meist kurzgriffe- lig; Narben und Antheren stehen an- nähernd in gleicher Höhe, daher ist spontane Selbstbestäubung unvermeid- lich (Fig. 6 u. 8). Auch an meinem von Disko mitgebrachten Material fand ich diesen Befund bestätigt. Verhältnisse, Fig. 10. Ältere Fruchtkapsel. durch welche eine Selbstbestäubung zur Bee nel. Notwendigkeit wird, finden sich in Grönland entschieden häufiger als bei Pflanzen südlicherer Pro- venienz. Die enge Kronenöffnung und die meist hängende Stellung der Blüten lassen nach P. Knuth auf Befruchtung durch Bienen schlies- 330 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 sen, doch sind solche als Besucher bisher nicht beobachtet worden, wohl aber nach Bessel der Falter Colias boothii H..Sch. Da die 10 Staubgefässe gerade den Kroneneingang versperren, muss der In- sektenrüssel beim Suchen des Nektars an die Antheren stossen und sich so mit Pollen beladen. Wenn einzelne Autoren Phyllodoce coerulea als eine circumpolare Pflanze bezeichnen, so trifft dies nicht ganz zu; sie ist im hohen Norden fast ausschliesslich von arktisch-atlantischer Verbreitung. Ihr Massenzentrum scheint in Westgrönland und Skandinavien zu liegen. In Norwegen wird sie von 58° 40° n (Schübeler) im Süden durch das ganze skandinavische Hochland m SE x ; X | | ee 111 A LG IRB WISE > FEAR E A BANN We | +“ ir e ispr age 3 a ER a } = RQ S & N: WE Aare K BSG Z EI RG m L Ä u WEN ;— 182 N DR NEE oje =: Fig. 14. Verbreitungskarte von Phyllodoce coerulea (L.) @. @. ---- Nordallantisches Hauptverbreitungsgebiet. und die Kjölen angetroffen. Sie geht in den Gebirgsgegenden von der oberen Coniferenstufe, d.h. von ca. 800 m bis über 1600 m, im Norden erreicht sie bei Hammerfest und bei Alten am Kaafjord (M. Martins) sowie auf Magerö (71° 7’n) und am Vardangerfjord das Meeresniveau. Auch den Gebirgen von Dalarne und Jemtland fehlt sie nicht. Ihr Verbreitungsgebiet umfasst in Schweden die Breiten- lage von 61—68° 30’ n. Nach F. Buhse findet sie sich in Rus- sisch-Lappland auch noch sparsam in Unterholz der Fichten- (Picea obovata) und Kieferwaldungen, so z. B. bis Kuusamo und Keret Kare- lien. Auf der Halbinsel Kola dringt sie durch die Tundra bis zur Jahrg. 66. M. Rikli. Die arktisch-subarkt. Arten der Gattung Phyllodoce Salisb. 331 murmanischen Küste (0. Kihlman), ebenso wird sie nach N.J. Fehlman am Imandrasee, auf den Chibiny-Alpen und bei der Stadt Kola angetroffen; auf der Bergkuppe Ounastunturi (68° 20’ n) _ sammelte sie Sandman mit Loiseleuria, Diapensia, Dryas, Arctosta- phylos alpina (L.) Spreng. Ihre Südgrenze scheint nach Hjelt und Hult bereits in Kemi-Lappmark bei 67° 20’ zu liegen, wo sie in der Umgebung von Kolari am Tornea EIf schon äusserst selten an- getroffen wird (Köppen); Grewingk brachte sie vom nördlichen Teil der Halbinsel Kanin mit. Auch vom Ural wird die Moorheide angegeben, doch nur südlich vom 67°n (Ruprecht) bis zu 61° 45’ n, woselbst sie von der Hoffmann’schen Expedition auf dem Pori-mongitur gesammelt worden ist. Auf dem Ssishup wächst sie nach Krylow nur unterhalb der Baumgrenze, > Auf Island ist sie nur im Norden der Insel nachgewiesen, sie wurde daselbst erst 1890 von Stefan Stefansson in der Gegend der Eyjafjorden entdeckt. Auf der Färör fehlt die Pflanze, dagegen treffen wir sie als Seltenheit wieder auf Heidemooren der Gram- pian Mts. Schottlands, unter 56° 50° n, nordwestlich von Dundee in Perthshire bei 785 m (J. D. Hooker). Von Spitzbergen und Nowaja Semlja ist die Phyllodoce coerulea nicht bekannt, ebenso fehlt sie auf allen Pflanzenlisten der nord- sibirischen Küste, und ausser auf Baffin-Land (63—67° 20 n) auch im arktisch-amerikanischen Archipel, sowie an der amerikanischen Eismeerküste. Wie weit sie von der Küstenlinie der arktischen Meere entfernt im subarktischen Gebiet der beiden nordischen Kontinente sich wieder einstellt, ist nicht näher bekannt. Ein zweites, offenbar sehr lückenhaftes Verbreitungsgebiet liegt in den südlichen Gebirgslandschaften. In N.-Amerika tritt sie in den Gebirgen der atlantischen Staaten der Union, von den White-Mountains New Hampshires durch Maine, Ontario, Quebec bis Labrador, so noch in der Umgebung von Ramah (ec. 59° n) auf; im Süden ist sie jedoch auf die Gebirgsregion der höheren Berge be- schränkt. Ein weiteres Verbreitungszentrum liegt in den Gebirgen des nördlichen Ostasiens: am Jenissei (Ledebour), im Altai, in Baikalien (Gmelin), Dahurien (Turez.), Ost- Sibirien (Ajan, Orchotsk), Kamtschatka (Steller). Die Süd- grenze liegt in der nördlichen Mandschurei (höchste Gipfel des Bu- rejagebirges) und in Nordkorea. Von diesem Gebiet strahlt die Moorheide einerseits nach der Tschuktschenhalbinsel (Konyam Bai, spärlich: Kjellman) und bis nach Alaska (Fjelde des Sitkabezirkes 332 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 bei 1050 m, Cook-Jnlet bis N. Vancouver-Insel; Harshberger) aus, andrerseits folgt sie dem japanischen Inselgebirge bis ins südliche Nippon, H. Faurie hat sie auf den Bergen Yezos bis c. 1500 m gesammelt, und nach J. Rein erreicht sie sogar noch die höchsten Gipfel der Gebirge der Provinz Shinano. Auf der Spitze des Ontake& (3004 m) und des Komagatake (N. Ono) ist die Moorheide mit Coptis trifolia, Anemone narcissiflora, Viola biflora, Diapensia lapponica, Rhododendron chrysanthemum, Cassiope Iycopodioides vergesellschaftet. Nicht ganz so südlich, aber ein entschieden isolierterer Standort liegt bei 42° 40 n, in den zentralen Pyrenäen. Die Pflanze tritt daselbst als grosse Seltenheit auf Felsen und im Kies des Quell- gebietes der Garonne, oberhalb Bagnöres de Luchon auf. Die sechs bekannten Standorte liegen bei c. 1700-1800 m auf der Nordseite der Maladettagruppe. i Es ergibt sich somit, dass der absolute Nordpunkt des Ver- breitungsareals der Moorheide bei Kangerdluarsukkingua (ec. 74° 18 n) an der Westküste Grönlands zu suchen ist, indessen der absolute Südpunkt im südlichen Nippon bei 35° 50’ n liegt. Im Herbarium des botanischen Gartens von Genf liegt eine Belegpflanze von Cha- mar; sollte es sich um die Chamar-Bagoda in Westtibet handeln, so würde dies der Breite von 31° 10’ n entsprechen. In Ost-Grön- land erreicht Phyllodoce coerulea noch die südlichen Verzweigungen des Scoresby-Sundes (69° 25’ n); doch scheint sie nur zwischen 60 und 66°n häufiger zu sein. Im Süden ausgesprochene Gebirgspflanze, kommt sie im Norden in unmittelbarer Meeresnähe vor. Nach E. War- ming erreicht sie in Grönland eine Meereshöhe von 630 m. Das Massenzentrum der Gattung Phyllodoce liegt im nördlichen pazifischen Gebiet. Von den sechs Arten dieses Genus sind drei auf das pazifische Nord-Amerika beschränkt (P%. Bre- weri [A. Gray] Heller, Ph. empetriformis [Smith] Don, und Ph. glan- duliflora [| Hook.] Coville); Ph. nipponica Mak. ist in Zentral-Japan en- demisch. Das Verbreitungsareal von Ph. aleutica (Spreng.) D. et G. Don, erstreckt sich vom südlichen Alaska über die Aleuten nach Kamt- schatka bis ins nördliche Japan. Da in Ost-Asien und in Nordwest- Amerika auch noch Ph. coerulea (L.) Bab. auftritt, besitzt das pazi- fische Nordamerika mithin fünf, das pazifische Ostasien drei ver- schiedene Phyllodocearten. Im orchotskischen Küstengebiet und auf Kamtschatka kommt dazu noch das nahverwandte monotypische Genus Bryanthus Stell. Einzig Phyllodoce coerulea besitzt eine grössere, über das pazifische Gebiet weit hinausgehende Verbreitung. Man wird daher wohl nicht fehl gehen, wenn man das Bil- Jahrg. 66. M. Rikli. Die arktisch-subarkt. Arten der Gattung Phyllodoce Salisb. 333 dungszentrum der Gattung Phyllodoce in das nördliche pazifische Gebiet verlegt. Von hier aus ist die Ph. coerulea wohl schon in spät tertiärer Zeit, ja möglicherweise noch früher, nach Norden ausgewandert. In der Glazialzeit ist einerseits ihr einst zu- sammenhängendes nordisches Areal zerstückelt worden, anderseits hat sie in dieser Periode in Europa (Pyrenäen) und in N.-Amerika (Alle- ghanies) ihre südlichen Gebirgsstationen erreicht. Ihr heutiges Massen- zentrum im nördlichen atlantischen Gebiet dürfte demnach nicht dem Sr E37 - o 20 7 7 en Eyer — ERS Pa 2 m. 13 ? a, BEN TAUE A ö Pa. ER] % RZ % Dr Be | x = = ae lu u BE LADEN RISGEA REN IND SZ BEN Berge A8- = —ZIRZR IT, 3 Im ren : Ba 6 - 2 ee Aa - 1:2 ne BE BEER 1 ER RIN E S 17 \Y AT N , la “zn &S A : Fig. 15. Verbreitungskarte der Gattung Phyllodoce. I—V Artenzahl der einzelnen Gebiete. —> Ph. aleutica Mak. 000 Ph. empetriformis Don ---- Ph.glanduliflora Howel. XXX Ph.nipponica Mak. « Ph. Breweri A. A. Keller ursprünglichen Bildungsherd der Art entsprechen, sondern erst prä- glazialen Ursprungs sein. Phyllodoce empetriformis (Smith) Don Aus dem Gewirr von Kleinsträuchern erhebt sich vor uns ein etwa 10—25 cm hohes, niederliegend-aufsteigendes, immergrünes Holz- gewächs mit offenglockiger Krone und nur am Rande dicht kurzwimperigem, sonst kahlem Kelch. Die langgestielten (1,5 bis 2 cm) blassroten oder rotpurpuren Blüten entspringen zu 4—15 aus den Achseln der dicht gedrängten, obersten, fast nadelartigen Laub- 334 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 blätter. Sie "erwecken so den Eindruck einer den Trieb abschlies- senden Blütendolde. Zwischen der kurzen flaumigen Behaarung tragen die Blütenstiele kleine, gelbliche Stieldrüsen. Ph. empetriformis ist eine Gebirgspflanze des pazifischen Nordamerika. Sie bewohnt das Küsten- und Kaskadengebirge, die Rocky Mts. nördlich von 42° n (Wyoming, Idaho, Montana) und die Gipfelregion der Selkirks Mts., um von diesem Verbreitungs- zentrum bis ins subarktische Alaska auszustrahlen. Gern hält sie sich an etwas feuchte Stellen der subalpinen Stufe, folgt öfters den Bächen oder tritt selbst in Sphagneten auf. Am Mt. Shasta ist sie gemein (Harshberger); in einer Meereshöhe von 1500— 2700 m blüht sie bereits Anfang Juni. Im Vaceinietum des Mt. Rainier bei Tacoma bildet sie nach ©. Schröter bei 2300 m tundraartige Ve- getationen. Sie tritt ferner in der Fjeldformation der Sitkaregion von der Vancouver-Insel bis zum Cook Inlet (c. 62° n) auf. Harshberger erwähnt sie vom Krumholzgürtel des White-Passes. Phyllodoce glanduliflora (Hook.) Howell Die drüsige Moorheide hat ihren Namen reichlich verdient, zeich- net sie sich doch von allen Phyllodoce-Arten durch die sehr reiche, feindrüsige Behaarung aller Teile aus, selbst die Staubgefässe sind dicht feinhaarig und auch die Aussenseite der gelblichen, kurz krugförmigen Blüten ist deutlich behaart. Auf den Nadeln hält sich die Behaarung ebenfalls länger als bei den andern Moorheiden. Ph. glanduliflora ist eine wirklich alpine Spezies der höheren Lagen der Selkirks Mts., wo sie kaum unter 2000 m auftritt. In den Rocky Mts. findet sie bereits bei etwa 49° n ihre Südgrenze (Harsberger). In den pazifischen Küstenketten reicht ihr Areal von Oregon und Washington bis Sitka und Alaska (Harriman, D.W.Cullertson). Am White Pass (Harsberger) im Mt. Eliasgebirge (c. 61° n) und in der Disenchantment Bay (c. 60° n) gehört sie dem baumlosen Gürtel an und geht kaum unter 800 m. Über Bau und Lebensweise der tetrabranchiaten Cephalopoden. Von Dr. Apour Narr (Zürich). (Als Manuskript eingegangen am 16. Oktober 1921.) Dass das Studium der rezenten Formen einer Gruppe die Vor- aussetzung für die biologische Beurteilung ihrer stets unvollständig bekannten fossilen Vertreter bilde, und dass diese Beurteilung nach Massgabe der „Homologien“ erfolgen müsse (Cuviers, Korrelations- prinzip), ist ein längst anerkannter Grundsatz, über dessen Anwen- dung im Einzelnen ich an anderer Stelle handeln will. (Vgl. Palaeo- biologie und Phylogenetik in: Abh. z. theoret. Biologie, herausgegeben von J. Schaxel, Berlin 1922.) Dies erscheint um so notwendiger, als die neuere Palaeontologie (besonders G. Steinmann, aber auch 0. Abelu. a.) seine absolut zentrale Bedeutung immer wieder zu ver- gessen scheint, in Überschätzung der „Analogien* und unter Ver- kennung des prinzipiellen Gegensatzes zwischen typischen und atypi- schen oiskkaiten: (Vgl. darüber zunächst Naef 1919: Idealist. Morphologie und Phylogenetik, G. Fischer, Jena, sowie Naef 1921: Cephalopoden, Bd. 1, p.8—10 und 25 in Fauna und Flora des Golfes von Neapel, 35. Monographie. R. Friedländer, Berlin.) Man hat, z. T. infolge der unglücklichen Arbeitsteilung, welche die Palaeonto- logie der systematischen Morphologie zunehmend entfremdete, ver- säumt, die methodischen Gesichtspunkte der letzteren weiter zu pflegen und zu vertiefen. Die von mir als „naive Phylogenetik“ be- zeichnete Strömung innerhalb der Morphologie hat diese Entwicklung in hohem Masse gefördert und die Fundamente der zu Unrecht aus- einander gerissenen Disziplinen untergraben. Dass auch das Korrelationsprinzip nicht alles leisten kann, was die Palaeobiologie von ihr erwarten möchte, ist eine betrübende Tat- sache. Es versagt notwendig, wenn nähere rezente Verwandte zur Deutung eines Petrefakts überhaupt nicht herangezogen werden können, sei es, dass sie lebend nicht zugänglich, sei es, dass sie aus- gestorben sind. Denn offenbar nimmt die Berechtigung zu Schluss- 336 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 folgerungen aus dem Verhalten einer Art für das der andern ab mit dem Grade der systematischen (phylogenetischen, morphologischen) Verwandtschaft. Für die Betrachtung der fossilen Tetrabranchiaten, einer palaeozoologisch und geologisch ganz besonders wichtigen Tier- gruppe, ist der Vergleich mit den rezenten Nautilusarten in erster Linie massgebend. Erst in zweiter Linie dürfen fernerstehende Verwandte herangezogen werden. Dies erscheint z. B. als völlig un- berechtigt bei den streng nautiloiden Typen, etwa den ältesten Am- monoidea (d.h. den devonischen Goniatiten) und den Nautilidae s. str. Nichts veranlasst uns, wesentliche Abweichungen derselben vom le- benden Nautilus im ganzen Bau und Verhalten anzunehmen. Nautilus ist selbst ein necto-beuthonisches Tier, das in einiger Ufernähe 1—600 m Tiefe an den Grund gebunden ist, sich aber mehr schwimmend als kriechend bewegt und sich von mehr oder weniger wehrloser tierischer Beute nährt (Krebse, Fische, Würmer, Weichtiere, beson- ders Aas). Über das lebende Tier berichtet Dean 1901 (Amerie. Naturalist, v.25). Der ökologische Charakter der Gattung steht un- verkennbar zwischen dem eines typischen Gastropoden und dem eines dibranchiaten Cephalopoden oder „Tintenfisches“. Über seinen morphologischen Aufbau vergleiche man die Arbeiten von Griffin 1898 (Mem. Nat. Acad. Se. v.8) und Willey 1902 (Zool. Results, Cambridge), sowie Naef, 1921, Cephalopoden, Bd. 1, p. 55—76. Eine zusammenfassende Darstellung ist vorbereitet. Auch den weiter ab- stehenden Typen der Tetrabranchiaten müssen im Prinzip die Eigen- schaften von Nautilus zugeschrieben werden, Abweichungen von dieser Gattung sind nur insoweit anzunehmen, als die beobachteten Tat- sachen, d. h. die in Form und Vorkommen der Schalen ausgesproche- nen Besonderheiten dies verlangen. Dabei wird in erster Linie be- rücksichtigt werden müssen, was sich sozusagen als mechanische Konsequenz aus solchen Merkmalen ergibt. Denn natürlich muss die Form des Weichkörpers der der Schale (Wohnkammer) angepasst werden. — Erst in zweiter Linie werden wir untersuchen, was aus dem Vergleich ferner stehender Verwandter mit teilweise ähn- lichen Eigenschaften, d. h. auf Grund von „Analogien“ erschlossen werden darf. Dabei kommen wesentlich zwei Gruppen in Betracht: die Schnecken als „niedere‘, die Dibranchiaten als „höhere“ Ver- wandte. Mit den ersteren werden wir z. B. die asymmetrischen Am- monoiden (Turrilites, Cochloceras), vergleichen, bei denen eine sekun- däre Anpassung an kriechende Lebensweise angenommen werden muss, oder auch die älteren Typen der gewundenen Nautiloiden, deren Pla- norbis-artige Schalenform ebenfalls eine entsprechende Bewegung be- Jahrg.66. A.Naef. Bau und Lebensweise der tetrabranch. Cephalopoden. 337 dingt (wenngleich nicht mit derselben Ausschliesslichkeit). (s. unten!) Dagegen werden wir bei den Nautiloiden und Ammonoiden mit ge- streckten Schalen die Analogie mit den moderneren Decapoden- typen bevorzugen, wobei wir den systematischen Stufen folgen müssen, indem wir von den lebenden Teuthoiden und Sepioiden zunächst auf die fossilen Belemnoiden und von diesen erst auf die gestreckten Te- trabranchiaten schliessen. Das muss z. B. zu der Annahme führen, die Orthoceren seien mehr Schwimmer als Kriecher gewesen, wie denn schon das Verhältnis von Luft und Schalensubstanz, besonders bei den jungen Tieren ein Leben an der Oberfläche und eine wagerechte Schwimmhaltung mechanisch bedingt. Besondere Einrichtungen finden sich, um diese auch in der Ruhe zu sichern (Ascoceras, stabförmig verlängerte Typen) oder die Drehung um die Längsaxe mühelos zu vermeiden. (Dorsales Vorgreifen der Septen, ventrale Lage eines starken Sipho.) Ein besonderes Interesse verlangt der Mündungsrand. Bei den nautiloiden Schalen ist derselbe ventral kahnartig vorgezogen (ähnlich dem Mantel nektonischer Sepioliden!) und deutet auf schwim- mende Bewegung, indem er die kriechende behindert und den Trichter stützt. Bei den planorboiden schneidet er ziemlich quer ab, tritt ven- tral sogar etwas zurück, in geradezu auffallender Übereinstimmung mit dem rechtsseitigen Mündungsrand von Planorbis corneus. — Die Entwicklung seitlicher Ohren oder eines ventralen Kiels deutet eben- falls auf schwimmende Bewegung. Eine eigene Deutung verlangen die Verengungen des Mündungs- randes bei vielen ausgewachsenen Tetrabranchiatenschalen, weil mit ihnen offenbar das Leben der Träger abschloss. Abel hat darin ein Zeichen für mikrophage Ernährung gesehen, was auf den ersten Blick einleuchten mag. (Handb. d. biol. Arbeitsmethoden [ Abderhalden] 1921, p. 209.) Wenn man aber bedenkt, dass das ganze Jugendleben hindurch eine normale Mündung vorhanden war, wie die Zuwachslinien deutlich zeigen, wird diese Auffassung unbefriedigend: Denn warum sollte am Ende der Wachstumsperiode eine besondere Betonung von Ernährungseinrichtungen eintreten? Wir sehen hier vielmehr die Zei- chen der Fortpflanzungsart und erinnern uns dabei an das Verhalten lebender Cephalopoden: Die von mir beobachteten mediterranen Oc- topus-Arten z. B. brüten nur ein einziges Mal und es sterben wenig- stens die Weibchen nachher ab. Mit Beginn des Laichens stellen sie die Nahrungsaufnahme ein und erschöpfen alle Kräfte und mate- riellen Reserven in der Erzeugung einer Unmasse von Eiern (Octopus vulgaris: ca. 100,000!) und deren Pflege. In den verengten Wohn- 338 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 kammern von Gomphoceras und Phragmoceras sehe ich die Brut- hälter der reifen Weibchen, in denen die jungen Tiere, vielleicht sogar nach dem Absterben der Mutter oder nach Aufzehrung ihrer Über- reste, Schutz fanden. In derselben Weise deute ich auch die Pfeifenkopf-artigen End- teile ausgewachsener Scaphiten, Macroscaphiten, Hamiten und Crio- ceren. Solche Bildungen mussten der kriechenden und schwimmenden Lebensweise in gleichem Masse hinderlich sein und konnten erst da einen Sinn haben, wo das Leben des Individuums dem der Gattung zum Opfer gebracht wurde. Ein Crioceras (Ancyloceras) Mathero- nianum d’Orb z. B. muss, die lufthaltige Spirale nach oben, den Pfeifen- kopf nach unten, in der Schwebe gehalten worden sein und mag vor und nach dem Absterben der Mutter den Jungen als schützende Arche gedient haben. Die wissenschaftliche Ausarbeitung und Illustration solcher Be- trachtungen findet man später in meinen „Studien über fossile Ce- phalopoden‘. Die Reservestoffe bei einigen anemophilen Pollenarten. Vorläufige Mitteilung von Here Bopmer. (Als Manuskript eingegangen am 20. Oktober 1921.) Molisch'), Lidforss?), Sterner?), Tischler‘) und Kylin®) untersuchten eine grössere Anzahl Pollenarten auf ihren Reservestoff- gehalt. Sie unterscheiden zwischen Stärke- und Fettpollen. Beim Fettpollen konstatierte Tischler‘) meist ein Stärkestadium vor der Anthese. Lidforss?) glaubte festgestellt zu haben, dass der ane- mophile Pollen im Gegensatz zum entomophilen vorwiegend stärke- führend ist? Lidforss sah hierin eine Energieersparnis der Wind- blütler, die sich wegen ihrer reichlichen Pollenproduktion gleichsam den „Luxus“ der Stärkeumwandlung nicht leisten könnten. Er stellte auch die Vermutung auf, dass in klimatisch weniger günstigen Ge- genden meist Stärkepollen vorkommen müsste. Von Tischler‘) und Kylin®) wurde die Lidforss’sche Hypothese widerlegt. Die Qua- lität der Pollenreserven ist nach ihnen für jede Pflanzenart, oft auch für ganze Familien charakteristisch, unabhängig von Standortsfak- toren. Kylin unterscheidet fünf Gruppen von Pollenarten, je nach dem Zeitpunkt der Stärkelösung. Als Stärkepollen bezeichnet er solchen, bei dem, z. Z. des Stäubens, die Stärke nur teilweise oder nicht ge- löst ist (8:5): ‘) Zur Physiologie des Pollens mit bes. Rücksicht auf die chemotropischen Be- wegungen der Pollenschläuche. Sitzungsber. Wien. Ak. d. Wiss. 102 I, 1893, S.423—447. °) Weitere Beiträge zur Biologie des Pollens. Jahrb. f. wiss. Bot. 29, 1899. S. 1-38. "7 ee: Studien im nördlichsten Skandinavien. Arkiv f. Bot. 12, Nr. 12, ‘) en, Studien. Ztschrift f. Bot. 9. 1917. S.418—488. 2 a onnoioe. Studien im nördlichsten Schweden. Arkiv f. Bot. 15, Nr. 17, 1918/19 Dy Untersuchungen über den Stärkegehalt des Pollens tropischer Gewächse. Jahrb. f. wiss. Bot. 47, 1910. S. 219—242. 340 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Bei den obigen Untersuchungen ist nicht berücksichtigt, dass die Antherenentwieklung nicht den gleichen Bedingungen unterliegt, wie die Stoffspeicherung und -wandlung im Pollenkorn. Grosse Luftfeuch- tigkeit kann die Dehiscenz der Antheren verzögern, wie Hannig’s Versuche”) zeigen. Im dampfgesättigten Raum kann man gestreckte, „reife“ Antheren tagelang geschlossen erhalten, wenn die Sonne nicht darauf scheint. (In der Natur wird es sich natürlich um geringere Zeitspannen handeln.) An Fraxinus und Populus konnte ich zahlreiche diesbezügliche Beobachtungen machen, die deutlich die Unabhängigkeit von Reserve- wandlung im Pollenkorn und Antherendehiscenz zeigen. Populus tremula. Ein Bäumchen auf der Terrasse des Institutes (ca. 500 m ü. M.) stäubte seine ersten Kätzchen am 21. II. aus. Die Blüten öffneten sich nicht in Spiralfolge von der Basis gegen die Spitze, sondern die ganze Südhälfte des Kätzchens war aufgeblüht, die Nordhälfte nicht. Ins Zimmer genommen und der Sonne zugewendet, öffneten sich auch die Nordblüten nach wenigen Minuten, infolge der geringeren relativen Feuchtigkeit. 60°%, dieser Pollenkörner enthielten Stärke in allen Stadien der Lösung, daneben Fett. Einige noch völlig geschlossene Kätzchen wurden am 21. II. in den dampfgesättigten Raum gebracht, am 22.1]. war der Pollen völlig stärkefrei. An den unteren Ästen auf der Nordseite des Baumes blühten einige Kätzchen erst am 28. I. , auf, ihre Pollenkörner erhielten keine Stärke mehr. Vom Ütliberg bei Zürich (800 m ü. M.) wurden am 21. II. Zweige mit noch ge- schlossenen Kätzchen gebracht (deren Pollenkörner alle noch Stärke enthielten). Ein Zweig davon blühte am 22. II. im Zimmer auf (bei 50 %, relativer Luftfeuchtigkeit). Mehr als 50%, der Pollenkörner enthielten Stärke. Ein anderer Zweig blieb bis zum 25. II. im dampf- gesättigten Raum: alle Pollenkörner waren jetzt stärkefrei. Fraxinus excelsior. 1. Vom Zürichberg (600 m), im Zimmer am 25. II. aufgeblüht: 60°, mit Stärke, im dampfgesättigten Raum bis 28. IIl.: stärkefrei. 2. Vom Ufer der Sihl in Zürich (400 m): keine Stärke. 3. Von einem Waldsüdrand aus der Umgebung Zürichs (500 m): " 10°), mit Stärke. ?) Über den Öffnungsmechanismus der Antheren. Jahrb. f. wiss. Bot. 47, 1910. S. 186. Jahrg.66. H.Bodmer. Reservestoffe bei einigen anemophilen Pollenarten. 341 4. Im Zimmer „forcierte“ Blüten (an der Sonne, hinter Fenster- scheiben): 100 °/, mit Stärke. 5. Zweige mit geschlossenen Antheren lagen über Nacht auf dem Tisch (ohne Wasser). Die dem Tisch direkt aufliegenden Antheren öffneten sich über Nacht (infolge ihrer Atmungswärme, offenbar): 90°/, mit Stärke. Sowohl stärkehaltige wie stärkefreie Pollenkörner von Fraxinus keimen gleich gut auf dem Objektträger im dampfgesättigten Raum (Schläuche im Maximum 700 u lang). Nach vierzehntägigem Liegen enthalten die lufttrockenen Pollen- körner von No. 5 immer noch Stärke (Lebensdauer ca. 20 Tage). (Luftrockene Pollenkörner sind sehr wasserarm.) Bei Corylus avellana und Ulmus montana fand ich ein analoges Verhalten. Die Differenzen in den Befunden der verschiedenen Au- toren (s. oben) beruhen gewiss z. T. auf ähnlichen Verschiedenheiten der Aussenbedingungen wie bei Populus und Fraxinus. Der sogenannte Stärkepollen enthält meist neben der Stärke noch Öl. Tischler*) S. 450 beobachtete bei Alnus viridis, Renner?) S. 328 bei Oenotheren, dass die Stärke !des ausgestäubten Pollens nachträglich noch in Fett umgesetzt wird, dieser Prozess wird nach Renner durch Wasserzusatz (s. oben bei Fraxinus No. 5), und hohe Temperatur (36°) beschleunigt. Dieser sekundäre Fett- pollen soll nach Tischler‘) 8. 481 und Renner‘) $. 331 nicht schlechter keimen als der stärkehaltige. Bei Typha latifolia beob- achtete ich nach dem Stäuben ebenfalls Fettbildung (Tropfen). Wäh- rend der frische Pollen gut im dampfgesättigten Raum keimte, tat dies der ältere nur in Zuckerlösungen. Auch Corylus-Pollen mit Öl- tropfen keimte nicht mehr im dampfgesättigten Raum. Diese Öl- tropfen sind möglicherweise nicht mehr mobilisierbar. £ Bei Luzula pilosa und campestris z. B. befindet sich das Öl in Emulsion. (Im toten Korn [Lebensdauer ca. 5 Tage] ist ‚das Ol zu Tropfen zusammengelaufen). Martin°) $. 114 gibt auch für Tri- foliumarten emulgiertes Fett an, und ich konnte dasselbe bei den meisten untersuchten Fett- und Stärke-Fettpollen konstatieren. Durch Verminderung der Stoffzufuhr kann Fettpollen künstlich erzeugt werden. Hungernde !Inflorescenzen von Plantago lanceolata und media und von Gramineen stäuben nach einem Tag schon Fett- —— in 8) Zur Biologie und Morphologie der männlichen Haplonten einiger Oenotheren. Ztsft. £, Bot. 11, 1919. S. 305—380. 1.) The Physiology of the Pollen of Trifolium pratense. Bot. Gaz. 56, 1913. « 112— 196 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg.66. 1921. 23 342 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 pollen, von Carex montana, Rumex scutatus nach 2—3 Tagen. Die zugeführten Reserven sind hier geringer als normal, so dass bis zum Zeitpunkt der Antherendehiscenz sämtliche Stärke in Fett übergeführt werden kann. Die Stoffzufuhr zu den Pollenkörnern erfolgt bei den untersuchten Arten sehr spät, in schon weit entwickelten Blüten. Bei Pflanzen von Schoenoplectus lacustris, die sofort nach dem Pflücken untersucht wurden, ist zu Beginn des weiblichen Stadiums noch keine Stärke in den Pollenkörnern abgelagert. Bei Secale können noch kurz vor dem Ausstrecken der Filamente grosse Vacuolen in den Pollenkörnern beobachtet werden. Gehemmten Pollen werden wir im Freien nur antreffen, wenn Pflanzen nach Anlegen der Inflorescenzen unter schlechtere Be- dingungen geraten. Im allgemeinen scheint die Pflanze im gegebe- nen Milieu soviel Blüten anzulegen, als sie normal ausbilden kann. Ich habe z. B. bei Plantago lanceolata von ca. 10 verschiedenen Stand- orten nie stärkefreien Pollen gefunden. — Unter normalen Be- dingungen stärkefreien Pollen kann man nicht ohne weiteres als re- servearm bezeichnen, überhaupt dürfen Pollenarten verschiedener Gat- tungen oder gar Familien nicht miteinander verglichen werden. Jede Spezies stellt offenbar normal ihrem Pollen ein gewisses Quantum Reservestoffe zur Verfügung und von der spezifischen Inten- sität der enzymatischen Prozesse und der Menge der zugeführten Reserven hängt es ab,ob noch vor derAn- these alle Stärke in Fett übergeführt werden kann. (Es ist natürlich auch möglich, dass es Arten gibt, deren Pollen kein Stärkestadium passiert). Dass der Zeitpunkt der Antherendehiscenz dazu noch verschiebbar ist, habe ich oben gezeigt. Interessanter als die Qualität der Pollenreserven ist die Frage nach ihrer Quantität und ihrer Verwertung beim Auskeimen. In der Literatur wird meist von den qualitativen Reservever- hältnissen gesprochen. Es ist auch fraglich, ob quantitative Unter- suchungen ein einwandfreies Bild geben (v. Planta!°), Kresling''), Braconnot'?) Erstens ist das Material selten völlig homogen, da bei längerem 10) Über die aan Zusammensetzung des Blütenstaubes der Haselstaude. Die landwirtschaftl. Versuchsstationen. 31, 1885. S. 97—114. '!) Über die chem. Zusammensetzung des Blütenstaubes der gemeinen Kiefer. Ebenda 32, 1886. S. 215—230. 12) Beiträge zur Chemie des Blütenstaubes von Pinus silvestris. Archiv f. Phar- macie. 229, 1891. S. 389-425. Jahrg. 66. H. Bodmer. Reservestoffe bei einigen anemophilen Pollenarten. 343 Liegen des Pollens Wandlungen stattfinden und ein Teil der Reserven veratmet wird; zweitens wird von zwei Pollenarten mit z. B. gleichem Durchmesser und gleicher Membranmasse, der reserveärmere Pollen einen grösseren Prozentsatz an Membranstoffen ergeben. Mit den Schlagwörtern „Stärke“- und „Fettpollen“ ist aber, wie wir oben sahen, auch nichts über quantitative Verhältnisse ausge- sagt. Cannabis sativa z. B. zeigt im normalen, reifen Pollen noch grosse Vacuolen, ist also sehr reservearm. (Blüten von Plantago nach zwei Tagen in der Vase aufgeblüht stäuben im Cannabis-Stadium, mit grossen Vacuolen.) An einem Standort enthielt Cannabispollen noch etwas Stärke, an einem andern nur Fett. Von Molisch'') wird für Cannabis Stärkepollen angegeben, von Lidforss?) Fett- pollen. Kann nun dieser Stärke- oder Fettpollen von Cannabis mit dem Stärkepollen von Typha z. B., oder dem Fettpollen von Zuzula verglichen werden, welche beide mit Reserven vollgestopft sind? Das Vermögen der Reservespeicherung hört übrigens mit dem Verlassen der Antheren bei gewissen Arten noch nicht auf. Bei Pinus und Pices wurde von Tischler(*) S. 453) Stärkebildung in den sehr langsam auskeimenden Pollenkörnern auf zuckerhaltigem Nährsubtrat beobachtet. — Gelänge es, andere Pollenarten unter ähnliche Be- dingungen zu bringen, wie sie innerhalb der Anthere herrschen, z. B. durch hohe Konzentration des Mediums, um das Auskeimen zu ver- hindern oder zu verzögern, so müsste auch hier wie bei Pinus wei- tere Speicherung möglich sein. Diesbezügliche Versuche sind mir bis jetzt noch nicht gelungen. Aber vergleichende Kulturen im dampf- gesättigten Raum einerseits, in Glukoselösungen andererseits, ergaben unzweifelhaft, dass aus dem Substrat Nährstoffe aufgenommen werden: In Glukoselösung (5 °%/,) trieb der Pollen von Plantago lanceolata in 24 Stunden Schläuche von 1200 u Länge, die noch viel Stärke ent- hielten, von Rumex scutatırs Schläuche von 1500 u, solche von 900 u noch mit Stärke. Im dampfgesättigten Raum dagegen, ohne Sub- strat, waren bei Plantago Schläuche von 100 u, bei Rumex von 60 u schon stärkefrei. Bei Plantago werden ohne Substrat die Schläuche im Maximum nur 700 u lang, bei Rumex 650 u. Die Reserven des Pollenkornes dienen offenbar bei der Keimung zur Aufrechterhaltung eines osmotischen Überschusses, während die Ernährung von aussen erfolgt, in der Natur vom Griffelgewebe aus. Bei Plantago ist der Griffel 3 mm lang, bei Rumex die Narbenäste bis 1,5 mm, hier würden also die Pollenreserven allein nicht ausreichen bis zur Fruchtknoten- höhle. (Renner erwähnt bei Oenotheren®) S. 331, dass Schläuche, die die Fruchtknotenhöhle schon erreicht haben, noch stärkehaltig 344 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 sind! Bei Epilobium angustifolium enthält der Pollen, wie bei Ren- ner’s Oenotheren, neben Fett viel Stärke, .die bei Dampfraumschläu- chen von 1000 u Länge schon völlig gelöst ist!) Um zu beurteilen, wie weit die eigenen Reserve- stoffe der Pollenkörnerreichen, scheinen mir Kulturen im dampfgesättigten Raum am geeignetsten. (In Wasser- kulturen könnte Exosmose stattfinden). Hier einige maximale Schlauch- längen: en Luzula campestris, Juncus articulatus (Fettpollen) bis 1000 u 25 u Plantago lanceolata (Stärke und Fett) „700 u 30 u Rumex acetosa (vorwieg. Stärke) _ 650: 20 Frazinus excelsior (Fett und Stärke) „.»720:8 25% Molinia coerulea (Stärke und Fett) „8300 u: 308 Cannabis sativa (wenig Fett) „.10u 304 Am Platzen der Schlauchspitzen, bei vorhergehendem regelmäs- sigen Wachstum, wurde das Ende der Zellulosebildung erkannt. Nach höchstens 40 Stunden (Temperatur ca. 20° C) waren diese Maxima erreicht. Der Fettpollen scheint gegenüber dem „Stärke“-Pollen nicht benachteiligt zu sein. Wohl in den meisten Fällen dringen die Schläuche in das Narbengewebe ein, bevor sie die durch eigene Er- nährung mögliche Länge erreicht haben. Beobachtungen an Typha latifolia zeigen jedoch, dass die Pollenreserven unter Umständen recht weit reichen müssen. Hier sieht man, wie von einer Tetrade aus, die an irgend einer Narbe haftet, meist alle vier Schläuche durch die Luft nach andern Narben hinüberwachsen und eine Strecke weit an den Narben entlangkriechen, bevor sie in dieselben eindringen. Solche Brückenschläuche erreichen bis 1000 u Länge, häufig 600 u. Es, wäre natürlich möglich, dass die Pollenkörner und Schläuche schon bevor sie eindringen, der Narbe Nährstoffe entnähmen. Doch die grossen Reservemengen des Typhapollens, vorwiegend Stärke, sowie das starke Schwinden der Stärke in den längeren Brückenschläuchen sprechen für selbständige Ernährung. Vergleichende Kulturen im dampfgesättigten Raum ergaben in 24 Stunden Schläuche von 500 u, eren Spitzen mit Stärke noch vollgepfropft waren: leider wurde das Wachstum dieser Schläuche nicht weiter verfolgt. Bei gewissen Pollenarten, die grössere Reservemengen besitzen, gelingt es nicht, regelmässige Keimungen ohne Substrat im dampf- gesättigten Raum zu erzielen. Diese bedürfen offenbar entweder eines Reizmittels oder eines bestimmten Dampfdruckes zu ihrem Schlauch- Jahrg.66. H.Bodmer. Reservestoffe bei einigen anemophilen Pollenarten. 345 wachstum (s. Jost'*) und Renner) $. 336). Carexarten z. B. trieben keine regelmässigen Schläuche von derjenigen Länge, die ihrer Re- servemenge (Stärke und Fett) entsprechen würde. Während Antho- zanthum und Molinia regelmässig keimen, benimmt sich Secale höchst „launisch“ (s. Jost!*). Im dampfges. Raum ist die Wasserzufuhr schon zu stark, die Diastasewirkung ist derart intensiv, dass bei der Mehrzahl der Pollenkörner in weniger als 24 Stunden sämtliche Stärke aufgelöst wird, ohne oder mit geringem Schlauchwachstum. Die Pollenkörner besitzen im lufttrockenen Zustande ausser- ordentlich hohe Saugkräfte, so dass es verständlich wird, wie z. B. Windpollen auf den oft feinzerteilten, luftumspülten Narben keimen kann. Der Wassergehalt der lufttrockenen Pollenkörner muss sehr gering sein. Auch sehr grosse (Durchmesser: 80—90 u) (Zea, Larix) werden in Xylol vollkommen durchsichtig, so dass ich Kanadabalsam- Präparate davon herstellen konnte, die sich bis jetzt (6 Monate alt) nicht verändert haben. (Planta!°) fand bei Cprylus-Pollen 4,95°/, Wasser.) Um die Saugkraft zu ermitteln, werden die lufttrockenen Pollenkörner in ein Plasmolyticum gebracht und diejenige Konzen- tration als der der Saugkraft entsprechende osmotische Wert ange- sehen, bei welcher die Polleninhalte ihre Trockenform z. T. beibe- halten, z. T. infolge Wasseraufnahme anschwellen. Es wurde nämlich nie bei allen Pollenkörnern einer Anthere der gleiche osmotische Wert beobachtet. Als Plasmolytica wurden KNO, und NaCl verwendet. Die Permeabilität dieser Stoffe bestimmte ich nicht. Die Beobach- tungen wurden je 10—15 Min. nach Versuchsbeginn notiert. (Meist quillt die Pollenmembran auch bei denjenigen Körnern zu Kugel- form, deren Inhalt dem Plasmolyticum kein Wasser mehr zu entziehen vermag.) Potamogeton perfoliatus <1G6GM KNO, lucens ca.1GM KNO, Oranabie sativa ca. 1GM KNO, Typha latifolia 1,5 GM KNO, Urtica dioeca 2,5GM KNO, Rumex obtusifolius 3GM KNO, Holcus lanatus 3GM KNO, Juncus articulatus >3GM KNO, <4GM NaCl Secale cereale bis 4GM NaCl Plantago lanceolata 4 GM NaCl (Zythrum Salicaria [grün und gelb] er 4 GM Nadl) en nn “) Zur Physiologie des Pollens. Ber. d. D. Bot. Ges. 23, 1905. S.504. 8 346 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Zusammenfassung. 1. Bei Fraxinus excelsior und Populus tremula wurde gezeigt, dass der Zeitpunkt der Antherendehiscenz nicht immer mit dem gleichen Stadium der Reservewandlung im Pollenkorn zusammentrifft. 2. Die Umwandlung der Stärke in Fett verläuft bei Frazxinus im wasserhaltigen Pollenkorn (innerhalb der Anthere) viel schneller als nachher im lufttrockenen Pollen. 3. Bei Fraxinus keimt der stärkehaltige ebensogut wie der stärke- freie Pollen im dampfgesättigten Raum. 4. Der Fettpollen von Luzula campestrisund Juncus articulatus bil- det aus eigenen Reserven längere Schläuche, als der Stärkepollen von Plantago lanceolata und Rumex acetosa. 5. Bei hungernden Infloresceenzen von Plantago lanceolata und Gramineen stäuben die Antheren frisch geöffneter Blüten nach einem Tag „Fettpollen“ (der normale, sog. Stärkepollen von Plantago, Gra- mineen, Carex, Rumex enthält neben Stärke auch noch beträchtliche Fettmengen), bei Rumex scutatus, Carex montana und Schoenopleetus lacustris nach 2—3 Tagen. Bei längerem Hungern (Plantago 2. B. nach 2-3 Tagen) entlassen die Antheren den Pollen in noch reserve- ärmerem Stadium, mit grossen Vacuolen. — Bei Cannabis sativa stäubt der normale Pollen in einem Zustand starker Vacuolisierung bei geringem Fett- und Stärkegehalt. 6. Aus 3., 4. und 5. geht hervor, dass die Quantitäten verwert- barer Pollenreserven grösseres Interesse beanspruchen, als die Qua- lität derselben (ob Stärke oder Fett). 7. Aufnahme von Nährstoffen aus dem Substrat wurde bei Plan- tago lanceolata und Rumex scutatus festgestellt, durch vergleichende Kulturen in 5°/, Glukoselösung und ohne Nährmedium frei auf dem Objektträger im dampfgesättigten Raum. In der gleichen Zeit wurden die Schläuche in der Glukoselösung doppelt so lang als im dampf- gesättigten Raum, und das „Abschmelzen“ der Stärke vollzog sich viel langsamer. 8. Der Wassergehalt lufttrockener Pollenkörner ist ausserordent- lich gering, so dass sie in Xylol vollkommen durchsichtig werden. 9. Bei einer Anzahl anemophiler Arten entwickelt der lufttrockene Pollen Saugkräfte, die einem osmotischen Wert von 3—4 GM Na entsprechen (Juncus, Secale, Plantago). 27. August 1921. Pflanzenphysiologisches Institut der Eidgenöss. Techn. Hochschule. Notizen zur schweizerischen Kulturgeschichte. Von FeErpısann RuDIo und OARL SCHRÖTER. 53. Die Eulerausgabe (Fortsetzung!). Zum letztjährigen Berichte ist noch nachzutragen, dass für den leider allzu früh dahingeschiedenen PAUL STÄCKEL in die Redaktion. der Eulerausgabe gewählt worden sind die Herren Prof. Dr. L. G. Du PASQUIER in Neuenburg und Prof. Dr. A. SPEISER in Zürich. Im Laufe des Jahres-1921 konnte endlich wieder der Versand der fertig gestellten Bände an die Abonnenten aufgenommen werden, der wegen der Kriegsverhältnisse gänzlich eingestellt worden war. Einem Beschlusse der Euler-Kommission zufolge wurden die schon längst versandbereiten Bände I, und I, (herausg. von F. RuD1o), I,, (herausg. von F. ENGEL und L. SCHLESINGER) und I,, (herausg. von A. GUTZMER) den Abonnenten als Geschenk überreicht. Ihnen folgten (im Abonnement) die Bände I,, (herausg. von A. GUTZMER und A. LIAPOUNOFF) und I, (herausg. von A. KRAZER, F. RUDIO und P. STÄCKEL), von denen schon im letzten Berichte die Rede war. Ver- sandt sind also jetzt 16 Bände. Im Laufe des Jahres sind nun auch die Bände II,, (herausg. von FR SCHERRER) und I, (herausg. von A. KRAZER und F. RuDIo) dem Abschlusse so nahe gebracht worden, dass sie mit Beginn des neuen Jahres herausgegeben werden können. Der Druckerei über- geben wurde ferner Band l,, der zweite der Commentationes alge- braicae (herausg. von L. @G. Du PAsQUIER). Weitere Bände sind in Arbeit, die Eulerausgabe schreitet wieder rüstig voran. RETTET . ) Siehe die Notizen 51 (1920), 49 (1919), 47 (1918), 45 (1917), 43 (1916), 41 (1915) 38 (1914); 36 (1913), 34 (1912), 32 (1911), 29 (1910), 26 (1909), 24 (1908), 22 (1907). 348 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 54, Nekrologe, Hans Kronauer (1850--1920, Mitglied der Gesellschaft seit 1883, Quästor von 1887 bis 1914). Am 2. Oktober des vergangenen Jahres fand sich im Zunfthaus „zur Zim- merleuten“ ein kleiner Kreis von Beamten der Schweizerischen Lebensver- sicherungs- und Rentenanstalt zusammen zu einer bescheidenen Abschiedsfeier für zwei Angestellte, die, nach einer langen Reihe von Jahren in den Dienst der Anstalt gestellter Arbeit, in den wohlverdienten Ruhestand traten. Sechs Wochen später, am 14. November, schloss der eine dieser beiden Pensionierten, Herr Dr. Hans Kronauer, kurz nach Vollendung seines 70. Altersjahres, die Augen für immer; das ihm von seinen Kollegen mitgegebene „Ad multos annos“ hatte sich nicht erfüllt. — Hans Kronauer wurde am 28. Oktober 1850 in Winterthur als erster Sohn des Zeichenlehrers und spätern Professors Johann Heinrich Kronauer (1822 bis 1873) geboren. Im Sommer 1855 siedelte die Familie nach Zürich über, wo der Vater eine Professur für darstellende und praktische Geometrie, sowie für technisches Zeichnen an der kantonalen Industrieschule als Nachfolger Deschwandens (1819-1866) erhalten hatte, um dann 1856 die Professur für mechanische Technologie am Eidgenössischen Polytechnikum zu übernehmen. Der zartbesaitete, schüchterne Knabe verlebte im Elternhause eine wohl behütete Jugendzeit und genoss eine sorgfältige Erziehung, besonders wurde im Hause die Musik eifrig gepflegt, und dieser 'Kunst ist er denn auch sein ganzes Leben lang ein Freund und Verehrer geblieben. Nach den an der Beustschen Privatschule verbrachten Primarschuljahren trat er 1862 zunächst ins untere Gymnasium, von wo er 1866 an die obere In- dustrieschule überging. Grund zu diesem Wechsel waren verschiedene längere, durch seine damals etwas zarte Gesundheit verursachte Schulabsenzen, sowie die Erkenntnis, dass seine Begabung mehr auf dem mathematischen Gebiete liege; doch hat er sich vom Gymnasium her noch bis ins Alter eine Vorliebe für gediegene belietristische Lektüre sowie eine sorgfältige und gewählte Schreib- weise bewahrt. Vom Jahre 1868 an hörte er als Schüler des Eidgenössischen Polytechni- kums Kollegien an der Abteilung für Maschinen-Ingenieure. Es mögen erwähnt werden: Theoretische Mechanik bei Prof. Zeuner, theoretische Physik bei Prof. Heinrich Weber, Differential- und Integralrechnung bei Prof. H. A. Sch war. Diese Studien wurden 1872 durch die Erwerbung des Maschineningenieur- Diploms abgeschlossen. Es folgt eine Zeit verschiedenartiger Studien an der Universität Zürich sowie von Studienreisen, die ihn u.a. nach Paris führten. Auch eine Beschäf- tigung bei Gebr. Sulzer in Winterthur und eine kurze Stellvertretung an der Kantonsschule Zürich fallen in diese Zeit, alles mit nebenhergehender Vor- bereitung auf die Doktorpromotion. Diese fand im Jahre 1880 unter Prof. W. Weith als Dekan statt auf Grund der Dissertation: „Das innere Wärme- leitungsvermögen von Blei, Wismuth und Wood’s Metall“. Die Dissertation war begutachtet von den Professoren A. Kleiner, Arnold Meyer un R. Hofmeister. Jahrg. 66. F. Rudio u. C. Schröter. Notizen z. schweiz. Kulturgeschichte. 349 Im Jahre 1882 trat er als Versicherungsmathematiker in die Rentenanstalt, der seine Arbeitskraft bis fast zu seinem Tode gewidmet sein sollte. Bei seiner an Selbstentäusserung grenzenden Bescheidenheit und seiner steten Hintan- setzung der eigenen Person zu gunsten der Sache, kann es nicht wundernehmen, wenn er sofort seine ganze Kraft in den Dienst der Anstalt stellte. Niemals hielt er es für unter seiner Würde, eine Arbeit, und wäre es die untergeord- netste gewesen, selbst zu tun, sobald die Umstände es erforderten, und frei von allem persönlichen Ehrgeiz hat er das mächtige Aufblühen der Anstalt miterlebt, ohne für seine Person dabei mehr zu beanspruchen, als den Titel eines Beamten. Bei seinen Kollegen war .er als ein wirklich selbstloser und edler Charakter geschätzt, und — es klingt für einen, der die übliche Art des Verkehrs eines Bureaupersonals unter sich kennt, beinahe unglaublich — wäh- rend all der langen Jahre hatte Dr. Kronauer keinen einzigen Feind unter seinen Kollegen! Der Erfolg eines Mitarbeiters fand bei ihm, der von Eifer- süchtelei und Strebertum vollständig frei war, stets neidlose Freude und An- erkennung. Bei diesem Aufgehen im Geschäft konnte denn freilich für wissenschaft- liche Arbeiten kein Raum mehr bleiben, und so ist seine oben erwähnte Dis- sertation die einzige Veröffentlichung wissenschaftlicher Art geblieben. Seine Tätigkeit in diesem Gebiete beschränkte sich darauf, bald nach seiner Fest- setzung im Beruf, nämlich 1883, der Naturforschenden Gesellschaft Zürich bei- zutreten und mit der Entwicklung der Naturwissenschaften durch Lektüre und Anhören von Vorträgen Schritt zu halten. 1887 fand er sich bereit, als Nach- folger von J. C.Escher-Hess (1831—1911) das Amt eines Quästors in der Gesellschaft zu übernehmen, und er hat dieses Amt mit vorbildlicher Treue und Gewissenhaftigkeit geführt bis 1914, wo er wegen hohen Alters und häu- figer Krankheit zurücktrat. Auch im häuslichen Leben bewährte sich seine Selbstlosigkeit. Hat er doch, um seiner von ihm kindlich verehrten Mutter und seinen früh des Er- nährers beraubten Nichten stets ein treuer Helfer und Berater sein zu können, auf eigenes Familienglück verzichtet; er ist unverheiratet geblieben. In der Politik trat er nie aktiv hervor, doch verfolgte er die politischen Vorgänge mit warmer Anteilnahme und erfüllte gewissenhaft seine Bürger- pflichten. Besonders wenn es sich um wohltätige Werke oder Spenden han- delte, fand man bei ihm stets eine offene Hand. So ist mit Dr. Kronauer ein Mann von uns geschieden, der den Lebens- zweck nicht im äussern Erfolg sah (dieser blieb ihm denn auch versagt), son- dern der den bessern Teil, Arbeit für seine Mitmenschen, erwählt hatte. Er war ein „Unzeitgemässer“, und doch war seine Lebensaufgabe schön und er hat sie treulich erfüllt. Paul Adrian. Herbert Haviland Field (1868—1921, Mitglied der Gesellschaft seit 1899), Am frühen Morgen!) des 5. April verschied in Zürich an einer Herzläh- mung, erst 53 Jahre alt, Herr Dr.Herbert Haviland Field, Direktor des !) Mit gütiger Erlaubnis von Verfasser und Redaktion abgedruckt aus Nr. 541 der „Neuen Zürcher Zeitung“ vom 13. April 1921. 350 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Concilium bibliographicum. Noch heute leiden seine Freunde unter dem Ein- drucke des plötzlich eingetretenen Ereignisses, das ihnen den hochgeschätzten und lieben Mann mitten aus rastloser Tätigkeit heraus entriss. Wohl wussten die Eingeweihten, dass Field überarbeitet war, hatte ihn doch um die letzte Jahreswende eine starke Erschöpfung seiner Kräfte befallen, aber die stattliche und kräftige Erscheinung des jetzt Dahingeschiedenen liess den Gedanken an das Schlimmste nicht aufkommen. Das ganze reiche Leben von Herbert Field ist aufs engste verknüpft mit dem Werke, das seine ureigenste und alleinige Schöpfung ist, dem Con- cilium bibliographicum; ihm hat er sein Alles aufgeopfert, für dieses Werk ist er buchstäblich in den Tod gegangen. Herbert Haviland Field, 1868 in Brooklin bei New York geboren, absolvierte in seinem Vaterlande, den Vereinigten Staaten, seine Studien; an - der ersten Universität des Landes, der Harvard University in Cambridge Mass., bildete er sich unter Leitung seines Lehrers Prof. E.L. Mark, mit dem ihn bis heute enge Freundschaft verband, zum Zoologen aus. In den Jahren 1890 bis 94 erwarb er sich durch umfassende Arbeiten auf dem Gebiete der Em- bryologie der Wirbeltiere bald einen angesehenen wissenschaftlichen Namen. Als Mitarbeiter seines Lehrers Mark empfand er mit diesem das Bedürfnis nach einer Reorganisation der Orientierung über die wissenschaftlichen Publi- kationen. Ganz besonders erschien eine solche in der Zoologie und verwandten Disziplinen notwendig, auf denen die Arbeiten in hunderten von Zeitschriften zerstreut erscheinen. Wenn man bedenkt, dass allein auf dem Gebiete der Zoologie die Weltliteratur jährlich etwa 10,000 kleinere und grössere Abhand- lungen produziert (so wenigstens vor dem Kriege), und dass diese Arbeiten in vielen hundert (mindestens 1500) Zeit- und Gesellschaftsschriften der verschie- densten Sprachen erscheinen, so erhält man einen ungefähren Begriff, welche Unsumme Zeit einem Forscher verloren geht, der sich umsehen muss, wa über irgend einen Gegenstand bereits publiziert wurde. Es war aber kein blosser Zufall, dass gerade in Nordamerika das Projekt für eine solche Reorganisation heranreifte. Ist doch besonders in den Vereinigten Staaten die Bedeutung einer ausgebauten Bibliographie je und je erkannt worden, wie ja dort gerade auch das Bibliothekwesen die höchste Entwicklung erlangte. So fasste Field den ersetzte. Die Vorteile des Dezimalsystems und des Zettelkataloges sind den wissenschaftlich Arbeitenden bekannt. Die Gliederung aller geistigen Produk- tion nach dem Dezimalsystem dient einer raschen, rein mechanisch durchzu- führenden Ordnung des Produzierten bis ins Einzelnste hinein. Das Zettelsystem der Katalogisierung aber ermöglicht, alles, was über irgend einen Gegenstan (2. B. über die Bestimmung und Vererbung des Geschlechts oder über die Ent- wicklung der Gefässe beim Hühnchen) geschrieben worden ist, und seien e8 noch so viele Arbeiten, über so und so viele Jahre verteilt, nebeneinander in der Literaturnummernsammlung einzureihen, während die früher übliche Buch- form des Kataloges das Nachschlagen in so und so vielen Jahrgängen erfordert. Jahrg. 66. F. Rudio u. C. Schröter. Notizen z. schweiz. Kulturgeschichte. 351 Der Zettelkatalog veraltet nie, er: bleibt bis zum heutigen Tage auf dem Lau- enden. - Diese Einrichtungen haben heute einen durchschlagenden Erfolg zu ver- zeichnen und sind von der ganzen wissenschaftlichen Welt akzeptiert worden. Field aber war der erste, der sie auf biologischem Gebiet in die Praxis um- setzte. Er war auch der für sein Unternehmen geeignete, man darf viel- leicht sagen der einzige Mann, der diese Reformideen in fruchtbringender Weise verwirklichen konnte. Seine hervorragenden Geistesgaben, seine Tatkraft und Ausdauer, sein Organisationstalent, Kenntnisse und Begabung zur Erwer- bung der verschiedensten Sprachen, dazu vor allem eine bis zur Begeisterung sich steigernde Freude an bibliographischen Dingen: alles dies vereinte sich, ihn zum Schöpfer eines solchen grossartigen Lebenswerkes zu prädestinieren. Seine ersten Anregungen fanden auch lebhaften Widerhall und freudige Aufnahme bei vielen Zoologen der alten Welt: der Leiter der zoologischen Station in Neapel, Prof. Anton Dohrn, ganz besonders die französischen Zoologen, sodann der Nestor und Herausgeber. der bisherigen zoologischen Bibliographie, Prof. Vietor Carus in Leipzig, liehen den Fieldschen Re- formvorschlägen weitgehende Unterstützung. Field trat dann in direkte Ver- bindung mit dem Institut international de Bibliographie in Brüssel, das auf Grundlage der Deweyschen Vorschläge die Bibliographie für sämtliche Pro- duktion des menschlichen Geistes zu regeln bestrebt ist. Entscheidend aber war der Beschluss des 83. internationalen Zoologenkongresses in Leyden, 1895, der einstimmig nach Antrag des Delegierten der französischen zoologischen Gesellschaft, Prof. E.L. Bouvier, die Gründung des Coneilium bibliographicum — so wurde das Lebenswerk Fields genannt — guthiess und unter sein Protektorat nahm. Als Sitz wurde Zürich bezeichnet. Es ist das besondere Verdienst des von uns allen verehrten verstorbenen Prof. Arnold Lang, der die hohe Bedeutung und Tragweite des Fieldschen Unternehmens erkannte und ihm alle Förderung zukommen liess, dass die Schweiz zum Sitze dieses bedeutsamen internationalen Institutes erkoren wurde. Dank dem weitsichtigen, verständnisvollen Entgegenkommen der schweizerischen Bundesbehörden, der Behörden des Kantons Zürich und der Stadt Zürich, die durch wichtige Sub- ventionen die für die Entwicklung des Unternehmens nötigen Sicherheiten boten, konnte Dr. Field seit Herbst 1895 seine segensreiche Tätigkeit in Zü- rich entfalten. Ganz besonders kamen ihm die bibliothekarischen Verhältnisse der Stadt zugute, und er fand von seiten der hiesigen Bibliothek-Institute stets das allergrösste Entgegenkommen und weitgehende Unterstützung; bei diesem Hinweis ist in erster Linie der grossen Verdienste des jetzigen Direktors der Zentralbibliothek, Herrn Dr. Hermann Escher, zu gedenken. Mit aller Aufopferung, deren er fähig war, widmete sich nun unser Freund dem Ausbau des Concilium. Keine Schwierigkeiten konnten ihn abschrecken, kein Gang war ihm zu viel, keine Reise zu weit, wenn es galt, eine Behörde, eine Persönlichkeit über die Bedeutung des Unternehmens, über die Notwen- digkeit einer Verbesserung, einer Unterstützung aufzuklären. So war Field bald in fast allen Kulturländern ein angesehener und hochgeschätzter Vertreter der biologischen Wissenschaften, so dass die grosszügige Förderung, die seinem Werke schweizerische Behörden angedeihen liessen, wiederum durch die An- erkennung des Auslandes schweizerischen . wissenschaftlichen Anstalten zu- gute kam. 352 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Wir müssen uns versagen, den weiteren Gang der Entwicklung des Con- cilium za verfolgen. Field fand hervorragende und eifrige Mitarbeiter; eine eetreue Hilfe lieh ihm durch viele Jahre hindurch seine Mitarbeiterin Frl. Marie Rühl, die auch während der schweren Zeiten der Kriegsjahre alle Lasten mit ihm trug. Von einschneidender Bedeutung für das Unternehmen war die Unterstützung, die Field von seiten der Schweiz. Naturforschenden Gesellschaft seit 1900 erhielt, auf deren Veranlassung, gestützt durch ein ausführliches Gut- achten von Prof. Arnold Lang, die schweizerische Eidgenossenschaft Jahr für Jahr eine Subvention von 5000 Franken dem Unternehmen zukommen liess. Bald konnte sich das Coneilium in einem eigenen Heim einrichten und eine eigene Druckerei darin in Gang setzen. Die Zoologen der ganzen Welt er- kannten allmählich, nicht ohne dass allerdings zuerst bedeutende Widerstände aus dem Wege geräumt werden mussten, den hohen Wert des Fieldschen Werkes, das heute mit vollem Recht als Zentralpunkt aller zoologischen Bi- bliographie bezeichnet werden darf. Trauernd standen die Fachgenossen an der Bahre des Mannes, dem sie wegen seiner selbstlosen, aufopfernden Tätig- keit so vieles zu verdanken haben. Diese Grundeigenschaften von Fields Charakter in Selbstlosigkeit und Aufopferungsfähigkeit zeigten sich nicht nur in seiner literarischen und organisatorischen Tätigkeit, sondern kamen beson- ders auch darin zum Ausdruck, dass er nie gezögert hat, wenn es galt, durch Einsetzung eigener Vermögenswerte seinem Unternehmen durch eine Schwie- rigkeit, durch eine Krise hindurchzuhelfen; und doch wusste er ja selbst am besten, dass sein Werk nie einen grössern finanziellen Gewinn bringen konnte, aber auch als ideales Unternehmen dies”nie beabsichtigte. Am klarsten offen- barten sich die edlen Charakterzüge unseres Freundes in der bösen Zeit der Kriegsjahre, die so mancher internationalen Institution idealer Natur‘den Todes- stoss versetzten. Nur der fast unerschöpflichen Energie des Leiters des Con- eiliums, seinem Glauben an den innern Wert und das geistige Gut, das in seiner Schöpfung ruht, ist es zu verdanken, dass das Institut vor dem Zusammen- bruch gerettet wurde. Mit grosser Genugtuung erlebten es Fields Freunde, wie er auf einer Reise nach den Vereinigten Staaten im Jahre 1920 in seinem Heimatlande von seiten der ersten wissenschaftlichen Körperschaften alle An- erkennung und auch tatkräftige Unterstützung fand, wie die hochherzige Spende eines amerikanischen Freundes ihn von der Sorge um die angewachsenen finanziellen Lasten befreite. Mit frohem Mut gedachte er an den neuen Aus- bau des Werkes zu gehen. Tragisch ist des Menschen Schicksal: Jäh durch- schnitt die Parze den Lebensfaden dieses edlen Mannes, zu einer Zeit, da er nötiger war als je. Es entsprach ganz dem Charakter Fields, der in selbstloser Weise für andere arbeitete, dass er an den Werken zur Linderung der Kriegsnot sich lebhaft betätigte. Der Schweiz, dem Kanton und der Stadt Zürich konnte er seinen Dank für die wichtigen Dienste, die sie seinem Unternehmen erwiesen hatten, dadurch abstatten, dass er in bedeutsamer Weise zu gunsten der Lebensmittel- versorgung der Schweiz durch die Vereinigten Staaten während der letzten Kriegsjahre einwirkte; in Deutschland, in Oesterreich hat er sich im Auftrage amerikanischer Institutioneu für Liebeswerke betätigt. erbert Field hatte das Glück, eine hochgesinnte, ihm im Charakter ebenbürtige und seinen Ideen alles Verständnis entgegenbringende Gattin zu finden. Sie schuf ihm ein trautes Heim, in dem zwei Söhne und zwei Töchter "Jahrg. 66. F. Rudio u. C. Schröter. Notizen z. schweiz. Kulturgeschichte. 353 zur Freude ihrer Eltern aufwuchsen. Möge den ‘Hinterbliebenen in ihrem schweren Leide das leuchtende Vorbild des edlen Gatten und Vaters, das im Andenken so vieler unauslöschlich fortleben wird, Trost und Stütze gewähren! Unser Freund hat sich geopfert für sein Werk. Unermüdlich war er tätig; alle seine Gedanken waren auf stete Förderung und Verbesserung seines Gon- eiliums gerichtet. Selbstlos, wie er war, hat er seine Kräfte nicht gespart, nicht an sich gedacht und nicht für sich gesorgt, bis das Schicksal Halt gebot. So hegen wir denn auch die zuversichtliche Hoffnung, dass seine Lebensarbeit fortgeführt und das Werk ein bleibendes Denkmal seines Gründers sein werde, aere perennius. Prof. Karl Hescheler. Haruthiun Tigran Abeljanz (1849—1921, Mitglied der Gesell- schaft seit 1880). Gestern Donnerstagnachmittag nahmen die Familie, die Universität und die Freunde Abschied von Professor Dr. Haruthiun Tigran Abeljanz, der in der Nacht vom Montag auf den Dienstag im 73. Altersjahr aus dem Leben schied.‘) Eine stille Bestattung war vorgesehen, aber doch fanden sich gegen 100 Personen im neuen Krematorium ein, darunter eine grosse Anzahl von Professoren der Universität, einstige Assistenten und Schüler des Ver- storbenen und alte Freunde, die dem Senior der 2. Sektion der philosophischen Fakultät das Ehrengeleite gaben. In schlichten Worten entwarf im Namen der Familie Regierungsrat Dr. O0. Wettstein ein treffend gezeichnetes Lebensbild seines Schwiegervaters und der Werdegang eines Mannes wurde damit lebendig, der vor einem langen Menschenalter aus Armeniens Hochland?) in die Schweiz kam, um hier seine zweite Heimat zu finden, der er vom ersten Semester seines Stu- diums bis zu seinem Todestage treu blieb. Mit einem Stipendium seiner Regie- rung versehen, zog er, in die malerische Tracht eines Kaukasiers gekleidet, da- mals nach Europa, um in Heidelberg Geschichte und Sprachwissenschaften zu stu- dieren; er wollte Lehrer in seiner Heimat werden, aber die ‘russischen Zu- stände, durch die seine Heimat aufs entsetzlichste misshandelt wurde, machten ihm die Rückkehr unmöglich und wiesen ihn, hier in Zürich, besonders durch Professor Wislicenus angeregt, zur Naturwissenschaft. Mit der Zähigkeit, die ihm sein Lebenlang blieb, arbeitete er sich in das neue Gebiet hinein, promovierte als Dreiundzwanzigjähriger und schon ein Jahr darauf las er an der Zürcher Universität als Privatdozent und gab daneben Unterricht in Chemie an der höheren Töchterschule und an der Kantonsschule, wozu noch 1877, guter Schweizer geblieben, in der Seele doch Armenier war- Denn als glü- TT—— ') Abgedruckt aus Nr. 1473 und 1488 der „Neuen Zürcher Zeitung“ vom 14. und 18. Oktober 1921. °) Abeljanz wurde am 13. April 1849 in Wardablur in Armenien geboren. 354 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 hender Freiheitsfreund musste er sich in der Schweiz wohl fühlen und es war für ihn eine Selbstverständlichkeit, republikanischer Bürger zu werden. An der öffentlichen Politik beteiligte er sich in vornehmer Zurückhaltung nicht, aber er schenkte doch den Tagesfragen Zeit seines Lebens volles Interesse und bis zu seinem Scheiden hing er auch an dem fernen Hochland seiner Jugend, dessen wechselvolles Schicksal ihn tief bewegte und ihn an- spornte, der hiesigen armenischen Kolonie stets ein Führer, Freund und Helfer zu sein. Abeljanz war eine gerade und ehrliche Natur, mit einem leisen Zug ins Zurückhaltende, erzeugt durch die Leidensgeschichte seines Volkes; er hasste alles Eitle und Oberflächliche, blieb rücksichtslos in dem von ihm als recht Erkannten, ein unbestechlicher Beamter, schroff und stark, wo es sein musste und doch unendlich bescheiden, besonders dann, wenn es sich um die Geltendmachung eigener Ansprüche handelte. An den Freunden, die er ins Herz geschlossen hatte, hing er unerschütterlich, aber doch war er seinem ganzen Wesen nach ein stiller, einsamer Mann, der seine Herzenswärme und Güte nicht jedem zeigte und der nach vollen 50 Jahren fruchtbringender Arbeit schon in den ersten Monaten seiner verdienten Ruhe sterben musste. Rektor Fueter nahm im Namen der Universitätsbehörden und als Sprecher der Fakultät Abschied von dem Kollegen, für seine vieljährigen hohen Ver- dienste um die Wissenschaft und die akademische Jugend dankend. Abeljanz’ Lebensarbeit reicht in eine weit zurückliegende Zeit zurück, da die damals noch junge Universität einen mächtigen Aufschwung nahm und der Verstor- bene hat durch seine äusserste Pflichttreue und seine Liebe zu seinem Fach ein gut Anteil daran. Einer der letzten aus jener Zeit geht mit ihm dahin. Prof. Karrer, der Nachfolger‘) des Verstorbenen, zeichnete als dritter Redner dessen wissenschaftliche Arbeiten; wir werden noch Gelegenheit haben, die Ansprache im Wortlaut zu bringen. Als letzter nahm ein Vertreter der hiesigen armenischen Kolonie von ihrem Senior Abschied, mit bewegten Worten für alle Liebe und Hilfe dankend, die Abeljanz seinen jungen Freunden je erwies, die in ihm fern von der Heimat ihren Vater und besten Kameraden verlieren. Dann setzten Geigenklang und Orgelspiel ein. Die Studentenfahnen senk- ten sich und langsam verschwand der blumengeschmückte Sarg hinter der ehernen Türe, die zur Flamme führt. Draussen erwartete die strahlende Herbst- sonne die Trauernden, just an dem Tage, da vor mehr als 40 Jahren der junge Gelehrte seine Hochzeit feierte. Die Rede von Prof. Dr. P. Karrer hatte folgenden Wortlaut: In Prof. Abeljanz hat die philosophische Fakultät II der Universität Zürich ihr ältestes Mitglied verloren. Als Mitte der sechziger Jahre des vO- rigen Jahrhunderts der verstorbene Kollege aus Deutschland nach Zürich kam, brachte er von Heidelberg eine für die damalige Zeit sehr moderne natur- wissenschaftliche Bildung mit: ein Bunsen, ein Helmholtz, ein Kirch- hoff sind seine Lehrer gewesen. Wunderbar scheint der Gedanke, dass ein Schüler von Bunsen, dem Altmeister der Chemie, bis in die allerjüngste Zeit hinein in der Heranbildung der Jugend tätig sein durfte. Aus einer fernen !) Diese Angabe ist unrichtig: Prof. Karrer ist Nachfolger des verstorbenen Prof. A. Werner, neben dem Abeljanz gewirkt hatte. Jahrg. 66. F. Rudio u. C. Schröter. Notizen z. schweiz. Kulturgeschichte. 355 Zeit kommend, wo die Grundlagen unserer Wissenschaft erst gelegt, die Me- thoden der Analyse, die heute zum Rüstzeug des Anfängers zählen, erst ge- schaffen wurden, wo klare chemische Begriffe erst zu kristallisieren begannen, hat Abeljanz der Chemie bis in seine letzten Tage hinein gedient. Aus diesem Gesichtspunkt heraus müssen sein wissenschaftliches Leben und seine Lehr- tätigkeit gewürdigt werden. Wir jüngern machen uns heute kaum eine rechte Vorstellung davon, in wie rascher Folge und in wie tiefgreifender Art sich die Methoden und Auffassungen innerhalb der letzten sechs Dezennien in der Chemie gewandelt haben. Die anorganische Forschung blüht erst unter Bun- sens geistiger Initiative auf, die organische Chemie reichlich später. Prof. Abeljanz ist dieser Entwicklung bis in die neueste Zeit hinein mit gleich- bleibendem Interesse gefolgt und mit der Energie, die ihm eigen war, hat er sich immer wieder in neuerschlossene Gebiete eingearbeitet Einen Teil seiner chemischen Studien machte er während der Jahre 1869 bis 72 in Zürich bei dem bedeutenden Organiker Prof. Wislicenus. Der hier mit der organischen Chemie grpflogenen Berührung verdanken mehrere spätere wissenschaftliche Abhandlungen ihre Entstehung: so über Bichloräther, über höhere Kohlenwasserstoffe u. a. Das eigentliche Arbeitsfeld von Abeljanz lag aber vornehmlich im Gebiet der analytischen Chemie, für welche er von Bunsen her eine besondere Vorliebe mitgebracht zu haben scheint. Als Kantonschemiker in Zürich (1877—84), später als Lehrer für analytische Chemie an der Univer- sität hatte er Gelegenheit, sich diesem besonderen Arbeitsgebiet zu widmen. Eine Umarbeitung des Leitfadens der qualitativen chemischen Analyse von Städeler-Kolbe, aus seiner Feder, erlebte eine grosse Zahl von Auflagen — die letzte im vergangenen Frühjahr — seine ee über die Ent- flammungstemperatur des Petroleums führten zur Konstruktion eines Petrol- prüfungsapparates, und seın umfassendes Wissen in der Untersuchung von Nahrungs- und Genussmitteln wurde von weiten Kreisen durch die Übertragung zahlreicher Gutachten gewürdigt. In erster Linie war Prof. Abeljanz aber Lehrer. Über 40 Jahre lang hat er an unserer Hochschule vorgetragen, Tausende von jungen Studierenden haben seine Vorlesungen oder Laboratorien besucht und die Familien sind zahlreich, in denen Vater und Söhne von ihm im Examen geprüft worden sind. Mit grösster Gewissenhaftigkeit hat er persönlich den Laboratoriumsunterricht erteilt und überwacht, der ihm in späteren Jahren, als sich Alters- und Krank- heitssymptome einstellten, häufig Beschwerden gebracht haben mag. Nur wer beobachten kon nte, wie er selbst unter körperlichen Schmerzen und in hoch- fieberndem Zustand seinen Laboratoriumsunterricht ohne Klage leitete, begreift, wie lieb ihm seine Lehrtätigkeit gewesen sein muss. Mit der Zähigkeit eines Jungen ist er bis zuletzt seinen Verpflichtungen nachgegangen. Er hat daher auch mit schwerem Herzen im vergangenen Frühjahr von seinem Lehramt Abschied genommen; immer noch geistig frisch und regsam, bis zuletzt sein ausgezeichnetes Gedächtnis bewahrend, trug er sich mit der Absicht, die ihm noch verbleibenden Lebensjahre mit kleineren wissenschaftlichen Untersuchungen auszufüllen. Die Stunden der wohlverdienten Musse waren zu kurz dazu Auch der verstorbene Kollege hat in der langen Zeit seiner akademischen Lehrtätigkeit, wie dies natürlich scheint, nicht immer ebene Wege und manche Widerstände sich aufiürmen sehen. Aber nie habe ich, so lan wir uns kannten, gehört, dass er über Andersdenkende ein hartes Urteil gefällt, 356 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 ein scharfes Wort gesprochen hätte. Es 'war ein Grundzug seines Wesens, sich wenig um des Nachbarn Dinge zu kümmern, jeder Sache die beste Seite abzugewinnen. So bleibt er denn im Gedächtnis seiner Schüler und seiner Kol- legen als ein Mann, der bescheiden und offen mit seltenem Pflichteifer und grosser Liebe seinem Lehrberuf oblag, der im stillen wirkte und hier Korn um Korn von der Erkenntnis der Wissenschaft in die Herzen seiner Schüler pflanzte. P. Karre Rudolf Escher (1848-1921, Mitglied der Gesellschaft seit 1874). In der Nacht vom Donnerstag auf den Freitag (10./11. November 191) erlag Professor Rudolf Escher-Zehnder im 74. Altersjahr einem Herz- schlag.') Ein alter, angesehener Zürcher und Spross einer Familie, die Stadt, Kanton und Staat eine Reihe bedeutender Männer schenkte, geht mit ihm dahin, eine bekannte Persönlichkeit, die Zeit ihres Lebens in Zürich wirkte und die an unserer Eidgenössischen Technischen Hochschule und in den Musik- kreisen Zürichs unvergesslich bleiben wird. Wir müssen uns für die Stunde versagen, dem Leben und Wirken des Toten ausführlich gerecht zu werden und uns mit ein paar kurzen Angaben begnügen. Rudolf Escher wurde am 10. Juni 1848 als Glied einer süditalienischen Kolonistenfamilie in Salerno geboren, wo die sämtlichen Kinder des Fabrikanten Escher, mit Ausnahme des jüngsten Sohnes Hermann Escher das Licht der Welt erblickten. Seine Schulbildung erhielt der Verstorbene durch einen Haus- lehrer in Salerno, der durch lange Jahre hindurch mit der Familie eng ver- wachsen blieb und dem die Familie auch heute noch ein herzliches Andenken bewahrt. Er brachte seinen Zöglingen eine ausgiebige naturkundliche Beob- achtung bei und förderte sie vor allen Dingen in der Handfertigkeit; da der Vater als Spinner ein Techniker war, so war es begreiflich, dass auch bei den älteren Söhnen das technische Moment vorherrschte. Mit 14 Jahren kam Rudolf Escher in die französische Schweiz, nach Neuenburg, zur Erlernung der französischen Sprache und ein Jahr später trat er in die obere Industrie- schule in Zürich ein, wo er nach drei Jahren das Maturitätsexamen ablegte. Drei Jahre lang absolvierte er alsdann im Glarnerland eine Lehrzeit in einem technischen Etablissement und alsdann bezog er das Polytechnikum zum Stu- dium der Maschinentechnik und einige Jahre später, nach errungenem Diplom, ging er eine Zeitlang ins väterliche Geschäft nach Salerno zurück, wo er sich speziell in der Konstruktionswerkstätte betätigte. Zur weitern Ausbildung folgte 1874 noch ein weiteres Studienjahr in Dresden und nachher trat er in den Lehrkörper des eidgenössischen Polytechnikums ein, wo er als Assistent von Professor Veith arbeitete. Erst 28 Jahre alt, wurde Rudolf Escher 1876 Professor der Technologie am Eidgenössischen Polytechnikum und volle 45 Jahre lang wirkte er bis zu seinem Tode seither an der Anstalt, wobei er noch jahrelang in hervorragender Weise Professor Veith bei seinen technischen Konstruktionen half. Professor Escher las über Technologie, speziell auch über Müllerei, Papierfabrikation und Weberei. Er publizierte eine Reihe klei- ') Abgedruckt aus Nr. 1613 und 1631 der „Neuen Zürcher Zeitung‘ vom 12. und 15. November 1921 Jahrg. 66. F. Rudio u. C. Schröter. Notizen z. schweiz. Kulturgeschichte. 357 nerer, viel gelesener und weit verbreiteter Handbücher über Technologie und Turbinenbau.!' 1874 verehelichte er sich mit der Tochter Agnes des aus der Cholerazeit bekannten zürcherischen Bezirksarztes Dr. C. Zehnder, deren Bekanntschaft er als damaliges Vorstandsmitglied des Gemischten Chores machte. Dem musikalischen Leben von Zürich brachte Professor RudolfEscher Zeit seines Lebens grosses Interesse entgegen. Er gehörte jahrzehntelang dem Tonhallevorstand an und ebenfalls jahrzehntelang dem Direktorium des Zürcher Konservatoriums; der erstere verliert in ihm den Vizepräsidenten, das letztere seinen Präsidenten. Seinen 70. Geburtstag feierte Professor Escher vor drei Jahren in voller Rüstigkeit, letztes Jahr aber nahm die körperliche Widerstandskraft ab; doch blieb er seiner Arbeit treu und erledigte erst noch in den letzten Wochen eine strenge Examensperiode an der Eidgenössischen Technischen Hochschule. Ein energischer, temperamentvoller Mann, eine ak- tive Persönlichkeit ist mit ihm geschieden, ein wahrhafter, ehrlicher, aufrechter Mensch mit einem warmen Herzen für seine Mitmenschen und seine Vaterstadt, ein treuer, gediegener Zürcher. Kremation von Professor Rudolf Escher. Eine grosse Trauergemeinde versammelte sich Montagnachmittag 3 Uhr im neuen Krematorium zur Feuerbestattung von Prof. Rud. Es cher, die Or- ganist Ernst Isler an der Orgel mit den Klängen des f-Moll-Andantes von Mozart einleitete. Zu beiden Seiten des mit zahlreichen Kranzspenden ge- schmückten Sarges hatte eine Delegation des Ingenieurvereins und der Stu- dentenschaft der Technischen Hochschule mit umflorten Fahnen Aufstellung genommen. Die Abdankungsrede hielt Pfarrer Fueter von der Kirche Flun- tern, der zunächst in einem kurzen Rückblick den Lebensgang des Verstor- benen schilderte und im Anschluss daran warme Worte des Trostes für die Hinterbliebenen und Freunde des Toten fand und betonte, dass er es weiteren, noch folgenden Rednern überlassen wolle, die vielen Verdienste, die sich Prof. Escher auf verschiedenen Gebieten erworben habe, gebührend hervorzuheben. Dies geschah zunächst im Namen der Eidgenössischen Technischen Hochschule durch Prof. Dr. Grossmann, der seine Ansprache mit der Feststellung ein- leitete, dass eigentlich ein Stück Geschichte der Eidgenössischen Technischen Hochschule mit dem Tode des Mannes seinen Abschluss fände, der mehr als vier Dezennien dem Lehrkörper des Polytechnikums angehörte und sich bei Kollegen und Schülern Anspruch auf grösste Verehrung durch eine musterhafte Pflichttreue zu erwerben wusste. Der Redner gedachte der hervorragenden ‘) Unter den Schriften von Rudolf Escher seien erwähnt: Mechanische Technologie. Nach Vorträgen Wintersem. 1880/81. Autographie. tfinden und Erfinder (Vortrag gehalten im Rathaus zu Zürich 1899.) (S. A. aus Zeitschrift für Sozialwissenschaft 11.3 p-, 161—175.) Berl. 1899. Maschinen und Verfahren der Spinnerei und Seilerei (Weltausstellung Paris 1900. Berichte der schweiz. Delegierten.) Bern 1901. Die Theorie der Wasserturbinen. Ein kurzes Lehrbuch. Berlin 1908. 2. A. Berl.1921. Mechanische Technologie der Maschinenbaustoffe. Leipzig 1918. 2.A. Leipzig 1921. Mitteilungen aus dem Gebiete des Maschinenwesens (Weltausstellung Chicago 1893; Berichterstatter Rud. Escher und Aug. Vuilleumier-Schetty). Bern 1894. Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 66. 1921. 24 358 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Tätigkeit des Toten auf dem Gebiete der Technologie, im speziellen des Tur- binenbaus, der Müllerei, der Weberei und der Papierfabrikation, und betonte seine Verdienste um die Gründung!) des Dozentenvereins, eines Zusammen- schlusses der Dozenten beider Hochschulen, sowie um die Rathausvorträge, die für das geistige Leben unserer Stadt von so grosser Bedeutung waren. Mit der dankbaren Feststellung, dass der Dahingeschiedene sich seinen Kollegen gegenüber stets als treuer Freund und Berater erwiesen habe und mit dem Hinweis, dass mit Prof. Eschers Tod ein Leben reich an Arbeit, aber auch reich an Erfolgen sein Ende erreicht habe, schloss Prof. Grossmann seine An- sprache. Ihm folgte Studiosus Weber, der im Namen der Studentenschaft dem dahingegangenen verdienten Lehrer warme Worte des Dankes widmete und die Versicherung abgab, dass in den Kreisen aller derer, die das Glück hatten, seine Schüler gewesen zu sein, die dankbare Erinnerung an Prof Rud. Escher für alle Zeiten lebendig bleiben werde. Oberst Steinbuch ergriff sodann das Wort im Namen der Gesellschaft Constaffel, um die sich der Verstorbene ebenfalls unvergessliche Verdienste in langen Jahren, während welcher er als Mitglied und als Vize-Constaffel-Herr der altangesehenen Gesellschaft angehörte, erworben hat. Endlich würdigte Adolf Hug des Toten hingebende, mehr als vierzigjährige Tätigkeit für die Tonhallegesellschaft und für das Wohl des Konservatoriums, zu der ihn ein reges Interesse für die Musikpflege in Zürich begeisterte. Der Mann, den eigene Liebe zur Musik in freundschaftliche Beziehungen zu verdienten Männern auf diesem Gebiete, wie Attenhofer, Gustav Weber, Gerold Eberhard, Friedrich Hegar u. a., brachte, liess sich durch seine starke berufliche In- anspruchnahme nicht abhalten, von Anfang der achtziger Jahre an unendlich viel Zeit und Arbeit aufzuwenden, um der Tonhallegesellschaft und dem Kon- servatorium, der früheren Musikschule, nach besten Kräften zu dienen. Was Prof. Escher als Vizepräsident des Vorstandes der Tonhallegesellschaft, als Präsident ihrer Musik-Kommission und Konzertdirektion und nicht zuletzt als Präsident der Verwaltungs-Kommission der Hilfs- und Pensionskasse der Ka- pelle der Tonhallegesellschaft geleistet hat, müsse ebenso unvergessen bleiben, wie das Verdienst um den Aufschwung des Zürcher Konservatoriums, dem er mit nie erlahmender Hingabe seine Tätigkeit, ganz besonders in jener Zeit wid- mete, als es galt, der alten Musikschule im heutigen Konservatoriumsgebäude ein neues Heim zu schaffen. Herr Hug gedachte auch noch in herzlich aner- kennenden Worten der ruhigen und gewissenhaften Art, mit der Prof. Escher auf jedes ihm vorgetragene Anliegen, eintrat, und wie er gerade damit sich die Verehrung aller, die mit ihm in Berührung kamen, zu sichern wusste. Mit dem Orgelchoral „Wenn ich einmal soll scheiden“ entschwand sodann der Sarg den Blicken der trauernd Versammelten und nach kurzem Gebet fand mit dem Orgelvortrag des G-Dur-Largos von Bach die Trauerfeier ihren Ab- schluss, die in zwei von Herrn Nada, Frl. Stierlin und Herrn Isler empfindungs- tief gespielten Sätzen aus einem Trio für Flöte, Violine und Orgel von Händel ihr besonders erhebendes Moment erhielt. Diese Angabe ist unrichtig: Der Dozentenverein bestand schon seit 1855 und die „Rathausvorträge* hatten bereits 1851 ihren Anfang genommen. Jahrg. 66. F. Rudio u. C. Schröter. Notizen z. schweiz. Kulturgeschichte. 359 Hermann Amandus Schwarz (1843—1921, Mitglied der Gesell- schaft seit 1869, Ehrenmitglied seit 1896). Aus Berlin kommt die Kunde, dass unser Ehrenmitglied Schwarz am 1. Dezember im Alter von fast 79 Jahren gestorben ist. Der hervorragende Mathematiker verdient wohl, dass seiner auch an dieser Stelle gedacht werde. Hat er doch, als eine Zierde unserer technischen Hochschule, mehrere Jahre in Zürich gewirkt und hier Hunderte von Schülern herangebildet, die sich des trefflichen, für sie sich aufopfernden Lehrers stets mit Dankbarkeit und Ver- ehrung erinnert haben. Als im Jahre 1894 die Gesellschaft ehemaliger Polytechniker ihr 25jäh- riges Jubiläum feierte und hierzu eine Festschrift herausgab, verfasste Schwarz auf Wunsch des Vorstandes eine Selbstbiographie; von der damals ein Auszug aufgenommen wurde und die nun hier im Wortlaut folgen möge. „Hermann Amandus Schwarz, geb. am 25. Januar 1843 in Hermsdorf unterm Kynast (Provinz Schlesien), bestand im Jahre 1860 die Reifeprüfung am Gymnasium zu Dortmund, studierte in den Jahren 1860—66 an dem König- lichen Gewerbeinstitute und an der Universität zu Berlin Mathematik und Natur- wissenschaften, war während eines Theiles dieser Zeit Assistent des Physikers Dove und Mitglied des von den Professoren Kummer und Weierstrass geleiteten wissenschaftlichen mathematischen Seminars. Am 6. August 1864 erhielt er von der philosophischen Fakultät der Universität Berlin die Doktor- würde und legte im Mai 1866 vor der wissenschaftlichen Prüfungskommission in Berlin die Prüfung pro facultate docendi ab. An dem Feldzuge des Jahres 1866 nahm er als Kombattant in der Mainarmee Theil. Während des Winter- semesters 1866—67 war er Mitglied des von Professor Schellbach geleiteten mathematisch-pädagogischen Seminars. Zu Ostern 1867 wurde er als ausser- ordentlicher Professor an die Universität zu Halle a. S. berufen, verheira- thete sich im folgenden Jahre mit einer Tochter des Professor Kummer und folgte im Frühjahre 1869 einem Rufe als Professor der höheren Mathe- matik an die Eidgenössische polytechnische Schule in Zürich, in welcher Stel- lung er sechs und ein halbes Jahr thätig war. An die Zeit, welche er an der Eidgenössischen polytechnischen Schule zugebracht hat, während der er zu einer ausgebreiteten Lehrthätigkeit Gelegenheit erhielt, denkt er gern zurück. Im Herbste des Jahres 1875 wurde ihm von dem Preussischen Unterrichts- Ministerium eine ordentliche Professur der Mathematik an der Universität in Göttingen angeboten. Diese Berufung führte ihn in sein. Vaterland zurück- Nachdem er der Universität und der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaf- ten in Göttingen sechzehn und ein halbes Jahr lang angehört hatte, wurde er im Frühjahre 1892 an die Universität Berlin versetzt. Im Dezember desselben Jahres wurde er in die Königlich Preussische Akademie der Wissenschaften als ordentliches Mitglied der physikalisch-mathematischen Ulasse aufgenommen. Seine Gesammelten mathematischen Abhandlungen sind in zwei Bänden im Jahre 1890 erschienen.“ Nicht nur die Eidgenössische Technische Hochschule, deren Ehrendoktor Schwarz war, auch unsere Naturforschende Gesellschaft wird dem Verstorbenen ein treues Andenken bewahren. Schon am 26. April 1869, unmittelbar nach Seiner Übersiedelung nach Zürich, war Schwarz ihr beigetreten und nahm sofort. 360 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich, 1921 lebhaften Anteil an ihren wissenschaftlichen Arbeiten, was auch mehrere in un- serer Vierteljahrsschrift erschienene Abhandlungen aus seiner Feder bezeugen. Al warz Zürich verliess, war er Vizepräsident der Gesellschaft. Im Jahre 1871 war Schwarz auch in die Schweizerische Naturforschende Gesellschaft aufgenommen worden und er erfreute sie 1874 in Schaffhausen durch einen Vortrag über ein neues Beispiel einer stetigen nicht differentiier- baren Funktion. Seit 1908 gehörte er ihr als Ehrenmitglied an. Zweiter Teil Sitzungsberichte Sitzungsberichte von 1921. Protokoll der Sitzung vom 17. Januar 1921 abends 8 Uhr auf der Schmidstube. Vorsitzender: Prof. Dr.W. Frei. Anwesend 133 Personen. Traktanden: 1. Das Protokoll der Sitzung vom 6. Dezember 1920 wird unter Verdankung an Autoreferent und Sekretär genehmigt. . Die Anwesenden ehren das Andenken an das verstorbene Mitglied Herrn Rud. Glauser, dipl. Chemiker, in Darnaei durch Erheben . Als neue Mitglieder werden aufgenommen Herr Dr. Anton Stieger, Kulmannstr. 57, Zürich 6, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. R. Eder. Herr Dr. Leopold Ruzicka, Privatdozent für organ. Chemie an beiden Hochschulen, Winterthurerstr. 40, Zürich 6, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. Staudinger Herr Ernst Schwarz, Ingenieur, Florhofgasse 3, Zürich 1, eingeführt durch Herrn Dr. med. H.R. Schinz. Herr Dr. RaoulViollier, Professor an der höheren Töchterschule, Forch- strasse 145, Zürich 7, eingeführt durch Herrn Dr. A. Krampler. Herr Ernst Wegmann, Dipl. agr., Aemtlerstr. 15, Zürich 3, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. M. Düggeli. Vortrag des Herrn Prof. Dr. Eleutheropulos: Was ist Naturgesetz? Das Charakteristische der Denkweise des Naturforschers ist die Entdeckung und Formulierung von Naturgesetzen. In der Tat ist die ganze Naturwissen- schaft in allen ihren Zweigen letzten Endes eine Wissenschaft von (den) Gesetzen in der Natur (im Sinne der Gesetze der sinnlichen Welt). Es ist nur Schein, als ob der Naturforscher auch von Wesenheiten (z. B. Sauerstoff usw.) spräche ; er fragt immer nach den Verhältnissen der Dinge, der Erscheinungen zu ein- ander. Die Naturgesetze werden auf Grund der Erfahrung und des Experi- mentes entdeckt, besser gesagt: aufgestellt; selbst die Axiome der Naturfor- schung sind indirekt durch die Erfahrung veranlasste Sätze, die nur logisch als Voraussetzungen angesehen werden. Ein Naturgesetz, das durch philo- Sophische ‚Deduktionen aufgestellt wird, kann nur die Bedeutung eines heu- tistischen Prinzips haben (zunächst wenigstens). Die Gültigkeit der aufgestellten Naturgesetze ist beschränkt, zunächst innerhalb der gegebenen Welt und zwei- tens selbst hierin haben sie nur eine hypothetische Bedeutung; nicht sie Müssen auch für die Fälle gelten, die bei ihrer Aufstellung nicht gegeben nm = 2 IV Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 aren, sondern wir sehen zu, ob sie gelten; wenn man gewöhnlich glaubt, neueintretende Fälle aus dem Gesetz zu erklären, so ist das eine Täuschung; man prüft vielmehr eigentlich am neueintretenden Fall, ob das Gesetz aufrecht zu halten ist. Die Naturgesetze, die der Naturforscher aufstellt, sind also auch nicht notwendig (für immer); sie sind gültig und notwendig für uns für die Fälle, aus denen wir sie gewinnen, bis sie eventuell umgestossen werden. Nun scheint jedes Naturgesetz dennoch der Form nach allgemein gültig und notwendig zu sein; wir sagen z.B.: die Körper fallen usw. und das bedeutet: es muss so sein.:. Aber diese Notwendigkeit und Allgemeingültigkeit ist nicht in dem em- pirischen Gesetze vorhanden, sondern sie wird ihnen von unserm Bewusstsein, von unserer Logizität verliehen; unsere Logizität ist ein Mechanismus und somit ein bestimmter Zwang in uns, und so formulieren wir auch die Natur- gesetze nach diesen logischen Gesetzen, nach dem Zwange in uns (A=Ä, oder A ist, und wenn A, so B). Dieser Zwang in uns ist der logische Mecha- nismus als (biologische) Anpassungserscheinung an die Umgebung bei der Ent- stehung der Logizität. Somit müssen wir das Naturgesetz definieren als einen Satz, der hypothetisch die (oder eine) bestimmte Abhängigkeit der Dinge von einander angibt, dessen Gesetzesform aber von uns, von unserer Logizität stammt. Der Naturforscher bemüht sich, um solche Sätze aus dem Erkenntnis- triebe um die Umgebung, in der wir uns befinden, zu erklären; hier zeigt sich aber auch, dass Erklärung der Erscheinungen durch ein Naturgesetz eigentlich nichts anderes ist, als kurze und bündige Beschreibung derselben, mit Betonung des Gemeinsamen in ihnen. Die Frage, ob die Naturgesetze, die der Natur- forscher aufstellt, wirklich existieren, d. h. in den Dingen selbst existieren, muss bejaht werden; denn sie sind keine allgemeinen Begriffe, sondern Sätze, die die Abhängigkeit der Dinge von einander angeben. Ob es allerdings Dinge ausser- halb des Subjektes gibt, ist eine Weltanschauungsfrage und das richtige ist wohl, anzunehmen, es gibt solche Dinge, obschon sie freilich dem Wesen nach nicht demjenigen gleich sind, was von ihnen in das Subjekt gelangt. Eine letzte Frage, ob unserer Logizität und den Naturgesetzen doch eine Notwendigkeit an und für sich entsprechen mag (Metaphysik der Naturgesetze) darf bejaht werden: wir dürfen annehmen, dass es ein «Uretwas» gibt, das Träger aller Erscheinungen ist, und dass dieses Uretwas in sich eine Notwendigkeit bildet und nach Notwendigkeit gestaltet. Hätten wir also in diesem Falle den nö- tigen Geist, um diesen Weltgrund, das Uretwas zu erkennen, so würden wir alles, alle Naturgesetze, mathemathisch logisch daraus ableiten können, als die einzige Möglichkeit aus der einzigen Prämisse. (Autoreferat.) Dem mit vielem Beifall aufgenommenen Vortrag folgte eine rege Diskussion an der sich vor allem die Herren Prof. Dr. G. Lipps und Prof. Dr. Edgar Meyerund ausserdem die Herren Dr. Cattani, Prof. Dr. Freytag und Prof. Dr. de Quervain beteiligten. Nachdem der Präsident dem Vortragenden und den Diskussionsrednern gedankt, bringt er das im Dezember ergangene Zirkular in Erinnerung und bittet diejenigen Mitglieder, die noch keine Antwort eingesandt, dies noch möglichst bald zu tun. Schluss 11 Uhr. Der Sekretär: Prof. Dr. Schlaginhaufen. Jahrg. 66. Sitzung vom 31. Januar 1921. V Protokoll der Sitzung vom 31. Januar 1921 abends 8 Uhr auf der Schmidstube. Vorsitzender: Prof. Dr. W.Frei. Anwesend 136 Personen. Traktanden 1. Das Protokoll der Sitzung vom 17. Januar 1921 wird unter Verdankung an Autoreferent und Sekretär _—_- . Als neue Mitglieder werden aufgenom Herr Jakob Kowner, Elektro- Angenien, Zollikon, Witellikerstr. 8, ein- geführt durch Herrn Prof. Dr.W. Fre Herr Dr. ing. Paul Engi, Vermessungengeier Schipfe 4, Zürich 1, ein- geführt durch Herrn Prof. Dr. W. Frei. Herr Armin Oehrli, Apotheker, Rosengasse 9, Zürich 1, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. Eder . Vortrag des Herrn Dr. R. Billwiller, Adjunkt an der eidg. meteorologischen Zentralanstalt: Der gegenwärtige Gletschervorstoss u.seine meteorologischen edingungen. Der Vorstoss begann sich 1909 und 1910 an den kleinen Gl. zu mani- festieren, wurde dann zwar durch den ganz ausserordentlich warmen Sommer 1911 aufgehalten, nachher aber immer allgemeiner. 1912 u. 1913 kamen schon grös- sere Gl. — namentlich solche mit grossem Sammelgebiet oder mit grossem Ge- fälle — wie der Stein-, der Rhone-, die Grindelwaldergl. etc. zum Wachsen und dieser Vorstoss geht gegenwärtig noch weiter. Nur die langen Talgletscher — Gorner-, Ferp£cle-, Arolla-, Aletsch-, Morteratsch- und Fornogletscher — sind übereinstimmend mit den bei frühern Gletschervorstössen gemachten Erfah- rungen vom Vorstoss noch nicht ergriffen, sondern bis jetzt noch im Zurück- weichen. Der Nachweis der den Gletscl 1 1 zugrunde liegendenSchwan- kungen der meteorolog. Elemente war - für die beiden Hochstände der Gl. von 1820 und 1855 bei dem noch spärlichen meteorolog. Material nur teil- weise geglückt. Für den sich gegenwärtig anbahnenden Hochstand ergibt sich bezüglich der Temperatur, dass die Sommertemperatur auf dem Säntis im Mittel der Jahre 1909—1920 (Wachstumsperiode) trotz einzelner sehr warmer Sommer (1911 und 1917) um 0.6° tiefer lag, als in der vorangegangenen Periode 1888—1908 und zwar waren alle Monate im Mittel kühler (Juni 0.5°, Juli 0.9, August 0.5, September 0.60). Gleich gross ist die negative Temperaturentwick- .lung in dieser Periode übrigens auch im Mittelland (St. Gallen 0.6 9). Dagegen machen die entsprechenden Niederschlagsmengen es uns ver- ständlicher, warum die Perioden des Vorrückens und des Schwindens der Gl. durch die N „Messungen nicht recht erfasst werden konnten, solange a. von Höhenstationen fehlten. Es betrugen die mittleren Jahresmengen in St.Gallen Zürich Genf Sion Guttannen Engelberg Elm Davos Bernhardin Säntis 1888/1908 131° 105 88 57 161 161 210.8 244 cm 10/0 129 1066 97 59 18 111 149 9 232 : 315, Während also im Mittelland nur die Westschweiz und von den angeführ- ten alpinen Stationen nur Guttannen eine erhebliche Zunahme des N. aufweisen, beträgt dieselbe auf dem Säntis ca. 30 Prozent. Das scheint um so verwunder- licher, als sonst auf so exponierten Bergstationen der starken Luftbewegung wegen N.-Messungen fast unmöglich sind und viel zu kleine Beträge ergeben. [Se Se) VI Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Auf dem Säntis scheinen aber die örtlichen Verhältnisse für die Aufstellung des Ombrometers ausnahmsweise sehr günstige zu sein. Ein Beweis für die Reellität der ganz erstaunlichen Niederschlags-Steigerung auf dem Säntis ist diejenige einiger Fussstationen. Während St. Gallen noch nichts davon zeigt, verläuft die Kurve. der Jahresmengen für das noch näher am Säntis liegende Urnäsch absolut identisch mit der Säntiskurve und der Mehrbetrag der Wachstumsperiode (1909/20) ist hier schon 15 Prozent. — alle Monate haben auf dem Säntis 1909/20 mehr N. als 1888/1908, am meisten jedoch die Wintermonate (Dezember + 1%, Januar + 130 mm) Das vorhandene Beobachtungsmaterial erlaubt also die Feststellung, dass mit dem Beginn des Wachstums der Gl. eine Periode mit in den höheren Lagen stark vermehrter N., namentlich im Winter, zu- sammenfällt; dabei sind die Sommermonate im Mittel wesentlich kühler als in dervorangegangenen Rückzugsperiode Die Ergebnisse der Totalisatoren, über deren Konstruktion der Vortra- gende Ausführlicheres mitteilt, werden in Verbindung mit der von der Gl.-Kom- mission der Physikalischen Gesellschaft Zürich an die Hand genom- menen Firnbohrungen im Clariden- und Silvrettagebiet — zur Ermittelung des jährlichen Firnzuwachses — uns später, wenn wir in die entgegengesetzte Phase der Schwankung eingetreten sind, Schlüsse erlauben über den Anteil der N.-Vermehrung an der gegenwärtigen und an zukünftigen Gl.-Schwankungen. Hierüber zu klaren Vorstellungen zu gelangen, ist um so wichtiger, wenn wir uns an die viel umstrittene Frage erinnern, welchen Anteil die Niederschläge an den viel grösseren Schwankungen der Alpengletscher im Diluvium hatten. (Autoreferat.) Der mit grossem Beifall aufgenommene Vortrag rief eine lebhafte Aus- sprache hervor, an der die Herren Prof. Dr. de Quervain, Dr. Rübel, Dr. Maurer, Ing. Rutgers und Prof. Dr. Heim teilnahmen. Schluss 10 Uhr. Der Sekretär: Prof. Dr. Schlaginhaufen. Protokoll der Sitzung vom 14. Februar 1921 bends 8 Uhr auf der Schmidstube. Vorsitzender: Prof. Dr. W.Frei. Anwesend: 86 Personen. Traktanden: 1. Das Protokoll der Sitzung vom 31. Januar 1921 wird unter V.erdankung an Autoreferent und Sekretär genehmigt. . Der Vorsitzende teilt mit, dass unser Mitglied, Herr Daniel Jenny- Tschudy in Glarus sich unter die lebenslänglichen Mitglieder habe eintragen lassen und ausser dem Mitgliederbeitrag von Fr. 400.— der Gesellschaft den Betrag von Fr. 600.— geschenkweise übergeben habe. In Namen der Gesell- schaft spricht der Präsident dem gütigen Geber den herzlichsten Dank aus. . Vortrag des Herrn Prof. Dr. Ad. Oswald: Die Beziehungen zwischen chemischer Konstitution und Wirkung der Arzneimittel. Trotz des Vorliegens eines ausserordentlichen Beobachtungsmaterials ist es z.Z.nicht möglich, im Einzelfall aus der chemischen Konstitution allein einen sichern Schluss auf die Wirksamkeit einer Substanz zu ziehen. Wir können nur sagen: eine Substanz kann diese oder jene Wirkung haben, sie muss m [es Jahrg. 66. Sitzung vom 14. Februar 1921. vn sie aber nicht haben. Der Grund hierfür liegt im Bau des lebenden Organis- mus, der nicht ein rein chemisches System darstellt, sondern ein kolloidales System, in dem sich chemische Reaktionen abspielen. Es müssen daher alle Gesetze, welche die kolloidalen Systeme beherrschen, mitberücksichtigt werden. Die Gegenwart kolloid gelöster Stoffe beeinflusst in hohem Grade die che- mischen Reaktionen, wie auch ihrerseits echt gelöste Stoffe den Zustand der Kolloide beeinflussen. Es besteht also in der Zelle eine Verquickung che- mischer und physikalisch-chemischer Reaktionen, wozu noch der Einfluss rein physikalischer Faktoren kommt. Alle diese sind mitbestimmend für das Zu- standekommen der physiologischen Wirksamkeit. Unter den physikalisch- chemischen und physikalischen Faktoren sind zu nennen: die Wasserlöslichkeit, die Löslichkeit in Fett und fettähnlichen Substanzen (Lipoide), die Diffusions- geschwindigkeit, die Volatilität, der Haftdruck (Einfluss auf die Oberflächen- spannung des Lösungsmittels), die Absorbierbarkeit. Alle diese Eigenschaften sind in hohem Grade massgebend für die Resorbierbarkeit, die Aufnahme einer Substanz in das Zellinnere. Von der Resorbierbarkeit hängt die Wirksamkeit b, jedoch nur so, dass sie die Quantität, nicht die Qualität derselben bedingt’ Letztere dürfte für die Mehrzahl der Stoffe eine Funktion der chemischen Eigenart sein. Trotz der hohen Bedeutung der physikalischen und physika- lisch-chemischen Faktoren bestehen darum Beziehungen zwischen chemischer Konstitution und Wirkung. Der Entfaltung der Wirksamkeit können eine ganze Reihe von Faktoren förderlich oder hinderlich sein, die in morphologischen Momenten begründet oder in der Verschiedenartigkeit der funktionellen Ansprechbarkeit gelegen sind. Daraus erklären sich Unterschiede in der Wirksamkeit gegenüber ver- schiedenen Tierarten, gegenüber verschiedenen Altersstufen bei gleichen Indi- viduen, gegenüber beiden Geschlechtern usw. e Beziehungen zwischen chemischer Konstitution und Wirksamkeit lassen viele Gesetzmässigkeiten erkennen, deren Darlegung sich für ein kurzes Referat nicht eignet. Als oberste Gesetzmässigkeit gilt der Satz, dass, wie alle Kohlenstoffverbindungen sich von einer Anzahl von Grundtypen ableiten lassen, so auch alle pharmakologischen Eigenschaften auf eine Anzahl Grundeigen- schaften zurückzuführen sind, und diese Grundeigenschaften sind gerade die- jenigen der chemischen Grundtypen. In allen ihren Derivaten sind sie zu er- kennen, soweit sie nicht infolge Angliederung besonderer Radikale verdeckt sind. Allen Arzneimitteln liegen diese Primordialeigenschaften zugrunde. Sie sind nur in verschiedener Weise modifiziert und abgestuft; schädliche, un- erwünschte Nebenwirkungen abgeschwächt bis zur praktischen Aufhebung usw. Hierbei haben ganz bestimmte Radikale einen abschwächenden, andere einen fördernden Einfluss. Da in neuerer Zeit keine prinzipiell neuen Kohlenstofi- verbindungen hergestellt worden sind, und wohl so Iche, d.h. von einem neuen Grundtypus sich ableitende in absehbarer Zeit nicht hergestellt werden, so sind in jüngerer Zeit auch keine wirklich neuen Arzneimittel gewonnen worden und sind für die nächste Zukunft nicht zu erwarten. Die stets von neuem auf den Markt geworfenen Mittel sind nur Modifikationen schon bekannter. Die che- mische Ähnlichkeit im weitesten Sinne, die zwischen ähnlich wirkenden Sub- Stanzen besteht, gestattet Schlussfolgerungen auf die Konstitution bisher in ihrem Bau noch nicht ermittelter Stoffe. (Autoreferat.) VII Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Die Anwesenden zollen dem Vortragenden lebhaften Beifall. In der Dis- kussion sprachen sich die Herren Prof. Dr. W.Frei und Dr. med. Aebly für die Wahrscheinlichkeit physikalischer Wirkungen mancher Arzneimittel aus. Schluss 9 Uhr 45. Der Sekretär: Prof. Dr. Schlaginhaufen. Protokoll der Sitzung vom 28. Februar 1921 abends 8 Uhr auf der Schmidstube. Vorsitzender: Prof. Dr. W.Frei. Anwesend 159 Personen. Traktanden: 1. Das Protokoll der Sitzung vom 14. Februar 1921 wird unter Verdankung an Autoreferent und Sekretär genehmigt. 2. Die Jahresversammlung der Schweiz. Nat. Ges. findet vom 25.—28. August 1921 in Schaffhausen statt. . Die N. G. Z. hat eine Einladung zum 20. Deutschen Geographentag erhalten, der am 17., 18. und 19. Mai 1921 in Leipzig stattfinden wird. . Vortrag des Herrn Prof. Dr. Zietzschmann: Funktionen des weiblichen Genitals bei Säugetier u. Mensch (Brunst und Menstruation). Die normale Funktion der weiblichen Genitalien äussert sich im Auftreten charakteristischer Veränderungen, die in bestimmten Zwischenräumen regelmässig wiederkehren und den sog. Sexualzyklus bedingen, der einerseits am Ova- rium, andererseits am Uterus Erscheinungen auslöst. Im Eierstock kommt es normalerweise an den die Geschlechtszellen enthaltenden Grafschen Bläschen oder Follikeln mit zwingender Notwendigkeit zum Sprung und in der Folge durch Wucherung der Follikelepithelien zur Ausbildung eines soliden gelben Körpers. Dieses Corpus luteum verfällt bei Nichtbefruchtung des aus dem Follikel gestossenen Eies nach kurzer Blüte der Rückbildung. Aber dadurch wird der Weg frei zur Ausreifung und Berstung eines neuen Follikels, dem abermals die Entwicklung eines gelben Körpers folgt, usf. Dieser ovariale Zyklus ist bei allen Säugetieren der gleiche, und auch der Mensch macht davon keine Ausnahme. Die Oyulation der Säugetiere ist an einen bestimmten Termin gebunden und läuft mit den leicht wahrnehmbaren Erscheinungen der Brunst einher (Blutandrang nach den Genitalien; lebhafte Schleimsekretion, bei verschiedenen Tieren auch Blutabgang; nervöse Erregungszustände; Ge- statten der Kohabitation). Beim Menschen dagegen ist der Symptomenkomplex der Brunst, als Folge der Kultur, verloren gegangen. Die Ovulation geht dem- nach ohne wesentliche klinische Erscheinungen und auch ohne Blutung nach aussen von statten. Die zyklischen Veränderungen am Uterus betreffen dessen Schleimhaut. Sie bestehen darin, dass bereits vor Einsetzen der Ovulation in der Schleimhaut lang- sam Wucherungsprozesse beginnen, die innerhalb einiger Tage zum Maximum an- schwellen. Es handelt sich vor allem um Wucherung der Drüsen, die charak- teristische Formen annehmen und lebhaft zu sezernieren beginnen. In die Zeit kurz nach Beginn der Phase fällt bei den Tieren die kürzere oder länger® Epoche der Brunst mit ihrem starken Blutandrang zu den Genitalien und even- tuellem Blutaustritt in die Uteruslichtung. Das rasche Verklingen dieser Symp- tome hindert aber nicht, dass die Proliferation der Gebärmutterschleimhaut weitergeht, so dass bei Mensch und Tier eine Zeit nach der Ovulatien erst die > > “ Jahrg. 66. Sitzung vom 28. Februar 1921. IX ad maximum gewucherte Mukosa zu finden ist. Ist nun in der Zwischenzeit das bei der Ovulation befreite Ei nicht befruchtet worden, so kommt es in der Folge nach Erreichen des Hochstandes zu einem raschen Abbau der prolite- rierten Schleimhaut, der beim Menschen und den Primaten eine schnell sich steigernde Haemorrhagie ins muköse Gewebe vorausgeht. Diese Gewebeblutung ist so stark, dass bei der Rückbildung der Schleimhaut der Grossteil derselben zerstört wird, weshalb es zu den ausgiebigen Blutungen der Menstruation kommt, die bei Tieren in dieser Zyklusphase vollständig fehlen. Nach so weitgehendem Gewebsverlust folgt rasch die Überhäutung der Schleimhaut- wunde, die Regeneration, die beim Tiere den langsameren Rückbildungsvor- gängen gegenüber gar nicht ins Auge fällt. Nach kurzer Pause aber beginnen an der verdünnten Schleimhaut Wachstumsprozesse aufs neue und der uterine Zyklus setzt abermals ein, um den gleichen Verlauf. zu nehmen, wenn nicht das Ei der neuen Ovulation auf dem Wege zur Gebärmutter diesmal der Im- prägnation anheimfällt. Trifft aber ein befruchtetes Ei zur Zeit des Hochstandes der Schleimhaut im Uterus ein, dann erhält sich die gewucherte Mukosa und geht direkt in die der Schwangerschaft über. Innerhalb des Sexualzyklus treten bei Mensch und Tier äusserlich wahr- nehmbare Symptome zutage: beim Menschen die Menstruationsblutung, bei den Tieren die Brunst, die allenfalls auch mit einer Haemorrhagie einhergeht. Da nun aber die Brunst in die Zeit der Anbildung, die Menstruation aber in die des Abbaues der Uterusschleimhaut fällt, so ist es ohne weiteres klar, dass beiderlei Blutungen nichts miteinander zu tun haben. Die Steuerung der merkwürdig regelmässig ablaufenden zyklischen Ver- änderungen am weiblichen Genitale geht ohne Zweifel vom Eierstock aus. Un zwar ist es der Follikelapparat im weiteren Sinne des Wortes (die Epithel- zellen der Graafschen Bläschen und die des Corpus luteum), der durch Ab- scheidung von chemischen Stoffen an das Blut nach Art der innersekretorischen Drüsen die Regulierung übernimmt. Das lebende Ei scheint aber darüber hinaus dominierend die Tätigkeit zu beeinflussen. In welchem funktionellen Verhält- nis die „interstitielle Drüse“ des Ovarium zum gelben Körper steht, lässt sich heute noch nicht definitiv aussagen, obwohl die Versuche besonders der Stei- nachschen Schule die Möglichkeit einer Stellvertretung sehr wahrscheinlich machen, zwar nicht bezüglich des hier zu behandelnden Sexualzyklus, aber doch in Rücksicht auf die Intaktheit des Genitales als solchem. Die Frage der sekundären Geschlechtsmerkmale wurde nur gestreift. (Autoreferat.) In der Diskussion tritt Herr Prof. Zschokke für die Bildung des Corpus luteum aus der Tunica interna ein. Herr Dr. Bühler kann das frühe Auf- treten der interstitiellen Drüse nicht bestätigen. Herr Dr.Küpfer berührt den von ihm bei Schafen und Ziegen studierten weiblichen Sexualzyklus und ging auf die Übereinstimmung der Zahl der Früchte im Uterus und der Zahl der Corpora lutea und im Anschluss daran auf die Erscheinung der Eiüber- wanderung näher ein. Herr Dr.Krupski lenkte die Aufmerksamkeit auf die zyklischen Veränderungen am Euter und stellte die Bedeutung der Korrelation der Organe in den Vordergrund. In diesem Sinne äusserten sich auch Prof. Dr. W.Frei und Prof. Dr. Busse, wobei der letztere die korrelativen Be- x Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 ziehungen der endokrinen Organe (z. B. auch der Epiphysis) durch Beispiele be- legte. Nach einem Schlusswort des Vortragenden dankte der Vorsitzende dem Vortragenden und den Diskussionsrednern auf das wärmste und schloss die Sitzung um 11 Uhr. Der Sekretär: Prof. Dr. Schlaginhaufen. Protokoll der Sitzung vom 14. März 1921, abends 8 Uhr auf der Schmidstube. Vorsitzender: Prof. Dr. W. Frei. Anwesend: 90 Personen Traktanden: 1. Das Protokoll der Sitzung vom 28. Februar wird unter Verdankung an Auto- referent und Sekretär genehmigt. . Als neue Mitglieder werden aufgenommen: Herr Dr. Walter Hauser, Assistent am Zoolog. Institut der Universität Dreikönigstr. 55, Zürich 2, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. Hescheler Herr Dr. med. H. J. A. vanVoornveld, Germaniastr. 58, Zürich 6, eingeführt durch Herrn Dr. A. Kienast. Herr Dr. MartinDisteli, Prof. der Mathematik an der Universität Zürich, Olten, Steinbruchweg 672, eingeführt durch die Herren Prof. Dr. Hans Schinz und Prof. Dr: Schlaginhaufen. Die Gesellschaft hat durch den Tod verloren: Herrn Arnold Keer, Che- miker, Mitglied seit 1910, Die Anwesenden erheben sich zu Ehren des Ver- storbenen. . Vortrag des Herrn Ingenieur Wirth (Aarau): Verdampfung ohne Wärmezufuhr (Mit Projektionen). Die heutige Zeit steht deutlich im Zeichen einer Umorientierung von Brennstoff- auf Energiewirtschaft. Auch Länder mit eigenen, grossen Kohlen- schätzen gehen an die Erschliessung neuer und neuartiger Kraftquellen. Man denkt schon im Ernste an die Ausnützung von Ebbe und Flut und an die Nutz- barmachung der Luftelektrizität zur Kraftgewinnung. Die Entwicklung in der Schweiz hat gezeigt, dass in dieser Umorientierung auch der Ersatz der Kohle durch elektrische Energie in reinen Wärmepro- zessen ausgeführt wird. Dabei müssen im Grossbetrieb 5—6 kWh aufgewendet werden, um 1 kg Kohle zu ersetzen, so dass nur Abfallenergie in Frage kom- men kann und dieses Gebiet sehr begrenzt ist. Durch Modelle wurde veranschaulicht, wie aus dem Prinzipe der di- rekten Wärmeerzeu gung, wo aus einer Wärmequelle hoher Temperatur dauernd Wärme durch einen gewünschten Prozess, z. B. eine Verdampfung, herunterfliesst, um zuletzt verloren zu gehen, ein anderes Prinzip grund- sätzlich sehr einfach abgeleitet werden kann, indem man die bisher verlorene Abwärme aus dem Prozesse auffängt, hochpumpt und so unter Aufwand von Arbeit wieder auf hohe Temperatur regeneriert, so dass sie aufs neue in den Prozess einfliessen kann und eine Wärmezufuhr nicht mehr nötig ist. In der Schweiz wurde im Jahre 1878 durch den Genfer Ing. Piccard ein erster Anlauf zur Einführung der Wärmepumpe in der Verdampfung unter- nommen, der in der Salinenindustrie einen lokalen Erfolg hatte. Der Welt- 159) HH Jahrg. 66. Sitzung vom 14. März 1921. XI krieg gab den Anstoss zu einem zweiten Anlaufe, der eine allgemeinere Ein- führung brachte. Im Jahre 1917 wurde die erste einer Reihe durch die A.-G. Kummler & Matter in Aarau nach den Intentionen des Vortragenden ausge- führten Eindampfanlagen in Betrieb gesetzt, die nach einer Untersuchung von Professor Stodola eine 11—12fache Ausnützung des Wärmewertes der einge- führten elektrischen Energie aufweist, bei Verdampfungsleistungen bis zu 40 k Verdampfung pro qm Heizfläche und Stunde, wobei letztere Zahl wirtschaftlich eine grosse Rolle spielt Es wurden dann Schwierigkeiten in der Verdampfung, besonders durch Verkrustung mit Gips und Salz und deren Untersuchung im Laboratorium an Hand von Lichtbildern erläutert und Bilder über r weiteren Anlagen von 1000 bis 9000 kg Wasserverdampfung pro Stunde geze Die Bedeutung des Wärmepumpenprinzipes für die Eindampfung in der Schweiz erhellt aus dem Umfange der bereits erstellten Anlagen, die im Laufe dieses Jahres auf eine Jahresleistung von rund 115 Millionen kg Wasserver- dampfung zu schätzen sind, wobei durch 6 Millionen Kilowattstunden ca. 8,5 Mil- lionen kg Kohle erspart werden, was. bei einem Ko ohlenpreis von Fr. 80.—/t und einem Strompreis von Cts. 5/kWh einen Gewinn von rund Fr. 500,000.— ausmacht. Es sind im Durchschnitt nur 0,7 kWh notwendig, um 1 kg Kohle zu ersetzen, gegenüber 5—6 kWh bei direkter Umsetzung in Wärme, und dadurch werden der Energiewirtschaft 40 Millionen kWh erspart, bei der heutigen Knapp- heit an Energie eine willkommene, bedeutende Zahl. Die mittlere Verdampfungs- zahl beträgt rund 20 kg Wasserverdampfung pro kWh. Damit ist eine Basis gekennzeichnet, auf welcher auch bei billigen Kohlen ein Ersatz durch elek- trische Energie sehr wirtschaftlich ist. Ein Abstecher führte ins Gebiet der Zellstoffbereitung, wo in der ganzen Welt schätzungsweise bei Vollbetrieb im Jahr aus 10 Millionen Tonnen Holz 5 Millionen Tonnen Zellstoff hergestellt werden und die andern 5 Millionen Tonnen Holzsubstanz zur Zeit noch grösstenteils bachab gehen. Darin sind für schätzungsweise 150 Millionen Franken Kohle und für über 300 Millionen Franken Zucker enthalten. Zur Gewinnung ist eine Eindampfung grössten Maßstabes notwendig, die aber nach dem bisherigen Systeme der Vielkörper- apparate ca. die Hälfte des gewonnenen Brennstoffes wieder verschlingt, wäh- rend bei Anwendung der Wärmepumpe nur rund ein Zehntel wieder zur Ver- dampfung gebraucht wird, wodurch dieses enorme Problem erst wirtschaftlich interessant wird. (Autoreferat.) Zu dem mit vielem Beifall aufgenommenen Vortrag brachten die Herren Prof. Dr. E. Bosshard und Prof. Dr. Bauer noch ergänzende Bemerkungen, worauf der Vorsitzende dem Vortragenden den Dank der Gesellschaft für seine Darbietung aussprach. Schluss der Sitzung 2 11 Uhr Der Sekretär: Prof. Dr. Otto Schlaginhaufen. Xu Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Bericht des Quästors über die Reehnung der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich für das Jahr 1920. A. Betriebsrechnung. Einnahmen: Mitgliederbeiträge ; : ; Fr. 9,956. — Neujahrsblätter . « 757.15 Vierteljahrsschriften . i . 660. 80 Geschenke Nr: 82. — nis von Behörden und Gesellschaften ag E00 Zin i m 4,708. 45 Hiiramse Einnahmen i ” 75. 60 Fr. 21,040. — Ausgaben: Neujahrsblatt, wissenschaftl. Teil Fr. 1395. — Spedition u. Spesen . „ 214.05 Fr. 1,609. 05 Vierteljahrsschrift, wissenschaftlicher Teil . Fr. 20,080. 20 4 abzüglich Autorenbeiträge „.. 6,688.05 Fr. 13,392. 15 » ä 544. 25 ’ Sitzungsberichte R en ; Spedition und Spesen „391.30 „ 15,563. 65 iete . a Personalausga ben ee „. 1,681.70 Verwaltung, EEE, Er. -311:06 a Kleinere Drucksachen und ‚Inseratö Berg 285.75 ; Sitzungseinladungen und Protokolle. „ 938. 80 2 Porti und Spesen ; ; E 396.8 e Verschiedenes E 65.95 „1898 Diverse Ausgaben 517. 30 Abschluss. Total der Einnahmen Total der Ausgaben . Rückschlag der Beeren ihg B. Kapitalrechnung. Einnahmen. ne letzter Rechnung ; Übertrag von Stammgutrechnung i Schenkungen und Le . Lebenslängliche Mitglieder Fr. 21, 612.1 a —— Fr. 21,040. — Fr. „ 21.612. 11 572.11 Fr. 10,577. 99 .45 a Be Ba 38: = | Fr. 21,986. 44 Bericht des Quästors. Ausgaben. Übertrag auf ee ee, Saldo der Betriebsrechn | h Übertrag auf Iifnskreiiotisfonds Amortisation . : ; x Abschluss. Total der Einnahmen Total der Ausgaben Saldo FR RT Saldo der Kapitalrechnung am 31. Dez. 1919 Saldo der Kapitalrechnung am 31. Dez. 1920 Vorschlag der Kapitalrechnung C. Pensionsfonds. Saldo letzter Rechnung . nn Einzahlung . ; Zinse . “ Zahlung für Rente H. Koch Saldo des RR D. Illustrationsfonds. Saldo letzter Rechnung Übertrag von Kanielreinng ; Saldo des Ines E. Stammgutrechnung. Einnahmen. Saldo letzter Rechnung Zinsen ' ; ; Ausgaben. Übertrag = ae Amortisatio Abschluss. Total der Einnahmen u Total der Ausgaben . Saldo der rn Saldo der Stammgutrechnung am 31. Dez. 1919 Saldo der Stammgutrechnnng am 31. Dez. 1920 Rückschlag der Stammgutrechnung Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 66. 1921. 72.11 „ 1,000. — » 80. — Fr. 6,630. 56 Fr. 4,708. 45 „136 D Fr. 21,986. 44 „6,680. 56 Fr. 15,355. 88 Fr. 11,377. 99 „15,855. 88 Fr. 3,977. 89 Fr. 2,164. 85 „4,4142. 70 El) Fr. 3,330. 60 » 3,390. 60 Fr. 70,000. — »„ 3,720. — Fr. 73,720. — Fr. 3,720. — 19,150. Fr. 20,870. — Fr. 78,720. — „0,870. — Fr. 52,850. — Fr. 70,000. — . 52,850. — XIH XIV Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Vermögen der Gesellschaft. 1. Anlagen und Barschaft. Saldo der Stammgutrechnung (unantastbar) . Fr. 52,850. — Saldo der me erg eig 0 15,855. 88 Saldo des Pensionsfonds ? ER —_—' Saldo des ieseratiohafonds ; i 5 2 Fr. 71,205. 88 2. Erratische Blö a) Erratischer Block, Speerfindling, i in Bing Hinwil erworben um Fr. 29.— laut Kaufbrief vom 5. Juni > b) b) Egröulecher Block, Sernifit, Rötelstein genannt, beim Hof Rotenfluh in Überembrach, erworben um Fr. 36.— laut Auszug aus dem Grundprotokoll Embrach, Notariat Kloten, 22. Juni 1869 und Abtretungsvertrag vom 29. De- zember €) Erratischer Block, Alpenschiefer, in Wald, Kt. Zürich, erworben um Fr. 20.— laut Kaufbrief Notariat Wald, 10. Oktober 1872. d) Erratischer Block in der Wolfsgrube Wald, Kt. Zürich, erworben laut Schenkungsurkunde vom 3. Juli 1869, Notariat W ald. 3. Druckschriften. Verschiedene Druckschriften in ca. 25,920 Exemplaren, nach Verzeichnis des Herrn Druckschriftenverwalters der Gesellschaft, in Verwahrung der Zentral- bibliothek und der Buchhandlung Beer & Co Die eg zeigt gegenüber dem N der einen Rück- schlag von Fr. 4000.— voraussah, einen solchen von nur 572.11, somit eine Besserstellung von Fr. 3.427. 89. Bören partizipieren: Mit Mehreinnahmen: ung Diverse Ausgabeh Neujahrsblätter . : - ; ; : i Fr... 857.15 ee en ee i ee 3.) Geschenke Ba “ 82. — Zinsen . „208.45 Diverse Einnahmen ö 25.60 Fr. 784. mit en Neujahrsblat een ‚Fr: 90.8 Virtahrschrt ee ee iete ; ; { ; i ; ; er 8— Va altu : i - > a i ie Sata Be ne Re denen gegenüberstehen mit Mindereinnahmen: Jahresbeiträge . an... Beiträge von Behörden RER .u247 2 - Fr. Mi— mit Mehrausgaben: Personalausgaben tt ‚ 575.70 Fr. 3,427.89 Jahrg. 66. Bericht des Quästors. XV Die grösste Ersparnis wurde beim Posten „Vierteljahrsschrift* gemacht, und wurde dadurch erreicht, dass einerseits der einzige aufgenommene Vortrag nur Fr. 544.25 beanspruchte, statt Fr. 2000. — und dass anderseits der wissen- schaftliche Teil eine Minderausgabe von Fr. 600.— ausweist. Letztere Erspar- nis wurde durch die, nicht gerade zur Ehre der Gesellschaft gereichende, aber durch bittere Notwendigkeit diktierte Massnahme erreicht, dass die Autoren, mit Einschluss des Redaktors selbst, zu zum Teil recht bedeutenden Barbei- trägen an ihre Publikationen verhalten wurden, Die Hauptersparnis bei der Ver- waltung wurde bei den Sitzungsprotokollen erreicht mit gegen Fr. 600.-. Zu eigenen grössten Bedauern müssen wir die Herren Autoren leider bitten, die Autoreferate auf das Allernotwendigste zu beschränken. Mit Be- dauern müssen wir noch die Tatsache buchen, dass die Werbetätigkeit unserer Mitglieder für neue Mitglieder bedeutend unter unsern Erwartungen blieb und dass weiter der laut Protokoll des Regierungsrates vom 4. Dezember 1919 in sichere Aussicht gestellte Beitrag der Erziehungsdirektion um Fr. 200. — ge- kürzt wurde. Es darf wohl darauf hingewiesen werden, dass der Staat mit ungleich höheren Summen einzuspringen hätte, wenn der Tauschverkehr der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich infolge mangelnder Mittel eingeschränkt werden müsste. Der trotz aller a Bayiga Rückschlag von Fr. 572.11 wurde auf Kapitalrechnung übert Bei der Kapitalrechnung ist die a, N riaiehe zu buchen, dass uns durch die Witwe unseres hochverehrten verstorbenen Mitglieds Herrn Prof. Dr.Carl Egli sel. ein Legat von Fr. 5000.— und durch unser verstorbenes Ehren- mitglied Herrn Prof. Dr. Paul L&on Choffat sel. in Lissabon ein solches von Fr. 500.— zuging. Beide Legate seien auch an dieser Stelle aufs herzlichste verdankt. Der Posten „Lebenslängliche Mitglieder“ wurde als eigener Rech- nungsposten aufgehoben und der Kapitalrechnung zugewiesen. Sämtliche Wert- schriften der Kapitalrechnung, mit Ausnahme einer zu Fr. 150 — gewerteten Aktie Leu & Co., sind zu pari eingesetzt. Der Pensionsfonds wurde infolge Pensionierung unseres ehemaligen Ab- wartes H. Koch liquidiert. Dem Illustrationsfonds konnten aus der Kapitalrechnung Fr. 1000.— über- wiesen werden. Einen schweren Schlag erlitt das Stammgut infolge des Kurssturzes der Aktien Leu & Co. Die 49 Stück dieser Aktien, bisher zu pari eingesetzt, wurden auf Fr. 150.— per Stück herabgesetzt, wodurch die Stammgutrechnung um Fr. 17,150 gekürzt wurde und somit noch Fr. 52,850. — beträgt. Eine Inventur über die in der Verwaltung der Zentralbibliothek sich be- findlichen Druckschriften wurde nicht vorgenommen. XVI Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Budget für das Jahr 1921. Einnahmen: Mitgliederbeiträge . : : ; ü Fr 00 Neujahrsblätter i i ; - Lt 400. — Vierteljahrsschriften i 5 i If 500. — Geschenke ; ; } ; . ; KERE 50. — Beiträge von Behörden und Gesellschaften . » 4,800. — Zinsen EN N Bew RT. Diverse B 50. — Fr. 18,700. — Rückschlag tt NEN Fr. 22,500. — Ausgaben: Neujahrsblatt, wissenschaftlicher Teil . i u ER : Spedition und Spesen G 300. Fr. LM = Vierteljahrsschrift wissenschaftlicher Teil 10 > ; N N re er ; Sitzungsberichte i : ae Br “ Spedition und Spesen R a ei Miete et, ER ; i 400. — Personalausgaben . Er - Ka ; a Verwaltung Bureaumaterial . ü i ; > +. 0 ; Drucksachen und Inserate . ; ee 200. — < Sitzungseinladungen . ; ; ; 4 900. — „ Porti und Spesen ; . i on 400. — e Verschiedenes ee re 10 Divers ass 00 Sean gan Die 500. — Fr... a Zürich, den 2. Mai 1921. Der Quästor: Dr. M. Baumann-Naef. Revisorenbericht. Zürich, 11. März 1921. An die Hauptversammlung der Naturforschenden Gesellschaft Zürich. Sehr geehrte Herren! Die unterzeichneten Rechnungsrevisoren haben die Rechnung per 31. De- zember 1920 eingehend geprüft und in allen Teilen richtig befunden und deren Übereinstimmung mit den Belegen konstatiert. Die Betriebsrechnung weist einen bescheidenen Rückschlag auf. Der Kapitalrechnung sind im Laufe des Jahres zwei Legate zugeflossen, die deren Resultat günstig beeinflusst haben. Das Stammgut hatte unter der Ungunst der Zeit zu leiden, indem eine Abschreibung auf dem Besitz von 50 Leu-Aktien notwendig wurde, die Fr. 17,500.— erforderte. Jahrg. 66. Bericht des Sekretärs. XV Der Bestand der Wertschriften wurde durch Vorlage des er der Zürcher Kantonalbank ausgewiesen, auch überzeugten wir uns von Übereinstimmung der vorhandenen Guthaben durch Einsichtnahme in die ver- schiedenen Depositenhefte. Wir beantragen Ihnen deshalb, die Rechnung abzunehmen, unter bester Verdankung an den Quästor, für die klare und sorgfältige Führung der Rechnung. Hochachtungsvoll W.C. Escher. Alb. Bommer. Bericht des Sekretärs über die wissenschaftliche Tätigkeit und den Bestand der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 1920/21. Während des Berichtsjahres ara die Gesellschaft 11 Sitzungen, in denen folgende Vorträge gehalten wur 12. Juli 1920. Herr Dr. P. Wirz Based: Aus dem Leben der Eingeborenen von Südwest-Neuguinea. 25. a 1920. Herr Dr. E. Rübel: Die Entwicklung der Pflanzensozio- logi Ze: N ovember 1920. Herr Dr. = Jegen (Wädenswil): Die Ergebnisse meiner Vererbungsversuche an Biene -. 22. November 1920. Herren Prof. Dr. H. Zangger und Prof. Dr. V. Henri: Über Spektroskopie, Spektrophotographie und deren Anwendungen. 6. Dezember 1920: Herr Prof. Dr. H.C.Schellenberg: Die Holzzersetzung als biologisches Problem. 17. Januar 1921. Herr Prof. Dr. Eleutheropulos: Was ist Naturgesetz ? 31. Januar 1921. Herr Dr. R. Billwiller: Der gegenwärtige Gletschervor- stoss und seine meteorologischen Bedingungen. 14. Februar 1921. Herr Prof. Dr. Ad. Oswald: Die Beziehungen zwischen der chemischen Konstitution und der Wirkung der Arzneimitte 28. Februar 1921. Herr Prof.Dr. Zietzschmann: Funktionen .s weiblichen Genitals bei Säugetier und Mensch (Brunst und Menstruatio . 14. März 1921. Herr Ingenieur Wirth (Aarau): Verdampfung ab Wärme- zufuhr. : - Juni 1921. Herr Prof. Dr. P.Debye: Das elektrische Planetensystem der Moleküle. Durchschnittlich waren in den Sitzungen 114 Personen anwesend. nPp om + 2 jr 2:0. m fear u Exkursionen: Der 12. Juni 1920 war einer Besichtigung der Piriandreinentenh ken Holderbank- -Wildegg und des Schlosses Wildegg gewidmet. Nachdem Herr Prof. Dr. E. Bo sshard in einem kurzen Vortrag eine übersichtliche Darstellung vom Verlauf der Vorgänge bei der Zementfabrikation gegeben hatte, fand unter Führung des Herrn Direktor Gygi und seiner Mitarbeiter ein Rundgang durch xvm Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 die Fabrikanlagen statt. Die Gesellschaft begab sich am Nachmittag zum Schloss Wildegg, wo Herr Landesmuseumsdirektor Prof. Dr. Lehmann zunächst das Wesentliche über die Geschichte von Schloss und Umgebung zusammenfasste und hierauf die Führung durch die Räume des Schlosses übernahm. Vorstandssitzungen: Die Geschäfte des Vorstandes wurden in 3 Sitzungen beraten. Mitgliederbestand: Die Gesellschaft hat seit dem letzten Bericht folgende Mitglieder durch den Tod verloren: Im Mai 1920 Herrm Dr. Otto Amberg, Mitglied seit 1908; „ Okt. 1920 Herrn Prof. Dr. Wilhelm Wundt, in Leipzig, im Jahre 1874 in die N. G. Z. eingetreten, seit 1914 freies ausl. Mitglied; „ Nov. 1920 Herrn Dr. Hans Kronauer, Mitglied seit 1883, Quästor 1887 bis 1914, Ehrenmitglied seit 1912. „ Dez. 1920 Herrn Prof. Dr. Hugo Ribbert, in Bonn, im Jahre 1893 in die . 6. Z. eingetreten, seit 1914 freies ausl. Mitglied. „ Jan.1921 Herrn Rud. Glauser, dipl. Chemiker in Dornach, Mitglied seit „ März1921 Herrn Arnold Keer, Chemiker in Kilchberg (Zch.), Mitglied eit ; „ April1921 Herrn Dr. Herbert Haviland Field, Mitglied seit 1899; „ Mai 1921 Herrn Dr. Albert Schoch, Mitglied seit 1919; » » 1921 Herrn Eduard Escher-Pestalozzi, Mitglied seit 1917. Den Austritt haben 35 Mitglieder erklärt und eines liess sich auf die Liste der freien ausländischen Mitglieder übertragen. Seit dem letzten Bericht wurden 39 Mitglieder in die Gesellschaft aufgenommen, ferner wurde ein bis- heriges freies ausländisches Mitglied wieder ordentliches Mitglied. Am 31. Dezember 1920 hatte die Gesellschaft folgenden Mitgliederbestand: Ehrenmitglieder 10 Korrespondierende Mitglieder 4 Ordentliche Mitglieder 547 Freie ausländische Mitglieder 22 583 Am Tage der Hauptversammlung beträgt die Zahl der ordentlichen Mit- ra (unter Einschluss der in der Hauptversammlung aufgenommenen): 36. Zürich, Juni 1921. Der Sekretär: Prof. Dr. Otto Schlaginhaufen. Bericht des Redaktors. Der 619 und L Seiten zählende 65. Jahrgang unserer Vierteljahrsschrift ist, wie üblich in Form zweier Doppelhefte erschienen. Heft 1/2 wurde 13. Juli, Heft 3/4 am 31. Dezember ausgegeben. Der Jahrgang enthält eine Porträttafel (Prof. Dr. U. Grubenmann), 1 Karte, 9 Tafeln und 46 Textfiguren- Die Zahl der Autoren, die Beiträge geliefert haben, beziffert sich auf 20. Die Jahrg. 66. Bericht des Redaktors. XIX Publikationen verteilen sich auf die einzelnen Disziplinen wie folgt: Mathe- matik 2, Physikalische Chemie 1, Geologie und Petrographie 5, Evolutions- geschichte 1, Medizin 1, Zoologie inkl. vergleichende Anatomie 3, Pfahlbauten- fauna 1, Botanik 1, Lebensmittelkunde Am 15. April des Berichtsjahres feierten Kollegen, Freunde und Schüler den Abschluss des 70. Lebensjahres von Prof. Dr. U. Grubenmann, welchem Fest- anlasse auch die Vierteljahrsschrift Ausdruck verlieh durch Aufnahme des Porträts und eines Verzeichnisses der Publikationen des gefeierten Gelehrten und Lehrers an unseren beiden Hochschulen, das eingeleitet wurde durch eine die allgemeine Verehrung und Freude widerspiegelnde Huldigung aus der Feder von Grubenmann’s ehemaligem Schüler und jetzigem Nachfolger Prof. Dr. P. Niggli. Demselben Anlass sind zwei Arbeiten, die in obenstehenden Ziffern inbegriffen sind, gewidmet, nämlich diejenige Dr. R. Staub’s „Über Ge- steinsmetamorphosen in Graubünden“ und die in zwei Teilen erschienenen Mitteilungen Dr. Hans Hirschi’s über „Radioaktivität einiger Schweizergesteine*. Der Vollendung des 70. Lebensjahres (am 29. Dezember 1919) von Prof. Dr. Otto Stoll widmeten die Kollegen Prof. Dr. Karl Hescheler und Dr. Max Küpfer ihre in diesem Jahrgang aufgenommenen Publikationen: Prof. Hescheler durch seine „Beiträge zur Kenntnis der Pfahlbautenfauna des Neolithikums“, Dr. Max Küpfer durch seine „Beiträge zur Morphologie der weiblichen Ge- schlechtsorgane bei den Säugetieren.“ Die „Notizen zur schweizerischen Kulturgeschichte“ von Prof. Dr. F. Rudio und Prof. Dr. G. Schröter schildern den weitern Gang der „Eulerausgabe* sowie den Lebenslauf der verstorbenen Mitglieder Gustav Huguenin, Arthur Tröndle, Adolf Steiger und bringen als Ergänzung zu dem im letzten Jahrgang er- schienenen Nachruf auf Adolf Hurwitz ein Verzeichnis der Publikationen des Verstorbenen. i Den Beschluss bilden die Sitzungsberichte und die Personalverzeichnisse. Das am 2. Januar 1. J. ausgegebene Neujahrsblatt auf das Jahr 1921, 123. Stück, wurde von Herrn Prof. Dr. H. Brockmann-Jerosch verfasst und ist betitelt: „Surampfele und Surchrut. Ein Rest aus der Sammelstufe der Ur- einwohner ‘der Schweizeralpen.“ Es umfasst 28 Seiten und enthält 14 Text- figuren. Die Aufgabe des Redaktors ist in heutiger Zeit eine recht schwierige. Einerseits wächst infolge der Schwierigkeiten, für die Publikation bestimmte Arbeiten im Ausland unterzubringen, die Flut der eingehenden Manuskripte unaufhaltsam, anderseits haben die Satz- und Druckpreise eine Höhe erlangt, die nur schwierig mit dem Budget in ein erträgliches Verhältnis zu bringen ist. Dankend erinnert sich der Redaktor der finanziellen Unterstützung, die er seitens verschiedener Autoren erhalten hat, ohne diese hätte der Jahrgang nie und nimmer diese Stärke erlangt. Der reiche Zufluss an Manuskripten ist verständlich. Er ist eben eine Folge davon, dass unsere Stadt Sitz zweier Hochschulen und verschiedener Mittelschulen ist, eine natürliche Folge der regen wissenschaftlichen Tätigkeit unserer Lehrerschaft und unserer Mitglieder überhaupt. Das mögen jene be- denken, die sich beklagen, dass die Vierteljahrsschrift allzuviele Abhandlungen enthalte, die nur für den Fachkollegen geniessbar sein sollen. Bedenken mögen sie auch, dass unsere gesamte zürcherische wissenschaftliche Welt in xXX Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 der Vierteljahrsschrift ein kostbares Tauschmaterial besitzt, mit dessen Hilfe wir viele Hunderte von Zeitschriften aller Länder und aller Disziplinen der Zentralbibliothek zuführen, allwo sie in weitgehendster Liberalität der gesamten Einwohnerschaft zur Verfügung stehen. Alle Vorschläge, die hinsichtlich der Ausgestaltung unserer Gesellschafts- schrift gemacht werden, werden von jeher ohne Voreingenommenheit geprüft, meist sind sie aber unausführbar, weil sie nicht jene Entlastung bringen würden, die sich der Antragsteller, in Unkenntnis der Verhältnisse, verspricht, nichtsdestoweniger ist der Redaktor auch fürderhin für Anregungen dieser oder jener Art dankbar. Es steht in unserer Stadt, unweit des Einganges in den Bleicherweg ein Wohnhaus, dessen Erbauer oder Besitzer also zum Vorbeieilenden, der ihm einen Blick gönnt, spricht: „Wenn Einer ist auf dieser Erden, Der allen Leut’ gerecht kann werden, So bitt’ ich ihn in allen Ehren, Er möcht’ mich diese Kunst auch lehren.“ Offenbar harrt der launige Besitzer heute noch dieses Lebenskünstlers und der Redaktor der Vierteljahrsschrift muss sich daher begnügen, auch für seine Person dies Sprüchlein weiter zu geben. Es ist der Vierteljahrsschrift zwar nicht vorgedruckt, aber, die Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft mögen es mir glauben, ich gebe es einem jeden Jahrgang, der zur Ausgabe gelangt, gewissermassen als bescheidenes Angebinde mit auf den Weg. Zürich, im Mai 1921. Hans Schinz. Bibliothekbericht. Laut Schenkungsvertrag vom 31. Mai 1915 ist die Bibliothek der Natur- forschenden Gesellschaft mit dem 1. Januar 1916 an die zürcherische Zentral- bibliothek übergegangen. Bei diesem Anlass hat Prof. Dr. Hans Schinz, der verdiente langjährige Bibliothekar unserer Gesellschaft, in der „Vierteljahrs- schrift“, Jahrgang 61 (1916) p. XVI ff. den letzten Bericht über unsere Bücherei abgestattet. Im Vorstand unserer Gesellschaft ist nun der Wunsch geäussert worden, dass trotz dieser veränderten Verhältnisse wiederum periodische Berichte über den Stand der Bibliothek erscheinen sollten, durch die einerseits neueintretende Mitglieder auf dieses wertvolle Hilfsmittel naturwissenschaftlicher Forschungen aufmerksam gemacht werden, und in denen andererseits auch über Eingänge von Periodika, beziehungsweise Erweiterungen des Tauschverkehrs berichtet wird. Mit dieser Aufgabe ist der Vertreter unserer Gesellschaft in der Kon- mission der Zentralbibliothek betraut worden. Prof. Dr. H. Schinz stellt in seinem letzten Bibliothekbericht fest „Im grossen und ganzen kann gesagt werden, dass der Einfluss der Kriegswirren die Veröffentlichung und den Austausch der wissenschaftlichen Periodika nicht in dem Masse beeinträchtigt hat, wie vielleicht da und dort nach Kriegsaus- bruch befürchtet worden ist.“ Das war Anfang 1916. Seither haben sich leider die Verhältnisse gründlich geändert. Bereits in den folgenden Kriegsjahren Jahrg. 66. Bibliothekbericht. XXI 1917 und 1918 traten mannigfache Störungen ein, ganz besonders steigerte sich jedoch die Unregelmässigkeit als Folge der sozialen und wirtschaftlichen Um- wälzungen in den beiden Nachkriegsjahren. Wenn sich auch im Verlauf der letzten Monate eine leichte Besserung geltend gemacht hat, so ist es zur Zeit immerhin noch unmöglich zu überblicken, wie sich der Tauschverkehr gestalten wird und welche Tauschgesellschaften nicht mehr in der Lage sein werden, den Tauschverkehr weiterzuführen. Prinzipiell ist bisher unsererseits der Tauschverkehr mit allen Tauschstellen weiter geführt worden, immerhin so, dass für Länder, nach denen. ein geordneter Verkehr unmöglich ist, unsere Veröffentlichungen vorläufig zurückgelegt worden sind. Dies gilt besonders für Russland, die Ukrainische Republik, Polen und Sibirien. Die Zentralbibliothek ist eifrig bestrebt, die entstandenen Lücken zu ergänzen und durch briefliche Anfragen dafür zu sorgen, dass der Tauschverkehr sich wieder in normaler Weise abwickelt. Definitiv wurde der Tauschverkehr eingestellt m 1. Winterthur, Stadtbibliothek. ah einen "kommen der Zentral- Aolatanle bereits anderweitig z 2. Ottawa: The Ottawa Literary u scientific society (eingegangen). 3. Lyon: Societ& d’anthropologie. 4. Paris: Bulletin Bu de la France et de la Belgique Societe de biolo 5. London: British Kansas for the advancement of science. Nr.3—5 sind nicht mehr im Tauschverkehr erhältlich Die Fortsetzungen werden nun von der Zentralbibliothek durch Kauf erworben. Andererseits wurde der Tauschverkehr durch folgende 5 Periodika er- weitert: 1. Helsingsfors: Forstwissenschaftliche Gesellschaft in Finnland — Acta forestialia Fennica. 2. Paris: Mus6e d’Histoire Naturelle — Bulletin. 3. Valencia: Instituto General y Töchnico — Anales 4. Riverside x Graduate School of tropical Agricnltüre and Citrus Experiment Stat 5. Wellington (New Zealand): Dominion Museum -— The New Zealand Journal of science and technology. Im Mai 1921. Prof. Martin Rikli. Ergebnis der Rundfrage betr. Erhöhung des Jahresbeitrages. Es sind 229 Antworten eingegangen und zwar gegen Erhöhung für Erhöhung auf 25.— Fr. 15 ” E) ” rn, 134 ohne une: bez. Jahresbeitrag 3 Es sprachen sich a | für Beiriieg der Vierteljahrsschrift 84 Mitglieder gegen ” 108 > für ; des Neujahrsblattes 74 A gegen n n ” 115 ” XXI Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 37 resp. 40 Mitglieder haben sich einer Äusserung bezüglich Vierteljahrs- schrift resp. Neujahrsblatt enthalten. 333 Mitglieder haben keine Antworten eingesandt. In äusserst verdankenswerter Weise haben 38 Mitglieder freiwillige Beiträge in zum Teil bestimmter, zum Teil unbestimmter Höhe zugesagt. Die zahlreichen Wünsche, Anregungen und Vorschläge die Vierteljahrs- schrift und das Neujahrsblatt betreffend wurden vom Vorstand einlässlich ge- prüft. Es zeigte sich aber, dass eine wesentliche Änderung unserer Publi- kationen nicht möglich ist. Es muss darauf hingewiesen werden, dass die Vierteljahrsschrift nicht nur ein Unterrichtsorgan für unsere Mitglieder und die Zürcher Gelehrten, sondern zufolge des Tauschverkehrs ein wichtiges Mittel zur Heranziehung einer reichen und vielseitigen Literatur aller Gebiete der Naturwissenschaften aus allen Ländern der Erde darstellt und auf diese Weise zur Leistungsfähigkeit der Zentralbibliothek in hohem Masse beiträgt. Der Präsident: Prof. Dr. Walter Frei. Protokoll der Hauptversammlung vom 6. Juni 1921, abends 6'/, Uhr, im Casino Zürichhorn. Vorsitzender: Prof. Dr. W. Frei. Anwesend: 115 Personen Traktanden: 1. Das Protokoll der Sitzung vom 14. März 1921 wird unter Verdankung an Auto- referent und Sekretär genehmigt. 2. Als neue Mitglieder werden aufgenommen: Herr Oskar Mertens, Gartenarchitekt, Bergstr. 162, Zürich 7, eingeführt durch die Herren Walter Mertens und Prof. Dr. W. Frei. Herr Dr. med. Alfred Naegeli, Kreisspital Samaden, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. Schlaginhaufen. Herr Benno Slotopolsky, Assistent am anatomischen Institut der Uni- versität, Bolleystr. 45, Zürich 6, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. Hescheler. 3. Seit der letzten Sitzung hat die Gesellschaft durch den Tod verloren: Herrn Dr. Herbert Haviland Field, Direktor des Concilium biblio- graphicum, Mitglied seit 189. Herrn Eduard Escher-Pestalozzi, Mitglied seit 1917. -Herrn Dr. Albert Schoch, Professor an der Kantonsschule, Mitglied seit 1919 Die Anwesenden erheben sich zu Ehren der Verstorbenen. 4. Rechnungsbericht und Voranschlag des Quästors, Revisorenbericht, Berichte des Sekretärs, des Redaktors und des Vertreters in der Zentralbibliothek werden genehmigt. Zum Ergebnis der Rundfrage betr. Erhöhung des Jahres- beitrages wird kein Antrag gestellt und somit der Jahresbeitrag nicht erhöht 5. Die 102. Jahresversammlung der Schweiz. Naturforschenden Gesellschaft findet vom 25. bis 28. August 1921 in Schaffhausen statt. Um die Mitgliedschaft bei der Schweiz. Naturforschenden Gesellschaft zu erwerben, wende man sich an den Sekretär der Zürcher Nat. Gesellschaft, der die Anmeldung im Namen dieser Gesellschaft weiter leiten wird. 6. Vortrag des Herrn Prof. Dr. P. Debye: Das elektrische Planetensystem der Moleküle. (Autoreferat wird später erscheinen.) Im Anschluss an den Vortrag gab der Vortragende noch Aufschluss auf einige von Herrn Prof. Scherrer gestellte Fragen. Der Präsident, Herr Jahrg. 66. Exkursion an den Pfäffikersee. XXI Prof. W. Frei, dankte hierauf dem Vortragenden für die glänzenden und reichhaltigen Ausführungen auf das angelegentlichste und sprach die Ansicht aus, dass die vorgetragenen Forschungen für Physiologie und Pharmakologie grosse Bedeutung erlangen werden Schluss der Sitzung 8'/, Uhr. . Eine Anzahl Mitglieder fand sich hieraut noch zum gemeinsamen Nachtessen zusammen, bei dem Herr Prof. Dr. W. Frei auf das nunmehr 175jährige Bestehen der N.G.Z. aufmerksam machte und auf das weitere Wachsen und Gedeihen der Gesellschaft sprach. Der Sekretär: Prof. Dr. Otto Schlaginhaufen. -ı Protokoll über die Exkursion an den Pfäffikersee vom 2. Juli 1921. Vorsitzender: Prof. Dr.W.Frei. Anwesend: 35 Personen. Traktanden: 1. Als neue Mitglieder wurden aufgenommen: Herr Albert Heinrich Hürlimann-Hirzel, Brauereibesitzer, Brand- schenkestr. 160, Zürich 2, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. Schlaginhaufen. Herr Dr. Paul Scherrer, Professor der Physik an der E.T.H., Gloria- strasse 35, Zürich 7, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. A. de Quervain. 2. Exkursion mit Besichtigungen: Ankunft in Pfäffikon 10 Uhr. Die Chefs der Rosshaarspinnerei Isler&Co. empfangen die Teilnehmer und führen sie unter Erläuterungen durch die verschiedenen Abteilungen des Etablissements. Die Desinfektionseinrichtung bot Herrn Dr. W. Pfenninger Gelegenheit zu bakteriologischen und hygi- enischen Mitteilungen über den Milzbrand. Hierauf Besuch des Üastells Irgenhausen, wo Herr Dr. Viollier, Vizedirektor des Schweiz. Landes- museums, eine Darstellung der römischen Befestigungen in der Schweiz unter besonderer Betonung des Castrums Irgenhausen gab und den Plan des letzteren erläuterte. — Nach dem Mittagessen, das im Hotel „Hecht“ ein- genommen wurde, führte Herr Dr. J. Hug die Teilnehmer an die nördlich von Pfäffikon liegende Moräne und orientierte über die Eiszeitgeologie des Pfäffiker-, Greifen- und Zürichsees. In stimmungsvoller Fahrt auf zwei vom Hotel „Hecht“ zur Verfügung gestellten Motorbooten gelangte die Gesell- schaft ins Ried von Robenhausen. Dort kam die Geologie durch Herrn Dr. Hug nochmals zum Wort; dann entwarf Herr Dr. Viollier unter Vor- weisung zahlreicher Photographien und Zeichnungen ein Bild von den Er- gebnissen der Pfahlbauforschung in Robenhausen, und schliesslich behan- delte Herr Dr. J. Braun die botanische Seite dieses Gebietes. Nachdem noch Herr Dr. Rollier das Wort ergriffen, der die ersten Ausgrabungen in Robenhausen miterlebt hatte, sprach der Präsident Allen, die zum Gelingen der Exkursion beigetragen hatten, den Dank der Gesellschaft aus. — Gang nach Aatal und Rückfahrt von dort um 16.45. Der Sekretär: Prof. Dr. IN _XXIV Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Protokoll der Sitzung vom 18. Juli 1921, abends 8 Uhr im Technisch-chemischen Hörsaal des Eidg. Chemiegebäuden Vorsitzender: Prof. Dr. W. Frei. Anwesend 109 Personen. Traktanden: 1. Das Protokoll über die Exkursion an den Pfäffikersee vom 2. Juli 1921 . unter Verdankung an den Sekretär genehmigt. . Die Gesellschaft hat drei ihrer Mitglieder durch den Tod verloren: Herrn a. Nationalrat Friedrich Fritschi, Mitglied seit 1892. Herrn Dr.med. Theodor Mende-Ernst, Mitglied seit 1883: Herrn Dr. sc. nat. Alfred Trümpler, Mitglied seit 1914. Die Anwesenden erheben sich zu Ehren der Verstorbenen. Der Präsident referiert kurz über die Verhandlungen des Senates der $.N.G. vom 3. Juli 1921. Sie betrafen die Vorbereitungen zur Jahresversammlung der 8.N.G., die am 25. — 28. August in Schaffhausen stattfinden wird. . Vortrag des Herrn Prof. Dr. H. E.Fierz Reisen durch einige Industriegebiete Nordamerikas. (Mit Projektionen) Der Vortragende nennt die Gründe, die ihn nach Amerika geführt haben, darunter die Wichtigkeit verschiedener Industrien, welche man in Europa nicht studieren kann. Nach kurzer Schilderung von New York beschreibt er seine Reise nach dem Süden, die ihn bis zum 32. Breitengrade nach dem Baumwoll- zentrum Savannah (Georgien) geführt hat. Weiter beschreibt er seine Reise über Chicago, Akron, Pittsburgh, Buffalo und Boston, zurück nach New York. Anschliessend verbreitet er sich eingehend über die Gewinnung des Pe- troleums, die er in der Bayway Refinery bei New York, einem Werke der Stan- dard Oil Co., genau besichtigte. Verarbeitung des Rohöls und Cracking (Pyro- gene-Spaltung) des Mittelöls wurden erklärt. Dann gibt er einige Daten aus wichtigen Teilen der Metallindustrie. Die Verarbeitung von Kupfererzen und Kupferabfällen auf elektrolytischem Wege wird an Hand des Arbeitsganges in einer grossen Kupferraffinerie jer- läutert, wobei auch die Gewinnung des als Anodenschlamm abfallenden Silber- Goldschlammes berührt wird. hlusse bespricht der Vortragende die Textilindustrie Neuenglands (Woll- und Baumwollfabriken). (Autoreferat.) DD ” S Der mit warmem Beifall aufgenommene Vortrag wird vom Vorsitzenden herzlich verdankt. Schluss der Sitzung 10 Uhr 10. Der Sekretär: Prof. Dr. Schlaginhaufen. Protokoll der Sitzung vom 24. Oktober 1921, abends 8 Uhr, auf der Schmidstube. Vorsitzender: Prof. Dr. W. Frei. Anwesend 176 Personen. Traktanden: l. Das Protokoll der Sitzung vom 18. Juli 1921 wird unter Verdankung a" Autoreferent und Sekretär genehmigt. Jahrg. 66. Sitzung vom 7. November 1921. XXV 2. Als neue Mitglieder werden aufgenommen: Fräulein Marthe Schwarzenbach, stud. phil., Kilchberg (Zürich), See- strasse 107, eingeführt durch Herrn Dr. E. Rübel. Herr Dr. J.H. Ziegler, Chemiker, Talstrasse 29, Zürich, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. H. E. Fierz. . Der Präsident referiert über die Jahresversammlung der 8. N. G. in Schaff- hausen und empfiehlt den Mitgliedern der N. G. Z. sich auch als Mitglieder der S. N. G.anzumelden, was durch den Sekretär unserer Gesellschaft ge- schehen kann. Nächstes Jahr versammelt sich die S. N.G. in Bern unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Strasser. . Seit der letzten Sitzung hat die Gesellschaft drei ihrer Mitglieder durch den Tod verloren: Herrn H. Abegg-Kriech in Küsnacht, Mitglied seit 1918, » Prof. Dr. H. Abeljanz, Mitglied seit 1880, » Prof. Dr. A. Rusterholz, Mitglied seit 1910. Die Anwesenden erheben sich zu Ehren der Verstorbenen. 5. Vortrag des Herrn Prof. Dr. Albert Heim: . Die Mythen. (Der Vortrag wird als Neujahrsblatt unserer Gesellschaft erscheinen.) Die Anwesenden zollten dem Vortragenden reichen Beifall und der Prä- sident sprach ihm den Dank der Gesellschaft für den interessanten und ge- nussreichen Abend aus. Schluss der Sitzung 9 Uhr 40. Der Sekretär: Prof. Dr.Schlaginhaufen. jo RS Protokoll der Sitzung vom 7. November 1921 im Hörsaal des Chemischen Instituts der Universität, Rämistrasse 76. ‘Vorsitzender: Prof. Dr. W. Frei. Anwesend: 83 Personen. Traktanden: 1. Das Protokoll der Sitzung vom 24. Oktober 1921 wird unter Verdankung an den Sekretär genehmigt. 2. Als neue Mitglieder werden aufgenommen: Herr Emil Rieter, Stadtchemiker von Zürich, Ausstellungsstrasse 90 Zürich, eingeführt durch Herrn Dr. Baragiola. Herr Max Hottinger, Ingenieur, Privatdozent a.d. E. T. H., Mühlebach- strasse 46, Zürich 8, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. E. Bosshard. 3. Vortrag des Herrn Privatdozent Dr. Ernst Waser: Fleischbrühe und Fleischextrakt. Es wurde zuerst die Herstellung der gewöhnlichen Fleischbrühe besprochen und dann die Vorgänge, die sich beim Auskochen von reinem Muskeltleisch abspielen, einer Betrachtung unterzogen. Nach Aufzählung der bisher im Muskelfleisch aufgefundenen chemischen Individuen, deren Zahl ausserordentlich gross ist, wurde zur Besprechung der Untersuchungen von Fleischextrakt und Fleischbrühe übergegangen. Fleischextrakt wird heute kaum mehr nach dem alten Liebigschen Rezept hergestellt, namentlich wird die Extraktausbeute durch künstliche Unterstützung er im toten Muskel sich abspielenden hydrolytischen Vorgänge stark vergrössert. XXVI Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 Es wurde gezeigt, dass mit Ausnahme des Myosins, des Myogens und des Nukleoproteids der Muskeln mit wenigen Ausnahmen alle übrigen, sogenannten Extraktivstoffe des Muskels in die Fleischbrühe und auch in den Fleisch- extrakt übergehen und sich dort anreichern. Fleischbrühe enthält nur etwa 3°/,, Fleischextrakt dagegen rund 80°, feste Stoffe. An Menge überwiegen die organischen Stoffe (60°/,), von diesen hauptsächlich die stickstoffhaltigen. Der Aschengehalt ist von 1°/o im Fleisch auf rund 20°, im Extrakt gestiegen. - Fleischbrühe kann nicht als Nahrungsmittel angesprochen werden, da ihr Nährwert minim ist. Ihre Hauptbedeutung liegt darin, dass sie spezifisch und stark erregend auf die Magensaftsekretion einwirkt. Bisher konnte nicht festgestellt werden, ob diese Eigenschaft einem einzelnen Bestandteil oder einem Körpergemisch, wie es im alkoholunlöslichen Teil des Fleisch- “ extrakts vorliegt, zukommt. s wurden ferner die beiden Arten, Fleischbrühe herzustellen, besprochen. Beim Einlegen von Fleisch in kochendes Wasser erhält man eine sehr wohl- schmeckende, aber extraktarme Brühe, während das Fleisch schmackhaft, saftig und leicht verdaulich bleibt. Beim Erhitzen des Fleisches mit dem Wasser entsteht eine sehr extraktreiche und stark sekretionsbefördernde Brühe, das Fleisch wird aber dabei trocken und schwer verdaulich. Schliesslich wurde auf Untersuchungen zur Isolierung von Geschmacks- stoffen der Fleischbrühe eingegangen. Durch Behandlung eines mit besonderer Vorsicht hergestellten festen Fleischbrühepräparates mit absolutem, Alkohol bei 40° und durch Dialyse des alkoholunlöslichen Anteils gelangt man zu einer Fraktion, die relativ einfach zusammengesetzt ist und noch den vollen Fleisch- brühegeschmack besitzt. Die quantitative Analyse dieser Fraktion ergibt, dass sie zur Hälfte aus anorganischen Salzen (hauptsächlich Kaliumphosphat) und zur andern Hälfte aus organischen Stoffen besteht. Unter den letztern über- wiegen Carnosin, Methylguanidin, Essigsäure, Milchsäure und Glutaminsäure, doch konnte eine restlose Analyse wegen des Fehlens verschiedener Bestim- mungsmethoden bisher noch nicht ausgeführt werden. (Autorreferat.) In der Diskussion machte Herr Prof. Dr. Karrer ergänzende Mitteilungen zur Frage des Auftretens der Milchsäure im Muskel. Herr Prof. Frei erblickt die Ursache der Totenstarre nicht in der Gerinnung des Myosins, sondern in einer Quellung. Nachdem Herr Dr. Baragiola noch Bemerkungen zur ve- schichte der Untersuchung der Fleischbrühe und der Herstellung des Fleisch- extrakts angefügt hatte, sprach der Präsident dem Vortragenden für seine interessanten Ausführungen und dem Direktor des Chemischen Instituts, Prof. Dr. Karrer, für die Überlassung des Hörsaals den wärmsten Dank aus. Schluss der Sitzung 9'/. Uhr. Der Sekretär: Prof. Dr. Schlaginhaufen. Protokoll der Sitzung vom 21. November 1921 abends 8 Uhr, auf der Schmidstube. Vorsitzender: Prof. Dr. W. Frei. Anwesend 97 Personen. Traktanden: 1. Das Protokoll der Sitzung vom 7. November 1921 wird unter Verdankung an Autoreferent und Sekretär genehmigt. Jahrg. 66. Sitzung vom 21. November 1921. XXVIl 2. Als neues Mitglied wird aufgenommen: Herr Dr. Erwin Schrödinger, Prof. d. theoret. Physik a. d. Universität, Kurhaus Rigiblick, Zürich 6, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. Schlaginhaufen. Die Gesellschaft hat durch den Tod eines seiner ältesten Mitglieder ver- loren, Herrn Prof. Dr. Rudolf Escher, Mitglied seit 1874. Die Anwesenden erheben sich zu Ehren des Verstorbenen. 4. Vortrag des Herrn Professor Dr. R. Eder: Natürliche und künstliche Riechstoffe. Riechstoffe sind nicht etwa alle riechenden Stoffe, sondern nur jene, die vorwiegend wegen eines mehr oder weniger angenehmen Geruchs von den Menschen verwendet werden. Diese Definition enthält allerdings ein subjektives Moment, insofern die Gerüche, die als „angenehm“ empfunden werden, bei den Menschen sehr variieren. Die Riechstoffe sind nicht nur in kulturhistorischer, chemischer und phy- siologischer Hinsicht interessant, sondern spielen auch eine wirtschaftliche Rolle. Viele Länder (z. B. Frankreich) besitzen eine bedeutende Riechstoff- industrie. Der Exportwert von Riechstoffprodukten aus der Schweiz hat sich von 44,000 Fr. im Jahre 1893 auf 23,452,000 Fr. im Jahre 1920 erhöht. Die Produkte der Riechstoffindustrie sind zum grossen Teil Luxusartikel, immerhin gibt es alle Übergänge zu Bedarfsartikeln: so entspricht z. B. eine dezente Parfümierung der Toiletteseifen und eine Aromatisierung vieler Nah- rungsmittel einem ziemlich allgemeinen Bedürfnis. Die wichtigsten Riechstoffe wurden, der nachstehenden Einteilung folgend, in bezug auf Herkunft, Gewinnung, Zusammensetzung, Eigenschaften, Verwen- dung besprochen und in vielen Mustern demonstriert. A. Natürliche Riechstoffe. I. Animalische Riechstoffe (Ambra, Castoreum, Moschus, Zibet). II. Vegetabilische Riechstoffe. 1. Aromatische Harze (z. B. Benzoe, Weihrauch, Myrrha). . » Balsame (z. B. Peru- und Tolubalsam, Styrax). 3. Wohlriechende ätherische Öle. (Gewinnung durch Wasserdampt- destillation, Extraktion (Eufleurage und Mazeration), Pressung. Ein- lässlicher wurde besprochen das Rosenöl. Die Zusammensetzung der ätherischen Öle ist meist sehr kompliziert: neben riechenden Stoffen die den verschiedensten chemischen Körperklassen angehören, ent- halten sie auch nicht oder wenig riechende, von denen sie befreit werden können (Terpenfreie äth. Öle). Viele sehr verschiedenartig riechende Hauptbestandteile der ätherischen Ole sind genau bekannt und können auf chemischem Wege ineinander verwandelt werden. B. Künstliche Riechstoffe. & I. Aus Naturstoffen (bes. Hauptbestandteilen von äther. Olen) gewonnene synthetische Riechstoffe. U. Aus Kunstprodukten (bes. Teerdestillationsprodukten) gewonnene syn- thetische Riechstoffe. Zum Teil sind es Stoffe, die auch in der Natur vorkommen (2. B. Benzaldehyd, Vanillin), zum Teil Stoffe, die ähnlich riechen wie Natur- stoffe, aber ganz anders zusammengesetzt sind (z. B. künstl. Moschus, Jonone), zu einem dritten Teil endlich Stoffe, die neue, in der Natur nicht vertretene Düfte repräsentieren (z. B. Phenylessigsäurebutylester). a VII Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich. 1921 In chemischer Hinsicht gehören die synthetischen Riechstoffe ver- schiedenen Klassen an: Aldehyde, Alkohole, Ester, Ketone, Phenole, Äther, Säuren, Säureanhydride, Kohlenwasserstoffe, Halogen-haltige und Stickstoff-haltige Körper. GC. Riechstoffpräparate. Es sind Gemische verschiedener, oft künstlicher und natürlicher Riech- stoffe, z. B. Synthetische äth. Öle (synthet. Rosenöl), Parfüms etc. Oft enthalten diese Kompositionen auch noch besondere Fixierungsmittel für leicht flüchtige Duftstoffe. Zum Schlusse wurde noch die Frage der Beziehungen zwischen Konsti- tution und Geruchseigenschaften der Körper erörtert und darauf hingewiesen, dass zur Zeit nur wenige allgemeine Gesetzmässigkeiten zu erkennen sind. (Autoreferat.) An der Diskussion beteiligten sich die Herren Dr. Jaeger, Dr.Ruzicka und Prof. Dr. Frei. Nach dem Schlusswort des Vortragenden sprach der Vor- sitzende letzterem den Dank der Gesellschaft für seine interessanten Ausfüh- rungen aus. Schluss der Sitzung 10 Uhr. Der Sekretär: Prof. Dr. Schlaginhaufen. Protokoll der Sitzung vom 5. Dezember 1921 abends 8 Uhr, im Hörsaal des Physikalischen Instituts der Universität. Vorsitzender: Prof. Dr. W. Frei. Anwesend: 87 Personen. Traktanden: . Das Protokoll der Sitzung vom 21. November 1921 wird unter Verdankung an Autoreferent und Sekretär genehmigt. . Als neue Mitglieder werden aufgenommen: . Herr Dr. D.S. Bruno P. Rell, Zahnarzt, Paradeplatz 1, Zürich 1, einge führt durch Herrn Dr. W. Pfenniger. Herr Dr. Karl Meissner, Privatdozent für Physik an der Universität, Scheuchzerstrasse 64, Zürich 6, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. Schlag- 1 1) inhaufen. 3. Die Gesellschaft hat durch den Tod verloren Herrn Prof. Dr. Hermann Amandus Schwarz in Berlin, der auf dem Gebiete der Mathematik eine prominente Persönlichkeit war und das älteste Mitglied unserer Gesellschaft war. Er wurde im Jahre 1869 in die Gesellschaft aufgenommen und gehörte ihr seit 1896 als Ehrenmitglied an. Auch seine Beziehungen zur $. N. G. hat er dauernd aufrecht erhalten. Die Anwesenden erheben sich zu Ehren des Verstorbenen. i . Vortrag des Herrn Privatdozent Dr. K. Meissner: Die Gesetze der Wärmestrahlung und ihre Anwendung auf D lung aus, deren Quantität und Qualität von dem emittierenden Körper abhängt. Als Mass für die Quantität dient die von der Einheit der Fläche während einer Sekunde in den Halbraum emittierte Energie (Emissionsvermögen). Über Jahrg. 66. Sitzung vom 5. Dezember 1921. XXIX die Qualität gibt die spektrale Zerlegung der Strahlung Aufschluss. Für diesen Nachweis diente ein Ultrarotspiegelspektrometer mit SOINSEEDELIDN in Ver- bindung mit einem Radiomikrometer nach Rubens. Fällt strahlende Energie auf irgend einen Körper auf, so wird ein Teil reflektiert, ein anderer absorbiert, ein dritter durchgelassen. Absorptions- vermögen heisst der Quotient aus absorbierter und einfallender Strahlung. Ein Körper, der nichts reflektiert und nichts durchlässt, heisst vollkommen absorbierend oder absolut schwarz. Emissions- und Absorptionsvermögen sind im allgemeinen Funktion der Temperatur und Wellenlänge. Bei Tempe- ratursteigerung sendet ein Körper schliesslich sichtbares Licht, zuerst ER dann auch gelbes, u. s.f., aus. Von den Strahlungsgesetzen ee die folgenden behandelt und durch Versuche und Projektionen erläuter 1. Kirchhoff sches Gesetz: 5 Verhältnis von Emissions- und Absorp- tionsvermögen ist eine für alle Körper gleiche Funktion der Wellenlänge und der absoluten Temperatur, und zwar gleich dem Emissionsver- mögen des Schwarzen Körpers Gesetze für den Schwarzen Körper: a) Gesamtstrahlung: Die Energie der Gesamtstrahlung ist der vierten Potenz der absoluten Temperatur proportional. (Stefan—Boltz- mann.) b) Spektralgesetze: «) Trägt man als Abszissen die Wellenlängen, als Ordinaten das zu- gehörige Emissionsvermögen des Schwarzen Körpers auf, so er- hält man für jede Temperatur eine charakteristische Kurve mit ausgeprägtem Maximum. (Das Planck sche Strahlungsgesetz stellt diese Beobachtungen vollkommen dar.) ß) Dieses Maximum verschiebt sich mit wachsender ee nach kürzeren Wellenlängen (Wiensches Verschiebungsges Unter Berücksichtigung der beschränkten Feobenempündlichkeit; unseres Auges (2 = 0,4 bis0,8 a) wurden diese Strahlungsgesetze zur Betrachtung der Öko- nomie unserer „Temperaturstrahler* als Lichtquellen verwendet und erläutert, dass man mit Steigerung der Temperatur sich einem Maximum nähert: für den Schwarzen Körper fallen bei 6750° abs. 48° der gesamten Strahlung in das sichtbare Gebiet um Schlusse wurden mögliche Wege besprochen, die zu einer Verbes- serung der Temperaturstrahler als Lichtquellen führen können. (Autoreferat.) » Der Vorsitzende verdankt Herrn Dr. Meissner seinen interessanten Vor- trag auf das wärmste und spricht auch Herrn Prof. Dr. Edgar Meier, dem Direktor des Physikalischen Instituts, für die freundliche Überlassung des Hör- saals den Dank der Gesellschaft aus. Schluss der Sitzung 9 Uhr 40. Der Sekretär: Prof. Dr. Schlaginhaufen. Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 66. 1921. 26 er SS Verzeichnis der Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich, 1746— 1790 1884— 1886 18861888 1) unserer er v forse -Pompejus Bolley, Dr. phil., abgeschlossen am 31. Dezember 1921. Präsidenten der Gesellschaft.) Johannes Gessner, Dr. med., Chorherr, Professor der Physik und Mathematik. Hans Caspar Hirzel, Dr. med., und Ratsherr. 2 Joh. Heinrich Rahn, Dr. med., Paul Usteri, Dr. med., Arzt, Nakiforschar und Staatsmann Joh. Caspar Horner, Dr. shiL, Professor der Mathematik, Ps Heinr. Rudolf Schinz, Dr. med., Arzt und Professor der Naturwissenschaften. „ Pröfendoi der Physik. otanik. Arnold Escher von der Linth, Dr. phil., Professor der Geologie. Albert Mousson, Dr. phil., Professor der Physik. Heinrich Frey, Dr. med., Professor der Zoologie. 9 Albert Mousson, Dr. Shih, Professor der Physik. Rudolf Clausius, Dr. phil., Professor der Physik. Arnold Escher von der Linth, Dr. phil., Professor der Geologie. Oswald Heer, Dr. phil., Professor der Bash Albert Mousson, Dr. phil., Professor der Physik. Gustav Zeuner, Dr. phil., Professor der Mechanik. Professor der Chemie. Johannes Wislicenus, Dr. phil., Professor der Chemie. Carl Culmann, Dr. phil., Professor der Ingenieurwissenschaften Ludimar Hermann, Dr. med., Professor der Physiologie. Carl Cramer, Dr. phil., Professor der Botanik. Albert Heim, Dr. phil., Professor der Geologie Heinrich Friedrich Weber, Dr. phil., Professor der Physik. Eduard Schär, Dr. phil., Professor der Pharmacie. Wilhelm Fiedler, Dr. phil., Professor der darstellenden Geometrie. Albert Heim, Dr. phil., Professor der Geologie. e historischen Angaben sind der von Prof. Dr. F., Rudio verfassten Geschichte Band der „Festschrift der Natur- Gesellschaft in Zürich (zugleich 41. Jahrgang der Wierilkhrsschrifit) bildet. Diese Arbeit (274 Seiten und 6 Tafeln) gibt ein getreues Bild der Entwicklun ng unserer Gesellschaft während der ersten 150 Jahre ihres Bestehens und ist zugleich ein interessantes Stück Zü rag; N rin see Sie ist bei der Buchhandlung zu be zie ehen. Der 2. Band aus den Gebieten der year k, Geodäsie A Aniransmie, Physik, Chemie und Pharmacie, Mineralogie und Geologie, al, ARTE Medizin. Er umfasst 598 Seiten und 14 Tafeln. Der Vorstand. . XXXII Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1888—1890 Carl Schröter, Dr. phil., Professor der Botanik. 1890 —1892 Heinrich Friedrich Weber, Dr. phil., Professor der Physik. 1892-1894 Georg Lunge, Dr. phil., Professor der Chemie. 1894 —1896 Alfred Kleiner, Dr. phil., Professor der Physik. 1896 —1898 Wilhelm Ritter, Dr. phil., Professor der ge 1898-1900 Ferdinand Rudio, Dr. phil., Professor der Mathem 1900-1902 Jakob Escher-Kündig, Dr. phil. h. e., Kaufmann Hr Naturforscher. 1902—1904 Arnold Lang, Dr. phil., Professor der Zo ologie. 1904 -1906 Ulrich Grubenmann, Dr. phil., Professor der Mineralogie. 1906—1908 Alfred Werner, Dr. phil., Professor der Chemie 1908—1910 Max Standfuss, Dr. phil., Professor der Zoologie. 1910--1912 Carl Schröter, Dr. phil., Professor der Botanik. 1912—1914 Emil Huber-Stockar, Ingenieur. 1914—1916 Martin Rikli, Dr. phil., Professor der Botanik. 1916—1918 Emil Bosshard, Dr. phil., Professor der a 1918 -1920 Eduard Rübel, Dr. phil., Privatdoz. der Botanik. 1920—1922 Walter Frei, Dr. med. vet., Professor der Yetifinärpeitioisgie II. Sekretäre.') 46-1752 Hans Ulrich von Blaarer (ökonomischer Sekretär, auch Notar genannt) und Hans Conrad Heidegger (wissenschaftlicher Sekretär). 1752—1759 Hans Caspar Hirzel, Dr. med., Stadtarzt. 1759—1778 Salomon SCHIRM . med., Arzt und Naturforscher. 17 781790 Hans Rudolf Schinz, Pfarrer und Natur forscher. 1790—1796 Johann Heinrich von Orelli. 1796—1799 David Rahn, Dr. me 3% Stadtarzt. 1799— 1801 Johann Jakob Cramer, Pfarrer und Professor. 1801—1823 Heinrich Rudolf Schinz, Dr. med., Arzt und Professor der Naturwissenschaften. 1823—1835 Hans Locher-Balber, Dr. med, Professor der Medizin. 1835—1843 Ferdinand Keller, Dr. phil., Naturforscher und Archäolog. 1843—1847 Albert Kelliker, Dr. med., Professor der Ana- tomie. 1847—1857 Rudolf Heinrich Hofmeister, Dr. phil., Professor der Physik. 1857 — — 1860 Hermann Pestalozzi-Bodmer, Dr. med., Arzt. 1860-1870 Carl Cramer, Dr. phil., Pro- fessor der Botanik. 1870—1880 August Weilenmann, Dr. phil., Professor der Physik. 1880—1886 Robert Billwiller, Dr. phil., Direktor der meteorologischen Zentralanstalt. 1886—1892 Adolf Tobler, Dr. phil., Professor der Physik. 1892—1894 Carl Fiedler, Dr. phil., Privatdozent der Zoologie. 1894—1899 Alfred Werner, Dr. phil., Professor der Chemie. 1899—1906 Karl Hescheler, Dr. phil., Prof. der Zoologie. 1906— 1912 Emil Schoch-Etzensperger, Dr. phil. 1912—1917 Eduard Rübel, Dr. phil., Geobotaniker. 1917—1919 Alfred Kienast, Dr. En Mathematiker. Von 1920 an Otto Schlaginhaufen, Dr. phil., Professor der Anthropologie LI. ästoren.’) Quästoren des Lotterie- oder Hauptfonds. 1751—1787 Caspar Scheuchzer. 1788—1814 Hans Conrad Lochmann. 18141826 Hans Jakob Pestalozzi. 1826—1832 Johann Jakob Hess. 1832—1842 Salomon Klauser 1842—1854 Otto Rudolf Werdmüller. ; In den ersten Jahren waren in den Statuten zwei Sekretariate vorgesehen, eines für die ne rue und eines für die PTREENEN Geschäfte. Das erstere, auch Notariat genannt h la wurde aber nach Rücktritt Ulrich von Blaarers, des ersten und einzigen Notars der Gesellschaft is zum Jahre 1854 besass die Gesellschaft zweierlei Quästoren, die des Br auchfonds (auch Quästor-Ausgeber genannt) und die des Lotteriefonds ame Quästor-Einnehmer genannt). Jahre I rer "cgggrgssge vereinigt. Der erste, der das umgestaltete neue Amt u übernahm, war Meyer” Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. XXXIHI Quästoren des Brauchfonds. 746—1759 Hans Conrad Meyer, Staatsmann und Meteorolog. 1759-1790 Hans ar Hirzel Dr. med., Stadtarzt. 1790—1803 Johann Heinrich Rahn, Dr. med., Chorherr. 1803—1811 Diethelm :Lavater, Dr. med., Apotheker, Naturforscher und Staatsmann. 1811—1812 Paul Usteri, Dr. med., Arzt, "Nrikirförichen und Staatsmann. 1812-1831 Johann Caspar Horner, Dr. phil., Profit und Forschungsreisender. 1831—1834 Heinrich Rudolf Schinz, Dr. med., Arzt und Professor. 1834—1841 Leonhard Schulthess, Kaufmann und Botaniker. 1841— ei Johann Jakob Usteri-Usteri, Kaufmann. 1851—1854 Adolf Salomon Pestalozzi, Bankie ‘1854—1858 Conrad eriel Dr. med., Arzt. 1858—1874 Johann Caspar Escher-Hess, Kaufmann und Naturforscher. 1874— 1876 Hans Rudolf Schinz-Vögeli, Kaufmann und Naturforscher. 1876—1887 Johann Caspar Escher-Hess, Kaufmann und Naturforscher. 1887—1914 Hans Kronauer, Dr. phil., Mathematiker. Seit 1914 Moritz Baumann-Naef, Dr. phil. ! IV; Bibliothekare. 1754— 1757 Johann zu Köchlin, Pfarrer. 1757—1764 Hans Heinrich Schinz, Kauf- mann und Staatsm 1764—1774 Leonhard Usteri, Chorherr und Professor. 1774— 1778 Hans Conrad Hellagor, nen 1778-1780 Johann Heinrich Waser, Pfarrer. 1780-1792 Heinrich Lavater, Staatsm 1792—1837 Christoph Salomon Schinz, Dr. med., Sein Chorherr und Professor, 1837 1881 Johann Jakob Horner, Bibliothekar und Profe sso 1881—1892 Johann Friedrich Graberg, Zeichenlehrer. 1881—1892 Carl Ott, Physiker. 1892—1915 Hans Schinz, Dr. phil., Professor der Botanik. V, Redaktoren der Vierteljahrsschrift. 1856—1893 Rudolf Wolf, Dr. phil., Professor der Astronomie. 1894—1912 Ferdinand Rudio, Dr. phil., Professor der Mathematik. Seit 1912 Hans Schinz, Dr. phil., Professor der Botanik. VE Vertreter in der Kommission der Zentralbibliothek. Seit 1916 Martin Rikli, Dr. phil., Professor der Botanik. VII Abgeordneter in den Senat der Schweiz. — Ges. 1920—1922 Walter Fre ei, Dr. med. vet., Professor der Veterinärpatholo 1920— 19223 Otto Schlaginhaufen, Dr., Professor der Anthre&pologie. PAR EN vu . * A Ehren- Ehrenmitglieder.') Hg ag $ Hr, Eberth, Karl Josef, Dr. med., Prof. an der Universität, ge Ringbahnstrass selll . . Halensee . . . 1865 1896 » u. Kumiei Dr., Prof. äer Chemie an = rsitä Depas. = ......,1885.. 18% s >» Heim, Dr. 8. Prof.d.Geol. beider Hochschulen, Hola 100 . ‚ Zzumech:T . ... 1876 1914 y/ Die en: Mitglieder N a der Gesellschaft ER 40 Jahre angehören sind durch fett- gedruckte J zahlen ausgezeichn Mitglieds ya Namen mit ri Delelchanek sind, sind zugleich Mitglieder der Schweiz. Natur- forschenden Gesellschaft (247). —___ XXXIV Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. Hiiglied aa seit seit sHr. sonen er Dr., Prof. der Mathematik an der 5 Hochschale, Höhestrasse 21 ., Zollikon b. 2. . BB 77a s» en Fritz, Dr., Zoologe, Ban 22. . Basel ce s » Sarasin, Paul, Dr., Zoologe, Spitalstrasse 9... Basbl. .....0 2.2 2er s » Schinz, Hans, Dr., Prof. der Bot. an der Universität, Seefeldstrasse 12 . Zürich 8. ... Ad ns s » Schröter, Carl, Dr., ie: d. Bot. 2. & Hoch- schule, Merkurstrasse 70 ‚Zürich 17. . .. 1876 198 s » Tschirch, ee x Prof. Bet, Pharm) an der Univers 5 . Bern, Kollerweg 332 — 1915 IX. Korrespondierende Mitglieder. Be s Hr. Margerie, Emmanuel de, Geologe, Universit& Strassbourg . . » +» 1883 » Bredig, Georg, Dr., Prof. für Elektrochemie an der techn. Hochschule . Karlsruhe . . . 1910 1911 » Einstein, Albert, ee Prof. A Aysdanie der Wissenschafte . . Berlin-Dahlem . 1911 1911 » Willstätter, Rlöhard; Dr, Prof. Chen: an de Universität . EN: - „München . . .. 19056 1912 N, Ordentliche Mitglieder. a u) Hr. Abegg, Karl, Kaufmann . - 2, Schloss Buonas, Kt.Zug 1910 » Ackerknecht, Eberhard, Dr. Priv Es Pebier a. vet.-anat. Institu a . Forchstrasse 1495. 8 WE s » Adrian, Paul, Dr., raklilng Math. 202, Stockerstrasse41. . 2 1919 » ME, BER, GBR ne 0.0 ar Zolhkon, alte Landstr. 18 1919 » Aebly, Jakob, Dr. med.. . 3 Riedtlistr. 19 4428 1918 s » Aeppli, August, Dr., a.Prof. a. d. Er ndutrieschie Kronenstrasse 24. . 6 1889 s » Agthe,Karl, Dr. Dipl, -Ing., Chemiker-Konsulent . Küsnacht — 1916 » Alder, Max, Dr.,Prof. an der höhern ee Kiistächeitunee 154. 7 1913 s» Ammann-Schwarzer, Albert, Kaufmann . . » Wiedingstr. 14 3.1916 s » Anderes, Ernst, Dr.med,, Privatdoz. f. Öynakologie Kairnönsterallen 18 .8 199 » Andreae, Carl, Ing., Prof.a.d.E.T.H.. . . . Bürglistrasse 30. . 2 1918 » Anselmier, Paul, Dr. med., Se Arzt . . . . Stauffacherstr. 54. # 1920 s » Arnold, Stefan, Dr. med,, . Limmatstrasse 50 . 5 1919 s » Bachmann, Hans, Dr., Prof. an ne En , Luzern, Bambergstr. 5a. — 1897 » Bachmann, Theodor, D a „Hoschgaise 0.7 U u: > reg wer Kanfm >, Traubenstr.d . - - 2 1916 8 do ne SpÄrEIeTEE a. .d Bir Techn. Hochschule . : . Gloriastrasse 68. - 7 1915 s » Babler, Emil, Dr., Fict.ı am en ya . . Seestrasse 41, Zollikon 1911 1) Die rn sind gebeten, allfällige Adressenänderungen =. sonstige Korrekturen um- gehend dem Quästor, Herrn Dr. M. Baumann-Naef, Tödistrasse 39, Zürich 2, und dem Sekretär of. Dr. 0. hlayrabaufch, Susenbergstrasse 94, Zürich 7 ee Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. XXXV Stadikr. Nitglied Zürich seit sHr. Bänziger, Theodor, Dr. med., . 2... Billrothstrasse 15 . 8 1889 » Ber, Julius, Bankier . . . . Bergstrasse 54 . . 7 1910 s » Bäschlin, Fritz, Ingenieur, Prof. a. a. BE Hochsrhula ZOIIEOR =. „nuie. ne BOLD s » Baragiola, Wilhelm = Dr., N Pri- vatdozent a.d. E.T.H . Voltastrase 32 . . 7 1911 » Bareiss, Arthur, Kann. ER 0 2 1910 » Barth, Adolf, Dr. med., prakt. hrs er ae Frisbee 19 1920 s » Baumann-Naef, Moritz, Dr; Chemiker . Tö Rraie, Mg : 910 Hr. Baur, Emil, Dr., Prof, Üben and. bödbn, Hacıschaie Ottiker e 52 1911 $ » Beck, Alexander, Dr., a. Prof. Math. , Bcha Be 1 1870 s » Beck-Barker, Bernh., Dr. Pfarfor: 3.7; . . Dättlikon am Irchel. — 1904 » Beck, Emil, Dr., Prof. am kant. Gyimlifine . . .. Schanzenberg-Schönbergg.?. 1 1907 >» Beck, Karl, Prof. (Phys.) am Kant. Gymnasium . Hegibachstr. 75 . . 7 1917 » Beer, Robert, Buchhändler . . . . . 2.2». Peterhofstatt 10 . 1 1905 » Behn-Eschenburg, Hans, Dr., Direktor . . . . .Oerlikon. . . . . — 1910 » Bender, Paul, Lithographische Kunstanstalt ; Zollikon . x 41911 » Benz,Walter, Dr., Prof. Math.a.d. kant. Ina Scheuchzer 8 90 6 1917 » Bernharl, Hans, Dr., P.-D.d. Geographie a.d. Univ. Schifflände 22. . 1 1920 » Bernheim-Karrer, Jakob, Dr. med., Prof. . . . Gartenstrasse 36 . 2 193 » Beuttner, Eugen, Dr., Dufourstr. "769 . Zollikon . — 1917 Ss» Biber, Walter, Bkndwiek EN ee Oilkesanss 53. ;»6:1910 > Biber, Werner, med., Arzt . . » Kanzleistrasse 2. 4 1919 $ » Biedermann, Robert, Fabrikant, Geherg 7 Winterilue .. .. .. = 4915 $ » Billwiller, Robert, Dr., Adjunkt d. ze Meteorol. Zentralanstalt . . . Plattenstr. 44 . ES IBLT Fr. Bindschedler-Laufer, Marie, De ü v2: Zärichbergsir. 98 «: 2: 1919 s Hr. Bircher, F. Ernst, Dr. jur., Rechtsanw alt. . 2... Sophienstrasse 2 . 7 1902 » Bircher, Max, Dr. med. . Keltenstrasse 48 . 71 1%2 » Bitterli, Emil, Ing., 48, rue landen: Eagasche, . Paris 16. .—. 1910 » Blankart, Andre, Assistent . = . Lavaterstr. 56 .2 19% » Blattmann-Ziegler, Heinrich, Fabrikant i Wädenswil . . Sl s » Bleuler, Eugen, Dr. med., Prof. an der Universität . Burghölli . . . . 8 19%0 5 » Bloch, Bruno, Dr. med., Prof. Dermatol. a. d.Univers. Mythenstr.23. . . 2 1917 $ » Bloch, Isaak Adolf, Dr., Prof. an der air . Solothurn — 18% s » Blumer, Ernst, Dr., Ge ologe . . Zollikon 2 Yl » Bodmer-Abegg, Henry, Dr. jan, 2; enBärengame 18: „ns 1 1919 » Bolleter, Eugen, Dr., Sekundarlehrer . . . . . Rotbuchstrasse 34,8: 1%00 » Bommer, Albert, Ayotkoken \ . Zähringerstrasse 9 . 1 1889 s Hr. nt Georg, Ing., Verw. ‚Rals-Delegierer von wn, Boveri & Co. . Florhofgasse 2 . . 1 1919 » ein Eugen, Kaufm „2... Seestr, 29, Zollikon . — 1920 5 » Bosshard, Emil, Prof. Chem. a. d. 5 a 2. alte Beckenhofstr.48 6 1913 5» Bosshard, Heinrich, Dr., Prof. am kant. ze Weinbergstrasse 160 6 1892 sFr. Boveri-Boner, Yvonne, Dr. . Baden, Römerstr, 24 — 1917 » Brandenberger, Anna, Be . Brandschenkestr. 55 2 1919 Hr. Brauchlin, Gottl., Dr., Jurist, rue E a 10. St. Louis, Alsace, . — 1918 für Postsendungen: Postfach, Basel) $ » Braun, Josias, Dr., Konservat. a. Geobot. Inst, Rübel Winterthurerstr. 66 . 6 XXXVI Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. Sad. A, Zürich un Hr. Bremi, Walter, Dr., eipiie a a a : | ns 148. 6 1911 » Brennwald, Paul, Kaufman Tödistrasse 66 . . 2 1911 s » Brentano, ]., Dr., ee Phys; &, ri E. T. H. “0 ee s » Bretscher, Konrad, been Sekundarlehrer . . . Weinbergstrasse 146 6 18% » Brettauer, Alfred, med. nee, Balnhöfstr.00°" Fr s » Brinkmann, Emil, a . Rigistrasse 9°. . ou s » Brockmann-Jerosch, Heinrich, Dr., Trirtier. Bot, a. & Vin: Kapfsteig 4 . . . 7 107 » Bruman, Franz, stud. med. ‚-. Sihlstrasse 3. . . 1 19% » Brunner, Friedrich, Dr. med., EN Neumiitisker . . Heliosstrasse 16 . . 7 18% » Brunner, Otto, Dr., Apotheker . . . „=, > Limmatgqnai 56°. 0 ru » Bruppacher, Heinrich, Kaufmann . . Wettingerhaus 1. . 1 1919 » Bühler, Anton, Dr. med., Privatdoz. a. £ Universität Bahnhofstr. 5. 1 1904 » Bürgi, Oscar, Dr. med. vor: Prof. an der Universität Sonnenberg Erlenbach _ — 1906 » Bützberger, Fritz, Dr., Prof. a.d. kant. Industrieschule Moussonstrasse 105 1911 7} v Burri, Robert, Dr., Prof. en der eidgen. Veisuchsstation . . Liebefeld-Bern . . — 18% s » Busse, Otto, Dr. med., Brof an dr Universität . , Büchnerstrasse 10°. 6 1911 » Cadisch, Joos, Dr., Adj. d. Schweiz. Geol. Komm. Haldenbachstr. 33 . 6 1920 » CGarpentier, Fritz, Fabrikant . . . Dufourstrasse 5 . . 8 190 » Cattani, Paul, Dr. med. . Im eisernen Zeit4. 6 1920 » Glairmont, Paul, Dr. med., "Prof, Dir es aräle. nik der Universität . - . DR . , Kantstrasse 12 . . 7 19% Ss» Bas Bere . . . . Lugano, Via Salvatore 21 — 1894 s » Gloötta, Max, Dr. med., Prof. an ua Universität . . Plattenstrasse 58 . 7 1902 » Corti, Arnold, Dr., Direktor en, ‚3 Blbendork. #707 1918 s » Cramer, Otto Leopold, Dr.med. . . . . . . Jupiterstr. 14. . . 7 1918 Fr. Gramer-v. Muralt, Olga . . es Jupiterstrasse 141°. 18 sFrl.Daiber, Marie, Dr., Pros. u. Assist. a. zool. Inst. beider Hochsch,, Privatdoz. Krähbühlstr. 6 . 7 1906 Hr. Däniker, Albert Ulrich, stud. phil. . . - Dillileeweg 5, Küsnacht 1919 s » Debye, Peter, Dr., Prof. der Physik a.d.E.T. H.:; Glorinste; 38.2 ei U » Disteli, Martin, Dr. Prof. der Math. a.d. Univ, . Olten, Steinl Ichweg672 1892 Frl. Dübendorfer, Emma, Dr. med., Ärztin : FR Bahnhofstrasse 8 . 11912 Hr. Dübendorfer, Heinrich, RR, “2% Hottingerstr. 25. =. 7 1919 » Dubuis, Samuel Ed., Tierarzt . . Letzisteig 1 . . 6. 1918 s » Düggeli, Max, Dr., Prof. landw. Bakter. a. r” Fin Hochschule Hofstrasse 5. . - 7 1912 > oe Gustav, Dr., Prof. Math. an d. Univers., Plateau e Bethusy . Lausanne . ne et ABER Ss» m Pasquier, Enstar, Dr., Prof. Math. an dar m ..Meuchätelnu. ww 1907 ürst, Ulrich, Dr., Prof. Zool, an der Universität . Bern na 189 8» ee Wilhelm, Dr. Chemiker 2... 3075, Taswil:, u 2 1910 s » Eder, Rob., Dr., Prof. f. Pharm. a.d. Se Hochschule Freudenbergstr. 144 6 1915 s Fr, Eder-Schwyzer, _. Dr. (Chem . Freudenbergstr. 144 6 1915 Fr. Egli, Hedwig, . 2 aldenbacketr. 3 Ve Hr. Egli, Max, Dr., Prof, am on a um . . . Herrliber, .— 190 erg » Ehrhardt, Jakob, Dr. med. vet., Prof. a. d. Universität Wilsbergstz‘ 74 6 1908 Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. XXXVH Stadihr. u e »» no Zürich Hr. Engel, Emil, Sekundarlehrer . . . . . . . . Blümlisalpstr. 66. . 6 » Engi, Paul, Dr. ing a ee 1 en » Engler, Harry, Dr. phil. Chemiker Ä . Hönggerst., Altst.b.Z. — 1918 s » Erb, Josef, Dr., Geologe, Carel van Byläkätisan 30 Den ae olland) . — 1899 Ss» Br Alfred, Dr., Prof. Bot. an der Universität . Zollikon, Höhestr. 66 -- 1901 Frl. Ernst, Betty ; es Haldeliweg 37 se IPIU Hr. erh Heinrich, Si a. RER 2.020. , Bonneggstrasse 61 . 6 1905 » Ernst, Julius Walter, Ingenieur . . Freiestrasse 21 . . 7 1900 » Escher, Berend, Dr. sc. nat., Villa dr Ar Bilshöven b. Utrecht, Holland — 1910 » ig Bag Oberst, Geol.... . Seilergraben 1 1 1915 » Escher, Frit . Gaswerkes . chlieren . . . — 1919 8» Escher-Kündig, > Cr, IE Ir Entomelbg . Gotthardstrasse 35 . 2 1883 » Escher-Lang, J. H., . Hofackerstrasse 44 . 7 1919 s » Escher, Hermann, Dr., Da 1: Zantrabilithe St.Urbangasse6 . . 1 1911 » Escher, Heinrich Hermans, Dr., Che . Zederstr. 14 ae 191B » Escher, Konrad, cand. phil. . . -. -» » . . - Sihlstrasse 16 . . 1 1920 8 » Escher, Wilhelm Caspar . . . » = 2... a 22.4.8; 1911 » Farner, Ernst, Dr. med., Arz . „ Theaterstr. 12 1 1919 s » Farny,JeanLucien, Prof. a a. a. en Hochschule Fehrenstrasse 23 . 7 1912 s » Feer, Emil, Dr. med., Prof. an der Univers . Freiestrasse 108 . 7 191 s >» Fehlmanı,). Werner, Dr., Privatdozent an rein ARE Tellstr.46, Schaffhausen — 1915 » Feix, Richard, Direktor der er -Co. re 10 2 1914 » Felix, Florian, Dr. med., Arz ädenswil . .- 1910 » Felix, Otto, Dr., Tierarzt, "Dir. E Ver "Zürch. Wolkenaa Staulacherqul 4 4 1919 s » Felix, Walter, Dr. med., Prof. Anatomie a. d. Univ. Köllikerstı 7 1891 s » Fierz-David, Hans Eduard, Dr., Prof. f. Chem.a. d.E.T.H. Kilchberg b. Zeh. — 1917 » Fingerhuth, Max, Dr. med ; Feldeggstrasse 80 8 1905 s » Fischer, Emil, Dr. med., Arzt . . . res 13:5506: 1918 s » Fischer-Reinau, Ludwig, Dr. em Ing. °. . . . Bleicherweg 13 .1 1918 #”» von Flelschl, Otte, Dr.med. .: . ....:.. Bla 39 .2 1918 » Fleischmann, Carl, Apotheker . . . was Bigistrasse 52%: '.:6- 1915 » Fliegner, Alb., Dr., a. Prof. ER . ViaTrevano9,Lugano — 1870 s » Flückiger, Otto, Dr. = an der höhern Töchterschule Zollikerstr.25,Zollikon - 1910 Fr. Flury-Habegger, Em . Junkerngasse 36, Bern— 1915 Hr. Flury, Philipp, Dr.h. c., aa n ai. foratl. Kar „Stat. Hadlaubstr. 108 . . 6 1888 s » Franel, Jerome, Dr., Prof. Math.and.techn. Hochschule Klusweg „T. 1898 » Frank, Ludwig, Dr. med. . Fı irre 16 . 7 1910 s > Frei,Walter, Dr.med. vet., Prof. re Univ ersität Zollikon, Höhestr. 68 — 1912 s > Frey, Hans, Dr., Prof. am kant. Lehrerseminar . . Küsnacht b. Zeh. — 1896 s Frl. Frey, Hedwig, Dr. Proscktor am anat. Institut 2 Universität Mommsenstrasse 17. 7 1912 Hr. Frey, Jakob Heinrich, Kaufmann . . Zollikerstrasse 152 . 8 1919 $ » Frick, Theodor, Dr. D. S., Zahnarzt . . . . . . Titlisstrasse 7 1900 > Friedheim, Ernst, cand. med. . Neumünsterallee a 8 1920 >» Friedländer, een ne Via Laizıa Sanletiee 60, Napoli-Vomero — 1915 $ » Fritz, Franz, Dr., Tier se ; . Forchstrasse 151. . 7 1914 » Froebel, Robert, ee nn a Menssonsie. 10° 25.7 1918 » Froehner, Julius, Dr. med., Zahnarzt. . . . - . Peterstrassel. . . 1 1911 XXXVII Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. Stadikr, Mitglied Zürieh seit Hr, Froelich, Friedrich, Dr., Chem. . ‚ Titlisstr. 28 ,. » Zu s » Früh, Jakob, Dr., Prof. Geogr. ee Hochschule de 6... 20 s » Fueter, Rudolf, Dr, Prof. Math. an der Universität Rigistrasse 34 . 6 1917 s » Furrer, Ernst, Dr. nl. Fachlehrer f. Naturwissensch. TERN, 146 6 1913 s » Gampert, Paul, Kaufmann : uns... u Gartenstrasse 36). Sn s » Gams, Edmund, a hgahienr una. Seegartenstrasse 2 +8 1917 s » Gams, Hellmut, Dr., Bot. -. . . . 2... 000 Königinstr.21, München 1912 3 as Bil Roankmänn: 2:2, ee Wonnebergstr. 67 . 8 1905 s » Gassmann, Theodor, Dr. phil. , Villa l’Oasis, Corseau/Verey— 1905 » Gaule, Georg Justus, Dr. med., a. Prof. : = d. Universität Zürichbergstrasse 130 7 1887 » Geilinger, Walter, Dr. med. . ... , Häldeliwe >>7,.198 s » üeiser, Karl Friedrich, Dr., a. Prof. Math. i . Küsnacht b. Zeh. . . — 188 » Gerlach, Rudolf, Dr., Prof. am kant. Lehrerseminar . Küsnacht b. Zch. . s » Giger, Emil, Dr. rer. = Prof. höh. Töchtersch. .— I Pt 7 » Glättli, Hans, Tierarz tageı .— 1919 s » (nehm, Robert, Dr.,a. ee "Präs, " a. Schriraiee ee % . 7 1813 s> & garten, Emil, — edle, Villa Philadelphie uzern .— 101 » Willy. Dr. med.. Prof. Hyg a.d.E 'Freiestrasse 229 7 192 » Graemiger, Benjamin, Ingenieur . . 2... Höngg, Zürcherstr. N .— 194 » v. Graffenried, Alfred, dipl. ing. oben: 2... Englischviertelstr.21 7 1918 s » Gramann, August, Dr., Sekundarlehrer . » . . - Äussere Schaff- hauserstr.7,Winterthur 1899 ° s » Greinacher, vn Dr., Prof. euer > 202. Gladbachstr. 62 . . 7 1915 s » Greiner, Paul, Kaufm ; 202. Kilehberg b. Zeh. . . — 191 » Gretler, Heinrich, in . Rindermarkt 19. . 1 1919 » Grisch, Andreas, Dr., Adjunkt d. ee et, schaftlichen ns ıstalt . Oerlikon . — 1907 s » Grossmann, Marcel, Dr., Prof. Math. a. x Ei che Holdersir. ra 7 1908 » Grubenmann, Ulrich, De; Hon.-Prof. Min. a. d. Univ. Titlisstrasse 60 7 18% » Gschwind, Meinrad, Dr. e. id. Prüfungs-Anstalt £ Brennstoffe. Clausiusstr.6 . » - 6 1918 » Gugelmann, Paul, stud. forest. . . . Stapferstrasse 3,11 . 6 1920 » Guggenbühl, Adolf, Ing. „ . Weinbergstrasse 1 . 1 1918 s » ÜGujer-Berchtold, Julius, a. Nat, „Rat, Fabrikan . Bächtoldstr. 6 . : u AO s « Guyer, Oskar, Dr., Prof. a. d. kant. a . Moussonstrasse 19 Rt: » Gyger, Alfred, Kaufmann . . Rigistrasse 61 .. 6 1919 » Gysi, Alfred, Dr. D. S., Prof. a. a. Zahtargt- Schule de Universität . . Obere Zäune 10 1 189% s Hr. Haab, Otto, Dr. ad a „Prof. a. £ Enno ‚ Pelikanstrasse 41 - 1 1880 » Haab, Otto E., Dr. med., Augenarzt . Seat. 4.0 » Haas, de, Walter, Redaktor d. ea . . Rüschlikor „1 s » Haffter, Paul J., per Adr. Herrn H. Nabholz . . . ee 82.8 1915 » Hägler, Karl, Assist. am Anihrop. Inst.d. Us. . Streulistr. 5 7. 1920 » Halperin, Jakob, Dr. med. ee .n...seehach. — 1910 s » Hauri, Hans, Dr., FREE u 4 nr EBEN, ar 1 18 » Hauser, Adolf, Apotheker. . . ee ge : 7 1918 » Hauser, Walter, Be Bexiäslehrer 2 Drugs. Chis we .— 1921 » Heberlein, Fritz, Dr. Ing., Chemiker DT 132 . . 8 1916 Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. XXXIX Stadtkr, Kitglied Zürich seit Hr. Heberlein, Hugo, Kaufman . Zollikerstr. 235 . 8 1918 s » Hegi, Gust., Dr., Prof. Bot. er, Universität . Tengstr.18, München — 19%3 s » Heim, Arnold, es Geologe . . Hofstrasse 100 . 7 1906 » Henri, Victor, Dr., Prof. d. phys. Chemie a. & Unis. Streulistr. 8, IH . 7 1920 s » Henschen, Karl, Dr. med., Prof. ; ei fotna Bahnhofstr. 11 1910 Frl. Herder, Hermine, Malerin, Villa Yalta . Seefe 87 8 1916 Hr. Herkenrath, Franz, Ingenieur . . Höngg, Bacher, IN — 1912 s » Herzfeld, Eugen, Dr., Ass. am end. Lab. i Karkonisep, Ekkehardstrasse 16 . 6 1911 s » Hescheler, Karl, Dr. ‚rot Zoolog. anbeid. Hochschulen Rotstrasse 2 ‚6 1894 » Hess, Gottfried, Architekt . Nordstrasse 15 . 6 1911 s >» Hess, Walter, R., = med, "Prof. 8. 22 Universität Susenbergstr. 198 6 1919 >» Heusser, Hans, Dr., Oberassist. a. Kant. Sess Bellariastrasse 74 2 1918 » Hiller, Eduard, Apstheker. Sonnenapotheke ämistrasse 7 . 2 1911 » Hirsch, Arthur, Dr., Prof. Math. a. d. techn, Hochschule . Reinacherstrasse 8 7 1903 s >» Hirschi, Hans, Dr., Geologe N Braunwald (Glarus) . — 1915 » Hirzel, Hermann, Dr. ing., Chemiket ; inkelwies 1 1918 s » Höhn, Walter, Sekundarlehrer . Kurvenstrasse 40 6 1910 > Hofer, Hans, Lithographie-Besitzer t — 1912 s Fr. Hoffmann-Grobety, Amelie, Dr. &s sc. . Ennenda, Kt. Glarus — 1919 » Hofmeister, Eduard a . Freigutstr. 16. . . 2 1918 Frl. Hofmeister, Sara : . Hottingerstr. 11 . . 7 1918 Hr. Hollenweger, Ernst, Ingaliahr i . Höhenweg 16. . 7 1920 » Hottinger, Max, Ingenieur, P.-D. a .H.. . Mühlebachstr.46. . 8 1921 » Hottinger, Rudolf, Dr. med., Privatdozent f. Urologie an der Universität . i . Voltastrasse 27 7: 1917 » Hubacher, Karl, Dr. isch snokheher : . Belsitostrasse 20 . 7 1912 s » Huber-Stockar, Emil, Ingenieur . Neumünsterallee 12 . 8 1888 s >» Huber-Pestalozzi, Gottfried, Dr. med, & a . Englischviertelstr. 61 7 1915 s » Huber, Hans, Dr. med., Sanator: . Kilchberg b. Zeh. . — 1910 > Huber, Max, Dr. jur., Prof. der Beh, an dir Tasse Schloss Wyden b. Ossingen „ — 1910 s > Huber, Robert, Dr., Prof. am kant. Gymnasium eulistrasse 16 . . 7 1910 » Hürlimann, Albert Heinrich, Brauereibesitzer . . Brandschenkestr. 160 2 1921 » Hürlimann, Hans Dr., Chemiker 2 Brändschenkestr. 160 2 1917 s » Hug, Jakob, Dr., Sekundarlehrer indlerstrasse 16 . 6 1910 s » Hunziker, Edwin, Ing. der Schweiz. Geodät. oma. Nordstrasse . 6 1917 s > Imhof, Othmar Emil, Dr.. . Königsfelden-Brugg . — 1882 » Jabs, Asmus, techn. Direktor . . . Alpenstrasse 3 2 1905 s >» Jaccard, Paul, Dr., Prof. Bot. an derteck Hochochiile Carmenstrasse 46 7 1903 > Jaeger, Carl, Dr., Chemiker, Schwandenweg 8 . . Kilchberg b. Z — 1915 $ >» Jakob, Joh., Dr., Priv.-Doz. a. „1.B. . .„ Sonneggstr.5 . 6 1919 3 » Jeannet, Alphonse, Dr., Geologe d Schweiz. @eoin 08. Kommission . . Institut geologique Le Mail, Neuchätel — 1913 8 >» Jegen, G,, Dr. Schwein. Versuchsanstalt Wädenswil Wädenswil. . 1919 > Jegher, Carl Gaudenz, Ing. : Kilchberg b. Zürich 1919 8 > Jenny-Tschudi, Daniel, Fabrikant . . Glarus . — 1911 . Rütistr. & sr: 1918 Frl. Josephy, Gretel, Dr.' % ” I} » % ” na a a o UNI HMM Y Ve Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. Stadikr. Hitglied Zürich seit . Karrer, Paul, Dr., Prof. Chemie a. d. Universität Landoltstrasse 16 . 6 1918 Kaufmann, Robert . Belsitostrasse 17. . 7 1919 Keller, Konrad, Dr., Pr, Innl. an ie tech. Hochschule . . Forehstrasse 118. . 7 1875 Keller, Konrad, Landwirt . . » » =... „ Guggachstrasse 12 +: IE Kiefer, Adolf, Dr. . Minervastrasse 149 . 7 189% Kienast, Alfred, DE Priratdon. Nach, an ie bed Hochschule Küsnacht b. Zeh. . . — 1905 Klages, Wilhelm, Hütteningenieur . . . p. Adr. Frau Dora Klages Mumpf (Aargau) 1912 Kleiber, Albert, Dr. De El nu nel. Kirchgasse 181. 1 ett, Max, Dr., Chemiker rn... benzburg (Aarau) zus u Knopfli, Walter, Dr. Zoologie. . » » . . . . Stauffacherstrasse 9 . 4 1913 Koch, Helmut, dipl. Ing. . Freigutstrasse 9 2 1917 Koch, Wilhelm, Optiker . . , Bahnhofstr. 11 1 1918 Kelsch, Adolf, Dr., ER Schriftsteller Kr Beer re ee Kollbrunner, Otto, Dr.med... . . . . . - . Rämistr. 24 3 19% Koller, Eugen, Mühlenbesitzer . i Era a aa ri 1919 Kopp, Robert, Dr., Prof. an der flenichihe" . . St.Gallen-Ost, Neptunstr.5 18% Kowner, Jakob, Elektroingenieur b . Zollikon, Witellikerstr. 8 1921 1919 Kruck, Carl, Baumeister . „ Küsnacht Künzli, Emil, Dr., Prof. an de ce ..., Solotimn: 4 wisse Be Küpfer, Max, Dr., Priv.-Doz. Zool.a. d.E.T.H. . Klausstrasse 20 . 8 91 Kubly, F. Wala, Dr. med. , Bellerivestrasse 38 . 8 1916 Kummer, Walter, Dr., Ing.- in Pro, a. . tech, Hochschule Mythenstrasse 15 . 2 1910 Kumm se Webee, Wilhelm, Pflanzer . . . „ Villa Verhanella, Locamo . . — 1914 Kunz, Carl, Dr., Privatlehrer . . . . - 2. . Chemin Miremont 35, Genf „ . — 1911 . Landolt-Locher, Paul, Kaufmann . . . . . . Scheideggstr.8 . . 2 1918 Lautenbach, Max, Dr. jur. . . ...Auf. der Mauer 21. ı 1912 Lebedinsky, Nahum, 6., Dr., Pro en v.Rig . Riga, Lettland . . 190 Leuzinger, Rud., Vorst. d. kant. ee Mollis 0 1909 Liebmann, Erich, Dr. med., Oberarzt an der med, Klinik . nee ee Locher, Fritz, dipl. Ing. . ‚ Aubrigstr. 10 . » 2 1917 Looser, Emil, Dr. med,, Privatdozent f. Chirergis Utoquai 39. ..8 1920 Löwensberg, Paul, Dr. med.. . ; . Sissach (Baselland) .— 1912 Lüdin, Emil, Dr., Prof. an der ER ER TER A Stolzestrasse 14 . ..6 18% Läthy, Adolf, Dr. Prof. an der höh. Töchterschule Hofstrasse 2. . . 7 1904 Lunge, Georg, Dr., a. Prof. Chem . Carmenstrasse 37: .. 7 1818 Maier, Hans W., Dr. med., = ‚Dozent d. Psychiatrie Burghölzli . - . 8 1909 Mark-Bechtold, Andre, Dr. m . Bahnhofstrasse 55 . 1 1915 Maithias, Eugen, Dr., Prof. a. . höh. öehtueschule Plattenstrasse 4 . 7 1919 Maurer, Julius, Dr., Direkt. d. Meteor. r. Zentr.-Anst. Zürichbergstrasse 7 7 1881 ieus, Fritz, Dr., Prof. Philos. a. d.techn. Hochschule Rüschlikon, #lärischstr. 13 1911 eg Hans, Dr; Prof.a.d. höhern Töchterschule Reinacherstrasse 1 1908 Me st, Dr., Prof, Mech. an der techn. Hochschule . Zollikon . .— 1910 re Karl, Dr., P.-D. f. Physik a. d. Univers. Scheuchzeiste. 64.0 Mi Menzi, Jakob, Dr., ein x , Birmensdorferstr. 271 3 1919 Mertens, Oskar, Gartenarchitekt . . . .. . Bergstr. 162 7 1921 Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. XLI Stadkr. a8 Zürich s Hr. Messikommer, Heinrich, Antiqua ; : „Heshtplati a | 191 [0 s » v.Meyenburg, Hanns, Dr. med. Prof. Universität Lebaums Institut pathologique EEE er elasann — an » Meyer, Alfred, Dr. med. And ... ., Zollikon 919 Fr. Meyer-Landolt, Bertha . i Bee nel sHr. Meyer, Edgar, Dr., Prof. d. Physik a. a Universität. Freudenbergstr. 12, 7 1907 » Meyer, Franz, Dr. jur. . . . Utoquai 3 „amteEB2 1919 sFrl. Meyer, Frieda, Dr. . Weiningerstrasse 322, Dietikon . — 1912 sHr. Meyer-Rüegg,Hans, Pr of Dr kasa Priv Doxaii Hits, Freiestrasse 116 . . 7 1910 » Meyer, Heinrich, Dr., Chemiker . - Plattenstr. 342:7.541271918 > Meyer-Hürlimann, Karl, Dr. med... . . . . . . Hottingerstrasse 20 , 7 1901 -Frl. Meyer, Martha, Lehrerin. . . . . . . »... . Minervastrasse 128 . 7 1917 sHr. Minder, Leo, Dr. . Schaffhauserstr. 76 . 6 1918 s » Minkowski ‚Miecayslaw, Dr. ni . . f. RRRREER, d. dar Physikstrase6 . . 7 1917 s » Misslin, Emil, Dr., er, Privatdoz. E. T.H. Arterstrasse 26 1.1919 s » Monakow, Konstantin von, Dr. med., Prof, a. d. Universität . Dufourstrasse 116 . 8 1887 - 8 » Monnier, Eduard, Dr. med., Priv.-Doz. 1 u a. d. Univers. Pestalozzistr. 58 . . 7.1917 » Mühleder, Hans, Mas ee Be - .. Wallisellen, Schwarzackerstr. 34 — 1918 » Müller, Albert, Buchhändler wre re Kelch, MEEOHBERREB Du. ADD sFrl. Müller, DEN Dr. med., Ärztin as ae. Güsthesträasse 10 5:1: 1911 Dermak Gert nenn Hirschengrahben AB... 1.1919 '. Müller, Ra a ann a ARANKRTStrESSe Me... 8; 1919 » . Aller Heinrich, a. ee ker ee a a Wermitreei 138 > ; 57: 1919 s > Müller-Thurgau, Hermann, Dr., Direkt, d. Schw. Ver- suchsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau . , Wädenswil .1...% s.- 1891 » Müller, Marous, Lehrer. .-. -. » . . . . . Witikon 2. 1913 » Muralt, Wilhelm von, Dr.med. . . 2... nee 18 un ser ASBB s » Naef, Adolf, Dr., Priv.-Doz. f.Zoologiea.d. Universität Treichlerstr.3. . . 7 1916 » Naef-Werner, Paul, a. Oberförster und Pflanzer . Dolderstrasse 57 . 7 1918 » Naegeli, Alfred, Dr.med. . . . Samaden, Krei epriat — 1921 s >» Naegeli, Otto, Dr. med., Prof., Dir. d. Klin. Au Universität . x Volaste. 99 ......2.4918 » Nänni, Jakob, Dr. "dipl; Fachlehrer Naturrisensch KEOE .. 0:500 AHLR s » Nager, Felix Rudolf, Prof. Dr. med., Dozent für Oto-, Rhino- u. erraten an der Uaversität . .„ Freiestrasse 20 1911 >» Narutowicz, Gabr., Ing., Prof. an der techn. Hochsch. ne 34 7. 1918 $ > Niggli, Paul, Dr., Prof. für Mineralogle a.d. E. T.H. Rigist . — 1913 > Oehrli, Armin, Apotheker . . is REN 5 #10 > Ogushi, Kikutaro, Dr., Prof. der Kunkaiia . x. Osaka (Japan). . . — 1913 s » Oppliger, Fritz, Dr., Prof. am kant. Lehrerseminar . Küsnacht b. Zeh. . . — 1893 s > Oswald, Adolf, Dr. ui Prof. an der Universität . Hofstrasse 78. . . 7 1903 > Ott, Emil, Dr. &s sciences, Chemiker . Schlieren, Industriestrasse — 1918 $ >» Ott, Hans, Direktor der Torf Prisiiehäle Neumünsterallee 1 . 8 1910 > Ott, Carl, Reallehrer . „ Hochstrasse 109, Schaffhausen . — 1919 > Panchaud de Bottens, Adalbert, Dr. 2 u. med. . . Seefeldstrasse 33. . 8 1911 “ > Pestalozzi-Bürkli, Anton, Dr. . Löwenstrasse 21 . . 1 1903 XLIH Verzeichnis der Mitglieder der-Naturf. Gesellschaft in Zürich. Stadikr. Hitglied Zürich seit sFrl. Peter, Margarethe, dipl. Fachlehrerin . . - » -» Sophienstr. 12 . . 7 1911 Hr. Peyer, Bernh., Dr., Privatdozent Zool. a. d. Univers. Schaffhausen, Steigstr. 1918 s » Pfenninger, W., Dr. med. vet., Ass. a. vet.-pat. Institut Freigutstrasse 31. 2 1918 1 » Pfister, Gottfried, Dir. Allg. en. Ges. . . s., Kemptthal .. .:.. ie 2 » Pfister, Johann, Ingenieur . . >... Küsnacht b. Zeh... .. 1 ee Pfister, Martha, Lehrerin . » » v0. > Oerlikon. . eh Hr. Pfleghard, Otto, Architekt . .„ Zollikerstr. 245 8 1918 s » Piccard, Aug., Dr., Prof. („Physik a 1. vn. Teak. . Gladbachstr. 45 . 7 1912 » Platter, Bruno, Assist. d. Schweiz. Agr.-chem. Anstalt Asylstr. 8. ... 2 1916 r » Fre Georg, Dr., Prof. Mathem. E.T.H. . . Büchnerstr. 1. 6 1920 s» il, Franz, Dr., Prof. Masch. a. d. techn. Hochschale Heuelstrasse 51 7 189 : s » (uervain, Alfred August de, Dr., Prof. Net., A der £ re Dentral-Anstalt. . ‚. Gloriastrasse 68 . . 7 17 | » Rahn, Viktor C, Banquier . » » . . +. - Lavaterstrasse 50 2 1919 » Rascher, Max, Buchhändler: . . . . +. - Rathausquai20 . . 1 1905 » Raths, Jakob, Sekundarlehrer . . . - » . . . Streulistrasse 8L.: 1.1893 Frl. Rauch, Aline, Lehrerin . a Westsir: 60: ;. s 1918 Hr. Reber, Theodor, Prof. a. d. EN ‚ » Münchhaldenstr. 15. — 1920 s » Redeker, August, Apotheker . . . . . » . . Bremen-Hemelingen . — 1913 s » Rehsteiner, Hugo, Dr. a a eg 1918 » Reitz, Wilhelm, Oberingenier ; 4.2. „ Schipfe 1904 » Rell, Bruno P., D.8; TEEN MEIRSTRR NG ie a : Frl. Renner, Sophie, eo Fachlehrerin, Töchterinstitut Fetan, Engadin . - 1918 ie sHr. Resch, Alfred, Dr. med.. . . . Fraumünsterstr.8 - 1 1916 » Riese, Heinrich, Ingenieur . . . . » » . . . Bahnhofstrasse 78 . 1 1915 » Rieter, Emil, Stadchemiker . . . Ausstellungsstr. 90 . 5 191 s » Rikli, Martin, Dr., Prof. Bot. an d. En Hochschule Gladbachstr. 44 . - 6 1894 s>» Ris, wage Dr. med., Direktor der Pflegeanstalt Rheinau . . .— 1892 » ‚med. . . Ba hchiriee 58 N » Rohn, rg Prof. Masch. an u voräin. Wäsche Blümlisalpstrasse 11. 6 1912 s » Rollier, Louis, Dr., Prof. Geol. a. d. techn. Hochschule Sonneggstr.d. . + 6 1905 » Roothaan, Hans Philipp, Geologe, pr. Adr. Frau M.Roothaan, Gossau, Kt.St. Gall. 1917 » Roth, Conrad, Ing., Direktor. . . . . Zollikerstr. 10, Zollikon 1919 s » Roth, Otto, Dr.med.,a. Prof. Bakt. a.d. techn. Hochsch. Engl. Viertelstr. 54 . 7 1891 » Roth, Wilhelm, Dr. ER ‚ Plattenstrasse 34. . 7 1910 » Rothpletz, Gottlieb Friedrich, Gerteninspektor . » Belvoirpark 2 1908 s Hr. Ruckstuhl, Werner, Dr., Chemiker . . . . . . z.Homberg, AR 1917 » Audolph-Schwarzenbach, Eduard, Kaufmann . . . Scheideggstrasse 45 . 2 1912 sFrl. Rübel, Cecile . . Zürichbergstr. 35 7 1918 sHr. Rübel, Eduard, Dr., Gechetaniken, Pair. De E. T. H. Zürichbergstrasse 30 7 1903 sFrl. Rübel, Helene ö , „ Zürichbergstr. 35 7 118 Hr. Rüeger, en Apotheken, 2. Rebstoc ik f . Bischofszell .— ll s » Rüst, Ernst, Dr., Prof. an der kant. Hunkeiikieie . Hadlaubstrasse 106 . 6 1910 s » Rutgers, Pritz, Ingenieur, Zürichstrasse 11 . . . Oerlikon — 1915 » Rutgers, Joh., Dr. med.. Arzt 2.225 Wihelminalaan 21, chen (Hokand 1919 » ARutishauser, Friedrich, Gin Kr . Winterthurerstr. 58. 6 1916 2 » Rütschi, Alfred, .,fhenterstr. 19: =, I I u Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. XLI1 Stadtkr. Nitgl, Zürich ii Hr. sera osram Dr., P.-D. d. Chemie an beiden . . Winterthurerstr. 40 . 6 1921 $ >». Salis, Theophil, Apotheker . . . » . . 2. . Werdstrased. . . 4 1917 » Sammet, Otto, Dr., Apotheker . NeueBeckenhofstr.42 6 1912 8 » S$andmeyer, Traugott, Dr. a et Dr. Ge E c. Are str, 22 - Zollikon 1919 Frl. Schaefer, Margrit, cand. med . Zeltweg 62. 7 108) s Hr. Schäppi, Theodor, Dr. med. et phil. gt Seren 7 . 7 1904 s » Schärtlin, a Gottfried, Dr., Direkt. d. Renten Mythenstr.1 . . . 2 18% s » Schardt, Hans, Dr., Prof. Geol. an beiden Hochschulen a 18 .:...4. 2881 » Bhleleikergir, An Dr. . Riedtlistrasse 72. . 6 1902 s » Schellenberg, Hans, Dr., Prof. iii an e (ein, Hochschule Hofstrasse 68. . . 7 1895 » Schellenberg, ne Dr. Tierarzt . . =, Hofstrasse 05. . . 1. 1896 » Scherrer, Paul, Dr., Prof. d. Physik a. f E.T.H. Gloriastr. 35 . . . 7 1921 » Schindler-Stockar, pe Dr. jur., Rechtsanwalt . Rämistrasse 2. . . 1 1911 » Schindler, Konrad, Dr. med. . See, ine 1068 s » Sohinz, Hans Rudolf, Dr. ET Ye Pi Röntgen Inst, a. Kantonsspital . . . Seefeldstrasse 12 . 8 1920 s » Schlaginhaufen, Otto, Dr., Prof. Kirss‘ a. a. Uni v. Susenbergstrasse 94 7 1904 8 » Schläpfer, Paul, Dr.,Dir.d.Ridg.Prüfungsanst. f. Brennst. a.d. LH. Gladbachstrasse 62. 6 1917 s » Schleich, Karl, Dr., Chemiker -. Kemptthal. . . . — 1918 > Schmid, Ed., Dr., Prof. an der Kant. Indesteirechnle a.Landstr. 42, Kil ankete 1905 » Schmidlin-Lindt, L. Laurent, Fabrikdirektor . . Thalgarten, Richterswil 1920 » Schmidt, Oscar, Dr., Direkt. d. Akkumul.-Fabr. Oerlikon reg a 5, 2 1000 s » Schnorf, Carl, Dr. med. vol; u‘ . Ber ‚71.198 s » Schoch-Etzensperger, Emil, Dr. REN RK 136 ... — 1898 » Schöller, Fried. hebt ns as . Parkring 2 be a | > Schöller, Walter, cand. chem. . . Hohenbühlstr. 16. . 7 1910 » Schöllhorn, Fritz, Braueriliten, Braneiel Haldengnt, it nn 1917 » Schönenberger, Friedrich, Ing. . -» » =... Allenmoosstrasse Il, Oerlikon . — 1919 » Schoop, Max Ulrich, Physiker . . „ Hardturmstrasse 82. 5 1912 » Schrödinger, Erwin, Dr., Prof. f. ihr. Physik a.d. Universität . . » . » Pension Schmelzberg 7 1921 8.» von Schulthess-Schindler, Anton, Dr. m . Wasserwerkstr. 53 . 6 1889 > Schulthess-Hünerwadel, Hans, ee: Rämistrasse 52 . . 7 1910 > Schulthess, Willy, Dr. > Ye! 2. . Guggerstr. 26, Zollikon 1919 > Schultz, Gustav, Kaufm ih “20%. .„ Konkordiastr. 22 7 > Schuppli, Hans, cand. Phil, 5°. „ Biamenweg 16°. . 81918 > Schwarz, Emil, Dr. med., Dies un See. €. 4 1910 8 » Schwarz, Ernst, Ingenieur . . 0.00, Sant , . 6.1981 8 » Schwarz, Heinrich, Dr., ae er Bee , |. 1980 > Schwarzenbach-Fürst, Arnold 2. 2, Kilehberg b. Z., Beewart — 1916 ® > Schwarzenbach, Ernst, Dr. mei. £ „ers, Stockerstrasse 32. 2 1%7 Frl. Schwarzenbach, Marthe, stud. phil. „2 8» Kilchbergb.Z., Seestr.107 1921 Hr. Schweizer, Armin, Dr. jur., Rechtsanwalt . . . Rüschlikon, ale landstrase 1919 $ » Schweizer, Robert, Dr. med. . . . . ‚+ + Stadelhoferstrasse 15 1 1910 $ » Schwyzer, Fritz, Dr. med. . . „0005 Nastanienbaum b. Luzern . — 1912 > Schwyzer-Ellsworth, Fritz, Kaufmann . . - . . Dolderstrasse 104 . 7 1913 XLIV . Seeberger, Xaver, Dr. med. vet. Seelig, Paul, Dr., Chemiker . 4rottestr.. 11:3 . Kastanienbaum b, Le 1919 Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. u Mitglied Zürieh seit {er} ei De] nz [e +) » Seiferle, Eugen, stud., Villa Forst . Kempttha — 1918 s » Seiler, Ulrich, Dr., Prof. am kant. Gymnasium . Pe stalomaiatrageh 9. 7 1901 » Seitz, Johann, med. . Plattenstrasse 86. . 7 1874 » Sidler, Ernst, Dr. si. Prof. f. Augeneilk, a. a. Gay. . Glärnischstrasse 40 . 2 1917 s » S$igerist, Henry E., Dr. med. Ebelstrasse 7. 7 1918 » $igg, Hermann Otto, Käufnenn; ae Lotdetr: 110 Küsnacht (Zürich) . — 1918 Fr. $igg, Martha, alte Landstrasse 110 . . Küsnacht (Zürich) . — 1918 sHr. $ilberschmidt, William, Dr. med., Prof. an der Univ. Zürichbergstrasse 54 7 1903 » Slotopolsky, Benno, Dr., Assistent am Anatom. In- stitut der Universität un 02, Bolleystrasse 45. - Game » Sonder, Richard, stud. geol.. . Herrliberg . . — 1920 s » S$peiser, Andreas, Dr., Prof. Math. a. = Universität Talacker 40 a » Sponagel, Paul, Dr., Chemiker. . . . . Bellariastr. 69 . . 2 194 Frl. Stadtmann, Doris med. . ENT RT: 2 » Staehelin, Markus, Dr., Ass. a la station federale d’essais viticoles - Lausanne . . 2. » $tähli, Jean, Dr. med., Priv.-Doz. L Kienhsilkenie. 1 Universität Hadlaubstrasse 7. . 6 1917 » Staub, Hans, cand. chem . Gladbachstr. 54 7 197 Fr. Si Eweerkt Mary Ellen i Banptrostingeraif Zürich 1919 Hr. Staub, Paul, dipl. Chemiker . . Rue Bergalonne 8, Genf — 1919 s » Staub. Rudolf, Dr., Geologe . . Rieslingstr.8. . . 7 N sFr. Staub-Wagopoff, Sara, cand. geol. . . . . . . Rieslingstr. 8. 7 1911 sHr. Staub,Walter, Dr.sc.nat., Geologe, Pr.-Doz.a.d. Univ. Grüner Weg 9, Bat — 1911 s » Staudinger, Herm.,Dr.. Prof, each. Hochschule Hadlaubstrasse 831 . 6 1912 » Steiger, Karl, Kunstmaler Kilchberg b. Zeh. . . — 1910 s » Steiner, Gotthold, Dr., Priv. DeE . Bern-Bümpliz, Bei nZ 1911 » Steiner, Hans, Dr. phil. . Universitätstr. 65 6 1912 » Steiner, Hans, ge sie. Kinkelstrasse 56 6 1919 nc Stieger, Anton, . Culmannstrasse 57 . 6 1921 s » Stierlin, Hans, SE am Ein Oynasahen . Frohburgstrasse 63 6 1910 s » Stodola, Aurel, Dr., Prof. Masch. a. d.techn. Hösksekiie Freiestrasse 62 7 189 s » Stoll, Hermann, Dr. jur,, Industrieller . Lavaterstr. 15. - - 2 1918 s » Stoll, Otto, Dr. med., a. Prof. der Geogr. a.d Univ. Klosbachstrasse 75 . 7 1875 » Stoppani, Giovanni Ambrosio, Dr. med., Prof. an der Zahnarztschule der Universität Bahnhofstr asse 30 1 1903 » Straessle, Anton, Kaufmann Alpenstr .2 1918 s » Strohl, Hans, Dr., Prof. Zool. a. “a, "Universität: Kapfiteig 50 . 7 10 » Stünzi, Walter, Fahrikant Alpenstrasse 1 1 1920 » Suter, Heinrich, Dr., a. Prof. am uch: PER, Dornach .— 11 s » Täuber, Karl - Ingenieur . Rotbuchstrasse 32 6 1910 s » Tank, Franz, Dr. Privatdoz., ae, 1. Physik . . Sprensenbühlstr.8 . 7 1919 s » Thellung, Albert, Priv.-Doz. Bot. a. d. Univ. . Hegibachstrasse 42 . 7 911 » Tieche, Max, Dr. med., Priv.-Doz. a.d. Univ. . . Breker 82 ı 1920 s » Tobler, Adolf, Dr., Prof. Elektr. a.d.techn. Hochschule Winkelwiese 4 1 1873 s >» Treadwell, William D., Dr. Prof. d. Chen. a. d. E.T. H. a 146. 6 1916 > Trueb, Reinhold, Ingenieur, Fabrikant . Hombrechtikon . 1 Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich, XLV Stadtkr, Mitglied Zürich seit sHr. Soreaegen Sinai, Dr., Fachlehrer für ee d Privatdozent an der Universit . . Gloriastrasse 68 . . 7 1909 s > Uehlinger, Arthur, stud. forest. . Stapferstrasse 311 6 1920 » Dirich, Alfred, Dr. med., Bess der Bplept Anstalt Südstrasse 150 . 8 1903 » Ulrich, Konrad, Dr. me . . „ Börsenstrasse 16 1 1912 » Usteri- Bit Eu "Oberst: SERIEN "TIRRIRCHUL D 171918 s » Veraguth, Otto, Dr. med., Prof. a. d. —.. ua ger 90.7 1903 » Vetter, Hans J., med. pract., Ass.am pathol. i d. Univ . Zürich ‚ar, 1920 » Viollier, a De Prof. : 2. & höh. Töchterschule Forchstrasse 145 { 7: 1921 » Vogel, Theodor, .. EE . . . Seefeldstrasse 81. . 8 1916 Frl. Vogel, Vera, cand. : . „ Zürichbergstr. 6 7.1919 sHr. Volkart, Albert, Dr. re a d. Bohweii, land- wirtschaftlichen en Oerlikon . Frohburgstrasse 67 . 6 1900 s » Vonwiller, Paul, Dr. med. et phil., Anatom. Institut Zürich...» 2 1919 » Voornveld, H: J. A. van, Dr. med.. . . » . . Germaniastr. 58 >26: 1921 » Walter, Theodor, Dr. med., prakt. Arz 2 WORKOR nu 6 1980 » Waltha rd, Max, Dr. med. Prof. d. Grm 8. ; , es Voltasir, ID... 7 1920 s » Waser, Ernst, Dr., ae Priv. Zst: ® e Goiv. Büchnerstrasse 02 6 1915 » Weber, Emil, Dr., Eee lehrer. . ; . Hotzestrasse 48 6 1911 » de Weck, Alphonse, Dr. phil. „=. 2 Hottingerstrasse 35 . 7 1920 » Wegmann, Ernst, Dipl.agr.. . -» - - - » » Ämtlerstr. 15. . . 3 1921 » Wegmann, Gustav, Ingenieur . . Hofstrasse 132 7 1898 $ » Wehrli, Hans, Dr., Prof. Geogr. an er Uniı iver rsität . Kurhausstrasse 11 7 1903 s >» Wehrli, Leo, Dr., Prof, Geol. a. d. höh. Töchterschule Hochstrasse 60 7 1895 » Wehrlin, Kurt, Berm ed... . Steinwiesstr. 17 7 1917 s » Weiss, Pierre, Dr., Instant de l Inst, a8 Phys. % l’Univ. Strasbourg . . — 1902 s » Wettstein, Ernst, Dr. Prof. an der kant. Industrieschule . . Attenhoferstrasse 34 7 1904 » Weyl, Hermann, Dr.. Prof. Math.a.d.techn. Hochsch. . Tobelhofstrasse 20 . 7 1915 » Widmer, Adolf, Dr. med. . Ä ei . „ Freigutstrasse 5 . 2 1916 >» Wiederkehr, Rudolf, Sekundarlährer . Oberrieden b. auge — 1910 s » Wiegner, Georg, Dr., Prof. Agr. Chem. a. d. he. Ferhachnle ae 14. 7 1913 » Wiesmann, Theodor, Sekundarlehrer . wiesenstr. 9..7 1907 s » Wild, Oscar, Dr. med., Privatdoz. a. d. "Universität ee 31.27.1910 s » Winterstein, N Dr., Prof. Agr. Chem. a. d. techn. Hochschul : . . Physikstrasse 4 7 189 » Witzig, dienende ; . Seewartstrasse 21 3 1919 s » Wolfer, Alfred, Dr., Prof. Astron. an ätden. Hochsch. Sternwarte . . 6 1880 s » Wolfer, Paul, Dr; med. „ Weinplatz 7 1 1916 $ » Wünsche, Fritz, Dr., Aräintent a am Hanke Inst. 1. Universität Voltastrasse 7.1911 » Wyss, Franz Jos., Dr. med ; Haldeneggsteig5 . 6 1920 » v. Wyss, Georg, stud. chem. sun . Bärengasse 1 1 1918 s » Wyss, Hans Osk., Dr. med., siekt: Kal ; . Steinwiesstr. 37° . . 7 1918 s » Wyss, Max Oskar, Dr. med., Privatdoz. a. d. City. Häldeliweg 17 =: 1910 > v. Wyss-Schindler, Wilhelm, Dr. Prof., Rektor der höhern Töchterschule (ält. Abt.) - . Winkelwiese 5 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. 66. 1921. 27 fr er oo per er XLVI Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. ü Stadtkr. Mitgl, sel Hr. Wyssling, Walter, Dr., Prof, Elektr. an der techn. Hochschule . Wädenswil. . . . — 188 » Yamasaki, Haruo, Dr. med., bei Hrn. Z. Matsuura, Miogadani, Koishi- - Tokyo, Japan 1920 s » Zangger, Heinrich, Dr. med., Prof. an der Universität siegen 25 7 1904 » Zeller-Williger, Erwin, Ingenieur . . . . . . Rütistrasse 10 7 195 » Ziegler, J. H., Dr., Chemiker . ran 99 1 1921 », Zietzschmann, Otto, Dr., Prof.Vet. Med. “ i Univorsia Seefeldstrasse 115 8 1907 » Zölly-Veillon, Heinrich, ges Dr. .. ... Brunaustrasse 42. . 2 1910 sFrl. Zollikofer, Clara, Dr. Assist. Bot. a. s ie sität Obere Zäune 4 . 1 1919 Hr. Zollinger-Jenny, Ernst, ER ar . Bellariastrasse 57 2 188 » Zschokke, Erwin, Dr. med., Prof. an der Universität Selnaustrasse 36 . 1 1889 » Zschokke, Theod,, Obstbautechniker a. d. eidg. Ver suchsanstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau . . Wädenswil. . . . 1912 s >» Zuppinger, Emil, Fabrikant . . . . . . . . Wallisellen. . . „.— 18% » Zürcher, Ernst, Buchdrucker . : . . . . . . Brunngasse2. . . 1 1906 s » Zürcher, Joh. Friedr. ei Bühler; Appenzell. Im » Zweifel, Fritz, Dipl. A a 5, Rüschlikn — 1918 >45 . . . . . SR Treie Freie ausländische Mitglieder. A al s Hr. Bluntschli, Hans, Dr. med., Prof. Anat. a. d. Univers., Gärtnerweg 54 Frankfurt a.M. . 1904 1916 » Driesch, Hans, Bei Uferstrasse 92 . . . . . . Heidelberg. . . 1892 1914 » v.Eggeling, H h, Dr. med., Prof. an d. Universität Jena . u 2228 s » Emden, Rob., ie rar Re techn. Hochsch. (Phys.), Habsburgerstr.4 München ni... s » Ernst, Paul, Dr. med., Prof. an d. Univers., fraimbergw.8 Heidelberg . . 1901 1914 » v.Frey, Max, Dr. med., Prof. an der Universität . Würzburg . . . 1898 1914 » Goldschmidt, Heinrich, Dr., Prof. Chem. a. d. Univers. Christina . . 1881 1914 > Höber, Rudolf, Dr. med., Prof. an d. Univers. (Physiol. Inst.) Kiel. . .» ».- 1889 1914 Hr. Jordan, Hermann, Dr., Prof. Physiol., Frans Halsstraat 19 Utrecht. . . . 1903 1914 >» V. er = Dr., Prof. Phys., Inst. für theor. Physik erlin .. . 5,1912 198 » u Israel, Dr., ee: übe. Kahobat, der Reichkuiiveriiät ü . Groningen, Holland 1917 1921 » Lorenz, Richard, Dr., Prof. REN an der Univ, Frankfurt a.M. . 1897 1914 » Martin, Paul, Dr., Prof. Anat. a.d. Univers., Johannesstr.15 Giessen . . .. 1889 1914 » een Rudolf, Dr., Prof. Anthrop., Laplacestr. 24 München O. 27 . 1890 1916 s » Maurizio, Adam, Dr., Pr = Bot. a. d. Hochschule Lemberg . 1902 1914 » eorbee Theod,, Dr., Pro . Breslau, Au Er 1914 » Morton, Friedrich, A ra Wien @ Eu 915 1920 » Sauerbruch, F., Geh.-Rat, Prof., Dr., Chirurg. Klinik, ünnchen ; EN 1920 s » Schall, Karl, Dr., Prof. Chem, an der Universität, Sternwartenstr. 79 Leipzig. . - - 1889 191 » Stix, Oswald, Dr. ing., Ingenieur, Seidlgasse 14. . Wien IT . . . 1908 u » Weber, Friedr., Dr., Geologe, Nederlandsche Coloniale Petroleum Maatschappy, Koningsplein W 20 . Bataria-Welterreden . 1904 1914 » Zschokke, Markus, Dr. med., vet., Tierarzt . . . Pretoria (8.-Afr.) 1917 1920 ee Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. XII. A. Vorstand. Präsident: Hr. Frei, W., Dr., Prof., Zollikon, Höhestr. 68 Vizepräsident: » al Alfred e, Es ‚ Gloriastr. 68 ekretär : » Schlaginhaufen, O., Dr. =: Susnbngtrame 94 Quästor: » Baumann-Naef, M., Dr., ne A Redaktor: » Schinz, Hans, Dr., Prof., rg 18 Vertreter in der Kommission der Zentralbibliothek: Hr. Rikli, M., Dr., Prof., Gladbachstrasse 44 Vertreter im Senat der S.N. G.: ', Frei, u; Dr. Prof. » Satnieerie Otto, Dis, Prof. Shälrekster). Beisitzer: » Bosshard, E., Dr., Prof., alte Beckenhofstr. 48 . » » Kienast, A., Dr., Küsnacht (Zürich) > » Rübel, E., Dr., Zürkehbergetehize 30 B. Rechnungsrevisoren 1920 -1922. Hr. Escher, Wilhelm Caspar » Bommer, Albert, Apotheker Abwart: Hr. Zeller, Adolf, Maler, Zürich 3, Stationsstr. 19. Mitgliederbestand. XLVI Ansiritis- jahr 1920-1922 1920-1922 1920-1924 1920-1926 1918-1924 1916-1922 1919-1922 ein 1920-1922 Auf 31. Dezember 1921 I. Ehrenmitglieder ll. Korrespondierende Mitglieder III. Ordentliche Mitglieder - IV. Freie ausländische Mitglieder i Preise für Separata aus der Vierteljahrsschrift. Der Autor erhält von der Gesellschaft 50 Freiexemplare ohne Umschlag geheftet, weitere Exemplare ohne Umschlag sind zu nachstehenden Preisen erhältlich: 25 ‚50 75 100 125 150 175 200 B) 250 275 300 Bxempl. | Exempl. | Exempl. | Exempl. | Exempl. | Exempl. | Kxempl. | Bxempl. Bxempl. | Rxempl. | Exempl. | Exempl. | HiniBın nn nn) m | m Im | -'/s Bogen = 2 Seiten . 1.50) 3.—| 450) 6.—| 7.25| 8.70! 10.15 |11.60| 12.60) 14. — ' 15. 40 | 16. 80 ey N „0.200 231.830| 4060| 01ER — 180 15,40 117.00 18. 90 | 21. — | 23. 10 | 25. 20 N... a, 3.85 | 7.70| 11.55) 15.40 | 18. 25 | 21. 90 | 25. 55 | 29. 20 | 31. 95 | 34.50 | 37. 95 | 41. 40 | 5 a ee | 6.95 | 13. 90 | 20. 85 | 27.80 | 32.75 | 39. 30 | 45. 85 | 59. 60 | 55. 35 | 61.50 | 67.65 72.70 Umschläge mit dem Titel der Abhandlung | 16.— | 18. — | %. -- 19. —|4.— |%. | _ 30.—133,— 134 = | 36. — | 38. — ! ) Die Kosten für Heften und Beschneiden sind in diesen Preisen inbegriffen, nicht aber diejenigen für allfällige Tafeln. Die „Vierteljahrsschrift“ der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich — in Kommission bei Beer & Co. — kann durch jede Buchhandlung be- zogen werden. "Bis jetzt sind erschienen Jahrgang 1—65 (1856 61920) als 1ööjhrien ‚Bestehens — kostet 20 Kr, Er 64. Jahrgang (1919) Fr. 40. —, der 65. (1920) F Die jo 1799 inununterbrochener Folge von der Gesellschaft herausgegebenen „Neujahrsblätter* sind ebenfalls durch die Buch- handlung Beer & Co. zu eig Seit Be sind erschien R 3 en bilaungaie 1913. G. Asper: Wenig bekannte Gesellschaften kleiner Tiere. 1881. R.Billwiller: Kepler als ae ie meteorologische Station auf dem Sän 88. Ernst Blumer: Geschichte des Erdöls. Bier aus der Vergessene unseres Planeten. 19 . Bretscher: r Geschichte des Wolfes in der Schweiz. 1906. H. Brockmann.) iss rosch: Surampfele und er: Bau mes. 1889. M. Düggeli: Die Sihwefälbakterien: Die Nester der Ameisen. 1893. H. Fritz: Aus der kosmischen Physik. 1875. Die Sonne 1885. U. Gr ubenma ig Ueber die T0n erge. 1874. Ueber Bergstürze. 1882. Geschichte des Zürichsees. 1891. Die me u a lawine au der Altels am 11. ni 1895 (unter Mitwirkung von. .For £ Ostholivia, 1910. K. Hescheler: Sepia a. Der gemeine Tinten- . Der Riesenhirsch. ä : Die Wassernuss und der. = Tribulusder Alta 1884. Die Blutbuche zu Buch am Irchel 1894. C. Keller: r Farbenschutz in der Tierwelt. 1879. A. Lang: Geschichte der Mam- mutfunde (mit Bericht über den Fund in ee 1892. G. Lunge: A Beleuchtung sonst, jetzt und einst. 1900. C. Moesch: Wohin und warum ziehen unsere Vögel. 1377. Der japanische eng ee und der ı fossile Salamander von Oeningen. 1887. J. Pe : Hermann v. Helm holtz. 1895. A. de Quervain: Aus der Wolkenneit 1912. M. Rikli: Kultur und Naturbilder von der sy anischen Riviera. 1907. : Eine Frühlings- fahrt nach Kreta 1917. F. Rudio: Zum N. Hand Neujahrsblatt der ers Gesellschaft. 1898. E. Schär: Das Zuckerrohr. 18%. H. Sec z: Schweizerische Afrika-Reisende und der Anteil der Schweiz: h. an ‚der Erschliessung und ‚Er forschung Afrikas s überhaupt. 1904. DERDE SR 1914. Die Technik der künstlichen ‚Fischzucht. Tabelle zur ‚leichten Be . . ‚flora unserer Seen (das Phy toplankton). 1897. Die Palmen und ihre Be- ae für die ee 1901. Leo Wehr A Der versteinerte = = zu Chemnitz. 1915. A. Weilenmann: Über die Luftströmungen, “s le die Stürme Eur: ropas. 1876. Die elektrischen Wellen und ihre Es £ An nwendung zur drahtlosen S rconi ia Zur Beachtung. ft nach ein der Vierteljahrssehrift der Naturforschenden Gesellschaft Zürich. Herausgegeben von Prof. Dr. HANS SCHINZ Direktor des Botanischen Gartens und Museums der Universität Zürich, Siebenundsechzigster Jahrgang. 1922. Mit 3 Porträts und 28 Abbildungen. Zürich, in Kommission bei Beer & Co. in Zürich 1922. Gründungsjahr der Gesellschaft 1746. Ss. 1—176 ausgegeben am 30. Juni 1922. S 177—429 und I—LIII ausgegeben am 31. Dezember 1922. Buchdruckerei Gebr. Fretz A.G., Zürich. Inhalt. Erster Teil: Abhandlungen. Dr. R. Billwiller. Der Firnzuwachs pro 1920/21 in einigen schweizerischen Firngebieten. VII. Be der Gletscherkommission der Physi- kalischen Gesellschaft Züri Ausgegeben als Berstaläherich i am 20. März 1922. R. Billwiller. Der Firnzuwachs pro 1921/22 in einigen schweizerichen Firngebieten. IX. Bericht der Gletscherkommission der ED ie Gesellschaft Zürich 2 Ausgegeben als Sehäraihh am er Desinber 1992. Alfred Ernst. Chromosomenzahl und Rassenbildung . at als ee am 30. Fini 1928. Jakob Früh zum 20. Gr ; sm Artüslime von C. Ruf, Zürich.) Ausgegeben als Separatabdruck am 22. Juni 1922. Ernst Furrer. Begriff und System der Pflanzensukzession usgegeben als Sebktaiaherick am 30. Juni August Hayek. Cerastium uniflorum Clairv. var. dig Tiere die Kalkrasse des C. unifloru s y Ausgegeben als Sopuriabiruck am 30, en 1929. Albert Heim. Geologische Nachle usgegeben als a, am 30. ds 1922. Karl Hescheler. Über Leucochloridium Ausgegeben als iin am 30. dei 1922. Karl Hescheler. Moschusochsenreste aus dem Kanton Schaffhausen . Ausgegeben als ee am 23. Dezember 1922. A. Kiefer. Eine Tetraederaufga . eben als Be: am 20. März 1922. A.Kiefer. Über Kersitärken zweiten Grades Ausgegeben als Separatabdruck am 23. Desenber 1922. A.Kienast. Erweiterungen des Abelschen Satzes für Potenzreihen und ihre mkehrunge ; . geben . ee am 8. Kiruiber 1922. Ernst Ran nich Oberflächenwellen bei Mitschwingen einer trägen Rindenschie Au pie a Bebärakebaluek am 90. März I 199. Joh. Jakob Menzi. Referat über die Untersuchung von A. Bychowsky zur Entwicklungsgeschichte, insbesondere der ee von sexoculata Bergmann . Ausgegeben als Sepsratabdrack a am 90. März 1928. Seite 132 209 Gunnar .—. Zur Kenntnis der Schweizer Flora s Ausgegeben als Separatabdruck am 23. aber 1922. Hans Schinz. Der Pilzmarkt der Städte Zürich und Winterthur der Jahre 1920 und 1921 im Lichte der städtischen Kontrolle . Ausgegeben als Separatabdruck am 30. uni 1923, Hans abr und au Sigerist. Notizen zur schweizerischen Kultur- 55. Ferdinand Kußio: Die EEE TR Ä 56. A. de Quervain: Aufstellung des grossen nie in der Erdbebenwarte Zürich . ? 57. A.de Quervain: Beginn Tegälteiasbiger ee rologiechee Boah achlungen auf dem Jungfraujoch in 3454 m Höhe 58. Nekrologe: Otto Busse, Heinrich Suter, Traugott RER Otto Stoll, Eugen Konrad Escher-Schindler, Fritz Bützberger, Ernst Sidler-Huguenin, Gabriel Narutowiez Ausgegeben LE RER am.>1: hen 1922. A. u! Botanische Beobachtungen in Wädenswil und Umgehung. 20/21 ? BRRCH 8 ‚Spariahdruck ı am 30. Er 1.1922, Dr. A. v. Scene Achern, Zur Kenntnis äthiopischer ae (Hym.) a am 20. Mär H. Schwarz und e RE Von der Heukohle zur Naturkohle. Eine kritisch- aa Studie über die Genesis beider Kohlen gegeben als Separatabdruck am 23. Dezember er Richard A. N, ta die Ursachen der Erdkontraktion geben als Separatabdruck am 31. Juli 1929. Dr. F. G. Stebler zum N a t 1922 (Phot. dat von c. Ruf, Zürich.) Ausgegeben als Separatabdruck am 11. August 1922. NB. Die Separatabdrucke sind nicht im Buchhandel zu haben. Seite 224 109 401 177 199 Zweiter Teil: Sitzungsberichte. Seite Prof. Dr. Otto Schlaginhaufen. Sitzungsberichte von 1922 I Darin sind folgende Autoreferate enthalten: Prof. Dr. Eugen Bleuler: Über die naturwissenschaftliche Auf- fassung des Bewusstseins . XXVI Dr. med. Paul Cattani: Über die OR dee Yapiwierem XXVII Dr. ing. Walter Dällenbach: Der Grossgleichrichter und die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Technik in der Industrie . XXIV Prof. Dr. Alfred Er en Chrbrnoseniensah a Kuslsnhiläung V Dr. Arnold Heim: Über u und Tonschrift . k XXXIV Prof. Dr. Walter Hess: Über Zahnkar : XI Dr. J. Hug: Allerhand Neues aus der ikea von Zürich. RRAIH Prof. Dr. Paul Niggli: Die Struktur der Kristalle und ihre Er- forschung . . , 5 ; ; . i & i XXI Priv.-Doz. Dr. med. Rothlin: Die Kolloide und ihre Bedeutung für die Biologie . » ; i i x - h - VIII Prof. Dr.P. Scherrer: Die gegenwärtigen Anschauungen über den genetischen Zusammenhang der chemischen Elemente XXXII Dr. Paul Schläpfer: as Fortschritte auf dem Gebiete der Brennstofforschun & IX Prof. Dr. W. Sliberdchmid: Ware bang ee Kranklieht : ; I Prof. Dr.Schlaginhaufen. Exkursion nac h Baden-Teufelskeller- Wettingen . . i \ ; ; P a XXIV M. Baumann-Naef. Bericht des Quästors über die Rechnung der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich für das Jahr 1921 XI Otto Shin BIT Bericht des Sekretärs über die wis- senschaftliche Tätigkeit und den Bestand der Naturforschen- den Gesellschaft in Zürich 1921/22 . . ; ; XV Hans Schinz, Bericht des Redaktors ; ; ; . r XIX M.Rikli: Bibliothekbericht . . ra XX Verzeichnis der Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich auf den 31. Dezember 1922 . j „. :KAXVU Die Separatabdrucke sind nicht im Buchhandel zu haben. Erster Teil Abhandlungen Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich. Herausgegeben von Prof. Dr. Hans Schinz Direktor des Botanischen Gartens und Museums der Universität Zürich. ur Siebenundsechzigster Jahrgang. 1922. Erstes und Zweites Heft. Ausgegeben am 30. Juni 1922. a En BOTZ TEN EN et EN 2ER £% .Ee N Ws F 2 L, or ' >; 198 Zürich, x ET N ; , 27 5 ey a EN, in Kommission -bei Beer & Co. Ma veoR } + 1% Bin 1922. — Buchdruckerei Gebr. Fretz A. G., Zürich Inhalt. Ernst Meissner. Elastische Öberflächenwellen bei ne einer trägen Rindenschicht Sekänben u Senar rhähnek am 90. März 1928. Joh. Jakob Menzi. Referat über die Untersuchung von A. Bychowsky zur Entwicklungsgeschichte, insbesondere der Nephridien von age sexoculata _ gegeben als Separatabdruck am 20. März 1992. A. Kiefer. Eine a käien usgegeben als Sera am 20. März 1992. Dr. R. ee Der Firnzuwachs pro 1920/21 in einigen schweizerischen gebieten. VIII. Bericht nn en der Physi- ka Kurt, jeraesieen Zürich ben als Baar am 20. März 1939. Dr. A. v. Eee Par art Zur Kenntnis äthiopischer Vespiden (Hym.) Ausgegeben als Se am 20. März 1922. Albert Heim. Geologische Nachles usgegeben als a atähdnuch am 30, Bin August Hayeck. Cerastium uniflorum Clairv. var. Hegelmaieri Correns, die Kalkrasse des (C. uniflorum . £ E Ausgegeben als Sepäräiäbiruck am 30. dan; 1998. A. a... Botanische Beobachtungen in Wädenswil und Umgebung. 920/21 an usge ER als ehircck, am 30. Juis 1928. Alfred Ernst. Chromosomenzahl und Rassenbildung . usgegeben als Separatabdruck am 30. Ju 1999. Hans Schinz. Der Pilzmarkt der Städte Zürich und Winterthur der Jahre 1920 und 1921 im Lichte der städtischen Kontrolle . Ausgegeben als Separatabdruck am 30. Juni 199. Ernst Furrer. Begriff und System der Pflanzensukzessio Ausgegeben als aMNEnch am 30. . 1998. Karl Hescheler., Fe Leueochloridiu usgegeben ei Be am 30. Fa 1928. Jakob Früh zum Geburtst een als Seraiknbärnek ; am 29, Fin 1922. NB. Die Separatabdrücke sind nicht im Buchhandel zu haben. Seite Elastische Oberflächenwellen bei Mitschwingen einer trägen Rindenschicht. Von Ernst Meissner. (Als Manuskript eingegangen am 22, Dezember 1921.) Solange die seismologische Praxis nicht imstande ist, die Be- wegungsvorgänge bei der Ausbreitung elastischer Bebenwellen genau festzustellen, können die verwickelten Bebenaufzeichnungen nur an Hand theoretischer Einsichten gedeutet werden. Was etwa zu er- warten ist, wird man in den gröbsten Zügen erfassen, wenn man über das Erdinnere einfach, der Rechnung zugängliche Annahmen macht, wie rein elastisches Verhalten, Isotropie usw. So fusst die Theorie der 1. und 2. Vorläufer auf der Annahme einer isotropen elastischen Erdkugel, die in konzentrischen Kugelflächen homogen ist. So gründet sich die Theorie des Hauptbebens auf die RAYLEIGHschen Oberflächen- wellen in einem homogenen Halbraum. Will man mehr als die gröb- sten Züge der Erscheinung erfassen, so muss man die Voraussetzungen der Wirklichkeit besser anpassen. Schon die Oszillationen der Boden- bewegung werden ja durch die erwähnten Annahmen nicht erklärt. Jede Verfeinerung der Theorie wird vor allem die Einflüsse der Erd- rinde berücksichtigen müssen. Diese Einflüsse sind zahlreich, und es ist schwer zu sagen, welche von ihnen unter gegebenen Verhältnissen vorwiegen. Dass die geologische Struktur eine Rolle spielt ist klar und ist neuerdings im grossen für den Rand der nordrussischen Platte festgestellt worden. Indessen sind gerade diese lokalen Einflüsse theoretisch schwer zu fassen. So wichtig sie an sich sind, wird man vorerst versuchen, allgemeinere Einwirkungen der Rindenschicht klar zu legen. A.E. H.LovE') hat damit einen Anfang gemacht, dass er über dem homogenen Erdkern eine homogene Rindenschicht von an- derer elastischen Beschaffenheit annahm und nachwies, dass dann Dispersion der Hauptwellen eintritt. Ich habe für Querwellen seine Untersuchungen ausgedehnt auf eine Erdrinde, deren Beschaffenheit a BERHRRL ') Some Problems of Geodynamics. Cambridge 1912. Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 67. 1922. 1 2 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 unserm heutigen Wissen darüber entspricht.”) In dem vorliegenden Aufsatz wird eine andere Einwirkung der Rindenschicht behandelt. Man kann sich vorstellen (und es ist diese Auffassung schon in Fach- kreisen vertreten worden), dass gewisse lose Gesteine der äussersten Erdrinde überhaupt nicht mehr an der elastischen Kraftübertragung teilnehmen. Sie wirken alsdann auf den Untergrund nur noch als träge Belastungen, die seine elastischen Bewegungen mitmachen, mit- beschleunigt werden, ohne jedoch gegenseitig auf einander Spannungen zu übertragen. Es wird im folgenden diese Einwirkung dadurch zum Ausdruck gebracht, dass an der Oberfläche eines homogenen ela- stischen Halbraums eine homogene Massenbelegung angenommen wird. Die ganze nicht elastische Rindenschicht wird also in die Begrenzungs- ebene des elastischen Untergrundes kondensiert, was wegen ihrer unbedeutenden Dicke zulässig sein dürfte. Das Resultat der Untersuchung ist folgendes: Es existieren Querwellen @, d.h. Oberflächenwellen, die ho- rizontal und quer zur Fortpflanzungsgeschwindigkeit schwingen. Sie zeigen Dispersion. Die ganz langen laufen annähernd mit der Geschwindigkeit der 2. Vorläufer, kürzere laufen wesentlich langsamer. Es existieren ferner Wellen, die wie die RAYLEIGHschen in einer Vertikalebene durch die Fortpflanzungsrichtung schwingen. Sie zer- fallen in zwei Gruppen, die regulären R,-Wellen und die irregulären R,-Wellen. Beide zeigen Dispersion. Lange R,-Wellen verhalten sich nahezu wie eigentliche RAYLEIGH-Wellen, kurze laufen langsamer. Die Vertikalbewegung überwiegt die hori- zontale. Lange R,-Wellen laufen dagegen annähernd mit der Ge- schwindigkeit der 2. Vorläufer, kurze wieder wesentlich langsamer. Bei dieser Wellenart herrscht die Horizontalbewegung vor. Die Wellen- länge dieser Gruppe hat ein Maximum L,. Wellen von annähernd dieser Länge dringen tief ins Innere des Erdkörpers ein. Sie werden also bei geringen Herdtiefen nicht mehr in Betracht fallen. In der beigegebenen Figur sind die Dispersionskurven für alle drei Wellenarten aufgezeichnet. 1. Querwellen. . Ein unendlicher homogener und isotroper elastischer Halbraum z2>0 liege vor. Die X- und Y-Axe eines rechtwiakligen Axensystems werden in die Begrenzungsebene z — 0 gelegt, die -+ Z-Axe weist ins Innere des Halbraums. ?) Elastische Oberflächenwellen mit Dispersion. Diese Zeitschrift, LXVI (1921). Jahrg. 67. ERNST MEISSNER. Elastische Oberflächenwellen ete. 3 Bei einer Querwelle, die sich in der x-Richtung fortpflanzt, er- leiden die Körperteilchen nur Verschiebungen v parallel zur y-Rich- tung, die von y selbst unabhängig sind. Es genügt v als Funktion des Ortes und der Zeit der Wellengleichung 0°v ee, jeamk | 023 ee (1) Hier ist g die Dichte, u der Torsionsmodul des Materials. Die freie Körperoberfläche z — 0 denke man sich mit sehr vielen, sehr kleinen Massenteilchen regelmässig besetzt. Sie nehmen an der Bewegung der elastischen Unterlage teil, ohne sich jedoch gegen- seitig zu beeinflussen. Ihre Beschleunigungen erhalten sie dann aus- schliesslich durch die Spannungen an der Oberfläche des Halbraums. Bei Querwellen sind dies Schubspannungen parallel zur y-Axe, die sich aus der Gleichung Tu ni (2) berechnen. Ist nun ® die Dichte der Massenbelegung pro Flächen- einheit, so gilt für die Bewegung eines Elementes derselben: d°®v Te dv 9V ? od Ir ee ee 3 er also für z— 0 BE al ee (3) Der Ansatz v= 4A-e”".cos(fce-+ pH (4) kann allen diesen Bedingungen genügen. Er stellt eine an der Ober- fläche verlaufende Welle dar, wenn noch die Bedingung s>0 (5) erfüllt wird. Dabei ist 7 =! die Wellenlänge, q — T die Wellengeschwindigkeit. Die Amplitude A der Bewegung bleibt willkürlich. Dagegen folgt aus (1) und (3) — p! — 02 (8? — f?) us =op? (6) Folgende Abkürzungen werden eingeführt: VE == der Ausbreitungsgeschwindigkeit reiner Schiebungswellen (2. Vorläufer). 4 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 = — K die Geschwindigkeit der Querwelle gemessen durch ce. ee Ä LU Dee Feen ! die Querwellenlänge gemessen im Mass / an : s endliichS= — - E Es wird (6) u K’+8°’=1 K’=LS$ woraus K+L’K’— L’=0 5 SEI 35 mit der Lösung K=+ pe ee a ıy& ae () 2 2 und Der Aus der letzten Formel ergibt sich, dass auch Bedingung (5) sich stets eindeutig erfüllen lässt. Die Beziehung (I) gibt die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Querwelle als Funktion der Wellenlänge. Die Querwellen zeigen also Dispersion. Es laufen lange Wellen rascher, als kurze. Die Kurve Q in Fig. 1 zeigt das zugehörige Schaubild. Lange Wellen laufen nahezu mit der Geschwindigkeit c der 2. Vorläufer, kürzere können jedoch wesentlich dahinter zurückbleiben. Für ganz kurze Wellen gilt (I) nicht mehr; denn dann ist der Ersatz der Rinden- wirkung durch eine Oberflächenbelegung nicht mehr zulässig. Es bezeichne h die Rindendicke, d. h. die Dicke, die der Rinde zuzu- schreiben ist, wenn man ihre Dichte gleich o setzt und sie einer Ober- flächenbelegung ® äquivalent ist. Es ist Rh = ® und es wird 0 I dh Die Welle von der Länge L=1 ist noch rund 6mal länger als h. Formel (I) wird für sie die Verhältnisse noch gut darstellen und erst bei wesentlich kleineren Werten ihre Gültigkeit verlieren. 2. RAYLEIGH-Wellen. In dem mit Masse belegten Halbraum sind auch Wellen möglich, die nach Art der RAYLEIGHschen Oberflächenwellen schwingen und die hier als R-Wellen bezeichnet werden sollen. Die Wellen mögen in der x-Richtung fortschreiten. Die Bewegung der Teilchen erfolgt in der xz-Ebene. Es seien «, w die Verschie- bungskomponenten. Sie genügen den Differentialgleichungen der ela- stischen Bewegung Jahrg. 67. ERNST MEISSNER. Elastische Oberflächenwellen ete. 5 du i 00 de uraTre,Z 9° w s 00 07 =ud a wobei 9 = — —- (7) die räumliche Dilatation bedeutet und A, u die Elastizitätskoeffizienten sind. Für ein Element der Oberfläche gelten die Bewegungsgleichungen: Deu > u m) ee | ’w dw nF er ee 2u T, +40 | &) Hiebei sind die bekannten Ausdrücke der ne durch die Ver- schiebungen verwendet worden. Man kann all’ diesen Forderungen genügen durch den Ansatz we He Pe-"?+idtztr0 1 Ae-=titstrd h? (9) we 3: Pe-rr+itte4n0 _L Og-°=+itz+ 20 Macht man ifA=sC (10) so wird zunächst ® —= Pe-""t+!f=+PV 2 2 1 2 M RER 2 a ) Dee 11 an setze %k a h It 9n (11) Die Gleichungen (7) sind erfüllt, wenn "tn ft ?+k—f? (12) Die Randbedingungen (8) geben zwei weitere lineare Beziehungen zwischen P, A und C von der Form: IE up! —2r]=4App—sl+ift ; (13) RN I- Die Determinante der Gleichungen (10) und (13) gleich null ge- setzt ergibt als Bedingung ihrer Lösbarkeit: np? —2r] [» p? —2s]— [np 2,—2f?+k?][np? s—2f?+k?]=0 (14) a ') e bedeutet wieder die Ausbreitungsgeschwindigkeit reiner Schiebungswellen, 6 . Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Dies wird übersichtlicher bei Einführung folgender Abkürzungen: p k h A s 2rn Eee re, f / f a ii. (15) Bram ee Die grossen Buchstaben sind dimensionslose Zahlen, zwischen denen wegen (12) die Beziehungen bestehen: R+M=1 S®?+K’=1 (16) K bedeutet wieder die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Welle ge- messen durch c. Es wird nun (14) zu 22.|a+ 39: —4RS| + L-(R+S)K* = (1—-RS)K'=0 WM) und dies ist das Dispersionsgesetz der R-Wellen. Zu jeder Wellenlänge L gibt es einen Wert für X, eventuell mehrere. Von den Wurzeln von (IT) kommen indessen nur die positiven in Betracht, und wenn die Welle nach dem Innern des Halbraums abklingen soll, muss ausserdem noch den Forderungen R>V0 s>0 (17) genügt werden. Zur numerischen Auswertung von (II) ist eine Annahme über die elastischen Konstanten des Körpers nötig. Setzt man A= u, 50 ent- spricht dies dem Wert 4 der Poissonschen Zahl, was mit den Er- gebnissen der seismologischen Beobachtungen gut übereinstimmt.') Alsdann kann man zu jedem $ zwischen 0 und 1 Gleichung (II) nach L auflösen. Man erhält für kleine Werte von $ nur eine positive Wurzel, für grosse deren zwei. Dementsprechend besteht die L-K- Kurve (Fig. 1) aus zwei Ästen R, und R,. R, verläuft asymptotisch nach dem Werte X = 0,9194, welches die Geschwindigkeit gewöhn- licher RAYLEIGH-Wellen ist.?) Sehr langen Wellen gegenüber vel- schwindet daher der Einfluss der trägen Rindenschicht. Bei kurzen zeigt er sich in einer Verkleinerung der Laufgeschwindigkeit; die Geschwindigkeitsverhältnisse sind dort ähnlich wie bei Querwellen. Es sollen die der Kurve R, entsprechenden Wellen als reguläre R,-Wellen bezeichnet werden. ') GALITZIN, Seismometrie, $. 141, ?) Er berechnet sich aus (| + S®Y-—-4RS—=0. Jahrg. 67. ERNST MEISSNER. Elastische Oberflächenwellen etc. 7 Daneben gibt es noch unterhalb der Wellenlänge L, -/7 = = — 0,6719 eine zweite, irreguläre Wellengruppe R,. Die Wellen dieser Gruppe laufen merklich rascher, als die gleich langen Z, - Wellen. Ist die Wellenlänge wenig kleiner, als /,, so ist die Laufgeschwindigkeit wenig kleiner, als die der Torsionswellen (X 1), jedenfalls aber grösser als die Maximalgeschwindigkeit der regulären Wellen. Freilich dringen solche Wellen auch beträchtlich tief ins Innere des Körpers ein, da $ klein ist; für X = 1 klingen sie über- haupt nicht mehr ab mit der Tiefe. Wenn sie bei Beben auftreten, werden sie sich mischen mit den langen Querwellen, die gleich rasch laufen. Ihnen folgen die langen regulären Wellen auf dem Fusse nach. L —> L 05 067 1 2 3 Wenn die Bewegungsgleichungen (9) reell geschrieben werden, so lauten sie: u 47:4 [er f2+e.sglsin (fe +pt— oe) E -rv2 52 ) ve re “e] cos (fa tpt— | —pr-aftr Hiebei ist = Me RE gesetzt. s . l Es beschreibt also jeder Punkt eine Ellipse. Für ein Teilchen der Oberfläche wird sodann: 8 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 u=Qz(f+e) sin (fx + pt—e) w=Q(r+9)-cos (fr+pt-e) woraus sich das Verhältnis der Amplituden von Vertikal- und Hori- zontalbewegung berechnet zu IE Er Bi enge ak, 4a as | 2 K:(s— =) Für die regulären Wellen geht 7 von 1 zu 1,468, wenn L von 0 an ins Unendliche läuft; es ist also für jede Einzelwelle die Vertikal- bewegung stärker, als die horizontale. Schon LOVE hat darauf hin- gewiesen, dass das für eine Gruppe von Wellen nicht mehr der Fall zu sein braucht. Für die irregulären Wellen geht 7 von 1 bis nach 0,6719, wenn L von 0 nach L, geht. Hier ist Horizontalbewegung vorherrschend. Zollikon, 21. Dezember 1921. Aus dem zoologisch-vergleichend anatomischen Laboratorium der Uni- versität Zürich, Referat über die Untersuchung von A. Bychowsky zur Ent- wicklungsgeschichte, insbesondere der Nephridien von Clepsine sexoculata Bergmann. Von JoH. Jako Mexzı (Zürich). (Als Manuskript eingegangen am 16. Januar 1922.) Die ausführlichen Ergebnisse dieser Untersuchung sind in der Revue Suisse de Zoologie, Vol. 29, publiziert. Das Material, das le- bend beobachtet oder zu Totalpräparaten und Schnittserien verar- beitet wurde, stammt aus der Umgebung von Zürich, hauptsächlich vom Katzensee und vom Ufer des Zürichsees bei Tiefenbrunnen. A. Biologisches. Die untersuchten einheimischen Vertreter der Hirudineen (Spezies von Nephelis, Clepsine, Hemiclepsis) sind protan- drische Formen. /,—1"/, Monate vor der Eiablage füllt das reife Sperma die Testes und die Vasa deferentia vollständig, so dass sie ein milchigweisses Aussehen erhalten. Bei den Clepsinen wird der Samen in Spermatophoren eingeschlossen und diese an dem andern in die Begattung eintretenden Tiere befestigt. Ein Individuum kann von verschiedenen andern nacheinander mit Spermatophoren ver- sehen werden; so liess sich z. B. beobachten, dass einige Clepsine sexoculata mit 4—6 Spermatophoren im Verlaufe einer Woche ver- sehen wurden. Nach ein bis drei Tagen wird der Inhalt der Samen- Patronen ins Körperinnere entleert. Die Eiablage findet bei den meisten Formen im April statt; die Eier werden nach der Befruch- tung nicht einzeln, sondern zu mehreren in Kokons eingeschlossen. Clepsine sexoculata legt in kurzen Zwischenräumen 3—4 Kokons ab, wovon jeder 8—12 Eier enthält, so dass die Gesamtzahl der Eier 24—48 betragen kann. Mit Hilfe der klebrigen Kokonmembran werden diese Eibehälter an verschiedenen Gegenständen befestigt, 10 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 überdies bedecken die Muttertiere ihre abgelegte Brut mit ihrem Körper. Eine interessante Ausnahme macht Clepsine bioculata, bei der der abgesonderte Kokon an der Bauchseite des Elters be- festigt wird. Die jungen sich entwickelnden Embryonen verwachsen bei fast allen Glossosiphoniden in der Folge mittelst eines Befesti- gungshöckers mit der Bauchseite des Muttertieres. Anatomisch stellt sich diese primitive Plazenta als eine Bildung von grossen Epidermis- zellen dar, welche von noch grössern des alten Tieres umfasst werden. Man ist berechtigt, hier von einer passiven Brutpflege zu reden, bei der der Zusammenhang zwischen dem Elter und dem Embryo ohne bewusste Sorge zustande kommt. Ohne Zweifel ist diese innige Ver- bindung von Muttertier und Sprössling auf physikalisch-chemische Reize zurückzuführen. Bei einer afrikanischen Form, Marsupiob- della afrieana entwickeln sich die Eier im Innern des mütter- lichen Körpers, und die jungen Tiere verlassen denselben durch eine, nur um diese Zeit auf der Bauchseite auftretende Öffnung. B. Äusserlich feststellbare Entwicklungsvorgänge. Alle Glossosiphoniden besitzen grosse, dotterreiche Eier und zeigen eine direkte Entwicklung. Die äussere Gestalt des zu Grunde gelegten Ausgangsstadiums ist einfach, kugelig, der Embryo ist ganz von Ektoderm umwachsen. Das im Zentrum liegende Entoderm be- steht aus wenigen dotterreichen Zellen, an welche sich das kompakte ‘ Mesoderm an der Ventralseite anschliesst. Der Embryo beginnt in die Länge zu wachsen, das Entoderm schreitet zur Bildung des Darm- epithels, und im Mesoderm treten allmählich von vorn nach hinten die segmental angeordneten Coelomräume auf, durch die Dissepi- mente voneinander getrennt. Die Bauchganglienkette hebt sich deut- lich ab, Ober- und Unterschlundganglion werden sichtbar, anfänglich sind 33 Ganglien voneinander getrennt; diese Stadien verraten den charakteristischen Annelidenembryo. Ist anfänglich der Darm homonom segmentiert, so verliert er beim Wachstum zum ausge“ wachsenen ‘Tier die gleichmässige Gliederung. Die 6 mittleren Darm- segmente heben sich schärfer vom Vorder- und Enddarm ab, sie werden von den Dissepimenten stark eingeschnürt, so dass die 6 Paar Blind- säcke entstehen. C. Über die Entwicklung der Nephridien von Clepsine sexoculata Bergmann. Die Kenntnisse von der ontogenetischen Entwicklung des Anne- liden-Nephridiums sind durchaus noch nicht ausreichend. Eine erste Jahrg. 67. Jon. JAKOB MEnzı. Nephridien von Clepsine sexoculata Bergmann. 11 Hauptfrage bildet die Erörterung der Abstammung der Segmental- organe. Einerseits kommen Forscher, wie WILSON und VEJDOYSKY auf Grund ihrer Untersuchungen zum Schluss, dass das Ektoderm als Mutterboden für diese exkretorischen Organe in Betracht fällt. Diese Feststellung ist von grösster Wichtigkeit namentlich im Hin- blick auf die aufgestellte Homologie zwischen den Anneliden-Nephri- dien und dem ebenfalls sehr wahrscheinlich ektodermalen Wasser- gefäßsystem der Platoden. Anderseits treten andere Autoren, wie BERGH und BÜRGER für mesodermale Abstammung der Segmental- organe ein, wodurch die eben erwähnte Hombologie in Frage gestellt würde. — Ein zweites Problem harrt ebenfalls noch der Entschei- dung, nämlich: Sind die Nephridienanlagen kontinuierliche, zu- sammenhängende Gebilde, oder erscheinen sie von ihrem ersten Auftreten an in segmentaler, getrennter Anordnung. An den jungen Clepsine-Embryonen mit noch nicht ausgehöhlten Coelomanlagen kann man Zellen erkennen, die durch ihre relativ grossen Dimensionen und durch ihre sehr grossen, chromatinarmen Kerne auffallen. Diese sind mit BERGH als Nephridioblasten zu bezeichnen. Sie liegen im kompakten Mesoderm eingebettet. Da sie sich in regelmässigen Zwischenräumen wiederholen, heissen sie auch Segmentzellen. Vom Ektoderm sind sie durch mesodermale Zellschichten getrennt, ebenso bildet die mesodermale syncytiale Masse zwischen je zwei Nephridioblasten eine kompakte Wand, das Dissepi- ment, so dass von einer Verbindung der Nephridioblasten miteinander keine Rede sein kann. Selbstverständlich bildet ihr Auffinden im Mesoderm durchaus kein Präjudiz, dass sie Derivat des mittleren Keimblattes sein müssen, denn zur endgültigen Entscheidung dieser Frage müssen noch wesentlich jüngere Entwicklungstadien herbeige- 20gen werden, als es in dieser Arbeit geschehen ist. Hier treten die Angaben von BÜRGER in die Lücke, der diese Segmentzellen im Mesoderm entstehen lässt. In dieser Form durchlaufen die Anlagen noch einige Stadien der Entwicklung. Die Zahl der Nephridioblasten ist namentlich bei jüngeren Entwicklungstadien schwer festzustellen. Bei den Embryonen mit den maximal ausgebildeten Coelomhöhlen konnten 13—14 Nephridioblastenpaare gefunden werden, was der definitiven Zahl vorhandener Nephridien entspricht. Bald fängt das kompakte Mesoderm an, sich zu differenzieren. Zuerst kommt über der Nervensystemanlage die Spalte der kontinuierlichen Bauchhöhle zum Vorschein. Kurz nachher sehen wir neue mesodermale Räume rechts und links von der Bauchhöhle auftauchen, die mit ihr verbunden Sind. Diese symmetrisch zur Mediane auftretenden Spalten sind von- 12 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 einander durch mesodermale Wände getrennt (Dissepimente). So kommt eine metamere Gliederung zustande. Ihre sukzessive Bildung geht von vorn nach hinten vor sich. Wenn vorn schon einige Aus- buchtungen zu konstatieren sind, so ist hinten das Mesoderm noch kompakt. Diese Coelomhöhlen sind gegen das Entoderm von der platten Splanchnopleura begrenzt, während ihr ventralwärts lie- gender Boden von der dickern Somatopleura gebildet wird. Wich- tig und typisch ist die Beobachtung, dass die Nephridioblasten unter die Dissepimente zu liegen kommen. Mit der zuneh- menden Vergrösserung der Leibeshöhlen werden die Dissepimente membranartig, auch die Somatopleura wird dünner. Das zunehmende Volumen der Seitenhöhlen übt einen Druck auf die Nephridioblasten aus, infolgedessen sie bis zur Epidermis rücken. Sie kommen also an die Basis der Dissepimente zu liegen. Weil sie daher auf diesem Entwicklungsstadium zwischen den beiden Segmenten liegen, ist ihre Zugehörigkeit zu einem Somiten schwer zu bestimmen. Nicht nur an Sagittalschnitten, sondern auch an Querschnitten ist diese typische topographische Lage festzustellen. Infolge des Druckes der Seitenhöhlen werden die. Nephridioblasten auch in ihrer Form beein- flusst, in dem sie mehr ovoide Gestalt annehmen. Neben diesen pas- siven Umwandlungen der Nephridioblasten sehen wir in ihnen auch aktive Umänderungen vor sich gehen, da Teilungsmerkmale in der Ebene des Dissepimentes zum Vorschein kommen. Die erste wich- tige Teilung, die auch BÜRGER beschreibt, liefert die Trichter- zelle, die dann im Dissepiment liegt. Die folgenden Teilungen ver- laufen nun nicht mehr in dieser Querebene, sondern in der Richtung der Längsachse des Tieres. Auch bei diesen Vorgängen lässt sich wieder die Tatsache konstatieren, dass die Entwicklung allmählig von vorn nach hinten schreitet, denn in den vordern Somiten ist die Trichterzelle schon deutlich wahrzunehmen, während in den hintern Segmenten erst die Nephridioblastenteilung stattfindet. Der Nephro- blast (so wird der nach Abgabe der Trichterzelle übrig gebliebene Teil des Nephridioblasten genannt), hat seine Lage beibehalten. Die abgeschnürte Trichterzelle befindet sich im dorsalen Winkel des Dissepimentes, wo man sie an ihrem grossen Kerne erkennen kann. Somit haben wir die Anlagen der zwei wichtigsten Nephridienteile vor uns: 1. den Nephroblasten, welcher bestimmt ist, in die Bildung des Schleifenkanals überzugehen und 2, die Trichterzelle, welche den Trichterapparat nebst einem Teil des Schleifenkanals zu liefern hat. 1at Jahrg. 67. JoH. Jako MEnzi. Nephridien von Clepsine Bergmann 13 a) Die Schleifenkanalentwicklung: Kurze Zeit nach der Teilung des Nephridioblasten fängt der Nephroblast an, kleine Zellen nach hinten abzuschnüren. Er kommt jetzt auch mehr an die Vorderwand des Dissepimentes zu liegen, ge- rade in den Winkel, welchen das Dissepiment mit der Somatopleura bildet. Die vom Nephroblast abgeschnürten kleinen Zellen teilen sich auch ihrerseits und bilden ein syneytiales Hügelchen, die Schleifenkanalanlage, die vom ersten Stadium an in die Leibeshöhle vordringt. In der Folge beobachtet man, dass der Zellhaufen in eine epitheliale Anordnung übergeht, da die Kerne sich an der Peripherie sammeln. Es tritt auch die erste Krümmung des Schleifenkanals auf. Er steigt mehr und mehr dorsalwärts, die Anlage wird etwas schlanker und dünner und legt sich in Windungen und Krümmungen. Das Protoplasma wird heller und fein granuliert, in der Mitte der Schläuche werden zwei feine, scharf abgegrenzte Kanäle sichtbar. Das sind die intrazellulären Lumina der Nephridienschläuche. Mit dem Auftreten dieser intrazellulären Gänge ist der Trichterapparat und der ihm anliegende Teil des Schleifenkanals noch nicht entwickelt. Wenden wir uns noch kurz der Genese des distalen Endabschnittes zu. Dieser kann deutlich von der übrigen Schleifenkanalanlage unter- schieden werden, da er einreihig angeordnete Kerne hat, während der Schleifenkanal zweischichtig ist. Er stösst mit seinem Ende an die Somatopleura; ziemlich spät sieht man auch in diesem Strang einen intrazellulären Kanal in Erscheinung treten. Auf diesem Sta- dium verharrt der Endabschnitt ziemlich lang, bis die ektodermale Einstülpung vorwächst. Es kommt zu einer Verschmelzung beider Gebilde, und damit ist die Kommunikation des Nephridiums mit der Aussenwelt hergestellt. b) Die Bildung des Trichterapparates: Die von dem Nephridioblasten abgeschnürte Trichterzelle nimmt anfänglich eine charakteristische und ursprüngliche Lage in dem dor- salen Winkel des Dissepimentes ein, wie die Trichteranlage aller Anne- liden. Die Trichterzellenteilung führt zur Bildung eines Stranges. Allmählig wandert die Trichterzelle samt dem Zellstrang aus dem Dissepimente horizontal nach hinten, ungefähr in die Mitte des So- mites, oft der Splanchnopleura angeschmiegt, oft aber auch mitten im Coelom endigend. Wahrscheinlich hat hier die Kontraktion bei der Fixierung einen Einfluss auf die Lage ausgeübt. Der Strang zeigt gegen die Bauchhöhle eine deutliche Anschwellung, welche die künf- tige Kapsel bildet. Er verschmilzt endlich mit dem übrigen, von dem 14 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Nephroblasten gebildeten Teil des Schleifenkanals; auch in ihm wird ein intrazelluläres Lumen gebildet. Die übrig bleibende Anschwel- lung und die Trichterzelle stellen die Matrix dar für die Bildung der Stiel- und Kronenzellen und für die Kapsel, deren Entwicklung BÜRGER in seiner Arbeit genauer verfolgt hat. Das wichtigste von dieser Untersuchung ist die Feststellung einer segmentalen, einheitlichen Anlage für Trichter und Schleifen- kanal. In neuerer Zeit sind ja die Triehter (Wimperorgane) der Hirudineen morphologisch unabhängig vom Nephridium (Schleifen- kanal) erklärt worden, funktionell sind sie es tatsächlich. Über die erste Anlage des Nephridiums (ektodermal oder mesodermal) kann die Untersuchung keinen Entscheid geben; sie stellt nur auf die Be- funde von BÜRGER ab. Eine Tetraederaufgabe. Von A. Kıerer (Zürich). (Als Manuskript eingegangen am 18. Januar 1922.) Im Raum die Stellung einer Ebene zu ermitteln, so dass die Orthogonalprojektion eines gegebenen allgemeinen Tetraeders auf die Ebene ein Dreieck mit seinem Höhenpunkt ist. Denkt man sich Ebene und Dreieck gefunden und durch eine Seite desselben und auch durch die zugehörige Höhe die projizierenden Ebenen gelegt, so müssen diese zwei Ebenen aufeinander senkrecht stehen, durch zwei Gegenkanten des Tetraeders gehen und eine Schnitt- linie ergeben, die zur Projektionsrichtung parallel ist. Werden um- gekehrt zwei Gegenkanten des Tetraeders als Scheitelkanten von Ebenenbüscheln gewählt, so dass jede Ebene des einen Büschels auf der entsprechenden Ebene des andern Büschels senkrecht steht, so erzeugen die zwei Büschel ein orthogonales Hyperboloid; sein Schnitt mit der unendlich fernen Ebene enthält die Projektionsrichtung und ist ein Kegelschnitt durch die unendlich fernen Punkte der zwei ge- wählten Gegenkanten des Tetraeders. Der Kegelschnitt ist das Er- Zeugnis von zwei projektivischen Strahlenbüscheln mit den unendlich fernen Punkten der zwei Tetraederkanten als Scheitelpunkten und wo entsprechende Strahlen der beiden Büschel in bezug auf den imagi- nären Kugelkreis konjugiert sind, d. h. wo jeder Strahl durch den Pol des entsprechenden Strahls in bezug auf den Kugelkreis hindurch- geht. In gleicher Weise gehört zu zwei andern Gegenkanten des Tetraeders ein solcher Kegelschnitt im Unendlichen. Die beiden Kegel- Schnitte schneiden sich in vier Punkten, durch welche auch der Kegel- schnitt geht, der zum dritten Gegenkantenpaar des Tetraeders gehört. Diese vier Punkte sind die gesuchten Projektionsrichtungen und die zu den Richtungen senkrechten Stellungen sind die Stellungen der ge- Suchten Ebenen. Diese vier Stellungen sind die gemeinsamen Tangenten der drei Polarkegelschnitte zu den drei gefundenen Kegelschnitten In bezug auf den imaginären Kugelkreis. Die drei Polarkegelschnitte lassen sich auch direkt stereometrisch finden. Legt man durch jede von zwei Gegenkanten des Tetraeders eine Ebene, so dass die zwei 16 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Ebenen aufeinander senkrecht stehen, so muss eine gesuchte Ebene auf der Schnittlinie der zwei Ebenen senkrecht stehen und die Stel- lung der gesuchten Ebene muss die senkrechten Richtungen zu den zwei Ebenen enthalten; diese Richtungen laufen nach den Stellungen der Ebenen, die auf den zwei Gegenkanten des Tetraeders senkrecht stehen. Die Stellung der gesuchten Ebene muss also Tangente eines Kegelschnittes sein, welcher das Erzeugnis von zwei projektivischen Punktreihen ist, die auf den Stellungen der zu den zwei Gegenkanten normalen Ebenen liegen und wo entsprechende Punkte in bezug auf den Kugelkreis konjugiert sind. Solcher Kegelschnitte gibt es drei, entsprechend den drei Paar Gegenkanten des Tetraeders; die vier gemeinsamen Tangenten der drei Kegelschnitte sind die Stellungen der gesuchten Ebenen und die Polarfiguren dieser drei Kegelschnitte in bezug auf den Kugelkreis sind die schon gefundenen drei Kegel- schnitte, deren vier gemeinsamen Schnittpunkte die Projektionsrich- tungen sind. Sind zwei Gegenkanten des Tetraeders windschief normal, so sind ihre unendlich fernen Punkte in bezug auf den Kugelkreis konjugierte Punkte und der zu den zwei Gegenkanten gehörige Kegelschnitt in der unendlich fernen Ebene zerfällt in ein Linienpaar, nämlich in die Polaren der zwei unendlich fernen Punkte der zwei windschief nor- malen Gegenkanten in bezug auf den Kugelkreis. Die erzeugenden zwei Strahlenbüschel haben die Eigentümlichkeit, dass der gemein- same Scheitelstrahl nicht sich selbst entspricht, sondern alle Strahlen des ersten Büschels entsprechen einem einzigen Strahl des zweiten Büschels, welcher die Polare vom Scheitelpunkt des ersten ist und alle Strahlen des zweiten Büschels entsprechen der Polaren seines Scheitels, die dem ersten Büschel angehört. Von den vier Höhen des Tetraeders schneiden sich zweimal je zwei in einem Punkt, näm- lich diejenigen, die von den Endpunkten der einen oder andern der windschief normalen Kanten ausgehen. Sind bei einem Tetraeder nicht blos zwei Gegenkanten windschief normal, sondern noch zwei andere, so gehen die vier Höhen durch einen Punkt; das dritte Kanten- paar ist ebenfalls windschief normal. Die zu den drei Paaren 8% hörigen Kegelschnitte im Unendlichen zerfallen in drei Linienpaare. Die vier Projektionsrichtungen sind diejenigen der vier Tetraeder- höhen; die Stellungen der vier Ebenen sind diejenigen der Seiten- flächen des Tetraeders. Die im Unendlichen aufgetretenen Kegelschnitte stehen mit dem imaginären Kugelkreis in einfachem Zusammenhang; um denselben besser zu erkennen, kann man die unendlich ferne Ebene mit dem Jahrg. 67. A. Kırrer. Eine Tetraederaufgabe. 17 Kugelkreis ersetzen durch eine im Endlichen gelegene Ebene, in der ein Kegelschnitt X gegeben ist. Sind in der Ebene zwei Punkte 4,B gewählt, so bestimmen sie als Scheitelpunkte zwei projektivische Strahlenbüschel, deren Zuordnung darin besteht, dass entsprechende Strahlen in bezug auf den Kegelschnitt X konjugiert sind, d.h. dass jeder Strahl durch den Pol des entsprechenden Strahls in bezug auf K hindurchgeht. Eine von A oder Baus an K gelegte Tangente hat ihren Pol im Berührungspunkt; der entsprechende Strahl zur Tangente geht also durch ihren Berührungspunkt auf K. Das Er- zeugnis der beiden.Strahlenbüschel ist somit ein Kegelschnitt (4, B), der durch die Punkte A, B und die Berührungspunkte der Tangenten von 4,B an K hindurch geht. Die Tangenten des Kegelschnittes (4, B) in den Punkten A,B laufen nach dem Pol der Geraden AB in bezug auf X; die Tangenten in den vier Punkten auf X werden gefunden, indem man die Polaren a, b von A, B mit der Geraden AB schneidet, zu den zwei Schnittpunkten die harmonischen Punkte in bezug auf A, B sucht und mit den Punkten von K auf a beziehungs- weise auf b verbindet. Legt man von zwei Punkten an einen Kegel- schnitt Tangenten, so bildet jeder Punkt mit den Berührungspunkten seiner zwei Tangenten ein Dreieck und zwei solche Dreiecke sind stets einem Kegelschnitt eingeschrieben (und aus Polaritätsgründen einem Kegelschnitt umgeschrieben). Betrachtet man die Punkte A, B als Doppelpunkte einer Involution, so gehen von jedem Punktepaar der Involution an den Kegelschnitt X zwei Tangentenpaare; ihre vier Schnittpunkte erfüllen einen geometrischen Ort, nämlich einen Kegel- schnitt, weil auf jede Tangente von K zwei Punkte des Ortes fallen. Dieser Kegelschnitt ist mit dem vorigen Kegelschnitt (A, B) identisch, weil 4, B, als spezielle Paare und die Berührungspunkte der Tan- genten von A,B an K den Ortskegelschnitt bestimmen. Lässt man von den beiden Punkten A, B den einen, z. B. B, sich bewegen, so ändert sich der zugehörige Kegelschnitt; läuft B auf einer Geraden, so bilden die Kegelschnitte ein Büschel, dessen vierter Grundpunkt der Schnittpunkt der Geraden mit ihrer konjugierten Geraden durch . 4 ist. Durch spezielle Wahl der Punkte A, B entstehen besondere Fälle, Legt man dual in der Ebene von K zwei gerade Linien a, b, so Sind sie Träger von projektivischen Punktreihen, deren Zuordnung darin besteht, dass entsprechende Punkte in bezug auf X konjugierte Pole sind. Das Erzeugnis der beiden Reihen ist ein Kegelschnitt (a, b), der die Geraden a, b und die vier Tangenten von X in den Schnitt- punkten von a, b mit K zu Tangenten hat. Die Berührungspunkte Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg.67. 1922, - 18 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 von a,b liegen auf der Polaren des Schnittpunktes von a, b in bezug auf X. Die Berührungspunkte der vier Tangenten von X mit dem Ortskegelschnitt (a, b) werden gefunden, indem man die Pole A, B von a,b mit dem Schnittpunkt von a, b verbindet und zu diesen Li- nien die vierten harmonischen Strahlen in bezug auf a, b sucht und mit den zwei Tangenten von K durch A beziehungsweise durch B schneidet. Werden zwei gerade Linien mit einem Kegelschnitt ge- schnitten und legt man in den Schnittpunkten an den Kegelschnitt die Tangenten, so bildet jede Gerade mit den Tangenten in ihren Schnittpunkten ein Dreieck und zwei solche Dreiecke sind stets einem Kegelschnitt umgeschrieben (und einem andern eingeschrieben). Be- trachtet man die beiden Geraden a, b als Doppelstrahlen einer Strahlen- involution, so schneidet jedes Paar der Involution den Kegelschnitt X in vier Punkten, deren vier Verbindungsgeraden einen Ort um- hüllen, nämlich einen Kegelschnitt, weil durch jeden Punkt von K zwei Tangenten des Ortes gehen. Dieser Ortskegelschnitt ist mit dem früheren Kegelschnitt (a, b) identisch, weil a, b als spezielle Paare und die Tangenten von K in den Schnittpunkten mit a,b den Ortskegelschnitt bestimmen. Lässt man von den beiden Geraden a, b ‘die eine, z. B. b, sich bewegen, so ändert sich der zugehörige Kegel- schnitt (a, b); dreht sich 5 um einen Punkt, so bilden die Kegel- schnitte eine Schar, deren vierte Grundtangente die Verbindungs- linie des Punktes mit seinem konjugierten Punkt auf a ist. Dadurch, dass man den Geraden a, b besondere Lagen gibt, entstehen Spezialfälle. Die gefundenen Beziehungen zwischen einem Kegelschnitt und zwei Punkten, oder zwei Geraden, lassen sich auf Flächen zweiten Grades ausdehnen. Hat man eine Fläche zweiten Grades F und zwei Punkte A, B, die nicht auf ihr liegen, so kann man den Strahlen und Ebenen durch den einen die Ebenen und Strahlen durch den andern in dem Sinne projektivisch zuordnen, dass der entsprechende Strahl zu einer Ebene durch ihren Pol und die entsprechende Ebene zu einem Strahl durch seinen konjugierten Strahl in bezug auf F geht. Dann erzeugen die beiden reziproken Bündel eine Fläche zweiten Grades F (AB), welche durch die Punkte A, B und durch die Berührungskegelschnitte der ‚Tangentialkegel von A, Ban F hin- durchgeht. Die Tangentialebenen von F (A, B) in A, B gehen durch die konjugierte Gerade von AB; die Spitzen der Kegel, welche die Fläche F(A,B) längs der vorigen Kegelschnitte berühren, werden gefunden, indem man die Ebenen der zwei Kegelschnitte mit der Ge- raden A B schneidet und zu den Schnittpunkten die harmonischen Punkte in bezug auf die Punkte A, B sucht. Nimmt man irgend zwei Jahrg. 67. A. KIEFER. Eine Tetraederaufgabe. 19 zu A, B harmonisch gelegene Punkte und legt von ihnen aus an die Fläche F die Tangentialkegel, so durchdringen sich die beiden Kegel in einer, in Kegelschnitte zerfallenden, Raumkurve vierter Ordnung, die auf der Fläche zweiten Grades F (4, B) liegt. Man kann noch sagen, dass die Spitzen von zwei Tangentialkegeln einer Fläche F und die beiden Berührungskegelschnitte stets einer andern Fläche zweiten Grades eingeschrieben sind. Hat man eine Fläche zweiten Grades F und zwei Ebenen a,b, die nicht Tangentialebenen von F sind, so kann man den Punkten und Strahlen der einen Ebene die Strahlen und Punkte der andern in der Weise projektivisch zuordnen, dass der entsprechende Strahl eines Punktes in seiner Polarebene und der entsprechende Punkt eines Strahles auf dem konjugierten Strahl in bezug auf F liegt. Dann erzeugen die beiden reziproken Ebenenfelder eine Fläche zweiten Grades F (a, b), welche die Ebenen a, b und auch die beiden Kegel- flächen berührt, die P längs den Schnitten mit den Ebenen a,b be- rühren. Die Berührungspunkte der Fläche F (a,b) mit den zwei Ebenen a, b liegen auf der konjugierten Geraden zur Schnittlinie von 4,b; die Ebenen der zwei Kegelschnitte, längs denen die Fläche F (a,b) die vorigen Tangentialkegel von 7’ berührt, werden gefunden, indem man die Spitzen der zwei Kegelflächen mit der Schnittgeraden von a, b durch Ebenen verbindet und zu den zwei Ebenen die har- monischen in bezug auf a,b sucht. Nimmt man irgend zwei zu a, b harmonisch gelegene Ebenen und schneidet jede von ihnen mit der Fläche F, so bestimmen die zwei Schnitte eine gemeinsame, in zwei Kegelflächen zerfallende, Developpable vierter Klasse, die der Fläche F (a,b) umschrieben ist. Man kann noch sagen, dass die Ebenen von zwei Kegelschnitten einer Fläche zweiten Grades und die Kegel- flächen, welche längs der Kegelschnitte berühren, stets einer andern Fläche zweiten Grades umgeschrieben sind. Bemerkung. Anstatt in einer Ebene einen Kegelschnitt mit zwei Punkten oder zwei Geraden in Beziehung zu setzen, kann man zwei Kegelschnitte und einen Punkt, oder eine Gerade wählen; analog Im Raum Der Firnzuwachs pro 1920/21 in einigen schweizerischen Firngebieten. VII. Bericht der Gletscherkommission der Physikalischen Gesellschaft Zürich. Von R. Biuıwiver. (Als Manuskript eingegangen am 27. Januar 1922.) Vorbemerkung. Die Nummer dieses Berichtes zeigt, dass die „Zürcher Gletscherkommission“ keine Neugründung ist. Im Herbste 1913 konstituiert als Mittelpunkt derjenigen ostschweize- rischen Kreise, die sich für die Gletscherkunde speziell von klimato- logischen Gesichtspunkten aus interessieren'), verfolgte sie unter den nicht immer günstigen Verhältnissen der Kriegszeit mit Beharrlich- keit und Erfolg ihre Ziele. Als |. hatte sie —— in zn Linie Era die Überwachung des Hanshal Ar iete durch Ermitt- lung der “Ahrlichett; ihren Pivntöldern zum weitaus grössten Teil in fester Form zukommenden Niederschlagsmengen und Bestimmung des am Ende jedes Jahres restierenden Firnzuwachses an einigen hiefür ge- eigneten Punkten. Sowohl die Wahl der Gletschergebiete — sie fiel auf Clariden und Silvretta — wie auch diejenige der Messpunkte (Standorte der sog. „Bojen“) war eine glückliche. Alljährlich gegen den Herbst hin wurde um die Boje herum auf die Oberfläche des Firns eine unverwaschbare Farbschicht gestreut, auf die sich dann der Winterschnee ablagerte. Über die Höhe desselben orientierten uns Ablesungen an den Bojen, für welche ein besonderes Meldesystem (Plakate und Meldekarten in der Clariden- und Silvrettahütte) orga- nisiert war; dasselbe funktionierte bei dem sowohl im Winter wie im Sommer relativ häufigen Besuche dieser Gebiete durch Touristen befriedigend. Auch die Abschmelzung im Sommer liess sich so Ver” folgen; am Ende desselben wurde dann durch Bohrung mit dem Schnee- bohrer von CHURCH auf die vorjährige Farbschicht die Höhe und der ') Gründende Mitglieder: Ing. F. Rutsers, bisheriger Präsident; Dr. R. BiLL- WILLER, jetziger Präsident, und Prof. Dr. A.DE QUERVAIN; weitere Mitglieder: Inge“ nieur J. Fischer, Prof. Dr. A. Schweizer #, Prof. Dr. A. Pıccarv, Prof. Dr. E. TANK. Der Firnzuwachs pro 1920/21. R. BILLWILLER. Jahrg. 67. N 0 “66 “ 681 08/6161 a“ 09€ “ on ES UNE MN "XI ’GI — 'IIIA’CI “09% “081 8 61/8161 * 008<|.* «6E “ 088 X107-:'X1'81 UA. 318 “88% “ 191 “ 181 ST/L161 "280 “561 * g9E "XI’8I— 'IIIA 8 "XxI8 —'IMe | uw g% “09 “ 36 21/9161 “oLe Bi. .: “ re |"MAS — INA "IIIAC — XL '9 ER ur 00% E81 91/EI6I ws OF & wo 707° | "IIIAFT— 'IIIA’6 Be ee a: ar: un 611 SI/FI6I ms u 608 = TH TE = (u £108) | (u 091%) | 1oyesqejo] (u 006%) (u 8076) | Joyesıpejo], aporıad 910g0 log FA1sjun con 91990 log F.1ajuy ss aporıad SYI@eMNZUAlg -12poıIN sy9emnzulig -I9P9IN ergoaajıg U9PLIBT) 086 I—FI6T PYey4Insoasoaygef aop ZunjjoJsuowwesnz 22 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Wasserwert des restierenden Jahreszuwachses festgestellt. Dieser konnte dann verglichen werden mit dem Resultate des in der Fels- umrahmung des Firns installierten Totalisators (Jahresniederschlags- messers) einerseits und den Bojenablesungen vom Frühjahr oder Früh- sommer andererseits. So besitzen wir seit 1914 wenigstens aus diesen beiden Gletscher- gebieten über die Grösse des Jahresniederschlages, maximale Schnee- höhen, Ablation und Firnzuwachs bestimmte, zahlenmässige Vorstel- lungen an Stelle der oft willkürlichen und unzulänglichen Schätzungen, auf die der Klimatologe, der Hydrograph und der Gletscherforscher bisanhin angewiesen war. Die Beobachtungen sind durchaus homogen und ihr Wert nimmt von Jahr zu Jahr zu. Gelingt es, sie in der bisherigen Weise weiterzuführen, so werden sie bestimmt sein, in der Diskussion der den Gletscherschwankungen zu Grunde liegenden Klima- perioden ein gewichtiges Wort mitzureden. Über die Arbeiten der Kommission und die gewonnenen Resul- tate wurde alljährlich im „Ski“, Jahrbuch des Schweizerischen Ski- Verbandes, ein Bericht veröffentlicht. Der seit 1921 veränderte Zeit- punkt der Drucklegung dieses Jahrbuches verunmöglicht das Erschei- nen dieses Berichtes zukünftig innerhalb nützlicher Frist, weshalb die Kommission Gastrecht in dieser Zeitschrift nachsuchte und erhielt. Es scheint angezeigt, den Resultaten pro 1920/21 vorangehend, hier ein Resum& der bisher im „Ski“ publizierten Zahlen zu geben. Dabei sei noch bemerkt, dass die Ergebnisse unserer Arbeiten von Anfang an auch in den „Annalen der schweizerischen me- teorologischen Zentral-Anstalt“, allerdings etwas später, in Verbindung mit der Gesamtheit der Niederschlagsmessungen des eid- genössischen meteorologischen Netzes diskutiert werden. Der kurze, zusammenfassende Rückblick über den bisherigen Ver- lauf des mit 1909/10 einsetzenden Gletschervorstosses, welcher dem letztjährigen Bericht vorgesetzt war, wurde vielleicht im richtigen Momente gegeben. Denn was sich seither im Haushalte unserer Gletscher zutrug, war dem weiteren Vorstoss nichts weniger als för- derlich und leitet vielleicht eine neue Phase ein. Nicht nur war der Winter 1920/21 der schneeärmste Winter in den Alpen seit vielen Jahren, sondern es folgte ihm auch ein ganz ungewöhnlich warmer Sommer, der sehr rasch mit dem bisschen Winterschnee fertig wurde und den Firnfeldern und Gletschern in ausserordentlichem Masse zU- setzte. Doch wäre es verfrüht, jetzt schon das definitive Ende des Jahrg. 67. R. BILLWILLER. Der Firnzuwachs pro 1920/21. 23 Gletschervorstosses voraussagen zu wollen; erinnern wir uns daran, dass der noch wärmere Sommer 1911 inmitten eine Periode sehr kühler und nasser Sommer fiel. Die Niederschlagsarmut des Winters 1920/21 war eine beispiel- lose; sie wurde ja auch bekanntlich beinahe katastrophal für die Licht- und Wasserversorgung unseres Landes. Die im Oktober und November gemessenen Mengen sind auf der Alpennordseite im allge- meinen die kleinsten je vorgekommenen Beträge der betreffenden Monate; normaler waren Dezember und Januar, während sich dann im Februar und März die Trockenheit wiederholte. Die Schneehöhen- notierungen unserer Hochstationen illustrieren das am besten. Auf dem Säntis kam es erst anfangs September zu einer bleibenden Schneedecke, die Mitte Januar endlich den Betrag von 1 Meter er- reichte. Auf Ende Januar fällt das erste Maximum von 1,6 Meter, im Februar und März ging sie wieder stark zurück, um dann anfangs Mai das Jahresmaximum von 2,3 Meter zu erreichen; im Jahre 1919 lag zu gleicher Zeit 7,9 Meter! Schon vor Ende Mai war der Säntis- gipfel schneefrei, ungefähr gleichzeitig mit dem St. Gotthard, wo die grösste Schneehöhe anfangs Februar volle 1,4 (!) Meter betragen hatte. Entsprechend lauten auch die leider nicht sehr zahlreichen Mel- dungen aus unsern beiden Messgebieten: Clariden. Schneehöhen am Pegel Firnzuwachs bei der Datum bei der Hütte untern Boje obern Boje 21 1. 60 140 ? cm 11. 18: 160 190 200 „ an 120 170 205, II. 19. 140 nn; Bi 28. 180 ? Bang 31. 150 190 205 „ YH.6; frei 80 265 ,, 29. an — 90 15, 21:8; is ? 0: IX:35; | en ? —65 „ Während in vorangegangenen Jahren (1918/19!) schon die De- zemberschneefälle die beiden mehr als 5 Meter langen Bojen auf dem Firn vollständig eingedeckt hatten, betrug der Firnzuwachs seit letz- tem Herbst zu Ende März 1921 erst ca. 3 Meter. Weitere Ablesungen liegen nicht vor bis zum Sommer, so dass wir über die maximale 24 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Höhe des Winterschnees 1920/21 auf dem Claridenfirn, die anfangs Mai erreicht worden sein muss, nicht genau orientiert sind. Am 6. Juli betrug sie bei der untern Boje noch 80, bei der oberen noch 265 cm. Im heissen Juli muss dann der Abtrag ganz ausserordentlich gross gewesen sein; eine Messung vom 29. Juli ergab, dass das Firnniveau bei der untern Boje schon 90 em unter demjenigen vom September 1920 lag und bei der oberen Boje um noch ca. 15 cm darüber; hier hatte also die Ablation trotz der grossen Meereshöhe (2900 m) in 23 Tagen 2'/s Meter betragen. Wenige Tage später (3. Aug.) war auch hier der Pegelstand vom Herbste 1920 erreicht und ungefähr gleichzeitig kamen, in schöner Übereinstimmung damit, die zu letz- terem Zeitpunkte gestreuten Ockerflecken zum Vorschein. Der Abtrag ging auch im warmen ersten Augustdrittel noch rasch weiter; am 13. August wurde die untere Boje — die im Herbste 1920 gestellte Holzstange — als umgefallen gemeldet; gleichzeitig aperte aber die Spitze der im Winter 1918/19 zugedeckten und seit- her nicht mehr zum Vorschein gekommenen ursprünglichen Stahlboje wieder aus. Das erlaubt die Feststellung, dass der Abtrag am 13. Au- gust beim untern Bojenort schon mehr als 3'/» Meter unter das letzt- jährige Firnniveau ging. Bis zur Jahresaufnahme am 15. September erreichte er sogar ca. 5 Meter und ging in der warmen 2. September- hälfte und wohl auch im exzeptionell warmen Oktober 1921 noch weiter. — Die neue Holzstange wurde an das herausragende Eisen- rohr gebunden, so dass der jeweilige Standort derselben also die Orts- veränderung seit 1916 angibt: sie ragt 625 cm aus dem Firn. Die obere Boje wurde am 15. September noch aufrechtstehend vorgefunden; sie ragte 65 cm mehr heraus als vor Jahresfrist (25. IX. 1920). Man ist wohl geneigt, sich über den kolossalen Unterschied in der Ablation an beiden Bojenorten zu verwundern: in 2700 m Senkung der Firnoberfläche 5 Meter unter das vorjährige Niveau, in 2900 m nur die erwähnten 65 em; doch ist zu sagen, dass zwischen den beiden Standorten immer eine grosse Differenz gefunden wurde. Die Bewegung der oberen Boje, die wegen geeigneteren Überdeckungen sicherer festgestellt werden kann, als diejenige der unteren, betrug im Berichtsjahr 13 Meter gegen SE. Auch hier aperte eine frühere Boje aus, und zwar die im Herbste 1919 gestellte, damals 5,9 Meter herausragende Eschenstange, die im Sommer 1920 (12. August) knapp ausaperte, dann aber durch Neuschneefälle wieder zugedeckt wurde, bevor ihre Einmessung und Neuaufrichtung möglich wurde. Schon im letztjährigen Bericht wurde der Vermutung Raum gegeben, dass der Firnzuwachs 1919/20 nicht die ganze Länge der damals zugedeckten Jahrg. 67. R. BILLWILLER. Der Firnzuwachs pro 1920/21. 25 Boje betrage, sondern dass die dünne, biegsame Eschenstange durch den darüberliegenden Schnee stark gebogen worden sei. Was wir diesen Sommer davon zu sehen bekamen, bestätigte diese Vermutung; das jetzt ausgeaperte obere Ende von 160 cm Länge bildete mit der Vertikalen einen Winkel von 60°, was einer Höhe von 80 cm ent- spricht und befriedigend übereinstimmt mit dem an der neuen Boje ermittelten Abtrag unter letztjähriges Herbstniveau von 65 em. Die Fortbewegung dieser Holzstange beträgt in den zwei Jahren 1919—21 32 Meter gegen SE. Zur Vermeidung von Missverständnissen wurde sie im Firnniveau abgesägt und die neuere Boje, welche 6,5 Meter herausragt, wieder gerade gestellt. Zeitmangel verhinderte leider das Einmessen der Markierungen am östlichen Ende der Firnzunge im Altenorentobel, welche bei der grossen Ablation dieses Jahres besonderes Interesse geboten hätte. Dagegen fertigte der die beiden Komissionsmitglieder — Prof. A. Pıc- CARD und Dr. F. TANK — schon zum zweitenmal begleitende Herr Ing. R. STREIFF-BECKER sehr instruktive Skizzen von den für die Messpunktsbestimmungen notwendigen Geländeüberdeckungen an, wo- für wir ihm, wie überhaupt für seine stete Hilfsbereitschaft und guten Dienste auch an dieser Stelle unsern besten Dank aussprechen. Im Totalisator auf dem Geissbützistock wurde im Zeit- raume 25. September 1920 bis 15. September 1921 210 em Nieder- schlag aufgespeichert, weitaus die kleinste Jahressumme seit Inbe- triebsetzung desselben (1915). Die Notwendigkeit der Ergänzung unserer Firnmessungen durch die Niederschlagsmessung tritt in diesem Jahr, wo sogar bei der oberen Boje nicht nur der ganze Zu- wachs 1920/21, sondern sogar noch tiefere Firnschichten abgetragen wurden, und daher der Bohrapparat zu Hause blieb, besonders ein- dringlich vor Augen. Die Niederschlagsmenge unserer Station Lin- thal-Auen betrug im entsprechenden Zeitraum 103 cm. Nicht weniger interessant waren die Feststellungen im Silvretta- gebiet, die der Berichterstatter am 25. September in Begleitung von Herrn JoH. GULER von Klosters machte. Der Gletscher ist enorm zerklüftet und muss jetzt — wenn man nicht sehr viel Zeit verlieren will — entlang seinem rechten Rande begangen werden. Er war vollständig aper bis zum letzten Steilanstieg vor der Passhöhe, wo wenige Centimeter vor ein paar Tagen gefallenen Neuschnees lagen. Sogar oberhalb dieser Steilstufe -— auf der Passhöhe — waren noch ein paar gewaltige Schründe offen, und der Totalisator am Eckhorn 26 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 konnte nur über eine Randkluft erreicht werden, von der im ver- gangenen Jahre noch nichts zu sehen war. Die Resultate der Niederschlagsbestimmungen sollen gleich vor- ausgenommen werden. Der obere Totalisator (in 3150 m am Eck- horn) ergab vom 11. September 1920 bis 25. September 1921 eine Gesamtsumme von 112 cm, der untere (bei der Silvrettahütte in ca. 2375 m) 108 cm, während in Klosters im entsprechenden Zeit- raum 90 cm gemessen wurden. Demnach wäre die Zunahme der Niederschläge von der Hütte bis zur Passhöhe nicht mehr wesentlich; sollte sich das auch in den nächsten Jahren bestätigen, so müsste eine in diesen Berichten öfters ausgesprochene Ansicht über das Ver- hältnis von Niederschlagshöhe und bleibendem Firnzuwachs auf dem Silvrettapass einer Revision unterzogen werden. Die uns bekannt gewordenen Ablesungen am Hüttenpegel und den beiden Bojen sind folgende: nahen Schneehöhe am Pegel Firnzuwachs bei der Datum bei der Hütte untern Boje obern Boje 1920 Okt. 8. 20 cm ? cm 90 em Dez. 30. 7068; why 7525 1921 Febr.11. De en 190°, 1, 215 , 180. 120. März25. 185. :;, Fri De DR 210 , ER 180 , April28. Pl, Pong 205 , Juli 6. en Ba=} 185% Sept. 25. —_ , Be —140 „ Von Silvretta besitzen wir also eine Ablesung aus der Periode mit annähernd der maximalen Schneehöhe des Winters 1920/21 (28. April), wonach auf der Passhöhe etwas über 2 Meter lagen. An- fangs Juli war er bei der untern Boje schon abgetragen und auf der Passhöhe auf die Hälfte reduziert. Bei unserm Besuche vom 25. Sep- tember sodann fanden wir auf der Passhöhe das Firnniveau 140 cm unter demjenigen vom letzten Herbst. Am untern Messplatz (untere Boje) lag die 5 Meter lange Eisenstange, die in den letzten Jahren als Boje gedient hatte, auf dem Firn und die alte, 1915 gestellte Boje war mit ihrem Fussgestell vollständig ausgeapert. Die Ablation hatte also auch noch allen seit diesem Zeitpunkt angesammelten Firn- zuwachs abgetragen, Jahrg. 67. R. BILLWILLER. Der Firnzuwachs pro 1920/21. 27 d.h. 200 em von 1915/16 60 RR 160: 34:3 ar 120. 4335::4018/419 100.5 4819/20 Total 640 cm von 1915/20 Dazu ca. 200 „ „ 1920/21 Zusammen 840 cm von 1915/21 Es ist aber daran zu erinnern, dass diese, jeweilen im Herbste ermittelten Firnzuwachsschichten der einzelnen Jahre in den darauf- folgenden Jahren stark komprimiert wurden; z. B. gelang es im Herbst 1917 den im Herbst 1915 gestreuten Ocker noch einmal zu erbohren und als Höhe der zweijährigen Firnzuwachsschicht 1915—17 fand man nicht 200 + 60 = 260 cm, sondern nur 186 cm, so dass nicht mit einer Totalhöhe der abgetragenen Schicht von 8,4 Meter, sondern einer wesentlich geringeren, aber dafür spezifisch dichteren Firnmassse zu rechnen ist. — Das Fussgestell der Boje wurde auf dem hier zutage tretenden blanken Eise möglichst horizontal gestellt und an das mit ihr verbundene 2,3 Meter herausragende Stahlrohr das 5 Meter lange zweite Stahlrohr gebunden, nachdem es '/. Meter versenkt worden war. Die Revision der am nordwestlichen Gletscherrande angebrachten Markierungen liess an einigen Stellen ein Zurückweichen des Eis- randes erkennen; auf zahlenmässige Feststellung desselben musste aus Zeitmangel verzichtet werden. Das fiel um so leichter, als sich der schon anfänglieh gewonnene Eindruck immer mehr verstärkt, der Silvrettagletscher eigne sich nicht besonders für solche Messungen. Man ist an den demselben zugänglichen Stellen immer mehr an seinem Seitenrande, als an seiner Front. Ganz unmissverständlich musste sich die Wirkung des ausser- ordentlich warmen Sommers an kleinen Gletschern und Firn- feldern zeigen, die ja bekanntlich sofort auf grössere Witterungs- anomalien einzelner Jahre reagieren. Das konnte der Berichterstatter an dem allen Säntisbesuchern bekannten „Blauen Schnee‘- firnfeldchen konstatieren. Dasselbe wurde in seinen horizontalen Aus- dehnungen gewaltig reduziert — anlässlich eines Aufenthaltes auf dem Säntis zu Ende August wurden seine damaligen Grenzen etwas genauer markiert — und präsentierte sich als richtiger kleiner Glet- scher mit zutage tretendem blankem Eise, über das an den heissen 28 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Tagen zu Ende Juli und anfangs August untertags 4 bis zu einem Meter breite Schmelzwasserbäche flossen (laut Säntis-Beobachter Herr Haas); Bänderung und Schründe traten auf. Die Begehung der Blau- schneeroute wurde für die ungenügend ausgerüsteten und unerfahrenen Säntisbesteiger geradezu gefährlich, und der Säntiswart musste mancher geängstigten Partie — oft mitten in der Nacht — zu Hilfe kommen, namentlich als sich der Firn oben beim Einstieg in die Felsen ca. 6 Meter unter das auf ihn herabführende Drahtseil zurückgezogen hatte. Verglichen mit diesen Verhältnissen sind die Ablesungen an unserer höchstgelegenen Messtelle besonders lehrreich. In der Firnmulde südöstlich des Jungfraujoches hatten die Messungen, wie aus den vorhergehenden Berichten ersichtlich, eine ganz ungewöhnliche Abhängigkeit der Schneehöhen von den Wind- verhältnissen des jeweiligen Winters ergeben. Um festzustellen, ob die Boje an einer für die normale Schneeablagerung besonders un- günstigen Stelle stehe, war daher, wie schon erwähnt, im Sommer 1920, von Herrn Prof. DE QUERVAIN eine zweite Stange ca. 200 Meter gletscherabwärts von der ersten gestellt worden. Die vom Personal der Jungfraubahn gemachten Ablesungen an beiden Bojen sind nun für das Berichtsjahr folgende: Jungfraufirn. Firnzuwachs seit 27. VIII. 1920. Datum Erste Boje Zweite (untere) 1920. X1::19. 180 cm 190 em 1081: 1.10; 180 , 200 , 30. 170.., 230 , II. 19. 370 ı; 230 , II. 15. 200 , 240 „ 31. 200 , ? IV. 23. 300 , 300 „ vo 230 220 „ 20 190 200 „ Y4 130 190.7, 16 126.5 180 3% 29 120 200 „ VA 14 100 180 „ 28. 140 , 200 , VII. 17. 150 „ 300 , Jahrg. 67. R. BILLWILLER. Der Firnzuwachs pro 1920/21. 29 1X%..15; 160 cm 220 cm 28. 150: 200 „ 2. 18, in ; Zu; 22. 150, 200 „ Am Standorte der neuen Boje ergab sich also dies Jahr eine raschere Ansammlung von Firnschnee; die Maximalhöhen dagegen sind bei beiden Bojen dieselben, die Ablation bei der neuen nicht so gross, so dass an dieser Stelle ein um einen halben Meter grösserer Firnzuwachs resultiert. Mehr Bedeutung aber soll darauf gelegt werden, dass hier in einer Meereshöhe von ca. 3350 m trotz des warmen Sommers von der im Maximum jedenfalls wenig über 3 Meter betragenden Schneeablagerung desWinterhalbjahres noch 1'/,—2 Meter als bleibender Firnzuwachs übrig blieb. Zusammengehalten mit der von der untern zur obern Clariden- wie Silvrettaboje rasch abneh- menden Grösse der Ablation führt uns diese Tatsache eindringlich vor Augen, wie rasch von einer gewissen Meereshöhe an der Abtrag durch Schmelzung auch in extrem warmen Sommern abnimmt. Die daraus resultierenden Konsequenzen für den Haushalt grosser, mit ihren Nährgebieten in die Hochfirnregionen emporragenden Gletscher und der kleinen, wenig über die Schneegrenze reichenden Firnfelder sind leicht zu übersehen; ich möchte daher an dieser Stelle nicht näher darauf eintreten. Von dem unter dem Patronate des Skiklub Davos stehenden Pegelpaar auf Parsenn und an der Weissfluh seien schliesslich folgende Ablesungen mitgeteilt: Pegel bei der Pegel an der Datum Parsennhütte Weissfluh 1920 Dez. 28. 120 cm ? em 1921: Jan. 2; Ba:ag } 50:;:, 16 50, Febr. 4. 110: , ler 23 95: , de; März 19. HM 160 „ 28. 100 , 125 , April 21. 140 „ 200 , Mai 5. 0 „ 190 , Also erst im April wurde auf Parsenn die Schneehöhe von 1 Meter Dennenswert überschritten. Zur Kenntnis äthiopischer Vespiden (Hym.). Von Dr. A. v. SchuLtuzss RECHBERG (Zürich). (Als Manuskript eingegangen am 30. Januar 1922.) II. Rhynchium cyanopterum et similia.') Die äthiopische Region beherbergt eine ganze Reihe von Hyme- nopteren, deren Flügel im basalen Drittel hell oder gelblich getrübt, in der äussern Partie aber dunkel-violett sind und stahlblau schillern. Der Körper ist schwarz mit mehr oder weniger ausgedehnter braun- roter Zeichnung an Kopf und Thorax, an der Basis des Abdomens und an den Beinen. Hie und da treten noch gelbe Flecken auf den Abdominaltergiten dazu. So gefärbte Tiere finden sich besonders unter den solitären Wespen, kommen aber auch bei Grabwespen (Stizus ete.) vor. Wohl der bekannteste Vertreter dieser so gefärbten Gruppe ist dasRhynchium eyanopterum Saussure. Genaue Untersuchung ergibt aber, dass das Rh. cyanopterum in verschiedene Arten geteilt werden muss. Zur Unterscheidung dienen Skulptur und Struktur des Schildchens, des Hinterschildchens und des Mittelsegmentes, die Form und Ausrandung des Kopfschildes und die Form der männlichen Ge- nitalien, während die Färbung keinerlei Rolle spielt, indem bei vielen Arten dieselben Farbenvarietäten sich wiederholen. Für die den männlichen Genitalapparat bildenden Teile verwende ich die von THOMSON (Hymenoptera Scandinaviae, II p. 18) sowie SCHMIEDEKNECHT (Apidae europaeae, Bd. I, Taf. 8) für die Gattung Bombus gebrauchten Bezeichnungen. Nur sind diese Teile bei den solitären Wespen viel einfacher gestaltet. Der Cardo, das basale Verbindungsstück, sowie die Sagittae, die äussern Klappen SCHENCKS (Jahrb. Nassau XIV, 1859, St. 143) fehlen vollständig, die Lacinia besteht aus einem einfachen pfriemartigen Gebilde, die Squama allein sowie die Spatha, der eigentliche Penis, zeigen komplizierteren Bau, der bei den einzelnen Arten verschieden gebildet ist. ') Vergl. Entomolog. Mitteilungen. Berlin. X. 1921. St. 121. I. Polistes. Jahrg. 67. Dr. A. v. SCHULTHESS RECHBERG. Zur Kenntnis äthiopischer Vespiden. 31 A. Rhynchium Spin. Tergite seitlich mit gelben Flecken : - ohne „ er 8. 1. Schildchen glatt und glänzend, beinahe punktlos; Hinterschild- chen nach hinten geneigt, am Vorderrande am höchsten. Mittelseg- ment oben und auf der Hinterfläche grob ee seitlich mit mehreren scharfen Zähnen und Zacken (Fig. 2 —. Schildehen und Hinterschildchen dicht punktiert; letzteres erst horizontal, dann senkrecht abfallend; horizontale und vertikale Partie durch eine scharfgezähnte Linie getrennt. Mittelsegment seit- lieh mit einem kurzen Zahn. 1. und 2. Tergit mit Ausnahme des Hinterrandes des letzteren ohne Punkte; die gelben Seitenmakeln des 1. Tergits erreichen den Hinterrand des Tergites nicht, stehen also isoliert. Rh. furax Kohl = Od. lateralis F. 2. Palaearktische Region. Gelbe Seitenflecken, nach innen ver- breitert, oft zu endständigen Binden verschmelzend; Kopfschild 5 unten zugespitzt, Q unten schmal abgestutzt; Abstutzung kaum länger. als das halbe 4. Fühlerglied. 1. Rh. oculatum Fab. —. Äthiopische Region. Gelbe Flecke, nach innen scharf abge- grenzt, so dass eine regelmässige, zusammenhängende seitliche Längs- binde entsteht. Kopfschild wie bei Rh. cyanopterum Sauss. 2. Rh. marginellum Fab. 3. Schildchen glatt und glänzend, beinahe punktlos (Fig. 2). Hinter- schildchen nach hinten geneigt, am Vorderrande am höchsten, quer- über flach, selten (wie dann auch das Hinterschildchen) durch eine mediane Längsfurche in der Mitte eingesenkt. Mittelsegment oben und auf der Hinterfläche grob quer gerunzelt, seitlich mit mehreren scharfen Zähnen und Zacken bewehrt. 1. Tergit punktiert. Kopf- schild © /, Jänger als breit. 2c. Rh. cyanopterum Sauss. a) Kopf, Thorax und Basis des 1. Tergits rotbraun v. cyanopterum Sauss. b) Kopf, Metathorax und Abdomen schwarz v. sabulosum Sauss. €) Ganz schwarz, mit spärlichen roten Zeichnungen am Kopf und an den Beinen v. congicum Bequaert d) Kopf und letztes Tergit rot, Dorsulum und Abdomen schwarz- raun v. mossambicum Grib. —, Schildehen und Hinterschildchen überall z. T. dicht punktiert, Obere Fläche des Mittelsegmentes punktiert ohne Runzeln. 32 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 4, Hintere Partie des Dorsulum und vordere Hälfte des Schild- chens ziemlich zerstreut punktiert; Zwischenräume zwischen den Punkten glänzend, grösser als diese selbst. Hinterschildchen nach hinten geneigt (Neavei) oder flach, resp. sattelförmig vertieft (aenig- maticum) (Fig. 8). ‘ —, Dorsulum, Schildehen und Hinterschildchen gleichmässig und grob dicht punktiert, besonders auf dem Schildchen sind die Zwischen- räume zwischen den Punkten kleiner als diese selbst. Das Hinter- schildehen zeigt eine horizontale, in der Fläche des Schildchens lie- gende und eine senkrecht-abschüssige, hintere Partie (Fig. 10); die Kante zwischen beiden ist leicht konvex und regelmässig gezähnelt. Mittelsegmentgrube flach, nur nahe der Mitte quer gerunzelt, nach aussen glatt und glänzend. Kopfschild © so lang als breit, zerstreut punktiert, unten mit seicht-winkligem Ausschnitt, der von 2 scharfen Zähnchen begrenzt ist; von diesen gehen nach aufwärts 2 kurze, scharfe Kiele, zwischen sich eine glatte Rinne bildend. Kopfschild 5 1, mal breiter als lang, punktiert, unten mehr oder weniger tief, halbkreisförmig ausgerandet. 6. 5. Schildchen flach, ohne mediane Längsfurche; Hinterschildchen nach hinten schräg abfallend, am Vorderrande am höchsten; der Vorderrand eine in der Querrichtung gewölbte, scharfe Lamelle bil- dend (Fig. 5). Hinterfläche des Mittelsegmentes grob diagonal ge- runzelt, seitlich mit 2—3 kurzen, stumpfen Höckerchen. Seiten des Mittelsegmentes fein längsgerunzelt. Kopfschild @ so breit als lang, spärlich längsrunzlig punktiert, ohne Längskiele, unten quer abge- stutzt; Länge der abgestutzten Partie gleich der Länge des 4. Fühler- gliedes. Kopfschild $ punktlos, hellgelb, etwas länger als breit, unten ganz seicht ausgerandet. “Unterrand etwa ?/, so lang als das 4. Fühlerglied (Fig. 4). 3. Rh. Neavei nov. SpeC. —. Schildchen durch eine tiefe glänzende mediane Längsfurche in zwei Höcker geteilt. Hinterschildchen eine horizontale, in der Mitte allerdings eingesattelte und eine vertikale Fläche bildend, die durch eine scharfe, gezähnelte Kante voneinander getrennt sind (Fig. 8). Mittelsegmenthinterfläche diagonal fein gerunzelt, seitlich mit schaufel- förmigem Zahn an der Seitenecke und einigen spitzen Zähnen an der untern Kante. Seiten des Mittelsegmentes ohne Runzeln. Kopfschild J (Fig. 7) länger als breit, unten tief und breit halbkreisförmig aus“ gerandet, weissgelb mit rotbraunem Saum. Tergite 1 und 2 dicht punktiert. 4. Rh. aenigmaticum nov. SPeC. Jahrg. 67. Dr. A.v. SCHULTHESS RECHBERG. Zur Kenntnis äthiopischer Vespiden. 33 6. Mittelsegmentseiten mit groben Längskielen, deren Zwischen- räume punktiert sind, an der Seite ein grosser breiter Zahn, dar- unter an der Unterkante 3—4 spitzige Zähne. Obere Fläche des Mittelsegmentes grob netzförmig punktiert. Kopfschild % unten schwach bogenförmig ausgerandet. Kopfschild, Glabella und untere Partie der Augenausrandung rotgelb, Fühlerschaft ohne gelb (bei 1 Exemplar) 5. Rh. histrionicum Grib. —. Mittelsegmentseiten ohne Riefen, zerstreut seicht punktiert, obere Fläche des Mittelsegmentes fein dicht punktiert. Mittelsegment- kante ohne scharfe Zähne, abgerundet. Kopfschild 5 zerstreut punk- tiert, unten mehr oder weniger tief, halbkreisförmig ausgerandet, wie die Glabella, der Unterrand der Augenausrandung und die Unterseite des Fühlerschaftes hell strohgelb. 6. Rh. Gribodoi nov. spec. 1. Rhynchium oculatum Fab. Ob Rh. oculatum als eigene Art aufzufassen ist, oder nur als Varietät des Rh. marginellum wage ich nicht zu entscheiden. Mit letzterem stimmt es überein in der Struktur und Skulptur von Schildchen, Hinterschildchen und Mittelsegment, sowie dem Bau der männlichen Genitalien, die auch die eigentümliche Bürste zeigen; höchstens ist bei oculatum die Squama viel weniger behaart als bei marginellum. Es unterscheidet sich durch die etwas abweichende Färbung, indem die Seitenflecken nach innen nicht scharf abgegrenzt sind, sondern spitz auslaufen und den beim J unten zugespitzten Kopfschild, der bei marginellum deutlich ausgerandet ist (Fig. 1). Var. Lefebvrei Lep. 2. Tergit schwarz statt rostrot. Var. somalicum Magretti (Ann. Mus. Civ. Genova. XXXIV, 1899, P- 594). Grundfarbe schwarz mit grossen gelben Seitenflecken, die zu seitlichen Längsbinden verschmelzen. Vorkommen: Südeuropa, Aegypten, Abessinien, Arabien. 2. Rhynchium marginellum Fab. (Fig. 1, 2,3 umfasst zahlreiche Farbenvarietäten, die durch ganz Südeuropa, Afrika, die orientalische Region bis nach Australien verbreitet und meist sehr häufig sind. Alle zeichnen sich aus durch das flache, selten in der Medianlinie gefurchte, punktlose Schildchen, das flache Hinterschild- chen (F ig. 2), das seitlich mit starken Zähnen und Dornen bewehrte Mittelsegment. Männliche Genitalien: Stipes am Ende stumpf abgerundet, kahl, die Squama schmal, behaart, mit eigentümlichem, bürstenartigem Ge- Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 67. 1922. 3 34 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 bilde: die Äste der basalen Gabel der Spatha geschweift, ohne blatt- artige Verbreiterungen, der Apicalteil gleich lang wie der basale, an der Basis nicht breiter als am Ende (Fig. 3). Zu dieser Art gehören folgende Lokalformen: a) Rh. haemorrhoidale Fab. durch Südarabien, die indo-orienta- lische Region bis Australien und die polynesischen Inseln in folgenden Farbenvarietäten verbreitet: atrum Sauss., carnaticum F., dohertyi Schulz, künkeli Maindron, medium Maindron, parentissimum Sauss., Fig.1. Rh. marginellum. Fig.2. Rh. marginellum Kopfschild $ S — Schildehen PS = Hinterschildehen MS = Mittelsegment A = Abdomen Fig.3. Rh. marginellum St = Stipes Sq = Sqama L = Laeinia Sp = Spatha quinqueeinetumF., rubropietum Sauss., salomonis Meade-Waldo, sangul- neum Sauss. usw. (vergl.W.A. Schultz inBerl. Ent. Zeitschr. XLIX, 1904, St. 219-223). | | b) Rh. marginellum Fab. — africanum F. — laterale Sauss. et aut., verbreitet durch ganz Äquatorial-Afrika. ec) Rh. eyanopterum Sauss., verbreitet durch ganz Äquatorial- Afrika mit den Varietäten congicum Bequaert, mossambieum Grib., sabulosum Sauss. d) Rh. xanthurum Sauss., Kapland. Jahrg. 67. Dr. A. v.SCHULTHESS RECHBERG. Zur Kenntnis äthiopischer Vespiden. 35 e) Rh. mirabile Sauss., aus der malayisch-australischen Region mit den Farbenvarietäten: decoratum Sauss., rothi Kirby, superbum Sauss. Rehynchium furax Kohl. 1894 Ann. k.k. Naturh. Hofmuseum Wien, IX, p. 339, Taf. XV, Fig. 89. Rh. furax ist entschieden kein Rhynchium, sondern ein Odynerus, indem die drei Endglieder der Kiefertaster viel länger sind, als das 3. Glied, das 4. allein mehr als halb so lang als das 3. (s. No. 7. O. lateralis Fab.). Fig.4. Rh. Neavei Kopfschild Fig 6. Rh. Neavei Genitalapparat Ichynchium Neavei nov. spec. (Fig. 4, 5, 6.) Rh. Neavei gleicht sehr dem Rh. cyanopterum, ist aber besonders im männlichen Geschlechte etwas kleiner (gemessen bis Hinterrand des 2. Tergits: © 14 mm; 5 9-10 mm). Die Färbung ist voll- Ständig dieselbe, nur scheint der Fühlerschaft des J unten meist gelb gefärbt zu sein, während das bei cyanopterum seltener vorkommt. Die Unterschiede liegen in der Form des Kopfschildes, der bei Neavei © kaum länger als breit, bei cyanopterum ", länger als breit ist und 36 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 gegen das untere Ende deutlich erhabene Kanten zeigt, die bei Neavei zu fehlen scheinen, oder ganz undeutlich sind; auch beim J ist der Kopfschild bei Neavei (Fig. 4) relativ kürzer und unten quer abge- stutzt, während er bei cyanopterum unten seicht ausgerandet ist. Schildchen, Hinterschildchen und das Mittelsegment zeigen die in der Tabelle angegebenen Unterscheidungsmerkmale gegenüber den ver- wandten Arten. Stipes am Ende stumpf, stark behaart; Squama dreieckig, am Hinterrande einmal gebuchtet; der Basalteil der Spatha um weniges kürzer als der Apicalteil, dessen Gabeläste gerade, ohne Anhänge; der Apicalteil an der Basis ein wenig breiter als am Ende (Fig. 6). Vorkommen: NO.-Rhodesia, Loangwatal, 1700’, IV. 1905; Alala Plateau, Ndola-Distrikt, 4000’, X. 1905; Hochplateau des Tanganyika- sees, „im dichten Wald‘, 4500’, VIII. 1908: Zambesital, X. 1908: Mporokoso, 4500’, IX. 1908: Unt. Kalungwisital, „im dichten Wald‘, 3500', IX. 1908. 15 d 2 9 Neave leg. (Type c. m.; Mus. Oxford). Fig. 7. Rh. aenigmaticum Fig.8. Rh. aenigmaticum Kopfschild 4. Ichynchium aenigmaticum nov. spec. (Fig. 7, 8, 9.) Es liegt ein einzelnes J von Senegal vor, das sich nicht unter die bisher beschriebenen Arten einreihen lässt und, da es charakte- ristische Merkmale zeigt, wohl als eigene Art aufgefasst werden darf. JS Kopfschild Y, höher als breit, unten tief halbkreisförmig ausge randet (Fig. 7), in der Mitte blassgelb, am Rande rotbraun; Grlabella blassgelb; Augenausrandung ohne helle Farbe (ob immer ?). Dorsulum und Schildchen zerstreut punktiert, Zwischenräume zwischen den Punkten grösser als diese selbst (Fig. 8), ähnlich wie bei Neavei, mit tiefer, glatter Mittelfurche, die bei Neavei fehlt; Hinterschildehen geneigt, ähnlich wie bei Neavei, aber mit scharfer, feingezähnelter, Jahrg. 67. Dr. A. v. SCHULTHESSRECHBERG. Zur Kenntnis äthiopischer Vespiden. 37 in der Medianlinie eingesattelter Hinterkante. Mittelsegment auf der ganzen Hinterfläche dicht diagonal gerunzelt, mit scharfen, schaufel- förmigen, spitzigen Zacken an der Seitenecke und an der Unterkante (ähnlich histrionicum). Mittelsegmentseiten wie bei @ribodoi nur den Oberkanten entlang und spärlich punktiert; obere Fläche des Mittel- Fig.9. Rh. aenigmaticum segmentes grob gerunzelt, wie bei histrionicum. Tergite und Sternite dicht punktiert. Färbung wie bei den übrigen Arten. Grösse (bis zum Hinterrand des 2. Tergits): 15 mm. Stipes am Ende zugespitzt, lang behaart; Squama lang dreieckig, am Hinterrande einmal gebuchtet, lang behaart; Basalteil der Spatha so lang wie der Apicalteil, Gabeläste geschweift, ohne Anhänge; Apicalteil an der Basis viel breiter als am Ende (Fig. 9). Senegal 1 9 (c. m.). 5. Rh. histrionicum Gerst. (Fig. 10.) Fig. 10. histrionieum Gerst. Gerstäcker, 1857, Monatsber. k. preuss. Akad. Wiss, Berlin. St.463; Peters, Reise nach Mossambique, Zool. V. 1862, St.465, Taf. XXX, Fig. 4. (!) Rh. foraminosum Gribodo. 1894. Mem. Acad. Sc. Bologna, Ser. V,T.V. p. 347. 38 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich, 1922 (2) Rh. multispinosum Sauss., Etudes Vespides II, p. 177. Rh. foraminosum Grib., dessen Type ich in Turin in GRIBODOs Sammlung vergleichen konnte, ist unzweifelhaft identisch mit GER- STÄCKERs histrionicum, das Dr. BISCHOFF in Berlin an meinen mit dem Typus der @RIBODOschen Art verglichenen Stück identifiziert hat. Ob Saussures multispinosum hieher gehört, ist möglich. Jeden- falls ist die Ansicht BEQUAERTs, dass Rh. emeryanum hieher gehöre, irrtümlich, wie ich mich durch Vergleich mit der Type überzeugen konnte. Rh. histrionicum zeichnet sich aus durch den eirca ebenso langen als breiten und unten dreieckig ausgerandeten Kopfschild des 9, von dessen scharfen, die Ausrandung begrenzenden Spitzchen scharfe Kiele nach oben verlaufen. Der Kopfschild des J ist ebenso lang als breit, unten breit und seicht ausgerandet; Schildchen und Hinter- schildchen sind überall gleichmässig und dicht punktiert, eher noch etwas dichter als das Dorsulum ; Zwischenräume zwischen den Punkten kleiner als diese selbst. Hinterschildchen mit horizontaler und ver- tikalabschüssiger Partie, die durch eine scharfe, fein gezähnelte Kante getrennt sind. Horizontale Fläche wie das Schildehen punktiert, ver- tikale Fläche oben ganz grob punktiert, in der untern Hälfte glatt. Mittelsegmenthinterfläche flach, oben glatt, glänzend, unten diagonal, grob gerunzelt; Kanten scharf, besonders beim J; an der Seitenecke ein grosser, schaufelförmiger Zahn, dem an der Unterkante 3—4 scharfe, spitzige Zähne folgen. Mittelsegmentseiten von oben bis unten mit groben Längsrunzeln versehen, deren Zwischenräume punktiert sind. Obere Fläche des Mittelsegments grob, ziemlich dicht punktiert. Abdomen mit grau-goldigem Tomente bedeckt; 1. Tergit unpunktiert, 2. auf der basalen Hälfte mit sehr zerstreuten, sehr seichten Punkten; Endrand ziemlich dicht grob punktiert; (stimmt in dieser Beziehung nicht ganz mit GRIBODOs Beschreibung, welcher sagt: „Abdomen segmentis dorsalibus 1. toto, 2. que basi parce te- nuissime punctulatis“). Sternite 2—4 resp. beim J 2—5, ziemlich dicht grob punktiert, das 2. auf der Scheibe etwas zerstreuter als am Rande. Vorkommen; Delagoabay, Lourenzo-Marques (Junod, 1 @ sec. Gribodo); Lebombo, Transvaal (Junod 1 ©, 12. II. 14); Nyassase®, Langenburg (Fülleborn, 19, II. 98); Betschuanaland, Lobatsi (L.Schultz leg. X.1904, 1 9). Das Tier scheint eher selten zu sein. Rh. histrionieum ist vielleicht identisch mit Rh. multispinosum Sauss. aus Port Natal, mit dem es die starke Bedornung der Mittel- segmentkanten gemein hat, von dem es sich aber durch starken Glanz des Dorsulums und des Schildchens unterscheiden soll. Jahrg. 67. Dr. A. v. SCHULTHESS RECHBERG. Zur Kenntnis äthiopischer Vespiden. 39 6. Ihynchium Gribodoi nov. spec. (Fig. 11 u. 12.) Von der Grösse des Rh. histrionicum, mit dem es ausser der Färbung die Bildung und Skulptur des Dorsulums, des Schildchens und des Hinterschildchens gemein hat. Es unterscheidet sich durch das Mittelsegment, dessen Hinterfläche überall fein diagonal gerunzelt und matt ist, dessen Seiten keine Runzeln tragen, sondern mit Aus- nahme der nahe der Kante liegenden Partie, welche eine Anzahl mässig grober Punkte trägt, unpunktiert und matt ist, dessen Seiten- kanten abgerundet sind und dessen Seitenecke keinen Zahn bildet. Die obere Fläche des Mittelsegmentes ist fein runzlig punktiert. Tergit 1 und 2 mit sehr zerstreuten, seichten Punkten (die Punktie- rung dieser Tergite scheint zu variieren). Sternite ziemlich dicht, grob punktiert. Fig. 11. Rh. Gribodoi Fig. 12. Rh. Gribodoi. Kopfschild £ -S Mandibeln, Kopfschild, Unterseite des Fühlerschaftes und unterer Saum der Augenausrandung hellgelb. Kopfschild breiter als lang, unten ziemlich tief, halbkreisförmig ausgerandet (Fig. 11). JS Var. Gelbe Punkte an den Seiten der Tergite. Stipes am Ende stumpf, behaart; Squama schmal, kurz behaart, am Innenrande zweimal gebuchtet, mit medianem Zahn bewehrt; Basalteil der Spatha zwei Drittel so lang als der Apicalteil, Gabel- äste gerade mit zwei blattförmigen Anhängen; Apicalteil plump, an der Basis viel breiter als am Ende. Vorkommen: Westafrika: NO-Rhodesia, Luwingu am Zambese, X. 1908; Kalungwisital, 3500—4200’ XI. 1908; Hochplateau des Tan- ganyikasees 4500’, VIII. 1908 (Neave. leg.); Betschuanaland, Lobatsi, X. 1904 (L. Schultze leg.) (C. m., Mus. Oxford, Mus. Berlin.). B. Odynerus. 1. Subgenus Hoplopus. Kopfschild breiter als lang, unten beim ® flach, beim 5 tief halbkreisförmig ausgerandet. 1. Abdominal- 40 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 segment flach kuppelförmig, halb so lang als am Hinterrande breit. Fühler des J am Ende aufgerollt. 10. Hoplopus Gestroi Magretti —= H.spiniger Schulth. a) Sämtliche Tergite mit grossen gelben Flecken, so dass eine zusamenhängende, seitliche, gelbe Längsbinde entsteht. var. Gestroi Magr. b) Tergit 1—5 oder einzelne derselben mit schmaler, weissgelber, mitten unterbrochener, endständiger Binde. . var. albolimbatus nov. var. c) Abdomen schwarz, nur auf Tergit 1 oder 1 und 2 ein seitlicher, roter, runder Fleck. var. spiniger Schulth. —. Subgenus Lionotus. Kopfschild länger als breit, unten schmal ausgerandet. 1. Abdominalsegment relativ länger, Fühler des J mit hackenförmig umgebogenem Endglied. . 2. Tergite 1 und 2 unpunktiert. Obere Kante des Mittelseg- mentes abgerundet. Seitenecken abgerundet oder mit kurzen Zähn- chen. 3. —. Sämtliche Tergite dicht punktiert. Obere Kante des Mittel- segmentes sehr scharf, oben einen aufrechtstehenden Zahn bildend, der vom Hinterschildchen durch eine tiefe Kluft getrennt ist (0. sim- plex), Seitenecke mit mehreren scharfen Zähnen. 9. O. Meyeri Cameron a) Tergite seitlich mit gelben Mackeln, wie bei O. lateralis, -oder Rh. marginellum, Flügelschuppen meist gelb. var. pseudolateralis Meade-Waldo b) 2. Tergit mit schmaler, endständiger weisser, in der Mitte breit unterbrochener Binde. var. albolimbatus Schulth. _ c) Abdomen ohne helle Zeichnung. var. Meyeri Cameron 3. Sämtliche Tergite unpunktiert 7. O. lateralis F. — truncatus Sauss. a) Sämtliche Tergite mit gelben Seitenmackeln. var. lateralis F. b) Einzelne Tergite mit kleinen, elfenbeingelben Seitenflecken. ‚ var. Jateropietus Bequaert c) Tergite ungefleckt, einfarbig. var. unicolor Schulth. —. Hinterrand der Segmente 2 u. ff. dieht grob punktiert. 8. O. marginipunctatus Meade-Waldo Jahrg. 67. Dr. A. v. SCHULTHESSRECHBERG. Zur Kenntnis äthiopischer Vespiden. 41 7. Odynerus lateralis Fab. G. Meade-Waldo. Trans. Ent. Soe London 1915, pp. 495, 510, 512. J. Bequaert. Bull. Amer. Mus. Nat. Hist. 1918. XXXIX, pp. 180, 181, 303. Körperlänge (bis Hinterrand des 2. Tergits): @ 9,5—11 mm; J 9,5 mm. Var.lateralis Fab. = truncatus Sauss. Et. Fam.Vespides. I. 1852 p. 175. ! Rh.furax Kohl. Ann. k.k. Naturh. Hofmuseum Wien IX (1894) 339, Taf. XV, Fig. 89. Betr. Synonymie vergl. Meade-Waldo a. a. ©. Durch die Güte des Herrn Dr. Maidl, Assistenten am Naturhist. Museum in Wien hatte ich Gelegenheit, typische Exemplare des Rh. furax zu sehen. Es ist kein Zweifel, dass diese Art mit dem Od. lateralis identisch ist. Vorkommen: Westafrika: Senegal, Gabun, Belg. Kongo; Ost- afrika: D. O.-Afrika, Bukoba. Shirati. Var. lateropictus Bequaert J. Bequaert 1. c. p. 181. Tergit 1—4 oder einzelne davon mit elfenbeingelben, endständigen, dreieckigen Querflecken. Vorkommen: Belgischer Kongo, Buma, VI. 1905; Grootfontein, SW.-Afrika. Var. unicolor Schulth. A.v. Schulthess, Soc. ent. XXIX, 1914, St. 57. Meade-Waldo, Trans. Ent. Soc. London. 1914, p. 495. Bequaert 1. c. p. 181, 303. Abdomen vollständig schwarz. Vorkommen: Ostafrika: Ukerewe am Nyassasee; Usumbara; Bukoba; Victoria Nyansa. 8. Odynerus marginipunctatus Meade-Waldo Meade-Waldo. Trans. Ent. Soc. London, 1914, p. 496,513, Pl. XCI, Fig. 6 unterscheidet sich von der vorerwähnten Art dadurch, dass der Hinter- rand der Tergite vom 2. an dicht und grob punktiert ist, während die Tergite bei lateralis unpunktiert oder am Hinterrande nur sehr fein und seicht punktiert sind. 42 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Vorkommen: Nyassaland; Mlanje, X. 1913. NO. Rhodesia, Lu- wingu a. Zambese, X. 1908 (Neave leg.). 9. Odynerus Meyeri Cameron. P. Cameron. Wiss. Ergebn. Schwed. zool. Exped. nach d. Kiliman- djaro ete. II, 8, Hymenoptera (1908), 1910, St. 184. Bequaert ]. c. p. 182, 306 ist charakterisiert durch die ringsum scharfbegrenzte Hinterfläche des Mittelsegmentes, dessen obere Kante zahnartig emporragt und durch eine tiefe Kluft vom Hinterschildchen getrennt ist, dessen Unter- kante mehrere scharfe Zähne trägt. enn MEADE-WALDO diese Art unter diejenigen reiht, deren Mittelsegmentoberkante durch keine Kluft vom Hinterschildchen ge- trennt ist, so ist er damit sicher im Irrtum, wie BEQUAERT ganz richtig bemerkt. Ob Meyeri identisch ist mit dem mir unbekannten O. rhynchoides Sauss., wie BEQUAERT anzunehmen geneigt ist, kann ich nicht entscheiden. Var. pseudolateralis Meade-Waldo Meade-Waldo 1. e. p. 494, 509. Breite gelbe Längsbinden wie lateralis-lateralis. Vorkommen: Westafrika: N. Nigeria, Gambia, Belg. Kongo. Var. albolimbatus Schulth. A. v.Schulthess. Soc. Ent. XXIX, 1914, St. 57. Meade-Waldo 1. c. p. 494. Hinterrand von Tergit 2 mit schmaler, meist mitten breit unter- brochener Binde. Vorkommen: Westafrika: Belg. Kongo. Ostafrika: Nyassase®, Rhodesia, Betschuanaland, Damaraland, Lourenzo-Marques. X. 21, Var. Meyeri Cameron. P. Cameron a. a. 0. Abdomen ganz schwarz. Vorkommen: Meruland, Ostafrika. 10. Odynerus (Hoplopus) Gestroi Magretti ! Rhynchium Gestroi Magretti. Ann. Mus Civ. Genova. Ser. 2. Vol.l 1884, p. 614. Odynerus (Hoplopus) spiniger Schulthess. Soc. Ent. XXIX, 1914, St. 73, Fig. Jahrg. 67. Dr. A. v. SCHULTHESS RECHBERG. Zur Kenntnis äthiopischer Vespiden. 43 Meade-Waldo 1. c. p. 498, 518. (Fig. 13) OÖ. spiniger ist, wie ich mich an Hand der Type, die ich durch die Freundlichkeit des stets dienstbereiten Direktors des Genueser Mu- seums, Dr. GESTRO erhielt, überzeugen konnte und wie BEQUAERT vermutet, synonym mit Rhynchium Gestroi Magretti. Doch ist das Tier gewiss eher ein Hoplopus als ein Rhynchium, denn schon der . allgemeine Habitus, die Form des Mittelsegmentes und besonders die am Ende aufgerollten Fühler des 5 weisen auf das Genus Hoplopus hin. Der Längenindex der Kiefertasterglieder ist 25:24:20:12:10:12. Auffällig an dieser Art ist die in einen Dorn ausgezogene Ecke des Mittelsegments. Fig. 13. Od. Gestroi. Var. @estroi Magretti Helle seitliche Längsbinde am Abdomen. x Vorkommen: Ostafrika: Cheren, Erythraea; NO-Rhodesia, Chin- sali, 4300’; Kalahari; Kapland. Var. albolimbatus nov. var. Tergite 1—5 oder einzelne davon mit schmaler, weisslich-gelber, mitten meist breit unterbrochener Endbinde. Vorkommen: Britisch-Ostafrika. Var. spiniger Schulth. Tergite ohne helle Binden oder Flecke. Vorkommen: Kalahariwüste Südafrika. Tergite seitlich mit grossen gelben Flecken, welche eine breite, zusammenhängende Längslinie bilden Tergite mit schmaler, end- ständiger, mitten unterbro- ehener Binde, oder kleinen Seitenflecken Abdomen ohne helle Fär- bung Rhynchium marginellum oculatum ceyanopterum histrionicum Gribodoi Neavei aenigmaticum Hoplopus Gestroi Var. Gestroi Var.lateropietus Var. spiniger Lionotus Gruppe simplex O. Meyeri Var.pseulateralis Var.albolimbatus Var. Meyeri Lionotus Gruppe floricola O. lateralis O. lateralis Var. lateropictus O. marginipunc- tatus O. lateralis Var. unicolor -yaLamz ur IFeyospjosag) ‘Jinyen dop Y7LIyossayef[o]1ot‘ Gc6hl Geologische Nachlese. Von ArsEertT Hem. (Als Manuskript eingegangen am 2. März 1922.) Nr. 27. Über die Gipfelflur der Alpen. Wenn wir von einem recht beherrschenden Aussichtspunkte das Gipfelmeer der Alpen überschauen, so fällt sofort auf, dass die Gipfel- höhen zonen- oder regionenweise eine auffallende Ausgeglichenheit zeigen. Mitten in einer Bergregion drin gibt es keine einzelnen wirk- lichen Kulminationen von bedeutend niedrigeren Höhen und auch keine solchen, welche die umgebenden Gipfel wesentlich und stark über- ragen. Die Ausnahmen von dieser Gebundenheit der Gipfel: an eine ausgeglichene Höhe, die etwa auffallen mögen, sind fast immer be- scheidener Art. Sie können auf einige hundert Meter steigen, aber nicht einmal auf 1000 m. So überragt der Glärnisch die Gipfel seiner Zone um etwa 400 m, der Tödi ist ebenfalls etwa 400 m zu hoch. Von einem etwas hinausgeschobenen Standpunkte, wie Hohen- twiel, Weissenstein, Säntis, Mythen sieht man, nach E oder W blickend, wie die Gipfelhöhe vom Molasseland aus gegen die inneren Ketten auffallend regelmässig zunimmt, um ungefähr in den Kämmen der Hauptwasserscheiden ihr Maximum zu erreichen. Jenseits nimmt sie wieder ab. Es ist Allen, die in unsern Alpen etwas bewandert sind, ganz selbstverständlich, dass es z. B. im Kanton Schwyz keinen Gipfel geben kann, der 3000 m erreichen oder übersteigen würde. Ein 4000 m hoher Berg am Vierwaldstättersee, etwa anstelle des Pi- latus oder der Bauenstöcke, wäre etwas Unerhörtes, Unmögliches. Aber ebenso wäre im Wasserscheidegrat Calanda-Tödi-Rhonestock- Finsteraarhorn-Bietschhorn-Wildhorn-Dents de Morcles oderimWasser- scheidegrat zwischen Rhone- und Aostatal ein wirklicher selbständiger Hauptgipfel von bloss Rigihöhe ein Ding der Unmöglichkeit. Ebenso- wenig ist im Juragebirge ein Gipfel von 2000 bis 3000 m denkbar. Es gibt keine einzelnen viel niedrigeren und keine einzelnen viel höheren Gipfel zerstreut mitten unter solchen einer bestimmten Höhe. 46 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Die Gipfelhöhen sind regionenweise auf bestimmte Beträge eingestellt und ausgeglichen. Freilich dürfen wir diese Beob- achtung nicht in unserer Vorstellung übertreiben. Es handelt sich da nicht um ein strenges Gesetz, sondern um eine Regel innerhalb ge- wissen Grenzen, die, wie wir noch zeigen werden, aus der Zusammen- arbeit mehrerer Faktoren hervorgeht. Die lokale Unregelmässigkeit eines der Faktoren oder eine ausnahmsweise Interferenz, wo sonst Coincidenz besteht, kann Ausnahmen zur Folge haben. So weit ich die Alpen kenne, erinnere ich mich aber bloss an eine wirklich schla- gende grosse Ausnahme von der Regel, das ist der seine Nachbarn um 800 bis 1000 m überragende Monte Viso in den Westalpen. Fast alle anderen Ausnahmen sind dem Betrage nach gering, und oft aus lokalen Erscheinungen begreiflich. Die Geographen haben ein besonderes Geschick entwickelt, für allerlei Erscheinungen ein passendes Schlagwort zur Bezeichnung zu erfinden. Wir dürfen uns immer freuen, wenn das Wort zugleich frei von einer Theorie ist. So hat ALBR. PENCK 1919 für die uns beschäftigende Erscheinung der ausgeglichenen Gipfelhöhen die Bezeich- nung „Gipfelflur* geprägt. Geographen — mehr als Geologen — haben sich schon früher, bevor der Name gegeben war, oft mit der Gipfelflur beschäftigt und verschiedene Erklärungen versucht, bevor die Erscheinung selbst näher geprüft worden war. PENCK bespricht („Die Gipfelflur der Alpen“, Sitzungsberichte der preuss. Akad. d. W. 27. III. 1919) die verschiedenen Erklärungsversuche und legt seine in die Wege leitenden Gedanken dar, indesssen ohne zu einem Ab- schluss in der Erklärung zu gelangen. Manchen Geologen war der Gedanke naheliegend, dass eine ursprüngliche Zunahme der Faltenhöhen vom Rand gegen das Innere des Gebirges auch das Ansteigen der Gipfelflur in gleichem Sinne bedinge. Diese Ansicht beruht auf der Annahme, dass die Falten des Gebirges autochthon seien, d. h. da in der Tiefe wurzeln, wo sie stehen. Die Gipfelflur war darnach bedingt durch eine Ausge- glichenheit oderregelmässige Verteilung der Aufstau- ungshöhen. Den Abtrag durch Abwitterung mochte man sich überall etwa gleich stark denken. Manche Geographen dachten sich, das Gebirge müsste ul- sprünglich mehr Plateauform gehabt haben, es sei dann durch Ver- witterung und Talbildung zerstückelt worden und die Gipfelhöhen seien durch die ursprüngliche Plateaufläche, von der die Gipfel die angenäherten Reste seien, bedingt und deshalb an eine „Flur* g@ bunden. Innerhalb dieser Anschauung gab es solche, die die Gipfel- Jahrg. 67 ALBERT HEım. Geologische Nachlese. 47 flur für die Folge eines ursprünglichen Aufstauungsplateau ansahen, und andere, welche sie von einem späteren Stadium ableiteten, da ein beliebig geformtes Gebirge für gewisse Zeit zur Fastebene ab- getragen worden war. Einzelne gingen sogar so weit, die Neubelebung der Fastebene einer Taleintiefung durch Gletschererosion zuzuschreiben, so dass dann die Gipfelflur für die Reste einer „präglazialen“ Ober- fläche gelten musste. Wir müssen gestehen, dass eine geometrisch scharfe De- finition des Begriffes der „Gipfelflur“ bisher noch vergeblich gesucht worden ist. Vielleicht ist sie prinzipiell unmöglich, indem sie eine Erscheinung bezeichnet, die nicht geometrisch begrenzbar ist, obschon sie tatsächlich besteht. Keineswegs darf die mittlere Höhe aller Gipfel als Gipfelflur genommen werden. Vielmehr handelt es sich um die höchsten Gipfel. Die Gipfelflur wird vorläufig am ehesten gemessen werden können als die mittlere Höhe der höch- sten Gipfel. Dieselbe muss aber berechnet werden unter Ausschei- dung allfälliger ganz vereinzelter, die Gipfelflur durchbrechender höchster Gipfel, die als seltene Ausnahmen auftreten können und für sich gesondert zu erklären sein werden. Wir können die Gipfelflur auch nicht definieren als die Lage, welche eine vom Himmel auf das Gebirge gesenkte steife Ebene einnehmen würde, denn diese würde Sich nur nach den drei höchsten Gipfeln einstellen, darunter vor allen nach den der Gipfelflur spottenden zu hohen Gipfel. Die Entscheidung, welche und wie viel von den höchsten Gipfeln wir zur Berechnung der Gipfelflur benützen sollen, ist nicht allgemein anzugeben, sondern bleibt vorläufig unserm Taktgefühl überlassen. Selbstverständlich.darf bei allen diesen Betrachtungen niemals ein Nebengipfel, ein blosser Schultergipfel einer höheren Masse als Gipfel gezählt werden. Es handelt sich hier stets um die relativ selbständigen Kulminationen eines Gebirges. Es gibt Bergregionen, in welchen sich anscheinend zwei verschiedene Gipfelluren durchdringen, unter fast gänzlichem Ausschluss von zwischenliegenden Gipfelhöhen. Der Fall von zwei übereinanderliegenden Gipfelfluren, auf den wohl Dr. FR. LEVY, (brief- lich an mich), zuerst hingewiesen hat, ist für die Theorie der Gipfel- fur von Bedeutung. Er schliesst jede Erklärung aus, nach welcher eine Gipfelflur restlos zerstört — aufgefressen — werden müsste, wenn eine andere im gleichen Gebiete sich einnistet. Der Fall ist indessen selten und der Niveauunterschied der übereinanderliegenden Gipfelfluren bescheiden (hunderte, nicht tausende von Metern), so dass vielleicht die doppelte Gipfelflur in die Kategorie der ausnahmsweisen Überschreitungen der Flurhöhen hinüberleitet. 48 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Gewiss ist die Gipfelflur zunächst eine Erscheinung der Ober- flächengestaltung. Allein wir würden auf Irrwege geraten, wenn wir daraus entnehmen wollten, dass die bloss „morphologische* Betrachtung uns zur vollen Einsicht in ihr Wesen führen könnte. Die geologische Prüfung muss vor allen andern in ihr Recht treten. Eine Prüfung der Glieder einer Gipfelflur nach ihrem inneren Bau be- weist sofort auf das Schlagendste, dass sowohl die Annahme, die Gipfelflur entspreche den ursprünglichen Stauungshöhen, als auch sie bestehe aus Relikten einer ursprünglichen oder vorübergehend er- reichten Plateaugestalt falsch sind und sich nicht vereinbaren lassen mit dem inneren Aufbau des ganzen Gebirges. Wir treten den Beweis hierfür an, indem wir an einigen Bei- spielen zeigen, welcher Widerspruch, welche Unabhängigkeit zwi- schen innerem Aufbau und Gipfelflur besteht. Die Gipfelflur be- steht dem inneren Bau zum Trotze, sie hat denselben überwunden. Erstes Beispiel. Die nördlichen helvetischen Decken mit stellenweise eingelagerten Klippen bilden eine Gipfelflur vom Molasse- land alpeneinwärts ansteigend. In der nördlichsten Zone dieser Gipfel- flur finden wir unter anderen ähnlichen folgende Gipfelreihe: Rigi 1800 m, Rigihochfluh 1702, Kleine Mythen 1875, Grosse Mythe 1902, Roggenstock 1777, Leiterstollen 1780, Biet 1965, Fluh- brig 2095 — vom Lemansee bis Bodensee keinen Dreitausender da- zwischen! Nach dem innern Bau besteht die Rigi aus Molasse, die Rigi- hochfluh ist äusserste Brandungskette der helvetischen Kreidedecken. Nach der Zinggelenegg sinkt diese, aus der Deckenstirn gebildete Kette axial in die Tiefe. Von Mythen bis Roggenstock sind die Gipfel aus dem aufliegenden höheren Stockwerk der Klippendecke gebildet, bei Iberg tauchen die helvetischen Kreidedecken wieder aus der Flysch- decke auf und bilden wieder die Gipfel. Die Klippendecke ging einst vom Stanserhorn zusammenhängend über Rigihochfluh nach den Mythen. Nach dem inneren Bau sollten die Gipfel der Rigihochfluh und des Biet um etwa 1500 m höher sein, als sie heute sind. Von diesen Gipfeln ist das ganze Gebirgsstockwerk, das die Mythen von Seewen bis an ihre Gipfel hinauf bildet, abgetragen worden. Verwitterungs- abtrag hat diese benachbarten Gipfel, die durch ihren innern Bau um 1500 bis 2000 m ungleich hoch angelegt waren, auf dieselbe Gipfel- flur ausgeglichen. Hier gab es keine primär ähnliche Aufstauungs höhe und keine gemeinsame Plateaufläche, der die Gipfel jemals hätten angehören können. Jahrg. 67. ALBERT HEIM. Geologische Nachlese. 49 Zweites Beispiel. Die in der Hauptsache autochthone Kette am N-Rand des Aarmassives weist folgende Gipfel auf: Calanda 2808, Ringelspitz 3206, Sardona 3118, Vorab 3030, Hausstock 3156, Selb- sanft 3024, Clariden 3270, Scheerhorn 3296, Ruchen 3138, Windgälle 3192 und 2988. Wir können auch noch die benachbarten Gipfel auf dem Rücken oder im Innern des Zentralmassives (östlicher Teil des Aarmassives) dazu nehmen: Piz Tumbif 3250, P. Ner 3070, P. Gliems 2913, P. Cambriales 3208, Düssistock 3262, P. Cavardiras 2905, Ober- alpstock 3330, P. Giuf 3098, Bristenstock 3075, Crispalt 3080, Rienzer- stock 2980. Auch westlich des Reusstales setzt sich am N-Rand des Aarmassives die gleiche Gipfelflur fort in: Schlossberg 3133, Spannort 3205, Krönte 3108, Seewenstock 2966, Grassen 2945, Titlis 3233, Gyglistock 2900, Mährenhörner 2824, Die mittleren Höhen aller dieser genannten Hauptgipfel des Ge- birges mit Ausschluss des Tödi 3623 und seiner nächsten Schulter- gipfel (Stockgron 3418, P. Urlaun 3372, Bifertenstock 3426) beträgt 3091 oder mit Ausschluss der beiden abfallenden Endglieder 3110 m. Nehmen wir den östlichsten und den westlichsten weg, so geht das Gipfelhöhenminimum nicht unter 2900, und nehmen wir noch den höchsten der kristallinen, den Oberalpstock weg, so geht das Gipfel- höhenmaximum nicht auf 3300 m hinauf. Die Gipfelflur, die wir hier als charakteristisch vom Rhein bis über die Reuss angeben kön- nen, umfasst also die Höhenzone 2900—3300 m, sie beträgt 3100 + 200 m. Diese auffallend gleich hohen Gipfel gehören aber ganz ver- schiedenen Stockwerken des alpinen Faltenbaues an. Von der Aare durch die Reussregion gegen E sinkt der Rücken des alt- kristallinen Aarmassives ab. Es sinken ferner mit ihm die autochthonen und parautochthonen Falten seines Sedimentmantels, wie sie an seinem N-Rande entlang laufen, gegen E ab. Ferner sinken, wenigstens strecken- Weise, gegen Osten ab die helvetischen Decken, die das Aarmassiv überbrandet und sich dann an dessen N-Seite ausgebreitet haben. Die gesamte Absenkung dieses Faltenbaues vom Querprofil des Titlis bis an den Ringelspitz beträgt 4500 bis 5000 m. Der Calanda ist aus dem dort noch einmal etwas aufgewölbten authochthonen Sedi- mentmantel und den daraus nach N vorgequetschten parautochthonen Falten gebaut. Auf der Ringelspitze liegt über dem Rückenflysch des Aarmassivmantels noch die Verrucanobasis der unteren helve- tischen Decken aufgeschoben, und in Sardona und Vorab sind von denselben ca. 500 m erhalten. Diese Gipfel unserer Gipfelflur ent- halten die höchsten hier noch erhaltenen Teile des alpinen Baues. Vierteljahrsschrift d. Naturf.Ges. Zürich. Jahrg.67. 1922, 4 50 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Gegen W nimmt der Abtrag zu. Am Hausstock liegen nur noch ca. 200 m helvetisches Deckengebirge. Am Selbsanft ist dieses abgetragen bis auf den autochthonen und gegen den N-Gipfel parautochthonen Nummulitenkalk. Die Gipfelreihe der Clariden liegt in parautoch- thonen Schuppen. Im Scheerhorn finden wir unter den letzten Spuren derselben das autochthone Eocaen des Gewölbeschenkels einer mäch- tigen nördlichen Randfalte des autochthonen Sedimentmantels des Fig. 1. Schematisches Querprofil durch den östlichen Teil des Aarmassives zur Angabe der tektonischen Lage der Gipfel einer Gipfelflur. Massstab ungefähr 1: 100.000. 1 = Altkristallin des Aarmassives, 2 — Verrucano der unteren helvetischen Decken, 3 = Mesozoikum des autochthonen Massivmantels, 4 — Flysch. I = untere und mittlere helvetische Decken (nur angedeutet), II — obere helvetische Decken, III = Klippendecke (unterostalpin). A = Gipfel: Ri = Ringelspitz, B = Brigelserhörner, D = P. Dartjes, V = Vorab, H = Hausstock, Se = Selbsanft, GC = Claridengrat (Gemsfayer bis Kamnmlistock), S = Scheerhorn, R = Gross-Ruchen, W, = grosse Windgälle, W, = kleine Wind- gälle, K = Krönte, Sp = Spannort, Sch —= Schlossberg, T = Titlis, Br = Bristen- stock, Ca = P. Cambriales, G = P. Giuf. Aarmassives, das ist die sogenannte „Windgällenfalte“. Der Ober- rand des Malm dieser Falte steht flach unter dem Scheerhorngipfel bei ca. 2800 m. Der Scheerhorngipfel ist aus parautochthoner Kreide und dem Eocaen des obersten Teiles des Gewölbeschenkels der Wind- gällenfalte geschnitten. Wie diese Falte gegen W ansteigt, so 8% hören nun die verschiedenen Gipfel der Gipfelflur, um gleichhoch zu bleiben; stets tieferen Teilen der Falte an: Die Gewölbeumbiegung des Malm bildet in steilen Platten den Ruchen und besonders die Jahrg. 67. ALBERT HEIM. Geologische Nachlese. 51 Windgälle. Die kleine Windgälle ist aus dem liegenden Gewölbekern (Porphyr) und dem Verkehrtschenkel geschnitten. Im Schlossberg reicht das Eocaen der Mulde noch an den Grat, der in der Haupt- sache aus dem Malmmuldenschenkel gebildet wird. Der Titlis gehört einer noch tiefer nördlich abfallenden Streichzone desselben autoch- thonen Malmmuldenschenkels an. Die nebenstehende Figur 1 erläu- tert die relative tektonische Stellung der einzelnen Gipfel innerhalb der Zone Vorab-Titlis. Vom Titlisgipfel sind also im Vergleich zum Scheerhorn vollständig abgetragen worden: Der Muldenkern, der Ver- kehrtschenkel, der Gewölbekern und der Gewölbeschenkel der Wind- gällenfalte und überdies noch Kreide der parautochthonen Hohefaulen- und Griesstockdecken, was wenigstens 2500 m vertikalen Abtrages bedeutet. Aber das Scheerhorn selbst war noch mehr als 4000 m höher geboren, denn von ihm sind die hier mächtigen helvetischen Decken, dazu noch die ostalpinen (Klippendecken) abgetragen worden. Gewiss stieg im Querprofil gegen das Innere des Massives der Sedimentmantel des Aarmassives noch viel höher. Das einzige Relikt desselben auf dem E fallenden Rücken, der Tödi, weist gegen W hoch hinauf. Auf dem Gipfel des P. Cambriales liegt gerade noch eine Rötidolomitmulde als Rest einer tiefstgreifenden Sedimenteinfal- tung im Aarmassiv. Aber dennoch reihen sich die mitten aus dem altkristallinen Massiv herausmodellierten Gipfel P. Ner, Gliems, Cam- briales, Düssistock, Cavardiras, Giuf, Bristenstock, Crispalt, Rienzer- stock etc. in dieselbe Gipfelflur. Es müssen von diesen Gipfeln Ab- träge von 4000 bis 6000 oder mehr Meter stattgefunden haben, um sie der Gipfelflur von 3100 m einzuzwingen. Die Gipfelflur hat sich durchgeschlagen, indem sie Gipfel wie Vorab und Hausstock einerseits und Bristenstock oder P. Giuf ande- rerseits auf gleiches Niveau brachte, während dabei den letzteren heute ca. 3000 m mehr ursprünglich gelagertes Gestein weggenommen worden, und sie überdies im Faltenbau in jenen abgetragenen Teilen einem wenigstens 5000 bis 6000 m höher aufgestauten Stockwerk der Alpen angehören, also im ganzen ca. 8000 m höher sein sollten. Der Vorab steht noch da als autochthon aufgefaltetes Gebirge von der Sohle bis zum Kragen und trägt noch eine Kappe von helvetischer Überschiebung, der Bristenstock ist bis weit in seine Wurzel hinab ganz abgetragen — und doch sind sie gleich hoch! Der Zwang zur Gipfelflur hat den inneren Bau überwunden und beherrscht die Formen und im besonderen die Gipfelhöhen des Gebirges. Drittes Beispiel. Ein weiteres sprechendes Beispiel für die Überwältigung des inneren Gebirgsbaues durch die Erscheinung der 52 Gipfelflur weisen uns die Kalkhochalpen zwischen Gemmi und Rhonetal und darüber hinaus auf. Die Kette erstreckt sich zwi- schen Aar- und Aiguilles Rouges-Massiv und füllt eine tiefe Einsattlung zwischen den beiden kri- stallinen Massiven aus. Die Gipfel sind von WSW nach ENE: Dents du Midi 3260, Dents de Morcles 2980, Muveran 3016, Dia- blerets 3246, Wildhorn 3268, Wildstrubel 3252, Balmhorn 3712, Bietsch- horn 3953. Die letzten hohen Zahlen deuten das Ansteigen zur höheren Gipfelflur der Bernerober- länder an. Unsere Fig. 2 gibt ein Längsprofil durch die Kette und kennzeich- net besser als viele Worte die Erscheinung. Wenn die Wildhorndecke mit ihrer Oberkante am Rawylpass 2415 m hoch liegt, muss- ten die gleichen Stock- werke des Gebirgsbaues am Bietschhorn auf 12400 mundan den DentsduMidi auf 10000 m Höhe aufge- türmt worden sein, ohne den Verwitterungsabtrag. Von den Dents du Midi bis an den Lötschenpass, soweit noch mesozoische Sedimente dem Altkristal- lin aufliegen, sind Berge, Im Hintergrund: Bietschhorn Diablerets Wildhorn Wildstrubel Balmhorn de Morceles Muveran Salantin Dents du Midi 3953 3252 2495 3261 Lötschental Gemmi Sanetschpass Rawylpass Pas de Cheville Rhonetal 23329 2415 2049 1: 400000 Fig. 2. Schematisches Längsprofil zwischen Aig. Rouges- und Aar-Massiv. En o © — 2 .-— un un & & ni 5: « ._ — o P=} o ._— - = an © on = pP — ee] In © > Mesozoikum, punktiert — tertiär, schwarz — eingewickelte Trias, „N&oeomien ä Gephalopodes“, ultrahelvetisch. u darunter : Jahrg. 67. ALBERT HEIM. Geologische Nachlese. 53 welche um ca. 6500 m verschieden hoch sein sollten, alle ausgeglichen auf die Gipfelflur von 3200 —3300 m. Der Sattel, der vom altkristal- linen Massiv der Aiguilles Rouges gegen ENE um annähernd 6000 m sich einsenkt (bis ca. 3500 m unter Meer) und dann im Aarmassiv mit seinem ENE-Flügel wieder auf 9000 bis 10000 m emporsteigt, diese longitudinale Einsenkung von ca. 60 km Länge und 8 km Tiefe ist durch die Gipfelflur in den Gebirgshöhen ganz zum Verschwinden gebracht. Sie hat im Sattel die 3 bis 4 übereinander geschobenen helvetischen Decken unzerstört stehen gelassen, die gleichen aber gegen die Massive hin sukzessive abgetragen samt Teilen des Aarmas- sives selbst. Längst sind kleinere Längsprofilstücke hie und da gezeichnet worden. Solche über grössere Strecken sind im Gebiete der West- alpen zuerst von E. ARGAND (Beiträge Lfg. XXVII n.F. Planche III zu Spezialkarte 64), über die Ostalpen von R. STAUB (Vierteljahrs- schrift der N. G. Zürich, Festschrift 1919) gegeben worden. Sie haben unsere Einsicht in die Verhältnisse wesentlich vermehrt. Das Ver- folgen der Falten in ihrem Längsverlauf lehrt uns vor allem ihre Mächtigkeiten feststellen und die normale Folge der tektonischen Stockwerke und die Ausbreitung derselben unter- und übereinander erkennen. Das rücksichtslose orographische Abschneiden zur Gipfelflur in Kollision mit den wohl bis zu 40—50 km betragenden axialen Höhenschwankungen der Falten und Decken hat es zustande gebracht, dass in den Gebieten axialer Aufwölbung die tieferen Glieder des alpinen Bauwerkes angeschnitten entblösst liegen, in den axialen Ein- senkungen dagegen die höheren zur Untersuchung präpariert erhalten geblieben sind. Die genannten Profile von ARGAND und STAUB sind prachtvolle Bilder dieser grossartigen Erscheinung. Die durchgreifendste axiale Höhenschwankung im Alpenbau, die alle Falten und Decken mächtig betroffen hat, ist so scharf ausge- Sprochen, dass sie den Namen einer Querflexur verdient. Sie läuft vom Bodensee bis an Septimer — Maloja — P. Tremoggia. Im Norden ist sie scharf und konzentriert ausgebildet, so dass z. B. am Alvier, Gonzen, Fläscherberg, Calanda die Falten mit 20 bis 60 ° von W gegen E abbiegen, wobei die Schichten quer streichen. Gegen S wird das östliche Axengefälle gelinder, die Flexur aber verteilt sich auf eine In der Streichrichtung der Falten viel breitere Zone. Diese axiale Absenkung von W gegen E vom Bodensee bis über die Maloja rei- chend, hat die Alpen in W-Alpen und E-Alpen geschieden. Auf dieser Querzone tauchen die W-Alpen unter die E-Alpen. Aber W-Alpen und E-Alpen sind nicht zwei verschiedene Gebirge, die zusammen- 54 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 geschweisst wären. Vielmehr sind die ganzen Alpen durch einheit- lichen S-N bis SE-NW-Schub zusammengestaut worden. Gleiche Deck- falten gehen von W nach E hinüber. Allein sie sind alle auf der W-Seite höher aufgestaut und liegen auf der E-Seite viel tiefer. In den W-Alpen steckt, den Deckfalten vorliegend, eine altversteifte und durch den alpinen Schub hervorgepresste Schwelle: die Reihe der autochthonen Zentralmassive. An dieser musste sich im W der Alpenschub anstauen, bis manche Decken die Schwelle zu überbranden vermochten. Die östlichste Ent- blössung der autochthon zentralmassivischen Schwelle ist die Fort- setzung des Aarmassives in zwei Teilen bei Vättis und bei Tamins, beide in der Kunkelspasslinie gelegen. Unter dem Calanda tauchen die autochthonen Massive gegen E endgültig zur Tiefe. Die E-Alpen enthalten keine dem Schub im Wege stehende autoch- thone Massivschwelle. Deshalb mussten sich hier die Decken nicht zur W-alpinen Höhe aufstauen. Vielmehr flossen sie ungehemmt in tieferer Lage hinaus gegen N. In der östlichen Endigung der autochthonen Massivreihe im Kern des Calanda liegt die mechanische Ursache für den ganzen Unterschied von W-Alpen und E-Alpen. W der Linie Bodensee—Septimer werden die Alpen gebildet aus autochthonen Massiven und ihren Sedimentmänteln, aus helvetischen Decken, welche vom S-Rand der autochthonen Massive über dieselben gestossen worden sind, und von penninischen Decken, welche in der Hauptsache $ der autochthonen Massive angestaut sind und dieselben nur noch mit ihren äussersten und höchsten Massen überbrandet haben. E der Linie Bodensee-Septimer sind die helvetischen Decken, ohne über eine autochthone Schwelle steigen zu müssen, bis an den N-Rand vorgeschürft, darüber gehen penninische Massen, die alle etwas weiter $ zurückbleiben. Sie bilden zusammen die sichtbare Unterlage, auf welcher dann höhere noch weiter im S wurzelnde Decken mit wesentlich anderem Gesteinsbestand (ostalpine Trias etc.) über alles hinausgeschoben worden sind. Dies sind die unter- und ober-ostalpinen Decken, wurzelnd im N-Rand der Dinaridenzonen. Diese ostalpinen Decken gingen ursprünglich über einen grossen Teil der Westalpen hinaus. Sie sind aber dort bis an die Querflexur in der Hauptsache durch Verwitterung abgetragen. Nur vereinzelte, teils auch passiv verschleppte Stücke dieser gewaltigsten gefalteten, überschobenen Gebirgsplatte, die Prealpes romandes und die „Klippen“ der Zentralschweiz, sind als Reste da erhalten geblieben, wo sie sich in tiefere Lage retten konnten. Wir wollen zur Feststellung der Erscheinungen der Gipfelflur Jahrg. 67. ALsert Heım. Geologische Nachlese. 55 eine nördliche Zone von den E-Alpen in die W-Alpen und nachher eine südlichere verfolgen. Wir werden sehen, dass die Erscheinung der Gipfelflur auch den Unterschied von E-Alpen und W-Alpen in den Berghöhen überwunden hat. Viertes Beispiel. Die bezeichnenden Gipfelhöhen von E nach W aus der Zone Rhätikon-Linthtal, die die Querflexur überbrückt, sind unter Angabe der tektonischen Zugehörigkeit der Gipfel: a) Ostalpen (östlich des Rheines) Madrishorn 2830 m oberostalpines Altkristallin _ Sulzfluh 2820 m unterostalpiner Malm Drusenfluh 2829 m ” x Scesaplana 2969 m oberostalpines Rhät Falknis 2601 m unterorstalpine Kreide R a ösın Me: im nördlichen Rhätikon gelegene Wetterspitz 2898 m ee Gipfel, bestehend aus oberostal- arseierspitz 3034 m ö Tri Mädelergabel 2650 m | Pr HB Riffler 3180 m oberostalpines Altkristallin b) Westalpen (westlich des Rheines) Calanda 2808 m parautochthone helvetische Kreide P. Sol (graue Hörner) 2847 m Ringelspitz 3206 m P, Segnes 3102 m | Verrucano der unteren helvetischen Kärpfstock 2798 m [ Decken Vorab 3025 m Hausstock 3156 m Selbsanft 3024 m autochthones Eocaen ; Glärnisch 2913 m Kreide der mittleren helvet. Decken. Alle Gipfel der Reihe a (östlich des Rheines) sind aus den Ge- steinen der ostalpinen Decken geschnitten. Im Vergleich damit sind von allen den Gipfeln b (westlich des Rheines) abgetragen worden von oben nach unten sämtliche ostalpinen Decken: oberostalpines Mesozoikum und Altkristallin (Silvrettakristallin), unterostalpines Mesozoikum, penninischer Flysch, helvetische Decken ganz oder zu einem grossen Teil, beim Selbsanft auch noch der autochthone Flysch. Die Mächtigkeitsschätzungen dieser abgetragenen Stockwerke stellen Sich in der in Betracht fallenden Zone ungefähr wie folgt: OÖberostalpines Mesozoikum ca. 1000 m (vorhanden an der Scesaplana). Oberostalpines Kristallin (Silvrettakristallin), das im Osten 56 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 bis über 5000 m mächtig ist, mag am Madriserhorn noch 1000 bis 2000 m betragen haben, keilt aber gegen W zwischen Sulzfluh und Scesaplana vollständig aus, und reichte wohl niemals anders als in dünnen Schürflingen weiter nach W — kommt also für den dortigen Abtrag nicht in Rechnung. Unterostalpiner Jura, Kreide und Flysch, vorhanden von Madrisa bis Falknis, ohne Faltung ausgeplättet normal gedacht ca. 1500 m, bald ausgewalzt auf 100 m, bald zusammengestaut bis auf 3500 m. PenninischerFlysch (Prättigauschiefer), nie einfach gelagert, stets zusammengestaut auf 3000-5000 m, westlich des Rheins wohl . stellenweise bis auf wenige hundert Meter, oder sogar ganz ausge- quetscht. HelvetischeDecken direkt über dem Aarmassivrücken (über Calanda) wohl ausgewalzt auf wenige 100 m oder gar stellenweise bis zum Verschwinden tektonisch abgeschürft, nördlich der Scheitel- höhe der autochthonen Kette und gegen W stark zunehmend auf Beträge von 3000 m, die durch Faltung noch stark vermehrt sein können. Der autochthone Sedimentmantel des Aarmassives hat primär bei normaler Lagerung ca. 1000 m Mesozoikum und darüber weit über 1000 m Tertiär. Autochthones Mesozoikum ist in par- autochthonen Schuppen und Falten bis auf das dreifache gehäuft, der Flysch dazwischen ist dagegen meist ausgequetscht und gegen N zu- sammengestaut. Vom ganzen autochthonen Sedimentmantel kom- men als Abtrag für den Selbsanft nur ca. 1000 m in Betracht. Unter den übrigen Gipfeln ist aber fast diese ganze autochthone Sediment- masse noch vorhanden. Wenn wir die Veränderlichkeiten in der Dicke der einzelnen tek- tonischen Stockwerke von einer Stelle zur andern je nach Ausquet- schung oder Anstauung, oder nach Auskeilen mit in Rechnung ziehen, so kommen wir im ganzen zu dem Resultate, dass auf der W-Seite des Rheines wenigstens 6000 m, meistens ca. 8000 m abgetragen worden sind, die östlich des Rheines noch im Gebirge enthalten sind. Alle die Gesteinsmassen, die das Rhätikongebirge bilden, von der Sohle des Rheintales bis hinauf zum Gipfel der Scesaplana sind auf der W-Seite verschwunden, während die tieferen Sockel in die Gipfel hin- aufsteigen. Die Mächtigkeit des im W Abgetragenen entspricht der östlichen Absenkung des Gebirges und gleicht die Alpen beiderseits der grossen Querflexur zur gleichen Gipfelflur aus. Wenn die Ge steinslagen vom Rheinniveau bis zum Scesaplanagipfel auch noch im Jahrg. 67. ALBERT HEIM. Geologische Nachlese. 57 W erhalten wären, so würden sie dort einen Tödigipfel aus oberost- alpinen Juraschichten von 12000 bis 13000 m Höhe bilden. Abermals ergibt sich das Resultat: Die Gipfelflur hat die Berge erniedrigt und ihre nach dem Erdrindenbau und seiner Faltung so ungleichen Berghöhen um Tausende von Metern ausgeglichen. Fünftes Beispiel. Im südlichen Teil der Alpen liegen im Gebiete des Tessin die Falten und Decken am höchsten. Im oberen Tessintal und im Antigoriotal sind die tiefsten entblössten Unterlagen aufgeschlossen. Von da weg sinken sie alle axial gegen E undW ab. Aus ihren Abwitterungskanten entstehen S-N laufende Querkämme im Gebirge. Ein E-Fallen von 20—30° beherrscht alle Gebirge: Luk- maniermassiv über 3000 m mächtig, Val Blegnio, Simano, Adula je ca. 5000 m, San Bernardinopass, Tambomassiv ca. 4000 m, Splügen, Surettamassiv ca. 3000 m, Avers—Oberhalbsteiner-Sedimentzone ca. 4000 m, Gruppe des Piz d’Err bis über den Albulapass (Errdecke und Berninadecke) ca. 3000 m. Im Tessin stehen die tiefsten, im E die höch- sten Glieder des alpinen Deckfaltengebäudes an der Oberfläche sicht- bar an. Dann folgen Languarddecke 1500 m, Campodecke (Kristal- lin 0—6000 m, Sediment 2000 m) und Silvrettadecke = 10007000 m, die mehr gegen SE entwickelt sind. Fig. 3 gibt ein Längsprofil durch den Hauptteil dieser breiten Region von axialem E-Fallen, zu welcher sich hier die Querflexur zwischen Westalpen und Ostalpen ausgebreitet hat. Dieses Profil lässt uns die Mächtigkeit des ganzen Deckfaltensystemes vom tiefsten Tessinergneis bis über die Trias der Silvretta für verschiedene Stellen auf 30- bis 40000 m bestimmen. Um diesen Betrag sollte der Mte. Sobrio bei Biasca höher sein als der Hochducan oder die Scesaplana. Aber alle diese Gipfel sind fast gleich hoch, sie bilden eine Gipfelflur, wie folgende Höhenzahlen zeigen: Hoch Ducan 3073 m Silvrettatrias ; Piz Kesch 3122 m Silvrettakristallin lobe ir re P. Julier 3385 m Berninadecke P, Platta 3386 m Margna-Ophiolitbe P. Suretta 3025 m Rofnaporphyr P. Timun 3201 m Gneis der Surettadecke P. Tambo 3276 m Gneis der Tambodecke P. Valrhein 3398 m Aduladecke P, Basodino 3276 m Aduladecke Von diesen Höhen sind mehrere — viele — bis zu 40 Kilometer Gestein abgetragen worden, — dem inneren Bau zum Trotz, der Gipfel- flur zu Liebe! Über dem helvetischen Deckengebirge sind 1 bis6 km verschwunden, über den pen- ninischen Gebieten des Wallis oft 15—18km, über der Splügenzone 25—28 km, über den tiefsten Entblössungen der unteren Tessiner- decken 30—35 km, und auf der Zone der Firstlinie der Alpen, wo gleich nördlich der penninischen Hauptwurzelzone die Decken in das „Firstgewölbe“ aufgepresst worden wa- ren, sind wohl vielfach 40 km Gesteinshöhe abgetragen; sie fehlen ohne jedes Anzeichen einer Zerreissung. In Gebieten oder Gebirgs- gruppen verwickeltsten inneren Baues sind doch fast alle ganz hohen Kulminationen gleich hoch, welchem Glied des Baues sie angehören mögen. Gegenüber diesen Be- trägen erscheinen uns die Alpen als Ganzes fast wie eine Gipfelflur von leichter Wöl- bung. Höhendifferenzen in der Anlage der alpinen Gebäudekonstruktion von 10— 40 km sind überwältigt. Statt dass die Gipfel der Alpen zwischen 1000 und 50000 m Höhe schwanken, liegen sie. zwischen 1000 und 4800, die höchsten sind auf '/s oder !/ıo ihrer Höhe erniedrigt! Was ist die Ursache der Gipfelflur? Dass die Abwitterung ein Hauptfaktor sein muss, ist selbstverständlich und aus jedem geologischen Profil durch ein Stück Alpen sofort zu sehen. Substanz ist weg, und die dadurch entstandene Oberfläche ist ganz nach den Vorgängen der Erosion und Verwitterung modelliert. Aber wodurch ist die Arbeit der Abwitterung auf die Aus- bildung einer Gipfelflur gelenkt worden ? Wer hat sie hierzu angeleitet? Und welche anderen Faktoren können noch mitgewirkt haben? Aus unseren jetzigen geologischen Profilen durch Teile der Alpen können wir nicht nur den ursprünglichen Hochgang der Alpen- E. Fig.3. Längsprofil durch die Zone axialen Ostfallens der penninischen Decken in Tessin und Graubünden. Simano P.Valrhein (Adula) W. P. Platta P. d’Err V, Madris Avers P2° Tambo Surettah. P.d’Emet P2° Lucomagno (Err-D.) Oberhalbstein Splügenpass ValdiLei S. Bernardinopass V. Blenio Jahrg. 67. ALBERT HEIM. Geologische Nachlese. a: faltung über Meerniveau ableiten, und als die Differenz desselben von der noch vorhandenen Gipfelhöhe den Verwitterungsabtrag bestimmen. Wir können auch aus zuverlässigen genauen Längs- und Querprofilen den heute vorhandenen Tiefgang der Alpenfaltung bestimmen. Mit dem Tiefgang hängt zusammen der Massendefekt und das Gewicht der über das allgemeine Erdniveau vorragenden Berge. Die Berge schwimmen in der Erdrinde, es besteht eine Art Gleichgewicht „Iso- stasie“ in grossen Zügen. Die Gebirgszonen mit dem grössten Fal- tungshochgang ergaben die grösste Überlastung der Erdrindenhaut und sanken isostatisch am stärksten ein. Ein gewisses Mass von Ausgleichung und Verminderung der Berghöhen ist somit sehr wahr- scheinlich schon dadurch entstanden, dass die am höchsten aufge- stauten Gebiete am meisten isostatisch eingesunken sind. Aber es sind auch die am höchsten aufgestauten schon zuerst und am längsten und am intensivsten den Agentien der Zerstörung überliefert worden. Die Isostasie kann also, besonders in den früheren Phasen der Ge- birgsbildung zur Entstehung einer tieferen Gipfelflur kräftig mitge- holfen haben, während ein allzu tiefer Abtrag durch Verwitterung umgekehrt wieder ein isostatisches Emporsteigen des Gebirges zur Folge haben konnte. Stets wird die Isostasie nicht von Berg zu Berg Bewegungsdifferenzen erzeugen können, sondern nur ausgeglichen auf weite Regionen wirken, entsprechend einer gewissen Steifheit und inneren Reibung in der Erdrinde. Da sinkende isostatische Be- wegungen durch Rindenhäufung (Faltung), steigende durch Abwitte- rung bedingt sein können, so kann zwischen Aufstauung, Abwitterung und Isostasie eine in zahlreichen repetierten Phasen sich komplizie- rende Wechselwirkung eintreten. Es ist noch nicht möglich, dieselbe zu durchschauen, geschweige zahlenmässig festzustellen. Die heutige Gipfelflur in ihrem Verhältnis zum Hochgang der Faltung lässt uns aber deutlich empfinden, dass an ihrer heutigen Ausbildung die Ab- Witterung wohl der durchgreifendere, im Einzelnen beherrschendere Faktor war. Die Isostasie allein hätte so schöne Ausbildung von Gipfelfluren, denen oft nahe benachbarte Gipfel von ursprünglich grosser Höhendifferenz sich einordnen, nicht zustande gebracht. Sie hätte nicht so eingehend ins Einzelne gearbeitet, sie hätte mehr und stärkere Ausnahmen und tektonisch bedingte Differenzen stehen ge- lassen, Um die Faktoren herauszufinden, die bei der Ausbildung der Gipfelflur wirksam gewesen sind, kann uns vielleicht eine nähere Betrachtung der Abweichungen in der Regelmässigkeit der Erschei- Nungen führen, 60 i Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Sechstes Beispiel. Wer von einem hohen Gipfel, z. B. dem Tödi, einen grossen Teil der Graubündner Alpen überblickt, dem fällt sofort auf, dass der allgemeinen Graubündner Gipfelflur die Ber- ninagruppe sich nicht einordnet, sie gehört einer höheren Gipfel- flur an. Vergleichen wir das Berninagebirge mit dem westlich an- liegenden und ähnlich vergletscherten S Bergellergebiete. Die mittlere Höhe der 10 höchsten Berninagipfel beträgt 3900 + 150 m, diejenigen der 10 höchsten Bergeller 3344 + 60 m. Die mittlere Höhe der 20 höchsten Berninagipfel beträgt 3530 m, die- jenige der 20 höchsten Bergeller 3158. Die Gipfelflur der Bernina- gruppe ist also 550 m höher als diejenige der benachbarten Bergeller Berge. Die Gesteine sind in beiden Gruppen von ähnlicher Wider- standskraft — da wie dort herrschen granitische Gesteine vor. Im Berninagebiete sind sie vielfach dislokationsmetamorph gequetscht, im Bergellermassiv dagegen frisch massig und viel jünger. Also kei- nerlei Ursache, die höhere Gipfelflur der Bernina auf resistenzfähigeres Gestein zurückzuführen. Dagegen liegt eine grosse beachtenswerte Differenz beider Berg- gruppen in der Erosionsbasis der Wasser, die sie durchtalen. Wir notieren als begleitende Erosionsbasis: Für das Berninamassiv Für das Bergellermassiv Oberengadin-Maloja 1817 m Bergell bei Casacia 1460 m -Samaden 1720 m : „ Castasegna 623 m Flussgefälle absolut 99 m u „ Chiavenna 332m relativ 5,7 °/o0 Flussgefälle absolut 775 m relativ 52 °/oo Am S-Abhang sind die Bedingungen bei diesen beiden Gebirgs- gruppen fast gleich. Die nächste nördliche Erosionsbasis liegt vor dem Bergellermassiv um über 1000 m tiefer und dem Wasser- scheidehauptgrat zudem 2'/ km näher als vor dem Berninagebirge. Die äusserste Erosionsbasis, das Meer, liegt im Wasserwege von »4- maden ca. 7 mal weiter entfernt als von Castasegna. Die Abhängig- keit der Gipfelflur von der Tiefe der unmittelbaren und der Entfer- nung der endgültigen Erosionsbasis ist deutlich. Die überragende Höhe der Berninagruppe ist der Stagnation in der Austiefung des Ober- engadins zu verdanken. Das Oberengadin ist ein altdurchtalter, in eine relative Stagnation gelangter Gebirgsteil, in den die von tieferer näherer Erosionsbasis ausgehende Talbildung noch nicht völlig ein- gedrungen ist. Aber von allen Seiten sucht sie Angriff. Der Gebiets- und Wasserraub der Maira (ALB. HEIM: Geol. d. Schw., S. 575—578) hat einerseits dem Gebiet der ursprünglich höheren Gipfelflur ein Jahrg. 67. ALBERT HEım. Geologische Nachlese. 61 Stück entrissen, andererseits aber die Stagnation des noch gebliebe- nen Berninagebietes durch Schwächung des Inn befestigt. Schon in- den beiden letzten Eiszeiten war der Erosionsstillstand vorhanden und die Eisflut hat sich auch hier unfähig erwiesen, eine Neubele- bung der Talbildung hervorzurufen. Der Wasserzuschuss für die Maira dagegen hat seine Wirkung getan. Das Bergell ist furchtbar einge- tieft, und die Gipfel des Bergellermassives, die gewiss die Bernina noch in geologisch junger Zeit hoch überragt hatten, haben die Raub- tat ihrer Wasser an ihrer Höhe büssen müssen. Trotz entsetzlicher Schroffheit der Talgehänge und der Gräte und Gipfel, und trotz dem noch frischeren massiveren Material, aus dem sie geschnitten sind, ist ihre Gipfelflur viel niedriger als diejenige des Berninamassives geworden. Dem Berninagebirge ist als Entschädigung die grössere Gipfelhöhe geblieben. Motiv: Mittelbünden Bernina Bergell Fig. 4. Schematische Darstellung der Abhängigkeit der Gipfelfluren (g) n der nächst eingedrungenen Erosionsbasis (e). alter Talbodenrest mit zugehöriger Gipfelflur g,, e == & = von N eindringende Erosionsbasis, e& = von S eindringende Erosionsbasis und zugehörende Gipfelfluren. Wir entnehmen dem Vergleich von Berninagebirge mit Bergeller- massiv, dass die Gipfelflur wesentlich abhängt von der relativen Lage der Erosionsbasis nach Höhe und Entfernung. Eine höhere Gipfelflur gehört hier zum Rest eines Stückes von höherer Erosions- basis und grösserer Meerferne. Die generelle Gesamtausgleichung der Gipfelflur ist wohl die Folge davon, dass rings um die Alpen herum in Seen und Talflächen eine ähnliche Erosionsbasis herrscht. An der Nordseite oder Aussenseite der Alpen ist sie 300—400 m hoch und die Entfernung vom Meere grösser. An der Innenseite ist die nähere Erosionsbasis 150--200 m und der Weg zum Meer kürzer. Die steilere S-Abdachung greift rückwärts und verschiebt die Wasser- scheide auf Kosten der Aussenseite. Die Hauptpässe haben eine stei- lere S-Seite, flachere N-Seite. An der Hauptwasserscheide der Alpen stossen die steilere Innenseite mit tieferer näherer Erosionsbasis und die weniger steile Aussenseite mit höherer fernerer Erosionsbasis zu- 62 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 sammen. Von diesen Erscheinungen der Entwässerung und Abspülung ‘wird die Gipfelflur beherrscht. Eine weitere Folge davon ist, dass die höchsten Gipfel der Alpen sich am S-Rande der Nordabdachung befinden. Siebentes Beispiel. Das Berninagebirge und ganz ähnlich die Walliserhochalpen S der Rhone und das Gebiet des Aarmassives vom Bietsehhorn bis Galenstock zeigen auffallend flache, breite Tal- mulden in grosser Höhe, die Firnmulden. Der längste Gletscher der Alpen, der grosse untere Aletschgletscher, liegt in einem alten Hoch- tal. Junge, steile Taleintiefungen haben nicht vermocht, sich diese stark vergletscherten Gebiete zu erobern. Wo solche vorhanden sind, haben sie oft zurückgegriffen bis gegen die Gletscherenden, halten aber dort an, als ob sie sich scheuten, in das eigentliche Gletscher- gebiet einzugreifen. Oder im Hintergrund eines steilen Erosionstales folgt auf älterem Talboden ein flacherer Gletscher, von dem höchstens _ noch eine unterste Zunge in das Steiltal hinabreicht (Oberaaregletscher, Aletschgletscher, Findelengletscher, Gornergletscher, die Gletscher von Fee, Durand, Moiry, Otemma, Breney, Corbassiere Mt. Durand u.a.m., Ausnahme: Walliser Fieschergletscher). Die Gletscher füllen ältere, höhere Talstufen, die jungen Talaustiefungen greifen noch nicht bis dort hinauf. Die Gletscher haben die Talaustiefungen nicht belebt, sondern hintangehalten. Sie konservieren ein höheres älteres Talboden- und Terrassenniveau und wirken deshalb, wo sie hohe Gräte und Gipfel umgeben, auf längere Erhaltung von deren Höhen, deren hoher Gipfelflur. Es ergibt sich daraus eine Wechselwirkung: Grosse Höhen bedingen starke Vergletscherung und die starke Vergletscherung Vef- zögert die neue Eintiefung. Grosse Höhe beschützt durch die Ver- gletscherung eine höhere Gipfelflur. Sie verlangsamt ihre Erniedri- gung. Die hohe Gipfelflur reich vergletscherter Gebiete und ihre Erhaltung ist z. T. durch die Vergletscherung selbst konserviert. Achtes Beispiel. Wir suchen nach dem Einfluss des @e- steines auf die Gipfelflur. Er ist gewiss nicht gross, denn viele Gipfelfluren greifen nicht wesentlich gestört durch Berge verschie- densten Baumateriales (Beispiel Nr. 2). Man wird diesen Einfluss nur da zu fassen vermögen, wo ausgedehntere Regionen von durchgreifend sehr verschiedenem Gestein unter ähnlichen Bedingungen (Klima, Erosionsbasis) neben einander stehen. Die meisten Gebirgsgruppen in den Alpen enthalten in starker Mischung Gesteine sehr verschie- dener Art, sie können uns für die vorliegende Frage nicht dienen. Dagegen treffen wir den Bündnerschiefer als fast ausschliessliches Gestein in den Talgebieten der Landquart, Plessur, dann S des Vorder- Jahrg. 67. ALBERT HEım. Geologische Nachlese. 63 rhein von der Lenzerheide gegen W durch Domleschg, Safıen und Lugnetz. Dieses Gebiet von ca. 1300 km? hat eine Gipfelflur von ca. 2500 m. Die Gipfel seiner Umrandung, die z. T. auch noch Bündner- schiefer, aber mit anderen Gestei- nen durchsetzt, enthalten, oder die Bündnerschiefer- Altkristalline aus ganz andern Gesteinen (kristal- gebiet mgebung linen Silicatgesteinen, kalkigen Trias, Jura und Kreidegesteinen) bestehen, ordnen sich in eine Gipfelflur von 2900 m. In diesem Fig. 5. Schematische Darstellung der Abhängigkeit der Gipfelflur von der list indessen auch noch ursächlich der Umstand be- mittleren Gehängeböschung (Verwit- teiligt, dass die Umrandung des terbarkeit) bei konstanter Taldichte Bünd Liöt his + wei- und wenig steigender Erosionsbasis. ter von der Erosionsbasis zurück- liegt. Immerhin ergibt sich, dassder Bündnerschiefer eine um einige 100 m tiefere Gipfelflur ergibt, als die anderen Gesteine. Der Bündnerschiefer ist vorherrschend leicht zerstörbarer Tonschiefer, kalkiger Tonschiefer, sandiger Tonschiefer bis Sandstein. Er ist zu Abrutschungen geneigt, ist im ganzen schwer durchlässig und erträgt im Mittel nur eine ge- ringere Maximalböschung mit grösserer Dichte der Wasserrinnen. euntes Beispiel. Vergleichen wir damit ein reines Gneis- gebiet, das Tessin von der Moesa bis zur Maggia und von Faido bis Locarno. Hier finden wir eine Gipfelflur von 2750 m. Die Erosions- basis für das Bündnerschiefergebiet kann an dessen NE-Ausgang auf 450—500 m angenommen werden. Für das Gneisgebiet des Tessin beträgt sie 200 m. Um also die Wirkung der Gesteinsart zu er- kennen, ist die Gipfelflur des Bündnerschiefergebietes zum Vergleich um 200 bis 250 m zu erniedrigen und zu 2250 m anzunehmen; sie ergibt sich im Bündnerschiefer um 500 m niedriger als im Gneis. Freilich ist diese Art der Korrektur zur Vergleichbarmachung recht unvollkommen; denn die jetzige Gipfelflur ist wahrscheinlich vom Felsboden der Täler aus geschaffen worden, nicht von ihrer heutigen Schutt- oder Wasserauffüllung aus. Dieser Fehler ist aber in ähnlicher Weise in beiden verglichenen Zahlen vorhanden. Die beiden verglichenen Fälle dürften für die Alpen so ziemlich die Extreme bedeuten. Noch leichter verwitterbare, oder noch resi- stenzfähigere Gesteine, als sie hier miteinander verglichen worden sind, kommen wohl hie und da vor, aber ohne dass sie ganze Gebirgs- Massen bilden. Genug, wir ziehen aus dem Vergleich von Beispiel 8 mit Beispiel 9 den Schluss: Unter sonst gleichen Umständen steht 64 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 die Gipfellur bei Bergen aus verwitterungswiderstän- digen Gesteinen höher als bei leicht verwitterbaren, was sich erraten liess. Wir haben nun eine Abhängigkeit der Gipfelflur gefunden: 1. von der Erosionsbasis, 2. von der Vergletscherung, 3. von der Wider- standsfähigkeit des Gesteines. Die letztere kann im grossen gemessen werden durch die mittleren Gehängeböschungen, die sie auf die Dauer erträgt. Von der Erosionsbasis aus bilden sich die Talwege als Rinnen aus, die die Erosionsbasis ins Gebirge hinein verlängern. Sie schneiden sich als Exportrinnen für die Trümmer ein, während die Verwitterung die Gehänge zuschrägt. Beide schaffen zusammen Relief und Abtrag. Vom Rande des Gebirges gegen seine inneren Teile hinein steigen die Talfurchen an. Die nächste Erosionsbasis der Berge ist deshalb im Innern des Gebirges höher als in seinen äussern oder gar rand- lichen Teilen. Ausserdem nimmt aber auch die Maximalböschung im allgemeinen gegen innen zu, indem die hinteren Teile der Täler noch weniger lang eingeschnitten und die dort entblössten Gesteine der langsamen Lockerung durch die mechanische und chemische Verwit- terung noch weniger lang ausgesetzt waren. Dort ist das noch frischere Material der Berge angeschnitten, das noch in steileren Bö- schungen festhält. Aus diesen beiden Gründen steigt die Gipfelflur von den Rändern des Gebirges nach innen an, die Gipfel der innersten Ketten sind höher geblieben als diejenigen der randlichen Ketten, was immer der tektonische Bau, die Faltungs- höhe sein mag. Die Gehängeböschung muss ansetzen an einer lokalen Erosions- basis, diese ist gegeben durch den anliegenden Talweg. Die Höhe der Berge, die als Ruinen eines grossen Gebirges zwischen den verschiedenen Talwegen übrig bleiben, muss deshalb auch sehr wesentlich abhängen von der Horizontaldistanz der beidseitigen Talwege. Diese Reflexion genügt, um uns zu sagen, dass die Gipfel- flur notwendig auch abhängen muss von der Distanz der Tais wege innerhalb des Gebirges — oder wie sich die Geographen aus- drücken: von der „Diehte der Talwege“, der Flussdichte oder Taldichte. Wenn man auch sofort empfinden wird, was damit ge- meint ist, so ist es doch sehr schwierig, die Taldichte in Zahlen ver” gleichend anzugeben. Man hat sie schon bestimmen wollen als Fluss- länge per 1 m? Fläche. Allein ein Fluss, der in seinem Talboden serpentinisiert, wird eine viel grössere Flussdichtezahl ergeben, als einer, der gerader läuft, während es uns weit mehr auf die Taldichte ankommt. Talstrecken pro Flächeneinheit bleiben auch ein schlechtes Jahrg. 67. ALBERT HEIM. Geologische Nachlese. 65 Mass. Wir stossen dabei, wie bei der Bestimmung der Flussdichte, besonders auf die Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen den Tal- wegen, die gerechnet werden müssen, und den gegen das Gebirge hinein stets dichter werdenden kleinen, rückwärts verzweigt sich ein- schneidenden Tälchen und Furchen. Bis zu welcher Kraft sollen wir die Äste des Flussystemes in Rechnung ziehen, wo kommen die schwachen Zweige, die die gesuchte Zahl verwirren würden? Alle bisherigen Versuche, die Taldichten in Zahlen anzugeben, sind un- befriedigend. Für unseren Zweck wäre es vielleicht besser, den Abstand der Talwege zu messen. Die Kraft (Wasserführung) der- selben hängt ja auch von ihrem Abstand ab. Die bisherigen Untersuchungen über die Fluss- und Taldichte haben ergeben, dass sie zunimmt mit der Niederschlagsmenge und der Undurchlässigkeit des Untergrundes, abnimmt mit der Niederschlags- menge und der Durchlässigkeit des Gesteines. In trockenen Karst- regionen ist sie am geringsten, in den Wildbachsammelgebieten al- piner Schieferregionen wohl am grössten. Wenn wir gute Karten der Alpen auf diesen Gesichtspunkt hin prüfen, so sind wir darüber erstaunt, dass das, was wir unter Tal- dichte verstehen wollen, innerhalb der Alpen nur sehr wenig va- riiert. Es braucht eben zur Ausbildung eines massgebenden Tal- weges eine gewisse Wassermenge, und zur Sammlung dieser Wasser- menge ebenso einer gewissen Fläche, und darnach wird in der Aus- tiefung der Furchen sich eine Ausgleichung auf ähnliche Dichte ein- stellen. Als die hauptsächlichsten bestimmenden Faktoren des Gebirgsab- trages unter Ausbildung einer Gipfelflur haben wir gefunden die Ero- sionsbasis, die Gehängeböschung und die Taldichte. Die Erosionsbasis am Alpenrande schwankt nur von 200 bis 450 m. Die Talwege aufwärts fortgesetzt kann sie im Gebirgsinneren auf 1800 m (Oberengadin, Aargletscherboden usw.) steigen. Sie macht keine launenhaften Sprünge. Grosse, plötzliche Änderungen auf kleine Distanzen finden sich nur am Übergang über die Hauptwasserscheide der Alpen. Die Gehängeböschung schwankt in den Alpen im ganzen ebenfalls nur wenig, so dass die Fälle selten sind, wo sie sich regionenweise geltend macht. Auch die Taldichte ist im grossen ganzen fast konstant. Drei so wenig variable Faktoren müssen in ihrem Zusammenwirken auch zu einer Ausgleichung der Folgen führen. Die Unabhängigkeit der Gipfelflur vom geologischen Bau hat uns vor allem zuerst zu der Einsicht gebracht, dass sie ein Re- sultat des Verwitterungsabtrages sei, der sich aus Eintie- Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg.67. 1922. 5 66 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 fung der Talwege (Erosion i. e. $.) nach einer Erosionsbasis, bei an- nähernd gleichartiger Dichte der Rinnen und Abschrägung der Gehänge in bestimmte mittlere Böschungen (Verwitterungsabschrägung) ergibt. Die Zugehörigkeit der Gipfelflur zu den Erscheinungen der Abwit- terung nach ausgespülten Talfurchen verrät sich auch dadurch, dass ihr die gleiche Rücksichtslosigkeit gegenüber dem in- neren Bau und den angeborenen Höhen innewohnt, wie der alpinen Talbildung. Sie ist also ein Stück Abtragsgeschichte, Erosionsgeschichte i.w. S. Die Alpengipfel sind auf 40 bis 50 km ungleich hoch tektonisch geboren. Sie sind auf 1—5 km erniedrigt und um über 45 km in ihren Höhen ausgeglichen. Dabei hat wohl besonders am Anfang nach der Alpenstauung isostatische Einsenkung wesentlich mitgeholfen. Allein die tektonische Lage der Gipfel einer Gipfelflur beweist, dass der grössere Anteil an der Ausbildung der Gipfelfluren dem allmächtigen, überall und immer gegenwärtigen und nie ruhenden Bergbildhauer: Verwitterungabtrag zugefallen ist, der über 30 km Höhendifferenz zu überwinden vermocht hat. Er hat sein Werk nicht erst begonnen in einem Momente nach Fertigstauung der Alpen, er hat schon mit dem ersten Auftauchen der ersten Ge- wölberücken begonnen, er hat vorweg gemeisselt, er hat Höhendiffe- renzen von 30 km gar nie entstehen lassen. Die Erscheinung der Gipfelflur bietet der Forschung noch manche schöne Aufgabe. Schon ihre graphische Darstellung ist noch ein Problem. Mittlere Gehängeböschung, Talwegdichte sind in Zahlen zu fassen. Der Einfluss des Durchlässigkeitsgrades des Bodens, der Niederschlagsmenge und Niederschlagsart, der Einfluss von Gestein und Vergletscherung sind genauer zu prüfen. Besonders schwierig mag sich die Frage nach dem Verhältnis zu den isostatischen Bewe- gungen, dem Hochgang und Tiefgang der Faltung und dem Massen- defekt oder Massenüberschuss gestalten. Vergleichung der alpinen Erscheinungen mit ausseralpinen Gebirgen, Prüfung der Ausnahmen von der Gipfelflur, kann manches aufklären. Indem wir die Ausbil- dung der Gipfelflur als eine Summenwirkung verschiedener, in gewissem Grade lokal variierender Faktoren erkennen müssen, erscheint es uns auch als eine Notwendigkeit, dass Abweichungen und Unregelmässig- keiten sich einstellen mussten. Wir dürfen nicht darüber staunen, dass der Tödi 400 m, der Säntis 500 m zu hoch ist, vielmehr darüber, dass die ganzen Alpen um über 30 km Gipfelhöhendifferenz ausge- glichen worden sind. Was noch über Meer vorragt, ist nach seiner Höhe strichweise nur noch "ı0, nach dem Volumen im ganzen kaum 's dessen, das emporgepresst worden war. Cerastium uniflorum Clairv. var. Hegelmaieri Correns, die Kalkrasse des C. uniflorum. Von August Hay (Wien). (Als Manuskript eingegangen am 13. März 1922.) Im Jahrgang LXII (1917) dieser Zeitschrift haben auf 8. 620 ff. RüBEL und Jos. BRAUN eine kritische Studie über die Cerastien der Grex Physospermia veröffentlicht, deren Inhalt ich, das will ich gleich vorausschicken, fast vollinhaltlich zustimme. Nachdem jedoch in dieser Arbeit eines von mir in der „Flora stiriaca exsiccata“ ausgegebenen Cerastinm gedacht wird, das ich damals allerdings tatsächlich falsch bestimmt hatte, meine eigene Richtigstellung dieses Irrtums aber keineswegs erwähnt wird, und andrerseits dadurch die interessante Tatsache, dass es eine Kalkrasse von Cerastium uniflorum gibt, igno- tiert wird, sehe ich mich veranlasst, auf diese Arbeit mit wenigen Worten zurückzukommen. Auch ich war seinerzeit, wie dies ja im allgemeinen den Tatsachen entspricht, von der Ansicht durchdrungen, dass jedes Cerastium aus der in Rede stehenden Gruppe, das auf Kalkboden wächst, C. lati- folium L. sein müsse, und in dieser Ansicht wurde ich durch die Dar- legungen Sreins („Drei Cerastien“ in Österr. bot. Zeitehr. XXVII [1878] p: 18) nur bestärkt. Es war daher selbstverständlich, dass ich ein Cerastinm aus dieser Gruppe, das ich erst 1898 an der Endmoräne des Karls-Eisfeldes auf dem Dachstein, dann 1902 und auch später auf den südlichen Vorgipfeln der Dachsteingruppe (Eselstein, Sinabell ete.) antraf, für C. latifolium hielt und auch unter diesem Namen verteilte. Irgend eine Verwechslung ist schon aus dem Grunde aus- geschlossen, da genau dieselbe Pflanze, wie die im Jahre 1905 ge- sammelte in der Flora Stiriaca exsiecata unter No.334 ausgegebene in meinem Herbar vom selben Standort bereits am 30. Juli 1902 und vom benachbarten Eselstein vom gleichen Datum erliegt und ich mich noch an das Einsammeln genau erinnere. Dass diese Pflanze natür- lich die Ursache war, dass ich C. latifolium und uniflorum nicht genau auseinanderzuhalten verstand, ist begreiflich. 68 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Als ich nun in der Bearbeitung meiner „Flora von Steiermark‘ zur Gattung Cerastium gelangte, sandte ich mein Cerastium-Material zur Revision an Herrn Professor CORRENS, damals in Leipzig, der sich ja zu dieser Zeit eifrig mit dem Studium der Gattung Cerastium be- schäftigte. Dieser schrieb mir damals (28. Juni 1908) folgendes: „Alles was Sie hier als C. latifolium haben, ist nicht latifolium sens. stren., sondern gehört zu CO. uniflorum, ist eine kalkbewohnende Sippe dieser sonst auf Urgestein vorkommenden Art und von mir in Sched. C. Hegelmaieri wiederholt genannt. Kommt vom Watzmann an ost- wärts vor, vom Dachstein vom verstorbenen Prof. HEGELMAIER mir mitgebracht.* Diesem Resultat nun habe ich in der „Flora von Steiermark“ I p.299 vollauf Rechnung getragen. Ich führte die Pflanze als b. Hegel- maieri Correns ausdrücklich als Kalkrasse des €. uniflorum auf, suchte selbe auch durch einige Merkmale zu charakterisieren, obwohl ich schon damals der Meinung war, dass es sich mehr um eine bio- logische als um eine morphologische Rasse handle, führte die Unter- schiede von dem aus Steiermark bisher nicht bekannten (. latifolium an und fügte als Synonyme bei: Cerastium latifolium Stein in Österr. bot. Zeitschr. XXVIII 22, Strobl Fl. v. Admont II. 44, Hayek Sched. ad fl. stir. exsice. 7.8. p. 11 (1906) nicht L. Durch letzteres Zitat ist somit auch die Bestimmung des fraglichen Exsiecats richtig gestellt. Von spätern Autoren hat nur GRAEBNER (in Ascherson u. @raebner, Synopsis d. mitteleurop. Flora V 1. p. 629) diese meine Darstellung vollinhaltlich wiedergegeben, während Hecı (Ill. Flora v. Mittel-Europa II p. 369) das ©. uniflorum f. Hegelmaieri Correns zwar anführt, aber als Standort angibt: „angeblich auf Kalk“, wodurch gerade das wichtigste Merkmal dieser Rasse verwischt wird. Dieser Zweifel über die Natur des Substrates ist durch gar nichts gerechtfertigt. Fast die ganze Dachsteingruppe besteht aus dem der oberen Trias angehörigen Dachsteinkalk, einem sehr kompakten und sehr reinen Kalkstein, nicht etwa einem tonreichen Kalk, wie er in den Jura- und Kreidekalken der Schweizeralpen sich nicht selten findet, und die Standorte des C. uniflorum var. Hegelmaieri gehören sicher dieser Formation an. Als einen noch unpublizierten Standort dieser Pflanze möchte ich auch den Hohen Priel in Oberösterreich anführen, wo ich sie im vergangenen Sommer fand. Übrigens kommt eine zu €. uniflorum gehörige Form, die viel- leicht mit der var. Hegelmaieri identisch ist (mir liegt nur unge nügendes Material von der Rosengartengruppe vor), auf Kalk in den Südtiroler Dolomiten vor, und dürften die Mehrzahl der in Dalla- Jahrg.67. Ausust HAYEK. Cerastium uniflorum Clairv. var. Hegelmaieri Correns. 69 Torre und Sarnthein Flora v. Tirol, VI. 2. p. 149—150 unter B und F angeführten Standorte zu dieser Rasse gehören. Jedenfalls aber muss festgestellt werden, dass Cerastium uni- florum keineswegs überall eine ausgesprochene Kieselpflanze ist, son- dern dass in den nordöstlichen Kalkalpen, wo C. latifolium fehlt, und anscheinend auch in den Südtiroler Dolomiten, an dessen Stelle auf reinem Kalkboden (eine charakteristische Begleitpflanze des Cerastium auf dem Sinabell ist Minuartia aretioides [Sommer] Schinz u. Thell.) eine zu C. uniflorum gehörige und von demselben morphologisch kaum zu trennende Form auftritt, die den Namen C. uniflorum var. Hegel- maieri Correns zu führen hat. Botanische Beobachtungen in Wädenswil und Umgebung. 1920/21. Von A. SchnyDEr (Wädenswil). (Als Manuskript eingegangen am 13. März 1922.) Mein Umzug von Buchs (St. Gallen) nach Wädenswil bietet mir Gelegenheit, die Flora von Wädenswil und Umgebung einer eingehenden Beobachtung zu unterstellen. Ich bin mir wohl bewusst, dass keine Aussicht auf Entdeckung einheimischer Pflanzen besteht, sondern, dass es sich nur um Feststellung vorhandener Abarten handeln kann. Nicht ausgeschlossen ist dagegen das Auftauchen neuer Adventivpflanzen, veranlasst durch die Verwendung von aus dem Auslande bezogenen Rohstoffen, wie Wolle, Pferdehaare usw. durch die hiesigen Tuch- fabriken und die Pferdehaarspinnerei. Nachforschungen in dieser Hin- sicht sind hier bisanhin unterblieben, weshalb bereits eine Anzahl solcher Fremdlinge als anwesend verzeichnet werden darf. Die Bestimmung der kritischen Pflanzen erfolgte durch die Herren Prof. Dr. Hans Scuinz, Direktor des botan. Gartens der Universität Zü- rich, Prof. Dr. THELLUNnG von demselben Institut, und ©. MEYLAN, Ste.Croix (Moose). Ich verdanke den Genannten ihre freundliche Unterstützung hiemit bestens und lasse ein Verzeichnis der Neufunde nachstehend folgen. Wo kein anderer Standort genannt ist, liegt dieser in der Gemarkung Wädenswil. Rhodophyceae : Batrachospermum moniliforme Roth, Gulmenbach Bryophyta: | Dieranum montanum Hedw. var. pulvinatum Pfeffer, an Lerchen im Tann — longifolium Ehrh., auf Erratikum, Senderholz Hirzel Districhum pallidum (Schreb.) Hampe, Torfstich, Hirzel Ditichium capillaceum ($w.) B. S., Altschlossfelsen, Richterswil Örthotrichum affıne Schrad., an Sorbus, Hütten Jahrg.67. A.Scuxyver. Botanische Beobachtungen in Wädenswil u. Umg. 71 Webera lutescens Limpr., an Baumstrunk a. Reidholzweiher Bryum Mildeanum Jur., am Fuss von Buchen Philonotis caespitosa Wils., Sumpfwiese, Biberbrücke Fontinalis antipyretica L. var. gigantea Sulliv., Riedgraben, Beichlen Brachythecium populeum (Hedw.) B. 8. var. amoenum Milde, Buche, Lehmhoftobel — rutabulum (L.) B. S. var. turgescens Limpr., Krüzelen, Hirzel — rivulare (Bruch) B.S. var.tenue Dixon, Strassengraben, Rietliau — velutinum (L.) B. S. var. tenue, Baumstrunk, Winterberg Fri s” var. congestum, Buche, Schönegg var. praelongum B. S., on striatum (Schreb.) Schimp. var. Sechrlleie Roth, Böschung, Rötibodenholz Rhynchostegium rusciforme (Neck.) B.S. var. prolixum (Dicks.), Strassengraben — murale (Neck.) B. $. var. julaceum B. 8., Steine, Reidholz Amblystegium serpens (L.) B. 8. var. tenue (Schrad.), Wurzeln, Winter- berg — Juratzkanum Schimp. var. angustifolium (Lindb. fil.), Baum- strunk, Hütten — Koechü B.S,, Baumwurzeln, Krützelen, Hirzel Vermutlich neu für den Kanton Zürich. Drepanium cupressiforme (L.) Roth var. filiforme (Brid.), Tannen, Hangenmoos var. uncinatulum (B. S.), Buchen, Gulmen var. brevisetum (Schimp.), Ctenidium molluscum (Hedw.) Mitt. var. mollissimum Roth, Sr Altschloss Richterswil Sphagnum medium Limpr. var. glaucescens Russ., Torfried Krüzelen, Hirzel BR. = var. purpurascens Russ., — recurvum (P. B.) Warnst., Riedwiese, "Biberbrücke — Russowii Warnst., Riedwiese, Krüzelen, Hirzel — rubellum Wils. var. versicolor Warnst, „ x Be ag var. purpurascens, . » „ — acutifolium Ehrh. var. viride Warnst., » N s “on —_ var. versicolor Warnst., — contortum Schultz, Lochwald, Bobs I Während vorstehend fast ausschliesslich nur Varietäten verzeichnet sind, die ich in der Literatur (CuLmann u. WEBER) für das Gebiet 72 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 nicht schon erwähnt fand, nenne ich nachstehend alle bisher gefundenen Lebermoose, da mir die frühern Konstatierungen unbekannt sind. Alicularia scalaris (Schrad.) Corda, am Felsen am Sagenbach, Hütten Blepharostoma trichophylium (L.) Dum., an fauler Baumrinde, Winterberg Diplophyllum obtusifolium (Hook.) Dum., Erdlehne, Reidholz Rich- terswil Frullania dilatata (L.) Nees, Buchen, Lehmhoftobel Haplozia erenulata (Sm.) Dum., Erdlehne, Reidholz — pumila (With.) Dum., an Felsen am Sagenbach, Hütten Lejeunea serpyllifolia Lib., Erdlehne, Gulmen — cavifolia (Dicks.) Lib., Felsen, Lehmhoftobel Lophozia Mülleri (Nees) Dum., Erdlehne, Rötiboden Metzgeria furcata (L.) Lindb, i Tann — frutieulosa (Dicks.) Evans, Bäume, Gulmen Marchantia polymorpha L., nasse Felsen, Tann Pellia Fabroniana Raddi, 5 . „ Pleuroschisma trilobatum (L.) Dum., Baumstock „ Plagiochila asplenioides (L.) Nees, Erdlehne „ Radula eomplanata (L.) Dum., Buchen, Lehmhof Scapania aequiloba (Schwägr.) Nees, Felsen, Sagenbach, Hütten Tritomaria exsecta (Schmid.) Loeske, Winterberg — exsectiformis (Breidl.) Loeske, Felsen, Sagenbach, Hütten Adventivpflanzen: Andropogon Sorghum (L.) Brot., Abraumstelle, hintere Rüti Panicum miliaceum L. var. effusum Alef., — Crus, galli L. var. brevisetum Döll, Setaria verticillata (L.) Pal. var. longiseta (A. u. G.) Volk., Rasen bei Tuchfabrik Pfenninger — italica (L.) Pal. var. maximaAlef. subvar. breviseta Döll., Ab- raumstelle, hintere Rüti Chenopodium ambrosioides L., Abraumstelle der Tuchfabr. Pfenninger — multifidum L., ” ” ” Coronopus didymus (L.) Sm., ! Lepidium virginicum L., Sgtäuinitelle, Bahnhof Horgen Erysimum cheiranthoides L., bei einem Bauernhaus, Hirzel Nicotiana rustica L., in einer Wiese auf Mugeren Medicago hispida Gärtner var. denticulata (Willd.) Burnat, als „Klee- kletten“ bei Tuchfabrik Pfenninger — arabica (L.) Hudson, als „Herzklee‘ „ » ” — Aschersoniana Urban, bei Tuchfabrik Reidbach Jahrg.67. A. ScHnYDEr. Botanische Beobachtungen in Wädenswil u. Umg. 73 Melilotus indicus (L.) All., bei Tuchfabrik Pfenninger Pieris echioides L., ; 4 5 Crepis setosa Haller, ; S 5 Durch den See an der Seemauer angelegte Pflanzen: Dryopteris Filix mas (L.) Schott ‚Phyllitis Scolopendrium (L.) Newman Cephalotaxus Fortunei Hooker Philadelphus spec. Tiefstandorte: Dryopteris Lonchitis (L.) O. Kuntze, bei 670 m an einer Wiesen- mauer, Schönenberg Asplenium viride Huds., bei 400 m an einer Strassenmauer bei Käpf- nach Südliche Gewächse: Beim Durchstreifen des in der Gemeinde Richterswil liegenden Reidholzes, das die gnädigen Herren in Zürich seiner Zeit den revo- luzenden Wädischwylern abzunehmen geruhten, überrascht das etwas südliche Gepräge der Vegetation. Es ist verursacht durch das Vor- handensein von an die 20 Stockausschlägen und einiger hoher Bäume von Castanea sativa Miller, durchmischt mit der schönen Quercus rubra L., einigen mächtigen Larix decidua Miller mit bis 10 em dicker Borke und mehreren Wellingtonien. Am Reidholzweiher stehen noch drei alte Bäume Morus alba L. und nigra L. Das erweckt den Ver- dacht, dass ein unternehmungslustiger Forstmann einst hier pröbelte. Herr Oberförster TH. WEBER in Zürich hatte die Freundlichkeit, mir hierüber die nachstehende gütige Auskunft des Herrn Forstmeisters GorTL. KRAMER in Zürich zu verschaffen, was ich hiemit bestens ver- danke: „Auf Anregung vom Schweiz. Forstverein erfolgten durch die Herren Professoren LAnnorr und Kopp in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts Anbauversuche im Reidholz mit zahmen Kastanien, amerikanischen Eichen und Wellingtonien. Man bezog die Samen- pPflänzchen aus Deutschland, später aus dem Aargau und von Zürich. Trotzdem im Anfang der Betrieb ziemlich lebhaft war, wurde er nach und nach aufgegeben. Als Spuren davon zeigen sich noch in der Waldung die zahme Kastanie, Exemplare der amerikanischen Eiche und am kräftigsten die Wellingtonia.“ Vermutlich fällt in dieselbe Zeit auch die Anpflanzung der gut fruchtenden drei Kastanienbäume bei den Heimwesen im Seegut und auf der Fuhr. Dagegen beweist 74 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 nachstehender Eintrag des Ortspfarrers Herrn JoH. Kn. Ryrr, unter Nr. 64 des Totenregisters 1694, dass schon damals ein Kastanienbaum in unserer Gemeinde stand: „Rudolf Brändly im Gäbisholz fiel ab einem Kastanienbaum im Bysyn der Synigen augenblicklich zu todt. 3. Okt.“ Es darf angenommen werden, dass das Unglück bei der Kastanienernte sich zutrug, dass der Baum also Früchte reifte. Die Bezeichnung der Oertlichkeit mit „Gäbisholz“ ist hier schon längst durch „Gwad“ ersetzt worden. Bei meiner Nachforschung daselbst stiess ich rasch auf einen Kastanienstockausschlag. Sehr wahrschein- lich ist dieser der Rest des Unglücksbaumes. Weitere Spuren von Kastanienbäumen sind mir bisher nicht zu Gesichte gekommen. Fieus Carica L. Beim ehemaligen Cavalascahause an der äusseren Seestrasse in Wädenswil gedeihen zwei bis 4 m hohe Feigenbäume prächtig. Im Jahr 1921 wurden fast alle der zahlreichen Früchte teigreif, so dass von einer eigentlichen Feigenernte gesprochen werden konnte. Auch an der Umfassungsmauer des Areals des neuen Schul- hauses, an der Strassenrinne, vegetiert ein solches Sträuchlein unbe- kannten Ursprungs. Nicht unerwähnt darf bleiben, dass in einem hie- sigen Garten etwa 20 junge Phenix dactylifera L. auftauchten und die Liebhaberei der Anwohner für Datteln verriet. Auch auf der Abraumstelle des Bahnhofs Horgen konstatierte ich eine solche Pflanze mit drei Blättern. Sie haben wohl alle ihr Vordringen nach dem unwirtlichen Norden mit dem Erfrierungstode gebüsst. Ich hatte jüngst Gelegenheit, in einem andern Garten das Fortkommen von Magnolia grandiflora L., Camellia japonica L., Citrus japonica Thunb., Viburum Tinus L. und Choisya ternata H.B.K. als Freilandgewächse zu kon- statieren. Dies in Verbindung mit den bereits genannten südlichen Bäumen und Sträuchern lassen darauf schliessen, dass das Klima des linken Zürichseeufers doch besser ist als sein Ruf. Wädenswil, im Januar 1922. Chromosomenzahl und Rassenbildung. ') Von ALFRED Ernst. (Als Manuskript eingegangen am 14. März 1922.) Im Mittelpunkt der experimentell genetischen Forschung stehen _ die beiden Probleme der Vererbung und der Entstehung neuer Lebens- formen, der Rassen- und Artbildung. Vererbung bedeutet das Zustandekommen weitgehender Über- einstimmung zwischen Eltern und Kindern; Formen-Neubildung hat die Möglichkeit der Entstehung von Unterschieden zwischen Eltern und Kindern zur Voraussetzung. Die beiden Probleme stehen also hinsichtlich der Fragestellung in einem gewissen Gegensatz, sind aber durch Forschungsobjekt und Forschungsmethoden aufs engste mit ein- ander verknüpft. Jedes Individuum ist nach Form und Funktion ein Produkt seiner Veranlagung und der Einwirkung äusserer Faktoren, seiner Lebens- lage. Vererbt werden also streng genommen nieht bestimmte Formen, Strukturen und Funktionsweisen, sondern vererbt wird die Fähigkeit, auf die Einflüsse der Umwelt in bestimmter Weise zu reagieren. Voll- kommene Übereinstimmung zwischen Eltern und Nachkommen ist, sofern sie überhaupt je vorhanden sein sollte, nur in absolut gleicher Lebenslage zu erwarten. Sie kommt am weitgehendsten zum Ausdruck innerhalb reiner Linien und Klone, d. h. der auf sexuellem resp. auf vegetativem Wege erzeugten Nachkommenschaft sich selbst fort- Pflanzender Individuen, also bei einelterlicher Fortpflanzung. Bei zweielterlicher Fortpflanzung wird eine ebenso weit- gehende Übereinstimmung zwischen Eltern und Nachkommen deswegen nicht oder nicht häufig zu erwarten sein, weil bei freier Wahl des Fortpflanzungspartners schon die sich paarenden Individuen nicht voll- kommen identisch sind, sondern Unterschiede in den verschiedensten morphologischen und physiologischen Merkmalen aufweisen. Tägliche ee Vortra g, gehalten vor der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich ’) 0 (Sitzung vom 30. Januar 1922). Auf die Beigabe von Abbildungen des Demonstra- !ionsmateriales musste der Kosten wegen verzichtet werden. 76 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Erfahrung und Experimente lehren nun, dass bei zweielterlicher Fort- pflanzung die Eltern nicht nur ihre gemeinsamen, arteigenen Merkmale auf die Nachkommenschaft übertragen, sondern dass auch ihre Unterschiede in der Nachkommenschaft in gesetzmässiger Weise zum Ausdruck kommen. Dadurch sorgt auch die zweielterliche Fort- pflanzung für das Zustandekommen einer gewissen Konstanz im Laufe aufeinanderfolgender Generationen und für die Erhaltung vorhandener Formen, Strukturen und Reaktionsweisen. Wie sind diese Formen, Strukturen und Reaktionsweisen aber entstanden, wann und unter welchen Bedingungen setzen Entstehung und Fixierung neuer Eigenschaften und Merkmale ein? Der unüber- sehbare Formenreichtum der jetzigen Pflanzen- und Tierwelt ist das Resultat eines Entwicklungsganges. Aus einfachen Formen entstanden, _ wie die Entwicklungslehre annimmt, allmählich kompliziertere und alle heut lebenden Formen sind aus früheren durch Umbildung her- vorgegangen. Dass eine solche Entwicklung stattgefunden und wohl immer noch stattfindet, steht ausser Frage. Dagegen gehen die An- sichten über die in der Vergangenheit wirksam gewesenen Faktoren der Entwicklung weit auseinander. Ihre nachträgliche Feststellung ist wohl ausgeschlossen, eine gewisse Klärung der Ansichten dagegen vom Studium der Faktoren und Bedingungen der Formen-Neubildung in der Gegenwart zu erwarten. Es ist mithin dieFrage zu beantworten, ob und un- ter welchen Einflüssen entstehen bei jetzt lebenden Organismen neue erbliche, d. h. auf die Nachkommen sich übertragende Merkmale? Nachdem sich der sicheren Beantwortung dieser Kardinalfrage der Entwicklungslehre früher fast unüberwindlich scheinende Schwie- rigkeiten entgegengestellt hatten, ist in den letzten 20 Jahren durch die experimentelle Vererbungsforschung allmählich das Fundament geschaffen worden, von dem aus einwandfreie Untersuchungen über Formen-Neubildung unternommen werden konnteu. Unerlässliches Erfordernis für diese Richtung der genetischen Forschung ist die genaueste Kenntnis des Formenkreises, in welchem experimentiert und die Erzeugung neuer Formen versucht werden soll. Diese Formenkenntnis wird erreicht durch das Studium der Modifi- zierbarkeit des Versuchsmaterials unter Anwendung der Me- thoden der experimentellen Morphologie und der auf Messungen auf- bauenden Statistik (Biometrie) sowie der Feststellung seiner Erbanlagen durch Kreuzungsversuch und Analyse der Nachkommenschaft. Die durch Modifikations- und Erblichkeits- Jahrg. 67. ALFRED ERNST. Chromosomenzahl und Rassenbildung. 77 lehre geschaffenen Grundlagen sind nun in einer ganzen Reihe von Formenkreisen einwandfrei vorhanden. Diese sind allerdings recht eng und betreffen ausschliesslich reine Linien, Rassen, Unterarten und Arten. Die Erforschung der Entstehung und Vererbung neuer An- lagen ist also vorerst auf dieselben engen Kreise beschränkt, mit denen sich auch die experimentelle Vererbungsforschung beschäf- tigen muss. Die experimentell hervorzurufenden Änderungen be- treffen also nicht die Grundzüge der Organisation und der Funktion, sondern ausschliesslich Merkmale, die im Vergleich zu den Organi- sationsmerkmalen in der Regel nur geringfügige Abweichungen vom Typus der betreffenden Einheit charakterisieren. Formen-Neubildung ist, wie die Untersuchungen der letzten Jahre gezeigt haben, möglic durch plötzliche Änderungen innerhalb reiner Li- nien, unter dem Einfluss äusserer Einwirkungen und infolge Kreuzung. Von allen drei Faktoren der Formen-Neubildung, der Muta- tion aus inneren, d.h. zur Zeit in ihren Beziehungen zur Umwelt noch nicht erkennbaren Ursachen, der Mutation infolge äusserer Be- wirkung und der Formen-Neubildung infolge Kreuzung, wird im Nach- folgenden, unter der durch das Thema „Chromosomenzahl und Rassen- bildung‘ gebotenen Einschränkung, die Rede sein. Bei dem grossen Einfluss, den die Einwirkungen der Umwelt auf die Erscheinungsform, den Phaenotypus,der Organismen haben, war es naheliegend zu versuchen, Abänderungen der Erbanlagen, des Genoty pus, ebenfalls durch äussere Einwirkungen hervorzurufen. Als solche kamen vor allem in Frage: Änderung der Temperatur- und Belichtungsverhältnisse, Einwirkung von Röntgen- und Ra- diumstrahlen, Änderung der Ernährungsverhältnisse, Einwirkung von Narcotica, Giften, von Zug- und Druckkräften, grobmecha- nische Verwundungen etc. Soweit es sich bei den Resultaten sol- cher an den verschiedensten Pflanzen und Tieren durchgeführ- ten Untersuchungen nicht um blosse Änderungen in der Erschei- Nungsform, also um Modifikationen der direkt beeinflussten Individuen, Sondern um wirklich erbliche Abänderungen handelt, muss sich der Einfluss des Aussenreizes auf das innerste Wesen der lebenden Substanz geltend gemacht haben. Mit der sichtbaren Modifikation des beeinflussten Individuums müssen zunächst vielleicht noch nicht erkennbare, innere Ursachen für das Auftreten von Ab- 78 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 änderungen in der Nachkommenschaft geschaffen wor- den sein. Die Vererbung einer unter dem Einflusse der Aussenwelt zustande gekommenen Abweichung ist nur möglich, wenn der Lebensträger, das Protoplasma, selbst oder bestimmte Teile desselben, von denen die Vererbung abhängig ist, eine dauernde Veränderung erfahren haben. Man bezeichnet nun denjenigen Teil des Protoplasmas einer Zelle, also auch einer Geschlechtszelle, Gamete, in welcher ihre Art- eigenheit begründet ist, als ihr Keimplasma oder Idioplasma. Der Aufschwung der Plasma- und Kernforschung zu Ende des letzten Jahrhunderts hat die Möglichkeit geschaffen, das zunächst hypothe- tische Idioplasma mit sichtbaren Strukturen und Organisationsver- hältnissen des Protoplasmas zu identifizieren. Immer mehr hat sich die Überzeugung Bahn gebrochen, dass speziell Bestandteile des Zellkerns Träger der Vererbungserscheinungen, also Keimplasma sein müssten. Für diese Bedeutung des Kerns als Träger von Erbgut sprechen neben seiner Mitwirkung bei allen formgestaltenden Pro- zessen im Zelleben ganz besonders: der komplizierte Mechanismus der Kern- und Zellteilung, die Wahrnehmung, dass am Befruchtungsprozess von männlicher Seite, z. B. bei der Mehrzahl der Angiospermen, häufig nur ein Kern, dagegen kein Plasma beteiligt ist und trotzdem die väterlichen Merk- male in den Nachkommen mit derselben Feinheit und Genauigkeit zur Ausbildung gelangen können, wie diejenigen der plasmareiche Eizellen liefernden Mutter, die eigenartigen Resultate von Kreuzungsversuchen, speziell der Befruchtung künstlich kernlos gemachter Eier einer Spezies mit dem Sperma einer andern Art, Gattung oder Familie, die Erscheinungen der Merogonie. Ist man also auf Grund der eytologischen Forschung allmählich zur Überzeugung gelangt, dass das Idioplasma im wesentlichen seinen Sitz im Kern haben muss, so haben andererseits experimentelle Ver- erbungsforschungen ergeben, dass dies nicht ausschliesslich der Fall sein kann. Es steht ganz ausser Zweifel, dass einzelne Rassenunter- schiede bei Pflanzen, wie z. B. die partielle Weiss- oder Gelbfärbung von Laubblättern, auf übertragbaren Verschiedenheiten anderer Plasma- teile, des Cytoplasmas und der Chromatophoren, beruhen. Von den Örganisationsmerkmalen schliesslich, welche grössere systematische Einheiten charakterisieren, müssen wir annehmen, dass sie von dem Zusammenwirken aller Plasmateile oder des im gesamten Zellplasma Jahrg. 67. ALFRED ERNST. Chromosomenzahl und Rassenbildung. 79 verteilten Idioplasmas abhängig sind. Für die Vererbung des Ge- schlechts, und die bei Kreuzung von Varietäten und Rassen den MEnpeLschen Gesetzen folgenden Merkmale und Unterschiede liefert dagegen der Kern die idioplasmatische Grundlage. In den Vor- gängen der Kernteilung, der Befruchtung und der Re- duktion finden wir die cytologischen Grundlagen der Mendel-Vererbung. In aller Kürze sei an die wesentlichsten Momente dieser Prozesse erinnert: Die mitotische Kernteilung (Karyokinese) ist dadurch cha- rakterisiert, dass gewisse Substanzen des Kerngerüstes, vor allem das Chromatin, in besonders gleichmässiger Weise auf die Tochter- kerne verteilt werden. Sie kontrahieren sich zur Bildung der Chro- mosomen, d.h. kugeliger, stäbchen- oder bandförmiger Strukturen, die nach Anzahl, Grösse, Gestalt und vielfach auch in der Gruppie- tung innerhalb eines jeden Verwandtschaftskreises eine gewisse Kon- stanz zeigen. Die Chromosomen erfahren eine Längsspaltung und die gleichwertigen Tochterchromosomen weichen zur Bildung der Tochter- kerne bipolar auseinander. Der Befruchtungsvorgang besteht in der Vereinigung zweier Geschlechtszellen (Gameten) oder in der Aufnahme eines männlichen Kerns in die weibliche Zelle. Die Verschmelzung der beiden Ga- metenkerne ist keine vollständige, eine Vermischung der Kernsub- stanzen unterbleibt. In Wirklichkeit handelt es sich im Befruchtungs- Prozess um die Bildung eines Doppelkerns, in welchem die Individualität der beiden Chromatinmassen und der Sie zusammensetzenden Chromosomen erhalten bleibt. Der Zygoten- oder Keimkern zeigt daher bei allen nachfolgenden Teilungen nicht nur eine verdoppelte Chromosomenzahl, sondern auch zwei Chromosom ensätze, von denen der eine vom väter- lichen, der andere vom mütterlichen Gametenkern abstammt. Einander entsprechende Chromosomen der beiden Sätze treten im Verlaufe der Teilungen sehr häufig zu deutlich wahrnehmbaren Paaren zusammen. Im regelmässigen Wechsel mit den Vorgängen der Befruchtung und der damit verbundenen Verdoppelung der Chromosomenzahl findet en Reduktionsvor gang, die erneute Herabsetzung der Chro- mosomenzahl auf die Hälfte statt. Diese numerische Reduktion spielt Sich im Verlaufe einer Vierteilung (Tetradenteilung) von Mutterzellen ‚ bei den Tieren der Ei- und Samenmutterzellen, bei den höheren Pflanzen bei der Teilung der Sporenmutter- - len ab. Damit ergibt sich im Entwicklungsverlauf ein regel- Mässiger Wechsel der Chromosomenzahl. Im Befruchtungsprozess 80 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 kommen haploide Kerne mit einfachem Chromosomensatz zur Ver- einigung. Die doppelte, diploide Anzahl der Zygote wird im Soma und in den Fortpflanzungsorganen der Tiere bis zur Bildung der Sexualzellen beibehalten. Im Pflanzenreich liegen die Verhältnisse etwas komplizierter, weil bei den meisten Pflanzen sich der Wechsel der Chromosomenzahl mit dem Wechsel in zwei äusseren Erschei- nungsformen kombiniert (Generationswechsel): Der Gametophyt (Gamophase) ist haploidkernig und pflanzt sich geschlechtlich fort, der Sporophyt (Zygophase) ist diploidkernig und vermehrt sich durch Sporen. Wie nun im einzelnen Falle die morphologischen Ver- hältnisse “auch liegen, so stimmen alle Tetraden- und Reduktions- teilungen darin überein, dass bei den Vorbereitungen zum ersten der dazu notwendigen beiden Teilungsschritte die sich entsprechenden väterlichen und mütterlichen Chromosomen in besonders enge Paa- rung, zu den Chromosomenpaaren, Gemini, zusammentreten und hernach in der Regel nicht Längshälften aller Chromosomen, sondern ganze väterliche und mütterliche Chromosomen auseinanderweichen. Mit der numerischen Reduktion ist also auch eine qualitative Reduktion, das Zustandekommen von Verschiedenheiten innerhalb der Zellen einer Tetrade verknüpft. Die Annahme eines Prozesses nach Art der Reduktionsteilung ist für jede Theorie über die stofflichen Grundlagen der Vererbung und ganz speziell der Spaltungserscheinungen in der Nachkommen- schaft von Bastarden unerlässlich. Da nun Zellkern und Chromo- somen in ihrem ganzen Verhalten dem theoretischen Postulat der Vererbungsforschung in vollkommener Weise entsprechen, ist es ausserordentlich wahrscheinlich, ja wohl als sicher zu betrachten, ass die mendelnden idioplasmatischen Grundunter- schiede auf Unterschieden im Bau sich sonst entspre®- chender Chromosomen beruhen. Jede spontan entstehende neue Form (Mutation) unterscheidet sich von der Stammform durch eine erbliche Abänderung des Keim- plasmas, kann also in Änderungen von Strukturen des Cytoplasma$, der Chromatophoren oder des Kerns begründet sein. Die meisten dieser Änderungen, vor allem diejenigen am Cytoplasma, bleiben uns unsichtbar. Handelt es sich aber um Änderungen des in den Chro- mosomen lokalisierten Idioplasmaanteils, so ist die Möglichkeit vor handen, dass sie mit Änderungen der Chromosomen-Grösse, -Form und -Lagerung und vielleicht auch mit Änderungen der Chromosomenzahl kombiniert auftreten. Umgekehrt werden wir erwarten dürfen, dass Jahrg. 67. ALFRED ERNST. Chromosomenzahl und Rassenbildung. 8 spontaneoderexperimentelle Veränderungen desChro- matin- und Chromosomenbestandes der Kerne und be- sonders der Gameten irgend eines Organismus auch Änderungen in den morphologischen und physiologi- schen Merkmalen, also seines G@enotypus, zur Folge haben werden. Am leichtesten feststellbar und daher vorderhand auch am eingehendsten untersucht sind Änderungen der Chro- mosomenzahl. Es ist vorauszusehen, dass sich Änderungen im Sinne eines Chro- matinverlustes durch das Schwinden einzelner oder ganzer Komplexe von Merkmalen und Fähigkeiten äussern werden und ande®erseits die Vermehrung des Chromatingehaltes das Auftreten neuer Merkmale zur Folge haben wird. Ein Weg zur Erzeugung neuer Formen, durch Änderung des Chromatinbestandes der Kerne, öffnet sich. Er erscheint vielversprechend, weil schon der natürliche Formenreich- tum innerhalb sehr vieler Verwandtschaftskreise mit Änderungen des Chromatinbestandes, Änderungen der Chromosomen nach Grösse, Form und Zahl verbunden ist. Innerhalb der Familien, Gattungen, Arten und selbst innerhalb der Varietäten einer Art sind Kerngrösse und Chromosomenzahl oft auffallend verschieden. So weisen Arten aus den verschiedenen Gattungen der Liliaceae die haploiden Chro- mosomenzahlen 6, 7, 8, 12, 16, 18, 24, 32 auf. Die Arten der Gat- tung Primula haben als Haploidzahlen 9, 12, 18, 24 oder 27; in der Gattung Crepis sind die besonders niederen Zahlen 3, 4, 5, 6, 8 und 16 gefunden worden. Als Beispiele auffallender Unterschiede in den Chromosomenzahlen der Rassen einer und derselben Spezies seien er- wähnt: Chrysanthemum indieum mit 9, 18, 27, 36, 45 Chromosomen - in der Gamophase; Musa sapientum, von deren zahlreichen Rassen allerdings erst wenige untersucht worden sind, die 8, 11, 12, 16 oder 24 Chromosomen in der Gamophase führen. In den eben erwähnten wie in zahlreichen anderen Beispielen er- scheinen die innerhalb eines Verwandtschaftskreises auftretenden Chro- Mmosomenzahlen teils als Vielfache einer kleinsten Grundzahl (Crepis 3, Primula 9, Liliaceae 6); andere Chromosomenzahlen fallen aus der Reihe der Multipla heraus oder liegen zwischen denselben. Irgend welche Gesetzmässigkeiten im Wechsel der Chromosomenzahl, Beziehungen zwischen Zahlenunterschied der Chromosomen und den morphologisch-physiologischen Unterschieden der sie aufweisenden Formen, vor allem aber Anhaltspunkte über das Zustandekommen solcher Abänderungen der Chromosomenzahl waren bis vor einem Jahrzehnt nicht oder nur andeutungsweise vorhanden. Nun beginnt Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges, Zürich. Jahrg. 67. 1922. 6 82 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 sich das Dunkel zu lichten und in verhältnismässig kurzer Zeit hat die experimentelle Forschung in Verbindung mit der Cytologie zu wichtigen Ergebnissen geführt. Die Literatur zum Thema „Chro- mosomenzahl und Räassenbildung“ ist schon jetzt derart weitläufig, das Problem so vielseitig geworden, dass ich von vornherein auf eine erschöpfende Behandlung desselben verzichten und mich in der Haupt- sache auf die Darlegung der Resultate einiger neuester Unter- suchungen an Pflanzen und die Diskussion ihrer Aufschlüsse hinsicht- lich der Probleme der Vererbung und der Formen-Neubildung be- schränken muss. Abänderung des Chromatinbestandes und damit des Keimplasma- gehaltes der Kerne einer systematischen Einheit kann mit einer Verminderung oder Vermehrung der Chromosomenzahl verbunden sein. Nicht jede Verminderung, auch nicht jede Erhöhung der Chromosomenzahl hat eine Ände- rung des Chromatingehaltes und des Idioplasmas zur Folge. Eine Abnahme der Chromosomenzahl kann, wie in einigen Fällen nachgewiesen oder wahrscheinlich gemacht worden ist, auch durch Verschmelzung ursprünglich selbständiger Chromosomen; eine Vermehrung der Chromosomenzahl durch Querteilung von Chromo- somen zustande kommen. In beiden Fällen wird der Chromatin- und damit wohl auch der Keimplasma-Gehalt der Kerne nicht oder nicht wesentlich verändert. Im folgenden trete ich auf solche Verän- derungen nicht näher ein und beschränke mich auf die Betrach- tung derjenigen Änderungen der Chromosomenzahl, welche jedenfalls auch von einer wirklichen Verminderung oder Vermehrung der ge- samten Chromatinmasse begleitet sind. Wesentlich ist natürlich nicht die Anderung der Chromosomenzahl an sich, sondern die Veränderung des an die Chromosomen gebundenen Keimplasmas. Die Feststellung von Veränderungen des Kerndurchmessers, des Kern- volumens und vor allem der Chromosomenzahl sind bis jetzt allerdings die einzigen Möglichkeiten zur cytologischen Feststellung solcher Anderungen des Idioplasmas. Veränderung des Idioplasmas durch Verminderung der Chro- mosomenzahl kann erreicht werden durch Elimination einzelner Chromosomen im Verlaufe von Kernteilungen haploid- oder diploid- kerniger Stadien von Organismen. Eine Herabsetzung der Chromo- somenzahl auf die Hälfte der Normalzahl findet statt bei künst- licher Entwicklungserregung unbefruchteter, haploidkerniger Eizellen von Pflanzen und Tieren (natürliche und künstliche haploide Par- thenogenesis). Beide Wege sind experimentell gangbar, doch haben Jahrg. 67. ALFRED ERNST. Chromosomenzahl und Rassenbildung. 83 sie bis jetzt weder bei Pflanzen noch bei Tieren zur Entstehung fort- pflanzungsfähiger neuer Formen geführt. Dagegen sind Organismen mit vermehrter Chromo- somenzahl schon vielfach erhalten und durch Generationen ge- züchtet worden. Am leichtesten fällt die Erzeugung von Zellen, ganzen Individuen und von solchen ausgehend von Rassen mit einem Mehrfachen des einfachen (haploiden) oder des doppelten (diploiden) Chromosomensatzes einer Lebensform. Ausgehend von solchen mul- tiploiden Formen können auch Formen mit anderen abweichenden Chromosomenzahlen gezüchtet werden. Von der Erzeugung von Zellen und Individuen mit einem Mehr- fachen des einfachen oder doppelten Chromosomensatzes einer natür- liehen Form soll zunächst die Rede sein. Versuche in dieser Richtung sind an verschiedenen Objekten und unter Anwendung verschiedener Methoden durchgeführt worden. Zu den ersten erfolgreichen Versuchen experimenteller Verände- rung des Chromatinbestandes von Kernen gehören die von J. GERAS- SImow (1897— 1904), A. NATHANSOHN (1901) und ©. van WisseLinGH (1920) angestellten Studien über experimentelle Erzeugung von doppelker- nigen Zellen und von einkernigen Zellen mit zwei-, vier-, oder achtfach vergrösserter Kernmasse bei Spirogyra und anderen Zygnemaceae. Werden Fäden solcher Algen während der nächtlich erfolgenden Kern- und Zellteilungen abgekühlt oder dem Einfluss von Narcotica ausge- setzt, so treten Störungen der Korrelationen zwischen Kern- und Zellteilungsverlauf ein, die zur Entstehung von Zellen mit zwei Kernen oder mit Kernen mit doppelter Kernmasse führen. Auf diesem Wege diploidkernig gewordene Zellen unterscheiden sich von den normal haploidkernigen in Grösse und Gestalt. Ihre besonderen Merk- male werden bei den späteren Teilungen auf Tochter- und Enkel- zellen übertragen; bei der Konjugation zwischen gleichartig verän- derten Zellen auch auf die Nachkommen aus den Zygoten. Erneute Beeinflussung diploidkerniger Zellen führt zur Tetraploidie und eine dritte Wiederholung des ganzen Vorganges zur Oktoploidie der Kerne. Die Möglichkeit zur Erzeugung polyploider Rassen ist für diese Algen also schon lange gegeben und es öffnen sich nach Überwin- dung der Kulturschwierigkeiten viele Möglichkeiten für interessante Vererbungsversuche. Da bei den Spirogyren die geschlechtliche Kon- Jugation zwischen fast völlig gleichwertigen Zellen erfolgt, die Zygote nicht nur die Kerne, sondern auch die Cytoplasma- und Chromato- 34 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 phorenmasse der beiden Gametenkerne empfängt, wird durch solche Versuche, in Kombination mit Kreuzung verschiedener Arten, vor allem die Bedeutung des Cytoplasmas und der Chromatophoren bei der Ver- erbung festzustellen sein. In den embryonalen Geweben von Vegetationspunkten höherer Pflanzen sind Zellen mit abgeändertem Chromatingehalt der Kerne zuerst von B. Nemec (1910) erhalten und eingehend studiert worden. Vorübergehende Einwirkung von Äther, Chloroform, Chloralhydrat auf lebhaft tätige Vegetationspunkte von Wurzeln oder Sprossen be- einflusst auch hier den Verlauf der Kern- und Zellteilungsvorgänge und führt zur Erzeugung von tetraploiden (syndiploiden) Zellen. Bei wiederholter Beeinflussung entstehen gelegentlich auch okto- ploidkernige Zellen. Alle diese modifizierten Zellen weichen in Form und Grösse beträchtlich von den diploiden Zellen ab. Sie sind nach Wiedereintritt normaler Lebens- und Wachstumsbedingungen gleich diploiden Zellen teilungsfähig, so dass aus ihnen durch wieder- holte Teilungen Zellgruppen und kleinere Gewebekomplexe mit eı- höhter Chromosomenzahl der Kerne hervorgehen. Nicht ausgeschlos- sen ist, dass gelegentlich derart veränderte Zellen auch zu Ini- tialzellen ganzer polyploidkerniger Organe werden, deren Iso- lierung und vegetative Vermehrung eine neue Rasse ergeben würde. Bis jetzt freilich ist auf Grund dieser Versuchsanstellung ein solches Resultat noch nicht erreicht worden. Vielleicht wird es in Zukunft durch Kombination derselben mit nachfolgenden Verwundungs- und Regenerationsversuchen eher zu erzielen sein. | Von allergrösster Bedeutung, allerdings wiederum noch nicht wegen der bis jetzt erreichten Resultate, aber in Hinsicht auf weitere Entwicklungsmöglichkeiten der Methode, ist die direkte Beein- flussung der G@eschlechtszellenbildung. Bei den höheren Pflanzen wird es sich dabei praktisch nur um die Abänderung der- jenigen Gameten handeln können, welche durch den Pollen geliefert werden. Versuche über Beeinflussung der Pollenentwicklung durch Bestrahlung und durch Narkose sind schon wiederholt angestellt worden. So hat M. Körnıcke (1905) über die Wirkung der Radium- bestrahlung auf den Verlauf der Tetraden- und Reduktionsteilung der Pollenmutterzellen von Lilium Mäartagon berichtet. Je nach Inten- sität und Dauer der Bestrahlung und je nach dem beeinflussten Ent- wicklungsstadium sind sehr verschiedenartige Unregelmässigkeiten im Verlaufe von Tetradenteilung und Pollenkornentwicklung au gr treten. Wichtig ist vor allem die Entstehung von Pollenkörnern mit di- und multiploiden Kernen. Einmalige oder wiederholte Chlorofor- Jahrg. 67. ALFRED ERNST. Chromosomenzahl und Rassenbildung. 85 mierung (B. Nemec 1910) oder entsprechende Behandlung mit Chloral- hydrat (T. SAkAmuURA 1916) rufen als Abweichungen vom normalen Verlaufe der Tetradenteilung ebenfalls der Entstehung von haploiden, diploiden und tetraploidkernigen Pollenkörnern. Noch näher zu unter- suchen bleibt, ob und in welchem Grade derart erhaltener hetero- ploidkerniger Pollen keimungsfähig ist und befruchtungsfähige Sperma- kerne liefert. Befruchtung normaler haploidkerniger Eizellen mit Kernen beeinflussten Pollens wird sodann zur Entstehung von Pflanzen mit abweichenden Chromosomenzahlen führen. Auch dieses Ziel ist noch nicht erreicht. Es bedarf zu seiner Verwirklichung jedenfalls noch einer feineren Ausarbeitung der Beeinflussungsmethoden und vor allem der Vornahme von Bestäubungsversuchen mit modifiziertem Pollen in grösserem Maßstabe. Dass vom Ausbau derartiger Versuche weitgehende Aufschlüsse zu erwarten sind, ist aus den Re- sultaten anderer Versuche zu schliessen, die zeigen, dass z. B. aus chemisch oder durch Bestrahlung beeinflussten Samen (Versuche von D. T.Mac Doucar 1911, J. Dewirz 1913 und E. Stein 1922) ausser- ordentlich stark modifizierte Pflanzen hervorgehen, die oft keine Spur mehr von Ähnlichkeit mit der Stammform haben. Während bei den eben angeführten drei Gruppen von Versuchen neue Rassen oder heteroploidkernige Individuen als deren Ausgangs- punkt noch nicht erhalten worden sind, ist dies in einigen anderen Fällen bereits gelungen. Allerdings auf Grund von Methoden, die leider nicht wie die oben beschriebenen allgemeine Anwendbarkeit besitzen. Erzeugung ganzer Pflanzen, ja eigentlicher neuer Rassen mit experimentell veränderter Chromosomenzahl ist zuerst bei Laub- Moosen geglückt. Die von Er. und Em. MARCHAL (1905—12) ausge- ührten Versuche basieren auf einigen Eigentümlichkeiten der Mor- phologie und Physiologie der Moose, deren Kenntnis zum Verständnis der Versuchsresultate notwendig ist. Die Laubmoose besitzen einen ausgeprägten Generationswechsel, in welchem zwei besonders stark verschiedene Generationen alter- nieren. Die eine Generation ist das eigentliche Moospflänzchen, das als Gametophyt die Geschlechtsorgane erzeugt und sich durch Eizellen und Spermatozoiden fortpflanzt. Aus der befruchteten Eizelle geht die ungeschlechtliche Generation, der Sporophyt, hervor. Er wächst auf der beblätterten Moospflanze als Parasit und pflanzt sich durch Sporen fort, aus denen unter Einschaltung eines fadenförmigen Vor- stadiums, des Protonemas, wieder neue in Achse und Blatt geglie- derte Pflänzchen entstehen. Die Zellen des Gametophyten, auch die 86 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Ei- und Spermazellen, haben die einfache, haploide, diejenigen des Sporophyten die verdoppelte, diploide, Chromosomenzahl. Sie wird bei der Tetradenteilung der Sporenmutterzellen wieder auf die Hälfte reduziert. Den Moosen kommt eine ungewöhnliche Regenerationsfähigkeit zu. Aus den kleinsten Stengel- und Blatteilchen von Gametophyten, ja selbst aus isolierten Zellgruppen und Einzelzellen, können über das Stadium des verzweigtfädigen Protonemas neue Rasen von Ge- schlechtssprossen erzeugt werden. Nachdem schon viel früher durch N. Prinashem (1876, 78) und E. Srarı (1876) festgestellt worden war, dass auch Teile junger Sporogonien unter geeigneten Bedingungen zur Protonemabildung befähigt sind, haben die MARCHAL durch syste- matischen Ausbau der Regenerations- und Kulturversuche von einer grösseren Anzahl Laubmoose Regenerate aus Sporogonien gezüchtet und die in diesen Kulturen entstandenen Gametophyten mit solchen verglichen, die gleichzeitig und unter gleichen Bedingungen aus Re- generaten von Gametophyten hervorgegangen waren. Dabei ergab sich, dass die sich aus regenerierenden Sporophyten ableitenden Ga- metophyten ganz allgemein durch bedeutendere Grösse, üppigere Ent- wicklung der Blätter, intensiveres Grün, grössere Geschlechtsorgane, grössere Zellen und Kerne ausgezeichnet sind. Bei einigen der unter- suchten Spezies gelang es, die Chromosomen der Ausgangspflanzen und der aus den Regeneraten von Sporogonien entstandenen Game- tophyten zu bestimmen. Es beträgt z. B. die Chromosomenzahl bei Gametophyt Sporophyt Mnium hornum, Stammform 6 12 ” aus Sporogonium-Regenerat 12 = Bryum argenteum, Stammform 10 20 : aus Sporogonium-Regenerat 20 a Amblystegium serpens, Stammform 12 24 i E aus Sporogonium-Regenerat 24 48 Die cytologische Untersuchung hat also ergeben, dass die aus den Sporogonium-Regeneraten entstehenden Gametophyten mit der normalerweise dem Sporophyten zukommenden Chromosomenzahl ver- sehen sind, im Verhältnis zum normalen, haploidkernigen Gameto- phyten also diploidkernig sind. Hinsichtlich der F ortpflanzung verhalten sich die diploiden Gametophyten der einzelnen unter- suchten Formen verschieden. Diejenigen monözischer Arten (z. B. Ambiystegium serpens) waren meistens fertil, erzeugten also diploidkernige Eizellen und Spermatozoiden, aus deren Verschmel- Jahrg. 67. ALFRED ERNST. Chromosomenzahl und Rassenbildung. 87 zung tetraploide, Sporogonien entstanden. Diese bildeten durch Reduktionsteilung diploidkernige Sporen, aus denen wieder diploide Gametophyten hervorgingen. Es waren also neue, in der Chromosomenzahl der Kerne und in zahlreichen weiteren morpho- logischen Merkmalen von der Stammform sich unterscheidende Ras- sen entstanden, die sich normal fortpflanzten und konstant blieben. In Analogie zu natürlichen Rassen mit ähnlichen Unterschieden in der Chromosomenzahl hat man diese neuen Moos-Rassen im Gegen- satz zu ihren univalenten Stammformen als bivalente Rassen bezeichnet. Durch Regenerationsversuche mit Stücken unreifer tetraploid- kerniger Sporogonien wurden sodann tetraploide Gametophyten er- halten. Auch das tetravalente Amblystegium serpens bildete nor- mal aussehende Fortpflanzungsorgane, dagegen gelang es nicht, deren Eizellen zur Entwicklung zu veranlassen. Die obere Grenze in der Erzeugung polyploider Rassen war offenbar bei dieser Form erreicht. Ks liegen aber in dieser Hinsicht die Verhältnisse in jeder grösseren Gruppe von Moosen verschieden. Neben Formen, bei denen schon die Diploidform des Gametophyten steril ist, gibt es andere, bei denen die Fähigkeit zu normaler geschlechtlicher Fortpflanzung auch noch der Tetraploidform zukommt. Zu andern Resultaten führten die Versuche bei Verwendung der Sporophyten von gametophytisch diözischen Moosen. Die unter- suchten Bryum, Mnium, Barbulaarten lieferten apospor ebenfalls di- ploide, aber nicht mehr eingeschlechtige, sondern hermaphrodi- tische Gametophyten. Die meisten derselben erzeugten auf ihren Sprossen Archegonien und Antheridien in wechselnder Verteilung und wechselndem Mengenverhältnis, in keinem einzigen Falle aber ein Sporogonium. Die diploiden Gametophyten der untersuchten diö- zischen Formen blieben sämtlich steril, waren aber befähigt, sich auf ungeschlechtlichem Wege reichlich zu vermehren und zu erhalten. Auch hierin liegen in anderen als den von den MARCHAL untersuchten Gattungen die Verhältnisse wenigstens teilweise anders. Von dem ebenfalls rein diözischen Splachnum sphaericum hat J. SCHWEIZER nicht nur fertile diploide, sondern auch fertile tetraploide Gametophyten erhalten. Es zeigt dieses streng diözische Moos also noch weiter- zen Fertilität als die von den MARCHAL untersuchten monözischen rten. Bei den Moosen können also experimentell neue Rassen mit einer ganzen Reihe neuer erblicher Eigenschaften erzeugt werden. Die meisten der neuen Merkmale sind, soweit sie sich auf Grösse, Gestalt 88 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 einzelner Organe, anatomische Strukturen etc. beziehen, quantita- tiver Art. Einzelne wenige dagegen bedeuten qualitative Än- derungen, wie vor allem die abweichende Geschlechtsverteilung bei den Diploidformen der Diözisten. Schon die beiden MARCHAL heben hervor, dass vegetative Vermehrung aus Sporogonien (Aposporie) nicht nur im Experiment, sondern auch in der freien Natur zur Bil- dung von diploiden Rassen Anlass geben kann. Die Regenerations- vorgänge an Sporophyten gehen bei einzelnen der von ihnen unter- suchten Arten unter Bedingungen vor sich, die in der Natur sehr wohl gelegentlich realisiert sein können. Denkbar ist z. B. Pro- tonemabildung an Sporogonien, die durch Tierfrass oder anderweitige Schädigung verstümmelt auf den feuchten Boden zu liegen kommen. Als Beleg für die Richtigkeit dieser Anschauung teilen die beiden Forscher mit, dass sie einmal ein Bryum atropurpureum gefunden hätten, das im Gegensatz zum Normaltypus der Art nicht diözisch, sondern monözisch und steril war, also ähnliche Eigenschaften auf- wies, wie die von ihnen experimentell hergestellten diploidkernigen Rassen diözischer Arten. Sehr wahrscheinlich existieren solche poly- ploide Rassen auch innerhalb der Arten, für welche in der Literatur eine verminderte oder völlig verschwundene Fertilität, oder ein Schwanken in der Art der Geschlechterverteilung angegeben wird. Ein Gegenstück zu den experimentell erzeugten, plurivalenten Laubmoosen sind die von H. WINKLER (1916) experimentell erzielten Gigas-Formen von Solanum. Wie jene haben auch diese aus vege- tativen Zellen des Sporophyten ihren Ursprung genommen. Im ein- zelnen liegen natürlich die Verhältnisse, entsprechend den so ver- schiedenartigen Beziehungen zwischen den beiden Generationen bei Moosen und Angiospermen, weitgehend verschieden. Solanum Iycopersicum gigas und S. nigrum gigas sind bei den WInKLERschen Versuchen aus Adventivsprossen von Schnittflächen durch Pfropfstellen von S. nigrum als Unterlage und S. Iycopersicum als Pfropfreis gewonnen worden. Ihre Entwicklung hat im Kallus- gewebe, das sich nach der Entgipfelung an der Verwachsungsstelle der Pfropfung bildete, ihren Ausgang genommen. In diesem Gewebe muss mindestens eine Zelle mit tetraploidem Kern aufgetreten sein, deren Teilungsprodukte sich sodann am Aufbau des Adventivsprosses beteiligten, aus welchem schliesslich die Gigas-Form isoliert wurde. Zur Erklärihg des Vorkommens tetraploidkerniger Zellen in dem re generierenden Kallusgewebe fasst WINKLER drei verschiedene Möglieh- keiten ins Auge, von denen diejenige einer Entstehung infolge Kern Jahrg. 67. ALFRED ERNST. Chromosomenzahl und Rassenbildung. 89 durchtritt und Kernverschmelzung in benachbarten Zellen des Wundgewebes am meisten Wahrscheinlichkeit hat. Die kunstvoll isolierten undshernach auf vegetativem Wege ver- mehrten Gigas-Pflanzen tragen in all ihren Teilen die zu erwartenden Merkmale der Tetraploidie, d. h. sie sind grösser und kräftiger ent- wickelt als die diploiden Stammarten. Die Entwicklungsgeschichte ihres Pollens und ihrer Embryosäcke ist noch nicht untersucht; Be- stäubungsversuche ergaben zunächst eine verminderte Fertilität. Die Chromosomenzahlen der Stamm- und Gigas-Formen sind völlig ein- wandfrei klargelegt worden. Sie betragen bei Gametophyt Sporophyt 24 Solanum Iycopersicum, Stammform 12 y 4 gigas 24 48 Solanum nigrum, Stammform 36 72 » ’ gigas 12 144 Nach WinkLers Auffassung sind seine Gigas-Formen den diploiden Ausgangsrassen gegenüber durch ihre hochgradige Sterilität und einige andere Eigenschaften in entschiedenem Nachteil, so ‚dass sie trotz ihres Riesenwuchses in der freien Natur kaum dauernd erhaltungs- fähig wären. Die Frage, ob ähnliche Vorgänge der Chromosomen- verdoppelung auf vegetativem Wege auch in der Natur zur Ent- stehung neuer Formen von Angiospermen führen könnten, darf wohl verneint werden. Die Entstehung der tetraploiden Solanum-Rassen ist wenigstens vorläufig nur unter Bedingungen erfolgt, die in der Natur kaum je realisiert sein dürften. Die zu ihrer Entstehung geeigneten Bedingungen scheinen nur an Pfropfstellen gegeben zu sein. Als Adventivsprosse gewöhnlicher Schnittstellen sind sie bis jetzt nicht erhalten worden und in der Natur werden wohl nur der letzteren Versuchsanstellung ungefähr gleichkommende Schädigungen und Neu- bildungen an regenerierenden Pflanzenteilen zu erwarten sein. Auf Grund der bis 1916 erschienenen Mitteilungen über die Gigas- Formen von Solanum und die Polyploidie bei Laubmoosen musste angenommen werden, dass sich die experimentell erzeugten di- und tetraploiden Rassen von den Stammformen in der Hauptsache durch quantitativ und nur wenige qualitativ abgeänderte Merk- male unterscheiden und konstant bleiben. Neueste Untersuchungen assen nun erkennen, dass die polyploiden Rassen, ganz unabhängig vom Mechanismus ihrer Entstehung, nach verschiedener Richtung zum Ausgangspunkt für weitere Vorgänge der Formen-Neubildung werden können. 90 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Ein dahingehender Hinweis ist übrigens schon in den MARCHAL- schen Publikationen enthalten. Bei der Regeneration eines der von ihnen untersuchten monözischen Laubmoose, Phascum ceuspidatum, er- hielten sie Rasen einer offenbar bivalenten Form, die sich als völlig steril erwies. Im Gegensatz zu den steril bleibenden tetraploiden Am- blystegien unterblieb aber bei dieser sterilen Diploidform nicht nur die erfolgreiche Vereinigung der beiderlei Sexualzellen, sondern schon die Ausbildung der Sexualorgane. An ihrer Stelle traten Neubildungen auf, die in Form und Grösse an Organe der vegetativen Fortpflan- zung anderer Moose, wie z. B. die bekannten Brutkörper von Tetra- phis pellueida, Aulacomnium androgynum etc. erinnerten und wie diese imstande waren, unter Protonemabildung neue Geschlechtssprosse zu erzeugen. Es war aus diesen Versuchen also eine neue Rasse hervor- gegangen, von der die MARCHAL mit Recht bemerken, dass sie SO weitgehend von der Stammpflanze verschieden sei, dass man sie ohne Kenntnis des Ursprunges kaum mit derselben in Beziehung setzen würde, Die auf Grund dieser Feststellung ausgesprochene Vermutung (Ernst 1918, S. 544), es könnte bei einzelnen Moosen schon die Ver- doppelung des arteigenen Chromosomensatzes genügen, um in Ver- bindung mit Änderungen in der Fortpflanzungsweise auch zum Auf- treten neuer vegetativer Merkmale zu führen, hat durch die neuesten Untersuchungen über plurivalente Laubmoose und die Gigas-Formen von Solanum ihre volle Bestätigung gefunden. Die von J. Schweizer (1921) in grösserer Anzahl und in abso- luter Reinkultur hergestellten Regenerationskulturen eines bisher in dieser Richtung noch nicht untersuchten Laubmooses, Splachnum sphaericum, haben zunächst gezeigt, dass das Resultat solcher Rege- nerationsversuche nicht immer dasselbe ist. Ausser der Entstehung der gewissermassen eine Riesenform des Normaltypus darstellenden diploiden Pflanzen sind auch noch andere Entwicklungsmöglichkeiten vorhanden. Unter 15 erfolgreichen Regenerationen desselben Aus- gangsmateriales hat er in 12 Fällen das von vornherein zu erwäl” tende Resultat, d.h. Diplonten erhalten, welche sich hinsichtlich Organ-, Zell- und Kerngrösse von den haploiden Pflanzen in der schon ge schilderten Weise unterscheiden. An Stelle dieser gewissermassen „NO“ mal-diploiden* Formen wurden in drei Kulturen Pflänzchen erhalten, die einen ganz anderen, in jeder der drei Kulturen aber verschiede- nen Habitus aufwiesen. Mit SCHWEIZER wollen wir diese Formen ZU“ nächst als „monströs-diploide* Formen bezeichnen. Doch erscheint mir persönlich wahrscheinlicher, dass hier gar nicht wirklich diploide Formen vorliegen, sondern ihre Abweichungen vom Normaltypus auf Jahrg. 67. ALFRED ERNST. Chromosomenzahl und Rassenbildung. 9 einem cytologischen Unterschiede, einer Abänderung der theo- retisch zu erwartenden Diploidzahl beruhen. Diese Ver- änderung der Chromosomenzahl selbst geht vielleicht auf irgend eine durch die Vorgänge der Verwundung und der nachfolgenden Rege- neration bedingte Anomalie eines Kernteilungsvorganges zurück. Die von SCHWEIZER beschriebenen drei „monströs-diploiden“ Formen sind unter sich nicht nur in vegetativer Hinsicht, sondern auch in bezug auf die Fortpflanzungserscheinungen weitgehend verschieden. Die eine derselben zeigt bereits im Habitus der Kultur Unter- schiede gegenüber der Normalform diploider Regenerate. An Stelle diehtgeschlossener Rasen aufrechter Geschlechtssprösschen weist sie lockere Rasen isoliert stehender Pflänzchen auf. Die Knospenbildung am Protonema erfolgt offenbar nur spärlich. Dagegen zeichnen sich die einzelnen Sprösschen durch besonders kräftigen Wuchs aus und durch unverzweigt bleibende Stämmchen. Ihre Blätter laufen aus einem stark verbreiterten Blattgrund in eine rückwärts gekrümmte Spitze aus. Besonders auffallend ist die unverkennbare Tendenz zu Doppelbildungen. Sie äussert sich am häufigsten im Auftreten einer gegabelten Mittelrippe oder zweier Blattspitzen. Nach der Ausbildung der Sexualorgane sind diese Pflänzchen ausgeprägt weiblich. Wäh- rend aber in den „weiblichen Blüten“ der Haploid- und der normalen Diploidform 30— 40 Archegonien enthalten sind, führen die Stände dieser monströsen Form deren 300 und mehr. Durch Befruchtung der Archegonien entstandene Nachkommen liegen noch nicht vor, da- gegen hat sich diese Form bei vegetativer Fortpflanzung in 12 Ab- legern durchaus konstant weiblich erhalten, obschon sie wie die an- deren Sporogonium-Regenerate genotypisch zwittrig sein sollte. Die zweite abweichende Regeneration erhielt sich auffallend lange im Protonema-Stadium, ohne zur Sprossbildung zu schreiten. Die schliesslich entstandenen Sprösschen haben mit denjenigen der Normalform nicht mehr viel Ähnlichkeit. Ihr Wuchs ist kräftig. Die Stämmchen und deren zahlreiche Auszweigungen sind derb und flei- schig. Die Lamina der Blätter ist stark verbreitert, unregelmässig geformt, mit oft tief zerschlitztem oder unregelmässig gezähntem Blattrand. Auch bei dieser zweiten „monströs-diploiden* Form macht sich die Verdoppelungstendenz in starkem Masse geltend und der Mittel- nerv divergiert sehr häufig nach zwei besonders stark entwickelten Lappen des vorderen Blattrandes. Alle Sprösschen dieser Kultur fruktifizierten rein weiblich. An Stelle normal geformter weiblicher Blüten zeigten die Sprossenden eine Auflösung des verbreiterten Ve- Setationspunktes in verschiedene, mit Archegonien besetzte Höcker. 93 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Eine Befruchtung der Archegonien wurde nicht erreicht; auch zeigten zur Regeneration ausgelegte Spross- und Blatteile eine etwas ver- minderte Regenerationsfähigkeit. In der dritten abweichenden Kultur blieben, im Gegensatz zu den beiden erstbeschriebenen, die Stämmchen kurz und gedrungen, ver- zweigten sich dagegen schon frühzeitig. Ihre Beblätterung blieb spär- lich, ähnlich derjenigen der männlichen haploiden Pflanzen. Die Blätter waren ganzrandig, aber mit tiefer Einbuchtung in der Spitzenzone. Die Geschlechtsorgane waren ausschliesslich männlich, die Antheridien regellos um die Spitze des Stämmchens gruppiert, von unregelmässiger Gestalt und steril. Alle drei abweichenden Formen haben sich auf vegetativem Wege vermehren lassen. Sie blieben dabei in der Hauptsache konstant, d.h. in jeder Ablegerkultur, die ca. 50—100 Sprösschen erzeugt, zeigen die grosse Mehrzahl derselben wiederum die beschriebenen, von der Stammform abweichenden Merkmale. In jeder Kultur kom- men indes auch einzelne Rückschläge zum Typus der bi- und uni- valenten Form vor. Häufig betreffen diese Rückschläge nicht die Ausbildung der ganzen Sprosse, sondern nur einzelne Partien derselben, ja auch nur Teile von Blättern. So zeigt die Spitze eines Blattes gelegentlich den Zellcharakter der monströs-diploiden Form, während seine Basis aus kleineren Zellen besteht, die dem normalen Typus der haploiden oder diploiden Gametophyten entsprechen. Offenbar liegt hier eine Art vegetativer Reduktion vor. In der Fähigkeit zur Bildung von Rückschlägen stimmen die monströs-diploiden Formen von Splachnum sphaerieum mit einigen anderen Pflanzen mit erhöhter Chromosomenzahl und, was von ganz besonderem Interesse ist, auch mit den neuesten Befunden H.WInk- LERS (1922) an den tetraploiden Solana überein. In einem Vortrag, den H. WınkLEr im August vergangenen Jahres in Berlin an der ersten Versammlung der Deutschen Gesellschaft für Vererbungswissen- schaft gehalten hat, teilte er mit, dass in seinen Kulturen von S0- lanım nigrum gigas fast an allen Stöcken gelegentlich Abweichungen auftreten. Von der typischen tetraploiden Ausprägung der Gigas- Form sollen sie sich zum Teil stark unterscheiden und bei vegetativer Vermehrung ihre spezifische Gestaltungsart durchaus beibehalten. Diese Abweichungen können, wie WINKLER ausführt (vergl. Resume 1922), fast alle Organe und fast alle ihre Eigenschaften betreffen. So erhielt er z. B. Formen mit langen und schmalen, weidenähnlichen Blättern oder andere mit vollkommen getrenntblätterigen Blüten, während der Typus der diploiden und tetraploiden Solanumblüte be- Jahrg. 67. ALFRED Ernst. Chromosemenzahl und Rassenbildung. 93 kanntlich sympetal ist, d. h. eine radförmig gestaltete, verwachsen- blätterige Blumenkrone besitzt. Auch WINKLER hat die Chromosomen- zahl dieser von der Tetraploidform abweichenden Typen noch nicht sicher feststellen können, was natürlich bei einer somatischen Chro- mosomenzahl von 144 der normalen Gigasform eine ungewöhnlich schwierige Sache ist. Er ist aber der Ansicht, dass die meisten dieser abweichenden Typen immer noch mehr oder weniger tetraploid sein dürften. Die Untersuchungen an Splachnum und an Solanum sprechen wohl dafür, dass bei solchen Regenerationsversuchen unmittelbar oder nachträglich auch andere als genau verdoppelte und 'vervierfachte Chromosomenzahlen zustande kommen. Diese kleineren Abänderungen der Chromosomenzahl, die vielleicht auf dem Ausfall einzelner ganzer Chromosomen beruhen, geben sodann Anlass zur ver- änderten Ausprägung der verschiedensten Merkmale und zur Ent- stehung von Abnormitäten. Daneben dürften von bivalenten For- men aus auch vollständige Rückschläge auf die Stammform oder auf andere mit dieser wenigstens in der Anzahl der Chromo- somen übereinstimmende Formen erfolgen. So hat WINKLER eine schmalblätterige Form von Solanum nigrum entstehen sehen, welche die normale Diploidzahl der Chromosomen aufwies, also jedenfalls auf eine im vegetativen Gewebe eingetretene Reduktion der Chro- mosomenzahl auf die Hälfte zurückgeht. Mit den SCHWEIZERschen Er- gebnissen über abnormale „bivalente* Splachnum-Formen stimmen die neuen Angaben von H. WINKLER auch darin überein, dass die in seinen Kulturen aufgetretenen abnormen Formen ebenfalls steril sind. Der strenge Nachweis war also auch hier noch nicht zu erbringen, dass es sich, was ja allerdings durch Bestimmung der Chromosomenzahl trotzdem noch festzustellen sein wird, wirklich um genotypisch be- gründete Änderungen handelt. Diese Ergebnisse sind von grundlegender Bedeutung: An bivalenten Formen treten verschiedenartige,zum Teil recht weit von der Stammform abweichende Eigenschaftsänderungen auf. Durch den Übergang des ha- ploiden Gametophyten von Splachnum in den diploiden Zustand, des di- ploiden Solanum nigrum in den tetraploiden Zustand ist zum Keimplasma dieser Formen von aussen nichts hinzugekommen. Wenn also trotz- dem Eigenschaftsänderungen erfolgen, so müssen diese auf Fähig- keiten beruhen, die den betreffenden Pflanzen schon im univalenten Zustand zukamen, die aber vielleicht infolge Korrelation an der Aus- wirkung verhindert waren und erst durch die Versetzung des Chro- mosomensatzes in den bivalenten Zustand aktiv werden konnten. Die 94 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Beweiskraft der WinkLerschen Versuche geht in dieser Richtung weit über diejenigen von SCHWEIZER hinaus, der leider seine Untersuchungen krankheitshalber schon im Herbst 1920 unvollendet sistieren musste und seither nicht wieder aufnehmen konnte. SCHWEIZERS Versuche sind auch mit einem genotypisch viel weniger genau bekannten Ma- terial, mit unmittelbar der Natur entnommenen oder aus ein- bis zweijährigen Kulturen stammenden Pflanzen, durchgeführt worden. WiınkLers Tetraploidformen dagegen stammen von Individuen einer reinen Linie ab, die sich während mehr als zehnjähriger Kultur und bei Tausenden von beobachteten Individuen im diploiden Zustande im höchsten Grade konstant erhalten hatte. Spontane oder experimentelle Entstehung von Formen mit ver- doppelter Chromosomenzahl kann nun noch in anderer Weise zum Ausgangspunkt für Rassenbildung werden, unter Mitwirkung er Kreuzung. Man weiss, dass Bastardbildung im Pflanzenreich eine überaus ver- breitete Erscheinung ist und Kreuzung zwischen Individuen verschie- dener systematischer Einheiten sehr häufig günstigen Erfolg hat. Er- folgreiche Kreuzung ist nun, wie wiederum in den letzten Jahren dargetan worden ist, auch möglich zwischen verschiedenchromo- somigen Arten und ebenso zwischen polyploiden Rassen derselben Spezies. Sie gelingt auch zwischen den experimentell erzeugten bi- valenten Rassen und ihren univalenten Stammformen. SCHWEIZERS Kreuzungsversuche zwischen diploidem und haploidem 'Splachnum sphae- ricum, wobei das letztere, um jeden Zweifel am Ergebnis auszu- schliessen, ausschliesslich als Mutte rpflanze Verwendung fand, haben ziemlich reichlich zur Entstehung von ausreifenden Sporogonien 88 führt, deren Sporenbildungsprozesse leider noch nicht eytologisch untersucht werden konnten. Da ein solches Sporogonium aus einer triploiden Keimzelle hervorgeht, wird es in all seinen Teilen und auch in den Sporenmutterzellen ebenfalls triploid sein. Das gleiche ist, wie WINKLER ausführt, auch mit dem Kreuzungsprodukt zwischen diploidem und tetraploidem Solanum der Fall. Die Kreuzung wurde von ihm durch Bestäubung der tetraploiden Pflanze mit dem Pollen der diploiden Stammform vorgenommen nnd ergab eine triploide, intermediär gestaltete F\-Generation. Triploide Formen können durch vegetative Vermehrung eben- falls konstant erhalten werden. Dagegen ist leicht zu ersehen, dass sie bei geschlechtlicher Fortpflanzung verschiedenchromosomige Ga- meten und damit in bezug auf die Chromosomenzahl der Kerne un Jahrg. 67. ALFRED ERNST. Chromosomenzahl und Rassenbildung. 95 gleichwertige Nachkommenschaft erzeugen werden. Es ergaben auch die WInKLerschen Versuche in F, eine bunte Mannigfaltigkeit ver- schiedener morphologischer Typen. Diese wurden, wie weiter aus- geführt wird, in den folgenden Generationen immer einheitlicher und führten schliesslich zu einigermassen konstanten Stämmen. In cyto- logischer Hinsicht stellte sich dabei heraus, dass die ursprünglich genau triploide Chromosomenzahl der F\-Generation in den folgenden Generationennach und nach zurückging und schliesslich, in den einzelnen tämmen verschieden rasch, der diploide Zustand wieder erreicht und sodann beibehalten wurde. Auf diese Weise sind neue diploide Linien und zwar von verschiedenem Fertilitätsgrad entstanden. Dabei ist, wie WINKLER treffend hervorhebt, besonders wichtig, dass diese neuen diploiden Linien mit der ursprünglichen reinen Linie, der Stammform der tetraploiden Rasse und dem diploiden Elter der triploiden #\ - Generation, keineswegs identisch sind. So zeigen also diese Versuche, dass innerhalb einer reinen, in Sich ausserordentlich ausgeglichenen diploiden Linie durch das Zu- standekommen der Triploidie die Vorbedingungen zum Auftreten von genotypischen Verschiedenheiten geschaffen wurden, deren Wesen durch weitere cytologische und vererbungstheoretische Analyse zu ergründen sein wird. An der Möglichkeit weiteren Aufschlusses durch die Fortsetzung dieser wichtigen Untersuchungen ist gar nicht zu zweifeln, schon aus dem Grunde nicht, weil das für Solanum noch zu Beweisende in einem anderen Verwandschaftskreise, bei Oenothera, bereits gefunden worden ist und zu ganz unerwarteten Aufschlüssen, gewissermassen zu den Schlußsteinen in der Lösung des berühmten Mutationsproblems der Oenothera Lamarckiana geführt hat. Unter den Mutationen von Oenothera Lamarckiana, die HuGo DE VRIES 1902 in seiner Mutationstheorie und später wiederum in seinem Werke „Gruppenweise Artbildung“ beschrieben hat, spielt ©. La- Marckiana gigas eine besonders wichtige Rolle. Sie erschien in seinen Kulturen 1895 zum ersten Male und in einem einzigen Exemplare Inmitten einer Gruppe von ©. Lamarckiana-Pflanzen, welche während drei Vorausgegangenen Generationen konstant geblieben waren. Irgend- Welche Zwischenstadien zwischen diesem einen stark abweichenden Individuum und den anderen Exemplaren typischer O0. Lamarckiana waren nicht vorhanden. Die aus Selbstbefruchtung dieser Pflanze erhaltenen Samen lieferten eine konstante Nachkommenschaft und waren ohne jede Ausnahme reine yigas. Zum zweiten Male stellte 9% Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich, 1922 sich diese Mutation 1898 aus den Samen einer anderen Mutante ein und entstand bis 1909 nicht weniger als insgesamt siebenmal. Oenothera Lamarckiana gigas zeichnet sich gegenüber dem Typus der Art und allen anderen Mutanten derselben durch ihre Gesamt- grösse und die bedeutenderen Dimensionen aller Organe aus. Ganz besonders ist sie von der Stammart durch kräftigere Statur, breitere Blätter von intensiv grüner Farbe, dickere Blütenknospen und grös- sere Blüten unterschieden. Auch die Samen sind grösser und schwerer als diejenigen der Stammpflanze, ihre Keimpflanzen kräftiger und die Blätter der jungen Pflanzen breiter. Nachdem von DE VRrIEs, seinen Schülern und anderen Forschern schon viel mit O. Lam. gigas experimentiert und sie u. a. auch zu Kreuzungen verwendet worden war, wurde 1907 von A. M. Lurz fest- gestellt, dass O. Lam. Typus und O. Lam. gigas sich voneinander in ihren Chromosomenzahlen unterscheiden. ©. Lamarckiana hat wie ©. biennis, muricata und andere Spezies der Gattung im Sporophyten 14, im Gametophyten 7 Chromosomen. ©. Lam. gigas ist im Ver- gleich dazu bivalent oder tetraploid, weist also in der Gamophase 14, in der Zygophase 28 Chromosomen auf. Der veränderten Chro- mosomenzahl entsprechen nun, wie durch Untersuchungen verschie- dener Forscher (R. R. Gates 1909, B. M. Davıs 1911) nachgewiesen worden ist, auch konstante Grössenunterschiede der Zellen und Kerne. Wie bereits angeführt worden ist, gehen damit auch äussere Unter- schiede einher, die durchaus denjenigen der bivalenten Moose und der tetraploiden Solana im Vergleich zu deren Stammformen zur Seite zu stellen sind. Oenothera Lamarckiana gigas ist als Mutation von O. Lamarckiana plötzlich entstanden. Entsprechende Gigas-Formen sind später Von H. p£ VRIES von O. grandiflora und O. suaveolens, von H. H. BARTLEIT (1915) von O, stenomeres und pratincola aufgefunden worden. Was nun den Entstehungsvorgang der Gigas-Formen in der Gat- tung Oenothera, resp. ihrer verdoppelten Chromosomenzahl anbetrifft, so hat zunächst der Altmeister der botanischen Cytologie, E. STRAS- BURGER (1910), angenommen, dass diese Verdoppelung als Folge einer unvollendeten Kernteilung und nachfolgender Verschmelzung der Toch- terkerne in einer zuvor normal befruchteten Eizelle zustande 88 kommen sei. Es lehnt diese Hypothese unverkennbar an die zuvor De kannt gewordene Entstehung der diploiden und syndiploiden Zellen von Spirogyra und in den Wurzelspitzen höherer Pflanzen an. Sie hat sich später als unrichtig erwiesen. An ihre Stelle ist eine andere getreteD: für deren Richtigkeit nun fast absolut sicherstellende Beweise 8% Jahrg. 67. ALFRED ERNST. Chromosomenzahl und Rassenbildung. 97 funden worden sind: Entstehung aus tetraploidenZygoten, die ihrerseits aus der Vereinigung diploidkerniger statt normalhaploidkerniger@ametenhervorgegangen sind. Diese zuerst von TH. J. Stomps (1912) geäusserte Vermutung hat zur Voraussetzung, dass bei der Teilung der Embryosack- und Pollenmutterzellen der Stammform gelegentlich die Reduktionsteilung ausbleibt und dadurch vereinzelte diploidkernige Pollenkörner und Embryosäcke entstehen. Von vornherein war zu erwarten, dass solche Pollenkörner und Embryosäcke bei sonst normalgeschlechtlichen anzen, wenn überhaupt, nur in kleiner Anzahl gebildet werden. Die Möglichkeit, dass gerade zwei solche diploidkernige Gameten zur Vereinigung kommen und tetraploide Nachkommen entstehen, ist also gering. Das ist bei O. Lamarckiana auch wirklich der Fall. Unter einer Million Pflanzen sind nach Berechnungen auf Grund der bis- herigen Versuche, die schon Hunderttausende von kultivierten Pflanzen umfassen, neun Gigas-Pflanzen zu erwarten. Der Annahme, dass die Verdoppelung der Chromosomenzahl der Gigas-Form auf dem Zusammentreten von zwei mutierten Sexualzellen mit verdoppelter Chromosomenzahl beruht, kommt nun deswegen eine besonders grosse Wahrscheinlichkeit zu, weil sie gleichzeitig das Auf- treten einer anderen Mutation oder einer Halbmutante, wie sie von DE VRIES zuerst benannt worden ist, erklärt, der sog. Hero- oder Semigigas-Formen von O. Lamarckiana und O. biennis. Ihre Exi- stenz ist unabhängig von einander von A.M. Lutz (1912) und Th. J. Stomps (1912) nachgewiesen worden. Sie stimmen mit O. Lam. gigas darin überein, dass sie breitblättrig sind und dickere Blütenknospen haben, sonst aber weisen sie einen zwar durchaus kräftigen, aber mit O. Lamarckiana übereinstimmenden Habitus auf. Diese Semigigas- formen führen in ihren Kernen 21 Chromosomen. Sie können also sehr wohl durch das Zusammentreten einer mutierten Sexualzelle mit 14 Chromosomen und einer normalen Sexualzelle mit 7 Chromosomen entstanden sein. Bei einer solchen Genese ist zu erwarten, dass Se- migigas-Pflanzen bedeutend häufiger auftreten als die Gigas- Form. Dies ist nach den übereinstimmenden Befunden der Oenothera- Forscher auch der Fall. Tu. Sromps (1912) und H. pE Vrıes (1913) geben an, dass in ihren Kulturen von O. Lamarckiana dieSemigigas- Form zu 0,3 9, aufgetreten sei. Daraus lässt sich nach Sromps Schliessen, dass bei ©. Lamarckiana und einigen ihrer Mutanten unter je 1000 Eizellen deren mindestens drei 14-chromosomig sind. Nimmt man an, dass dasselbe auch bei den Pollenkörnern der Fall ist, so beträgt der Mutationskoeffizient von 0. Lamarckiana für RR: Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 67. 1922. 98 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 von semigigas ungefähr 0,6 °/,. Bei O. biennis liegen die Verhältnisse noch bedeutend ungünstiger. Unter 8500 Pflanzen traten 4 Indivi- duen, d.h.ca. 0,05°/, semigigas auf. Eine Gigas- Pflanze von O. biennis ist überhaupt noch nicht gefunden worden und ist auch nur einmal unter 4 Millionen typischen Individuen zu erwarten. Für die Richtig- keit dieser Vorstellungen über die spontane Entstehung der ©. Lam. semigigas spricht sodann auch deren völlige Übereinstimmung mit dem experimentell durch Kreuzung von OÖ. Lam. typus X O. Lam. gigas erzeugten triploiden Bastard. Die anfangs für völlig konstant gehaltenen Gigas-Pflanzen und ganz besonders die semigigas-Form von ©. Lamarckiana sind nun ebenfalls als Ausgangspunkte für die Bildung weiterer neuer Rassen erkannt worden. Was zunächst die Gigas-Form anbetrifft, so ist sie allerdings, im Gegensatz zu den anderen Oenothera-Mutanten, weit- gehend konstant. Gelegentlich aber spaltet sie in ihrer Nachkommen- schaft doch einzelne Individuen ab, die der Normal- oder der semigigas- Form angehören. Sie verdanken ihre Entstehung offenbar der Bildung vereinzelter Gameten mit reduzierter Chromosomenzahl. Viel wichtigere Aufschlüsse für das Problem der Rassenbildung hat das Studium der Fortpflanzungsvorgänge der triploiden semigigas- Formen ergeben. Sie sind von J. M. GEErTS und R. R. GATES in cytolo- gischer Hinsicht, experimentell zuerst von A. M. Lutz und B. M. Davs untersucht worden. Ein methodisches Studium dieser Triploidformen unter Verbindung cytologischer und experimenteller Untersuchungen hataber erst C.van OVEREEM (1920) durchgeführt. Seine experimentellen Arbeiten sind unter H.pE VrIES in Amsterdam, die cytologischen Unter- suchungen zum grösseren Teil in unserem Institut durchgeführt und zum Abschluss gebracht worden. Es handelt sich also um Erzeugung und Untersuchung der Nachkommenschaft triploider semigigas-Indi- viduen. Weil die somatische Chromosomenzahl der Triploidform 21 beträgt und nach den Ergebnissen von Untersuchungen in anderen Verwandtschaftskreisen (vergl. z. B. die Untersuchungen von O. ROSEN- BERG über den Bastard Drosera longifolia > rotundifolia, 1909) die Entstehung von Gameten mit verschiedenen Chromosomenzahlen zu erwarten war, musste deren Fortpflanzung nicht nur bei Inzucht, son- dern auch bei Kreuzung studiert werden. Als Partner zur Kreuzung waren Formen in Aussicht zu nehmen, welche in den Gameten eine festbestimmte Chromosomenzahl besitzen. Verwendet wurden 0. La marckiana Typus und O.biennis mit 7-chromosomigen Gametenkernen und O. Lam. gigas mit in der Regel 14-chromosomigen Gameten. Die Jahrg. 67. ALFRED Ernst. Chromosomenzahl und Rassenbildung. 99 Versuchsresultate sind ausserordentlich mannigfaltig und interessant, aber leider nicht gerade leicht in gedrängter Form darstellbar. Am übersichtlichsten wird die Darstellung vielleicht, wenn die Ergebnisse er Kreuzungsversuche vorausgeschickt werden. Von sämtlichen Bastardpflanzen aus diesen Kreuzungen wurden die Chromosomen- zahlen bestimmt. Das Resultat war, wie die nachfolgende Übersicht zeigt, bei den reziproken Kreuzungen weitgehend verschieden. Ghromosomenzahlen Anzahl Individuen der sch r Eltern er sich ver- e F,-Generation einigenden Gameten Individuen Chromosomenzahlen 21 0. Lam. typ? 9 ram. N 28J=14 2J=15 semigigas Eee] 7++2 86, A Be 0. Lam. „ 0. Lam. 144 + @b: 248 3J=21;1J=22; gigas 2 semigigas 1x27; 10x28; 3x29 : 2 19321439x715:4x16: 0. Lam.sem.g > 9 Fam. typ- Id +47 217; 2%18; 1x20;1x21 od. O. biennis ” 4 1x16; 1x18; 2x20 ai 1x21; 2x22; 12x23; 0. Lam.sem. 2x 0. Lam.gigasg + 3; +14 87 21x24; 25x25; 19x26; 6x27; 1x28 Die Deutung dieser Ergebnisse ist nicht allzu schwer. Bei diesen Kreuzungen werden von O. Lamarckiana Typus und ©. biennis fast ausnahmslos 7, von O. Lamarckiana gigas fast ausnahmslos 14 Chro- mosomen in die Zygote hereingebracht. Alle anderen Chromosomen müssen von der semigigas-Form herstammen. Die Chromosomenzahl der Nachkommen aus diesen Kreuzungen ist nun sehr schwankend, zellen. Jede Chromosomenzahl zwischen 7 und 14 scheint die Ent- wicklung befruchtungsfähiger Eizellen und nach Aufnahme eines männlichen Kerns mit 7 oder 14 Chromosomen auch die Entstehung 100 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 lebensfähiger Zygoten und Pflanzen zu ermöglichen. Bei der Teilung der Embryosackmutterzellen müssen also die 21 Chromosomen derart auf die zwei Tochterkerne verteilt werden, dass denselben 7-14, 8-13, 9+ 12, 10 + 11 Chromosomen zugeteilt werden. Die Häu- figkeit des Auftretens der einzelnen Zahlen ist dabei verschieden. Die extremen Zahlen 7, 8 und andererseits 13 und 14 sind selten, die mittleren Zahlen am häufigsten. Die Verteilung der 21 Chromosomen in der Reduktionsteilung findet offenbar nach den Gesetzen der Wahr- scheinlichkeit statt. So entstehen also bei diesen Kreuzungen Pflanzen, die irgend eine Chromosomenzahl zwischen 14 und 28 oder sogar 29 aufweisen. Mit diesen Resultaten stimmen auch diejenigen der Versuche über die direkte Nachkommenschaft der semigigas-Form bei Selbstbestäu- bung — abgesehen von der viel geringeren Fertilität — durchaus überein. Auch hier wurden Individuen mit Chromosomenzahlen zwi- schen 14 und 28 erhalten, wobei die kleinen Chromosomenzahlen 14 bis 16 wieder selten, grössere wie 24 bis 28 häufiger auftraten. Auch bei der Selbstbestäubung werden durch die Eizellen verschiedene Chro- mosomenzahlen, von den Pollenkörnern im allgemeinen nur 7 oder 14 Chromosomen übertragen. Die Nachkommenschaft aus diesen Kreuzungs- und Selbstbestäu- bungsversuchen der semigigas-Form ist nicht nur durch die verschie- denen Chromosomenzahlen, sondern auch durch eine ungeWw öhn- liche Mannigfaltigkeit im Habitus ausgezeichnet. Es fiel aber nicht schwer, aus diesen Nachkommenschaften verschiedene, den Oenotheraforschern bereits bekannte Typen herauszulesen und immer zeigte sich, dass die Individuen desselben Typus auch immer dieselbe Chromosomenzahl besitzen. Einzelne dieser Typen stimmten durch- aus mit DE Vriesschen Mutationen überein. So traten z. B. in der Nachkommenschaft aus der Kreuzung 0. Lamarckiana semigigas F >< Lamarckiana J unter den 15 chromosomigen Individuen solche auf, welche den Mutationen lata, cana, pallescens und liquida zuge gerechnet werden konnten und weiterhin wurde gezeigt, dass auch die bekannten Mutationen oblonga, seintillans, lactuca die Chromosomen- zahl 15 besitzen. In dieser Zahlenabweichung der Chromosomen liegt nun auch die Erklärung für die schon viel früher von DE Vrıes und andern Forschern nachgewiesene Eigentümlichkeit in der Vererbungs- weise dieser Mutationen, die in ihrer Nachkommenschaft immer wieder die typische O. Lamarckiana zu ca. 50 °,, enthalten. Das ist nun offen- bar damit zu erklären, dass bei diesen 15-chromosomigen Mutanten nur Pollen mit 7 Chromosomen fertil ist, nicht dagegen diejenigen Jahrg. 67. ALFRED ERNST. Chromosomenzahl und Rassenbildung. 101 Körner, denen 8 Chromosomen zugeteilt worden sind. Wenn dagegen alle Eizellen, diejenigen mit 7 und mit 8 Chromosomen entwicklungs- fähig sind, so werden bei Selbstbestäubung ungefähr zur Hälfte Zy- goten mit 14 und solche mit 15 Chromosomen gebildet werden. Die 14-chromosomigen Zygoten wachsen zu typischen O. Lamarckiuna- Pflanzen, die 15-chromosomigen zu der betreffenden Mutation aus. Für die Bedeutung der Chromosomenzahl bei dieser Typenbildung spricht der Umstand, dass niemals bei einem Typus Individuen mit verschiedener Chromosomenzahl gefunden wurden, dass dagegen manch- mal bei sehr verschiedenen Typen dieselbe Chromosomenzahl getroffen wird. Das wird damit in Verbindung zu bringen sein, dass innerhalb des Chromosomensatzes irgend einer Form die Qualität der ein- zelnen Chromosomen eine sehr verschiedene ist und bei ungerader Chromosomenzahl das bei der Geminibildung ungepaart bleibende Chromosom Träger sehr verschiedener Gene sein kann. So ist also denkbar, dass O. Lam. semigigas mindestens 7 verschiedene Arten von Eizellen mit 8 Chromosomen erzeugen kann, welche bei einer Kreu- zung mit O. Lam. gigas auch ebenso viele Typen mit 22 Chromo- somen zu bilden vermögen. Bei 9 chromosomigen Eizellen und den daraus hervorgehenden 23 chromosomigen Kreuzungsprodukten sind schon 21 in ihrem Chromosomenbestand verschiedene Kombinationen möglich. Der Formenreichtum, der bei Ausführung dieser Kreuzungen in grossem Maßstabe zu erwarten wäre, geht weit über das hinaus, was aus allen bisherigen Untersuchungen über die Mutationen von O. La- marckiana geschlossen worden ist und geschlossen werden konnte. Es ist also auch nicht anders zu erwarten, als dass schon bei diesen Versuchen van OVEREEMS neben Typen, die mit bereits bekannten identisch sind, auch zahlreiche neue ‚zum Teil mit viel weitergehenden Abweichungen, gefunden worden sind. So beschreibt VAN OVEREENM z. B. eine in zwei Individuen aufgetretene, ‚als O. Lam. vixifolia bezeichnete Form, die ganz den vegetativen Habitus einer grasartigen Liliacee aufwies. Ihre Blattspreiten waren rudimentär und erschienen in Form schmaler Säume zu beiden Seiten des glänzend weissen Mittelnervs. Der Stengel war nur einige Dezimeter hoch und 3—4 mm dick. Er trug eine kleine Inflorescenz mit wenigen Blüten von der Grösse der biennis-Blüten, aber von fast glockenförmiger Gestalt. In der Nachkommenschaft aus der Kreuzung 0. Lamarckiana semigigas X O0. Lam. gigas zeichnete sich besonders die Gruppe mit 26 Chromosomen durch grosse Unterschiede im Habitus der ihr angehörenden Formen aus. Sie enthielt, um nur auf eine Merkwür- digkeit hinzuweisen, neben grossen gigas-ähnlichen Formen auch 102 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 2 Typen, welche trotz der hohen Chromosomenzahl im Gesamthabitus schwächlich entwickelt waren und im allgemeinen mit denjenigen Typen übereinstimmten, welche in der Regel eine niedrigere Chromo- somenzahl führen. Schliesslich sei noch auf eine 23 chromosomige Form hingewiesen, die aus einer Kreuzung von 0. biennis semigigas und ©. Lam. gigas hervorgegangen war.. Neben, zahlreichen anderen abweichenden Merkmalen in Blatt- und Stengelgrösse, Form und Fär- bung der Kronblätter, erschien sie infolge einer ausgeprägten Zygo- morphie ihrer Blüten, welche etwa an Blüten epiphytischer Orchideen erinnerten, besonders merkwürdig. Ähnliche Befunde über gleichzeitigeÄnderung von Chro- mosomenzahl und Genotypus liegen auch aus anderen Ver- wandtschaftskreisen höherer Pflanzen vor. Sie sind allerdings zumeist noch weniger genau untersucht als in der Gattung Oenothera. Es handelt sich dabei wieder um Feststellungen über das Vorkommen veränderter Chromosomenzahl bei spontan oder in der Kultur aufge- tretenen Mutationen, zum Teil auch um die polymorpbe Nachkommenschaft aus Kreuzungen verschieden chro- mosomiger Arten oder Rassen. Beim Studium der Mutationen von Datura Stramonium fand A. F. BLAKESLEE (1921) u. a. deren zwölf, welche sich von der Stamm- form durch ein überzähliges Chromosom unterscheiden. D. Stramonium hat die diploide Chromosomenzahl 24; die zwölf Mutationen wiesen die Chromosomenzahl 25 auf; eine weitere Mutation war tetraploid. Die tetraploide Mutante hat nach der Beschreibung BLAKESLEES durchaus das Aussehen einer „neuen Spezies“, unterscheidet sich also offenbar in ihrem Verhältnis zur Stammform auffallend von den übrigen, bis jetzt bekannt gewordenen Tetraploid- und Gigas- Formen. Von ganz besonderem Interesse sind sodann auch die zwölf Mutationen mit der Chromosomenzahl 25. Das Auftreten einer grös- seren Anzahl von Mutationen mit derselben Abweichung in der Chro- mosomenzahl macht es wahrscheinlich, dass das Extrachromosom einer jeden dieser Mutationen aus einem anderen Chromosomenpaare stammt. Da nun gerade 12 solcher Mutationen mit je einem Extrachromosom aufgetreten sind, entsprechen dieselben wahrscheinlich der Anzahl der überhaupt möglichen Kombinationen von 12 Chromosomenpaären mit einem überzähligen Chromosom. Diese hochinteressanten Ver- hältnisse liefern in Zukunft wohl eine Möglichkeit zur Analyse der Erbfaktoren eines jeden Chromosomenpaares dieser Versuchspflanze- Zwei weitere Beispiele von gleichzeitiger Änderung von Chro- Jahrg. 67. ALFRED ERNST. Chromosomenzahl und Rassenbildung. 103 mosomenzahl und Genotypus seien den Kulturpflanzen entnom- men, über die ebenfalls eine grosse Zahl von Untersuchungen aus- geführt worden sind und auf verschiedener Seite noch im Gange sind. Nach SAKAMURA (1918) und Kmara (1921) finden sich bei Arten und Rassen der Gattung Triticum (Weizen) die Haploidzahlen: 14, 21, 28, 42, also das zwei-, drei-, vier- und sechsfache einer Grund- zahl 7. KıHarA hat nun eine ganze Anzahl von Kreuzungen zwischen verschiedenchromosomigen Arten und Rassen ausgeführt und beson- ders bei Kreuzungen von 14 und 21 chromosomigen Formen gute Resultate erhalten. Haploidzahlen Diploidzahl Gameten Diploidzahlen der der er der Nachkommen Eltern F,-Bastarde F,-Bastarde in F,—F, 14 Chr. 21 Chr. Tritieum durum? X T.vulgare 8 | T.turgidum 2 X T. compactum g 7 i +— . 28—42 T. polonicum 2 X T. Spelta g aa Dein 2 2 T. polonicum 2 X T.compactum J (0—7) Die Anzahl der bei diesen und anderen Versuchen erhaltenen Exemplare der F,-Generation und auch der späteren Generationen ist leider nicht gross. Es war daher auch noch nicht möglich, einen ähnlichen Formenreichtum zu erzielen wie bei den Oenotheren. Immer- hin darf als bereits gesichert gelten, dass in der weiteren Nach- kommenschaft aus solchen Kreuzungen Individuen mit Chromosomen- zahlen zwischen 28 und 42, d.h. den Diploidzahlen der als Vater und Mutter verwendeten Ausgangsformen auftreten. Mit diesen verschie- denen Chromosomenzahlen waren wieder verschiedene Kombi- nationen der elterlichen Merkmale und auch verschie- dene Fertilitätsgrade vereinigt. Formen mit höheren Chromo- somenzahlen waren im allgemeinen fertiler; von denjenigen mit niederen Chromosomenzahlen pflanzten sich die mit 28 Chromo- somen am besten fort. In. den späteren Generationen fand eine immer weitergehende Annäherung der Chromosomenzahlen an 28 und 42 statt. Mit der Erreichung einer der beiden ursprünglichen Chro- mosomenzahlen ist natürlich nicht immer auch der frühere Chro- Mosomensatz zurückgewonnen worden. Sehr wahrscheinlich hat hier, wie in der Nachkommenschaft der triploiden Solana Austausch von Chromosomen und damit Abänderung im Genotypus stattgefunden. Die Weiterführung der Untersuchungen wird auch In diesem Verwandtschaftskreis wahrscheinlich zur Feststellung kon- 104 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 stant gewordener Formen mit abgeänderter Chromosomenzahl führen. Dabei ist nicht nur an Typen mit Chromosomenzahlen, zwischen den- jenigen der Elternformen, sondern auch solcher bis zur Tetraploidzahl des grössern der beiden haploiden Sätze, bei den angegebenen Kreuzungen bis zur Tetraploidzahl 84, zu denken. Daraufhin deuten z.B. Resultate, die ebenfalls in neuester Zeit in einem anderen, Tritieum nicht zu fern stehenden Kreis, bei Saccharum (Zuckerrohr) durch Kreuzungsversuche von BREMER (1921) erhalten worden sind. Aus der Kreuzung S$. of- fieinarum (haploide Chromosomenzahl 40) X 5. spontaneum (haploide Chromosomenzahl 56) ist nämlich neben anderen Bastarden auch eine Form hervorgegangen, die nicht die erwartete Chromosomenzahl 40 +56 = 96, sondern 136 aufweist. Diese Chromosomenzahl wird am einfachsten durch die Annahme erklärt, dass der betreffende Ba- stard aus der Vereinigung einer diploidenGamete (mit unreduziertem Kern) von $. officinarum mit einer normal haploiden Gamete von S. spontaneum hervorgegangen ist. Dieser Bastard soll trotz des ungewöhnlichen Chromosomenbestandes die eine der beiden Ausgangs- formen, nämlich -S. offieinarum, an Fertilität bedeutend übertreffen. Welche Folgerungen sind aus den zuletzt mitgeteilten Resul- taten möglich ? Wenn in der Natur oder in der Pflanzenzüchtung Triploid- formen entstehen, sei es infolge spontanen Auftretens diploider Ga- meten in mehr oder weniger reinen Linien oder infolge Kreuzung zwischen heterovalenten Arten oder Rassen, so werden dieselben stets nach verschiedener Richtung zum Ausgangspunkt für Neubildung von Formen. FertileTriploidformen spalten in ihrer Nachkommenschaft auf, in einer Weise allerdings, die mit der Mendelspaltung gar nichts zu tun hat. Sie liefern dabei Nachkommen, die hinsichtlich der Chromosomenzahl zwischen Diploid- und Tetraploidzahl der Stamm- form stehen und je nach der Anzahl und Qualität ihrer aus der un- gleichen Verteilung unpaarer Chromosomensätze herstammenden Uhro- mosomen genotypisch verschieden sind. Von den in der Natur vorkommenden Triploidformen zeigen viele stark geschwächte Fertilität oder sind völlig steril, pflanzen sich aber auf vegetativem Wege oder apogam fort. In ‚den beiden letzteren Fällen bleiben sie konstant oder spalten in geringem Umfange ab- weichende Formen ab. Auch in der Pflanzenkultur werden offenbar fertilitätsgeschwächte oder sterile Triploidformen, sowie von den er- steren abstammende: Heteroploidformen auf vegetativem Wege — Jahrg. 67. ALFRED ERNST. Chromosomenzahl und Rassenbildung. 105 durch Zwiebeln, Knollen, Stecklinge — vielfach fortgepflanzt und ‘vermehrt. Ein instruktives Beispiel bietet in dieser Hinsicht Aya- einthus orientalıs. Eine Untersuchung von W.E.pE Mor (1921), die in ihrem eytologi- schenTeil im Institut für allgemeine Botanik der Universität Zürich durch- geführt worden ist, hat ergeben, dass die in Holland gezüchteten Sorten der genannten Zierpflanze sich in den Chromosomenzahlen ihrer Kerne recht weitgehend von einander unterscheiden. Von den untersuchten 33 Sorten weisen nämlich 19 und darunter namentlich solche, die schon vor 1850 im Handel waren, 16 Chromosomen in den Zellen der Wurzelspitzen auf. Ihre Diploidzahl ist also 16, die Haploidzahl 8. Die gleichen Chromosomenzahlen kommen auch den in Frankreich und in Italien gezogenen Sorten zu. Von den untersuchten holländischen Sorten wiesen deren vier die Chromosomenzahl 24, fünf Sorten Chro- mosomenzahlen zwischen 16 und 24 und weitere fünf Sorten Zahlen zwischen 24 und 32 auf. Diese heteroploiden Sorten sind also offen- bar in der holländischen Kultur und, da sie in den Katalogen vor 1850 noch nicht aufgeführt sind, jedenfalls in der Mehrzahl erst nach 1850 entstanden. Der Modus ihrer Entstehung ist nach den voranstehenden Ausführungen über das Auftreten abweichender Chro- mosomenzahlen in anderen Verwandtschaftskreisen unschwer zu er- schliessen, Ausgehend von den ursprünglichen 16-chromosomigen Varietäten werden wohl zunächst vereinzelte Triploidformen mit 24 Chromosomen entstanden sein, wobei vielleicht die bei den Züch- tern schon seit langem betriebene vielfache Kreuzung Hauptanlass zu der Entstehung diploider Gameten gegeben haben könnte. Aus Rückkreuzungen von Triploidformen mit 16chromosomigen Typen sind neue mit Chromosomenzahlen zwischen 16 und 24 entstanden. Aus Selbstbestäubung oder aus Kreuzungen zwischen verschiedenen triploiden Formen gewonnener Samen hat sodann die neuen Formen mit den Chromosomenzahlen zwischen 24 und 32 geliefert. Da nun- mehr die Chromosomenzahlen einer grösseren Anzahl von Hyacinthen- rassen und -Formen bekannt sind, wird es leicht sein, sich von der Richtigkeit der eben ausgesprochengn Annahme zu überzeugen und aelbewusst an die Erzeugung weiterer heteroploider Formen heran- zutreten. Von einer solchen Fortsetzung genetischer Studien in der Gattung Hyacinthus sind noch nach anderer Richtung wichtige Aufschlüsse zu erwarten. Die Rassen und Sorten von Hyaeinthus zeigen bekanntlich eine ganz ungewöhnliche Mannigfaltigkeit in der Ausbildung all ihrer Organe: Unterschiede in Grösse, Form und Färbung der Zwiebeln, 106 . Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 in Grösse, Form und Färbung der Laubblätter, in der Grösse, Stellung und im .Blütenreichtum des Blütenstandes, namentlich aber in der Grösse, Form, Farbe und im Duft der Blüten. Es handelt sich hier um zahlreiche Merkmale und Merkmalsunterschiede, von denen wir nach den Resultaten der Erblichkeitsstudien an anderen Pflanzen wissen, dass sie bei Kreuzungen den Mendelschen Ge- setzen folgen und dementprechend ihre cytologische Grundlage in den Kernen, den Chromosomen, besitzen. Ein glücklicher Umstand, der leider im Pflanzenreich nur in wenigen Gruppen realisiert ist, morphologische Verschiedenheit der Chromo- somen desselben Chromosomensatzes, kommt hier der Vererbungs- analyse zu Hilfe. Die Chromosomen von Hyacinthus orien- talis sind von verschiedener Grösse und Gestalt. Die- jenigen der 16chromosomigen Sorten sind sehr häufig deutlich paar- weise geordnet und lassen sich unschwer in drei Grössenkategorien einordnen. In übersichtlichen Kernteilungsbildern sind stets kurze, "mittellange und lange Chromosomen im numerischen Verhältnis 4:4:8 zu zählen. Eine künftige genaue Analyse der verschiedenen hetero- ploiden Formen wird also sehr wahrscheinlich auch die Bedeutung der abgeänderten Chrömosomenzahlen für das Zu- standekommen bestimmter Merkmalskombinationen er- kennen lassen und weiterhin Beiträge zur Lösung der ‚wichtigen Frage zu liefern vermögen, in welchen Chromosomen die einzelnen Erbfaktoren lokalisiert sind. Es werden also an diesem Objekte, wie bei zahlreichen anderen Untersuchungen auch in Zukunft die Probleme der Rassen-Neubildung und der Vererbung überkommener Merkmale aufs neue und engste miteinander verknüpft bleiben. Die Resultate der vorstehenden Mitteilungen und Erörterungen seien zum Schlusse noch in vier Sätzen zusammengefasst. 1. Änderung der Chromosomenzahl führt am häufigsten zur Ver- doppelung oder Vervielfachung eines ursprünglichen Chromosomen- satzes. In der Natur und bei Züchtungen kommt Polyploidie, vor allem Triploidie, infolge spontaner Ausbildung einzelner diploider Gameten zu Stande. Experimentell sind di- und tetraploide Rassen bei Moosen durch Regeneration von diploidkernigem Sporophytengewebe ent- standen; bei Angiospermen nach vegetativen Kern- und Zellverschmel- zungen im Gefolge von Regenerationserscheinungen an Pfropfstellen. 2. Diploid abgeänderte Gametophyten und tetraploid gewordene Sporophyten — Gigas-Formen — unterscheiden sich von ihren Stamm- formen in den meisten Merkmalen nur quantitativ, doch können auch Jahrg. 67. ALFRED ERNST. Chromosomenzahl und Rassenbildung. 107 qualitative Abänderungen und vor allem Abänderungen im Grade der Fertilität — im positiven oder negativen Sinne — erfolgen. 3. Diploid- und tetraploidgewordene Rassen können auf vegeta- tivem und wohl auch auf generativem Wege auf die Stammform zu- rückschlagen. Durch partielle Reduktion ihres erhöhten Chromosomen- bestandes werden sie ferner zum Ausgangspunkt für die Bildung heteroploider Neuformen. Mit den abgeänderten Chromosomenzahlen verbinden diese auch abweichende Merkmalskombinationen, Verlust einzelner Merkmale und Merkmalskomplexe und bilden z. T. dem betreffenden Verwandtschaftskreis ganz fremdartige, vielfach allerdings auch sterile Typen. | 4. Die aus der Vereinigung spontan entstandener diploider mit haploiden Gameten oder aus der Kreuzung von polyploiden Rassen und Arten hervorgegangenen Triploidformen sind häufig steril, können sich aber durch Apogamie oder rein vegetativ vermehren und bleiben dabei konstant. Die Nachkommenschaft fertiler Triploidformen ist vielgestaltig. Sie setzt sich aus Individuen zusammen, die infolge der ungleichen Verteilung eines unpaarigen Chromosomensatzes, Chromo- somenzahlen zwischen Diploid- und Tetraploidzahl aufweisen. Die Aufspaltung dsr Triploidformen ist ein von der Mendelspal- tung gänzlich verschiedener Prozess. Die in ihrem Verlaufe entste- henden neuen Formen sind nicht ausschliesslich Neukombinationen mendelnder Merkmale. Sie weisen auch neue Merkmale auf, sind zunächst noch nicht völlig konstant und können unter Ausmerzung unpaariger Chromosomen in konstante Formen, darunter auch in die Elternform oder in andere mit dieser wenigstens in der Chromosomen- zahl übereinstimmende Formen abändern. Die besprochenen Resultate kombinierter ceytologischer und ex- Perimenteller Forschung sind erst zum Teil in ausführlicher Form, zum Teil in Form vorläufiger Mitteilungen oder überhaupt noch nicht publiziert. Es wäre also verfrüht, ihre Bedeutung für die Erkenntnis der allgemeinen, Pflanzen, Tiere und Mensch umfassenden Entwicklung eingehend erörtern zu wollen. Schon jetzt aber steht fest, dass es. Sich hier um eine Forschungsrichtung handelt, von deren Weiterent- Wicklung und Ausbau Ergebnisse von grundlegender Bedeutung für das Gesamtgebiet der Genetik und die verschiedensten Gebiete der ange- wandten Biologie zu erwarten sind. Literaturverzeichnis. BLAKESLER, A. F., Types of Mutation and their possible significance in evolution. Amer. Naturalist. 1921. 55. 8. 54—%67. 108 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 BREMER, G., Een cytologisch onderzoek aan eenige soorten en soortsbastaarden van het Geslacht Saccharum. Diss. Wageningen Kınara, H., Über eytologische Studien bei einigen Getr Ba 3. Über die Schwan- kungen der Chromosomenzahlen bei den Speziesbastarden der Triticum- Arten. The Botanical Magazine Tokyo. 1921. Vol. 35, No. 410. S. 19—44, 1 Tafel. Mor, W.E.DE, ‚De l’existence de varietes heteroploides del’ Fa e orientalis L. s les eultures Hollandaises. Diss. Zürich 1921. Sep.- aus: Arc Wert. Se. Exact. et Nat. Serie IIIB. 1921. 4. 18—117. PI ve i OVEREEM, @ VAN, Über Formen mit ae Chromosomenzahl bei Oenothera. s. Zürich 1920. Sep.-Abdr. : Beihefte z. Botan. CGentralblatt, Bd. 38, Abt I (1921), 45 S., 6 Tafeln, a Bd. 39, Abt. 1 (1922), SO S., 15 Tafeln. Sıkamura, T., Kurze Mitteilung über die Chromosomenzahlen und die Verwandt- schaftsverhältnisse der Triticum-Arten. Bot. Mag. Tokyo. Vol. 32. 1918 9—15 SCHWEIZER, J., Polyploidie und Geschlechterverteilung bei Splachnum sphaericum (Linn. Fil.) Swartz. Diss. Zürich 1921. Erscheint in: Flora od. Allg. Bor her N. F. Bd. 1 (1922) Stein, E., Über den Einfluss von Radiumbestrahlung at Antirrkinnfe, Zeitschr. ind. Abst. u. Vererbungslehre, Bd. 27. 1922. We C. van, Be Variabilität und Erblichkeit. Zeitschr. f. ind. Abst. u. Ver- erbgslehre. 1920. Bd. 22. S. 65 — 126 WINKLER, H., Über die Entstehung von genötypischer Verschiedenheit innerhalb einer Bann Linie. Gellschr. f. ind. Abst. u. Vererbgslehre. 1992. 27. S. 244— In der vorst, chenden Liste sind nur die besprochenen neueren Arbeiten auf- geführt. Die ee Angaben über die älteren der im Text durch Angabe von Autor und Jahrzahl zitierten Arbeiten sind enthalten im Literaturverzeichnis zu ERNST, % Bühkidieräng als Ursache der Apogamie im Pflanzenreich. Jena 1918 Mitteilungen aus dem Botanischen Museum der Universität Zürich, (XCVII) Der Pilzmarkt der Städte Zürich und Winterthur der Jahre 1920 und 1921 im Lichte der städtischen Kontrolle. Von Hans Scaınz. (Vergleiche Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich ; LXV [1920], 530). 2. Bericht. Während die Pilzsaison von 1920 keinerlei Anlass zu Bemer- kungen allgemeiner Art gibt, kennzeichnet sich die des Jahres 1921 ‘ durch einen höchst ungleichmässigen Verlauf und durch abnorme Mengenverhältnisse im Auftreten einzelner Pilzarten, alles eine Folge der in der zweiten Hälfte des Jahres und bis über die Mitte des August hinaus herrschenden Trockenheit, die die Saison sozusagen in fast zwei getrennte Abschnitte gliederte. Nachdem der Pilzmarkt am 15. IV. (mit Morcheln) seinen Anfang genommen und sich im Juni und bis über die Mitte des Juli ziemlich normal entwickelt hatte (5. VII: 29 ausgestellte Kontrollscheine, darunter 19 für 250 kg Eierschwämme; 22. VIL: 37 Scheine), sank Anfang August die- Auffuhr fast auf den Nullpunkt (5. VIIL.: 4 Scheine; 9. VIIL.: 3 Scheine; 12. VIIL::4 Scheine; 16. VII.: 8 Scheine), um dann, nach erfolgtem Witterungsumschlag, rasch einen noch nie dagewesenen Aufschwung zu nehmen: das Maximum der ausgestellten Scheine (seit dem Bestehen der Kontrolle!) fällt auf den 20. IX. mit der Zahl 349 (für 56 Pilzarten). Aber auch die qualitativen Verhältnisse waren gänzlich abnorm. Die nach Ablauf der Trockenzeit einsetzen- den Regenfälle liessen den bei uns sonst seltenen Steinpilz allenthalben In nie gesehenen Mengen in Erscheinung treten (26. VII.: 172 kg, 21 Scheine; 30. VIII: 676 kg, 40 Scheine; 2. IX.: 878 kg, 45 Scheine; 6. IX.: 602 kg, 37 Scheine; 9. IX.: 341 kg, 31 Scheine). Auch der sonst nur spärlich auftretende Feldchampignon erlebte, wie nach der Troekenperiode des Sommers 1911, während kurzer Zeit einen ausser- $ewöhnlichen Höhepunkt der Fruchtkörperbildung (19. VII.: 55 kg, 110 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 10 Scheine; 23. VIH.: 151 kg, 25 Scheine; 26. VIII: 100 kg, 22 Scheine; 30 VIII.: 39°/, kg, 14 Scheine; 2. IX.: 5'/, kg, 2 Scheine). Infolge dieses Massenangebotes sanken die Preise der beiden letztge- nannten, sonst so gesuchten und teuer bezahlten, feinen Speise- schwämme auf ungewohnt niedrige Beträge: für den Steinpilz (beste Qualität) auf Fr. 1.80 pro Kilo, für den Champignon auf Fr. 3.—, während der „gemeine“ Eierschwamm gleichzeitig Fr. 5.—- erzielte. Anderseits versagten andere, bei feuchter Sommerwitterung ihre grösste Entwicklung findende Pilzarten während kürzerer oder län- gerer Zeit fast völlig, so der Eierschwamm, der nach einem 'ersten Maximum des Auftretens zu Anfang Juli (31. V: '/, kg, 1 Schein; 10. VL: 50'/, kg, 7 Scheine; 14. VI.: 103 kg, 7 Scheine; 5. VIL: 250 kg, 19 Scheine; 8. VII: 158 kg, 15 Scheine; 12. VII: 68 kg, 8 Scheine) plötzlich stark zurückging (15. VIL.: '/, kg, 1 Schein; 19. VII.: 5t/, kg, 2 Scheine; 22. VII: 83 kg, 11 Scheine; 2. VIIL: 1 kg, 1 Schein; 12. VIIL: 0) und sich erst im September wieder erholte (30. VII.: 50 kg, 17 Scheine; 16. IX.: 160 kg, 31 Scheine; 20. IX.: 202 kg, 37 Scheine; 23. IX.: 315 kg, 41 Scheine; 21. X.: 169 kg, 20 Scheine; 22. XI.: Y, kg, 1 Schein), und der Brätling, der während der ganzen Saison fast durchwegs nur in vereinzelten Exemplaren auftrat. Die Herbstsaison gestaltete sich normal und dauerte bis in den Winter hinein. Um dem pilzliebenden Publikum weitere Gelegenheit zum Ein- kauf kontrollierter Schwämme zu geben und damit indirekt dem + unkontrollierbaren Verhausieren von mitunter recht zweifelhafter Ware zu steuern, wurde der Marktstelle an der Peterstrasse (Dienstag ‚und Freitag) eine weitere, Inseltrottoir Helvetiaplatz in Zürich 4 (Donnerstag), die nun auch von unserm Kontrollpersonal besucht wird, hinzugefügt, und Hand in Hand damit auf Grund der Erfahrungen die Verordnung des städt. Gesundheitswesens vom 14. VI. 1906 be- treffend den Verkauf von essbaren Pilzen, revidiert. Diese Bemerkungen allgemeiner Art vorausgeschickt, lassen wir nun Zahlen und Namen sprechen. 1920 wurden an 105 Markttagen 5031, 1921 an 120 Markttagen (inkl. 16 Pilzmarkttagen Zürich 4) 4465 Scheine ausgestellt (1919: 3552); die Höchstzahl der an einem Markttag ausgestellten Scheine wurde erreicht: 1920 am 7. September mit 179, 1921 am 20. September mit 349 Scheinen (1919: am 10. Oktober 188 Scheine); dieselben ver- teilen sich 1920 auf 49, 1921 auf 56 (1919: 49) Arten. Die Pilzsaison nahm ihren Anfang: 1920 am 30. März mit Speise- Jahrg.67. Hans ScHinz. Der Pilzmarkt der Städte Zürich u. Winterthur 1920/21. 111 morcheln, 1921 am 15. April mit Speisemorcheln (1919 am 16. April mit Speisemorcheln); ihr Ende erreichte sie 1920 am 19. November mit Trompeten-Pfifferlingen, Totentrompeten und gelblichen Kra- terellen, 1921 am 9. Dezember mit Trompeten-Pfifferlingen und Birnen-Stäublingen (1919 am 2. Dezember mit Trompeten-Pfifferlingen.) Zum Verkaufe gelangten: Ader-Becherling, Blasen-Becherling, Eselsohr-Becherling, Hasen- ohr-Becherling, Kronen-Becherling, Orange-Becherling, rheinischer Becherling, schwärzlicher Bovist, Brätling, Butterpilz, Feld-Champi- gnon, hohlstieliger Riesen-Champignon, Schaf-Champignon, Wald- Champignon, Zucht-Champignon, Eichhase, Eierschwamm, Orange- _ Eierschwamm, roter Eierschwamm, Essigpilz, Hallimasch, Hartpilz, klebriger Hörnling, Kaiserpilz, schlüpfriger Kappenpilz, Kapuzinerpilz, Keulenpilz, kahler Krämpling, Riesen-Krämpling, Samtfuss-Krämpling, gelbliche Kraterelle, Pfeffer-Milchling, süsslicher Milchling, wolliger Milchling, Mönchskopf, rillstielige Morchel, Speise-Morchel, Spitz- Morchel, Parasolpilz, Perlpilz, Trompeten-Pfifferling, violetter Pfiffer- ling, Kamm-Porling, Laub-Porling, Schaf-Porling, Schuppen-Porling, Schwefel-Porling, Semmel-Porling, Ziegenfuss-Porling, Pflaumen-Räss- ling, Rehpilz, echter Reizker, echter Ritterling, gepanzerter Ritterling, geselliger Ritterling, grauer Ritterling, lilastieliger Ritterling, Mai- Ritterling, niedriger Ritterling, rillstieliger Ritterling, rötlicher Ritter- ling, Veilchen-Ritterling, violetter Ritterling, Bronze-Röhrling, Elfen- bein-Röhrling, Gold-Röhrling, Körnchen-Röhrling, Kuh-Röhrling, Maronen-Röhrling, Rotfuss-Röhrling, Rothaut-Röhrling, Sand-Röhrling, Schleim-Röhrling, Schuppen-Röhrling, hochroter Saftling, geschundener Schirmling, getropfter Schirmling, Safran-Schirmling, grosser Schmier- ling, kleiner Schmierling, Elfenbein-Schneckling, fleischfarbiger Sehneckling, gelbflockiger Schneckling, Purpur-Schneckling, wohlrie- chender Schneckling, Gold-Schüppling, Runzel-Schüppling, sparriger Schüppling, Schweinsohr, gelber Spatelpilz, dorniger Stacheling, Birnen-Stäubling, Hasen-Stäubling, Igel-Stäubling, Riesen-Stäubling, Schlauch-Stäubling, Warzen-Stäubling, Steinpilz, Stockschwämmchen, Stoppelpilz, rostroter Stoppelpilz, blauender Täubling, gelber Täubling, old-Täubling, grüner Täubling, ledergelber Täubling, olivgrüner Täubling, Speise-Täubling, verblassender Täubling, verschiedenblätt- Niger Täubling, violettgrüner Täubling, zierlicher Täubling, Toten- trompete, Anis-Trichterling, echter Trichterling, Lack-Trichterling, Schlaffer Trichterling, weisse Trüffel, Löffel-Zähling, gelber Ziegen- bart, Gold-Ziegenbart, grauer Ziegenbart, Kamm-Ziegenbart, krauser 112 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Ziegenbart, Runzel-Ziegenbart, schöner Ziegenbart, Trauben-Ziegen- bart, ungleichförmiger Ziegenbart, violetter Ziegenbart, Ziegenlippe, Gallert-Zitterling. Gegenüber 1918/19 fehlten: Brauner Becherling, brauner Champignon, weisser Ellerling, Ziegen-Ellerling, milder Milchling, Riesen-Porling, gehäufter Ritter- ling, kahler Ritterling, knolliger Ritterling, Mäuse-Ritterling, rot- blättriger Ritterling, brauner Röhrling, gelber Röhrling, Hohlfuss- Röhrling, schmieriger Röhrling, Trientiner Röhrling, breitblättriger Rübling, Laubfreund-Rübling, beringter Schneckling, Reh-Schneckling, Nelken-Schwindling, Becher-Trichterling. Gegenüber 1918/19 neu hinzugekommen: Hasenohr-Becherling, Kronen-Becherling, rheinischer Becherling, schwärzlicher Bovist, hohlstieliger Riesen-Champignon, Zucht-Cham- pignon, Kaiserpilz, schlüpfriger Kappenpilz, Riesen-Krämpling, vio- letter Pfifferling, Laub-Porling, Ziegenfuss-Porling, Mai-Ritterling, niedriger Ritterling, rillstieliger Ritterling, violetter Ritterling, Schuppen-Röhrling, hochroter Saftling, dorniger Stacheling, Hasen- Stäubling, Igel-Stäubling, Schlauch-Stäubling, blauender Täubling, gelber Täubling, olivgrüner Täubling, verblassender Täubling, ver- schiedenblättriger Täubling, violettgrüner Täubling, Gold-Ziegenbart, ungleichförmiger Ziegenbart, violetter Ziegenbart. Folgende Pilzarten wurden — weil giftig, verdächtig oder nur in einzelnen Exemplaren vorgewiesen — vom Verkauf ausgeschlossen und zum Teil zwecks genauer Untersuchung ins Botanische Museum mitgenommen : Amanita Mappa Batsch, Am. spissa Fr., Am. strangulata Fr., Am. vaginata Bull, Am. verna Fr., Boletus felleus Bull., Camaro- phyllus marzuolus Fr., Clitocybe cerussata Fr., Clit. elavipes Pers. Clit. inversa Scop., Dermocybe raphanoides Pers., Derm. sanguinea Wulf., Entoloma nidorosum Fr., Fomes (Ganoderma) lueidus Leys8®., Helvella crispa Scop., Helv. elastica Bull., Helv. Infula Schaefl., Hydrocybe angulosa Fr., Hypholoma epixanthum Fr., Hyph. lacrima- bundum Bull. Hyph. sublateritium Fr., Inocybe fastigiata Schaeft., Inoloma callisteum Fr., Inol. hireinum Bolt., Inol. traganum Fr., Lactarius lignyotus Fr., Lact. pallidus Pers., Lact. rufus Scop., Lact. serobieulatus Scop., Lact. thejogalus Fr., Lact. uvidus Fr., Laet- Vitt., zonarius Bull., Morchella elata Pers., Octaviania asterospermä Paxillus griseotomentosus Seer., Phlegmacium purpurascens Fr., Pho- liota radicosa Bull., Polyporus betulinus Bull., Polyp. giganteus Pers, Jahrg. 67. Hans ScHinz. Der Pilzmarkt der Städte Zürich u. Winterthur 1920/21. 113 Psathyra spadiceo-grisea Schaeff., Rhizopogon rubescens Tul., Russula adusta Pers., Russ. emetica Schaeff., Russ. furcata Pers., Russ. nigri- cans Bull., Russ. ochroleuca Pers., Thelephora pallida Pers., Thel. palmata Scop., Tricholoma album Schaeff., Trich laseivum Fr., Trich. leucocephalum Bull., Trich. melaleucum Pers., Trich. sulfureum Bull., Tuber aestivum Vitt. Im Botan. Museum wurden 1920: 334, 1921: 324 (1919: 193) Pilzuntersuchungen ausgeführt, die nachfolgende Arten betrafen: Amanita caesarea Scop., Am. muscaria L., Am. ovoidea Bull., Am. pantherina DC., Am. phalloides Fr., Am. rubescens Pers., Am. solitaria Bull., Am. strobiliformis Vitt., Armillaria aurantia Schaeff., Arm. imperialis Fr., Arm. mellea Vahl, Boletus aereus Bull., Bol. badius Fr., Bol. bulbosus Schaeff., Bol. eastaneus Bull., Bol. chrysen- teron Bull., Bol. elegans Schum., Bol. flavus With., Bol. granulatus L., Bol. luridus Schaeff., Bol. luteus L., Bol. pachypus Fr., Bol. pi- peratus Bull., Bol. purpureus Fr., Bol. regius Krombh., Bol. rufus Schaeff., Bol. Satanas Lenz, Bol. scaber Bull., Bol. subtomentosus L., Bol. tridentinus Bres., Camarophyllus pratensis Pers., Cantharellus cibarius Fr., Canth. cinereus Pers., Clavaria eristata Holmsk., Clav. flava Schaeff., Clav. grisea Schaeff., Clav. pistillaris L., Clav. rugosa Bull., Clitoeybe flaceida Sow., Clit. geotropa Bull., Clit. incilis Fr., Clit. infundibuliformis Schaeff., Clit. laccata Scop., Clit. nebularis Batsch, Collybia asema Fr., Coll. dryophila Bull., Coll. longipes Bull., Coll. velutipes Curt., Coprinus atramentarius Bull., Cop. comatus Fl. Dan., Craterellus clavatus Pers. Crat. cornucopioides L., Crat. lutescens Pers., Entoloma clypeatum L., Ent. lividum Bull., Gom- phidius glutinosus Schaeff.. Gomph. viscidus L., Gyrocephalus rufus Jacq. Hebeloma erustuliniforme Bull., Hydnum erinaceum Bull., Hydn. imbricatum L., Hydn. repandum L., Hydn. rufescens Pers., Hydn. suaveolens Scop., Hydrocybe subferruginea Batsch, Hygrocybe cocei- nea Schaeff,, Hygroc. punicea Fr., Hygrophorus conicus Scop., Hypho- loma fasciculare Huds., Hyph. hydrophilum Bull., Inocybe Bongardi Weinm., Lactarius deliciosus L., Lact. fuliginosus Fr., Lact. piperatus Seop., Lact. subduleis Bull., Laect. torminosus Schaeff., Lact. vellereus Fr., Lact. volemus Fr., Lepiota Friesii Lasch, Lep. naucina Fr., Lep. procera Scop., Lep. rhacodes Vitt., Limacium eburneum Bull., m. erubescens Fr., Lim. pudorinum Fr., Lycoperdon Bovista L., Lye, echinatum Pers., Lyc. gemmatum Batsch, Lyec. pyriforme Schaeff., arasmius confluens Pers., Mar. lupuletorum Weinm., Mar. oreades Bolt., Melanogaster variegatus Sw., Morchella esculenta Pers., Peziza Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 67. 1922. 8 114 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 coronaria Jacq., Paxillus involutus Batsch, Phallus impudicus L., Phlegmacium coerulescens Schaeff., Phleg. cumatile Fr., Phleg. ele- gantius Fr., Phleg. fulgens Schwein., Phleg. multiforme Fr., Phleg. orichaleeum Batsch, Phleg. variicolor Pers., Phleg. varium Schaeff., Pholiota aurea Fr., Phol. aurivella Batsch, Phol. lucifera Lasch, Phol, mutabilis Schaeff., Phol. squarrosa Müll., Polyporus cristatus Pers., Pol. hispidus Bull., Pol. leucomelas Pers., Pol. ovinus Schaeff., Pol. sulphureus Bull., Pol. umbellatus Pers., Psalliota arvensis Schaeff., Psall. campestris L., Psall. campestris L. var. praticola Vitt., Psall. perrara Schulzer, Psall. pratensis Schaeff., Psall. silvatica Schaeff., Rhodosporus Prunulus Scop., Russula alutacea Fr., Russ. aurata With,, Russ. badia Quel., Russ. cyanoxantha Schaeff., Russ. delica Fr., Russ, foetens Pers., Russ. fragilis Pers., Russ. olivacea Schaeff., Russ. vesca Fr., Seleroderma vulgare Horn., Sparassis erispa Wulf., Stropharia aeruginosa Curt., Trametes inodora.Fr., Tricholoma albo-brunneum Pers., Trich. argyraceum Bull., Trich. cartilagineum Bull., Trich. ci- nerascens Bull., Trich. conglobatum Vitt., Trich. Georgii Clus., Trich. grammopodium Bull., Trich. impolitum Iäsch; Trich. irinum Fr., Trich. nebularis Batsch, Trich. nudum Bull., Trich. pessundatum Fr., Trich. rutilans Schaeff., Trich. saponaceum Fr., Trich. terreum . Schaefl., Trich. tigrinum Schaeff., Trich. vaccinum ‚Pers., Verpa conica Mill., Xylaria polymorpha Pers. * Das Gesamtgewicht der auf den Markt gebrachten Pilze beträgt für 1920: 16,369 kg, für 1921: 11,873,5 kg (1919: 5,417 kg); daran sind die einzelnen -Arten folgendermassen beteiligt: 1920 1921 kg Scheine kg Scheine Amanita caesarea Scop. (Kaiserpilz) 1 2 4 6 — rubescens Pers. (Perlpilz) 18 32 74,5 1% Armillaria imperialis Fr. (Hartpilz) en. 166. 8 — mellea Vahl (Hallimasch) 117 48 1565 78 Boletus aereus Bull. (Bronze- Be 3.5 7 7 13 adius Fr. (Maronen- ) 11 21 26 % — Yorinne L (een = = 5 u — bulbosus Schaeff. (Steinpilz) 1,178 441 3867,55 518 — chrysenteron Bull. (Rotfuss-Röhrling) 4 a. 8 16 — elegans Sehum. (Gold-Röhrling) 61 88 5 8 — fusipes Heufl.* (Elfenbein- , ) 6: Übertrag 17385 84 4343 3%‘ *) Entspricht dem früher als Boletus Boudieri Quel. bezeichneten weissgelb- lichen Röhrling. Jahrg.67. Haus Scuinz. Der Pilzmarkt der Städte Zürich u. Winterthur 1920/21. 115 1920 1921 kg Scheine kg Scheine Übertrag 17285 841 4343 890 Boletus Br L. en -Röhrling) 10,5 17 155.9 luteus L. (Butterpilz) 16 30 23 40 u ii Schaeff. RofhantBahiling) 522,5 339 111 136 — scaber Bull. (Kapuzinerpilz) 115 141 22 44 — strobilaceus Scop. (Schuppen-Röhrling) 0,5 1 2 4 — subtomentosus L. (Ziegenlippe) b) 10 8 16 — variegatus Sw. (Sand-Röhrling) 33 53 17 28 viseidus L. (Schle eim- ) 25 4 2 4 Bovista nigrescens Pers. (schirärälieher Bovist) 2 3 — _ Calocera viscosa Fr. (klebriger Hörnlin 2 1,5 3 Cantharellus aurantiacusWulf.(Orange-Eierschwamm)— — 1 2 — eibarius Fr. (Eierschwamm) 10528 784 4,417 662 — Friesii Quel. (roter Eierschwamm) > 13 8,5 17 — tubaefor mis Vitt. (Trompeten-Pfifferling) 60,5 50 98,5 51 violaceus Fr. (violetter Pfifferlin 6,5 13 2,5 ee maeandriformis Vitt. (weisse Trüffel) 15 20 3,5 7 Clavaria aurea Schaeff. (Gold-Ziegenbart) — a 7 13 — Botrytis Pers. (Trauben- , ) 16 18 9,5 15 — ceristata Holmsk. (Kamm- „ ) 2,5 2 5,5 11 — flava Schaeff. (gelber ) 20,5 199 218 - 162 - formosa Pers. (schöner eh, 76 55 31 33 — grisea Pers. (grauer ) 67 54 26 42 — inaequalis Fl. Dan. (iiglsichfäriiger Ziegenb.) 1,5 3 0,5 1 — JHilaeina Fr. (violetter Ziegenbart) 1 2 ac a ara nr L. (Keulenpilz) 5 10 4,5 9 Bull. (Runzel-Ziegenbart) r 0,5 1 er I Clitoeyhe ride Sow. (schlaffer Trichterting) 1 2 FH - — geotropa Bull. (Mönchskopf) 23 11,5 20 — infundibuliformis Schaeff. (echter Trichterling) 1 2 0,5 1 — en Frag (Lack-Trichterling) 2,5 5 1 2 odora Bull. (Anis-Trichterling) 1,5 8 —_ _ Geteeiin er Pers. (Schweinsohr) 133 105 4,5 9 eornucopioides L. (Totentrompete) 394 202 3535 173 lutescens Pers, (gelbliche Kraterelle 165 81 14 Gomphil glutinosus Schaeff. (grosser Schmierling) 54 78 20,5 36 eidus L. (kleiner Schmierling) 3,5 7 2 4 ee rufus Jacgq. (Essigpilz) 7 14 10 20 ydnum eirrhatum Pers. (dorniger Stacheling) 0,5 1 Ber 4 — imbricatum L. (Rehpilz) 108 98 136 106 = repandum L. (Stoppelpilz) 527° 0 198 210 — rufescens Pers. (rostroter Stoppelpilz) hs 106 1145 155 Hygrocybe punicea Fr. (hochroter Saftli 1 2 a5 SR Lactarius deliciosus L, (echter Reizker) 202 131 116,5 100 Piperatus Scop. (Pfeffer-Milchling) 38 43 21,5 22 Übertrag 15202 3848 10375 3088 116 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 1920 1921 3 kg Scheine kg Scheine Übertrag 15202 3848 10375 3088 Lactarius subduleis Bull. (süsslicher Milchling) 1 ck — vellereus Fr. (wolliger Milchling) 2 3 1,5 3 — volemus Fr. (Brätling) 20285 171 18 36 Lentinus eochleatus Pers. (Löffel-Zähling) 0,5 1 2 4 Leotia gelatinosa Hill (schlüpfriger Kappenpilz) 0,5 1 0,5 1 Lepiota excoriata Schaeff. (geschundener Schirmling) — = 0,5 1 — lentieularis Lasch (getropfter f 5,5 11 0,5 1 — procera Scop. (Parasolpilz) 26,5 47 24,5 47 _ Fbacodes Vitt, seinen). 1 2 8 11 A Erin) u 1 2 _ chrysodon Batsch (gelbflockiger en 4 2 0,5 1 — eburneum Bull hinch 2 - Bon -— erubescens Fr. ur- i 8 6 0,5 1 pudorinum Fr ahlurligen ö ) 12 15 1 2 ren Bovista L. (Riesen-Stäubling) = _ 9,5 8. — caelatum Bull. (Hasen- „ ) 2,5 5 1 2 — echinatum Pers. (Igel- 5 ) P) 4 2,5 B) — gemmatumBatsch (Warzen- „ ) 60,5 95 61 112 — pyriforme Schaeff. (Birnen ) 11,5 33 25 8 — . uteriforme Bull. (Schlauch- „, ) er 1,5 3 Morchella conica Pers. (Spitz-Morchel) 7 6 or ea — esculenta Pers. (Speise- „ ) 223 45 47 13 — rimosipes DC. (rillstielige „ ) 10,5 7 8,5 4 illus atrot t Batsch (S tfuss-Krämpling) 1,5 3 0,5 1 — giganteus Sw. (Riesen- ä ) 1 Ger = — involutus Batsch (kahler" )— — 0,5 1 Peziza aurantia Müll. (Örange- ee 0,5 1 1,5 3 — .oronaria Jacq. (Kronen- > 13 6 ner} S — leporina Batsch (Hasenohr- „ _ - 0,5 1 — onotica Pers. (Eselsohr- „ ) —_ _ 0,5 1 — rhenana Fuckel (rheinischer „ ) 0,5 1 =. —v ers. er- a 5,5 8 3 5 vesiculosa Bull.. 3 5 us a Pholiota aurivella Ka ai Schüppling) ee “= 2 . — caperata Pers. (Run 0,5 1 0,5 1 — mutabilis Schaeff, re aa —_ — 0,5 1 squarrosa Fl. Dan. (sparriger Schüppling) 9 7 26 18 Polyporus ee Alb. & Schw. (Semmel-Porling) 5,5 7 2,5 3 eristatus Pers. Kamm- a 10,5 18 7,5 1 — frondosus Fl. Dan. (Laub- „ YıQb 1 er 3“ — ovinus Schaeff‘ (Schaf- ) 42 30 5 — pes-caprae Pers. (Ziegenfus- „ ) 0,5 1 5 e — squamosus Huds. (Schuppen- „ ) 1 1 a, > — sulphurens Bull, (Schwelel-..1.:.):.4,8: ‘8 23 8 Übertrag 15871,5 4389 10672,5 341 Jahrg.67. Hans ScHinz. Der Pilzmarkt der Städte Zürich u. Winterthur 1920/21. 117 Polyporus umbellatus Fr. Psalliota arvensis Schaeff. En Champignon) — campestris ) - —L.v atiale Er (Zu cht- Champignon — perrara leer (hohlstieliger Riese ) — silvatica Schaeff. (Wald-Cham mals Rhodosporus Prunulus Scop. (Pflaumen-Rässling) ussula alutacea Fr. — ata With. — cyanoxantha Schaeff. — delica Fr — depallens Pers. — heterophylla Pers. (verschiedenblätrig. 5 lepida F — -lepi in — Jutea Huds. — olivacea Schaeff. — vesca Fr — virescens Schaeff. r Sparassis erispa Wulf. (krauser ia)” Spathularia clavata Schaeff. (gelber Spatelpilz) Tremellodon gelatinosus Pers. (Gallert-Zitterling) riehnlam riss I RL ETF yes y mt N u u a u u | conglohbatum Vitt. — grammopodium Bull. — humi — nudum Bull. (violetter personatum Fr. (lilastieliger — portentosum Fr. rauer — rutilans Schaeff. (rötlicher [v u u u u ul at ut © | 1921 m — kg Scheine 3451 Bei Zugrundelegung der Durchschnittspreise ergeben sich für die einzelnen zum Verkaufe gelangten Pilz-Arten folgende Resultate: 1920 Fr. eng 11.— lase 6.— Eselsohr- — Hasenohr- 1921 Übertrag 17.— 118 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 1920 oe 1920 1921 Fr. Fr. Fr. Übertrag 58.— + - Übertrag 18772.05 29875.55 schwärzlicher Bovist 3.= _ echter Se 343.40 209.70 Brätling 405.— 45.— terling 77.— 52.70 Butterpilz 27.20 39.10 re Ritterling u 4.25 Feld-Champignon 110.— 1812.— | geselliger = hohlstieliger Riesen- grauer “ Champignon 2.50 52.— | lilastieliger ö Schaf-Champignon 960.— 1032.— i- ” Wald- = 90.— 250.50 iedriger Zucht- 10.— 22.— | rillstieliger Eichhase 19.— rötlicher = Eierschwamm 13584.— 17668. — Ka 7 Orange-Eierschwamm - 4.— | violette . er 19.50 34.— re Boni Essigpilz 11.90 17:— ER Hallimasch 198.90 266.05.) Gol ; artpi 698.— 332.— Ka klebriger Hörnling 1.50 2.25 | Kuh- " Kaiserpilz 6.— 94.— | Maronen- „ schlüpfriger Kappenpilz —.75 —.75 | Rotfuss- Mi Kapuzinerpilz. 230.— 44.— | Rothaut- „ Keulenpilz 8.50 7.65 | Sand- . kahler Krämpling Ser: —,85 | Schleim- „ Riesen- 1.50 ——;..4 Schuppen- .» Samtfus 2.25 —.85 | hochroter Saftling gelbliche Kreierdie 330.— 14.— | geschundener Schirmling — & 1 Pfeffer-Milchlin 57.— 31.25 | getropfter . 935 8 süsslicher „ 1.50 22.50 | Safran- “ 1.70 16.— wolliger „ 3.— 2% der Schmierling 91.80 34.85 Mönchskopf 35.50 18.55 | klei 5.95 3.40 rillstielige Morchel 63.— 68.— Eifenbein- Schneckling IM. peise-Morchel 1338. — 376.— | fleischfarbiger „_ .— 1.50 Spitz- 42.— _ gelbflockiger „ 1.50 —.5 Parasolpilz 45.05 49.— urpur- “ 4.50 —.75 Perlpilz 60 149.— | wohlriechender „ es 1.50 Trompeten-Pfifferling 121.— 197.— Goldvliese- -Schüpping , — air violetter 18.— 5.— | Runzel- . 85 —.80 amm-Porling 18.90 13.50 | sparriger x 15.30 44.20 aub- L.— — | Schweinsohr 332.50 11.25 Schaf- „ 84.— 3.— | gelber Spatelpilz —.85 1.70 Schuppen-Porling —.%0 _ dorniger Stacheling —.75 Sat; ne . 2.70 41.40 | Birnen-Stäubling 17.25 33.75 el- 1.— 5.— | Hasen- 3.75 1.50 Tingentiae —.90 —,90 | Igel- x 3. 3.75 Pflanmen-Räsaling 13.50 10.20 | Riesen- = ae 13.25 Rehpilz - 162—..:.206— | Schlauch- „ ee... Übertrag 18772.05 22875.55 Übertrag 21146.55 33836.10 Jahrg.67. Hans ScHinz. Der Pilzmarkt der Städte Zürich u. Winterthur 1920/21. 119 1920 Er 1920 1921 T: r: Fr. Übertrag 21146.55 se 10 Übertrag 29284.65 37330.30 Warzen-Stäubling 90.75 91.50 | echter Trichterling 1.70 —.,85 Steinpilz 5890.— 11601.50 | Lack- ? 4.25 1.70 een -- —.,85 | schlaffer „ 1.70 _ toppelpi 1054.— 396.— | weisse Trüffel 135.— 31.50 rostroter Sure 153.— 2239,— | Löffel-Zähling —.75 3.— blauender Täublin u 1.70 | gelber Ziegenbart 408.85 370.60 be = _ —.85 | Gold- „ ug 11.90 Gold- 5 —.,85 11.05 | grauer fi 113.90 41.20 —.85 —.85 | Kamm- x 4.25 9.35 ledergelber „ 255 135.15 |krauser „ 27.— 57.— olivgrüner „ — 106.25 | Runze- „, —.85 = Speise- = 146.20 136.85 | schöner „ 129.20 52.70 verblassender —_ 4.25 | Trauben- 97.20 16.15 verschiedenblätt. Täubling — 1.70 Ankleichfäriigne violettgrüner % 3.40 62.05 Ziegenbart 2:55 —.,35 zierlicher‘ a 5.95 7.65 | violetter s 1.70 ze Totentrompete” 788.— 707.— | Ziegenlippe 8.50 13.60 Anis e terling 2.55 — | Gallert-Zitterling 2.25 3.— $> Übertrag . 29284.65 37330.30 Total 30154.30 37943.70 Der Vermittlung des Herrn Dr. med. F. THELLUNG verdanken wir es, dass uns die Gesundheitsbehörde der Stadt Winterthur ihre die Jahre’ 1920 und 1921 beschlagenden Pilzkontrollberichte zum Zwecke der Publikation zur Verfügung gestellt hat und wir sprechen sowohl genannter Gesundheitsbehörde wie Herrn Dr. F. TurLLunG hierfür unsern besten Dank aus. Die Berichterstattung ist noch etwas mager, indessen steht es uns, wenn wir unsere eigenen ersten Marktberichte zum Vergleich heranziehen, nicht an, Kritik zu üben. Zweifelsohne wird auch in Winterthur mit den Jahren das Bedürfnis sich regen, etwas eingehender über den Gang der Kontrolle und das Anwachsen des dortigen Pilzmarktes orientiert zu werden und diesem Wunsche Rechnung zu tragen wird nicht schwierig sein, verfügt doch wie wir in Zürich in Prof. Dr. A. Tuerrung, Winterthur in der Person des Dr. F. TueLıung über einen vortrefflichen Sachverständigen. Pilzkontrolle in Winterthur 1920. Pilzarten Ausgestellte Scheine Gewicht Eierschwämme 124 923 kg 750 gr Steinpilze 46 165 „ 80 „ Übertrag 170 1089 kg 600 gr 120 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Pilzarten Ausgestellte Scheine Gewicht Übertrag 170 1089 kg 600 gr Champignon 7 6 , 200 = Keulenkraterellen 2 ER —_— , Rehpilze 2 2.2... — Hartpilze 10 18 „: 8 Totentrompeten 25 50: BU Brätlinge 9 25.7.7260 Rotkappen 6 5.2.0400 Trüffel h) 125.00 Semmelstoppelpilz 28 32..::0008 Gelbe Kraterellen 13 23, er Trompetenpfifferling ji 29 ., : 5 Hirschschwamm 3 DB; — Reizker 1 5 .,..:00025 Morcheln 16 62 „ 507 Total 304 1445 kg 900 gr K. GRÄSSLE, Ortsexperte. 1921. Es wurden ausgeführt: Marktkontrollen (mit Abgabe eines Pilz- scheines) 185. Kontrollen für Private (ohne Pilzschein) Verkauft wurden folgende Sorten: Steinpilz 249 kg Eierpilze 191 kg Morcheln I1’kg Hasenohr- Becherling 1 „ Maischwamm 63 „ _Champignon 63 » Elfenbein- Ziegenbart 97 „ Rehpilz 49 „ Schneckling 4 » Brätling S, Gallertpilz : Trüffel 5 Semmelstoppel 26 „ Birkenpilz 10 „ Rotkappen 8» Täubling 4 „ Reizker B. Hartpilz 15 » Totentrompete 8 „ Kraterelen 16 „ Parasolpiz 6 » Hallimasch 12 „ Milchling 8°, Butterpiz 1» bleigrauer Vom Verkaufe zurückgewiesen wurden 42 kg Pilze, weil bereits verdorben. Für die Pilzkontrolle: O. SCHORR, Ortsexperte J. WEBER, ; Jahrg.67. Hans ScHinz. Der Pilzmarkt der Städte Zürich u. Winterthur 1920/21. 121 Anlässlich der von uns in Zürich ausgeführten Marktbesuche wurden jeweilen an Ort und Stelle allfällig vorhandene giftige, ver- dächtige, ungeniessbare oder wurmstichige wie auch schlampige und unsauber aussehende Pilze vernichtet. Von ab und zu auf dem Wochen- markt erscheinenden Giftpilzen seien erwähnt: Entoloma lividum Bull. (Riesenrötling), Amanita pantherina DC. (Pantherschwamm), Amanita muscaria L. (Fliegenschwamm), Amanita phalloides Fr. (Grüner Knol- lenblätterschwamm), Amanita Mappa Batsch (gelber Knollenblätter- schwamm), jeweilen verwechselt mit dem Schaf-Champignon und unter diesem Namen feilgeboten), Amanita verna Fr. (Klebriger Wulstling, gleichfalls unter Champignonsin einem und demselben Korb), Tricholoma tigrinum Schaeff. (Tränender Ritterling); beanstandet, d. h. nicht zum Verkauf zugelassen und daher vernichtet wurden jeweilen: Amanita strobiliformis Vitt. (Fransiger Wulstling) wegen dessen Ähnlichkeit mit einer weissen Abart des Knollenblätterschwammes, Amanita spissa Fr. (Ganzgrauer Wulstling) und Amanita vaginata Bull. (Ringloser Wulstling) weil dem Pantherpilz (giftig) zu ähnlich, Helvella crispa Bull. (Herbst-Lorchel) und Helvella elastica Bull. (Elastische Lorchel), weil nur in abgebrühtem Zustand geniessbar. Die bestellte Kontrolle hat mitunter auch mit allerlei Kniffen zu rechnen, wie folgender, unsern Protokollen entnommene Fall be- weist. Am 20. Sept. 1921 hatte Pilzverkäufer L. Steinpilze zum Ver- kauf auf den Markt gebracht, unter die er Exemplare des Gallen- röhrlings (Boletus felleus Bull. = Tylopilus felleus Bull.) gemischt hatte. Der Gallenröhrling ist seiner Bitterkeit wegen total ungeniess- bar, eine Beimischung zu einem Gericht von Steinpilzen macht dieses ungeniessbar. L. wurde vom kontrollierenden Beamten des Bot. Mu- seums auf die Unterschiede der beiden Arten, besonders auf die dunkle (schwarzbräunlich-körnige) Netzzeichnung am Stiele des Gallenröhr- lings aufmerksam gemacht. Die Folge dieser Belehrung war, dass L. acht Tage später die Gallenröhrlinge mit fein säuberlich abgeschab- ten Stielen unter die Steinpilze gemischt zu Markt brachte (!), in der allerdings falschen Hoffnung, dass sie so der Kontrolle entgehen würden. Eindringlich zu warnen ist vor dem Genusse des Pantherpilzes, der leider von MicHarL und Rorumayr als (nach Abzug der Oberhaut) essbar angegeben wird. „Pantherpilz“ ist ein populärer Sammelname, der mehrere, einander recht ähnliche, aber botanisch unterscheidbare und in ihrem Werte bezw. ihrer Giftigkeit recht verschiedene Arten umfasst. Es kann nun wohl als einwandfrei festgestellt gelten, dass der echte Pantherpilz (Amanita pantherina) giftig ist, während ein Teil der ähnlichen und damit oft verwechselten Arten, z. B. der ge- 122 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 drungene oder ganzgraue Wulstling (Amanita spissa) nach Abziehen der Oberhaut genossen werden kann. Wenn die genannten Pilzforscher versichern, den Pantherpilz ohne Schaden genossen zu haben, so be- zieht sich diese Angabe sicher nicht auf den echten Pantherpilz. Es geht dies zur Evidenz auch aus den Abbildungen dieser Autoren her- vor: Micharr’s „Pantherpilz‘“ ist Amanita spissa (oder valida?), die Rorumayr’sche Abbildung ist unklar (zu roh; vielleicht eine Form des Perlpilzes??), jedenfalls stellt sie auch nicht die echte Amanita pan- therina dar. Angesichts der Schwierigkeit der Unterscheidung des Pantherpilzes von den ähnlichen Arten, empfiehlt es sieh dringend, alle diese braungrauen oder schwarzbraunen Arten mit weissem oder grauem Fleisch (vorsichtshalber auch den essbaren Scheiden-W ulstling oder -Streifling, Amanita vaginata) vom Genusse auszuschliessen; empfehlenswert ist nur der an dem rötlichen Fleisch kenntliche Perl- pilz (Amanita rubescens) im abgehäuteten Zustande. Vergl. übrigens über die Frage des Pantherpilzes: „Pilz- und Kräuterfreund“, 4. Jahrg. (1920/21), 129, 135, 250, 263, und die sehr sorgfältigen Untersuchungen von Dr. HELENE FRIEDERIKE STELZNER, PU- bliziert unter dem Titel „Zur Kenntnis der Gift- und Nutzpilze“ in der Berliner klin. Wochenschr. (1918), 978. Fräulein STELZNER gelangt auf Grund ihrer Experimente zu folgenden Leitsätzen: Der Perlpilz ist weder als Ganzes giftig, noch sind seine Häute oder äussere Umhüllung giftig. Die Giftwirkung des Fliegenschwammes ist nicht an seine Ober- haut gebunden. Der Pantherschwamm ist hochgiftig. (Vergl. auch H. STELZNER in Berl. klin. Wochenschr. [1919], 1025.) Vergiftungen, bewirkt durch den Genuss von kontrollierten Pilzen sind weder den Behörden noch uns zur Kenntnis gelangt und dürften wohl auch nicht vorgekommen sein, wohl aber haben die Tagesblätter häufiger als sonst von durch den Genuss von selbstge- sammelten oder von Hausierern gekauften, unkontrollierten Pilzen vorgekommenen Vergiftungen zu berichten gewusst und einzelne dieser Fälle sind auch, soweit sie Zürich betrafen, unserer Kontrollstelle, soweit sie in Winterthur vorgefallen sind, Herrn Dr. med. F. THELLUNG in Winterthur, demVorsitzenden des dortigen „Vereins der Pilzfreunde* einberichtet worden. In einigen dieser Fälle war Herr Dr. F. THEL- LUNG zudem behandelnder Arzt. Da die näheren Verumständungen und der Verlauf der. Vergif- tung in mehrfacher Hinsicht nicht ohne Interesse sind, lassen wir die uns zur Verfügung gestellten Krankengeschichten folgen, auch an Jahrg.67. Hans ScHinz. Der Pilzmarkt der Städte Zürich u. Winterthur 1920/21. 123 dieser Stelle den kantonalen und städtischen Gesundheits- und Polizei- behörden, dem Stadtarzt der Stadt Zürich, der Direktion der Medizi- nischen Klinik am Kantonsspital in Zürich und Herrn Dr. F. TheL- Lung in Winterthur für die gemachten Mitteilungen unsern Dank aussprechend. Die Direktion der Medizinischen Klinik am Kantonsspital Zürich berichtet (6. XII. 1921): „M., K., 39 Jahre, Erdarbeiter, wohnhaft Zürich, suchte am 4. September 1921 im Wald Pilze, die von einem „Kenner“ als essbar bezeichnet werden. Die Pilze werden gekocht, 3 Uhr mittags reich- liche Mengen verzehrt. 4 Uhr Schwindelgefühl, Bewusstlosigkeit, Tobsuchtsanfälle. Die Ehefrau geniesst ebenfalls von den Pilzen, mehr- maliges Erbrechen, Schwindelgefühl, dann Wohlbefinden. — Patient wird am 4. Sept. (Tag der Vergiftung) abends 6 Uhr tobend einge- liefert, schlägt heftig um sich, ist vollkommen desorientiert. Pupillen weit, auf Licht kaum reagierend, Konjunktiven injiziert. An den innern Organen, am Nervensystem nichts auffälliges.. Temperatur 35,6, Puls 60, Atmung 18. Therapie: Magenspülung, wobei Reste von Pilzen zu Tage gefördert werden. Rizinusöl, Apomorphininjektion. Daraufhin mehrfaches Erbrechen, dünne Stühle. Patient ist in der Nacht unruhig, am andern Tag klar, müde. Wird am 8. September beschwerdefrei entlassen. Bericht der Direktion des Botanischen Gartens vom 7. September ergibt, dass es sich um Steinpilz, Täub- linge und Fliegenschwamm handelt. Ebenfalls am 4. September wird eingeliefert G., A., 45 Jahre, Näherin, wohnhaft Zürich, ist die Mutter des M. und ass um 3 Uhr ebenfalls von diesen Pilzen. Spürte während des Essens Müdigkeit, erbrach dann 10 Minuten lang. Dann Kopfweh, Übelkeit, verliert die Besinnung. Wird abends 6 Uhr sehr unruhig in die Klinik ein- geliefert, schlägt um sich, beisst, spuckt, reagiert nicht auf Anruf. Stark gerötetes Gesicht, weite, reaktionslose Pupillen, injizierte Kon- junktiven, stark belegte, feuchte Zunge, Sugillationen am weichen Gaumen. Innere Organe und Nervensystem o. B. Temperatur 36,8, Puls 92, Atmung 28. Im Urin Eiweisspuren. Therapie: Magenspü- lung, welche Pilze zu Tage fördert, 2 Esslöffel Rizinusöl. Patientin ist auch am 5. September schwer besinnlich, hat Stuhlverhaltung trotz Rizinusöl. Pupillen immer noch weit, Eiweiss noch in Spuren. Gesicht noch etwas gerötet. Erholt sich in der Folgezeit vollkommen und wird am 13. September geheilt entlassen.“ Der Stadtarzt der Stadt Zürich, Herr. Dr. KRUCKER, berichtet: „Gestern, den 23. August 1920 abends machte der behandelnde Arzt 124 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Dr. W. folgende Mitteilung: An der Quellenstrasse, Zürich 5, seien in der Familie G. 2 bis 2!/2 Stunden nach Genuss von Pilzen, die sie gestern Abend ca. 5'/g Uhr gegessen hatten, drei Personen erkrankt: zwei Personen hätten sofort starkes Erbrechen bekommen, worauf es zurückzuführen sei, dass bei ihnen die Symptome nur leicht auf- getreten seien. Bei der dritten Person, die sehr viel von den Pilzen gegessen habe, aber erst nach Einführung einer Magensonde erbrochen habe, sei es zu stürmischeren Erscheinungen gekommen, Pulsbeschleu- nigung, Magendruck, starkem Schwindelgefühl; Diarrhöe und Fieber wurden bis dato bei keinem der Erkrankten beobachtet. Die Pilze seien der Familie, wie schon oft, von einem Bekannten im Laufe des gestrigen Tages geschickt worden und stammten nicht vom Markt.“ Diese Ausführungen sind dann durch dieselbe Amtsstelle am 30. August 1920 durch nachstehende Mitteilung ergänzt worden: „Zur Ergänzung in Sachen Pilzvergiftung der Familie G. an der Quellenstrasse, Zürich 5, haben wir den Lieferanten P., L., Zürich, aufgefordert, nochmals von den angeschuldigten Pilzen zu suchen, welcher Aufforderung er-am 28. August nachkam. Wir haben die Pilze, welche mit den zuerst gelieferten identisch sein sollen, Ihnen zugestellt. Frl. P. teilte bei diesem Anlass dem Sanitätsmann mit, dass ihre Familie von den nämlichen Pilzen, die ihr Vater am 22. Au- gust gesucht und der Familie G. geliefert habe, gegessen habe, ohne dass jemand krank geworden sei. Ihr Vater befasse sich übrigens schon seit 20 Jahren mit Pilzsammeln. Die Familie @. soll dem P. für die gelieferten Pilze 50 Rp. bezahlt haben. Den Erkrankten in der Familie G. geht es übrigens allen wieder gut.“ Wir, als Kontrollstelle, haben nur hinzuzufügen, dass uns durch Sanitätsmann G. Proben dieses Pilzgerichtes überbracht wurden. Es bestanden dieselben aus Eierschwämmen und einem weitern, nicht mehr erkennbaren Blätterpilz, der frisch „rötlich gewesen sei“. 2. Mitteilung seitens des Stadtarztes (v. 7. X. 1920). Es betrifft dieselbe die 44jährige Frau M.S. in Zürich 5 und deren 10jährigen Knaben OÖ. Sie lautet: i „Am Mittwoch, den 15. September 1920, ging Frau 8. mit dem Knaben O. in den Käferholzwald, um Pilze zu süchen. Von den ge sammelten Pilzen wurden 5 Stück am 16. September zum Mittagessen 'geschwellt und mit Öl zubereitet und von Frau $. und O. gegessen. Am gleichen Tage, abends 10 Uhr, erkrankten beide mit heftigem Erbrechen und Diarrhöe. In ärztliche Behandlung kamen die Er- krankten erst am 17. September, nachmittags 2!/s Uhr. Während sich * Jahrg.67. Hans ScHinz. Der Pilzmarkt der Städte Zürich u. Winterthur 1920/21. 125 daraufhin der Zustand der Frau S. zusehends besserte, kam es bei dem Knaben zu sekundärer Bauchfellentzündung, der er am 19. Sep- tember, morgens 5 Uhr, erlag. Von den Pilzen waren keine Reste mehr vorhanden. Der Beschreibung nach soll es sich um weisse Pilze mit länglichen Stielen und grundständiger knollenförmiger Ver- dickung (Knollenblätterpilz?!) gehandelt haben. Ferner starb am 2. September 1920 im Kantonsspital ein gewisser C., L., Maurer, wohnhaft Zürich 8, ebenfalls an Pilzvergiftung unter den Erscheinungen von Ikterus (Gelbsucht), Blutharnen und blu- tigem Stuhl. Nähere Angaben konnten wir bis dato nicht erhältlich machen.“ Über diesen Fall berichtete in der Folge die Direktion der Med. Klinik des Kantonsspitals Zürich (Mitteilung des Stadtarztes vom 9.X. 1920): „Vom 1. bis 2. September 1920 wurde auf der Med. Klinik be- handelt C., L., Maurer, 1869, von Italien, wohnhaft Zürich 8. Der Mann wurde moribund auf die Klinik eingeliefert, nachdem er in sei- nem Zimmer bewusstlos aufgefunden worden war. Der Patient habe oft Pilze gesammelt und gegessen. Die Erscheinungen, welche der Patient bei der Einlieferung aufwies, bestanden in einem ausgespro- chenen Ikterus, schwerer Cyanose, völlig benommenem Sensorium. Aus dem Munde strömte ein eigenartiger, fauliger, fleischartiger Ge- ruch, über dem Herzen ein leises systolisches Geräusch, starke Oya- nose der sichtbaren Schleimhäute. Im Urin Blut, Urobilin und Uro- bilinogen. Körpertemperatur 36,0, Puls 92, Atmung 32, unregel- mässig. Der Patient starb 2'/% Stunden nach Spitaleinlieferung unter den Erscheinungen eines Kollapses. Die klinischen Erscheinungen liessen uns den Verdacht auf eine Pilzvergiftung und zwar durch Amanita phalloides, äussern. Bei der Autopsie wurden tatsächlich Pilzreste im Magen vorgefunden, und die für Amanita phalloides cha- rakteristische Verfettung und Destruktion von Leber und Nieren wurde ebenfalls vorgefunden. Der Verdacht auf Vergiftung durch Amanita phalloides scheint mir deshalb sehr begründet. Ein kleiner Vorrat gedörrter Pilze, die ©. in seinem Logis hatte, soll auf Veranlassung des Spitalarztes dem gerichtlich-med. Institut eingehändigt worden sein.“ Des Weitern hat uns Herr Dr. med. Orto Fıerz in Zürich 8 mit einem durch Pilzgenuss verursachten Vergiftungsfall bekannt gemacht und hat uns Proben des Pilzgerichtes zugestellt. Letzteres setzte Sich zusammen aus dem geniessbaren Hydnum imbricatum und dem giftigen Tricholoma tigrinum. Die Erkrankten hatten die Pilze von 126 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 einem hausierenden Italiener gekauft, gaben zu, die Schwämme nicht zu kennen und überhaupt zum ersten Mal solche genossen zu haben. Krankheitssymptome: Erbrechen, Schwindel und Durchfall. Beim Mit- tagessen wurden die Schwämme genossen, in der darauffolgenden Nacht gegen 2'/ Uhr stellte sich das Erbrechen ein, das die ganze Nacht durch andauerte. Am darauffolgenden Tage konnten alle drei Personen ihre Arbeit wieder aufnehmen. Herr Dr. med. F. TueLLung in Winterthur endlich, hat uns die nachfolgenden, äusserst sorgfältig redigierten Aufnahmen zur Ver- fügung gestellt: „Pilzvergiftungen durch Tricholomattigrinum (Schaeft.) in Winterthur am 5. und 6. IX. 1921. Gruppe. Am 5. IX. sammelte ein Pilzliebhaber, der eine Anzahl Pilze kennt und schon oft selbst gesammelt und gegessen hat, eine grosse Menge Pilze und liess einen Teil zum Nachtessen zubereiten. Eine Art, die im Gemisch reichlich vertreten war, kam ihm unbekannt vor. Er wollte sie herauslesen, wurde aber abgerufen. Unterdessen nahm die Köchin wahllos einen Teil der Pilze und bereitete sie zu (reinigen, dünsten). Der Hausherr kam dazu; weil von den ihm unbekannten dabei waren, legte er das berühmte Silberstück hinein, und es blieb blank. Das Gericht wurde von drei Erwachsenen zu gleichen Teilen verzehrt, jedes drei gehäufte Esslöffel voll. Der Ge- schmack war gut. Schon nach einer Viertelstunde trat bei allen Übelkeit ein, und es erfolgte vielmaliges heftiges Erbrechen, ohne Schmerzen. Nach zwei Stunden ausserdem Durchfall. Allgemeinbefinden nicht stark gestört, nur die schwächliche Köchin musste sich legen. Zwei Stunden nach der Mahlzeit gerufen, spühlte ich die drei Magen aus und entleerte noch ziemlich viel Pilzreste und zugleich genossen® Nudeln. Ferner gab ich Rizinusöl, und liess später Schwarztee trinken. Nach der Spülung hörte das Erbrechen allmählich auf. Die Diarrhöe dauerte die ganze Nacht hindurch. Am Morgen waren alle drei Per- sonen ziemlich wohl. Die nicht zubereiteten Pilze, von denen die zubereiteten ohne Auswahl genommen worden waren, bestanden zur Hälfte aus Tricho- loma tigrinum (der Pilz, der dem Sammler verdächtig vorgekommen war und dessen Diagnose am eingesandten Muster von der Zürcher Kon- trollstelle bestätigt wurde). Die übrige Hälfte setzte sich zusammen aus Jahrg. 67. Hans ScHınz. Der Pilzmarkt der Städte Zürich u. Winterthur 1920/21. 127 nur vereinzelten Exemplaren von Boletus edulis, Amanita rubescens, Clitoeybe geotropa, Clitocybe mellea, Clitocybe imperialis, Hebeloma erustuliniforme, Russula delica, Russula alutacea, Cantharellus eibarius, Clavaria aurea?, Lycoperdon gemmatum. Sämtliche Pilze waren frisch und jung. Gruppe II. Am 6. IX. sammelte ein Pilzliebhaber, der ziemlich viele Pilze gut kennt und oft für sich sammelt, eine Anzahl junger Ritterlinge, die er für Trieholoma portentosum hielt. Er kennt Tricholoma tigrinum, aber die gesammelten Pilze waren jung und die Oberhaut war noch beinahe einfarbig und glatt, grau. Es wurde ausschliesslich diese Art am gleichen Abend gedünstet und von vier Personen mit Genuss verzehrt. 1) erwachsener Mann: einen ganzen Teller voll, 2) erwachsener Mann: 3 gehäufte Esslöffel, 3) erwachsene Frau: wie 2), 4) 1'/ejähriges Kind: 2 Kaffeelöffel voll. Nach !/ı bis !/s Stunde bei den drei Erwachsenen Übelkeit, heftiges wiederholtes Erbrechen. Eine halbe Stunde später erbrach auch das Kind. Letzteres hatte in der Nacht noch mehrmals Erbrechen, keinen Durchfall, und war am Morgen munter. Bei 2) und 3) in der Nacht noch mehrmals Erbrechen, gegen Morgen starke Diarrhöe, am Morgen ziemlich wohl. Keine Behandlung. Bei 1) sehr heftiges, gehäuftes Erbrechen, qualvolles Würgen, grosse Mattigkeit, Blässe, eingesunkene Augen. Puls gut, keine Nervensymptome. Magenspülung 2 Stunden nach Mahlzeit, Rizinusöl. Darauf wurde das Erbrechen seltener und milder, wiederholte sich aber doch noch 36 Stunden lang. In der ersten Nacht starke Diarrhöe, häufige Entleerungen. Wegen Mattigkeit und Unmöglichkeit von Nahrungsaufnahme 2 Tage bettlägerig, dann rasche Erholung. Bei dem nicht zubereiteten Teil der Pilze, die ich (Dr. F. Thellung) frisch am Abend sah, konnte man wegen der noch glatten Oberhaut wirk- lich an Tricholoma portentosum oder noch eher terreum denken; am nächsten Morgen waren aber durch Austrocknung bei allen Exemplaren kleine Schuppen deutlich geworden, und ich konnte alle Exemplare mit Sicherheit als Tigerritterlinge erkennen. Trieholoma tigrinum kommt in den Wäldern um Winterthur ziemlich häufig vor. 128 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Vergiftung durch Amanita pantherina D(C. am 8. IX. 21 in Winterthur. Forstbeamter, Pilzkenner, sammelte ein Mischgericht mit vielen Pantherpilzen, die er auch schon ohne Schaden verspiesen hatte, auf die Empfehlung im RotHmayr’schen Buche hin. Abziehen der Oberhaut. Ass davon mittags mit Frau und 8jährigem Knaben. Symptome wie bei Fliegenpilz, nach 1—3 Stunden auftretend: Vater war im Freien, hatte nachmittags rauschähnlichen Zustand, ging unsicher, hatte Mühe zu sprechen, verlor mehrmals den Hut aus der Hand. Gegen Abend Erbrechen, dann Besserung. Mutter hatte bald nach Essen etwas Übelkeit, wurde dann schläfrig und schliesslich bewusstlos; bald trat hochgradige Aufgeregtheit dazu, Umsichschlagen, Schreien, Muskelzuckungen. Pulsbeschleunigung, etwas weite Pupillen. Zustand bedrohlich, aber nach Magenspülung rasche Erholung. Knabe ass wenig. Nach Essen etwas Leibweh, ging an Schul- spaziergang. Wurde schläfrig, taumelte; wollte Hirsche füttern, liess aber das Brot immer fallen. Dann völlig bewusstlos, Schlucklähmung, weite, starre Pupillen. Auch hier rasche Erholung nach Magen- spülung im Spital. Ich konnte sämtliche Abfälle im Kehrichteimer frisch untersuchen und fand: Einzelne Boletus edulis, luteus, scaber, Tricholoma rutilans, Paxillus prunulus, 1 Exemplar Boletus luridus (nicht satanas!), mehr Amanita rubescens und am meisten Amanita pantherina. Da von sämtlichen Pilzen Huthaut und Stiel vollständig entfernt worden waren, konnte ich an diesen die sichere Diagnose stellen. Es war kein Exemplar dabei von Amanita muscaria oder irgend einer Abart davon, und ebensowenig von A. spissa, excelsa, valida etec., sondern ausser sichern Perlpilzen nur typische Pantherpilze mit gestreiftem Hutrand, schlankem, weissem Stiel und typisch berandeter Knolle. Der Fall scheint mir (Dr. F. Thellung) nicht unwichtig, da er bestätigt, dass die französischen, sowie die ältern und wissenschaft- lichen deutschen Autoren recht haben mit der Giftigkeit des echten Pantherpilzes, gegenüber den populären deutschen und deutsch- schweizerischen (MICHAEL, GRAMBERG, RICKEN, ROTHMAYR). In Deutsch- land bricht sich allerdings jetzt die Erkenntnis allmählich Bahn, aber die Bücher führen noch irre.“ Seit 24 Jahren warnen wir Jahr für Jahr davor, als Erkennungs“ zeichen der Giftigkeit oder Harmlosigkeit abzustellen auf das Kochen Jahrg.67. Hans ScHinz. Der Pilzmarkt der Städte Zürich u. Winterthur 1920/21. 129 des Gerichtes mit einem silbernen Löffel! Aber wir sind offenbar Prediger in der Wüste, denn immer und immer wieder müssen wir von sögenannten Pilzkennern uns belehren lassen, dass sie erstens alle Pilze kennen und dass zweitens für sie das Kochen mit dem berühmten Löffel ein schon von der Urgrossmutter sel. übernommenes, nie im Stiche las- sendes Indizium sei! Wer Speiseschwämme kennen lernen will, der beginne zuerst mit zwei, drei Arten, lerne die ganz genau unterscheiden, suche sie immer und immer wieder auf und wenn diese einmal sein „Eigentum“ geworden sind, dann füge er eine vierte, fünfte und sechste Art hinzu und erweitere derart schrittweise seine Kenntnisse. Gute Dienste leisten ihm hiebei in allererster Linie folgende Werke: 1. MicHAEL, Enpmunp. Führer für Pilzfreunde. Ausgabe B. Band I (1918), Abbildungen 1—82, Band II (1918), Abbildungen 83 bis 206, Band III (1919) Abbildungen 207—346. Verlag von Förster & Borries, Zwickau Sa. 2. GRAMBERG, E. Die Pilze unserer Heimat. 2 Bände. 3. Aufl. Band I mit 76, Band II mit 60 Tafeln. Quelle & Meyer, Leipzig 1921. 3. RICKEN, ADALBERT. Die Blätterpilze (Agaricaceae) Deutschlands und der angrenzenden Länder, besonders Österreichs und der Schweiz. XXIV und 480 S., 112 Tafeln. Theodor Oswald Weigel, Leipzig 1915. 4. Hann, GortHoLD. Der Pilzsammler oder Anleitung zur Kenntnis der wichtigsten Pilze Deutschlands und der angrenzenden Länder. XXIII und 211 S., 32 Tafeln. Herm. Kanitz’ Verlag, Gera 1903. 5. RICKENn, ADALBERT. Vademecum für Pilzfreunde. Taschenbuch zur bequemen Bestimmung aller in Mitteleuropa vorkommenden ansehnlicheren Pilzkörper, mit fünf Bestimmungstafeln und Zitaten bekannter Bildwerke. XXIV und 352 S. 2. Aufl. Quelle & Meyer, Leipzig 1920. 6. Hermann, Emıt. Welche Pilze sind essbar? Wichtigstes Ergänzungs- werk zu allen bisher erschienenen Pilzwerken. 192 S. Heil- bronn a. Neckar. No. 1, 2, 3 und 4 sind Abbildungswerke (die Abbildungen in No. 4 sind allerdings zum Teil etwas zu grob), No. 5 und 6 entbehren der Bilder und setzen daher schon einige Übung im Unterscheiden und in der Technik des Bestimmens voraus. Das ist auch der Fall hinsichtlich der verschiedenen Monographien, die der Vorsteher der Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 67. 1922. 9 130 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 amtlichen Pilzkontrolle in St. Gallen, EmiL NÜESCH, publiziert hat, aus deren Reihe an dieser Stelle zu nennen sind: NüEscH, EmiL. Die braunsporigen Normalblätterpilze (Phaeosporae der Agariceae) der Kantone St. Gallen „ans Appenzell. Jahr- buch der St. Gallischen Naturwi 1 Gesellschaft, 55. Band (1917 u. 1918) (1919), 177—322. — — Die schwarzsporigen Blätterpilze der Kantone St. Gallen und Appenzell (Jahrbuch der St. Gallischen Naturwissenschaftl. Gesellschaft, 57. Band (1920 u. 1921) (1921), 141—169. — — Die Röhrlinge (Pilzgattung Boletus) Bestimmungsschlüssel und Beschreibung aller Röhrlinge Mitteleuropas. 43 S. Verlag Huber & Co., Frauenfeld 1920. — — Die Milchlinge (Pilzgattung Lactarius). Bestimmungs- schlüssel und Beschreibung der Milchlinge ee 508. Selbstverlag des Verfassers, St. Gallen 1921. — — Die weissporigen Hygrophoreen (Pilzgattungen Limaeium, Hygrophorus, Nyctalis). 66 S. Druck und Verlag von Carl Rembold, Heilbronn a. Neckar 1922. Schliesslich empfehlen wir angelegentlichst dem Anfänger wie dem Fachmann die in Heilbronn erscheinende Zeitschrift „Der Pilz- und Kräuterfreund“, die stets eine Fülle von Anregungen bringt und in der Regel als Beilage vortreffliche Pilzbilder enthält. Sie steht gegenwärtig im 5. Jahrgang. An die Behörden wie an die praktischen Ärzte richten wir die dringende Bitte, uns, wenn sie sich mit durch Pilzgenuss bedingten Vergiftungen zu befassen haben, vom Sachverhalt Mitteilung zu machen und uns, wo immer möglich, Proben des Pilzgerichtes oder noch besser die frischen Pilze, wenn solche noch erhältlich sind, zur Feststellung der Art zustellen zu wollen. Am gefährlichsten sind und bleiben die unter dem Namen „Knollen- blätterschwamm“ gehenden Amanita-Arten, A. phalloides und Mappä, am gefährlichsten, weil sie leicht im jugendlichen Zustande verwech- selt werden können mit Champignons und weil die Vegiftungserschei- nungen verhältnismässig erst geraume Zeit nach erfolgtem Genuss sich einstellen, sodass die Hülfe des Arztes dann häufig zu spät kommt. Man wird uns Dank wissen, wenn wir, unsern Bericht ab- schliessend, auch an dieser Stelle wiederum auf die Unterscheidungs- merkmale nachdrücklich hinweisen: Jahrg.67. Hans ScHinz. Der Pilzmarkt der Städte Zürich u. Winterthur 1920/21. 131 Geruch: Oberhaut des Hutes: Fleisch: (unzuverlässi- ges Merkma Blätter auf der Unterseite: ren: Stiel: Scheide: Ring: Champignon angenehm, mandelnuss- oder anisartig ziemlich derb, ohne Fetzen einer äusseren Hülle ziemlich dick beim Wiesen- dehampignon (Ps sal- champignon (Psalliota ar- zuerst weiss, später rosarot bis schwarz _ purpurbraun bis schwarz gedrungen, starr u. brüchig, wenig biegsam, am Grunde schwach verdickt oder ab- gestutzt gerandet fehlend meist ren dauerhaft (doch trifft man gelegent- lich, auch ringlose Exem- plare an) Knollenblätterschwamm unangenehm, ähnlich frisch durchschnittenen, re Kartoffel, zum Tei süsslich dünn, Bee mit Fetzen der äusseren Hülle besetzt, die icht ab e gewaschen werden sehr dünn bleibend weiss weiss schlank, Fer gar über dem Rin fei ingedräckt längsliniert, a am Grunde mit Scheide steckend men ohlathstde es) bei Amanita ‚phalloides vOor- a Stelle die Knolle oben be- randet zarthäutig, dünn, bei Berüh- rung oftam Finger haftend Begriff und System der Pflanzensukzession. Von Ernst FURrRER (Affoltern b. Zürich). (Als Manuskript eingegangen am 14. März 1922.) A classification to be true must be genetic and dynamic. The plant societies must be grouped accor- ding to origin and relationship, and the idea of constant change must be strongly empha- sised. Die Ergebnisse der Sukzessionsforschung haben sich in jüngster Zeit, namentlich auch in der Schweiz, derart gemehrt, dass wir das Bedürfnis empfinden, sie in ein übersichtliches System zusammenzu- fassen, in das auch spätere Ergebnisse leicht eingereiht werden können. Ein allseitig befriedigendes System kann heute selbstver- ständlich noch nicht aufgestellt werden. Dazu ist die Sukzessions- lehre zu jung und der Stoff zu wenig geklärt und in sich gefügt. Aber es ist immerhin eines Versuches wert, die grosse Mannigfaltig- keit der Vegetationswandlungen in ein System zu ordnen. Ich be- schränke mich dabei auf die Schweiz; denn ihre Pflanzendecke ist so vielgestaltig, dass sie fast alle wichtigen Sukzessionserscheinungen der gemässigten und kalten Zone von nicht allzu scharf ausgespro- chenem ozeanischem und kontinentalem Charakter aufweist. Das hier entwickelte System dürfte sich daher auf die meisten aussertropischen Gebiete anwenden lasssen. Da diese kleine Studie die Begriffs- und Systembildung nach der kritischen Seite behandelt, nicht nach der geschichtlichen, und da sie sich grösstenteils auf eigene Naturbeobachtung stützt, so wird nur beiläufig auf Literatur verwiesen. Umfassende Literaturnachweise finden sich in den am Schluss dieser Arbeit erwähnten Veröffent- lichungen. 1. Allgemeines Wesen der Pflanzensukzession. Die Erdoberfläche hat keine bleibende Form. Die Bewegungen von Luft und Wasser, Abtragung und Aufschüttung, ferner die Tätigkeit der Lebewesen und endogene Vorgänge bewirken, dass Jahrg. 67. Ernst FURRER. Begriff und System der Pflanzensukzession. 133 das Antlitz der Erde sich fortwährend verändert. Dieses Geschehen greift tief in das Leben der Pflanze und der Pflanzenvereine ein. Gletscher stossen vor und begraben unter sich Wiesen und Wälder. Sie schürfen den Untergrund auf, hobeln an den Tallehnen uud befördern Moränenschutt das Tal hinaus. Nach ihrem Rückzug hinterlassen sie Rundhöcker und Moränen, die von der Vegetation in Beschlag genommen werden. Bäche und Flüsse, die das Tal durch ihre erosive Tätigkeit vertiefen, unterspülen die Tallehnen und schaffen nackte Anrisse, die bergaufwärts sich vergrössern und in fächerförmiger Verteilung bis an die Gräte hinaufwandern können. Dadurch wird die Vegetationsdecke abgetragen; aber sie entwickelt sich wieder langsam von neuem auf dem entblössten Boden. Den Anrissen gegenüber, auf der konkaven Seite der Flussbiegungen, lagern sich bei Hochwasser Kiesbänke ab, von denen die Vegetation rasch Besitz ergreift. Am Fuss der Berge wachsen durch Abwitterung die Gehängeschuttkegel und Blockfelder, wo die Vegetation an den weniger gefährdeten Stellen mit Erfolg auf Eroberungszüge ausgeht. Auch die Wasserbecken sind in der Geschichte der Erde nur eine vorübergehende Erscheinung. Die Vegetationsgürtel, die sie umgeben, arbeiten an der Verlandung und schreiten im Lauf der Zeit langsam gegen das Innere des Beckens vor. Auf Dünen und Mooren ist die Wandlung der Vegetation schon vor Jahrzenten in den Hauptzügen geklärt worden, weil es da besonders nahe lag, bei Vegetationsstudien den Weg zu verfolgen, den die Pflanzen bei ihrer Besiedelung ein- schlagen. Endlich sei an die menschliche Kultur erinnert, die durch ihre tiefen Eingriffe den natürlichen Werdegang der Vegetation in neue Bahnen lenkt. So kann jedes Stück Vegetation als etwas Werdendes oder Ge- wordenes aufgefasst werden. Diese Betrachtungsweise ist der leitende Gedanke der Sukzessionslehre, an deren Ausbau im Grossen wie im Kleinen viele Pflanzengeographen der letzten Jahrzehnte erfolgreich. tätig gewesen sind. 2. Grundbegriffe. Die zeitliche Folge von Pflanzengesellschaften an einem ge- gebenen Ort heisst Sukzession. Der Begriff der Sukzession ist somit der allgemeinste Ausdruck für die zeitliche Veränderung der Vegetätionsdecke. Daneben bedarf es eines Begriffs, der nur gewisse, möglichst bestimmte und scharf umschriebene Sukzessionen umfasst, genau so wie der Artbegriff in der Systematik eine bestimmte Sippe, der Assoziationsbegriff in der Pflanzensoziologie eine bestimmte Pflanzen- 134 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 gesellschaft bezeichnet. Eine solche Einheit ist die Serie. Darunter soll vorläufig eine Sukzession verstanden werden, die mit Neuland beginnt und mit einer klimatisch bedingten Pflanzengesellschaft ab- schliesst. Der Begriff der Serie ist dann immer noch äusserst dehnbar. Aber wir können ihm bestimmtere Form geben durch die Forderung, dass bei der Aufstellung einer Serie weitere Bedingungen erfüllt sind. Solche Forderungen müssen sich aus dem Wesen der Sukzession er- geben, deren bezeichnende Erscheinung ist, dass die Sukzession im Laufe der Zeit verschiedene Vegetationsstadien durchläuft. Für die Selbständigkeit der Serie fallen daher folgende Gesichtspunkte ins Gewicht: 1. Die Zahl der Stadien; ’ 2. Der floristische, physiognomische und ökologische Charakter der Stadien, besonders der Anfangs- und Endstadien.') Bei der Aufstellung von Serien ist darauf zu achten, dass sie in ihrer Umschreibung einander ungefähr ebenbürtig und nicht zu weit und nicht zu eng gefasst sind. Wo sich das Bedürfnis einstellt, eine Gliederung in kleinere Einheiten vorzunehmen, die nach unserer Fest- legung den Namen Serie nicht mehr verdienen, betrachte man diese Einheiten als Varianten (oder Subserien). Sie sind begrifflich den Varianten der Assoziationen (den Subassoziationen) zur Seite zu stellen, gliedern sich also 1. in Höhenvarianten, indem die über verschiedene Höhen- stufen verteilte Serie mit zunehmender Höhe eine allmähliche Vereinfachung erfährt; denn die Zahl der konkurrierenden Arten wird geringer und die Daseinsbedingungen gestalten sich ungünstiger; . inGebietsvarianten, kurz auch Fazies genannt, weil von Gebiet zu Gebiet mit dem Wechsel der floristischen Zusammen- setzung der Pflanzendecke das floristische Bild der Serie sich ändert; ID ') Diese Fassung habe ich dem Serienbegriff bereits 1916 in etwas einfacherer Form gegeben in „Riassunto di fitogeografia bormiese“ (Malpighia, Fasc. 7-10, 1916). Im Abschnitt „Generalitaä sullo studio dei consorzi vegetali‘‘ sagte ich von der Serie: Questa nozione comprende le successioni somigliantisi nel carattere fisiografico € nel numero delle fasi (stadi), anche di certi tipi biologiei che determinano il earattere genetico-dinamico delle fasi — deutsch: Dieser Begriff umfasst die Sukzessionen, die in ihrem gen een Charakter und in der Zahl der Stadien einander gleichen, ebenso in gewissen Lebensformen, die dem genetisch-dynamischen Cha- rakter der Skadien ihr ee geben. Jahrg. 67. Ernst FURRER. Begriff und System der Pflanzensukzession. 135 3. in Bodenvarianten (Substratvarianten) je nach der chemisch- physikalischen Eigenart des Bodens, sofern diese auch äusser- lich im Gang der Sukzession ihren floristischen, physiogno- mischen oder ökologischen Ausdruck findet; ‚in Kulturvarianten, innerlich verschiedenartig, weil durch ungleiche Ursachen bedingt, immer aber durch kulturellen Eingriff unmittelbar oder mittelbar hervorgerufen. Bei Kulturvarianten lassen sich meist mit Deutlichkeit eine Hemmungs- und eine Regenerationsphase auseinanderhalten, die im gleichen Verhältnis zu einander stehen wie Druck und Ent- spannung in der Physik. Der Eingriff des Menschen in den natür- lichen Gang der Dinge bewirkt in der Regel zunächst eine Hemmung. Lässt er z.B. einen Schuttkegel beweiden, der sich bereits mehr oder weniger übergrast hat und der schon einjährige Gehölzkeimlinge als Vorboten des kommenden Waldes enthält, so bleibt die Vegetation im Zustand des Rasens stehen. Bei regelmässiger intensiver Be- weidung fallen nämlich die noch zarten Gehölzkeimlinge dem Zahn des Weideviehs zu Opfer. Dagegen begünstigt der Weidgang die Er- haltung des Rasens. Er bleibt zwar nicht in dem Zustand stehen, den die natürliche Sukzession bis zum Beginn der Beweidung er- reicht hat, sondern verändert seine floristische Zusammensetzung, indem düngerliebende und den Huftritt ertragende Arten begünstigt werden, während dünger- und trittscheue Arten zurücktreten oder verschwinden. Erst wenn die Beweidung aufhört, wird die Hemmung gelöst, und die Sukzession tritt in die Regenerationsphase ein. Im Rasen gehen Gebüsch und Wald auf, und die Sukzession strebt in raschem Gang dem Ziel zu, das auch der natürlichen Sukzession gesteckt ist. Setzt die Beweidung erst ein, wenn sich der Gehängeschutt bereits leicht bebuscht hat, so bleibt die Sukzession während der Dauer regelmässiger intensiver Beweidung auf dem Stadium des Ge- büsches stehen. Das Weidevieh frisst alle Triebe und verhindert daher die Sträucher und jungen Bäumchen, in die Höhe zu wachsen. Wie- derum wird durch die Beweidung der natürliche Werdegang nicht nur gehemmt, sondern dazu noch abseits gelenkt, indem nur biss- harte Sträucher sich behaupten und vermehren, während bissempfind- liche Sträucher zurückgehen. Erst mit dem Aufhören des Weidgangs werden die Triebkräfte der natürlichen Sukzession frei und lassen diese aus dem Nebengeleise der Kulturvariante wieder der natürlichen Bahn zueilen. Das im ganzen stabile End- (oder Klimax-) Stadium, dem die > 136 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Serie aus labilen Anfangs- und Übergangsstadien zustrebt, ist immer noch Schwankungen unterworfen. Ist z. B. das Endstadium ein Wald, so entstehen durch den Sturz alter, abgestorbener Bäume, durch Wind- und Schneebruch kleine Liehtungen, die einer geringen Veränderung des Unterwuchses rufen, und erst wenn durch Kronenschluss die Wunde im Waldkörper ausgeheilt ist, stellt sich die früher dagewesene Begleitflora wieder ein. Derartige Veränderungen können als Endschwankungen (oder Klimax-Schwankungen) bezeichnet werden. Ähnliche Erscheinungen innerhalb früherer Stadien können kurz Schwankungen genannt werden. Wo der Eingriff in das Endstadium tiefer geht, wie etwa durch Lawinenschlag, kann nicht mehr von einer Endschwankung gesprochen werden. Wird eine Waldfläche durch eine Lawine kahl gefegt, ohne dass die Erdschicht dabei abgetragen wird, so bedarf es zumeist eines Übergangsstadiums oder deren zwei bis drei, um das Dasein des End- stadiums wieder zu ermöglichen. Für diese teilweise Wiederholung der Serie, die zum Wald führt, ist am besten der Name Teilserie am Platz, auch wenn sie nicht genau in der Bahn der früheren Serie verläuft, sondern nur auf deren Endglied hinzielt. Zum Unterschied gegenüber der Teilserie kann das, was bis jetzt kurz als Serie be- zeichnet wurde, auch Hauptserie genannt werden. Teilserien fügen sich durchaus nicht nur an den Schluss einer Hauptserie an, sondern können sich in jedes Stadium einer Haupt- serie oder einer Variante einschieben. So kann Lawinenverheerung in jedem Stadium der Waldentwicklung eintreten. Gewöhnlich wird sie die Vegetation nicht samt aller Erde völlig wegtragen, so dass nicht eine Hauptserie von vorn ihren Kreislauf beginnt, sondern lediglich eine Teilserie einsetzt. Schwankungen und Teilserien werden also beide durch Rück- schläge eröffnet. Ihre Unterschiede haben rein graduellen Charakter. Sind die Rückschläge so geringfügig, dass sie nicht vor das Stadium zurückführen, so liegen Schwankungen vor. Reichen sie weiter, SO sind sie als Teilserien zu bezeichnen. Auch Kulturvarianten können durch einen Rückschlag ihren Ur- sprung nehmen. Wo ein Wald zur Schaffung von Gras- oder Acker- land gerodet wird, ist die Beseitigung des @ehölzes der Rückschlag in der Waldserie, die zu dem gerodeten Wald geführt hat, und mit der Rodung hebt nun die Kulturvariante an. Jahrg. 67. ERNST FURRER. Begriff und System der Pflanzensukzession. 137 «7 mi r fünf Slaöie, Schema einer Serie. Die Serie ist hier in einem Schema zur Darstellung gebracht worden. Ge- wählt wurde eine Hauptserie mit fünf Stadien, wie es z.B. die erweiterten Wald- serien sind. Sie ist durch einen fett ausgezogenen Halbkreis angedeutet. Die Zahlen I bis 5 bedeuten die 5 Stadien: Offene Gesteinsflur, Rasen, Gebüsch, edaphischer Wald, klimatischer Wald. Wie die Hauptserie, so beginnen auch die Bodenvari- anten mit Neuland und führen über offene Gesteinsfluren allmählich in die Bahn der Hauptserie hinein. Die Kulturvarianten dagegen können in jedem Stadium Ihren Ursprung nehmen. Sie entfernen sich in der Hemmungsphase floristisch von dem Stadium, dem sie entspringen, und wahren während der Dauer der kulturellen Einwirkung nur dessen physiognomischen Charakter. Hört die kul- turelle Beeinflussung auf, so tritt die Kulturvariante in die Regenerationsphase d und Regenerationsphase darstellend. Wie sich Teilserien und Schwankungen a einfügen, ist durch je zwei Kreisläufe angedeutet. Die Teilserien üher sie im Verlauf einer Hauptserie auftreten. Es können Die Teilserie, die am Schluss der Hauptserie anhebt, tritt nes grösseren Rückschlages in Erscheinung und durchläuft 138 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 3 Stadien (3”, 4” und 5”) bis zur völligen Ausheilung des zerstörten Schlussvereins, wobei sie sich diesem während ihres Verlaufs mehr und mehr annähert. dem Schema finden wir auch die grosszügig gedachte, an Davıs sich an- lehnende Dreiteilung der Vegetationszyklen von CowLEs wieder. Die Hauptserie und ihre Varianten entsprechen seiner biotischen Sukzession, die dadurch ver- ursacht wird, dass durch die Lebenstätigkeit eines Pflanzenvereins dessen Daseins- bedingungen für einen andern immer günstiger, für den, bestehenden immer ungün- stiger sich gestalten, bis der alte dem neuen weichen muss. Seine topographische kzession, durch Erosion, Schuttaufhäufung und anderes geologisches Geschehen herbeigeführt, schliesst den Abbau mit ein un kommt im Schema durch alle im Rahmen der Kreisfläche dargestellten (ausgezogenen, gestrichelten und punktierten) Linien mit Ausschluss der Kulturvarianten zum Ausdruck. Hingegen lässt sich die erdgeschichtliche (= klimatische, regionale) Sukzession nur andeuten. Nehmen wir an, ein kleines Stück Erdoberfläche sei seit der Karbonzeit bis heute unver- ändert geblieben und durch alle Zeiträume der Erdgeschichte hindurch bis heute mit Vegetation bestanden gewesen. Dann ist nicht anzunehmen, dass heute wie damals die Karbonflora mit ihren waldbildenden Gefässkryptogamen diesen Fleck Erdrinde bedeckt. Im mesozoischen Zeitalter sind die Gymnospermen vom be- nachbarten Gebiet eingedrungen, nach ihnen die Dikotylen und Monokotylen und aben so in einer erdgeschichtlichen Sukzession den Karbonwald in das Endstadium der Jetztzeit übergeführt. Gebiets- und Höhenvarianten lassen sich in diesem Schema nicht unter- Gebietsvarianten weichen Hauptserie hauptsächlich durch ihren floristischen B sich also durch parallele Linien eintragen H rianten unterscheiden sich durch ihren einfacheren Verlauf, der vor allem auf der Verminderung der Stadien und der zugehörigen Boden- und Kulturvarianten beruht und der besser in neuen Schemata zur Darstellung gelangt. Mit dem Schema der Hauptserie zusammen lassen sie sich zu einem dreidimensionalen Schema kom- binieren. amit dürfte die Leistungsfähigkeit dieses Schemas erschöpft sein. Es vermag den Begriff der Serie natürlich nicht völlig zu klären; denn jeder Vergleich hinkt, Es hilft uns aber die innere Gliederung der Serie verstehen. Noch mehr Gesichts- punkte in dem Schema unterbringen, hiesse das Schema überladen und den Ver- gleich durch übertriebenen Schematimus zum Hinken bringen. Diese Erörterung des Begriffs der Serie vermittelt natürlich nicht sofort eine klare Vorstellung; denn jeder Begriff ist ein Erfahrungs- wert und muss erarbeitet werden. Der Artbegriff ist uns auch nicht in seiner vollen Breite und Tiefe klar, wenn wir nicht selber viele Pflanzen beobachten, bestimmen, sie vergleichen und die Variabilität der Arten verfolgen. Ebensowenig können wir uns durch die Deii-. nition ein Bild des pflanzensoziologischen Begriffs der Assoziation 8 stalten, wenn wir nicht selber Bestandesaufnahmen machen, die Be- stände in der Natur und die Listen auf ihre floristische Eigenart prüfen und sie in ihrem Wert gegeneinander abwägen. Genau 0 müssen wir uns in den Begriff der Serie durch vergleichende Beob- achtung hineinleben. Jahrg. 67. ERrNnsT FURRER. Begriff und System der Pflanzensukzession. 139 3. Das System der Sukzession. Die Zahl der Serien ist im Umkreis der Schweiz allein so gross, dass eine Zusammenfassung zu Seriengruppen ein Gebot der Über- sichtlichkeit ist. Gleich wie die Arten und Assoziationen nach dem Grade ihrer Verwandtschaft zu Einheiten höherer Ordnung zusammen- gefasst werden, jene zu Gattungen, Familien, Klassen, diese zu Asso- ziationsgruppen, so soll auch die Seriengruppe jene Serien vereinigen, die nach sukzessionistischen Gesichtspunkten die grösste Verwandt- schaft aufweisen. Wir gelangen danach zur Aufstellung von 7 Serien- gruppen, die sich in einem Schlüssel wie folgt zusammenstellen lassen: 1. Serie im ersten Stadium der nicht völlig geschlossenen Ge- steins-, Rasen- oder Gehölzvegetation stehen bleibend. inerserien. 1*. Serie aus mindestens zwei Stadien bestehend und mit ge- schlossener Vegetation abschliessend. Serie auf Festland beginnend und nach Überwindung des edaphischen Anfangsstadiums rasch aus dem Eda- phismus heraustretend und auf möglichst kurzem Wege dem klimatischen Endglied zueilend. (Klimatophile Serien.) 3. Mit Rasen abschliessend. Rasenserien. 3*. Mit Gebüsch abschliessend. Gebüschserien. 3**. Mit Wald abschliessend. Waldserien. 2*, Serie im Wasser oder auf Ufergebieten beginnend und nach Überwindung des edaphischen Anfangsstadiums noch lange in edaphischen Zuständen verharrend und nur langsam dem klimatischen Endglied zustrebend. Edaphophile Serien.) ‘4, Stadien der Serie längs fliessenden, also nähr- stoff- und sauerstoffreichen Gewässern durch zentrifugale Ausbreitung in konzentrischen Kreisen zum Auenwald oder dessen Stellver- treter führend und darüber hinaus zum Meso- phytenwald'!) als Endglied. Auenserien. 4*,. An stehenden, also nährstoff- und sauerstoff- armen Gewässern durch zentripetales Fort- schreiten der Vegetationsgürtel deren Ver- landung anstrebend, mit Gras- oder Gehölz- flur als Abschluss. Verlandungsserien. ‘) Hiezu rechne ich entgegen Warming (1902) auch den subalpinen Nadelwald. 140 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 4**, An fliessenden und stehenden Gewässern die beweglichen Sanddünen überwachsend und befestigend. Dünenserien. Wenden wir uns nunmehr der Charakteristik und Gliederung der einzelnen Seriengruppen zu. I. Gruppe der Einerserien. Einerserien kommen nur da zur Entwicklung, wo die Ungunst von Klima und Boden den Lebenskreis der Pflanzen in hohem Mass einengt. Die Zahl der Arten, die in dieser Enge des Spielraums ihr Dasein fristen können, ist gewöhnlich nicht gross. Ihre bodenbildende Tätigkeit ist so matt, dass für anspruchsvollere Eindringlinge die Lebensbedingungen meist nicht genügen, dass also die wichtigsten Erstansiedler das Vegetationsbild dauernd beherrschen. Die Vege- tation gelangt nie zu völligem Schluss, sondern bleibt mehr oder weniger offen. Würde sie sich zu einem Rasen, Gebüsch oder Wald schliessen, so gingen die meisten Ansiedler infolge der stark ver- änderten Lebensbedingungen zugrunde; neue Pflanzen würden ein- ziehen und damit ein neues Stadium schaffen. Die Gruppe der Einerserien gliedert sich wie folgt in Unter- gruppen: a) Einerserien der Polsterfluren, auf die alpine Höhenstufe beschränkt. Serie der Silene exscapa, Androsace helvetica usf. b) Einerserien der Grastreppen, als Einerserie ebenfalls auf die alpine Stufe beschränkt. Serie der Carex sempervirens, der Festuca Halleri, der Sesleria coerulea usf. c) Einerserien der Rasenflecken, wie vorige der alpinen Stufe eigen. Serie der Carex curvula, der Carex firma, der Carex mucro- nata, der Elyna myosuroides usf. d) Einerserien der Spalierrasen, wiederum ausschliesslich in der alpinen Stufe. Serie der Dryas, der Salix retusa, der Loiseleuria procumbens. e) Einerserie der Strauchfluren, bezeichnend für den Strauch- gürtel und windgepeitschte Felsen der obern subalpinen Stufe. Einzige Serie der Pinus montana als Krummholz. f) Einerserien der Baumfluren (als offen bleibende Vegetation im Gegensatz zu der geschlossenen Waldvegetation), an vegetations- feindlichen Lagen des Waldgebietes. | e 1. Einerserie der Föhre, an föhnbestrichenen Steilhängen N nordalpinen Quertälern, so im Urner Reusstal etwa zwischen 700 und 1200 m; Hauptvertreter: Jahrg. 67. ERNST FURRER. Begriff und System der Pflanzensukzession. 141 Pinus silvestris Bee Festuca varia ee Betula verrucosa 1 3 2 PrimulahirsutaAll. 4 5 3 Calluna vulgaris 3 4 2 Saxifraga Cotyledon 1 2 3) Diese Hauptserie gilt für Urgestein. Ihr zur Seite stehen die Bodenvariante auf Kalk in den voralpinen Föhntälern und die Ge- bietsvariante der zentralalpinen Längstäler, hier bedingt durch Regen- armut in Verbindung mit Steilheit des Bodens und ausgezeichnet durch artenreichere, „xerotherme“ Flora. 2. Einerserie der Birke, das ennetbirgische Analogon zur Einer- serie der Föhre im Urnerbiet; Begleitpflanzen und Standort wie dort. Sehr schön z. B. in der Tessinschlucht bei Rodi. 3. Einerserie der Flaumeiche, an steilen, sonnigen Kalkfelsen des Jura, wo die Buche nicht hinkommt. Begleitflora mit bezeichnenden Jurapflanzen und zahlreichen Sträuchern neben Kräutern. II. Gruppe der Rasenserien. Dazu rechne ich alle klimatischen Serien, die mindestens zwei Stadien umfassen und in einem krautigen oder Spalierrasen ihren natürlichen Abschluss finden. Im einfachsten Fall ist das erste Sta- dium eine offene Flur, und schon das zweite Stadium führt zum dauernden Rasenschluss. Damit beide Stadien als solche auseinander gehalten werden können, müssen sie floristisch selbständig sein, d. h. die wesentlichen floristischen Bestandteile müssen sich min- destens zur Hälfte in den beiden Stadien voneinander unterscheiden. Als wesentlich bezeichne ich alle Arten, die in ihrer Eigenschaft der Häufigkeit oder Stetigkeit oder Treue mindestens den Grad 3 ver- dienen. Damit ist eine Norm geschaffen, die in schwierigen Fällen zur Unterscheidung die Grundlage bieten kann. (Vergl. Braun.) Gehölzvegetation tritt, ausser Spalierrasen, im Verlauf einer Rasenserie nicht auf. Künstliche Schaffung von Grasland im Wald- gürtel kann niemals als Schlussglied der Rasenserie aufgefasst werden, sondern ist die durch kulturellen Eingriff erzeugte Hemmungsphase einer Kulturvariante, die nach Aufhören des Kultureingriffs in die Regenerationsphase eintritt und durch sie dem Endstadium der Wald- serie zustrebt. Die Gliederung der Gruppe der Rasenserien in Untergruppen und Serien ergibt sich am besten durch folgenden Schlüssel: ') Die drei Ziffern bedeuten die Grade von Häufigkeit, Stetigkeit und Treue nach der Skala von Braun (1921und früher). 5 bedeutet den höchsten, 1 den niedrigsten Grad. 142 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 1. Serie mit zwei Stadien, einem offenen Anfangsstadium und einem geschlossenen Endstadium des Rasens. (Einfache Rasenserien.) 2. Anfangsstadium auf beweglichem Gehängeschutt, häufig ein Treppenrasen- (Grastreppen-) Verein (Einfache Gras- treppenserien), z. B. Festuca violacea-Treppen — Curvu- etum. 2*, Anfangsstadium auf Ruhschutt, häufig durch Sale sträucher gebildet. (Einfache Spalierrasenserien), z. B. Kieselschuttflur — Azaletum. 2** Anfangsstadium auf Fels, meist durch horstbildende Glumifloren ausgezeichnet (Einfache Felsrasenserien), 2. B. Firmetum —- Seslerietum. 1*. Serie mit 3 Stadien, einem offenen Anfangsstadium und zwei Rasenstadien. (Erweiterte Rasenserien.) 3. bis 3**, wie 2. bis 2** II. Gruppe der Gebüschserien. Der Endzustand des geschlossenen Gebüschs gebt als zweites oder späteres Stadium aus einer Serie hervor, die auf festem Boden ihren Ursprung nimmt. Sie besteht gewöhnlich aus zwei Stadien: einer offenen Gesteinsflur und dem Endzustand des Gebüschs. Seltener schiebt sich noch ein Rasen ein. Die Gebüschserien sind zur Haupt- sache auf den Strauchgürtel beschränkt, der sich zwischen die sub- alpinen Wälder und die alpinen Matten einschiebt. Doch stossen sie von da aufwärts in die Höhenstufe der Matten vor und dringen an vegetationsfeindlichen Örtlichkeiten wie Lawinenzügen, wo sich der Wald nicht hinwagt, gelegentlich in tiefere Stufen vor. Die den Ab- schluss bildenden Sträucher sind daher anspruchslose Gewächse, Was bewirkt, dass sie schon im ersten Stadium auftreten und dieses un- mittelbar in das Endstadium überführen können. Es können vier Serien auseinandergehalten werden: 1. Serie des Krummholzgebüsches, mit mehreren Bodenvarianten, so: la. Die Seslerietum-Variante auf sonnigem Kalkschutt, besonders mit: Sesleria coerulea Carex humilis Trisetum distichophyllum Dryas octopetala; 1b. Die Carex ferruginea-Variante, auf sonnenarmem, feuchterem Kalkschutt, mit den diesem Seggenbestand eigenen hygre philen Begleitern; | Jahrg. 67. ERNST FURRER. Begriff und System der Pflanzensukzession. 143 lc. DieRhodoretum-Variante, auf Abwitterungshalden und mässig steilem Kalkfels, mit dem Rhodoretum hirsuti als Übergangs- verein; 1d. Die Kieselvarianten mit Kieselflora. 2. Serie des Grünerlengebüschs, 3. Serie des Junipero-Rhodoretums. 4. Serie des hochalpinen Weidengebüschs. IV. Gruppe der Waldserien. Zu den Waldserien zählen alle klimatophilen Vegetationswand- lungen, die auf möglichst kurzem Weg zum Wald führen. Die Glie- derung der vollen Serie lässt sich in die vier Merkworte: Gesteinsflur, Rasen, Gebüsch, Wald zusammenfassen. Am vielfältigsten ist der Anfangsverein. Weil es Fels- oder. Schuttvegetation ist, trägt er meist mesophilen, seltener xerophilen, nie hydrophilen Charakter. Die Stadien zwei und drei sind oft verwischt und unvollkommen ausgebildet oder ineinander verflochten. Sie sind vielfach mehr nur kräuter- und buschreiche Übergangsfluren als ausgesprochene Rasen- und Gebüschfluren. Nach ihrer ökologischen Bedeutung sind sie die vorbereitenden Stadien für die kommenden Wälder, die je nach der Konkurrenzfähigkeit der waldbildenden Bäume ein bis zwei, zur Seltenheit sogar drei Stadien bilden. Je baumfeindlicher ein Klima, desto einfacher das waldbildende Endstadium, da dann weniger Bäume miteinander in Konkurrenz treten, desto einfacher auch der Verlauf der Waldserie, weil die baumförmigen Vertreter des End- stadiums anspruchslos genug sind, um schon recht frühe im Verlauf der Serie aufzutreten. Die Zahl der Waldserien ist so gross, dass ich sie nach wesens- verwandten Untergruppen hier in einem Schlüssel zusammenstelle: l. Serie mit nur einem Waldstadium als Abschluss. (Einfache Waldserien.) 2. Föhrenwald als Endstadium. (1. Einfache Föhrenwald- serie. 2*. Flaumeichenwald als Endstadium. (2. Einfache Flaum- eichenwaldserie.) 2** Birkenwald als Endstadium. (3. Einfache Birkenwald- serie.) 2***, Fichte oder Lärche als Endstadium. (4. Einfache Alpen- waldserie.) 1”, Serie mit zwei (selten in Varianten drei) Waldstadien als Abschluss. (Erweiterte Waldserien.) 144 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 3. Buchenwald als Endstadium. (Erweiterte Buchen- waldserie. 4. Mit vorausgehendem Föhrenwald. (5. Föhren- Buchenwaldserie.) 4*. Mit gehendem Fl ic} 1d.(6.Flaum- eichen-Buchenwaldserie.) 4**, Mit vorausgehendem Bükenwald. (7. Birken- Buchenwaldserie.) Fichtenwald als Endstadium. (Erweiterte Fichtenwaldserien.) Je nach dem voraus- gehenden Waldstadium: 5. (8. Föhren-Fichtenwaldserie.) 5* (9. Birken-Fichtenwaldserie.) 5**, (10. Lärchen-Fichtenwaldserie.) 5***, (11. Erlen-Fichtenwaldserie.) 3**, Arvenwald als Endstadium. (Erweiterte Arven- waldserie.) Mit vorausgehendem Lärchenwald. (12. Lärchen- Arvenwaldserie. Von den Baumflurserien, die ich bei den Einerserien unterge- bracht habe, unterscheiden sich die einfachen Waldserien nur graduell. Wo die Lebensbedingungen zu einer dichteren Bevölkerung als bei der Baumflur gegeben sind, vollzieht sich eine Wandlung in der Begleit- flora. Lichtliebende Gesteinspflanzen machen nach und nach licht- scheuen Waldpflanzen Platz. Durch diese Wandlung ist die Wald- serie gegenüber der Einerserie - gekennzeichnet. In der Natur ist freilich eine scharfe Grenze nicht gegeben. Klima und Boden sind da, wo sich einfache Waldserien abwickeln, etwas weniger waldfeindlich als im Gebiet der Baumflurserien, aber immerhin noch waldfeindlich genug. Wo die Bedingungen für das Dasein der Wälder noch besser sind, erscheint eine grössere Anzahl baumförmiger Konkurrenten auf dem Kampfplatz, und der erste Wald aus anspruchslosen Bäumen, die in einfachen Waldserien den Ab- schluss bilden, wird in solch waldfreundlicheren Gebieten von An“ spruchsvolleren und konkurrenzkräftigeren Waldbäumen verdrängt: Für alle dem Waldwuchs holden Gebiete sind daher erweiterte Waldserien die Regel. Diese erweiterten Waldserien unterscheiden sich nur graduell von den einfachen, genau so wie die einfachen von den Baumflur- serien. Scharfe Grenzen bestehen in der Natur nicht. Da und dort lassen sich alle drei Serienarten nahe beisammen beobachten. So wo * Jahrg. 67. ERNST FURRER. Begriff und System der Pflanzensukzession. 145 stehen an der linken Reusstalflanke zwischen Wassen und Gurtnellen an abschüssigen Felswänden lockere Föhrenbestände, worin uns die Einerserie der Föhrenbaumflur entgegentritt. An etwas weniger steil geböschten Halden vermag die Föhre sich zu einem Walde zu schliessen und bringt damit die einfache Föhrenwaldserie zum Ab- schluss. An noch günstigeren Lagen, namentlich im Windschatten des Föhn, bildet die Föhre mehrfach den Pionierwald, fällt aber später der Fichte zum Opfer, weiter unten im Tal, um Amsteg und Erstfeld, auch der Buche. Damit tritt uns die erweiterte Waldserie entgegen. Diese drei Stufen der Serienentwieklung — Baumflurserie, ein- fache und erweiterte Waldserie — sind demnach der Ausdruck von verschieden günstigen Waldwuchsbedingungen, die teils edaphischer, teils klimatischer Natur sind. Wenn der Verlauf einer Waldserie der Ausdruck des Allgemein- oder Lokalklimas ist, so muss er auch von geographischem Wert sein. So ergibt sich denn, dass die aufgestellten Serien für geographisch leicht umschreibbare Gebiete bezeichnend sind, sei es unter dem All- gemeinklima bestimmter Landesteile oder an Orten mit lokalkli- matischen Färbungen, sei es an Orten mit bestimmten Böden oder endlich in bestimmten Höhenstufen. Als Hauptserie möchte ich die vom normal geböschten Gehänge- schutt ausgehenden Waldserien betrachten. Ist die Böschung über- maximal, so wird die Hauptserie ihren Abschluss nicht erreichen; vielmehr wird vorher der erosive Abbau eintreten. Nimmt die Haupt- serie ihren Anfang auf Felsen, so liegt eine Bodenvariante vor. Je nach Felsart, Exposition, Höhenlage usf. treten eine Menge Varianten der Hauptserie in Erscheinung, sofern durch diese veränderten Be- dingungen der Verlauf der Serie auch abändert. Kulturelle Eingriffe und deren Aufhören bewirken Kulturvarianten, Lawinenschlag ruft Teilserien, die wiederum beide den einzelnen Hauptserien unterzu- ordnen sind. V. Gruppe der Auenserien. Der Gruppe der Waldserien stehen die Auenserien am nächsten; denn auch hier führen waldfreie Stadien in Wald über. Die öko- logischen Bedingungen sind jedoch andersartig, auch die physio- graphischen und damit die edaphischen. Das erste Stadium umfasst ökologisch uud floristisch stark abweichende Pflanzengesellschaften: Sand- und Kiesfluren, auch Quell- und Wasserfluren, die alle unter Sich innerhalb des ersten Stadiums Sukzessionen unterworfen sind, weil Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 67. 1922. 10 146 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 durch Übersandung einer Kiesbank, durch Ablenkung und Trocken- legung von Wasseradern und durch andere unerwartete, unberechen- bare Veränderungen Kleinsukzessionen in Gang kommen. Es spielen sich also bei einer Auenserie bezeichnenderweise topographische Suk- zessionen innerhalb der biotischen ab, während sich sonst die bio- tischen innerhalb der topographischen bewegen. Ökologisch einheit- licher durch ihre meist hydrophile Natur sind die folgenden Gebüsch- und Waldstadien, und erst das Endstadium des Mesophytenwaldes trägt keine hydrophilen Züge mehr. Die volle Auenserie gliedert sich zur Hauptsache in vier Stadien: Ein Anfangsstadium aus Kräutern und Keimlingen von Holzpflanzen, zwei Übergangsstadien aus Gebüsch und nachfolgendem edaphisch bedingtem Wald und dem klimatisch bedingten Endstadium des Me- sophytenwaldes. Es gibt Fälle, wo der anfänglich hydrophile Charakter schon im dritten Stadium verschwunden ist. In Gebirgslagen, wo die Konkurrenz der Bäume geringer ist, fliessen auch die Stadien drei und vier in- einander zusammen. Bezeichnend für die Auen ist das fleckweise Auftreten neuer Stadien: Die Ausbreitung neuer Bestände in konzentrischen Kreisen nach aussen, bis diese übereinandergreifen und so die ra Pflanzengesellschaften einander ins Gehege kommen. a2. Jeschiebeflur 2000 7 NL. gebüsch ie N 1500 u rlenau di h Weidenau ET T Meopsytenwald sw l ST N Aotenwald 0 /d ligne m Flarsenwat Veränderung der Erlenau-Serie mit zunehmender Meereshöhe, graphisch dargestellt. Die vielgestaltigen Auenserien lassen sich zu drei Hauptserien gruppieren, die alle wieder ihre besonderen Varianten aufweisen: Jahrg. 67. ERNST FURRER. Begriff und System der Pilanzensukzession. 147 1. Erlenau-Buchen-Serie, die verbreitetste und häufigste der Auenserien und der getreueste Ausdruck der TEE TEN längs fliessendem Gewässer, kurz dargestellt wie folgt: Geschiebeflur — Gebüsch — Erlenau — Buchenwald. it zunehmender Höhe erfährt die Serie allmähliche Veränderungen, die sich in einem Schema graphisch wiedergeben lässt, wobei die Abszisse die Zeit und die Ordinate die Meereshöhe darstellt. Bei m, wie im schweizerischen Mittelland, sind der Geschiebeflur und dem Gebüsch nur kurze Zeit gegönnt, da die Erlenau, zusammen mit hochwüchsigen Weiden, rasch aufkommt. Diese sicher oft jahrhundertelang, bis infolge Sinkens des Grundwasser mer endlich die Herrschaft des Mesophytenwaldes aufkommen kann, zuerst mit Eschen, Eichen, auch Föhre und schliesslich mit der unduldsamen Buche, (Vergleiche vr diese Höhenstufe die aufschlussreiche Studie von SIEGRIST Um 1000 m dauern die Stadien der Geschiebeflur und des Gebüsches schon etwas länger an, da die Vegetationszeit kürzer ist und die allgemeinen Lebensbe- dingungen sich verschlechtert haben. Hingegen entfaltet der Auenwald nicht mehr die gleiche Konkurrenzkraft wie in tieferen Lagen. Er ist stärker von baumförmigen Weiden durchsetzt und muss dem Mesophytenwald rascher weichen 1500 m Höhe verlängern sich die Stadien der Keschisshar und des Ge- sträuchs noch mehr. Die Erlenau ist meist völlig durch die nur kurzlebige Weiden- au ersetzt. Die Buche herrscht nicht mehr. Die Fichte besiedelt schon die sand- vermengte Kiesfläche und löst die Weidenau in ihrer Herrschaft ba n noch höheren Lagen tritt nach den lang andauernden ersten zwei Stadien sofort der Nadelwald auf den Plan, doch mit zunehmender Höhe immer häufiger die Lärche neben oder anstelle der Fichte ieser Wechsel der Erlenauserie init zunehmender Höhe gilt indes nur für Täler, deren Sohlen mindestens mässig mit Niederschlägen bedacht werden. Die regenarmen inneralpinen Längstäler zeigen einen etwas anderen Verlauf der Suk- zession, namentlich gegen das Ende hin, wo sich die Serie aus den edaphischen Anfangzuständen heraushebt und dem klimatisch andersartigen Endglied zustrebt. 2. Auenserien des Föhren-Buchenwaldes, die vier Stadien - Geschiebe- Sanddorn- Föhren- _, Buchen- flur si gebüsch U wald durchlaufend, im Gegensatz zur vorigen Serie ausschliesslich auf sand- armen Schottern, 4 unter erheblich ungünstigeren Bedingungen sich abwickelnd. 3. Verkürzte subalpine Auenserie: Geschiebe- Ä Ä Fichten- oder ee — (Weidengebüsch >) Tärchenwald VI. Gruppe der Verlandungsserien. Verlandung ist die Eroberung eines stehenden Gewässers durch die Landvegetation, die in konzentrischen Gürteln das Wasserbecken umgibt und schrittweise nach innen vorrückt. Während bei den Auen- 148 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 serien die Ausbreitung im Allgemeinen zentrifugal erfolgt, treiben bei der Verlandung die ringförmig angeordneten Vegetationsgürtel einander in zentripetaler Richtung vor sich her. Auch ist ein stehendes Gewässer nährstoff- und sauerstoffarm, während die fliessenden Ge- wässer im Bereich der Auenserien nährstoff- und sauerstoffreich sind. Verlandungsserien können auch im Bereich der Auenserien auf- treten. Auf Schotterebenen, wo ein Fluss in mannigfachen Krüm- mungen oder Verästelungen seinen Weg nimmt, können Seitenarme abgeschnürt und zu Giessen werden, die ganz nach Art der Teiche verlanden. Das ist indes kein Grund dafür, dass Auen- und Ver- landungsserien nicht auseinanderzuhalten sind, denn überall in der Natur finden sich Übergänge. Die Verlandungsserien zerfallen in zwei Untergruppen; davon um- fasst die eine die Flachmoorserien, die andere die Hochmoorserien. Der allgemeine Verlauf der Flachmoorserie ist etwa wie folgt: 1. Serie: Die Röhricht-Verlandung: Magno- Parvo- > — 5 > 4 caricetum carıcetum Potametum -> Röhrichtt — — Moorwald — Mesophytenwald. Alpenwärts erfährt diese Serie erhebliche Veränderungen, nament- lich Kürzungen. Nymphaea des ersten Stadiums steigt nicht weit hinauf, hingegen Potamogeton, wird aber oft durch Sparganium er- setzt. Das Röhricht fällt oft schon unter 1000 m aus, tritt aber ver- einzelt noch über 1500 m auf. Das Magnocaricetum hat im Mittel- land in Carex elata (strieta) seinen Hauptvertreter, in den Alpen in Carex inflata. Auch das Parvocaricetum erfährt bergwärts tief- greifende floristische Veränderungen. Der Moorwald, der im Mittel- land besonders durch Birke und Erle vertreten ist, hat in höheren Lagen eine schwächliche Ausbildung oder fällt ganz weg, indem der Mesophytenwald sofort im Parvocaricetum Wurzel fasst, im Mittelland der Laubwald, in der subalpinen Stufe der Fichtenwald. 2. Serie. In der obersten subalpinen Stufe und einige hundert Meter über die Waldgrenze hinaus vollzieht sich die Verlandung in derart veränderter Form, dass sie nicht mehr als Variante der vorigen Serie aufgefasst werden kann. Es ist die alpine Verlandung: Eriophoretum Parvo- I : —- Klimax. Scheuchzeri cariceium. _— Nardetum K Dabei kann Klimax als klimatisch bedingtes Endstadium einen Wald Jahrg. >, ERNST FURRER. Begriff und System der Pflanzensukzession. 149 oder einen Rasen (z. B. Curvuletum) bedeuten, je nachdem sich die Serie unterhalb oder oberhalb der Waldgrenze abwickelt'). Die Hochmoorserien sind in der Regel eine Abzweigung der Flachmoorserie und haben das allgemeine Schema: Flachmoor — Übergangsmoor — Hochmoor. Einzelne Serien sind bereits von berufenen Forschern beobachtet und beschrieben worden. Hierher ist auch die Waldvermoorung zu rechnen. Sie kann zwar als Endschwankung von Waldserien aufgefasst werden, da die aus Wäldern hervorgegangenen Moore wieder im Wald aufgehen. Da diese Schwankungen jedoch über das gewöhnliche Mass der End- schwankungen hinausgehen, sind sie als besondere Serien hier unter- zubringen. VII. Gruppe der Dünenserien, In Binnenländern gelangen Dünen längs Seen, auf Schotterebenen und in Wüsten zur Ausbildung. Von den Stranddünen unterscheiden sie sich durch den Mangel an Salzgehalt und daher in der Serie durch den Ausfall eines Anfangsstadiums von halophilen Gewächsen. Im übrigen steht die Vegetation hier wie dort unter der heftigen Wirkung des Windes und hergewehten, sich anhäufenden Sandes, was der Serie ihren besonderen Charakter gibt. In der Schweiz sind freilich die Dünenserien so dürftig und so wenig bezeichnend ausgebildet, dass sich die Aufstellung einer be- sonderen Dünengruppe nicht rechtfertigt. Da sie im Waldgebiet liegen, lassen sie sich ebensowohl in die Waldserien einreihen. In Anlehnung an die Dünenvorkommnisse anderer Länder ist es jedoch von Interesse festzustellen, was von den Erscheinungen der Dünen- serien noch in unserem Lande zu finden ist. #. Kritische Betrachtung des Systems der Sukzession. Welches Gewicht den einzelnen Gesichtspunkten bei der Auf- stellung eines Systems gegeben werden muss, ist eine Frage, deren Beantwortung bei allen Bemühungen um objektive Beurteilung doch viel Subjektives an sich hat. Dieser Umstand hat zusammen mit der noch lückenhaften Kenntnis der Sukzessionserscheinungen dazu ge- ührt, dass die seit einem Vierteljahrhundert aufgestellten Systeme un ') In einiger Abweichung von Lüpı und anderen Pflanzengeographen unter- scheide ich nicht zwischen Klimax- und Endstadium, sondern fasse beide zu- sammen. Das Endstadium ist für mich gleichzeitig das Klimaxstadium, der „Höhe- punkt“ der Serie, über den hinaus eine progressive Entwicklung nicht schreiten kann. Entweder folgt darauf der Abbau, oder es treten End- (Klimax-) Schwankungen oder Teilserien in Erscheinung. 150 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 grundverschieden gegliedert sind. Häufig wird einem bestimmten Ge- sichtspunkt zu viel Bedeutung eingeräumt, und ihm gegenüber treten Gesichtspunkte zurück, die in den Augen anderer Forscher in erster Linie massgebend sind. Ich will versuchen die Wege zu zeichnen, die ich bei der System- bildung beschritten habe, und die richtungsbestimmenden Gedanken hervorzuheben. Jedes System hat den Mangel, dass Nahestehendes und durch mancherlei Beziehungen Verbundenes auseinandergerissen und in ent- fernten Winkeln untergebracht wird. Dieser Mangel lässt sich nie völlig beseitigen; denn es lassen sich niemals eine grössere Menge Tatsachen und Ideen nach dem Grad ihrer Verwandschaftsbeziehungen gleichzeitig annähern. Bei der Systembildung soll indes dieser Mangel grundsätzlich bekämpft werden. Spätere Forschungen auf dem Gebiet der Sukzessionslehre werden ergeben, in wie weit mir dies hier ge- lungen ist. Wer schon diese und jene Sukzessionszusammenhänge be- obachtet hat, findet vielleicht über verschiedene Abteilungen des Systems verstreut, was er gerne beisammen hätte, oder sieht Er- scheinungen unter einen Hut gebracht, in denen er nur wenig Wesens- verwandschaft zu erkennen vermag. Eine gerechte Prüfung aller Suk- zessionserscheinungen und eine möglichst allseitige Abwägung ihrer wissenschaftlichen Bewertung dürfte jedoch zur Einsicht führen, dass das hier entwickelte System im grossen Ganzen nach den heute leitenden Gesichtspunkten orientiert ist, und es sollte nicht schwer halten, ohne wesentliche Umgestaltung des Systems neue Sukzessions- beobachtungen einzureihen. Zunächst schränke ich die Sukzessionen zeitlich auf die geologische Gegenwart ein. Vegetationswandlungen früherer geologischer Zeitalter sind Gegenstand der Paläontologie und sollen hier nicht in das System einbezogen werden. Die von Cowıes aufgestellten erdgeschichtlichen Sukzessionen fallen daher nicht mehr in den Rahmen dieses Systems 2: Nach Ausschaltung dieser erdgeschichtlichen Sukzessionen Ver“ bleiben noch jene, deren Stadien alle in lebendem Zustand der ‘) Ich habe in einer mit Braun verfassten Schrift (Remarques sur l’stude des groupements de plantes. Montpellier 1913) für diese erdgeschichtlichen Sukzessionen, die CowLEs als regionale bezeichnete, den Ausdruck der phylogenetischen Suk- zession vorgeschlagen, weil sie den Wechsel der Vegetation in seiner Abhängigkeit von der Phylogenie der Arten wiedergibt. Die Vegetation, als Individuum betrachtet, erscheint dann im Verlauf “ erdgeschichtlichen Sukzession selbst als phylogene“ tische Entwieklung. Heute möchte ich an diesem Namen nicht mehr festhalten, da er leicht unrichtige sen weckt. Einfacher und verständlicher ist der Aus druck „erdgeschichtlich*. Jahrg. 67. ERNST FURRER. Begriff und System der Pflanzensukzession. 151 direkten Beobachtung zugänglich sind. Sie sind daher nicht so un- sicherer hypothetischer Natur, häufig sogar eigentliche Beobachtungs- tatsachen, sofern wenigstens die Umwandlung der Stadien ineinander durch direkte Beobachtung feststellbar ist. Für die Gliederung dieser Sukzessionen sind natürlich die Haupt- serien am geeignetsten, da sie einen möglichst vollständigen Verlauf aufweisen, nämlich mit einem offenen Anfangsverein auf Neuland be- ginnen, meist mehrere Übergangsvereine durchlaufen und mit einem klimatisch bedingten Schlussverein abschliessen. Von ihnen lassen sich die meist weniger bezeichnenden vier Varianten und die ge- kürzten Teilserien ohne weiteres ableiten. Weil ich alle durch kulturellen Einfluss hervorgerufenen Sukzessionen zu blossen Vari- anten, nämlich Kulturvarianten erniedrigt habe, so ist damit die Einteilung in primäre und sekundäre Sukzessionen im Sinne von ÜLEMENTS und Lüpı abgelehnt. Danach bedeuten primäre Sukzessio- nen die ohne Einfluss des Menschen sich vollziehenden Sukzessionen, sekundäre die durch die Mittel seiner Kultur hervorgerufenen. GAmS hat innerhalb gewisser Grenzen recht, wenn er (S. 412) darauf hin- zuweisen versucht, dass eine durch kulturellen Eingriff hervorgerufene Sukzession sich im gleichen Geleise bewegt wie die natürliche Suk- zession. „Eine durch den Menschen bewirkte Trockenlegung eines Gewässers wirkt genau so wie eine solche durch Erdkrustenbewegung und Verlandung. Eine künstliche Wegböschung oder ein Bahndamm ist für die Vegetation ebenso gut Neuland wie ein durch Spaltenfrost oder andere physiographische Kräfte verursachter Erdrutsch.* Nun weichen die sekundären (Kultur-) Sukzessionen von den primären (natürlichen) allerdings bisweilen erheblich ab. Man denke nur an den Einfluss der Sense, der ausserhalb des menschlichen Kulturbe- reichs nichts Entsprechendes hat. In den meisten Fällen bewirkt der Eingriff des Menschen in den natürlichen Werdegang Stillstände, Hemmungen und Ablenkungen. Bei tieferen Eingriffen sind diese mit vorausgehenden plötzlichen Rückschlägen verbunden, die für die Be- griffs- und Systembildung in der Sukzessionslehre belanglos sind. Wesentlich ist, dass der Mensch, so gewalttätig seine Hand in das Geschehen - der Natur eingreifen will, die Natur nie zur Unnatur ent- stellt. Immer sind die Triebkräfte der natürlichen Sukzession tätig und streben eine Wiederherstellung der Vegetation an, die von Natur aus das Anrecht auf den Boden hat. Die sekundären Sukzessionen ‚sind daher gewissermassen Spezialfälle der primären, was 1906 schon SHANTZ herausgefühlt hat. In einer pflanzengeographischen Studie vom Pikes Peak, worin er den Sukzessionen CLEMENTS’ System zugrunde 152 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 legte, bekannte er, dass die „sekundären Sukzessionen in einem ge- wissen Sinne primär“ seien. (Bot. Gaz., Bd. 22. 1906). Einzig vom besonderen wirtschaftlichen, niemals vom allgemeinen wissenschaft- lichen Standpunkt aus lässt es sich rechtfertigen, wenn die Sukzessio- nen in primäre und sekundäre geschieden werden. Damit ist auch dem Unterschied von progressiver und re- gressiver (retrogressiver) Sukzession eine andere Form gegeben, als erin der Literatur durch amerikanische und nordische Botaniker ge- wöhnlich bekommt. Progression ist nach diesen das Bestreben der Vege- tation, sich in der Richtung nach dem Endstadium hin zu entwickeln; Regression ist die umgekehrte Entwicklungsrichtung, also vom natür- lichen Endstadium weg. Ein Blick auf meine Hauptserien, ihre Vari- anten und Teilserien lässt erkennen, dass diesen allen progressiver Charakter zukommt, denn Stillstände, Hemmungen und Ablenkungen, wie sie die Kulturvarianten aufweisen, können nicht als rückläufige Bewegungen bezeichnet werden, und die Rückschläge bei der Eröff- nung von Teilserien und tiefer greifenden Kulturvarianten können keineswegs als Sukzession betrachtet werden. Diese erfolgen ur- plötzlich von heute auf morgen, oder gar von einer Minute zur andern, und wiederholen sich auf lange Zeit oder überhaupt nicht mehr, laufen also dem im Wort „Sukzession“ steckenden Sinn des Allmählich-Schrittweisen zuwider. Wenn wir einen Wald reuten, draufhin stocken und ackern und nachher Kartoffeln stecken oder Gemüsesetzlinge pflanzen, so haben wir eine regressive Sukzession verübt, die von sehr zweifelhaftem wissenschaftlichem Wert ist. Behalten wir durch alljährliche Be- bauung des Ackerlandes den Charakter der Kulturvegetation bei, so vollzieht sich keine Sukzession, wenn wir von kryptogamen Kleinsuk- zessionen absehen wollen, die sich zwischenhinein auf Stallmist, in Kuhfladenteichlein und anderswo in Menge abspielen. Es liegt dem- nach weder Progression noch Regression vor. Das gleiche wäre der Fall, hätten wir die Waldblösse durch Saat in Wiese umgewandelt. Und wenn wir die Wiese düngen, die ursprüngliche floristische Zu- sammensetzung der Wiese also etwas verändern und den Boden ver- bessern, so kann wiederum nicht von Regression, aber ‘auch kaum von Progression die Rede sein; es handelt sich lediglich um eine mit Ablenkung verbundene Hemmung der natürlichen Progression. Über- lassen wir aber das Kulturland sich selbst, bis der Wald eingezogen ist, so erfolgt eine bemerkenswerte Sukzession progressiver Art, die ich als Regenerationsphase auffasse und der Kulturvariante derjenigen Waldserie zuzähle, die sich normalerweise, ohne Eingriff des Menschen, Jahrg. 67. Ernst FURRER.. Begriff und System der Pflanzensukzession. 153 auf Neuland in dem Gebiet abspielt. Ich kann mich daher mit der Gegenüberstellung von Progression und Regression nicht befreunden, da die natürlichen Triebkräfte der Sukzession alle progressive Ten- denzen bekunden und die Regression überhaupt keine Sukzession ist. Es ergibt sich sonach, dass die Hauptserien in erster Linie zur Einheit im System der Sukzession berufen sind, während die viererlei Varianten und Teilserien als abgeleitete Sukzessionen diesen unter- geordnet werden. Wie sind nun aber die Hauptserien gegenseitig abzugrenzen? Die Antwort geht aus der Begriffsbestimmung der Serie hervor und geht dahin, dass Charakter und Zahl der Stadien, beson- ders der Anfangs- und Endstadien, zur Unterscheidung heranzuziehen sind. Wie sich die praktische Durchführung gestaltet, geht aus der Gliederung des vorstehend entwickelten Systems hervor. Allzu starke Betonung eines einzigen Gesichtspunktes führt zu Einseitigkeit. Nur eine allseitige Rücksichtnahme auf möglichst viele Gesichtspunkte kann ein befriedigendes System ergeben. Ich fände es unbillig, wollte ich an dieser Stelle nicht der Quellen gedenken, aus denen ich bei meinen ersten Vegetationsstudien ge- schöpft habe: der Werke Cowıes’ aus den Jahren 1899 und 1901. So reich die altweltliche Literatur an einzelnen Sukzessionsbeobach- tungen ist, so wäre es mir doch nie gelungen, die entwicklungs- geschichtliche Betrachtung der Vegetation grundsätzlich in einer Gebietsmonographie (1914) durchzuführen, wenn mir Cowırs dazu nicht Anregung und Mut gegeben hätte. Seine Richtlinien, die ich als Motto an den Kopf meiner Arbeit gesetzt habe, machte ich zu den meinigen. In welchem Umfang mein System in den Grundsätzen des grosszügigen Amerikaners wurzelt, geht am besten aus der bei- gegebenen Gegenüberstellung hervor. Ich füge auch das von Lüpı 1919 ausgearbeitete System bei, da es ja im grossen Ganzen von den gleichen Gedanken getragen ist. Hingegen lässt sich das System von Gaus (1918) nicht in die gleiche Übersicht einordnen, da es auf andern Grundsätzen aufgebaut ist. Es hat denn auch vor Lünı (1919, S. 55) wenig Gnade gefunden, obwohl nicht zu bestreiten ist, dass es gedanklich hübsch durch- gebildet ist und durch seine Eigenartigkeit, wenigstens vom theore- tischen Standpunkt aus, alle Beachtung verdient. Wie weit es die Kraftprobe der praktischen Verwendbarkeit erträgt, bleibt abzuwarten. Was Gans auf neue Wege geleitet hat, ist das Bestreben, die un- scheinbaren Sukzessionen, wie sie sich unter Kryptogamen abwickeln, An System nicht in den Hintergrund treten zu lassen gegenüber den siphonogamen Sukzessionen, die eigentlich allein physiognomisch von Cowues 1901 B. Coastal Bean... ..; A. Inland Group 2: River Series .. ... 2. Pond - swamp - prairie-Series..... - 3. Upland Series . FURRER 1914 D. Küstenserien . .. ..; B. Quer zu den er verlaufende Serien (Wasserläufe und La- winenzüge) GC. Lokale Serien . ... . (Sümpfe und Seen) A. Regionale Serien ... - 1. In der alpinen Region... 2. Im Strauchgürtel. . . . 3. Im Waldgürtel ..... * Region im Sinn von Höhen- stufe. FURRER 1922 A, u.1. Einerserien C. Edaphophile Serien 7. Dünenserien 5. Auenserien .: -... 6. Verlandungsserien . . B. Klimatophile Serien . 2. Rasenserien 3. Gebüschserien 4. Waldserien Lüpı 1919 u. 1921 A. Primäre Sukzession I. Im Wasser ihren Ursprung nehmende Reihen a) In fliessendem Wasser b) In stehendem Wasser II. Auf trockenem Boden ih- ren Ursprung nehmende Reihen a) Vom steilen Fels aus- ehend b) Vom flachen Fels aus- gehend c) Vom ruhenden Schutt ausgehen Vom bewegl. Schutt ausgehend (Geröllhal- den, Flussgeschiebe, Wallmoränen) B. Sekundäre Sukzessionen -yoLımz ur Ipeyospjosen "Janen op IpLIyossıyefjalloTA FE Sch Jahrg. 67. ERNST FuURRER. Begrifi und System der Pflanzensukzession. 155 Bedeutung sind. Doch lassen sich, wie FrEY!) in einem bemerkens- werten Versuch dargetan hat, die kryptogamen Sukzessionen auch auf dem hier beschrittenen Wege systematisch verwerten. Schliesslich bleibt noch die Frage zu erörtern, ob im System der Sukzession die Vegetationsbeschreibung eines Gebietes untergebracht werden kann. Ich kann dies nicht bejahen. Das System der Suk- zession ist nur zur Aufnahme von Sukzessionsbeobachtungen fähig. Beschreibungen von Pflanzenvereinen gehören nur beiläufig hinein. Ich kann weder Lüpı zustimmen, der in seiner verdienstvollen bota- nischen Bearbeitung des Lauterbrunnentales die Beschreibung der Pflanzenvereine grundsätzlich in Sukzessionsbeschreibungen unterbringt, noch kann ich das Vorgehen von Braun billigen, der den genetischen Wert der Arten einzig durch Zeichen in Bestandeslisten ausdrücken will, obwohl beide Bestrebungen von viel Geschick getragen sind und insofern Anerkennung verdienen, als sie die dynamische und die sta- tische Vegetationsforschung zu vereinheitlichen und ineinander zu verschmelzen trachten. Statische und dynamische Vegetationsbetrach- tung sind aber einander gleichwertig, und keine soll und darf der an- dern untergeordnet werden, so lange sich uns nicht Wege auftun, die uns ermöglichen, die Gesichtspunkte des Seins und Werdens unter einem höheren, umfassenderen Gesichtspunkt schadlos zu vereinen. Literatur. ch nenne hier nur einige, mit der vorliegenden Studie in engerem Zusammen- hang stehende Arbeiten, die alle reichlich auf Spezialliteratur verweisen. Braun- -BLANQUET, Josıas, Prinzipien einer bi re der ru auf oristischer Grundlage. Jahrb. st. gall. Naturf. Ges. Bd. 1921. ÜLEMENTS, Fren. E., Plant Suecession. abtrigtae 1916. CowWLEs, HENRY C., The ecological en of the vegetation of the sand dunes of Lake Michigan. Bot. Gaz. Bd. 1899. = = The ecology of Chicago and A study of the origin, development and classification of plant succession. Daselbst. Bd. 31. The causes of vegetative cyeles. Daselbst. Bd. 51. 1911. FORmen, ERNST, — im en Vierteljahrsschrift der Naturf. es. in Zürich. Bd. 1914. (Diss. Zürich. Gans, HELMUT, ng re ne Daselbst. Band 63. 1918. (Diss. Zürich.) ') Frey, Envarp, Die Vegetationsverhaltnisse der Grimselgegend im Gebiet der zukünftigen Stauseen. Jahrb. d. philos. Fakultät II d. Univ. Bern. Bd. 1. 1921. (Auszug der später erscheinenden Diss.) 156 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Lüp1, WERNER, Die Sukzession der Pflanzenvereine. Mitteil. d. Naturf. Ges. in Bern dem Jahr 1919. Bern 1920. (Diss. Bern.) — — Die Pflanzenges. des Lauterbrunnentales und ihre Sukzession. Beitr. z. geobot. Landesaufnahme 9. Zürich 1921. SIEGRIST, RUDOLF, Die Auenwälder der Aare. Mitteil. d. Aarg. Naturf. Ges. 13. 1913. (Diss. Zürich.) WARMING, EUGEN, Lehrbuch der ökol. Pflanzengeographie. Berlin 1902. Über Leucochloridium. Von Karı HEscHELe£r. (Als Manuskript eingegangen am 22, April 1922.) Zu den merkwürdigsten Parasiten unter den Saugwürmern gehört die Gattung Leucochloridium, die durch die Art L. paradoxzum C.G. Carus genauer bekannt ist. Als geschlechtsreife Form, Urogonimus macrostomus Montic. (Rud.) (Distomum macrostomum Rud.) lebt dieser Trematode im Enddarme von Singvögeln. Die Eier gelangen mit dem Vogelkot ins Freie und werden zufällig von Schnecken gefressen. In der Bernsteinschnecke (Suceinea putris L.) schlüpft aus dem Ei eine Larve (Miraeidium), welche die Magenwand der Schnecke durchbohrt, in der Leibeshöhle und in verschiedenen, dem Darme benachbarten Organen, so auch in der Leber, zu einer Sporocyste wird, die reich verästelt im Körper der Schnecke auswächst. Die interessanteste Erscheinung bilden die kolbigen Endäste des Keimschlauches (der Sporocyste), die in die Schneckenfühler eindringen, diese stark auf- treiben und dann ein auffälliges, grün und teilweise rötliches, in ring- förmigen Streifen gelagertes Pigment zeigen. Dazu kommt eine rasch erfolgende rhythmische Verlängerung und Verkürzung dieses im Schneckenfühler enthaltenen Teiles der Sporocyste. Dadurch an- gelockt, picken die Singvögel die infizierten Schneckenfühler ab. Im - Keimschlauche aber finden sich die Anlagen der jungen Saugwürmer (Cercarien), die so in den Vogeldarm gelangen und sich hier zu den geschlechtsreifen Formen entwickeln. In diesem Entwicklungsgang ist offenbar die Sporoeyste mit ihren pigmentierten Endverzweigungen das auffälligste Stadium, das den Namen Leucochloridium paradoxum erhalten hat. Die Lebensgeschichte dieses Parasiten ist seit längerer Zeit, allerdings zuerst nur lückenhaft, bekannt; eine erste vollstän- digere Beschreibung des Lebenszyklus gab E. ZELLER 1874 (Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 24) an Hand von württembergischem Material; dann bearbeitete in monographischer Darstellung auf Anregung von Leuckart 1889 G. A. Heckert den Parasiten (Biblioth. zoolog. I. Bd.) auf Grund von Funden aus der Umgebung von Leipzig. Leucochloridium scheint wei 158 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 eine ziemlich weite, doch sehr sporadische Verbreitung zu haben. In neuester Zeit, 1920, wurde es auch aus Fairport, Iowa, U.S.A., von Tu. B. MAGATH als Leucochloridium problematicum n. sp. beschrieben (Journ. of parasit. Vol. VI); hier werden auch noch andere nordame- rikanische Funde signalisiert. Immerhin gehört es zu den seltenen tierischen Erscheinungen, die nicht jedem Zoologen lebend zu Gesichte kommen. Am 19. Juni 1919 machte Herr ALpHonsE THOMMEN in Mötiers- Travers (Kt. Neuchätel) das Zoologische Institut der Universität Zü- rich auf Schnecken aufmerksam, die im Garten seiner Villa in Mö- tiers leben und dadurch merkwürdig erscheinen, dass in ihren Fühlern raupenartige Lebewesen sich finden. Die Beobachtung von Herrn Thommen war durchaus zutreffend, denn schon die alten Beobachter heben die Ähnlichkeit der Leucochloridien mit Insektenlarven hervor, und diese Ähnlichkeit ist es ja auch, welche die Vögel veranlasst, die Fühler abzupicken. Der Verfasser dieser Zeilen vermutete, dass es sich um Bernsteinschnecken handle, die mit Leucochloridien in- fiziert seien. Das übersandte lebende Material bestätigte die Richtig- keit der Vermutung. Die Objekte erregten im Zoologischen Institut grosses Interesse; niemand hatte hier bis dahin lebende Leucochlo- ridien gesehen. Die lebhaften Pulsationen der auffällig gefärbten Fühler machen in der Tat einen starken Eindruck. Es wurde ver- sucht, eine Anzahl Individuen, die Herr Thommen in freundlicher Weise zur Verfügung stellte, im Garten des Institutes anzusiedeln. Die Fundstelle in Mötiers dürfte wohl die erste von Leucochloridium- in der Schweiz bekannt gewordene sein. Im Frühjahr 1920 begann dann Herr H. MönnıG aus Ceres (Südafrika), der sich speziell für Parasitologie interessierte, eine Untersuchung, da trotz der einge- henden Beschreibung von Heckert noch verschiedene Fragen offen geblieben waren und seit jener Publikation die Kenntnis der Trema- toden im ganzen doch wesentliche Fortschritte gemacht hat. Bei dieser im Zoologischen Institut in Zürich durchgeführten Untersuchung wurde Herr Mönnig durch Herrn Prof. Dr. O. FuHrMmaAnN in Neuchätel,; den erfahrenen Plathelminthenkenner, in wertvoller Weise unterstützt: Es ist besonders eine Reihe physiologisch-ökologischer Probleme, die an den Entwicklungsgang von Leueochloridium sich knüpft, noch der Abklärung bedürftig, aber auch die feinere Anatomie und Histo- logie des Parasiten lässt noch manches offen. Herr Mönnig wandte sich in erster Linie den letztgenannten Fragen zu, und so liegt jetzt als Resultat seiner Untersuchung eine Abhandlung vor: „ÜberLeucochloridium macrostomum (Leucochloridium Jahrg. 67. KARL HESCHELER. Über Leucochloridium. 159 paradoxum Carus). Ein Beitrag zur Histologie der Trematoden. Von Dr. HERMAnn OÖ. Mönnıc.“ Jena, Gustav Fischer, 1922. Als gültiger Name wird nach dem Vorschlage von F. Po6HE (1907, Zool. Anz. Bd. 31) anerkannt: Leucochloridium macrostomum. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Untersuchung sind folgende: Die Sporocyste, welche im Schneckenkörper wuchert und Schläuche vor allem in die Leber und dann in den Vorderkörper hineintreibt, von denen diejenigen, welche in die Schneckenfühler eindringen, die auf- fällige Pigmentierung annehmen, war bis dahin als ein Schlauch- oder Fadenwerk ohne weitere funktionelle Differenzierung beschrieben worden, abgesehen davon, dass die grossen, pigmentierten Schläuche als blosse Brutreservoire bekannt waren. Es lässt sich nach den Be- obachtungen von Mönnig an der Sporocyste ein Zentralkörper von den von ihm abgehenden Schläuchen unterscheiden. Der Zentralkörper stellt allein die Keimstätte der Cercarienbrut dar und sorgt für die Ernährung der ganzen Sporocyste mit ihrem Inhalt. Die Schläuche dagegen dienen lediglich der Verbreitung der Brut (der Cercarien), dieim Vogeldarme zu geschlechtsreifen Distomeen wird. Schon Heckert hatte beobachtet, dass neben den grün pigmentierten Schläuchen auch solche mit braunem Pigment vorkommen, die sich auch auf ein und derselben Schnecke nebeneinander zeigen ‘können, aber nicht der gleichen Sporocyste angehören. Beiderlei Schläuche sind durch dünne, hohle Stiele, die einen Schliessmechanismus besitzen, mit dem Zentral- körper verbunden. Gegenüber abweichenden’ neueren Angaben werden hierin in der Hauptsache die Beobachtungen von Heckert bestätigt. Infolge Anwendung der modernen mikrotechnischen Methoden ge- lingt es Mönnig, einen genauern Einblick in den histologischen Aufbau der Sporocyste zu gewinnen. Die Resultate werden mit den Ergeb- nissen der neuern Forschungen an andern Trematoden verglichen. Die Wandung der Sporocyste zeigt von aussen nach innen folgende Lagen: Cuticula, Subeuticula, Muskelschlauch und eine innerste Zellage (gewöhnlich „Keimepithel“ genannt), in der unter anderem Myoblasten und Parenchymzellen liegen und die gegen den Hohlraum der Sporo- eyste durch eine kernhaltige Innenmembran abgeschlossen wird. Die Frage der Herkunft der Cuticula — ein für die Trematoden und Cestoden altes und viel umstrittenes Problem, über dessen Ent- wicklung eine gedrängte historische Uebersicht gegeben wird — kann auf Grund der Beobachtungen an jungen Schlauchanlagen nur soweit beleuchtet werden, als die Befunde zu Gunsten der Ansicht Sprechen, dass die Cuticula ein Produkt von Parenchymzellen der Subeutieularschicht sei. 160 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Der Muskelschlauch setzt sich aus einer äusseren Ring- und inneren Längsfaserschicht zusammen. Die Fasern sind das Produkt von Myoblasten, welche bei Leucochloridium ein Syneytium in Form eines Netzwerkes bilden. Die Hauptmasse des letztern liegt inner- halb der Längsfaserbündel. Alle Myoblasten sind so aufs engste mit- einander verbunden und eine Faser erscheint nicht ausschliesslich an einen Myoblasten gebunden. Dieser ungewöhnliche Zustand hängt möglicherweise mit der Pulsationsfähigkeit der Schläuche zusammen. Auffälligerweise ist kein besonderes Myoblastensystem für die Ring- und kein besonderes für die Längsfasern vorhanden. Die Muskelfasern sind spiralig gestreift und scheinen eine relativ beträchtliche Länge zu haben. Das bei den Platoden so charakteristische Parenchym fehlt auch in der Wandung des Sporocystenschlauches nicht und schliesst zwischen seinen Verästelungen zahlreiche interzelluläre Lücken ein, die mit Flüssigkeit erfüllt sind. Die Kontraktionen der Schläuche, die bei den jungen peristaltisch, bei den ausgewachsenen rhythmisch sind, treten nur im distalen Schlauchabschnitt auf, so dass die In- haltsmasse gegen die Ursprungsstelle des Schlauches gedrückt wird. Da die Beobachtung zeigt, dass bei der Kontraktion durch die Ring- muskulatur eine wesentliche Verlängerung des Schlauches nicht statt- hat, müssen offenbar die Elemente der Wandung dicht aneinander gepresst werden; dann ist aber zweckmässig, dass zwischen diesen Elementen eine Flüssigkeit sich findet, die ausweichen kann. Die innere, kernhaltige Membran der Schlauchwandung besteht aus grossen, platten Zellen. Ist derart das Bild im proximalen Teile des Schlauches, so er- scheint es im distalen verändert, weil hier die Wandung bedeutend dicker wird und nun in derselben starke Pigmentansammlungen sich finden, welche die anderen histologischen Elemente zum Teil verdecken. Das Pigment ist in Form von freien Körnchen zwischen den Ring- muskelfasern gelagert; es ist das Ausscheidungsprodukt besonderer Pigmentzellen. Da, wo äusserlich Pigmenthöcker am Schlauche er- scheinen, sind diese Pigmentzellen in der Schlauchwandung stark gehäuft und wölben diese nicht nur gegen äussen, sondern auch gegen das Lumen des Schlauches buckelartig vor. Gelegentlich hängen, wenn starker Druck herrscht, solche pigmentierte Wandungspartien geradezu bruchsackartig in das Lumen hinein. Der am Stiel der Schläuche vorhandene, schon von Heckert beschriebene Schliessmechanismus verhindert das Zurücktreten der Cercarienbrut in den Zentralkörper der Sporocyste. Das ist von besonderer Wichtigkeit, wenn ein Vogel den Schlauch abreisst, da Jahrg. 67. KARL HESCHELER. Über Leucochloridium. 161 sonst nur wenige Cercarien in den Vogeldarm gelangen würden. Die Schliesseinrichtung wird durch Zottenbildung des Parenchyms der Wand hervorgerufen. Diese einspringenden Zotten stehen beim Ver- schlusse des Lumens unter beträchtlichem Drucke. Mönnig fand so wenig wie seine Vorgänger in der Sporocyste von Leucochloridium ein Nervensystem, trotzdem die modernen Mittel zu dessen Nachweis angewendet wurden. Sollte das Nervensystem wirk- lich fehlen, so hätte man in diesem Falle die interessante Tatsache zu konstatieren, dass an den Schläuchen eine sehr lebhafte Muskel- tätigkeit stattfindet, die sich in den Pulsationen äussert, ohne dass. eine Regulation durch nervöse Elemente gegeben wäre. Auch ein Exkretionssystem war in der Sporocyste nicht nach- weisbar, wogegen es in den Cercarien wohl entwickelt ist und wahr- scheinlich auch der Miracidiumlarve zukommt. Auch hierin decken sich die Beobachtungen an der Sporocyste mit den früheren. Da aber sonst die Distomeensporocysten das Wassergefässystem besitzen, ist vielleicht bei Leucochloridium dessen Nachweis nur mit besonderen, bis jetzt nicht überwundenen Schwierigkeiten verbunden. Gegenüber den schlauchartigen Teilen der Sporocyste stellt der Zentralkörper diejenige Partie dar, die direkt aus der Miracidiumlarve hervorgegangen ist und an der die Schläuche als Auswüchse erster bis dritter Ordnung entstehen. Wenn sehr viele Schläuche angelegt sind, nimmt dieser Zentralkörper, der anfangs elliptisch war, eine sehr unregelmässige Form an, entsprechend der unregelmässigen Verteilung der Schlauchanlagen und zufolge des Umstandes, dass bei jeder Schlauch- bildung zunächst ein Auswuchs der Wandung des Zentralkörpers sich bildet. Von den Beobachtungen über die Schlauchentwicklung interes- sieren besonders die über die Bildung des Pigments, welches, was schon die früheren Untersucher feststellten, erst in den Schläuchen entsteht, die in die Schneckenfühler eingetreten sind. Dennoch sind die Pigmentzellen viel früher, wenn die jungen Schläuche noch in der Leibeshöhle der Schnecke liegen, zu erkennen. Mönnig stellte eine Reihe von Versuchen an, die zeigen, dass das Pigment nur unter dem Einflusse des Lichtes sich bildet. Ein Teil der Wandungszellen des Zentralkörpers und ebenso der proximalen Partien der Schlauchanlagen dienen der Ernährung der Cercarienbrut, die sich im Lumen der Sporocyste (Zentralkörper und Schläuche) findet. Sie liefern eine örnige Masse, die durch Bersten der Wandung in das Lumen der Sporocyste gelangt. Auch über die Cercarien bringt die Untersuchung von Mönnig vieles Neue. Jeder ausgewachsene Schlauch enthält etwa 150200 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 67. 1922. 11 162 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Cercarien. Die Hülle, von der die Cercarie umgeben ist, entsteht durch einen Häutungsprozess und ist eine Cuticularbildung. An den Saugnäpfen und beim Exkretionsporus zeigt diese Hülle trichter- förmige Einstülpungen, an der Mundöffnung und am Exkretionsporus ist sie durchbrochen. Sie wird durch feine Fädchen mit der Körper- euticula der Cercarie verbunden. Die Topographie des Exkretions- systems wird zum ersten Male ausreichend genau beschrieben. Es sind 12 Gruppen von je 3 Wimperflammenzellen in regelmässiger bilateral-symmetrischer Anordnung zu konstatieren. Das Studium der Entwicklung der Cerearien führt auf die Frage der Entstehung und Deutung der Zellen, welche die erste Anlage der Cercarien bilden, eine Frage, die in das Gebiet der Fortpflanzungs- erscheinungen im Tierreich im allgemeinen hinübergreift. Der Autor pflichtet der jetzt im Vordergrunde stehenden Ansicht bei, wonach es sich um parthenogenetisch sich entwickelnde Eier handelt und der Wechsel der Generationen bei den Trematoden als Heterogonie anzusehen ist. Neue strikte Beweise vermag er zwar aus seinen Be- obachtungen nicht zu erbringen, dennoch sprechen alle Feststellungen zugunsten der erwähnten Ansicht. Die Keimzellen lokalisieren sich zu Ovarien, sie werden von der „Innenmembran“ (siehe oben) der Sporo- cystenwandung gebildet. Mit Korschelt sieht Mönnig die Sporocyste als stark reduziertes Weibchen an; der Hohlraum der Sporocyste ist ein Gonocoel, die „Innenmembran“ ein Keimepithel, das in den Schläuchen steril wird. Hat so die mit modernen technischen Methoden durchgeführte, neue Untersuchung von Leucochloridium die anatomisch-histologischen Verhältnisse des Parasiten in Zusammenhang mit den Ergebnissen der neueren Trematodenanatomie gebracht, so bleibt nun an physiologisch- ökologischen Beobachtungen an diesem Objekt noch reichlich zu tun übrig. Einiges kann Mönnig unter teilweiser Bestätigung älterer An- gaben feststellen, so Beobachtungen über die Regeneration der Schläuche nach ihrer Entfernung. Das Tempo der Neubildung hängt wesentlich von äusseren Umständen, wie Jahreszeit, Temperatur, Futter der Schnecken etc. ab. Dass die Sporocysten in der Schnecke überwintern, war bekannt; die Präparate zeigen, dass dabei an der Sporoeyste keine Veränderungen vor sich gehen. Die Auftreibung der infizierten Schneckenfühler wird nicht etwa durch eine Hypertrophie der Schneckengewebe, sondern nur dure Dehnung der Fühlerwand verursacht. Die Pulsationsfrequenz der Schläuche in den Fühlern wird vom Lichte beeinflusst; im Dunkel hört die Pulsation rasch auf. Im Jahrg. 67. KARL HESCHELER. Über Leucochloridium. 163 diffusen Tageslicht des Laboratoriums wurde eine Frequenz von 72 Pul- sationen pro Minute beobachtet, im grellen Sonnenlichte eine solche von 120. Es scheinen auch die Schläuche ein und derselben Sporo- cyste in dem Pulsationsrhythmus weitgehend von einander unabhängig zu sein. Für genaue Feststellungen ist jedenfalls die Frage des Fehlens eines Nervensystems (siehe oben) von Wichtigkeit. Wie das in so überraschender Weise an eine spezielle Form des Parasitismus angepasste Leucochloridium sich aus anderen Trematoden mit bekanntem und als typisch angesehenem Entwicklungsgang heraus- differenziert haben könnte, versucht L. v. GrRarr (in „DasSchmarotzertum im Tierreich‘, Leipzig 1907) zu zeigen. Es sei hier die betreffende Stelle noch angefügt: „Auch die Abweichung des Urogonimus macrostomus vom typischen Entwicklungsgange ist auf ähnliche Weise zu erklären. Ursprünglich auf dem normalen Wege in einen Wasservogel als Endwirt gelangt, hat dieser Saugwurm eine Verkürzung seiner Entwicklung erfahren, zu welcher wahrscheinlich die Änderung der Lebensweise des ersten Zwischenwirtes, der Bernsteinschnecke (Suceinea), den Anstoss gegeben hat. Solange als diese Schnecke, wie die mit ihr nahe verwandten Schlammschnecken (Limnaea) ein Wassertier war, hatte unser Saug- wurm die typische Art der Entwicklung. Als aber die Bernstein- schnecke allmählich ein Bewohner des sumpfigen Waldbodens wurde, fiel für die im Keimschlauch gebildeten Cercarien die Möglichkeit weg, auszuwandern. Der Keimschlauch erreichte, da er nicht durch Auswanderung seiner Brut entlastet wurde, eine bedeutendere Grösse als vorher, er verästelte sich und einzelne seiner Aeste wuchsen bis in die Fühler hinein, die ja gelegentlich von den Singvögeln angepickt wurden, so die Cercarien direkt in den Darm überführend, wo dieselben nach Abwerfen des Schwanzes zu geschlechtsreifen Saugwürmern auswuchsen. Deren —- noch heute mit einer für das’Aufspringen im Wasser bestimmten Deckelnaht versehene — Eier gingen mit dem Vogelkoth ab, der auf Blättern sich ausbreitend, wieder von Bern- Steinschnecken gefressen wurde, in deren Magen jetzt die Miracidien ausschlüpften, um mit der ihnen eigentümlichen Bohrbewegung durch die Magenwand in die Leibeshöhle der Schnecke zu gelangen. Diese neue Lebensweise mit dem Ausfall der beiden aktiven Wanderungen — als Miracidium in den ersten Zwischenwirt, und als Cercarie von da in den zweiten Zwischenwirt — hatte zur Folge, dass allmählich die diesen Wanderungen dienenden Organe, nämlich das Flimmerkleid des Miracidium und der Ruderschwanz der Cercarie, eine Rückbildung erfuhren. Tatsächlich ist ja von ersterem immer noch ein kleiner 164 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. ' 1922 Rest vorhanden, und statt der Cercarien werden heute im Keim- schlauch des Urogonimus macrostomus gleich von Anfang an schwanz- lose junge Saugwürmer gebildet. Indessen war trotz dieser Anpassung an die veränderten äusseren Lebensbedingungen die Erhaltung der Art gefährdet. Wo sehr viele Singvögel vorhanden und deren Konkurrenz um die Nahrung lebhaft waren, mochte die Wahrscheinlichkeit, dass die Fühler der Bernsteinschnecke angepickt werden, ausreichend gross gewesen sein. Wenn aber die Zahl der Vögel aus irgend einem Grunde abnahm oder ein Ueberfluss an anderer Nahrung vorhanden war, sank die Wahrscheinlichkeit der Uebertragung in den Vogeldarm. Da trat helfend zur Seite die Eigentümlichkeit der tierischen Haut, bei stärkerer Belichtung Farbstoff zu bilden. Die in die Fühler einwachsenden Zweige des Keimschlauches erfuhren aber eine solche Belichtung, namentlich dann, wenn sie stark angeschwollen waren und die Haut des Fühlers prall spannten. Solche Keimschläuche, welche die individuelle Anlage Farbstoff ‘zu bilden, besassen, mussten den Vögeln mehr in die Augen fallen als andere und wenn gar unter den mannigfaltigen Arten der Fleckung solche waren, die einer mehr oder weniger deutlichen Querringelung glichen, so waren diese, weil sie an die gegliederten Maden gemahnten, viel anziehender für die Vögel als andere. So wurde die heutige merkwürdige Zeichnung der Keimschlauchenden gezüchtet und so auch die, eine rhythmische Bewegung ermöglichende Muskelausstattung derselben. Und dazu kamen zwei weitere Neuerwerbungen. So die lange Lebensdauer dieser Keimschläuche, welche nach HEcKERT, dem wir die genaue Kenntnis dieser Verhältnisse verdanken, erst mit dem Tode ihres Wirtes zu Grunde gehen sollen. Ferner die merkwürdige Art, wie sich die gefärbten Enden des Keimschlauches zu dem im Schnecken- körper verborgenen Geflechte verhalten. Die Stelle, an welcher beide zusammenhängen, hat die Eigenschaft, sehr leicht zu brechen, und in einem solchen Falle kann man beobachten, dass durch die Bruch- stelle die im Schlauch enthaltene Brut nicht austritt. Es ist nämlich in der Basis des Schlauches eine Ringklappe vorhanden, die wohl der aus dem Geflechte zuwandernden Brut den Eintritt, aber nicht den Austritt ermöglicht. Auf diese Weise füllt sich der Schlauch immer mehr, er schwillt mit Zunahme der reifen Brut an und wenn der Vogel ihn erfasst, so reisst er leicht ab, ohne zu zerplatzen oder an der Durchtrennungsstelle Brut austreten zu lassen. So wird dem Vogel der ganze Inhalt des Schlauches ohne Verlust einverleibt.“ v. ÖRAFF weist sodann noch auf die interessante, schon früher bekannte (durch die neuen hiesigen Beobachtungen bestätigte) Tat- Jahrg. 67. Kırı HESCHELER. Über Leucochloridium. 165 sache hin, dass die infizierten Schnecken sich vorzugsweise auf der Oberfläche der Blätter aufhalten und so viel auffälliger sind als ihre nicht infizierten Genossen, welche in der Nähe des Bodens oder an der Unterseite der Blätter kriechen. Wenn er dann mit Looss an eine Erklärung in dem Sinne denkt, dass die mit Leucochloridium behafteten Schnecken zerstörte oder geschwächte Augennerven in den Fühlern haben und infolgedessen das Licht nicht scheuen, so scheint allerdings diese Erklärung schon deswegen nicht ausreichend, weil nach den Untersuchungen von MönnıG die Schneckengewebe und auch die Augennerven durch den Parasiten nicht beeinträchtigt werden. Es steht also die restlose Abklärung dieser merkwürdigen Erscheinung noch aus. V. GRAFF wendet sich sodann gegen Einwendungen, die der Deutung aller der auffälligen Einrichtungen der Leucochloridieneyste als Anpas- sungserscheinungen gemacht worden sind, so der Deutung der Ähn- lichkeit der pigmentierten Schläuche mit Insektenlarven als Mimicry, ferner gegen den Einwand, es sei nicht dem Leueochloridium die Ab- sicht zuzutrauen, für seine Brut die eigene Existenz opfern zu wollen. Diese Einwendungen enthalten „zwei in Laienkreisen weit verbreitete Irrtümer.“ „Erstens denjenigen, dass die Zoologen insgesamt den Tieren bei der Bildung der Schutzfärbungen und -Gestaltungen eine bewusste Mitwirkung zumuteten. Wenn es auch schwer ist, bei Darstellung solcher Verhältnisse Ausdrücke zu vermeiden, welche dem mensch- lichen Leben entnommen sind, so meint doch in der Tat kein Zoologe, der von „Nachäffung“ oder „Anpassung“ spricht, etwas anderes, als dass morphologische oder physiologische Tatsachen vorliegen, welche mit bestimmten anderen Formzuständen oder Funktionen harmonieren und in bezug auf diese zweckdienlich erscheinen. Wie wir uns diese Harmonien zustandegekommen denken, habe ich Ihnen ja eben gezeigt, indem ich versuchte, die Entstehung der Entwicklungsverhältnisse von Fasciola hepatica und Urogonimus macrostomus aus der typischen Entwicklungsweise der entoparasitischen Saugwürmer zu erklären. Der zweite Irrtum ist der, dass das organische Individuum Selbst- zweck sei. Wenn wir nicht schon seit WEISMANN wüssten, dass das tierische und pflanzliche Individuum nichts anderes ist, als ein Mittel zur Erhaltung seiner Art, so müsste die Betrachtung der Erscheinungen des Schmarotzertums uns darauf führen. Denn kaum eine andere Tatsachengruppe zeigt deutlicher als diese, wie äussere Gestalt und innerer Bau, Entwickelungs- und Lebensweise nur der einen Auf- gabe dienen, die Erhaltung der Art zu sichern. Und für diese Auf- 166 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 fassung des individuellen Lebens erscheint allerdings die Selbstauf- opferung des Leucochloridium zu Gunsten seiner Brut nicht etwa unnatürlich, sondern im Gegenteile als das einzig natürliche, selbst- verständliche!‘ Jakob Früh zum 70. Geburtstag. Lange Jahre gemeinsamer Tätigkeit verbindet den Professor der Geographie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule, Dr. JAKOB FRÜH, mit seinen Kollegen von der Geologie und Mineralogie Alb. Heim u.U.Grubenmann, deren 70. Geburtstagfeste vor kurzem gefeiert werden konnten. Mit heute, dem 22. Juni 1922, tritt auch JAKOB FRÜH in die Reihen der Jubilare. Seine jetzigen und ehemaligen Schüler, seine Kollegen und Freunde wollen die Gelegenheit nicht vorbeigehen lassen, ohne ihm, dem trefflichen Lehrer und Forscher, ihre tiefgefühlte Dankbarkeit und Verehrung bezeugt zu haben, verbunden mit dem innigsten Glückwunsch zum Jubelfeste. J. Früh ist am 22. Juni 1852 zu Märwil im Kanton Thurgau geboren worden. Relativ spät in die Mittelschule eingetreten, stu- dierte er daraufhin an der Universität Zürich und am eidgenössischen Polytechnikum Naturwissenschaften. 1876 erhielt er das Diplom als Fachlehrer in naturwissenschaftlicher Richtung. Es verschaffte ihm die Stelle eines Professors für Naturwissenschaften und Geographie an der Kantonsschule in Trogen. In vorbildlicher Weise hat J. Früh dieses Amt von 1877-1890 bekleidet, stets darauf bedacht, durch eigene Forschungen den Kontakt mit den Wissenschaften nicht zu ver- lieren. Von besonderem Einfluss auf die weitere Entwicklung war ein zur Erholung von einem Halsleiden in Algier verbrachter Herbst und Winter (1888/89). Die neuartigen Landschaftsbilder, die intensive Versenkung in die algerische Landeskunde, mit tatkräftiger Unter- stützung durch die dort lebenden Gelehrten, reiften in ihm den Ent- schluss, sich voll und ganz dem Studium der Erdkunde zu widmen. So trat Früh im Herbst 1889 von der Lehrstelle in Trogen zu- rück, um als Assistent am geologischen Museum des eidgenössischen Polytechnikums in Zürich die Möglichkeit zu weiterer wissenschaft- licher Ausbildung zu finden. Zur speziellen fachlichen Orientierung begab er sich im Sommer 1891 nach Berlin zu v. RICHTHOFEN und ‚ v. HELMERT. Durch von Richthofen an dessen Freund v. NEUMAYER, damals Direktor der deutschen Seewarte in Hamburg, warm empfohlen, 168 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 war es ihm weiterhin vergönnt, die reichen Hilfsmittel, Kartensamm- lungen, Bibliotheken und Archive dieser Anstalt benützen zu dürfen. Reisen nach Dänemark und Exkursionen in Norddeutschland bildeten den Abschluss. 1891 und 1892 erfolgte die Habilitation an der Universität und am eidgenössischen Polytechnikum. 1899 brachte die Ernennung zum Professor für Geographie an letzterer Anstalt, die ihm seit 1915 auch eigene Räume im naturwissenschaftlichen Gebäude verschaffte. Jedem, dem es vergönnt war, in diesen 30 Jahren akademischer Tätigkeit sein Schüler zu sein, wird in Erinnerung bleiben, mit welcher Begeisterung und Liebe zur Wissenschaft der Jubilar Erdkunde im weitesten Sinne zu vermitteln weiss. Jede Vorlesung ist reich an Einzelheiten, die Zeugnis ablegen von aussergewöhnlich vielseitigem Wissen und unermüdlicher Verarbeitung des Stoffes. In das Verständ- nis der Oberflächengestaltung, der Siedelungsverhältnisse und staat- lichen Einrichtungen des Vaterlandes, in die Kenntnis ferner Länder, in die physikalische Geographie führen seine Vorlesungen und Übungen in vorbildlicher Weise ein. Was die Landeskunde J. Früh verdankt, wird nie vergessen werden. Mit grosser Freude hat man es begrüsst, dass die "Redaktion des Handbuches der Geographie der Schweiz ihm übertragen wurde. Insbesondere auf den Gebieten der Sedimenterforschung, der Erdbeben- und Moorforschung hat Früh Grosses geleistet. Die 1888 erschienene Preisschrift „Zur Kenntnis der Nagelfluh der Schweiz“ ist für die Untersuchung grobklastischer Sedimente weg- leitend geblieben. Die gemeinsam mit ©. SCHRÖTER herausgegebene Preisschrift „Die Moore der Schweiz mit Berücksichtigung der ge- samten Moorfrage“ ist ein Standardwerk von internationaler Bedeu- tung geworden. Als Mitglied und später Präsident der schweize- rischen Erdbebenkommission hat Früh unschätzbare Dienste geleistet. 1899/1901 wurde der Jubilar von dem als Schiedsrichter waltenden schweizerischen Bundesrat als Experte im Grenzstreit Frankreich- Brasilien beigezogen. Am internationalen Geographenkongress in Genf (1908) waltete J. Früh als Leiter einer wohlgelungenen Ex kursion. Zahlreich sind denn auch die Ehrungen, die dem Forscher und Lehrer zuteil wurden. Wir Zürcher haben in erster Linie ZU danken, dass eine ehrenvolle Berufung an die Universität Bern als Nachfolger von Brückner abgelehnt wurde. Sicherlich war dieser Entscheid nicht leicht, gestatteten doch die Verhältnisse an der Fach- lehrerabteilung der E. T. H. keine spezielle Ausbildung von Geographen Jahrg. 67. JAKOB FRÜH zum 70. Geburtstag. 169 und bedeutete die Ablehnung somit einen Verzicht auf die Gründung einer eigentlichen Schule. Uns allen ist aber J. Früh nicht nur als Lehrer und Forscher, sondern auch als Mensch von geradem, altschweizerischem Charakter lieb und wert geworden. Möge es ihm vergönnt sein, noch lange unter uns zu wirken, und möge das hier beigefügte Verzeichnis der vom Jubilar gehaltenen Vorlesungen und Uebungen, sowie der wissen- schaftlichen Werke der Jungmannschaft ein Ansporn sein, in der Liebe zur Wissenschaft, in der Gewissenhaftigkeit und dem Pflichteifer nie zu erlahmen. Im Namen der Schüler, Kollegen und Freunde Paul Niggli. I. Hauptsächlichste Lehrtätigkeit. a) Allgemeines. ar . Vorlesung (regelmässig): Ozeanographie und Seenkunde (phys. Geogr., 2 Std., Abt. IX). . Meteorologie und Klimatologie, 2 Std., anfänglich „Atmo- sphäre“, dann „Haupterscheinungen der Atm.“, 2 Std., oblig. für Forstschule und Abt. IX, empfohlen für Landwirte und Zivil- Ingenieure. . Geographie der Schweiz, 2 Std., seit 1893. - Grundzüge der Anthropogeographie d. Schweiz, 1 Std. - Grundzüge der allgemeinen Anthropogeographie (von ihm zuerst in der Schweiz gelesen) schon früh, Mitte der %0er Jahre, 1 Std. DD OU ww b) Ausserschweizerische Länderkunde. Länderkunde der atlantischen Staaten (Skandinavien, Niederlande, Frankreich) 1 $t Länderkunde Canadas und der Vereinigten Staaten, 1 St., wiederholt. Länderkunde von Afrika, 28t., N.- und $.-Afrika betonend, wirtschaftl. ete. - Länderkunde von Nordasien und Südasien, 18t. 10. Länderkunde des Mittelmeergebietes. ll. Länderkunde von Südamerika. > er = > 170 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Durch den Krieg veranlasst: 12. Länder des germanischen Mittelmeeres. 13. Mittel-Europa mit Berücksichtigung der Kriegs- schauplätze. c) Zur physikalischen Geographie. . Morphologie der Küsten, Häfen, Inseln 1 Std., wieder- holt. Morphologie ehemals vergletscherter Gebiete, 1 Std., mehrmals. 16. „Polarländer‘. 17. Allgemeine Geologie in Vertretung des für ein Winter- semester beurlaubten Herrn Prof. HEIM, 4 Std. 18. Die diluvialen Bodenformen der Schweiz in ihrer land- schaftlichen und ökonomischen Bedeutung. je pen ar ” d) Übungen. . Geogr. Übungen, Abt. IX, 2 Std. Winter 1907/08, regel- mässig seit 1912. Auf Ansuchen von Studierenden der Landwirtschaft: Übungen in Meteorologieund Klimatologie, spez. „Wetter“. Som- mer 1913. . SeminaristischeÜbungen mit Hrn. Prof. SCHRÖTER, Winter- semester 1911/12 bis 1918/19. . Als Früh Dozent an der Universität war, las er: Methodik der Schulgeographie, 1893/94 Sommer. Als Vorstand der IX. Abteilung der E. T. H. amtete der Jubilar vom Herbst 1909 bis Herbst 1915. » WS) > II. Publikationen. A. Über schweizerische Erdbeben. Die schweizerischen Erdbeben im Nov. 1881. Jahrb. des tellurischen Öbservatoriums Bern. 1881. 2 Tf. Die schweizerischen Erdbeben 1886-1904. Annalen der schweiz. meteorolog. Centralanstalt. Zürich, Jahrg. 1891 pro 1888/91; ib. pro 1892-94, 1895—1899, 1900-1904 (19 Jahrgänge). Ergebnisse 25-jähriger Erdbebenforschung in der Schweiz, 18801904, Verhandl. Schweiz. Nat. Ges. Luzern. 88. Versammlung, 1905. S.141—149. Über die 35-jährige Tätigkeit der schweiz. Erdbebenkommission incl. Jahrg. 67. JAKOB FRÜH zum 70. Geburtstag. 171 Bau der Erdbebenwarte, mit 1 Karte, 7 Ill. Verh. Schweiz. Nat. Ges. 1911. Genf. S. 57—80, B.Überandere geographische und geologischeThemata. 1830 Geolog. Begründung der Topographie d. Sentis und der Molasse, Ber. St. Gall. Nat. Ges.1879/80. 8. 267289. 1881 Zur Geschichte der Terraindarstellung. Kettler, Ztschr. für wissenschaftl. Geogr. II 1881. S. 156—160; 214—216, 1883 Über Torf und Dopplerit, Inaug.-Diss. Univ. Zürich, auch Sep. 1 Tafel. 1885 Kritische Beiträge zur Kenntnis des Torfes. Jahrb. geolog. Reichs- anstalt. Wien. Bd. 35. 1 Tf. S. 677—726. 1886 Zur Geologie von St. Gallen und Thurgau, mit besonderer Be- rücksichtigung d. Kalktuffe. 1 Taf. Ber. d. St. Gall. Nat. Ges. 1884/85. 8. 91—173. | 1887 Moderne Höhlenbewohner in der Schweiz. Zeitschr. Globus, Braunschweig 1897. 2 Il. 1868 Zur Kenntnis der Nagelfluh d. Schweiz. Preisschrift. Denkschr. Schweiz. Nat. Ges. XXX. Zürich 1888, vgl. Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges. 1891. 1890 Zur Kenntnis der gesteinsbildenden Algen der Schweizeralpen (Lithothamnien) in Abh. schweiz. paläont. Ges. Zürich 1890. 1 Tafel. 32 S. 1891 Der gegenwärtige Standpunkt d. Torfforschung. Bull. schweiz. bot. Ges. Basel 1891 und Verh. schweiz. Nat. Ges. Davos 1890. 1891 Untersuchung der schweizerischen Moore, ausgeführt durch die Moor-Kommission der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft (FRÜH, SCHRÖTER, STEBLER). Zürich 1891 (Fragen- schema). 1895 Über Orientierung und Orientierungsmittel. Schweiz. päd. Zeit- schr. V. Zürich 1895. 8. 22—40. 1895 Über Windschliffe am Laufen b. Laufenburg a. Rh. Zeitschr. „Globus“ 1895 mit Plan, S.117--120 ; vgl. Eclogae geol. helv. IV. 1896 Zur Kritik einiger Talformen und Talnamen d. Schweiz. Festschr. Nat. Ges. Zürich 1896. 1 Tafel. II. Bd. $.318—339. 1896 Schwimmende Inseln. Hettner. Geogr. Zeitschr. II, Leipzig 1896. S. 216—218. 1896 Die Drumlinslandschaft mit spezieller Berücksichtigung des alpinen Vorlandes. Ber. d. St. Gall.Nat. Ges. 1894/95. St. Gallen 1896. S. 325—396. Mit 3 Tafeln. 1899 1899 1900 1901 1902 1903 1905 1904 1904 1905 1906 1907 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Zur Kenntnis des Bodensees. Petermann’s geogr. Mitt. Gotha 1897. S. 217. Gasausströmungen im Rheintal. Ber. Nat. Ges. St. Gallen. 1895/96. St. Gallen 1897. „Ein Relief“, zugleich Relieffrage im allgemeinen. Schweiz. päd. Ztschr. VII, Zürich 1897. S. 113—124. Ausblicke auf die verschiedenen Gebiete der Geographie, Vor- trag, gehalten an der konstituierenden Sitzung der Geographi- schen Gesellschaft Zürich, 23. Nov. 1897. Schweizerische päda- gogische Zeitschrift, Jahrgang 8, S. 1—12, 1898. Ueber postglacialen Löss im St. Galler Rheintal, mit Berück- sichtigung der Lössfrage im allgemeinen. Vierteljahrsschr. d. Nat. Ges. Zürich. Bd. 44. S. 157—191. Ueber postglac. Löss im Rhonetal. Eclogae geol. helv. VI. S. 47—59. Lausanne 1899. Ueber Moorausbrüche. Vierteljahrsschr. Nat. Ges. Zürich. Bd. 42, S. 202—237, und „Globus“, Braunschweig 1900, Bd. 72. Die Abbildung der vorherrschenden Winde durch die Pflanzen- welt. 2 Fig., 2 Taf. Jahresber. geogr.-ethnogr. Ges. Zürich 1901/02, vgl. Bull. American geogr. Soc. Bd. 26, 1904. Verbesserung der Illustrationen. Hettners geogr. Zeitschr. von, 1902. 8. 285— 289. Bestimmung der Oberflächenentwicklung für den Säntis. Hett- ners geogr. Zeitschr. IX, 1903. 8. 167—168. Ueber postglacialen Löss (Lössand) bei Andelfingen. Viertel- jahrsschr. Nat. Ges. Zürich. 1903. S. 430 — 439. J. FRÜH und C. SCHRÖTER. Die Moore der Schweiz mit Be- rücksichtigung der gesamten Moorfrage. Preisschr. 7508. 4% 4 Taf., 1 Moorkarte d. Schweiz. 1: 500000, in: Beiträge 2. (Geo- logie d. Schweiz, geotechn. Serie, III. Lief. Bern 1904. Inselberge im St. Galler Rheintal, Jahrb. Nat. Ges. St. Gallen 1903/04. Eelog. geol. helv. Bd. VIII 1903. S. 409. Ueber Naturbrücken und verwandte Formen mit spezieller Be- rücksichtigung der Schweiz. Jahrb. Nat. Ges. St. Gallen. 6 Fig., 4 Tf. 8. 354—382. Nachträge im Jahrb. 1906. Mit 3 TE S. 377 — 387. Ueber Form und Grösse d. glacial. Erosion, 4 Fig. Verh. schweiz. Nat. Ges. St. Gallen 1906. S. 261— 307. Ueber Wasserhosen auf Schweizer-Seen. Jahresber. geogt-” ethnogr. Ges. Zürich 1906/07, 4 Fig. S. 105—127; vgl. A. We- gener, Wind und Wasserhosen in Europa. Braunschweig 1907. Jahrg. 67. JAKOB FRÜH zum 70. Geburtstag. { 173 1908 1908 1909 1911 1911 1913 1915 s 1919 1885 1888 1895 1896 1901 1901 1903 1904 1904 Excursion z. Studium d. morpholog. Verhältnisse d. Alpen und ihrer Vorländer. Livret-guide des exc. sc. IX me Congrös intern. de geographie Geneve 1908. Compte-Rendu du IXi@me Congres internat. de geographie 1908: Einbruch des Lötschbergtunnels, T. II, pag. 326—29. Karte 1:50000. Geneve 1910. Zur Morphologie d. untern Thurgau. Beiträge z. Kenntnis d. Rheingletschers. Mitt. Nat. Ges. Frauenfeld. XVII. 1909. Erratische Blöcke und deren Erhaltung im Thurgau. Mitt. Nat. Ges. Frauenfeld. XVII. 1911. Unsere geolog. Landesaufnahme v. Standpunkt d. Agrogeologie. Eclogae geol. helv. XI, 1910. 8. 713—25, und Verh. Schweiz. Nat. Ges. Solothurn 1911. 8.248. Die beiden Deckenschotter auf d. westl. Seerücken ete. Mitt. d. Nat. Ges. Frauenfeld. XIX. 1913. 2 Tf. 2 Fig. 8. 3—21. Penitentes. Entwicklungsformen u. Verbreitung des Büsserschnees, 1 Taf. Petermanns geogr. Mitt. Bd. 61. Gotha 1915. Zur Morphologie d. Zürcher Oberlandes, mit 1 Karte 1:100000. HEIM-Festschr. Vierteljahrsschr. der Nat. Ges. Zürich. 1919. '1 Karte. S. 16—34. C. Kleinere Mitteilungen. Geologische Exkursion ins Rheinthal. Ausgeführt am 14. Aug. 1884. Ber. St. Gall. Nat. Ges. 1883/84. S. 101—114. Reste v. Rhinoceronten in d. granitisch. Molasse v. Appenzell a. Rh. Ber. d. St. Gall. Nat. Ges. 1886/87. 8. 462—463. Kohlenreste im Schweizerbild (für Nüesch, Schaffh.). Neue Denk- schr. Schw. Nat. Ges. Bd. 35 und 2. Aufl. Anleitung zu geol. Beobachtungen etc. auf Dufourbl. IV u. IX. Ber. d. St. Gall. Nat. Ges. 1895/96. Analyse eines afrikanisch. Staubfalles in Mitteleuropa. Abh k. preuss. met. Inst. II. Berlin 1901. 8. 59#f. Föhn im Fort Good Hope 66° 20 n. Mackenzie River, Canada; in Hann, Met. Zeitschr. XVII. Das Karrenproblem. (Hettners geogr. Ztschr. 1903. 8. 223—225.), Neue Drumlinlandschaft innerhalb des diluvialen Rheingletschers. Eclogae VIII. S. 213—216. Etymologie des Wortes Flysch. ibid. S. 217— 220. Notizen z. Naturgeschichte d. Kt. St. Gallen: I. Isolierte marine Molasse in der Rheinebene östl. Blatten-Rorschach. II. Flug- sand (Dünen) im Rheintal. III. Hochmoore oberhalb Plons Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 W Mels. Jahrb. d. St. Gall. Nat. Ges. für 1902/1903. S. 492 bis 498. Zum Begriff Nagelfluh etc. Eel. IX. S. 408—412; ib. „Zur Bil- dung d. Tösstales*. S. 388. Zur Morphologie von Brunnen-Schwyz. 1 Fig. Ecl. geol. helv. I S. 396 —407. D. Referate. „Jahresbericht über die Länderkunde der Schweiz‘. In H. Wagners geogr. Jahrb. Gotha, zum ersten Mal eingeführt 1894, Bd. XVII; fortgeführt bis 1909 (Uebernahme durch Prof. H. WALSER, Bern). Grössere Referate in Hettners Zeitschr. 1895, 1901, 1903, in Globus, Bd. 72 und 73; Rezensionen in Petermanns Mitt., Mitarbeiter an der Arbeit über „Schweiz. Tonlager“ 1907. Preise für Separata aus der Vierteljahrsschrift. Der Autor erhält von der Gesellschaft 50 Freiexemplare oh ohne Umschlag sind zu nachstehenden Preisen erhältlich: ne Umschlag geheftet, weitere Exemplare ! I Die Kosten für Heften und Beschneiden sind in diesen Preisen inbegriffen, ’ 25 50 75 100 | 125 | 150 | 175 | 200 | 295 | 950 75:13 Exempl. | Exempl. | Exempl. | Exempl. | Rxempl. Kxempl. | Exempl. | Exempl. | Exempl. Bxempl. | Exempl. | Exempl, Fr. Fr. Fr. Fr. Fr. Fr. Fr. Fr. Fr. Fr. | Fr. Fr. ge ee 9 Bailen . 0.2... 48085 4.50) 6.— | 7.25| 8.70| 10.15) 11.60| 19.60 14. — | 15.40 | 16. 80 HH a .- 2.30| 4.60| 6.90| 9.20 11. — 13. 20 | 15. 40 | 17.60 | 18. 90 | 21. — | 23, 10 | 95.90 Ma; 3.85 | 7.70|11.55|15.40| 18.25 | 21.90 95.55 99. 20 31.95 | 34.50 | 37. 95 | 41.40 HA, a 6. 95 | 13. 90 | 20. 85 | 27.80 | 32.75 | 39, 30 | 45. 85 | 59. 60 | 55.35 61.50 | 67.65 72.70 Umschläge mit dem Titel der Abhandlung || 16.— | 18, — 20. — |22.— | 24.— 1%. — |28. — |30. — | 32. — | 34. — | 36. — | 38. — | | | | nicht aber diejenigen für allfällige Tafeln. Die did: ner are ri der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich _ in Kommission bei Beer & Co. — kann durch jede Buchhandlung be- zogen werden. "Bis jetzt sind erschienen Jahrgang 1—66 (1856—1921) als Fortsetzung der in 4 Bänden (1847 — 1855) veröffentlichten „Mitteilungen*® der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich. Der Verkaufspreis der Jahr- gänge 51-61 beträgt Fr. 12.—, Jahrgang 62 und 63 je Fr. 22.—. Ältere Jahr- gänge sind, soweit noch vor rhanden n, zu reduzierten Preisen erhältlich. Der 41. Jahrgang — Festschrift der Naturforschenden Gesellschaft zur Feier ihres 150 jährigen Bestehens — kostet 20 Fr., der 64. Jahrgang (1919) Fr. 40.—, der 65. (1920) Fr. 34.—, Jahrgang. 66 Fr. PR Die seit 1799 in ununterbrochener Folge von der Gesellschaft herausgegebenen „Neujahrsblätter“ Eine ebenfalls durch die Buch- handlung Beer & Co. zu ne Seit. = I men » : Über K arrenbildingen IB, G.! N Wenig bekannte der Schweiz. 1906. H: Brockmann- php El ampfale mi in Surehrut. 1921. C. Cramer: Bau- und Wachstum - des Get reide- halmes. 1889. M. Düggeli: ‚Die Schwefelbakterien. 1919. A. Foreln j Die Nester der Ameisen. 1893. H. Fritz: Aus der kosmischen ‚Physi 1875. Die Sonne. 1885. U. Gruben man ui; Ueber die Rüt ilnadeln inschiie ksenden“ Bergk rystalle; vom es Rand örgbörtät 189. Dr. David Friedrich Wiser (1802— 878). Lebensbild eines Zürcher | Mineralögen. 1918. C. Hartwich? Das Opium als Genussmi . ‚Alb. Heim: Ueber Bergstürze. 1882. Geschibhte des Zürichsees. 891, Die Gletscherlawine an der Altels am 11. September 1895 (unter Mitwirkung von’ L. Dw Pasquier und ‚F. A. Forel). 1896. ren 1905. Der Bau der Behmein rigen] 1908.. Die. Mythen. 922 n. Heim:' Über were Eisberg 1911: \ Auf dem Vulkan Smeru ar Java. 1916. : Th. He . "Reisebi Ider aus en 100. K.Hescheler: Sepia ofiinalis 1. "Der gemeine Tintenfisch. 192. Riesenhirsch, 1909. J. Jäg Die Wassernuss und der Tribulus, der Alten. Die Blutbuche:- zu bach am Irchel. 1894.: C. Keller: Über eher in der Tierwelt. 1879. A. Lang: Geschichte der Mammüt- funde (mit Bericht über den Fund in Niederweningen). 1894 € . Lunge: Beleuchtung sonst, jetzt und einst. .1900..C. Moesch: Wohin und warum -ziehen unsere Vögel. 1877. Der japanische Riosensalamander und der fossile Salamander von Man 1887. J. Pernet: Hermann v. Helm- holtz. 1895. A. de Querva abe der Wolkenwelt, 1912. M. Rikli: enge und Naturbilder von Er s anischen Riviera .1907. Eine Frühlin rt nach Kreta 1917.- F.: Rudio: Zum hu arhieh Neujahrsblatt er Busvlorahsuek re ger 1898. E. Schär: Das Zuckerrohr. 15%. H. Schinz: Schwe t ische Afrika-Reise er und we eier: der Schweiz - an der Erschlies Sa au Srforschung Afrikas ü aupe a tn: eng Bestsedbkänet engeschlechts. ik der künstlichen Fischzucht. Tabelle zur leichten Be- x stimmung der Fische der Schweiz. Fischfauna des Kantons Zürich. 1880 0.Schröter: Die Flora der Eiszeit. 1883. Der Bambus. 1856. Die Schwebe- n as 2 = Ri id zu indie 915, N Weiientiadh: Über die Luftströmungen, Nähe Audere die Stürme Eon s. 1876. Die elektrischen Wellen und Anwendung zur dr PR Serahlenelgrapui nach Marconi 1905. Die Bücherbestände der fiihren: edel schaft, die mit dem 1. Januar a = in den Besitz und damit auch in die Verwaltung der Zentralbibliothek übergegangen stehen den Mitgliedern unserer Gesellschaft nach Massgabe der Benutzungsordnung Zentralbibliothek zur Verfügung. ; Bi Se NEE ER. RER EEE ER une ae LISTTITETTTTTT - Vierteljahrssehrift der Naturforschenden Gesellschaft Herausgegeben von Prof. Dr. Hans Schinz Direktor des Botanischen Gartens und Museums der Universität Zürich. BR a Er h 4 vr Er, Siebenundsechzigster Jahrgang. 1922. Drittes und Viertes Heft. Ausgegeben am 31. Dezember 1922. Zürich, in Kommission bei Beer &. Co. 1922. a a ca HE | 13 A hut | > u > PN ET ER SH Buchdruckerei Gebr. Fretz A. G., Zürich‘ , a 2 c « w Be ee «3 dis m mATY 3 100 \ ı 9 1993 a Inhalt. R.Billwiller. Der ee pro 1921/22 in einigen schweizerischen Firn- gebieten. IX. icht der Gletscherkommission der nero. Gesellschaft Zurich Ausgegeben als isätnek am 3, BEER 1998. Karl Hescheler. Moschusochsenreste aus dem Kanton Schaffhausen . egeben als Separatabdruck am 23. Dezember 1922. A. Kiefer. ag Regelflächen zweiten Grades usgegeben als Separatabdruck am 23. Dezember 1998. A. Kienast. Erweiterungen des Abelschen Satzes für Potenzreihen und ihre Umkehrungen usgeg aber ale Sehentahdruik am 35. Nor 1928. Gunnar Samuelsson. Zur Kenntnis der Schweizer Flora usgegeben als Separatabdruck am 23. De 1922. Hans Schinz und Henry S$igerist. Notizen zur schweizerischen Kultur- geschichte . . \ f 55. Ferdinand Radio: Die Eeltsraudgäbe: (Parking) & 56. A.de Quervain: Aufstellung des grossen Entversaissismepnehen in der Erdbebenwarte Zürich 57. A.de Quervain: Beginn eiuiäiiger Ineksorologiache Beob- achtungen auf dem Jungfraujoch, in 3454 m Höhe 58. Nekrologe: Otto Busse, Heinrich Suter, Traugotit Gandmeter Otto Stoll, Eugen Bolleter, Konrad Escher-Schindler, Fritz Bützberger, Ernst ee Gabriel Narutowiez egeben als Separatabdruck am 31. Diane 1992. H. Schwarz Mr! Laupper. Von der Heukohle zur ur Eine kritisch- vergleichende Studie über die Genesis beider Kohler Ausgegeben als Separatabdruck am 22. ae "1922. Richard A. Sonder. Über die Ursachen der Erdkontraktion : Ausgegeben als re am 31. Juli 193. Dr. F. G. Stebler zum. 11. August (Phot. er ahme von C. Ruf, Zürich) Ausgegeben als Separatabdruck am 11. August 1922. Prof. er Berner Sitzungsberichte von 1922 nis der Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich G I Er 31. Dezember 1922 i h a Seite I xxVvH Über die Ursachen der Erdkontraktion. Von Rıcnarp A. Soxper (Herrliberg b. Zürich). (Als Manuskript eingegangen am 1. Mai 1922.) Die geologische Untersuchung der Gebirge hat unzweideutig er- wiesen, dass die äusseren Partien der Erdrinde sich zusammen- geschoben haben. Falls diese Stauchungen bei konstantem Erdumfang stattfanden, müssen andere Gebiete der Erdkruste vorhanden sein, welche dem Zusammenschub äquivalente Dehnungen und Zerreissungen aufweisen, Zonen, welche bei dem gewaltigen Ausmass des Rinden- überschusses der Gebirge (in den Alpen z.B. gegen 300 km) ebenso auffällig zu Tage treten müssten, wie die Faltungen selbst. Solche „Narben“ sind bis heute nirgends aufgefunden worden, noch besteht grosse Wahrscheinlichkeit, dass derartige Gebilde in den unzugäng- lichen Ozeantiefen zu suchen sind. Diese Feststellung bildet das Fundament der Theorie, dass sich der Erdumfang in den vergangenen geologischen Zeiten verkürzt hat.') Die Ursache einer derartigen Schrumpfung wurde in einer säku- lären Abkühlung gesucht: Der Weltraum ist kalt, die Erde ist in ihrem Innern heiss (Vulkane, Temperaturzunahme mit der Tiefe); unser astronomisches Wissen macht die Annahme wahrscheinlich, dass der Erdkörper einmal als Ganzes glutflüssig war. Es muss deshalb eine allmähliche Abkühlung und eine entsprechende thermische Kon- traktion erfolgt sein, welch letztere zu den Stauchungen des äussern Gesteinsmantels führte. Dies sind kurz die Gedankengänge der ther- mischen Kontraktionslehre. Ein näheres Eintreten auf dieselbe zeigt aber bald, dass sie einer kritischen Betrachtung kaum standzuhalten vermag. Insbesondere lassen sich folgende Einwände erheben: Die thermische Abkühlung im Laufe der Zeit ist viel zu gering, als dass sich daraus die konstatierbare Kontraktion her- EEE ‘) Eine demnächst erscheinende Arbeit wird sich speziell mit den geologischen Konsequenzen der Erdkontraktion befassen, ünd auch hier einige neue Gesichtspunkte zur Diskussion bringen (lit. 1 6). Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 67. 1922. 12 178 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 leiten liesse. M. P. Rupzkı berechnet (lit. 1), dass eine Abkühlung, welche eine Radiusverkürzung von 50 km nach sich zöge, 500 Millionen Jahre gedauert haben müsse. Er scheint dabei günstige Voraus- setzungen gemacht zu haben, denn NATHORST (ebenda) kommt für 5 km (Abkühlung — 30°) auf 200 Millionen Jahre. Eben angegebene Zeit- zahlen müssten nun aber sicher ganz bedeutend hinaufgesetzt werden, denn sie nehmen keine Rücksicht auf die radioaktiven Substanzen der Erdrinde, welche auf alle Fälle den Abkühlungsvorgang "bedeutend verzögern müssen. STRUTT und andere sind sogar zu dem Resultat gekommen, die Wärmeproduktion beim radioaktiven Zerfall könne möglicherweise den säkularen Wärmeverlust völlig ersetzen (lit. 2). Weiterhin sind in obiger Berechnung diejenigen Wärmemengen nicht berücksichtigt, welche durch die Kontraktion selbst erzeugt werden. Sie setzen ferner die gewöhnlichen thermischen Ausdehnungskoöf- fizienten in Rechnung. Es bestehen aber Gründe zur Annahme, dass letztere mit steigenden Drucken kleiner werden. Alle diese Faktoren sind für eine starke thermische Kontraktion ungünstig. Man kann deshalb mit Sicherheit sagen, dass eine Kon- traktion von 50 km einen ganz bedeutend längeren Zeitraum als 500 Millionen Jahre beanspruchen würde. Aus der geologischen Ge- schichte ist folgendes zu entnehmen: die letzte grosse Faltung erfolgte Ende Tertiär und hatte eine auf 30-60 km zu schätzende Radius- verkürzung zur Folge. Eine entsprechende Grossfaltung mit ähn- lichem Rindezusammenschub fand im Oberkarbon statt. Die tertiäre _ Rindenstauchung könnte also nur auf die thermische Abkühlung der Zwischenzeit zurückgeführt werden. Wenngleich die geologische Zeit- messung auf ziemlich „dehnbaren Grundlagen“ beruht, so scheint doch eine derartig lange Dauer des zwischenliegenden Mesozoikums ganz unwahrscheinlich, die angegebene Zahl ist vielleicht um das Zeehnfache übersetzt. 2. Es ist anzunehmen, dass eine rein thermische Kontraktion einer grösseren Massenkugel im allgemeinen nicht Kompression, SOn- dern Zerrungen in den äussern Rindenteilen hervorrufen wird. Die Abkühlungsgeschwindigkeit und damit die Kontraktionsgeschwindigkeit wird nämlich da am grössten sein, wo das grösste Temperaturgefälle herrscht, bei einem erstarrenden Weltkörper also anfänglich sicher an der Oberfläche, wo eine sprungartige Temperaturdifferenz vorliegt. Nach dem Innern zu kann nur eine allmähliche Temperaturzunahme vorhanden sein, wegen der wachsenden Isolierhülle, denn Gesteine sind bekanntlich äusserst schlechte Wärmeleiter. Auch mit der Verkleinerung des Ausdehnungskoöffizienten nach der Tiefe zu muss gerechnet werden. Jahrg. 67. Rıcnarn A. SONDER. Über die Ursachen der Erdkontraktion. 179 Man hat sich demnach eine erkaltende und deshalb zunehmend kon- trahierte Rinde über einem heissen, mehr oder weniger volumkonstan- ten Kern zu denken. Die Kruste müsste demnach für den Kern zu klein werden: Dehnungen, Zerreissungen, Spalten resultieren. Erst in sehr späten Abkühlungsstadien (mit dem Vorrücken der maximalen Abkühlungsgeschwindigkeit nach der Tiefe) wären Kompressions- erscheinungen ‘denkbar, immerhin lange nicht in dem Ausmass, wie sie aus dem Rindezusammenschub zu folgern sind. Zur Illustration des eben Gesagten sei der englische Physiker Davıson zitiert, welcher berechnet, dass bei einem Rindenalter von 174 Millionen Jahren die Abkühlung höchstens 644 km tief ins Innere fortgeschritten sein könne, maximale Abkühlungsgeschwindigkeit in einer Tiefe von 116 km (lit. 3, 8.17 ff.) Einer Erklärung der säkularen Erdkontraktion infolge thermischer Abkühlung stehen also grosse Schwierigkeiten im Wege, und man darf es als feststehend betrachten, dass eine etwelche Abkühlung nur kleine thermische Kontraktionen zur Folge haben -könnte. Zur Hauptsache müssen andere Faktoren die Erdschrump- fung bewirken. Es müssen im Erdinnern Vorgänge stattfinden, durch welche spezifisch leichtere Stoffe in spezifisch schwerere über- geführt werden. Ein solcher Prozess scheint nur denkbar, wenn damit stoffliche Änderungen verknüpft sind: Wenig dichte Elemente müssen sich in dichtere umwandeln. Die Erdkontraktions- lehre führt deshalb letzten Endes zur Theorie der Umwandlungsfähig- keit der Elemente. Theoretische Möglichkeit der Umwandlung von Elementen. Die Untersuchungen von RUTHERFORD, BOHR u. a. haben es wahr- scheinlich gemacht, dass alle Atome aus gleichen Bausteinen bestehen, nämlich aus positiven Ladungen und einer entsprechenden Anzahl negativer Elektronen. Ferner dürften alle Atome einen analogen Bau besitzen, die positiven Ladungen vereinigen sich zu einem zentralen Möinkern, die negativen Elektronen gruppieren sich nach bestimmten Gesetzen um diesen Zentralpunkt herum. Zum Verständnis der nach- folgenden Ausführungen ist es nötig, etwas näher auf den Atombau einzugehen, da sich diese Arbeit wich an Leser richtet, welche mit den neuesten Atomtheorien nur teilweise vertraut sein mögen. Die Elektronenhülle. Für die Aussenanordnung der Elektronen sind zwei Möglichkeiten denkbar: konzentrisch kreisende Blektronenringe nach Art eines Pla- 180 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 netensystems, oder aber eine mehr allseitige Verteilung auf ineinander- geschachtelten Schalen. Die erstgenannte Auffassung nimmt Bezug auf die Liehtemission (BoHR). Aus den Valenzverhältnissen, ferner aus den Beobachtungen an kristallisierten Substanzen (lit. 4) ergeben sich starke Argumente für eine allseitig schalige Anordnung. Da diese Atomauffassung den Ergebnissen dieser Arbeit besser angepasst ist, soll ihr hier der Vorzug gegeben werden. Unter besonderer Be- rücksichtigung des Baus des periodischen Systems kommt man zu un- gefähr folgenden Vorstellungen. Da man für alle Atome einen gleichen Bau der Elektronenhülle annehmen muss (Hochfrequenzspektren), soweit es die Zahl der vor- handenen Aussenelektronen gestattet, zeigt ein komplexes Atom fol- gendes Bild: Von innen nach aussen stösst man zuerst auf einen Ring von zwei Elektronen (Typ Helium); dann auf eine Doppelschale von je 8 Elektronen in einer Schicht (einschichtiger Typ Neon, zwei- schichtiger Typ Argon); es folgt eine Doppelschale von je 18 Elek- tronen pro Schicht (einschichtiger Typ Krypton, zweischichtiger Typ Xenon); die Elemente mit höchstem Atomgewicht weisen endlich noch eine äusserste Schale von 32 Elektronen auf (Typ Emanation). Die eben angeführten Elemente, welche also jeweils eine vollständige Aussenschale besitzen, zeigen keinerlei chemische Tendenzen, ihre Aussenschale scheint in völligem Gleichgewicht befindlich. Die Ele- mente mit unvollständiger Aussenschale dagegen zeigen das Bestreben, zur Abgabe resp. Anlagerung von Elektronen, sie sind also nicht im Gleichgewicht. Periodizität entsteht dadurch, dass Elemente mit wenigen Aussenelektronen dieselben besonders leicht verlieren und deshalb ausgesprochen positiven Charakter besitzen, die Elemente mit mehr oder weniger vollständiger Aussenschale sind elektro-negativ, indem sie durch Anlagerungen von Elektronen die Aussenschale zu vervollständigen suchen (lit. 5). Diese kurz skizzierten Verhältnisse erfahren insofern eine Komplizierung, als es anscheinend bei den Aussenschalen zu 18 Elektronen und entsprechend bei den höheren mit 8—10 Elektrönen bereits zu einer nicht völlig stabilisierten Schalenbildung kommt (verhältnismässige chemische Passivität, Ein- setzen einer Unterperiode mit den Elementen Cu, Ag, Au). Der Atomkern. Wenngleich die Aussenelektronen die Übermittler der chemischen und phy ikalischen Eigenschaften sind, so ist doch die chemische In- dividualität einzig und allein durch die zentrale positive Ladung, d. h. den Atomkern, gegeben, denn die Zahl der Aussenelektronen vermag Jahrg. 67. Rıctarn A. SONDER. Über die Ursachen der Erdkontraktion. 181 sich zeitweise zu ändern (Ionenbildung), ohne dass ein anderes Ele- ment entsteht. Sie sind also nicht das Massgebende, sondern man muss die Atomkerne untersuchen, wenn man die Verwandlungsmög- lichkeit der Elemente ineinander prüfen will. Nun hat man aber allen Grund zur Annahme, dass auch die Kerne der verschiedenen Atome, ähnlich wie die Elektronenschalen, aus gleichen Bausteinen bestehen, und zwar vor allen Dingen aus positiven Elementarladungen. Soviel man heute weiss, unterscheiden sich die verschiedenen Ele- mente nur durch die unterschiedliche, positive Zentralladung, welche die normale Anzahl der Aussenelektronen und damit das chemische und physikalische Verhalten bestimmen. Folgende Tatsachen sprechen dafür, dass der Kern selbst elektronenartig struiert ist. Die positive Kernladung ist nachgewiesenermassen die Hauptträgerin der Atom- masse, zu der die Elektronen nur einen sehr kleinen Bruchteil bei- steuern. Nun sind die relativen Atomgewichte viel häufiger, als sich aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung ergibt, annähend ganze Zahlen, ja es konnte neuestens bei den Elementen, welche von dieser Regel abweichen, nachgewiesen werden, dass sie eine Mischung von Kernen mit ganzzahligem Atomgewicht darstellen (z. B. die verschiedenen Iso- topen des Chlors u. a.). Diese Tatsachen machen es äusserst wahr- scheinlich, dass alle Kerne aus gleichen Einheiten aufgebaut sind, nämlich aus positiven Elementarladungen von der relativen Masse 1. Bei den höher geladenen Kernen sind sicher auch noch negative Elek- tronen vorhanden, wie der radioaktive Zerfall anzeigt. Wahrschein- lich ist der Wasserstoffkern direkt als diese positive Elementarladung anzusprechen. Alle Atome wären demnach materiell wesensgleich und unterscheiden sich nur in der Zahl der strukturell vereinigten Bau- steine. Es besteht deshalb die Möglichkeit, dass sich die Elemente unter geeigneten Bedingungen inein- ander verwandeln können, und zwar wird diese Verwandlung an eine Zu- oder Abnahme der Kernladung geknüpft sein. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass die schwereren Atomkerne sich im Laufe der kosmischen Entwicklung aus einfacheren heranbildeten. Eine direkte Bestätigung der Umwandlungsfähigkeit der Elemente bietet der radioaktive Zerfall, wobei Elektronen und Heliumkerne ausgeschleudert werden. Es entstehen dabei eine Reihe anderer Ele- mente und schliesslich Blei. Die radioaktiven Elemente, deren Kern aus irgend einem Grunde instabil ist, enthalten also die Bausteine von Elementen niedrigerer Kernladung eingeschlossen. Ferner ist es 182 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 RUTHERFORD gelungen, den Stickstoffkern vermittelst «-Strahlen (ioni- sierte He-Kerne) auseinanderzuschiessen, wobei Wasserstoffkerne ent- standen. Man steht deshalb auf nicht allzu hypothetischer Basis, wenn man der Erdkontraktion eine materielle Evolution im Erdinnern zu Grunde legt. Eine naheliegende Annahme ist, dass dieser Aufbauprozess von ‘den äussern physikalischen Bedingungen abhängig ist, und dass das Endprodukt verschieden oder gleich sein wird, je nach dem äussern physikalischen Feld, unter dem sich die Evolution vollzog. Die stoff- liche Zusammensetzung irgend eines Weltkörpers, sei es, dass man ihn als Ganzes betrachtet, sei es, dass man äussere oder innere Zonen ins Auge fasst, muss demnach eine gesetzmässige und nie eine zufällige sein. Für die Kontrolle dieser Folgerung bieten sich zwei Möglichkeiten: 1. Vergleich der Dichten der verschiedenen Planeten. 2. Vergleich der chemischen Zusammensetzung von Erdrinde, Steinmeteoriten, und Sternoberflächen. Vergleich der Dichten der verschiedenen Planeten. Folgende Tabelle orientiert über Komponenten des Sonnensystems, geordnet nach abnehmenden Massen: Masse Dichte Sonne =1 Erde =1 "Wasser Erde =1 Sonne 1 333 400 1,39 0,25 Jupiter 1: 1047 a. u, 1,36 0,23 Saturn 1:3501,6 +0 95 0,66 0,13 Neptun 1:19 300 + 200 ın2 1,28 0,23 Uranus 1:22 869 + 30 14,8 1,34 0,24 Erde 1:333 400 +0 1 5,57 1 Venus 1:409000 : -+ 2000 0,81 5,2 0,82 Mars 1:3093500 -+ 3000 0,11 3,99 0,72 Merkur 1:6.000 000(—15000000) 0,034 623,2 1,1-0,59 Mond _ 0,012 3,4 0,61 Einzelne Daten sind dabei unsicher, so die Dichten von Uranus und Neptun, da die grosse Entfernung die Radienmessung beeinträch- tigt. Beim Planeten Merkur ist man sogar über die Masse im Zweifel, weil er wegen seiner Kleinheit nur geringe Störungen in der Bahn der benachbarten Planeten hervorruft. Jahrg. 67. RıcHarp A. SONDER. Über die Ursachen der Erdkontraktion. 183 Die äussern grossen Planeten. Auffällig ist sofort deren geringe Dichte, wenn man sie mit der Erde und den andern kleinen Planeten vergleicht. Man hat diese Tatsache zweifellos mit einer rückständigen Entwicklung in Verbin- dung zu bringen, indem eben ein Himmelskörper sich um so lang- samer entwickelt, je grösser seine Masse ist. Die Sonne ist von allen Komponenten des Sonnensystems am wenigsten ausgereift, ebenso dürfte die Oberfläche von Jupiter, des grössten Planeten, nach den Veränderungen seiner Atmosphäre zu schliessen, noch nicht erstarrt sein. Miteinander vergleichbar sind Saturn und Neptun, weil sie annähernd gleiche Masse besitzen, und deshalb vielleicht auch un- gefähr im gleichen Entwicklungsstadium befindlich sind. Sie besitzen in der Tat fast gleiche Dichte, d. h. voraussichtlich ungefähr gleiehe Zusammensetzung, können also einigermassen als Beleg dafür gelten, dass gleiche physikalische Entwicklungsbedingungen (gegeben durch die gleichen Massen) zu gleichen Resultaten führt. Die kleinen innern Planeten. Von diesen besitzt die Erde die grösste Masse, sie wird deshalb in ihrer Entwicklung relativ am weitesten zurück sein. Die geolo- gische Geschichte der Erdrinde beweist, dass die Erdschrumpfung bis in die allerjüngste Zeit angedauert haben muss, dass also die kos- mische Entwicklung im Erdinnern noch nicht abgeschlossen ist. An- drerseits muss die Erde doch einen sehr gealterten Planetentyp dar- stellen, ihre Dichte ist relativ hoch; man weiss ferner, dass sie schon seit sehr langer Zeit mit einer festen Rinde überdeckt ist. Eine ver- gleichende Studie zwischen der Erdkonstitution und derjenigen der andern kleinen Planeten scheint deshalb möglich. Es zeigt sich so- fort, dass die Innenzusammensetzung dieser letzteren wesentlich ver- schieden sein muss, was den relativen Anteil an schwereren Stoffen anbelangt. Es lässt sich ferner auch keine Dichtebeziehung in Betreff auf den Sonnenabstand ersehen. Ob eine Gesetzmässigkeit in evolutionistischem Sinne besteht, lässt sich auf folgender Basis nachprüfen: Gemäss früheren Annahmen, muss die kosmische Entwicklung unter gleichen Bedingungen zu gleichen Resultaten führen. Von aussen nach innen fortschreitend, werden in der Erde Zonen von unterschiedlichen physikalischen Be- dingungen vorhanden sein. Entsprechende Zonen müssen sich auf andern Planeten wiederfinden, wenngleich in anderer Mächtigkeit wegen der verschiedenen Schwerkraft. Derartig einander zugeordnete Schalen besässen demnach gleiche chemische Konstitution und mithin 184 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 gleiche Dichte. Falls man nun über die jeweilige Dichte der ver- schiedenen Tiefenstufen der Erde orientiert ist, lässt sich das Innere der andern Planeten in Schalen von supponiert gleicher Dichte unter- teilen, woraus sich eine theoretische Gesamtdichte eines jeden Pla- neten ergibt. Diese muss, wenn die Voraussetzungen richtig sind, ungefähr mit der astronomisch berechneten wahren Dichte überein- stimmen. Die Konstitution des Erdinnern (vergl. lit. 6). Die Geschwindigkeiten seismischer Wellen, welche sich durch grössere Erdtiefen hindurch fortpflanzen, sind geeignet, uns Aufschluss zu geben über die Erdkonstitution in diesen Tiefen. Aus ihnen kann ersehen werden, dass nach der Tiefe hin verschiedene Diskontinuitäts- flächen existieren, welche Erdschalen von verschiedener Wellen- geschwindigkeit trennen. E. WIECHERT und seine Schüler erklärten diese Erscheinung durch mehr oder weniger sprungweise Änderung der chemischen Zusammensetzung resp. der Dichte mit der Tiefe. Diese Auslegung scheint plausibel, weil ja infolge des hohen spezi- fischen Gewichtes der Erde nach innen zu bedeutend dichtere Stoffe liegen müssen als diejenigen, welche die Rinde zusammensetzen. Die sprungartigen Dichteänderungen liessen sich vom evolutionistischen Standpunkt aus folgendermassen erklären: Es existieren für die leich- teren Stoffe, welche die Rinde zusammensetzen, gewisse Druckgrenzen, über welche hinaus deren Existenzbedingungen ungünstig werden. Im Druckfelde der Erde äussern sich diese Übergänge durch kon- zentrisch angeordnete Unstetigkeitsflächen. Die neueren Arbeiten von GEIGER und GUTENBERG lassen auf fol- gende Hauptdiskontinuitätsflächen schliessen: I 1193 + 50 km Tiefe II 2454 + 100 km Tiefe KLussmann (lit. 7) berechnete, gestützt auf diese Daten, die Dich- ten der innern Kernzonen, indem er für den Aussenmantel verschie- dene denkbare Dichten einsetzte. Er fand folgende Tabelle, worin die fettgedruckten Zahlen wohl den Vorzug verdienen: Vorausgesetzte Dichte der Aussenrinde 3,0 3,2 3,4 3.6 Gefundene Dichte des Zwischenmantels 7,2 6,6 60 5,4 Gefundene Dichte des Kerns a In den Meteoriten besitzt man einen weiteren Anhaltspunkt über die Zusammensetzung des Innern von kosmischen Körpern, da Jahrg. 67. RıcHarnD A. SONDER. Über die Ursachen der Erdkontraktion. 185 dieselben voraussichtlich aus Bruchstücken grösserer Himmelskörper bestehen. Die Meteoriten zerfallen in die beiden Hauptgruppen der Eisen- und Steinmeteoriten mit spezifischen Gewichten von 3—3,6 und 7,5—8. (Es existieren auch verbindende Zwischenglieder.) Man hätte demnach zur Hauptsache nur einen Steinmantel und einen Kern zu unterscheiden. Unter Berücksichtigung der mittleren Erd- dichte müsste der Übergang im Erdinnern zwischen 1200—1600 km liegen. In den grossen Zügen kann dieses Bild mit dem Resultat der Erdbebenforschung in Einklang gebracht werden, wenngleich die angegebenen Einzelwerte für Zwischenmantel und Kern kaum ihr Äquivalent besitzen. Immerhin muss man bedenken, dass der heutige Zustand des Erdinnern noch nicht definitiv sein kann. Es soll aber im Folgenden die Möglichkeit berücksichtigt werden, dass im Erd- innern nur Mantel und Kern zu unterscheiden ist. Das physikalische Feld im Innern von kosmischen Massenkörpern. Als Hauptfaktoren, welche den Kondensationsprozess der Materie beeinflussen können, wird man Temperatur und Druck zu be- rücksichtigen haben; zwei Faktoren, welche einander entgegenwirken: Temperatursteigerung verursacht Expansion, Drucksteigerung Kom- pression. Es scheint deshalb wahrscheinlich, dass der Tiefendruck die Bildung schwererer Elemente fördern wird, die Temperaturerhöhung mit der Tiefe dagegen verzögernden Einfluss hat. Über die Temperatur- zunahme nach dem Innern der Erde ist man ungenügend orientiert, weil man nicht weiss, wie tief hinab der feststellbare Öberflächen- gradient gilt. Die Temperatur kann also bei dem folgenden Vergleich nicht berücksichtigt werden. Falls man aber die nicht unwahrschein- liche Annahme macht, dass die Innentemperatur bei entwickelteren kleineren Himmelskörpern geringer ist, so wird ihr Einfluss der sein, dass bei ihnen bereits etwas geringere Drucke den festgelegten Tiefen- stufen der Erde entsprechen. Mit andern Worten: die Dichteverhält- nisse des Erde sind noch nicht völlig ausgereift, die zu berechnenden theoretischen Dichten müssen etwas kleiner als die wahren aus- allen Der Druck im Erdinnern. Derselbe kann ohne Zuhilfe- nahme von Hilfshypothesen (z. B. Larpracesche Formel) nicht berechnet werden. Der Druck einer Tiefenstufe wird etwas höher liegen als der berechnete hydrostatische Druck, weil es sich um ein konver- gentstrahliges Gravitationsfeld handelt. Der hydrostatische Druck stellt somit einen Minimalwert dar (Formel I). Ebenso kann man 186 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. _ 1922 einen Maximalwert des Druckes angeben, welcher auf keinen Fall überschritten werden kann, nämlich das Gesamtgewicht der über- lagernden Massenschale, dividiert durch die :Kugeloberfläche der be- treffenden Tiefenstufe (Formel II). Dass diese Werte zu hoch aus- fallen, insbesondere bei grossen Tiefenstufen, ersieht man leicht daraus, dass sich daraus für das Erdzentrum ein unendlicher Druck ergeben würde. Obige Formeln lassen sich folgendermassen in geeigneter Form herleiten: . Formel I. Bezeichnet man mit R den Gesamtradius der zu untersuchenden Massenkugel, mit r den variabeln Radius der Tiefen- stufe, mit s, die Dichte des überliegenden Kugelmaterials und mit @ endlich das mit der Tiefe sich ändernde Gewicht der Masseneinheit, so ist der gesuchte Druck in gr gleich R P=/sGdr Wenn c die Gravitationskonstante, m die Masse der Kernkugel vom Radius », m, und R, Masse und Radius der Erde bedeuten, so ist Si r m R3 d= —— = — „6 in, 2 BR, Weiterhin sei die Dichte der Erde s,, die Dichte der jeweiligen Kern- kugel s’. Dann ist 0 So s’ ist mit wechselnder Tiefenstufe variabel, sobald der Kern diskon- tinuierlich unterteilt ist. Befindet man sich in einer Schale von der Dichte s, und besitzt der Kern, welcher von der nächsttieferen Dis- kontinuitätsfläiche mit dem Radius « umschlossen ist, die Dichte 8; so bekommt man für s folgende Gleichung: 4 4 z za’s, + 3 el" —ar)s, r wre estate) #: r? “ de 3 somit ist 1 a? ee. 0. [%«. rs Varna! ‚| 00 Jahrg. 67. RıcHARD A. SONDER. Über die Ursachen der Erdkontraktion. 187 Wenn schliesslich « der Radius der ersten Diskontinuitätsfläche eines Massenkörpers vom Radius R bedeutet, so erhält man den zu- gehörigen Tiefendruck 5 R 2 FT L, PER 4 Ro So a? Be (— 5) rs, dr Durch Auflösung des Integrals und seine Umformung findet man als Formel I _ (Ra) E Le Ar! | P= Be R (8; ey AH r a) Formel II. Wenn ö den rer er Breitenwinkel, @ den Längenwinkel bedeutet, r? sin ödödgpdr also dem Volumelement entspricht, so findet man für den Druck R a 2n SSSs@r?’ sin ödödgpdr P Er® @o0oo0 140 4n ua° Durch analoge Umformung der Gleichung wie oben und durch Auflösung der Integrale, erhält man als Formel II den folgenden Ausdruck: — a! R— R.=a& —5)4 +4 ern "= Theoretische und wahre Dichten der kleineren Planeten. In folgender Tabelle finden sich die theoretischen Dichten, welche sich aus obigen Formeln berechnen, den wahren Dichten gegenüber- gestellt, unter der Annahme, dass für Aussenmantel, Zwischenschale und Kern die Dichten 3,4; 6; 9,1 gelten: | Badia Äquivalente Tiefenstufen nach Sant | in II s | nn Druck in kg pro em? | Druck in kg pro cm | Er, 413000 | 1180000 | 515000 | 1942000 Erde | 6370 | 1200 | 2450 | 1200 | 2450 | 5,6 | 5,6 | 5,6 Venus ' 6100 | 1360 | 2820 | 8270 | 2530 | 5,10| 5,31| 5,2 Mars 3400 |188 000 Zentraler (1870) | (2570) | 3,4 |(3,7) | 4 Merkur 2400 | 93000 Druck in — — 184 ? Mond: 1740 | 49000 ke Do” ui er 34.1: | 94 | 188 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Das Resultat der Berechnungen entspricht also völlig der Theorie, die berechneten Dichten liegen etwas unterhalb den wahren, wenn man die Resultate von Formel I als genauer betrachtet. Der Unter- schied der Resultate ist relativ klein beim Planeten Venus, was zu erwarten ist, steht er doch in seiner Masse und voraussichtlich in seinem Entwicklungsstadium der Erde am nächsten. Die Differenz ist am grössten beim Planeten Mars, was keine weitere Beeinträch- tigung obiger Resultate darstellt, weil ja der bedeutend kleinere Mars sicher schon völlig ausgereift ist. Die Monddichte zeigt an, dass es tatsächlich von einer gewissen Minimaldruckgrenze an abwärts (Ge- steinsmantel der Erde) nicht mehr zur Bildung eines zentralen Metall- kerns kommt. Unter der Annahme eines 1400 km mächtigen Mantels von der Dichte 3,4 und eines entsprechenden Kerns von der Dichte 8 (Me- teoriten!) erhält man eine theoretische Dichte der Venus von 5,9, also einen annehmbaren Wert. Das Resultat würde ebenfalls wenig verändert, falls man annimmt, es finde ein allmählicher Über- gang von Steinmantel zu Kern statt; die bestehenden Unsicherheiten in der Abgrenzung der verschiedenen Dichteschichten kommen also für das Endresultat nur in geringfügigem Masse in Betracht. Es geht aus obigen Berechnungen hervor, dass auf den verschiedenen Planeten Schichten gleicher Dichte unter gleichen Druckbedingungen liegen, also auf kleineren Massenkörpern erst entsprechend tiefer sich vor- finden als auf grösseren. Die Grösse des vorhandenen Metallkerns ist eine Funktion des Innendrucks. Man hat somit ein Mittel in der Hand, aus den Ra- dien gealterter Weltkörper Rückschlüsse auf deren Dichte und damit deren Masse zu ziehen. Praktische Be- deutung erlangt dieses Resultat beim Planeten Merkur. Über seine Masse ist man, wie ausgeführt (S. 182) nicht orientiert, am genauesten kennt man noch den Radius. Aus dessen Grösse lüsst sich folgern, dass die Dichte dieses Planeten wenig über 3,4 liegen kann, vielleicht 3,5 beträgt (Vergleich der Zentraldrucke von Mond, Merkur, Mars). Daraus würde sich eine Masse von !/,,00000 der Sonne ergeben. In der Literatur findet man Angaben von '/, 000000 bis "/ıs 000 000” Nun hat aber 1911 Backun anlässlich des Durchganges des Enke- schen Kometen eine neue Massenberechnung durchgeführt, welche ebenfalls !/, „0000 ergab und welche eine der zuverlässigsten Massen- bestimmmungen des Merkurs ist. Die Theorie scheint sich mithin auch am Merkur zu bewähren. Jahrg.67. RıcHAaRrD A. SONDER. Über die Ursachen der Erdkontraktion. 189 Die Kontraktionsmöglichkeiten kosmischer Massenkugeln. Fassen wir nochmals zusammen: Die Verdichtung der Materie durch Umwandlung einfacherer Atome in komplexere ist weitgehend vom Druck abhängig. Je höher die wirkende Masse, desto höher der Innendruck, um so grösser also auch der sich bildende schwere Kern. Unter einem gewissen Druckminimum wird sich kein Metall- kern mehr bilden können, d.h. die chemische Zusammensetzung wird sich nach der Erstarrung im Innern nicht mehr ändern. Daraus muss man schliessen, dass derartige Massenkugeln nach der Er- starrung keine nennenswerte Kontraktion mehr er- leiden werden. Für sie kann höchstens eine leichte thermische Kon- traktion in Frage kommen. Ist diese Konsequenz der Theorie erfüllt? Es wurde bereits festgestellt, dass der Mond zu geringe Masse besitzt, als dass es bei ihm zur Bildung eines Kerns hätte kommen können. Es sind deshalb auf seiner Oberfläche die Spuren einer ther- mischen Kontraktion zu erwarten, d.h. Risse, Spalten usw., wie auf Seite 179 ausgeführt wurde. Diese Folgerung wird durch die Tatsachen bestätigt. Da reliefzerstörende Faktoren auf der Mondoberfläche nicht wirksam sind, so hat sich dort die primäre Erstarrungskruste zu erhalten vermocht. Zahlreiche Rillen und kilometerlange Spalten (bis zu 5 km breit) weisen auf eine rasche Abkühlung und Kon- traktion der Oberfläche hin. Auch die rätselhaften schmalen Licht- streifen, insbesondere diejenigen, welche strahlenartig von einigen Kratern ausgehen und sich längs grössten Kreisen (Mondmeridianen) tausende von Kilometer weit fortsetzen, dürften am ehesten solche rissartige Zertrüämmerungszonen (keine klaffende Spalten, setzen sie sich doch über die Unebenheiten fort) darstellen, längs welchen an der Oberfläche sich sublimierende Gase emporgestiegen sind. Diese Strahlensysteme besitzen auf’ der Erde weder ein tektonisches noch sonstiges Äquivalent und müssen deshalb wohl eine charakte- ristisch Junare Erscheinung sein. In der Tat entstehen solche Bruch- systeme, wenn durch rasche Kontraktion die Aussenrinde zu klein wird, wie CARPENTER und NasmyTH (lit. 15, S. 127) durch folgendes Experiment nachgewiesen haben: Eine bei 4 mit Wasser gefüllte und verschlossene Glaskugel wurde abgekühlt, bis das sich ausdeh- nende Wasser die Wandung sprengte. Von der schwächsten Stelle aus entwickelte sich ein ganz analoges strahlenartiges Sprungsystem, wie es die Mondstrahlen zeigen. Derartige Bruchsysteme setzen eine völlig verfestigte Rinde voraus. Damit stimmt überein, dass die wenigen grossen Mondkrater der Mondmeere (zuletzt verfestigt) meist 190 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 einen solchen Strahlenkranz besitzen, während von den viel zahl- reicheren Kratern der „terrae* (zuerst verfestigt) nur relativ wenige ebenfalls Strahlen besitzen. Sichere Anzeichen einer stattgehabten Kompression lassen sich auf der Mondoberfläche nicht beobachten. Faltengebirge, denjenigen der Erde vergleichbar, treten keine auf. Ein Rindenzusammenschub und deshalb eine Kontraktion der inneren Partien kann demnach für den Mond nicht angenommen werden, denn es scheint sehr unwahr- scheinlich, dass sich diese Störungen alle auf der erdabgewandten Seite vollzogen haben. Aus diesen Tatsachen ergibt sich klar die Unwahrscheinlichkeit einer thermischen Erdkontraktion, denn es müssten die Kontraktionswirkungen auf beiden Weltkörpern zum mindesten proportional gleich sein. Wenn man für die Erde, vor- sichtig geschätzt, seit beginnender Erstarrung eine Radiusverkürzung von 5 °% annimmt (dieselbe ist wahrscheinlich bedeutend grösser), so ergäbe das für die Mondrinde einen äquivalenten Zusammenschub von 500 km, welcher der Beobachtung sicher nicht entgehen könnte. Dass es bei einer derartigen Kontraktion zu Rindenstauchungen hätte kommen müssen, lässt sich daraus ersehen, dass der maximal denk- bare Tangentialstress in der Mondrinde sich auf ca. 75000 kg pro m? berechnen lässt (spez. Gewicht der Aussenschale zu 2,6), also ein Druck weit höher als jegliche Gesteinsfestigkeit. Der Gegensatz zwischen Mond- und Erdtopographie bildet somit eine starke Stütze einer Kernverdichtungstheorie im obigen Sinne. Ein weiterer Vergleich der Oberflächengestaltung ist nur noch mit dem Planeten Mars möglich, weil bei ihm allein die Ober- fläche selbst gesehen werden kann. Eine Kontraktion vom Mars durch Kernevolution scheint nach den gegebenen Daten nur in be- schränktem Masse möglich, deren eventuelle Folgen auf die Rinde müssen durch die auf diesem Planeten tätige Erosion schon längst zerstört worden sein, «weil die Innenentwicklung bei dieser kleinen Massenkugel sicher schon lange abgeschlossen ist. In der Tat zeigt Mars in bezug auf Relief ein undifferenziertes, eintöniges Ober- flächenbild. Vergleich der chemischen Zusammensetzung der verschiedenen Himmelskörper. Zu einem solchen Vergleich besitzt man folgende Basis: Der Durchschnittschemismus der Erdrinde. Der Durchschnittschemismus der Meteoriten. Die Spektralanalyse des Sonnenlichts usw. Jahrg. 67. RICHARD A. SONDER. Über die Ursachen der Erdkontraktion. 191 Der Durchschnittschemismus der Erdrinde. Man darf mit CLARKE annehmen, dass die Gesteine der Erdober- fläche uns die mittlere Zusammensetzung der Rinde bis zu ca. 16 km vermitteln. Nach abnehmender Häufigkeit geordnet, gelten für die verschiedenen Atomtypen die folgenden Verhältniszahlen (hauptsäch- lich zusammengestellt nach lit. 8, 9, 10): 5 5 4 Ai Nm rar urn 0 30: 9,5: 9,5..:2,5 1404, BD rt 0806 u 5.:.0 N MD. Ba en BR 28. N .05 .03 .03 .02 .01 .007 .007 .004 .004 .004 .003 .002 Bern en TE MEMeiRb Wo 73 La Sb u x Ber-Th Kr. Ag ee, 80001: erst. B0BBBE 13 Cd Hg Bi Cs Nb Ne Te Sa Ta Xe Pt Au aa et De ee, 6a In TI Os Ir. Ge Rh Pd Ru Ra se, .000000001 : 22...» » 0000000002 Es ist klar, dass obige Schätzung nur approximative Bedeutung hat, es werden besonders bei den selteneren Elementen vielfach un- richtige Einreihung vorhanden sein, sobald es sich um annähernd die gleichen absoluten Werte handelt. Am geringsten sind die relativen Schätzungsfehler bei Elementen, welche durch gleichartige Konzen- trationsprozesse in der Natur angereichert wurden, also insbesondere bei chemisch verwandten Elementen, z. B. As und Sb. Dagegen ist es absolut unmöglich, seltenere, wesensfremde Elemente auf ihre gegen- seitige relative Stellung hin auszuwerten, sobald es sich um ange- _ nähert die gleichen prozentualen Anteile handelt, z. B. As und Ce. Der Durchschnittschemismus der Steinmeteoriten. Aus der von Farrington gegebenen Durchschnittszusammensetzung der Steinmeteoriten (lit. 11, 8.277) ergeben sich folgende atomare Ver- hältniszahlen : | gear ER Ab 56 AB 6 22 22 05 04.04 192 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Mn RP Co Ti Sn 03.015009 ...002.. .001 Ausserdem fanden sich auf den Meteoriten noch folgende Ele- mente geordnet nach steigender Atomnummer: He, Li, N, Cl, A, V, Cu, As, Se, Sr, Zr, Mo, Ru, Pd, Sb, J, Ba, ©, 237. Wa, Os; Ir, Pt. Au, R1,:.Bi,. U. Der Chemismus der Sonnenoberfläche. Über die qualitative Zusammensetzung der Sterne gibt uns die Spektralanalyse Auskunft. Es ist denkbar, dass uns die Linieninten- sität gewisse Anhaltspunkte gibt über die relative Verbreitung der verschiedenen Atomarten. Die Sonne ist von allen Sternen am besten bekannt. Die auf ihr bisher gefundenen Elemente lassen sich nach abnehmender Linienintensität folgendermassen einordnen (nach Row- LAND): Ca, Fe, H, Na, Ni, Mg, Co, Si, Al, Ti, Cr, Mn, Sr, V, Ba, C, Sc, Y, Zr, Mo, La, Nb, Pd, Nd, Cu, Zn, Cd, Ce, Be, Ge, Rh, Ag, Sn, Pb, Er, K, He, O, Ga, Li, Rb. Zweifelhaft festgestellt sind: %.:08,.Pk. Bo. Ta. Db.-W., U. Immerhin liegen die Verhältnisse nicht so einfach, dass man aus der Linienintensität sichere Schlüsse auf die Verbreitung der betref- fenden Elemente ziehen könnte. Denn ebenso wie die Aussenelek- tronen Träger der chemischen Eigenschaften sind, so verursachen sie auch die Lichtemission, was von Element zu Element zu unterschied- lichen Wirkungen auf die Stärke der bekannten Linien führen kann, weil die Eigenschaften der äussern Elektronenschalen periodische Wechsel zeigen. | Die Aussenelektronen kreisen nach BoHR auf bestimmten Bahnen um das Atom herum. Absorption resp. Lichtemission entsteht dadurch, dass die Elektronen auf äussere Bahnen geworfen werden oder au innere Bahnen wieder zurückfallen. Die bei diesem Vorgang statt- findenden Energiegehaltswechsel des Elektrons finden ihr Äquivalent in Aufnahme resp. Aussendung von Licht bestimmter Wellenlänge, d. h. es entsteht eine Spektrallinie. Je mehr Energie deshalb das Atom aufnimmt, desto weiter vom Zentrum ab liegen die Elektronenbahnen, wodurch auch andere Linien entstehen werden, bei eintretenden Bahn- wechseln. Schliesslich kann ein Elektron soweit abkommen, dass e8 in den Wirkungskreis anderer Atomkerne gerät, das Ursprungsatom wird dadurch ionisiert. Es ist leicht ersichtlich, dass mit Energie aufnahme die Bedingungen der Lichtemission sich ändern müssen, 8pe Jahrg.67. RICHARD A. SONDER. Über die Ursachen der Erdkontraktion. 193 ziell die eventuell eintretende lonisation kann auf die Lichtemission der verbleibenden Elektronen von grossem Einfluss sein. Mit stei- gender Erregung (Erhitzung) muss sich ein Wechsel im Emissions- spektrum vollziehen. Neue Linien treten auf, während die bisherigen Linien sich abschwächen und in extremen Fällen schliesslich ganz verschwinden. Derartige Erscheinungen zeigen sich bereits im La- boratorium beim Übergang vom Flammenspektrum zum Spektrum des elektrischen Ofens, und schliesslich zum ganz heissen Flammen- bogenspektrum. Diese Veränderungen muss man auch für die Sternspektren berücksichtigen, insbesondere werden auf der Sonne und noch mehr auf den heissern Sternen ionisierte Zustände häufig sein. Eine interessante Arbeit hierüber veröffentlichte M. N. Sana in bezug auf die Sonne (lit. 12). Zur Illustration des eben Gesagten sei ein Beispiel aus ihr angeführt. Natrium ist leicht ionisierbar, Kalium, das nächste Leichtmetall, ist leichter, und Rubidium noch leichter ionisierbar. Die bekannten Linien dieser Leichtmetalle im Flammenspektrum rühren vom neutralen Atom her, die Linien derionisierten Atome liegen dagegen im Ultravioletten und sind nicht beobachtbar, weil derartige Strahlen von der Erdatmosphäre absorbiert werden. Aus den Berechnungen ergab sich nun, dass bei Sonnentemperatur (6000 °) sehr viele Na- Atome ionisiert sein müssen, von K sind die meisten von Rb endlich alle Atome ionisiert. Nun weisen aber die Sonnenflecken niedrigere Temperatur auf (4000°), neutrale und deshalb sichtbare Rb-Atome sind in den Flecken denkbar, während zugleich die Linien der andern Leichtmetalle hier stärker hervortreten müssen. Dies Resultat wird durch die ‚Tatsachen besätigt, insbesondere gelang es H. N. Russe (lit. 13) bei der Nachprüfung das auf der Sonne bisher nicht bekannte Rb im Fleekenspektrum nachzuweisen. Ähnliches kann natürlich auch bei andern Elementen eintreten, oder aber es können andere Faktoren sich geltend machen, welche die Stärke der bekannten Linien beein- flussen oder deren Auftreten überhaupt verhindern. Es ist somit aus dem Nichtbeobachten der Linien eines Elementes nicht auch sein Nichtvorkommen auf der Sonne erwiesen. Über die Stärke der vor- handenen Linien entscheidet somit erstens die Gesamtzahl der ent- sprechenden Atome und zweitens der physikalische Erregungszustand. Aus der Zusammensetzung der Erdrinde und der Meteoriten geht hervor, dass die relative Verbreitung der verschiedenen Atomtypen um sehr grosse Beträge differiert. Die eben erwähnten Einflüsse müssen von Element zu Element schon sehr stark verschieden sein, wenn die Linienintensität nicht mehr massgebend für die relative Ver- breitung sein soll. Zwischen Elementen mit aufeinanderfolgenden Atom- legten reihe Naturf.Ges. Zürich. Jahrg.67. 1922. 13 Me Be 6 0 Me Ng5i 5 A Ca Ti Cr P Mi En Ge Se Kr Sr Trio Ru Pad Sn Te X Ba le Na 5m Gdly Er Adct Loos Pk Me PB Pr En I H TUR TTELIMITIT| 5) |AAlAg|m|sals \cs|zaler| 124172 o Wu cp \Za| \Ir\Aulrz Aclfa\ | Al UL LIYMA UEMALITALLLLETTITELH — a v | | ERFFSEIZE J M f / M Steinmekeoriten. || V BAAAAFT, AN N N | Nm | | N R S| / Y \M \ Erd’rinde. | N Nu N N, N | N \ / | x : N \N \ N\ "aunauu) we, \ | Sl | rı\3\s|?|9 |w]| al’) 77 | |9 |23]28 [27 29 |37 |33]35]37 [39] # | #3] #5 | 97] 99 ]97 133133157 5916/ [63 | 65 |e7| 69] 7/ | 73|75 177179 | 87 |83]85|87 189] 97 Ordnungszahlen —— Jahrg. 67. RICHARD A. SONDER. Über die Ursachen der Erdkontraktion. 195 nummern innerhalb einer Periode sind: sie jedenfalls nicht sehr gross. Es sind also für derartig nah verwandte Elemente Umstellungen kaum zu befürchten (stärkere Linien bei geringerer Atomzahl), wenn die Linienintensität deutliche Unterschiede zeigt. Unbrauchbar ist die Rowranpsche Serie nur für den Vergleich von nicht verwandten Elementen. Unter Vermeidung dieser Fehlerquellen lassen sich obige Daten folgendermassen graphisch vergleichen: Auf der Abszisse (vergleiche Figur) trägt man die Atomnummern der Elemente ab, ferner nume- riert man in den verschiedenen Serien die Elemente derart, dass das seltenste Element die kleinste „Häufigkeitsnüummmer“ erhält. Diese Zahlen liefern die Ordinaten zu einer Kurve, deren Steigen und Fallen uns relativ fehlerfrei über die Häufigkeit verwandter Atome orientiert, denn es ist klar, dass desto grössere Mengenunterschiede zwischen zwei Atomen bestehen, je mehr Elemente sich zwischen dieselben einschieben, je grösser also der Unterschied der Häufigkeits- nummern ist. Diese Kurven müssen uns unzweifelhaft Auskunft darüber geben, ob die Verteilung der Materie auf die verschiedenen Atom- arten auf den verglichenen Himmelskörpern eine zufällige ist oder nicht, denn nur im zweiten Falle wird man einen gleichsinnigen Kurvenverlauf der verschiedenen Serien erhalten können. Ein Blick auf die drei Kurven zeigt, dass die Probe positiv aus- fällt. Mit wenigen Ausnahmen lässt sich eine auffällige Parallelität im Steigen und Fallen beobachten. Es muss deshalb für Erdrinde, Steinmeteoriten und Sonnenoberfläche eine in den grosssen Zügen gleichsinnige relative Verteilung der Materie auf die verschiedenen Atomtypen angenommen werden. Ein Beispiel möge zeigen, dass aus den Stern- resp. Sonnenspektra folgerichtige Schlüsse auf die Zusammensetzung der Erdrinde gezogen werden können. Das Element Skandium tritt relativ früh in den Sternspektren auf, seine Linien sind deutlich im Sonnenspektrum. Es kann deshalb auch auf der Erde nicht zu den allerseltensten Elementen gehören, zu welchen es lange Zeit gerechnet wurde (J. H. L. VoGT zählt es z.B. an eünftletzter Stelle auf, lit. 8, $. 325). Neuerdings wurde denn auch von @. EBERHARD nachgewiesen, dass Sc zwar immer nur in geringen Quantitäten vorhanden ist, dafür aber vielleicht das weit- verbreitetste Element unter den seltenen Erden ist (lit. 14, 8. 472). Die Tatsache der analogen Zusammensetzung von Erdrinde, Sonnen- oberfläche und Steinmeteoriten würde erklärt durch die Annahme, dass alle drei genetisch von der gleichen Urmaterie abstammen, z. B. vom ANT-Lapraceschen Urnebel, ohne dass man stoffliche Veränderungen 196 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 voraussetzen müsste. In einer. solchen Annahme wäre aber gleich- zeitig die Konsequenz eingeschlossen, dass alle Planeten in abge- kühltem Zustand ungefähr die gleiche Dichte besitzen, was nicht stimmt. Es bleibt somit als alleinige Möglichkeit die Annahme einer Evolution der Materie zum mindesten im Innern der grössern Planeten, d.h.es muss ein sol- cher Prozess stattfinden oder stattgefunden haben, wie er hier zur Erklärung der Erdschrumpfung ange- nommen wurde. Schlussbetrachtungen. Wir sind von der Feststellung ausgegangen, dass durch eine rein thermische Abkühlung der Erde die Faltungserscheinungen der Rinde nicht erklärt werden können. Abschliessend sei darauf hingewiesen, dass, wie schon längst bekannt, rein thermische Abkühlung ebenso- wenig die Entwicklung der Fixsterne begreiflich macht. Die Geologie lehrt uns, dass die Sonne seit Millionen und Millionen von Jahren immer ungefähr im gleichen Glanze gestrahlt haben muss, denn man besitzt Kenntnis von schon vorkambrischen Eiszeiten, welche bei einer bedeutend heisseren Sonne undenkbar wären. Es sind deshalb ohne merkliche Abkühlung in dieser sehr langen Zeit ungeheure Energie- massen von der Sonne ausgestrahlt worden, deren Herkunft von der thermischen Abkühlungslehre aus absolut unerklärbar sind. Die radio- aktiven Substanzen zeigen an, dass intraatomar viel Energie auf- gespeichert ist, und geben damit einen Hinweis, in welcher Richtung die Lösung des stellaren Energieproblems gesucht werden muss. Dass damit die Lehre von der Konstanz der Elemente fallen gelassen werden muss, ist klar. Ein prinzipieller Unterschied zwischen Materie und Energie kann nach den neuesten Anschauungen der Physik und der Atomtheorie nicht mehr bestehen, und da ein Gramm Masse eine ungeheure Energiemasse darstellt, so bieten sich hier ganz neue Gesichtspunkte zum Verständnis der Fixsternentwicklung. Bekanntlich lassen sich von der Sonne an rückwärts, zunehmend heissere Fixsterntypen abgrenzen, welche bei gleichzeitig abnehmender Dichte ein immer einfacheres Spektrum aufweisen, indem die Linien der schwereren Elemente verschwinden. Ausgangspunkt dieser Serie sind wahrscheinlich die leuchtenden Gasnebel, welche ausser H un He nur noch wenige andere nichtidentifizierte Linien zeigen. Diese Fixsternserie suggeriert unbedingt den Gedanken an eine Evolution der Materie aus einfacheren Gebilden, ein Gedanke, welcher schon sehr frühzeitig ausgesprochen wurde (CLARKE, LOCKYER). Jahrg. 67. RıcHArD A. SONDER. Über die Ursachen der Erdkontraktion. . 197 Eine Evolution der Materie im Erdinnern passt sich »zwanglos in diesen Entwicklungsgang ein und stellt eine materielle Kon- densation unter besonderen Bedingungen dar, gewissermassen als Fort- setzung obiger Fixsternentwicklung. Im Speziellen handelt es sich bei dieser Innenverdichtung um die Ausbildung eines Metallkerns, welcher vorwiegend aus Eisen und Nickel besteht und der vielleicht bei sehr hohen Drucken auch grössere Mengen an Edelmetallen enthalten mag. Am meisten Interesse verdient bei dieser Kernkondensation das Energieproblem. Wird bei einem derartigen Prozesse Wärme frei oder Wärme ge- bunden? Aus der Fixsternentwicklung heraus wird man vermuten, dass die Elementgenese mit einer gewaltigen Energieproduktion ver- knüpft ist. Erhitzt sich demnach die Erde bei ihrer Schrumpfung? Der Geologe kann sich sicher nicht auf diesen Standpunkt stellen. Wenn die Erde ihre Temperatur überhaupt ändert, so ist eine Wärmeabnahme mit den Tatsachen weitaus am besten vereinbar. Eine Erklärung dieser Schwierigkeiten scheint in folgenden Tatsachen angedeutet: Die maximale Einergieproduktion beobachtet man bei den Sternen der ersten Fixsternklasse, dieselben zeigen noch ein relativ einfaches Spektrum mit wenigen Elementen von leichterem Atomgewicht. In dem Masse als die schwereren Elemente sich geltend machen, sinkt auch die Sterntemperatur; die Bildung dieser Elemente scheint demnach weniger Energie zu liefern. Die Erdkontraktion braucht mithin nicht mit einer Wärmeproduktion verknüpft zu sein, welche zuletzt zu einer starken Erhöhung der Oberflächentemperatur führen könnte, Überhaupt ist vielleicht die äussere Wärmebilanz gar nicht von so ausschlaggebender Bedeutung für die Vorgänge im Erdinnern, wie man anfänglich anzunehmen geneigt ist. Ein Verständnis dieser Prozesse erfordert allerdings eine eingehendere Kenntnis über den Atombau als dem heutigen Wissen entspricht. Immerhin sind in dem. hier vorgelegten Material Tatsachen enthalten, welche anscheinend fruchtbringende Leitlinien für die Atomforschung werden können. Dies soll in einer andern Arbeit näher ausgeführt werden, wobei dann, an Hand weiterer Gesichtspunkte, etwas eingehender auf eben an- setönte Probleme eingetreten werden kann. 0 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 : Literaturnachweis. 1. J. KoENIGSBERGER, Berechnung des Erdalters. Geol. Rundschau. 1910, 2. ar Zeitmessung in Geologie auf Grund der radioaktiven Erscheinungen. e Naturwissenschaften. 1917. 3.7. ae Vulkanismus I. 1914. 4. P. Nıccuı, Kristallstruktur und Atombau. Zeitschr. f. Kristallographie, 1921. 5. W. Kossen, Über die physikalische Natur der Valenzkräfte, Naturwissenschaften. . B. Sınmerssach, Heutiger Stand unseres Wissens aa NisE der Erde, Jahrb. nassauischen Vereins f. Natkd. Wiesbaden 70. ‚ Kıussmans, Über das Innere der Erde. Diss. BEE 915 J.H.L. VogT, Relative Verbreitung der Elemente. Zeitschr. f. DR. Geologie. 8 a Ra I 898. 9. BevschtLas, Krusch, Vogt, Lagerstätten der nutzbaren Mineralien. Bd. I. 1914. 10. F. CLarkk, Data of Geochemistry. Washington 1911. 11. F. Berwertn, Fortschritte der Meteoritenkunde. Fortschr. f. Mineralogie, Krist. - Pält... Bd. 12. M. N. Sana, Elements in the Sun. Phil. Mag. 1920. II. 13. H. N. RussEL, N of Matter as illustrated by the Stars. Publ. Astronomical Soc. Pacific. 19 14. G. EBERHARD, ee Berliner Akad. 1908. 15. S.Güntuer, Vergleichende Mond- und Erdkunde. Braunschweig. 1911. 16. R. A. Sonper, Kontraktionstheorie und erdgeschichtliche Diastrophismen ; Geol. Rundschau. 1922. Dr. F. 6. Stebler zum 11. August 1922. FRIEDRICH GOTTLIEB STEBLER ist am 11. August 1852 in Safneren, jenem Teil des bernischen Seelandes geboren worden, wo vordem die Aare in breiten Bogen durch den flachen Talgrund ihren Weg sich bahnte und oftmals grosse Strecken Landes unter Wasser setzte. Der Bauer des Seelandes ist bekannt als fleissig, zäh in der Verbesserung seines Bodens und offenen Sinnes für den Fortschritt in seinem Berufe. Schon um die Mitte des 18. Jahrhunderts hat er unter kräftiger Förderung der damals physiokratischen Anschauungen huldigenden Aristokratie des alten Berns den Vorteil vermehrten Futterbaues erkannt und manches Dorf der Gegend hat sich in jener Zeit durch Anpflanzung der Esparsette und anderer Futterpflanzen aus früherer Armut zu bescheidenem Wohlstand und damit zu besserer Bildung und grösserer geistiger Freiheit emporgearbeitet. Ganz be- sonders aber ist es dem unermüdlichen Fleisse der Bewohner des See- landes zu danken, dass nach durchgeführter Juragewässerkorrek- tion sehr rasch grosse, bisher unbebaute Gebiete der Kultur, vornehmlich dem Ackerbau, erschlossen wurden. Nirgends in der Schweiz werden die grundverbesserten Gebiete so mustergültig bewirtschaftet wie hier. Auf diesem Boden ist Dr. Stebler herangewachsen. Und wie ihm die Überlieferung im landwirtschaftlichen Betriebe seiner engern Hei- mat die Richtung gab für seine spätere Tätigkeit in der Förderung des Acker- und Futterbaues, der er mit der Zähigkeit und Geschick- lichkeit des Seeländers oblag, so wirkte in ihm auch nach, was er im Elternhause sah und lernte. Neben dem landwirtschaftlichen Betriebe besass sein Vater eine ländliche Mühle, die heute noch den Seeländer Bauern ihr selbst gepflanztes Getreide vermahlt. So erlernte Stebler schon in seiner Jugend neben der Landwirtschaft auch das Müllerei- gewerbe von Grund aus, und er kam so auch in engsten Verkehr mit der bäuerlichen Bevölkerung und lernte damit ihre Anschauungsweise, ihre Bedürfnisse und Wünsche kennen, was ihm alles später so sehr zu statten kam. Im Frühjahr 1870 trat Stebler in die landwirtschaftliche Schule Rütti bei Bern ein. Diese Schule stand damals unter der Leitung 200 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 von RUDOLF HÄNT, eines durch seine Veröffentlichungen auf dem Ge- biete des Pflanzenbaues bekannten und von Stebler stets hochgeschätzten Mannes. Nach Beendigung des zweijährigen Kurses verliess er im Frühjahr 1872 die Rütti, um während des Sommers in Fleurier als angehender Landwirt sich zu betätigen. Im Herbst dieses Jahres liess er sich sodann an der Universität Halle a. S. als Landwirt immatri- kulieren. Er besuchte unter anderem die Vorlesungen von CONRAD (Nationalökonomie), MÄRCKER (Agrikulturchemie), KRAUS (Botanik), besonders aber von JULIUS KÜHN (Landwirtschaft), mit dem er auch später noch in regem schriftlichem Verkehr blieb. Nach einer längeren Studienreise nach dem Norden (Hannover, Holstein, Schleswig und Dänemark), wobei er Gelegenheit fand, bei CH. JENSEN in Kiel und E. MöÖLLER-HoLST in Kopenhagen die Untersuchung des landwirt- schaftlichen Saatgutes, die Samenkontrolle, praktisch kennen zu lernen, siedelte er im Herbst 1874 an die Universität Leipzig über, wo er die Vorlesungen von ROSCHER (Nationalökonomie), BLOMEYER und BIRNBAUM (Landwirtschaft), LEUCKART (Zoologie), KnOP (Agrikul- turchemie) besuchte und im botanischen Institut unter Hofrat AUGUST SCHENK arbeitete. Am 25. Juli 1875 bestand er dort in den Fächern Landwirtschaft, Botanik und Nationalökonomie die Doktorprüfung. In die Schweiz zurückgekehrt wurde er zunächst von der Regierung des Kantons Bern zum kantonalen Brennereiinspektor gewählt. Ab- handlungen, die er in den Berner Blättern für Landwirtschaft über die Notwendigkeit der Einrichtung einer Samenkontrollstation in der Schweiz veröffentlichte, führten ihn dazu, im Mattenhof bei Bern eine solche Anstalt in bescheidenstem Umfange als private Unternehmung einzurichten. Im Jahr 1879 siedelte er sodann auf Rat von Regie- rungsrat BODENHEIMER nach Zürich über, um sich an der seit 1871 bestehenden landwirtschaftlichen Abteilung der eidg. techn. Hochschule als Privatdozent zu habilitieren. Er las zunächst über Milchwirtschaft und Futterbau, später regelmässig im Wintersemester über Alpwirt- schaft. Im Jahr 1901 gab er nach 25 jähriger Dozententätigkeit die Vorlesungen an der forst- und landwirtschaftlichen Abteilung auf. Um jene Zeit kam auch die Frage der Errichtung einer staat- lichen agrikulturchemischen Untersuchungsanstalt in Fluss, und: es führten so die Bestrebungen, die Dr. Stebler zuerst in der Schweiz angebahnt hatte, dazu, dass die von ihm gegründete Samenkontroll- station am 1. Januar 1878 als erste eidg. landwirtschaftliche Ver- suchs- und Untersuchungsanstalt in den Besitz des Bundes überging- Sie hat sich in der Folge unter der geschickten Leitung ihres Gründers ausserordentlich rasch und kräftig entwickelt, sodass sie nicht bloss Jahrg. 67. Dr. F. G. STEBLER zum 11. August 1922, 201 vom Inlande, sondern namentlich auch vom Auslande in ausserordentlich ‘ starkem Masse in Anspruch genommen wurde. Mit dem Jahre 1882 begann sich Dr. Stebler in verstärktem Masse der Versuchstätigkeit auf dem Gebiete des Futterbaues zu widmen. Er entfaltete, in glücklichster Weise von Prof. Dr. C. SCHRÖTER ergänzt, angeregt und unterstützt, eine ausserordentlich fruchtbare Tätigkeit, insbesondere durch die Herausgabe der beiden Bände: „Die besten Futterpflanzen‘, eines Werkes, durch das die Kenntnis der Gräser und Kleearten bei der bäuerlichen Bevölkerung der ganzen Schweiz ungemein gefördert worden ist, und das auch im Auslande grosse Anerkennung gefunden hat, sodass es ins Französische, Englische und Russische übersetzt wurde. Daneben begann er mit ©. Schröter die Erforschung der schweizerischen Matten und Weiden, über die im ganzen 15 Beiträge erschienen sind. Besondere Werke wurden den Alpenfutterpflanzen, den Streuepflanzen und den Unkräutern der Wiesen und Weiden gewidmet. Im Jahr 1903 erschien als Abschluss seiner Dozententätigkeit das Handbuch der Alpwirtschaft. Vom Jahr 1901 an begannen die Monographien aus den Schweizer Alpen, die sich mit der Natur und dem Volksleben einzelner abgelegener Täler im Oberwallis befassen, zu erscheinen. Im Jahre 1882 und von 1889 bis 1916 redigierte Stebler mit ausserordentlichem Erfolg die schweizerische landwirtschaftliche Zeit- schrift, deren Leserzahl während dieser Zeit von 500 auf über 10.000 wuchs. Gross ist die Zahl der kurzen Abhandlungen über Futterbau, Ackerbau und Alpwirtschaft, die von ihm darin erschienen sind, und die neben der geschickten Auswahl des Stoffes hauptsächlich dazu beigetragen haben, den Leserkreis so sehr zu erweitern. Im Jahr 1917 trat er in den Ruhestand über. Heute kann Dr. F. G. STEBLER auf ein Leben reich an Erfolgen und an Anerkennung zurückblicken. Auch das Ausland ist seiner Bedeutung gerecht geworden; ist er doch u.a. korrespondierendes Mitglied der Land wirtschaftsgesellschaft in Wien und Foreign Associate der Highland und Agrieultural Society of Scotland in Edinburgh. Alle Unternehmungen, die ihm anvertraut waren, gediehen dank seiner klugen und umsichtigen Leitung. Die Samenkontrollstation entwickelte sich zu einer der ersten Anstalten ihrer Art und zur einzigen, die eigentliche internationale Bedeutung erlangte. Von Anfang an er- blickte er ihre Aufgabe nicht einseitig im Schutze der Landwirtschaft vor Übervorteilung im Saatguthandel; er wurde auch der Stellung der Händler gerecht und suchte die zuverlässigen unter ihnen zur Mitarbeit in der Herbeiführung gesunder Zustände im Verkehr mit 202 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 192 Saatgut herbeizuziehen. So erwarb er sich ihr Vertrauen, umsomehr, als er die Bedürfnisse des Handels, namentlich nach rascher Bericht- » erstattung bei grösstmöglicher Genauigkeit und Sicherheit der Er- gebnisse richtig erkannte und bestrebt war, die Untersuchungs- methoden nach jeder Richtung auszubauen. Durch die Heranziehung des Handels zur Mitarbeit war aber auch der Landwirtschaft am besten gedient. Die gleiche klare Erkenntnis der Bedürfnisse der landwirtschaft- lichen Praxis betätigte er in der Förderung des Futterbaues, der Alpwirtschaft und anderer landwirtschaftlichen Betriebszweige. Alle seine Schriften hierüber wie die zahlreichen Vorträge, die er überall in der Schweiz gehalten hat, sind klar, leichtverständlich und gehen ohne überflüssiges Beiwerk darauf aus, dem Praktiker das zu bieten, was ihm not tut. Deshalb auch die rasch sich folgenden Auf- lagen aller seiner Schriften und der ungewöhnliche Erfolg in der Leitung der schweizerischen landwirtschaftlichen Zeitschrift. Er hat aber auch namentlich durch die mit Prof. SCHRÖTER zusammen veröffentlichten Bei- träge zur Kenntnis der Matten und Weiden der Schweiz und die genauen Beschreibungen der Futterpflanzen und ihrer Standortsansprüche manche wissenschaftlich wertvolle Tatsache aufgedeckt. Ganz be- sonders von Vorteil war ihm die Gabe mit der ländlichen Bevölkerung zu verkehren bei der Erforschung der Lebensgewohnheiten und der Lebensbedingungen der Bergbevölkerung und ihrer Einrichtungen, denen er die fünf so wertvollen Monographien aus den Walliser Bergen gewidmet hat. Dem öffentlichen Leben und auch der Tätigkeit in Vereinen ist er in weiser Selbstbeschränkung fern geblieben. Dafür hat er ‚sich durch seine persönliche Liebenswürdigkeit, seinen Humor und seine Lebensweisheit eine grosse Zahl von Freunden und Bekannten el- worben, die mit den vielen, die ihn nur aus seinen Werken kennen, ihm bei seinem siebzigsten Geburtstage noch einen langen und sonnigen Lebensabend wünschen. A. Volkart. | Veröffentlichungen von Dr. F.G.Stebler. (Zusammengestellt von E. NEUWEILER.) 1. STEBLER F. G.: Untersuchungen über das Blattwachstum. Disser- tation. Leipzig 1876. 2. — Mileh- und Graswirtschaft in der Schweiz. Sonderabdruck aus der Schweiz. landw. Zeitschrift 1876. Jahrg. 67. Dr. F. G. STEBLER zum 11. August 1922. 203 Dr > ern —_— De ID 1877 Samenschwindel in der Schweiz. Sonderabdruck aus der Schweiz. landw. Zeitschrift 1877. | 1878 — Samenfälschung und Samenschutz. Zürich u. Bern 1878. 1881 — Der rationelle Futterbau und die schweizerische Landwirtschaft. 1. bis 3. Auflage, Bern 1881, 1883, 1883. — Die Grassamenmischungen zur Erzielung des grössten Futter- ertrages von bester Qualität. 1. bis 3. Auflage, Bern 1881, 1884, 1895. — Über den Einfluss des Lichtes auf die Keimung. Vierteljahrs- schrift der Naturforsch. Gesellschaft Zürich, XXVI, 1881. 5.102. 1882 . — La culture fourragöre rationelle et l’agrieulture suisse. Geneve 1882. Übersetzung der 1. Auflage von No. 5, veranstaltet von der Federation des Soeietes d’agrieulture de la Suisse romande. 1883 . STEBLER F. G. und C. ScHRöTER: Die besten Futterpflanzen I. Teil. 1. bis 4. Auflage. 4. Auflage STEBLER F. G. und A. VOLKART. Bern 1883, 1892, 1902, 1913. . STEBLER F. G.: Der rationelle Getreidebau in der schweizerischen Landwirtschaft. (Vortrag) Bern 18853. . — Hebung des Futterbaues. Bericht an das Eidg. Handels-, Indu- strie- und Landwirtschaftsdepartement. Zürich 1883. 1884 . — II. Getreide im Bericht über die schweiz. Landesausstellung in Zürich. Zürich 1883. . STEBLER F. G. und ©. Schröter: Die besten Futterpflanzen. II. Teil. 1. bis 3. Auflage. 2. Auflage F. G. STEBLER allein, 3. Auflage STEBLER F. G. und A. Vorkart. Bern 1884, 1895, 1908. 1885 . STEBLER F. G.: Culture des graines fourrageres. Berne 1885. STEBLER F. G. und (©. SCHRÖTER : Les meilleures plantes fourrageres. Ir° partie. Traduit par Henri Welter. 2 editions. Berne et Paris 1884, 1894. — Les meilleures plantes fourrageres. IIve partie. 3 Editions, 1r° et 2me 6dition “traduit par Henri Welter, 3”° par Andre Borel. Berne et Paris 1884, 1896, 1911. 204 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 17. STEBLER F.G.: Wie berechnet man eine Grassamenmischung. Bern 1885. 1886 13. — Anlage von Streuewiesen. Aarau 1886. 1887 19. STEBLER F. G. und (. SCHRÖTER: Beiträge zur Kenntnis der Matten und Weiden der Schweiz. I.—XV. Landwirtschaftliches Jahr- buch der Schweiz. I. Methode und Zweck der Untersuchungen der Matten und Weiden der Schweiz. Bd. I. 1887. 8. 77. 20. II. Untersuchung über den Einfluss der Düngung auf die Zu- sammensetzung der Grasnarbe. Bd. 1. 1887. 8.93. 21. III. Über den Einfluss des Bewässerns auf die Zusammen- setzung der Grasnarbe der Wiesen. Bd. 1. 1887. S. 149. 22. IV. Einfluss des Beweidens auf die Zusammensetzung des Rasens. Bd. 1. $S. 178. 1888 23. STEBLER F. G. und 0. SCHRÖTER: Beiträge zur Kenntnis der Matten und Weiden der Schweiz. I.—XV. Landwirtschaftliches Jahr- buch der Schweiz. V. Ertragreiche Formen des französischen Raygrases (Arrhena- therum elatius M. u. K.). Bd. 2. 1888. S. 132. 24. VI. Einfluss der Grösse der Samenkörner auf das Erntequan- tum an Grünfutter bei weissem Pferdezahnmais. Bd 2. 1888. S. 136. 25. VII. Das Borstgras (Nardus strieta L.) ein schlimmer Feind unserer Alpwirtschaft. Bd.2. 1888. S. 139. 26. STEBLER, F. G.: Les melanges des graines- fourrageres pour ob- tenir les plus forts rendements de bonnes qualites. Traduit par C. Denaiffe. Paris et Carignan 1888. 27. — Über die Anlage und Behandlung von Streuewiesen. 1. und 2. Auflage. Zürich 1888 und 1892. 28. — Die Streuekultur der Schweiz. Jahrbuch der k. k. Landwirt- schafts-Gesellschaft Wien. 1888. 1889 29. STEBLER F. G. und ©. SCHRÖTER: Die Alpenfutterpflanzen. 1. Auflage. Bern 1889. 30. — The best forage plants, translated by N. A. Mac Alpine. London 1889. Jahrg. 67. Dr. F.G. STEBLER zum 11. August 1922. 205 31. je} DD os 1 38, — Beiträge zur Kenntnis der Matten und Weiden der Schweiz. I.—XV. Landwirtschaftliches Jahrbuch der Schweiz. VIII. Die Fürstenalp und die Futterbauversuche auf dem alpinen Versuchsfeld daselbst. Bd. 3. 1889. S. 29. 1890 . STEBLER F. G.: Welche Erfolge sind mit dem feldmässigen Futter- bau gemacht worden? Internationaler land- und forstwirt- schaftlicher Kongress zu Wien 1890. Heft 41. Wien 1890. . — Welche Erfahrungen wurden in der neueren Zeit über die Gewinnung und Zucht von Grassamen gemacht? Internationaler land- und forstwirtschaftlicher Kongress zu Wien 1890. Heft 42. Wien 1890. . — Übersicht, Tabellen und Skizzen zu den Vorträgen über Alp- genossenschaft und ihr Betrieb, als Manuskript gedruckt 1890. . — Futterbau in Furrer’s Volkswirtschaftslexikon der Schweiz. Bern 3 Bände. Bern 1885 bis 1892. Bd. 1. S. 672. . — Getreidebau in Furrer’s Volkswirtschaftslexikon der Schweiz. Bern 1885 bis 1892. Bd.1. S. 706. 1891 - STEBLER F. G. und (©. SCHRÖTER: Beiträge zur Kenntnis der Matten und Weiden der Schweiz. I—XV. Landwirtschaftliches Jahr- buch der Schweiz. \ IX. Die wichtigsten Unkräuter der Futterwiesen und ihre Bekämpfung. Bd. 5. 1891. S. 141. — Versuche über den Einfluss der Bodenart, Neigung und Ex- position auf das Gedeihen einer Grassamenmischung. Mittei- lung der Schweizerischen Zentralanstalt für forstliches Ver- suchswesen. Bd. 1. 1891. 8. 27. - STEBLER F. G., J. FrÜH und (. SchRÖTER: Frageschema für die Untersuchung der schweizerischen Moore durch die schweize- rische Moorkommission. Zürich 1891. 1892 - STEBLER F. G. und (©. ScHRÖTER: Beiträge zur Kenntnis der Matten und Weiden der Schweiz. I-XV. Landwirtschaftliches Jahr- buch der Schweiz. X. Versuch einer Übersicht über die Wiesentypen der Schweiz. Bd. 6. 1892. S. 95. » — Das alpine Versuchsfeld auf der Fürstenalp ob Trimmis. Jahr- buch des Schweizer Alpenclub. 26. Jahrgang. 1892. 8. 76. or “ Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1992 2, — Arve im Avers. Jahrbuch des Schweizer Alpenclub. 27. Jahr- gang. 1892. S. 383. 1893 STEBLER F. G. und E. LAur: Die Bekämpfung der Futternot dane den ‚Anbau von Ersatzfutterpflanzen. Aarau 1893. 1894 — Versuche mit Moorhirse, Pferdezahnmais, Mohar und Inkarnat- klee. Landwirtschaftliches Jahrbuch der Schweiz. Bd. 8. 1894. S. 123 . — Ungarischer und deutscher Hopfenklee. Landwirtschaftliches Jahrbuch der Schweiz. Bd. 8. 1894. 8.310. 1896 . — Prämierung des Kunstfutterbaues im Kanton Zürich. Zürich 1896. . STEBLER F. 6. und (. Schröter: Les plantes fourrageres alpestres. 1° edition. Traduit par Henri Welter. Berne, Paris et Milan 1896. 1897 . STEBLER F. G.: Beiträge zur Kenntnis der Matten und Weiden der Schweiz. I-XV. Landwirtschaftliches Jahrbuch der Schweiz. XI. Die Streuewiesen der Schweiz. Bd. 11. 1897. 8.1. 1898 — Die besten Streuepflanzen. 1. Auflage, Bern 1898. . — Beiträge zur Kenntnis der Matten und Weiden der Schweiz. I—XV. Landwirtschaftliches Jahrbuch der Schweiz. XII. Versuche mit amerikanischer und Provencer Luzern®e. Bd. 12. 1898. S. 243. . — XI. Ist der nordamerikanische Rotklee den bessern europäischen Sorten wirklich ebenbürtig? Bd.12. 1898. 8. 248. . STEBLER F. G. und C. SCHRÖTER: Vergl. 8, russische Übersetzung der 2. Auflage, von J. J. Barsunow, unter der Redaktion von P. S. Kossowitsch. Petersburg 1898. 1899 STEBLER F.G.: Beiträge zur Kenntnis der Matten und Weiden der Schweiz. I—XV. Landwirtschaftliches Jahrbuch der Schweiz. XIV. Die Unkräuter der Alpweiden und Alpmatten und ihre Bekämpfung. Bd. 13. 1899. 8.1. 1900 — Der rationelle Futterbau (Thaerbibliothek) 4. bis 9, Auflage von 5. Berlin 1900, 1903, 1909, 1912, 1917, 1920. Jahrg. 67. Dr. F.G. StEBLER zum 11. August 1922. 207 39 je 7} u fer) ID : 1901 — Monographien aus den Schweizeralpen: I. Ob den Heiden- reben. Bern 1901. 36. Beilage zum Jahrbuch des Schweizer Alpenclub. Bd. 36. 1901. 1902 . STEBLER F. @. und A. VoLKART: Die Anlage von Kunstwiesen auf den höheren Alpen. Landwirtschaftliches Jahrbuch der Schweiz. Bd. 16. 1902. 8. 105. 1903 . STEBLER F. G.: Monographien aus den Schweizeralpen: Il. Das Goms und die Gomser, Bern 1903. 38. Beilage zum Jahrbuch des Schweizer Alpenclub. 38. Jahrgang. 1903. — Alp- und Weidewirtschaft (Handbuch). Berlin 1903. 1905 STEBLER F. G. und A. VoLKkArT: Beiträge zur Kenntnis der Matten und Weiden der Schweiz. I-XV. Landwirtschaftliches Jahr- buch der Schweiz. XV. Der Einfluss der Beschattung auf den Rasen. Bd. 19. 1905. 8. 67. 1906 . STEBLER F. G.: Der Kalkgehalt einiger Esparsetteböden. Land- wirtschaftliches Jahrbuch der Schweiz. Bd. 20. 1906. S. 177. . STEBLER F. G. und A. Vorkarr: Kulturversuche mit Wicken. 2 RT EN ERBE RE Tahrbuch der Schweiz. Bd. 20. 1906. 8.243. . STEBLER F. G.: Die Herkunftsbestimmung der Saaten. Zeitschrift für angewandte Botanik. Bd. 4. 1906. S. 221. . — Die Hauszeichen und Tesseln der Schweiz. Archiv für schweizer. Volkskunde. Zürich 1906. 1907 2 — Monographien aus den Schweizeralpen: III. Am Lötschberg; Land und Volk von Lötschen. Zürich 1907. - — Beitrag in Thallmayer Rudolf A.: Die dritte alpwirtschaftliche Studienreise steirischer Landwirte in der Schweiz 1906. Bruck a. d. Mur 1907. 1908 — Alpwirtschaft. Im Handwörterbuch für Staatswissenschaften von J. Conrad, L. Elster, W. Lexis und Edg. Löhnis. Jena 1908. II. Auflage. 1921. 208 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 67. — Klee- und Grassaaten mit besonderer Berücksichtigung der Herkunfts- und Zuchtfrage. Jahrbuch der Deutschen Land- wirtschafts-Gesellschaft. 1908. 10 68. STEBLER F. G. und A. VOLKART: Versuche mit Futtermaissorten verschiedener Provenienz. Landwirtschaftliches Jahrbuch der Schweiz. BJ. 24. 1910. S. 155. 1911 69. — Versuche mit Knaulgras verschiedener Herkunft. Landwirt- schaftliches Jahrbuch der Schweiz. Bd. 25. 1911. 8.171. 1913 70. STEBLER F. G.: Monographien aus den Schweizeralpen: IV. Son- nige Halden am Lötschberg. Bern 1914. 49. Beilage zum Jahrbuch des Schweizer Alpenclub. Jahrgang 49. 1914. 1917 71. — Versuche mit Kleearten und Gräsern. Landwirtschaftliches Jahrbuch der Schweiz. Bd. 31. 1917. 8.1. 1922 72. — Monographien aus den Schweizeralpen: V. Die Vispertaler Sonnenberge. Jahrbuch des Schweizer Alpenclub. Jahrgang 56. Bern 1922. S. 1. Neben diesen Publikationen sind vieleV hsergebnisse Dr. STEBLER $ niedergelegt in den Jahresberichten der Schweizerischen Samenunter- suchungs- und Versuchsanstalt in Zürich und Oerlikon-Zürich. Jahres- berichte 1—39. 1878—1917. Ebenso veröffentlichte er zahlreiche kleinere belehrende Artikel in der schweizerischen landwirtschaftlichen Presse, namentlich in der Schweiz. landw, Zeitschrift und gab ge meinsam mit €. SCHRÖTER die Schweizerische Gräsersammlung (5 Fas- zikel zu 50 Nummern) sowie weitere Lehrherbarien heraus. Erweiterungen des Abelschen Satzes für Potenzreihen und ihre Umkehrungen. Von A. Kırvast, Küsnacht (Zürich). (Als Manuskript eingegangen am 12. Juli 1922). (es) I. Es sei f (x) — Da, &* eine Potenzreihe mit dem Konvergenz- Be Aa radius 1. Dann kennt man Beziehungen zwischen 1’ dem Grenzwert lim / (x), falls er existiert, und z—HL 5 2° dem Grenzwert ‚lim 2 a, oder, falls dieser nicht existiert, dem HöLDERschen, re oder auf ähnliche Art!) gebildeten Grenzwerten. Das Beispiel von Herrn RıEsz*) > Kir ai ch zeigt, dass die Funktion f (x) zwischen endlichen Grenzen oszillieren kann, wenn x sich 1 nähert, während der Mittelwert | _. Br im Sur 7 Er ne Zu Nn-—> 2 l = N existiert und endlich ist. Ich habe daher die Frage in Betracht gezogen: Kann man aus den Reihenkoeffizienten a, und numerischen Grössen aritlımetische Ausdrücke bilden, die in Beziehung stehen zu Eigenschaften der Os- zillationen der durch die Reihe dargestellten Funktion. an. ') A.KıEnast. Extensions of Abel's theorem and its converses, Proc. Cambridge Phil. Soe. vol. ZIX; 1018, 2) Vgl.G.H. Harpy, Slowly oscillating series, Proc. London Math. Soc. ser. 9, vol.8 (1910) p. 310. Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 67. 1922. 14 210 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Wie kann man aber Eigenschaften der Oszillationen zum Aus- druck bringen? Hiezu können die bei oszillierenden Wertefolgen benutzten Mittelwerte als Wegweiser dienen. Man kann den Quo- tienten 1 (roswa/fowa Rn ansehen als Mittelwert, gebildet aus den Grössen f (t) = > a, *, denen man die Gewichte y (t) dt zuschreibt. Es ist selbstverständlich, dass die Definitionsgebiete der beiden Funktionen f(t) , g(t) und das Inter- valla) im 18 | Sr a9 ar = lim ar (@) & 1 = Fr ; 2 i 4 ır Be Bee ni 50) ) ih [18 | jr® [a | dt = im Ms (x) 1-e II. Beider Annäherung an 1 kann x verschiedenen Wegen folgen; in diesem Aufsatze wird gewöhnlich vorausgesetzt, dass diese inner- halb des Gebietes D = D (w,) liegen, das von Srorz') eingeführt wurde, und definiert ist durch oe<2cosy , (Ivi b,=limt, = ® , dann folgt ae Nn—>8 In ae Satz von PRINGSHEIM?): Es werde vorausgesetzt, dass (i) die Zahlen b, positiv und D' b, divergent seien; (ii) für jedes.zinnerhalbD Ib, |«]* / Dt bu=!|; n—r 1 1 dann folgt lim DI a, &* ED a z—!1 wenn x sich der Stelle 1 auf einem beliebigen Wege innerhalb D nähert. II. Der folgende Satz zeigt, dass die Integralmittelwerte für oszillierende Funktionen die natürliche Erweiterung darstellen von lim /(&) für eine nicht oszillierende Funktion. —!l Satzl. Wenn lim f (x) = ! existiert und endlich ist, dann 2—l existieren alle Integralmittelwerte 2) 3) 4) und besitzen: den Wert /. Der Beweis wird geführt für den Mittelwert 2). Voraussetzung ist, dass lim f (x) =! , falls x nach der Stelle 1 1 wandert längs eines beliebigen Weges, der innerhalb eines Teil- gebietes v, = ah | 1—x, | sin (99, (Pe) sodass endlich | a a er | nf en sin(p—ı) 1m | sin,—n) und, da 9, — 9, <2y, z—l 7 Fi Auf ähnliche Weise lässt sich der Beweis für 3) und 4) durch- führen. 1 a I . Satz 2, Wenn lime [r@ 1-9" (1-1)? dt= 1 existiert und 7—l endlich ist, dann existiert auch lim -) Fo A—)” dt z—i a und besitzt den Wert !. Satz3. Wenn lim (1—e) 1 (t) (1) dt = 1 existiert nee pi > und endlich ist, dann existiert auch lim [18 | Ssoa-9 at una besitzt den Wert 1. z—A = Satz 4. Wenn lim E 7 i 2 ro (1-1)! dt = 1 existiert +1 ae | i und endlich ist, dann existiert auch 32 4.7 es lie lg | fr R —t) Is dt und besitzt den 1-e1 Wert !. Die Umkehrungen dieser Sätze sind nicht richtig. Die Beweise sind auf gleiche Art zu führen. Hier folgt derjenige für Satz 3. Partielle Integration ergibt: 214 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Sroa-n a = |a-o Sroa-n=alfafro 9 de Nun bezeichne man ( -2)| SOA-Y*dt= K(a) dann ist die Voraussetzung ausgedrückt durch lim K (x) = 1; somit ist i I pP 2 mans Er ine] Ssoa-nra-im [is | Sroamma Hier kann auf der rechten Seite Satz 1 angewendet werden und es ergibt sich die Behauptung von Satz 3. V. Man kann die Integralmittelwerte 2) 3) 4) in Verbindung setzen mit folgenden Mittelwerten: Aus den Koeffizienten der Potenzreihe f (x) = = A, *, mit Konvergenzradius 1, bilde man > a 1 Es seien b, (k= 1, 2,...) die Glieder einer unendlichen Folge von positiven reellen Zahlen und n ä > b, as t., : lim t,, “ 1 n—>n Dann werden die Mittelwerte ') definiert: | 1 n—1 a SEEN e | Su BETT ® ba, $, n = 2, 3, . n 1 R 6) ı 2 1 ee | IE ars = > bir sr n = 3, 4, .. nn 2 Zu jeder Folge b, gehört eine Reihe von Mittelwerten s? . Im fol- genden kommen zur Verwendung b,=1 ; dann nennt man die Mittel arithmetische ; b, = 2; diese Mittel werden logarithmische 8% nannt. Ferner werden noch die Ausdrücke gebraucht: ') A. Kızsast, Proc. Cambridge Phil. Soc. vol. XIX (1918); vol. XX (1920). A 7 Jahrg. 67. A.KıEnAST. Erweiterungen des Die Beweisführungen stützen sich auf leicht zu verifizieren sind. rd 2 A, 2 = VLCHZICAHICL. einige Identitäten, y" sd ai 5, n F t,. 2) 8) a N 5 | In 5, S 7 woraus | = e: [e} ee a Sehet=Sar- Ir 1 1 1 n 9) 2 no an 2 2 — 1) „Hi. Nr zn+1 DAB a. >, er X 1 1 Dee u ge Ferner b y® (k} (13 Se n n—1 19) e er N er n n n n—1 n—1l „art b r,; 11) Sin ee je ee =: ta Endlich lassen sich aus dem Integralmittelwert 2) durch Iteration fol- gende Mittelwerte bilden: Br ur)-[ | Jar oa-n"a —T ee M® (x) = & Erf » (d) (1-0)? dt VI. Jetzt sei speziell 4, =1. Dann besteht Satz 5. Von den beiden Bedingungen die 216 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 lim M® (x) = ! (endlich) z—1 i 2, lim — rtv — 0 N u ist jede notwendig für die Existenz von im ® = ı >n und zusammengenommen sind sie auch hinreichend. Beweis: Wenn lim s” — ! existiert und endlich ist, dann folgt N—R mittelst des Satzes von Storz lim s#+! — / und eine der Gleichungen 8) u ä 33 ; n ergibt lim — r+V — 0. „ao U Somit ist die zweite Bedingung notwendig. Aus fie) = > 1 folgt (—a)If(a) = = 08 (x) f&) = I (k+1) 4, My (x) = 1) 1-9: f(t)d s[ a m uch M®(«)= (1—x) f 1-9 M% (dd = (1x) I SL Ka KH a, Ze a Eee la an. AR a an re ea al ar are Bea" Oz ae ER a En 1: ID = MU lei 1-0 fun M+-V ({)dt = >> E a | gt somit wegen 10) 13 Mine ik ) 1 (x) < BB Da 1) Fr1 x Wenn nun lim s® — 1 existiert und’endlich ist, dann ergibt der N—D AgeLsche Satz für Potenzreihen, angewendet auf 12) im Po) = z—l : somit ist die erste Bedingung ebenfalls notwendig. Zum Beweise der letzten Behauptung des Satzes bemerke mal), dass die beiden Voraussetzungen Jahrg.67. A.Kırnast. Erweiterungen des ApEıschen Satzes für Potenzreihen. 217 14) lim Pi) EI z—l ; 1, 15) lim ve; rn, n—>o. N diejenigen sind des Satzes von TAUBER ') mit Bezug auf die Reihe 13). Deshalb folgt aus m und R ; 4 zur] im > ji — |; Mr 11) ergibt schliesslich li — —— = ‚Jim a R N-——R = k En’ womit Satz 5 vollständig bewiesen ist. Satz 6. Von den beiden Bedingungen In Meet (endlich) z—l de ni = im _ 2 kd,- En = ist jede of für die Existenz von limis,;=il und zusammengenommen sind sie hinreichend. Beweis: Wenn lim e s, = lexistiert und endlich ist, so folgt daraus l 1 m lim = I und. BB aus der ersten der Formeln 8) lim nn = 0 und aus 12), fürrA=1,lm Mi"! («)=1. Die Bediepüiigen sind daher notwendig. Be Wenn lim = \ — 0) existiert, so ergibt die zweite der Formeln 7) "a N Ft ! er .. Dr im — »® — 0, Letzterer Grenzwert zusammen mit lim Me(a)=1 "“—2 U zieht nun, wegen Satz 5, Jim et — ) nach sich Sn lich ergibt die erste der Formeln 8) W.2. 6. W, Vgl. E. Laxvau, Darstellung und Begründung einiger neuerer Ergebnisse der Punktionentheoria, S.52. Der Satz gilt nicht nur bei radialer Annäherung an 1, sondern im ganzen Gebiet D von StoLz. 218 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Die Integralmittelwerte MY’ («) (A=1,2,..) sind durch die Sätze 5 und 6 in Verbindung gebracht mit dem arithmetischen Mittel lim s® —=1. Wenn aber dieses existiert und endlich ist, dann ist N—I>T lin Da, «* = 1") und f (x) oszilliert somit nicht. Es scheint aber ze—1l 1 nicht ohne Interesse, zu bemerken, dass es Funktionen f(x) gibt, für die lim f(x) nicht vorhanden ist, während lim MY (x) existiert z—l z—l1 und endlich ist. Ein derartiges Beispiel ist Fey Rn (« reell) . Es ist lim M® (x) — lim (1-2) f ei Ua) de 0 m z—]1 zs—]l 2 arg (l—x)> 0. Daraus ist zu schliessen, dass für diese Funktion Be en lim — r? existiert. —o 1 ? keines der arithmetischen Mittel lim s” , . N—D N VI. Ich betrachte Jetzt den Integralmittelwert 3) und setze ihn in Verbindung mit dem logarithmischen Mittel s'®. Infolgedessen ist in diesem Abschnitt b, — = ‚t„=|1gn + e, mit lim «, = Euuersche Konstante. Man kann diesen Mittelwert M% (x) ebenso iterieren, -1 wie das mit M' (z#) geschehen ist, allein der Faktor | lg 1-x scheint die Entwicklung von Formeln analog zu 12) und 13) zu verhindern. Satz 7. Von den beiden Bedingungen in ar (2) =1 (endlich) z—Hl 16) lım - Pac. lim an S _ rE BE ee N—% . N—IR lg N 2 k—+1 lek - 172 ist jede notwendig für die Existenz von % 1 u 5, lim —— > — lim s! = 1 n—n lg N 1 h —1 n—>2 und zusammengenommen sind sie hinreichend. ') Siehe A. Kırsast, Proc. Cambridge Phil. Soc, vol. XIX (1918), Theorem 3, p- 1? Jahrg.67. A.Kırsast. Erweiterungen des A hen Satzes für Potenzreihen. 219 Beweis: Wenn lim s{’ = I! existiert und endlich ist, dann folgt Nn—2 ug, aus dem Satz von SToLz lim s? — ! und somit aus 8) Jim. N—>% n Durch Entwicklung von 3) ergibt sich M\ (x) = Se ef N e: zok Bi ech woraus durch die Sätze von PRINGSHEIM und Storz folgt Jim a (a I ‚lim s®=1, falls x auf irgend einem Wege innerhalb D sich 1 nähert. Somit sind die beiden Bedingungen notwendig. Um zur Umkehrung zu gelangen, folgert man aus 9) S & yD ©. y®? ee r EEE ee ae (2) on EEE, ige ra + r 2 ni 2 1 1 n 2 n 3 womit | Tr nt m HL I St gie) e| 1 tz + rer) MW (2) — E e E I = en % Wegen 16) ergibt der Satz von PRINGSHEIM 1 2 E23 lim M$ (x) = lim Is] | | Sspela=ı. 7—l = a—Hl Sem 2 3 o 1l—ıx Indem man für 1g a N die Reihe setzt, erhält man hieraus —ır \ e:; 51 a ge ur, [P—] nf > 75 Ge ud img) =P. Bezeichnet man o so ist 24 Ku)= SH er R — K,(a)-+9(@) - 1g lg nr also In: — l zu m _ Kl) = 9 (x) Te asia Lu (x) Er o k+1l 220 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Dies ist eine Identität für jede ganze positive Zahl m und für jedes x, dessen |x| <1. Man lasse x sich 1 nähern innerhalb D und betrachte x in denjenigen Punkten «x, seines Weges, für die Eli er . Dann kann man zeigen Arne: ml 17) lim But) =. Das Verhalten von L,(x) bei Annäherung von x an 1 ist ab- hängig von demjenigen von 9(x) und K, (x); letztere sind unab- hängig von dem Wege, den x innerhalb D befolgt; daher ist auch 17) unabhängig von diesem Wege. Zum Beweise von 17) sind einige Ungleichungen nötig. Setzt man 1-2 = 11-2 |.e'Y so folgt 1 age # i (ie) = gt, limdel. en, . a en ee Die Punkte x und «| liegen auf einem zum Konvergenzkreis konzentrischen Kreise. |x| hat unter allen Punkten dieses Kreises den kleinsten Abstand von 1. Daher I1-z2|>1-—!x] as lg m : S ar | Dim ER >> Dit 2 tn h 4 = I buy k+1)/ |< > Lt Aus der Voraussetzung 16) und dem Satz von STOLZ folgt nUR, Jahrg. 67. A.Kırast. Erweiterungen des AgELschen Satzes für Potenzreihen. 221 1 buy ri? St Das | > REITER > —=1 | eine endliche von %k o Eıtı | i dass die Grössen ab unabhängige obere Schranke besitzen; man kann daher eine endliche von k unabhängige Grösse K, angeben, sodass Lip, @+1)|4| 3 o “+1 (k+H1)|d.|d, ee o m+1 a ER en =, lo lg k ER = | 2 | Pr | d.| et +K2 nm | Em I ! Für k>0 ist im Einheitskreis | 1— "|< (k+1) | 1—#|; ferner ii m. . 1-1 i ist für jedes x, innerhalb D et 0) lässt Sich die ganze positive Zahl N finden, sodass IE. 2) b=-h=elglgn+te, Im,=0. | R—R Die Definition 4) liefert My) (2) = > Dy+ı 8x Ur (X) / = Da41 Yrsı (2) 1 o und es besteht der Satz 8. Von den beiden Bedingungen lim M% (x) =1 (endlich) A ist jede notwendig für die Existenz von im =] und zusammengenommen sind sie auch hinreichend. Dabei (2) u sind die Mittel / und s/ auf Grund der Formeln 6) und 7) zu bilden unter Benutzung der durch 21) und 22) de- finierten b, und t, . Der Beweis verläuft völlig analog demjenigen in VII; die not- wendigen Abschätzungen sind jedoch erheblich umfangreicher, infolge der hier verwendeten viel komplizierteren b, . Jahrg.67. A.Kırnast. Erweiterungen des ApELschen Satzes für Potenzreihen. 223 Endlich gestattet eine von mir anderswo") durchgeführte Über- legung den Satz zu beweisen: l : ea, n Es seien b, = \ net, RE | ds; Z>bu=B, ı-er1 Er , - S = * @&+1)1g (kl) es n—1 n—1 s,t) no BB! We 2 bit $; „ zv = 0: 8 G4ı % - 1 1 Wenn einer der beiden Grenzwerte lim s/", lim 1/! existiert und endlich ist (oder zwischen endlichen Schranken oszilliert), dann nähert sich der andere derselben Grenze (oder oszilliert zwischen denselben Schranken). ') «Proof of the equivalenee of different mean values» Proc. Cambridge Phil. Soe. vol. XX (1920) p. 82. Zur Kenntnis der Schweizer Flora. Von (FUNNAR SAMUELSSON (Upsala). (Als Manuskript eingegangen am 2. September 1922.) Im vorigen Jahre war es mir vergönnt, zwecks botanischer Stu- dien einige Monate in der Schweiz zu verbringen. Dabei benutzte ich u.a. die Gelegenheit, mich in den Museen über einige Pflanzengruppen zu unterrichten, mit denen ich mich schon zu Hause beschäftigt hatte. Es wurde mir dabei klar, dass die Auffassung nordischer Floristen über verschiedene Formenkreise ziemlich stark von der in der Schweiz vorherrschenden abweicht. Dadurch bekam ich Veranlas- sung, eingehender zu prüfen, ob sich die Ansichten, zu denen wir im Norden gekommen sind, auch auf die betreffenden Formenkreise in der Schweiz übertragen lassen, oder ob Unterschiede vorhanden sind. Meine Erfahrungen, die ich im Verlaufe des Aufenthaltes verschie- denen Schweizer Kollegen vorgelegt habe, waren derartig, dass ich von ihnen Anregung bekam, meine Resultate auch betreffs der Schweizer Flora zusammenzustellen. Selbstverständlich benutzte ich auch die Gelegenheit zu Exkursio- nen. Einige besonders schöne machte ich in Gesellschaft der Herren Prof. Dr. €. ScHkÖrER und Dr. J. BRAUN-BLANQUET (Zürich), Dr. E. FkEY und Dr. W. Lüpt (Bern). Sehr ergiebig war eine Exkursion nach den Tessiner Seen, die ich allein ausführte. Von den Schweizer Herbarien habe ich in erster Linie diejenigen der beiden grossen Zürcher Museen benützt. Ihren Vorständen, Prol. Dr. ©. SCHRÖTER (Bot. Mus. der Eidgen. Techn. Hochschule) und Prof. Dr. HANS ScHINnZ (Bot. Mus. der Universität), die mir auch später Material nach Upsala gütigst gesandt haben, bin ich zu grossem Dank verpflichtet. Prof. SCHRÖTER hat mir ausserdem L uzula-Sammlungen aus anderen Schweizer Museen besorgt. Einiges Material verdanke ich auch dem Geobotanischen Institut RÜBEL, Zürich. Nach meiBer Rückkehr nach Upsala habe ich auch Sammlungen aus den schwe dischen Museen, sowie den Museen in Berlin und Wien (Naturbist. Jahrg. 67. GUNnNnAR SAMUELSSOon. Zur Kenntnis der Schweizer Flora. 225 Staatsmus. und Bot. Mus. d. Universität), zum Vergleich heranziehen können. Ausserdem war es mir von grossem Vorteil, die in Rede stehenden Fragen mit einigen der allerbesten Kenner der Schweizer Flora mündlich und schriftlich besprechen zu können. Ich denke dabei vorallem an Prof.Dr. A. THELLUNG, Dr. E. BAUMANN undDr. J. BRAUN- BLANQUET, alle in Zürich. Diesen Herren und auch einigen nicht ge- nannten sage ich hiermit meinen besten Dank. Upsala, Botanisches Museum der Universität, Mai 1922. l. Einige Bemerkungen über die Bewertung der systematischen Einheiten. Während meiner Arbeit mit verschiedenen kritischen Pflanzen- gruppen ist es mir mehr und mehr aufgefallen, wie weit die Auffas- sungen der Autoren betrefis der .Rangstufe der einzelnen systema- tischen Einheiten noch in unseren Tagen auseinandergehen. Die einen arbeiten mit eng, die anderen mit weit gefassten „Arten“ usw. Da ich gefunden habe, dass meine Betrachtungsweise von der in der Schweiz vorherrschenden ziemlich erheblich abweicht, will ich zu- erst versuchen, meine Stellung klarzulegen und zu begründen. Da- durch bekomme ich auch Gelegenheit einige Prinzipienfragen zu be- handeln, die meiner Ansicht nach von den meisten Floristen und Phytographen stark vernachlässigt worden sind. Auf eine Besprechung der einschlägigen Literatur muss ich indessen im allgemeinen aus verschiedenen Gründen verzichten. Der Rang einer systematischen Einheit nie objektiv festzustellen. Es muss deshalb gewissermassen Ge- schmacksache sein, ob man eine „Form“ als Art, Unterart oder Varietät auffassen will. Aber praktisch bedeutungslos ist die Frage durchaus nicht. Und glücklicherweise gibt es auch oft gewisse An- haltspunkte für ein objektiveres Verfahren. Eine gewisse Unsicherheit wird übrigens oft von ungenügender Kenntnis bedingt; wenn z. B. eine richtige Begrenzung der Typen gegeneinander nicht erreicht worden ist (vgl. z. B. das unten über Luzula campestris und verwandte Arten ge- sagte). Der Spezialist — natürlich ein guter, d. h. einer mit scharfem Blick für die Einheiten --- ist ohne Zweifel der beste Beurteiler hier- hergehöriger Fragen. Nicht selten findet man die Ansicht ausge- Sprochen, dass der Verfasser eines floristischen Handbuches ein bes- seres Urteil abzugeben imstande sei, weil er grössere Verwandtschafts- Stuppen gleichmässiger überblicken kann. Diese Auffassung ist ent- schieden abzulehnen. Der Herausgeber einer Flora hat ja im allge- 15 ist wohl eigentlich Vierteljahrsschrift d.Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 67. 1922. 236 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 meinen keine Möglichkeit, sich in die einzelnen Gruppen so genau einzuarbeiten. Nichtsdestoweniger findet man oft Typen, die der Spezialist als gute Arten auseinanderhält, in den Floren als Unter- arten oder sogar nur als Varietäten oder „Rassen“ behandelt. Und. hierbei kommt es sogar bisweilen vor, dass sie bei unrichtigen Kol- lektivarten untergebracht werden; so zum Beispiel wenn Pota- mogeton panormitanus Biv. als Unterart zu P. pusillus L. gestellt wird. Mit dieser Art zeigt jene freilich eine grosse habituelle Ähn- lichkeit, aber besonders durch die ringsum geschlossenen Blatthäut- chen kommt P. panormitanus verwandtschaftlich P. mucronatus Schrad. viel näher (vgl. J. ©. HaGsTrRÖM: „Critical Researches on the Pota- mogetons“ ; in Kungl. Sv. Vet.-Akad. Handl. 55:5, 1916). Überhaupt wird meiner Ansicht nach mit der systematischen Abstufung innerhalb der Arten ein grosser Unfug getrieben. Man sehe vor allem die bekannte „Synopsis der mitteleuropäischen Flora“ von P. ASCHERSON und P. GRAEBNER. Besonders unklar ist der Be- griff der Unterart („Subspezies“) geworden. Man findet als Unterarten scharf getrennte Typen aufgeführt, die viel besser als Arten betrachtet und auch von den Spezialisten fast stets als solche aufgefasst werden, gleichzeitig mit anderen, die fast nur graduell verschieden sind oder durch eine zusammenhängende Reihe von Formen so vollständig in- einanderfliessen, dass man nur die extremsten herausgreifen kann. Ja, sogar Standortsmodifikationen werden bisweilen als Unterarten aufgeführt. Meinerseits gehe ich so weit in der andern Richtung, dass ich meine, man sollte so viel wie möglich vermeiden, mit „Unter- arten“ zu arbeiten. Doch gebe ich zu, dass sich dies kaum voll- ständig durchführen lässt. Zum grossen Teil hängt zweifellos die Unsicherheit damit zusammen, dass man sich den Speziesbegriff nicht klar gemacht hat. Was ist denn eigentlich eine Art? Die meisten Phytographen leben wohl noch in der Vorstellung, dass eine Art eine scharfe Ein- heit darstellt, die ganz bestimmte Grenzen ohne irgendwelche „UÜber- gangsformen* zu‘ den „nächstverwandten“ Arten aufweisen musS8. Aber dann kennen sie gewiss zu wenig von den Resultaten der mo dernen Vererbungslehre! Die einzigen objektiv existierenden Ein- heiten sind ja die Genotypen. Aber kein vernünftiger Mensch wird wohl diese heutzutage als „Arten“ behandeln. Man muss durch Abstrak- tion eine höhere Einheit aufbauen. Und dann kann man die Art kaum anders definieren, denn als eine mehr oder weniger gut WM“ grenzte Gruppe von Genotypen oder vielleicht besser von Biotypen — der Systematiker arbeitet ja nur mit diesen —, welche in den Jahrg. 67. GuNnnAR SAMUELSSONn. Zur Kenntnis der Schweizer Flora. 227 wesentlichsten Merkmalen übereinstimmen. Wenn eine solche Gruppe von den nächststehenden durch eine deutliche Diskordanz getrennt ist, dann liegt eine sogenannte gute Art vor. Und wenn dessen un- geachtet nicht alle derartige Einheiten allgemein als Arten anerkannt sind, wie z. B. innerhalb Alchemilla, Hieracium, Taraxacum'!) usw., so hängt dies mehr von der Bequemlichkeit der Systematiker als von stiehhaltigen Gründen ab. Die Meinungen über die Bewertung der Einheiten gehen wohl - eigentlich nur dann entschiedener auseinander, wenn keine auffallende derartige Diskordanz vorkommt. Als sehr verbreitet begegnet man der Auffassung, dass es zwischen Arten keine,Zwischenf “ geben dürfe, wohl aber zwischen einer Hauptart und ihren Unterarten oder zwischen diesen letzteren untereinander. Und man spricht in diesem Fall von „nicht-hybriden Zwischenformen‘. Diese Betrachtungsweise ist aber natürlich unhaltbar. Die Bastardierung spielt ja fast überall eine sehr grosse Rolle. In einer Gegend kann sogar ein Bastard viel häufiger als die auch nur annähernd „reinen“ Arten sein. So gilt dies z.B. von Salix nigricans Sm. X phylieifolia L., Betula pubescens Ehrh. X verrucosa Ehrh., Quereus Robur L. X sessiliflora Salisb. usw., und wohl die wenigsten Botaniker werden diese „Arten“ nicht als solche anerkennen. Die meisten sogenannten Zwischenformen dürften sogar durch Bastardierung entstanden sein, wenn es sich nämlich nicht ganz einfach um Modifikationen handelt, die unmittel- bar von den Aussenfaktoren hervorgerufen und erblich nicht fixiert sind. Wird die grosse Bedeutung der Bastardierung auch anerkannt, so will man öfter einen prinzipiellen Unterschied zwischen Art- bastarden und „Blendlingen“ darin finden, dass jene eine deutlich herabgesetzte Fertilität zeigen sollen, diese aber nicht. Und da sich diese Sache (wenigstens in den Herbarien) am leichtesten durch eine Untersuchung des Pollens feststellen lässt, so hat man gesagt, ein Artbastard muss einen schlecht entwickelten oder jedenfalls aus ungleich grossen Körnern bestehenden Pollen haben. Aber auch diese Anschauung ist nicht haltbar. Einerseits gibt es z. B. innerhalb der Gattungen Primula, Salix usw. zwischen Arten, die man wohl stets als gute Arten betrachtet hat und ansehen wird, Bastarde, die ebensogut wie die Eltern fruchten. Und aus eigener Erfahrung kenne mm ') Es bedeutet für unseren Gesichtspunkt nichts, dass in diesen Gattungen die Konstanz der kleinen Typen durch die Apogamie bedingt ist! Dies ist eine inter- essante Erklärung der Tatsachen, darf aber nicht für sich die Bewertung beein- flussen. 228 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 ich wenigstens ein paar unzweifelhafte Sparganium-Bastarde (S, af- fine Schnitzl. X Friesii Beurl. und S$. Friesiü Beurl. x simplex Huds.), deren Pollenkörner gut gefüllt sind und in der Grösse nur unbedeutend und nicht mehr als bei den Eltern wechseln. Man muss sich auch in diesem Zusammenhang vergegenwärtigen, dass die zur Untersuchung gelangten Individuen späteren Bastardgenerationen angehören können, und dass eventuell Rückkreuzung mit den Eltern. die Fertilität hat steigern können. Leider hat man hierhergehörigen Fragen an experimentell hergestellten Artbastarden noch allzuwenig Aufmerksamkeit gewidmet. Aber schon jetzt ist der Schluss berech- tigt, dass man auch eine vollständige Fertilität bei Zwischenformen nicht als Beweis gegen den Artwert der Haupttypen anführen darf. ibt es denn überhaupt keine objektive Möglichkeit, zu ent- scheiden, ob eine Pflanzenform am besten als Art oder als Einheit niedereren Ranges aufzufassen ist? Trotz der soeben besprochenen Erfahrungen über die Fertilität der Bastarde glaube ich, dass dieselbe gute Dienste leisten kann. Und unter diesem Gesichtspunkte hat, glaube ich, eine eingehende — und kritische! — Beachtung auch der spontanen Bastarde ihre grösste Bedeutung. Sie bietet ein wichtiges Hilfsmittel, die Typen und ihre Merkmale schärfer zu fassen. Als Gattungen, bei welchen sich die Erkenntnis der Bastarde in dieser Hinsicht schon von grösster Bedeutung erwiesen hat, können 2. B. Agrostis (MURBECK), Puccinellia (HOLMBERG), Zpilobium (HAUSss- KNECHT) usw. erwähnt werden. Zwei andere derartige Fälle werden unten eingehender behandelt. Wenn man durch Untersuchung der Fertilität die sogen. Zwischenformen zwischen den Haupttypen, die sonst „Artmerkmale“ aufweisen, als sichere Bastarde ausmustern kann, dann glaube ich, liegen gar keine Gründe vor, jenen den Art- wert abzusprechen. Dass unsere Augen den morphologischen Unter- schied als ziemlich unbedeutend auffassen, hat unter solchen Um- ständen wenig zu sagen. Man kann z. B. von Gräsern und Halb- gräsern nicht verlangen, dass sie so grosse Habitusunterschiede wie die Bäume aufweisen! ‘Wer wollte behaupten, dass z. B. zwischen Carex flava L. und C.lepidocarpa Tausch. betreffs des genetischen Aufbaus oder der ökologischen Ansprüche kleinere Unterschiede als zwischen Quercus Robur und Q. sessiliflora beständen ? Viel subjektiver muss das Urteil ausfallen, wenn die Zwwischen- formen keine deutlich herabgesetzte Fertilität aufweisen. Und auch in solchen Fällen kann das Vorkommen von fertilen „Zwischenformen nur ein scheinbares sein. Sie können Modifikationen sein, die sich bei der Kultur gar nicht als Zwischenformen herausstellen würden. Am Jahrg. 67°. Gunnar SamuELsson. Zur Kenntnis der Schweizer Flora. 239 meisten auffallend sind wohl solche Fälle bei gewissen Wasserpflanzen, bei welchen es vereinzelte Individuen gibt, die nicht sicher unterzu- bringen sind — jedenfalls bei Herbarexemplaren nieht! —, die jedoch zweifellos sehr gute Arten sind. Ich erinnere z. B. an Alisma Plantago L. und A. gramineum Gmel. oder an Sagittaria sagittifolia L. und S. natans Pall. Liegen wahre Zwischenformen vor, so ist ihre Häufigkeit von grösster Bedeutung, sowie die Feststellung wie sich die Typen gegeneinander in verschiedenen nicht-morphologischen Hin- sichten, wie betreffs der Ökologie, der Verbreitung usw., verhalten. Ihre Bewertung wird in solchen Fällen mehr eine praktische Frage. Oft liegt indessen eine Gefahr darin, „Formen“ auf eine niedrigere Rangstufe zu stellen. Sie werden leicht vernachlässigt, ihre Ver- breitung nicht hinreichend beachtet, usw. Ihr Aufstellen als Arten regt dagegen zum eingehenderen Studium viel stärker an. Es ist eigentlich selbstverständlich, dass das Naturstudium für die Beurteilung der systematischen Stellung einer Pflanzenform von grundlegender Bedeutung sein muss. Und doch, wie oft hängt nicht die Degradierung einer Art nur von Herbarforschungen ab? Man findet in einem Herbar einige Individuen, die man nicht sicher be- stimmen kann, und... .... !' Als Beispiel kann ich nicht unter- lassen, folgendes anzuführen. Bei der Behandlung der Alisma-Formen erwähnen ASCHERSON und GRAEBNER in ihrer „Synopsis“ ER 1896—98, S. 382), dass die verschiedensten Spezialisten sich für die spezifische Selbständigkeit von A. Plantago und A. arcuatum Mich. (= A. gramineum Gmel.) ausgesprochen haben. Dessen ungeachtet nehmen sie dieselben nur als Unterarten auf und schreiben: „Auch wir gestehen, dass wir, obwohl wir bei lebenden Pflanzen nie im Zweifel waren, doch nicht alletrocknen, namentlich schwächlichen Exem- plare sicher zwischen A. und B.haben vertheilen können.“ Man weiss ja, wie z.B. Farbenabstufungen von allergrösster Bedeutung beim Trocknen vollständig verschwinden können. Seitdem ich z. B. Carex caespitosa L. richtig kennen gelernt habe, bin ich in der Natur in keinem einzelnen Fall über die Zugehörigkeit einer Form zu dieser Art oder zu CO. Goodenowii Gay, besonders ihrem juncella-Typus, im Unklaren geblieben, dagegen bei Herbarexemplaren öfters! Dass man selbst keine hinreichende Erfahrung hat und die richtige Begrenzung nicht erfasst hat, wird oft auch nicht genügend beachtet. Mehrmals habe ich als Übergangsformen zwischen zwei Arten gedeutete Pflanzen gesehen, die unbedingt zu einer dritten Art gehören, usw. 230 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 2. Equisetum hiemale L. < ramosissimum Destf. Wenn ich eine Pflanze, die ich in einer sehr grossen Herde am Strassenrand bei Rocabella im Tessin (11. VII.1921) fand, für diesen Bastard halte, so bedeutet dies keinen bemerkenswerten Neu- fund. Vielmehr wird sie in der „Flora der Schweiz“ von H. SCHINZ und R. KELLER (2. Teil, 3. Aufl, 1914, S. 8) gerade aus derselben Gegend als E. hiemale var. Schleicheri Milde angegeben. Es gilt des- halb nur meine Deutung der Pflanze zu begründen. Equwisetum ramasissimum beobachtete ich in ganz typischer Tracht in der Grenzzone am Lago Maggiore bei Locarno, und die Pflanze von Rocabella nahm eine so ausgeprägte Zwischenstellung zwischen jener Art und dem mir wohlbekannten E. hiemale ein, dass ich schon auf den ersten Blick an einen Bastard dachte. Und da eine Untersuchung der Sporenentwicklung höchstens 5—10°/o einigermassen gut ent- wickelte Sporen ergab, so erschien mir die Sache ganz klar. Bei Durchmusterung der Literatur fand ich indessen, dass solch ein Ba- stard bis jetzt nicht sicher bekannt war, und dass meine Pflanze offenbar in den Rahmen des E. hiemale var. Schleicher: fällt. Was ist aber eigentlich Equisetum hiemale var. Schleicheri? Hier- über schreibt J. MILDE in seiner bekannten „Monographia Equise- torum“* (in Nov. Act. Acad. Leopold.-Carol. 32, 1867, 8. 526): „Dass die var. Schleicheri des E. hiemale den Uebergang in E. ramosissimum Desfont. vermittelt, war mir längst unzweifelhaft“, worauf er Formen beschreibt, die dem E. ramosissimum so nahe kommen, dass sie kaum sicher davon zu unterscheiden sind. Besonders die nicht überwintern- den Halme sind ja tatsächlich etwas für eine hiemale-Form so völlig fremdes, dass schon dieses Merkmal einen Einfluss des auch nicht überwinternden Z. ramosissimum wahrscheinlich machen muss. Die Spaltöffnungsreihen können sogar von zwei Linien gebildet sein; das ist ein ausgeprägtes vamosissimum-Merkmal. In allem nimmt die var. Schleicheri, meine ich, gerade dieselbe Stellung in der Reihe E. hiemale— ramosissimum wie E. trachyodon A. Br. in der Reihe E. hiemale— variegatum ein. Die Bastardnatur dieser letzteren Pflanze dürfte wohl jetzt ziemlich allgemein anerkannt sein (vgl. besonders O. R. HOLM- BERG in Botan. Notis., 1920, S. 165), obgleich sie bisweilen an Loka- litäten vorkommt, wo die Stammarten nicht zu entdecken sind. Sehr bemerkenswert ist folgende Angabe von MILDE (a. a. O., 8. 522): „Die Sporen fand ich stets abortirt, farblos, von den verschiedensten Grös- sen.“ Das einzige, das gegen ihre Bastardnatur sprechen würde, ist ihr Vorkommen an einigen Lokalitäten ausserhalb des Verbreitungs- gebietes von E. ramosissimum. Aber die meisten derartigen Fund- Jahrg. 67. Gunnar SamuvELssox. Zur Kenntnis der Schweizer Flora. 231 orte liegen an Flüssen, die an den Ufern ihres obern Laufes E. ra- mosissimum beherbergen und: deshalb Rhizomteile herabschwemmen können. Und da die Sterilität wohl kaum eine absolute ist, so ist ja auch eine selbständige Ausbreitung mit Sporen nicht ausgeschlossen. Ich glaube mich deshalb berechtigt, das E. hiemale var. Schleicheri ganz einfach als ein Synonym zu E. hiemale X ramosissimum zu stellen. Hiermit will ich selbstverständlich nicht sagen, dass alle zu dieser Varietät gestellte Pflanzen dem Bastard zuzurechnen sind. Vielmehr habe ich unter diesem Namen Pflanzen gesehen, die nichts anderes als schwache Formen des echten E. hiemale darstellen. Anhangsweise will ich noch die Aufmerksamkeit auf die Über- gangsformen Equisetum ramosissimum— variegatum lenken, die MILDE (a.a. 0., 8.186) u. a. aus „den tiefer gelegenen Theilen der Schweiz“ erwähnt. Auch ich sah in den Zürcher Herbarien solche kritische Formen, aber da sie mir jetzt nicht mehr zugänglich sind, so kann ich sie gegenwärtig nur zu weiterer Untersuchung empfehlen. Wahrscheinlich wird auch hier eine Sporenuntersuchung wertvolle Dienste leisten. 3. Bromus ramosus Huds. (coll.) In der „Flora der Schweiz“ von SCHINZ und KELLER (2. Teil, 3. Aufl., 1914, S. 39), finden sich bei Bromus ramosus zwei Varietäten aufgenommen, und zwar var. serotinus (Aschers.) Hack. et Briquet und var. Benekeni (Lange) A.et Gr. Nach der Beschreibung folgt eine Bemerkung: „Es finden sich bei uns & Zwischenformen“, welches natürlich den Grund darstellt, warum die beiden Typen nicht höher bewertet wurden. Da ich mich mit den skandinavischen Formen eingehend beschäftigt habe (vgl. Svensk Botan. Tidskr. 16, 1922, 8.43 u. ff), und ich unter ihnen keine Zwischenformen gefunden habe, so hat es mich interessiert, in den Zürcher Herbarien nachzusehen, ob die Verhältnisse in der Schweiz wirklich anders als bei uns liegen. Als erstes Resultat meiner Revision ergab sich, dass die Be- Stimmungen sehr unzuverlässig waren. Weiter fand ich, dass auch in den betreffenden Sammlungen die beiden Typen scharf getrennt hervortreten, wenn man nicht zu grosses Gewicht auf kleinere Wechsel in den Einzelmerkmalen legt, sondern ihre Gesamtheit und den ganzen Habitus berücksichtigte. Ich sah kein einziges unsicheres Individuum. Und hat man nur einmal die beiden Typen erfassen ge- lernt, so unterscheidet man sie in der Natur leicht auf den ersten Blick. Und da sie ausserdem oft am gleichen Standort nebenein- ander vorkommen, so ist es klar, dass ich sie als gute Arten be- trachten muss. 232 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Die für eine sichere Bestimmung besten Unterscheidungsmerk- male dieser beiden Bromus-Arten lassen sich folgendermassen gegen- überstellen. B. ramosus Huds. B. Benekeni (Lange) Syme. Oberste Blattscheide mit langen Oberste Blattscheide ohne oder Haaren dicht besetzt, aber ohne nur mit einzelnen längeren Haa- kurzflaumige Behaarung. ren, dagegen fast stets dicht kurzflaumieg. Ährenrispe sehr locker, untere Ris- Ährenrispe wenig ausgebreitet, penäste nur mit einem grund- untere Rispenäste mit3 — 5 kur- ständigen Zweig, auch vollreif zen Zweigen, vollreif ziemlich allseitig ausgebreitet. Trag- zusammengezogen und einseitig. schuppe der untersten Rispen- Tragschuppe der untersten Ris- äste lang bewimpert. penäste zumeist ohne längere Haare. Vor allem ist auf die Behaarung der obersten Blattscheide zu achten, und in allererster Linie darauf, ob eine kurzflaumige Behaa- rung vorkommt oder nicht. Nur ein paar Mal habe ich nämlich von Bromus ramosus Individuen gesehen, die am allerobersten Teil jener Blattscheide eine sehr schwache flaumige Behaarung zeigten. Und in diesen Fällen war ihre Zugehörigkeit zu B. ramosus sonst so deutlich, dass auch hier keine Rede von Zwischenformen sein kann., Zu den erwähnten Merkmalen kommt als wichtiger Umstand hinzu, dass B.ra- mosus etwa zwei Wochen später als B. Benekeni blüht und fruchtet. Auch die Verbreitung der beiden Arten ist verschieden. Im Grossen ist Bromus ramosus eine mehr westliche, B. Benekeni eine mehr östliche Art. In der Schweiz dürften sie sich regional wenig verschiedenartig verhalten. 4. Cyperus rotundus L. Am kiesigen Ufer des Lago Maggiore bei Locarno, und zwar zwischen Muralto und Riva Piana, fand ich (10. VIII. 1921) einige Stöcke einer Cyperus-Art, die sich als der aus der Schweiz nicht be- kannte C. votundus L. herausstellte. Diese Art ist eine in der ganzen Mediterranregion sehr verbreitete Pflanze, die an Ufern und auf Fel- dern zu Hause ist. Bei Locarno kam sie unter einer Menge von annuellen Anthropochoren vor. Es können erwähnt werden: Panicum miliaceum L., Eragrostis pilosa (L.) Pal., Commelina communis L., Che- nopodium leptophylium Nutt.'), Amarantus retroflezus L., A. deflexus L-, ar 2 Diese Art fand ich überall um Bellinzona, Locarno und Lugano sehr ver reitet. Jahrg. 67. Gunnar SAMUELSSon. Zur Kenntnis der Schweizer Flora. 233 A.albus L., Phytolacca americana L., Portulaca oleracea L., Lepidium virginicum L., Oxalis strieta L., Euphorbia maculata L., Impatiens Roylei Walpers, Solanum luteum Mill., Erigeron canadensis L., Galin- soga parviflora Cav. Ob Cyperus rotundus in solcher Gesellschaft ur- sprünglich ist oder nicht, ist wohl sehr unsicher. Wenn nicht, so ist die Pflanze als eingebürgert anzusehen. 5. Scirpus mamillatus Lindb. fil. Es ist ja allgemein bekannt, dass Scirpus palustris L. eine poly- morphe Art darstellt. Dass man Se. uniglumis Link. als gute Art davon abtrennen muss, steht meiner Ansicht nach ausser Frage, wie oft sie auch fortwährend, besonders in Mitteleuropa, als Unterart behandelt wird. Niemand dürfte „Übergangsformen‘ gesehen haben. Die Verbreitung und die ganze Ökologie sind auch grundverschieden. Aber auch Sc. palustris im engeren Sinn ist heterogen. Den nordischen Formenkreis hat HARALD LINDBERG vor etwa 20 Jahren auf zwei Arten verteilt, von denen er die eine als Sc. mamillatus Lindb. fil. — auch die Kombination Heleocharis mamillata Lindb. fil. wurde einmal verwendet — neubeschrieben hat, und die andere als Se. eupaluster Lindb. fl. bezeichnet |vgl. „Die nordeuropäischen Formen von Scirpus (Heleocharis) paluster L.“, Acta Soc. Fauna et Flora Fenn. 23 : 7,1902]. Seine eingehende Behandlung ist mit zahlreichen instruktiven Ab- bildungen, besonders von Früchten, ausgestattet. LINDBERG glaubte, dass Sc. mamillatus auf N ordeuropa beschränkt sei und kaum in Mittel- europa vorkomme. Vor einigen Jahren hat indessen A. von HAYEK die Pflanze für Steiermark nachgewiesen (vgl. „Schedae ad floram stiriacam exsiccatam“, 19. u. 20. Lief., 1910, 8. 8). Aus der Schweiz war sie nicht bekannt. In den Herbarien liegt sie jedoch von meh- reren Lokalitäten vor, LINDBERG gibt a. a. O. ($. 4) folgende Beschreibung der beiden betreffenden Arten. Seirpus eupaluster Lindb. fil.‘) Halm dunkelgrün, fest, undurch- Sichtig, trocken fein oder nicht gestrichelt, mit ca. 20 dicht gestellten Gefässbündeln ; Palissadengewebe hoch, ringsum; Bastbündel dicht sestellt, Bastzellen mit sehr kleinen Lumina; Markgewebe mit dicht gestellten, festen Diaphragmen. Nuss verkehrt-eiförmig, der verdickte Griffelgrund gut abgeschnürt, kegelfürmig, mehr hoch als breit. Pe- "'gonborsten mit kurzen Anhängseln, 4 (f. typica) oder ziemlich selten 0 ) Es liegen kaum dringende Gründe vor, den Namen Se. palustris L. fallen ”U lassen. Man kann ihn sicher in emendiertem Sinn für Se.eupaluster Lindb. fil. gelten lassen, 234 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 (£. nulliseta), den verdickten Griffelgrund nicht überragend, selten ru- dimentär (f. subnulliseta). Seirpus mamillatus Lindb. fil. Halm hellgrün, weich, durchsichtig, trocken deutlich gefurcht, mit 4—5 Furchen an jeder Seite, mit ca. 12 entfernt gestellten Gefässbündeln; Palissadengewebe ziemlich dünn, nur auf der Aussenseite der Gefässbündel ; Bastbündel entfernt ste- hend, Bastzellen mit grösseren Lumina; Markgewebe mit ziemlich entfernt gestellten Diaphragmen von geringerer Festigkeit. Nuss hellbraun, glänzend, rundlich, der verdiekte Griffelgrund niedrig, fast sitzend, zitzenförmig. Perigonborsten mit längeren Anhängseln, 5 oder gewöhnlich 6 (sehr selten 8, niemals 0), den verdickten Griffelgrund überragend, niemals rudimentär. Seit 1902 habe ich diese Art in Mittelschweden öfters gesehen und in der Natur immer wieder mit Scirpus palustris verglichen. Im allgemeinen habe ich sie schon nach dem Habitus, d.h. Farbe und Festigkeit, leicht unterscheiden können. Bisweilen bin ich indessen auf helle, ziemlich weiche Pflanzen gestossen, die sich wegen des Nüsschens und der Perigonborsten als Sc. palustris angehörend er- wiesen haben. Aber nie bin ich auch in solchen Fällen im Zweifel geblieben, wenn nur die Pflanzen hinreichend weit entwickelt waren. In manchen Gegenden von Schweden ist Sc. mamillatus häufig und zwar, wie LINDBERG (a. a. O., 8. 7) ganz richtig angibt, wächst sie „in der Regel nicht wie Se. eupaluster an Seeufern mit festem Sand- oder Lehmboden, sondern in Teichen, kleinen Tümpeln und auf sump- figen Wiesen mit loserem Boden, besonders gern auf Torf“. Nach meiner Erfahrung muss ich der Meinung LINDBER6S ZU- stimmen, dass Seirpus mamillatus eine gut charakterisierte Art dar- stellt. Derselben Auffassung sind meines Wissens auch alle andern nordischen Botaniker, die die Pflanze in der Natur kennen gelernt haben. LINDBERG selbst gibt ausserdem einen Bastard mit Sc. pa- lustris aus Finnland an (a.a.0., 8.10). Dieser war eine deutliche Zwischenform, deren Früchte nur zu ca. 50°/o entwickelt waren. In Herbarien stösst man selbstverständlich bei der Bestimmung nicht selten auf Schwierigkeiten, besonders wenn die gesammelten Individuen zu jung sind. Eine anatomische Untersuchung des Halmes dürfte jedoch auch in solchen Fällen zu einer sicheren Entscheidung leiten können. In den Sammlungen der Zürcher Museen liegt Scirpus mamillatus in zahlreichen Exemplaren vor. Leider hatte ich bei der Revision keine Zeit zur anatomischen Untersuchung, und es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass ich einzelne schlecht entwickelte Individuen, die Jahrg. 67°. Gunnar SamuELsson. Zur Kenntnis der Schweizer Flora. 235 zu dieser Art zu rechnen sind, bei Sc. palustris habe liegen lassen. Sicher kann ich Sc. mamillatus von folgenden Schweizer Lokalitäten angeben. Kt. Waadt. La Vallee (1853 L. Favrat). Kt. Freiburg. Agy, an der Sarine (1916 Jaquet). Kt. Aargau. Bünzermoos (0. Buser). Kt. Baselland, Vogelsang bei Arisdorf (1828 Münch). Kt.Schaffhausen. Wydlenweier (Schalch). Kt. Zürich. Unterriffersweiler Allmend (1879 K. Hegetsch- weiler); Moorwiesen bei Oerlikon (1865 E. S. Fries); Eisweiher bei Oerlikon gegen Seebach (1894 A. Volkart); Weiher ob Rafz (1915 LFrymann); zwischen Schlosshof und Töss, am linken Ufer der Töss (1884 H. Siegfried); Vorbahnhof Zürich (1875 C. Schröter; 1889 E. Wilezek; 1889 Treadwell sen.); Klösterli am Zürichberg (Hb. Huebschmann) ; Vordermoos bei Rüschlikon (1881 K. Forster); Ausser- sihl, Utobrauerei (1891 A. Pillichody); Sihlhölzli (1885 A. Lohbauer; 1887 K. Bertschinger); Riet bei Altstetten (1911 H. R. Schinz); Ziegel- hütte Bonstetten (1894 A. Volkart). Kt.Schwyz. Sihltal bei Einsiedeln (1901 M. Düggeli). Kt. St.Gallen. Tottenweil bei St. Gallen (1869 A. Linder). Kt. Wallis. Saas-Fee 1820 m (1899 A. Keller). Kt. Graubünden. Puschlav, Mündung des Poschiavino, 970 m (1902 H. Brockmann-Jerosch); Maloja (0. Heer). 6. Carex vulpina L. und C.nemorosa Rebent. In den meisten grösseren europäischen Florenwerken findet man unter Carex vulpina L. eine var. nemorosa (Rebent.) Koch. Sie wird als eine Schattenform charakterisiert, und zwar von schlafferer Gestalt mit lockererem Blütenstand, längeren Tragblättern, blassgrünen bis weisslichen Deckblättern, grünlich bleibenden Fruchtschläuchen usw. Besondere Lokalitätsangaben finden sich sehr selten angegeben. Nach dieser Auffassung besitzt die betreffende Varietät keinen systematischen Wert. Es hat indessen nicht völlig an Stimmen gefehlt, die der var. nemorosa einen höheren Rang haben zuerkennen wollen. Von den älteren Autoren hat sich in erster Linie 0. HAUSSKNECHT mit der Sache beschäftigt. In der Österr. Botan. Zeitschr., Bd. 27 (1877), hat er diese Pflanzen eingehend besprochen. Er meint, es liegen zwei sehr gut getrennte Arten vor, die sich durch eine ganze Reihe von Merkmalen unterscheiden. In Thüringen war Carex nemorosa Rebent. die unbedingt häufigste der beiden Arten. Offenbar ohne die 236 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Ausführungen HAUSSKNECHTS zu kennen, ist HARALD LINDBERG neuerdings zu ganz übereinstimmenden Ansichten gekommen. Er spricht auch von „zwei gut charakterisierten Arten“ und setzt die Merkmale eingehend auseinander (vgl. Meddel. Soc. pro Fauna et Flora Fenn. 40, 1914, S. 311). Und in den „Schedae operis quod insceribitur Plantae Finlandiae exsiecatae“ (Helsingfors 1916) hat er bei den Nr. 509 und 510 lateinische Diagnosen und Figuren über Schläuche, Früchte und Deckblätter gegeben. Da dieses Werk selten ist und sehr wenig bekannt sein dürfte, so gebe ich LINDBERGs Diagnosen wieder. Carex vulpina L. Folia viridia, spica compacta brunnea, breviter setaceo-bracteata, utrieuli dorso evidenter nervosi, ventre haud vel obsolete nervosi, rostrum marginatum, marginibus dense dentatis, dorso fissum, apex squamarum longior, brunneus, subteres, obsolete dentatus. Cfr. Fries Herb. norm. fasc. 9, n. 83, spec. ex Upsalia. Carex nemorosa Rebent. Folia glauco-viridia, spica minus com- pacta, viridior, longior bracteata, utriculi dorso evidenter nervosi, etiam ventre aperte nervosi, rostrum haud marginatum, marginibus leviter dentatis, dorso non fissum, apex squamarum brevior, viridis, evidenter dentatus. — Cfr. REICHENBACH Herb. Fl. Germ. n. 411, sub nom. Vignea nemorosa (Rebent.), A. KNEUCKER, Carices exsiccatae, n. 155, sub. nom. Carex vulpina L., et n. 7 sub nom. Ü. nemorosa Rebent., specimina in n. 155 distributa f. typica, in n. 7 distributa tamen f. um- brosa formant. Eine Revision grösserer Sammlungen aus Gegenden ausserhalb Finnlands und Schwedens hat meines Wissens bis jetzt niemand aus- geführt. Vor allem um die Verbreitung der beiden Typen etwas näher kennen zu lernen, habe ich die Sammlungen der Museen in Lund, Stockholm, Upsala, Gothenburg, Christiania, Bergen, Kopen- hagen, Berlin, Wien (Statsmuseum und Universität), Zürich (Eidgen. Techn. Hochschule und Universität), Bern und Basel, sowie einige Privatherbarien untersucht. Einige Resultate habe ich anderswo in schwedischer Sprache veröffentlicht (vgl. Svensk Botanisk Tidskrift 16, 1922, S. 207 u. ff). Hier will ich nur einige Punkte von allge- meinerem Interesse zusammenfassen und etwas über die Verbreitung der Arten in der Schweiz mitteilen. Habituell lassen sich sogar die meisten Herbarexemplare schon nach den Blättern, besonders ihrer Farbe, der Form und Farbe ei Ährehen, sowie der Ausbildung ihrer Tragblätter, auf die beiden Arten leicht verteilen. Als habituelles Merkmal kommt hinzu, dass der Stengel von Carex nemorosa nicht so diek wie der von C. vulpina ist. Um jedes Missverständnis zu vermeiden, sei bemerkt, dass die Jahrg. 67. Gunnar SamveLsson. Zur Kenntnis der Schweizer Flora. 237 graugrüne Blattfarbe von ©. nemorosa erst beim Trocknen hervor- tritt, und dass die lebende Pflanze ebenso rein grün wie C. vulpina ist. Die schärfsten Merkmale finden sich indessen bei den Schläuchen. Hierbei muss ich jedoch gestehen, dass ich den Unterschied betreffs der Nervatur nicht so ausgeprägt gefunden habe, wie LINDBERG angibt. Oft sind freilich die Schläuche von (. vulpina an der Innen- seite vollständig nervenlos, bisweilen sind sie indessen im untern Teil mit spärlichen Nerven ausgestattet. Andererseits kann die Nervatur bei ©. nemorosa ziemlich schwach sein. Auch betreffs der Zähnung des Schnabels und der Deckblätter, sowie der Resistenz der Narben kommen Unterschiede vor. Es blieben mir deshalb einige Individuen unklar"), bis ich auf die feinere Struktur der Oberfläche der Schläuche aufmerksam wurde. Die Schläuche von C. nemorosa sind nämlich aus- geprägt glänzend, während jene von O.vulpina matt erscheinen. Bei Lupen- vergrösserung sieht man auch, dass diese fein papillös sind, während jene sogar bei stärkerer Vergrösserung vollständig glatt sind. Auch die Anatomie der Schlauchwand ist verschieden. Die äusseren Epidermis- zellen sind bei ©. vulpina isodiametrisch, und ihre Wände stark ver- diekt, die Kutikula etwas vorgewölbt, bei C. nemorosa dagegen in die Längsrichtung des Schlauches etwas ausgedehnt und dünnwandiger. Nach diesem Merkmal liessen sich die bisher unsicheren Individuen ohne Schwierigkeit restlos verteilen. Ausserdem sei bemerkt, dass bei ausgeprägten Sonnenformen von Ü. nemorosa die Schläuche bei Vollreife schwarzgrau werden, während sie bei ©. vulpina rotbraun sind. Die Verbreitung der beiden Arten ist deutlich verschieden. Carex vulpina sah ich aus Sibirien (Altai) und Europa, und zwar aus Finn- land, Schweden, Dänemark, Deutschland, Belgien, England (Oxford), Frankreich (Paris, Toulon), der Schweiz, Österreich, Böhmen, Mähren, Ungarn, Estland, Lettland, Polen, Russland, Italien und Griechenland. Die Verbreitung zeigt einen kontinentalen Anstrich. C. nemorosa sah ich aus allen europäischen Ländern, mit Ausnahme von Polen, dem eigentlichen Russland, den baltischen Randstaaten und Rumänien. Weiter von den Kanaren, aus Marokko, Kleinasien, Syrien, Persien, Kaukasien (Kuban) und Südafrika (Natal; eingeschleppt?). Die Ver- breitung ist offenbar eine westlichere und mediterrane. Schon in Mitteleuropa ist C. nemorosa die weitaus häufigste der beiden Arten. Aus Deutschland sah ich im Hb. Berol. 32 Nummern von dieser und ur 12 von C. vulpina. NEN !) Selbstverständlich sehe ich von einigen, noch zu jungen Individuen ab. 238 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Auch in der Schweiz haben die beiden Arten eine verschiedene Verbreitung. Carex nemorosa ist über die ganze Schweiz verbreitet, doch offenbar in den meisten Gegenden selten. Etwas reichlicher liegt sie in den Herbarien nur aus dem Mittellande vor. Aus dem Jura, den Nord- und Südalpen, sowie aus dem Tessin habe ich nur ver- einzelte Belege gesehen. C. vulpina scheint eine ‘wahre Seltenheit zu sein. Ich sah sie nur aus den niedrigeren Teilen der Nord- und West-Schweiz, und zwar von folgenden Lokalitäten: Kt. Genf. Genf (1838 A. Meyer); Genf gegen Aire (1850 Müller- Argoviensis); Vernier (Latterre). Kt. Waadt. Cossonay (1891 E. Bosshard); Marais de Lavigny, pres d’Aubonne (1880 J. Vetter); Marais sur Bex (1840 E. Thomas). Kt. Bern. pr. Thun (Guthnick). Kt. Luzern. Rothsee (1884 E. Neumann). Kt. Aargau. Hallwylersee (Müller-Argoviensis). Kt. Zürich. Andelfingen (1906 P. Baumgartner ; 1907 A. Thel- lung ; 1909 Dr. Rohrer); Robenhausen (1888 Hb. Ekerhoff) ; Maschwander Allmend (1880, 1881 und 1887. K. Hegetschweiler; 1891 C. Schröter); Katzensee (1879 Dr. Huguenin; 1879, 1880 u. 1885 J. Jäggi; 1881 und 1885 F. Käser; 1885 C. Forster-Walder; 1888 A. Zschokke; 1909 Dr. Rohrer); Katzensee im Regensdorfer Wald (1891 A. Pil- lichody); Böschholz Regensdorf (1907 E. S. Fries). Kt. Thurgau. Nergetermoos (1892 Fisch). Kt..Schaffhausen. Dorflinger Ried (Schalch) ; Müdlensee (1852 Schalch); Eischheimer Tal (1880 J. C. Bührer; 1909 E. Kelhofer); Wydlen bei Buchthalen (1908 E. Kelhofer). 7. Carex flava L. und nächststehende Arten. Ich nehme diesen Formenkreis hier auf, hauptsächlich weil der- selbe einige der oben dargestellten allgemeinen Gesichtspunkte gut illustriert. Eine tiefgreifende und vollständigere Bearbeitung eines grösseren Materials habe ich nieht durchgeführt, obgleich ich mich auch über diese Gruppe in den Zürcher Museen umgeschaut habe. Oft wird in den Floren, so z. B. bei ASCHERSON und GRAEBNER, SCHINZ und KELLER usw., Carex flava L. (s. str.) mit C. lepidocarp@ Tausch und C. Oederi Retz. zu einer Art zusammengeführt, die 0 verschiedener Weise gegliedert wird. Als Grund gilt das häufige Vorkommen „nicht-hybrider“ Zwischenformen. Dagegen lehnen die Spezialisten, um nur die Namen KNEUCKER, KÜKENTHAL u. PALMGREN zu nennen, diese Auffassung entschieden ab und stellen drei Arten auf. Die unzweideutigen und sterilen Bastarde in allen drei mög” Jahrg. 67. Gunnar SamueELssox. Zur Kenntnis der Schweizer Flora. 239 liehen Kombinationen bilden einen Hauptbeweis ihrer Auffassung. Dass die Spezialisten auf festerem Boden stehen, ist natürlich von Anfang an wahrscheinlich. Durch Studien in der Natur, sowohl in Schweden wie in der Schweiz, bin auch ich dazu gekommen, ihrer Auffassung beizustimmen. Sogenannte Zwischenformen kommen ja zweifellos zwischen den betreffenden drei „Arten“ häufig vor. In der Reihe Curex flava — Oederi lassen sie sich leicht auf zwei Typen verteilen. Der eine ist “ O.lepidocarpa. Der andere ist stets steril und offenbar von Bastard- natur. Solche Bastarde finden sich fast überall, wo die beiden Arten zusammentreffen. Oft treten sie in grösster Menge auf und wechseln ziemlich stark, besonders je nach der beteiligten Form von €. Oederi. In den Herbarien kann man wohl nicht unter allen Umständen diesen Bastard von (©. lepidocarpa X Oederi sicher unterscheiden und auch in der Natur muss man genau auf die Vorkommensweise achtgeben. Betreffs der Reihe ©. flava — Oederi dürften die Ansichten ziemlich wenig auseinandergehen. Die einzige noch als Übergangsform in Frage kommende wäre wohl der oedocarpa-Typus, dessen Zugehörig- keit zu ©. Oederi jedoch für jedermann offenbar sein muss, der sich etwas eingehender mit der Gruppe beschäftigt hat. Dass die Reihen Carex flava — lepidocarpa und (. lepidocarpa — Öederi kritischer sind, gebe auch ich unbedingt zu. Im allgemeinen hat man wohl die schwächsten Grenzen zwischen (. flava und (©. lepi- docarpa finden wollen. Mir ist es indessen nicht so gegangen! In der Natur bin ich nämlich nie auf unsichere Formen gestossen. In der Schweiz bekam ich mehrmals gute Gelegenheit diese Pflanzen zu beobachten. Wenn ich an einer Lokalität nur die eine Art fand, so sah ich auch keine „atypischen“ Individuen. Wohl aber, wenn die beiden Arten zusammen auftraten, und zwar unter sehr interessanten Umständen! Es muss indessen nachdrücklich betont werden, dass sichere Schlüsse nur dann möglich sind, wenn reife Früchte vor- liegen. Die instruktivsten Verhältnisse beobachtete ich im Dietikoner Ried im Limmattal, Kt. Zürich (14. VI. 1921). C. fava und (. lepi- docarpa traten hier beide massenhaft auf. Bald war die eine, bald die andere auf kleineren Flächen fast alleinherrschend. In solchen Fällen fand ich nur vereinzelte ;Zwischenformen‘. Bisweilen stiess ich indessen auf Punkte, wo beide Arten reichlich und gemischt vor- kamen. Und dann waren die „Zwischenformen“ sogar in der Mehr- zahl. Sie waren schon aus einiger Ferne durch ihre bereits ver- Silbten Köpfchen zwischen den noch ganz grünen der reinen Arten sehr auffallend. Und diese ungleichzeitige Entwicklung war von der 340 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Sterilität der Schläuche bei den „Zwischenformen“ bedingt. Diese hatten sich demnach — wie an den übrigen Stellen, wo ich sie be- obachtete (Katzensee bei Zürich; Wintertal bei Mürren im Lauter- brunnental) — als sterile Bastarde herausgestellt. Auch in Her- barien sah ich sichere Bastarde aus der Schweiz. Auch zwischen Carex lepidocarpa und ©. Oederi habe ich einen ste- rilen Bastard, sowohl in Schweden wie in der Schweiz (Barchesee, Kt. Thurgau) gefunden. Leider habe ich nur wenig Gelegenheit gehabt, das gegenseitige Verhalten dieser Arten in der Natur zu studieren. Die Spezialisten werden wahrscheinlich auch hier alle Formen auf die beiden Arten und ihren Bastard restlos verteilen können. Meine Beobachtungen im Feld haben bis jetzt nichts ergeben, das für fliessende Grenzen zwischen den betreffenden Carex-Arten sicher sprechen würde. Wenn ich nicht über alle einzelnen Herbarexemplare klar geworden bin, so bedeutet dies wenig. Einige sind zu jung und deshalb ohne weiteres als unbestimmbar zu bezeichnen. Andere sind zweifellos Bastarde, ohne dass ich die Eltern mit Sicherheit bezeich- nen konnte. Noch andere würden sicher von den eigentlichen Spe- zialisten unschwer gedeutet werden. Nach obigem scheint es mir unzweifelhaft, dass Carex flava (coll.) wenigstens drei gute Arten umfasst. Aber innerhalb derselben kommen Typen vor, die so ausgeprägt sind, dass sie den Rang von Unterarten beanspruchen könnten. Ich denke dabei vor allem an die C. lepidocarpa subsp. septentrionalis Palmgr. exs. und ihre f. jemtlan- dica Palmgr. exs., weiter ©. Oederi subsp. oedocarpa (Ands.) Palmgr. und ©. Oederi subsp. pulchella Lönnr. C. A. M. LINDMAN („Svensk Fanerogamflora*, 1918) will die letztere sogar als Art betrachten. Auffallend ist auch, dass Formen von €. Oederi nicht selten steril sind, ohne dass dies auf einen Einfluss von anderen Arten hindeutet. Die Oederi-Formen verdienen eingehender studiert zu werden. 8. Luzula campestris (L.) DC. und nächststehende Arten. Seit mehreren Jahren habe ich mich eingehend mit den nordi- schen Formen der Luzula campestris (coll.) beschäftigt. In der Natur habe ich sie in den verschiedensten Gegenden von Schweden und Nor- wegen studiert, und von Herbarexemplaren habe ich mehrere Tau- sende untersucht. Da meine Resultate ziemlich erheblich von den in Mitteleuropa landläufigen Auffassungen über diese Gruppe abweichen, so habe ich zum Vergleich Material auch aus ausländischen Museen herangezogen. Aus Wien (Naturhist. Staatsmus. und Bot. Mus. d. Univ.) habe ich Zuzula sudetica (Willd.) DC. und aus Berlin sowohl diese Jahrg. 67. Gunnar SAMUELSSon. Zur Kenntnis der Schweizer Flora. 24 Pflanze wie L.pallescens (Wg.) Bess. bei mir gehabt. In Zürich re- vidierte ich den ganzen Formenkreis in den Herbarien der Eidgen. Techn. Hochschule, der Universität und dem Geobotanischen In- stitutt RÜBEL. Durch die Vermittlung von Prof. Dr. ©. SCHRÖTER wurden auch die Sammlungen der Universitäten Basel, Bern und Lausanne, sowie diejenigen der Herbarien De Candolle, Boissier und Barbey-Boissier in Genf und des Rhätischen Museums in Chur nach Zürich gesandt. Selbstverständlich benützte ich auch auf meinen Exkursionen in der Schweiz jede Gelegenheit, die betreffenden Pflanzen zu beobachten. Die in dieser Weise bereicherten Erfahrungen haben meine auf das nordische Material begründeten Ansichten vollständig bestätigt. F.BUCHENAU rechnet in seiner Juncaceen-Monographie im „Pflan- zenreich“ (IV.36, 1906; vgl. auch seine „Monographia Juncacearum‘ in Englers Botan. Jahrb. 12, 1890) alle hier in Frage kommenden Formen zu einer Art, d.h. Zuzula campestris. Von ihren 20 Varie- täten kommen 8 in Europa vor. Von diesen sind mir var. debilis Vel. aus Bulgarien und var. calabra (Ten.) Buch. aus Süd-Italien unge- nügend bekannt. Die beiden var. congesta (Thuill.) Buch. und var. frigida Buch. kommen seiner var. multiflora (Retz.) Cel. sehr nahe und sind mit dieser durch Übergangsformen verbunden. Die anderen vier dagegen betrachte ich als gute Arten. Einige Autoren, in neuerer Zeit in erster Linie ASCHERSON und GRAEBNER in „Synopsis der Mitteleuropäischen Flora“ (II: 2, 1902—1904), deren Aufstellung auch z.B. SCHINZ und KELLER in „Flora der Schweiz“ (I. Teil, 3. Aufl., 1909) folgen, unterscheiden zwei Arten, und zwar L. sudetica (Willd.) DC. mit der „Rasse“ var. pallescens (Wg.) Aschers. und L. campestris (L.) DC. mit der „Unterart“ subsp. multiflora (Retz.) Hartm. und deren var. con- gesta. Diese Anordnung ist meiner Ansicht nach eine durchaus künst- liche. Die am meisten isolierte der betreffenden Typen ist nämlich zweifellos die L. pallescens, die von wesentlicheren Merkmalen kaum anders als die ungleichgrossen Perigonblätter mit 2. sudetica ge- mein hat. BUCHENAU sagt mehrerenorts, dass zwischen seinen Varietäten der europäischen Luzula campestris zahlreiche „Zwischenformen“ vor- ommen. Und auch sonst liegen in der Literatur mehrere derartige Angaben vor. Hierin liegt natürlich auch der Grund, warum man mecht Arten hat anerkennen wollen. Bisweilen hat man wohl die „Zwischenformen“ als Bastarde gedeutet, aber zumeist hat man sie als ‚Nicht-hybrid“ aufgefasst. In erster Linie hat man Zwischenformen campestris — multiflora, L.multiflora — pallescens, L. multiflora — Vierteljahreschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 67. 1922. r 242 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 sudetien sehen wollen. Ich habe mehrere in dieser Weise von BUCHENAU bezeichnete Pflanzen gesehen. Meine Erfahrung weicht von der- jenigen der betreffenden Verfasser wesentlich ab. Und ich glaube dass ich auf Grund meiner Erfahrung wagen darf, ihre Auffassung als unrichtig und auf ungenügende Kenntnis begründet zu bezeichnen. L.pallescens steht ganz isoliert. Ich sah keine Übergangsformen zu anderen Arten. Die als solche bezeichneten Exemplare haben sich restlos auf diese Art und ZL. multiflora verteilen lassen. Zwischen L. campestris und L.multiflora habe ich bis jetzt keine einzige Zwi- schenform gesehen. Alle, die nicht allzu jung oder ausserordentlich schlecht präpariert waren, haben sich auch hier ohne Zwang auf beide Arten verteilen lassen. Mehrmals enthielten Herbarbogen mit „Zwi- schenformen“ beide Arten. Merkwürdigerweise habe ich auch kein einziges Stück, weder in der Natur, noch in Herbarien gefunden, das als Bastard in Frage kommen könnte. Zwischen L. campestris und L.sudetica hat man wohl kaum einmal „Übergangsformen“ sehen wollen. Sie bewohnen ja auch im allgemeinen verschiedene Ver- breitungsgebiete. Wenn sie aber ausnahmsweise zusammentreffen, so bilden sich Bastarde sehr leicht und treten bisweilen massenhaft auf. Ich habe solche mehrerenorts in Mittel-Schweden gefunden. Mehrere Tausende von Individuen habe ich geprüft und dabei nur ein Paar ausgebildete Früchte auffinden können. Die Pollenkörner sind voll- ständig leer. Betreffs Z.multiflora und L. sudetica liegen die Vor hältnisse etwas verwickelter. Letztere Art ist von den meisten Flo- risten — auch BUCHENAU! — sehr unklar erfasst worden. Man hat fast alle dunkeln Gebirgsformen aus der Campestris-Gruppe bierher gestellt. Und so hat man selbstverständlich ein mixtum compositum bekommen, das sich unmöglich gegen die verwandten Typen hat abgrenzen lassen. Wenn man aber ZL. sudetica, wie z. B. L. CBLA- KOVSKY (in Österreich. Bot. Zeitschr. 11, 1861, $. 316), R. VON UECHT- RITZ (in sched. und in E. Fızrks „Flora von Schlesien‘, 1881) und H. LINDBERG (in Meddel. Soc. pro Fauna et Flora Fenn. 31, 1904— 1905, $. 10), begrenzt, so tritt sie als eine sehr ausgeprägte und scharf umgrenzte Art hervor. Die sogen. „Zwischenformen‘, die zu L. multiflora überleiten würden, stellen teilweise eigene Formenkreise dar, und zwar in Nordeuropa L.frigida (Buch.) Sam., in Asien un Amerika anscheinend neue Arten oder Unterarten. Teilweise sind sie nichts anderes als dunkelblütige Formen der echten Z. multiflora (2. B. deren var. fusconigra Cel., var. alpestris R. Beyer usw.). Aber wie H. LINDBERG (a. a. 0.) zuerst nachgewiesen hat, kommt auch zwischen L. multiflora und L. sudetica ein vollständig steriler Bastard (L. hybrida Jahrg. 67°. Gunnar SAMUELSSon. Zur Kenntnis der Schweizer Flora. 243 Lindb. fil.) vor. Dieser ist wenigstens in Schweden und Finnland nicht selten in Gegenden, wo beide Arten zusammentreffen. An den kleinen braunen Blüten mit vollständig fehlschlagendem Fruchtansatz ist sie unter den Eltern leicht zu entdecken und erinnert habituell an L. pallescens, womit sie sogar verwechselt worden ist. Auch bei diesem Bastard sind die Pollenkörner ohne Inhalt. Nach dieser Begründung meiner Ansicht, dass in der Campestris- Gruppe von Luzula eine Reihe von guten Arten vorkommen, will ich versuchen, eine Übersicht der in der Schweiz vorkommenden zu geben. Zuerst sei hervorgehoben, dass ich nur drei Schweizer Arten kenne, und zwar L.campestris, L. multiflora und L. sudetica. Die von 6. BEAUVERD (in Bull. Soc. Bot. Geneve, 2° ser. X, 1918, 5.285) be- schriebene L. campestris var. vallesiaca ist nichts anderes als eine Gebirgsform von L. multiflora mit etwas zusammengedrängtem Blüten- stand. Die wahre Z. congesta (Thuill.) Lej. — übrigens wohl am besten als Unterart von L. multiflora aufzufassen — ist eine atlan- tische Pflanze, die kaum in der Schweiz zu erwarten ist. 2. pallescens ist eine östliche Pflanze, deren Verbreitung in den übrigen Ländern Mitteleuropas ein Vorkommen in der Schweiz nicht wahrscheinlich macht. L. frigida habe ich in typischer Tracht nur aus Nord-Europa gesehen. Die letzten drei Typen brauchen deshalb hier nicht weiter behandelt zu werden. Die am leichtesten definierbaren Unterschiede zwischen den Arten der Campestris-Gruppe finden sich in den Innovationssprossen, Perigon- ‚blättern, Staubblättern, Griffeln, Früchten und Samen. Vielleicht die allerschärfsten Merkmale liegen in den Samen, die tatsächlich so ver- schieden sind, dass man in einer Mischung von solchen, die alle drei Arten und ausserdem L. pallescens enthält, die verschiedenen Arten leicht und eindeutig aussortieren kann. Die Grösse und Form der Samen selbst und deren Anhängsel (Caruncula) ist nämlich für jede Art ausserordentlich charakteristisch.) Um die Variabilität der Samengrösse bei den beiden besonders oft verwechselten Arten L. multi- flora und L.sudetica etwas zu beleuchten, habe ich von jeder Art 100 Samen aus Generalproben gemessen, die aus den Alluvionen des Ions bei Samaden (Ober-Engadin) stammen. Hier wuchsen beide Arten völlig durcheinander, wobei L. multiflora in einer dunkelblütigen Form vertreten war, und zwar von einem Typus, der oft für L. su- detica gehalten wird. Es ergab sich eine mittlere Samenlänge für er . ) Dieser Umstand .bezeugt auch, wie gefährlich es ist, zu junge Individuen, die nicht alle Merkmale ganz ausgeprägt zeigen, als „Zwischenformen“ zu bezeichnen. 244 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 L. multiflora von 1,60 mm?) (mittlerer Fehler -+ 0,005 mm), für L. su- detica 1,24 mm (mittlerer Fehler -+ 0,006 mm). Die Extreme waren für jene Art 1,41—1,71 mm, für diese 1,10—1,38 mm. In diesem Fall, der sicher zu den typischen gehört, berühren sich die Kurven ‘nieht einmal. Dies findet jedoch nicht immer statt. Aus Norwegen kenne ich eine kleinsamige Form von ZL. multiflora, deren Samen kaum grösser als die von Z. sudetica sind. Aber auch bei dieser Form ist das Samenanhängsel von der typischen multiflora-Gestalt (vgl. unten). Für die drei in der Schweiz vorkommenden Arten können fol- gende Differentialdiagnosen gegeben werden. L.campestris (L.) DC. Grundachse mit verlängerten Ausläufern. Seitliche Ährchen zuletzt -+ hängend. Perigonblätter der beiden Kreise annähernd gleich lang, breit lanzettlich, 3—4 mm. Antheren gelb, mehrmals länger als die Fäden. Griffel länger als der Fruchtknoten. Griffelreste lange bleibend. Frucht an der Spitze + abgerundet. Samen (einschl. des Anhängsels) 1,6—1,9 mm. Samenkörper unbe- deutend länger als breit (etwa 4:3). Anhängsel gross, frisch bis halb, getrocknet etwa !/s so lang als der Samenkörper. L. multiflora (Retz.) Lej. Grundachse ohne Ausläufer. Alle Ährchen aufrecht. Perigonblätter der beiden Kreise annähernd gleich lang, schmäler, 2,5—3 mm. Antheren gelb, wenig länger als die Fäden. Griffel so lang wie der Fruchtknoten. Griffelreste bald hinfällig. Frucht an der Spitze + abgerundet, mit eingesenkten Seiten. Samen (1,3—) 1,4--1,7 mm. Samenkörner eiförmig (etwa 3:2). Anhängsel gross, frisch bis halb, getrocknet etwa !/ı so lang als der Samen- körper. L. sudetica (Willd.) DC. Grundachse ohne Ausläufer. Ährchen ge- wöhnlich dicht gedrängt, die seitlichen, wenn gestielt, aufrecht. Pe- rigonblätter schwarzbraun, die inneren deutlich kürzer als die äusseren 2—2,5 mm langen Antheren weisslich gelb, wenig länger als die Fäden. Griffel bedeutend kürzer als der Fruchtknoten bis fast fehlend. Griffelreste fast bis zur Fruchtreife bleibend. Frucht an der Spitze + zugespitzt, mit flachen Seiten. Samen 1,1--1,4 mm. Samenkörper eiförmig, fast doppelt so lang als breit. Anhängsel sehr klein, frisch kaum Als, getrocknet etwa '/ıo so lang als der Samenkörper. Die regionale Verbreitung der Arten war sehr ungenau bekannt. Die Literaturangaben sind unzuverlässig. Luzula campestris ist indessen ?) Die Messungen beziehen sich auf trockene Samen und wurden unter dem Mikroskop bei 35facher Vergrösserung ausgeführt. Jahrg. 6°. Gunnar SAMUELSSon. Zur Kenntnis der Schweizer Flora. 245 in den meisten Teilen Europas häufig. Da sie eine verhältnismässig wärmeliebende Pflanze ist, fehlt sie in den nördlichen Teilen. In Schweden z. B. geht sie etwa bis 60° 30° N. Br. In Teilen des Mediterrangebietes scheint sie auch zu fehlen. Aussereuropäische Exemplare sah ich bis jetzt nicht. Wahrscheinlich kommt sie indessen auch in Nordafrika und dem westlichen Asien vor (vgl. BUCHENAT, a. a. O., 8. 87). Ihre Höhenverbreitung in den Alpenländern ist festzustellen. In den Schweizer Herbarien sah ich keine Standorte oberhalb 1550 m. Luzula multiflora, ist viel verbreiteter als die vorige Art. Fast in der ganzen nördlichen gemässigten Zone ist sie sehr verbreitet, oft sehr häufig, und scheint verschiedene geographische Rassen zu umfassen. Aus der eigentlichen Arktis lagen mir typische Exemplare wenigstens aus Grönland vor. In den Gebirgen steigt sie hoch über die Waldgrenze hinauf. Ich sah ein Exemplar aus 2750 m (Bernina- Heutal: 1903 J. Braun-Blanquet). In der Schweiz dürfte sie überall und auf allen Gesteinsarten häufig sein. Luzula sudetica ist sicher weniger verbreitet als die Literatur angibt. Alles was ich unter diesem Namen von aussereuropäischen Fundorten sah, darunter zahlreiche von BUCHENAU bestimmte Pflanzen, gehört zuanderen Arten. Dagegen ist sie in den meisten Gebirgsländern Europas verbreitet. Ich sah sie bis jetzt aus Island, Fennoskandien, den mitteleuropäischen Gebirgen (Harz, Schwarzwald, Auvergne, Vogesen, Erzgebirge, Riesengebirge, Sudeten, Karpathen), dem ganzen Alpen- System bis Bulgarien und den Pyrenäen. Ausserdem wäre sie vor allem in Schottland zu erwarten. Meine Nachforschungen auch in britischen Herbarien sind indessen negativ ausgefallen. In Nordeuropa steigt sie noch in Mittelschweden bis in die Ebene hinab, in Mittel- und Südeuropa hält sie sich entschieden zu den höheren Lagen. Ich sah aus der Schweiz keine Exemplare, die unterhalb 1300 m gesammelt waren. In den Schweizer Herbarien war sie überhaupt ziemlich spär- lich, obgleich aus allen Teilen der Schweizer Alpen, vertreten. Ich selbst fand sie in den meisten besuchten Gegenden (Berner Ober- land, Engadin und Puschlav), und zwar in allerlei feuchten Wiesen- und Wiesenmoor-Typen. In den Urgebirgsgebieten (Grimsel, Val Scarl . oberhalb Scarl, Bevers, Samaden, St. Moritz, Bernina, Puschlav) war sie gerade häufig und massenhaft. Auf Kalk war sie dagegen auf- fallend spärlich. So fand ich sie im Kiental (Berner Oberland) nur auf einem Fleck in wenigen Individuen, im Lauterbrunnental nur an zwei Punkten, im Val Minger (Unter-Engadin) an einem Fleck ein Paar schwache Individuen, obgleich ich in diesen Gegenden meine Auf- merksamkeit beständig auf die Pflanze richtete. Am Pilatus und im 246 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Val Sesvenna (ob Scarl) fand ich sie überhaupt nicht. In den Alpen scheint sie demnach kalkfliehend zu sein, was übrigens schon von älteren Autoren angedeutet worden ist. Von den oben besprochenen Bastarden kann ich den einen auch aus der Schweiz angeben. Im Herbar der Universität Lausanne fand ich nämlich zahlreiche Exemplare von Zuzula campestris >< sudetica aus Les Mosses, Kt. Waadt (1883 A. Mermod). Sie waren selır ausgeprägt, ganz ohne Fruchtansatz, hatten von ZL. campestris vor allem deutliche, obgleich kurze Ausläufer und ziemlich grosse Blüten, von L. sudetica die festere, höhere Wuchsform, die aufrechten seitlichen Ährcehenstiele, schwarzbraune Blüten, kürzere Griffel usw. L. multiflora > sudetica konnte ich trotz eifrigem Nachsuchen unter den Eltern nicht auffinden. Im Anschluss an diese Betrachtungen über die Campestris-Gruppe möchte ich noch eine Luzula kurz besprechen, die als L. multiflora (Retz.) Lej. X silvatica (Huds.) Gaud. gedeutet worden ist. Ein solcher Bastard wird schon von BUCHENAU (a. a. O., 8. 95) von einer Stelle in Deutschland erwähnt. Neuerdings hat auch I. MURR eine als diese Kombination gedeutete Pflanze aus Rojaberg (Vorarlberg und Liechten- stein) als L. Johannis principis eingehend beschrieben (vgl. „Liechtenst. Volksblatt“, 22. VI. 1921). Da ich auch selbst im Statzerwald bei St. Moritz (4. VIII. 1921) eine Luzula-Form fand, die habituell eine deutliche Zwischenstellung zwischen den betreffenden Arten einnahm, und deshalb als Kreuzungsprodukt in Frage kommen könnte, sO habe ich versucht, zu diesen Formen Stellung zu nehmen. Prof. MURR war so freundlich, mir ein reichhaltiges Material seiner Pflanze zu senden. Zum Teil halte ich die gesandten Exemplare für zweifellose Formen von L. multiflora. In erster Linie gilt dies von einigen gut fruchten- den Individuen, die nur etwas höher nd schlaffer als gewöhnlich sind. Andere scheinen weniger fertil zu sein und neigen deutlicher gegen L. silvatica hinüber. Mit diesen stimmt meine St. Moritzer Pflanze ziemlich genau überein. Von den gewöhnlichen Formen der L. multi- ‚flora weichen diese Formen besonders durch die mehrmals zusammen“ gesetzten Blütenstände mit langen Zweigen habituell sehr auffallend ab. Eine nähere Analyse der Blüten gibt indessen kaum etwas, das von L. multiflora abweicht. Leider habe ich keine Antheren in solchem Zustand gefunden, der eine Pollenuntersuchung ermöglicht. Die beiden betreffenden Arten stehen bekanntlich einander so fern, dass sie a verschiedenen Untergattungen gerechnet werden. Die Möglichkeit ‚einer Kreuzung ist unter solchen Umständen wenig wahrscheinlich. Bis auf weiteres stellt man wohl deshalb die ganze Formenreihe des L. Johannis principis, einschliesslich meiner St. Moritzer Pflanze, am Jahrg. 6°. Gunnar SAMUELSSon. Zur Kenntnis der Schweizer Flora. 247 besten zu L. multiflora. Ihr Habitus ist indessen so eigentümlich, dass ich mit diesen Ausführungen die Aufmerksamkeit auf die Pflanze habe lenken wollen. 9. Salix arbutifolia Willd., eine wiederherzustellende Art. Als ich im Ober-Engadin in Gesellschaft einiger Kollegen die Pflanze kennen lernte, welche man als die typische Salix myrsinites L. (var. serrata Neilr.) ausgab, so wollte ich zuerst kaum an die Richtigkeit der Bestimmung glauben. So fremdartig erschien mir ihr ganzer Habitus. Ich vermutete wenigstens eine hybridogene Beimischung von S. glauca L. Aber allmählich musste ich diese Auffassung insofern aufgeben, dass die Pflanze als eine gute Art auftritt, zu deren Cha- rakteristika gerade eine, wenn auch stark wechselnde, Behaarung der Blätter zu gehören schien. Ich hatte ja die nordische 8. myrsinites in Schweden und Norwegen öfters gesehen, und mit dieser wollte die Schweizer Pflanze gar nicht stimmen. Schon der Standort war verschieden. Während die nordische $. myrsinites in erster Linie eine Charakterpflanze einiger kalkreicher Wiesenmoortypen ist und sich dort als aufrechter bis halbmeterhoher Strauch entwickelt, so war die alpine Pflanze auf trockenen Weiden und, wenigstens wo ich sie sah, in allerschönster Entwicklung als Spalierstrauch auf Kalk- geröll zu Hause. Neben der Behaarung der Blätter — man hat ja auch eine var. pilosa Seringe besonders aufgestellt — bedeutete die vollständige Abwesenheit der vorjährigen Blätter, die ja für die nor- dische Art etwas so ausserordentlich Charakteristisches bedeuten, die auffallendste Abweichung gegenüber dieser Art. Später habe ich die Verhältnisse in den Herbarien näher verfolgt. Es hat sich gezeigt, dass der alpine Typus auch betreffs der feineren Merkmale von dem nordischen deutlich abweicht. Die Blätter, sind bei der alpinen Pflanze mehr zugespitzt, dünner und nicht so fest leder- artig, ihre Bezahnung vielleicht etwas dichter, ihre Nervatur dichter und entschieden schärfer hervortretend. Ihre Behaarung ist stärker — es kommen wie gesagt sogar seidig behaarte Formen vor — un mehr wollig. In letzterer Hinsicht weicht die Pflanze von der im Norden häufigen Salix glauca X myrsinites, die sonst habituell sehr ähnlich sein kann, aber zumeist durch mehr gerade vorwärts gerichtete Haare ausgezeichnet ist, ziemlich auffallend ab. Betreffs der regionalen Verteilung der beiden Typen hat es sich gezeigt, dass alle Salix myrsinites aus Fennoskandien, Schottland und der Arktis sich dem „nordischen“ Typus gut anschliessen (vgl. über von Salix glauca hybridogen beeinflusste Formen das soeben Gesagte). 248 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Dem alpinen Typus gehört alles was ich aus den Alpenländern gesehen habe, mit Ausnahme der Formen, die zu S. Jacquinii Host. zu stellen sind. Aus den Karpathen, Pyrenäen und Zentral-Frankreich sah ich bis jetzt kein Material. Es ist indessen anzunehmen, dass die starke Ver- bastardierung von S. myrsinites mit andern Arten, vor allem $. glauca, S. nigrieans und $. phylieifolia L., die Verhältnisse nicht so klar hervor- treten lässt, wie es sonst wahrscheinlich der Fall wäre. Die Unterschiede zwischen den beiden Typen sind von früheren Autoren nicht vollständig übersehen worden. In seiner bekannten Arbeit „Salices Europaeae“ (1866) sagt nämlich F. WIMMER (8. 100): „Praeterea in borealibus“ (scil. terris) „et folia paullo maiora, exacte ovata, et iuli erassiores omnino maiores uti et germina sunt; ramu- lus quem iulus terminat, plerumque basi gemmae valvula longe supra anthesin persistente inclusus et foliis emarcidis anni superioris stipatus. In australioribus folia magis obovata sunt, aut supra mediam aut in tertia parte latissima, pilis diutius persistentibus, nonnunquam etiam subrotundo-ovata cum apiculo, praesertim in ramulis sarmentaceis; formae angustifoliae, foliis elliptico-lanceolatis, rariores sunt. Talem indicare videtur S. arbutifolia Willd. n. 56, Herb. Willd. 18167*. Dies stimmt mit meinen Beobachtungen sehr gut überein. Dass die Unter- schiede sonst so wenig beachtet worden sind, kann wohl nur damit zusammenhängen, dass äusserst selten ein Botaniker Gelegenheit ge- habt hat, beide Typen in der Natur kennen zu lernen. Es dürfte nach dem oben angeführten einleuchtend sein, dass es notwendig ist, die „alpinen“ und „nordischen“ Typen als Einheiten höheren Ranges auseinanderzuhalten. Meinerseits glaube ich sogar, dass hinreichende Gründe vorliegen, sie als Arten zu trennen. Mehrere als Arten anerkannte Salices dürften nicht stärker verschieden sein. Übrigens hat sich Dr. BrRAUN-BLANQUET meiner Auffassung entschieden angeschlossen, nachdem ich ihm meine Gründe und gutes Material der nordischen Salix myrsinites vorgelegt habe. | Die Nomenklaturfrage ist ziemlich verwickelt. Dass der nordische Typus den myrsinites-Namen behalten muss, finde ich klar. In „Spe- cies Plantarum“ (Ed. 1, 1753, 8. 1018) gibt freilich Linnt seine Salız myrsinites sowohl aus Lappland wie den Alpen an und führt ältere ynonyme aus beiden Gebieten auf. Aber die ersten Zitate gelten „Flora Lapponica“ und „Flora Suecica“. LInN&s Abbildungen in jener Arbeit (Tab. VII, Fig. 6) weisen auch ziemlich deutlich auf den nor- dischen Typus hin. Dasselbe gilt von der von $. J. ENANDER 8% gebenen Beschreibung der Exemplare im Linw#’schen Herbar („Studiet öfver Salices i Linnes Herbarium“, Upsala 1907). Es gilt also einen Jahrg. 67. Gunnar SamueLsson. Zur Kenntnis der Schweizer Flora. 249 Namen auch für die alpine Pflanze zu finden. Diese Frage hängt mit der Bewertung von $. Jacgquinii Host. zusammen. Die meisten späteren Salicologen betrachten Salıx Jacquinii nur als eine Varietät von S. myrsinites mit (fast) ganzrandıgen Blättern. Von einigen Österreichern, die ja im allgemeinen mit einem engeren Speziesbegriff arbeiten, wird sie indessen als Art aufgefasst. Und ge- wiss lassen sich auch gute Gründe einer derartigen Auffassung an- führen. Die Blätter von S. Jaeqninii sind grösser und dünner, ihre Nervatur weniger hervortretend, die Kätzchen und die Früchte schmäler, die Griffel deutlich länger als bei der oben als „alpiner Myrsinites- Typus“ bezeichneten Pflanze. Wenn man diesen mit $. Jacgquinü zu einer Gesamtart vereinigen wollte, so hätte die Art S. Jacquinit (emend.) zu heissen, und man würde dann mit einer Unterart oder Varietät zu rech- nen haben, deren richtiger Name, wenigstens als Varietät,sehr schwierig zu eruieren wäre. In der Literatur findet man zahlreiche Spezies- Namen, die als Synonyme von Salix myrsinites aufgefasst werden. Man könnte dem- nach erwarten, einen zu finden, der für den alpinen serrata-Typus verwendbar wäre. Und dies scheint wirklich zuzutreffen. Die aus der Arktis, Sibirien oder Grossbritannien stammenden Namen sind wohl ohne weiteres hinfällig, wenigstens so lange es nicht nachgewiesen ist, dass die Pflanze auch dort vorkommt. Von den Namen, die aus den Alpenländern stammen, sind S. acridentata Gandog. und S$. pilosa Schleich. „nomina nuda“. Dies gilt indessen von zwei anderen nicht. Der älteste ist S. dubia Suter (in „Flora Helvetica, Vol. II, 1802, 8.283). Nach freundlicher Mitteilung von Prof. A. THELLUNG ist diese Art auf ein im Hb. SCHEUCHZER (im Herbarium der Eidgen. Techn. Hochschule Zürich) aufbewahrtes Exemplar begründet, das überhaupt keine Myrsinites-Form darstellt, sondern zu S. hastata L. gehört. Da- gegen betrachte ich den Namen $. arbutifolia Willd. als verwendbar. Diese Art wird von WILLDENOW in „Species Plantarum“ (IV:2, 1805, 8. 682) aufgestellt und beschrieben. Unter den Synonymen steht frei- lich $. dubia Suter, und auch die Zitate nach HALLER und BAUHINUS sind sehr verdächtig. Dagegen stimmt die Diagnose gut für unsere Pflanze. Sie ist auf Exemplare begründet, über die WILLDENOW sagt: „Sub nomine S. arbutifolia Afzelii mecum communicavit Cl. Flügge“ . Es sind wohl dieselben, die sich heute noch in WIELDENOWs Her- bar in Hb. Berol. befinden. Seine Salices wurden schon von WIMMER untersucht, der über unsre Pflanze a. a. 0. (8. LVO) sagt: „S. arbuti- folia Wild. est S. Myrsinites“ (vgl. auch oben). Später hat auch Dr. 3. J. ENANDER (Lillherrdal, Schweden) die OriginaleWILLDENOWS eingehend 250 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 geprüft. Er war so freundlich, mir seine Aufzeichnungen zur Verfü- gung zu stellen. Aus denselben geht hervor, dass von S. arbutifoha (No. 18167) zwei Bogen vorliegen. Beide enthalten junge, also wenig entwickelte, weibliche Zweige. Sonst stimmen sie mit den schwächer be- haarten Formen von „S. myrsinites var. serrata“ aus den Alpen gut überein und gehören sicher in denselben Formenkreis. Dass die Pflanze von WILLDENOW als eigene Art an der Seite von S. myrsinites L., die er wohl hauptsächlich in der alpinen Form kannte, aufgenommen wurde, will wenig besagen, wenn mann weiss, dass die neuen Salix- Arten WILLDENOWs oft sehr schwach begründet waren. Nach meiner Auffassung müssen wir demnach WILLDENOWs Namen S$. arbutifolia, wir können sagen, in emendiertem Sinn aufnehmen. 10. Rumex auriculatus Wallr. (syn. R. thyrsiflorus Fingerh.) Am Nordende des Lago Maggiore (11. VIII. 1921) fand ich einen grossen Rasen von Rumex auriculatus Wallr., und zwar unterhalb Gordola in der Piano di Magadino in einer „natürlichen“ Wiese in der Nähe des Seeufers. Da ich glaubte, die Pflanze sei in der Schweiz verbreitet, so widmete ich der Sache keine grössere Aufmerksamkeit und kann deshalb nicht mehr sagen, ob weitere Individuen vorhanden waren. Glücklicherweise nahm ich ein Belegstück mit und habe somit die Bestimmung zu Hause bestätigen können. Die Pflanze ist in keiner Flora für die Schweiz angegeben und scheint auch nicht unter an- deren Namen in Herbarien vorzuliegen.!) Sie ist ja übrigens so cha- rakteristisch, dass man sie nicht leicht übersehen kann. Ob Rumex aurieulatus im Tessin ursprünglich ist, kann natürlich in Frage gestellt werden. Die Pflanze wird ziemlich oft verschleppt, und verschiedene Standorte solcher Natur, z. B. Bahndämme, Weg- ränder usw., sind bekannt. Von derartigen Standorten aus kann sie sich jedenfalls in „natürliche“ Wiesen einbürgern. Überhaupt ist es ja oft fast unmöglich zu sagen, welche Arten der Wiesenflora der niederen Lagen in einer Gegend ursprünglich, und welche vom Menschen ein- geführt sind. Mir scheint indessen, dass unsre Art ebenso gut das Bürgerrecht in der Tessiner Flora verdient wie die meisten anderen Wiesenpflanzen. Es zeigen ja auch andere Arten mit Hauptverbrei- tung in nördlicheren Teilen von Mitteleuropa isolierte Vorkommnisse im schweizerisch-italienischen Grenzgebiet. (P. 24, 190, ') In REICHENBACHs „Icones Florae Germanicae et Helveticae“ we be eine S.54) wird sie freilich für „Helvetia“ aufgenommen. Ob aber diese Anga wahren Grund hat, ist sehr unsicher. Jahrg. 67°. Gunnar SamuELsson. Zur Kenntnis der Schweizer Flora. 251 12. Ranunculus aquatilis L. (s. str.). Da es mich interessierte, eine Vorstellung von der Verbreitung des Ranuneulus aquatilis L. s. str. (syn. R. peltatus Schrank) innerhalb der Schweiz zu bekommen, schaute ich mich etwas in den Zürcher Sammlungen um und fand dabei, dass eine Revision notwendig sei. Eine solche habe ich nicht in allen Einzelheiten ausführen können. Doch habe ich Verschiedenes gesehen, das verdient, mitgeteilt zu werden. Mehr als drei Viertel aller zu Ranunculus aquatilis gestellten schweizerischen Exemplare fand ich falsch bestimmt. Die meisten waren nichts anderes als Formen, zumeist heterophylle, von R. flac- cidus Pers. (syn. R. paucistamineus Tausch.). Der echte R. aquatilis scheint sogar eine wahre Seltenheit zu sein. Diese Art gedeiht offen- bar nicht in den kalkreichen Gewässern der Schweiz. Auch in Nord- europa habe ich sie kalkmeidend gefunden. Die Verbreitung stimmt hier sehr nahe mit derjenigen von Myriophyllum alterniflorum DC. überein. Sichere Belege sah ich nur aus folgenden Schweizer Loka- litäten. (Wenn nichts besonders erwähnt, waren Schwimmblätter vor- handen). Kt. Basel. Lange Erlen (1850 H. Christ). [Neudorf gegen Löchli (Steinegger) in Elsass]. Kt. Bern. Burgaeschisee (ohne Schwimmblätter, 1900 G.Wagner). Kt. Waadt. Bottens, zwischen Cossonay und Echallens (I. Muret); Seen unterhalb vom Pass Grosjoun (1852 1. Muret). Kt. Wallis. See bei „Torrent sur Grimentz“ (1885 F. O. Wolf). Nach Mitteilung von Prof. A. THELLUNG liegt der Fundort wenigstens 2200 m ü.d.M. Kt. Tessin. Piano di Magadino, in einem Bächlein in der Nähe des Lago Maggiore (1921 G. Samuelsson); Breggia bei Chiasso (1921 A. Voigt). Beide gehören einer ziemlich kleinblütigen Form ohne Schwimmblätter an. Ausser den erwähnten Exemplaren sah ich einige kritische Pflan- zen, die freilich grosse Ähnlichkeit mit Ranunculus aquatilis zeigten, aber auch Abweichungen gegen andere Arten aufwiesen. In der Hofi- nung, dass man durch Pollenuntersuchung ihrer Natur näher treten könnte, habe ich eine solche ausgeführt. Es zeigte sich dann zuerst, dass alle zweifelhaften Individuen einen -+ schlechten Pollen hatten. Ihre Bastardnatur erschien dadurch wahrscheinlich. Für eine sichere Beurteilung war aber auch eine Untersuchung des Pollens der „reinen“ Arten notwendig. Das Resultat fiel hierbei ziemlich wechselnd und "— unerwartet — aus. 252 Vierteljahrsschrift der Naturf.,Gesellschaft in Zürich. 1922 Einen vollentwickelten Pollen fand ich überall bei Ranuneulus confervoides') (Fr.) Lange und R. flaccidus. Das einzige mir vor- liegende Schweizer Exemplar von R. Baudotiti Godr.?) hat auch einen vollentwickelten (> 90°/o) Pollen. Etwas schlechteren Pollen fand ich bei R. cireinnatus Siebth. (Schwankung von 60 bis 85 °/o gutem Pollen). Bei Ranunculus aquatilis fand ich bei den meisten „typischen“ Indi- viduen einen guten (>95°/o) Pollen. Bei einerheterophyllen Pflanze zählte ich jedoch nur 80—85 °/o wohl entwickelte Körner, und eine andere derartige Pflanze aus Singen, unweit der Schaffhauser Grenze (1900 G.Wagner), die man höchstens mit Zweifel gegen R. flaccidus neigend, be- zeichnen könnte, hatte nur 25—30°/o gute Körner. Die isophyllen Formen hatten durchgehend schlechteren Pollen: das Berner Exem- plar ca. 65/0, das eine Tessiner (leg. Verf.) ca. 85 °/o und das andere (leg. Voigt) nur ca. 40 °/o guten Pollen. Noch verwickelter liegen die Verhältnisse bei Ranuneulus fluitans Lam. Von den untersuchten Individuen zeigte nur ein französisches. einen vollentwickelten (>95°/o) Pollen, ein anderes etwa 90°. Sonst lagen die besseren Fälle zwischen 55 und 80°/o. Alle diese bezogen sich auf grossblütige Pflanzen. Aber auch bei solchen habe ich viel schlechteren Pollen beobachtet, mit Schwankungen von 250)0- bis zu vollständiger Rückbildung mit ausschliesslich leeren und kleinen Körnern. Bei den kleinblütigen Formen, u. a. bei allen aus der Um-- gebung von Zürich, fand ich eine sehr schlechte Ausbildung des. Pollens, höchstens 15°/o gute Körner. In einigen Fällen ergaben die- Antheren überhaupt keinen Pollen, was vielleicht mit den Wasser-. verhältnissen zusammenhängt. Oder liegt eine Art weiblicher Indi- viduen vor? Obige Untersuchungen sprechen kaum für grössere Gesetzmässig keit betreffs der Pollenentwicklung bei den Wasserranunkeln. Eine schlechte Ausbildung braucht nicht auf Hybridität zu deuten. Wahr-- scheinlich spielen Standortsverhältnisse eine bedeutende Rolle. Aber: meine Untersuchung, die im allgemeinen nur eine einzige Blüte von jedem Individuum umfassen konnte, gestattet natürlich keine weiter- ig- ') Wenn ich „R.confervoides“ schreibe, so will ich nicht sagen, dass diese - Pllanze eine gute Art sei. Wahrscheinlich ist sie am besten als Unterart aufzufassen. Sicher ist sie von der Hauptform von R. flaccidus systematisch verschieden. ?) Dieses war als „R. trichophyllus Chaix. var. trichophyllus Chaix. (= 9€ nuinus) f. terrestris“ von M. RıkLı bestimmt worden und stammt aus La Charrat im Wallis (1855 I. Muret), d. h. von derselben Lokalität, wo H. Gams diese Art im Jahre 1916 gefunden und richtig gedeutet hat (vgl. Verh. d. Schweiz. Naturf. Ges. Bd. 99, 1918, 8.241). Die Annahme von Gams, dass sie neuerdings eingeführt sei,.. dürfte deshalb kaum zutreffend sein. Jahrg. 6°. Gunnar SAMuELsson. Zur Kenntnis der Schweizer Flora. 253 gehenden Schlüsse, wenn so verwickelte Verhältnisse wie in diesem Falle vorliegen. Wenn ich dessenungeachtet einige Individuen als ziemlich sichere Bastarde bezeichne, so gründe ich diese Auffas- sung mehr auf die Gesamtmerkmale der Pflanze als auf die Ausbil- dung des Pollens derselben. Ranunculus aquatilis X ‚laceidus. So glaube ich eine Pflanze aus Bonfol im Berner Jura (1910 Dr. Dutoit) am besten zu deuten. Sie kommt dem R. aquatilis unbedingt am nächsten. Hierfür sprechen die wohl entwickelten, stumpfgelappten Schwimmblätter und die langen Blütenstiele. Andererseits neigt sie durch mehr schildförmige Schwimm- blätter und kleinere Blüten gegen R. flaceidus hin. Die Fruchtbil- dung ist nicht gut, und der Pollen zeigt nur 60—70° wohl ent- wickelte Körner. Ranunenlus aquatilis > confervoides. Zu diesem Bastard ziehe ich ohne Zögern drei Individuen aus den Alpen. Alle haben gut aus- gebildete Schwimmblätter, die in der Form ziemlich nahe mit den- jenigen von R. aquatilis übereinstimmen, doch stärker geteilt und mit spitzeren Zipfeln versehen sind. Dagegen sind sie bedeutend kleiner als bei dieser Art. Ausserdem weichen alle drei durch kürzere Blütenstiele, kleinere Blüten und die Zartheit aller Teile deutlich davon ab. Anderer- seits kann reiner R. confervoides wegen der Schwimmblätter, der grös- seren Blüten und der gröberen Gestalt gar nicht in Frage kommen. Den Pollen fand ich bei den beiden Proben aus Zermatt sehr schlecht, (bei einer nicht einmal 1%, bei der anderen weniger als 10° gute Körner). Etwas besseren, ca. 35% gute Körner, fand ich bei der Cogner Pflanze, die auch eine ziemlich gute Fruchtbildung aufwies. Gegen die Richtigkeit meiner Deutung spricht gewissermassen der mstand, dass R. aquatilis von den betreffenden Fundstellen bis jetzt nicht bekannt geworden ist. Wenn er aber auch tatsächlich nicht vorkäme, so bedeutet dies wenig. Er kann verschwunden sein, wie Ja ein Bastard von R. confervoides auch besser an das Alpenklima an- gepasst sein kann. Wenn man aber die vorliegenden Individuen nicht als Bastarde deuten will, so muss man sie zu R. aquatilıs stellen. Die mir vorliegenden Exemplare sind folgende: Kt. Wallis. Riffel ob Zermatt im Nikolaital, ca. 2550 m (1887 L. Favrat); Riffelberg im kleinen See von Gagen, ca. 2500 m (1893 . Cornaz). [Piemonte. Val de Cogne (1897 F.O. Wolf in Hb. Rübel)]. Das Cogner Exemplar ist von besonderem Interesse. Es war als Ranunculus confervoides bezeichnet, stellt indessen offenbar die Pflanze aus Cogne dar, die H. Gaus (in Verh. d. Schweiz. Naturf. Ges., Bd. 99, 254 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. _ 1922 1918, 8. 241) als R. ololeucus Jord. bezeichnet. Überhaupt finde ich das Vorkommen dieser Art in den Schweizer Alpen sehr fraglich. Sie ist nämlich eine ausgesprochen atlantische Pflanze, die hier kaum, besonders nicht in so hohen Lagen ihre ökologischen Ansprüche be- friedigt finden kann. Ranuneulus aquatilis X fluitans. Bei der Beurteilung der hier- hergezogenen Pflanze hat man gar keinen Anhaltspunkt an der Aus- bildung des Pollens. Ich habe Unterschiede von 20—60°%% guten Körnern beobachtet, aber auch bei R. fluitans selbst fanden wir ja im allgemeinen einen sehr schlechten Pollen. Dessenungeachtet glaube ich, dass meine Auffassung in diesem Fall auf festem Boden steht. Die Zwischenstellung ist in fast allen Merkmalen so ausgeprägt, dass eine andere Deutung unnatürlich wäre. Ich denke an die Pflanze, welche die „Flora der Schweiz“ (2. T., 3. Aufl, 1914, 8. 120) von ScHINZ und KELLER als R. fluitans var. Orameri Brügger aufnimmt, und zwar mit der Beschreibung: „Laubblätter zarter, haarartig, mit mehr auseinanderfahrenden Abschnitten, Blattscheiden schwach behaart, Blü- ten gross (Basel: Neudorf, Riehenteich)“. In Hb. Eidg. Techn. Hochsch. liegen vier Bogen unter diesem Namen. Ausserdem gehören sicher zur selben Form drei Bogen, die als „R. aquatilis L. var. heterophyllus Webb. als Art. f. truncatus Koch“ bezeichnet waren. Sie weichen nur durch entwickelte Schwimmblätter von jenen ab. Alle Exemplare stammen aus der Gegend von Basel, wo tatsächlich sowohl A. aqua- tılis (vgl. oben) wie R. fluitans in typischer Gestalt vorkommen. Wei- tere Beschreibung dürfte nicht notwendig sein. Ich sah folgende Exemplare: Basel. Ohne nähere Lokalangabe (Hb. O. Heer); Riehenteich (1825 Münch); Wiese (1851 I. Muret). [Neudorf in Elsass (Baumann, 1839 Seeger).] 13. Myriophyllum alterniflorum DC. In ihrer Abhandlung „Notice sur la flore littorale de Locarno* (Boll. Soc. tiein. Sci. Natur., Bd.1, 1904) haben C. SCHRÖTER u. E.WIL- CZEK eine Myriophyllum-Form als „M. sp. var. brevifolium* beschrieben. ohne sicher entscheiden zu können, ob sie zu M. spicatum L. oder M. verticillatum L. zu stellen wäre. Sie kam mit einer dieser beiden Arten vor, da aber alles steril war (Anfang September 1903), blieb die Bestimmung unsicher. Später wurde die Pflanze mit M. spicatum f. brevifolium Caspary, die eine Seichtwasserform darstellt, identi- fiziert. Die betreffende Pflanze lernte ich zuerst an von SCHRÖTER (2 IK. Jahrg. 67. Gunnar SamueLsson. Zur Kenntnis der Schweizer Flora. 255 1903 u. 20. IH. 1909) und Waro Koch (10.IX. 1919) gesammelten Exemplaren kennen. Obgleich sie alle steril waren — weil zu früh oder zu spät gesammelt! —, war mir klar, dass Myriophyllum alter- niflorum DC. vorlag, d. h. eine für die Schweizer Flora nicht be- kannte Art. Um meine Bestimmung objektiv zu beweisen, suchte ich die be- treffende Pflanze am angegebenen Standort auf. Ich fand sie überall im Lago Maggiore, zwischen Muralto (Locarno) und Piano di Maga- dino. Von dem gleichzeitig blühenden Myriophyllum spieatum war sie stets auf den ersten Blick zu unterscheiden. Leider kam ich etwas zu spät (10. VIII. 1921), um sie in schöner Blüte zu finden. Nach einigem Suchen fand ich indessen ausserhalb des Piano di Magadino ziemlich zahlreiche Individuen mit noch erhaltenen Blütenständen, welche die für M. alterniflorum charakteristischen wechselständigen oberen Blüten zeigten. Von der Begleitflora sind Isoötes echinosporum und Elatine Hydropiper besonders erwähnenswert (vgl. unten). Veranlasst durch meinen Fund hat Herr ALB. VoIGT (Lugano) Myriophyllum alterniflorum auch im Lago di Lugano gesucht und mehrfach reichlich gefunden und zwar ausschliesslich in der Urge- steinszone (vgl. Abh. Naturwiss. Ges. Isis in Dresden, 1920 — 21, 8.18). Die Bestimmung habe ich an freundlichst übersandten Exemplaren bestätigen können. Das Vorkommen von Myriophyllum alterniflorum im Tessin ist von grossem Interesse. Es ist eine Pflanze von ziemlich ausgeprägter atlantischer Verbreitung, die in Zentraleuropa nur in gebirgigen Waldgegenden (östlich bis zum Böhmerwald) und im baltischen Heide- gebiet vorkommt. Aus den Mittelmeerländern ist sie nur aus Portugal, Spanien, Sardinien und Algerien bekannt. In Fennoskandien hält sie sich deutlich von den kalkreicheren Gewässern der Lehmgebiete in Süd- und Mittelschweden fern. Ohne Zweifel liegt eine oligotraphente Pflanze vor. Mit dieser ihrer Natur stehen die Standorte im Tessin in schönstem Einklang. Es ist sicher nicht ein zufälliges Zusammen- treffen, dass mehrere andere Wasserpflanzen, z. B. Isottes echinosporum, Potamogeton polygonifolius; Elatine Hydropiper, ihre einzigen oder fast einzigen Standorte in der Schweiz im Tessin haben. Alle sind näm- lich mehr oder weniger kalkfliehend, und bekanntlich sind die Gesteine der Gegend in den meisten Teilen als kalkarm zu bezeichnen. Dass man die Ursachen dieser Verbreitung nicht in Klimaverhältnissen zu Suchen hat, scheint mir klar. Keine dieser Arten ist besonders „wärme- liebend‘. Zu diesen Fragen komme ich in einer bald erscheinenden grösseren Arbeit über die Wasserflora Fennoskandiens zurück. 256 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 14. Oxycoccus microcarpus Turcz. Bei einem Besuch (30. VII. 1921) am Statzersee (1813 m) bei St. Moritz wurde meine Aufmerksamkeit auf eine kleine O.sxyeoceus- Form gelenkt, die überall in Sphagnum-Bülten, sowohl im sumpfigen Arvenwald wie im eigentlichen Moor am See, vorkam. Die Pflanze erwies sich als O. microcarpus Turez. Am selben Tag fand ich sie, obgleich sehr spärlich, auch in dem fast vollständig trockengelegten Palüd Chape und als ich am 4. August mit Dr. BRAUN-BLANQUET zusammen die Gegend wieder besuchte, in einem kleinen Sumpf in Palüd Choma (ob St. Gian bei Celerina). Wahrscheinlich ist die Pflanze in den zahlreichen Sümpfen der Gegend verbreitet, obgleich von O. quadripetalus Gilib. bis jetzt nicht unterschieden. Oxyeocecus quadripetalus ist bekanntlich eine ziemlich polymorphe Art. Ihre Abgrenzung gegen ©. microcarpus macht jedoch selten Schwierigkeiten. Das am leichtesten fassbare Merkmal von O0. micro- carps liefert der kahle (oder fast kahle) Blütenstiel (bei ©. quadri- petalus deutlich behaart!). Die Kleinheit aller Teile, wie Blätter, Blüten, Früchte usw., ist gewöhnlich sehr auffallend. Die Blattform ist auch dadurch etwas abweichend, dass die Blätter ihre grösste Breite fast an der Basis haben und ausgeprägter zugespitzt sind. Die Blüten haben eine gewöhnlich stärker rote Farbe, und die Früchte sind deutlich verlängert (birnen- oder zitronenförmig). Blütezeit und Fruchtreife fallen ein bis zwei Wochen früher als bei 0. quadripetalus- Zusammen sind diese Merkmale hinreichend, um O. microcarpus als eine gute systematische Einheit zu bezeichnen. Da sie von O. quadri- petalus auch ökologisch deutlich verschieden ist (vgl. unten!), so ist es klar, dass ihre Bewertung als eigene Art meiner Betrachtungs- weise am besten entspricht. Dass einzelne nicht-sterile „Zwischen- formen“ vorkommen, bedeutet dann weniger, da die mir bekannten Fälle fast ausnahmslos Stellen betreffen, wo typischer 0. microcarpus auch vorkommt, und ©. quadripetalus wahrscheinlich bei Nachunter- suchung nachzuweisen wäre, Obgleich ich beide hundertmal gesehen habe, so bin ich in der Natur nur einmal auf eine wahrhaft kritische „Zwischenform‘, und zwar betreffs aller oben besprochenen Merk- male, gestossen, und sie kam tatsächlich mit beiden Arten zusammen vor, weshalb ihre Bastardnatur sehr wahrscheinlich ist. In Herbarien stellen sich gewisse Individuen,: die sonst O. mierocarpus am nächsten kommen, durch eine schwache Behaarung der Blütenstiele als etwas unsicher heraus, wenn sie auch vorläufig dieser Art am besten au“ gegliedert werden. Überall in der Gegend von St. Moritz war das Auftreten von Jahrg. 67. Gunnar SAMUELSSon. Zur Kenntnis der Schweizer Flora. 257 Oxyeoccus microcarpus sehr charakteristisch. Wie gesagt, war die Pflanze fast ausschliesslich in Sphagneten zu Hause, aber gar nicht in allen Typen. Ich beobachtete sie spärlich auch zwischen nicht bültenformenden Sphagna und sogar in Dreplanocladus-Rasen, aber nur zufällig, und ihr eigentlicher Standort waren die Sphagnum Fuscum-Bülten des offenen Moores. Diese gehören einer ausgeprägten Assoziation an, die in jener Gegend noch von Calluna, Empetrum, Vaceinium Myrtillus, V.uliginosum, Polytrichum strietum, Sphagnum magellanicum, Cephalozia (mehreren Arten), Mylia anomala usw. gebildet war. Im Sinne BRAUN-BLANQUETS dürfte Oxycoccus microcarpus sogar eine Charakterpflanze fast „erster Ordnung“ für diese Assoziation bedeuten. Diese Pflanzengesellschaft entspricht gerade derjenigen, worin Oxy- coccus microcarpus in Fennoskandien sein eigentliches Vorkommen hat. Es ist besonders zu beachten, dass die Pflanze bedeutend bestandes- fester als O. quadripetalus ist. Wenn letztere Art freilich auch oft auf Sphagnum fuscum-Bülten vorkommt, ist sie doch in erster Linie unter nicht bültenformenden Sphagna zu Hause (vgl. E. MELIN „Studier över de norrländska myrmarkernas vegetation“‘, Upsala 1917, S. 126). Später habe ich das Schweizer Material von Oxycoccus in den Her- barien der Eidg. Techn. Hochschule (Zürich) und BRAUN-BLANQUET untersucht. Wie erwartet, liegt ©. microcarpus von mehreren Fund- orten vor, nicht nur aus den Zentralalpen, sondern auch aus dem Jura und der Umgehung von Zürich‘). In einigen Fällen lagen mit typischem 0. mierocarpus zusammen einzelne Individuen, die vor allem durch schwach behaarte Blütenstiele eine gewisse Annäherung an O. quadripetalus zeigten, und zwar aus Davos und Arosa, wo diese Art sicher vorkommt?), dem Berner und Neuenburger Jura, sowie von Dübendorf bei Zürich, wo auch O. quadripetalus wahrscheinlich zu finden wäre. Von folgenden schweizerischen Lokalitäten sah ich ty- pische Herbarexemplare von O. mierocarpus. Kt. Zürich. Kotzried bei Dübendorf (1875. Lehmann); Krutzel- riet bei Dübendorf (1901 O. Naegeli). Kt. Bern. Les Pontins, 1110 m (1862 L. Favrat); Sous le Rang bei Les Bois, 1025 m (Gouremon). Kt. Neuenburg. Les Ponts (1881 6. Jeanjaquet). a ‘) Ein Exemplar aus Surleih im Oberengadin war von J. Coaz sogar folgender- massen bezeichnet: „Oxycoccus palustris, Pers. Vaccinium Oxycoccus, L. var. Microcarpus, Turcz.“ *) Davos, Hochmoor bei „Werden“ bei Laret, ca. 1520 m (1901 F. von Tavel); Schwarzsee bei Arosa, 1730 m (1908 J. Braun-Blanquet; 1912 C. Coaz). Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg.67. 1922. 17 258 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft .in Zürich. 1922 Kt. Wallis. Hochmoor beim Lac de Champex, 1465 m (1903 Ruge). Kt. Graubünden. See auf der Lenzerheide, 1490 m (1832 A.U. v.Salis); Nordufer des Lenzerheidesees, 1490 m (1908 J. Braun- Blanquet); Davos, Sumpf im Wald bei Laret, 1525 m (1916 K. Derks); Schwarzsee bei Arosa (1920 H. U. W. Knoll); St. Moritz (1847 U. A. von Salis, 1907 C. Schröter); Lej marsch bei St. Moritz, 1830 m (1895 J. Coaz); Statzersee (1850 Krättli, 1916 B. Branger, 1921 G. Sa- muelsson); Surlej, 1800 m (J. Coaz). Die Verbreitung von Oxycoccus microcarpus im übrigen Mittel- europa ist fast vollständig unbekannt. Im norddeutschen Heidegebiet kommt die Pflanze sicher vor, aber anderwärts scheint sie nicht von O0. quadripetalus auseinandergehalten worden zu sein. 16. Gentiana engadinensis Br.-Bl. et Sam. n. sp. Mehrmals beobachtete ich im Engadin eine Pflanze, die ich zu- erst für Gentiana Amarella L. hielt. Später erfuhr ich von Dr. J. BRAUN-BLANQUET, dass meine Pflanze mit @. calycina (Koch) Wettst. (= G.anisodonta Borb.) f. engadinensis W.ettst. identisch sei. Aber auch nach seiner Meinung wäre sie wahrscheinlich von der echten G. anisodonta spezifisch verschieden. Die Sache verdiente offenbar eine genauere Untersuchung. Deshalb habe ich jetzt ein ziemlich reiches Material geprüft, und zwar aus dem Naturhistorischen Staatsmuseum in Wien, den botanischen Museen in Berlin, Lund, Stockholm, Upsala, Zürich (Eidg. Techn. Hochschule und Universität) und den Herbarien der Herren Dr. BRAUN-BLANQUET und Dr. RÜBEL (Zürich). Was ich unter dem Namen Gentiana anisodonta Borb. oder @.calycina (Koch) Wettst. (inkl. subsp. antecedens Wettst.) gesehen habe, ist sehr heterogen. Einige Exemplare sind offenbar unrichtig. bestimmt. Dies gilt auch von einigen, die von WETTSTEIN selbst oder K. RONNIGER, der ja auch als Spezialist für die Endotrichen Gen- tianen gilt, bestimmt waren. Nur als Lapsus calami zu betrach- ten sind wohl zwei Beispiele, wo @. ramosa Hegetschw. auf den Bogen eingemischt vorlagen. Aus Kärnten (Unterbergen im Rosental: 1907 L. Keller) und den Steiner Alpen in Krain (1862 A. Breindl) sah ich Pflanzen, die ich zu @. carpathica Wettst. stelle, und aus den Steiner Alpen in Steiermark eine Pflanze, die eine Zwischenstellung zwischen jener Art und @. austriaca A. et J. Kern. einnimmt (A- V- Hayek: Flora stiriaca exsiecata, No. 84. @. anisodonta Borb.). Die fast vollständig unbewimperten, schmalen Kelchblätter und die stumpfen Kelchbuchten sprechen entschieden zugunsten dieser Auffassung. An Jahrg. 67°. Gunnar SAMUELSSon. Zur Kenntnis der Schweizer Flora. 259 dere Exemplare meine ich zu @. rhaetica A. et.J. Kern. stellen zu müssen. Dies gilt von Pflanzen von Triest (Marcussina: 1898 Dr. Marchesetti) und aus der Grigna-Gruppe am Lago di Como (Val Meria unterhalb Cetra, Alpe di Lierna, Monte Coltignone: 1903—1905 G. Geilinger; von der letzten Lokalität in einer gegen @. solstitialis Wettst. nei- genden Form). In erster Linie sind es indessen Aestivalis-Formen, die ich von Gentiana anisodonta, auch kollektiv erfasst, ausscheiden möchte. Drei Nummern aus Kärnten und Krain, alle als @. antecedens Wettst. bezeichnet, halte ich für zweifellose @. lutescens Vel., die nach WETT- STEIN: als Aestivalis-Form mit @. austriaca zusammengehört. Die meisten bezeichne ich indessen als @. solstitialis Wettst., d. h. die Aesti- valis-Form von G. germanica Willd. und @. rhaetiea. Zahlreiche der- artige Exemplare sah ich aus Kärnten, Tirol (sogar vom Monte Baldo: 1879 A. Goiran), Salzburg, Graubünden, Tessin (Monte San Giorgio: 1917 Jaquet) und Nord-Italien (Grigna-Gruppe: 1905 G. Geilinger; Bormio von vier Lokalitäten: 1911 E. Furrer). Offenbar hat man sie als @. anisodonta (ganz besonders als subsp. antecedens) gedeutet, teils wegen der Lage der Fundstellen, teils wegen einer bei einigen In- dividuen vorkommenden leichten Bewimperung der Kelchblätter.') Alles in allem habe ich so zahlreiche Exemplare der subsp. ante- eedens umdeuten müssen, dass sie mir überhaupt ein bischen ver- dächtig geworden ist. Die Formen, die nach Ausmusterung der zu andern Arten WETT- STEINS gehörenden Exemplare übrig geblieben sind, sind auch nach m ‘) Dass eine leichte Bewimperung der Kelchblätter, wenigstens bei @. germanica, vorkommen kann, gibt schon WETTSTEIN zu (vgl. „Die europäischen Arten der Gat- lung Gentiana aus der Sektion Endotricha Froel.‘, in Denkschr. d. kaiserl. Akad. d. Wiss, Math.-Nat. Cl., 64. Bd., 1897). . Von Bedeutung sind in der betreffenden Hinsicht auch seine Angaben über das Vorkommen nicht-hybrider Zwischenformen 6. yermanica— Sturmiana und G. rhaetica— Sturmiana. Ich habe mich eingehend mit diesen Formenkreisen beschäftigt und bin zu der Auffassung gekommen, dass sie sich in den allermeisten Fällen ohne Zwang bei der @. germanica (inkl. @. sol- stitialis) oder der G. rhaetica unterbringen lassen. Ich betrachte es gerade als 260 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 meiner Ansicht zu einem engeren Verwandtschaftskreis zu rechnen. Und dass diesem die Gentiana calycina (Koch) Wettst. oder nach den jetzigen Nomenklaturregeln @. anisodonta Borb. — im weitesten Sinn! — entspricht, halte ich für sicher. In diesen fällt auch meine En- gadiner Pflanze. Sie weicht von @. Amarella durch mehr ungleich- grosse und deutlicher bewimperte Kelchblätter, sowie etwas grössere Blüten ziemlich erheblich ab. Dass sie mit der f. engadinensis Wettst. von G.anisodonta identisch ist, habe ich mich durch authentisches Vergleichsmaterial (in Hb. RÜBEL) überzeugen können. Wenn man aber von den für alle Arten der Germanica-Gruppe gemeinsamen Merk- malen absieht, so kann man kaum andere durchgehende für den ganzen Formenkreis der G. anisodonta (im Sinne WETTSTEINS und anderer) auffinden als eine gewisse Ungleichblättrigkeit des Kelches und die Bewimperung desselben. Die „Art“ ist nämlich ausserordentlich polymorph, und man bekommt den Eindruck, dass sie spezifisch ver- schiedene Typen umfasst. WETTSTEIN hat ja auch selbst eine Gliederung seiner Gentiana ealycina vorgenommen und zwar in drei Unterarten: subsp. calyeina (Koch) Wettst. (im engeren Sinn), subsp. antecedens Wettst. und subsp. anisodonta (Borb.) Wettst. Diese Einteilung geht indessen von seiner Auffassung vom Saisondimorphismus aus und berücksichtigt kaum andere Merkmale. Die subsp. calycina wäre die ungegliederte, subsp- antecedens die Aestivalis- und subsp. anisodonta die Autumnalis-Form. Nur nebenbei wird in der Diagnose („Die europäischen Arten der Gattung Gentiana aus der Sektion Endotricha Froel.“, in Denkschr. bewimperte Formen vor. Ich sah z. B. einen sehr ausgesprochenen Fall aus Han- nover (Northeim: leg. Schambach). In allen andern Merkmalen sind die betreffenden Formen als typische @. germanica, bezw. @. solstitialis oder G. rhaetica anzu“ sehen und nicht als solche Übergangsformen aufzufassen, welche die Grenzen zwischen G. aspera (inkl. @. Sturmiana und @. norica) und jenen „Arten“ verwischen. Dass auch wirklich kritische Formen vorkommen, will ich indessen nicht verneinen. Sie scheinen jedoch selten zu sein. Vielleicht ist die ursprüngliche @. asper@ eine solche Form, Aus der Schweiz sah ich bis jetzt nur zwei oder drei Bogen, die ich ent- schieden mit diesem Namen bezeichnen möchte. Die besten stammen aus den Glarner Alpen (O. Heer in Hb. Eidg. Techn. Hochsch.), von der untern Sandalp in Glarus {1907 W. Werndli in Hb. Univ. Zürich) und den Churfirsten (1904 H.R. Schinz in b. Univ. Zürich) und entsprechen am ehesten der G.norica. Ein 5 Oberkäsernalp im Maderanertal (1913 E. Schmid in Hb. Univ. Zürich) ist unsicher und könnte vielleicht in dem Formenkreis von @. germanica (sens. lal. Die Originale HEGETSCHWEILERS habe ich leider nicht gesehen. Nach Mi Prof. A. TuELLUNG stimmen sie indessen mit den oben besprochenen Exemplaren aus St. Gallen und Glarus gut überein. Für den ganzen Formenkreis von G. ger” manica (sens. lat.) scheint mir eine Neubearbeitung notwendig zu sein. Jahrg. 67. Gunnar SamuELsson. Zur Kenntnis der Schweizer Flora. 261 d. kaiserl. Akad. d. Wiss. Math.-Nat. Cl., 64. Bd., 1897, 8. 327) für die subsp. antecedens bemerkt, dass ihre Blüten kleiner und die Frucht- knoten oft fast ungestielt („germen saepe subsessile“) sind. Die f. enga- dinensis führt er zu der subsp. calycina und schreibt darüber (in E.RÜBEL: „Pflanzengeographische Monographie des Berninagebietes“, Leipzig 1912, 8.418): „Alle hier folgenden Exemplare von @. calycina sind von der typischen Form etwas verschieden durch kleinere Blüten, schwächere Behaarung und geringere Breite der Kelchzipfel, dieim obern Teile weniger umgerollt sind. Dazu kommt noch der sehr kurz- gestielte, vielfach geradezu sitzende Fruchtknoten. Ich begreife, dass infolgedessen die Pflanze als G. axillaris bestimmt werden kann. Ich zweifle aber nicht an ihrer nahen Verwandtschaft mit @. calycina, un1- somehr als ich vor ein paar Jahren im Stilfserjochgebiete ihren all- mählichen Übergang in typische @. calycina verfolgen konnte. Der letz- tere Umstand hindert mich auch daran, diese recht auffallende Pflanze von @.calycina spezifisch zu trennen und ich möchte sie als @. calyeına (Koch) Wettst. forma engadinensis m. bezeichnen. Ich habe dieselbe Pflanze vor ein paar Jahren an mehreren Stellen im Engadin gesehen.“ Meinerseits glaube ich, dass eine Gliederung des betreffenden Formenkreises natürlicher ausfällt, wenn man. vom Blütenbau ausgeht. Wahrscheinlich werden dabei die Form und die Bewimperung der Kelchblätter, die Grösse und besonders die Farbe derselben, sowie der Fruchtknoten (ob gestielt oder nicht) die besten Merkmale |ie- fern. Um sichere Resultate zu erhalten, muss man selbstverständlich die Variabilität nicht nur an (oft schlechtem) Herbarmaterial, sondern in erster Linie in der Natur selbst eingehend studieren. Für eine vollständigere Behandlung reicht meine Erfahrung nicht aus. So viel glaube ich indessen gesehen zu haben, dass die f. engadinensis eine systematische Einheit höheren Ranges darstellt, die man ebensogut wie die meisten anderen „Arten“ der Endotricha als Art betrachten kann. Um die Unterschiede gegenüber Gentiana anisodonta hervorzu- heben, halte ich mich an den Typus, der in der „Flora exsiccata Austro-Hungarica“ als No. 2188 („@. calycina“) vorliegt und von WEITSTEIN selbst im Südtirol gesammelt wurde. Die Hauptunterschiede lassen sich folgendermassen gegenüberstellen. G.anisodonta Borb.') @. engadinensis (Wettst.) Br.-Bl. et Sam. Kelchblätter mit ziemlich lang be- Kelchblätter mit schwach und kurz wimpertem und stark umgeroll- _bewimpertem und schwach bis tem Rand. kaum umgerolltem Rand. EN ') Die Begründung dieses Namens im betreffenden Sinn folgt unten. 2362 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Krone 25—30 mm lang, blauvio- Krone 15—20 mm lang, schmutzig lett.. (rot-) violett (oft weiss). Fruchtknoten mit3—-6mm langem Fruchtknoten sitzend (oder sehr Karpophor. kurz gestielt). Mit der Gentiana unisodonta (in diesem Sinn) vollständig über- einstimmende Exemplare sah ich bis jetzt aus der Schweiz nur aus dem Puschlav (Cima di Carten, 2780 m, auf Urgestein : 1905 J. Braun- Blanquet). In den angrenzenden Teilen von Nord-Italien scheint sie verbreiteter. Mehrere Bogen lagen mir nämlich aus der Grigna-Gruppe (Lago di Como), Veltlin, Bormio und Trentino vor. Weitere Exem- plare aus Tirol stimmen in allem wesentlichen überein. Andere aus Tirol, Steiermark, Kärnten, Krain und Norditalien (Cregnedul: 1894 M.v.Statzer) haben freilich etwas kleinere Blüten (18—25 mm), aber die blau-violette Farbe der @. anisodonta und einen -+ langen Karpo- phor. Alle scheinen mir im Sinne WETTSTEINs zu dem saisondimorph nicht gegliederten Typus, d. h. seiner @. calyeina s. str., zu gehören. Dass sie tatsächlich auch dem ursprünglichen Haupttypus dieser Art entsprechen, geht aus WETTSTEINS Originaldiagnose hervor (vgl. Öster- reich. Bot. Zeitschr., Bd. 41, 1891, S. 367), wo er u. a. sagt: „flores.... 25—33 mm longi; ....- corolla .... violacea, in sicco coerulescens ..... Germen vel fructus linearis basi in carpophorum 4—6 mm. longum attenuatum“. Wenn dies klar ist, so ist auch die Nomen- klaturfrage ziemlich einfach. Der WETTSTEINsche Name stammt von 1891, ist aber nach den jetzigen Regeln wegen der ältern @. calyeına Boiss. et Hausskn. (1879) nicht gültig. Der einzige andere in Frage kommende Name ist @. anisodonta Borb. In welchem Sinn dieser Name ursprünglich (1885) von BORBAS verwendet worden ist, weiss ich nicht. Aber dies spielt glücklicherweise keine Rolle, weil der Name zuerst nur als nomen (semi-) nudum veröffentlicht wurde. Als gültige Publikationsstelle kommt erst Österr. Bot. Zeitschr., Bd.44, 1894, 8. 426, in Betracht. Hier erwähnt nämlich BORBAS @. calycina Wettst. als Synonym zu seiner @. anisodonta. Die Gentiuna engadinensis ist eine niedrige,selten mehr als dezimeter- hohe Pflanze, deren obere Blätter zugespitzt sind. Auch sie ist als saisondimorph nicht-gegliedert anzusehen. Ihre Blütenfarbe ist sehr charakteristisch und weicht, soweit meine Erfahrung reicht, von der- jenigen aller anderen europäischen Arten der Endotricha-Gruppe mit Ausnahme der Gentiana Amarella L. (inkl.. @. uliginosa Willd.) erheblich ab. Die schmutzig violette Farbe enthält viel mehr rot als die der meisten anderen Arten. Dagegen ist die Übereinstimmung mit @. Ama- rella fast vollständig. Dieser Umstand und der ungestielte Frucht- Jahrg. 67. Gunnar SaMmuELsson. Zur Kenntnis der Schweizer Flora. 263 knoten geben die Erklärung, warum ich die Pflanze zuerst mit @. Ama- rella verwechselte. In den Herbarien fand ich sie von mehreren Fund- stellen aus Graubünden, Bormio und Südtirol unter den verschiedensten Namen (u.a. auch als @. aspera) aufbewahrt. Die mir durch sichere Belege bekannten Standorte sind folgende: Graubünden. Bündtneralp (1841 A. Meyer); Val Tuors (Bergün) bei La Blatscha, 1700 m (P. Arbenz); Albula bei den Hütten von Pal- puogna bei Preda, 1900 m (1908 W. Bernoulli); Weissenstein am Al- bula, 1900 m (1908 A. Bommer); Avers im Campetta-Wald vis & vis Cresta, 1950 m (1883 C. Sulger); Unter-Engadin bei Scarl und unter- halb Alp Plavna (1921 G. Samuelsson), am Eingang ins Val Muschaun (1914 C. Schröter); Murtera in der Ofenpass-Gruppe (1901 S. Brunies); Piz Padella bei Samaden (1921 G. Samuelsson); Rosegtal (Bernina) unter- halb des Hotels, 2000 m (1898 C. Knetsch); Piz Alv in Val Minor, 2600 m (1889 C. Schröter); Bernina-Gebiet an mehreren Lokalitäten (vgl. RÜBEL, a. a. O., S. 418); Canciano im Val Poschiavo (1876 Hb. Pozzi). Bormio. Alpisella-Pass (1860 C. Brügger); ob Bormio, Campo di Fiori, Monte Braulio, ob Pedenosso, Val Vitelli 2550—2600 m und Val Piselle (1910—1911 E. Furrer); Monte Seorluzzo 2500--2700 m (1910 M.Longa; „G.anisodonta ssp. calycina X campestris SSp. islandica — @. Schinzii Ronniger“). Tirol. Ortler (Hb. Lübeck); zwischen Gomagoi und Sulden in den Ortler-Alpen (1904 C. Semler). Vielleicht gehört auch ein Exem- plar aus Lappach (1870 Ausserdorfer in Hb. Berol.) hierher, aber es ist für eine sichere Bestimmung zu schwach entwickelt. Der jetzt besprochenen typischen Form schliesst sich eine Aesti- valis-Form, d. h. mit stumpfen Blättern und längeren Internodien, deshalb auch von höherem Wuchs, eng an. Ich sah sie aus dem Ber- nina-Heutal (E. Rübel) und Tirol (Schluderbach in Valfonda: 1899 W. Becker). Diese Aestivalis-Pflanzen entsprechen der @. calyeina subsp. antecedens, wie sie von WETTSTEIN in seiner Monographie (a. a. O., 1897, 8.327) beschrieben ist („corolla saepe albida parva, germen saepe subsessile“). Dieser Name könnte deshalb für unsere Pflanze in Frage kommen, besonders weil WETISTEIN zuerst eine Art @. ante- tedens aufgestellt hat. Aber als solche ist sie kaum rechtsgültig be- schrieben, sondern: bloss als eine Aestivalis-Pflanze „mit am Rande fein gewimperten Kelchzipfeln im Verbreitungsgebiete der @. calyeina“ (Österreich. Bot. Zeitschr., Bd. 42, 1892, 8. 232) und mit Aufzählung. einer Reihe von Fundorten. Übrigens ist es sehr wohl möglich, dass eine Aestivalis-Form auch von G. anisodonta in der von mir angenom- menen Begrenzung vorkommt, obgleich eine unzweifelhaft hierher- 264 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 gehörige Form in dem mir zur Verfügung gestandenen Material nicht vorlag. Ausserdem sind, wie ich schon oben nachgewiesen habe, ganz fremde Elemente von WETTSTEIN zu seiner @. antecedens gezogen worden. Und wenn man auch die Subspeziesbeschreibung als gültig anerkennt, so ist es nicht notwendig diesen Namen für eine Art zu berücksichtigen. Es dürfte schon aus obigen Bemerkungen hervorgehen, dass ich die „echte“ Gentiana anisodonta Borb. und @. engadinensis als verschie- dene Arten betrachtet wissen will. Indessen muss ich gestehen, dass noch ein Formenkreis innerhalb der Gesamtart @. anisodonta exi- stiert, der gewissermassen einen Zwischentypus darstellt. Es handelt sich um sowohl ungegliederte, wie 4estivalis-Formen, aber durch- gehend um Pflanzen mit kleinen Blüten, die wahrscheinlich, wenn nicht weiss, ein bischen schmutzig violett gewesen sind, mit ziemlich stark umgerollten Kelchzipfeln und fast sitzenden Fruchtknoten. Ich sah sie bis jetzt aus Kärnten, Krain, Istrien und Piemont. Über ihre wahre Natur bin ich nicht ganz klar. Sie müssen in der Natur stu- diert werden. Mit der @. engadinensis ist der betreffende Formenkreis allerdings nicht identisch. Bevor ich die Diagnose der Gentiana engadinensis gebe, muss ich noch eine Nomenklaturfrage behandeln. Wie ich schon angedeutet habe, liegt nämlich in Hb. Univ. Zürich ein Individuum dieser Art aus Bormio (leg. M. Longa), das K. RONNIGER als einen Bastard „@. ani- sodonta ssp. calycina X campestris ssp. Islandiea = G. Schinzii m., nova hybr.“ bezeichnethat. Und in Vierteljahrsschr. Naturf. Gesellsch. Zürich, 61. Jahrg., 1916, S. 412, hat er die Pflanze mit lateinischer Diagnose beschrieben. U.a. sagt er hier: „Die Pollenkörner erwiesen sich zu ca. 40°/o als klein und verschrumpft“. Von den zwei bei Bormio ge- fundenen Individuen sah ich nur eines. Für dieses konnte ich die Angabe RONNIGERS über den Pollen nicht bestätigen. Alle Körner waren voll- entwickelt, und zahlreiche mit Schläucl gekeimt Dieschwache Ent- wicklung des Exemplares dürfte die übrigens sehr geringfügige Abwei- chung von der @. engadinensis hinreichend erklären. RONNIGERS Name @. Schinzüi könnte also für unsre Art in Frage kommen. Aber, meiner Meinung nach ist es nicht angemessen und auch nicht notwendig, diesen Namen aufzunehmen. RONNIGER hat ausdrücklich einen Ba- stard beschrieben, diesen freilich mit einem binären Namen belegt, aber mit einer Bemerkung ‚nova hybr.“ Ausserdem erwähnt er seine Bastard noch von einer zweiten Lokalität. Und da die Existenz solch eines Bastardes sehr wohl möglich ist, ist es am besten, den Namen RONNIGERS für diesen zu reservieren, obgleich RONNIGER in diesem Fall einen Bestimmungsfehler gemacht hat. In diesem Zusammenhang Jahrg. 67°. Gunnar SAMUELSSon. Zur Kenntnis der Schweizer Flora. 265 kann ich nicht unterlassen hinzuzufügen, dass man möglichst bald aufhören sollte, die Bastarde nach den Nomenklaturregeln mit Au- torenzitaten usw., zu behandeln, wie es von manchen Seiten sehr beliebt geworden ist. Es handelt sich ja hier um Formeln, nicht um Namen, und überhaupt nicht um systematische Einheiten. Es könnte vielleicht gewagt erscheinen, in einer so kritischen Pflanzengruppe entgegen der Auffassung des Monographen eine neue Art aufzustellen. Aber wenn man sich an die Pflanze selbst und ihre Merkmale hält, so muss man gewiss zugeben, dass die beiden Arten Gentiana anisodonta und @. engadinensis ebenso grosse Unterschiede wie mehrere von den WETTSTEINschen Arten aufweisen. Ich denke 2. B. an @. austriaca A. et J. Kern. und @. carpathica Wettst., @. Ama- rella L. und @. ajanensis Murb., usw. Der Unterschied dürfte eigent- lich nur darin liegen, dass diese Verbreitungsgebiete bewohnen, die eımander -+ vollständig ausschliessen, während die Verbreitung von G. engadinensis innerhalb das Gebiet von @. anisodonta zu fallen scheint. Übrigens ist es sehr wohl möglich, dass sich auch für unsre Arten Unterschiede betreffs der Bodenstetigkeit nachweisen lassen. Für meine Auffassung von der Systematik dieser Pflanzen habe ich, wie ich schon einleitungsweise angedeutet habe, eine Stütze bei dem ausgezeichneten Kenner der Schweizerflora überhaupt, und ganz besonders ihrer Gebirgs- pflanzen, Dr. BRAUN-BLANQUET, gefunden. Er hatte schon auf Eti- ketten eine neue ‚Art, G. engadinensis, aufgestellt, und hat sich jetzt (1922) mit meiner Auffassung über ihre Natur einverstanden erklärt. Deshalb haben wir auch beschlossen, die Autorenschaft für die neue Art zu teilen. Sie bekommt folgende Diagnose: Gentiana engadinensis Br.-Bl. etSam.[syn. @.calyeina (Koch) Wettst. P-P-; @. anisodonta Borb. p. p.; G. calyeina (Koch) Wettst. f. engadinensis Wettst. in sched. et apud RÜBEL in ENGLERS Botan. Jahrb. 47 (1912).] @. anisodontae proxime affinis [efr. deseriptionem apud WETTSTEIN in Denkschr. Wien. Akad. d. Wiss., Math.-Nat. Cl., 64 (1897), p. 324], sed differt dentibus calycis minus inaequalibus, ıninus revolutis, leviter &liatis, corolla minore (15—20 mm longa), sordide violacea (v. saepe alba) et germine sessili (v. subsessili). Habitatin Rhaetia, Italia maxime boreali et Tirolia. 16. Einige bemerkenswertere Pflanzenfunde. Botrychium matricariaefolium (Retz.) A. Br. Kt. Bern: Handeck Hotel im Haslital, 1 Ind. otamogeton pectinatus L. Kt. Graubünden: Tarasper-See im Unter- Engadin, mit P lucens L. und P. natans L. 266 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Najas marina L. Kt. Schwyz: Lowerzer-See unterhalb Steinen- berg, mit Potamogeton perfoliatus L., P. lucens L., P. pectinatus L., Seirpus acicularis L., Myriophyllum verticillatum L. usw. Najas minor L. Kt. Tessin: Lago di Lugano bei Melide (ziemlich spärlich) und Bissone (in grösster Menge und in grossen Herden). An beiden Lokalitäten wurden im See selbst (13. VIII. 1921, Wasserstand sehr niedrig!) noch bemerkt: Potamogeton perfoliatus L., P.lucens L., P.lu- cens perfoliatus, P.crispus L., P. pectinatus L., Najas marina L., Elodea eanadensis Mich., Vallisneria spiralis L. (wenigstens bei Bissone sehr reichlich in einem Gürtel ausserhalb der Potamogeton- Arten), Cera- tophyllum demersum L., Myriophyllum spieatum L. Poa caesia Sm. Kt. Graubünden: Samaden auf den Alluvionen des Inns, Piz Padella und Bernina am Südende des Lago Bianco. Glyceria fluitans (L.) R. Br. X plicata Fr. Kt. St. Gallen: unter den Eltern auf einer Wiese bei Weesen. Dieser an den schmalen, etwa 5 mal so langen als breiten, gelben Antheren ohne entwickelte Pollenkörner leicht kenntliche Bastard liegt in den Zürcher Herbarien von mehreren Lokalitäten in der Nord-Schweiz vor. Festuca arundinacea Schreb. X pratensis Huds. Zürich am Kan- tonsspital und am Katzensee. Auch dieser Bastard, der eine auffallende Zwischenstellung zwischen den Eltern einnimmt, zeigt einen fast voll- ständig rückgebildeten Pollen. Ich sah nie geöffnete Antheren. Festuca pratensis Huds. >< Lolium perenne L. Kt. Wallis: Sion auf einer Wiese bei Tourbillon. Schoenus ferrugineus L. X nigricans L. Kt. Zürich: Auam Zü- richer-See. Kt. Graubünden: zwischen Fürstenau Bruck und Paspels. Cobresia bipartita (Bell:) Dalla Torre. Kt. Unterwalden: Pila- tus, auf der Nordseite am Kriesiloch. Carex ornithopodioides Hausm. Kt. Graubünden: Le Gessi in Puschlav, auf einem Kalk-Schneeboden. Die Pflanze ist zweifellos am besten als selbständige Art aufzufassen. Luzula lutea (All.) Lam. et DC. X spadicea (All.) Lam. et DC. Auf der Grimselpasshöhe (Walliser Seite) fand ich (16. VI. 1921) zwischen Luzula lutes und L. spadicea einen Rasen, der wahrscheinlich ein Kreuzungsprodukt dieser Arten darstellt. Im vegetativen System kommt die Pflanze der L. spadicea am nächsten. Sonst nimmt sie in fast allen Merkmalen eine deutliche Zwischenstellung ein, z. B. betreffs der Hüll- sind nur unbedeutend kleiner als die von L. lutea (bei L. spadicea selten mehr als 2 mm). Die Perigonblätter sind lichtbraun, die inneren gelben Rändern und gelber Basis. Der Griffel ist etwa doppelt & Jahrg. 67. GuNnNnAR SAMUELSSOn. Zur Kenntnis der Schweizer Flora. 267 lang als der Fruchtknoten (bei L. spadicea eher kürzer). Was den hybridogenen Ursprung etwas unsicher macht, ist die wenigstens mor- phologisch gute Entwicklung des Pollens. Die Antheren öffnen sich normal. Sedum ochroleucum Chaix. Kt. Graubünden: mehrerenorts bei Cadera, sowie zwischen Poschiavo und Le Prese. Kt. Tessin: auf dem Maggia-Delta bei Locarno. Hypericum acutum Mönch. X Desetangsii Lamotte. Kt. Schwyz: Steinerberg am Lowerzer-See. Zwischenstellung sehr auffallend. Pollen- körner von sehr wechselnder Grösse und Inhalt. Epilobium alpestre (Jacq.) Krocker X montanum L. Kt. Bern: Spiggengrund im Kiental, ca. 1450 m. Epilobium alsinifolium Vill. X montanum L. Kt. Bern: Spiggen- grund im Kiental, ca. 1400 m. Trapa natans L. subsp. »atans (L.) Schinz. Kt. Tessin: 14 Ro- setten in einem kleinen Tümpel unterhalb Agnuzzo, etwas nördlich vom Ausfluss des Lago di Muzzano (am Nordende der Bucht von Agno). Die von mir gefundenen Individuen gehören einer Form mit zwei- dornigen Früchten an. Vgl. übrigens A. VOIGT in Abh. Naturwiss. Ges. Isisin Dresden, 1920—21, 8. 17. Cuscuta Cesatiana Bertol. Kt. Tessin: im Pappelwald am Lago d’Agno, in unmittelbarer Nähe der soeben besprochenen Trapa-Kolo- nie, eine grosse Herde auf Polygonum Hydropiper L. (und spärlich P. mite Schrank). Lindernia Pyxidaria L. Kt. Tessin: 2 Ind. in der Grenzzone des Lago Maggiore bei Gordola (11. VIII. 1921). Veronica peregrina L. Kt. St. Gallen: Weesen am Strassenrand und am Ufer des Walensees. Erigeron politus Fr. Kt. Graubünden: auf Bachalluvionen in Val Sesvenna ob Scarl. Taraxacum cueullatum Dahlst. (syn. T. stramineum Beauverd). Kt. Bern: Grimsel, zwischen dem Hospiz und dem Pass. Im Herb. des Naturhistorischen Reichmuseums in Stockholm liegt diese Art auch aus Montanvert pres Chamonix (Haute Savoie), 1700 m (1912 E.L. Ekman; det. H. Dahlstedt) vor. Taraxacum Schroeterianum Hand.- Maz. Kt. Graubünden: St. Moritz, am See. Von der Heukohle zur Naturkohle. (Eine kritisch-vergleichende Studie über die Genesis beider Kohlen.) _ un! — -- -— u] ze _ Selbstentzündung ist G@. Laupper allmählich auf den Ged kommen, dass zwischen der Bildung von Kohle im Heustoc . Die Kohlenbildung als Destillationsproze Von H. Scnwarz und G. LAUPPER in Zürich. (Als Manuskript eingegangen am 28. August 1922.) Inhaltsverzeichnis. Einleitung. . Die Kohlenbildung als Gärungsprozess. A. Heubakterientheorie von H. MIEHE. B. Kohlenbakterientheorie von RENAULT . Die Kohlenbildung als Hinfkitikniondprözeie. A. Die einleitenden Vorgä | r 3. Synaeresis in Pflanzen- nge. Einfluss der Schiehtung, 2. Atmungsprozess, haufen, 4. Oxydasenwirkung, 5. Wirkung des Ammoniaks. B. Die eigentliche Huminifikation. 1. Zellulose, 2. Lignin, 3. Zucker, 4. Fett und Eiweiss, 5. Wachs und Harz. . Die Kohlenbildung als Inkohlu Verkohlung und Inkohlung. — kisthieiten und Widersprüche. — Die Heu- verkohlung als Inkofiiuhgsrdkäe: — Der Heubrand als Verkohlungsprozes®. — Wesen der Inkohlung. — Innere Verbrennung (Wırr). — Erzwungene Reak- tion (BERGIUS). Nasse Destillation bei „Heu* und „Kohlen“ im N, — Destillations- prozess in der Natur. — Einflüsse: x wugee: des Druckes; b) Einfluss der der Zeit; c) Temperaturfrage: Weichwerden der Kohlenmasse, die gasförmigen Destltnsproiut, die flüssigen ren stentzündung im Kohlenbildungsprozes Der Henbrand — Pyrophores Eisen statt pyrophore Kohle. — " Übertragung der „Heubrand‘-Ergebnisse auf die Kohlenbildung. — Ursachen der Selbstentzün- dung: Schwefelkies, pyrophores Eisen, flüchtige Gase, Oxydation ungesättigter Verbindungen, Sprengung gesättigter Ketten — Erdbrände . Literaturverzeichnis Einleitung. Bei seinen Studien über die Entstehung des Heubrandes dureh anken 88 k und der x Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 269 Bildung der fossilen Kohlen in der Natur ein gewisser Parallelismus vorhanden sein könnte (73,23).') Die Initiative zur Ausarbeitung dieses Gedankens stammt von ihm, ebenso die gesamte experimen- telle Arbeit, während H. Schwarz als diesmaliger Mitarbeiter das Literaturstudium, die ins Einzelne gehende Beweisführung und die Abfassung der geplanten Arbeit übernommen hat. Beim Studium der Fachliteratur zeigte es sich, dass der Gedanke LAUPPERS nicht neu war, indem schon andere, die sich mit dem Heu- brandproblem befasst hatten, die Möglichkeit eines solchen Zusammen- hanges ins Auge gefasst haben. So wies H. RankE (München) am Schluss seines „Experimentellen Beweises der Möglichkeit der Selbst- entzündung des Heues“ vom Jahre 1873 ausdrücklich daraufhin, dass „derselbe Prozess, welcher in Emdhaufen vor unseren Augen zur Bildung wirklicher Kohle führt, wohl auch bei der Entstehung der Steinkohlenflöze in der Urgeschichte unseres Planeten mitwirkend ge- wesen sein mag.“ (111, ses). 34 Jahre nach RankE konnte H. Mıeu£ (Berlin) in seiner klas- sischen Studie von 1907 sich schon ausführlicher darüber äussern. Er schrieb dort (89, ı2e): „Es liegt nahe, die Entstehung von Heu- kohle auf dem Wege der Selbsterhitzung grosser, festgepackter Pflanzenmassen in Verbindung zu bringen mit der Entstehung von Kohlenlagern in früheren Erdperioden. Schon RAnkE hat darauf hin- gewiesen, ohne dass jedoch seine Idee, soviel ich weiss, einer ernst- hafteren Prüfung unterzogen worden ist. Gleichwohl sprechen viele Tatsachen für diese Ansicht. Einmal sind zweifellos die Bedingungen für Selbsterhitzung im Zeitalter des Karbons in grossartigstem Um- fang verwirklicht gewesen. In erstaunlicher Fülle und Üppigkeit, begünstigt durch Wärme und höheren Kohlensäuregehalt der Luft, bedeckte damals eine Pflanzendecke unsere Erde, wie sie sich seitdem nie wieder entwickeln konnte. Windbrüche, Wasserkräfte, Wolken- brüche häuften zeitweilig Pflanzenhaufen riesiger Dimension zusammen. Sie erhitzten sich durch Atmung, starben, und auf ihnen siedelten sich Bakterien an. Dass damals schon diese Lebewesen existierten, hat RenaurLt durch eine umfangreiche Untersuchung nachgewiesen. Er fand sogar eine Anzahl von Formen, gerade an und in fossilen Pflanzen. Die karbonischen Bakterien erhitzten weiter und es entstand so all- mählich durch langandauernde, trockene Destillation (die aber doch viel rascher verläuft, als man sonst annimmt) eine kohlige Masse, die nn _ ') Die fettgedruckten Zahlen beziehen sich auf die betreffenden Nummern im Literaturverzeichnis, die kleingedruckten bedeuten die Seitenzahlen, auf der obige Angaben zu finden sind. 270 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 dann weiter im Laufe der Schicksale unserer Erde verändert und schliesslich zu Steinkohle umgewandelt wurde.“ Da nun MiEHE nur eine „Möglichkeit“ der Entstehung von Kohlenflözen skizziert haben will, die „an gewissen Orten und unter besonderen Umständen“ eine Rolle in der Geschichte unserer Erd- rinde gespielt haben könnte, so wäre es nunmehr Sache eines Geo- logen gewesen, die Wahrscheinlichkeit von Selbstentzündung in vor- zeitlichen Kohlenlagern nachzuweisen. Wir werden im Schlusskapitel sehen, dass dieses Thema von unsern @eologen vernachlässigt worden ist. Für uns Nichtgeologen aber fiel eine solche Aufgabe ausser Betracht. Wenn wir es aber heute wagen, dieses alte, inzwischen beinahe in Verruf gekommene Thema eines Parallelismus zwischen „Heu‘ und „Kohle“ wieder aufzugreifen, so geschieht es, weil sich unsere Kennt- nisse und Erfahrungen über die Vorgänge im Heustock, dank eigener Untersuchungen (73/76) während mehr als sechs Jahren, wesentlich erweitert und vertieft haben, und weil wir durch das Studium der neueren Literatur über die Chemie der Kohlen und über ihre Ent- stehung in der Natur immer mehr ermuntert wurden, den Erschei- nungen an beiden Orten und in allen Einzelheiten nachzugehen. Wenn nun auch nicht erwartet werden darf, dass die Erscheinungen zwischen Heu und Kohle vollständig parallel gehen, so war doch durch eine gewöhnliche Vergleichung die Möglichkeit geboten, zu erfahren, ob das, was im einen Falle tatsächlich geschieht, nicht auch im andern Falle möglich oder sogar wahrscheinlich sein könnte. Wir hofften durch ein eingehendes Studium der Entstehungs- und Entwicklungs- bedingungen der natürlichen Kohle unsern Blick für neue Beobach- tungen auf dem Gebiete des Heustockbrandes zu schärfen und damit unser eigentliches Studiengebiet zu befruchten. Zu unserer eigenen Überraschung ergab sich auch für die Chemie der natürlichen Kohlen eine Reihe von Gesichtspunkten, in denen eine Möglichkeit zur Er- klärung bisher rätselhaft gebliebener Erscheinungen liegen könnten. Wir haben uns bemüht, ihre Möglichkeit zu erweisen an Hand von Tatsachen und eigenen Beobachtungen an Kohlenflözen, so gut es ging. Allerdings fehlen Kohlenlagerstätten, wie sie unsere Nachbar- staaten zum Teil besitzen, völlig in unserem Lande. Was wir an solchen haben, sind Miniaturbilder von dem, was wir uns für die vor- liegenden Studien gewünscht hätten. Die kleinen Lager unseres Landes bieten nur geringe Möglichkeit zu einem ausreichenden praktischen ' Studium genetischer Verhältnisse dieser wichtigen Naturprodukte, wenngleich sie anderseits den Vorteil haben, in ihrem geologischen Aufbau, soweit er für uns in Betracht kam, leichter übersichtlich zu Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. LauppEr. Von der Heukohle zur Naturkohle. 271 sein und den Blick für hiehergehörende Dinge weniger zu verwirren. Wenn wir auch diese Hilfsmittel ausschöpfen konnten, so verdanken wir dies der Güte und Hilfsfreudigkeit unseres Landesgeologen Herrn Prof. Dr. Leo WeEHRLI in Zürich, der uns überall Eingang verschaffte, wo wir es wünschten. Ebenfalls sehen wir uns der Direktion des Erzgebirg’schen Steinkohlenaktienvereins zu Zwickau (Sachsen) zu hohem Dank verbunden, die uns bereitwilligst mit jedem gewünschten Anschauungs- und Untersuchungsmaterial versah. Unsere vergleichenden Studien zielen darauf hin, den Kohlen- bildungsprozess in der Natur in seine einzelnen Phasen zu zerlegen und die vielen Ansichten, die im Laufe der Zeiten von den verschie- densten Forschern vertreten worden sind, zu sichten an Hand eines Maßstabes, den uns eigene Beobachtungen von Heubränden eingegeben haben. Die Einteilung des Stoffes war schwierig, mehr noch die Dar- stellung, weil die vermutete Übereinstimmung von Heu- und Natur- kohle infolge des ungleichen Standes beider Forschungsgebiete noch sehr lückenhaft ist und weil uns selbst eine systematische experi- mentelle Durcharbeitung beider Stoffgebiete zur Ausfüllung dieser Lücken aus allerlei Gründen ganz unmöglich ist. In hohem Masse waren wir also hier auf die Fachliteratur angewiesen, von der wir nicht nur die deutschen, sondern auch französische, englische und amerikanische Forschungen herbeigezogen haben. Wir werden zunächst sehen, dass, wie beim Heubrand-, auch beim Kohlenbildungsprozess im Laufe der Zeit drei Theorien sich herausgebildet haben: eine, die alle Vorgänge auf Gärungserschei- nungen zurückführt, eine zweite, die rein chemischen Vorgängen eıne Hauptrolle beimisst, und dass drittens eine ganze Reihe von Tat- sachen vorhanden sind, welche die Bildung der beiden Kohlen als aus einem Destilliervorgang hervorgehend, abzuleiten gestatten. Die Kohlenbildung als Gärungprozess. A. Die Heubakterientheorie von H. Miehe. Es hat viel Aufsehen erregt, als im Jahre 1907 H. MIEHE die Ursache der Selbstentzündung von Heustöcken auf Bakterientätigkeit “urückführte. Diese Ansicht hat dermassen Boden gefasst, dass heute jeder geschulte Landwirt die Heuwärme gleichsetzt der Summe: At- Mungswärme der sterbenden Pflanzen plus Atmungswärme der darin 272 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 lebenden Mikroorganismen. Über diese Wärmespeicherung sagt MiEHE (89) etwa folgendes: „Obwohl bei Schimmelpilzen und Bakterien die Atmungswärme nach der Menge der ausgeschiedenen Kohlensäure be- messen, viel intensiver ist (oft bis 200 mal so stark) als beim Men- schen, so sind doch die dabei entstehenden Temperaturerhöhungen an sich kaum messbar. Anders aber, wenn Pilze im Heuhaufen sich befinden, wo grosse Mengen gärender Pflanzen zusammengehäuft sind. Dort halten die äussersten Schichten die Wärme zurück, sodass sie nicht in demselben Masse, wie sie gebildet wird, nach aussen ab- fliessen kann. Die Temperatur muss also steigen. Damit wächst aber auch die Intensität der Atmung, wodurch wieder mehr Wärme er- zeugt wird.“ Unter der grossen Zahl von Mikroorganismenarten, die von MIEHE in Berlin und von Dücskuı in Zürich (27) im Heu gefunden worden sind, kommen als eigentlich wichtige nur zwei in Betracht. Der Bacillus Coli, der rasch wächst und auf dem feuchten, mit Nah- rungssäften durchtränkten Heu kräftig gedeiht. Als starker Gärer zersetzt er die Kohlenhydrate, wobei bekanntlich Wärme frei wird. Die Temperatur von 40° bedeutet für den genannten Bazillus das Maximum, das er an Wärme erträgt. Er stirbt und verschwindet, da er keine Sporen zu bilden vermag, vollständig, mit ihm eine ganze Menge anderer Arten. Die Temperatursteigerung müsste dann auf- hören, wenn nicht jetzt der Bacillus Calfactor sich entwickelte. Dieser wärmeliefernde Bazillus keimt bei 40° aus und vermehrt sich sehr rasch, „zumal ihm jetzt in dem austretenden Saft der absterbenden Pflanzen vorzügliche Nahrung zu Gebote steht.“ Seine Atmungs- energie wird entsprechend intensiv sein, sodass die Temperatur steigt, bis auch das Maximum für diesen Bazillus erreicht ist. Bei 70° stirbt die vegetative Form ab und nur die Sporen bleiben zunächst übrig; aber damit hat die Selbsterhitzung im Heuhaufen ihren höchsten Grad erreicht. Denn MIEHE selbst machte die interessante Entdeckung, dass der Heustock bei 75—80° sich selbst wieder sterilisiert, infolge der hohen Temperatur also wieder bakterienfrei wird. Zudem ergab sich, dass sterilisiertes Heu einer Selbsterwärmung nicht mehr fähig ist, wenn es nicht zuvor geimpft wird. Daraus schloss MIEHE, dass die Selbsterhitzung des Heues ein physiologischer und kein chemischer Vorgang sein könne. Es sprechen aber verschiedene Gründe dafür, dass Bakt die ihnen zugesprochene Bedeutung für die Selbsterwärmung stöcke haben können. Wir zählen hier folgende auf: 1. Die von Rank£ in Heustöcken vermutete hohe Temper von 200-300 ° ist seither tatsächlich durch Messungen von K. erien nicht der Heu- atur Jahrg. 67. H. Scuwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 273 in Interlaken (1917) festgestellt worden (119). Wie erklärt sich also der nachfolgende Aufstieg von 75—300°, wenn die Pflanze bei 45° und die Bakterien bei 75° zugrunde gehen? Es gibt nur eine Ant- wort: Wenn bei 75° alles Leben im Heustock erlischt, so gehört das Intervall von 75—300° sicher in den Bereich der chemischen Vorgänge. Rein biologisch erklärt MIEHE nur die Stufe von 45—75 ns Es bleibt also zugunsten der bakteriologischen Auffassung nur ein Spielraum von rund 30° Damit kann aber die Selbstentzündung nicht erklärt werden. 2. R. Burkı in Bern hat 1919 gefunden, dass tliermophile Bak- terien schon in dem auf dem ‚Felde liegenden Emd vorhanden sind Fig. 1. Vergr. 1: 400. und dass sie sich im Emdstock im Laufe seiner Erwärmung bis auf 73° nicht weiter vermehrt haben. Die Selbsterhitzung des Heues kann daher wohl kaum auf Lebensvorgänge von Bakterien zurück- geführt werden (11). 3. Die Holländer BoskHouT und DE VrıEs schlossen schon 1904 aus dem mikroskopischen Bild von verkohlten Heuhalmen, dass hier Bakterien nicht im Spiele sein können. Da ihre Arbeit in hollän- discher Sprache abgefasst, leider nur sehr wenig bekannt geworden u sein scheint, reproduzieren wir daraus mit Erlaubnis der Autoren ein Klische mit dem Schnitt durch einen solchen Heuhalm. Wie man Sieht, ist der Inhalt der Zellen der äussern Epidermis noch ganz un- Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg.67. 1922. 18 274 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1923 versehrt. Auch die Zellwandungen sind vollständig unverletzt. Bei den Zellen im Innern sind die Wände ebenfalls intakt geblieben, während das Protoplasma darin ganz oder teilweise schwarz geworden ist. Die Wandungen der inneren Zellen sind gelbbraun, wohl infolge Diffusion des Farbstoffes aus dem schwarzen Protoplasma nach den Zellwandungen. Auch die Gefässbündel sind ungefärbt. Da die Zellen an der Aussenseite der Heuhalme ganz unverändert geblieben, folgt, dass das Schwarzwerden nicht Stoffen zugeschrieben werden kann, die von aussen in den Heustengel hineingedrungen sind. Eskönnen also auch nicht Bakterien die Ursache der Farbenveränderung. des Protoplasmas sein, da dieselben unmöglich ins Innere der Zelle ge- langen konnten, ohne die Zellwandung zu durchbrechen (8, 283). 4. Gegen die Bakterientheorie spricht besonders auch die von . Laupper 1921 festgestellte Tatsache, dass auch „klingeldürres“ Heu sich selbst entzünden kann (75). Der Bauer versteht darunter ein Heu von höchstem Trockengrad, ein Heu, bei welchem jede Gefahr der Selbstentzündung ausgeschlossen erscheint. Die Mehrzahl der Seheunenbrände sind für den Heubrandexperten unerklärlich (124), denn die landläufigen Kenntnisse zwingen ihn zu der Logik: Selbst- entzündungen sind auf den Gärungsprozess zurückzuführen; dazu sind Bakterien nötig; damit diese leben konnten, muss noch Feuch- tigkeit vorhanden gewesen sein, allen Beteuerungen des Bauers zum Trotz! — Will man den Betroffenen sehonen, so werden Brandstif- tung, Kurzschluss, oder „spielende Kinder“ als Brandursache ange- nommen. Die amtlichen Untersuchungen bleiben erfolglos und die wahre Brandursache wird nie aufgeklärt. Anders aber, wenn man einmal zugibt, dass auch klingeldürres Heu sich entzünden kann: Dann fällt die Bakterientheorie! Und an Stelle bakteriologischer Prozesse treten chemische Vorgänge, die natürlich auch mehr oder weniger leicht an bestgetrocknetem Material Selbstentzündungen her- vorrufen können. Kein Futterstock ist sicher vor Verkohlung! Auch „klingeldürres‘ Heu kann sich entzünden! Wie berechtigt dieser Ruf ist, zeigt schon die grosse Zahl von überraschten Bauern, die nich begreifen können, dass gerade ihr Heustock in Brand geraten ist. Ferner die Erscheinung, dass in ganz trockenen Perioden, wo e8 fast nicht möglich ist, Heu anders als klingeldürr unter Dach zu bringen, die Fälle von Scheunenbränden nicht weniger zahlreich sind.') Das alles spricht gegen die Theorie von den Bakterien als Brandursache bei Heuselbstentzündungen. !) Vgl. E. Jorvı (68) und G. LaupPpeEr (76) [beide 1922]. Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 275 B. Die Kohlenbakterientheorie von B. Renault. Es muss überraschen zu erfahren, dass es auch auf dem Gebiete der Kohlenforschung Gelehrte gegeben hat, welche versucht haben, die Bildung der natürlichen Kohlen auf rein bakterielle Tätigkeit zu- rückzuführen. Die Entdeckung von Bakterien in den verschiedenen Kohlen hat seinerzeit viel Aufsehen erregt. Dem Franzosen B. R£nAULT (114) hat man es zu verdanken, dass die Bakterienflora der fossilen Kohlen heute nicht weniger genau bekannt ist, als es diejenige im Heuhaufen durch MIEHE und DüggELı geworden. R£naurr hat 24 Jahre seines Lebens (1876-1900) für die wissenschaftliche Untersuchung der urzeitlichen Bakterienflora in den Kohlen geopfert. Er unter- scheidet zwei verschiedene Bakteriengruppen, die sich mit ihrer Tätigkeit in ähnlicher Weise ablösen, wie es im Heuhaufen Bae. coli und calfactor getan haben. Die Geologie lehrt, dass Torf und Braun- kohlen in Sümpfen entstanden sind. Die Gärung erfolgte zunächst bei Luftzutritt unter der Einwirkung der „aeroben“ Bakterien, d.h. solchen, die aus der Luft Sauerstoff entnehmen und hauptsäch- lich Kohlensäure entwickeln und ein humöses, kohlenstoffreicheres Zersetzungsprodukt entstehen lassen. (Hauptvertreter: Micrococcus lignitum.) Nachdem durch Zudecken mit Sand und Tonschlamm die aerobe Bakterientätigkeit ausgeschlossen worden war, mussten die „anaeroben“ Bakterien in Tätigkeit treten, die eigentlichen Stein- kohlenbakterien, die ohne Luftzutritt lediglich auf Kosten des um- gebenden Mediums leben (Hauptvertreter: Micrococeus carbo). Sie griffen die Zell- und Gefässwandungen der Pflanzen an, lösten sie auf, schieden neben CO, hauptsächlich Kohlenwasserstoffe (meist CH,) aus, bis sie schliesslich nach Vertilgung aller assimilierbaren Pflanzen- Substanz oder auch schon vorher durch die Anhäufung ihrer eigenen Stoffwechselprodukte, wie dies ja auch bei pathogenen Bakterien be- Obachtet wird, zugrunde gingen (134). Die Umsetzung der Pflanzensubstanz zu Kohlen unter Mitwir- kung der Bakterien erklärt RenauLt nach folgender Formel: F Ei 5 (C,H,,0,), = H,O + 7CH, + 800, + 3B,0 Zellulose ohle (aus Kordaitenholz) en, 1 Vol. 1 . /s Vol, i (durch Druck allmählich die als Gase entweichen auf 1/,,—/,,Vol. herunter- n „Nach Rexaurt stellt sich die fertige Kohle dar als Produkt der Auf- 276 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 lösung und teilweisen Verflüssigung der Zellulose, vermischt mit den noch nicht ganz zerstörten, noch erkennbaren, aber ebenfalls bereits von den Mikroben angegriffenen Pflanzenresten und erfüllt mit den abgestorbenen Kolonien eben dieser Mikroben“ (13, 1). Dieser Theorie gegenüber ist geltend gemacht worden 1. Von DAnnengerG (1915): Die Unsicherheit der Beobachtungs- grundlage. So winzige und in ihren Formen so wenig charakte- ristische Körper können eigentlich nur an ihren Lebensäusserungen, eventuell in Reinkulturen noch mit Sicherheit erkannt und spezifisch bestimmt werden, was bei fossilen Formen natürlich ausgeschlossen ist. BERTRAND (6,7), der Gelegenheit hatte, die Präparate RENAULTS zu besichtigen, sei der Ansicht geblieben, dass die für Bakterien ge- haltenen Körnchen und Stäbehen möglicherweise nur Zerfallsprodukte der Pflanzensubstanz oder sogar anorganische Bestandteile sein kön- nen (13, 16). 2%, LEMIERE (1900) bezweifelt die Möglichkeit der Umwandlung von Zellulose in kohlige Substanz durch Mikroben, da unter den heute bekannten Mikroben keine seien, die dies zu tun vermöchten (77). Dieser Einwand erscheint uns weniger bedenklich als der vorhin ge- nannte, denn: Warum sollen damals nicht auch Arten, die zu solchen Leistungen befähigt waren und heute verschwunden sind, existiert haben? Wenn heute die ganze Karbonflora verschwunden bezw. Ver kümmert ist, könnten nicht auch Formen aus der Welt der Mikro- organismen im Laufe solch ungeheurer Zeiträume biogenetisch rück- läufig geworden sein? Übrigens scheint die Zellulose nach neueren Untersuchungen eine vergärbare Substanz zu sein. TAPPEINER (1884), der mit einer Studie über „die Darmgase der Pflanzenfresser als Produkte der bisher ganz rätselhaften Auflösungsprozesse der Zellulose (als Sumpfgasgärung usw.)“ beschäftigt war (136), fand, dass diese ä rungsvorgänge auf die Tätigkeit von Spaltpilzen zurückzuführen seien. Diese ni- deckung führte ihn auf die Frage nach dem Vorkommen der Zellulosegärung der Natur und diese Fragestellung liess ihn Versuche anstellen über die Sumpigas” gärung im Schlamm he, Sümpfe und Kloaken. Der biologische Charakter dieser Arbeit und ihre Veröffentlichung in einer uns Chemikern nicht nahe liegenden Quelle schliesst die Gefahr des Übersehens ein, weshalb bei der so hohen Bedeutung dieses Gegenstandes für unsere spezielle Aufgabe eine Darlegung der Hauptgedanken gestattet sein mag. Nach TAPPEINER können zwei Zellulosegärungen in der Natur entstehen, eine, bei der sich CO, und CH, entwickeln, eine andere, Wo GO, und H, produziert werden. Beiden gemeinsam ist das Auftreten organischer Säuren. Was nun die erste Gärungsart: a) die Zellulose-Sumpfgasgärung betrifft, so hat sie zweifell in den ersten Stadien der Kohlenbildung eine wichtige Rolle gespielt. Denn überall, wo pflanzliche Überreste unter Luftabschluss zersetzt werden (anaerober Vorgang) im Fiuss- und Teichschlamm, im feuchten Boden, finden sich Bedingungen Im . o Large; Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 277 Methanzersetzung der Zellulose. Dabei ist der Vorgang durchaus nicht ein quanti- tativ berechenbarer und verläuft nicht immer ganz gleich. OMELIANSKI (98) sagt: „Da die erbindungen „Zellulose* sich voneinander in ihren chemischen Eigen- schaften wesentlich unterscheiden, ist man vollkommen berechtigt, anzunehmen, dass auch der Widerstand, welchen diese Zellulosearten der Tätigkeit der Mikroben ent- gegensetzen, verschieden sein kann und dass es Fermente gibt, die auf die eine Art von Zellulose einwirken, auf andere Arten derselben aber nicht.“ So erhielt OMELIANSKI beim Vergären verschiedener Zellulosen 50—-70°o Essig- und Butter- säure und 50—30°/o Gase. Diese letzteren bestanden aus einem Gemisch von: CHs und GO, und zwar 78,7% 94,3°/o am Anfang der Gärung‘ 30,0 %/o 70,0°/ „ Ende ; » gg während nach Untersuchungen von HoPPpE-SEYLER (1886) die Zellulose bei der Sumpf- gasgärung lediglich in zwei Gase ohne Bildung anderweitiger Produkte zerlegt wird (65). OMELIANSKI bemerkt (96, 915), dass beide Gärungen in ihrem physiologischen Charakter ganz verschieden sind, obschon in beiden Fällen Sumpfgas gebildet wird. Über die zweite Möglichkeit, die der Zellulose-Wasserstoffgärung sagt H. TArPEıser folgendes (136) : ‚Eine nicht uninteressante Frage ist die nach dem Vorkommen dieser Zellulose- gärung in der Natur. Eine Entwicklung von Wasserstoff durch Gärung ist meines Wissens auf der Erdoberfläche bisher nicht beachtet worden. Es sind jedoch An- zeichen vorhanden, die einen solchen Vorgang als einen erscheinen lassen, der nieht von selber stattfindet. Schliesst man Wiesenheu mit Wasser und etwas Luft in eine Flasche ein, deren Hals in eine unter Quecksilber tauchende Röhre sich fortsetzt, so beginnt sehr bald eine starke Entwicklung von Gas von der Zusammen- setzung: Kohlensäure 51,15 %o Wasserstoff 44,58 „ Methan 0,09 „ Stickstoff #18... 100,00 °/o Aus dem Inhalt lassen sich dann durch Destillation bedeutende Mengen von flüch- tigen Säuren, die grösstenteils aus Essigsäure bestehen, gewinnen; die ersten Desti- late ergeben auch sehr deutliche Alkohol- und Aldehydreaktion. Man sollte nun ng Zusammentreffen, nicht selten zu finden sein. Sollten vielleicht die im Moor- und Torfwasser gefundenen flüchtigen niedern Fettsäuren auf diese Quelle sich zurück- worfen. Jede dieser Gärungen ist ein selbständiger Prozess, der unter dem Einfluss Fines spezifischen Mikroben vonstatten geht. Die Mikroben beider Gärungen stehen sie leicht voneinander zu unterscheiden, ist nach OMELIANSKI die Wasserstoffent- Wieklung im einen, die Sumpfgasentwicklung im andern Falle“ (97, 1068, 132). an wird einwenden können, dass die eben besprochenen Gärungsversuche, 278 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 die einen Zerfall in organische Säure, Kohlendioxyd und Methan ohne Anhäufung kohlenstoffreicher Gebilde lehren, — abgesehen von mit den in Mooren nicht ganz übereinstimmenden Bedingungen, — nicht massgebend sein könnten für den Vertor- fungsprozess. Es ist aber zu beachten, dass das Pflanzenmaterial der Steinkohlen- formation nur zu einem Teil aus Zellulose bestand und sicher auch noch andere Stoffe, wie Harz, Gummi, Fette, Proteine usw. enthielt, auf welche dann die in so reichlicher Menge entstandenen Säuren sehr wohl eine neue Reaktion hervorrufen konnten, welche die Bildung kohliger Rückstände zur Folge hatten. Allerdings ist unter Umständen Methan produzieren (98, 103). Auch TAPPEINER hat dies früher schon behauptet von Peptonen und Leim: „Es genügen kleine Quantitäten von eiweissartigen Körpern, um eine wochenlange Gasentwicklung zu unterhalten. Solche Mengen von Proteinsubstanzen sind sicherlich auch in den Pflanzenresten oder den Leichen der Wassertiere, welche die organische Masse des Schlammes bilden, ent- halten.“ Er meint sogar, dass das Verhältnis, in dem bei der Eiweissgärung Kohlen- äure und Sumpfgas zu einander stehen, der Zusammensetzung der vom Schlamm entwickelten Gase weit mehr entspreche, als das bei den jetzt bekannten Zellulose- gärungen der Fall sei (137). Sei dem wie ihm wolle. Es ist auch hier dafür gesorgt, dass die Umwandlung der Zellulose in gasförmige Produkte nicht gar zu quantitativ vor sich gehe, denn, wie beim Heu, so ist auch hier 3. das Sterben der Bakterien ein Faktor, der dem Um- wandlungsprozess der Pflanzen in Kohlen ein vorzeitiges Ende setzt und wir werden sehen, dass, während dort durch höhere Temperatur eine sterilisierende Wirkung eintrat, hier durch die von den Bakte- rien produzierten Huminsäuren eine Desinfektion eintritt. Während man nach RENAULT erwarten müsste, überall in den vermodernden Pflanzenmassen einem üppigen Wachstum der Bakterien zu begegnen — wie er es in den Stein- und Braunkohlen gefunden haben will — so zeigt die Beobachtung, dass im Gegenteil die lebenden Bakterien schon im Moor ausserordentlich zurücktreten, im fertigen Torf aber nur noch äusserst spärlich vorhanden sind. Es hat SALSTRÖM 2. B. festgestellt (13, 17), dass das Leben der Mikroorganismen in den Mooren wesentlich an die obere, 15—20 em mächtige Bodenschicht gebunden ist und schon in 50 cm Tiefe alle Proben steril waren. Auch Forscher wie RAMAnn und R£m£re (110), die Moore auf Bakterien untersucht haben, geben zu, dass es nicht wahrscheinlich sei, in tiefen Schichten verwachsender Moore „niedere Organismen in nennenswerter Menge“ anzutreffen. Es lässt sich ferner zeigen, dass saure Hochmoorböden recht ıungeeignete Nährböden für Bakterien sind (35). Die antisept!- schen Eigenschaften des Torfwassers weisen hin auf die Anwesenheit antiseptisch wirkender Humussäure, die ein Hindernis bildet für die Zersetzung der Pflanzenmassen und es erklären lässt, warum Leichen Jahrg. 67. H. Scnwarz u. G. LauppEr. Von der Heukohle zur Naturkohle. 279 Jahrzehnte lang sich frisch erhalten lassen. Diesbezügliches, sehr reiches Tatsachenmaterial findet sich zusammengestellt bei Frün und SCHRÖTER (51, ı26 r.). Bekannt ist auch das starke Desinfektionsver- mögen von Torfmull und Torfwatte, welche beispielsweise Cholera- bazillen zu töten vermögen. Diese Beobachtungen machen es wahr- scheinlich, dass in den ersten Stadien der Kohlenbildung die Humussäure eine ähnliche antiseptische Wirkung auf die Bakterien ausübt, wie es bei den Heustöcken durch sterilisierende Wirkung einer höheren Tempe- ratur geschieht. Die vermeintliche Abgeklärtheit dieses Problems erleidet aber durch neue Untersuchungen, die aus Amerika kommen, einen Stoss. WHITE und THIESSEN (1913) wollen nämlich gefunden haben, dass amerikanische Torflager selbst in 9 m Tiefe noch anaerobe Bakterien enthalten (145). Da eine Schicht von 9 m Torf eine sehr lange Zeit zu ihrer Ablagerung nötig hat, so zieht Wurme daraus den Schluss, dass auch die zersetzende Tätigkeit der Bakterien oft eine sehr lange Zeit hindurch in Torflagern angedauert haben muss. Wir wissen nicht, um was für Bakterien es sich handelt, die hier der Antisepsis zu widerstehen vermögen. Da Bakterien auf abgelagerte Pflanzensubstanz reduzierend wirken, so ist es möglich, dass eine ganz besonders starke Reduktionskraft ihnen eigen ist, die sie zu solehem Widerstand befähigt. Denn in solchen Tiefen finden sie den Sauerstoff, welchen sie zum Leben nötig haben, nur chemisch gebunden in der organischen Sub- stanz der Pflanzen vor. Um diesen Sauerstoff zu erlangen, müssen die Bakterien diese organischen Substanzen der Pflanzen zersetzen, zuerst die leicht, später aber auch die schwerer zersetzbaren Teile, sodass bei ungehemmtem Fortschritt nur noch ganz schwer zersetz- bare und die unzersetzbaren Teile übrig bleiben (135, ss). Die Möglichkeit bakteriellen Lebens in solchen Tiefen könnte aber noch anders erklärt werden, als durch solche Anpassung. Man macht nämlich bei Laboratoriumsversuchen immer die Beobachtung, Worauf schon OMELIANSKI (13, ı7) hingewiesen hat, dass die Methan- 8ärung der Zellulose durch die dabei gebildeten Zersetzungsprodukte sehr bald zum Stillstand kommt, anderseits aber, wenn man ihren Fortgang durch Entfernung resp. Neutralisation der gebildeten Säure mittelst Kreidezusatz ermöglicht, zum völligen Verschwinden der Zel- Iulose: führt. In dieser Hinsicht mag auch eine Beobachtung TAr- PEINERS von Interesse sein, die zeigt, dass auch die Natur die gleichen Mittel der Neutralisation anwendet, um diese Zerstörung der Zellu- Iose nicht allzurasch zu unterbrechen. Er sagt: „Nach Schluss der 280 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Gärung findet man die Reaktion regelmässig sauer. Zur Untersuchung der nicht gasförmigen Gärungsprodukte wurde die Flüssigkeit nach der Filtration mit H, SO, angesäuert, destilliert. Es entstehen grosse Mengen flüchtiger Säure und noch weit mehr als aus der Stärke der Reaktion am Ende der Gärung zu erwarten ist, ein Beweis, dass während der Gärung auch basische Produkte (wahrscheinlich Ammoniak!) aus den Extrakten gebildet werden, welche die sauren Gärungsprodukte zum Teil neutralisieren!“ Ob nicht auch in den amerikanischen Lagern die Möglichkeit einer natürlichen Neutralisation vorlag, die durch eine besondere Zu- sammensetzung der Vegetation — vielleicht durch hohen Gehalt an stickstoffreichem, leicht zu basischen Produkten führenden Pflanzen- materialien — bedingt sein könnte? 4. Es ist ohne weiteres klar, dass Bakterien im Heu nicht mehr werden leben können, wenn alle Feuchtigkeit verloren geht. Von dieser Voraussetzung ging J. F. Horrmann (1902) aus, um zu be- weisen, dass Steinkohle nicht durch eine „Steinkohlegärung“ ent- standen sein kann. Er sagt: „Die Steinkohlen haben einen so geringen Wassergehalt (meist nicht wesentlich über 5°/o, wenn nicht gerade durch Spalten in den Lagern Wasser hinzugetreten ist), dass jede Mikrobentätigkeit als ausgeschlossen zu betrachten ist“ (62, 825). 5. In Übereinstimmung mit den Beobachtungen von BOEKHOUT und DE VRIES beim Heu stehen Beobachtungen von J.J. FRÜH in Zü- rich über die Veränderungen des Zellinhalts bei den Naturkohlen. Bemerkungen solcher Art sind in der Literatur ausserordentlich spär- lich. Frün beobachtete indes schon 1883, dass bei der Torfbildung die weichen und proteinreichen Substanzen der Pflanzen zuerst ver- torfen, also zuerst der Zellinhalt und erst nachher die Zellwand. Er fand, dass in gewissen Fällen, in denen die Zellinhalte „ulmifiziert“ waren, die Behandlung mit Zinkehlorjodid deutlich ergab, dass die Membran noch aus unveränderter Zellulose bestand, während der Zell- inhalt bereits total ulmifiziert war, indem nämlich „die Ulminmasse sich fast messinggelb färbte und oft recht deutlich von einer violetten Haut eingeschlossen wurde“ (144,2 und 50, :7). Alles in allem werden wir annehmen dürfen, das® auch bei der Kohlenbildung, wie beim Heustock, nur der ersteAnstoss zur Umwandlung (etwa bis zum Torf- stadium) durch die Bakterien gegeben wird, dann aber diese in dem mehr oder weniger aseptisch gewordenen Medium als reinphysikalisch-chemischer Prozes® fort- schreitet. Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 281 Il. Die Kohlenbildung als Huminifikationsprozess. Wenn aber den Bakterien im Kohlenwerdungsprozess keine prin- zipielle Bedeutung zukommt, welche chemischen Prozesse sind es dann, welche zur ersten Wärmeentwicklung Anlass geben? Weiss man überhaupt etwas davon? 1883 schrieb J. FRÜH in seiner Dissertation (50, ss) folgendes: „So wenig man zur Zeit im Stande ist, exakt die stufenweise Zer- setzung der Pflanzenstoffe bei der Vertorfung zu verfolgen und zu erklären, so wenig vermag man genau anzugeben, wodurch der Ver- torfungsprozess überhaupt eingeleitet wird. Dazu wären eingehende chemische und physikalische Untersuchungen des Torfwassers, der aus Torf gepressten Flüssigkeiten, der ausströmenden Gase usw. not- wendig und vor allem eine bessere Kenntnis von dem gegenseitigen Verhalten der einzelnen Pflanzenstoffe, welche die Phytochemie in den letzten Dezennien entdeckt hat, von dem Einfluss der Mineral- stoffe in den lebenden Pflanzen, d. h. es sind eine so grosse Zahl von Fragen zu beantworten, dass die Zeit wohl noch fern liegt, in welcher wir hierüber Aufklärung erhalten werden, insbesondere deshalb, weil die Torfbildung sich noch nie der Aufmerksamkeit jener Forscher zu erfreuen hatte, welche mit den nötigen wissenschaftlichen Hilfsmitteln ausgestattet sind.“ Es gibt vielleicht noch andere, als die von FRÜH genannten direkten Wege, um auf diesem Gebiete der F orschung vorwärts zu kommen. Wir denken an die indirekten, hier vor allem an den Umweg über das Heu. Wenn H. MıEHE die Bedingungen, unter denen Selbsterhitzung zustande kommt, kurz dahin präzisiert hat, dass Grösse der Haufen und der Wassergehalt des Heues dafür ausschlaggebend sind, so müssen wir erkennen, dass für die Bildung von Kohlenflözen diese Bedingungen von vornherein auch im anaeroben Stadium in vollem Masse gegeben waren und somit nicht nur an die Möglichkeit einer Üppigkeit bakteriellen Lebens und Gedeihens gedacht werden kann, sondern vielleicht noch mehr an eine Übereinstimmung der dieser ersten Periode nachfolgenden Erscheinungen chemisch- physikalischer Natur. Davon soll nun hier die Rede sein: A. Die einleitenden Vorgänge. h Für das Heu hat G. Laupper eine Antwort zu geben versucht. Ein Teil des Geheimnisses liegt offenbar in der l. Schiechtenbildung: einem Faktor, dessen Bedeutung auch für die Selbsterhitzung des Heus früher nie genügend gewürdigt worden 282 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 ist. Gleich wie beim Fallen des Schnees die einzelnen Flocken trotz wirren Durcheinanders zu einer vollkommen glatten Decke sich la- gern, so ordnen sich beim Anhäufen von Pflanzenmassen die einzelnen Teile in Lagen zu gleichmässigen Schichten an. Diese Schichtung kann durch Anschroten eines beliebigen Grashaufens oder Heufuders zu jeder Zeit sichtbar gemacht werden. Die einzelnen Halme liegen neben- und übereinander schön geordnet, wie die Blätter in einem Herbarium. Dieselbe Erscheinung findet sich wieder beim Ausstechen eines Waldbodens, eines Torfmoors, eines verkohlten Heuhaufens oder eines beliebigen Braun- oder Steinkohlenlagers. Es genügt hier, an die Blättrigkeit mancher Steinkohlen zu erinnern, um jeden Zweifel an den Zusammenhang dieser Eigenschaft mit der Schichtung ihrer ursprünglichen Bestandteile zu beseitigen. Die Bedeutung dieser Schich- tenbildung liegt nun darin, dass sie die Vorbedingung ist zur Möglichkeit der Wärmekammern im Innern des Pflanzenhaufens, Bildungen, die es ermöglichen, dass von der durch exotherme Prozesse chemischer Art ge- bildeten Wärme mehr aufgespeichert wird, als abzu- fliessen imstande ist (73,3 und 57, 10). Ein anderer Teil des Geheimnisses liegt dann weiter im Austritt von Wasser aus den Pflanzenzellen, wie man diesen früher haupt- sächlich durch den Atmungsvorgang bedingt glaubte. 2. Der Atmungsprozess: Seit GöpPERT (1832) wissen wir (74), dass in einem Haufen Gras die lebenden Pflanzenzellen CO, und H,O ausatmen und deutlich nachweisbare Wärme entwickeln. In ähn- licher Weise nahm man auch vom Futterstock an, dass ausser Mikro- organismen noch lebende Pflanzenzellen vorhanden seien, die an diesem Prozess beteiligt sind. Das bekannte „Schwitzen des Heues“ wies auf eine so energische Atmungstätigkeit hin, dass man auf Schwierigkeiten der Erklärung stiess, als man die Rolle der Bak- terien als überwertet erkannte. Denn damit wird ja die Hauptquelle für die Feuchtigkeit im Heustock ausgeschaltet. Das hat nun R. BURRI in Bern (1919) zu einer sehr originellen Erklärung veranlasst (11). Er nimmt an, dass der auf Grund der Atmung sich abspielende Wärmebildungsprozess nicht schon bei 45° oder 50°, sondern erst bei 60° oder darüber zum Stillstand kommt. Er macht also für die Selbsterwärmung des Heus einen über die Todesgrenze der lebenden Pflanzenzellen hinausgehenden Atmungsprozess verantwortlich. Denn, wie es Pflanzensamen gebe (die bekanntlich auch atmen), die man bis auf 100° und darüber erhitzen könne, ohne dass ihre Keimfähig- Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 283 keit verloren gehe, so könne es auch möglich sein, dass beim Heu der Wassergehalt des getrockneten Materials für die Atmungstätig- keit einen Schutz bilde gegen die schädigende Wirkung der hohen Wärme. Warum also nicht auch bei den Pflanzenhaufen, die heute unsere Kohlenlager bilden? Wir sind der Ansicht, dass schon das „Schwitzen des Heues‘, (das mit der Zeit in „Dämpfen“ übergeht), auf eine chemische Zer- setzung im Innern der Pflanzenzelle hinweist und seine Ursache in einer immer beschleunigteren Zersetzung hauptsächlich der zucker- artigen Kohlenhydrate unter Abspaltung von H,O und CO, findet. Wir wissen, dass bei ungenügend getrocknetem Heu die chemische Zersetzung leichter entsteht als in „dürrem* Heu. Welches Heu muss man aber als „dürr* bezeichnen?“ Die Relativität dieses Begriffes kommt darin zum Ausdruck, dass die bei Feuchtigkeitsbestimmungen üblichen analytischen Methoden Werte bis zu 30°) H,O ergeben können. Es ist wohl kaum möglich, Heu derart zu trocknen, dass keine Zersetzung stattfindet. Das liegt daran, dass in den .Halmen Pflanzenstoffe von grosser Wärmeempfindlichkeit vorhanden sind, die Feuchtigkeit. vorzutäuschen vermögen, wo in Wirklichkeit schon Zer- setzungswasser aufgetreten ist. Mageres, wirklich dürres Heu ist so gut wie Stroh und fast wertlos. Wertvolles fettes Futter aber ist reich an Nährstoffen, die sich leicht zersetzen und dabei Feuchtigkeit abgeben. Solches Futter, sagt man, sei schwer zu trocknen. Wir unterscheiden also zwischen Feuchtigkeitswasser und Zersetzungs- _ wasser. Wo liegt aber die Grenze? — — 3. Synaeresis in Pflanzenhaufen: Eine andere Art des Schwitzens ist in @. Lauppers letzter grösserer Arbeit zum ersten Male kurz charakterisiert und als synaeretischer Vorgang gedeutet worden. Unter Synaeresis versteht man, ganz allgemein gesprochen, eine Abscheidung von wässeriger Flüssigkeit aus einem kolloidalen Körper. Trocknet diese Flüssigkeit aus, so erscheint die Abscheidung In Form einer „Ausblühung“‘. In ihrem Wesen ist die Erscheinung noch nicht aufgeklärt und es sei daher an einigen Beispielen gezeigt, was wir uns darunter vorzustellen haben. Lässt man Kleister ruhig stehen und alt werden, so bedeckt sich derselbe mit einer wässerigen Flüssigkeit. Alte Seife von geringer Qualität zeigt auf ihrer Ober- fläche Ausscheidungen von weissem Pulver. Zelluloid, das mit ır- gend einem Zusatz unbrennbar zu machen versucht wurde, zeigt im Alter die gleiche Erscheinung. Käse, der am Austrocknen ist, fängt Auf einmal wieder an zu „schwitzen“. Brot, das innen auszutrocknen 234 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 beginnt, bekommt oft plötzlich eine weiche Rinde. Holzzemente scheiden gerne stark Mg Cl,-haltige Flüssigkeit aus, die Linoleum- überzüge zu zerstören pflegt, usw. usw. In vielen Fällen handelt es sich um alltägliche Erscheinungen, die jedermann beobachten kann. Das Wesen dieser Erscheinungen ist aber bis heute verkannt worden, weil man genannte Übelstände als Qualitäts-, Fabrikations- oder Auf- bewahrungsfehler auszulegen pflegt. Manchmal ist auch vermeintlich die „feuchte Luft“ daran schuld. Aber das sind Irrtümer, die das Problem der Synaeresis nicht weiter bringen. Vor allem ist hier zu bedenken, dass jede Sekretion aus einem Kolloidgemisch erfolgt und . dass jedes Sekretions- und Extraktionsprodukt nicht nur Wasser, sondern ebenfalls Kolloide und Salze enthält von der Art, die auch in dem betreffenden sezernierenden Substrat enthalten sind. Solche Sekretionserscheinungen sind nun für die Kolloidkörper so charakte- ristisch, dass es wirklich zu verwundern wäre, wenn diese sich nicht auch in irgend einer Form beim Heu oder bei jedem andern aufge- stapelten Pflanzenmaterial zeigen würden. Wenn wir es nun beim Heu mit einer Synaeresis zu tun haben, wie solche Sekretionen von OstwALn (99, 140) bezeichnet worden sind, so muss auch hier die aus- geschiedene Flüssigkeit nicht nur aus reinem Wasser bestehen, son- dern eine Kolloidlösung sein von Substanzen, wie sie eben auch im Innern der Heuhalme vorhanden sind. Es ist zu beachten, dass die Verhältnisse, in denen sie in den Kolloidlösungen vorkommen, keines- wegs identisch zu sein brauchen mit den Konzentrationen im ausgeschie- denen Gel, und ebenso variiert sowohl Menge als auch Zusammensetzung der ausgeschiedenen Flüssigkeit je nach der Art der Gallerte nach Art und Menge der in ihr enthaltenen Stoffe. Als den allerwichtigsten Punkt haben wir nach Wo. OstwaLp ins Auge zu fassen, dass eine solche synaeretische Flüssigkeitsausscheidung nicht entscheidend bestimmt wird durch die osmotischen und hydrolytischen Druckverhältnisse, sondern durch im Innern der Gallerte gelegene Kräfte, der Kräfte nämlich, welche die „inneren Zustandsänderungen“ hervorrufen. Eserscheint uns nun ausserordentlich interessant, dass auch MIEHE, wie wir sehen werden, für seine Mikroorganismen eine solche $e- kretion benötigt hat. Wir wissen nicht, ob er eine solche tatsäch- lich beobachtet hat oder ob sie ihm nur als eine logische Nobme® digkeit erschienen ist. Fragen wir uns einmal: Woher beziehen denn die an trockenen Heuhalmen lebenden Bakterienarten ihre Nah- rung? Etwa nur aus den Wunden und Rissen und Verletzungen, welche die Pflanzen beim Abmähen erlitten haben? Dann müssten sich die Bakterien an den untersten Enden. der Halme in Kolonie Jahrg. 67. H. Scuwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 285 ansiedeln, was aber noch niemand beobachtet zu haben scheint. Die Mikroorganismen finden sich zwischen den Heuschichten, den Halmen entlang, also auf dem Hautpanzer der Halme. Grundbedingung für bakterielles Leben ist bekanntlich beim Heu ein bestimmter Feuch- tigkeitsgehalt. Genügt ihnen reines Wasser als Nahrung? Doch wohl kaum, denn aus den Elementen des Wassers, H und O vermögen sie sicherlich keine CO, reiche Atmungsluft zu produzieren, ohne in allerkürzester Zeit selbst konsumiert zu werden. Woher denn aber die organischen Nahrungsstoffe? MIEHE gibt in einem ganz unschein- baren Nebensatz auch darauf eine deutliche Antwort. Er schreibt an einer Stelle (89, 116): „Der Bac. calfactor vermehrt sich rasch .. . . zumal ihm jetzt in dem austretenden Saft der sterbenden Pflanze vorzügliche Nahrung zu Gebote steht.“ Es ist für MIEHE selbst- verständlich, dass seine Bakterien nicht gedeihen können, wenn nicht ‘zuvor Nahrung für sie vorhanden ist. Für seine Mikroorganismen sind die Nahrungsstoffe im Innern der Heuhalme eingeschlossen, also nicht zugänglich. Mit dem Absterben der Pflanzenzellen hält MIEHE den Moment für die Absonderung von solchen Nahrungsstoffen für ge- kommen und so setzt er im Grunde nichts anderes voraus, als einen synaeretischen Vorgang, bei welchem nicht reines Wasser, sondern eine nährsalzhaltige Flüssigkeit sekretieri wird. Der gleichen Schwierigkeiten scheint sich RENAULT bewusst geworden zu sein, als er für seine „in unglaublicher Zahl in den Kohlen lebenden Bakterien“ für Nahrung zu sorgen hatte. Auch er scheint einer direkten Auflösbarkeit der Zellwandsubstanz durch die Mikroben aus dem Wege gegangen zu sein, da er sonst nicht von einer “mac&ration» gesprochen hätte, die unter dem Einfluss der in den Pflanzen enthaltenen Fermente (Diastasen) sowie anderen von Mi- kroben gelieferten Fermenten vor sich geht und durch welche die vegetabilische Substanz den Bakterien mundgerecht und für die völlige Aufschliessung vorbereitet wird. Denn an Stellen, wo die Bakterien im Innern der Holzelemente im Torf auftreten, war stets eine Art Gallerte vorhanden. LEMIERE vermutet, dass die Diastasen der Pflanzen oder Mikroben die Kohlenhydrate zunächst in eine humin- artige Gallerte verwandelten, auf welcher die Mikroben wucherten und dass diese Gallerte durch den Druck der überlagernden Torf- massen nach Zerstörung der Zellwände zwischen die noch unzerstörten Pflanzenreste ausgepresst und so der Torf zu einer kompakten Torf- masse verkittet wurde (134, 4»). a Was für Vorgänge die Synaeresis auslösen, ist unbekannt. Vielleicht kommen hier Oxydasen in Betracht oder die Wirkungen von Ammoniak. 286 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 4. Oxydasenwirkung: Bei seinen Versuchen, die Oxydasen für sich aus dem Pflanzen- saft zu gewinnen, ist LAUPPER auf eine Beobachtung gestossen, die durch ein einfaches Experiment jedermann veranschaulicht werden kann. Wird nämlich wässeriger Heufladenextrakt kalt filtriert, so sieht das Papierfilter nach dem Trocknen an den Faltstellen, an den Filter- und Flüssigkeitsrändern aus, wie wenn dort eine Verkohlung stattgefunden hätte. Benetzt man Gras, das zuvor gequetscht worden ist, mit etwas Wasser und wickelt das Ganze gut in Filterpapier ein, so ist schon nach zwei Stunden eine beträchtliche Bräunung des Filters zu konstatieren. LAUPPER führt diese Erscheinung auf die Oxydasen zurück und es scheint, dass diese durch Zufuhr von Feuchtigkeit, gleich welcher Art, zu thermischen Leistungen angeregt zu werden vermögen (74, ır). 5. Wirkung des Ammoniaks: Schon lange ist bekannt, dass frisch gemähtes Gras, fest zu- sammengedrückt, warm wird und NH, abgibt (74, 4). Zerquetscht man Gras und erhitzt es auf 40—50°, so tritt bald: Ammoniak auf. Das gleiche Resultat gibt Heu, das mit etwas Wasser verrührt und verrieben auf 50° erwärmt wird. Die Ammoniakentwicklung ist hier ein chemischer Prozess und auf Wärmewirkung zurückzuführen, weil eine Vermehrung von Mikroorganismen während der kurzen Dauer des Versuchs fast ausgeschlossen ist. Dieses NH, übt nun seiner- seits wieder auf die im Heu vorhandenen Kohlenhydrate (speziell die zuckerartigen) eine rasch verkohlende Wirkung aus. LAUPPER hat beobachtet, dass Ammoniumnitrat und Ammoniak den Verkolhlungs- punkt.der zuckerartigen Substanzen beträchtlich heruntersetzen. „Wäh- rend z. B. Traubenzucker allein bei 85—95° zu einer farblosen, sirup- artigen Flüssigkeit zusammenschmilzt, geschieht das bei dem im gleichen Trockenschrank hängenden Zucker, der mit einer Spur von Ammoniumnitrat versetzt wurde, schon bei 70° unter Braunfärbung (Karamelbildung). Das gleiche tun auch Pflanzensäuren“ (74, ı7). Nachträglich fanden wir in der französischen Literatur Arbeiten, die sich eingehendst mit dem Chemismus dieser Reaktion beschäftigen und in denen auch die Bedeutung für die Theorie der Kohlenbildung nicht übersehen wurde. L.’C; Mamıarn in Paris hat 1918: der Bin wirkung der Aminosäuren auf Zucker eine Studie von über 400 Seiten gewidmet (81). Schon THENARD (138) hatte 1861 entdeckt, dass Ammoniak mit Leichtigkeit auf Zucker einwirkt und zwar unter nn Haupt dung von N-haltigen schwarzen Substanzen, welche mit den Jahrg. 67. H. Scuwarz u. G. LAuPpER. Von der Heukohle zur Naturkohle. 287 bestandteilen des Humus eine auffallende Verwandtschaft zeigten. MAILLARD selbst abstrahierte von einer Untersuchung über die er- wähnte Wirkung des Ammoniaks auf Zucker, da er entdeckt hatte, dass die Aminosäuren (als Vertreter der Eiweisstoffe im pflanzlichen Organismus) mit der gleichen Leichtigkeit auf die Zucker einwirken, Sein Studiengebiet beschränkte er auf die Aminosäuren. « Lorsqu’on a comme moi vu les sucres dans les conditions oü & l’etat pur ils re- stent indöfiniment inalteres, fournir en quelques instants lorsqu’on y ajoute un peu d’un aminoacide, des matieres brunes du groupe‘ humique, il n’est plus possible d’admettre que le röle des corps azotes soit aussi insignifiant et aussi „mald6fine*.qu’on l’&erit encore & l’heure actuelle.» Die Aminosäuren wirken so leicht auf Zucker ein, dass weder hohe Temperatur noch Sauerstoff nötig ist. Die Reaktion voll- zieht sich ebenso normal in einer Atmosphäre von reinem Stickstoff, wie von reinem Wasserstoff oder bei Abwesenheit von jeder Atmo- sphäre. Anderseits werden selbst bei Gegenwart von reinem Sauer- stoff nur ganz kleine Mengen dieses Gases absorbiert und trotzdem reichlich Kohlensäure produziert. Die Oxydation interveniert in keiner Weise in der Produktion von CO, und von Huminstoffen. Anderseits spielt sich die Reaktion ab bei Temperaturen von weit unter 100 ; Sonnenwärme genügt schon, um sie auszulösen. Sie geht sogar bei 0° noch weiter, besonders wenn man für etwas Wasser sorgt, obwohl die Dehydratation bei diesem Prozess eine Rolle spielt (80, 1555). AILLARD genügt diese Reaktion an sich schon, um die Bildung von Naturkohle aus natürlichem Humus zu erklären, und da er diesen Vorgängen eine mehr als nur einleitende Bedeutung beimisst, so werden wir ihnen an anderer Stelle wieder begegnen (Seite 292-295). B. Die eigentliche Huminifikation. Seit Bekanntwerden der neuesten Ergebnisse des 1914 in Mül- heim/Ruhr eröffneten „Kaiser Wilhelm-Institut für Kohlenforschung* sind wir imstande, uns über diesen ersten Teil des Verkohlungs-- Prozesses klarere Vorstellungen zu machen, als bisher. Wir beziehen uns auf eine kleine Schrift „Entstehung und chemische Struktur der Kohle“ (1921) von Franz Fischer und Hans SCHRADER (46), aus er wir raumeshalber nur die fertigen Resultate ohne die ‚dort Angedeuteten Beweisgründe herbeiziehen können. Da wir aus diesen Untersuchungen auch für das Problem der Kohlenbildung in Heu- und Emdstöcken uns einen Nutzen versprechen, so mag hier einmal der Versuch gemacht werden, den Stoff so zu ordnen, dass die Bedeutung 283 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 der einzelnen Pflanzenbestandteile für den Inkohlungsprozess daraus möglichst klar ersichtlich wird. Das Wesentlichste der Untersuchungen FRANZ FISCHERS ist es, dass er in hohem Grade wahrscheinlich gemacht hat, dass nicht, wie man bisher dachte, die Zellulose, sondern das Lignin in der Hauptsache die Muttersubstanz der Kohle ist. Dass das Lignin in seiner Bedeutung für den Kohlungsprozess übersehen werden konnte, rührt nach FISCHER daher, dass die Zellulose den weitaus über- »wiegenden Bestandteil der Pflanzen ausmacht und die Annahme, dass Kohle „veränderte Zellulose“ sei, für den Chemiker etwas so nahe- liegendes war, dass von keiner Seite ein Widerspruch dagegen eı- folgte. Interessant ist es, dass 1879 schon der französiche Forscher Fremy (48) der Lösung nahe war. „Wenn seine Anschauungen‘, bemerkt FISCHER, „im Laufe der Zeit trotz ihrer Wichtigkeit wieder in Vergessenheit geraten sind, oder da, wo sie erwähnt sind, ihre verdiente Würdigung nicht gefunden haben, so liegt das vielleicht zum Teil an der Ungeklärtheit des ganzen Gebietes der Zellulose und des Lignins; zum Teil hat vielleicht auch diejenigen, welche sich für die Eigenschaften des Lignins interessierten, der Name Vasculose ab- gehalten, in den Främvschen Arbeiten nach dem Verhalten des Lig- nins zu suchen.“ Von seinem deutschen Nachfolger HopPE-SEYLER sagen FISCHER-SCHRADER: „Hätte er die Arbeiten von Fr&my über die Vasculose (49) gekannt, die wir allerdings auch erst nach- träglich aufgefunden haben, dann hätte er schon vor 30 Jahren einen Teil von dem erklären können, um dessen Klarstellung wir uns, in der vorliegenden Schrift bemühen.“ 1. Die zelluloseartigen Kohlenhydrate. Von allen Pflanzenbestandteilen ist es die Zellulose (C,H,005) welche dem Ansturm der auf sie einwirkenden Agenzien zuerst zum Opfer fällt. Von grosser Festigkeit in der Luft wird sie im feuchten Boden und im Wasser verhältnismässig schnell von Bakterien ans“ griffen und verbraucht, d. h. sie verschwindet und geht, wie wir e@ bereits gesehen haben, weitgehend in gasförmige Produkte über: 00,, CH, und H,O. Die organischen Säuren werden vom Grund- wasser fortgeführt, wirken auf das unter dem Torf oder der Kohle befindliche Gestein zersetzend ein und lösen aus ihm z.B. die rol- färbenden Eisenoxyde weg (Kaolinbildung, Bleichen des Rotliegenden): Die Zellulose, die in den Pfanzen der überwiegende Teil war, maf nun mit steigender Vertorfung immer mehr dem Lignin Platz. Jahrg. 67. H. Scnwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 289 2. Das Lignin. Seine Konstitution ist noch ganz unbekannt. Auch eine bestimmte einheitliche Elementarzusammensetzung lässt sich nicht angeben, ob- schon das bis in die allerneueste Zeit hinein immer wieder versucht worden ist. So ist Lignin nach BAYER C,,,; H,, O,, und nach SCHUPPE C,,H,,0,, nach ERDMANN C,;H,,0,,, nach ScHULTzE C,,H,,0,,, nach Krason C,, H,, O,,. Es darf H. Wisuicznius (1920) als Verdienst angerechnet werden, wenn er als Kolloidchemiker das Problem von einer andern Seite aus anzufassen versucht (147). Als einziges, einiger- massen sicheres Charakteristikum für das Lignin gilt zur Zeit die Methoxylgruppe CH,—O (47), welche quantitativ bestimmt werden kann, vermittelst der Reaktion von ZEISEL, die in der Einwirkung von HJ vom spez. Gew. 1,7 besteht. MEYER beschreibt die quantitative Bestimmungsmethode in seinen „Konstitutionsvermittlungen‘ (88). DonatH und Dirz (20) haben 1902 diese Reaktion vereinfacht, indem sie entdeckten, dass verd. HNO, (1:9) als Ersatzreagens für HJ gelten kann, mit welchem die zu untersuchenden Kohlen einfach er- hitzt werden. Dabei ergab sich, dass bei Braunkohlen die Säure sich stark rotbraun färbt, was auf Abfallprodukte des Lignins zurückzu- führen sei, während bei Steinkohlen die Flüssigkeit farblos bleibt. DonatH und BRÄUNLICH (1904) kamen zum Schluss, dass allem An- schein nach Steinkohlen im Gegensatz zu den Braunkohlen aus lignin- freiem Material entstanden sein müssen (21) und dass daher Braun- und Steinkohle chemisch als ganz verschiedene Körper zu betrachten seien, die keiner Umwandlung ineinander fähig sein können. Schon R£naurt war zu ähnlichen Schlüssen gekommen, aber aus anderen Voraussetzungen heraus. Da er nämlich die Braunkohlen- bakterien als spezifisch verschieden von denen der Steinkohle betrach- tete, so schrieb er beiden Kohlenarten voneinander unabhängige Bil- dungsweise zu. Noch weiter ging Lemiire (1900), der nicht nur den beiden genannten Brennstoffen, sondern auch dem Torf und dem An- Ihrazit eine selbständige, von den andern unabhängige Entstehung zuschrieb. Nach ihm „bleibt Torf ewig und immer Torf, Braunkohle wird nie den Zustand der Steinkohle erlangen, die letztere nie den des Anthrazits“ (13,15). Donatu schien mit seinen Ligninreaktionen neue Stützen für diese Anschauungen geschaffen zu haben (vgl. auch 19) und es gelang ihm, seine Ansichten auch mit Beobachtungen aus der Geologie zu belegen. So wies er z.B. auf die Kohlen der Brucher- werke in Böhmen hin, die von geologischer Seite als besonders be- zeichnender Fall für die Umwandelbarkeit von Braunkohle in Steinkohle angeführt zu werden pflegen, während diese Kohle positive Lignin- Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 67. 1922 m 290 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 reaktion gebe und daher als Braunkohle anzusprechen sei, obwohl sie der Kontaktmetamorphose unterlegen sei. Ganz gleich verhalte sich auch der bekannte Steinkohlenanthrazit auf dem Meissner usw. (20). Aus dem Versagen der Ligninreaktion bei den Steinkohlen ist man zur Vermutung geführt worden, dass die Vegetation des Karbons mit ihren baumförmigen Kryptogamengewächsen noch nicht imstande ge- wesen sei, Holz zu produzieren und dass dieses also möglicherweise als eine spätere Entwicklungsstufe des ursprünglichen Pflanzenbau- materiales zu betrachten sei. Heute aber wissen wir, dass fossile Holzkohlen in vielen Kohlenflözen langanhaltende Lagen bilden. „In grosser Menge enthält sie zum Beispiel das Russkohlenflöz des Zwick- auerreviers.“ Wenngleich nun über die näheren Umstände, die zur Entstehung fossiler Holzkohle geführt haben, noch immer ein ziem- liches Dunkel herrscht, so ist doch, um mit Poronı& zu sprechen, „nach Analogie das wahrscheinlichste, dass dieses Holz auch Lignin enthalten hat“, und dass dieses Lignin mit zunehmendem Alter der Kohle eben eine wesentliche Umänderung erleidet und scheinbar aus der Kohle verschwindet (108,0). Es sprechen noch andere Gründe dagegen. Wer sich über den Stand dieses Problems entscheidend . orientieren will, findet erschöpfende Auskunft bei K. A. WEITHOFER (142). Er hat die Bedeutung von Reaktionen, wie sie DoNnATH an- gegeben, ins richtige Licht gesetzt und mit seiner Arbeit (1914), die noch wenig bekannt ist, uns der Pflicht enthoben, hier uns näher mit seinen Anschauungen abgeben zu müssen. Verfolgen wir das Schicksal des Lignins in unseren rezenten Kohlen, so sehen wir, dass im Gegensatz zu Zellulose das Lignin durch Bakterien nicht zerstört wird. Es muss daher in der vertorfen- den Masse das Lignin auf Kosten der verschwindenden Zellulose mit wachsendem Alter des Torfes entsprechend zunehmen. Das hat aber eine Grenze, weil auch das Lignin nicht unvergänglich ist. Es ist sogar in mancher Beziehung empfindlicher als Zellulose, wie aus der Tatsache hervorgeht, dass Zellulose (z.B. in Filtrierpapier) auch auf die Dauer weiss bleibt, während das Lignin (in Holzschliffpapier) vergilbt, möglicherweise infolge der Bildung von Huminsäure (soweit dieses Vergilben nicht durch Papierleim u. dgl. hervorgerufen ist). Kommen Bakterien beim Holzzerfall nicht in Frage, so scheint sich die Veränderung beim Lignin früher bemerkbar zu machen, als bei der Zellulose. s Aus dem Lignin bilden sich aber beim partiellen oder allgemeinen Tod der Pflanze Huminsäuren und Huminstoffe, eine Reihe von Stoffen, die, wenn auch nach der einen oder andern Richtung leicht Verbin- Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. LAuUPPpErR. Von der Heukohle zur Naturkohle. 291 dungen und Veränderungen eingehend, doch dabei eine so ausserordent- _ liche Beständigkeit zeigen, dass man nach Hopp£-S£yLer (66,117) „ein Recht hat, sie unter den an der Erdoberfläche und im Boden und Schlamm obwaltenden Verhältnissen als unzerstörbar anzusehen. Sie sind den beständigsten Mineralien an die Seite zu stellen. Durch ihre Fähigkeit, in ihren Poren und in lockerer Verbindung eine recht bedeutende Menge Wasser aufzunehmen und nur langsam wieder ab- zugeben, mit Ammoniak und Alkalimetallen in Salzverbindungen ein- zutreten, die schon durch schwache Säuren, aber nicht durch Kohlen- säure gelöst werden können, bieten sie in ihrer Substanz den Wurzeln der Pflanzen Magazine für ihre Nahrung und in ihrer weichen ela- stischen Krume Wege und Haftpunkte für ihr Wachstum und ihren Halt. Sie gewähren einer grossen Zahl der verschiedensten Tiere (auch vielfach Spaltpilzen, andern Pilzen, Algen) Wohnung und Sub- strat. Aber keine Pflanze und kein Tier ist imstande, sie zu ver- dauen und als Nahrung zu verwenden und kein Spaltpilz ruft in ihnen eine Zersetzung hervor. Fallen sie nicht schliesslich einem Brande oder einer von aussenher durch andere Stoffe veranlassten Oxydation anheim, so scheinen sie ewigim wesentlichen ungeändert zu bleiben.“ Diesen Übergang in huminartige Stoffe haben wir uns nach FISCHER und SCHRADER etwa folgendermassen vorzustellen: Lignin!) »> alkalilösl. »> alkali-unlösliche Verseifung (?) — Huminsäuren ?) Kondensation (?) vielleicht durch Wasseraustritt oder T durch Oxydation RER, Braun-u. ng, Humusstoffe Steinkohlen usw. So sehen wir denn die Huminstoffe in Torf und in den Braun- kohlen Jahrtausende überdauern, ohne dass sie auf die anliegenden Gesteinsschichten die geringste Einwirkung ausüben. „Sie sind imstande, besonders in Verbindungen (Dopplerit) mit Ca, mit Fe und mit Ms, nicht allein in ihre Ablagerung hineingeratene Stücke von Holz und andere an sich weniger haltbare Stoffe, sondern auch die zartesten Zellmembrane vor der Zersetzung viele Jahrhunderte und Jahrtau- sende zu bewahren, indem sie, in ihren Poren und Fugen imprägniert, der Tätigkeit der Spaltpilze die Wege verlegen. Hierdurch wird es erklärlich, dass in den Resten der Pfahlbauten die Bestandteile des 1 . „) Identisch mit Fremys Vaskulose. ) ” . Ulminsäure. 292 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Holzes und selbst in der Braunkohle noch Zellulose in Holzstücken zu finden ist“ (66). Dass aber Huminstoffe, welcher Zusammensetzung sie auch sein mögen, noch keine Steinkohlen sind, ist ohne weiteres klar. Um nur eines zu nennen: es fehlt ihnen ein wichtiges Element, der Stickstoff. BERTELSMANN, der dem Stickstoff der Steinkohle eine eigene Studie gewidmet (5), ist der Ansicht, dass man den Stickstoff, obschon die Steinkohle nur geringe Mengen davon enthält, doch nicht als einen zufälligen Bestandteil auffassen könne. Man müsse ihn im Gegenteil als zum Wesen der Kohle gehörig ansehen, da bis heute noch keine völlig N-freie Kohle bekannt sei. Der N-Gehalt steigt im allgemeinen mit dem Alter der Kohle und erreicht in den Backkohlen des Ruhr- gebietes, Oberschlesiens und Englands das Maximum von 1,75— 2°), selten darüber, um in den ältesten Kohlen, den Anthraziten, häufig bis auf wenige Zehntelprozente zurückzugehen. Wir haben gesehen, dass in den chemischen Vorgängen der Vertorfung der Stickstoff in den vom Lignin abgeleiteten Huminstoffen nicht zu seinem Recht gelangt. Um so bedeutungsvoller erscheinen uns die Studien, die uns der Franzose MAILLARD über die Huminsubstanzen geschenkt hat (80, 82, 83). Er hat sich die Aufgabe gestellt, der Bedeutung der so verkannten N- haltigen Körper gebührenden Nachdruck zu verschaffen. Charakte- ristisch für die Anschauung MAILLARDSs ist, dass 3. Die zuckerartigen Kohlenhydrate hier eine Hauptrolle spielen. MaıLLarps Auffassung hat den Vorzug, die natürlichen Humusstoffe des Acker- und Torfbodens in Beziehung bringen zu können zu den künstlichen, auch als Humusstoffe bezeich- neten Gebilden, die beim Erhitzen von Zuckerarten in stark ange- säuerter Lösung erhalten werden (83). Maınarn (1916) hat der Syn- these humusartiger Stoffe durch Einwirkung von Aminosäuren au Zucker eine sehr gründliche Untersuchung gewidmet und dabeı ge- funden (82), dass zwei Möglichkeiten der Humus-, resp. Karamel- bildung vorhanden sind, | entweder: mit Austritt von Wasser CH,0OH CH,0H (CHOH), CH.OH Huminskelett CH.OH | ee CH(O+H,)N.CH,.(C0O0)H = CH.OH CH.OH +B,0+0% Glukose Glykokole | = N . H, unlöslich, selbst in heissem Wasser Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. LauppEr. Von der Heukohle zur Naturkohle. 293 oder: ohne Austrittvon Wasser: CH,0OH CH, OH 4 | (CHOH), CH.OH 2 CH.OH Huminskelett CHO+H,N.CH,.(COO)H = CH.OH CH.OH +00, Glukose Glykokole | CHOH -- NH.CH, unlöslich, auch in heissem Wasser Diese Gleichungen veranschaulichen nur den Grundmechanismus der Reaktion, also nur die Art und Weise, wie die Verkettung der beiden Substanzen vor sich geht. Nicht aber soll damit gesagt sein, dass die Endprodukte nun fest charakterisierte Verbindungen von obiger, überhaupt von bestimmter Zusammensetzung seien, im Gegen- teil. Die von MAıLLarD festgestellte Beobachtung, dass auf ein Mol. CO, (aus dem Karboxyl der Aminosäuren) nicht weniger als 12 Mol. Wasser (aus dem Glykosemolekül) heraustreten, kommt in den Glei- chungen gar nicht zum Ausdruck, ebensowenig die Tatsache, dass auf 1 Atom Stickstoff 3 Mol. Hexosen kommen, die durch Dehydratation wahrscheinlich die Fähigkeit erlangen, sich aneinander zu ketten und sich mit den Trümmern des Aminorestes zu einem grossen Komplex zu vereinigen. Das Endprodukt stellt eine braune, amorphe, in Wasser und neutralen Lösungsmitteln unlösliche Masse dar, die nur in Al- kalien teilweise löslich und daraus durch Säuren wieder fällbar ist, sehr leicht beim Erwärmen unter Entwicklung von reichlichen Py- ridindämpfen zersetzt wird und ungefähr der folgenden Zusammen- setzung entspricht: C = 58,85 % HB=-4%, N 455-, 0 —BL88, In einer weiteren, sehr bemerkenswerten Studie beschäftigt sich MAILLARD damit, „die Identität der synthetischen Huminstoffe mit den natürlichen Humusstoffen auseinander zu setzen (83). Es folgen Be- trachtungen „über die Beziehung der synthetischen Humusstoffe zu den karamelartigen braunen Stoffen der Nahrungsmittelindustrie.“ Wir wollen hier nur bemerken, dass LAuPpPER bei seinen Destillationen von Heu mit Wasserdampf diesen braunen Lösungen mit Karamel- geruch kontinuierlich begegnet ist und es fragt sich daher, ob nicht vielleicht auch die karamelartigen Produkte, die Franz FISCHER aus der 294 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 2 Kohle erhalten hat, geeignet sind, einen gewissen Parallelismus bei Heukohle und Naturkohle in Erscheinung treten zu lassen. Von diesen karamelartigen Stoffen sagt FiscHER folgendes (38, s-»): „Durch Ver- wendung von Ozon ist es mir gelungen, die Kohle so zu verändern, dass sie Sich praktisch quantitativ im Wasser auflöst. Schlemmt man nämlich Kohle in Feinverteilung mit Wasser auf, und leitet Ozon ein, dann geht die Kohle mit tiefbrauner Farbe in Lösung. Die Lösung lässt sich dann von den Rückständen filtrieren und eindampfen und man gewinnt dann bis zu 92°/o der ursprünglichen Kohle in Form eines tiefbraunen, in Wasser und Alkohol leicht löslichen Gemenges von Verbindungen mit saurem Charakter und intensivem Geruch mit Karamel. Näheres über die Natur der Substanz weiss ich infolge der Beschäftigung mit augenblicklich nötigeren Dingen noch nicht. Es ist aber immerhin interessant, dass festgestellt ist, dass die Haupt- masse der Kohle, die ursprünglich vermutlich Zellulose und Lignin- substanz des Pflanzenreichs war, damit in Körper übergeführt ist die den typischen Geruch nach Karamel aufweisen. Dass man aus Zellu- lose Zucker machen kann, ist bekannt, und dass ebenso Zucker leicht in Karamel übergeführt werden kann. Deshalb mutet das Auftreten des Karamelgeruchs bei Produkten der Kohle wie eine Erinnerung an ihre ehemalige Zellulosenatur an.“ Die von MaıLarn entdeckten „Beziehungen zwischen synthe- tischen Humusstoffen und natürlichen Brennstoffen“ führten ihn lo- gischerweise auf Betrachtungen „über die Entstehung von Humus und fossilen Brennstoffen ohne Mitwirkung von Luftsauerstoff, ohne Mikro- organismen und ohne hohe Temperaturen und starken Druck“ (83,150). Nach ihm ist die Kohlenbildung ein Prozess, der in der Hauptsache auf dem Automatismus chemischer Aktionen beruht. Von der Leich- tigkeit, mit welcher diese Reaktion eintritt, haben wir an früherer Stelle schon gesprochen. Durch weitere, ebenfalls chemische Prozesse entstehen dann Kohlen von bis zu 60% € (Braunkohlentypus). Zur Erklärung der Genesis von Kohlen mit höherem C-Gehalt (Steinkohle z. B.) muss auch er Druck und Wärmewirkung zu Hilfe nehmen. MAILLARD hebt ausdrücklich hervor, dass auf das biologische Stadium der Kohlenbildung, das den eben besprochenen Prozess einleitete, die wichtigsten Vorgänge des chemischen Stadiums folgten, während das letzte, metamorphische Stadium unter Einwirkung von Druck und Hitze zu einem Destillationsprozess führte, der mit seinen verschie- denen Modifikationen die Bildung der verschiedenen Kohlenarten klärt. Nach MAILLARD sind die Kohlenhydrate der Pflanzen als die Mutter- Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 295 stoffe der Huminsubstanzen zu betrachten. Wenn diese uns bisher unbekannt geblieben, so kann das bei der Lückenhaftigkeit unserer Kenntnisse nicht verwundern. Ist es doch bisher nie gelungen, auch nur die prozentuale Zusammensetzung dieser Stoffe zu ermitteln, weder des Lignins noch der Huminsäure. Soviel Analysen, soviel verschie- dene Werte! Die Differenzen so gross, dass jede Bruttoformel illu- sorisch wird! Wir verstehen es jetzt: Bei den Bedingungen, bei denen die Humussubstanzen in der Natur entstehen, zieht die Zer- setzung von Polysachariden und Proteinen die Entstehung einer ganzen Reihe von Einzelmitgliedern der gleichen Familie von Humussubstanzen nach sich, von denen jedes seinen Kohlenstoff aus Glukosen, Galak- tosen, Xylosen usw. bezieht, während der Stickstoff ihnen aus den verschiedensten Aminosäuren geliefert wird, aus Polypeptiden, sogar aus Aminen, aus Ammoniak, aus Harnstoff usw. So entsteht ein Ge- menge zahlreicher, im Grunde verwandter Substanzen, die nicht von einander zu trennen sind. Erklärt wäre damit auch der Ursprung des Stickstoffs in der Kohle. MaıtLarn erscheint der Stickstoff als Erhalter und Beschützer der inkohlten Substanz. Durch den Stickstoff wird diese in eine stabilere, kondensierte Form übergeführt, welche der Oxydation oder anderen Prozessen Widerstand zu leisten vermag, während sie ohne diese Verkettung mit Stickstoff der Zerstörung anheimgefallen wäre. Der Stickstoff ist so das fossilierende Agens, das erhaltende Prinzip, dem die mineralischen Brennstoffe ihre Exi- stenz verdanken und man sieht ihn sich mehren, selbst wenn der verkohlende Teil eine langsame Zerstörung erfährt. Nach einer Arbeit von DETMER!) nimmt der N-Gehalt eines Torfs, der an der Oberfläche 0,80% N betrug, mit zunehmender Tiefe zu und zwar derart, dass in einer Tiefe von 4,6 m schwarzer Torf liegt mit 4,05%j0 N. Dies illustriert die Hartnäckigkeit, mit welcher der N in der organischen Substanz sich forterhält, indem der Gehalt an N in dem Masse zu- nimmt, als O und H verschwinden, und es wäre nach MAILLARD von Nutzen, vor allem in geologischen Lehrbüchern darauf aufmerksam zu machen, dass die entstandenen Humusstoffe nicht den Teil der organischen Substanz umfassen, welcher die Oxydation erlitten hat, sondern im Gegenteil denjenigen, welcher der Oxydation widerstanden hat, während der Rest verschwunden ist. Es scheint nun, dass auch Zellulose durch Einwirkung- von Am- moniak in seiner Verkohlung befördert wird. Einem Kollegen ver- danken wir eine diesbezügliche Mitteilung. Vor kurzem hatte ein ARE ‘) Jahresber. über Chemie. S. 845 (1873). 296 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1923 kleines Kind im Bett eine Unterlage aus Baumwolle nass gemacht. Da das Tuch am Tage vorher gewechselt worden war, meinte das Mädchen, es sei nicht nötig es zu waschen, nicht einmal es zu spülen, und stellte es einfach vor den Ofen, um es zu trocknen. Sie vergass aber das „Leintuch“* vor dem Feuer und ging für eine Kommission aus. Als sie zurückkam, war das Tuch von dem heftigen Feuer nicht nur trocken, sondern auch braun geworden und zwar nur dort, wo es vorher nass gewesen war. Diese Beobachtung scheint die Mei- nung zu bestätigen, nach welcher die Verkohlung der Zellulose durch das Ammoniak beschleunigt wird. Da die Baumwolle des Tuches nur an der Stelle, wo es früher nass war, braun wurde, kann man annehmen, dass das Braunwerden auf die Wirkung der Zersetzungs- produkte des Harnstoffs zurückzuführen ist. Unter diesen ist das Ammoniak das wichtigste (welches durch Gärung entsteht). Die Be- schleunigung des Braunwerdens scheint also von der Gegenwart dieses Körpers abhängig zu sein. Fraglich bleibt nur, nachdem LAUPPER beobachtet hat, dass selbst die reinsten Filtrierpapiere (qualitative und quantitative) von Schleicher u. Schüll auf ihrer Oberfläche Feh- lingsche Lösung reduzieren, ob Zellulose wirklich direkt von Am- moniak angegriffen zu werden vermag oder ob nicht vorher eine leichte Verzuckerung der Zellulose stattgefunden hat, welche die Empfindlichkeit dieser Ammoniakreaktion erklären könnte? 4. Fett und Eiweiss. Stark fett- oder eiweisshaltige Substrate, wie sie in der Natur etwa in der sog. Algenwasserblüte in grösster Ausdehnung vorkom- men, bilden nach Poronıt die Grundsubstanz der Sapropele oder Faulschlammkohlen. Der Faulschlamm ist ein organischer Schlamm, der sich besonders auf dem Grunde ruhiger Gewässer absetzt und aus den Leichen mikroskopisch kleiner Lebewesen (meist Algen) besteht, die beständig auf den Boden herabsinken und einen See schliesslich ganz zu füllen vermögen. Die chemische Zusammensetzung dieser Kleinorganismen ähnelt mehr derjenigen der Tiere, als der der Pflanzen. Er enthält unter anderem Chitin und mehr Eiweiss und mehr Fette und Oele, als die Pflanzen gewöhnlich besitzen. 80 kommt es, dass das Produkt der Selbstzersetzung ein anderes wird, als beım Torf, und man spricht deshalb an Stelle von Huminifikation von Bı- tuminierung. Es entstehen Kohlen, die wesentlich mehr H enthalten, als die aus höheren Landpflanzen entstandenen (s. Tabelle). Oder aber es entstehen Gesteine, die man wegen ihres Gehaltes an organischen, zu wasserstoffreichen Verbindungen neigenden Stoffen, den Bitumina, Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. LAuppEr. Von der Heukohle zur Naturkohle. 297 als bituminöse Gesteine (Sapropelite) zu bezeichnen pflegt. Wenn als „Wassertrübe“ Kalk oder Ton herbeigeführt wird und gleichzeitig mit den Resten der Lebewesen zum Absatz gelangt, entsteht der bituminöse Kalk und der bituminöse Ton (auch Stinkstein genannt, weil er beim Anschlagen unangenehm riecht) oder Ölschiefer, weil man aus ihnen auch heute noch in Deutschland, England, Frankreich sehr reichlich Mineralöle herausdestilliert. Wir können sie deshalb als die eigentlichen Fett- und Eiweisskohlen bezeichnen, von denen wir in der Tabelle eine Übersicht geben. 5. Harze und Wachse. Harz- und wachsartige Substanzen scheinen beim Kohlenbildungs- prozess intakt zu bleiben (s. Tab.). Im Torf kommen solche Stoffe über- all vor, ebenso in den Braunkohlen, dagegen fehlen sie in den Kohlen des Karbons, weil nach Poronı& die harzhaltigen Pflanzen in einer späteren Entwicklungsperiode entstanden sind. Die Ausscheidung von Harz geschieht vermittelst besonderer harzausscheidender Organe und erfolgt zum Verschliessen von Wunden. Jede Wunde, sei sie durch Windbruch oder durch Tierfrass entstanden, wird luftdicht abgeschlossen und so vor Nässe und anderen schädlichen Einflüssen bewahrt. Das Harz entwickelt sich in besonderen Räumen des Pflanzenkörpers, die sich stets da befinden, wo leicht Beschädigungen eintreten können, also zum Beispiel in der Rinde der Stämme und Zweige. Diese Or- gane stellen das Produkt einer höheren Entwicklung der Pflanzen- welt dar und so kann es nicht verwundern, wenn die viel einfachere Vegetation des Karbons Pflanzen mit harzausscheidenden Organen noch nicht aufwies. Es ist daher anzunehmen (108, 100), dass bei dieser, zum Teil chemischen Verschiedenheit der Urmaterialien auch die chemische Beschaffenheit der Kohlen dauernd etwas verschieden bleibt und dass aus diesem Grunde aus Braunkohle des Tertiärs im Verlaufe der Zeiten nicht eine Kohle wird entstehen können, die ganz und gar derjenigen des Karbons gleichen würde. So fehlt den Humussubstanzen aus den harzhaltigen neueren Vorkommen der hohe Glanz der paläozoischen Humuskohle, wohl vielleicht deshalb, weil Harz an sich nur matten Glanz aufweist und in feiner Verteilung noch matter wirkt (108, 5+). Man hat in Torf bis zu 12°/ Wachs, bezw. Harz gefunden (46, 22), obwohl es keine Pflanzen gibt, die soviel von diesen Stoffen enthalten. Es kann daher die Anreicherung von Wachs nur dadurch stattgefunden haben, dass die übrigen Teile der Pflanzen während des Vermoderungs- vorganges sich in hohem Grade vermindert haben und man kann da- her den Wachsgehalt des Torfes ebenfalls als Kriterium für das Alter Zellulose- u. Ligninkohlen. (Humuskohlen) Fett- Tv Eiweiss-Kohlen. Wachs- u. Harz-Kohlen. Sapr ropelkohlen') (Liptobiolithe) en Torf, a = Braun- Hauptvertreter: Faulkohlen. Hauptvertreter : Schwelkohle (Pyropissit) Steinkohlen (Flamm-, Gas-, Fett-, ; ie mögen so 2 jung nn - sog.„weiss ae a Re nase z wollen, sie sind stets matt, ausserordentlic fast . e. lie /o Teer, sc m Koks open), Anthrasit, sn fest. Als Hauptvertreter wer a. r, ist glatt sohmeldher, euihil 60-700), sind im prung genannt: Kannel- und . kohlen, was Mo Rede abe, Zum wendbar, Ar fraglich ee ist.) schmilzt und läuft re die Ro Ho ‘ c H [6] N : cC H (6) N . C H (6) N Varietät | Alter 0), | 0, 9, 0% Varietät 07, v, YA 9%, Varietät 0, 7A 0), 9, Holz rezont | 50 6 | 43 1 apropel?) | (Faulschlamm) | _—l 5-7 30-35 | 5-6 Rezente Torf eb [59-581 6-5 30-28] 2 Saprocoll °) fossil | (Lebertorf) | - ——— 80 0 |8s-2| — | ; Braunkohle | Tertiär 5675| 6-3 26-19 0,8 BupeoaH 55-65 | (Dysodil) | | 10-8 4 1-3 Fossile | | "& nthrakon Steinkohle | Carb. |74-93|5—-0,5 120-3 | 08 Has 1.) 65-80 | F i | | | | Anthrazit 91—98 | 3— asian Spuren | | | Huminifikation Bituminierung. Liptofizierung. Es findet also ee u statt auf Es findet hier ae ir fe von C und H Die Wachskohlen erleiden hrend Kosten von O,N u statt auf Kosten von O u ihrer Umwa also wä ndlung ne: merkliche Veränderung in ihrer Zusammensetzung. "yLINZ UT IFeyOSI[OSOH ‘Jungen dop Ypaypssıyelfo]Lorä Geh Abarten obgenannter Kohlengruppen oder andere Namen. Humuskohlen. Holzkohle‘‘, a Holzkohle): Bast-, Nadel-, St latt-, Laubkohle, Braun-, Seh 5 0 - (Anthrazit), er-, Schiefer-, Knister-, Moor-, Russkohle („schwarzer — vial-, Tertiär-, arbon-, Molasse —_ anzkohle (nach erkennt- am zelboden, der noch vorhanden, im Gegensatz zur ohl us Faulschlamm kohlen zkohle (nach v. Gümbel) us den estholzigen Pflanzenteilen, „Matt- kohle“ aus Blätter d zarteren Gebilden. — anz e) © = © 5 un gewandelt in Spiegelkohle oder Pechkohle, ei 1. _ pele: Matt-, Pech-, schlamm-, Bi tu um-, Povagch Blätter-, en a; i Sc [= © ws norpe Breite, "Plitiek, Splint-, Aallherkohe, blättriges Erdpech. 2. Sapropelite sind Kalk- und Tongesteine, die obige Kohlen Zechsteinformation, Bonebed, Gagat (Jet), thrakonit. u... ergtalk (Wackenroder 1848) — Pyropissit enngot werd E= vbH. Holerde. (Voigt hi: ER — graue age (reosteben 1827) — weisse Kohlen (von D m) — stark bit, Da —_ ini coal — Brown coal — White Ds ent 1876) — Schwelkohle. Rezent: Fichtelit, Fimmenit, Mastix, Kopal Fossil: Resinit, Bernstein, Kopalin, E et, Anthracoxen, Pyroretin, edanit, Krantzit, u Reussinit, Dehnhardtit ). erkungen : ‘) Charakteristisch für die Sapropelkohlen ist der hohe An ®) Nach amerikan. Forschungen gehören sie zu den N- = alt (S meist als Schwefelkies gebunden), ferner das gleich- A er Pr Text), Nach Analysen von Späte (125) sind sie ihres nie- bleibende Verhältnis von C 100 : 12). il im Gegensatz zu den Humus- drigen H-gehalts wegen (Kannel mit 5,6 und Boghead mit 7,6°%/,H) als kohlen keine Abnahme des H erfolgt, sondern eher eine gg bleibt Übergänge von usgesteinen zu steinen zu betrachten — das oeye C:H konstant. — ? rändern sich in feuchtem Zustand #) Dehnhardtit ist zu streichen. Nach Privatmitteilun Prof. Dr. Ed- sehr wenig, daher gleiche PR ea (Oft no Re horsnbnit er- mund Graefe i es sich hier ke um Pyro- ein ar. p Tabelle: Zusammengestellt unter Benützung der Hauptergebnisse von schriebene H. Potoni& er Fr. Späte (125) Stremme und Späte (133 m ein sehr reines, noch nicht be- ni Feen löslich, Ergibt ein Selen Dakıkan uch 55). n ). das bei Be u ae flüssig ist. (Vgl.a 'OIyoxanyeN INZ SfyoynoH I9p uoA "UAddnv] 'n 'n ZUVAHOS 'H 29 'Zıyep 66% 300 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 des Torfes benützen. Kohlen, in denen Wachs, Harz, Kutin und Pektin in reichlicher Menge vorhanden sind, hat Poronı& als Lipto- biolithe (Liptos = Harz) bezeichnet. Es hat sich gezeigt, dass diese Liptobiolithe, die Wachskohlen, aus nichts anderem bestehen, als aus unzähligen Mengen von Sporen und Pollenkörnchen, d. h. Pflanzen- teilchen, die grösstenteils mit Wachs gefüllt sind. Die Häute dieser Pollen bestehen aus dem korkartigen Kutin, einem Gemisch von Fett- säuren, das sich besonders schwer zersetzt. Diese Überproduktion von Blütenstaub bei den Windblütlern ist zum Beispiel die Ursache des sog. Schwefelregens und erklärt, dass solcher Blütenstaub ganze Ab- lagerungen zu bilden vermag. Die Oberfläche eines Gewässers sieht man manchmal dicht mit Blütenstaub bedeckt, als sog. Pollenwasser- blüte. Nach neueren Untersuchungen von JEFFREY (67), THIESSEN (145) und anderen amerikanischen Geologen spielen auch Sporen von Kryp- Ben eine grosse Rolle. Frhr gang bei jüngeren Kohlen auch Pollenkörner sindnach T len Bestandteileder Kan- nelkohle, während sie von der deutschen Schule, wie wir gesehen haben, zu den Fett- und Eiweisskohlen gerechnet werden. Fr. SpÄTE, ein Schüler H. Poronıts, zählt sie zu Übergangsgliedern von Sapropel- zu Humuskohlen (s. Tab. Anm.). Die amerikanische Ansicht erscheint STUTZER stichhaltiger als die von Poronit, denn Algen bestehen zu 97—98,5°/ aus Wasser. Zudem sind sie wenig erhaltungsfähig. Durch Bakterien und andere Mikroorganismen werden Algen ausserdem nach- weisbar schneller zersetzt, als selbst die zartesten Organe höherer Pflanzen. Sollten Algen trotz alledem nicht zersetzt werden, was aber nach THIESSEN ausgeschlossen ist, so müssten ihre weichen wässerigen Körper unter dem Druck der sie überlagernden Sedimente schnell zu einer formlosen Masse zerquetscht werden. Statt dessen findet man aber die Form dieser vermeintlichen Algen ganz besonders gut er- halten. Die reichliche Beimengung harzartiger Bestandteile erklärt auch die Leichtenzündbarkeit der Kannelkohle, eine ganz besonders bekannte Eigenschaft dieser Kohle. „Schliesst man sich der amerikanischen Deutung dieser, früher für Algen, jetzt für Sporen gehaltenen Gebilde an, so wundert man sich zunächst,“ sagt O. Sturzer (135, sss), „dass der Gedanke von R£- NAULT und BERTRAND nicht nur in Frankreich, sondern auch in Deutsch- land so lange herrschend gewesen sein konnte. Sodann ergibt sich die Notwendigkeit einer Richtigstellung des Begriffes Sapropelkohlen. Nach amerikanischer Ansicht ist das kennzeichnende bei der Ent- stehung einer Sapropelkohle im wesentlichen die Anhäufung wachs- haltiger Pollen und Sporen, sowie sonstiger schwerzersetz barerwachs“, Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. LAuUPPER. Von der Heukohle zur Naturkohle. 301 harz- und ölhaltiger Substanzen. Sapropelkohle kann daher nicht in einen Gegensatz zu denjenigen Kohlengesteinen gestellt werden, die reich an Wachs- und Harzbestandteilen sind, d.h. zu den Liptobiolithen.“ Fassen wir das in diesem Kapitel Gesagte kurz zusammen, so ergibt sich, dass dieProdukte der Inkohlung verschieden ausfallen, jenachdem wir Kohlenhydrate als Hauptaus- gangsmaterialvoruns habenoderaber Wachs und Harz- substanzen oder Fette und Eiweißstoffe. Und es ist zu er- warten, dass diese Verhältnisse auch in der Zusammen- setzung der Steinkohle sich wiederspiegeln werden, da sie doch aus Pflanzenmaterial' hervorgegangen ist, welches Lignin (Kohlenhydrate) als Hauptsubstanz, die übrigen genannten Stoffe als akzessorische Bestandteile umfasst. Damit stimmen auch die neueren Untersuchungen über die Zusammensetzung von Braun- und Stein- kohlen, welche unter der Leitung von Franz FISCHER in Deutschland (37), WEHEELER in England (143), PıcreTt in der Schweiz (104), ganz unabhängig voneinander ausgeführt worden sind, gut überein. Diese Untersuchungen haben zu dem wichtigen Ergebnis geführt, dass genannte Kohlen neben den Aschenbestandteilen, den Harz- und wachsartigen Körpern, (also den Bitumen) zur Hauptsache aus huminartigen Körpern bestehen oder genauer gesagt, aus Produkten, die durch Erhitzen mit ver- dünnter wässriger NaOH verhältnismässig leicht in Lösung gebracht und aus dieser mit verdünnter Säure wieder ausgefällt werden kön- nen (120). Damit würde das Problem der Erforschung der Zusammen- setzung von Braun- und Steinkohlen neben der Untersuchung des Bi- tumens vor allem auf die wissenschaftliche Erforsebung der Humin- säuren hinauslaufen, während die Zusammensetzung des bituminösen Teils der Kohle uns voraussichtlich die Möglichkeit geben würde, unsere Ansichten von der Entstehung der Kohle in Zusammenhang zu bringen selbst mit solchen, die wie diejenige EnGLER-HÖFERS „Über die Enstehung der Erdöle“, nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür zu bieten scheinen (31). 123: Die Kohlenbildung als Inkohlungsprozess. 2 Wir haben uns nach Kukuk (1920) vorzustellen, dass „unter dem Druck immer mächtiger werdender Deckschichten und in Verbindung ‘ mit gewaltigen Gebirgsbewegungen immer weitere Umbildungsprozesse vor sich gingen, die einerseits denen der Presskohlendarstellung ähnlich, anderseits denen der Druckdestillation (Erhitzung unter Luftabschluss) entsprechen, vielleicht nur mit dem Unterschied, dass diese bei hoher, 302 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 jene bei niedriger Temperatur verliefen (72).“ Im Gegensatz zur Ver- kohlung, wie sie zum Beispiel der Bildung von Holzkohle in Mei- lern zu Grunde liegt, wurde von Gümbel (1883) für den Kohlenbildungs- vorgang, wie er etwa bei der Vertorfung oder Vermoderung ver- läuft, der Ausdruck Inkohlung eingeführt (56). Dieser Begriff ist für die Kohlenforschung als wichtiger Fortschritt zu betrachten, da er die Kenntnis von der Verschiedenheit der beiden Vorgänge deutlich vertieft hat. Da sei hier nur daran erinnert, dass man die irrtümliche Meinung, wonach die Kohle in der Hauptsache aus freiem, elementarem Kohlenstoff besteht und nur als durch gewisse Stoffe verunreinigt zu betrachten ist, noch heute in Lehrbüchern der Chemie ausgesprochen findet. Wir wissen aber, dass diese Anschauung, eine Folge des „Ver- kohlungsbegriffs“, sicher falsch ist. Es war eine Tat, als unser Lands- mann A. BALTZER (Zürich) im Jahre 1872 die Ansicht verfocht, dass die Steinkohlen gar keinen freien Kohlenstoff enthalten, sondern als eine Menge der verschiedensten und kompliziertesten Kohlenwasser- stoffverbindungen zu betrachten seien und dass infolgedessen jene Kohlen, die prozentual aus denselben Mengen C, O u. H bestehen, ihrer Konstitution nach doch ganz verschieden sein und daher ebenso ver- schiedene physikalische und chemische Eigenschaften besitzen können („Isomerie der Steinkohle‘). BaLtzer (1) hat recht behalten und es bedurfte des Seherblicks und des Forschergeistes eines Muck (93), um über die revolutionäre Arbeit BALTZERs schreiben zu können: „Diese interessante und verdienstvolle Arbeit hat im neuen Jahrbuch für Mineralogie (1873), S. 326 eine abweisende Kritik von angeblich „kompetenter Seite“ erfahren. Diese Kritik ist ihrer unfreiwilligen Komik halber (besonders für Chemiker) lesenswert. Der allerdings nicht kompetente, aber dafür konservativere Kritiker, empfiehlt BALTZER, sich mit dem ihm „zum Teil fremd gebliebenen Quellenmaterial* be- kannt zu machen, namentlich mit dem Werk über die Steinkohlen Deutschlands und anderer Länder Europas — kurz, empfiehlt BALTZER, sich doch auf einen Standpunkt zu stellen, welcher anno 1873 für Chemiker und glücklicherweise auch für recht viele Nichtchemiker schon ein recht überwundener war. BALTZER erwidert auf S. 626 — 629 des Jahrbuchs, auf die lehrhafte Kritik angemessen, eingehend und mit bewundernswerter Mässigung.“ Der Kampf hat bis in die neueste Zeit hinein gedauert und das: Resultat war eine Klärung der Begriffe Verkohlung und Inkohlung. Wäre die Kohle wirklich ein „Gemenge von reinem Kohlenstoff mit Bitumen‘, so müsste man den Kohlenstoff durch Extraktion der Bi- tumina mit den verschiedenen Lösungsmitteln als reine Kohle erhalten Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 303 können, was noch niemandem gelungen ist. Und nimmt man an (wie bisher), in den Kohlen sei der Kohlenstoff als solcher enthalten, so erscheint die Steinkohle als etwas grösstenteils fertiges, was nicht noch in voller Umwandlung begriffen sein könnte. Denn eine Fülle che- mischer Prozesse, intensiv und mannigfaltig zugleich, findet in den Kohlen statt, Prozesse, die man nicht in diesen Gebilden vermuten würde, so dass wir noch weit entfernt sind, die ganze Keite der Er- scheinungen vom pflanzlichen Detritus bis zur fertigen Kohle exakt chemisch zu begreifen (®, v7). Zwar hat die Anwendung des Begriffs der Inkohlung eine Ver- schiebung erfahren, indem von GÜMBEL die Kohlenwerdung als einen einzigen, von der Zellulose bis zur Steinkohle gleichmässig fortlaufen- den, in Wesen sich gleichbleibenden Prozess betrachtete. Heute schei- den wir daraus den Huminifikationsprozess aus, der bis zu den Humin- stoffen geht und bezeichnen als Inkohlung die Fortsetzung dieses Prozesses: Die Kohlenwerdung der Huminstoffe. Über das Wesen des Inkohlungsprozesses stehen sich zwei An- schauungen gegenüber: die Einen indentifizieren ihn mit dem Humini- fikationsprozess. Für sie ist die Länge der geologischen Zeiträume der Hauptfaktor bei der fortschreitenden Entwicklung der Kohlen- gesteine. Torf, Braunkohle und Steinkohle verdanken ihre Bildung der langsamen Verwesung von Pflanzenresten ohne Luftzutritt (An- sicht der meisten Lehrbücher der Chemie und Geologie). Die Andern lassen bei der Enstehung der Kohlen auch Druck und Hitze mit- wirken und betrachten die Inkohlung als eine Art Destillationsprozess. (Ansicht einiger ältester und weniger moderner Forscher.) Der sprin- gende Punkt des Problems ist also der: Ist die Enstehung der Kohlen ein chemischer Vorgang auf nassem Wege von sehr langer Reaktions- dauer oder aber ist sie am Ende vielleicht ein chemischer Prozess auf trockenem Wege, eine Art Destillation und deshalb nur von kür- zerer Dauer? Die Antworten lauten bald zu Gunsten dieser und bald zu Gunsten jenerAnschauungen. A. PrrzuoLpr (101), selbst ein verdienter Kohlenforscher, schrieb in seinem Lehrbuch der „Geologie“ von 1841 noch folgendes: „Da in dem ganzen Vorkommen des Steinkohlen- gebirges nichts aufgefunden worden ist, was als hitzerzeugend an- gesehen werden darf, so ist man zur Annahme gezwungen, dass die Steinkohle nicht durch eine trockene Destillation unter Druck, sondern durch eine freiwillige, unvollkommene Zersetzung Yegetabilischer Sustanzen unter Druck gebildet worden ist (101, +0). Und eine halbe Seite weiter unten „..... denn es darf behauptet 304 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 werden, dass die grössere Wärme aller Dingeinder Urzeit nieht ohne Einfluss bei der Bildung von Steinkohle war“. Ein weiteres Beispiel aus der neueren Literatur mit ebensolchen Widersprüchen gibt uns FERrD. FIscHER (36) in seiner „Chemischen Technologie der Brennstoffe“ von 1897. Da lesen wir auf Seite 576 klar und deutlich: „Die Kohlen sind keiner Destillation unterworfen ge- wesen, sie haben sich nach und nach auf nassem und nicht unter dem Einfluss der Hitze auftrockenemWege gebildet“. Etwas weiter unten steht das Gegenteil: „Die Umwandlung der #teinkohle geschah unter dem Einflusse einer nicht sehr hohen Temperatur. Die Umwandlung ging zuerst sehr rasch vor sich, bei einer höheren unter- irdischen Temperatur als der der gegenwärtigen, besonders in grösserer Tiefe“. Bei der Unklarheit, in welcher die Forschung schwebt, kann es nicht verwundern, wenn A. F. HoLLEMANnN, der bekannte Verfasser des vorzüglichen Lehrbuches der anorganischen Chemie, im Anschluss an die Besprechung der Steinkohlenverkokung in den Gasfabriken noch bis in die neueste Auflage hinein von der Entstehung der Kohle fol- gende Darstellung gibt: „Die Kokes bleiben in den Retorten zurück, nachdem die eingefüllten Steinkohlen durch Erhitzen von den flüch- tigen Produkten befreit sind. Torf, Braunkohle und Steinkohle ver- danken ihre Bildung dem gleichen geologischen Prozess, nämlich der langsamen Verwesung der Pflanzenreste ohne Luftzutritt. Torf ist die jüngste, Steinkohle und Anthrazit die älteste Formation‘ ') Hier erscheint „Huminifikation“ mit der Destillation identifiziert. Zu welcher Klarheit demgegenüber der Franzose FREMY sich in diesen schwierigen Problemen emporgerungen hatte, zeigen die Schlußsätze einer Arbeit, die er als Abschluss seiner 1850 im Jardin des Plantes in Paris begonnenen und 29 Jahre fortgeführten Studien über die Ent- stehung der Steinkohle geschrieben hat: „En se fondant sur les eX- periences decrites dans ce travail on peut donc admettre que les vege- taux producteurs de la houille ont &prouve d’abord la fermentation tourbeuse qui a detruit toute organisation vegetale et que c'est par une action secondaire, determine par la chaleur et la pression que la houille c’est formee aux depens de la tourbe (48)‘. Dass auch Maillard ohne Erhitzung und Druck nicht auskommt, haben wir schon gesehen. Die deutsche Schule unter FIsCHER glaubt, dass höhere Temperatur nicht mitgewirkt hat, aber nach Hoppe-SEYLER ist anzunehmen, dass die Steinkohlen aus Huminstoffen durch Er- hitzung entstehen, „weil keine andere Möglichkeit übrig bleibt“. (Pharm. Zentralhalle 1892, S. 20). i ') Vgl. 1. Aufl. (1900) S. 227 mit 15. Aufl. (1919) S. 224. Le] ‚ Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkoble. 205 Auch Orto N. Wırr fasst die Kohle auf als Erzeugnisse einer äusserst langsam sich abspielenden, über Jahrtausende und Jahrmil- lionen sich erstreckenden trockenen Destillation organischer Bildungen, welche von der Berührung mit der Luft abgeschlossen worden sind und dann, unter dem Einfluss der dem Erdkörper innewohnenden Energie, sich nach bestimmten Gesetzen langsam umformten. Was nun schliesslich die Natur der Inkohlung betrifft, so hat man öfters Ideen auftauchen sehen, welche die Kohlenbildung mit der Selbstentzündung von angehäuften Pflanzenmassen in Verbindung brachten. Am gründlichsten hat das vielleicht J. F. Horrmann (1897), (61) getan. H. PoTonı& verurteilt solche Ideen kurzerhand als „un- begründbar, weil es sich in den Kohlen der Kohlenlager durchaus nicht um eine echte Verkohlung zu Kohlenstoff, sondern um eine In- kohlung, d. h. um eine langsame, ohne fühlbare Erhitzung stattfindende Selbstzersetzung handelt“ (108 s. ı0s). Wir können aber auch bei einem Heubrand Inkohlung und Verkohlung deutlich voneinander unterscheiden. Es kann kein Zweifel mehr darüber entstehen, dass die Selbstentzün- dung des Heues ein Selbstzersetzungsprozess ist, der von innen nach aussen fortschreitet, ein Vorgang, bei dem von den Elementen, welche die Zellulose zusammensetzen, nur soviel durch den eigenen Sauer- stoff in Bindung kommt, wie dieser zu binden vermag: Alles Merk- male, die den Vorgang der Inkohlung nach H. Poronıts Auffassung kenn- zeichnen sollen (108,16 17). Anders aber, wenn der Heustock durch Brand- stiftung zugrunde geht, wo wir ifelhaft miteinerVerkohlung zutun haben (denn der Verbrennungsprozess ist ein Vorgang, der von aussen nach innen, also in umgekehrter Richtung fortschreitet). Zudem wird das Material dort durch Hitze einfach in seine Bestandteile zersetzt. 90 entweichen Gase aus der Zellulose des Heues und es bleibt fast reiner Kohlenstoff übrig, zum Unterschied von der Inkohlung, wo sehr wahrscheinlich auch Kohl indungen gebildet werden. Das ist aus ihrem Verbindungsbestreben mit Sauerstoff zu schliessen und daraus, dass Laupper beim nassen Destillieren von Heu in einer Retorte und Durchschieken der enstandenen Dämpfe durch zwei mit Chlorkalzium gefüllte Trockentürme in der Vorlage eine ölige Flüssig- keit mit schwach benzinähnlichem Geruch erhalten hat!). Es er- scheint unmöglich, diese Kohlenwasserstoffverbindungen im Heustock selbst zu fassen, weil bei stark vorgeschrittener Inkohlung mit dem Moment, wo von aussen ein Gang ins Innere gebohrt wird, der Heu- stock auseinanderfliegt und in Flammen aufgeht. In diesem Augenblick — das dürfen wir nicht übersehen — geht der Inkohlungsvorgang ın ) Mündl. Mitteilung. Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 67. 1922, 20 306 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 einen Verkohlungsprozess über. Die sauerstoffbegierigen Kohlenwasser- stoffverbindungen werden in ©0,, H,O und elementaren Kohlenstoff umgewandelt, den man mit Hilfe der Reaktion von WeEIGELT feststellen kann. Mit einem Gemisch von Schwefel- und Salpetersäure zu gleichen Teilen und etwas Kaliumchlorat erhält man aus Heukohle von einem Scheunenbrand meist die für Graphit und amorphen Kohlenstoff cha- rakteristische grüne Färbung. Heukohle aus einem nur inkohlten Heuhaufen gibt diese Grünfärbung nicht. Wird solche Heukohle aber in einem Porzellantiegel nur etwa 10 Minuten lang geglüht, so lässt auch sie die Wrigertsche Reaktion deutlich positiv erscheinen. Auf den ersten Blick hat diese Umwandlung etwas Überraschendes, nämlich das, dass relativ sehr kurzes Erhitzen genügt, um diese Umwandiung von Zellulose zu Graphit, diesen Sprung vom Anfangs- zum Endglied der bekannten Kohlenreihe zu vollziehen. Das ist erstaunlich, zumal die künstliche Herstellung von Graphit als eine technisch ausserordent- lich schwierige, die höchste Hitze verlangende Operation bekannt ist. Wir haben versucht, aus den einzelnen Bestandteilen des Heues in veiner Form durch Glühen in Porzellantiegeln Graphit herzustellen, was nur bei Harz, Watte und Zucker gelang. Mit Eiweiss, Fett, Wachs und Gummi sind wir zu keinem Resultat gekommen. Immer aber gelang der Versuch leicht mit Zucker. Wir vermuten daher, dass es zuckerartige Kohlenhydrate des Heues sind, welche bei der Verkohlung im Heuhalm zu Graphit werden und dass also der ent- standene Graphit weit entfernt von quantitativer Ausbeute sich darin gebildet haben könnte. Diese Graphitkohle unterscheidet sich auch im Heuhaufen von der gewöhnlichen Heukohle durch ihre auffallend stahlgraue Färbung. Angesichts der Leichtigkeit, mit welcher Zucker bei der Verkohlung sämtlicher Zwischenstadien der Verkohlung — Torf, Braunkohle, Steinkohle, Anthrazit — überspringt, hat LAUPPER den Ge- danken geäussert, ob nicht gewisse Graphitvorkommen in tropischen Gegenden, (Ceylon zum Beispiel) auf einen Inkohlungsprozess stark zuckerhaltiger Pflanzen (Zuckerrohr?) zurückgeführt werden könnten. Nachträglich haben wir gefunden, dass auch pyrophorem Eisen eine katalytische Wirkung zuzukommen scheint von der Art, dass durch diese die Entstehung von Graphit bei niedrigeren Temperatu- ren als den bisher in der Literatur angegebenen erklärt werden kann. ERDMANN und KOETHNER haben 1898 gefunden (33), dass Azetylen bei hoher Temperatur (700—800°) nur in Russ übergeht, nicht in Graphit! Wird aber dem Azetylen etwas metallisches Kupfer als Katalysator hinzugegeben, so erfolgt schon bei 300° eine Bildung von Graphit! Da LAUPpPER bei den meisten von ihm selbst untersuchten Heubränden Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. LAuppEr. Von der Heukohle zur Naturkohle. 307 prächtige Lagen graphitischer Kohlen aufgefunden hat, so wurde hier an die Möglichkeit einer Analogie gedacht. In dieser Annahme wur- den wir durch den Ausfall eines einfachen Versuches bekräftigt. Durch kräftigstes Glühen von Zellulose und Holz, bei möglichst hoher Tem- peratur wollte es nie gelingen, Graphit zu erhalten. Wurde reine Zellulose nach obigem Vorbild mit Eisenpulver schwach bestäubt, so gelang die Operation leicht nach halbstündigem Erhitzen über dem gewöhnlichen Bunsenbrenner! Wir haben uns anfänglich um eine fei- nere Unterscheidung der verschiedenen Graphit- und Russmodifikationen bemüht, sind dann aber davon abgekommen, weil uns scheinen will, dass diese detaillierten Unterscheidungen überflüssig geworden sind, seit DEBYE in Zürich (1917) für die Ansicht P. GRooTHS, welcher amorphe Kohle und Russ als Graphit in äusserst feiner Verteilung betrachtete, den experimentellen Beweis bringen konnte. Nach DEBYE ist amorphe Kohle nichts anderes, als Graphit in einer so feinen Ver- teilung, wie dieselbe durch mechanische Mittel niemals erreicht wer- den kann (14). Wir sind also der Ansicht, dass die Heubrände im wesentlichen auf einer Inkohlung beruhen, die nur in einzelnen Fällen, wo die Selbst- erhitzung zum Brandausbruch führt, in den Verkohlungsprozess über- geht. Bei einem Heubrand infolge Brandstiftung fehlt normalerweise die Inkohlung. Wenn aber Inkohlung und Verkohlung so verschiedene Prozesse darstellen, so müsste erwartet werden, dass aus der Ver- schiedenheit der dabei auftretenden Reaktionsprodukte ein Rückschluss gezogen werden könnte, der es möglich machen würde, zu entschei- den, ob ein Heustock beispielsweise durch Selbstentzündung oder durch Brandstiftung zugrunde gegangen ist. LAUPPER ist auch dieser Frage nachgegangen und hat im Ammoniumnitrat, das im Selbstentzündungs- falle die. Wandungen der sog. Rauchkanäle auszukleiden pflegt, ein Pro- dukt gefunden, das bei Brandstiftung unmöglich auftreten und auch lange nach dem Brand festgestellt werden kann, wenn das Löschwasser ein Verbleiben der letzten Reste dieser leider leicht lösliehen Substanz in den innersteu Partien des Heustockes nicht, verunmöglicht hat. Es ist also durchaus nicht ausgeschlossen, dass bei weiterer Erforschung der bei der Selbsterhitzung des Heues entstehenden Verbindungen ein ganz befriedigender Fortschritt in dieser Hinsicht erreicht werden wird !), Das Wesen des Inkohlungsvorganges bei den Kohlen hat Wırr zum ersten Mal als eine „innere Verbrennung‘ darzustellen ver- sucht (148). Die Zellulose, so sagt er, enthält nahezu die Hälfte ihres re ‘) Vgl. damit E. Zscnokk& (151). 308 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 192 Gewichtes an Sauerstoff, Lignit ungefähr einen Viertel seines Gewichtes. Was geschieht nun mit diesem Sauerstoff, wenn ein fast ganz aus Zellulose bestehendes Material, wie etwa die Baumstämme der Stein- kohlenformation, einem Destillationsprozess unterworfen wird? Eines ist gewiss, dass nämlich bei dem Verkohlungsprozess der Sauerstoff allmählich verschwindet. „Das Verschwinden des Sauerstoffs beruht auf einer inneren Verbrennung, welche neben dem Prozess der eigent- lichen Trockendestillation einherläuft und der umsomehr von dem verarbeiteten Rohmaterial zum Opfer fällt, je grösser sein ursprüng- licher O-Gehalt war. Die Produkte dieser inneren Verbrennung sind CO, und H,O, Substanzen von so allgemeiner Verbreitung, dass uns ihr Vorhandensein in den Braunkohlenlagern und Steinkohlenflözen gar nicht auffällt und dass wir gar nicht denken, dass sie mit dem Bildungsprozess der Kohle auch etwas zu tun haben. In diesen beiden Produkten gibt die Natur einen grossen Teil der Substanz, die sie bei der Bildung fossiler Brennstoffe dem Kreislauf des Lebens zeit- weilig entzog, an das Leben zurück. Es ist kein Zufall, wenn in der unmittelbaren Nachbarschaft von Kohlenlagern Kohlensäurewässer in zahllosen Quellen zu Tage treten. Die Kohlensäure, welche hier teils gasföürmig dem Boden entquillt, teils im Quellwasser gelöst ist, ent- stammt der inneren Verbrennung, der tief im Innern der Erde be- grabenen Vegetation früherer Epochen.“ „Aber es brauchen nicht immer angehäufte Vegetabilien zu sein, welche derart kohlensäure- und wasserbildend wirken. Alle Sedimen- tär-Gesteine sind mit organischer Substanz durchsetzt oder durchsetzt gewesen. Auch diese im Gestein feinverteilte organische Substanz unterliegt ähnlichen Zersetzungsvorgängen, wie sie hier geschildert werden. Auch sie liefert in konstantem und fast unerschöpflichem Strom Kohlensäure und Wasser. Erwägt.man dies, so erscheint die Frage nach dem Ursprung des Kohlensäuregehalts gewisser geologi- scher Schichten, z. B. des Zechsteins gelöst. Die Geologen machen den grossen Fehler, fast alles in der Erdkruste vorkommende Wasser ohne weiteres als Sickerwasser zu betrachten, welches von oben in die Erdrinde eingedrungen ist und nun wieder seinen Weg zum Tages- licht sucht. Der bedeutende Wiener Geologe Surss hat zuerst darauf hingewiesen, dass es Wässer gibt, welche, wie z. B. die heissen Quellen von Karlsbad, im Innern der Erde durch direkte Verbrennungsprozess® entstanden sind. Zu ihnen gesellen sich als eine dritte Art die durch innere Verbrennung begrabener organischer Substanzen entstandenen Wässer, welche auch das Tageslicht nicht gesehen haben, ehe sie als Quelle hervorbrechen. Ihre Menge dürfte so gross sein, dass sie kei- Jahrg. 67. H. Scuwarz u. G. LAuppEr. Von der Heukohle zur Naturkohle. 309 nen unbedeutenden Faktor in dem Gesamthaushalt der Erdoberfläche bilden. Als wir den Verlauf des Huminifikationsprozesses verfolgten, sahen wir, dass zu Ende des Prozesses in den Huminsubstanzen Stoffe er- schienen, die von ausserordentlicher Stabilität waren, verglichen mit. denen, aus welchen sie entstanden sind. Daraus folgt, dass der Pro- zess — konstante Bedingungen vorausgesetzt — ganz von selbst einmal zu einem Stillstand kommen muss. Bei MAILLARD erfolgt dieser Still- stand bei einer Kohle mit 58,8°/, ©. Je grösser die Menge von Humin- stoffen, die sich sammeln, um so näher der Moment des Stillstandes der Reaktion und um so notwendiger die Annahme einer vollkommenen Änderung der früher gegebenen Bedingungen, um eine weitere Um- wandlung der Huminstoffe in Kohlensubstanz erklären zu können. Genau die gleiche Beobachtung macht man bei der Herstellung von künstlichen Kohlen im Laboratorium. S. StEIN (129) hatte schon beobachtet, dass man bei gewöhnlichem: Druck aus Holz nie eine 78°/o © übersteigende Kohle erhält, selbst wenn die Probe zwei Tage lang auf Rotglut erhitzt wurde. BERGIUS und BILLWILLER (4,350) haben gezeigt, dass der Zellulosezerfall mit dem Fortschreiten der exothermischen Reaktion unter konstanten Bedingun- gen nur bis zu einer ganz genau bestimmbaren Grenze geht, dass die Zer- fallsreaktion dann Halt macht und eine weitere Veränderung der Kohle nicht mehr eintritt. Aus ihren Versuchen ergibt sich, dass nach 19,5 Stunden bei 340° Celsius eine Kohle ihre Maximalzusammensetzung 84,8°/o C, 4,8% H und 10,4°/o O erreicht hat und dass ihr C-Gehalt trotz Verdreifachung der Reaktionsdauer nicht mehr zunimmt. Man hat aus der Beobachtung dieses Stillstandes der Verkohlung den Ein- druck, dass der Zersetzungsvorgang, ausgehend von der Zellulose, ab- schliessend mit einer Kohle von etwa 84°/o €, eine durch eine mehr oder weniger einfache chemische Formulierung darstellbare Reaktion sein müsse. Diese Vermutung wird durch die Feststellung der Bilanz der bis zum Stillstand fortgeführten Reaktion bekräftigt. Wenn man nämlich die Kohlensäuremenge feststellt, die pro 1 Mol. C, H, , 0, ent- steht, so findet man auffallenderweise, dass fast genau ein Mol.C0, entsteht. Ebenso tritt auch H,O in genau ganzzahligen molekularen Verhältnissen auf. Daraus wird die Annahme, dass die Verkohlungs- reaktion ein einheitlicher, differenzierter Vorgang ist, ziemlich sicher gemacht, d.h. also, dass die einfache, freiwillig verlaufende exother- mische Reaktion der Kohlenbildung nur bis zu einer Kohle von 84 °/o © führt. Wenn also ein Torfmoor keinem andern Einfluss unterworfen ist, als dem der Zeit, bei normaler Bodentemperatur, so entsteht eine 310 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Kohle von einem bestimmten Maximalgehalt an C, der sichin langen geologischen Epochen nicht vermehren kann. Nun aber existieren in der Natur Kohlen mit viel höherem C- Gehalt und die Frage tritt auf, welehem Vorgang diese ihre Ent- stehung verdanken. Bercivs und BILLWILLER haben diese C-Anreicherung bei ihren Ver- suchen zu erzwingen versucht. Auf dem Wege einer Zeitverlängerung wollte das nicht gelingen, auch Temperaturerhöhung führte nicht zum Ziel. Dagegen konnten sie nachweisen, dass eine solche erzwungene Reaktion wirklich eintritt, wenn man den von aussen auf die Kohlen wirkenden Druck ausserordentlich steigert, während die Temperatur dieselbe bleibt, bei welcher der früher erwähnte Vorgang zu Ende geführt wurde, nämlich bei 340°. Sie brachten die 84 °/o Kohle in eine hydraulische Presse unter einen Druck von 5000 kg pro m? und konnten bei einer Temperatur von 340° Kohlenstoffgehalte bis zu 89°/o erzielen. Temperatur Stunden 6 H “ 64 88,0 Jo 4,0 %/0 340 ° 46 88,2 %/o 4,4 °/o ‚Der Zusammenhang des Reaktionsfortschrittes mit der Temperatur ist hier weniger deutlich, da wesentliche Wirkungen schon bei niedrigerer Temperatur entstehen. Die auf diese Weise erzeugte Kohle soll auch äusserlich in ihrer physikalischen Struktur der natürlichen ausseror- dentlich ähnlich sein. Bei der Pressung entstanden Gase, die, soweit es möglich war, mit einer besonderen Einrichtung aufgefangen und analysiert wurden. Im wesentlichen entstand Methan. Die Analyse er- gab 70—80°/o CH,, 8—15°%% CO,, 10—20°/o H,. BERGIUS und BILL- WILLER konnten also den Verkohlungsvorgang durch ihre bisherigen Versuche in zwei absolut verschiedenartige Reaktionen zerlegen. Die erste ist eine freiwillig verlaufende, die zweite eine erzwungene. Die erste verwandelt Zellulose unter Abgabe von 00, und H,O in eine Verbindung, deren Formel etwa C,, H,O zu lauten hätte. Diese Ver- bindung ist im Sinne des chemischen Gleichgewichtes bei niedrigen Temperaturen als stabil zu betrachten. Die zweite dagegen tritt auf, wenn hohe Pressung auf das Produkt der ersten Reaktion wirkt. Sie verläuft wahrscheinlich schneller als die erste und entwickelt ein 685, das hauptsächlich Methan enthält, ein Produkt, das bei der ersten Reaktion nicht auftrat. „Vergleicht man die geologischen Beobachtungen mit den Ergeb- nissen dieser Experimente, so ergibt sich eine gute Übereinstimmung: Häufig sieht man in einem Lager, das partiell einer Verwerfung an Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 311 heimgefallen ist, Fettkohle am ungepressten Ende, Magerkohle und Anthrazit aber dort, wo die Faltungen sind, in absoluter Überein- stimmung mit diesen Experimenten. Auch die Gasbildung hat ihr Analogon. In Lager von Magerkohlen und Anthrazit sind die schlagenden Wetter am häufigsten. Das Experiment von Bersıus ergibt es, denn wo Druck herrschte, bildete sich Magerkohle und gleichzeitig ein methanreiches Gas, wie man es in ganz ähnlicher Zusammensetzung in der „Bläsern“ findet.“ 'Die Kohlenbildung als Destillationsprozess. . Die Ansicht, dass die Heuverkohlung als das Resultat einer trockenen Destillation aufzufassen sei, ist lange ohne Widerspruch geblieben. TscHircHh in Bern (1917) war unseres Wissens der erste, der dieser Ansicht entgegentrat (139). LAUPPER gelang es drei Jahre später zu zeigen, dass es sich bei der Heuselbsterhitzung in der Haupt- sache um eine nasse Destillation handelt (74,20—2s), zu welcher der „schwitzende Heustock“ selber den Wasserdampf liefert und dass ferner erst nach Beendigung dieser nassen Destillation eine trockene eintritt. Man hatte die Rolle des Wassers für diese Destillation über- sehen und an eine reaktionsfördernde Wirkung des Wassers in diesem Sinne nicht gedacht. Interessant für unsere Parallele ist es, dass auch von Kohlenforschern die Reaktionsförderung des Wassers beobachtet worden ist. Es wurde von FISCHER und SCHNEIDER festgestellt (44, 190), dass die Anwesenheit von Wasser bei der Druckdestillation von Zellu- lose mit Benzol einen ausserordentlich günstigen Einfluss auf die Ge- schwindigkeit des Verlaufs, sowie auf die Ausbeute an Extrakten ausübt. So erhielt man Druckerhitzung von: Reaktionsdauer: Ausbeute: Bei 105° getr. Zellulose mit trocke- nem Benzol 3 Stunden 2,0°/ Extrakt Luftfeuchte Zellulose mit feuchtem Benzol a _ a Nasse Zellulose mit nassem Benzol 2 ,„ 12,0 %/o . Es scheint demnach die Gegenwart des Wassers einen beschleunigenden Einfluss auf den Verlauf der Reaktion auszuüben. Bei der trockenen Destillation von Schwelkohle mit Benzol unter Druck erhielten sie 241% Extrakte, bei Zugabe von Wasser dementsprechend 30 °/o (45). Auch KLrmnstÜck fand, dass bei der Benzoldruckdestillation von Holz 312 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 bei Gegenwart von Wasser im Allgemeinen schon in zwei Stunden dieselben Ausbeuten erreicht werden, die sonst erst bei etwa sechs- maliger je zweistündiger Extraktion gewonnen werden (43,514). Es ist noch fraglich, wie diese Wirkung zu erklären ist, chemische Wir- kung ist wahrscheinlich auszuschalten. Ausdrücklich heben FiscHEr und SCHNEIDER hervor, dass die höhern Ausbeuten an Extrakten nicht auf einen grösseren Wasser-, Asche- oder Huminsäuregehalt zurück- zuführen seien (43,3ı7/7s) und dass auch Oxydationsvorgänge ausge- schlossen sind (43,320). Dagegen wäre es denkbar, dass die Mehraus- beute aus der feuchten Kohle darauf zurückzuführen ist, dass feuchtes Benzol für bestimmte in der Kohle vorhandene Stoffe ein besseres Lösungsvermögen besitzt, als völlig trockenes Benzol. Möglich sind aber auch rein mechanische Wirkungen. Ohne Zweifel spielt auch beim Heustock das Aufschliessen der Futterhalme durch den Wasserdampf eine gewisse Rolle, denn wir wissen jetzt, dass dort in der Hauptsache eine nasse Destillation vor sich geht. Und wie beim Heu, so handelt es sich auch bei den Kohlen um Zellengebilde. Von der Schwelkohle hat H. Buge (10, 235) neulich darzulegen versucht, dass sie, wie esja auch die mikroskopische Un- tersuchung lehrt, ein Skelett toter Zellen sei, die in ihrem Innern Bitumen enthalten. Durch Zerstörung und Sprengung der inneren Zell- wandungen, wie das bei der Druckextraktion in stärkerem Grade als bei der Soxhletextraktion erfolgen mag, wird das Bitumen freigelegt und nun erst der Extraktion leichter zugänglich gemacht. Man darf wohl auch annehmen, dass durch Zusatz von Wasser die Sprengwir- kung auf die Zellen durch den Wasserdampf eine Verstärkung er- fährt. Zahlenmässig liesse sich diese Wirkung durch ein den Unter- suchungen von FISCHER und SCHNEIDER entnommenes Beispiel etwa folgendermassen belegen (45): Ohne Wasser: Mit Wasser: Soxhletextraktion . 11° 15 0 Druckextraktion 24 °/o 30 °/o Die Ersetzung der trockenen Destillation durch die nasse war es, die beim Studium des Heubrandproblems im Laboratorium unser Wissen über die Selbstentzündung vom Heu einen guten Schritt var wärts brachte. Den Versuchen, den Heubrand im Laboratorium ın seine einzelnen Phasen zu zerlegen, entsprechen auf dem Gebiete der Kohlenforschung die Versuche, den natürlichen Werdegang der Kohlen im Laboratorium künstlich nachzuahmen. Hier muss man den Jahr- millionen dauernden Vorgang der Natur naturgemäss abzukürzen suchen. Dies geschieht durch Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit und dazu Jahrg. 67. H. Scuwarz u. G. LauppEr. Von der Heukohle zur Naturkohle. 313 bietet Steigerung der Temperatur das Mittel. Aber man beging auch hier den gleichen Fehler wie bei der Heubrandforschung, indem man zu hohe Temperaturen anwandte. Man übersah, dass der Zerfall der Pflanzenstoffe, auf den ja die Kohlenbildung zurückzuführen ist, unter Wärmeentwicklung verläuft, dass also nach Erreichung einer Temperatur, bei der die Zersetzung beginnt, die Masse sich im Innern erheblich stärker erwärmt, als der gemessenen Aussentemperatur ent- spricht. Die Folge war, dass bei der höheren Temperatur ein der Verkohlung entsprechender Vorgang eintrat, und eine Masse erhalten wurde, deren H-Gehalt im Verhältnis zum C-Gehalt zu gering war. „Denn der Prozess der Verkohlung ist durch einen Zerfall in Kohlen- substanz unter Abscheidung von wasserstoffreichen Kohlenwasserstoffen und Wasser unter Zurücklassung des überschüssigen © in Form von Koks gekennzeichnet“ (93,6). Erst in jüngster Zeit ist es BERGIUS (1913) gelungen, die vorerwähnte Fehlerquelle zu vermeiden durch den Kunstgriff, dass er in ähnlicher Weise, wie andere vor ihm, den Koblenbildungsprozess unter Zusatz von ziemlich viel Wasser vor sich gehen liess, und dadurch bis zu einem gewissen Grade das Problem der künstlichen Kohlenbildung zu lösen vermochte. Das zugesetzte Wasser hatte die Aufgabe, durch Aufnahme und Ableiten der Reak- tionswärme die Überhitzung im Inneren der Gefässe zu vermeiden. So war es möglich, gleichmässig und genau einstellbare Tempera- turen zu erzielen, die nun hoch genug gewählt werden konnten, um den gewünschten Vorgang in nicht allzulanger Zeit sich abspielen zu lassen, anderseits noch niedrig genug waren, um weitergehende hersetzung der entstehenden Kohlensubstanzen (Verkohlung) zu ver- hindern. Durch diese Arbeitsmethode erhielt Bersıus Kohle, deren Zusammensetzung der natürlichen Fettkohle entsprach. Also auch in dieser Hinsicht besteht eine Parallele in der Entwicklung des Heu- und Kohlenproblems. Nie ist die Natur der Heuselbstentzündung als Destillationspro- ”ess in Zweifel gestellt worden. Ob aber der Kohlenbildungsprozess auf einem gleichen Vorgang beruht, gilt noch zu untersuchen. Wir wollen im folgenden versuchen, auch gegenüber diesen Fragen zu einer Entscheidung zu kommen, & Wenn man unter einer gewöhnlichen Destillation die Überführung, Sagen wir einmal eines festen oder flüssigen Körpers durch Erhitzen In den Dampfzustand und darauffolgende Wiederverdichtung derselben versteht, so charakterisiert sich dieser Vorgang einmal durch die An- Wendung von Wärme (wie hoch dieselbe ist, bleibt für die Natur des Prozesses belanglos), dann aber durch Auftreten von gasförmigen und 314 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 flüssigen Stoffen, welche in die Vorlage übergehen, also einen Orts- wechsel durchmachen, während ein fester Rückstand am ursprüng- lichen Destillationsort zurückbleibt. Es ist geltend gemacht worden, lass Temperatureinflüsse, durch die _ Wirkungen des Druckes vollständig kompensiert werden können. Die Ansichten hierüber gehen stark auseinander. PErzuoLpr (1841), einer der Ersten, der sich darüber äusserte, war der Ansicht (101,394), dass ein überaus hoher Druck mitgewirkt haben müsse, weil die Mächtigkeit der die Kohlenschich- ten überlagernden Steinmassen eine ungeheure sei, indem die in den Steinkohlenschichten vorkommenden Reste von Baumstämmen ganz plattgedrückt seien und oft wie Blätter aussehen. Seither aber ‚wissen wir, dass es sich bei diesem „Zusammengedrücktsein“ um ein blosses, infolge der Erweichung bei der Zersetzung stattfindendes Insichzu- sammensinken der Reste handelt. So kommen nach GÜMBEL in Schie- ferkohlen der Schweiz plattgedrückte Holzstengel neben undeformierten Koniferenzapfen, die chemisch resistenter sind, vor; ausserdem findet man in ganz lockerem rezentem Torf Baumstämme, die sich nur wenige Dezimeter unter der Torfoberfläche eingebettet finden, und „plattge- drückt“ aussehen. „Wie wenig Druck und Deformation eine Rolle spielen, zeigen die jeweilen in verkohlten Holzstücken vorkommenden Höhlungen von Bohrwürmern, welche ohne irgendwelche erkennbare Spur des Zusammengedrücktseins sich erhalten haben. Auch Gehäuse von Schnecken (Helices), welche häufig in der oberbayrischen Kohle in Jena von Häring eingeschlossen gefunden worden waren, sind zwar meistens zerbrochen und zusammengesunken, aber nicht in anderer Weise, als diese Erscheinung in den nur 3—5 m tiefen Torflagern sich zeigt“ (56, ı56). W. Spring (127) hat diesen Druckwirkungen 1881 eine ausführ- liche Studie gewidmet. Von Farapays Beobachtung ausgehend, dass zwei Eisstücke gegeneinander gepresst, sich sofort wieder zu einem einzigen Stücke verschmelzen, und zwar mit umso grösserer Leichtig- keit, je näher ihre Temperaturen zum Schmelzpunkt kommen, fand er, dass fast alle festen Körper diese Eigenschaft aufweisen, sofern nur der genügende Druck vorhanden ist, um die Moleküle der ver“ schiedenen Stoffe nahe genug zusammenzubringen. Spring zufolge haben die kristallinischen Körper alle ohne Ausnahme obige Eigenschaft. Es sei hier nur an das bekannte Zusammenbacken kristallinischer Rea- genzien in den Glasflaschen erinnert. Die eigentlich amorphen Körper verschmelzen sich entweder leicht [wie magere und fette Steinkohle Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. LAupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 315 («0)] oder dann gar nicht [amorphe Kohle (190) und Tierkohle (202)]. Zufällig amorphe Körper werden durch den Druck oft kristallinisch und verschmelzen dann zusammen [Graphit (190)]. Torf von bräun- lieher Farbe verwandelt sich bei einem Druck von 6000 Atm. in einen glänzend schwarzen harten Block, «ayant tout l’aspect physique de la houille. La cassure des bords de ces blocs presentait m&me, vue au mieroscop, l’allure feuilletee de la houille. La texture organisee avait completement disparu: Enfin sous cette pression de 6000 at. la tourbe est plastique et s’&coule dans les fentes du compresseur. La ressemblance physique de ce produit avec la houille etait telle que toutes les personnes auxquelles je l’ai montre, sans les prevenir de Forigine, l’ont pris pour un fragment de houille. J’ai chauffe des morceaux de ces blocs en vase clos et j’ai obtenu un coke gris a &clat metallique imparfait, compact, ne differant en rien du coke obtenu au moyen de la houille» (201). Diese Angaben haben sich in der Folgezeit als irrtümlich heraus- gestellt, da die entstandene „Kohle“ weder chemisch noch mikros- kopisch untersucht worden war. GÜMBEL konstatierte 1883 bei seinen Druckversuchen mit 20,000 Atm. nichts als ein Eingehen des Volu- mens um rund 87°/o, wodurch die komprimierte Masse das Aussehen und die Dichte von Sohlenleder erreichte und einen glänzenden Strich, wie Specktorf, zeigte. Nach dem Anfeuchten mit Wasser schwoll die Masse jeweils wieder auf die ursprüngliche Dicke an. Von Verkohlung keine Spur. Auch FrEMmY hat bei seinen Druckversuchen nichts von einer chemischen Veränderung der Substanz feststellen können und auch R. Zeıtuer (149) hat gezeigt, dass durch die bloss mechanische Arbeit des Druckes aus Torf, Lignit und russischer Papierkohle nie etwas anderes erhalten wird. Scheinbar im Widerspruch dazu stehen Beobachtungen, mit denen PrrzuoLpr (102) 1882 herausrückte, als ihn die Untersuchungen von Reınsch über die Mikrostruktur der Stein- kohle (112) in alten Tagen noch zu einer Gegenkritik herausforderten. Er beschreibt darin Beobachtungen, die an Pfählen aus Tannenholz Semacht wurden, welche bei einem Bau mit Dampframmen in den Boden getrieben wurden, dort aber auf anstehenden Felsen stiessen und gestaucht wurden. Eine Untersuchung der gestauchten Teile habe ıun die interessante Tatsache ergeben, dass hier mehrere der Pfähle inkohlt waren. Äusserlich konnte dies nicht wahrgenommen werden, Jedoch fand sich im Zentrum des gestauchten Teiles ein Klumpen Kohle und zwischen diesem und dem chemisch unverändert geblie- benen Holz der Reihe nach von innen nach aussen, geschwärztes stark gebräuntes, schwach gebräuntes und endlich nur gelb gefärbtes 316 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Holz. Von besonderem Interesse ist nun, dass der innerste Kern der inkohlten Partie sich als Anthrazit erwies, der von Braunkohle um- geben war. Poronif bestätigt diese Tatsache durch eigene Beobach- tungen (108,97) und weist darauf hin, dass auch in der Literatur An- gaben, dass Holzteile an mechanisch stark ausgesetzten Teilen von Dampframmen Destillationsprozesse eingehen mit Bildung teerasphal- tiger Massen, öfters zu finden seien. Er bemerkt dazu, dass das meist. als solches noch erkennbare Holz eine braunkohlig-lignitische, zu- weilen sogar eine glanzkohlig-steinkohlige Beschaffenheit angenommen hat. Es verdient Erwähnung, dass PETZHOLDT zum Unterschied von vielen andern Beobachtern sich wirklich bemüht hat, die Natur der Kohlenvarietäten nicht nur dem äussern Anschein nach zu beurteilen, sondern durch die damals bekannten, charakteristischen Merkmale der betreffenden Sorten möglichst einwandfrei festzustellen. Poroni£ hielt seine Resultate für wertvoll genug, um sie in sein Buch hinüberzu- nehmen (ss). Man könnte geneigt sein, diese Inkohlung als eine Wir- kung des Druckes zu betrachten, wenn man nicht daran erinnert würde, dass offenbar durch diese Art des Schlagens nicht unbeträcht- liche Reibungswärme entsteht, welche viel eher, als der Druck allein, für so weitgreifende chemische Veränderungen der Holzsubstanz ver- antwortlich zu machen sein wird. Aus dem Umstande, dass es W. Spring gelungen ist, durch blossen Druck zum Beispiel aus einem Gemenge von Kupferfeilspähnen und grobem Schwefelpulver schwarzen kristallinischen Kupferglanz zu pro- duzieren, darf man nicht ohne weiteres schliessen (12,173), dass nun Druck allein Veränderungen hervorzurufen imstande sei, wie sie sonst nur durch Wärmewirkungen erzielt werden. Im Gegenteil, es ist doch wohl kaum denkbar, dass die Druckwirkung bei diesen chemischen Substanzen von keiner Wärmeentwicklung begleitet werde. Wie oft selbst ein ganz geringer Druck Energiemengen auslöst, die uns ge waltig erscheinen, zeigen uns die Azide, die, bei der leisesten Berüh- rung schon mit heftigem Knall auseinanderfahren. Alles hängt von der Natur der Substanz ab, die gedrückt wird, erklärt doch SPRING selbst gegen Ende seiner Abhandlung (127,206), dass, wenn eS auch wahr bleibt, dass der Druck die Reaktionen verhindert, welche von einer Volumenzunahme begleitet sind, man doch nicht ausser Acht lassen dürfe, dass die chemische Affinität eine beträchtliche Rolle bei diesen Erscheinungen spielt. Können wir uns nicht auch einen Gegenpol ZU den Aziden denken, eine Molekularkonstitution, die selbst durch hohen Druck keine Wärmewirkungen auslöst? Die bisherigen Experimente lassen die Annahme zu, dass die Grundsubstanzen der Kohlen dabin- Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 317 gehören. Es scheint denn auch, dass die Geologie verzichtet hat, den Druck allein als einen wesentlichen oder wirklichen Faktor der Inkohlung zu betrachten, obwohl ja der Einfluss auflastender Massen bei der Steinkohlenbildung nicht geleugnet werden kann. Wenn man dem Druck beim Kohlungsprozess eine Bedeutung zumessen kann, so ist es die, welche PETZHOLDT schon in seinen leider viel zu wenig ge- würdigten Arbeiten von 1841 so treffend charakterisiert hat. Sie ist eine doppelte. Denn einmal bewirkte der Druck, „dass der erdige Zu- stand, den man so häufig bei den Braunkohlen und immer beim Torf findet, bei den Steinkohlen nicht erscheinen konnte, indem diese unter dem Einfluss hoher Drucke zu einer möglichst dichten und kompakten oder blättrigen Masse zusammengepresst wurden“. Dass diese Bemer- kung der Richtigkeit nicht entbehrt, könnten Erfahrungen aus neuester Zeit zeigen. Bekanntlich wurde die im Laboratorium künstlich erzeugte Kohle, nicht wie die natürliche, in festen, glänzenden Stücken, sondern in Form einer porösen Masse erhalten, die schon bei geringem Druck in eine je nach dem Kohlenstoffgehalt braunschwarze bis schwarze pulverige Masse zerfiel. Von Wichtigkeit ist nun, dass es BERGIUS gelang, durch Steigerung des Druckes auch diese äusserlichen Unter- schiede aufzuheben.“ Zweitens bewirkt der hohe Druck, dass gewisse Zersetzungsprodukte mehr oder weniger flüchtiger Natur gezwungen wurden, bei der ganzen Masse zu verbleiben. Während also bei der Bildung des Torfes und des Teichschlammes fortwährend grosse Mengen von Kohlenwasserstoffgasen als Sumpfluft entwichen, wurde ein solches Entweichen in diesen Fällen durch das aufliegende Gebirge und diesen ausgeübten, gewaltigen Druck fast ganz verhindert.“ Einfluss der Zeit. Grundanschauung war und ist es noch heute, dass die Verkoh- lung allmählich und unmerklich vor sich gegangen ist, unter dem Einfluss des Lichtabschlusses, des erhöhten Druckes und einer unge- heuren Zeit. Die Frage nach der Temperatur blieb bis heute fast \naufgeworfen, da diese durch andere Faktoren, wie Zeit und Druck als vollwertig ersetzt galt. Das ist entschieden ein Irrtum, denn eit ist nicht wie Druck und Temperatur eine Energie, mit Hilfe deren sich Stoffe ineinander umwandeln lassen, sondern lediglich eine Dimension. Durch blosses Warten vollziehen sich keine chemischen Vorgänge, auch in Jahrmillionen nieht. Wenn aber nach langen Jahren an einem Stoff kleine Veränderungen bemerkt werden, so ist Meht die Zeit dafür verantwortlich zu machen, sondern wir müssen Schliessen, dass an sich unendlich kleine Energiebeträge im Laufe 318 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 dieser langen Zeiten in steter Aufeinanderfolge zu einer Summe an- gewachsen sind, die an ihren Wirkungen sichtbar geworden ist. Je länger die Zeit ist, um eine Umwandlung eben sichtbar werden zu lassen, um so kleiner muss die ursprüngliche Grösse des Energie- betrages angenommen werden, die zur Wirkung gelangt, vorausgesetzt, dass es sich um einen kontinuierlich und gleichmässig verlaufenden Prozess handelt. Die Zeit erlaubt es also schliesslich nur, unmerkliche Wirkungen sichtbar zu machen und ist ein Mittel, mit welchem un- messbar kleine Beträge schliesslich zur Abmessung gelangen können, kurz ein Mass, eine Dimension, auf keinen Fall aber eine Energie. Als Agens der Umwandlung von Pflanzen in Kohle kann daher die Zeit allein auch keine Rolle spielen. Man hat aber in früheren Jahren anders gedacht. Je älter die Kohle war, desto kohlenstoffreicher sollte sie sein, je jünger sie war, desto kohlenstoffärmer. Wir kennen aber zahlreiche Fälle, wo Kohlen von hohem geologischem Alter noch Braunkohlenhabitus zeigen und andererseits relativ sehr jugendliche Kohlen, Steinkohlen oder selbst anthrazitartig werden. SCHUMANN (1894) sagt, es liege kein Grund vor, anzunehmen, dass die Stein- kohle ihre besondere physikalische Eigentümlichkeit erst durch das hohe Alter gewonnen hätte. Im Gegenteil haben wir einen sehr klaren Beweis, dass die Steinkohle von Anfang an als solche gebildet worden ist. „Unter den Konglomeraten, nämlich den oberen Karbon- schichten, finden sich zuweilen auch Kohlentrümmer eingebettet, und diese zeigen, obschon sie ganz andern Bedingungen ausgesetzt ge wesen sind, als die Flöze, doch stets die charakteristische Natur der Flözkohle. Ausserdem spricht der Umstand gegen eine solche all- mähliche Metamorphose, dass es ältere Kohlen aus der mesozoischen Zeit gibt, die physikalischen Braunkohlen gleichen und wiederum ganz junge Kohlen, welche gewissen Steinkohlen täuschend ähnlich sehen. Welche Faktoren aber mitwirken, um den Kohlen ihre eigen- tümliche Natur aufzuprägen, wissen wir nicht“ (121,557). Die Temperaturfrage. Wenn nun bei der Kohlenbildung eine Destillation (gleich welcher Art) stattgefunden hat, so werden wir uns endlich der Frage zuzu wenden haben, ob denn hier auch Wärmeeinflüsse mit im Spiele 9% wesen seien und wie sich hier die Verhältnisse darstellen im Ver gleich zu den Temperaturverhältnissen im Heustock. Über die letztere" ist man bis vor kurzem im unklaren gewesen. Es ist charakteristisch, dass selbst RANkE und MiIEHE, die beiden Klassiker der Heubrand- forschung, diesbezüglich ganz gegenseitige Ansichten vertreten konnten. Jahrg. 67. H. Scnwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 319 Das kam so: RAnkE lag das Heubrandproblem eigentlich fern, da er Pathologe war. In der Nähe Münchens, seinem Wirkungsort, besass er ein Landgut, auf dem ihm einmal ein Heuhaufen von 450 Ztr. verkohlte. Der Fall erregte seinen Naturforschersinn dermassen, dass die zur Feststellung der Ursache in Angriff genommenen Experi- mente 1873 eine Studie entstehen liessen, die in der Literatur einzig dasteht und heute noch, nach bald 50 Jahren, für die Heubrand- forschung Wert besitzt. Aus seinen Beobachtungen schloss RANKE u.a, dass im Heuhaufen eine Temperatur von etwa 300° geherrscht haben müsse. Als dann Mırues Bakterientheorie Einfluss gewann, wurde man gegen diese hohen Temperaturen skeptisch. Man hielt es für möglich, dass man Temperaturen über 80° in Heustöcken überhaupt nicht finden würde. Man müsse bedenken, sagte MıEHE, dass diese Tem- peratur sehr lange Zeit, monatelang, einwirkt, dass das Heu gewisser- massen trocken destilliert werde und dass deshalb die Verkohlung allein sehr.wohl auch bei dieser Temperatur erfolgen könne. Die Angaben von RankE blieben demnach ein Rätsel. Um Sicherheit zu erhalten, fing man 1917 an, die Temperaturen von Heustöcken in den verschiedenen Stadien zu messen. LAUPPER tat es im Kleinen, anhand von Laboratoriumsversuchen (73, 6-11), TROXLER in Emmenbrücke be- richtete auf Grund seiner praktischen Erfahrungen als Feuerwehr- inspektor, SCHENK in Interlaken und R. Burrı in Bern versuchten es zum erstenmal an Heuhaufen im Grossen. Die Resultate liefen auf die Bestätigung des TroxLerschen Satzes hinaus: „Zeigt bei der Mes- sung der Temperatur eines Heu- oder Emdstockes das Thermometer 80-100° C, so ist grösste Gefahr im Anzug, denn die Temperatur kann jetzt sprungweise von 100 auf 200 oder 300° steigen und der leiseste Luftzug kann genügen, um die Selbstentflammung herbeizu- führen“ (74, 12). Wie steht es nun damit bei den Naturkohlen? In allerneuester Zeit haben sich die Stimmen nach erneuter Diskussion der Tempe- Taturfrage gemehrt und so sei uns denn gestattet, die Gründe, die für und gegen die Annahme einer Mitwirkung von Wärmeeinflüssen auch bei der Bildung von fossilen Kohlen sprechen, zusammenzustellen und gegeneinander abzuwägen, zumal ja auch in der neueren Lite- ratur weder eine vergleichende und kritische Darstellung von Gründen und Gegengründen, noch eine Zusammenfassung dieser Ansichten, ge- funden werden kann. i Bekanntlich pflegte sich der Begriff der „Destillation“ früher, wenn immer die Rede von Kohlenbildung war, an den der Gasver- 320 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 kokung zu knüpfen, weil diese als das klassische Vorbild der trok- kenen Destillation galt. Wir sind heute darüber hinaus. Um so hohe Temperaturen, wie bei der Gasverkokung, kann es sich im natür- lichen Kohlenbildungsprozess nie gehandelt haben, denn Temperaturen von 1000° würden von der Kohle nichts übrig gelassen haben als Koks, amorphen Kohlenstoff, Graphit oder irgend sonst einen ausser- ordentlich stabilen Kohlenstoffkörper. Unsere Steinkohlen sind aber Gemische von zum Teil so empfindlichen Substanzen, dass Tempe- raturen von weit über 300° als beinahe ausgeschlossen zu gelten haben. Man hat versucht, dem bei der natürlichen Kohlenbildung seiner- zeit herrschenden Temperaturgrad durch Errechnung beizukommen. J. F. Horrmann (1902) hat keine Mühe gescheut, diese Rechnung so genau wie möglich zu gestalten und alle möglichen Faktoren und Einzelheiten mit zu berücksichtigen. Ein Auftrag zur experimentellen Bearbeitung eines von gerichtlicher Seite gewünschten Gutachtens hatte es ihm ermöglicht, sich zuvor mit den Erscheinungen einer Selbstentzündung von pflanzlichen Nähr- und Futterstoffen (61) ver- traut zu machen. Und da seiner Ansicht nach die Haupteigentüm- lichkeit dieser Vorgänge in der Abscheidung von Kohle unter Wärme- entwicklung besteht, so lag es für ihn nahe, zu versuchen, die künst- liche und natürliche Kohlenbildung mit diesen Wärmeentwicklungen in Zusammenhang zu bringen. Er versuchte die Wärmemengen, welche sich beim einfachen Zerfall der Bestandteile des Pflanzenkörpers in Kohle und Wasser bilden, auf Grund thermischer Gleichungen so genau wie möglich zu berechnen, um sich eine Vorstellung machen zu können, welche Temperaturen bei der Entstehung der Steinkohle wohl geherrscht haben mögen. HorFManN fand, dass die Abscheidung von Kohle aus den Bestandteilen der Pflanzen (Kohlenhydrate, Fett, Eiweiss, Harz und Wachs) mit Wärmeabgabe verbunden ist, welche das restierende Material bis auf 900° zu erhitzen vermag, eine Tem- peratur, die noch höher wird, wenn man in Betracht zieht, dass die entwickelten Gase (Methan und Kohlensäure) im Kohlengestein unter Druck gestanden haben. HoFFMann ist deshalb der Ansicht, dass die Bil- dung der Steinkohle nicht im Verlauf vieler Jahrtausende, sondern im Gegenteil innerhalb sehr kurzer Zeiten stattgefunden haben müsse. Es will mir aber scheinen, dass HoFFMAaNnN einer intuitiven Schätzung mehr Ver- trauen entgegenbrachte, als er für die Methode der thermochemischen Be- rechnung aufzubringen vermochte, denn nicht nur unterzieht er seine Rechnungen einer Reihe von Korrekturen, auf die wir gleich noch zu sprechen kommen werden, sondern er gibt auch weiter an, dass „die Tem- Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 321 peratur, bei welcher die Verkohlung eintrat, auf etwa 130° Cels. (62,551) zu schätzen sei“. DonAtH (1905), ebenfalls ein Befürworter einer hohen Temperatur bei der Steinkohlenbildung, sagt, ohne sich. auf irgendwelche Berechnungen zu stützen, dass eine nicht wesentlich höhere Temperatur als gegen 250 ° C angenommen zu werden brauche. Eine weitere Berechnung auf etwas anderem Wege stammt von F. BER- us (1913). Nach seinen Berechnungen (3) würde sich Zellulose, bei der Zerfallsreaktion, wenn keine Wärme abgeleitet wird, um 1180 erwärmen. Er benützt das Nernstsche Theorem, um zu beweisen, dass die Zellulose ein Körper ist, dessen Zerfall schon bei gewöhn- licher Zimmertemperatur vor sich geht, natürlich nur viel langsamer, als bei hoher Temperatur. Setzt er in die Nernstsche Formel für die Temperatur den Wert von 10° C ein, so lasse sich daraus das Alter einer Fettkohle mit 82—83°/o C zu etwa 7—8 Millionen Jahren be- stimmen. Da diese Zahl mit der Annahme der Geologen über das Alter mesozoischer Schichten zufällig übereinstimmt, so hält er Tem- peraturen wesentlich über 10°C bei der Kohlenbildung für unwahr- scheinlich ! Diese Temperatur ist unwahrscheinlich, denn schon als Durch- schnittstemperatur der Luft eines subtropischen Klimas mit ewigem ommer — das Karbon kennt keine Jahreszeiten, was man aus dem Fehlen der Jahresringe bei den Bäumen schliessen muss — ist sie sicher zu niedrig gegriffen, ganz abgesehen von der gewiss auch nach aussen sich geltend machenden Temperatur im Innern der Erde, die doch ebenfalls höher sein musste, als sie jetzt ist, wenn man bedenkt, dass Mutter Erde in dem jugendlichen Alter von damals noch mit ganz anderen thermischen Kräften ausgerüstet war, als heute. Die auf das produktive Karbon folgende Epoche des Perm war ja eine Zeit aufs höchste gesteigerter, vulkanischer Tätigkeit. Gewaltige Um- wälzungen traten auf einem grossen Teil der Erde ein, sodass an den meisten Stellen die nächst jüngeren Ablagerungen ungleichförmig auf em karbonischen Gestein aufruhen. Die gleiche Aufeinanderfolge von »Kohlenablagerung“ und „vulkanischer Tätigkeit“ treffen wir wieder In der Braunkohlenzeit, auch sie war eine Zeit starker Erdunruhen. Man kann nicht glauben, dass diese Zusammenhänge zwischen Kohlen- bildungen und Bewegungen der Erdrinde auf Zufall beruhen, und es liegt der Gedanke nahe, dass die Kräfte, die solche Bewegungen aus- lösten, einen mächtigen Impuls auf die Entwicklung und Entstehung der Kohlen ausgeübt haben müssen. Die Annahme einer so niedrigen Temperatur und folglich einer so gleichmässigen, ungeheuer langen Entwicklung besitzt an und für sich sehr wenig Wahrscheinlichkeit. Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 67. 1922. 21 322 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Denn die Tatsachen der biologischen Wissenschaften bilden eine un- unterbrochene Beweisreihe dafür, dass das biologische Geschehen in der Natur sprungweise geschieht oder besser gesagt, von einem pe- riodischen Rhythmus durehpulst wird, der zum Naturgesetz wird, dem- gegenüber die von BERGIUS angenommene mathematisch stetige Jahr- millionen dauernde Entwicklung der Kohle als ein Ausnahmefall er- scheinen muss, dem nur wenig Wahrscheinlichkeit zukommt. Wenn zwischen Schätzung und Berechnung der Wärme- grade so grosse Unterschiede auftreten,. so erklären sie sich nach HoFFMANN durch das Vorkommen von hochmolekularen endother- men Verbindungen in den Steinkohlen, das sind Verbindungen die unter grosser Wärmebindung entstehen. Ein chemischer Satz lehrt, dass Temperaturerhöhung das mit Wärmebindung gebildete System befördert. Es ist also anzunehmen, dass sich diese Verbindungen bei höherer Temperatur gebildet haben, da sie als endotherme Ver- bindungen ohne Wärmezufuhr gar nicht hätten entstehen können. So erklärt sich auch, dass in Wirklichkeit die berechneten Tempe- ratursteigerungen nie den theoretischen Wert erreichen können, weil sekundär stark endotherme Verbindungen entstehen, welche immer einen Teil der entstandenen Wärme für ihre Bildung beanspruchen. Einer ähnlichen Deduktion bedient sich DonATH (22) zur Begrün- dung der Mitwirkung höherer Temperaturen. Er hat beim Extrahieren von Rossitzer und Östrauer Steinkohlen mit Pyridin, Schwefelkohlen- stoff und Chloroform in diesen Extrakten Anthrazen und Chrysen gefunden. Nun bedürfen aber mehrringige Kohlenwasserstoffe der aro- matischen Reihe im allgemeinen zu ihrer Bildung höherer Tempera- turen. Es ist zwar wohlbekannt, dass sie auch bisweilen in Natur- produkten vorkommen, bei deren Bildung also höhere Temperaturen nicht in Betracht gezogen werden können. So ist z. B. Reten nicht nur im Teer harzreicher Nadelhölzer (also bei höherer Temperatur!), sondern auch in verschiedenen Erdharzen, so im Fichtelit, aus einem Torflager in Bayern, ferner in einem Harz aus Kiefern eines Braun- kohlenlagers (Scheererit) und in anderen ähnlichen Produkten gefunden worden. Anthrazen aber scheint bisher in keinem andern Natur- produkt gefunden worden zu sein und es entbehrt mithin die Mög- lichkeit der Bildung von Anthracen bei gewöhnlicher Temperatur der Wahrscheinlichkeit. Da man auch die für dasselbe bekannte Syn thetische Bildungsweise in der Steinkohle nicht annehmen kann, 80 schliesst Doxaru aus dem Vorhandensein von Anthrazen und Chrysen in den schwefelkohlenstoff- und chloroformlöslichen Bestandteilen Jahrg. 67. H. Scuwarz u. G. LAuPPER. Von der Heukohle zur Naturkohle. 393 dieser Kohlen, dass bei deren Bildung auch höhere Temperatur mitgewirkt haben muss. Werden Steinkohlen mit Benzol extrahiert, so ist dieser Auszug optisch aktiv. Werden aber die gleichen Stoffe durch Vakuum- extraktion aus der Kohle extrahiert, wozu eine Temperatur von 450° unbedingt nötig ist, so bleibt nach Beobachtungen von PicTET in Genf (1911—15) die optische Aktivität aus. PıcTET schliesst daraus, dass die für die Vakuumdestillation nötige Temperatur von 450° genügen müsse, um die Drehung der Kohlenprodukte zu zerstören, und er sieht in der Tatsache, dass optisch aktive Produkte aus der Kohle isoliert werden können, einen Beweis, dass die Kohle bei ihrer Ent- stehung keine solchen Temperaturen erlebt haben könne (104). Später aber haben FiscHER und GLuup (1917) zeigen können, dass bei den Produkten der Tieftemperaturverkohlung und auch beim Steinkohlen- generatorteer — beides Produkte, bei deren Erzeugung 450° wesent- lieh überschritten werden — die optische Aktivität erhalten bleibt, wenn nicht Racemisierung eintritt, wie das bei Pıcter der Fall gewesen zu sein scheint. Damit verliert die Grundlage, womit PicTET auf die Entstehungsgeschichte der Kohlen rückschliesst, ihre bewei- sende Kraft, aber es ist natürlich nicht gesagt, dass es wahrschein- licher wäre, dass die Kohle jemals im Erdinnern Temperaturen von solcher Hitze ausgesetzt war (41). Einen weiteren Grund für die Mitwirkung höherer Temperaturen sieht HoFFMmann (62) in der grossen Trockenheit der Steinkohle. Seine Ansicht geht dahin, dass auch der stärkste Sedimentdruck nicht im- stande sein kann, die organischen Reste bis zu der gegenwärtigen Trockenheit zu entwässern, die am besten die Tatsache kennzeichne, dass in den Kohlengruben Staubexplosionen auftreten, die man durch Zufuhr von viel Wasser zu verhindern suche. Es muss also inten- sive Wärme mitgewirkt haben. Die Tatsache, dass es nur bei höheren Temperaturen gelungen ist, Substanzen herzustellen, die man als künstliche Kohlen bezeichnen kann, ist kein Beweis dafür, dass die natürlichen Vorgänge bei diesen Temperaturen stattgefunden haben, wenn sie auch die Wahrschein- lichkeit der gemachten Annahmen erhöhen. Es muss ferner angenommen werden, dass, abgesehen von rein chemischen Vorgängen, in der Muttersubstanz der Kohle auch dy- Namische Vorgänge geologischer Art Wärme geliefert haben. Störungen in den Kohlenflözen bemerkt man denn in der Tat auch In ganz ungewöhnlichem Masse. P. Kukuk (72) hebt hervor, dass die Steinkohlenfelder Europas teils am Aussensaum eines mächtigen 324 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 mitteleuropäischen Gebirges (des sog. amorikanisch-variskischen Ge- birges) liegen und dass aus allen andern grossen Kohlenrevieren ähn- liche Tatsachen bekannt seien, was darauf schliessen lasse, dass ein innerer Zusammenhang zwischen Kohlenbildung und Gebirgsfaltung bestehen müsse. Aber nicht nur die Steinkohlen, sondern auch die Braunkohlen finden sich durchwegs in Anlehnung an grössere Gebirgs- züge, selten im Innern von Gebirgen. Für die Mitwirkung von Hitze hat man früher schon in dem Verhalten der geothermischen Tiefenstufe im Kohlengebirge einen Beweis finden wollen. Poronıt (108, ı0s) hat diese Ansicht ver- worfen. Er hebt hervor, dass eine irgendwie bemerkenswerte Selbst- erwärmung beim Prozess der Inkohlung nicht zu bemerken sei, weder in rezentem Torf, noch in Braun- und Steinkohlenlagern. Nach ihm sind gegenteilige Beobachtungen auf die sog. „Brühwärme“ zu er- klären, die entsteht, wenn Luft in Berührung mit Kohlen kommt. Die Luft oxydiert die Kohlen und entwickelt hierbei Wärme. Diese Brühwärme ist vom Zutritt der Luft abhängig und kann daher nur in der Nähe der Erdoberfläche oder an solchen Stellen auftreten, wie z. B. in Abbauen, nicht aber in unverletzten Flözen der Tiefe. Ein- gehende Untersuchungen über die „Eigenwärme* der Flöze hat in neuerer Zeit (1917) HeımuaLr von Hörer (58) veröffentlicht. Er hat in den Kohlenbecken Oesterreichs umfangreiche Messungen der geothermalen Verhältnisse vorgenommen, die ergaben, dass die Braun- kohlenflöze bedeutend wärmer sind als die der Steinkohle. Nach ihm betrug die durchschnittliche geothermische Tiefenstufe im Starken- auer Braunkohlenbecken in Böhmen 12,26 m, in der Nähe des Lignitz- flözes dort sogar nur 5,03 m (statt wie gewöhnlich 30 m per 1°): Ausserdem ergibt sich, dass C-ärmere (meist jüngere) Steinkohlen- flöze mehr Eigenwärme besitzen als C-reichere (ältere), dass also im grossen und ganzen die Energie des Kohlenvorganges mit dem Fort- schreiten der Inkohlung (zum Teil also mit dem Flözalter) abnimmt (siehe auch 87). Beispiele von Metamorphosen des Kohlengesteins durch erup- tive Einflüsse mit sichtbaren Wärmewirkungen finden sich in jedem Lehrbuch der Geologie. Wie bekannt, wurden von erup- tiven und vulkanischen Ausbrüchen nur die unmittelbar im Kontakt befindlichen Steine in Mitleidenschaft gezogen und mehr oder weniger verändert. Da nun die Kohlenfelder ganz enorme Flächen einnahmen, auf die im grossen und ganzen die vulkanischen zum Ausbruch kom- menden Gesteinsmagmen keinen Einfluss ausüben, so wird man mit A. F. Stan (1905) (128) daraus schliessen dürfen, dass sie also auch Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 325 keine Destillation verursacht haben konnten. Eine Erhitzung so grosser Flächen konnte nur durch exotherme Wärme in Verbindung mit der Erdwärme erfolgt sein. In allerneuester Zeit (1921) hat ERDMANN (34) mit nicht misszuverstehender Deutlichkeit seiner Überzeugung Ausdruck gegeben, dass die wesentlichen Unterscheidungs- merkmale der Humuskohlen aus der Tertiärzeit und demKarbon weder durchVerschiedenheit des Pflanzen- materiales noch durch die Zeit, wohl aber durch den höheren Druck und vor allem durch die höhere Tempe- ratur, durch dieErdwärme bedingt wird. „Die Berücksich- tigung der grösseren Erdwärme infolge Überdeckung durch die jünge- ren geologischen Schichten hat in jüngster Zeit volle Aufklärung der Rätsel gebracht, die für den Aufbau der Kalisalzlager und die „Para- genese“ der Zechsteinsalze nach den vant Horrschen Untersuchungen noch bestanden. Wenn für das Einsinken der Salzlager der Zech- steinzeit eine Tiefe von 5000—6000 m und dementsprechend — bei Annahme der geothermischen Tiefenstufe von 3° für 100 m — eine Temperatur von etwa 180° festgestellt werden konnte, so muss für die Karbonzeit in der Regel eine weit höhere Über- lagerung und daher eine Temperatur zwischen 200 und 300° in Betracht kommen, während die tertiäre Braunkohle höchstens wohl mit 250 m Gesteinsschichten überdeckt und daher einer höheren Erwärmung nicht ausgesetzt gewesen ist.“ Weichwerden der Kohlenmasse. Als der Erste, der erkannte, dass bei der Steinkohlenbildung nicht nur eine Vertorfung oder Huminifikation stattgefunden hat, sondern dass auch durch die Druckdestillation eine Erweichung der ent- stehenden Kohlenmasse erfolgen musste, ist A. PETZHOLDT zu betrach- ten. Er hat schon im Jahre 1841 eine Schrift „Über Kalamiten und Steinkohlenbildung“ veröffentlicht, die aus der Literatur verschwunden zu sein scheint. Zufällig besitzen wir in unserer Zentralbibliothek ein Exemplar dieses - interessanten Büchleins. Der Verfasser teilt darin mit, „dass es weiter nichts als die deutsche Bearbeitung des- selben Gegenstandes sei, den er seinerselbst und seines wissenschaft- liehen Interesses wegen anfangs nur den Fachgelehrten mitzuteilen beabsichtigte, weshalb er auch den Vorläufer dieser deutschen Arbeit in lateinischer Sprache geschrieben habe.') Es ist dieses Büchlein von 68 Seiten auch deshalb von Interesse, weil DonaTH und LISSNER (1921) nn ') De Calamitis et Lithanthraeibus libros duos seripsit Dr. A. PETzuoLoT 1841. 326 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 192 in ihrer Schrift „Kohle und Erdöl“ (26) die Priorität der PETZHOLDT- schen Ansichten — wohl irrtümlich — RemscH zuschreiben, der 40 Jahre später (1881) in einer im Buchhandel ebenfalls vergriffenen Broschüre mit dem genau gleichen Titel (113) Ansichtenausgesprochen haben soll, die wir — abgesehen von einigen stilistisch altertümlich anmutenden Auslassungen — wörtlich genau in obiger Arbeit Perz- HoLDTs aus dem Jahre 1841 wiedergefunden haben (100, 1:1). Wir werden nach Schilderung der PrrzuoLprschen Versuche den genauen Wortlaut seiner Schlussfolgerungen im Original folgen lassen. Zu seinen Versuchen liess sich PETZHOLDT zwei gusseiserne (Schmiedeisen fand er wegen der grossen Verwandtschaft des Fe zu C zu seinem Zwecke untauglich) Büchsen anfertigen und zwar von einer solchen Wandstärke, dass das Volumen der dazu verwendeten Eisenmasse das der in den Büchsen enthaltenen Höhlung 8 mal übertraf. Zur . Versuchsreihe: wurden die Büchsen mit einem Stück Holz (Weissbuche) vollständig ausgefüllt und nach sorgfältigem Verschliessen in einem Schmiedefeuer bis zur Dunkelrotglut erhitzt: als dermassen stark zeigte, dass die Deckelschrauben entweder gedehnt oder zerrissen wurden. Beim Öffnen der Büchsen blieb eine schwarze glänzende, geschmolzene, mit unzähligen grossen und kleinen Blasenräumen erfüllte Masse zurück, die etwas spezi- fisch leichter als Wasser, nur selten hin und wieder Spuren von organischer Holz- struktur zeigte, mit geringem Gehalt von Teer und Kohlenwasserstoff. 2. Versuchsreihe: Die ersten Versuche wurden so abgeändert, dass die sich entwickelnden Zer- setzungsprodukte mit noch stärkerer Gewalt zurückgehalten wurden, jedoch ohne von Schrauben abhängig zu sein. Es wurden zwei Büchsen, gefüllt wie oben und mit den Deckeln gegeneinander, zwischen schwere Eisenplatten geklemmt in die Erde verkeilt, derart, dass bei der Erhitzung des Ganzen durch untergelegtes Feuer die Ausdehnung des Schmiedeeisens zu noch festerem Verschlusse der Büchse aus genützt wurde. Versuch nur einmal gemacht, weil vollständig gelungen. Ergebnis: Eine schwarze, weniger glänzende, sehr vollkommen geschmolzene Masse, die fasl nur den halben Raum einnahm, welchen das Holz erfüllt hatte, nur sehr kleine Blasenräume enthaltend, mit spezifischem Gewicht von 1,18 und von aller organischen Struktur entblösst. Durchaus übereinstimmend mit Steinkohle, weil bei der trockenen Destillation des Produktes eine grosse Menge von Kohlenwasserstoff abgeschieden werden konnte, die angezündet mit sehr leuchtender und glänzender Flamme brannig- 3. Versuchsreihe: j Im Bemühen, ein unter allen Umständen fest verschlossenes Gefäss zu erhalte, in welchem die Zersetzung des Holzes vorgenommen werden konnte, versuchte €® PETZHOLDT durch einfaches Umgiessen von Holz mit flüssigem Eisen. Der Erfolg blieb aber weit hinter den Erwartungen zurück, weil trotz 20 und mehrmaliger Wieder- holung die Zersetzung des Holzes allemal zu einer Zeit schon begann, bevor noc Jahrg. 67. H. Scuwarz u. G. LAuppEr. Von der Heukohle zur Naturkohle. 397 das Eisen vollständig erstarrt war. Es resultierte stets eine einfache Holzkohle mit erhaltener, organischer Struktur, Jahrringe und Zellen noch sichtbar, ohne Gase und ohne Bitumen, Für PETZHOLDT war damit der Beweis erbracht, „dass, wenn bei der Verkohlung von Holz die gasförmigen und tropfbar flüssigen Zersetzungsprodukte zurückgehalten werden, die Masse weich wird und schmilzt, wobei jegliche organische Textur verschwindet und ein der Steinkohle ähnliches Produkt zum Vorschein kommt.“ „Dass die Steinkohle einst weich und flüssig war, wird zunächst durch ihren muscheligen Bruch bewiesen, der oft so deutlich ist, dass nicht selten Laien und Gelehrte meinen, ein Stück Holz vor sich zu haben, an welchem man die Jahrringe deutlich bemerken könne. Und wirklich ist diese Ähnlichkeit mit Holz bisweilen so gross, dass wir selbst öfters getäuscht und veranlasst wurden, an solchen Exemplaren unter dem Mikroskop nach erhaltener organischer Struktur zu forschen, was aber stets vergeblich war. Aber dieser muschelige Bruch ist in nichts anderem begründet, als in den physikalischen Gesetzen, nach welchen fast alle Körper, welche ohne zu kristallisieren aus dem flüssigen Zustand in den festen übergingen, dieselbe Erscheinung an sich be- merken lassen. Man sieht das deutlich an der ganzen Klasse der Harze und Wachse, am Feuerstein, am Obsidian, am Glase und an anderen mehr. Ja selbst an ungleichartig zusammengesetzten Mine- ralien, an den Gebirgsarten kann man diesen muscheligen Bruch beobachten, wenn dieselben sehr feinkörnig sind, wie zum Beispiel an mehreren Arten des Kalkmergels. Alle die genannten Körper waren aber, ehe sie hart wurden, in dem Zustand der Weichheit und Flüssig- keit und niemandem würde es einfallen, in dem muscheligen Bruche derselben Jahrringe erblicken oder in ihnen organische Struktur auf- finden zu wollen. Jeder findet den Grund dieser Erscheinung mit Recht in dem früheren flüssigen Zustande, warum also nicht dasselbe Verhältnis auch bei den Steinkohlen annehmen? Wir sind der be- Stimmten Meinung, ‘dass der muschelige Bruch der Steinkohle der stärkste Beweis ihrer einstigen Flüssigkeit ist, zumal da dieser Bruch fast überall gefunden wird, obwohl selten von solcher Vollkommheit wie bei der Kannelkohle, bei der Pechkohle und bei einigen Abänderungen des Kohlenschiefers “. An Druckdestillation bei der Steinkohle hat auch v. GÜMBEL 1881 schon gedacht. Er erklärte die Verschiedenartigkeit der äusseren Be- schaffenheit der Steinkohle dadurch, dass die Steinkohlenflöze nicht eine einheitlich unter hohem Drucke starke Masse darstellen, sondern dass vorüber gehendeine Erweichungodergar Verflüssigung stattgefunden 328 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 hat, aus der die Kohlen dann die Substanzen von glänzender Ober- fläche, muscheligen Bruch usw. in ähnlicher Weise erstarkt sind, wie es bei künstlichen Pechen der Fall ist. Die Entstehung der Kohle wäre dann in gewissem Sinne analog der Bitumenbildung im Erdöl, Erdpech oder Asphalt. In neuerer Zeit spricht sich auch Schuster (1912) zu gunsten einer Verflüssigung. der Kohle aus, indem er bemerkt, dass es sich bei den Steinkohlen nicht bloss um starre, durch grossen Druck homo- gen gemachte Massen, sondern auch um gewisse, in verschiedenem Grade der Erweichung befindliche Bestandteile handelt (122). 1914 ist uns in E. Doxatk (Brünn) ein weiterer energischer und erfolgreicher Verfechter der Ansicht vom Kohlungsprezess als einer Art Druckdestillation erstanden. Auf Grund einer eingehenden Untersuchung der Rossitzerkohle, einer leicht zerreiblichen Kohle, die bei vor- sichtigem Erhitzen im Probierröhrchen fast schmilzt, bevor noch eine tiefere Zersetzung eingetreten ist, kommt DonATH zu folgender An- schauung über den Hergang der chemischen Zersetzung: „Zunächst kommt bei verhältnismässig niedriger Temperatur ein Gemisch von Körpern zum völligen Schmelzen, die aus den Abbaustoffen der har- zigen und fettigen Bestandteile des Urmaterials sowie aus gewissen durchspätere Polymerisation pechartiggewordenen Produkten der Druck- destillation bestehen. Diese bei Beginn der Erhitzung bald schmelzenden Körper zersetzen sich ohne Zurücklassen eines kohligen Rückstandes- Die Zersetzungsprodukte wirken auf die Abbaustoffe der Zellulose als Hauptbestandteil der Kohle, sowie der der Proteinstoffe, chemisch ein, sie gewissermassen zu einer kohlenartigen Verbindung oder zu einem mehr homogenen Gemisch von Verbindungen verkittend. Bei höherer Tempe- ratur kommen auch die Abbauprodukte der Proteinstoffe zum völligen Erweichen, wobei die Schmelzen abermals verkittend einwirken und geben bei der späteren völligen Entgasung die feuerbeständigen sch wefel- und stiekstoffhaltigen Verbindungen, die in jedem Koks anzutreffen sind und deren nähere Zusammensetzung derzeit völlig unbekannt ist (23, sossı). „Bei der Steinkohlenbildung haben höhere Temperatur und Druck mitgespielt, es hat gewissermassen eine Druckdestillation stattgefun- den“ (25, ıo:). „Dass in manchen Braunkohlenlagern nicht unbeträcht- liche Mengen öliger Ausschwitzungen aus den Spalten des Materials beobachtet werden, zeigt, dass der Inkohlungsvorgang eine Art Druck- destillation ist. Noch viel zahlreicher und häufiger sind in Steinkohlen- lagern die Beobachtungen, die darauf schliessen lassen, dass in aus gedehntem Masse der Kohlungsprozess auf einen unmittelbar dureh Jahrg. 67. H. Scuwarz u. G. LauppEr. Von der Heukohle zur Naturkohle. 329 Druck beziehungsweise ‚Reibung und mittelbar durch Reibungswärme oder auch vielleicht durch die innere Verbrennung der organischen Substanz entwickelten Wärme eingetretenen Destillationsprozess, dessen gasige Produkte teils entweichen konnten, teils aber von den Materia- lien in verschiedener: Weise eingeschlossen gehalten wurden, zurück- geführt werden müssen,“ „Die Steinkohlenbildung erfolgte im allgemeinen in zwei Phasen: der Vertorfung oder Huminifikation, sodann der Verkohlung oder Karbonifikation, die wohl den grösseren Teil der zur Bildung notwen- digen Zeit in Anspruch nahm und in manchen wenigen Fällen, in denen besondere geologische Bedingungen das möglich machten, in einer schwachen trockenen Destillation und nachträglichen Veränderung der entstandenen, sekundären Produkte, was ich als Bituminifikation bezeichnen möchte“ (19, 49). Die gasförmigen Destillationsprodukte. Durch die eben entwickelten Anschauungen lässt sich das Ver- schwinden der Huminsäure in der Steinkohle vermittelst Erdwärme leicht erklären. Wir wissen, dass die Huminsäure zwischen 225 und 300° sich zersetzt unter Entwicklung von CO, und CH,, den Gasen, die sich so oft in den Steinkohlenflözen eingeschlossen finden (34, s14). DoNATH teilt mit, dass man die in den Steinkohlen enthaltenen Gase mitunter bis unter einem Druck von über 40 Athm. stehend gefunden habe. Der Grad, bis zu welchem die Kohlen ihre gasförmigen Bestandteile verloren haben, hängt mit dem Maße der Störung zusammen, welche die darüberliegenden Schichten erlitten haben. So sind ungestörte, möglichst noch horizontalgelagerte Teile von Flözen stets gasreicher als gestörte Partien. Bei Faltungen ist zu beobachten, dass die Kohle in der Sattel- linie meistens entgaster ist (Magerkohle), als die Kohle des gleichen Lagers (Fettkohle) und es zeigt sich allgemein, dass die Entstehung von Mager- und Fettkohle wesentlich abhängig ist von dem leichteren oder schwereren Austritt der Gase aus den Schichten und also nur eine Frage der geringeren oder grösseren Durchlässigkeit desd überlieg d Deekmaterials ist. So erfahren wir von STUTZER(134, 202), dass bei Ober- kirchen in Bückeburg das dortige Kohlenflöz entgast und nicht ver- kokbar, sobald poröser Sandstein „Hangendes“ ist, durch den die Gase entweichen konnten. An Stellen wo Schieferton das Flöz bedeckt, ist dasselbe aber gasreich und verkokbar. Es treten an diesen letzteren Stellen zugleich Schlagwetter ein, die charakterisiert sind durch einen Gehalt an schweren Kohlenwasserstoffen (bis zu 38°/o Aethan!). Ganz allgemein lässt sich sagen, dass in abgesunkenen und stark bedeckten 330 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürien. 19% Teilen, im stark zerklüfteten und zersprungenen Gebirge die Kohlen fett, in höherliegenden und weniger bedeckten und in ungestörten Ablagerungen die Kohlen entgast und daher mager sind. Leicht er- klärt sich so der Einfluss der Überlagerung, dessen Regelmässigkeit im sog. Hırrschen Gesetz seinen Ausdruck findet, welches besagt, dass in den meisten grossen Kohlenbecken der Gasgehalt der Flöze vom Liegenden zum Hangenden, zu-, der C-Gehalt abnimmt (134, 200). Sehr schlecht stimmt dazu die Tatsache, dass an andern Orten die Magerkohlen und Anthrazite, nicht die Fettkohlen, die meisten schlagenden Wetter zeigen. Das liesse vielleicht den Schluss zu, dass solche Kohlen, nachdem sie durch Verlust ihres eigenen Bitumens in- folge Entgasung auf obige Weise mager geworden, einem erneuten Ansturm von Gasen und Dämpfen — diesmal vielleicht aus dem Liegend- und Hangendgestein — zum Opfer fielen, deren sie sich nur noch durch Absorbieren entledigen konnten, da die überstehenden Schichten inzwischen für Gase undurchdringlich geworden waren. Hier käme also die Absorptionsfähigkeit der Magerkohlen für fremde Gase als neuer Faktor in Betracht. Bitumengehalt und Absorptionsfähigkeit brauchen nicht parallel zu laufen und man sieht sehr häufig genug, dass die Gase, die bei schlagenden Wettern auftreten, durchaus nicht immer übereinstimmen mit den Gasen, die man beim Vergasen der betreffenden Kohlen erhält (vgl. dazu 86). Bei Graphit, der weder Bi- tumen enthält, noch Absorptionsvermögen für Gase oder Dämpfe besitzt, sind schlagende Wetter wohl unbekannt. Der Einfluss des petrographischen Charakters des Hangenden (79) der Flöze auf die Beschaffenheit der Kohle kann wohl auch durch keine Annahme besser erklärt werden, als durch die einer natürlichen Destillation, aber auch andere Erscheinungen lassen sich zwanglos auf diese Weise erklären, Erscheinungen, die auch beim verkohlten Heuhaufen auftreten. Man hört in landwirtschaftlichen Kreisen oft die Behauptung, dass einer Selbstentzündung eines Heuhaufens immer ein brenzlicher Geruch vorausgehe und schliesst sogar aus dem Fehlen dieses Geruches auf die Unmöglichkeit einer Selbstentzündung als Brandursache. LAUPPER hat gezeigt, dass diese Annahme irrig ist, trotzdem oft bedeutende Mengen Gas produziert werden. Die Erklä- rung liegt darin, dass Kohle eben ein ausgezeichnetes Absorptions- mittel für allerlei Gase ist. Schon SaussurE (1804) fand, dass die Kohle von Eichenholz etwas über das neunfache ihres Volumens al O absorbiert, dagegen 35 Volumen CO, und sogar 90 Volumen NH, aufzunehmen vermag! In nassem Zustande reduziert sich das AbsorP" tionsvermögen auf einen Drittel und ist in diesem Falle gleich der- Jahrg. 67. H. Scuwarz u. G. LAupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 331 jenigen von trockener Tannenholzkohle oder gleich der von Steinkohle gegenüber Sauerstoff. Die Kohle saugt mit Begierde Gase ein. Hat sie eines bis zur Sättigung aufgenommen, so hat sie nach BALTZER noch Absorptionsfähigkeit für andere! Die im erhitzten Heuhaufen entstehenden Gase werden in enormen Mengen festgehalten, unter Druck gesetzt und unter gewissen Bedingungen wieder frei gelassen und zwar oft mit explosiver Gewalt! LAuPpPER hat über einen Brand- fall berichtet (75), wo an der Brandausbruchstelle die längste Zeit „blaue Flammen“ (CO ) herausschlugen, sodass die Zuschauer glaubten, es hätte eine defekte Gasleitung durch den Heustock hindurchgeführt! In einem andern Falle schlugen „blaue Flammen“ in hohen Garben zum Dache hinaus. In beiden Fällen hatten Explosionen — deren Schall durch die Heumassen stets gedämpft ist — den Heustock in zwei Hälften gespalten, kenntlich an einem klaffenden Spalt, der offen- bar den Gasen plötzlich einen Ausweg verschafft hatte. Den Explosionen im Heustock würden in den Kohlenflözen die „schlagenden Wetter“ entsprechen. Wir haben oben gesehen, dass auch schlagende Wetter und Absorptionsfähigkeit bei den Naturkohlen in Zusammenhang stehen. Poroxıt berichtet, dass 1 m? Steinkohle im Maximum ca. 76 m? absorbiertes Gas zu exhalieren vermag (108, 106). Wenn wir erfahren, dhss schon bei der Verwitterung des Torfes Gase in so reichlichen Mengen festgehalten werden, dass sie schlagende Wetter bilden, so brauchen wir also für die Absorptionsfähigkeit kein sehr fortgeschrittenes Kohlenstadium vorauszusetzen. Poroni£ teilt ferner mit, dass gelegentlich Steinkohle beobachtet wird, die allein schon durch ihren Gasgehalt explodiert („Knisterkohle‘“). Wir wissen leider sehr wenig über die Bewegung von Gasen in dickflüssigeren oder halbfesten Medien und wissen nicht, was mit ihnen geschieht, wenn sie gewaltsam in solche Massen hinein- gepresst und dort unter hohem Druck gefangen gehalten werden. Noch wissen wir von Gasen, die im Innern des Mediums selbst sich ent- wickeln, welchem Schicksal sie entgegengehen. Wir hätten dazu aber eine Möglichkeit, die zwar nicht sehr nahe liegt, nämlich beim Stu- dium der sog. plastischen Massen. H. SCHWARZ hat beobachtet, dass beim sog. Kochprozess des Zelluloids, einer wichtigen Operation bei der Fabrikation dieses Materials, Verhältnisse eintreten können, die man mit denen in den Kohlenflözen während des Inkohlungsvorganges vergleichen könnte. Dieses „Kochen“ geschieht in hydraulischen Pres- sen, die nach Belieben geheizt oder gekühlt werden können. Zelluloid st nun eine Masse, die ziemlich leicht Gase zu absorbieren vermag, ”umal wenn sie in einen teigartigen Zustand übergeht, wie dies beim 332 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Erhitzen in solchen Pressen geschieht. Wenn nun der Masse Anilin- farbstoffe beigemischt sind, kann es vorkommen, dass bei zu hoher Temperatur der Presse eine Zersetzung dieser Farbstoffe eintritt. Den Verlauf dieser Zersetzung kann man leider nicht verfolgen, da das Material auch während des Abkühlens unter dem gleichen Druck stehen muss, wie beim Kochen selbst und das Materiel während 6—8 Stunden stets unter Druck bleibt. Eine allfällig eingetretene Zer- setzung entdeckt man erst beim Anschneiden. Das Material ist dann porös, herrührend von den beim Abkühlen erstarrten Gasbläschen, die da am dichtesten beisammen stehen, wo die Hitze am grössten ge- wesen. Diese Erscheinung hat nichts besonderes an sich. Was aber merkwürdig ist und verhältnismässig selten vorkommt, ist, dass bei sehr hochgradiger Zersetzung der fertige, 10—12 cm dicke Zelluloid- block beim ruhigen Liegen auf einem Tisch im Laufe der nächsten 24 — 28 Stunden sich zu einer unförmigen Beule aufbläht (123). Es sind Beulen beobachtet worden von 10 cm Höhe bei einer Hautdicke von 4cm und einem Rauminhalt von 7'/s Litern. Nach und nach be- ginnt die Beule zu runzeln und einzufallen, was immer einige Tage dauert und ein Zeichen ist, dass der Gasdruck wieder abgenommen hat. Wahrscheinlich werden die Gase von der neugebildeten Oberfläche der Beulenwand wieder absorbiert, denn ein-Gasdruck ist beim An- bohren nicht vorhanden, wenngleich die Beule mit CO, angefüllt ist. Wir glauben, dass die Gase durch den starken Druck der Kochpressen im Innern des Mediums auf einen Zustand verdichtet werden, der sich vielleicht am besten mit demjenigen einer gespannten Uhrfeder vergleichen lässt. Die kinetische Energie des Druckes der Pressen muss sich in Form potentieller Energie aufgespeichert haben derart, dass mit einer bestimmten Änderung der Gleichgewichtsbedingungen der Anstoss gegeben war zu einer plötzlichen Rückwandlung dieses Energievorrates in kinetische Form. Die gewaltsam verdichteten Gase, die im Innern dieser plastischen Masse sich vielleicht in einem dem flüssigen ähnlichen oder nahestehenden Zustand befunden haben, konn- ten sich nach Aufheben des Pressedruckes nicht sofort wieder ver- dichten, weil inzwischen die Masse zu grösster Härte erstarrt war und der äussere Druck der Pressen gleichsam in das Innere des Me- diums hineinverlegt worden war. Die Blase hob sich nur ganz all- mählich, weil die Gase dank der Härte und Festigkeit des Materials sich nur langsam entwickeln konnten. Was jeweilen den Anstoss zu solchen Entspannungen geben mag, ist sehr schwer zu sagen, denn „glücklicherweise“ — vom wissenschaftlichen Standpunkt aus „leider“ — kommen solche Fälle im Betrieb sehr selten vor. Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 333 Für den Verlauf des Destillationsprozesses bei der Entstehung der Kohle ist PErzHoLpr (1841) von ähnlichen Betrachtungen ausge- gangen. Er schreibt in seinem schon erwähnten Lehrbuch der Geo- logie (101, 3») z. B. folgendes: „Die so enstandenen gasförmigen Pro- dukte scheinen sich aber nur teilweise bis auf unsere Zeit in Spalten und Höhlen der Kohlenmasse erhalten zu haben. Ein anderer Teil dürfte unter diesem Drucke während so langer Zeitdauer tropfbar flüssige oder feste Gestalt angenommen haben und der Kohlenmasse aufs innigste unmittelbar beigemengt worden sein. .... Der tropf- bar flüssige, wieder festgewordene Teil dieser anfänglich gasförmigen Zersetzungsprodukte aber muss der Kohle das Gepräge des homogenen und dichten in einem noch weit höheren Grade aufdrücken und scheint bei Begutachtung der Steinkohlen von ganz besonderer Wichtigkeit zu sein“. Der belgische Bergingenieur ArnouLD (134, ı7) war ebenfalls der Ansicht, „dass das Grubengas an solchen Stellen. wo irgend welche Umstände es vom Augenblicke seiner Bildung an verhinderten, durch die einschliessenden Gebirgsschichten zu entweichen, sich in den Poren der Kohlen bis zum flüssigen oder selbst bis zum festen Aggregat- zustand verdichten konnten.“ SCHAUSTEN hat demgegenüber einge- wendet, dass die kritische Temperatur des Grubengases —39” € beträgt, wodurch ein flüssiger Zustand des Grubengases im Kohlenflöz aus- geschlossen sei. Das in der Kohle enthaltene Gas müsse daher im gasförmigen Zustande komprimiert sein. Da also ganz ähnliche Verhältnisse beim natürlichen Inkohlungs- Prozess vorliegen, so ist auch hier die Möglichkeit einer Blasenbildung ins Auge zu fassen. Bisher ist das plötzliche Freiwerden der Gase bei Heu- bränden noch rätselhaft geblieben. Rıchter (115) hatte schon 1870 ge- funden, dass eine mit Kohlensäure gesättigte Kohle ihre Kohlensäure beim Verweilen im luftverdünnten Raum, also bei Druckverminderung zum grössten Teil wieder abgibt. In Bergwerken hat man gleiche Beob- achtungen gemacht. STUTZER sagt (134, 177), dass in Kohlenbergwerken der jeweilige Barometerstand das Auftreten des Grubengases beeinflusst. Nimmt der Luftdruck ab, so entweicht in grösserer Menge Grubengas. Das umgekehrte tritt bei steigendem Luftdruck ein. Auch die Tempe- ratur hat Einfluss, denn die Grubengase treten stärker in der warmen, als in der kalten Jahreszeit auf. Vielleicht handelt es sich beim Heu- stock um ein Zusammenwirken beider Faktoren. Es ist möglich, dass im Augenblick, wo ein Brandkanal sich nach aussen Luft verschafft, atmosphärischer Sauerstoff eingesogen wird, infolge gesteigerter Ab- 334 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 sorptionsfähigkeit für dieses neue, im Heustock bis dahin nicht vor- handengewesene Gas. RICHTER hat festgestellt, dass Steinkohle nach Aufnahme von 3 Vol. O auf 100° erhitzt wird. Eine solche Steigerung wird auch beim Heustock die ohnehin schon hohe Temperatur rasch in die Nähe des kritischen Punktes (ca. 300°) bringen und dort die Entzündung von Gasgemischen herbeiführen, die Explosionen zur Folge haben. Bekanntlich kann beispielsweise die Vereinigung von CO, und C und im Sinne der Gleichung C0,--C = 2CO unter günstigen Um- ständen bei höherer Temperatur, Feuchtigkeit und Druck eine grosse Explosionsgeschwindigkeit erreichen. Auch Materialverkleinerung wirkt befördernd auf die Abgabe der Gase, ebenso wenn durch irgend welche Umstände der Kohlenstaub mit Wasser befeuchtet wird, zum Beispiel durch Regen bei offener Luke, d.h. also gerade dort, wo der Kohlen- staub sich anzuhäufen pflegt. Das Ausströmen der Gase aus den Kohlen kann in dreierlei Formen erfolgen (134,17). Unter gewöhnlichen Umständen ist das Gas innig in der Kohle eingeschlossen. Beim Fortschreiten des Abbaues wird es alsdann frei und dringt gleichmässig aus Poren und Rissen aus der Kohle hervor, ohne besonders gefährlich zu sein. Dieser Fall hat sein Gegenstück in demjenigen Stadium des Heustockes, wo ein Abdecken der obersten Schichten ein gleichmässiges Austreten von Dämpfen und Gasen zur Folge hat. Man sagt, der Heustock „dampft“. Es kann das Gas aber auch aus irgendwelchen grösseren Hohl- räumen, Spalten oder Kanälen austreten. Schlägt man einen solchen Hohlraum oder die Verbindung mit einem solchen an, so strömt: das Gas aus dieser Öffnung aus und es entsteht ein „Bläser“. Die Dauer eines solchen richtet sich ganz nach der Menge des aufge- speicherten Gases. Er kann tagelang, aber auch jahrelang andauern. Dieses Vorkommen ist seltener, aber auch gefährlicher. So auch beim Heustock. Die Hohlräume der Bläser finden hier vielleicht in den. Rauchkanälen des Heustockes ein Analogon. Es will uns scheinen,. dass die letzteren eine Möglichkeit der Erklärung für solche Kanäle in den Kohlenflözen bilden könnten. Wir wissen, dass im Heustock schon bei sehr niedriger Temperatur (45° — 50°) Ammoniak frei wird durch Zersetzung von Eiweiss auf dem Wege; Eiweiss »> Aminosäuren »> Ammoniak und dass dieses bei erfolgter Bildung von Heukohle (also bei relativ hoher Temperatur) teilweise Oxydation derselben zu Stickoxyden er- fährt, die als solche sich sengend einen Weg durch den Heustock- Jahrg. 67. H. Scuwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 335 bahnen und die Wände der gebildeten Rauchkanäle mit Ammonium- nitrat beschlagen, NH, =>: N,0,;, => NHNO, welches mit der bekannten Diphenylaminreaktion leicht nachgewiesen werden kann (92,ss). Wenn hier zwischen Heustock und Kohle ein Analogon wirklich besteht, so müsste es möglich sein, auch in be- stimmten Kohlenvorkommen NH, NO, zu finden. LAUPpPER hat dar- nach gesucht, lange Zeit erfolglos, aber schliesslich in den Diablerets- kohlen solches tatsächlich nachweisen können, worauf schon Lo WEHRLI aufmerksam gemacht hat (141, »:). Ob es sich hier um ein nur zufälliges Zusammentreffen von Theorie ünd Experiment handelt, lässt sich natürlich ohne systematische Untersuchungen, die von uns weder beabsichtigt waren, noch beabsichtigt sind, nicht entscheiden. Der dritte Fall ist der, dass das Gas plötzlich in Massen in den Arbeitsstoss hineinbricht. Ist nämlich ein Flöz, welches eine grössere Grubengasansammlung enthält, sehr kompakt, so kann es dem Druck des Gases eine zeitlang Widerstand leisten, bei fortschreitendem Abbau wird aber der Augenblick eintreten, in dem der Druck des eingeschlos- senen Gases den Druck der Kohlen nicht überwindet. Es wird alsdann die ganze Kohlenwand zu feinstem Staub zermalmt und in den Strecken- stoss hineingeblasen. Derartige Gasausbrüche sind so heftig, dass ganze Strecken zugeschüttet werden und die Gase den ganzen Wetterstrom zurückdrängen und zum Schacht austreten. Das gleiche ist auch möglich beim Heustock, indem auch hier durch den plötzlichen Austritt der Gase Heukohlenstaub als sog. „pyrophore Kohle“ herausgestäubt werden kann, welche die mitfolgenden Gase spontan entzündet und zur Ex- plosion führt. Was die Natur der vorkommenden Gase betrifft, so ist ein wesent- licher Unterschied zwischen Heu und Kohle insofern vorhanden, als hier neben Wasser und Kohlensäure auch Kohlenwasserstoffe vorkommen, die man im Heu bisher nicht gefunden hat: Grubengas CH,. Wir stehen hier noch vor einem Rätsel. Dagegen steht fest. dass die Gasausströmungen der jüngeren Kohlen (Braunkohlen) nur wenig Kohlenwasserstoff, aber viel 00, enthalten, während umge- kehrt die älteren Kohlen (Steinkohlen) wenig CO, und viel CH, ent- wiekeln (72,17). Eine ähnliche Regelmässigkeit gilt für den Wasser- gehalt der Kohlen. Je weiter die Inkohlung vor sich gegangen, um SO geringer ist der Gehalt der Kohle an konstitutionellem Wasser. Bei Braunkohlen kann der Wassergehalt über 30°/ betragen, bei Steinkohlen liegt er zwischen 2 und 7,5°/o. Der Wassergehalt ist mit der Zusammensetzung der Kohle so eng verknüpft, dass die „Gruben- 336 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 feuchtigkeit“ einer Kohlenvarietät ein Mittel bildet, sie voneinander zu unterscheiden. Die in der Kohle eingeschlossene Kohlensäure ist sehr schwankend. Die Fälle sind selten von Flözen, bei denen CO, in den Poren der Kohle unter Druck eingeschlossen ist, solche „matten Wetter“ findet man selten in Steinkohlengruben, häufiger aber in Braunkohlengruben. Der Gasdruck ist auch hier bisweilen so stark, dass das Kohlenmehl direkt herausgeblasen wird. Wie beim Methan, so macht sich auch der Austritt von CO, durch das „Kreb- sen“ !) kund. Von sonstigen Gasen, die wir schon beim Heustock ge- troffen, findet man in Kohlengruben auch Kohlenoxydgase. LAuppER hat entdeckt, dass beim Heustock auch H,S entwickelt wird und zwar das erstemal während der Hauptreaktion bei 90—100', das zweitemal zwischen 250° und 280°, also kurz vor der Entzün- dung des Heustockes! (74,51). FiscHER und GLuup bemerken, dass bei der Destillation von Braunkohlen schon bei der ersten Erhitzung recht deutliche Mengen H, S abgegeben werden. Geruch von S-Ver- bindungen soll hier Uhschautt das erste Anzeichen für beginnende Zersetzung gewesen sein (40). Über eine zweite Phase von H, S-Bil- dung wissen wir hier dagegen noch nichts. Die flüssigen Destillationsprodukte. Franz Freiherr von BEROLDINGEN (31), der Begründer der bekannten Umwandlungstheorie der Kohlenbildung, war der Erste, der die Ent- stehung aller Bitumina aus Pflanzen, bezw. aus Mineralkohlen in die Wissenschaft einführte. Nach ihm „wurden die Mineralkohlen durch das ‚unterirdische Feuer‘ erhitzt, die Destillationsprodukte in der Nähe der Erdoberfläche zu Erdöl kondensiert, während die leichten Gase ins Freie traten und entzündet werden konnten“. Nach den zur Zeit herrschenden Anschauungen von ENGLER-HÖFER sind die Erdöle das Produkt einer durch die Erdwärme unter hohem Druck bewirkten trockenen Destillation von Fettbestandteilen fossiler _ Tiere. Bekanntlich erhielt diese Anschauung eine besonders feste Stütze, als es EnGLer in Karlsruhe gelang, aus Fischtran unter Druck ein Ol zu destillieren, welches zum grossen Teil aus einem dem amerikanischen Petrol sehr ähnlichen Kohlenwasserstoffgemisch besteht. Es scheinen demnach Erdöl und Kohle in genetischer Beziehung nichts miteinander gemeinsam zu haben (116) ?). !) So genannt nach dem Geräusch, welches eine Schar Krebse in einem Korbe verursacht. 2) Vgl. 8. Aufl. (1897) S.87 mit 11. Aufl. (1909) S. 92. Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. LAuppEr. Von der Heukohle zur Naturkohle. 337 Diese Lehre erfuhr aber durch H. Poronı£ eine weitere Entwick- lung. Er sandte sog. Algenwasserblüte an EnGLER und veranlasste ihn, daraus durch Destillation bei erhöhter Temperatur Petroleum herzu- stellen. Der Versuch gelang und EnGLER fand, dass in der trockenen Masse der genannten Algen rund 22 °/o Fett vorhanden waren, die bei der Druckdestillation Petroleumöle ergaben. Ein zweites Muster eines rezenten Faulschlammes, gemischt pflanzlicher und tierischer Herkunft, ergab etwa 30 ° Öle, die neben gut kristallisiertem Paraffın und Wasser aus dünneren petroleumartigen Ölen bestanden. Nachdem Potoni& bereits auf die eminente Bedeutung der Algen als kohlen- bildendes Agens und auf ihre ungeheure Verbreitung sowohl in jetzigen, als in längst vergangenen Zeiten hingewiesen hatte (108), konnte nichts näher liegen, als der Schluss, dass in Wahrheit nicht nur Tiere, sondern auch Pflanzen und unter diesen in hervorragender Weise die so stark vertretenen Ölalgen ein Ausgangsmaterial für Petroleum- bildung sein könnten. Damit erfuhr die Entwicklungsgeschichte des Erdöles eine neue Wendung. PoToni& ist der Ansicht, dass auch in der freien Natur das Erdöl durch eine Art Destillationsprozess gebildet wurde und man hat sich seither gewöhnt, die bituminösen Gesteine als die Muttersubstanz des Petroleums zu betrachten. Die Bitumen- schiefer, welche gewerblich zu Mineralölen verschwelt werden, gehören nach A. SpıegeL (1921) alle einer bestimmten Gattung an, nämlich denjenigen Schiefern, in welchen das Bitumen seiner überwiegenden Menge nach nicht in sekundärer Lagerstätte das Gestein durchdringt und extrahierbar vorhanden, sondern in denen es mineralisch gebunden ist. Doch hat 1920 ein solches Gestein beschrieben, das im Gegensatz zu den gewöhnlichen dunkelgrauen hellgelb ist und von em man vermuten konnte, dass es sich um eine mit Rohölderivaten infiltrierte Erde handelte. Die Ausbeute bei der Extraktion war nur 2—3°/o, bei der Destillation dagegen 20—30 °/o (sonst nur 6—7 Yo), bei der Verschwelung mit überhitztem Wasserdampf sogar 31—42 0/0. „Zweifellos war nach dieser Feststellung die bituminöse Substanz in fester chemischer Bindung vorhanden,“ schliesst DoLcH (18). Dieses Bitumen lässt sich durch Säuren nicht in Freiheit setzen. In der mineralischen Bindung verhält es sich ähnlich wie das Salz einer hoch- molekularen Fettsäure, das beim Erhitzen unter Kohlenstoffabscheidung und Entwicklung brennbarer Gase ölige und bei Oxysäuren noch wäs- serige Destillate ergibt. Es ist nach A. SpizseL (126, »::) verfehlt, als Bitumengehalt lediglich die öligen Destillate anzusehen (vgl. damit 68). Das Gesamtbrennbare stellt den Gehalt an Bitumen vor. „Die oben- erwähnte mineralische Bindung des Bitumens hat ermöglicht, dass die Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 67. 1922. = 338 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 abgelagerte organische Substanz vor Verwesung bewahrt geblieben und in ungeheuren Mengen auf unsere Tage gekommen ist. Wir finden Ablagerungen bit. Schiefer in fast allen geologischen Formationen vom ältesten Paläozoikum bis zum Tertiär, wenn auch nicht alle in Deutsch- land, sondern manche im Ausland vertreten sind. Es ist nicht unwahr- scheinlich, dass viele der fast über die ganze Erde verbreitet vor- kommenden Erdöllager aus älteren oder jüngeren bituminösen Schiefern in Auswirkung der Vorgänge entstanden sind, die der Geologe unter dem Begriff der Metamorphose zusammenfasst, wie die Verwandlung von ‚Kalkstein in Marmor, oder von sedimentärem in kristallinen Schiefer.“ Es scheint sich die Wissenschaft immer mehr der vor 40 Jahren schon von BALTZER vertretenen Auffassung zu nähern, wonach die Entstehung des Erdöles als ein Destillationsvorgang anzusprechen ist, bei dem „die untenliegende Schicht die Retorte bildet, während das Hangende zur Vorlage wird, in der sich die Dämpfe verdichten oder ins Freie entweichen“ (1, ss-er). Da Petroleum eine Flüssigkeit darstellt, so ist es selbstverständ- lich, dass man es im allgemeinen da finden wird, wo die Destillation erfolgte. Es wandert nach den Stellen des geringsten Widerstandes, das sind vor allem die Kämme der Antiklinalen oder Bruchspalten (134). Wir wollen hier nur ganz kurz bemerken, dass bei diesem Herab- fliessen auch eine Trennung nach dem spezifischen Gewicht stattfinden kann. So besteht das Erdölvorkommen von Wietze im Hannoverschen aus zwei Zonen, einer oberen mit nur schweren (dicken) Ölen ohne Paraffin, und einer unteren Zone von leichten Ölen mit Paraffin. Die Trennung geschieht also auf natürliche Weise im Gestein, wie man es leicht durch den D. Dayschen Versuch anschaulich machen kann. Füllt man einen Glaszylinder mit Fullererde und giesst oben Rüböl drauf, so scheidet es sich beim Eindringen in ein leichtes schwefel- loses Öl, das sich nach unten begibt, und in ein schweres (S-haltiges), das oben bleibt. Dass dabei auch gelegentlich ein natürlicher Raf- finationsprozess vorkommen kann, zeigen die wasserklaren Erdöle, die man in Persien und andern Orten (28, 02) gefunden hat und die natürlich hierbei mehr als nur einem Ortswechsel (Migration) unter- legen sind. Es folgt ferner, dass nur da Petroleumquellen sich bilden konnten, wo die Bedingungen für eine solche Destillation in der Erde vorhanden waren. Wir haben somit bituminöse Gesteine zu erwarten, die aus- destilliert sind, andere wieder, die ihr Öl noch nicht abgegeben haben. Als Beispiel letzterer Art sind die Kerosinschiefer von New South Wales in Australien anzusehen, die in ungenügender Tiefe und in einem durch- Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. LAUPPER. Von der Heukohle zur Naturkohle. 339 wegs horizontal geschichteten Tafelland liegen, das nicht durch Gebirgs- bildung besonderen Pressungen ausgesetzt war und auch keine nennens- werte Beeinflussung durch Eruptivgesteine aufweist, da solche nur in ganz untergeordnetem Maße vorhanden sind. So erklärt es sich, dass diese Kerosinschiefer bei künstlicher Destillation sehr reichlich Petro- leum liefern. — Als noch am Orte seiner Entstehung sich befindend, betrachtet PoTonEt die regelmässigen, auf Hunderte von Quadrat- kilometern sich erstreckenden Petrolvorkommen von Ohio und Indiana im silurischen Trentonkalk. Der sehr fossilreiche, zerklüftete Trenton- kalk selbst ist jetzt sehr arm an Bitumen, aber dafür dunkel, also wohl bereits abdestilliert (108, »0). Als ebenfalls ausdestillierte, ehe- malige Muttergesteine von Petroleum gelten die in der Literatur als Anthrakonit angeführten, durch Kohle schwarz gefärbten Kalksteine, ferner die durch fein verteilten Graphit dunkel gefärbten Kalksteine, die alten schwarzen Tonschiefer usw. (108, so). Es scheint, dass die Natur schon in entfernter Vorzeit praktiziert hat, was wir heute mit mühsamem Destillieren erreichen. „Gegenüber diesen allgewaltigen Naturkräften, unter denen die Erdwärme keine geringe Rolle spielte muten die Bemühungen der Menschen kümmerlich an und es ist nicht zu verwundern, dass durch wiederholte Male der Mensch gezwungen war, vor der Schenke der Natur das Werkzeug niederzulegen. Im natürlichen Destillationsprozess durchtränkten die ausgetriebenen Bitumina überlagernde Schichten oder wurden in ver- Schiedenen Aggregatszuständen in den Klüften wie in einem Druckfass gespeichert und warteten nur darauf, vom Menschen angezapft zu werden. Was das (C-haltige?) Reliktengestein von bituminösen Schiefern betrifft, so wäre es, meint A. SpisGEL (126, »22) von der geologischen Wissenschaft als solches erst noch festzustellen, wenn man nicht den Graphitschiefer dafür ansprechen wolle.“ Fassen wir das bisher in diesem Kapitel Gesagte kurz zusammen, so ergibt sich, dass Petroleum im Grunde aus Kohlengesteinen ent- standen ist und zwar aus einem ganz besonderen, aus einem Kohlen- gestein, dessen Muttersubstanz sich durch einen verhältnismässig hohen ettgehalt auszeichnete. Ob aber auch Steinkohlen (Humusgesteine) unter Umständen einmal Erdöl in der Natur zu produzieren vermochten, Ist eine besondere Frage, die noch zu untersuchen ist. Vom Gesichtspunkte des Chemikers aus steht einer solchen An- nahme nichts im Wege. Denn auch die Steinkohle enthält einen bituminösen Teil, von dem Muck aussagt, dass er in der Regel eine gelb bis schwarzbraune spröde Masse von ozokeritartiger Beschaffen- heit (vergl. auch 85) vom spez. Gew. nahe bei 1 und vom Schmelzpunkt 340 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 70-—80°, manchmal auch bis 90° darstelle. Vom Ozokerit wissen wir durch MArcusson (85), dass er einer fett- und wachshaltigen Muttersubstanz entstammt und ein typisches Restprodukt des Erdöles darstellt. Wenn nun die Formation des Karbon ebenfalls Fett, Harz und wachsartige Stoffe produzieren konnte, so dürfen wir uns nicht verwundern, wenn auch ähnliche oder verwandte Endprodukte in grösseren oder kleineren Mengen an der Zusammensetzung der Stein- kohlen Anteil nehmen. Auch von Seiten der Geologen sind schon lange genetische Beziehungen zwischen Steinkohlen und Erdöl angenommen worden, so von HOCHSTETTER, GASTENDYK und WINDAKIEWICZ. Diesen Anschauungen sind aber nach Donatu, G. M. PAuL und E. TiETZE dermassen entschieden und mit so überzeugenden Gründen entgegen- getreten, dass heute die Ansicht von einem genetischen Zusammenhang zwischen Steinkohle und Erdöl von den Geologen nicht mehr als be- gründet geteilt werden (25, 101). Erdöl findet sich zwar in vielen Steinkohlenbergwerken. Diese Fälle sind von DonATH und Lissner in einer überaus interessanten Schrift „Kohle und Erdöl“ (26) zusammengestellt worden. Es geht aber daraus hervor, dass das allenthalben festgestellte Vorkommen von Erdöl in oder nahe bei Kohlenlagern sich in allen Fällen deuten liess ohne dass ursächliche Zusammenhänge zwischen Kohle und Erdöl angenommen zu werden brauchen. „Denn wenn das Erdöl tatsächlich das Destillationsprodukt der Mineralkohle wäre, so ist es ausserordentlich befremdend, ‘dass sich Erdöl so überaus selten und fast stets nur in minimalen Mengen in und mit den Kohlenflözen vor- findet. Wo Kohlen vorhanden sind, fehlen fast überall ergiebige Ölfunde. In Pennsylvanien liegen die Kohlenfelder mehrere Meilen von den Öl- gebieten entfernt und zwar liegen die Kohlen über den Ölen. Da “nun die Destillationsprodukte empor und nicht niedersteigen, so Können hier diese beiden organischen Substanzen auch in keinen genetischen Zusammenhang gebracht werden. Unter den devonischen Ölschichten Pennsylvaniens und New-Yorks wird nirgends ein Kohlenflöz kon- statiert, ja es fehlen sogar alle Anhaltspunkte, ein solches in diesen tiefsten Schichten zu vermuten. Diese Tatsachen dürften auch die Ursache sein, weshalb keiner der amerikanischen Geologen oder Chemi- ker die Kohlen mit den Erdölen in genetische Verbindung gebracht haben“ (26, 2). Unserer Ansicht nach ist aber ein Zusammenhang mit der Kohle trotzdem sehr wohl möglich. Ein Riss durch ein Erdbeben, ein Ver- werfungsspalt, ein Faltungsbruch kann diese flüssigen Ölmassen sehr leicht abgeführt haben. Als Flüssigkeit wird das Erdöl doch immer Jahrg. 67. H. Scuwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 341 das Bestreben haben, sich den tiefsten Punkt als Ruheort auszu- suchen und nicht nach oben zu steigen. Es fällt uns doch auch nicht ein, die Beziehungen zwischen Kohlengebieten und ehemaligen Sumpf- gegenden zu leugnen, auch wenn wir hören, dass in der Schweiz bei- spielsweise ein Kohlenband hoch oben auf dem Bifertenstock wenig unter Gipfel in fast 3000 m Höhe gefunden wird. Wenn also von den meisten Geologen genetische Beziehungen zwischen Kohle und Erdöl verneint werden, so haben in den letzten Jahren ausgezeichnete chemische Untersuchungen wissenschaftlicher und Verfahren technischer Art gezeigt, dass aus Steinkohle nahezu sämtliche Derivate des Erdöls dargestellt werden können, sodass wir heute schon sicher sagen können, dass die Brücke zwischen den beiden Körpergruppen endgültig geschlagen ist. Wenn man so lange auf die Lösung dieses Problems warten musste, so lag das daran, dass man die Kohle als aus elementarem (© bestehend betrachtete. Denn dass beim Destillieren der Kohle in glühenden Röhren in der Hauptsache aromatische Kohlenstoffverbindungen entstanden, erschien als eine Tat- sache, die gar keinen Gedanken zur Auffindung von Beziehungen mit den ganz anders geschaffenen Erdölen aufkommen liess. Anders wurde die Sache, als man erkannte, dass aller Kohlenstoff in Form von Ver- bindungen mit H und O in unserer Kohle enthalten ist. Da fand man denn auch gar bald, dass die wahren Bausteine der Kohle in Wirklich- keit sehr viel empfindlichere Individuen seien, als man angenommen hatte und dass das übliche Verfahren der Steinkohlendestillation in glühenden Retorten für sie ein gar zu gewaltsamer Prozess sei, als dass er für die Erforschung der Kohlensubstanz von irgendwelcher Bedeutung hätte sein können. Man versuchte es dann mit der Ex- traktion der Kohlen mit Lösungsmitteln. Diese Behandlungsart hat das eine für sich, dass sie gestattet, Stoffe unverändert in der Form zu isolieren, wie sie ursprünglich in der Kohle enthalten sind. Aber diese Methode hat zwei grosse Fehler, denn von denjenigen Lösungs- mitteln (Pyridin), die als gut in Betracht gekommen wären, hat sich herausgestellt, dass sie sich anlagern und somit die Natur der zu isolierenden Substanzen in unliebsamer Weise verändern. Anderseits geben die wirklich indifferenten Lösungsmittel verzweifelt geringe Ausbeuten. Trotzdem haben sich einzelne Forscher mit schönem Erfolg der Untersuchung dieser Extrakte gewidmet. Pıcter in Genf, der die Benzolextraktion in einer Fabrik im Grossen betreiben konnte und so der Schwierigkeit der Materialbeschaffung enthoben war, hat eine ganze Anzahl von chemischen Individuen isolieren können, die vorher schon als Bestandteile des amerikanischen Petroleums bekannt geworden 342 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 waren (103). Gruup (1916) macht demgegenüber geltend (54), dass, so schön die von Pıcrer erhaltenen Ergebnisse aber auch seien, ihnen der Mangel anhafte, dass sie infolge der geringen Ausbeute nur Auf- klärung über einen ganz winzigen Teil der Kohle geben. Die von ihm durch die Benzolextraktion erhaltene Menge stelle nur etwa ein Tausendstel der gesamten Kohlensubstanz dar, also 0,1% (104) und nur über diesen Tausendstel der Kohlen liefern seine Arbeiten Auf- schluss. In aller Würdigung der Arbeiten Pıcrrr müsse man sich das stets vor Augen halten und sich daher vor zu weitgehenden Schlüssen aus dem Tausendstel, das untersucht worden ist, auf die 999 Tausendstel, die nach wie vor unbekannt bleiben, hüten. FiscHEr und GLuup (40) haben durch Anwendung der Druck- extraktion die Ausbeutung von 0,1°/o auf 6'/s °/o erhöht. Der ent- standene Teer soll aber wesentlich andere Substanzen enthalten, auch feste, und zwar etwa die Hälfte, und ist nicht genauer untersucht worden. Um das Wesen über den Aufbau der Kohlensubstanz zu erforschen, hat man dann auch versucht, die Temperatur der Kohlendestillation aıf den Kleinstbetrag hinunterzudrücken, was man durch Anwendug des Vakuums zu erreichen hoffte. Allein auch hier sind Temperaturen von 350—450 ° unumgänglich. Die sog. Vakuumdestillation ist des- halb für die Erforschung der Kohle ein sehr wenig glückliches Ver- fahren, das nur vorläufige Ergebnisse erzielen kann. Denn mit Recht kann man geltend machen, dass dadurch nur Zersetzungsprodukte aus- gesondert werden, da die Zahl der organischen Verbindungen, welche diese Temperatur auszuhalten vermögen, doch recht beschränkt ist. Aus diesem Grunde arbeitete Pıcrer bei seinen spätern Unter“ suchungen über den Vakuumteer nur Hand in Hand mit der Benzol- extraktion (105, 106). Das, was im Vakuumteer gefunden worden ist, wird im Benzolextrakt gesucht und umgekehrt. Erst wenn das !m Vakuumteer gefundene auch im Benzolextrakt nachgewiesen ist, be- steht die Wahrscheinlichkeit, dass ein primäres und nicht ein sekun- däres Erzeugnis aus der Steinkohle vorlag. ; Nach Pıcter sind die Bestandteile des Vakuumteers identisch mit denen des Benzolextraktes (108). In beiden Fällen handelt ee um hydroaromatische Kohlenwasserstoffe gesättigter und ungesättigter Art, dieauch übereinstimmen mit denen in gewissen Erdölarten. ee haben wir zum ersten Mal auch engere Beziehungen zwischen Kohle un Erdölen und auch die Möglichkeit eines gemeinsamen Ursprung® pflanz- licher Art wenigstens bei einigen Petroleumsorten hingewiesen. Einer Gleichheit der Zusammensetzung dürfte daher auch eine Gleichheit Jahrg. 67. H. Scuwarz u. G. Lauppsr. Von der Heukohle zur Naturkohle. 343 der Entstehung entsprechen. Wenn aber die Steinkohle eine Flüssig- keit enthält, die chemisch gesprochen Petroleum ist, so spricht das sehr gegen die immer wieder auftauchende Hypothese vom minerali- schen Ursprung der Erdöle, denn es wäre wie PıcTET sagt, sehr über- raschend, wenn die Wirkung des Wassers auf gewisse Metallkarbide im Innern der Erde !) und die Destillation der Fette von marinen Tieren ein Gemisch von Kohlenwasserstoff ergäbe, das identisch ist mit dem in den Steinkohlen, die ja ganz unzweifelhaft pflanzlichen Ursprungs sind. PıctErt schliesst ferner aus dem vollständigen Fehlen von Kohlen- wasserstoffen aromatischer Natur im Vakuumteer, dass die im Gas- verkokungsteer so wichtigen aromatischen Produkte pyrogener Natur sein müssen. Es muss deshalb möglich sein, die Produkte des Vakuum- teers in solche der Gasfabriken umzuwandeln. Schematisch verläuft der Vorgang dann folgendermassen: Vakuumteer Gasfabrikteer bis 450 ° bis 1000 ° Hydr. aromatische Subst. »> aromatische Substanzen Cyklohexane und Cyklohexadiene »> Benzol und Homologen Hydr. arom. Alkohole »> Phenole Chinolindihydride »> Chinolinbasen So wie Hexahydrofluoren (ebenfalls im Benzolextrakt vorkommend) bei höherer Temperatur Wasserstoff verliert und in Fluoren übergeht, so wird es sich auch bei diesen Umwandlungen um Dehydrogenisierung handeln. Daneben findet aber auch Zerreissung von Ketten statt, sonst wäre die Bildung von C H, und anderen gasförmigen Produkten uner- klärlich. Auch Polymerisationen und Kondensationen mögen eine Rolle spielen. Es ist zu bedenken, dass die hydroaromatischen Kohlenwasser- stoffe der Steinkohlen als bereits mehr oder weniger polymerisiert anzunehmen sind. Je fortgeschrittener diese Polymerisation, um So grösser wird nicht nur die Schwerlöslichkeit, sondern auch die Schwerlöslichkeit in Benzol. Die Versuche PıcrErs stehen in einem gewissen Einklang mit der Hypothese von DonarH von der Verflüssigung der Kohle, nach welcher diese ein Gemenge von ur- Sprünglichen weichen Verbindungen sein soll, die durch fortschreitende Polymerisation und Kondensation allmählich fest wurden. Te _ !) Anorganische Vertreter: BERTHELOT, CLOEZ, MENDELEJEW, SILVESTRIN, BRUN, P. pe Wire, STAHEL, SABATIER, SENDERENS, BECKER, SOKOLOFF, TARR, GOSTE und andere (siehe Zusammenfassung 146). 344 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Auf weitere verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Erdöl und Kohle deuten die bei beiden vorhandenen optisch aktiven Verbindungen. ENGLER und BoBRZYNskI (1912) erklären: es gibt kein Erdöl, das nicht optisch aktiv ist (30). Nach MArcusson (1907) ist diese optische Aktivi- tät des Erdöls auf Cholesterin!) zurückzuführen (84). Dass auch in den Kohlenextrakten aktive Bestandteile gefunden werden, sofern sie nicht razemisiert sind, haben wir bereits auf Seite 323 gesehen. Eine weitere Brücke zwischen Kohle und Erdöl scheint sich uns im Melen darzubieten, einem festen Kohlenwasserstoff der Formel C,, Hso, dessen Vorkommen im Benzolextrakt der Steinkohle PıcTEr (1911) nachgewiesen hat. Diesen Stoff findet man nun auch im gali- zischen Petrol und im Bienenwachs. Damit bestätigt sich eine alte Arbeit von Bropie (1848), der diesen Kohlenwasserstoff zuerst als ein Erzeugnis aus dem Bienenwachs beschreibt. W. Gruup (1916) glaubt, dass sich durch diese Ergebnisse, die eine Verwandtschaft zwischen so weit auseinanderliegenden Stoffen wie Bienenwachs und kanadischem oder galizischem Petroleum und französischer Steinkohle ergeben, für die wissenschaftliche Forschung eine ganze Reihe neuer Theorien und Arbeitshypothesen eröffne, die hoffentlich weitere Ergebnisse zeitigen werden (53). Es mehren sich die Anzeichen für die Vermutung, dass Steinkohle und Petroleum doch wohl inniger zusammenhängen, als man annimmt. Hier kann uns indessen nur sehr geduldige chemische Forschung ganz langsam Schritt für Schritt weiterbringen, auf dass sie uns wieder erzähle, was sich in den früheren Zeitabschnitten der Erdgeschichte abgespielt hat und als dessen Ergebnis wir heute die Steinkohlen und das Petroleum einfach als etwas Selbstverständliches hinnehmen. Vom wissenschaftlichen Standpunkte ist die Vakuumdestil- lation eines der Werkzeuge, das uns auf diesem Forschungswege Vor” wärts helfen soll und dessen man sich bedient hat, um einen ersten Schritt darauf zu unternehmen. Wenn sie auch schon ganz gute Dienste geleistet hat, so wird es doch nur eine Frage der Zeit sein, wann sie durch bessere Verfahren überholt sein wird.“ Die Anschauungen Poronits, des Geologen, so verschieden sie auch von denen ENGLERS, des Chemikers, erscheinen mögen, haben das g®- N (94) hält die Spaltungsprodukte von Proteinstoffen dafür verantwortlich, da der Ciholesteringehalt der Fettsäure zu gering sein soll, um die teilweise recht beträchtliche Aktivität des Erdöls zu bedingen. Er weist, ohne irgendwelche näheren Angaben darüber zu machen, darauf hin, dass in einem fossilen Ei in Kalifornien Petroleum als Inhalt gefunden wurde (9). Krämer (71) hält das Wachs für die Ausgangssubstanz des Erdöls. ENGLERS Untersuchungen entscheiden aber zugunsten von CGholesterinderivaten. (Siehe 108, „„_,„ und 32, I. .,, ff. Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. LAuUppER. Von der Heukohle zur Naturkohle. 345 meinsam, dass Beziehungen zwischen Kohle und Erdöl nicht erörtert werden, indem beiden Produkten eine selbständige Entstehungsweise zugrunde gelegt wird. Und doch geben beide Forscher wiederum ver- schiedene Anhaltspunktö für eine nähere Erörterung der Beziehungen zwischen Kohle und Erdölen vom geologischen Standpunkte aus. Denn dieselben bituminösen Gesteine, die PoTonı& als Muttergesteine des Petroleums betrachtet, kommen auch in den Kohlenbergwerken vor. Jedes Flöz ist hier oben und unten regelmässig von einer Schicht bituminösen Gesteins begrenzt, die von dem nächsten Flöz durch eine‘ mehr oder weniger mächtige Ablagerung von Sandstein getrennt wird. So baut sich oft eine mehrere hundert Meter messende bunte Schich- tenfolge vor uns auf, wo immer auf ein Kohlenflöz bituminöser Schie- ferton (dann Sandstein, dann wieder Schieferton) und dann wieder ein Kohlenflöz folgt: eine Schichtenfolge, die wir auf die Formel RK reduzieren können. e bituminöses Gestein Immerhin werden wir sehen, dass die bituminösen Gesteine, die mit den Kohlen in Beziehung stehen, geologisch anders entstanden sind, als die mit den Erdölen zusammenhängenden bituminösen Ge- steine. G. LAuppeR hat in einem unserer schweizerischen Molassekoh- lenlager von Riedthof im Äugstertal Beobachtungen gemacht, die ge- eignet sind, an der Beschaffenheit und an den Eigenschaften der sog. „Stinksteine“ die Beziehungen zu Kohle und Erdöl klarer zu legen. Nach einer geologischen Aufnahme ‘von Herrn Prof. Dr. LEo WEHRLI in Zürich) lässt sich das Normalprofil der Schichten schematisch, wie in Fig. 2 (8. 346) ersichtlich, darstellen. Von ganz besonderem Interesse ist nun, „dass sich zwischen grau- ‚grünem lettigen Mergel und Glanzkohle eine hellgraugelbe, harte Kalk- platte von 3—8 em Dicke einschiebt, oben ebenflächig, nach unten zapfenartig in die Kohle eingreifend und mit ihr fest verwachsen‘. Die Platte enthält Schneckenschalenreste und macht den Eindruck eines durch Hitze gebrannten Gesteins. Der graugrüne, mittelbar darüber liegende Mergel, der ebenfalls stark kalkhaltig ist, lässt sich wie LAUPPER gefunden hat, durch Erhitzen auf dem Gebläse in diesen gelbbraunen, harten Ton umwandeln, so dass daraus geschlossen wer- den könnte, dass diese Schicht zwischen Kohle und Lett als Wirkung einer höheren Temperatur entstanden ist, die von dem darunter- liegenden Kohlenlager ausgegangen sein mag. Den graugrünen Lett kann man sich in Anlehnung an die Destillationstheorie, aus den ur- a nn RE ') Mündliche Mitteilung. 346 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 sprünglich konkordant über und unter den Kohlen liegenden, gelben Mergel entstanden denken, vielleicht durch eine Infiltration der Ge- steinsmasse durch bituminöse teerartige Stoffe, die dem hellgelben Mergel einen grüngrauen Ton verliehen und ihm den ursprünglich bröckligen Charakter genommen haben könnten. Als gegen Ende der Destillation die Hitze der Kohlenmasse ihren Höhepunkt erreichte, / . z - - 7 - Be j > = Humvs (mir Hurzein FEEGE SDR ß 7 - a : (& Gelbe, karte . E . ER Halkplaffe J -"Greugruner Lett (CO; DZ - pERE { \Öchrefr erdii ige Wahle (140: Sreı ARE —i er Fig. 2. Wolken von ee im Äugstertal (Kt. ne ßstab ca. 1:20, äusserte sich ihre Wirkung, wie wir noch sehen werden, in umge- kehrtem Sinne, so dass die der Kohle zunächst liegende Schicht des graugrünen Letts zur „harten Kalkplatte“ gebleicht und gebrannt wurde. Soviel über das Hangende dieser Schichten. Unter der Kohle haben wir .als Liegendes einen ebenfalls kalkhaltigen, aber schwarz- braunen „bituminösen Mergel“, der fettig anzufühlen ist und beim Anschlagen stinkt. Dieser „Stinkstein“ gibt bei der Destillation brenn- Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. LAupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 347 bare Gase und in reichlicher Menge eine ölige, gelbe, dickflüssige, klare Flüssigkeit, die intensiv nach Petrol und Benzin und eine wässerige Lösung, die stark nach Ammoniak riecht. Wird der gepulverte Stinkstein geglüht, so verliert er seine schwarze Farbe und nähert sich in seinem Aussehen dem gelben Mergel, mit dem er genetisch verwandt zu sein scheint. Das zeigt auch sein spezifisches Gewicht von 1,96, das gerade in der Mitte liegt zwischen demjenigen der guten Glanzkohle (1,47) und der Mergel- schicht im Dach (2,45). In diesen bituminösen Mergeln sind offenbar beim Destillationsprozess die flüssigen Bestandteile nach unten abge- . laufen und in das Untergestein eingesickert und es ist nach unsern Ausführungen über die Beziehung zwischen Kohle und Erdöl ohne weiteres verständlich, dass die Petrol- und Benzin-ähnlichen Destillate dieses Stinksteins früher einmal zur Kohle selbst gehörten. _ Interessant ist nun die Veränderung, die dieser Stinkstein erlei- det, wenn er einmal zwischen zwei Glanzkohleschichten zu liegen kommt, was auch im Riedter Kohlenflöz stellenweise der Fall ist. Im obigen Durchschnitt ist das Material als schiefrige, erdige Kohle be- zeichnet. Sie sieht wie von der Glanzkohle umflossen aus und presst sich durch diese hindurch, so dass sie oft ans Hangende stösst und dann an Stelle der gelben harten Kalkplatte tritt, die also auch fehlen kann. Laupper hat nun nachträglich die überraschende Entdeckung gemacht, dass diese erdige Kohle in der Glanzkohle eingebettet keine Karbonate mehr enthält, während sie, im Hangenden auftretend, mit Säure betupft, noch aufbraust, Woher rührt nun dieser Unterschied ? Wir sind der Ansicht, dass diese Zerstörung der Karbonate auf die vom Kohlenlager produzierte Eigenwärme zurückzuführen ist. Die in erweichtem Zustand befindliche Kohlenmasse konnte so ihre mehr flüchtigen Bestandteile an die offenbar mehr oder weniger porösen und absorptionsfähigen Mergel abgeben, wodurch diese erdigen Massen zu einer Art Kohle wurden. Auch ihr „Schiefrigsein* lässt sich durch den Destillationsprozess erklären. Denn nach Poroxı& (108,5+) hat ARPMANN schon 1898 nachgewiesen, dass, wenn feuchte oder flüssige Gesteinsmassen bei Anwesenheit von Gasen einem Druck ausgesetzt werden, so dass die Gase nicht oder nur sehr langsam entweichen können, die festwerdende Gesteinsmasse dann schiefrig wird. ‚An Stellen allergrösster Hitze konnte dann anstatt der schiefrigen erdigen ohle im Hangenden das treten, was im Schema als gelbe harte Kalkplatte bezeichnet ist. Oben schon wurde darauf hingewiesen, dass Stinkstein, wohin auch die schiefrig-erdige Kohle gehört, im Porzel- lantiege] erhitzt, seine dunkle Farbe verliert und gelb wird. Dass 348 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 die jetzt harte und zusammenhängend gewordene Kalkschicht einst anders beschaffen war, können wir erraten aus den oben erwähnten zapfenartigen Ausläufen auf der Unterseite. Sie deuten offenbar auf die früher erdige Beschaffenheit des betreffenden Materials hin, dessen einzelne Teilchen je nach Zusammenhang und Schwere und je nach Zähigkeit der Kohlenmasse ungleichmässig tief in den weich gewor- denen Kohlenbrei einsinken mussten und nach der Verhärtung jene zapfenförmigen Gebilde entstehen liessen, von denen oben die Rede war. Die früher erdige Beschaffenheit des Hangenden wurde verän- dert durch die Verschlackung der Bitumreste zwischen den einzelnen Gesteinspartikelehen und so entstand der Kitt, der sie zu der hart- gebrannten Schlacke umwandelte. Auffallend für uns ist nur, dass ähnliche Erscheinungen an grös- seren Kohlenbergwerken, wo sie doch viel eher zu erwarten gewesen wären, so lange nicht beobachtet worden sind. Wenigstens erklärt Muck noch 1916 in unzweideutiger Weise, dass die die Kohlen zu- nächst umgebenden Schiefertone in ihrer Beschaffenheit keinerlei Spu- ren einer stattgehabten stärkeren Erhitzung zeigen (93,57). Eine solche, fügt er hinzu, sei auch durch die grosse Menge flüchtiger Kohlenstoffverbindungen, welche die Kohlen beim Erhitzen abgeben, ausgeschlossen. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass — angenom- men, es hätte eine Erhitzung wirklich stattgefunden — die Kohle vor der Destillation noch keine Kohle war im jetzigen Sinne und dass sie also auch noch keine flüchtigen Kohlenstoffverbindungen ent- hielt, denn diese betrachten wir ja eben als das Produkt eines Destil- lationsprozesses. Es mehren sich aber heute die Anzeichen, dass die Beobachtungen, die LAUPPER an unseren kleinen Kohlenlagern gemacht hat, auch für die grossen Bergwerke unserer Nachbarstaaten Gültig- keit haben. Stutzer (1914) berichtet, dass Kohlenflöze stets innerhalb grauer oder dunkler Gesteinsschichten lagern, während die darüber- liegende flözleere Ablagerung beständig durch rote (oder gelbe) Farbe gekennzeichnet sei (134,144). Diesem Merkmal verdankt übrigens die auf das Karbon folgende Formation des „Rot“liegenden (oder des „Bunt“sandsteins) die erste Hälfte ihres Namens. Für diese Lagerungs- verhältnisse fehlt eine Erklärung noch. DANNENBERG (13,51) hat zwar versucht, diesen Farbenwechsel und topographischen Gegensatz zwischen produktiven und flözleeren Gesteinen auf einen Wechsel von klima- tischen Zuständen zur Zeit der betreffenden Kohlenablagerung zurück- zuführen. Er weist darauf hin, dass die Bildung roter Gesteine und Verwitterungsprodukte in der Gegenwart eine charakteristische Eigen- tümlichkeit der heissen Zone sei (Laterit, Terra rossa), in der im all- Jahrg. 67. H. Scuwarz u. G. LAuUppErR. Von der Heukohle zur Naturkohle. 349 gemeinen keine Humusanhäufung stattfinde. STUTZER aber weist diese Anschauung in dem Kapitel seines’ Buches (134,10) „Über das Klima und die Atmosphäre zur Zeit der Kohlenbildung“* zurück und führt auf Seite 144--147, wo er den Einfluss der Kohle auf die Färbung des Hangenden und Liegenden der Flöze bespricht, zahlreiches Material herbei zu Gunsten der Auffassung der Verfärbung durch Reduktions- prozesse in den Kohlengesteinen selbst. Es wird erwähnt, dass im Schwarzwald z.B. die durch Eisenoxyd rot gefärbten Buntsandsteine sofort gebleicht werden, wenn sie im Moorwasser liegen und dass die einheimische Bevölkerung die so gebleichten Steine ihrer bleichen Farbe wegen als Leichensteine bezeichnet. Wenn daher die Bleichung auf eine Reduktion von rotem Eisenoxyd zu graugrünem Oxydul zu- rückzuführen sei, so müsse beim Auskeilen eines Kohlenflözes in einer Schichtenlage, wo die kohlige Substanz (also die Ursache der Bleichung) verschwunden ist, nachher sofort wieder eine ursprünglich rote Fär- bung des Hangenden erscheinen, was denn auch tatsächlich beobachtet werde. (Siehe weitere Beispiele auf Seite 196.) Demgegenüber weist StUTzER ausdrücklich darauf hin, dass der- artige Reduktionserscheinungen nicht nur während der Bildung der Kohlenlager, d.h. während der Anhäufung des organischen Materials sich abgespielt haben, sondern auch zum Teil erst zu einer späteren Zeit, nachdem die hangenden Schichten bereits abgelagert waren Solche Reduktionsprozesse, die sich alsdann vor allem im Nebenge- stein abspielten, sagt er, muss man sich durch Gase veran- lasst denken, welche auf Spalten oder durch Diffusion von der Kohle aus sich verbreiteten. Damit kommt STUTZER unsern eigenen Anschauungen sehr entgegen, nur, dass er dem allge- meinen Bildungsprozess der Steinkohle im Inkohlungsstadium eine Sedimentierung der Schichten zugrunde legt: „Wenn der Wechsel von roten und grauen Schichten auf Reduktionserscheinungen zu Zeiten der Kohle zurückzuführen ist, so soll damit nun nicht ge- sagt sein, dass alle mit der Steinkohle zusammen auftretenden grauen Schichten aus rotem Gestein durch Reduktion entstanden sind. Es sind graue Gesteine natürlich meist überhaupt primär vor- handen gewesen.“ Der Gedanke einer Sedimentierung von abwechselnd grauen und roten oder gelben Schichten erschien auch uns anfänglich als die einzige Möglichkeit, die absolut scharfen Übergänge von den grauen zu den gelben Schichten zu erklären. Wir haben uns aber durch einen einfachen Versuch davon überzeugen können, dass auch bei Aus- Täucherungs- resp. Destillationsvorgängen von der Art der oben be- 350 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 schriebenen eine sehr scharfe Abgrenzung zustande kommt. Füllt man ein Reagenzglas zu einem Viertel mit Kieselsäurepulver, das bekannt- lich schneeweiss ist, überstopft diese mit etwas zusammengeknülltem Filtrierpapier, füllt das Glas wieder mit Kieselsäure auf und schliesst mit Glaswolle ab, so haben wir im Reagenzglas ungefähr das Bild eines Kohlenlagers vor der Erhitzung. Wurde nun das Glas im Luft- bad langsam auf 260° erhitzt, so fand man das Papier nach etwa 8 Stunden verkohlt. Darüber und darunter hatte sich die Kieselsäure durch die verschluckten Bitumina braun gefärbt und zwar — zu unserem Erstaunen — in durchaus scharf abgetrennter Schicht. Ein grosser Teil von Gasen war durch die dicke Kieselsäureschicht hin- durch gedrungen und frei geworden. Wir haben diesen Versuch viel- fach wiederholt in den mannigfachsten Kombinationen und immer — bald mehr, bald weniger deutlich — die scharfen Abgrenzungen er- halten, die sonst für die Sedimentierung so charakteristisch sind. nserer Ansicht nach sind die grauen Schiefer und Mergel von sekundärer Herkunft und als Modifikationen des an primärer Lagerstelle befindlichen gelben Letts aufzufassen, im Sinne der folgenden Übersicht: Gelber Lett — Durch Einfliessen des aus der Kohle herausdestillieren- res den Bitumens entsteht daraus als „Liegendes“ der braune CO,-haltige bituminöse Mergel. (Andere Bezeichnungen dafür sind: sog. Braunkohle oder Stinkstein) —- Austreibung von CO, durch Hitze und Durchtränkung mit flüssigen Kohlenbestandteilen lässt als „Einge- bettetes“ die schiefrige erdige Kohle (kohlensäurefrei) entstehen —- oder als „Hangendes“ die schiefrige erdige Kohle (noch wu ltig) (In Fig.2 nicht UBREENDEN, weil s r stellenweise auftritt und ersetzt i bei BE He ee Hitze ge gelbe harte Kalkplatte tg graugrüner Lett durch Aufnahme der dampfförmigen bituminösen Be- standteile aus dem „Hangenden“* entstanden. Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. LAuppeEr. Von der Heukohle zur Naturkohle. 351 V. Die Selbstentzündung im Kohlenbildungsprozess. Die Tatsache, dass Heubrände oft spontan in Form von Explo- sionen auftreten können, liess vermuten, dass die Ursache der Ent- zündung in der Bildung selbstentzündlicher, sog. pyrophorer Stoffe, zum mindesten aber in der Entwicklung brennbarer Gase zu suchen sei. Solche Gase entstehen denn auch tatsächlich, aber es ist nicht zu verstehen, wie sie imstande sein sollten, eine Entzündung hervor- zubringen, denn selbst Einleiten von Phosphorwasserstoff (vom Irr- lichterproblem her bekannt) in Heu bringt dieses nicht zum Brennen, und weder durch Karbide noch durch Phosphorverbindungen war es möglich, eine Entzündung hervorzubringen. Neben „Brenn*-Stoffen sind eben zur Erzeugung der Entzündungstemperaturen noch „Zünd‘- Stoffe nötig, als welche gemäss unserem bisherigen Wissen feinst ver- teilter Kohlenstoff, sog. „pyrophore Kohle‘, als fast die einzige Mög- lichkeit in Frage kam. Erhitzt man etwas Emd oder Heu in einem Becherglas auf dem Ölbad (um alles Feuer fernzuhalten) auf 250—300° C, d.h. bis der untere Teil verkohlt ist, und schüttet es noch warm auf eine Ton- platte, so glüht nach wenigen Minuten die Masse auf, bis sie ein- geäschert ist. Daraus schloss RAnkE, dass der Heukohle bei hoher Temperatur pyrophore Eigenschaften zukommen und dass „pyrophore Kohle“ in der Tat die Eigenschaft habe, sich an der Luft selbst zu entzünden. Damit war zum erstenmal eine eindeutige, klare Inter- Pretation dieses Problems der Entzündung gegeben, eine Erklärung, die Jahrzehnte lang befriedigte. Allein — „pyrophore Kohle“! — ein Paradoxon! Ungefähr wie: „blühender Greis*! — „Kohle“: für den Chemiker das Symbol des trägen, schwer angreifbaren Elements — »Pyrophor“: der Inbegriff aller Veränderlichkeit! Vom chemischen Standpunkte aus ein Rätsel, das gelöst sein musste. Wie war es möglich, dass ausgerechnet der Kohlenstoff in einer pyrophoren Form auftreten konnte? Die Tatsache, dass man in der Heubrandlitera- tur nur immer auf den Ausdruck pyrophore Kohle stiess, ohne in- dessen in der wissenschaftlichen Literatur etwas Fassbares darüber zu finden, bestärkte unsere Zweifel. Es entstand die Frage, ob nicht vielleicht die pyrophoren Eigenschaften, die man dem Kohlenstoff zuzuschreiben versucht hatte, im Grunde genommen auf einen andern, fremden Stoff, der mit der Kohle vergesellschaftet, zurückzuführen Seien. LauppeR hat nun diesen Stoff gefunden: im Eisen. Von diesem War bereits nachgewiesen: 1. von Mouisch (91), dass jede Pflanze Eisen enthält, und 2. von Moıssan (90), dass Eisen als Protoxyd in 353 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 einem pyrophoren Zustand existiert. Für LAUPPER handelte es sich noch darum, zu beweisen, dass ohne einen Gehalt an Eisen keine Pflanzenkohle pyrophor, d.h. selbstent- zündlich, sein kann. LAUPPER fand in der Tat, dass die früher als pyrophor bezeichnete Pflanzenkohle ihre Selbstentzündlichkeit verliert, wenn sie von dem in ihr enthaltenen Eisen durch wiederholtes Auskochen mit konz. Salzsäure und nachfolgendem gründlichem Auswaschen mit destillier- tem Wasser vollkommen befreit wurde. Wird die Auskochung nur ungenügend vorgenommen, so findet nach dem Ausschütten der oben in bereits beschriebener Weise erhitzten Kohle nur ein kurzes Glimmen statt. Werden diese glimmenden Stellen vorsichtig abgehoben - und mit konz. H Cl bis fast zur Trockene verdampft, so gelingt es stets, in der wässerigen Verdünnung Eisen nachzuweisen. Wird Pflanzen- kohle wiederholt mit konz. HCl und ein paar Tropfen konz. HNO, gekocht und gründlich gewaschen, filtriert und getrocknet, so zeigt diese Kohle selbst bei 435° keine pyrophoren Eigenschaften mehr. Wird schliesslich bis zur Rotglut geglüht und die Masse noch glühend ausgegossen, so bleibt sie einen Augenblick in diesem Zustand, ver- brennt aber nicht und erlischt bald. Eine solche Kohle enthält kein Eisen mehr. Während also die nicht gereinigte Pflanzenkohle bei einer Tem- peratur von 250—300° an der Luft sich entzündet und langsam abglimmt, bis alles verascht ist, zeigt eine von Eisen vollkommen gereinigte Pflanzenkohle weder Glimmen noch einen merklichen Aschen- rückstand. Umgekehrt kann eine Pflanzenkohle, die durch Entzug ihres Eisens ihre pyrophoren Eigenschaften verloren hat, wieder selbst- entzündlich werden, wenn man künstlich Eisen hinzufügt, z. B. durch Vermischen mit feinst verteiltem Eisenoxyd oder Eisenoxalat usw. Wesentlich für die Wirkung ist allerdings auch, dass Eisen und Kohle sich in feiner Verteilung so innig wie möglich durchsetzen. Allein, so vorbildlich wie in der Pflanze selbst, wo das Eisen in äusserst feinen Verbindungspartikelchen jede einzelne Zelle durchsetzt und so der fertigen Pflanzenkohle eine ausserordentlich fein poröse Struktur verleiht, wird das bei künstlichem Zusatz von Eisen nie möglich sein. So wurde bewiesen, dass die Annahme der Entstehung pyrophorer Kohle beim Heubrand unrichtig ist. Was entsteht, wenn Heu auf 300° erhitzt wird, ist nicht pyrophore Koble, sondern pyrophores Eisen. Und dieses Pyrophorwerden des Eisens ist es, was die in der Kohle freiwerdenden brennbaren Gase zur Entflammung bringt. Es gibt also keine pyrophore Kohle im Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 353 chemischen Sinne des Wortes — jedenfalls darf bei dieser Wortverbin- dung nie an Kohle als chemisch reinem Kohlenstoff gedacht werden '). Wenn nun LAUPPpERs Ansicht richtig ist, so muss es möglich sein, auch pyrophores Eisen im Laboratorium herzustellen und mit diesem Material Entzündungen nach Belieben hervorzurufen. Wird nach LAupPpER (73) Eisenoxalat im Reagenzglas erhitzt, so entsteht unter Freiwerden von CO,, H,O und CO pyrophores Eisen mit etwas Kohle vermischt. Wird dieses Produkt noch heiss ausgeschüttet, so kommt es bald zum Glühen, was so lange dauert, bis die von der Erhitzung des Oxalats übrig gebliebenen Kohlenreste mit abgeglüht sind. Das- selbe geschieht mit einem Gemisch von feinst gepulvertem Eisenoxyd mit Oxalsäure. Pyrophores Eisen erhält man auch durch Reduktion von Eisen- oxyd mit Wasserstoff oder Leuchtgas. Es muss aber auch hier warm ausgeschüttet oder für Luftabschluss gesorgt werden, wenn die Flamme weggezogen wird, was z. B. dadurch geschieht, dass auch während des Erkaltens Gas durchgeleitet wird. Interessant ist nun, dass sich 2wischen dem aus H und dem als Leuchtgas hergestellten pyrophoren Eisen ein Unterschied zeigt. Er ist auf die Verschiedenheit der Gase selbst zurückzuführen, speziell darauf, dass Leuchtgas stets Spuren von Kohlenstoff enthält, während Wasserstoff von solchem frei ist. Wird nämlich ein Häufchen mit H reduzierten Eisens (in H erkalten gelassen) auf eine Porzellanplatte geschüttet und mit einem heissen Glasstab betupft, so erglüht nur die gerade berührte Stelle. Betupft man aber auf gleiche Weise mit Leuchtgas reduziertes Eisen, so er- 8limmt dasselbe sofort an der berührten Stelle und die Glut greift auf das ganze Häufchen über, weil eben dem Eisen noch vom Re- duktionsprozess her im Leuchtgas befindliche Kohlenpartikelchen an- haften, die der Glut als Nahrung dienen. Im ersten Fall beim H, wo en ER ') Erst nachträglich haben wir gefunden, dass in neuester Zeit FISCHER und GLvVD eine „Pyrophore Kohle“ entdeckt haben (42, 17). Wird Kohle mit NN OH behandelt, geknetet und eingedickt, bis die Masse bröcklig und fest geworden, dann In Tabletten von 0,8—1 gr geprägt und im grossen elektrischen Ofen auf ca. 500° er- itzt, so zeigen die Tabletten nachher die merkwürdige Eigenschaft, dass sie sich beim Stehen an der Luft bis zur Glühhitze erwärmen. Sie verbrennen et i er t di Alkalisalze äusserst oxydabel sind, verantwortlich zu machen sind oder ob es wahr- Scheinlicher ist, dass die an Alkalien gebundene Huminsäure die Selbstentzündlickkeit bedingt, ist noch nicht untersucht.“ Auf jeden Fall ist auch hier nicht an elementaren i 3 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 67. 1922. 2 35% Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 keine Spur Kohle da ist, kann die Glut nicht weiter um sich greifen. Der Kohlen,stoff“ funktioniert also hier als Ernährer der Glut. Wird etwas von diesem Eisen auf Heu oder Holzwolle geschüttet, so erglüht das Heu oder die Holzwolle und brennt bald lichterloh! Wenden wir nun auf die Naturkohle an, was wir für die Heuver- kohlung gefunden haben, so müssen wir auch hier dem pyrophoren Eisen eine Bedeutung beimessen. Die Entstehungsbedingungen, die im Heustock für pyrophores Eisen vorhanden sind, existieren auch im Kohlenhaufen und im Kohlenflöz. Da alle Pflanzen Eisen enthalten, so muss auch Eisen in den Kohlenpflanzen vorhanden gewesen sein. Nun hat man ja bekanntlich die Selbstentzündung der Kohle lange Zeit dem darin enthaltenen Schwefelkies zugeschrieben, da dieser sich an feuehter Luft ziemlich rasch oxydiert und Wärme produziert. Dies soll aber nach Muck (93, 275) nur der Markasit (Fe S, rhomb.) tun, nicht der Pyrit (FeS, reg.).') Diese S-Verbindungen vermögen aber, wie wir jetzt wissen, die Selbstentzündlichkeit der Kohle nicht zu erklären. Denn es sind die schwefelkiesreichsten Kohlen keineswegs immer die entzündlichsten (93,272). Auch sind die Kiese in den Stein- kohlen in viel zu geringer Menge enthalten, um eine Entzündung der letzteren selbst unter den für die Hypothese günstigsten Voraus- setzungen erklären zu können. In Analogie zum Heu wirft sich uns die Frage auf, ob nicht viel- leicht auch in den Kohlen Eisen in solch reduzierter Form als pyro- phores Eisen vorhanden sein könnte. Wir glauben diese Frage auf Grund folgender Beobachtungen bejahen zu dürfen. An und für sich unsichtbar, weil es dieselbe Farbe hat, wie die Kohle selber, in der es einen feinen Belag bildet, kann es durch Oxydation an der Luft zuweilen als rote Rostschicht sichtbar werden. Man soll das beim Fördern der Kohle häufig beobachten, wenn die frische, schwarz- glänzende Kohle sich beim Liegen an der Luft mit einer feinen Rost- schicht bedeckt. Dieser Rostbelag ist meist frei von Schwefel. Man wird einwenden können, dass der Rostbelag trotz allem von Pyrit herstammen kann, Das ist nieht wahrscheinlich, denn in solchem Falle müsste sich der Schwefel des Pyrits vollständig und quantitativ zu SO, oxydieren und als solches entweichen, ohne Eisensulfat zurück- zulassen, was jedenfalls etwas Neues wäre. Bekanntlich oxydiert sich der Pyrit nach der Gleichung: FeS, +30,=FeS0, +80, zu Sulfat, aus welchem der Schwefel also nur durch Weglösen ver“ 1) Über Unterscheidungsmittel zwischen Markasit und Pyrit siehe 2, 6. [1918] Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 355 mittelst Wasser weggeführt werden kann. Man könnte ferner ein- wenden, dass im Falle von pyrophorem Eisen das Rotwerden plötzlich geschehen sollte, wie das beim Versuch im Reagenzglas der Fall ist. Gewiss! wenn die Kohle frei wäre von jeglicher Feuchtigkeit! Stein- kohle aber enthält in der Regel immer noch etwa 2—4 °% Gruben- feuchtigkeit, Braunkohle gar 6—30°/o. Durch Austrocknen der Kohle, wie das zum Beispiel durch längeres, ganz schwaches Erwärmen der Kohle geschieht, können wir diesen Vorgang vor unsern Augen sich bilden sehen. Wenn der entstandene Rostbelag noch Schwefel enthält, muss angenommen werden, dass dieser durch Oxydation von Pyrit entstanden ist, andernfalls dürfte pyrophores Eisen als Grundsubstanz vorgelegen haben. Wie sollen wir uns aber solches entstanden denken? Nichts liegt näher als der Gedanke an die Möglichkeit einer Umwandlung des in der Kohle schon vorhandenen Pyrits zu pyrophorem Eisen durch eine Art von Reduktionsprozess während des natürlichen Destillations- prozesses. Nach dem, was in der Literatur über die Entstehung des - Pyrits in den Kohlen bisher bekannt geworden, kann diese Ansicht aber nicht zutreffen und zwar aus folgenden Gründen: Nach WeppinG (140) ist das Auftreten von Pyrit so zu erklären, dass Kohlenlager mit eisensulfathaltigen Wässern (durch Herauslösen von im Schiefer schon vorhandenem Schwefelkies entstanden) in .. gekommen seien. Es lasse sich dieser Vorgang heute noch in verlassehen Gruben- bauen beobachten, in denen Schwefelkies sich in Form ganz dünner ' Überzüge auf den Absonderungsflächen der Steinkohlen vor unsern Augen absetzen. Wir müssen also demnach den Schwefelkies als als einen fremden, erst viel später hinzugekommenen Bestandteil der Kohle betrachten, der selbst auf nassem Wege entstanden at Wir sehen daher nur selten Kiese (und Spate) auf den Schichtflächen auf- treten, sondern meist auf den zu den Schichtflächen senkrecht stehen- den’Ablösungen. Diese Tatsache stützt denn auch die Annahme, dass eine Infiltration nach Erhärtung der Kohle stattgefunden hat, mithin erst dann, als die bereits entstandenen zu den Schichtflächen senkrecht stehenden Spalten ein Eindringen schwefel- (und kohlen-) säurehaltiger Wässer gestatteten. ; Diese Theorie erklärt nicht, was aus dem Eisen geworden, das die Kohle von ihrer Muttersubstanz, der lebenden Pflanze her über- nommen hat, sondern nur, wie fremdes Eisen als scheinbarer Bestand- teil der Kohle neu in die Kohlen hineingekommen ist. In der Entwicklungsreihe von der Pflanze über Torf zu Braun- kohle, Steinkohle, Anthrazit, Graphit ist bekanntlich für die Bildung 356 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 jedes nächst höheren Gliedes der Reihe eine Anreicherung, eine Kon- zentration des Kohlenstoffs charakteristisch. Es ist vorauszusehen, dass das Gleiche mit dem in der Pflanze vorkommenden Eisen ge- schehen wird. Beim Torf, event. noch in der Braunkohle hat es den Anschein, dass auch der Eisengehalt sich sukzessive konzentriert. Dafür sprächen z. B. die aus Mucks Kohlenchemie (93, ı32, ıss) ent- nommenen Werte von Torfaschen aus einem: Irland Torf, schwammig und leicht mit 11,60 °/o Fe,O, ö >: &:leicht „456 & » dicht D) 15, 79 °/o ” „. . schwarz 89,78. /027 ; Bei ae Steinkohle scheint der Bisngöhslt stark zu variieren, wie aus folgenden Analysenzahlen hervorgeht: Eisenoxydgehalt von Steinkohlenasche aus 2 verschiedenen Zechen (Bochum) 74,80 %/o und 17,42 %/o Aschen, Inderevier-Aachen 60,79 °/o Sachsen-Zwickau 6,3—74 'Dowlais (South Wales) 11,15— 26,0 °/o Niederschlesien 54,5 lo Amerik. Anthrazit 8,23—5,59 Jo Die starken Schwankungen liessen sich dadurch erklären, dass eben zwischen kohlenfremdem und kohleneigenem Eisen bisher nie unter- schieden wide und obige Zahlen eben die Summe beider angeben. Interessant ist noch, dass beim Anthrazit der Eisengehalt erheblich abzunehmen scheint. Ausserdem scheint das Eisen sich hier in an- derer Bindungsart vorzufinden. LAUPPER glaubt, dass es sich beim besonders schwer brennbaren Walliseranthrazit um eine direkte Bindung des Eisens an Kohlenstoff, möglicherweise um eine Karbidbindung handelt (74). Darin oxydiert es sich nicht und kann weder von Auge, noch mit der Lupe entdeckt werden. Auch die WeigErrsche Graphit- reaktion fällt positiv aus. Ob hier vielleicht das kohlenfremde Eisen durch irgend einen Naturprozess wieder eliminiert worden ist? So sehen wir denn, dass nicht nur die Kohle selbst im Laufe der Erdperiode Umwandlungen durchmachte, sondern auch das Eisen für sich Umänderungen erlitt. In Heukohle, Torf und Braunkohle scheint es als Oxyd vorhanden zu sein, resp. als reduziertes Oxyd, wenn es pyrophore Eigenschaften besitzt (siehe später, Seite 358), im Anthrazit und Graphit aber vermutlich in einer andern Bindungsart, möglicher- weise als Karbid, Fe,C, an € gebunden. Die gleiche Unterscheidung, die wir beim Eisen in kohlenfremdes und kohleneigenes gemacht haben, gilt auch für Aluminium und Man- Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 357 gan, die nach sehr umfangreichen Untersuchungen von STOKLOSA (132) ebenfalls in allen Pflanzen vorhanden sind. Interessant für uns ist auch, dass Fe und Mn stets in den oberirdischen Teilen, in Blättern und Blüten lokalisiert ist, während das Al zumeist in den Wurzeln konzentriert ist. Al ist für die Pflanze ein Schutzstoff und Fe kann von der Pflanze nur bei Gegenwart von Al in grösseren Mengen auf- genommen werden (131). Da der Al-gehalt in den Wasser-, Sumpf-, Moor- und Schlammpflanzen in Kryptogamen verglichen mit den Land- pflanzen ein besonders hoher ist (130), und für sie unentbehrlich ist, so werden wir uns auch die Pflanzenwelt des Karbons nicht ohne Al denken dürfen. Steinkohlenasche enthält ja stets Al, 0, aber seinen Ursprung pflegte man stetsnach aussen zu verlegen, statt in die Pflanzenwelt des Karbons hinein. Von diesem Gesichtspunkt aus interessiert ferner, dass SCHAEFER auch den Schwefelgehalt der Kohlen auf einen ursprünglich verschiedenen S-gehalt in ehemaligen Pflanzen zurückführt. Er hat beobachtet, dass Pflanzen in der Nähe von Fabrikanlagen in verhältnismässig hohem Grad Schwefel aufzu- Speichern vermögen, den sie aus Rauchgasen assimilieren. Die S-menge bei der Pflanze hängt also hauptsächlich von derjenigen S-menge ab, die ihr im Boden oder in der Luft als Nahrungsaufnahme zur Ver- fügung stand (118). Dass pyrophores Eisen aus Pyrit entständen sein könnte, dürfen 'wir nicht annehmen, weil die bisherigen Anschauungen den Pyrit in den Kohlen auf nassem Wege entstehen lassen und zu einer Zeit, nachdem der natürliche Werdeprozess durch Wärme bereits vorüber war und weil diese Theorie nur die Entstehung von kohlenfremdem Eisen erklärt. Im pyrophor gewordenen Eisen kann es sich aber nur um kohleneigenes Eisen handeln. In dieser Not kommt uns H. PoroniE zu Hilfe, der im Gegensatz zu WeppinG die Entstehung von Pyrit in den Kohlenlagern aus dem Vorhandensein von Schwefel in den Organis- ‚ men deutet. Besonders viel Schwefel ist durch die Tierwelt im Faul- schlamm geliefert worden, so dass gerade die Sapropeliten oft durch S0 grosse Schwefelkiesquantitäten ausgezeichnet sind, dass sie deshalb als Alaunschiefer oder Vitriolschiefer technische Verwendung finden können. Wir werden beim Pyritbildungsprozess mit einem Überschuss an Schwefelwasserstoffdämpfen zu rechnen haben, von denen offenbar ein Teil sich mit dem vom urweltlichen Pflanzenmaterial gelieferten Eisen zu Pyrit verband, ein anderer Teil in der plastischen Kohlen- Masse zur Bildung von organischen Schwefelverbindungen Anlass ‚gab, ein weiterer Teil in das Hangendgestein entwich und den in diesen ‘Päter gebildeten Quellen den Gehalt an Sulfaten verlieh. Dass daneben 338 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Züricn. 1922 noch Schwefel in freier Form auftritt, ist nicht wahrscheinlich. Die Bildung von Schwefelwasserstoff auf diesem Wege stünde so in Parallele mit dem beim Heubrand aus den Eiweißstoffen der Futtergräser ent- stehenden H,S und die Möglichkeit einer solchen Entstehungsweise des Pyrits wird gegeben durch ein neues Experiment LAUPPERS, wonach auf trockenem Wege Pyrit künstlich hergestellt werden kann. Erhitzt man nämlich pyrophores Eisen in einem Gasstrom von H,S über kleiner Flamme zirka 30 Minuten lang, so entsteht ein in HCl unlösliches Pulver, das sich unter dem Mikroskop als aus winzig kleinen Pyrit- würfelchen bestehend erweist, die auch in chemischer Hinsicht alle für Pyrit charakteristischen Merkmale zeigen. Auch aus Eisenoxyd dürfen wir uns das pyrophore Eisen kaum entstanden denken und zwar aus folgendem Grund: Schon 1877 hatte H. Moıssan ein „pyrophores Eisen“ hergestellt. Er schrieb damals: „Erhitzt man Fe,0, im H,- oder CO,-Strom auf 500° 20 Minuten lang, so erhält man ein magnetisches. pyrophores Pulver von der Zusammensetzung des schon bekannten, nicht pyrophoren Eisenoxy- duls FeO. Dieses pyrophore FeO zersetzt H,O, HNO, (mit Licht- erscheinung) und C0,. Es hat eine solche Affinität zu O, dass es die Kohlensäure zersetzt und dabei selber in magnetisches Eisenoxydul- oxyd übergeht, was auch erklärt, dass man durch mässiges Erhitzen kein Ferrokarbonat erhält: 3 FeO + C0, = F&,0, + CO. Das pyrophore FeO behält seine Eigenschaften vollständig, wenn man trockene CO, darüber leitet. Es ist noch pyrophor, nachdem man es einer Temperatur von 450° 1'/s Stunden lang ausgesetzt hat, auch im Vakuum.“ Erfolgt die Reduktion von Fe,O, in H, oder C0,, so ent- steht nach Moıssan: bei 300°: magnet. Fe,0, (8Fe,0,+H, = 2Fe0, + H,0) bei 500°: pyrophores Fe0O (F,0, +H, =2Fe0 + H,0) bei 7/800°: metallisches Fe (Fe,0, +3H, =2Fe + 3B;0). Damit erfahren wir nun einmal etwas über die eigentliche Natur des pyrophoren Eisens, das wahrscheinlich mit demjenigen LAUPPERS identisch ist, obschon ein Unterschied besteht insofern, als. MoIsSAN zur Herstellung seines pyrophoren Eisens eine Temperatur von 500° braucht, während LAUPPER immer stets nur 300° angegeben hat: Das liegt daran, dass LAupper als Ausgangsstoff sich des Eisenoxalats bediente, weil dasselbe infolge der engen Verbindung von Kohlenstoff und Eisen und wegen seines Oxalsäuregehaltes den entsprechenden Pflanzenstoffen schematisch am nächsten kam und damit auch den für Jahrg. 67. H. SCHWARZ u. G. LAupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 359 diesen Zweck geeignetsten „Pflanzenersatz“ darstellte. Wir verweisen hier bezüglich Einzelheiten über Herstellung und Eigenschaften des pyrophoren Eisens auf das auf Seite 353 Gesagte und bemerken nur, dass die Übereinstimmung der Entstehungstemperatur des pyrophoren Eisens mit der in Kohlenlagern auf 300° geschätzten Maximaltemperat den Schluss zulässt, dass pyrophores Eisen offenbar auch in den Kohlen- flözen als aus organischen Eisenverbindungen entstanden angenommen werden muss. Mit dem blossen Vorhandensein von pyrophorem Eisen als Zünd- stoff ist aber für die Selbstentzündung von Kohle noch nicht alles erklärt. Da das Pyrophorsein einen sehr veränderlichen Zustand dar- stellt, so ist, damit es zur Wirkung kommt, noch ein plötzliches Freiwerden nötig, eine Bedingung, welche beim Abbau der Kohlen- flöze z.B. durch Sprengung oder Pickelhiebe, beim Kohlenhaufen durch Werbröckeln infolge Verwitterung, bei Kohlentransporten auf Schiffen z.B. im Schlenkern derselben gegeben ist, wo die Kohle oft durch Anschlagen an die Schiffswände zu Stücken zerschlagen wird. Da das pyrophore Eisen auf der Bruchfläche der Kohle einen. äusserst feinen Belag bildet, so wäre nicht zu verstehen, wie eine solche Schicht imstande sein könnte, die Kohle auf den für die Selbst- entzündung nötigen Wärmegrad hinaufzubringen, wenn nicht in den Kohlen sonst noch Stoffe vorhanden wären, welche begierig Sauerstoff aufspeichern und Wärme bilden. Ohne Vermittlung von leicht ent- zündlichen und brennbaren Gasen ist eine Entflammung der Kohlen, wie dies bei Kohlenstapelbränden geschieht, gar nicht denkbar, wenn auch die an flüchtigen Stoffen reichen Kohlen, wie dies PORTER und Ovırz 1913 dargetan haben (107), nicht immer diejenigen sind, die zur Selbstentzündung neigen. GALLE hat gezeigt, wie solche Gase entstehen können (52, ıs). Er hat das Vorkommen von Kohlenbakterien nachgewiesen, welche brennbare Gasgemische von 71,5—84,8 °/o Methan und 5,4—27,3 °/o Kohlensäure erzeugen, und gefunden, dass bei Gegen- wart dieser Gase die Entzündung der Kohlen leichter und früher eın- tritt, als bei Abwesenheit dieser Gase. | Eine grosse Zahl von Untersuchungen ist dem Studium dieser leicht oxydierbaren Stoffe in der Kohle gewidmet worden, ohne dass indessen, wie wir sehen werden, die Frage gelöst worden wäre. Als Dennsteprs Mitarbeiter (15/17) ihre Untersuchungen über die Selbstentzündung der Kohle begannen, war es noch nicht gewiss, ob die Ansicht zutreffe, dass jede Steinkohle, gleichgültig von welcher Art, unter gewissen günstigen Bedingungen zur Selbstentzündung kommen kann, oder ob eine bestimmte chemische oder physikalische 360 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Beschaffenheit dazu nötig sei. Sie haben sich zugunsten dieser letz- teren Anschauung ausgesprochen und wollen in der Jodzahl, sowie in der Maumzn&schen Zahl brauchbare Mittel gefunden haben, um die Feuergefährlichkeit einer Steinkohle zu beurteilen. Auch sie verlegen die Selbstentzündlichkeit in den „Restkohle“ genannten Teil. Das ist die Kohle, die übrig bleibt, wenn man aus ihr durch Behandeln mit Soda die Huminsäuren und durch Extrahieren mit Benzol alle bitu- minösen Stoffe entfernt hat. In diesem Zusammenhang interessant ist nun die Beobachtung, dass diese Restkohle eine stark gesteigerte Selbstentzündlichkeit auf- weist. ERDMANN (34, 313) berichtet, dass die hellbraune Restkohle in trockenem, Zustande binnen 85 Sekunden sich entflammt, wenn ein 2°/o O, enthaltender kalter Sauerstoffstrom darüber geleitet wird. Noch etwas schneller (in 45 Sekunden) findet die Entzündung unter diesen Bedingungen statt, wenn die Restkohle vorher ntit hoch- konzentrierter H Cl in der Kälte behandelt worden ist. Dies ist wohl nur auf die Entfernung des starken, die Entflammung beeinträchtigenden .Aschengehaltes durch die H Cl zurückzuführen. Dieselbe Eigenschaft hoher Entzündlichkeit zeigt nun aber auch das nach WILLSTÄTTER z.B. aus Kiefernholz gewonnene Lignin. Es brennt im 2°/oigen Ozon- strom bereits nach 25 Sekunden, und ErDMANN vermutet hinter dieser bemerkenswerten Beobachtung nahe Beziehungen der Restkohle zum Lignin. Die Theorie ERDMAnNs würde also die schon seit THEOPHRASTUS (also um 320 v. Chr.) bekannte Selbstentzündlichkeit der Kohle auf den in organischen Lösungsmitteln und in Soda unlöslichen Teil der Kohle zurückführen, da die Huminsäuren und bituminösen Substanzen der Kohle keine Selbstentzündlichkeit besitzen. Wahrscheinlich ist es diese Restkohle, welche die ungesättigten Verbindungen enthält, auf denen die Jodaufnahme beruht und deren Oxydierbarkeit annähernd parallel verläuft mit der Jodzahl. Auch FERD. FISCHER hat schon früher die Meinung ausgesprochen, dass die ÖO-Aufnahme der Steinkohle, ähnlich wie bei den trocknenden Ölen, auf ungesättigte Verbindung zurückzuführen sei, und daher auch die Bromprobe empfohlen. Dem widerspricht nun Horm. Nicht die Un- gesättigtheit der Verbindungen ist es, sagt er, welche die leichte Oxydierbarkeit bewirkt, sondern massgebend für die Leichtigkeit der Zündung ist die Fähigkeit der leichten Abspaltbarkeit von Kohlen- wasserstoffen aus gesättigten Verbindungen. Es frage sich übrigens erst noch, ob ungesättigte Verbindungen wirklich leichter oxydierbar seien als gesättigte. Nach ihm ist das nicht der Fall. Hoım (1913) behauptet, dass Doppelbindungen, die ja für ungesättigte Verbindungen Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 361 charakteristisch sind, an sich auch bei verhältnismässig hohen Tem- peraturen gegenüber freiem Sauerstoff beständig seien (64). Das schliesst er aus den Werten, die er für die Zündpunkte der ver- schiedensten Substanzen erhalten hat, speziell aus den Zündpunkten von flüssigen Brennstoffen mit Äthylenbindungen und von Äthylen selbst. Unter Zündpunkt versteht er die Temperatur, bei der zuerst bei Atmosphärendruck Selbstentzündung in Luft eintritt. Der Zünd- punkt ist verschieden von Flammpunkt und Brennpunkt und hat mit ihnen nichts zu tun. Mit seinen Zahlen will HouLm zeigen, dass die komplizierten Stoffe am leichtesten zünden, indem sie viel leichter einer Zersetzung unterliegen, als die beständigen, nur aus wenig Atomen bestehenden Moleküle oder gar die Elemente, die naturgemäss wenig Fähigkeit zur Zersetzung zeigen und infolgedessen am schwersten zünden. Beispiele Beispiele für hohen Zündpunkt: für niedrigen Zündpunkt: (einfache Körper) (zusammengesetzte Körper) Ammoniak 780° weisses Paraffin 310° Wasserstoff 470° Petroleum 380° Leuchtgas 600° Zellulose 360° Alkohol 510° Torf (lufttrocken) 280° Aceton ya a Braunkohle (lufttrocken) 250° Benzol 520° Steinkohle, böhmische 390° Xylol 500° Anthrazit 440° Anilin 530° also: je stabiler und einfacher zusammengesetzt ein Körper, um so höher sein Zündpunkt, und umgekehrt. Darum hat auch von den Paraffinkohlenwasserstoffen in der Reihenfolge gasförmig, flüssig, fest das Endglied, das feste weisse Paraffin den niedrigsten Zündpunkt 310°. Hoım schliesst aus dem niedrigen Zündpunkt auf einen Zerfall und zwar die Abspaltbarkeit von Kohlenwasserstoffgruppen aus Sesättigten Ketten. An Stelle der Erhitzung infolge heftiger Oxydierbarkeit ungesättigter Verbindungen setzt Hoım die Erhitzung infolge chemischer Aufspaltung gesättigter Molekülketten. Seine Zünd- Punkte der Kohle hält er für ungenau, immerhin ersieht man aus Ihnen, dass die brennbaren Stoffe, die bei der Grösse ihrer Moleküle leicht unter Abgabe von Gasen und Dämpfen zerfallen, besonders Niedrige Zündpunkte haben. Die wirklichen Zündpunkte dieser Sub- Stanzen liegen seiner Ansicht nach viel tiefer. Nach Horn hat der Anthrazit bei höherer Temperatur eine langsame Destillation unter 362 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Luftabschluss durchgemacht. Nicht unbeträchtlich niedriger (etwa 50) zündet die untersuchte Steinkohle. Ihr Gasgehalt ist grösser, ent- sprechend der niedrigeren Phase der natürlichen Destillation aus einer, wenn überhaupt, so doch nur unwesentlich verschiedenen Pflanzenart. In den verschiedenen Braunkohlen und dem Torf finden wir die Ver- kohlungsstadien eines jüngeren Zeitalters, die nicht den Temperaturen ausgesetzt gewesen sind wie die Steinkohlen und der Anthrazit. . Wenn Hoım zu zeigen versucht hat, dass durch Aufspaltung lan- ger gesättigter Ketten gasförmige Produkte entstehen mit niedrigem Zündpunkt, so ist damit die Selbstentzündung noch nicht erklärt. Denn um diese Gase zu entzünden, ist Wärme nötig. Diese stammt nach Horm von einer Verbrennung her, die im Innern der Kohle un- sichtbar erfolgt. Darauf deutet das CO, hin, das immer in den aus- tretenden Gasen vorhanden ist, wenn beim Zerfall von Kohle bei niedrigeren Temperaturen Luft zugegen ist, während beim Durchleiten von Stickstoff oder Wasserstoff, also unter Ausschluss von Sauerstoff, Methan, Äthan und andere meist gesättigte Körper nachgewiesen wur- den. Kurz, es wird Wärme produziert und es handelt sich hier um eine Verbrennung, die gewöhnlich unsichtbar ist, die aber unter Um- ständen auch zu sichtbarer Zündung und Flamme führen kann. Die Zündung selbst führt Horm auf die Aktivität des Sauerstoffes zurück. Sie ist für flüssige und feste Brennstoffe die Regel, während bei den gasförmigen eine Zündung durch Temperatur äus- serst schwer erfolgt und katalytische Erscheinungen hier wohl die Hauptrolle spielen. Damit kommen wir auf die katalytische Wirkung des pyrophoren Eisens zu sprechen. Für eine Mitwirkung pyrophoren Eisens als Ur- sache der Zündung spräche ferner, dass Selbstentzündung bisher nur bei Steinkohle und Braunkohle, aber noch nie bei Anthrazit und Koks beobachtet worden sind. Da in letzterem flüchtige und leicht angreif- bare Bestandteile fehlen, und das Eisen in festerer Bindung zu sein scheint, so ist nicht nur. das Moment der Entzündung erschwert, son- dern es vermag auch der Sauerstoff erst bei sehr hoher Temperatur oxydierend auf Anthrazit und Koks einzuwirken. Dementsprechend bleiben Koks und Anthrazit bei langer Lagerung im allgemeinen che- misch unverändert. In den Steinkohlen veranlasst die Absorption von 0 zunächst eine Gewichtsvermehrung, dann aber erfolgt durch das Ver- brennen der Kohlenwasserstoffe eine Gewichtsabnahme (vgl. 115 m. 86). Die Kohle wird C-ärmer und aschenreicher. So wurde zum Beispiel im Ausstrich von Kohlenflözen in Wyoming der Ö-Gehalt der Kohle un- gefähr 20/0 niedriger gefunden als bei der unveränderten Kohle des- Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 363 selben Flözes in grösserer Tiefe. Diese Veränderung konnte stellen- weise sogar bis auf 15 m Tiefe nachgewiesen werden. Geht die Oxydation der Kohle lebhafter vor sich und wird die hierbei sich bildende Wärme nicht schnell genug abgeleitet, so kann der Oxydationsvorgang zu einer Selbstentzündung des Kohlenflözes führen. Solche brennenden Kohlenlager sind fast in allen Kohlen- revieren bekannt geworden. Erfolgt die Entzündung in grosser Tiefe, so ist an ein Löschen oft gar nicht zu denken. Man ist gezwungen, den ganzen brennenden Teil durch sorgfältigste Abmauerung von der Luft abzuschliessen, wodurch das Feuer .im Laufe von Jahren in sich selbst erstickt. Oft aber ist die Grube für den Steinkohlenbergbau überhaupt verloren, indem bei Luftzutritt der Brand von neuem aus- bricht. Stossen wir hier nicht auf das gleiche Bild, das uns im Va- kuumröhrchen eingeschlossenes pyrophores Eisen darbietet, das naclı Abbrechen der Kapillarspitze, auf eine Tonplatte entleert, von selbst in @lut gerät? Ganz gleich verhält sich der Heustock, der mit Wasser gelöscht, beim Abdecken der obern Schichten wieder zu einem Flam- menmeer sich entfacht. Neben Kohlenhaufen und Kohlenflözen können aber auch bitumi- ' nöse Schiefer durch Selbstentzündung zu den sogenannten Halden- bränden führen. Nach Potoxıt sind es die grossen Mengen schwarzen Schiefers mit ihrem merklichen Gehalt an organischen Stoffen, welche die Selbstentzündung jener zu ganzen Bergen aufgehäuften, beim Ab- bau der Kohlen sich ergebenden wertlosen Gesteinsmaterialen, d. b. der Berghalden der Steinkohlengruben veranlassen. Die lose Zusam- menschüttung dieses Materials bietet dem Luftsauerstoff die Möglich- keit, die im Innern befindliche organische Substanz zu oxydieren. Die weitere Erklärung entspricht ganz der im Heuhaufen : Geringe Wärme- entwicklung, die sich kumuliert wegen der schlechten Wärmeleitung des Gesteins, bis es schliesslich zur Erscheinung des’ „brennenden Berges‘ kommt. Es sind Haldenbrände von Steinkohlen und von Braunkohlen bekannt (108,10). Zur Erklärung der Haldenerhitzung beim Torf wird nach Hagıunn, VoGEL und HOERING (73) ohne weiteres die Parallelität mit der Selbstentzändung bei Heuhaufen zugegeben und die Entzündung auf dieselben Ursachen zurückgeführt. Gelegent- lich sammeln sich auch im Innern solcher Halden Gase an, die sich Plötzlich zur Explosion entzünden und Gesteinsstücke in die Luft werfen können. Nachdem wir nun bisher in diesen Selbstentzündungen nicht viel mehr als ein Element der Zerstörung wertvoller Materialien sehen konnten, bleibt uns noch übrig, über die Selbstentzündung als auf- 364 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 bauender Faktor im Kohlenwerdungsprozess noch ein Wort zu sagen. Denn es sind auch Fälle denkbar, wo die Zerstörung nicht identisch ist mit einer Vernichtung wirtschaftlicher Werte, sondern wo im Ge- genteil die Zerstörung nur den Übergang von einem bestimmten Zu- stand in einen neuen, für uns noch wertvolleren bedeutet. Da in unserer chemischen Welt der Sauerstoff das vernichtende Agens be- deutet, so werden wir uns fragen müssen nach dem Vorkommen und nach dem Verlauf von Selbstentzündungen noch nicht fertiger Koh- lenlager tief im Innern der Erde, wo der Sauerstoff nur in geringem Masse Zugang hat und wo also eine eigentliche Zerstörung durch ihn nicht stattfinden konnte. Es ist leider darüber wenig bekannt. Über solche „Erdbrände“ hat uns nun F. HERRMANN in neuester Zeit (1919) interessante Mitteilungen gemacht. Er hatte Gelegenheit, 1917 und 1918 zahlreiche Vorkommen von Erdbrandspuren in den Kohlen- gruben Serbiens zu beobachten, wo sie sich an Kohlen der Kreide und des Tertiärs finden. Als Ursache konnte er Selbstentzündung feststellen. Diese Erdbrände besitzen ein so hohes Alter, dass der Mensch als Urheber dieser Brände gar nicht in Betracht kommen kann. Wir haben damit nach HERRMANN ein sicheres Beispiel eines natürlichen, nur auf Selbstentzündung brennbarer Materialien beruhen- - den Erdbrandes gewonnen. Am ausgedehntesten war die Erscheinung an den jungtertiären Braunkohlen östlich von Semendria. Die infolge von Sprüngen zum Ausstreichen gelangende Kohle ist ringsum an den Hängen verbrannt und hat die mächtigen überlagernden Tone ganz verziegelt. Leider erfahren wir in seiner Arbeit nichts über die Ver- änderungen, welche die Kohle selbst bei diesem Vorgang erlitten hat. Mehr interessierten ihn die Veränderungen, welche dabei die aufla- gernden Gesteine durchgemacht haben. Diese Tone sind völlig ver- ändert und bilden in Serbien geradezu ein Leitgestein beim Aufsuchen von Kohlen und mit Hilfe der schon von weitem sichtbaren rotge- brannten Tone im Hangendgestein gelang es ihm, nördlich des Ochrida- sees ein länger gesuchtes Braunkohlenflöz tatsächlich aufzufinden. (99) In den Werken von Zincken (150,255) und Justus ROTH (117 III, ») ist eine grosse Zahl von derartigen Erdbrandvorkommen angegeben, auf die hier nur verwiesen sei. HERRMANN misst diesen Erdbrandgesteinen eine grosse Bedeutung zu. Als weitere Beispiele von solcher Verziegelung anliegender Ge- steinsschichten nennt er den Porzellanjaspis von Gross-Almerode, der als die Folge eines Erdbrandes der Alluvialzeit mit natürlichen Ur- sachen angesehen wird. Desgleichen der Porzellanjaspis im miozänen Braunkohlenton von Zittau. Über Mineralneubildungen bei Erdbränden Jahrg. 67. H. Schwarz u. G. Laupper. Von der Heukohle zur Naturkohle. 365 berichtet ausführlicher Rortu (11% I,«eo, III,366). An diesen Erdbrand- gesteinen ist die Selbstentzündung nachweisbar und da sie, wie HERR- MANN bemerkt, schliesslich weiter verbreitet sind, als gemeinhin an- genommen wird — es kommen ausser den Vorkommen in Serbien, Deutschland und Böhmen solche in Frankreich, England, Rumänien, Estland und Grönland in Betracht — so wäre es wünschenswert, . dass in unsern neueren Lehrbüchern die Erdbrände wieder Erwähnung finden würden, wo sie unter den Einwirkungen der Atmosphäre oder bei der kaustischen Metamorphose einzureihen wären. Literatur-Verzeichnis. nnähernd er: u oe Abe: erhält man, wenn zu nachstehenden 151 Nummern ch hinzugefügl werden: die 432 Nummern in Wheeler E Biss „Constitution .....“ (144), sowie die 167 Nummern in erste „Kohle und Ka (26). Das folgende Verseichnie ist somit aur als eine Ergänzung der in genannten. Arbeiten aufgeführten Literatur aufzufassen 1. BALTZER, A.: Über den natürlichen Verkohlungsprozess. Vierteljahrsschrift d. Beirtörsch, Gesellsch. Zürich. 17. 67. 1872. 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Der Zufall wollte es, dass wir bald darauf wiederum ein Moschusochsenrest aus der gleichen Gegend in die Hände kam. Am 23. April 1922 sandte mir Herr Reallehrer J. Hüscher in Neuhausen bei Schaffhausen einen Wirbel mit der Bitte, ihn zu bestimmen. Er schrieb: „Der Wirbel stammt aus einer Jahrg. 67. KARL HESCHELER. Moschusochsenreste a. d. Kanton Schaffhausen. 373 Kiesgrube der Rückzugsterrasse der letzten Eiszeit aus der Nähe des Kesslerlochs bei Thayngen“ und erwähnte in einer spätern Zu- schrift: „Der Fundort ist beschrieben in J. Hua: Beiträge zur geol. Karte der Schweiz. Neue Folge, XV. Lief. 1907. Die letzte Eiszeit im nördlichen Teil des Kantons Zürich und den angrenzenden Ge- bieten. p. 70 Mitte.“ Den mir übersandten Wirbel erkannte ich rasch als Halswirbel Fig. 2. Derselbe Wirbel wie in Fig. 1. Ansicht von hinten. °/, von Ovibos, stimmte er doch mit dem Moschusochsenhalswirbel auf- fallend überein, den ich im Jahre 1907 beschrieben hatte (Viertel- jahrsschr. Natf. Ges. Zürich, 52. Jahrg.) und der aus der en. von Konstanz stammte. Auch diesmal handelt es sich offenbar um den fünften Hals- wirbel. Die Masse decken sich sehr weitgehend mit denen vom fünften Halswirbel des Ovibos-Skelettes, das das Zoologische Museum in Zürich besitzt und das, wie 1907 schon erwähnt, vom Gaasefjord, Fünfter Halswirbel von Ovibos. Tossit von Von der Vom Skelet!|Vom Skelett) Vom rn Fossil Konstanz insel, nu men re he Techerski Berlin Berlin En Thayngen mm mm mm mm il. Länge des Wirbelkörpers an seiner oberen Fläche 44 43 45 493 44 42 3. Grösste Höhe der vorderen Gelenkfläche 58 53 593,5 E 50 47 4. Querdurchmesser derse e. 66 56? 64 — 55 53 5. Grösste Höhe der hintern Gelenkfläche 59 56 56 55 55,5 55,5 6. er derselben . 70 63? 70 60 61 61 7. a Breite des Wirbels vorn, im Zw ischenraume zei { lenk- er Querfortsätzen (obere Verengerung des Wirbels) s1 19 78 13 71 2 8. Grösste Breite des Bogens im Bereich der vorderen fortsätze Verbreiterung des Wirbels) i 92 97,5 89 sh 79 83 10. Geringste Breite der oberen Oberfläche des Bo ogen 76 85 14 72 71 1 13. Geringste Entfernung zwischen den untern Rändern Ber Gelenk- { er vorderen Gelenkfortsätze 26 30 28 23 28 23 14. Grösste ee zwischen den oberen Rändern derselben Gelenkfor 87 87 s5 83 83 si 15 ee nung zwischen ‚den unteren Teilen der Gelenk- fazetten der hinteren Gelenkfortsätze 35 33 36 36 37 36 18. zen Länge der Basis (Schenkel) des Bogens, von vorn nte 31 35 32 35 24 29. 19. Grösste Dicke derselben (d. h. der Schenkel). 30 25 97 26 24 24 20. Geringste Breite der äusseren Wand des Gefässkanals {ron vorn nach hinten) . . 95 27 29 22 23 25 21. Grösse Dicke dieser Wan de. 12 — 14 8 10 — 99, Grösster Durchmesser des Gefässkanals hinten . : 8 4 5 10 ee) S 93. Sein grösster Querdurchmesser ebendaselbst . 5 6 9 ” & 4 28. Entfernung vom untern Rande der vordern Gefässkanalöffnung vordern Rande des Wirbelbogens, s untern > s der Gelenkfläche = vordern BrOKOrON . 32 35 33 _ 29 3 36. Höhe des Rückenmarkkanals vo ; =; 26 % 22 IR 31. Breite Becen ebendaselbst . 232 95,5 2 -- 95 26 -yorınZ UT IFeyas[[osan) "Jınyen AOp IMIYOSsSsıyrl[alIoT A Schr Jahrg. 67. Karı HESCHELER. Moschusochsenreste a.d. Kanton Schaffhausen. 375 Ellesmere Land, stammt. Der Wirbel ist, wie die Abb. Fig. 1 u. 2, p. 372 u. 373 zeigen, etwas besser erhalten als der von Konstanz, immerhin auch ziemlich abgerollt. In den Öffnungen der Foramina transver- saria stecken fest eingekeilte Kieselsteinchen. Die vorstehenden Masszahlen sind mit den 1907 in einer Tabelle (p. 287) gegebenen in Vergleich gesetzt worden. Diese Tabelle wurde nach dem Muster derjenigen von J. D. TSCHERSKI (Posttertiäre Säugetiere des Janalandes und der neusibirischen Inseln. M&m. Ac. St. Petersbourg [VII] t. 40, 1892, p. 96) aufgestellt. Die Masse des Thaynger Wirbels nähern sich, wie man sieht, ausserordentlich denen des rezenten Wirbels der Sammlung in Zü- rich. Wie 1907 erwähnt, ist der KonstanzerWirbel etwas stärker ge- baut als letzterer. Auf die Besonderheiten der Ovibos-Halswirbel sei nicht weiter eingetreten, sondern auf die Bemerkungen von 1907 verwiesen. Mit einigen Worten soll nun noch auf das Schädelfragment eingegangen werden, dessen Entdeckungsgeschichte und kurze Dar- stellung 1921 resp. 1922 (siehe die hier eingangs erwähnte Literatur) gegeben wurde. Es fand sich in der Niederterrasse der Würmver- gletscherung im Ebnatquartier der Stadt Schaffhausen und wurde von Herrn Prof. Dr. W. FEHLMANN in Schaffhausen für die Wissenschaft entdeckt. Das Nähere ersehe man in den früheren Mitteilungen. Dieses Schädelfragment und der Wirbel von Thayngen dürften unge- fähr gleichaltrig sein, da die Ebnatterrasse zwischen Thayngen und Ziegelhütte beim Kesslerloch, wo der Wirbel gefunden wurde, endigt. (Siehe Hua 1. c. p. 70). Auf die Literatur über fossile Moschusochsen näher einzutreten liegt ausser dem Rahmen dieser kleinen Arbeit. Es mag genügen, auf folgendes hinzuweisen. Im Jahre 1912 erschien die Abhandlung von R. Kowarzık: Der Moschusochs im Diluvium Europas und Asiens (Denkschr. math.-naturw. Kl. Ak. Wiss. Wien, Bd. 87), in der in ver- dienstlicher Weise die bis dahin beschriebenen Funde in Europa und Asien zusammengetragen und analysiert wurden. Es sind 81 Einzel- funde. Dazu ist eine kleine Richtigstellung zu geben. In der tabel- larischen Zusammenstellung p. 15 ist unter „Schweiz“ der von mir 1907 beschriebene Wirbel von Konstanz allein erwähnt. Dieser Fund gehört eigentlich unter „Deutschland“, da die Fundstelle „beim Jakob“ rechts des Rheins, auf badischem Gebiete liegt. Anderseits ist als erster schweizerischer Fund die Phalanx I vom Kesslerloch bei Thayngen zu notieren, die von mir 1907 in „Neue Denkschr. Schweiz. Natf. Ges.“ Bd.43 beschrieben wurde. Zu seiner Abhandlung gibt Kowarzık eine kleine Ergänzung 1913 in „Naturwiss. Wochenschrift“ Bd. 12, 376 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 p. 757, in der die Zahl der eurasiatischen Funde auf gegen 90 an- genommen wird. Diesen Ausführungen über die diluvialen altwelt- lichen Moschusochsen gehen verschiedene Arbeiten von KOWARZIK über den lebenden und fossilen Moschusochsen und seine Rassen voraus. Als wichtigstes Ergebnis seiner Studien betrachtet KOWARZIK seine Fig.3. Schädelfragment von Ovibos moschatus Zimm., fossil von Schaffhausen. Ansicht von oben und hinten. "a Feststellung, dass zwei verschiedene Gruppen dieses arktischen Tieres auseinander zu halten sind, eine westliche, von ihm Ovibos moschatus mackenzianus genannt, und eine östliche, die nach ihm in vier Typen zerfällt. Auf dieser Grundlage werden auch die fossilen Funde klas- sifiziert und der Schluss gezogen, dass alle diluvialen eurasiatischen Jahrg. 67. Kart, HESCHELER. Moschusochsenreste a. d. Kanton Schaffhausen. 377 Reste, mit Ausnahme von vier, der Gruppe Ovibos moschatus macken- zianus angehören, während die vier eine Ausnahmestellung bean- spruchenden Ovibos priscus Rütim. = 0. fossilis Kow. zugeschrieben werden. Fig. 4. Dasselbe Schädelfragment wie in Fig. 3. n 1 Ansicht von unten. 1913 erschien nun aber die grosse Monographie von J. ALLEN: Ontogenetic and other variations in Muskoxen, with a systematic re- view of the Muskox group, recent and extinct. Mem. Americ. Mus. of Nat. Hist. N. 8. Vol. I, In dieser auf ein umfassendes Material auf- 378 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 gebauten Untersuchung werden die systematischen Schlussfolgerungen von Kowarzık durchaus abgelehnt. Die ausführliche Abhandlung von Kowarzık über die diluvialen eurasiatischen Ovibosfunde war jedoch ALLEN noch nicht bekannt, sodass eine Diskussion über die darin ent- haltenen Schlüsse zurzeit fehlt. Arten führt die fossilen Reste von Eurasien als Ovibos pallantis Ham. Smith auf. Es muss mir natürlich ferne liegen, in diesen strittigen Fragen irgendwie Stellung zu neh- men. Ich habe deshalb auch mit allem Vorbehalt in der kurzen Mit- teilung von 1921 resp. 1922 (Verh. Schweiz. Natf. Ges. resp. Eclog geol.) von der Zugehörigkeit des Schaffhauser Schädelfragmentes zu der Rasse Ovibos moschatus mackenzianus Kow. gesprochen, einzig um den Fund mit den von KowWARZIK zusammengestellten in Beziehung bringen zu können. Kann diese Rasse: O. m. mackenzianus nicht an- erkannt werden, so fällt selbstverständlich auch die Einreihung des Schaffhauser Fundes bei derselben dahin. Unter dem gleichen Vorbehalt verweise ich hier wieder auf einige Merkmale, denen KowArZIK besonderen Wert beimisst und welche sich an dem fossilen Schädelfragment feststellen lassen. Nach allem nähert sich unser Fossil sehr dem Schädelfragment von Kreuzberg (Berlin), das von KowARZIK ausführlich beschrieben, als No.37 aufgeführt und durch zwei Abbildungen (Taf. II, Fig. 3 u.4) illustriert wird. Das Schädelfragment von Schaffhausen ist offenbar, namentlich auch an seiner basalen Fläche, noch stärker abgerollt, da- gegen ist etwas mehr von der Stirnpartie erhalten. Wie dies g0- wöhnlich bei den diluvialen Moschusochsen-Schädelfunden der Fall ist, fehlt der Gesichtsschädel. Es kann auf die Beschreibung von KoWwARZIK vom Kreuzberg-Schädel verwiesen werden, die in vielem auch auf den Schaffhauser Schädel passt. Die Masse, die Kowarzık für ersteren angibt, stimmen z. T. genau für den "Schaffhauser Fund. Ich sehe von eigenen Massangaben ab, schon wegen der starken Abrollung des Fragmentes. Die Hornbasislänge beträgt beim Schaffhauser Schädel ca. 160 mm. Es handelt sich jedenfalls um den Schädel eines Männ- chens. Die Merkmale, auf die Kowarzık, weil sie bezeichnend für Ovibos moschatus mackenzianus sein sollen, besonderes Gewicht legt, treffen auch hier zu, so z. B. die Form des Nackenkammes und die des Basioceipitale. Siehe die Abbildungen Fig. 3 und 4, pag. 376 u. 377. Um die tabellarische Übersicht der eurasiatischen Funde bel Kowarzık mit Bezug auf die schweizerischen Fundobjekte richtig ZU stellen, resp. zu ergänzen, lasse ich noch die untenstehende Zusam menstellung folgen. Über die schweizerischen Ovibosfunde hat sich Jahrg. 67. KarL HESCHELER. Moschusochsenreste a.d. Kanton Schaffhausen. 379 schon H. G. STEHLIN (Verh. Natf. Ges. Basel, Bd. 27, 1916) etwas aus- führlicher geäussert. Er nimmt die Gelegenheit wahr, über das be- kannte Kunstwerk aus der Kesslerlochhöhle, die Skulptur eines Paläo- lithikers, die von anfang an als Moschusochsenkopf gedeutet wurde, sein persönliches Urteil abzugeben und dieser Deutung durchaus bei- zustimmen. Er weist darauf hin, wie wichtig es für diese Deutung war, dass einmal unzweifelhafte Moschusochsenreste aus dem Kesslerloch oder dessen Nähe festgestellt werden konnten. Die hier beschriebenen neuen Funde, von denen der eine, der Halswirbel, aus unmittelbarer Nähe des Kesslerloches stammt, vermehren natürlich die Sicherheit in der Deutung dieser Skulptur. Dabei fällt sehr ins Gewicht, dass diese Moschusochsenreste in den Ablagerungen ‘der letzten Eiszeit angetroffen wurden, an deren Ende ja auch die Kesslerlochsiedelung zu setzen ist. Übersicht der schweizerischen Ovibosfunde. No. Art des Fundes Fundort Literatur K. HESCHELER: Denkschr. 'Schweiz. Natf. Ges B 1907 un Ba ea De Thayngen (Magdalenien) Kiesgrube bei Olten-Hammer 2 Atlas Niederterrasse (letzte Vergletscherung) H. G. STEHLIN: Verh. Natf. Ges. Basel, Bd. 27, 1916 Ebnatquartier bei Schaffhausen | K. HESCHELER: Verh. 3 re Niederterrasse Schweiz. Natf.Ges. 1921 u. re (letzte Vergletscherung) vorlieg. Publikation 1922 ‚Kiesgrube in der Nähe des . pe 4 5.Halswirbel Kesslerlochs, Niederterrasse K. HEscHELER: Vorlie gende Publikation 1922 (letzte Vergletscherung) An der Grenze der Schweiz, auf badischem Gebiete: K. HESCHELER: Viertel). Natf. Ges. Zürich, Bd. 52, 1907 Kiesgrube beim „Jakob“ in der Nähe von Konstanz (letzte Vergletscherung, Rück- zugsphase nach dem Maximum) 5 15. Halswirbel &s sei nur angedeutet, welche Bedeutung diese, wenn auch spär- lichen Mosöknissuhsötrbete für die Abklärung der noch strittigen Fragen nach den klimatischen Verhältnissen in Mitteleuropa zur Eiszeit haben 380 Vierteljahrssehrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 müssen. Handelt es sich doch um ein Tier, das heute auf ein Areal im alleräussersten Norden beschränkt ist und das als exklusiv ark- tische Form bezeichnet werden muss. Den Herren Prof. Dr. W. FEHLMANN in Schaffhausen und Reallehrer J. HüsscHER in Neuhausen sei auch hier nochmals der wärmste Dank ausgesprochen. Die Fundstücke sind vorläufig im Zoologischen Mu- seum der Universität Zürich deponiert, sind aber Eigentum der Natur- forschenden Gesellschaft in Schaffhausen. Über Regelflächen zweiten Grades, Von A. Kırrer (Zürich). (Als Manuskript eingegangen am 14. Oktober 1922.) L, Welches ist der Ort des Durchsehnittspunktes derjenigen Erzeu- genden eines Hyperboloids, welche sich rechtwinklig durchschneiden ? Diese Aufgabe findet sich in Artikel 186 der SALMoN-FIEDLER- schen Analytischen Geometrie des Raumes. Als Ort ist auf analy- tischem Wege die Raumkurve vierter Ordnung gefunden, in welcher das Hyperboloid von derjenigen Kugel geschnitten wird, von deren Punkten aus an das Hyperboloid drei paarweise zu einander recht- winklige Tangentialebenen gehen. Eine geometrische und zum Teil analytische Lösung der Aufgabe enthält die Arbeit: Ein Beitrag zu den Regelflächen zweiten Grades. Von JuLius PoLLar. Zeitschrift für das Realschulwesen (Wien, Alfr. Hölder), Jahrgang XXIII (1898), 142. Im folgenden soll eine andere Lösung und eine Verallgemeinerung gegeben werden. Angenommen P sei ein gesuchter Punkt auf dem gegebenen Hyperboloid. Die parallelen Geraden durch den Mittelpunkt O der Fläche zu ihren Erzeugenden bilden den Asymptotenkegel A. Die Parallelebene zur Tangentialebene der Fläche in P muss aus dem Asymptotenkegel zwei Erzeugende herausschneiden, die aufeinander senkrecht stehen; die Parallelebene selber ist die Polarebene der Geraden OP in bezug auf den Asymptotenkegel. Sucht man also alle Ebenen, die aus dem Asymptotenkegel Paare rechtwinkliger Geraden herausschneiden, so schneiden die zu den Ebenen in bezug auf den Asymptotenkegel K, zugehörigen Polargeraden das gegebene Hyper- boloid in den gesuchten Punkten. Wählt man auf dem Asymptoten- kegel eine beliebige Erzeugende gy, So schneidet die senkrechte Ebene urch O zu g den Asymptotenkegel in zwei Geraden 9’, g” und dann sind die Ebenen (9, 9’) und (g, g”) zwei Ebenen durch g, die aus dem Asymptotenkegel Paare rechtwinkliger Erzeugenden heraus- Schneiden. Durch jede Erzeugende g des Kegels K, gehen zwei solche 382 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 192 Ebenen und daher ist die Enveloppe aller dieser Ebenen eine Kegel- fläche zweiter Klasse K; ihr Polarkegel in bezug auf den Asymp- totenkegel durchdringt das gegebene Hyperboloid in einer Raumkurve vierter Ordnung, welche der gesuchte Ort ist. Die Kegelfläche X steht in einfachem Zusammenhang mit der Kegelfläche X, durch 0 nach dem imaginären Kugelkreis im Unendlichen und mit dem Asymp- totenkegel K, des Hyperboloids. Die beiden letzten Kegelflächen X, und X, schneiden sich in vier Geraden; wählt man eine derselben als Gerade g, so geht die senkrechte Ebene durch O zu g durch 9 selber und berührt längs g die Kegelfläche X, nach dem imaginären Kugelkreis. Die senkrechte Ebene schneidet daher den Asymptoten- kegel K, in g und in einer zweiten Geraden; die Verbindungsebenen jeder dieser zwei Geraden mit g sind die Tangentialebenen der beiden Kegel K, und K, längs g. Der Asymptotenkegel K, und der Kegel K, nach dem imaginären Kugelkreis schneiden sich in vier Erzeu- genden; legt man längs jeder der vier Erzeugenden an die beiden Kegel K,, K; die zwei Tangentialebenen, so berühren die acht Tan- gentialebenen eine neue Kegelfläche, nämlich die Kegelfläche K. Nimmt man zu den Erzeugenden des Asymptotenkegels die senkrechten Ebenen durch O, so umhüllen sie den Normalkegel K, des Asymp- totenkegels K,. Zu je zwei Erzeugenden des letztern, die zueinander rechtwinklig sind,“ gehören zwei Tangentialebenen von K,„, welche aufeinander senkrecht stehen. Die senkrechten Ebenen durch O0 zur jeweiligen Schnittlinie eines solchen rechtwinkligen Paares von Tan- gentialebenen umhüllen den Kegel X. Der Normalkegel X, und der Kegel K, haben vier gemeinsame Tangentialebenen und ihre acht Berührungserzeugenden müssen auf einer neuen Kegelfläche liegen, deren Normalkegelfläche die frühere Kegelfläche X ist. Nimmt man jetzt zu K den Polarkegel in bezug auf den Asymptotenkegel K., d.h. nimmt man zu jeder Tangentialebene von K die Polargerade in bezug auf K,, oder zu jeder Tangente des unendlich fernen Kegelschnittes von K die konjugierte Gerade in bezug auf das Hyperboloid so entsteht ein Kegel X’, der mit dem gegebenen Hyperboloid die Sym- metrieebenen gemeinsam hat und dessen Durchdringung mit dem Hy- perboloid den gesuchten Ort liefert. Er ist eine Raumkurve vierter Ordnung, welche zu den Symmetrieebenen des Hyperboloids symme- trisch liegt und durch die vier Schnittpunkte des unendlich fernen imaginären Kugelkreises mit dem Hyperboloid hindurchgeht; denn die Tangenten in diesen Punkten an den unendlich fernen Kegelschnitt des Hyperboloids berühren, wie schon gesehen, auch X und die Polar- geraden der zugehörigen Tangentialevenen von K in bezug auf den Jahrg. 67. A. KiEFER. Über Regelflächen zweiten Grades. 383 Asymptotenkegel K, sind die Erzeugenden von X, nach jenen Punkten des Kugelkreises. Auf jeder Erzeugenden des Hyperboloids liegen zwei Punkte des Ortes, nämlich die Schnittpunkte der Erzeugenden mit der Kegelfläche K’. In jedem dieser zwei Punkte wird die Erzeu- gende von einer andern Erzeugenden des Hyperboloids rechtwinklig geschnitten; die Verbindungslinien der unendlich fernen Punkte dieser zwei andern Erzeugenden umhüllen den Polarkegelschnitt des unendlich fernen Kegelschnittes von K, in bezug auf den Kugel- kreis. Dass eine Erzeugende des Hyperboloids von zwei andern Er- zeugenden rechtwinklig geschnitten wird, folgt auch daraus, dass die Stellung der zur gewählten Erzeugenden senkrechten Ebene den un- endlich fernen Kegelschnitt des Hyperboloids in zwei Punkten trifft und durch jeden dieser Punkte eine. Erzeugende läuft, welche die gewählte schneidet. Liegt auf dem Hyperboloid eine Kurve nter Ordnung, so enthält sie 2» Punkte des Ortes, nämlich die Schnitt- punkte mit dem Kegel K'. Dieser Kegel und das Hyperboloid be- sitzen, wegen der schon angedeuteten Symmetrie, ein Poltetraeder, dessen Ecken O und die unendlich fernen Punkte der Axen des Hyper- boloids sind; daher gehen durch die Ortskurve vierter Ordnung drei Zylinder zweiten Grades, deren Erzeugenden beziehungsweise zu den Axen des Hyperboloids parallel laufen. Legt man in einem Punkt der Ortskurve an das Hyperboloid die Tangentialebene, so ist sie, wie schon bemerkt, zu einer Tangentialebene des Kegels X parallel; daher bilden die Tangentialebenen des Hyperboloids, deren Berührungspunkte die Ortskurve erfüllen, die gemeinsam umscehriebene developpable Fläche des Hyperboloids und des unendlich fernen Kegelschnittes von K. Dieser Kegelschnitt und die andern drei Doppelkegelschnitte der Developpablen stehen zum Hyperboloid in derselben Beziehung wie der imaginäre Kugelkreis und die Fokalkegelschnitte. Ist P ein gesuchter Punkt auf dem Hyperboloid, so stehen seine 2wei Erzeugenden Z,,/, durch P aufeinander senkrecht. Legt man durch jede von ihnen eine senkrechte Ebene zur Tangentialebene von P, so sind diese Ebenen aufeinander senkrecht und selber Tangential- ebenen des Hyperboloids; die Berührungspunkte sind die Sehnitt- Punkte von l,,!, mit der konjugierten Geraden zur Hyperboloidnor- malen in P. Man findet die konjugierte Gerade, indem man die Normale mit dem Hyperboloid zum zweitenmal schneidet, im Schnitt- Punkt die Tangentialebene legt und mit der Tangentialebene von P schneidet. In P schneiden sich also drei paarweise aufeinander senk- rechtstehende Tangentialebenen des Hyperboloids. Bekanntlich ist der geometrische Ort aller Punkte, von denen an das Hyperboloid Tripel 354 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 dreirechtwinkliger Tangentialebenen gehen, eine mit dem Hyperboloid konzentrische Kugel. Die Durchdringungskurve dieser Kugel mit dem Hyperboloid ist daher die gesuchte Ortskurve vierter Ordnung. Die Normalen des Hyperboloids längs den Punkten der Ortskurve schnei- den die unendlich ferne Ebene in den Punkten eines Kegelschnittes, welcher der Polarkegelschnitt des unendlich fernen Kegelschnittes von K in bezug auf den Kugelkreis ist. Dass der Ort der Punkte im Raum, von denen aus an das Hyperboloid Tripel dreirechtwink- liger Tangentialebenen gehen, eine Kugel ist, kann folgendermassen gezeigt werden. Man nehme irgend eine Tangentialebene des Hyper- boloids und alle darauf senkrechten Tangentialebenen; ihre Spuren mit der ersten Ebene umhüllen eine Hyperbel. Bekanntlich ist der Ort des Schnittpunktes rechtwinkliger Tangentenpaare einer Hyperbel ein mit ihr konzentrischer Kreis. Also schneidet jede Tangentialebene des Hyperboloids den Ort des Punktes, von dem dreirechtwinklige Tangentialebenen an dasselbe gehen, in einem Kreis; der Ort ist daher eine Kugel. Setzt man an Stelle des Hyperboloids ein hyperbolisches Para- boloid, so tritt folgende Modifikation ein. Die Kugel, der Ort des Punktes, von dem Tripel dreirechtwinkliger Tangentialebenen an das Paraboloid gehen, wird bekanntlich zu einer Ebene. Wählt man näm- lich eine Tangentialebene des Paraboloids und legt seine zu ihr senk- rechten Tangentialebenen, so umhüllen ihre Spuren eine Parabel; von den Punkten ihrer Leitlinie gehen an die Parabel rechtwinklige Tangentenpaare. Das heisst, jede Tangentialebene des Paraboloids schneidet den Ort des Punktes mit dreirechtwinkligen Tangential- ebenen an das Paraboloid in einer Geraden und daher ist der Ort eine Ebene. Diese Ebene schneidet das Paraboloid in einem Kegelschnitt; er ist der Ort des Punktes, in dem sich die durch ihn gehenden Erzeugenden des Paraboloids rechtwinklig schneiden. Auf jeder Erzeugenden liegt ein einziger derartiger Punkt, nämlich ihr Schnittpunkt mit dem Kegelschnitt, oder mit seiner Ebene. Das folgt auch daraus, dass die Stellung der zur Erzeugenden senkrechten Ebene die unendlich ferne Erzeugende, welche die gewählte nicht schneidet, in einem Punkte trifft, durch den eine Erzeugende geht, welche die gewählte schneidet. Liegt auf dem Paraboloid eine Kurve nter Ordnung, so enthält s!® n Punkte mit sich rechtwinklig schneidenden Erzeugenden, nämlich die Schnittpunkte der Kurve mit dem Ortskegelschnitt, beziehungs“ weise mit seiner Ebene. Man kann die Ergebnisse für das Paraboloid noch auf andere Weise finden. Der unendlich ferne Kegelschnitt des für das Hyperboloid gefundenen Kegels K, dessen Tangentialebenen Jahrg. 67. A. KIEFER. Über Regelflächen zweiten Grades. 385 aus dem Asymptotenkegel Paare rechtwinkliger Erzeugenden heraus- schneiden, existiert auch für das Paraboloid. Verschiebt man die Er- zeugenden des Paraboloids parallel nach einem beliebigen Punkte im Endlichen, so entsteht ein Ebenenpaar .durch den Punkt und man hat durch den Punkt Ebenen zu legen, die aus dem Ebenenpaar recht- winklige Schnittlinien herausschneiden. Die Enveloppe dieser Ebenen ist eine Kegelfläche, deren unendlich ferner Kegelschnitt die unend- lich fernen Erzeugenden des Paraboloids und die Tangenten des Kugel- kreises in seinen Schnittpunkten mit jenen Erzeugenden zu Tangenten hat. Man kann den Kegeltschnitt auch so finden, dass man auf den unendlich fernen Erzeugenden des Paraboloids einen Punkt laufen lässt, seine Polare in bezug auf den Kugelkreis mit den Erzeugenden schneidet und die Schnittpunkte mit dem gewählten Punkt verbindet; der Kegelschnitt berührt die zwei Erzeugenden in ihren Treffpunkten mit der Polaren ihres Schnittpunktes in bezug auf den Kugelkreis. Die konjugierten Geraden zu den Tangenten dieses Kegelschnittes in bezug auf das Paraboloid bilden einen zu seiner Axe parallelen Zy- linder und schneiden das Paraboloid in den gesuchten Punkten mit sich rechtwinklig treffenden Erzeugenden. Der Zylinder entsteht fol- gendermassen. Bewegt man längs des Kegelschnittes eine Tangente, so schneidet sie die unendlich fernen Erzeugenden des Paraboloids in zwei projektivischen Punktreihen. Die Tangentialebenen des Para- boloids, die in entsprechenden Punkten der Reihen berühren, gehen durch die Erzeugenden und bilden zwei projektivische Ebenenbüschel, deren Erzeugnis der Zylinder ist. Da der Zylinder die beiden Er- zeugenden enthält, so schneidet er das Paraboloid noch in einer Hy- perbel, welche durch die Berührungspunkte des Kegelschnittes mit den unendlich fernen Erzeugenden hindurchgeht. Die Schnittpunkte der Zylindererzeugenden mit dem Paraboloid sind die Berührungs- punkte der durch die Tangenten des Kegelschnittes gehenden Tangen- tialebenen an das Paraboloid. Diese Tangentialebenen bilden eine developpable Fläche vierter Klasse, von der sich die zwei Ebenen- büschel durch die unendlich fernen Erzeugenden des Paraboloids ab- Sondern; der Rest ist eine Kegelfläche zweiter Klasse, deren Be- 'ührungshyperbel der gesuchte Ort ist. 1. Die im vorigen behandelte Aufgabe über Regelflächen zweiten Grades kann in folgender Weise erweitert werden. Gesucht auf einem Hyperboloid der Ort des Punktes, in welchem die durch ihn gehenden 'zeugenden einen Winkel von gegebener Grösse 9 einschliessen. iertelj 35 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 67. 1922. 386 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Angenommen P sei ein gesuchter Punkt, so verschiebe man wieder seine Tangentialebene parallel nach dem Mittelpunkt O des Hyper- boloids; diese Parallelebene ist die Polarebene von O P in bezug auf den Asymptotenkegel X,, und schneidet aus dem letztern zwei Er- zeugende heraus, die zu den Hyperboloiderzeugenden des Punktes 2 parallel sind und also den Winkel einschliessen. Sucht man alle möglichen Ebenen durch 0, die aus dem Asymptotenkegel Winkel von der Grösse @ herausschneiden, so schneiden die Polargeraden dieser Ebenen das Hyperboloid in dem gesuchten Ort von Punkten. Ist g eine Erzeugende des Asymptotenkegels, so kann man mit ihr als Axe und O als Spitze einen geraden Kreiskegel mit dem Öffnungs- winkel 2 g legen; der Kegel schneidet den Asymptotenkegel in vier Erzeugenden. Die vier Ebenen durch g nach diesen Erzeugenden sind gesuchte Ebenen. Durch jede Erzeugende des Asymptotenkegels gehen nur vier solcher Ebenen; also ist ihre Enveloppe eine Kegel- fläche vierter Klasse K,. Ihre Polarkegelfläche K, in bezug auf den Asymptotenkegel ist von der vierten Ordnung und schneidet das Hyperboloid in dem gesuchten Ort, der also eine Raumkurve achter Ordnung ist. Der Kegel K, schneidet die unendlich ferne Ebene in einer Kurve vierter Klasse; die konjugierten Geraden zu ihren Tan- genten bilden den Kegel K,'. Die Kurve vierter Klasse und das Hyperboloid bestimmen eine gemeinsam umschriebene developpable Fläche achter Klasse, welche das Hyperboloid längs der gesuchten Kurve achter Ordnung berührt. Auf jeder Erzeugenden des Hyper- boloids liegen vier gesuchte Punkte und eine Kurve »ter Ordnung des Hyperboloids enthält 4n Punkte, nämlich beziehungsweise die Schnittpunkte mit dem Kegel vierter Ordnung Ki. Die Ortskurve achter Ordnung ist symmetrisch zu den Symmetrieebenen des Hyper- boloids und besitzt daher drei doppelt projizierende Zylinder vierter Ordnung, deren Erzeugenden zu den Axen des Hyperboloids parallel laufen. Ersetzt man das Hyperboloid durch ein Paraboloid, so kann man durch einen Punkt im Endlichen zu seinen Erzeugenden die Parallelen legen, wodurch ein Ebenenpaar ensteht. In jeder der zwei Ebenen kann man um den Punkt eine Gerade drehen und um sie als Axe und mit dem Punkt als Spite einen geraden Kreiskegel mit dem Öff- nungswinkel 2 p legen. Seine Schnittlinien mit der andern Ebene bestimmen mit der gewählten Geraden zwei Ebenen und diese Ebenen umhüllen eine Kegelfläche vierter Klasse mit den zwei Ebenen als Doppeltangentialebenen; denn jeder Geraden, der einen Ebene ent- sprechen zwei Geraden der andern Ebene und umgekehrt. Jede Tan- Jahrg. 67. A. KıEFER. Über Regelflächen zweiten Grades. 387 gentialebene der Kegelfläche vierter Klasse schneidet aus dem Ebenen- paar den Winkel p heraus. Der Schnitt der Kegelfläche mit der unendlich fernen Ebene ist eine Kurve vierter Klasse, welche die unendlich fernen Erzeugenden des Paraboloids zu Doppeltangenten hat. Die konjugierten Geraden zu den Tangenten dieser Kurve in bezug auf das Paraboloid bilden einen zu seiner Axe parallelen Zy- linder, dessen Schnitt mit dem Paraboloid der gesuchte Ort ist. Der Zylinder entsteht folgendermassen. Bewegt man längs der Kurve vierter Klasse eine Tangente, so erzeugt sie auf den zwei unendlich “fernen Erzeugenden Punktreihen, die sich zwei-zwei deutig entsprechen. DieTangentialebenen in entsprechenden Punkten an dasParaboloid bilden zwei Ebenenbüschel, deren Ebenen sich ebenfalls zwei-zwei deutig ent- sprechen. Ihr Erzeugnis ist der Zylinder, der also vierter Ordnung ist. Da er die unendlich fernen Erzeugenden des Paraboloids als Doppelgeraden enthält, so durchdringt er das Paraboloid noch in einer Raumkurve vierter Ordnung, welche der Ort des gesuchten Punktes ist, dessen Paraboloiderzeugenden sich unter dem Winkel p schneiden. Die Schnitt- punkte der Erzeugenden des Zylinders mit dem Paraboloid sind die Berührungspunkte des Paraboloids mit seinen durch die Tangenten der im Unendlichen gelegenen Kurve vierter Klasse hindurchgehenden Tangentialebenen. Die letztern bilden eine developpable Fläche achter Klasse. Da sich die Ebenenbüschel durch die unendlich fernen Er- zeugenden des Paraboloids doppelt absondern, so bleibt eine deve- loppable Fläche vierter Klasse, welche das Paraboloid längs der Orts- kurve vierter Ordnung berührt. Auf jeder Erzeugenden des Parabo- loids liegen vier und auf einer Kurve „ter Ordnung desselben 4 n Punkte des Ortes, nämlich die bezüglichen Schnittpunkte mit dem Zylinder vierter Ordnung. Bemerkung. Die Ausführungen des Abschnittes II lassen eine erweiterte Auffassung zu, indem man die Regelfläche zweiten Grades durch eine elliptische Fläche zweiten Grades ersetzen und auf der Fläche den Ort des Punktes suchen kann, für den die Indikatrix der Fläche einer gegebenen Ellipse ähnlich ist. Der Asymptotenkegel des Ellipsoids und der verwendete gerade Kreiskegel sind dann ima- Sinär. Der Firnzuwachs pro 1921/22 in einigen schweizerischen Firngebieten. IX. Bericht der Gletscherkommission der Physikalischen Gesellschaft Zürich. Von R. BiLLwiLLeEr. (Als Manuskript eingegangen am 25. Oktober 1922.) Verschiedene Umstände verzögerten und erschwerten diesmal die Jahresaufnahmen, vor allem die schlechte Witterung im September. So bedurfte es ungewöhnlicher Anstrengungen, um die nachfolgenden Erhebungen über den Firnzuwachs pro 1921/22 beizubringen und damit die Kontinuität unserer bis 1914 zurückreichenden Messungs- reihen einigermassen zu wahren. Dies umsomehr, als auch die Ab- lesungen der Schneehöhen an den Firnbojen im Laufe des Jahres durch Bergsteiger und Skifahrer recht spärlich ausgefallen waren. Hoffentlich ist auch das nur eine Folge des schlechten Wetters und dürfen wir in Zukunft wieder eine regere Beteiligung touristischer Kreise an unsern Messungen erwarten. Diese 7,wischenablesungen beanspruchen ja eine geringe Zeit und Mühe und sind doch für unsere Zwecke von grösstem Interesse. Der letzte Bericht pro 1920/21 hatte bekanntlich ganz anormale Verhältnisse mit Bezug auf den Firnzuwachs zu konstatieren: zufolge minimaler Niederschläge und extremer Sommerwärme hatte in un- serm Messbereich mit Ausnahme der höchsten Boje auf Jungfraujoch (in ca. 3300 m) nicht nur kein Zuwachs, sondern eine in der Schnee- grenzenhöhe noch ganz beträchtliche Ablation stattgefunden. Unser Berichtsjahr 1921/22 zeigt nun wieder normalere Verhältnisse. Der Winter zog zwar auch auf den höchsten Höhen sehr spät ein; Sep- tember und namentlich Oktober waren ganz ausnahmsweise heiter, trocken und warm, und erst der 24. Oktober brachte Gotthard und Säntis eine dünne Schneedecke, .die dann allerdings im ersten No- vemberdrittel auf dem Säntis rasch auf 180 cm anwuchs. Die Mäch- Jahrg. 67. R. BILLWILLER. Der Firnzuwachs pro 1921/22. 389 tigkeit derselben nahm von da an sukzessive wieder ab bis Mitte Dezember, um dann namentlich gegen Schluss dieses Monats und zu Beginn. des neuen Jahres rasch einem Maximum von 510 cm zuzu- streben.!) Auch die Hochtalstationen und der Rigi hatten um Mitte Januar die grössten Schneehöhen; im Februar und in der ersten Märzhälfte gingen sie langsam zurück, trotzdem die Niederschlags- mengen auf der Alpennordseite grösser als normal waren. Die kalte und niederschlagsreiche Witterung der zweiten Märzhälfte brachte. den höheren Lagen neuerdings viel Schnee; Gotthard hatte am 7. April das Wintermaximum mit 295 em, und noch am 5. Mai betrug — nach einem kleinen Rückgang — die Mächtigkeit der Schneedecke dort 280 em. Dann aber räumte der trockene, sonnige und warme Mai energisch auf mit dem Winterschnee, so dass zu Anfang Juni schon Gotthard wie auch Säntis schneefrei waren. Der Sommer liess sich vom Juli an eher kühl und niederschlagsreich an und brachte des öfteren Schneefälle bis weit herunter; diejenigen von Anfang Sep- tember leiteten eine bis in das letzte Septemberdrittel hineinreichende Kälte- und Niederschlagsperiode ein, so dass auf dem Säntis schon den ganzen Monat hindurch eine andauernde Schneedecke von maxi- mal über !/, Meter Mächtigkeit bestand. Die Heranziehung unserer höchsten Bergstationen zur Illustrie- rung der Schneeverhältnisse war dies Jahr besonders nötig, da — wie schon bemerkt — die Ablesungen an den Firnbojen äusserst spärlich ausfielen. Dies gilt besonders vom :Claridengebiet, wo wir zudem noch ein anderes Missgeschick hatten. Die im September 1921 61, Meter aus dem Firn ragende Holzstange am oberen Mess- punkt (2900 m) war zufolge der nach der Jahresaufnahme im warmen Oktober 1921 noch weitergehenden Ablation umgefallen; ein Tourist fand sie am 14. X. auf dem Firn liegend, teilte uns dies aber leider nicht mit. So waren Schneehöhenmessungen an dieser Stelle im ver- sangenen Jahre unmöglich, und auch die Feststellung des Firnzuwachses Wäre nur möglich gewesen unter der allerdings sehr wahrscheinlichen Annahme, dass die lange Schönwetterperiode vom Herbste 1921 sich wie bei der untern Boje durch eine besonders intensive Harstschicht ea Maximum des ganzen Winters ‘) Das ist nach den vorliegenden Messungen das a auf dem Säntis gewesen. Doch ist folgendes zu bemerken. Die Messungen äür Nach dem tragischen Ende unseres verdienten Säntisbeobachters Heinrich Haas vom : die Bestimmung der Schneehöhe auf dem Säntis ist aber nicht so einfach; sie erfordert genaue area rt und Weise der Schneeablagerung und -verwehung und lässt RICH ‚bei Zu- “ammenfassung der einzelnen Messungen zu einem Mittelwert der Willkür Spielraum. 390 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 markiere. Leider wurden solche Bohrversuche und auch — was noch betrübender ist — die Aufstellung einer neuen Boje bei Punkt 2916 verhindert durch schlechtes Wetter, das die Herrn Prof. Dr. Tank, Ing. Streirr-BEckER und Ch. Gouaz bei der Jahresaufnahme überraschte. Es wurde nur bei der untern Boje gebohrt und hier unter einer Neuschneeschicht von 75 bis 80 cm (spez. Gewicht 0.35) eine dichtere (0.65) gefunden, nach unten abgegrenzt durch eine starke Harst- schicht in einer totalen Tiefe von 135 cm. Wenn auch auf dieser Harstschieht kein Ocker erbohrt wurde, so darf sie doch mit ziem- licher Wahrscheinlichkeit als die Herbstoberfläche 1921 angesprochen werden in Übereinstimmung mit den Bojenablesungen vom Herbste 1921 und 1922. Diese ergeben mit Berücksichtigung der Schrägstel- lung der Boje einen Firnzuwachs von ca. 140 cm, den im Spätsommer und Herbst gefallenen Neuschnee inbegriffen. Immerhin soll nicht unerwähnt bleiben, dass in noch grösserer Tiefe bei ca. 2,40 m eine äusserst starke Harstschicht gefunden wurde, welche allenfalls als die Herbstoberfläche 1921 angesehen werden könnte, namentlich wenn man bedenkt, dass vom Zeitpunkt der Jahresaufnahme 1921 (15. Sept.) an bei der ausnehmend warmen Witterung des Herbstes 1921 noch merklicher Abtrag stattgefunden haben muss, so dass der Firnzuwachs an der Boje nicht vom Datum der Jahresaufnahme, sondern von einem späteren, mit unbekanntem tieferen Firnstande ermittelt werden muss. Es seien noch die wenigen, sich fast ausnahmslos auf das feste Pegel bei der Hütte beziehenden Schneehöhenmeldungen angeschlossen. Clariden. Schneehöhen am Pegel Firnzuwachs bei der Datum bei der Hütte untern Boje (2708 m) 1921 2. 1% 0 cm 5 cm XI. 28. 10U ., fs 30. 20. ge 1908 517. 20 5 ED $ iv. L1, 450 „ !y VII. 23. Br. 160... #4. BU 5 150 „ 25. SV , 140 „ Hoffentlich gelingt es uns, noch diesen Spätherbst eine Boje auf dem oberen Messplatz (bei Punkt 2916 m) aufzustellen und mit deren Ablesungen wieder eine umfassendere Orientierung über den Firn- zuwachs im Claridengebiet für das kommende Jahr zu erlangen. Im Totalisator auf dem Geissbützistock fanden sich Jahrg. 67. R. BILLWILLER. Der Firnzuwachs pro 1921/22. 391 401 em Niederschlag, gefallen im Zeitraum vom 15. September 1921 bis zum 25. September 1922. Der Rezipient war ganz angefüllt; immerhin darf aus dern Fehlen von Ölstreifen längs der Aussenwand geschlossen werden, dass nicht etwa durch Überlaufen Niederschlag für die Messung verloren gegangen sei. Ein ebenso grosser Betrag ist auf Clariden nur 1914/15 gemessen worden — Die Niederschlags- menge unserer nächst gelegenen Talstation, Auen/Linthal betrug im gleichen Zeitraum 197 cm. Die von unserm zweiten Messgebiete, auf Silvretta, vorlie- genden Schneehöhenmeldungen sind folgende: Silvretta. Schneehöhe am Pegel . Firnzuwachs bei der bei der Hütte untere Boje obere Boje 3921:X11. 27. ? em ? cm 50 cm 1922 IV. 2. >40: 5 Brei 250 , 4. > 450, 180 , 2705; 16. > 4503 12:5 220 „ WRıoD, 200 „ Bi; 200 4 25. ia: le ?, VI. 17. But oz er vIM. 18 war, 65-5 130 „ 2 100: , eh EM 18. DI; im, 10 „ Die Jahresaufnahme erfolgte erst am 18. Oktober durch den Be- Tichterstatter, in Begleitung von Ernst LANDOLT von Zürich und Jo- HANN GULER von Klosters. Der bis ca. 150 Meter unter die Hütte hinabreichende Schnee, der auf dem Gletscher 50-65 cm betrug und schon gänz winterliche Verhältnisse — er war meist pulverig — zeigte, nötigte uns, die Ski anzuschnallen. — Der Gletscher war be- eutend weniger verschrundet als im Vorjahr. Der Firnzuwachs auf dem Silvrettapass (3013 m) betrug nach der Boje 180 cm, wovon die obersten 65 cm Neuschnee waren. Merkwürdigerweise wurde der Ocker vom Herbste 1921 schon in einer mittleren Tiefe von 115 cm erbohrt, unter einer ganz ungewöhnlich dicken Eisschicht, die wohl der Firnoberfläche vom September/Oktober ; 1921 entspricht. Warum hier die Bohrtiefe nach dem Ocker unter der Differenz der Bojenstände September 1921/Oktober 1922 bleibt, ist mir unerklärlich. — Eine kurze Aufhellung während des sonst meist nebligen und windigen Wetters erlaubte wieder einmal eine Einmessung der Boje. Sie steht jetzt in 21 m NW (magnetisch) 392 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 von unserem Fixpunkt und Aufstellungsort vom Jahre 1916. Ihre Bewegung nach der Klosterser Seite geht also mit der schon anfäng- lich ermittelten, sehr kleinen Geschwindigkeit weiter. Es wurde eine neue, 4,20 m über Firnniveau herausragende Boje daran festgebunden. Bei der untern Boje (ca. 2760 m), wurde der Ocker vom Vor- jahre sehr scharf in einer mittleren Tiefe von 82 em erbohrt; davon gehören 53 cm der diesjährigen Neuschneeschicht an. Hier stimmen Ockertiefe und Differenz des Bojenstandes Herbst 1921 — Herbst 1922 (= 105 cm) besser überein, immerhin bleibt auch hier die Ockertiefe noch gegen die Regel unter dem aus den Bojenablesungen ermittelten Firnzuwachs. Verwunderlich ist auch die geringe Differenz im Firn- zuwachs zwischen oberer und unterer Boje; sie ist — wie aus der dem letzten Berichte beigegebenen Zusammenstellung hervorgeht — sonst bedeutend grösser. — Die aus Stahlrohr bestehende Boje wurde durch Biegen gerade gestellt; sie ragte am Stichtage (18. X.) 3,60 m über den Firn hervor. Bekanntlich ist hier die Lageveränderung nicht so einfach zu konstatieren, da ein durch Überdeckung naher und ferner Geländepunkte jederzeit zu findender Fixpunkt feblt. Die Boje hat sich merklich von ihrem Aufstellungsort (Dezember 1914) glet- scherabwärts bewegt; sie sollte nun nicht mehr verlängert, sondern bei nächster Gelegenheit an ihrem Ausgangspunkte eine neue auf- gestellt werden. Im Totalisator auf demEckhorn (in 3150 m) fanden sich ca. 125 cm Niederschlag angesammelt; es konnte hier nur ein Ab- stich, keine Entleerung und Neufüllung vorgenommen werden, da eine der vorausgesandten Chlorkalziumbüchsen ihren Bestimmungsort nicht erreicht hatte. Erwähnt zu werden verdient, dass trotz voraus- gegangener Tage mit Maximaltemperaturen über Null Grad doch eine leichte Eisschicht über der Flüssigkeit lag, — Der Totalisator ob der Hütte hatte 180 cm Niederschlag gesammelt, also beträcht- lich mehr; in Klosters wurden im selben Zeitraum (25. Xl. 1921 bis 18. X. 1922) 153 em Niederschlag gemessen. Hier wie auf Clariden machte der Neuschnee natürlich die Re- vision der am Gletscherrande angebrachten Markierungen unmöglich. Von dem Bojenpaar unterhalb des Jungfrau) oches (ca. 3350 m) liegen folgende Ablesungen vom Personal der Jungfrau bahn vor. Jahrg. 67. R. BILLWILLER. Jungfraufirn. II. IV. VII. 25. Der Firnzuwachs pro 1921/22. ob er 3 30 140 170 180 130 230 300 420 140 Firnzuwachs seit 92. Okto e Boj ” ” L) 393 ber 1921 untere Boje 20 cm 50 100 260 280 280 380 410 440 100 n ” n Wie im letzten Berichtsjahre ergab sich auch diesmal au der unteren — etwa 200 cm gletscherabwärts stehenden — Boje im all- gemeinen eine raschere Ansammlung von Firnschnee; das uns bekannt gewordene Maximum (9. Mai) ist aber gleich gross, der Abtrag an der untern Boje etwas grösser. Notizen zur schweizerischen Kulturgeschichte. Von Hans Scuisz und Henry SIGERIST. Zum grossen Leidwesen der Redaktion der Vierteljahrsschrift und sicherlich aller Mitglieder unserer Gesellschaft, haben die Herren Prof. FERDINAND RuDIo und Prof. CARL SCHRÖTER dieses Frühjahr erklärt, dass es ihnen nicht möglich sei, fürderhin den Abschnitt „Notizen zur schweizerischen Kulturgeschichte“ '), der Jahr für Jahr den Band der Vierteljahrsschrift abgeschlossen hat,zu übernehmen. Dieser Entschluss der beiden Kollegen veranlasste die Redaktion, die Frage zu prüfen, ob der verwaiste Abschnitt künftighin überhaupt wegfallen solle oder ob dessen Weiterführung ins Auge zu fassen sei. Ich habe mich trotz der drohenden Mehrbelastung für die Beibehaltung entschlossen und zwar wesentlich deshalb, weil einerseits ich den Wegfall als eine Pietätlosig- keit gegenüber dem längst verstorbenen Begründer dieser „Notizen“, Professor RunpoLr WoLF empfunden hätte, anderseits aber auch, weil meine beiden unmittelbaren Vorgänger in der Redaktion dieser „No- tizen“, die Herren FERDINAND RupIo und CARL SCHRÖTER, die WOLFS Erbe übernommen, verwaltet und gemehrt hatten, wohl erwarten durften, dass der von ihnen geleisteten Arbeit auch rein äusserlich die verdiente Anerkennung dadurch gezollt werde, dass die Redak- tion sich bemühen werde, die lückenlose Fortsetzung der „Kultur- geschichtlichen Notizen“ zu sichern. Nun lag aber ein für die Redaktion der Vierteljahrsschrift fa- tales Präjudiz vor: Von der ersten Nummer der „Notizen* (erschienen 1861) an bis zum Rücktritt von F. Rupio und €. ScHRÖTER, hat der Redaktor der Vierteljahrsschrift stets in engster Fühlung zu diesen „Notizen“ gestanden: die Nummern 1 bis und mit 475 hat RunoLf Worr, der 38 Jahre hindurch als Redaktor der Vierteljahrsschrift gezeichnet hat, redigiert und nach dessen Tode (1893) hat nach kur“. zem Unterbruch Prof. Rupıo, WoLrs Nachfolger im Amte des Re- ‘) Notizen zur schweizerischen Kulturgeschichte, FErRDINAND RUDIO und CARL SCHRÖTER. Vierteljahrsschrift von Jahrgang 46 (1901) bis Jahrgang 66 (1921). Jahrg. 67. H.ScHinz u. H. Sıcerist. Notizen z. schweiz. Kulturgeschichte. 395 daktors, den abgerissenen Faden wieder aufgegriffen (1901), zu seiner etwelchen Entlastung seinen Kollegen ©. SCHRÖTER beiziehend. Vorab Worr und Rupıo waren für historische Studien in hervorragendem Masse veranlagt; es genügt wohl für die Mitglieder unserer Gesell- schaft, wenn ich hinsichtlich RupoLr WoLr an dessen „Biographien zur Kulturgeschichte der Schweiz“), die auch heute noch eine kost- bare Fundgrube nach dieser Richtung sind und die jeder, der nicht bloss Sinn für Gegenwart und Zukunft hat, immer und immer wieder gerne zur Hand nimmt, hinsichtlich FErDINANnD Rupıo an dessen Ge- schichte der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich, 1746—1896?), diese meisterhafte Darstellung der Gründung und Entwicklung unserer Gesellschaft, erinnere, und in denselben Fusstapfen wandelt auch Ü. SCHRÖTER, wie dieser durch sein Lebensbild OswaLp HEERs°) und seine Eröffnungsrede*) als Jahrespräsident anlässlich der 99. Jahres- versammlung der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft (10. Sept. 1917) bewiesen hat. Die mir durch den Rücktritt der beiden Kollegen gewordene Aufgabe ist daher in zweifachem Sinne keine leichte. Einmal war mir damit zu meiner übrigen Redaktionsbelastung nun noch eine neue hinzugedacht und dann kam noch die Verpflichtung hinzu, dafür be- sorgt zu sein, dass die Notizen sich auf der ihnen von Worr, Rupio und SCHRÖTER gewiesenen Höhe halten konnten. Der eigenen Unzulänglichkeit Rechnung tragend, habe ich mich zunächst nach einem Mitarbeiter umgeschaut und ich schätze mich glücklich, einen solchen in der Person des Herrn Dr. HEnRY SIGERIST gefunden zu haben. Herr Dr. SıGErist ist in seiner Eigenschaft als Privatdozent für das Gesamtgebiet der Geschichte der Medizin an unserer Universität und als Sekretär der „Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften* für die Übernahme dieser Aufgabe ganz besonders ausgerüstet und zudem bringt er einen wei- ') Biographien zur Kulturgeschichte der Schweiz. Verlag Orell Füssli & Comp., Zürich. 1. Cyelus: 1858; 2, Cyelus: 1859; 3. Cyelus: 1860; 4. Cyelus: 1862. Fort- selzung in der Vierteljahrsschrift unter dem Titel are zur schweizerischen Kulturgeschichte, 6. Jahrgang (1861) bis 39. Jahrgang (189 °) Festschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Eh 1746— 1896. Viertel- jahrsschrift der Naturforsch. Gesellschaft Zürich 41 (1896), 1. Teil. °) Dr. CARL SCHRÖTER, O. Hrers Forscherarbeit und dessen Persönlichkeit in J. Justus Heer, Oswaun Heer. Lebensbild eines schweizerischen Naturforschers. Zürich, Friedrich Schulthess, 1885. N n Verhandl. der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft (1917) (1918), l. Tei 296 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 199 tern, nicht zu unterschätzenden Faktor in unsere Assoziation: jugend- liche Spannkraft! Wir tragen uns mit der Absicht, den übernommenen „Notizen zur schweizerischen Kulturgeschichte“, in Anlehnung an deren frü- heren Charakter, den Rahmen wieder etwas zu erweitern, uns nicht auf dieNekrologe verstorbener Gesellschaftsmitglieder zu beschränken, sondern auch weitere, mit den Aufgaben unserer Gesellschaft in Be- rührung stehende Jahresvorkommnisse, wissenschaftliche Unterneh- mungen usw. in geeignet scheinender Weise zu besprechen bezw. be- sprechen zu lassen, um sie an diesem Orte dem Vergessenwerden, dem Kennzeichen der gegenwärtigen Zeit, zu entreissen. | Diese Erweiterung war schon für das laufende Jahr in Aussicht genommen, musste aber notgedrungen zur Seite gelegt werden, da mein Mitarbeiter im Laufe des Sommers schwer erkrankt war und die ihm zugedachte Aufgabe daher unmöglich übernehmen konnte. So ist die Last auf einer Schulter verblieben und die Beschränkung wurde damit zur Notwendigkeit. Um so dankbarer bin ich Herrn Prof. Dr. A. DE QUERVAIN, dass er mich in den Stand gesetzt hat, durch zwei kleine Beiträge zeigen zu können, wie wir uns diese Erweiterung vorstellen. Dafür, das uns Professor Rupio eine weitere Fortsetzung des Abschnittes „Die Euler- ausgabe“ zur Verfügung gestellt hat, werden ihm und uns die Mit- glieder der Gesellschaft sicher lich Dank wissen. Wie Rupıo und SCHRÖTER, als sie die Worr entfallene Feder auf- nahmen, zu gelegentlicher Mitarbeit und zur Einsendung von geeig- neten Notizen ersucht haben, so tun an derselben Stelle und nicht minder eindringlich auch wir es. Wir werden für jeden Beitrag stets dankbar sein. 1. Dezember 1922. Hans Schinz. 55. Die Eulerausgabe.') Von Fervınann Rupıo. Die beiden Bände I, (herausgegeben von A. Krazer-Karlsruhe und dem Berichterstatter) und I,, (herausgegegeben von F. SCHERRER-Küsnacht), die im letzten Berichte (1921) als dem Abschlusse nahe bezeichnet worden waren, sind nun zu Anfang des Jahres 1922 erschienen. !) Fortsetzung der Berichte — es sind ihrer 15 — die in. den Jahrgängen 1907—1921 der Vierteljahrsschrift erschienen sind. Jahrg. 67. H.ScHınz u. H. SıGErist. Notizen z. schweiz. Kulturgeschichte. 397 Band I, enthält den ersten Teil von EuLers klassischem Werke Introductio in analysin infinitorum, das zuerst 1748 in Lausanne er- schienen ist. Dieser erste Teil stellt zugleich den ersten Band des grossen Lehrgebäudes der Analysis dar, das wir EULER verdanken. Im Vorworte der Herausgeber heisst es hierüber: „Viel später, als ursprünglich erwartet war, erscheint nun auch die Introductio, wenigstens in ihrem ersten Teile, in der Reihe der Opera omnia EULERS. Die Zeitverhältnisse haben die Verspätung verschuldet; sie haben namentlich veranlasst, dass an Stelle des im Einteilungsplane genannten Bearbeiters die Unterzeichneten die Her- ausgabe besorgt haben. Nachdem nun die Institutiones caleuli diffe- rentialis (herausgegeben von G. KowALEwsKI) und die drei Bände der Institutiones caleuli integralis (herausgegeben von F. EnGEL und L. SCHLE- SINGER) schon in den Jahren 1913—1914 in unserer Eulerausgabe in neuer Bearbeitung erschienen sind, ist mit dem jetzt vorliegenden ersten Teile der Introductio (der zweite Teil ist der analytischen Geo- metrie gewidmet und kommt daher hier nicht in Betracht) das herr- liche, gross angelegte Werk der Analysis abgeschlossen, das allein ausgereicht hätte, EuLERs Namen unsterblich zu machen.“ Den Band schmückt, seiner Bedeutung entsprechend, ein Bild EuLERs, und zwar eine Reproduktion des von dem Basler Maler EmAnuEeL Hanomann (1718—1781) im Jahre 1753 gemalten Pastell- bildes, das sich in der „Öffentlichen Kunstsammlung“ zu Basel!) be- findet. Eine dem Vorworte der Herausgeber beigefügte Bibliographie enthält ein vollständiges Verzeichnis der verschiedenen Auflagen und der Übersetzungen, die das Werk erlebt hat. Ein Index nominum am Schlusse des Bandes gibt Auskunft über die Beziehungen der Introductio zu andern Arbeiten EULERs, aber auch zu den Arbeiten anderer Mathematiker, denn die Herausgeber haben sich bemüht, auch diese Beziehungen zu verfolgen und die etwas allzu spärlichen Zitate EuLERs durch zahlreiche Anmerkungen zu vervollständigen. Ist Band I, der reinen Mathematik gewidmet, so beschäftigt sich II, , mit einem bestimmten, scharf umrissenen Gebiete ihrer Anwendungen, nämlich mit der Artilleriewissenschaft, insbesondere der Ballistik. ') Über die bekannteren Bilder von EuLER orientiert ENESTRÖNS Artikel Ueber Bildnisse von LEONHARD EULER, Biblioth.Mathem. 7,, 1906—1907, p. 372. Speziell von Hanpmans stammt noch das 1756 gemalte, ebenfalls in Basel befind- liehe Ölbild EULERS, das in Reproduktionen von CHRISTIAN VON MicHEL und FRIED- RICH WEBER die Bände 1, (Algebra) und II; (Mechanica) unserer Eulerausgabe ziert, 398 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Den weitaus grössten Teil des Bandes füllt das Werk Neue Grundsätze der Artillerie, das zuerst 1745 in Berlin erschienen ist. Die Ent- stehungsgeschichte dieser Schrift ist nicht ohne Interesse. Bekannt- lich war EuLEr 1741 von FRIEDRICH DEM GROSSEN von Petersburg nach Berlin berufen worden, um der in Verfall geratenen Akademie wieder neues Leben zu verleihen. Es ist auch bekannt, dass der König den grossen Mathematiker bald in einer Reihe von praktischen Fragen, insbesondere in solchen über Artilleriewesen zu Rate zog. In seiner Lobrede auf Herrn LEONHARD EULER) erzählt NıcoLaus Fuss (1755 bis 1825) hierüber: „Der König hatte Herrn Euters Meinung über das beste in dieses Fach schlagende Werk verlangt. Von RoBIns, der EvLers Mechanik, die er nicht verstund, einige Jahre vorher auf eine grobe Art angefallen hatte, waren neue Grundsätze der Artillerie im englischen erschienen, das Herr EuLER dem Könige lobte, indem er sich zugleich anheischig machte, das Werk zu übersetzen und mit Zusätzen und Erläuterungen zu begleiten. Diese Erläuterungen ent- halten eine vollständige Theorie der Bewegung geworfener Körper und es ist seit 38 Jahren nichts erschienen, das dem, was Herr EULER damals in diesem schweren Theile der Mechanik gethan hat, an die Seite gesetzt werden könnte. Auch ward der Werth dieses herrlichen Werkes allgemein anerkannt. Ein aufgeklärter Staatsmann, der fran- zösische See- und Finanzminister TURGOT, liess es ins französische übersetzen und in den Artillerie-Schulen einführen; und beynahe zu eben der Zeit erschien eine englische Übersetzung in der grössten typographischen Pracht, die englische Druckereyen einem Werke nur geben können. Indem Herr EULER in dieser Übersetzung, wo es immer nur thunlich war, Herrn Ross Gerechtigkeit widerfahren lässt, verbessert er, mit einer seltenen Bescheidenheit, dessen Fehler oegen die Theorie, und alle Rache, die er wegen des alten Unbills an seinem Gegner nimmt, besteht darinn, dass er dessen Werk so berühmt macht, als es ohne ihn nie geworden wäre. Ich enthalte mich aller Anmerkungen über dies eines grossen Mannes SO würdige Betragen! Wer versagt ihm wohl Beyfall und Bewunderung?“ Auf die Neuen Grundsätze folgen in dem Bande HB, noch vier Abhandlungen EuLERs über Ballistik, von denen die vierte den EULER- schen Notizbiichern entnommen ist und hier zum ersten Male im Druck erscheint. Der Leser hat nun in einem handlichen Bande alles bei- sammen, was EULER über Artilleriewesen geschrieben hat Schliesslich sei noch auf das Vorwort des Herausgebers hinge- wiesen, das neben vielem andern auch Erläuterungen über das For- ') Die Lobrede ist im ersten Bande unserer Eulerausgabe abgedruckt. Jahrg. 67. H.ScHinz u. H. SıgErıst. Notizen z. schweiz. Kulturgeschichte. 399 tifikationswesen enthält, die sich zum Verständnis des weit ausgrei- fenden ersten Teiles der Neuen Grundsätze dem Nichtfachmann als nützlich erweisen werden. Der Band birgt überhaupt ein sehr um- fangreiches historisches Material, was durch den am Schlusse befind- liehen Index nominum bezeugt wird. Mit den Bänden I, und II,, liegen nun 18 stattliche Quartbände unserer Eulerausgabe gedruckt vor. Nach dem Mathematiker EULER, nach dem Artilleristen und Me- chaniker, ergreift nun in Band I, — in der Reihenfolge unserer Ausgabe — der Volkswirtschaftler EULER, der Statistiker und Versicherungstech- niker das Wort. Und doch geben diese weitauseinanderliegenden Arbeitsgebiete EuULERS nur eine schwache Vorstellung von seiner er- staunlichen Vielseitigkeit und seiner nicht minder erstaunlichen Arbeits- energie. Spätere Bände werden ihn — um neben seinen herrlichen rein mathematischen Schöpfungen nur einiges aus den Anwendungen herauszugreifen — als den genialen Begründer der Turbinentheorie erscheinen lassen, als den Förderer des Schiffsbaus und der Schiffahrt überhaupt, als den grossen Astronomiker und Physiker, insbesondere als Optiker und Dioptriker, als Musiktheoretiker usw. usw. Doch ich kehre zu dem Bande I, zurück, der sich auf der Kom- binatorik und der Wahrscheinlichkeitsrechnung aufbaut und der diesen Exkurs veranlasst hat. Seiner war schon in dem letzten Berichte gedacht worden. Herausgeber ist L. @. Du PASQUIER- Neuenburg. Der Band ist soweit gefördert, dass er mit Anfang nächsten Jahres aus- gegeben werden kann. In Arbeit befinden sich ferner Band I,, (her- ausgegeben von K. BoEHM-Karlsruhe und G. FABEr-München), der die Reihe der Comentationes analyticae eröffnet, sowie der erste Band von EULERS umfangreichem Briefwechsel (herausgegeben von G. ENE- STRÖM-Stockholm),. 56. Aufstellung des grossen Universalseismographen in der Erdbebenwarte Zürich. (A. DE QUERVAIN.) Im April 1922 wurde in der Schweizerischen Erdbebenwarte in Zürich der neue „Universalseismograph Q— P eingeweiht (konstruiert von Prof. A. pe QUERVAIN und Prof. A. Pıccarn, ausgeführt von der Firma Trüb-Täuber in Zürich). Um der besonderen Aufgabe der Erdbebenwarte, der seismo- graphisch genügenden Aufzeichnung aller irgendwie deutlich wahr- genommenen schweizerischen und überhaupt der alpinen und Nahe- 400 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 beben völlig gerecht zu werden, musste durch die neue Konstruktion eine zehnmal grössere Empfindlichkeit erreicht werden, verglichen mit den bei der Gründung der Erdbebenwarte 1911 aufgestellten, an sich sehr leistungsfähigen Apparaten. Damit dürfte dieses Institut nun mit dem empfindlichsten jetzt existierenden Instrument für Nahe- beben bis zu einigen 1000 km Entfernung ausgerüstet sein, das übrigens auch das Wesentliche der Fernbeben vorteilhaft registriert. Am 27. Sep- tember hat es z.B. mit allen 3 Komponenten die Explosion eines Forts bei Spezia in 375 km Entfernung sehr deutlich als Erdbeben aufgezeichnet. Die Vergrösserung beträgt 2000, die Eigenperiode 3 Se- kunden. (Eine kurzperiodische Bodenbewegung von Yo000K mm am Orte des Instramentes wird also noch sicher angezeigt. Die nötig werdenden Umbauten bestritt der Bund, die Kosten desInstrumentes das „Brunner-Legat‘ ; die erforderliche schwere Eisen- masse (ca. 20600 kg Granatenstahl) hat der schweizerische General- stab zur Verfügung gestellt. Darauf und auf die Bedingung der Rück- gabe im Fall eines neuen Krieges beziehen sich die Inschriften des Instrumentes, die auch einer spätern Zeit sagen mögen, was uns in der langen und mühevollen, auf die Kriegsjahre zurückgehenden Zeit des Entstehens bewegt hat, und es auch jetzt noch mehr tut als das glückliche Gelingen: Die unsrige: Mars Minervae dedit. Ne reddat Marti Minerva! Die des Jesaias: Et conflabunt gladios in vomeres. 657, Beginn regelmässiger Beobachtungen auf dem meteorologischen Jungfraujoch, in 3454 m Höhe. (A. DE QUERVAIN.) Am 1. November 1922 ist auf dem Jungfraujoch die weitaus höchste meteorologische Station Europas in vorläufigen Betrieb ge- setzt worden. Es geschah mit wesentlicher Unterstützung der Jung- fraubahn, die einen ständigen Beobachter auch für den Winter zuF, Verfügung gestellt hat, und mit den Instrumenten der Meteorolog!- schen Zentralanstalt, installiert durch den Präsidenten der unten ge nannten Kommission, A. DE QUERVAIN. Die Beobachtungen sollen, ent- sprechend einem internationalen Wunsch, später dem europäischen telegraphischen Wetterdienst angegliedert werden. Bezeichnend für die ungewöhnlichen Bedingungen einer solchen Höhenstation ist €; Jahrg. 67. H.ScHinz u. H. Sıgerıst. Notizen z. schweiz. Kulturgeschichte. 401 dass uns gerade am ersten Beobachtungsmorgen in dieser Luft von unerhörter Reinheit über dem schon sonnenbestrahlten Jungfraugipfel noch Fixsterne sichtbar blieben! Die einzigartig leichte Zugänglichkeit dieses ausgezeichneten Beobachtungsortes soll auch andern Disziplinen zugute kommen. In der Tat ist der Beginn dieser regelmässigen Beobachtungen nur die erste Etappe in der Arbeit der Kommission für eine Forschungs- station Jungfraujoch. Diese ist von der Schweizerischen Naturfor- schenden Gesellschaftin Weiter führung privater Vorarbeiten im August 1922 eingesetzt worden, um im Verein mit der Jungfraubahn eine Arbeitsstätte vorsuböpeiten; welche möglichst allen Wissenschaften dienen soll, die an der Höhenforschung Interesse haben. 58. Nekrologe, Otto A (1867—1922, Mitglied der Gesellschaft seit 1911). em halben Jahr haben sich die Augen Prof. EıchHorsts, eines der en und ältesten Mitglieder der medizinischen Fakultä Zürich für immer geschlossen. Nun ereilt uns die Trauerkunde, dass ein weiteres Glied der Fakultät ‚ Hr. Prof. Dr. med. Otto Busse,!) der In- haber der Lehrstelle für Bacholeeische Anatomie und Leiter des pathologi- schen Institutes nicht mehr unter den Lebenden weilt. Busses Aufgabe war Tanken zu mildern oder zu heilen ‚ das Schicksal hat ihm kaum einen Drittel der Zeit, die jener hier tätig war, für sein Wirken an der Alma mater Turicensis gegönnt. Trotzdem reisst sein Tod eine Lücke, die schwer und die sich später auch in der Praxis bei ihm Rat in den nn i ; rü Ende hören. EIf Jahre nur hat Busse hier geforscht und gelehrt. ie EICHHORST, so ist auch Busse aus Norddeutschland zu uns ge- kommen. Er ist 1867 zu Glühlitz im Reg.-Bez. Potsdam geboren und hat seine medizinische Ausbildung in Greifswald empfangen. Dort hat er sich schon als Student durch die Lösung einer Preisaufgabe hervorgeian und 1 P . n Schnittwun nicht m nur das Verhältnis von Schüler zu Lehren sondern re; verwandi- “Paltliche Beziehungen ee in Methodik und Zielen der Forschung $ Engste angeschlossen und i Treue und Dankbarkeit bewahrt bis im Letzten. Die Verteidigung Fr erneenn und pathologischen Lehren ‘) Mit gütiger Erlaubnis von Verfasser und rer abgedruckt aus Nr. 186 der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 10. Februar 1922. 26 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 67. 1922. 402 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. > 1008 seines Vorbildes und väterlichen Freundes war ihm eine Herzenssache, ür die ihm kein Opfer an Zeit und Mühe zu gross war, und heftig sah an der Akademie in Posen als pathologischer Anatom und Professor der Medezin, als Medizinalrat und Mitglied des Medizinalkollegiums der Pro- vinz Posen. Im Frühjahr 1911 kam er nach Zürich und trat damit in die Fußstapfen der stattlichen Reihe hochbedeutender pathologischer Anatomen,. die vor ihm an der Zürcher Universität gelehrt hatten, eines Kress, RıBBERT, ERNST und SCHMIDT. Di ufiga Ser we ihm damit gestellt wurde, war eine der schwierigsten und nülreibeädeten;; welche eine Universität zu vergeben hat. Galt es doch, vom frühen Morgen bis in den späten Abend durch seine Sektionen die Tätigkeit, welche die Ärzte den Lebenden widmeten, an der Leiche zu kon- trollieren, auf Grund mikroskopischer Untersuchung Urteile zu fällen, die über das Schicksal der Kr anken entschieden, die angehenden Mediziner strenge Amt freiliess, zur ei; Weiterbildung und Förderung des wissen- schaftlichen Arbeitsge 2. zu nützen. Busse hat alle diese Aufgaben glänzend erfüllt, dank seiner Arböltsenergie und der Liebe, mit der er sich seinem Berufe hingab. ir hat darüber hinaus, in Vorträgen und Kursen, mit grösstem Erfolge sich bemüht, die Kenntnisse und den Gesichtskreis der in praktischer Tätigkeit ar Ärzte zu erweitern. Busse hat schon während Assistentenzeit in Greifswald eine bedeutende wissenschaftliche Talipkeit entfaltet und diese in seiner Stel- lung in Posen, ganz besonders aber in Zürich, wo ihm das Material in reicher Fülle zuströmte, fortgesetzt. Seine Arbeiten betreffen die mannig- fachsten Gebiete der pathologischen Anatomie. Früh schon wurde sein e bekannt c ffindung und Beschreibung von Krankheiten, die ur Hefepilze verursac die 896 monographisch be- schrieb ner Greifswalder und Posener Zeit stammen ferner 1.2 Aus‘ e Arbeiten über die Histologie des entzündeten Muskels, über die Ent- Eee und Geschwulstbildungen der Nieren und über übertragbare Genickstarre. Seit dem Antritt der Stellung in Zürich ist das in seinem pathologischen Institut von allen Seiten zusammenströmte, fand so, zur Förderung der Wissenschaft und zum Wohl der Kranken, Verwertung. Busse selber hat sich in den letzten Jahren ganz besonders noch mit dem Studium der pathologischen Gefässerweilerungen befass volle und i in dass er in seinen ee gerade der Krankheit eine besondere Auf- merksamkeit gewidmet hat, der er schliesslich selber gr sollte. Wenn wir von der wissenschaftlichen Lebensarbeit Busses reden, so ist vor allem eines Gebietes zu gedenken, das er seit seiner eh unablässig, nicht nur getrieben von wissenschaftlichem Erkenntnisdrang, sondern recht Jahrg. 67. H.ScHinz u. H. SıcErıst. Notizen z. schweiz. Kulturgeschichte. 403 eigentlich als Herzenssache, gepflegt hat. Es betrifft das die Vorgänge, die sich bei der Entzündung und Heilung im lebenden Organismus abspielen, also ein Kapitel der Biologie, das seit der Begründung der wissenschaftlichen Medizin, die führenden Geister, allen voran einen VırcHow und COHNHEIM immer und immer. wieder beschäftigt hat. Das Problem der Entzündung und Heilung, — die Frage: Welches sind die biologischen, morphologischen und chemisch-physikalischen Prozesse, die eine Entzündung hervorrufen und begleiten; wie erwehrt sich der menschliche Organismus auf dem Wege über die Entzündung der Schädigungen und Feinde, die ihn heimsuchen? war von r tung hat sich jeweilen am allerklarsten der Stand und die Auffassung der wissenschaftlichen Erkenntnis einer Epoche abgespiegelt. Es zeugt für die wissenschaftliche Einsicht und Begabung Busses, dass er, durchdrungen ‚von der hohen Bedeutung dieses Problems, ihm von seiner Studenienzeilt bis zu seinem Tode mehr Forschungsarbeit und Interesse zugewandt hai, als irgend einem andern Zweige der Pathologie, und es dokumentiert: sich. diese Auffassung in dem für sich vielleicht er so wichlig m- stand, dass er das Material für die Ausführung seiner Doktorarbeii, wel dieses Gebiet behandelte, der eigenen Haut entnom Un ıhaft gewandelt sind, liegen allerdings etwas abseits von der grossen Heersirasse der offiziellen Pathologie und haben nicht immer bei den Fachgenossen volle ee ah ‚ Erst die Zukunft wird entscheiden, was vor gewidmet hat. Kein Opfer an Zeit, Mühe und Geduld war ihm zu gross, wenn es galt, seine und Big Theorien durch neue Beweise zu stützen. Er hat zu diesem Zwecke die n dem Nobelpreisträger a inaugu- tierte Methode, die darin a Babel tierischen Gewebes Herzklappen eines Kaninchens, durch besondere, komplizierte Wen am Leben erhalten und im Brutschrank zum Wachstum angeregt werden en auf diesem Gebiete bewundernd gelauscht hat. Wer a Csp; gedacht, dass dies sozusagen der Schwanengesang BussEs sein e? Noch in Posen hatte Busse, aus den Bedürtnissen des Darrins heraus, eine Anleitung zur kunstgerechten Ausführung der Sektionen geschrieben. Das Buch hat es rasch zu zahlreichen Auflagen gebracht und gibt Zeugnis von dem hervorragenden er Gesch hiek des ee TS. ‘Und in e nachmittage bei ihm im Nu verflogen! Mit welch glückstrahlender Miene konnte er einen, wenn man das Institut betrat, am Rockärmel zupfen und 404 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 zu den neuesten Erwerbungen hinführen, die dazu dienten, den Unterricht noch eindrücklieher zu gestalten als es vorher möglich gewesen war! Es kann daher auch die Sammlung des pathologischen Institutes, die er zu- sammengebracht und unablässig gemehrt ha s eine der allerschönsten z Gyieie i Busse, dem Lehrer, ging ein ganz eigener Zauber aus, dem sich keiner seiner Studenten entziehen konnte, und der auch nach dem Ueber- tritt in die Praxis noch haften blieb. Das Verhältnis zwischen ihm und ü in SO heimischen Lehrer. Er hat damit bewiesen, dass nicht Abstammung oder Sprache, nicht programmatische Phrasen in diesen Dingen ausschlaggebend sind, sondern die Persönlichkeit, Herz und Gemüt. Wie hat er sich, der ewig Junge, an Ausflügen und an gemütlichen Abenden mit den Jungen gefreut. Wie hat er durch seinen treffenden und doch nie verletzenden i e och i Tafelrunde geflogen. So bestürzt und ig hat man die Medi- ziner unserer Hochschule nie gesehen, wie an dem Tage, da sie den Hin- =; erfuhre Wenn auch der lehrte und Institutsleiter Busse zu ersetzen sein wird, wie eben alle Menschen zu ersetzen sind, das Persönlich-Mensch- iche an ihm, die strahlende, sonnige Güte, die von der hochragendenı, sympathischen Figur ausging und Lehranstalt und Lernenden verband, sie werden nicht so leicht zu ersetzen sein. Prof. Dr. B och Verzeichnis der von Professor Dr. Otto Busse veröffent- lichten wissenschaftlichen Arbeiten. 1891. Über Heilungsvorgänge an den Sehnen, zumal nach Tenotomie der Achillessehne, Deutsche Zeitschrift f. Chirurgie. (Gekrönte Preis- hriit.) se 1892. Über die Heilungsvorgänge an Schnittwunden der Haut. Greifswald. Inaug.-Dissertation. 1893. Über die Heilung aseptischer Schnittwunden der menschlichen Haut. Virchows Archiv, Bd. 134. 1894. Über parasitäre Zelleinschlüsse und ihre Züchtung. Central Bakteriologie und Parasitenkunde. Bd. 16. 1895. Über Saccharomykosis hominis. Virch. Arch., Bd. 140. 1896. Experimentelle Untersuchungen über Saecharomykosis. Vire Bd. 144, blatt für h. Arch., 1896. Über eine ungewöhnliche Form der Meningitis tubereulosa. Virch- Arch., Bd. 145. 1896. Über Heilung von Hornhautsehnittwunden. Deutsche medizinische Wochenschrift. Jahrg. 67. H.ScHinz u. H. SısErist. Notizen z. schweiz. Kulturgeschichte. 405 1897. 1897. 1897. 1898. 1899. 1898. 1898. 1896. W 1898. 1898. 1898. 1898. 1899. Über das Fortleben losgetrennter Gewebsteile. Virch. Arch., Bd. 149. Die Hefen als Krankheitserreger. Berlin. Bei August Hirschwald. Demonstration eines Acardiacus acephalus. Deutsche medizinische Wochenschrift. Über Doppelmissbildungen. Deutsche medizinische Wochenschrift. Über die embryonalen Adenosarkome der Niere. Deutsche medizi- nische Wochenschrift. Über Nierengeschwülste. Deutsche medizinische Wochenschrift. Über pathogene Hefe. Deutsche medizinische Wochenschrift. eitere experimentelle ee über pathogene Hefen. eutsche medizinische Wochen Ein grosses Neuroma gagicehulare des Nervus sympathieus. Virch. Arch., Bd. 151, Supplen Über die durch m hervorgerufenen Tumoren. Deutsche medizinische Wochenschrift. Über die sogenannte Perivaginitis phlegmonosa dissecans. Archiv für Gynäkologie, Bd. ®%. Über pathogene Hefen und ge Ergebnisse der allgem. Pathologie und path. Anatomie. 5. Jahrgang. Über Bau, Entwicklung und Einteilung der Nierengeschwülste. Virch. Archiv, Bd. 157. . Geschwulstbildung in den an re Virch. Arch., Bd. 159. er Situs viscerum inversus. e medizinische Worhenschtift. Das Sektionsprotokoll. Berlin \ Bei, Pia Schötz. Schimmelpilz als Tahkhaliserröget: Ergebnisse der allgem. Pathologie natomie. 7. Jahrga u . ga ng. . Über die Säurevergiftung beim Diabetes mellitus. Münch. medizin. ochenschr. - Über Fettembolie. Ärztliche Sachverständigenzeitung. . Verlagerung von Tube und Ovarium infolge Ausbleibens des Des- census. Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie, Bd. 13. . Die Sprosspilze. Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. . Über Atrophie und Hypertrophie der Lungen. Deutsche medizinische Wochenschrift. . Über die Bildung von Haematocelen. Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie, Bd. 16. . Über Deeiduoma malignum. Deutsche medizinische Wochenschrift. . Über die Beteiligung der quergestreiften Muskelfasern an der Myo- earditis interstitialis. Deutsche medizinische Wochenschrift. . Üb nn Entzündungen der Augenmuskeln und des Herzens. Graefes Archiv für Ophthalmo ologie . Das De Berlin. Richard Schötz. 2. Auflage. Über syphilitische Entzündungen der quergestreiften Muskeln. Archiv für klin. Chirurgie, Bd. 69. 2 Pathologie der willkürlichen Muskulatur. Ergebnisse der allgem. Pathologie. 9. Jahrgang. Histologische Untersuchung über die Parametritis. Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie, Bd. . Über congenitale Cystennieren. Deutsche medizinische Wochenschrift. 1910. 1910. 1911. 1912. 1912, 1912, 1913. Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Über sarkommalDaR Degeneration der Myome. Deutsche medizinische Wochens chrift. . Über Chorioepitheliome. Virch. Arch., Bd. 174. . Über Cystennieren und andere Etwicklungsstörungen der Niere. Virch. Archiv, Band 175 ekrose des Eaueeahen und des Pankreas. Archiv für klin. „ein Bd. 73. Pathologie der ee ER Muskelfaser. Ergebnisse der allgem. Pathologie und path. Anatom 11. Jahrgang. . Über Myositis ossificans. nm Zeitschrift für Chirurgie, Bd. 73. . Über Missbildungen der Niere. Verhandl. der Deutschen path. Ges. 7. Tagun g- . Über Ben Darmstrikturen. Verhandl. der Deutschen path. Ges. ng. Über en und traumatische Aneurysmen der Aorta. Virch. Archiv Bokinlorische Karla der Erkrankungen des Beckenbindegewebes. Handbuch der REN der weiblichen Adnexorgane. Heraus- gegeben von Martin. B Übe a erehen und ihre enge zu Syphilis and Un- fall. Zeitschr. für ärztl. Fortbildung, Das Obduktionsprotokoll. Berlin. Richard Schötz. 3. Aufla age. . Über traumatische Aneurysmen. Verhandlungen der Deutsch. pathol. Gesellschaft. 10. Tagun Über Pleuratumoren. Ebe nda. Über pathogene Hefenpilze. Ergebnisse der allgem. Pathologie ui path. Anatomie. 11. J rgang. . Über die Entstehuniz der tuberkulösen Darmstrikturen. Deutscher Chirurgenkongre Ss. . Über ein Chondro-Myxo-Sarkoma pleurae dextrae. Virch. Archiv, . Demonstration eines Stachelbeckens. Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie, Bd. 27. . Über das Vorkommen von Typhusbazillen im Blute von nicht typhun: kranken Personen. Münch. med. Wochenschrift. Vorkommen u. Verbreitung der Trichinen im Regierungsbezirk Posen. Centralblatt für Bakteriologie und’ Parasitenkunde, Bd. 52. Die übertragbare Geniekstarre. Monographie. Klin. Jahrbuch. Über plexiformes Neurom am Rinderherzen. Verhandlungen der e. Über Entwicklungsstörungen und ihre Beziehungen zu Krankheiten: en Antrittsvorlesung. Vierteljahrsschrift der Naturi. Ges ich. Ein Todestail nach Neosalvarsaninfusion. (Zusammen mit : Herrn r. Merian.) Münchn. med € r ri nn u sec von n !Gefässerkrankungen. Correspon- ; war ür eize BT a für Schweizer Ärzte. Jahrg. 67. H.ScHinz u. H. SıcErıst. Notizen z. schweiz. Kulturgeschichte. 407 1914. Züchtungsversuche tierischer Gewebe nach Carrel. Verhandl. der . Deutschen Patholog. Gesellschaft. 1914. Über Darmveränderungen nach Verbrennung. Verhandl. der Deut- schen Patholog. Gesellschaft. 1914. Krebsforschung und Krebsbehandlung. Festschrift der Universität ürich. Züri 1914. Anatomische Untersuchungen über verschiedene Meningitisformen. ende enzblatt für Schweizer Ärzte. 1915. Demonstrationen eines Falles von allgemeiner Neurofibromatose, einer Myocarditis chronica fibrosa nach Trauma, eines Falles von Lipämie 1917. Über Vrnnalische Veränderungen in und am Gehirn. Correspondenz- blatt für Schweizer Ärzte 1917. Demonstration Menke Missbildungen. Correspondenzblatt für Schweizer Ärzte. 1917. Das Obduktionsprotokoll. 5. Auflage. 1918. Über Haematoma durae matris und Sea. Münch. med. ae No. 32. 1918. Zur malen und pathologischen Anatomie des Ductus Botalli. Cor- nieht ür Schweizer Ä 1919. Zur Pe Anatomie der u Münch. med. Wochenschrift r. 1919. Ober: Paraphlebitis ossificans. Virch. Archiv, Bd. 226. 1920. Auftreten und Bedeutung der Rundzellen bei den Gewebskulturen. Virch. Archiv, Bd. 229. 1920. Aneurysmen und Bildungsfehler der Arteria communica 1920. Bericht über die bis zum 29. Januar 1920 im Zürcher Path. Institut beobachteten Fälle von sogen. Encsphalitis lethargiea. Schweiz. med. Wochenschrift. 1920. Das Obduktionsprotokoll. 6. Auflage. 1921. Über die Grawitzschen Schlummerzellen. Deutsche medizin. Wochen- schrift. 1922. Weitere Mitteilungen über die Gewebskulturen. Schweiz. medizin. Wochenschrift. 1923. Welcher Art sind die Rundzellen, die bei den Gewebskulturen auf- treten? Wird in Virch. Archiv als nachgelassene Arbeit erscheinen. Sodann hat Prof. Busse von 1904—1916 die «Pathologische Anatomie» im Virchow-Hirschschen Jahresbericht ren jährlich etwa 2 Bogen mit Referaten von ungefähr 400 Arbeiten. Heinrich Suter (1848—1922, Mitglied der Gesellschaft seit 1871). Am 19. März haben sie in Dornach «einen guten Mann a begraben, der «Vielen mehr wars. Heinrich Suter) ist einer der wenigen Gele gewesen, die mit hervorragenden mathematisch-astronomischen Fachkeont- 1) Mit gütiger Erlaubnis des Verfassers und der Redaktion abgedruckt aus Nr. 469 der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 8. April 1922. 408 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 nissen gleichzeitig die Beherrschung der arabischen und persischen Sprache verbanden, und damit in den Stand gesetzt waren, uns die orienialische Zauberwelt in Astronomie und Mathematik zu erschliessen, wo ihr exoti- scher Charakter ganz besonders reizvoll in Erscheinung tritt. «Wie schwer ist's nicht, die Mittel zu erwerben, durch die man zu den Quellen steigt.» iese Worte Wagners in Gopsues Faust, gelten hier in erhöhtem Maße; denn wie wenigen Abendländern ist es vergönnt, sich zu einer gründlichen Kenntnis morgenländischer Sprachen durchzuringen, um so ausgerüslei, Schätze der orientalischen Literaturen zu heben! Suter wurde zu Hedingen im Kanton Zürich am 4. Januar 1848 geboren und studierte nach Absolvierung der Zürcher Kantonsschule (obere Industrie- schule) von 1866—69 an den beiden ze hohen Schulen Mathematik unter CHRISTOFFEL, REYE und GEIsER. Diese Studien setzte er von 1859 bis 1870 an der Universität Berlin unter WERERSTEUNE. Kummer und Kron- uc Wissenschaften», womit Suter 1871 in Zürich zum Doktor promovierte, kündigte er der Gelehrtenwelt an, was sie zu erwarten habe, und so er- schien 1875 dieser Geschichte 2. Teil, der vom Anfang des 17. Jahrhunderts bis zum Ende des 18. reicht. (Zürich.) Spricht sich schon hierin die Über- zeugung SUTERS aus, dass für Schulung und Forschung gründliche Kenn'- n on bot sich für SUTErR — nach 12jähriger en an den Gymnasien zu Schaffhausen und St. Gallen, sowie d werbeschule zu Aarau — die Gelegenheit u wu 1886 erfolgten eig an das Gymnasium zu Zürich. Mit der Abhandlung: «Die Mathematik auf den Universitäten des Mittel- alters» Ai der Kantonsschule Zürich, 1887) beschliesst er die «nichl- arabische: Zeit, und längere Jahre hindurch ruht seine schriftstellerische Tätigkeit naturgemäss jetzt fast ganz, bis er uns als Frucht seiner orienta- lischen Studien das für die Bibliographie so wertvolle «Mathematikerverzeich- nis im Fihrist» vorlegl. (Abhandl. zur Gesch. d. mathem. Wissens sch. VI. BUL-FAR zZ f er ner G. Fit in arabischer Sprache herausgegeben. Aber diese Leistung SuUTERS weg ui weit übertroffen durch das Buch, das ihn be- kannt machte: «Die Mathematiker und Astronomen der Araber und ihre Werke», Leipzig 1900. (Abh. z. Gesch. d. math. Wiss. X, 1900 + Nachträge XIV, 1902.) In diesem Werke hat Suter alle muslimischen Gelehrien auf- die im Zeitraum von 750—1600 auf dem Gebiet der Mathematik oder Astronomie wissenschaftlich on gewesen sind. Dazu führt SUTER im Einzelnen ihre Schriften an und nennt die Bibliotheken, wo sich noch die diesbezüglichen Manuskripte fi je atte Suter durch diese bibliographisch-enzyklopädischen Arbeilen erstmals eine solide Basis für die Erforschung der arabischen ! Mathematik und Astronomie geschaffen, so galt es nunmehr, sich der Übersetzung und Erklärung von Kinzeiäthändfaligen hervorragender arabischer Autoren BR: Jahrg. 67. H.Scnixz u. H. Sıgerıst. Notizen z. schweiz. Kulturgeschichte. 409 zuwenden. Es ist hier nicht der Ort, alle diesbezüglichen Arbeiten Suiers anzuführen. Fast in keinem Jahrgang von G. ENESTRöMs «Bibliotheca mathe matica>, von 1889 an bis zu ihrem Erliegen (infolge nn Krieges) iehlt e a Beitrag von SUTER, und ähnliche Beiträge finden sich von ihm in der Teoitichrikt f. Mathem. u. Physik» (1886—1903). Nur einige ae wich- zeichnet werden. Dass einer der grössten arabischen Mathematiker, In ar Haıtam (965—1039), im a als ALHAZEN bekannt, Suter beson- ders anzog, ist selbstverständlich. So gab er dessen Schrift: «Über die ee des Kreises» heraus (Zeitschr ift für Mathematik und Physik, 1859), sowie die höchst bedeutungsvolle Abhandlung: «Über die th ) stande war. Ebenso schenkte Suter seine Aufmerksamkeit dem leider noch so wenig bekannten, ganz exzellenten he Ar-Bırunı (973—1048)° und übersetzte sein «Buch der Auffindung der Sehnen im Kreise» (Bibl. criginelle Schriften über die Quadratur der Parabel (Sitzungsber. der med.- phys. Sozietät Erlangen, 1916 und Vierteljahresschrift d. Naturforschend. Gesellsch. in Zürich, 1918). : Trotz seiner Vorliebe für die Geometrie hat Suter aber auch die Al- gebra der Araber nicht vernachlässigt, wie seine Abhandlung: «Das Rechen- buch des Aru-Zararı JA AL- Hassar (Bibl. math. 1901) beweist, und die wichtigen Einblicke in die Lehre von den Gleichungen bei den Arabern gestattet. Als durch den vorzeitigen Tod des trefflichen dänischen Gelehr- te schen Tafeln des MUHAMMED IBN S -K ı zu scheitern schien erhielt SuUTErR von der kgl. nischen Gesellschaft der nn zu Kopenhagen das ehrenvolle Anerbieten, die Vorarbeiten Bsör zu Ende zu führen. 1914 erschienen unter Surers Redaktion diese ea ein stattlicher Band in den Skrifter der kgl. Dänischen Geselischaft Er Wissenschaften, die besonders die Zeiten der älteren arabischen Asiro- nomie aufhellen und ein Quellenwerk von bleibendem Werte darstellen. Das Wesen des Verstorbenen zu charakterisieren, ist nicht schwer; denn eine problematische Natur ist er ganz und gar nicht gewesen. Klar und zielsicher, wie sein wissenschaftlicher ich, war auch sein Handeln, und trotz seiner grossen Verdienste zierte sein Wesen stets eine rührende Bescheidenheit Dabei ge ehörte eine nie versagende Hilfsbereitschaft zu den schönsten Lichtseiten seines Charakters. Schon vor Jahresfrist hat die 1. Sektion der war ihm noch vergönnt, mit Unterstützung seiner Tochter, die Korrekturen selbst zu lesen. Bis in die allerletzte Zeit erfreute sich der Verblichene vollster Rüstig- 410 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 keit. Dann trat rasche Entkräftung ein, infolge der er, nach nur zweitägi- gem Krankenlager, am 17. März sanit versc chied. Ein wehmütig anmuten- der Zufall wollte, dass der Schreiber dieser Zeilen seine Festschrift zu SUTERS kommendem 75. en an eben demselben Tage zum Druck beför- derte, als der, sie ein Zeichen besonderer Verehrung und Hoch- schätzung sein u die Augen für immer schloss. 2 Dr. Carl Schoy.‘) Verzeichnis der Veröffentlichungen.’) 1. Geschichte der math. Wissenschafien I. Teil: Tan den ältesten Zeiten bis Ende des 16. Jahrh. rn 871). Zweite Auflage. Zürich, Orell Füssli. u. Co. 2.11. Teil: me Anfange des 17. bis gegen Ende des 18. a "a Orell Füssli u. Co. 1875. . 3. Das eg im Fihrist des Ibn Abi Ja‘qüb an-Nadim. Abhdl. esch. d. math. Wissensch. Heft 6. 18 4, Hr Mathematiker und Astronomen u Araber und Die Werke. Abhdl. . Gesch. d. math. Wissensch. Heft 10. 1900. 5. Nachträge und ge zu Di Mathematiker und Asironomen usw.». Abhdl. z. Gesch. d. math. Wissensch. Heit 1 902. 6. Die Herausgabe der Be nlerhen Tafeln des Muh. ibn Müsä äl- Khwärizmi usw. D. Kgl. Danske Vidensk. Selsk. Skrifter 7. Raekke. Historisk og Filosofisk Afd. III. 1. 1914 Ferner erschienen in: Bibliotheca mathematica. 1. Die mathematischen und rer Disputationen an der Universität Leipzig 1512 bis 1526. [2], 3 . Bibliographische Notiz über die ah historischen. Studien in der Schweiz. [2], 4 97. 18%. 3. Einiges von Nasir ed-Din’s Euklidausgabe. [2], ‚8..1892. 4. Zur Geschichte der Trigonometrie. (Nasir ed-Din’s we el-kattä‘, Trans- versalensatz des Menelaus.) [2], 7, 1. 189. 180) Der ... a Nachrufes, Herr Dr. ing. CARL Scnoy teilt uns mit, dass demnächst ne von ihm verfasste Arbeit «Zum Gedächtnis HEINRICH ee: kai in den Kgl. Danske Vidensk. Selsk. athem.-fysiske Medd. erscheinen werde. ?2) Diese Publikationsliste ist Heft IV (1922) der von Prof. Dr. OSKAR SchuLz in Erlangen herausgegebenen «Abhandlungen zur Geschichte der x bet € o gegebene) Publikation Surers «Beiträge zur Geschichte der Mathematik bei den Griechen und Arabern» und dieser geht 1. e. ein kurzer «Lebens- lauf», von HEINRICH SUTER selbst geschrieben, voraus, gefolgt von einem von Prof. Frank zusammengestellten «Verzeichnis der Veröftentlichungen Surers». Wir sind Herrn Prof. Frank für die erteilte Erlaubnis zum b- druck sehr zu Dank verpflichtet. Jahrg. 67. H.Scaınz u. H.Sıgerist. Notizen z. schweiz. Kulturgeschichte. 411 re fat en Bw) & ® ® . Rezension Se C. . 1900. . Rezension von Lipperts Ausgabe in gr el-Qifti. [3], 4 31. . Rezension von H.Schönes Ausgabe von Heronis Alexandrini = Sri . Rezension von Max Schmidt: Zur Frage über Josephus sapiens. [2], 8, 84. 1 Zur Geschichte des Jakobsstabes. [2], 9, 13. 1895, Nochmals der Jakobsstab. [2], 10, 13. 1896 Einige Beiträge zur Geschichte der Ahieeh Mathematiker u. Asiro- nomen. .[2], 11, 83. T Über zwei arab. Mss. der Berliner kgl. Bibliothek. [2], 12, 73. 189. U . Notizen über arabische Mathematiker u. Astronomen [2], 13, 86 u. 118. 189. . Das Rechenbuch des Abü Zakavijä el-Hassär. [3], 2, 12. 1901. 2. Über die angebliche ae griechischer Eigennamen durch 02. arab. Übersetzer. [3], 3, 408. 18 . Über die Geometrie Ki "Söhne des Müsä b. Schäkir. [3], 3, 259. 1902. . Über en im Liber augmenti et diminutionis vorkommenden Autoren. 2. [3], 3, Über a nicht sicher gestellte Autorennamen in den Übersetzungen des Gerhard von Cremona. [3], 4 19. 2 Verfasser des Buches «Gründe der Tafeln des Chowarezmi». [3]; 4, 127. 1903. . Zu dem Buche «De superficierum divisionibus» des Muhammed Bag- 1905. dadimus. [3], 6, 321. . Über die Bedeutung des Ausdruckes «Regula colei». [3], 112. 1905. . Zur Frage des von Nairizi zitierten Mathematikers ee. [3]: 7, 396. 1906/07. . Über das Rechenbuch des ‘Ali b. Ahmed el-Nasawi. [3], 7, 113. 1906/07. . Über den ee des Muhammed b. ‘Abdelbäqgi zum 10. Buche des .. 1906/07. Euklides. [3], 7, “Ei a ehe Aufgaben bei arabischen Mathematikern. [3], 8, i ni Abhkndhas Qostä b. Lüqä’s und zwei andere anonyme über die Rechnung mit zwei Fehlern und mit der angenommenen Zahl. [3], 9 111. 1908/09. . Eine indische Methode der Berechnung der Kugeloberfläche. [8], 9 196. 1908/09 . Die Abhandlung des Abü Kämil Schogä‘ b. Aslam über das «Fünfeck u. Zehneck». [3], 10, 15. 1909/10. Zur Trigonometrie der Araber. [3], 10, 156. 1909/10. . Das Buch der Auffindung der Sehnen im Kreise von Abwl-Raihän Mu- hammed el-Birüni. [3], 11, 11. 1910/11. Die Abhandlung über die Ausmessung des Paraboloides von el Hasan b. el-Hasan b. el-Haitham. [3], 12, 289. 1911/12. A. Nallinos .. von el-Battäni’s Opus astronomi- cum, III. T. (arab. Text). [3], 1, 293. 1903. Rezension von C. A. Nallinos Ausgabe von el-Battäni, I. T. [3], 5, 78. 1904. omnia. [3], 7, 98. 1906/07 Zur Entstehung u. Tötninölegle der ele- mentaren Mathematik. [3], 8, 99. 1907/08. . Rezension von C.A.Nallinos Ausgabe von el-Battäni 11. T. [3],9, 83. 1908/09. 412 [4%] | a 180) > fer) = [80] 4. Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 . Rezension von Besthorn u. Heiberg, Codex Leidensis 399, 1. (190 —1910). [3], 11, 277. 1910/11. . Das Buch der Seltenheiten der Rechenkunst von Abü Kämil el- Misri [3], 11, 100. 1910/11. . Rezension von Nallinos Ta’rikh ‘ilm al- falak ‘ind al-‘arab fi’l-qurün al- wustä ag der Astronomie bei den Arabern im Mittelalter). [3]; 12, 277. 1911 Zeitschr. für Math. u. Phys, hist.-literar. Abt. . Der Tractatus «de quadratura eireuli» des Albertus de Saxonia. 29 1884. 8. . Die Quaestio «de proportione dyametri quadrati ad costam eiusdem> 41. 1887. des Albertus de Saxonia. 32, Der V. Band des Katalogs der arab. Bücher der vieekgl. Bibliothek in Kairo. 38, 1, 41, 161. 189. Die Kreisquadratur des Ibn el-Haitam, arabisch u. deutsch. 44, 33. 189. ‚ Der Loculus Archimedius od. das S ntemachion des Archimedes, ara- bisch u. deutsch. 44, (Suppl. Heft) 491. 1899. (Cantoriestschrift). . Rezension v. Besthorns und Heibergs Ausgabe der arabischen Elemente Euklids aus Codex 399, 1. I. Faseik. 38, 192. . Rezension v. Besthorns u. Heibergs Ausgabe der arabischen Elemente 1899. Euklids aus Codex ee 399. 1. II. Faseik. 44, 60. Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. . Rudloff u. Hochheim, Die Astronomie des Gagmini. 47, 718. 189. . Bemerkungen zu H. Stein AAN Abhandlung: Die arab. Übersetzun- gen aus dem Griechischen. 51, 426. 1897. . Zur Frage über die Lebenszeit En ighiegee des Mulahhas fi‘] hei’a, 899. Mahmüd b. Muh. b. ‘Omar al Gagmini. 53, Berichtigung einer Etymologie K. Vollers. 57, 376, 783. 1903. Sitzungsberichte der phys.-med. Sozietät in Erlangen. 3. m z nn » Bund Bo Über die Ausmessung der Parabel von Thäbit b. Kurrä. 48/49, 65. 1916/17. | . Die Abhandlungen Thäbit b. Kurrä’s u Abü Sahl el-Kühi’s Über die Ausmessung der Paraboloide. 48/49, 186. 1916/17. Über Al-Birüni und seine Schriften (Beiträge 2. Gesch. der Naturwissen- schaften LV), gem. mit E. Wiedemann. 52/53, 55. 1920/21. Sonstige Zeitschrift . Über diophantische Gleichungen. Zeitschr. f. a Unterrieht v. Hof- mann. Bd. XVIL 104. Die Mathematiker auf den Unisueitäten des Mittelalters. Wissenschafltl. Beilage z. Programm d. Kantonsschule in Zürich. i abe Orient in den Okzident. Jahresheft 25 d. Vereins schweiz. Gymnasial- lehrer. 1895. 2. Aufl. bei H. R. Sauerländer u. Co. in Aarau. 1897. . Berichtigungen zu Arabische Mathematiker und Astronomen V. M. Stein- 1 schneider. Orientalische Literatur-Zeitung 6, Spalte 40—43. Jahrg. 67. H.Schinz u. H. SıGErist. Notizen z. schweiz. Kulturgeschichte. 413 5. Fe Geschichte der Mathematik bei den Indern und Arabern. Verhandl. d. 3. internationalen Math.-Kongr. in Heidelberg. S. 556. 1904. 6. Über die Ausmessung der Parabel von Ibrahim b. Sinän b. Thäbit. Vierteljahrsscehrift der Naturforschenden Ges. in Zürich 63, 214. 1918. Carr 7. Rezension von Carra de Vaux’s Ausgabe von Philon de Byzance, Le ivre des appareils pneumatiques etc. un Literatur-Zeitung 24, 1553. 1 : Sina: von E. Wiedemann, Über die Uhren im Bereich der islam. Kultur. Der Islam 7, 257. 1916. Ruska, Zur ältesten arab. Algebra und Rechenkunst. Archiv f. Math. u. Phys. [3], 28, 55. 1919. Beiträge zur Be der Mathematik bei den Griechen und Arabern. Abhandlungen zur Geschichte der Naturwissenschaften und der Medizin. t IV. Erlangen 1922. [es] Ne} X © NS 2) 2. © > < © =5 > = Traugott Sandmeyer (1854—1922, Mitglied der Gesellschaft seit 1919). Am 9. April 1922 starb in Zollikon bei Zürich nach kurzer Krankheit, 67% Jahre alt, Dr. phil. hon. causa und Dr. techn. hon. causa Traugott andmeyer, einer der bedeutendsten Chemiker, den die Schweiz hervor- ebracht hat. Wenn er auch als Mitglied der Zürch. Naturforschenden Ge- sellschaft, der er nur drei Jahre angehörte, nicht hervortrat und überhaupt ausser seinen Kollegen weiteren Kreisen persönlich unbekannt blieb, ge- hört doch eine kurze Darstellung seines Lebens und Werkes zur schweize- rischen Kulturgeschichte. Seinem von ihm selbst wenige Wochen vor seinem een kurzen Lebenslauf ist das meiste der folgenden Schilderung entnommen SANDMEYER wurde am 15. September 1854 als letztes von sieben Ge- sehwisiern im Seminar Wettingen geboren. Schon am Tage nach seiner Geburt verlor er seinen ._. MELCHIOR SANDMEYER, der von Seengen im Kanton Aargau stam und Seminar mit viel Erfolg als - der Naturkunde und a wirkte. Seine Mutter, MARGARET her Rufe nach ihrer re rau, als Lehrerin, ihrem früheren Berufe, an den oberen Klassen der rer Der iunge SanpMEYER besuchte also dort die Gemeinde- un e und erinnerte sich gerne an die fröhlichen Aarauer Jugen a: seiner Schulzeit. «Sc ho on damals Zn con = mir,» wie er schreibt, fee durch Kantonsschule mich entschloss, den Beruf eines Feinmecha- nikers zu ergre h, musste Arbeit eine Zeitlang eh en dan kleine Werkstätte ein. Durch Lieferung verschiedener Apparate an die chem. 414 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Laboratorien des Eidg. Polytechnikums trat er in Beziehung zu den dortigen Professoren und namentlich zu Prof. VIKTOR MEYER. Dieser setzte es beim schen Gesellschaft meinen Namen bekannt machten.» r folgte VıKTor MEYER auf dessen dringenden Wunsch für das Sommersemester 1885 nach Göttingen, kehrte aber dann in seine Stelle nach Zürich zurück und blieb noch drei Jahre als Assistent bei Prof. A. HantzscH. Angebote, die er von verschiedenen Teerfarbenfabriken erhielt, be- stimmten ihn schliesslich 1888, das der Firma JoH. Run. GEIGY & Co. in genommen wurde. Nach 31jähriger angestrengtester Tätigkeit trat er aus Altersrücksichten im Jahre 1919 von seiner Stelle zurück und siedelte nach Zollikon über, in die Nähe seiner in Zürich lebenden Verwandten. Dort, bei der Realp «in sonniger Höhe und Waldesnähe> genoss er noch fast drei Jahre die prächtige Lage seines freundlichen Heimes, viel weniger lang als wohl er und namentlich seine Freunde geglaubt und gewünscht hatten, denn er schien noch ganz rüstig an Geist und Körper. Da. zeigten sich Ende März dieses Jahres Anzeichen stark fortgeschrittener Arterienverkal- kung und einer dazu kommenden heftigen Lungenentzündung vermot e das geschwächte Herz nicht mehr Stand zu halten. SANDMEYER hatte sich im Jahre 1892 mit Frl. Mına BiLLETER von Männedorf verheiratet. Zwar blieb die Ehe kinderlos, wurde aber eine glückliche durch das feinsinnige Verständnis der Frau für die geniale Eigenart ihres Mannes und ihre aui- opfernde Sorge für sein Wohl. So verlief sein Leben äusserlich in ruhigen Bahnen und das entsprach auch ganz seinem Wesen und Charakter. Er war und blieb anspruchslos und bescheiden, pflegte keinen grösseren Verkehr und lebte fast nur seiner Arbeit. An diese fesselte ihn sein ausserordentliches Pflichtgefühl und die Freude am Forschen, und sie wurde so erfolgreich nicht nur wegen seiner genialen Begabung, sondern auch durch seinen unermüdlichen Fleiss. So- x u reit. Feinde hatte er gewiss nicht unter ihnen. Wem er näher trat, dem blieb er ein zuverlässiger, treuer Freund. Sehr treffend schrieb sein Kol- R : GENBACH in den «Basler Nachrichten»: «Seinem aussergewöhn- ie ihn al enschen näher kennen lernen konnten. Gerechtigkeiissinn und Feinfühligkeit haben ihn auch in aufregenden und aufreibenden Mo- Jahrg. 67. H, ScHinz u. H. SıgErist. Notizen z. schweiz. Kulturgeschichte. 415 menten nie verlassen. Man spürte — wie er im Laboratorium sauber und reinlich stets reg hat, so hatte er auch im stillen an seinem innern Menschen gearbeite SANDMEYER War, wie sein Entwicklungsgang zeigt, ganz ein Chemiker eigener Schulung und so war auch sein Arbeiten durchaus eigenartig, vor allem mit einfachen Mitteln. Die meisten Apparate verfertigte er selbst oder liess sie nach seinen Modellen herstellen. Er beherrschte sowohl die Glasbläserei wie die Drehbankarbeit. Gehülfen brauchte er fast nur der vielen Musterpräparte wegen, die den Patentämtern gelieferi werden mussten. Er wollte alles selbst machen, um alles selbst zu se ehen; er sah eben auch mehr als andere, die kleinsten Änderungen beim Zusammen bringen chemischer Stofie entgingen ihm nicht. (So verdankt Vırror MEYFr der Aufmerksamkeit seines damaligen Assistenten die Entdeckung des Thiophens im Teerbenzol). Diese aussergewöhnliche e Fähigkeit, scharf zu beobachten, verbunden mit einer unerschöpflichen Kombinatio onsgabe, waren neben gründlichem Wissen und scharf kritischem Denken wohl die Ha aupt- ursachen seiner Erfolge. r geschafien hat, kam allerdings et der schweizerischen Ebene zu gut, aber was er der. rg schon bevor er in die Technik übertrat, leistete, war so bedeutend, dass i im Jahre 1891. durch VıktTor MEYER veranlasst, die Heidelberg zum Ehren- idg. Te erkennung seiner Verdienste um die Entdeckung neuer wissenschaftlicher Arbeitsweisen und ihrer Anwendung auf technische Aa den Ehren- doktor der technischen Wissenschaften on den Erfindungen und kenn SANDMEYERS Sollen hier nur die wichtigsten kurz erwähnt werden. Ein vollständiges Verzeichnis mit Besprechungen aller seiner Schriftwerke wissenschaftlicher und technischer Art wird in den Helvetica Chimica Acla, von Dr. Hans HAGENBACH verlasst, erscheinen. Sein Name ist unter den Chemikern Allgemein bekannt geworden durch die sog. SınpmEversche Reaktion, die wir seiner ersten Arbeit aus den Jahren 1884 und 1885 verdanken. Sie ermöglicht die Ersetzung der Amido- gruppe in aromatischen Verbindungen durch Halogene oder die Cyangruppe und lässt in einfacher Weise eine gewaltige Zahl neuer Stofie gewinnen für Wissenschaft und Industrie. Ebenfalls weit umfassend ist seine in der Technik un aeherange Dar- stellungsweise von aromatischen eg ha der Parareihe. Bei dieser Reaktion wird an aromatische Amido- sowie xy-Ver ra ngen Föormal- dehyd in der Parastelle Re oe angeht, mit Hülfe einer Nitroverbin- dung und Eisen, h. r Ausnützung der vorübergehend enistehenden re je eh Darnach wurde z. B. Dime- Ihylamidobenzaldehyd in grossen Mengen hergestellt. ie ergiebig als Erfinder er während der 31 Jahre technischer Wirk- samkeit war, zeigt schon die Zahl seiner deutschen Patente, die gegen 70 gestiegen ist. Etwa die Hälfte beziehen sich auf Farbstoffe, die andern auf b te. Erfindung, die meistens grosse technische Bedeutung erlangien, seien ge- Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 416 nannt: Chromviolett, Helvetiablau, Erioglauein, Eriocyanin, Setoeyanin, Seto- palin, verschiedene Marken Chromschwarz und Eriochromblauschwarz; das schon früher be- manche andere fussen auf seinen Patenten und für kannte Auramin fand er schon 1889 ein neues, seither allein technisch ge- brauchles Veriahren. Wohl seine verblüfiendste Leistung war Jahres 1899. In ehnung an frühere wissenschaftliche oder technische Synthesen, eine eigen- artive und technisch brauchbare Darstellungsweise zu finden, die sich dann das neue Indigovertahren des 2% Monaten löste er die ihm gestellte Aufgabe, ohne An- auch mehrere Jahre im Betriebe bewährte. Eine bei dieser obachtete Verbindung führte ihn 19 Jahre später zu seinem letzten Patente, für die Darstellung von Isatin und seinen Substitutionsprodukten, wichtig für die modernen Küpenfarbstofie. Das Entstehen beider Erfinäungen nat er beschrieben in zwei Abhandlungen «Über die Synthese von Indigo aus Thioearbanilid», in der Zeitschrift für Farben- und Textilchemie (Buntrock) II (1903), 129, und «Über Isonitrosoacetanilide und deren Kondensation zu Helv. Chim. Acta II (1919), 234, die uns recht anschaulich Forscherarbeit zeigen. Arbeit be- Isatinen; in den die ungewöhnliche Art und den Gang seiner Dass er auch gefahrbringenden Untersuehungen durchaus gewat hsen war, zeigte schon seine zweite Arbeit, aus den Jahren 1885 und 1886, über die stark explosiven Ester der unterchlorigen Säure, über Äthyl- und Methyl- Jahrg. 67. H.ScHixz u. H. Sıgerist. Notizen z. schweiz. Kulturgeschichte. 417 hypochlorit, zwei für den wissenschaftlichen an von Stoffen wichtige, wenn auch nicht leicht zu behandelnde Verbin n. Wenn wir auch: nur diese kleine Auswahl aus seinen Arbeiten über- blicken, sehen wir doch daraus, wie umfassend SanpmEvErs Tätigkeit ge- wesen ist und wir bedauern nur, dass nicht noch mehr davon der Wissen- schaft zugut gekommen ist, und manches unveröfientlicht blsiben musste des scharfen Wettbewerbes wegen, der gerade in der Teerfarbenindustrie herrscht. Leben und Werk SAnDMEYERs sind eingehender geschildert von ALFRED ConzETTi in der en ee (Cöthen), Band 46 (1922), 549 und vou H. E. Fıerz im Journ. of the Society of Chemical Industry (London), 1922), No. 9, Riview . 154. Letzterem verdanken wir auch die freund- lichst zur er ügung gestellte vortreffliche Aufnahme für unser Bild des Verstorben r. Heinrich Meyer. Otto Stoll (1849—1922, Mitglied der Gesellschaft seit 1875). Am 18. August ist nach langem qualvollen Leiden Dr. med, Otto Stoll,!) vormals Professor der Geographie und Völkerkunde an der Uni- versität Zürich, verschieden. Dieser aussergewöhnlich vielseitige und be- deutende Gelehrte hat auf verschiedenen Gebieten der Wissenschaft wert- volle Mehrung und Vertiefung _— und im wissenschaftlichen Leben Zürichs hohes Ansehen genosse Orro StoLı (Bürger von Se Kanton Schaffhausen) wurde aın 29. Dezember 1849 in Frauenfeld geboren. Durch seinen bedeutenden Vater, GEoRG StoLrL, dem späteren Direktor der Schweizerischen Kreditanstalt, er- hielt seine Erziehun ung eine verständnisvolle Leitung, die die reiche Begabung des Sohnes zur ' vollen Entfaltung zu bringen bestrebt war. Orro SToLL wu 1877 brachte er zu weitern Studien in Wien zu. Im Jahre "1878 wanderie er nach der mittelamerikanischen Republik Guatemala aus, wo er sich als Arzt niederliess. h einem fünfjä BEER Aufenthalte in Guatemala und anschliessenden as und d Im Jahre 1913 hat Prof. StoLı aus Gesundheitsrücksichten seinen Rücktritt genommen. Während 20 Jahren war er an der zoologischen Sammlung der 1) Mit Erlaubnis von Verfasser und Redaktion aus der «Neuen Zürcher Zeitung», Nr. 1113 (26. August 1922) in gekürzter Form abgedruckt. Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg 67. 1922. 27 418 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. . 1922 Universität tätig. Mehrere Jahre erteilte er geographischen Unterricht am Seminar Küsnacht. Das sind die Daten seiner wissenschaftlichen Laufbahn. Prof. SrorL besass ein ganz ungewöhnliches universelles Wissen und Können. Neben umfassender naturwissenschaftlicher Bildung, verbunden mit grossem historischem ‚Wissen, verfügte er über eine aussergewöhnliche moderne und beschäftigte sich mit den slawischen Sprachen, ferner mi Sprache der Basken, mit Arabisch, Chinesisch, Thibetanisch und vor allem den Sprachen der Indianer. Seinem , grossen Wissen entsprachen seine aussergewöhnlich ee Leistungen als Gelehrter. Seine Arbeiien er- strecken sich über Gebiete, die heute wohl selten, vielleicht nie mehr von einem einzigen umfasst on können. ‚Er arbeitete auf dem ‚Gebiete .der oologie, der Pflanzengeographie, der Entdeckungsgeschichte, der Ethno- graphie, der Völkerpsychologie, es Volkskunde und der Sprachforschung. Prof. SrorL hat viele zoologische. Arbeiten veröffentlicht und wert- volle Sammlungen angelegt. N Ku kleineren Abhandlungen verdanken wir ihm grössere ideenreiche Schriften. Seine 1892 bis 1895 in der Viertel- jahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft Zürich veröffentlichten Ab- handlungen «Zur Geographie der Landbewohner der Wir bellosen» werden Stu erstenmal eine zusammenhängende Darstellung der tierischen Überbleibsel aus der Periode der Nacheiszeit, da unsere Tandahäh steppenartigen Cha: rakter besass. Besonders gross sind die Verdienste Prof. SroLıs für die Erforschung der Sprache der Indianer von Mit ttelamerika. Auf seine Forschungen in Guatemala gehen auch seine ersten eihno- graphischen Veröffentlichungen zurück, seine er «Zur thnographie der Republik von Guatemala» (Zürich 1884) und die grosse andlung i selbständige Wege. Er geht zum Beispiel den psychologischen Grund- lagen gewisser religiöser Vorstellungen, Handlungen nach und. bringt grundlegenden völkerpsychologischen Werke 1894 (2. Aufl. 1904) «Hypno- tismus und Suggestion in der Völkerkunde» und 1908 «Das Geschlechtsleb®n in der Völkerpsychologie». An diese ethnologischen Arbeiten schliessen sich Forschungen aus dem Gebiete der Ethnographie der Schweiz an, so seine volkskundlichen Stu- dien. In seiner Abhandlung «Zur Kenntnis des Zauberglaubens, Volksmagie un ksmedizin der Schweiz» (Jahresbericht der Geogr. -Ethnograph. Ge nn Zürie h, 1 908/09) zeigt er an Hand selbst gesammelten Tatsachen- materials, wie sich bei Menschen unserer nächsten Umgebung noch ähnliche Pre tellungen und Sitten erhalten haben, die sonst für lan völker Men re sind. Jahrg. 67. H.ScHınz u, H. SıcErist. Notizen z. schweiz. Kulturgeschichte. 419 Die leizte ‚grosse, ethnologische Arbeit hat Srorı. 1918 bereits als schwer Leidender veröffentlicht. Seine Abhandlung «Die Entwicklung der Völker- kunde von ihren Anfängen bis in die Neuzeit» (Mitteilungen der Geogr.- Elhnogr. Gesellschaft Zürich 1917/18, Bd. VIII), in der er einen so hohen Grad der Kenntnisse auf allen Gebieten der Völkerkunde aufweist, wie sie heute nur wenige mehr- besitzen, vielleicht kaum ‚besitzen können. Als Mitglied der Philosophischen Fakultät II hät SroLL mannigfaltige Verdienste um die Universität Zürich erworben. Seine Amts- führung als Dekan der Fakultät zeichnete sich dureh vorbildliche Gewissen- mei! aus, Am Ende dei‘ Mer Jahre) als die grossen Fragen des 'Neubaues der Universität und einzelner Institute Zürich beschäftigten, Fragen, die für unsere phil. Fakultät II von ganz besonderer lebenswichliger Bedeutung waren, ist STOLL auch, gegenüber. der Öffentlichkeit für die notwendige, Ausgestal- tung. unserer Hochschule eingetreten. : . Ich erinnere an seine Abhandlung: in der «N, Z. Z.», «Über zürcherische ee hultracen,; Drei. Anstalten der Universität danken im besondern ihre Entstehung und Ausgestaltung- dem verständnisvollen. Wirken STOLLS! Die Gründung. des: geographischen Institutes und der Samm- lung für Völkerkunde und das zoologische Muscum der i tät. Über 20 Jahre widmete StoLı einen grossen Teil seiner ee nn, der zoologischen Sammlung und siand ähr als serv ‚Unter den mannigjialtigen Wissensgebieten, die der jetzt RER BETEN, hat, war: vielleicht-.die ‚Zoologie dasjenige, dem er seine spezielle Neigung zuwandte, wie er denn auch in den leizten Aahren sich vorwiegend auf diesem Felde betätigie.- a die Probleme der Systematik und Tiergeographie sein besonderes Änteresse anzogen,,ist es begreiflich, dass ihm die Pflege der. zoologischen Sammlung sozusagen Herzenssache war. Seit den Tagen der Neueinrich- tückische Krankheit ans Haus fesselte, weilte SrorLL tagtäglich in den Räumen der neuen Sammlung, ordnete mit kundiger ‘Hand die neu. zu gliedernden und an neue Lehrzwecke anzupassenden Kollektionen. OTT® STOLL' war der gegebene Geschichtschreiber der -zoologischen Sammlung, deren Werdegang er in der Festschrift zur Einweihung der Universitäts- neubauten am 18. April 1914. dargelegt hat. Im Jahre. Jan we StoLL mit seinem Freunde ConRAD KELLER und andern Ver rn der Wissenschaft, des Handels und der Industrie die hnogra ke en Zürich (später Geographisch-Ethnographische Gesellschaft), mit dem Hauptziele, eine ethnographische- Sammlung zu schaffen. Dieser Sammlung hat Prof. Srorn vom Jahre 1888 bis 1909 als Direktor und Vizedirektor vorgestanden. ‘Seinem Wissen danken wir in erster Linie die Schaffung des wertvollen Grundbestandes unserer Samm- lung. one TO StorL hat sich. in den Wissenschaften, an deren . Mehrung und Vertiefung er so erfolgreich mitgearbeitet hat, selbst ein bleibendes Denk- mal geschaffen. Uns aber, seinen Freunden und chülern, wird all das ‚Grosse und Gute, das wir von ihm empfangen durften, in dankbarer Er- innerung bleiben. «|. Prof. Dr. Hans Wehrli. 420 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Eugen Bolleter (1873—1922, Mitglied der Gesellschaft seit 1900). Die erhebende Trauerfeier für Dr. Eugen Bolleter, Sekundarlehrer in Zürich 6, am 30. September, zu der die Halle des Zürcher Krematoriums sich bis zum letzten Platz mit Freunden und Bekannten des Verstorbenen füllte, war ein sprechendes Zeugnis dafür, dass mit Dr. BOLLETER ann aus dem Leben geschieden, der in der Stille Aussergewöhnliches geleistet, indem er seine herrlichen Gaben des Geistes und des Gemütes zu Hause in der Familie, in der Schule, in Kollegen- und Freundeskreisen, im Schosse der Gemeinnützigen Gesellschaft Wipkingen und in der Zürcher Lieder- buchanstalt in vollem Maße nützte und zur Entfaltung brachte. Reich be- schenkte er alle, die mit ihm in Berührung kamen und die seine vornehme, . auf wirklicher Bildung beruhende Art des Verkehrs sofort gefangen nahm. Was Pfarrer Dıem aus dem Leben und Wirken des Verstorbenen er- zählte und zu feinsinniger teen rundete, ergab das Bild eines un- entwegt strebenden, seine voll auswertenden, vielseitig orientierten jede tnisse e ine Kenn und seine Erfahrungen in den Dienst der Gesamtheit zu stellen. Er hatte als junger Sekundarlehrer seine botanischen Studien fortgesetzt und mit ‘ einer Arbeit über die Lebermoose sich den Doktorhut erworben. Allein nicht land. Aber ob sein Blick auch oft und gern in die weite Ferne wanderte, übersah er doch die engere Heimat nicht. Ein längerer Krankheitsurlaub bot ihm der untätigen Muße zu viel, und so machte er sich daran, das re zu der Geschichte des Deuts Bachs, seinem ersten Wirkungskreis, mmeln und zu einer anziehenden Schilderung zu verarbeiten; ver Bhngeaiee Jahr ist das Büchlein erschienen und recht günstig beurteilt wor- den. Im grossen Riedtlischulhaus galt er als einer der tüchtigsten Lehret. Wie er selber ein Muster von Fleiss, Gewissenhaftigkeit und Pflichterfül- lung war, so stellte er auch an seine Schüler diesbezüglich recht hohe An- forderungen. Dabei erfüllte eine väterliche Liebe zu seinen Zöglingen ine g hrerpersönlichkeit und sicherte ihm auf lange Jahre hinaus die Anhänglichk rkeit seiner Schüler. Was er immer neben er Schule angreifen mochte, nie der Unterricht darunter zu leiden. er war stets der ganze Mann in der Schulstube. Die Gemeinnützige Gesell- schaft Wipkingen hat eines ihrer tätigsten und treuesten Mitglieder ver- loren. Vierzehn Jahre lang stand er an ihrer Spitze, und eine einzig® Fe = er während dieser langen Amtszeit versäumt haben, als er zu- olge eilnahme an einem Ferienkurs landesabwesend war. Die . . Wipkingen ist in der Hauptsache sein Werk, an dessen Zu- standekommen er jahrelang mit unermüdlicher Energie gearbeitet. Weit über die Grenzen der engern Gemeinde hinaus ist er i n Lehrer- und Sängel- kreisen als Verwalter der Zürcher Liederbuchanstalt bekannt geworden, welche Sielle er im Dienste des Lehrervereins Zürich seit dem Überga der Anstalt an diesen im Jahre 1912 bis zu seinem Hinschied mustergültig, Jahrg. 67. H.Scnınz u. H. Sıgerist. Notizen z. schweiz. Kulturgeschichte. 421 mit grosser Sachkenntnis, weiser Umsicht und Vorsicht bekleidete. Es wird schwer halten, ihn an diesem Posten zu ersetzen, auf dem er mit seltener Ber und Treue gestanden hat. Daran wird sich der Lehrerverein auch ach Jahren noch dankbar en so wie auch die | Ge- Eehatı Wipkingen ihren tatkräftigen, vielverdienten Vorsitzenden, Schule und Schüler den tüchtigen, lieben Lehrer nicht Ngge werden. Die nachfolgenden trockenen Zahlen, Meilensteine auf EuGEn BoLLE- TERS Lebenspfad, die wir Herrn Universitätskassier Julius Prıster, einem e des Verstorbenen verdanken, mögen den obstehenden, von der Redaktion und vom Verfasser bewilligten Abdruck aus der «Schweizerischen Lehrerzeitung» vom 14. Oktober 1922 (Nr. 41) noch etwas vervollständigen. r. EUGEN BOLLETER, geb. 13. Mai 1873 in Adliswil (als Sohn des Lehrers EpuArnp BOLLETER von Meilen) besuchte 1880—1889 die Primar- und Se- kundarschule in. Zürich, —1893 das Lehrerseminar in Küsnacht, das r 1893 mit dem Primarlehrerpatent verliess; er amtete 1893/94 als Primar- lehrer in Bachs und widmete sich sodann 1894—1896 dem Sekundarlehrer- studium an der Universität Zürich. Im Frühjahr 1896 erwarb sich der Ver- storbene das Sekundarlehrerpatent. 1898 wurde E. BOLLETER zum Sekundar- lehrer in Zürich IV gewählt und im Herbst promovierte er mit Botanik als Hauptfach an der Philosophischen Fakultät II der Universität Zürich mit Auszeichnung. Am 27. September 1922 haben sich die Augen von Freund BOLLETER für immer geschlossen. Publikationen von EUGEN BOLLETER. 1505. er conica (L.) Corda. Eine morphologisch- ..—. Mo- nographie. 82 S., 16 Abb. und 2 Tafeln. Diss. Univ. Zürich. Leipzig. 1209. HERMANN WıLppRET. Ein schweizerischer Pionier. «Neue ee Zeitung», 120. Jahrg. Nr. 27 (27. I. 1909) und Nr. 28 (28 1909). . 1910. Bilder und Studien von einer Reise nach den ee Inseln, VIII und 177 S., 18 Textbilder. Verlag von P. Pabst, Leipzig. 1921. Geschichte eines Dorfes (Fisibach, jetzt Bachs, Kanton Zürich). Ver- lag Beer & Co., Zürich. VI und 232 S., mit einer Kulturenkarte. Konrad Escher-Schindler (1853—1922, Mitglied der Gesell- schaft seit 1915). Am Sonntag, den 5. November starb nach kurzer Krankheit in seinem 70. Lebensjahre Konrad Escher-Schindler in Zürich.‘). Ein guter, alter Zürcher von vornehmer, edler Gesinnung ist mit ihm dahingegangen. Hier geboren, durchlief er die Schulen seiner Vaterstadt, bildete sich in längeren Aufenthalten in Bergamo, Paris und London zum Kaufmann aus und war bis 1889 im Hause Hans Caspar Escher tätig. Hernach trat er in die kauf- männische Leitung der Maschinenfabrik von Escher Wyss & Co. über. Seit 1) Mit Erlaubnis von Verfasser und Redaktion, abgedruckt aus Nr. 1455 der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 7. November 1922. 422 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 1898 widmete er sich den öffentlichen Angelegenheiten und der freiwilli- Jahrzehnten gehörte er zum Kreise der Gäste des Hauses Fausta Kapaul in Brigels. Noch während der Kriegszeit leistete er mehrere Jahre als Stabs- chef des a heikalindos in Zürich seinem Vaterland Dienste. — Ein Frühaufsteher, vermochte er seinen vielfachen Beschäftigungen und Arbeiten in ausdauernder Pflicht und mit vollendeter Genauigkeit obzu- liegen. — Unterstützt von seiner überaus tüchtigen Frau, die er leider letztes Jahr verlieren musste, führte er ein schönes Familienleben, das sich in einer Schar lieber Enkel erneuerte und verjüngte. — Seine zahlreichen m in eahöheonin Wohltun nie müde wurde, stets in er und Ehre denken. aul Uster Fritz Bützberger (1862—1922, Mitglied der Gesellschaft seit ach Die Kantonsschule Zürich hat einen schweren Verlust erlitten. Am 13. Nov. starb nach längerer Krankheit im 61. Lebensjahre Dr. F. Bütz- berger, Prof. der Mathematik, ein bekannter vorzüglicher Schulmann und esu nton Bern, der Sekundarschule Langenthal und der anschliessendei Klassen des Gyinnasiums Burgdorf trat er 1880 in die Ingenieurabieilung des eidgenössischen Polytechnikums ein und nach einem Jahr in ie Ab- teilung für Fachlehrer der Mathematik und Physik, an. der er 1881 das nste. ren schönen mathematischen Publikationen; er entledigte sich der ihm von der Bibliothek der Naturforschenden Gesellschaft Bern übertragenen Auf- gabe, hinterlassene Manuskripte des grossen Geometers ns STEINER ZU ordnen e Geometer erwarten mit Spannung aus dies d kinterlassenen Schriften Sreiıners Mitteilungen, die Ma " verschiedener Jahrg. 67. H.Scninz u. H. Sıgerist. Notizen z. schweiz. Kulturgeschichte. 423 Umstände bis jetzt ausgeblieben sind. Angeregt durch die Beschäftigung mit diesem berühmten Landsmann arbeitete BÜTZBERGER dann noch an einer grossen Biographie STEINERS, die bis zum Abschluss gediehen ist. Es ist zu auch mit grossem Erfolg an der Volkshochschule Zürich und i eines Lehrauftrages in darstellender Geometrie für Fee kandidaten an der Universität. Um den zu früh Verstorbenen trauern Frau legen war er dienstbereit; den jüngern half er gerne mit bewährtem Rat. Den Freunden hielt er treue Freundschaft und war denen vom Fach viel- fach nützlich durch Mitteilungen aus seinem grossen Leseschatz. Er war ein ausgezeichneter Mensch von tadellosem Charakter und wird allen, die ihn gekannt haben, unvergesslich bleiben. A. Kiefer. Publikationsverzeichnis. Ein mit der Theorie San Palscher Flächen zusammenhängender plani- metrisches Problem. Dissertation der Universität Bern. Kommissionsverlag von Jent u. Reinert, Bern. I r besondere affine Räume. Zeitschrift für Mathematik und Physik. 1893. B. ipzi JAKOB STEINER bei PEsTaLozzı in Yverdon. Schweizerische Pädagogische Zeitschrift, VI. Jahrgang. Zürich, Verlag: Art. Institut Orell Füssli. 1896. m 100. Geburtstage JAKOB STEINERS. Zeitschrift f. math. u. naturw. Unterr. XXVII. Jahrgang. B. G. Teubner in Leipzig. (1896). rof. Dr. WILHELM Fikscen. Zum Rücktritt von seinem Lehramt am ge Polytechnikum am 1. Oktober 1907. (Private Ausgabe). EORG SIDLER. Schweiz. Pädagog. Zeitschrift. 1908. Art. nr RN Füssli, Zürich. Eine ee, ne Referat in der en des Schul- kapitels Zürich am 15. Dezember 1909. Schweiz. Päd. Zeitse 1909. Über SEE aa STEINERSche Kreis- und Erlseihn und die Erfindung der Inversion. (Kantonsschulprogramm 1913 und 1914). Leip- zig und Berlin, B. G. Teubner 1913. Ein artilleristisches Problem. Schweiz. Bauzeitung, Bd. LXIX 1917. Eiförmige ee Schweiz. Pädag. Zeitschrift 1917. Art. Institut Orell Füssli, Lehrbuch a gr en Trigonometrie mit vielen Aufgaben und Anwen dungen. Sechste Aufl. Zürich 1916. Verlag: Art. Institut Orell Füssli. Lehrbuch der Stereometrie. Dritte Auflage. Zürich 1916. Verlag: Art. Institut Orell Füssli. Lehrbuch der Arithmetik und Algebra für Mittelschulen. I. u. II. Teil. Zweite Auflage. Zürich 1920. Druck und Verlag: Art. Institut Orell Füssli. Ernst Sidler-Huguenin ee Mitglied der Gesell- schaft seit 1917). t Sidler-Huguenin, geboren 1869 in Zug, war von 1%1 an Privatdozent, von 1903 an leitender Arzt der Augen-Poliklinik, 1915 Titular- Professor und von 1919 an Professor der Augenheilkunde und Direktor der 424 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 kantonalen Augenklinik in Zürich. Er starb am 1. Dezember 1922 nach angem Leiden Ein grosser Teil seiner Arbeiten, die auch in zahlreichen Dissertationen zum Ausdruck gelangten, bezieht sich auf die Verletzungen des Auges, deren Behandlung und deren Folgen, namentlich in Hinsicht auf die Un- als Bandwurmmittel für das Auge, eine wichtige Darlegung, Tuberkulose des Sehnerven und Tuberkulinbehandlung gaben zu teilweise umfänglichen Veröfientlichungen Veranlassung. Ganz besonders wichtig ist die Abhand- lung über Conjunctivitis petrificans, die zum eil mikroskopischer Natur ist. Weitere mikroskopische Untersuchungen betreffen Gefässveränderungen im Sehnerven, Endotheliom des Sehnerven, Verschleppung des Gonococeus im Körper und ins Auge und anderes mehr. Der Tod setzte SıpLers For- schung ein allzufrühes Ende. 0. H. Anlässlich der Kremation von Prof. Dr. O. Haag gesprochener Nachruf: Hochgeehrte Mittrauernde! Als wir an einem trüben Wintertage des Jahres 1886 Frieprıchn HoRNER, meinen verehrten Lehrer und Vorgänger ich i mir der Gedanke fern, dass ich dereinst auch von meinem Amtsnachfolger und Schüler am Grabe werde Abschied nehmen und ihm die peinvollen Worte werde widmen müssen, die ich hier an Sie zu richten die traurige Freundesspflicht habe. Schwer aber fällt es mir, hochgeehrte Anwesende, hier an dieser Stelle die letzten Abschiedsworte zu sprechen. Stand mir doch der verehrte Ver- storbene nicht nur als Verwandter und Freund nahe, sondern auch als Mann, der mehr als zwanzig Jahre lang in wissenschaftlicher und ärztlicher Betätigung mein treuer Gefährte und Helfer gewesen ist, dessen ich dank- bar zu gedenken habe.- Und zu tief ergreift auch mich der allzufrühe Tod unseres teuren Dahingeschiedenen, der mitten aus trautem Familienkreise, mitten aus emsigem affen, mitten aus Lehrtätigkeit, aus wissenschaft- licher Arbeit und werktätiger ärztlicher Hilfe durch ein langes, grau- sames Krankenmartyrium hinweggerafft wurde, viel zu früh, viel zu früh! Einen kurzen Rückblick möchte ich aber werfen auf seine Lehr- tätigkeit, seine wissenschaftliche Arbeit und sein ärzt- liches Wirken. Mein verehrter Lehrer Horner sagte gelegentlich in seiner treffenden Art: «Viele dozieren gern, aber sie lernen es nie». Ernst SıpLer hat es gelernt, das Dozieren, in langer gewissenhafter Betätigung in der Augen- klinik und als Privatdozent. Nicht so leicht vielleicht wie einem anderen seiner Familie, dem Landammann SıpLer, floss ihm das Wort von der Lippe, nicht in dem Maße wie jener verfügte er über grosses pathetisches eden, wie es der hervorragende Staatsmann brauchte, der sogar einem Jahrg. 67. H.ScnHınz u. H. SıgErist. Notizen z. schweiz. Kulturgeschichte. 425 Bonaparte unangenehme Wahrheiten zu sagen wagte. Aber ERNST SIDLER akademischen Lehrer zur Verfügun en muss, der seinen Schülern die oft zen Fragen der eh Eeaege n hat. Er er ein trefilicher, beliebter Lehrer und die Studierenden fühlten Bann, wie sehr ihm sein Lehramt am Herzen lag, wie sehr er da- nach trachtete, tüchtige Ärzte erziehen zu helfen und ihnen die dem Arzie s) nötigen mar in der Augenheilkunde zu verschaffen u e Kollegen, denen er in ärztlichen Bortbildangekutsent und i den är ee Gesellschaften Vortrag hielt, schätzten seine are Mitteilungen sehr. Dann die wissenschaftliche Arbeit, die war seine Freude! Wissen- schaftliches Werk zog ihn an, wie eine andere seiner Familie, Frau Prof. SCHWEIZER-SIDLER, welche die erste Hörerin an unserer Hochschule war, lange bevor an dieser weibliche Studierende immatrikuliert wurden. Die wissenschaftlichen Arbeiten von ERNST SIDLER sind von bleibendem Wert. ei errungenen Beobachtungen leicher bleibender Gültigkeit, wie seine klinischen Be arbelich n, von denen namentlich die über Conjunctivitis petrifican s von hervorragender Bedeutung ist. In Unfall- i erkan Autori ird immer zu denen gehören, welche unsere Wissenschaft durch ernste Forschung gefördert und bereichert haben. Und als Arzt war unser teurer Verstorbener gleich vorzüglich und gleich beliebt wie sein Vater selig, der gewissenhaft bei Tag und bei Nacht auf dem Posten stand und seinem Krankendienst seine Gesundheit opferte. ten Kollegen n selig hatte er ein grosses Vorbild dafür, wie der Arzt hohen wissenschaft- lichen Anforderungen wie auch gleichzeitig den Anforderungen der Kranken- behandlung gerecht werden und seinen Patienten ein treuer und trefflicher elfer in der Not der Krankheit sein kann und sein So erreichte unser teurer Verstorbener nach umfassenden Studien in Zürich und im Auslande und nach langer oo Rn weiterer Arbeit das von ihm ins Au sste und gewollte Ziel, tüchtiger Arzt und Früchte seiner emsigen Arbeit reifen, schon konnte er sich alles dessen freuen, was er gesät und geplant hatte, — da traf ihn mitten im Glück wie ein verheerendes Gewitter die Krankheit, die er sofort selbst erisannte und die von den Fachkollegen rasch und energisch in Behandlung genommen wurde. Die Krankheit liess sich aber leider trotz aller ärztlichen Umsicht und trotz sorgsamster, liebevollster Pflege nicht besiegen. Er starb, nicht wie es oft so falsch heisst, an den Folgen der Vereg Operation, sondern trotz der vorgenommenen Operationen. Er starb an einer jener heimtückischen Krankheiten, die leider manchmal der ärztlichen Kunst trotzen und oft auch jene anpacken fe wie unser Verstorbener, bis dahin sich der ge Gesundheit srirent hat Er starb und seine Familie, seine un die Hochschule und ihre See Fakultät, die Studierenden, die Augenklinik und alle die 426 Vierteljahrsschrift der NaturT. Gesellschaft in Zürich. 1922 vielen Kranken, welche sich um ihn geschart hatten, haben durch seinen Tod einen Verlust erlitten, der sich nicht in Worte fassen lässt. er de i lohnt werden durch das schöne Erinnerungsbild eines aufrechten, tatkräi- tiren Mannes und tüchtigen Hochschullehrers, der für das Wohl aller, denen er helfen konnte, arbeitete, eines Mannes, der an sich und sein Wohl- ruhe im Frieden! Gabriel Narutowiez (1865—1922, Mitglied der Gesellschaft seit 1912). Ermordung des polnischen Staatspräsidenten Warschau, 16. Dezember. Der vor acht Tagen zum Präsidenten der Republik Polen gewählte Professor-Narutowiez ist am Samstagmittag während der Eröffnungsfeierlichkeiten einer Kunstausstellung ermordet worden. er Tä gab nacheinander drei Revolverschüsse gegen den Rücken des Präsidenten ab. Narurowıcz verschied einige Minuten später. «Neue Zürcher Zeitung» Nr. vom 18. Dezember 1922.) Sonntag den 10. Dezember, nachmittags, teilte mir die Schweiz. De- peschenagentur mit, dass mein ehemaliger Kollege und Freund G. Naruto- wicezt) zur höchsten Würde des Staates Polen auserkoren worden ist. Sechs Tage später berichtet mir die «Neue Zürcher Zeitung», dass eine lakonische Mitteilung über die Ermordung des neuen Staatsoberhauptes vorliege! Soll ich gleich zur Feder greifen, um meinen Gefühlen Ausdruck zu geben, oder noch dem offenbleibenden Hoffnungsschimmer, dass es sich nur um eine schwere Verwundung handle, hinleben? Narurowıcz stand uns Schweizern sehr nahe, in mancher Beziehung näher als der neuen Republik Polen. Als Kollege der Eidg. Techn. Hoch- schule, als grosszügiger Ingenieur, als Freund mit stets wohlwollenden Ab- sichten bleibt er uns unvergesslich. Der Leser wird es verstehen, wenn ieh bei diesem Nachruf, den ich im ehemaligen Arbeitszimmer NaRrUTOwICz’ schreibe, im Hause, das er sich 1914 auf waldiger Höhe des Zürichberges erstellt hatte, das Herz mitreden lasse. i Narvrowicz hat seine Ingenieurstudien an der Eidg. Technischen Hoch- schule in Zürich absolviert und seine ganze technische Lau bahn in unserem Lande, dessen Bürger er längst geworden wat, abgelegt. Zu- erst in St, Gallen mit Ingenieur KürsteEıner an zahlreichen Unternehmungen auf dem Gebiete des Wasserbaues tätig, wurde er 1908 an die Eidg. Techa. Hochschule in Zürich. als. Ordinarius anlagen berufen, deren Abteilung für Ingenieurwesen er von 1913 bis 1919 vorstand. Zugleich war er im In- und Ausland ein massgebender Rat- geber; in zahlreichen Fragen des Wasserbaues wurde er vom Bund, von den Kantonen, von Verwaltungen und Unternehmungen konsultiert. Er war 1) Mit Erlaubnis von Verfasser und Redaktion abgedruckt aus Nr. 1627 der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 18. Dezember 1922. Jahrg. 67. H.Scnhınz u. H. Sıgerist. Notizen z. schweiz. Kulturgeschichte. 427 Mitglied des Baukollegiums der Stadt Zürich und der österreichisch-schwei- zerischen ee ngskommission. 1920 noch beteiligte er sich an en Ar es Preisgerichtes für den internationalen Wettbewerb für die en 24 des Rheines von Basel bis in den Bodensee. Diese der Projektierung des Mühleberg- und der Oberhasliwerke betraut hatten, so sehr in Anspruch, dass er 1919 sein Amt an der Hochschule niederlegen musste. Damals dachte er noch in keiner Weise an eine politische Betäti- ung in Polen, wenn auch die neue Republik bald nach ihrem Entstehen seine technischen Kenntnisse zu Rate gezogen hatte NAaruTowıcz wurde im nördlichen Russisch-Polen geboren; der Drang nach einer freien Geistesentwicklung hatte ihn in jungen Jahren zu uns geführt. Selbstverständlich verfolgte er mit ganzer Seele, er, der die Vor- te schiedenen Phasen der politischen Lage Polens während des Weltkrieges. e'ne verloren gegebenen Jugenaträume beahetin der Wiedergeburt Polens tauchten wieder auf und gewannen an Wahrscheinlichkeit der Realisierung. So folgte er im Jahre 1920 dem Rufe einiger Freunde und übernahm die Leitung des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten. Er verliess hierfür — wie er glaubte nur vorübergehend — eine angesehene Ingenieurtätigkeit in der Schweiz, um, wie er sich gern ausdrückte, in Polen | äteren Jahren den «Militärdienst», den zu leisten ihm i seiner Jugend nicht vergönnt gewesen war, nachzuholen. Er hatte hierbei lediglich die Absicht, bei der Konstitution des neuen Polens ımitzuhelien, um hierauf bald wieder zu uns zurückzukehren; in a Absicht behielt er sein Ingenieurbureau und sein Heim in Zürich bis zum letzten Frühling. Bei seiner Rückkehr von der Genueserkonferenz, nachdem er erkannt hatte, seine Bande zu uns — nicht ohne Wehmut, nicht voller Hoffnung, sondern bewusst, dass schwere Arbeit seine ganzen Kräfte in Anspruch nehmen würde, und dass die erste Generation der leitenden Männer des neuen Polen wenig Anerkennung und Befriedigung ernten würce Ich sah ihn seither nochmals im vergangenen September in Warschau nachdem er unerwartet und gegen seinen Willen das Bnsteaminisierinm mit dem Portefeuille des Äussern getauscht hatte; dies jedoc im wusstsein, dass er zurzeit bessere Dienste in dieser exponierten Stellung als in seinem früheren Posten leisten könne. ine klare und grundehr- wohlwollende Gesinnung, die auch seine Schweizer Bekannten und Freunde so hoch geschätzt haben, prädestinierten ihn zur erspriesslichen Mitarbeit und zur Stabilisierung der Politik Polens während der Stürme des Aui- bauens des ‘neuen Staates. Es war das beste Werk und ehrt diesen Staat, Auslandspolen vom Schlage Narvrowicz’, die sich im Westen Europas in (= N = ® in un ofiten Wiederge sburt des Vaterlandes, entwickelt hatten, zu sich rufen. Seit 1920 wurden seine Dienste bei den vier oder fünf Heihhiluiigen der Regierung fortlaufend in Anspruch genommen; seine unermüdliche Arbeitskraft schien volle rkennung gefunden zu haben. Innerhalb zweier Jahre erklomm er, der früher unbekannte Auslandspole, die höchsie 428 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Stufe der Staatswürden. Narurtowicz, der erfahrene Ingenieur, der stets im Kampfe mit den Naturkräften gestanden hat, war in der Tat der Mann, der auf dem Boden gesunder Realitäten und in voller Kenntnis der tech- nischen und wirtschaftlichen Grundlagen der Entwicklung Polens den neuen Staat leiten konnte. Dennoch blieb Narurowicz seiner zweiten, der frei erwählten Heimat tief dankbar für das, was sie ihm gegeben hatte; den letzten 1. August feierte er mit der Schweizer Kolonie in Warschau. Neben vielen anderen Bindegliedern zwischen Polen und der Schweiz, die auf den Äufenthalt Koszıuskos, der Dichter MICKIEWICZ und SIENKIEWICZ, PADEREWSKYS un nd oe auf die Rapperswiler Erinnerungen und die Tätigkeit von Schweizern bei der Regelung des Grenzstreites um den See Meeresauge und anz in neuer Zeit der Grenzen in Oberschlesien zurückzuführen sind, bildete NArUTowicz den zuverlässigen, vertrauenswürdigen Pol unserer zukünfti- gen wirtschaftlichen Beziehungen. e = September Gelegenheit, vielenorts in Polen die arbeits- freudigen trebungen aller Volksschichten zur Konsolidierung der Wiri- ne des Landes festzustellen, zugleich aber auch die Folgen der lang andauernden Unterjochung der neuen Staatsgebiete, zumal unter drei verschiedenen Herrschern. Überall schon warfen die für November Die gleiche Stärke und die Schärfe der Su yenn Bekämpfung der zwei polnischen Hauptparteien, der Linken, der Narurowıcz nahestand, und der R Fünftel der Wähler auf sich vereinigt, scheint jede politische Gesamtaktion der polnischen Gruppen zu lähmen. Leider zu spät für die Erhaltung des trefflichen Mannes, der als Staatsoberhaupt aus dem Kampfe hervor- ging, werden diese Gruppen erkennen, welcher Weg einzuschlagen ist, um nachdem noch vor kaum zwei Jahren die Sovietsoldaten vor den Toren Warschaus standen und es nur der Zähigkeit eines PıLsunskıs, eines der besten Freunde Narurowıcz’ gelang, Sovietrussland mit einem noch nicht organisierten Volksheere zu besiegen. Wenn ich indessen an die leuchtende Gesinnung des Patrioten NARU- rowıcz denke, so muss ich annehmen, dass er mit Freuden sein Leben seinem Vaterland geopfert hätte, wenn er damit die Hoffnung hätte verbin- den können, dass dieser Tod zur Einigung, zur besseren Einsicht seiner Mitbürger beizutragen vermöge. danken Narvrowicz für die Dienste, die er der Schweiz auf tech- nischem Gebiete geleistet hat. Er zog von un schlichter Bürger, der Mobilmachung geistiger Kräfte, deren Polen bedurfte, Folge leistend und fand den Tod in treuer Erfüllung seines ichtbewusstseins. Der Aufeni- g halt im friedlichen Schloss Belvedere, über dem wunderbaren Park der Jahrg. 67. H.ScHınz u. H. SıgErıst. Notizen z. schweiz. Kulturgeschichte. 429 Lazienki, war ihm nicht vergönnt. Möge Polen sein Andenken schützen und ehren, gleich demjenigen der Helden früherer Zeiten und sich im Geiste der Liebe und des Friedens, der NarutTowicz eigen war, weiter ent- wickeln; das ist das Denkmal, das er sich gewünscht hätte. A. Rohn (Zürich). Tu Sa a re Fe Par Fee Reise “% Zweiter Teil Sitzungsberichte er Bar Sitzungsberichte von 1922. Protokoll der Sitzung vom 16. Januar 1922 bends 8 Uhr, auf der Schmidstube, Marktgasse 20. Vorsitzender: Prof. Dr. W. Frei. Anwesend: 130 Personen. Traktanden Das Protokoll der Sitzung vom 5. Dezember 1921 wird unter Verdankung an Autoreferent und Sekretär genehmigt. . Als neues Mitglied wird aufgenommen: Herr Dr. med. Siegbert Hallheimer, Assistent am Anatom. Institut der Universität, Tödistr. 51, Zürich 2, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. Schlag- inhaufen. - Der Präsident gibt Kenntnis von einer Einladung der Chemischen Ge- sellschaft an die Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft zum Be- such der Sitzung vom 17. Januar, an der Herr Prof. Dr. Karrer einen Vortrag halten wird über „Neuere Anschauungen auf dem Gebiete der Kohlen- hydrate*. 4. Vortrag des Herrn Prof. Dr. W. Silberschmidt: ererbung und Krankheit. Die Vererbungsforschung stützt sich auf experimentelle Tatsachen und auf Beobachtungen. Währenddem das Experiment an Tieren und Pflanzen feste Grundlagen geboten hat, sind die am BR gesammelten Erfahrungen und Beobachtungen schwieriger zu verwerten. Die Vererbung körperlicher re geistiger Eigenschaften von den Eltern auf die Kinder lässt sich täglich nachweisen. Die Ähnlichkeit im Körperbau, im Gesichtsausdruck, in den geistigen Fähigkeiten ist zur Genüge bekannt. Für die Beurteilung der Zukunft unserer Rasse ist es wünschenswert, dass neben den günstigen auch die ungünstigen Vererbungsmöglichkeiten eingehend berück- sichtigt werden. Eine ganze Anzahl von vererbten Krankheiten und Störungen sind bekannt und 2. E auch durch viele KEER PER FLOGEN hindurch verfolgt worden; soz.B. i kheit), Stoffwechsel- krankheiten, nervöse "und Geisteskrankheiten etc. Von den Anomalien der Sinnesorgane wird die Rotgrün-Blindheit und die Kurzsichtigkeit besprochen. Durch die klassische, grundlegende Arbeit von Adolf Steiger wissen wir jetzt, dass eine Schul-Myopie, die 50 Jahre lang ziemlich allgemein angenommen wurde, nicht besteht, dass die Kurzsichtigkeit ‘ vielmehr ein vererbter Fehler ist. Häufig wird vererbt und angeboren ver- wechselt und übersehen, dass eine Anzahl von vererbten Störungen nicht bei der Geburt, sondern erst im spätern Alter sich entwickeln. Auch eine andere sogen. Schulkrankheit, die Skoliose, beruht hauptsächlich auf Vererbung. — . 180) o Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 67. 1922, IV Vierteljahrssehrift der Naturf, Gesellschaft in Zürich. 1922 In den letzten Jahren wurde besonders die Frage der Vererbung er- worbener Eigenschaften auch beim Menschen erforscht, so vor allem die Rolle der Infektionskrankheiten. Eine Übertragung verschiedener anstecken- der Erkrankungen von der Mutter auf das Kind ist wiederholt beobachtet worden. Wir können aber hier nicht von einer Vererbung sprechen, welche das Keimplasma trifft, es handelt sich vielmehr in der Regel um eine pla- centare Übertragung. Die wichtigste chronische Infektionskrankheit, die Tuberkulose, wird heute noch von vielen Forschern als vererbbar betrachtet. Nach den vorliegenden zahlreichen Versuchen und Beobachtungen lässt sich aber eine Beeinflussung des Keimplasmas, d. h. eine direkte Vererbung im engeren Sinne bei der Tuberkulose nicht nachweisen. Die Nachkommen von mehr eine Vererbung der Erkrankung, sondern eine Vererbung der Anlage angenommen. Bei der zweiten wichtigen Volkskrankheit, bei der Syphilis, ist bekannt, dass die Infektion nicht nur von der Mutter, sondern auch vom erkrankten Vater auf das Kind übertragen werden kann. Eine Schädigung des Keimplasmnas lässt sich auch hier nicht nachweisen, wenn auch bei den Nachkommen syphi- litischer Eltern die verschiedenartigsten Entartungssymptome vorkommen. Ein Keimgift, das imstande ist, die Keimanlagen zu beeinflussen, ist der Alkohol; wahrscheinlich auch einige andere (gewerbliche) Gifte, die Röntgen- Aus den angeführten Beispielen ist ersichtlich, wie unrichtig es oft ist, von der Vererbung der Krankheiten zu sprechen und wie vorsichtig der Forscher Erbmasse die Bedeutung der Umwelt beim Menschen zu berücksichtigen. Der Umgebung ist eine Zeit lang eine zu grosse Bedeutung zugeschrieben worden; ihre Rolle kann aber nicht ignoriert werden. Über die Zukunft unserer Rasse ein Urteil abzugeben wäre verfrüht. Wir müssen durch Zusammenarbeit der verschiedensten Forschungsgebiete, durch Versuche und durch Beobachtungen, wissenschaftlich geeignetes Material sammeln. Grund zu einer pessimistischen Auffassung liegt nicht vor, wenn völlig ungeeignete Elemente (Geisteskranke) von der Fortpflanzung ausgeschaltet und wenn die äusseren Schädigungen durch hygienische Massnahmen eingedämmt werden. (Autoreferat.) In der Diskussion knüpft Herr Prof. Dr. W. R. Hess an Steigers Unter- suchungen über die Myopie an und weist auf die Vorteile der zahlenmässigen Fassbarkeit eines Merkmals hin. Herr Prof. Dr. deQuerv ain berichtet über den ernsten Verlauf einer durch Europäer übertragenen Intiuenzaepidemie an Grönländern. Vom allgemein biologischen Standpunkt aus beleuchtet Herr Prof. Dr. A. Ernst die vom Vortragenden berührten Fragen und lenkt die Aufmerksamkeit auf die Probleme der Neuentstehung bekannter Krankheiten und der Entstehung neuer Krankheiten. Herr Prof. Dr. Schlag inhaufen hegt den Wunsch, es möchten die Forschungen über die Ver- erbung von Krankheiten auch von anthropologischen Untersuchungen be- gleitet sein, um die Beziehungen zwischen Rasse und Konstitution klarlegen zu helfen. Herr Prof. Dr. Oswald vertritt die Ansicht, dass die Lösung der Ver- Jahrg. 67. Sitzung vom 30. Januar 1922, V erbungsfragen von der Kenntnis desZellchemismus abhängig sei. Er kommt hierauf auf die Beeinflussung der Tätigkeit der endokrinen Drüsen durch äussere Fak- toren zu sprechen und äussert die Auffassung, dass die in den letzten Jahrzehnten beobachtete Zunahme der Körpergrösse vielleicht in der durch das moderne Leben hervorgerufenen nervösen Einwirkung auf die innersekretorischen Organe ihre Erklärung finde. Herr Dr. Hanhart macht interessante Mitteilungen über die Vererbungsforschungen, die Rüdin über Dementia praecox angestellt und der Diskussionsredner selbst über die Friedreichsche Krankheit noch im Gang hat. Er tritt für die Verbindung solcher Untersuchungen mit der Regi- strierung von Konstitutionsmerkmalen ein. Nach dem Schlusswort des Vor- tragenden dankt der Präsident Herrn Prof. Dr. Silberschmidt für seine an- regenden und von den Zuhörern mit viel Beifall aufgenommenen Ausführungen herzlich. Schluss der Sitzung 10 Uhr 20. Der Sekretär: Prof. Dr. Schlaginhaufen. Protokoll der Sitzung vom 30. Januar 1922 abends 8 Uhr, im Hörsaal des Instituts für allgemeine Botanik, Universitätsgebäude, 1. Stock. Vorsitzender: Prof. Dr. W. Frei. Anwesend 120 Personen, Traktanden: 1. Das Protokoll der Sitzung vom 16. Januar 1922 wird unter Verdankung an Autoreferent und Sekretär genehmigt. 2. Als neues Mitglied wird aufgenommen: Herr Dr. med. Wilhelm Löffler, Professor an der Universität und Direktor der medizin. Poliklinik, Glärnischstr. 23, Zürich 2, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. Schlaginhaufen. 3. Vortrag des Herrn Prof. Dr. Alfred Ernst: Chromosomenzahl und Rassenbildung. Im Mittelpunkt der experimentell genetischen Forschung stehen die beiden Probleme der Vererbung und der Entstehung neuer Lebensformen. der Rassen- und Artbildung. Vererbung bedeutet das Zustandekommen weitgehender Übereinstimmung zwischen Eltern und Kindern, Formen-Neu- bildung hat die Möglichkeit der Entstehung von Unterschieden zwischen Eltern und Kindern zur Voraussetzung. Die beiden Probleme stehen also hinsichtlich der Fragestellung in einem gewissen Gegensatze, sind aber durch Forschungs- objekt und Forschungsmethoden aufs engste miteinander verknüpft. Der unübersehbare Formenreichtum von Pflanzen- und Tierwelt ist das Resultat eines Entwicklungsganges. Die Ansichten über die in der Vergangen- heit wirksam gewesenen Faktoren der Entwicklung gehen weit auseinander. Ihre nachträgliche Feststellung ist ausgeschlossen, dagegen eine gewisse Klärung vom Studium der Faktoren und Bedingungen der Formen-Neubildung in der Gegenwart zu erwarten. Spontane Neubildung von Formen in der Natur und die Möglichkeit ihrer experimentellen Erzeugung sind einwandfrei nachgewiesen. Bei dem grossen Einfluss, den die Einwirkungen der Umwelt auf die Er- scheinungsform (Phaenotypus) der Organismen haben, war es ‚naheliegend, Abänderungen der Erbanlagen (Genotypus) ebenfalls durch äussere Einwirkungen (Temperatur, Licht-, Röntgen-, Radiumstrahlen, Änderungen der Ernährungs- VI Vierteljahrsschritt der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 verhältnisse, Einwirkung von Narcotica, Giften, Verwundung etc.) zu versuchen. Damit erbliche Abänderungen zustande kommen, muss sich der Einfluss eines Aussenreizes auf das innerste Wesen der lebenden Substanz, auf das Keim- plasma (Idioplasma) geltend machen. Kern- und Plasmaforschung haben indirekt zur Feststellung geführt, dass das Idioplasma im wesentlichen seinen Sitz im Kern hat. Verschiedene Resultate der experimentellen Vererbungs- forschung sprechen aber dafür, dass dies nicht ausschliesslich der Fall sein kann, dass bestimmte Merkmale auf übertragbaren Verschiedenheiten anderer Plasmateile beruhen. Von den Organisationsmerkmalen müssen wir annehmen, dass sie nur auf der Grundlage des Zusammenwirkens aller Plasmateile oder des im Gesamtplasma verteilten Idioplasmas zustande kommen können. Für die Vererbung des Geschlechts und die bei Kreuzung von Rassen und Varie- täten den Mendelschen Gesetzen folgenden Merkmale und Unterschiede liefert dagegen der Kern in seinem Chromatin und den im Teilungsprozess auftretenden Chromosomen die idioplasmatische Grundlage. Spontane oder experimentelle Veränderung des Chromatin- und Chromo- somenbestandes der Kerne und besonders der Gametenkerne eines Organismus wird also auch eine Veränderung seines Genotypus zur Folge haben. Ein gang- barer Weg zur Erzeugung neuer Formen steht damit offen, von dem besonders deswegen aufschlussreiche Ergebnisse zu erwarten sind, weil der natürliche Formenreichtum innerhalb schr vieler Verwandtschaftskreise ebenfalls mit eendesÖl tinbestand Ä Änderun ‚ Änderungen der Chromosomen nach Grösse, Form und Zahl verbunden ist. Verminderung derChromosomenzahl durch Elimination einzelner Chromo- somen und ebenso die Herabsetzung der Chromosomenzahl auf die Hälfte der Normalzahl (künstliche Entwicklungserregung unbefruchteter, haploidkerniger Eizellen von Pflanzen und Tieren) hat bis jetzt noch nicht zur Entstehung fort- pflanzungsfähiger neuer Formen geführt. Dagegen gelingt es, solche mit ver- mehrter Chromosomenzahl zu erhalten und durch Generationen zu züchten. Am leichtesten fällt die Erzeugung von Zellen, ganzen Individuen und von solchen ausgehend von Rassen mit einem Mehrfachen des einfachen (haploiden) oder des doppelten (diploiden) Chromosomensatzes: Versuche von (erassimowW (1904) u. a. Entstehung zweikerniger Zellen, von Kernen mit doppelter und vierfacher Kernmasse und Chromosomenzahl durch ein- oder mehrmalige Beein- flussung von Zellen im Teilungszustande durch Abkühlung. Erzeugung poly- ploider Zellen und Zellkomplexe in Vegetationspunkten höherer Pflanzen, von heteroploidkernigem Pollen durch Narkose und Bestrahlung (Nemec 1910 und Sakamura 1916), von bi- und tetravalenten Rassen von Laubmoosen durch Regeneration diploid- resp. tetraploidkerniger Sporophyten (El. u. Em. Marchall 1905-1912) und der tetraploiden Gigas-Formen von Solanum lycopersicnm und S.nigrum durch H. Winkler 1916. Während nach den bis 1916 erschienenen Mitteilungen sich die experimentell erzeugten polyploiden Rassen von den Stammformen in der Hauptsache durch unabhängig vom Mechanismus ihrer Entstehung, nach verschiedener Richtung zum Ausgangspunkt für weitere Vorgänge der Form en-Neubildung werden können: . Formen-Neubildung durch direkte Abspaltung auf vegetativem ode! . Jahrg. 67. Sitzung vom 13. Februar 1922. v1 reproduktiv-sexuellem Wege. Entstehung der „monströs-diploiden“ Formen von Splachnum sphaericum bivalens (J. Schweizer, Diss. Zürich 1921), Rückschläge zur Stammform und Entstehung abweichender Sprosse an den Gigaspflanzen von Solanum (H. Winkler 1921). Die abweichenden Formen weisen sähr wahr- scheinlich auch abgeänderte Chromosomenzahlen auf. 2. Entstehung von Triploidformen durch Kreuzung polyploider Rassen und deren Aufspaltung in der F,-Generation. Versuche von Schweizer, Winkler 1921. Formen-Neubildung bei Selbstbestäubung und namentlich bei Kreuzung von Oenothera Lamarckiana semigigas mit O. Lam. typus und 0. Lam. gigas (van Overeem, Diss. Zürich 1920), Neubildungen in der Nachkommenschaft tri- ploider Weizen-Bastarde (Kihara 1921) und Feststellung von Heteroploidie innerhalb der holländischen Sorten von Hyacinthus orientalis (de Mol, Diss. Zürich 1921). Von ganz besonderer Bedeutung für die Neubildung von Formen sind, so weit sich bis jetzt übersehen lässt, die Triploidformen. Hinsichtlich ihrer Fortpflanzung verhalten sie sich verschieden. Viele natürliche Triploidformen zeigen geschwächte Sexualität oder sind steril, können sich aber durch Apo- gamie oder rein vegetativ vermehren und bleiben dabei konstant. Die Nach- kommenschaft fertiler Triploidformen ist vielgestaltig. Sie setzt sich aus Individuen zusammen, die infolge ungleicher Verteilung eines unpaarigen Chromo- somensatzes Chromosomenzahlen zwischen Diploid- und Tetraploidzahl auf- weisen. Die Aufspaltung von Triploidformen ist ein von der Mendelspaltung gänzlich verschiedener Prozess und die in ihrem Verlauf entstehenden neuen Formen sind auch nicht ausschliesslich Neukombinationen mendelnder Merk- male. Sie weisen auch neue Merkmale auf, sind vielfach zunächst nicht völlig konstant und können unter Ausmerzung unpaariger Chromosomen in andere konstante heteroploide Formen, in die Elternform oder in mit dieser wenigstens in der Chromosomzahl übereinstimmende Formen abändern. (Autoreferat.) In der Diskussion weist Herr Prof. Dr. K.Hescheler auf den Stand der entsprechenden Forschungen in der Zoologie und ferner auf die Notwendigkeit hin, neben der Vererbung auch die äusseren Faktoren zu berücksichtigen. Herr Prof. Dr. H. Schellenberg erblickt in den Ausführungen des Vortragenden eine Rechtfertigung der Ansichten von H. de Vries über die Mutationen von Oenothera Lamarkiana und betont, dass experimentelle Forschung und mikro- skopische Untersuchung sich zu gemeinsamer Arbeit vereinen müssen. Nach einem Schlusswort des Vortragenden spricht der Präsident Herrn Prof. Ernst für den interessanten, von einer schönen mikroskopischen Demon- stration begleiteten Vortrag und für die Überlassung des Hörsaals den ver- bindlichsten Dank der Gesellschaft 4 Schluss der Sitzung um 10 Uhr 1 Der as Prof. Dr. Schlaginhaufen. Protokoll der Sitzung vom 13. Februar 1922 abends 8 Uhr, im Hörsaal des ee: Instituts der Universität. Rämistrasse 69, 1. Stock Vorsitzender: Prof. Dr. W. Frei. Anwesend 112 Personen. Traktanden: l. Das Protokoll der Sitzung vom 30. Januar 1922 wird unter Verdankung an Autoreferent und Sekretär genehmigt. VI Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 2. Als neues Mitglied wird aufgenommen: s Herr Dr. med. Walther v. Wyss-Ehinger, Wilfriedstrasse 12, Zürich 7, eingeführt durch Herrn Dr. med. C. Schindler. 3. Die Gesellschaft hat durch den Tod verloren Herrn Prof. Dr. Otto Busse, Mitglied seit 1911. Die Anwesenden erheben sich zu Ehren des Verstorbenen. 4. Vortrag des Herrn Privatdozent Dr. med. E.Rothlin: ie Kolloide und ihre Bedeutung für die Biologie. (Mit Demonstrationen.) Die Grundlagen der biologischen Forschung basieren neben der morpho- logischen Betrachtungsweise vor allem auf der Anwendung der exakten Natur- wissenschaften der Physik und der Chemie. Die neue physikal-chemische Richtung zeigt sich in ihrer Entwicklung zwar als besonderer Zweig der Natur- forschung, ist aber nicht die Schaffung einer neuen Wissenschaft, sondern die Verknüpfung, das Bindeglied zwischen Physik und Chemie. Ihr Untersuchungs- gegenstand sind die Beziehungen der Stoffe in ihrem Lösungsmittel, die Ab- hängigkeit ihres Zustandes und Reaktionsweise vom Lösungs- zustande. Ein Zweig der physikalischen Chemie ist die Kolloidchemie. Von Graham begründet, wird die von ihm vertretene Abgrenzung der Materie in zwei Welten: Kristalloide und Kolloide (Stoffe) durch die neuere Forschung unhaltbar. Denn prinzipiell kann jeder Körper in den sog. kolloiden Zustand übergeführt werden. Der kolloide Zustand ist an den Verteilungsgrad (Dispersitätsgrad) des Stoffes gebunden. Zwischen den echten und kolloiden Lösungen, sowie letztern und gröbern Emulsionen besteht ein kontinuierlicher Übergang. Die Abgrenzung der kolloiden Teilchen durch das Ultramikroskop ist daher willkürlich. Teilchengrösse der Kolloide beträgt Olu—1luu. Bi zeigen gegenüber den echten Lösungen geringes Diffusionsvermögen. Besonders biologisch wichtige kolloide Lösungen verursachen Herabsetzung der Ober- flächenspannung und konzentrieren sich nach Gibbs und Thomson an den Oberflächen der Lösung. Eigenschaften, welche an die Oberfläche von festen Körpern geknüpft sind und mit Vergrösserung der Oberfläche proportional zunehmen, erfahren bei dem hohen Verteilungsgrad zum Kolloid enorme Ver- stärkung. So ist das grosse Adsorptionsvermögen der kolloiden Lö- sungen für andere Stoffe (auch Kolloide) ein ausgezeichnetes allgemeines Merk- mal. Die Adsorption ist aber z. T. spezifisch, so z.B. gegenüber Edel- metallen. Die kolloiden Lösungen sind nicht stabile, sondern labile Systeme, je nach den lockern oder festern Beziehungen zum Lösungsmittel. Die stabilern Emulsoide haben auf die labilen Suspensoide eine sog. schutzkolloide Wirkung. Elektrische, thermische, chemische Einflüsse verändern die Stabilität der kolloiden Lösungen. Emulsoide zeigen z.T.Gallertbildungsvermögen, wobei die kolloiden Teilchen besondere Strukturierung annehmen. Emul- soide besitzen starkes Quellungsvermögen. ede Zelle ist ein komplexes kolloides System und ebenso (die Körperflüssigkeiten. Die Erscheinungen der kolloiden Lösungen und ihre Zu- standsänderungen durch die verschiedensten Einflüsse finden daher allgemeine Anwendung für die biologische Forschung. So die Membranbildung als Folge einer Veränderung der Oberflächenspannung. Allgemein verbreitet sind Adsorptionserscheinungen: Fermentwirkung. Beispiele für spezifische Adsorption bieten die Botanik, Zoologie und Medizin. Dadurch können Spuren von Substanzen bei längerer Zufuhr zum Organismus in bestimmten Jahrg. 67. Sitzung vom 27. Februar 1922. IX Geweben in ungewöhnlicher Anreicherung durch Fixation akkumuliert werden. Diese Erfahrung wird in der Medizin mit Erfolg als Heilverfahren ver- wendet. Das Blut, der Harn, die Galle besitzen schutzkolloide Eigen- schaften für leichtzerstörbare oder schwer lösliche Stoffe. Die Bewegungs- vorgänge wie die Muskelkontraktion werden neuerdings auf Quellungs- erscheinungen zurückgeführt. Die Immunitätsforschung ist durch die kolloid-chemische Betrachtung sehr gefördert worden. Durch körperfremde Substanzen, wie Eiweiss, Gifte, Bakterien, werden die kolloiden Systeme der Körperflüssigkeiten und der Zellen verändert, was im Reagierglas nachgewiesen werden kann. Die Nutzanwendung liegt vor allem in der Möglichkeit gewisse Krankheiten, wie Syphilis, Typhus, Cholera, und neuerdings auch die Tuber- kulose zu erkennen. Die Wirkung gewisser Heilmittel kann ebenfalls durch Veränderung der kolloiden Eigenschaften des Blutes und der Zellen erklärt werden, so setzt Koffein das Wasser- und Salzbildungsvermögen der Bluteiweiss- körper herab, wodurch die Niere diese leichter ausscheidet. Es ist zu erwarten, dass parallel mit dem weitern Ausbau der kolloid- chemischen Erscheinungen, die Erklärung der Vorgänge am lebenden Substrat bezw. deren Gesetzmässigkeiten gefördert wird. (Autoreferat.) An den Vortrag schloss sich eine rege Diskussion, an der sich die Herren Prof. Dr. Edgar Meyer, Prof. Dr. Baur, Prof. Dr. Karrer, Priv.-Doz. Dr. Fleisch und Prof. Dr. Oswald beteiligten. Der Präsident sprach zum Schluss dem Vortragenden für seine Ausfüh- rungen und Demonstrationen und Herrn Prof. Dr. W.R. Hess für die Über- lassung des Hörsaals den besten Dank der Gesellschaft aus und schloss die Sitzung um 10 Uhr 20. Der Sekretär: Prof. Dr. Otto Schlaginhaufen. Protokoll der Sitzung vom 27. Februar 1922 abends 8 Uhr auf der Schmidstube, Marktgasse 20. Vorsitzender i. V.: Prof. Dr.Schlaginhaufen. Anwesend 82 Personen. Traktanden: 1. Da der Präsident leider erkrankt und der Vizepräsident dienstlich abwesend ist, führt der Sekretär den Vorsitz. Das Protokoll der Sitzung vom 13. Februar 1922 wird unter Verdankung an den Autoreferenten genehmigt. . Als neues Mitglied wird aufgenommen: Herr Dr. Otto Schneider-Orelli, Titularprofessor f. Entomologie an der E.T.H., Weinbergstrasse 64, Höngg, eingeführt durch Herrn Professor Dr. Hans Schinz. . Vortrag des Herrn Dr. Paul Schläpfer: Über Fortschritte auf dem Gebiete der Brennstofforschung und der Brennstofftechnik (mit Projektionen). Anhand statistischer Angaben über die Kohlen- und Erdölförderung in der Zeit von 1870-1920 wird die. Bedeutung der Brennstoffe für das Wirtschafts- leben in den letzten Jahrzehnten erläutert. Es ist kaum anzunehmen, dass die Förderung zukünftig eben so stark zunehmen wird, wie bis anhin, da für eine vermehrte Warenproduktion kaum Absatz zu finden wäre. Man kennt auch noch lange nicht alle Lagerstätten und nützt nur die guten Brennstoffe aus so dass Vorausberechnungen, wie lange die Brennstoffvorräte noch ausreichen werden, mit Vorsicht aufzunehmen sind. Trotzdem haben die Bestrebungen, a uw) " X Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1923 andere Energiequellen zur Deckung des Wärme- und Kraftbedarfes zu finden, in wissenschaftlicher und technischer Beziehung grosses Interesse. Die Brennstoffe werden zum grössten Teil zur Wärme- und Krafterzeu- gung verwendet und man ist in der Ausnützung soweit gekommen, dass weitere grosse Fortschritte kaum mehr erwartet werden können. Die Wärmewirtschaft in Fabriken und in der häuslichen Heizung kann durch zweckmässigere An- ordnung und sinngemässe Ausnützung der Wärme vielfach noch ökonomischer ausgestaltet werden. Die direkte Umsetzung der Brennstoffenergie in Elektri- zität (Brennstoffelement) ist wissenschaftlich gelöst; der technischen Ausführung stehen aber Hindernisse im Wege. Mit der Einführung der Leuchtgasindustrie nahm die Brennstoffveredelung ihren Anfang. Während mehrerer Jahrzehnte beschäftigten sich die Chemie und die chemische Technologie mit der Erforschung der Bildungsbedingungen und der Natur der bei der Hochtemperaturdestillation entstehenden Produkte (Koks, Teer, Gas, Ammoniak), wodurch auch die chemische Industrie mächtig gefördert wurde. Durch diese Forschungen wurde die Frage nach der Kon- stitution der Kohle wieder in den Vordergrund gestellt. Da aber bei der Hochtemperaturdestillation die ursprünglich in den Brennstoffen vorhandenen Stoffe vollständig zerstört werden, kann aus der Konstitution der erhaltenen Produkte, insbesondere der im Teer vorkommenden Körper, kein Rückschluss auf diejenige der Ausgangsstoffe gezogen werden. Die Ansichten Engler-Höfers über die Bildung des Erdöls und diejenigen Potonies über die Entstehung der verschiedenen Kohlen (Humuskohlen, Matt- kohlen und Liptobiolithe) sind heute fast allgemein als zutreffend anerkannt. Die Zusammensetzung des Ausgangsmaterials übt sicher einen grossen Einfluss auf die Eigenschaften der bei der Inkohlung entstehenden Produkte aus. Ther- mochemische Untersuchungen ergaben, dass die Inkohlung von Holz, Torf und Braunkohlen exotherm verlaufen kann. Die Natur der bei den natürlichen In- kohlungsvorgängen entstehenden Produkte ist auch heute nur zum kleinsten Teile aufgeklärt. Man kennt auch erst seit jüngster Zeit die Konstitution einiger Ausgangsprodukte, wie z, B. der Stärke und Cellulose, währenddem sie für an- dere in Betracht kommende Substanzen, wie Lignin, Humussäuren ete. noch unbekannt ist. Während des Krieges stellte sich die Brennstofforschung Vor- wiegend in den Dienst praktischer Ziele. Man suchte in den Ententeländern aus Erdölen aromatische Kohlenwasserstoffe (Benzol, Toluol), in Deutschland dagegen aus festen Brennstoffen erdölähnliche Produkte zu gewinnen. Die Tiet- temperaturdestillations-, die Extraktions- und die Hydrierungsverfahren der Brennstoffe wurden studiert und technisch ausgebildet. Die wichtigsten wissen- schaftlichen und technischen Ergebnisse dieser Forschungen wurden besprochen und auf ihre wirtschaftliche Bedeutung hin untersucht. Die zukünftige Brenn- stofforschung wird sich auf streng wissenschaftlichen Boden zu stellen haben. (Autoreferat.) An der Diskussion beteiligten sich die Herren Prof. Dr. Baur, Prof. Dr: Heim, Direktor Fritz Escher, Prof. Dr. E.Bosshard, Prof. Dr. Ott, Dr. Arnold Heim und Prof. Dr. Thellung. Nachdem der Vorsitzende dem Vortragenden und den Diskussionsrednern den Dank der Gesellschaft ausgesprochen, wird die Sitzung um 10 Uhr 25 ge- schlossen. Der Sekretär: Prof. Dr. Schlaginhaufen. Jahrg. 67. Sitzung vom 13. März 1922. XI Protokoll der Sitzung vom 13. März 1922, abends 8 Uhr, im Hörsaal des zahnärztlichen Instituts der Universität, Zürichbergstrasse 8, I. Stock. Vorsitzender: Prof. Dr. W. Frei. Anwesend: 70 Personen. Traktanden: 1. Das Protokoll der Sitzung vom 27. Februar 1922 wird unter Verdankung an den Autoreferenten und den Sekretär genehmigt. 2. Als neue Mitglieder werden aufgenommen: Herr Legationsrat W.G. Deucher-Bühler, Freudenbergstr. 11, Zürich 7, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. Hans Schinz. Herr Dr. med. Richard Scherb, Privatdozent an der Universität, Anstalt Balgrist, Forchstrasse 326, Zürich, eingeführt durch Herrn Dr. med. Resch. 3. Der Präsident teilt mit, dass die Jahresversammlung der 8.N.G. vom 24.—27. August 1922 in Bern stattfinden wird. 4. Vortrag des Herrn Prof. Dr. Walter Hess: Über Zahnkaries. (Mit Demonstrationen.) Die Zahnkaries ist heute eine Volkskrankheit geworden und hat im Ver- gleich zu früheren Zeiten eine grosse Ausdehnung angenommen. Während Untersuchungen an prähistorischen Schädeln zeigen, dass früher in 2--20 °, die Zahnkaries zu finden war, und die heutigen Naturvölker im allgemeinen ebenfalls nur in ca. 3—20°/, dieser Krankheit zum Opfer fallen, ist heute bei den Kulturvölkern eine stete Zunahme derselben zu konstatieren, die von 85 bis 100% variiert. An Hand einiger histologischer Bilder gibt der Vortragende zuerst einige Erklärungen über die normale Beschaffenheit der Gewebe auf denen die Zahn- karies sich entwickelt, um daran anschliessend die Entwicklung der Karies- forschung seit den ersten Anfängen bis zu den heute geltenden Theorien zu besprechen. Von der Stoffwechseltheorie des Hippokrates, der Entzündungs- theorie des Galen und der rein chemischen Theorie des Paul v. Aegina aus. gehend, werden die weiteren Fortschritte in der Histologie und Entwicklung derZähne hauptsächlich durchTames hervorgehoben, um dann die weitere Entwick- lung der Forschung nach der bakteriologischen Seite durch Leber und Rattenstein (1867), Mils und Underwood (1881) und speziell durch Miller (1889) darzulegen Die chemisch-parasitäre Theorie, die durch Millers Untersuchungen ihre feste Begründung erfuhr, wird auch heute noch von der grössern Zahl der Forscher akzeptiert, wenn auch im Laufe der letzten zwei Dezennien noch in verschiedenen Punkten die Resultate Millers ergänzt werden konnten. Durch die weitere Entwicklung der Bakteriologie wurden dann die Erreger der Zahnkaries, speziell diejenigen der oberflächlichen und der tieferen Schichten der Zahn- karies genauer untersucht und in die Gruppe der Säurebildner wie Strepto- coceus lacticus, Streptococcus brevis, Staphylococcus albus und aureus und Sarcina lutea et alba und der proteolytischen = zahnbeinerweichenden Bakterien wie Bacillus mesentericus ruber, Bac. mesent. vulgaris et fuscus, Bacillus subtilis und Baecillus furvus u. a. geschieden. Speziell haben dieses Gebiet bearbeitet: Kantorowicz (1911), Goodby und Siebert (189). An Hand von epidiaskopischen Vorführungen (die Bilder stammen von Prof. Gysi) wurde vom Vortragenden dann der Vorgang der Zahnzerstörung, wie er durch die Schmelzkaries und die Dentinkaries charakterisiert ist, auf Grund der neueren Forschung erläutert. Xu Vierteljahrssehrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Vorgängig der Besprechung der Aetiologie und der prädisponierenden Kariesfaktoren zeigte der Vortragende noch die Entwicklung von Bildungs- fehlern im Schmelz und Dentin und schloss daran seine weiteren Ausführungen über die Rolle des Speichels als Schutz gegen die Zahnkaries, in bezug auf die Ptyalinwirkung und den Rhodangehalt. erschiedene ungünstige Faktoren in ihrer Häufung kommen als Ursache der Karies in Betracht. Die heutige Ernährung mit den weichgekochten, breiartigen Speisen be- dingt, dass schon sehr frühe die Kinder zu wenig gewöhnt werden, ihren Kau- apparat genügend in Anspruch zu nehmen, die Folge ist eine ungenügende Ent- wicklung der Kiefer, der Kaumuskulatur und der zweiten Dentition, und event. Engstand der Zähne. Eines unserer Hauptnahrungsmittel, das Brot, ist nach den neueren Untersuchungen Walkhoffs für die Zahnkaries sehr disponierend, indem es primär Säure enthaltend mit den Mundbakterien und dem Speichel zusammen sekundär bedeutende Mengen von Milchsäure produziert und zur Entkalkung des Schmelzes beiträgt. Künstlich lässt sich mit Brot- und Speichel- mischung bei 37° C. genau dieselbe Karies an Zähnen erzeugen, wie wir sie gewöhnlich vorfinden. Die Theorie Röses: Je härter das Trinkwasser, umso besser die Zähne, scheint rein statistischen Untersuchungen zufolge zu stimmen, der Vortragende lehnt aber diese Theorie ab, weil ihr der anatomische oder experimentelle Nachweis des Erfolges, bei vermehrter Ca-Zufuhr die Karies zu hindern, bis heute fehlt. Für die in Bildung begriffenen Zähne ist die Zufuhr von genü- genden Ca-Mengen von Bedeutung, nicht aber für die durchgebrochenen Zähne, da ein Stoffwechsel des Schmelzes der Zähne bisher nicht sicher nachgewiesen wurde. Die Untersuchungen von Fleischmann, Andersen, Wiessner, Pickerill und Gottlieb bedürfen noch der Nachprüfung. Innere Sekretion, Vitamine, Vererbung werden vom Vortragenden als noch nicht genügend in ihrem Zusammenhang mit der Zahnkaries erforscht besprochen und die Bedeutung der Strukturfehler der Zähne, wie sie durch Ernährungs- störungen im Kindesalter, wie Rhachitis, Masern, Diphterie, Scharlach, infek- tiöse Darmkatarrhe hervorgerufen werden, für die Karies hervorgehoben. Wichtig ist eine weitgehende Aufklärung der Bevölkerung über die Be- deutung der regelmässigen Zahnpflege und frühzeitiger Behandlung der Zähne, sofern dieselben bereits von der Karies ergriffen sind. Hier ist noch ein weites Feld offen, das Zahnärzte, Ärzte und der Staat gemeinsam bearbeiten sollten. (Autoreferat.) In der Diskussion hebt Herr Dr. Fröhner die Bedeutung der erhöhten Blutzufuhr für die Ausbildung des Gebisses hervor; Herr Prof. Feer beleuchtet den Zusammenhang zwischen Nahrungsmitteln und Zustand der Zähne; Herr Prof. Silberschmidt weist auf die Kompliziertheit des Kariesproblems hin; Herr Prof. W. Frei wirft die Frage auf, ob die Entkalkung als ein kolloider Vorgang aufzufassen sei, und Herr Ing. Rutgers lenkt die Diskussion auf die. Bewertung der Mundwasser. Nach einem Schlusswort des Vortragenden spricht der Vorsitzende Herrn Prof. Hess für seinen Vortrag und der Direktion des zahnärztlichen Instituts für die Überlassung des Hörsaales den Dank der Ge- sellschaft aus. Schiuss der Sitzung 10 Uhr 40. Der Sekretär: Prof. Dr. Schlaginhaufen. Jahrg. 67. Bericht des Quästors. über die Bericht des Quästors XII Rechnung der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich n a ernaitrne Neujahrsblätt : Tierteljührsschriftei i nke Gesche für das Jahr 1921. A. Betriebsrechnung. Einnahmen: _. von Behörden und Gesellschaften Zin 2 a Ydlskumm ; Ausgaben: Neujahrsblatt, wissenschaftl. Teil Spedition u. Spesen . - Vierteljahrsschrift, wissenschaftlicher Teil r abzüglich Autorenbeiträge Vorträge Sanngsberichte. Spedition und Spesen 1ete Persolialansgaben Verwaltung, esurnaterinl nserate Sitzungseinladungen ii Protokolle . Porti und Spesen Verschiedenes ” ” Ditenie Ausgaben Total der Einnahmen Total der Ausgaben Vorschlag der feiieberäcikähr Saldo letzter Rechnung Zinsen Übertrag von Stammgutrechnung Schenkungen und Lebenslängliche Mitelie der Abschluss. B. Kapitalrechnung. Einnahmen. Übertrag von Betriebsrechnung ie, Fr. ; „492.60 ". 11,139. 60 =) — n Fr. 19.638. 90 1269. 40 583. — ". 10,556. 60 1,033. 20 ; 287. 60 Fr. 1,447. — 11,877. 4 „457.80 „406.50 „ 1,890. 60 n...89 55 Fr. 16,472. 85 Fr. 19,638. 90 „16, ‚472. 85 Fr. 3,166. 05 Ir. 15,355. 88 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich, Übertrag auf eng Zinsen) Übertrag auf Stammgutsrechnung Total der Einnahmen Total der Ausgaben Saldo der Kapitalrechnung am 31. Dez. 1920 Saldo der Kapitalrechnung am 31. Dez. 1921 Vorschlag der Kapitalrechnung Saldo letzter Rechnung Zinsen er naeser Rechnung Zin er von Kapitalrechnung Ki: : Anlagekapita Übertrag auf RE Anlagekapital Total der Einnahmen Total der Ausgaben . Saldo der Stammgutrechnung am 31. Dez. 1860 Saldo der Stammgutrechnung am 31. Dez. 1921 Vorschlag der Stammgutrechnung Saldo der Stammgutrechnung (unantastbar) . Saldo der Kapitalrechnung (disponib ; Saldo des Illustrationsfonds . Fr. 3,867. 30 „190. — Fr. 4,017. 30 Fr. 24,709. 23 „4,017. 80 Fr. 20,691. 98 Fr. 15,355. 88 „20,691. 98 Fr. 5,336. 05 Fr. 3,000. — 152. 10 n Fr. 3,152. 10 Fr. 52,850. — „2,708. 60 ge „ 10,000. — Fr. 65,708. 60 Fr. 2,773.10 „9,935. 50 Fr. 65,708. 60 _„ 12,708. 60 Fr. 53,000. — Fr. 52,850. — _„ 53,000. — Fr... IM Fr. 53,000. — 20,691. 93 „. 8,152.10 Fr. 76,844. 03 ” 1922 Jahrg. 67. Bericht des Quästors. XV 2. Erratische Blöcke. a) Erratischer Block, Speerfindling, in Ringwil-Hinwil, erworben um Fr.29.— laut Kaufbrief vom 5. Juni 1872. b) Erratischer re Rötelstein ERBE beim Hof Rotenfluh in Oberembrach, erworben um Fr. 36.— laut Auszug aus dem Grundprotokoll Embrach, Notariat Kloten, "2. Juni 1869 und TE ee vom 29. De- zember 3. c) Erratischer Block, Alpenschiefer, in Wald, Kt. Zürich, erworben um Fr. 20.— laut Kaufbrief Notariat Wald, 10. Oktober 1872. Bkatischäh Block in der Wolfsgrube Wald, Kt. Zürich, erworben laut Schenkungsurkunde vom 3. Juli 1869, Notariat Wald. 3. Druckschriften. Verschiedene Dr ee in ca. 18,580 Exemplaren, nach Verzeichnis des Herrn Druckschriftenverwalte re Bee in Verwahrung der Zentral- bibliothek und der Becihaiüling Ca &Cc Die Betriebsrechnung zeigt gegenüber dem Budget, das einen Rückschlag von Fr. 3,800.— voraussalı, einen Vorschlag von Fr. 3,166.05, somit eine Besser- ‘stellung um Fr. 6,966.05. Hieran partizipieren: Mit Melhreinnahmen: Jahresbeiträge . i 3 | 1 = SuBbre 10. Neujahrsblätter . i - i waste ; We Geschenke . ; i ; i - ; i ar 5. — Zinsen . ; ö ; ; ? ; ; i EEE BR ; Diverse Einnahmen . : ä : ä ; BEN 11.— Fr. 1,111.20 mit re Neujahrsblatt : i k Ä - a a N Wenn Vier teliahrengigiit i } k ; : } ra BB Personalausgaben i ; ü s : ; a 13. 50 Diversö Auspaben —. em BR 65 Fr. 7,306. 75 denen gegenüberstehen mit Mindereinnahmen: Vierteljahrsschriften . i ; ; i . Fr. ds mit Mehrausgaben: Micte . ; ; RE Sr Verwaltung . ee A Fr. 6,966. 05 Die hauptsächlichste Ersparnis wurde beim Si: „Vierteljahrsschrift“ erzielt, da einerseits der mit Fr. 2,000.— eingesetzte Budgetposten für Vorträge nicht in Anspruch genommen wurde und anderseits der wissenschaftliche Teil eine Minderausgabe von annähernd Fr. 3,500. ausweist. Leider mussten auch dieses Jahr wieder einige Autoren mit nennenswerten Beiträgen zu den Illustra- tionen ihrer Publikationen in Anspruch genommen werden, die auch an dieser Stelle bestens verdankt seien. Es wird dem Herrn Redaktor der Vierteljahrs- schrift angesichts der mannigfachen Anforderungen nicht leicht gewesen sein, XVI Vierteljahrsschriit der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 diese Ersparnis zu erzielen; seine Besorgtheit um die notleidenden Finanzen der Gesellschaft sei auch hier besonders erwähnt. Für die Sitzungsprotokolle wird auch im laufenden Jahr die schon eingeführte möglichste Beschränkung beibehalten werden müssen. Wir richten neuerdings die dringende Bitte an unsere Mitglieder, durch rege Zuführung neuer Mitglieder die finanzielle Position der (Gesellschaft zu stärken. Der Vorschlag der Kapitalrechnung von Fr. 5,336.05 rührt her von dem günstigen Resultat der Betriebsrechnung, einigen Schenkungen und dem Umstand, dass 4 Mitglieder die lebenslängliche Mitgliedschaft erwarben. Der Illustrationsfonds hat sich um den Zins vermehrt. Um dem peinlichen Einfordern von Beiträgen an ihre Illustrationen gegenüber den Herren Autoren bald enthoben zu sein, sollte der Illustrationsfonds kräftig geäuffnet werden. Er sei unsern Mitgliedern deshalb wärmstens empfohlen. Der Vorschlag der Stammgutrechnung rührt davon her, dass die einzelne, bisher auf Kapitalrechnung gebuchte Aktie der A.-G. Leu & Co. auf Stammgut übertragen wurde. Infolge des Sturzes dieser Aktien ist dieser Vorschlag aber nur scheinbar, indem im laufenden Jahr eine in die Tausende gehende weitere Abschreibung auf diesen Aktien wird vorgenommen werden müssen. Eine neue Inventur über die in der Ayen der Zentralbibliothek sich befindlichen Druckschriften steht noch au Budget für das Jahr 1922. Einnahmen: Mitgliederbeiträge . . h : ; .. Fr. 93600,— Neujahrsblätter ar : i ER. 500. — Vierteljahrsschriften : 300. — Geschenk re 50. — Beiträge von Behörden und Gesellschaften nn RB Zinsen ae le Diverse ; ee Fr. 19,000. — Rückschlag . Br Fr. 22,300. — Ausgaben: Neujahrsblatt, eenatlicher a. : 2 . Fr. 1,400. — Spedition und Spsen . . . „200. Fr. 1,600. — Vierteljahrsschrift ilcekehticher ACH. . , 14.00. — “ Sitzungsberichte ; i 5 1.200. —_ Spedition und Spesen ee 1 g = & 00. Kae Personalausgaben i 5 ; . HR Verwaltung Bureaumaterii al . ; PT... 200. — . cksachen Be ‚Inserate i ; en 200. — . a ß ; . RR 900. — N Porti und Reg ; { I 500. — : Verschiedenes : i ER ee 1,890. — Diverse Ausgaben . i i : i 3 ee N Fr. 22,300. — ET Zürich, den 15. Mai 1922. Der Quästor: Dr. M. Baumann-Nael, Jahrg. 67. Bericht des Sekretärs. XVII Revisorenbericht. Zürich, den 9. Mai 1922. An die Hauptversammlung der Naturforschenden Gesellschaft Zürich. Sehr geehrte Herren! Dem ihnen erteilten Mandate nachkommend, haben die Unterzeichneten die per 31. Dezember 1921 abgeschlossene Rechnung eingehend geprüft, deren Übereinstimmung mit den Belegen festgestellt und sie in allen Teilen richtig befunden. Das Vermögen weist einen Vorschlag aus von Fr. 5,638.15, der haupt- sächlich von der Einschränkung der Druckkosten der Vierteljahrsschrift her- rührt. Der Bestand von 50 Aktien Leu & Co. ist zum Vorjahrspreis von Fr. 150.— ins Inventar aufgenommen, leider ist seither eine weitere Entwertung eingetreten. Der Bestand an Wertschriften ist durch die Depositenscheine ausgewiesen worden und auch die Saldi der Depositenhefte wurden in Ordnung befunden. Wir beantragen Ihnen, die vorgelegte Rechnung abzunehmen, unter bester Verdankung an den Quästor für die übersichtliche und musterhafte Führung . der Rechnung. Hochachtungsvoll W.C. Escher. Alb. Bommer. Bericht des Sekretärs über die wissenschaftliche Tätigkeit und den Bestand der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 1921/22. Die Gesellschaft veranstaltete während des Berichtsjahres 11 Sitzungen, in denen folgende Vorträge gehalten wurden: 18. Juli 1921. Herr Prof. Dr. H. E. Fierz: Reisen durch einige Industrie- gebiete Nordamerikas. at 2. 24. Oktober 1921. Herr Prof. Dr. Albert Heim: Die Mythen. 3. 7. November 1921. Herr Priv.-Doz. Dr. Ernst Waser: Fleischbrühe und Fleischextrakt. 4. 21. November 1921. Herr Prof. Dr. R. Eder: Natürliche und künstliche Riechstoffe. 5. 5. Dezember 1921. Herr Priv.-Doz. Dr. K. Meissner: Die Gesetze der Wärmestrahlung und ihre Anwendung auf die Leuchttechnik. 6. 16. Januar 1922. Herr Prof. Dr. W. Silberschmidt: Vererbung und Krankheit. 7. 30. Januar 1922. Herr Prof. Dr. Alfred Ernst: Chromosomenzahl und Rassenbildung. 8. 13. Februar 1922. Herr Priv.-Doz. Dr E. Rothlin: Die Kolloide und ihre Bedeutung für die Biologie. a 9. 27. Februar 1922. Herr Dr. Paul Schläpfer: Über Fortschritte auf dem Gebiete der Brennstofforschung und Brennstofftechnik. XVII Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 10. 13. März 1922. Herr Prof. Dr. Walter Hess: Über Zahnkaries. 11. 29. Mai 1922. Herr Prof. Dr. P. Niggli: Die Struktur der Krystalle und ihre Erforschung. Durchschnittlich waren in den Sitzungen 104 Personen anwesend. Exkursionen: Am 2. Juli 1921 fand eine Exkursion an den Pfäffikersee statt. In Pfäffikon wurde die Rosshaarspinnerei Isler & Co. unter Führung .der Chefs der ei, besichtigt. Die dort befindliche Dainkeionsinrehn bot Herrn Dr. W. Pfe ninger Gelegenheit zu bakteriologischen und hygienischen Mitteitänigäel Auf dem Castell Irgenhausen, das hierauf besucht wurde, gab Herr Vizedirektor Dr. Viollier eine Darstellung der römischen Befestigungen in der Schweiz unter besonderer Berücksichtigung des Castrums Irgenhausen. Nach dem Mittagessen wurde durch Herrn Dr. Hug die Eiszeitgeologie des Seegebiets des Kantons Zürich besprochen und später im Ried von Roben- hausen, wohin die Exkursionsteilnehmer in zwei Motorbooten gelangten, die Reihe der wissenschaftlichen Mitteilungen über Robenhausen eröffnet, durch die Herren Dr. Viollier und Dr. Braun fortgesetzt und durch Herrn Dr. Rollier abgeschlossen. Vorstandssitzungen: Der Vorstand erledigte seine Geschäfte in 2 Sitzungen. Mitgliederbestand: Seit der Erstattung des letzten Berichtes hat die Gesellschaft folgende Mitglieder durch den Tod verloren: llerrn a. Nationalrat Friedrich Fritschi, Mitglied seit 189. Dr. med. Theodor Mende-Ernst, Mitglied seit 1883. Dr. se. nat. Alfred Trümpler, Mitglied seit 1914. H. Abegg-Kriech, Mitglied seit 1918 » Prof. Dr. Haruthiun Abeljanz, Mitglied seit 1880. »„ Prof. Dr. A. Rusterholz, Mitglied seit 1910. » »Prol. Dr Fr Escher, Mitglied seit 1874. »„ Prof. Dr. Hermann Aunsedee Schwarz, Mitglied seit 1869, Ehren seit 1896. „ Prof. Dr. Otto Busse, Mitglied seit 1911. il. et Dr. techn. h.e. Traugott Sandmeyer, Mitglied Z XS =’ =. Prof. Dr. Heinrich Suter, Mitglied seit 1871. 6 Mitglieder sind ausgetreten und 15 Mitglieder wurden in die Gesell- schaft aufgenommen. Der Mitgliederbestand war am 31. Dezember 1921 folgender: Ehrenmitglieder 9 Korrespondierende Mitglieder 4 Ordentliche Mitglieder 517 Freie ausländische Mitglieder 22 Am Tage der Hauptversammlung beträgt die Zahl der ordentlichen nn glieder (unter Einschluss der in der Hauptversammlung aufgenommenen): 5 Zürich, Mai 1922. Der Sekretär: Prof. Dr. Otto ne Jahrg. 67. Bericht des Redaktors. XIX Bericht des Redaktors. Der 66. Jahrgang unserer Vierteljahrsschrift, dessen erstes Doppelheft am 30. Juni 1921 und dessen zweites Doppelheft mit Jahresschluss ausgegeben worden ist, umfasst 360 und XLVII Seiten. Die Zahl der Tafeln beträgt 5, die der Textbilder 11. Der Band steht also nicht nur hinsichtlich seines Um- fanges, sondern auch im Hinblick auf die Zahl der Tafeln und Textbilder dem des Jahres 1920 nach. Die Gründe hiefür liegen auf der Hand. Bei der gegenwärtigen Unsicherheit der Papierpreise und der beunruhigenden Ungewissheit in bezug auf Lohnabbau oder Lohnaufbau musste der Redaktor notgedrungen sehr vorsichtig sein, wollte er die Gesellschaft vor Überraschungen unangenehmer Art bewahren und da die Kosten für Textbeilagen vorderhand noch den Autoren überbunden werden müssen, sind die letztern begreiflicherweise in der illustrativen Ausstattung ihrer dem Redaktor der Vierteljahrsschrift anver- trauten Manuskripte sehr zurückhaltend geworden. Müsste der Redaktor auch diese Kosten mitübernehmen, so würden voraussichtlich die Anforderungen seitens der Autoren in dieser Richtung rasch ins Ungemessene anwachsen und die Folge hievon müsste dann eine fühlbare Textreduktion sein. Das muss aber unbedingt verhütet werden, sofern wir der Vierteljahrsschrift nach wie vor den Charakter eines wertvollen und begehrten Tauschobjektes wahren wollen. 18 Autoren haben Beiträge geliefert; hievon sind 4 im Amte stehende Dozenten der E.T.H., 6 Dozenten derselben Eigenschaft unserer Universität, 2 weitere Autoren sind ehemalige Dozenten der E.T.H. Zwei Publikationen entstammen der Feder von Studierenden, die an unserer Universität Jüngst promoviert haben. Diese nackten Zahlen zeigen, dass die Vierteljahrsschrift zur Hauptsache das Publikationsorgan unserer beiden Hochschulen ist und uns darüber zu freuen, haben wir alle Ursache; wir sind aber auch dankbar, wenn uns Beiträge aus Kreisen zugehen, die nicht in unmittelbarer Beziehung zu diesen Lehrstätten stehen, Beiträge, die dann erfahrunggemäss auch einem weiter gezogenen Leserkreis ein gewisses Interesse abnötigen. Die Schwierigkeit besteht nur darin, solche Beiträge zu erhalten, denn gar mancher glaubt, als nicht einem der Lehrkörper angehörend, aus unangebrachter Bescheidenheit zurückhaltend sein zu müssen. Auf die verschiedenen Disziplinen verteilt, gruppieren sich die Publikationen wie folgt: eine Publikation behandelt ein biologisch-medizinisches Thema, von zwei weitern gehört eine ins Gebiet der Physik, eine in das der Geologie; Mathematik und Zoologie sind durch je vier Publikationen vertreten, fünf entfallen auf die Botanik und zwei liefern Beiträge zur schweizerischen Kulturgeschichte. Die letztgenannten Veröffentlichungen machen uns einerseits mit dem Fortgang der „Eulerausgabe*, anderseits mit dem Lebenslauf einer Anzahl im wissenschaftlichen Leben Zürichs prominenter Männer bekannt: Theodor Reye, Hans Kronauer, Herbert Haviland Field, Haruthium Tigran Abeljanz, Rudolf Escher, Hermann Amandus Schwarz. Den Beschluss des Bandes bilden wie üblich die Sitzungsberichte und die Personalien. Unser hochverdientes Ehrenmitglied Professor Dr. Albert Heim hat das 2. Januar1922 ausgegebene 124. Neujahrsblatt Gesellschaft geschrieben. Es ist betitelt „Die Mythen“ und umfasst 28 Seiten; der Text ist begleitet von einer Tafel und 12 Textfiguren, zu denen derVerfasser die Klischees kostenlos zur Verfügung gestellt hat. Der Redaktor spricht ihm, wie den übrigen Autoren, Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg.67. 1922. 29 xx Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürien. 1922 die Beiträge an die Kosten der Drucklegung Ihrer Manuskripte geleistet haben, auch an dieser Stelle den wärmsten Dank aus. Zum Schluss konstatiert der Berichterstatter mit dem Gefühl der Be- friedigung, dass sich der Verkehr mit den Autoren einerseits und der mit dem Drucke der Vierteljahrsschrift und des Neujahrsblattes betrauten Firma Gebr. Fretz A.G. anderseits, stets reibungslos abgewickelt hat. Zürich, den 15. Mai 1922. Hans Schinz. Bibliothekbericht. Im Bibliothekbericht für 1921 haben wir darauf hingewiesen, dass infolge der Kriegsjahre und der seither eingetretenen sozialen und wirtschaftlichen Umwälzungen unser Tauschverkehr in recht empfindlicher Weise gestört worden ist. Eine grössere Anzahl von Zeitschriften ist eingegangen, andere erscheinen sehr unregelmässig oder haben sich aus finanziellen Gründen genötigt gesehen, ihr Erscheinen vorübergehend einzustellen. In Verbindung mit der Leitung der Zentralbibliothek, die für unsere Be- strebungen volles Verständnis hat und der wir auch an dieser Stelle für ihre Bemühungen Anerkennung und Dank aussprechen möchten, ist der Unterzeich- nete eifrig bestrebt, in den Tauschverkehr wieder Ordnung zu bringen. Zu diesem Zweck ist im vergangenen Sommer von der Zentralbibliothek an alle Gesellschaften und Institutionen, deren Sendungen im Rückstand waren oder Unregelmässigkeiten aufwiesen, ein eingeschriebenes Rundschreiben zugeschickt worden, in dem einerseits um Ergänzung vorhandener Lücken, anderseits um Mitteilung, ob und wann der regelmässige Verkehr wieder aufgenommen werden kann, gebeten wurde. Das Ergebnis dieses Schrittes hatte leider nur teilweisen Erfolg: Von 127 Reklamationen sind 39 Anworten eingegangen, d. h. nur rund 30°/, der Adres- saten haben geantworte ı diesen 39 Zuschriften musste, weil nicht mehr im Tauschverkehr erhältlich, einzig die Veröffentlichung de Museum of national history in NewYork von der. Tauschliste definitiv gestrichen werden. Mit 15 Gesellschaften konnte der Tauschverkehr wieder aufgenommen werden und läuft nun beiderseits wieder ordnungsgemäss. 21 weitere Tauschgesellschaften haben die baldige Wiederaufnahme des Tauschverkehrs in Aussicht gestellt und z. T. vorhandene Lücken ergänzt. 2 Anworten waren ungenügend und erfordern weitere Verhandlungen. Da noch 88 Antwortschreiben ausstehend sind und speziell mit Russland, er Ukraine, mit Sibirien und den neuen osteuropäischen Randstaaten der ee entweder gar nicht oder doch sehr unvollständig im Gang ist, rechnen wir damit, dass wenigstens noch zwei Jahre vergehen, bis wir in der Lage sein dürften, eine bereinigte Tauschliste zu veröffentlichen. Eine frühere Publikation halten wir der immerhin noch vielfach unabgeklärten Ver» hältnisse wegen für unzweckmässig, da sie in kürzester Zeit doch nicht mehr stimmen würde. Der nächste, im Verlauf der kommenden Monate zu unter- nehmende Schritt, wird ein erneutes eingeschriebenes Rundschreiben mit ulti- Jahrg. 67. Bibliothekbericht. XXI mativem Charakter an erheheen Tauschstellen sein, die auf das erste Schreiben nicht geantwortet haben Über das Ergebnis dieser Aktion werden wir im nächsten Bericht Mit- teilung machen. Als Zeichen einer beginnenden Besserung können wir endlich auf die er- freuliche Tatsache hinweisen, dass im Berichtsjahr der Tauschverkehr mit 16 Stellen hat erweitert werden können. Es handelt sich dabei z. T. um in den Jahren 1921/22 neu in den Tauschverkehr aufgenommene Periodica. 1. Batavia: Publikationen des topographischen Dienstes von Niederländisch Indien (seit Dezember 1921). 2. Brünn: Publications de la Facult& des sciences de l’univer- site Masaryk (seit 1921). 3. Cambridge (U.8.A.): Rhodora, Journal of the New England Botanical Club. 4. Dorpat (Tartu): Acta et commentationes Universitatis Dor- patensis. Reihe A: Mathematica, Physica, Medica, Annales. Fukuoka (Japan): Mitteilungen aus der medizinischenFakul- tät der kaiserlichen Kyushu-Universität. Bd. VI (1921). 6. Hamburg: Abhandlungen aus dem mathematischen Seminar der hamburgischen Universität. ‚Bd.I (1921) 7. Leoben: Bücherei der montanistischen Hochschule in Leoben. w° 8. Napoli: Atti delle scienze fisichi et matematiche (seit De- zember 1921). 9. New York: Journal of the American Geographical Society (seit 1921). 10. Paris: Bulletin de la soci6et& zoologique de France (seit De- zember 1921). 11. Princeton (U.S.A.): Contributions from the Princeton Uni- versity Observatory. N.1 (1921). 12. Sendai (Japan): Mitteilungen über allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. Bd.1 (1922). 13. Tokio: Journal of Geological Society (seit Dezember 1921). 14. Tübingen: Jahreshefte und Mitteilungen des Oberrheini- schen geologischen Vereins (seit November 1921). - Warschau: Annales Zoologiei Musei Poloniei Historiae Na- turalis. Bd.1 (1921). . Washington: Journal ofthe Washington Academie of scien- ces. Erscheint seit 1910, erhalten ab Dezember 1921. o memoria sei noch erwähnt, dass gemäss Beschluss des Vorstandes unsere Publikationen ohne Gegenleistung abgegeben werden an : Bern: Eidgenössische Zentralbibliothek, Küsnacht (Zürich), Bibliothek des kantonalen Lehrerseminars. Zürich, den 15. Mai 1922. ph ar ji jr} Der Berichterstatter: M. Rikli. XXI Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Protokoll der [| vom Montag, den 29. Mai 1922 abends 6'/, Uhr, im Waldhaus Dolder Vorsitzender: Prof. Dr. ee Frei. Anwesend: 77 Personen. Traktanden: 1. Das Protokoll der Sitzung vom 13. März 1922 wird unter Verdankung an den Autoreferenten und den Sekretär genehmigt. 2. Als neue Mitglieder werden aufgenommen: Herr Dr. med. Walter Hess, Professor der Zahnheilkunde an der Univer- sität, Hofackerstrasse 46, Zürich 7, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. Schlaginhaufen. Herr Dr. med. dent. JuliusFrölich, Zahnarzt, Oescherstrasse 17, Zollikon, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. Walter Frei. Herr Dr. med. vet. Othmar Schnyder, Professor der Buiatrik an der Eisen Dianastrasse 8, Zürich 2, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. Herr D. D. s. Alfred Steiger, Zahnarzt, Bahnhofstrasse 30, Zürich 1, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. Schlaginhaufen. 3. Seit der letzten Sitzung hat die Gesellschaft durch den Tod verloren: Herrn Julius Bär, Bankier, Mitglied seit 1910; Herrn Dr. phil. et Dr. techn. h. c. Traugott Sandmeyer, Mitglied seit. 1919 Herrn Prof. Dr. Heinrich Suter, Mitglied seit 1871. Die Anwesenden erheben sich zu Ehren der Verstorbenen 4. Rechnung und Voranschlag des Quästors, Revisorenbericht, die Berichte des Sekretärs, des Redaktors und des Verteters in der Zentralbibliothek werden unter Verdankung an die Berichterstatter genehmigt. 5. Die nach Statuten ee Wahlen führen bei 49 Stimmenden zu folgendem Ergebni Präsident für 1982/24: Prof. Dr. Alfred de Quervain; Vizepräsident für 1922,24: Prof. Dr.Karl Hescheler; Vetr. i.d. Kommission d. Zentr.-Bibl. für 1922/28: Prof. Dr.MartinRikli; Vertr. i. Senat d. S.N.G. für 1922/28: Prof. Dr. Walter Frei; a A » (Stellvertr.) f. 1922/28: Prof. Dr. Otto Schlag- inhaufen. Beisitzer für 1922/24: Prof. Dr. Emil Bosshard: ö a » Priv.-Doz. Dr. Alfred Kienast; » . : Priv.-Doz. Dr. Eduard Rübel. Rechnungsrerisören pro 1922/24: Hr. Wilhelm Cas ie Escher. : Hr. Gustav Wegman Dem zurücktretenden Hess Alb ert Bommer wird seine n Weriaka als Rechnungsrevisor bestens verdankt. . Verschiedenes: a) Die Jahresversammlung der Schweiz. Naturforschenden Gesellschaft wird vom 24. bis 27. August in Bern stattfinden b) Die Kommission für Veröffentlichungen der 8. N.G. versandte eine Liste der Einzelbehandlungen aus den Jahren 1837 bis 1895 mit dem Bemerken, dass den Mitgliedern der S.N.G. und ihrer Zweiggesellschaften auf die in der Liste ausgesetzten Preise ein Rabatt von 80° gewährt werde; {er} Jahre. 67. Sitzung vom 29. Mai 1922. XXI Reflektanten wollen sich an Herrn Oberbibliothekar Dr. Th. Steck, Stadt- bibliothek in Bern, wenden. Weitere Exemplare sind von Herrn Prof. Dr. Hans Schinz, Botan. Garten, Zürich, erhältlich c) Die Sammlung zu Gunsten der russischen Gelehrten hat Fr. 3181. (= 30575.— finnische Mark) ergeben. d) Vom Regierungsrat des Kantons Zürich und vom Stadtrat von Zürich sind wer eingelaufen, worin die Einladung zur Hauptversammlung verdankt w e) Der nie weferisrt über eine Zuschrift des „Vereins für Pilzfreunde*, der nebst der praktischen Verwertung der Pilze auch alle wissenschaft- lichen Errungenschaften studiert und pflegt. Nachdem der Verein im Jahre 1920 eine Champignonkultur geschaffen und bisher mit Erfolg durchgeführt hat, könnte eine gewerbsmässige Züchterei einsetzen, falls weitere Inter- essenten sich daran beteiligen würden (Adresse: Joh. Schifferle, Konrad- strasse 72, Zürich 5). 7. Vortrag des Herrn Prof. Dr. Paul Niggli: Die Struktur der Kristalle und ihre Erforschung. Hundert Jahre sind verflossen, seitdem R. J. Hany die erste durch- gearbeitete Kristallstrukturtheorie aufgestellt hat, zehn Jahre wissenschaftlicher Arbeit liegen seit der Entdeckung der Röntgenstrahlinterferenzen an Kristallen durch M. v.Laue hinter uns. Das Eigenwillige in der Gestalt eines frei wachsenden Kristalles ist Aus- gangspunkt für die ersten strukturellen Betrachtungen gewesen. Die vier sukzessive erkannten morphologischen Gesetzmässigkeiten: Gesetz der Winkel- konstanz, Rationalitätsgesetz, Symmetriegesetz, Entwicklungs- und Typengesetz führen, wenn man sie aus einem Prinzip ableiten will, zwangsläufig zu einer ganz bestimmten Vorstellung über den ‚Aufbau der Kristalle aus kleinsten Teilchen anys erster genialer Versuch ist in Rücksicht auf die diskontinuierliche Struktur der Materie vonBravais umgedeutet worden. Der Begriff der Raum- gitter entstand so und erhielt seine mathematisch strenge Fassung und Aus- arbeitung. Als Bausteine sah Bravais die Moleküle an. Die. Überlegungen der physikalischen Dimensionierungslehre ergaben jedoch, dass die kürzesten Perioden von der Grösse 10-8 cm sein müssen, also Dimensionen aufweisen, die wenig von denen der Atomabstände verschieden sind. Da lag es nahe, anzu- nehmen, dass schon der Atompunktlage konstitutive Eigenschaften zukommen, dass von der einfachen Raumgitterstruktur überzugehen sei zu den aus ver- schiedenen Raumgittern bestehenden Punkthaufen allgemeinster Art. Die ma- thematische Fassung führte über Sohncke und Schoenflies zu den 230 Raumgruppen oder Raumsystemen. Eine einzige Annahme über die Struktur des Kristallraumes gestattet alle morphologischen Gesetze ihrem Wesen nach zu verstehen Die Fülle der aus einer Annahme ableitbaren Tatsachen war denn auch eine so gewaltige, dass die Kristallographen seit Bravais kaum je ernstlich an der Richtigkeit der Kristallstrukturlehre gezweifelt haben. Ihre Aufgabe wurde es, jeder Kristallart die spezielle, mit den morphologischen, physika- lischen und chemischen Gesetzmässigkeiten harmonierende Struktur zuzuordnen. e anisotropen Eigenschaften der Kristalle von der Massen- und Energieverteilung abhängig sind, gibt es, sobald der funktionelle Zusammenhang XXIV Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 erkannt ist, viele Wege zur Strukturbestimmung. Die Verteilung der Wachs- tumsformen, die Spaltbarkeitsverhältnisse, die inneren Deformationsmöglich- keiten, die Art der Zwillingsgesetze, die mit Polymorphie und Isomorphie in Beziehung stehenden Erscheinungen sind lange 'vor Laues Entdeckung zur Kristallstrukturbestimmung verwertet worden. Aber auch Überlegungen über die Grösse und Gestalt der Atome und die Art der Bindungen können mit Vorteil verwendet werden. Immerhin haben erst die röntgenometrischen Be- stimmungsmethoden eine sichere Basis geschaffen, von der die weitere For- schung ausgehen kann. Im wesentlichen stehen drei, einzeln erläuterte Methoden zur Verfügung: die Methode der Lauediagramme, die Braggsche Methode und die Pulvermethode von Debye und Scherrer. Bei hochsymmetrischen und relativ einfach gebauten Substanzen sind die Resultate ziemlich eindeutig, bei komplizierten Verbindungen mit niedriger Kristallsymmetrie lassen sich nur Wahrscheinlichkeitsschlüsse ziehen. (Autoreferat.) Der Präsident dankt dem Vortragenden für seine interessanten und von den Zuhörern mit reichem Beifall aufgenommenen Ausführungen und schliesst die Sitzung um 8.2 8. Beim gemeinsamen Nachtessen, das sich an die Versammlung anschloss, würdigte Herr Prof. Dr. de Quervain die Verdienste des abtretenden Prä- sidenten, worauf Herr Prof. Dr. W. Frei einen Rückblick auf die Tätigkeit der N.G. Z. unter seinem Präsidium warf und sowohl den Mitgliedern des Vorstandes als auch den Vortragenden seinen Dank ausprach. Der Sekretär: Prof. Dr. Otto Schlaginhaufen. Protokoll über die Exkursion nach Baden— Teufelskeller—Wettingen, Samstag, den 8. Juli 1922. Vorsitzender: Prof. Dr. A. de Quervain. Anwesend: 34 Personen. Traktanden: 1. Als neue Mitglieder wurden aufgenommen: Herr Dr. Richard Bär, Privatdozent für Physik an der Universität, Berg- strasse 54, Zürich 7, eingeführt durch die Herren Dr. M. Baumann und Prof. Dr. Edgar Meyer. Herr Dr. Hartmann, Prof. a. d. Kantonsschule in Aarau, eingeführt durch Herrn Dr. E. Rübel. 2. Exkursion: Ankunft in Baden 7.50. Die Teilnehmer der Exkursion wurden im Sitzungssaal der Etablissements von Brown, Boveri u.Cie. empfangen und durch Herrn Direktor Naville begrüsst. Herr Oberst Hafter stellte in kurzen Zügen die Geschichte der Werke von Brown, Boveri u. Cie. dar, und hierauf hielt Herr Privatdozent Dr. Dällenbach einen Vortrag über das Thema: Der Grossgleichrichter und die Zusammenarbeit ‚on Wissenschaft und Technik in der Industrie. Infolge der Elektrifikation grosser ausländischer Bahnbetriebe mit Gleich- strom gewann der Quecksilberdampf-Grossgleichrichter — wie ihn die Firma Brown, Boveri u. Cie. in Baden herstellt — erhöhte Bedeutung. Es ist voraus- zusehen, dass er wegen seines hohen Wirkungsgrades und der geringen War- tung, die er bedarf, für die Umwandlung von Wechselstrom in Gleichstrom die Jahrg. 67. Exkursion nach Baden. XXV rotierenden Maschinen verdrängen wird, sobald er für noch höhere Spannungen und Leistungen, als das gegenwärtig möglich ist, betriebssicher und billig fa- briziert werden kann. Um die Schwierigkeiten näher zu beleuchten, mit denen der Gleichrichterbau gegenwärtig noch kämpft, hat der Referent gezeigt, wie man an Hand der Ionen- und Elektronentheorie die normale Wirkungsweise ' des Gleichrichters versteht und wie ohne die ständige Zuhilfenahme dieses Zweiges der physikalischen Forschung es ausgeschlossen wäre, in der Fı rage der Rückzündung — dies die gegenwärtig noch wichtigste Betriebsstörung — planmässig vorzugehen. Mit dem Gleichrichter nimmt die Ionen- und Elek- tronentheorie, der wir zusammen mit den optischen Erscheinungen die bis heute tiefsten Blicke in das Wesen der Materie zu verdanken, zum erstenmal das Interesse des Maschinenbauers in Anspruch. An der Gelegenheit zu neuen Entwicklungen, welche sich für unsere Industrie daraus ergibt, ist nicht vorbei- zusehen. Es liegt nahe, an den Aufschwung zu denken, welchen die letzten Jahre die Technik der Röntgen- und Elektronenröhren genommen hat. Baden und Zürich haben ferner besondere Gründe, sich dankbar zu erinnern, welchen Anteil die Wissenschaft an der Entwicklung der Dampfturbine hat, und der Gleichrichter steht heute da, wo die Dampfturbine um 1900. Bei der Armut unseres Landes an Rohstoffen wird die schweizerische Maschinenindustrie sich nur dann aus der gegenwärtigen Krisis erheben können, wenn es ihr gelingt, in der Entwicklung einzelner Maschinengattungen eine führende Stellung ein- zunehmen, wie das beispielsweise heute für den Gleichrichter zutrifft, welcher von der Firma Brown, Boveri u. Cie., die nach Anzahl der ausgeführten Anlagen darin die meiste Erfahrung besitzt, trotz Valuta und Wirtschaftskrisis verkauft wird. Will unsere Industrie diesen Weg allgemein beschreiten, so ist das, so wie die Probleme heute insbesondere beim Gleichrichter, aber auch bei anderen Maschinengattungen liegen, ohne wissenschaftliche Forschung und Zusammen- arbeit mit der Hochschule Da re inöaben. Diesen Überlegungen kann sich auch der Laie nicht entziehen, wenn ihm die Anstrengungen bekannt werden, welche das deutsche Volk seit Jahren und fortgesetzt für die wissenschaftliche Ertüch- tigung seiner Industrie macht. Das Verhältnis von Wissenschaft und Technik ist nicht das einseitige, wie es nach den bisherigen Ausführungen erscheinen möchte. Die Erschütterungen des Wirtschaftslebens der Kriegs- und Nachkriegs- zeit lehren, dass die Wissenschaft auch die industrielle Arbeit nötig hat. Es braucht den Boden einer gesunden Volkswirtschaft, damit die zu Wissenschaft und Kunst Berufenen die Ruhe, die Mittel, den Lebensunterhalt finden, sich ihren Aufgaben zu widmen. In dieser Weise beitragen und teilhaben zu dürfen am Wachstum der Wahrheit und des Schönen in der Welt, gibt der industri- ellen Arbeit einen tieferen Sinn, als es der blosse Kampf um die wirtschaft- liche Existenz vermöchte. (Autoreferat.) Nach dem Vortrag besichtigten die Teilnehmer in Gruppen unter Führung von Ingenieuren die einzelnen Abteilungen des Werks: das Materialprüfungs- laboratorium, die Schleuderanlage, die Turbinenfabrik, die Maschinen- und die Apparatenfahrik, die Wicklerei, das Transf ‚ die Modellschreinerei usw. Es schloss sich ein Spaziergang durch den Kurpark, die Bäderstadt und die Limmatanlagen an. Im Hotel „Engel*, wo sich die Exkursionsteilnehmer zum gemeinsamen Mittagessen einfanden, sprach der Präsident, Herr Prof. XXVI Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Dr. de Quervain der Leitung der elektrotechnischen Etablissements Brown, Boveri u. Cie. den besten Dank der Gesellschaft aus. Herr Prof. Dr. H. Leh- mann, Direktor des Schweiz. Landesmuseums, ‚schilderte an Hand alter bild- licher Darstellungen die Geschichte der Stadt Baden Am Nachmittag stieg die Gesellschaft zur Ruine des Schlosses Stein empor und von hier über das Schützenhaus nach dem Kreuzliberg und hinunter zu dem im Gebiete eines prähistorischen Bergsturzes liegenden „Teufelskeller‘, über dessen Geologie und Sagenkreis Herr Prof. Dr. de Quervain zuvor die nötigen Erklärungen gegeben hatte. Im Kloster Wettingen hörten die Teil- nehmer einen Vortrag des Herrn Prof. Dr. Lehmann über die Geschichte des Klosters an und folgten seiner kundigen Führung durch die Klosterräume. Der Sekretär: Prof. Dr. Schlaginhaufen. Protokoll der Sitzung vom 23. Oktober 1922 abends 8 Uhr auf der er Marktgasse 20. Vorsitzender: Prof. Dr. A.de Quervai Anwesend 202 Personen Traktanden: Das Protokoll über die Exkursion nach Baden — Teufelskeller— Wettingen vom 8. Juli 1922 wird unter Verdankung an den Autoreferenten und den Sekretär genehmigt. . Die Gesellschaft hat durch den Tod verloren Herrn Prof. Dr. Otto Stoll, Mitglied seit 1875, Herrn Dr. Eugen Balleter, Sekundarlehrer, Mitglied se Die Anwesenden erheben sich zu Ehren der ent ne von ihren Sitzen. . Als neue Mitglieder werden aufgenommen: Herr Dr. ing. Walter Dällenbach, Privatdozent an der E. a; & Alpen- quai 20 III, Zürich, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. Medie Herr Dr. Robert K.Forrer, Chef de travaux ä Institut m Physique Strasbourg, eingeführt .durch Herrn Prof. Dr. de Quervain. Herr G. Laupper, Promenadengasse 11, Zürich 1, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. Hans Schinz. Herr Dr. med. E. Hedinger, Prof. der Pathologie a. d. Universität, Sonnen- bergstrasse 19, Zürich 7, eingeführt durch die Herren Prof. Dr. W.Frei und Prof. Dr. Schlaginhaufen. . Der Vorsitzende legt unter Bezugnahme auf einen vom Autor in der N. G.2. am 8. März 1920 gehaltenen Vortrag eine Publikation des Herrn Dr. med. J.Rutgers in Lochem (Holland) vor, betitelt: „Das Sexualleben in seiner biologischen Bedeutung als ein Hauptfaktor zur Lebensenergie für Mann und Weib, für die Pflanzen und für die Tiere.“ - 1921. 5. Vortrag des Herrn Prof. Dr. Eugen Bleule Über die naturwissenschaftliche u des Bewusstseins Dass die Psyche eine Hirnfunktion sei, ist mit grösserer Wahrscheinlich- keit bewiesen als tausend andere Annahmen, an denen niemand zweifelt. an findet auch nirgends eine Grenze zwischen Psyche und Nerven- funktion. Alle psychischen Funktionen lassen sich aus den zentralnervösen ab- leiten, nur die bewusste Qualität (nicht das Bewusstsein in anderen Auffassun- gen) erschien bis jetzt als etwas Besonderes, nicht weiter Zurückführbares. ug: DD 4} > Jahrg. 67. Sitzung vom 23. Oktober 1922. XXVHO Bei genauerem Zusehen ist jedoch auch diese Erscheinung nicht un- verstehbar. Ein beliebiges Ding, das irgendeine Funktion hat, z. B. sich be- wegt, kann niemals etwas von dem wissen, was mit ihm geschieht, wenn es kein Gedächtnis hat. Es würde ihm auch bei der kompliziertesten Organi- sation ein Wahrnehmungsgefälle fehlen, ein Unterschied zwischen dem einen Zustand und irgendeinem anderen. Ganz anders, wenn ein Gedächtnis vor- handen ist, wenn jeder Zustand ein Engramm hinterlässt, das einige Zeit nach- belebt ist oder wieder belebt werden kann, d.h. in gewisser Beziehung jedem Zustand Dauer verleiht, so dass der Zustand des nächsten Momentes eine Ver- änderung an etwas Fortbestehendem bedingt. Dann ist Wahrnehmungsgefälle vorhanden: die Funktion enthält den Keim eines Bewusstseins. Dieses ist eine notwendige Folge des Gedächtnisses und des in eine Einheit Zusammenfliessens aufeinanderfolgender Zustände. Diese Bedingungen sind im zentralen Nerven- system vorhanden und andere sind nicht nötig. Das Bewusstsein ist also eine sammenfasst. Alles, was an diesen Komplex angegliedert wird, wird bewusst. Die nämlichen Funktionen, wenn sie ohne genügende Assoziation mit dem Ich verlaufen, sind unbewusst, bilden „das“ Unbewusste. Die assoziativen Verbin- dungen sind etwas Bewegliches; so kann die nämliche Funktion (Wahrnehmen, Denken, Streben) bald bewusst, bald unbewusst sein; im ersteren Falle ist sie dem Ich eng assoziiert, im letztern gar .nicht oder ungenügend. Diese Auffassung würde die ganze Psyche restlos verstehen lassen, wenn sie nicht noch eine empfindliche Lücke hätte: wir wissen nicht, woher die spezifischen Qualitäten der Sinne kommen, warum gewisse Lichtschwingungen uns als blau und nicht als weiss oder als ein Ton oder irgend etwas anderes erscheinen. Doch ist auch dieses Problem nicht hoffnungslos, verstehen wir doch ohne weiteres, dass die Annahme und Ablehnung uns von innen als Lust und Unlust erscheinen muss. Neben dem Gedächtnis ist die Einheit der psychischen Elementarfunktion wesentliche Bedingung des Bewusstseins. Wo wir Gedächtnis und Zusammenfliessen der Funktion in eine Einheit haben, muss Bewusstsein vorhanden sein. Diese Voraussetzungen sind in der Rinde der höheren Tiere erfüllt. Elementarere Formen des Bewusstseins sind aber in den tieferen Zentren der Rindentiere wie in den Nervenknoten rinden- loser Wesen denkbar. Einen „Zweck* des Bewusstseins in irgendeinem Sinne haben wir nicht gefunden. Es ist eine notwendige Folge des Gedächtnisses, dieses ein Postulat für die Nutzbarmachung individueller Erfahrungen für das Lebewesen. (Autoreferat) Diskussion: Herr Prof. Dr. Fritz Medicus: So dankenswert die naturwissenschaft- liche Erforschung des Psychischen ist, so vermag sie doch niemals der Be- deutung gerecht zu werden, die das Bewusstsein als Bewusstsein der Wahrheit hat. Die Wahrheit fordert unbedingte Anerkennung; die Erkenntnis des Un- bedingten aber ist der naturwissenschaftlichen Methode unzugänglich. Un- XXVIUO Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 bedingte Bejahung der Wahrheit überwindet die Bedingtheit des bloss natur- haften Daseins: die Wahrheit macht frei. (Autoreferat.) Herr Prof. Dr. Gotthold Lipps: Bei weitgehender Übereinstimmung mit den Ausführungen von Herrn Prof. Bleuler lehnt Prof. Lipps es ab, das Bewusstsein auf Gehirnfunktionen zu gründen. Er findet die feinste Ausge- staltung des bewussten geistigen Lebens in den mathematischen Denkoperatio- nen, insbesondere in dem als Unterscheiden und Verknüpfen sich vollziehenden Erfassen des einen im anderen. Dieses Unterscheiden und Verknüpfen ist die, nicht aus materiellen Vorgängen ableitbare, das Bewusstsein begründende Le- bensbetätigung, in der das als Wollen sich kundgebende eigene Wirken, das in den Vergegenständlichungen des Denkens entgegentretende Wirken und das als Gefühl erlebte Zusammenwirken untrennbar miteinander verbunden sind. Und dieses Wirken steht nicht für sich allein, sondern ist getragen von dem überindividuellen Wirken, das als Grund der Lebensgemeinschaft in der der Mensch lebt, das Schaffen des Künstlers, das Erkennen des Forschers und das sittlich-religiöse Verhalten jedes einzelnen Menschen möglich macht. (Autoreferat). Herr Prof. Dr. Walter R. Hess: Der Physiologe kommt auch gelegent- lich dazu, sich Gedanken über das „Bewusstsein“ zu machen. Wenn kein Zweifel darüber bestehen kann, dass dasselbe der Ausdruck von vorstellbaren Gescheh- nissen im Zentralnervensystem ist, so liegt für mich im Bewusstseinproblem dennoch ein unlösbares Rätsel vor mir. Ich verstehe nicht, was es ist, das ich als ‚ich‘ empfinde und als „ich“ fühle, und bescheide mich mit dem Ge- danken, dass sich mein Bewusstsein als betrachtetes Objekt nicht durch das- selbe Bewusstsein als handelndes Subjekt analysieren und erfassen lässt. (Autoreferat.) Herr Prof. Edgar Meyer: Ich möchte den Herrn Vortragenden fol- gendes fragen: Als Analogie zum Gedächtnis wurde die belichtete Gelatine herangezogen, dabei aber ausdrücklich bemerkt, dass ein prinzipieller Unter- schied bestände zwischen diesem Beispiel und etwa dem eines von Sonnenstrahlen beschienenen Papiers, auf dem ein Schlüssel liegt, und das an den von dem Schlüssel nicht geschützten Stellen vergilbt. Ich verstehe nicht, wo da ein prinzipieller Unterschied vorhanden ist; in beiden Fällen hat man es doch mit dauernden Eigenschaftsänderungen (etwa molekularen Umlagerungen) zu tun? (Autoreferat.) Hierauf entgegnet Herr Professor Dr. E. Bleuler in folgendem Schlusswort: Herın Professor Edgar Meyer möchte ich antworten, dass zwar ein physikalisch prinzipieller Unterschied nicht besteht zwischen der Einwirkung des Schattens eines Schlüssels auf das belichtete Papier und der Gelatine, die nach Belichtung mit Strahlen bestimmter Länge später nur diese wieder zurückstrahlt oder durchlässt. Für unser Thema aber ist der Unterschied insofern ein prinzipieller, als der Schlüsselschatten nichts von dem engraphierenden Vorgang wiedergibt, während die Gelatine bei einem viel diffusern „Reiz“ die spezielle frühere Belichtung wiederholt. Das ist prinzi- piell das Gleiche wie das Gedächtnis, das also nichts spezifisch biologisches ist. Herr Kollege Hess hat die wirkliche Schwierigkeit herausgehoben; e8 ist selbstverständlich, dass sich nicht jeder, der von diesen Dingen zum ersten Male hört, sogleich in die Vorstellung hineindenken kann, dass eine Verschie- ılenheit, die infolge des Gedächtnisses in eine funktionelle Einheit gebracht Jahrg. 67. Sitzung vom 6. November 1922. XXIX wird, ein Wahrnehmen, ein Bewusstsein bedinge, wenn auch das Umgekehrte selbstverständlich ist, dass ein Wahrnehmen nicht möglich ist, ohne eine solche Gedächtnisfunktion. Es können sich aber viele Leute wirklich hineindenken, wenn-sie nur nicht ihre Assoziationsbahnen schon zu sehr in anderer Richtung ausgeschliffen haben, und von sich aus sind auf die gleiche Vorstellung ge- kommen Exner, Loeb und Brun Der Philosoph Herr Medicus hat mich zu sanft behandelt, indem seine Kritik nur an einer Stelle meine Ausführungen berührte: er meinte, es bleibe allerdings wenig in der Psyche, das nicht naturwissenschaftlich begriffen werden könne. Ich möchte fragen, was; ich habe bei jahrzehntelangem Suchen über- haupt nichts gefunden. Über die vielen Übereinstimmungen mit Herrn Kollegen Lipps bin ich sehr erfreut. Wenn er sagt, Bewusstsein heisst Unterscheiden und Anknüpfen, so drückt er sich ja wie ich aus; er ignoriert nur, dass eben diese Funktion auch in der Gehirntätigkeit zu finden ist. Ausserdem scheint er mir doch etwas in den Begriff des Bewusstseins zu bringen, was ich als „Inhalt“ bezeichnen möchte (Herr Lipps winkt nein). Dass man auch von meinem Standpunkt aus nicht an das Individuum gebunden ist, sondern den Zusammenhang der Men- schen unter einander im Sinne des Diskussionsredners ohne weiteres verstehen kann, habe ich in meinem Büchlein über Affektivität und Suggestion selbst gezeigt. Die Existenz der Ethik könnte man von meinem Standpunkt aus, wenn man nichts von ihr wüsste, auf Grund der Gehirnphysiologie konstruieren, die Religiosität kann man vollständig verstehen, wenn man ihr Vorhandensein kennt, und die Aesthetik hat mir ein junger Kollege von unserem Standpunkt aus ebenfalls abgeleitet. Im übrigen möchte ich die schönen phänomenologi- schen Darstellungen von Herrn Lipps gern unterschreiben. (Autoreferat) Der Vorsitzende dankt im Namen der sehr zahlreich erschienenen Zu- hörerschaft Herrn Prof. Bleuler für seinen äusserst interessanten Vortrag und ebenso den übrigen Rednern, die mit ihren Ausführungen die Diskussion be- lebt haben. Schluss der Sitzung 10. 45. Der Sekretär: Prof. Dr. Otto Schlaginhaufen. Protokoll der Sitzung vom 6. November 1922 abends 8 Uhr im Hörsaal des Anatomiegebäudes Plattenstrasse 9/11. Vorsitzender: Prof. Dr. A. de Quervain. Anwesend: 110 Personen. Traktanden: 1. Das Protokoll der Sitzung vom 23. Oktober 1922 wird unter nn an die Autoreferenten und den Sekretär genehmigt. 2. Vortrag des Herrn Dr. med. Paul Cattani: Über die Psychologie des Tätowierens. (Mit Projektionen.) Um die Frage zu beantworten: „Warum tätowieren oder richtiger tatauieren sich die Menschen?“ scheint es dem Vortragenden unangängig zu sein, die Sitte nur beim Europäer oder nur bei den unzivilisierten Völkern zu studieren, und er hofft, aus einem Vergleich der Sitten verschiedener Kulturstufen eine Auf- XXX Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 hellung auch der Psychologie des Tätowierens zu gewinnen. Was die Natur- völker mit der Tätowierung wollen, das drücken wir Modernen einfach in anderen Formen aus. Wir verfolgen so die Parallele zwischen der Körper- bemalung und Tätowierung einerseits und dem Schminken und Haarfärben, den Renommierschmissen der Studenten, den Fingerringen, Armspangen und anderen Schmuckgegenständen, den Rangabzeichen unserer Offiziere, den Adels-, Familien- und Staatswappen anderseits. ÄhnlicheTendenzen liegen auch gewissen Tätowiersitten und unseren Zivilstandsregistern zugrunde. Selbst die Täto- wierung zu therapeutischen Zwecken hat innere Verwandtschaft mit dem Prinzip der Ablenkung in der modernen Medizin. Von diesem vergleichenden Standpunkte aus wurden besprochen. und hauptsächlich an Sitten der Südseeinsulaner, Japaner und Europäer illustriert: . Tätowierung als Verschönerungsmittel zur Anziehung des andern Geschlechts. . Tätowierung zur Kennzeichnung von Rang und Würde. . Tätowierung als re und Brandmarkung. Tätowierung als Stammeszeichen. . Tätowierung zur Markierung von Lebensabschnitten. . Tätowierung als Auszeichnung. - Tätowierung als Ausdruck von Gemütszuständen, wie Trauer, Liebe, Hass und Rachsucht . Tätowierung als Ausdruck von Religion und Aberglaube. . Tätowierung in ihrer Beziehung zur Kleidung. 10. Tätowierung zu therapeutischen Zwecken. 11. Tätowierung aus Mode, Nachahmungstrieb, Langeweile, Zum Schlusse wurden ca. 40 Lichtbilder vorgewiesen und dabei noch kurze Ausführungen angeschlossen über biologische Nebenerscheinungen, über die gerichtlich-medizinische Bedeutung, die Histologie und die Entfernung von Tätowierungen. (Autoreferat.) DD m ave Nele e) r Diskussion weist Herr Prot. Dr. Brockmann auf die Bedeutung hin, an der Tätowierung als Mutprobe zukommt, und es beispielsweise verständlich macht, dass bei einzelnen Naturvölkern Kinder nicht tätowierter Eltern getötet werden. Nachdem der Vortragende auf eine Anfrage hin noch erklärt hat, dass von nachteiligen Einflüssen des Tätowierens auf den Organismus nichts bekannt sei, spricht der Vorsitzende Herrn Dr. med. Paul Cattani für seine fesselnden Ausführungen und Projektionen und Herrn Prof. Dr. Felix für die Überlas- sung des Hörsaales und Projektionsapparates den besten Dank der Gesell- schaft aus. Schluss der Sitzung 10.15 Uhr. Der Sekretär: Prof. Dr. Schlaginhaufen. Protokoll der Sitzung vom 20. November 1922, abends 8 Uhr, auf der Schmidstube, Marktgasse 20. Vorsitzender: Prof. Dr. A. de Quervain. Anwesend 140 Personen. Traktanden: 1. Das Protokoll der Sitzung vom 6. November 1922 wird unter Verdankung an den Autoreferent und den Sekretär genehmigt. Jahrg. 67. Sitzung vom 20. November 1922. XXXI 2. Die Gesellschaft hat durch den Tod verloren: Herrn Oberstl. Conrad Escher-Schindler, Mitglied seit 1915. Herrn Dr. Fritz Bützberger, Prof. a. d. kant. Industrieschule, Mitglied seit 1911. Die Anwesenden erheben sich zu Ehren der Verstorbenen. 3. Als nenes Mitglied wurde aufgenommen: Herr Alfred Imhof, Dipl.-Ing., Prof. am kantonalen Technikum, Winter- thur, Breitestrasse 52, eingeführt durch Herrn Karl Paul Täuber. 1. Vortrag des Herrn Dr. J. Hug: Allerhand Neueres aus der Geologie von Zürich. Mit Projektionen, (Autoreferat und Diskussion werden der Einladung zur nächsten Sitzung beigedruckt werden.) Der Vorsitzende spricht dem Vortragenden für seine mit vielem Beifall aufgenommenen Ausführungen und den übrigen Rednern für ihren Anteil an der Diskussion den besten Dank der Gesellschaft aus. Schluss der Sitzung 10 Uhr 15. Der Sekretär: Prof. Dr. Schlaginhaufen. Referat des Vortrages und Diskussion der Sitzung vom 0. November 1922. Vortrag des Herrn Dr. J. Hug: Allerhand Neueres aus der Geologie von Zürich. Es wurden Mitteilungen über die folgenden geologischen Fragen der Umgebung von Zürich an Hand von Karten, Profilen und graphischen Dar- stellungen vorgetragen: 1. Das Geologische Profil des Ulmberges, wie es sich beim Bau des neuen Ulmbergtunnels der linksufrigen Seebahn ergeben hat, wurde erläutert. Der Endmoränenwall des sog. „Zürcherstadiums“ der letzten Eis- zeit wurde quer durchschnitten, wobei vorwiegend feinsandige Schlamm- moräne, in der Mitte und gegen das Südportal hin auch grössere Blöcke angetroffen wurden. Vom Sihlhölzli her schiebt sich ein Keil von Schotter in 2 Lappen 75 m weit unter die Endmoräne hinein, so dass von einer typischen Verknüpfung der Schotterterrasse des Sihlhölzli. resp. des Lim- mattales gesprochen werden kann 2. Das zweite Thema behandelt die Beziehungen des Limmattal-Grund- wasserstromes zu See, Sihl und Limmat an Hand einer Karte mit den Kurven über die Verteilung des Kalkgehaltes im Grundwassergebiet der Stadtkreise 4 und 5. Eine ausführliche Darstellung dieser Untersuchungen wird in der Vierteljahrschrift veröffentlicht werden. 3. Die Beziehungen zwischen Wald und Quellenbildung werden an einem Beispiel in der Gegend der Realp besprochen. Aus der Gegenüberstellung der Erträge der Quelle vor und nach der Entwaldung des Einzugsgebietes erhält man den Eindruck, dass besonders die Minimalerträge durch die Ent- waldung offensichtlich günstiger geworden sind. 4. Als jüngste Bodenbewegungen im Stadtgebiet werden zunächst die Setzungen besprochen, die in den letzten Jahren im Oerlikonertunnel beobachtet wurden. Aus einer Tabelle ergibt sich deutlich der Zusammen- hang der Bewegungen mit der Intensität der Niederschläge. Im weiteren XXXU Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 wird auf den Einfluss des Zugsverkehres auf die Abnützung des Tunnels hingewiesen. . Die Terrainbewegungen des Stadtgebietes in den letzten 25 Jahren werden auf Grund der Höhenänderungen der städtischen Fixpunkte in der Zeit von 1894/98 bis 1917 erörtert. Es lassen sich 3 Zonen unterscheiden, die Sen- kungen von einigen cm erkennen lassen, an einigen Punkten erreicht die Bewegung noch ein höheres Mass. Die Bewegungszonen sind besonders deutlich im Gebiet der Seeauffüllungen und im Schuttkegel am Fusse des Ütliberges. Interessant ist ein geologisch durchaus motivierter Streifen, der sich um 3 bis 11 mm gehoben hat. Or (Autoreferat.) In der Diskussion teilt Herr Prof. Dr. Albert Heim, beginnend mit der im Jahre 1868 von Arnold Escher von der Linth herausgegebenen ersten Karte der Geologie von Zürich, die Hauptdaten aus der Lokal-Geologie von Zürich mit und beglückwünscht Herrn Dr. J. Hug zu seinen systematischen Untersuchungen. Auf die Anfrage des Herrrn Prof. Dr. Huber, ob die „Härte- Insel“ im obern Hard der Lage einer Molasse-Bank entspreche, antwortet der Vortragende, dass dem wohl nicht so sei, und dass sie auch nicht durch Was- ser verursacht sein könne, das von der linken Talseite zufliesse oder aufquelle. Mit Herrn Prof. Dr. Wiegner, der zur Beeinflussung des Grundwassers durch den Wald Stellung nimmt, stimmt Herr Dr. Hug insofern überein, als er die auf der Rehalp gemachten Beobachtungen nicht verallgemeinern möchte; die Er- träge der fraglichen Quellen werden auch weiterhin noch beobachtet, sodass es möglich sein wird, eine längere Beobachtungsperiode zur Lösung des Prob- lems zu verwenden. Herr Prof. Dr. de Quervain macht auf eine neue seis- mologisch-experimentelle Methode aufmerksam, welche festzustellen erlaubt, in welcher Tiefe unter der Schottermasse das Anstehende liegt. Die von Prof. Dr. Heim berührte Frage, ob eigentliche tektonische Bewegungen in der Gegend von Zürich noch vorkommen, ist nach kürzlichen Registrierungen der Erd- ‚bebenwarte zu bejahen. Der Sekretär: Prof. Dr. Schlaginhaufen. Protokoll der Sitzung vom 4. Dezember 1922, abends 8 Uhr, auf der en Marktgasse 20. Vorsitzender: Prof. Dr. A. de Querva Anwesend: 226 Personen. nie 1. Das Protokoll der Sitzung vom 20. November 1922 wird unter Verdankung an den Sekretär genehmigt. 2. Die Gesellschaft hat durch den Tod verloren: Herrn Prof. Dr. E. Sidler-Huguenin, Prot. tür Augenheilkunde an der Universität, Mitglied seit 1917. Die Anwesenden erheben sich zu Ehren des Verstorbenen, 3. Als neue Mitglieder wurden aufgenommen: Herr Jakob Aall Bonnevie Bjerknes, Vorstand der Wetterwarte in Bergen, z. Z. wissenschaftlicher Mitarbeiter der Schweiz. Meteor. Central- anstalt, Zürich 7, Gloriastr. 57, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. de Quervain. Herr Dr. med. Alex.von Muralt, Nervenarzt, Mühlebachstrasse 21, Zürich 8, eingeführt durch Fräulein Priv.-Doz. Dr. Frey. Jahrg. 67. Sitzung vom 4. Dezember 1922. XXXII Herr Emil Wild, Bergstrasse 16, Zollikon, eingeführt durch Herrn Dr. med. Alfred Meyer. Herr Alfred Brunner, Sek.-Lehrer, Altstetten (Zch.), Werdstrasse 2, ein geführt durch Herrn Priv.-Doz. Dr. E. Rübel 4. Vortrag des Herrn Prof Dr. P. Scherrer: Die gegenwärtigen Anschauungen über den genetischen Zusammenhang der chemischen Elemente Nie hat die Wissenschaft die Mannigfaltigkeit der Elemente gegenüber den Gesichtspunkten der Einheitlichkeit und Ordnung aus den Augen verloren; immer wieder taucht die naturphilosophische Forderun nach einem gemein- samen Grundstoffe auf, z.B. in Form der Proutschen Hypothese (1815). Tatsache, dass die Elemente periodische Funktionen des Atomge- wichtes sind, führt zur Aufstellung des natürlichen Systems der Elemente (Lothar Mayer und Dmitri Mendelejeff um 1870). Die Perioden umfassen. der Reihe nach 2, 8, 8, 18, 18, 32, 6 Elemente; man kann sie nur künstlich durch Zusammenfassen der Triaden Fe Co Ni und der seltenen Erden in ein Achter- schema zwängen. An einigen Stellen ist die Anordnung nach dem Atomgewicht durchbrochen (A-K, Co-NI, J-Te), was uns zeigt, dass das Atomgewicht nicht das wirkliche Ordnungsprinzip sein kann. Das Verständnis. für das System fliesst aus der Kenntnis des Atombaues. Viele Wege führen zur Bestimmung des Atomdurchmessers, er beträgt ca. 10-°cm. Alle Atome enthalten als Baustein das Elektron. Die Zahl der Elektronen entnehmen wir Versuchen über Zerstreuung von Röntgenstrahlen, sie ist etwa gleich dem halben Atomgewicht. Aus Versuchen von Rutherford über den Durchgang von «-Teilchen durch Materie schliessen wir, dass die positive Ladung des Atoms zusammen mit seiner Masse in einem Kern von subatomaren Dimensionen konzentriert ist. Die Versuche gestatten eine Schätzung der Kernladung und Kerngrösse. Eine genaue Methode zur Bestimmung der Kernladung haben wir in der Röntgenspektroskopie vor uns. Es zeigt sich das merkwürdige Resultat, dass die Kernladung übereinstimmt mit der Atom- nummer im periodischen System: die Atome sind in demselben nach wachsen- der Sr angeordnet und zwar nimmt die Ladung von Atom zu Atom um eine Einheit z Durch die Grösse der Kernladung ist die Konfiguration des Elektronen- gebäudes völlig bestimmt. Die Elektronen können im Atom nicht in Ruhe sein sie beschr eiben AIRDORE HERNE NER Überwindung vieler ee sind r pP lar ıck om vorhandenen Elöktronenbahnen aus den von demselben ausgesandten me serien direkt herauszulesen. Wir müssen uus vorstellen, dass die Edelgase aussen eine „Schale* von acht ei tee besitzen, die einen besonders hohen Grad von Symmetrie und Stabilität aufweist. Schreiten wir in einer Periode, ausgehend von einem Edelgas, von Element zu Element fort, so erleben wir die sukzessive Ausbildung einer neuen Edelgasschale- In den grossen Perioden werden dabei auch noch innere Schalen neu ausgebildet oder kompletiert. Die Periodizität der Eigenschaften rührt also her von der Wiederkehr ähnlicher peripherer Elektronenanordnungen. Das Kernatom führt uns auch zum Verständnis der Verschiebungssätze der Radioaktivität und der Isotopentheorie, nach welcher dasselbe chemische Element mit verschiedenen Atomgewichten auftreten kann. Diese letztere Theorie XXXIV Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 ist heute einmal durch direkte Atomgewichtsbestimmungen an Uran- und Thor- blei absolut gesichert. Andrerseits ist Aston mit Hilfe der Kanalstrahlenmethode (Massenspektrograph) der Nachweis gelungen, dass viele Elemente „Misch- elemente“ sind. Besonders interessant ist dabei die Tatsache, dass die Atomge- wichte dieser Isotopen sämmtlich wesentlich ganzzahlig sind (Ausnahme H = 1,008). Die Ganzzahligkeit der Atomgewichte legt die Annahme nahe, dass sich die Kerne aus einem gemeinsamen Grundatome aufbauen. Die von Rutherford in dieser Richtung angestellten Versuche zeigen, dass man durch Stoss von «-Partikeln von den Kernen vieler Elemente H- Kerne abtrennen kann. Es sind in dieser Weise zerlegt die Kerne von B.N, F, Na Al, P. Wahrscheinlich ist auch der He-Kern aus H-Kernen und Elek- tronen aufgebaut, wobei die Bindung dann eine besonders feste sein würde. ( Autorefrat.) Herr Prof. Dr. Baur leitet die Diskussion mit dem Hinweis darauf ein, dass die Ergebnisse der modernen Physik die Annahme der Vertreter der alten Atomistik bestätigen, eine Ansicht, der sich Herr Prof.Dr. Medicus nicht an- schliessen kann, da die Atomgestalt des Demokritos sich nicht mehr als richtig er- weist, und die alte Atomistik das Lebendige nie verstehen lässt. Dem Einwand des Herrn Prof. Weyl, es geht nicht an, im periodischen System das Vorhanden- sein von 5 noch nicht bekannten Elementen anzunehmen, begegnet Herr Prof. Dr. Scherrer mit der Annahme äusserst kurzlebiger Elemente. Der Präsident wiederholt in Worten den Dank, den die zahlreiche Zu- hörerschaft in lebhaftem Beifall bereits ausgedrückt hatte, und schloss die Sitzung um 10 Uhr 15. Der Sekretär: Prof. Dr. Otto Schlaginhaufen. Protokoll der Sitzung vom 18. Dezember 1922 abends 8 Uhr, auf der Schmidstube, Marktgasse 20. Vorsitzender: Prof. Dr. Karl Hescheler, Vizepräs. Anwesend 172 Personen Traktanden: 1. Das Protokoll der Sitzung vom 4. Dezember 1922 sowie das Referat über den Vortrag und die anschliessende Diskussion vom 20. November 1922 werden unter Verdankung an die Autoreferenten und den Sekretär genehmigt. 2. Der Vorsitzende gedenkt unseres im Jahre 1912 in die Gesellschaft einge- tretenen Mitgliedes Prof. Gabr. Narutowicz, der als Präsident der Re- publik Polen einem verbrecherischen Anschlag zum Opfer fiel. Die Anwe- senden erheben sich zu Ehren des Verstorbenen. 3. Als neue Mitglieder werden aufgenommen: Herr Kaspar Escher, stud, phil. IL, Wallisellen, eingeführt durch Herrn Fritz Escher, Direktor des städtischen Gaswerkes. Herr Priv.-Doz. Dr. Gottfried Trümpler, Küsnacht (Zch.), Felsenegg- strasse, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. Hans Frey, Küsnacht. Herr Dr. med. Theophil Dieterle, Zollikerberg bei Zürich, eingeführt durch Herrn Prof. Dr. A. de Quervain. 4. Der Vorsitzende bringt zur Kenntnis, dass das von unserm Ehrenmitgliede Herrn Prof. Dr. Albert Heim verfasste Werk „Geologie der Schweiz“ in diesen Tagen zu Ende gedruckt worden sei, und entbietet dem Verfasser im Jahrg. 67. Sitzung vom 18. Dezember 1922. XXXV Namen der Gesellschaft die herzlichsten Glückwünsche zum Abschluss dieses Werkes, das die Krönung seiner Lebensarbeit bedeutet. 5. Vortrag des Herrn Dr. Arnold Heim: Über Vogelstimmen und Tonschrift. Das Gebiet des Vortrages betrifft einen noch fast unbelaubten Ast am Baume der Wissenschaft, der reich, aber ungleichwertig verzweigt ist. Biologie, Physiologie, Akustik und ästhetische Tonkunst müssen sich die Hände reichen. Das Thema wird vorwiegend vom musikalischen Staudpunkt beleuchtet. Wer jemals den Versuch gemacht hat, Vogelstimmen in Noten festzu- halten, dem begegnete eine doppelte Schwierigkeit: das musikalische Erfassen, das ein absolutes Gehör erfordert, und die Unzulänglichkeit unserer konser- vativen Notenschrift. Auch für unsere Singstimme und die Streichinstrumente ist sie mangelhaft, namentlich bezüglich der Tonverbindungen, die durch Worte oder Fingersatz angedeutet werden. Ein auf der Violine vorgetragenes Beispiel erläutert die vorkommenden Arten von vollgleitender und teilgleitender Ton- verbindung. Bei den Vögeln findet man eine fast unendliche Mannigfaltigkeit nach Rein- heit, Klangfarbe, Belautung, Tonhöhe, Tonstärke, Tonverbindung, Melodie, Phra- sierung und Rhythmus, wovon nur Belautung, relative Tonstärke und Rhythmus einigermassen mit unserer Notenschrift bezeichnet werden können. Diese Eigen- schaften werden unter Vorpfeifen oder Vorsingen zahlreicher Beispiele behandelt. Als rein bezeichnen wir einen Ton, der nur aus Grundton und seinen zugehörigen Obertönen besteht. Die Klangfarbe gleicht im allgemeinen unserm Pfeifen, ist aber erzeugt vom Kehlkopf mit Zugabe von Belautung in der Mundhöhle, die wir beim Pfeifen nicht nachahmen können. Die Tonhöhe reicht bis wenigstens in die „siebengestrichene* (= neunte hörbare) Octave, also 5 Octaven höher als die Sopranstimme. Die Intervalle sind vollkommen frei, und oft so eng, dass 5-10 Töne auf einen Ganzton fallen können (Buch- fink, Grünspecht u. a.). Ein Studium für sich bieten die Tonverbindungen. Teilgleitend singt z. B. der Pirol und mancher tropische Vogel. Vollgleitend sind manche Lockrufe (Buchfink, Gartenrotschwanz, Alpendohle, Bussard, auch tropische Vögel und Baumgrillen). Eine allmähliche Umkehr der Tonhöhe er- gibt Tonkurven mit Wendetangenten (Star, tropischer Vogel). Die Phrasie- rung ist in der denkbar feinsten Weise ausgebildet. Sehr häufig sind die Roller (Zaunkönig). Bei den Trillern kann man unterscheiden nach dem Intervall, nach dem Öffnen oder Schliessen desselben, nach auf- oder abwärts Fortschreiten (gelbe Grasmücke), nach Unterbrechung, Teil- oder Vollgleiten des Intervalls etc. Rhythmisch findet man alle Stadien von Arythmie bis zur strengsten Taktbetonung und Preisgabe der Melodie (Amsel-, Drossel-, Taubenschlag). Die Arbeiten von U. Voigt und B. Hoffmann sind besonders wertvoll für den Ornithologen, können dem Unkundigen aber kaum einen richtigen Be- griff der Vogelstimmen geben, auch nicht durch die von V oigt neu eingeführten Zeichen. Gerade unsere geschätztesten Sänger (Amsel, Nachtigall, Mönchs- grasmücke, Rotkehlchen) lassen sich am wenigsten in Noten fassen. Ein auf dem Klavier, unserm melodisch primitivsten Instrument, gespieltes Beispiel der Amsel, nach Hoffmann, gibt davon Zeugnis. Der Vortragende schlägt ein System von 7 Linien vor, wobei alle Inter- valle in ihrer geometrischen Proportion stehen und alle Vorzeichen wegfallen. Statt der veralteteten Schlüssel werden die Oktaven mit I—XIT bezeichnet. Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich.. Jahrg. 67. 1922, XXXVI Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich. 1922 Zeitmass = Sekundenstriche. Auch fällt die unlogische Intervallbezeichnung (4+5=8;4—3=2 etc.) weg. Dem Nachteil von etwas vermehrtem Raum- bedürfnis steht die Möglichkeit feinerer Gliederung gegenüber. Beispiele für Violine und von Vogelstimmen werden in Tonkurven in diesem System vor- geführt. Hierauf werden Vogel- und Insektenstimmen der Tropen nachgeahmt und erläutert‘). Zum Schlusse wird die Frage behandelt, was die Tonkunst von den Naturstimmen lernen könnte. Am Beispiel des Alphorns wird die Natur- tonreihe erläutert, die zur pythagoräischen Tonleiter führte. Durch die Ein- führung der „gleichschwebend temperierten“ Stimmung wurde die Modulation. und Polyphonie ermöglicht, welche das wunderbare Aufblühen der Musik un- serer Klassiker zur Folge hatte. Andererseits ist die Musik durch Verlassen der natürlichen, reinen Stimmung in eine Sackgasse gelangt, denn noch nie- mals hat sich in der Kunst ein starres System auf die Dauer bewährt. Wie erklären wir die Tatsache, dass der Vogelgesang selbst den „wohl- temperiertesten“ Musiker entzückt? Die Musiker sind geteilter Meinung. Es werden u.a. Zitate von Busoni und Saint-Saöns vorgelesen, nach denen unsere Tonalität erschöpft ist. Schliesslich erlaubt sich der Vortragende einige Bemerkungen über die künftige Entwicklung der Tonkunst. Auch wenn wir die Vögel nicht nachzu- ahmen brauchen, so müssen wir doch das zu erfassen suchen, was in der Natur von freier Melodik schon vorhanden ist. Auf alle Zeiten wird an erster Stelle stehen die Singstimme mit ihrer Freiheit nach Intervall und Klangfarbe. Dann folgt der Mund als Pfeifinstrument, auch wenn dieses heute noch nicht Mode ist. Es folgen dann diejenigen anorganischen Instrumente, die betreffs der Intervalle freie Bewegung ermöglichen, wie Posaune und Streichinstrumente, Auch neue Instrumente werden notwendig, besonders für höhere Lagen. Ist einmal die Fessel unseres Ton- und Notensystems gesprengt, so kann mit dem Ausbau der freien Melodie begonnen werden, und diese wird durch Kombination zur freien polyphonen Musik gelangen. Möge die Natur- forschung helfen, die Tonkunst diesem Ziele entgegen zu führen. (Autoreferat.) Der Vorsitzende dankt dem Vortragenden für seine mit musikalischen Demonstrationen begleiteten Ausführungen, die den Zuhörern wissenschaftlich une ästhetisch ein Genuss waren. An der Diskussion beteiligt sich Herr Theo- dor Staub, der auf das Buch von Gerard de la Bassetiere: Essai sur le chant de quelques oiseaux (Huisseaux-sur-Cosson 1913) hinweist, und Herr Prof. Dr. Ernst Meissner, der über eigene Beobachtungen berichtet. 6. Herr Prof. Dr. Emil Bosshard schlägt mit Rücksicht auf die vorgeschrit- tene Zeit vor, den von ihm angekündigten Vortrag auf eine spätere Sitzung zu verschieben. Diesem Vorschlag wird beigestimmt. Schluss der Sitzung 10.05 Uhr. Der Sekretär: Prof. Dr. Schlaginhaufen. - 4) Näheres in Schweiz. Musikzeitung, sep. bei Hug & Co., Zürich: Vogel- und In- sektenstimmen aus den Tropen, von Arn. Heim, 1922. Verzeichnis der Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich, 1746— 1790 1790—1803 1803—1812 1812—1831 18351—1834 1834— 1847 1847—1849 1849—1851 1851—1853 1853— 1855 1855 — 1857 1857—1859 1859—1861 1861—1863 1863—1865 1865 — 1867 1867 —1869 1869— 1870 1870—1872 1872— 1874 1874—1876 1876— 1878 1878— 1880 1880—1882 1882—1884 1884— 1886 1886— 1888 abgeschlossen am 31. Dezember 1922. Präsidenten der Gesellschaft.') Johannes Gessner, Dr. med., Chorherr, Professor der Physik und Mathematik. Hans Caspar Hirzel, Dr. med., Stadtarzt und Ratsherr. Joh. Heinrich Rahn, Dr. med., Chorherr. Paul Usteri, Dr. med., Arzt, Naturforscher und Staatsmann. Joh. Caspar Horner, Dr. phil., Professor der Mathematik, Forschungsreisender. Heinr. Rudolf Schinz, Dr. med., Arzt und Professor der Naturwissenschaften. Albert Mousson, Dr. phil., Professor der Physik. Oswald Heer, Dr. phil., Professor der Botanik. Arnold Escher von der Linth, Dr. phil., Professor der Geologie. Albert Mousson, Dr. phil., Professor der Physik. Heinrich Frey, Dr. med., Professor der Zoologie. Albert Mousson, Dr. phil., Professor der Physik, Rudolf Clausius, Dr. phil., Professor der Physik. Arnold Escher von der Linth, Dr. phil., Professor der Geologie. Oswald Heer, Dr. phil., Professor der Botanik. Albert Mousson, Dr. phil., Professor der Physik. Gustav Zeuner, Dr. phil., Professor der een Pompejus Bolley, Dr. phil., Professor der Chem Johannes Wislicenus, Dr. phil., Professor der Che emie. Carl Gulmann, Dr. phil., Professor der er ger Ludimar Hermann, Dr. med., Professor der Physiologie. Carl Cramer, Dr. phil., Professor der Botanik. Albert Heim, Dr. phil., Professor der Geologie. Heinrich Friedrich Weber, Dr. phil., er der Physik. Eduard Schär, Dr. phil., Professor der Pharmaci Wilhelm Fiedler, Dr. phil., Professor der Biialienen Geometrie. Albert Heim, Dr. phil., Professor der Geologie. e historischen Angaben sind der von Prof. Dr. F. Rudio .—. nn t de ._ rn Behr die den for ersten Band der „Festse chaft in Zürich 1746—1896“ (zugleich 4. Jahrgang der „Vierteljahrsschrifte) bildet, Diese Arbeit (274 Seiten en 6 Tafeln) gibt ein ee Bild der Entwicklung unserer Gesellschaft während der ersten 150 Jahre ihres Bestehens und ist zugleich ein Tuer Stück Zürcher wer isneiheiteielhne Sie ist bei der Buchhandlung Beer eterhofstatt, Zürich, zum Preise von Fr. 10.— zu beziehen. Der 2. Band der Fortachzift, zum selben Preise er besteht aus 35 wissenschaftlichen Abhandlungen aus den Gebieten der Mathematik, Geodäsie und Astronomie, Physik, Chemie und Pharmacie Mineralogie und Geologie, Botanik, Bee, Medizin. Er umfasst 598 Seiten und 14 Tafeln. Der Vorstand. XXAVIH 1888— 1890 1890 —1892 1892 —1894 1894 — 1896 1896 — 1898 1898 — 1900 1900—1902 1902— 1904 1904— 1906 1910—1912 1912—1914 1914—1916 1916—1918 1918— 1920 1920— 1922 1922 —1924 1746—1752 Hans Ulrich von Blaa und Hans Conrad Heidegger (wissenschaftlicher Sekretär). 1752—1759 Hans Caspar Hirzel, Dr. med., Stadtarzt. Dr. med., Arzt und Naturforscher, 790—1796 forscher. 1 Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. Carl Schröter, Dr. phil., Professor der Botanik. Heinrich Friedrich Weber, Dr. phil., Arne der Physik. Georg Lunge, Dr. phil., Professor der Chem Alfred Kleiner, Dr. phil., Professor der Phy sik. Wilhelm Ritter, Dr. a Professor der Ingenieurwissenschaften. Ferdinand Rudio, Dr. phil., Professor der Mathematik. Jakob Escher-Kindig, Dr. phil. h. c., Dee und Naturforscher. Arnold Lang, Dr. phil., Professor der Zoologi Ulrich Grubenmann, Dr. phil., Professor der Miner alogie. lfred Werner, Dr. phil., Professor der Chen Max Standfuss, Dr. phil., Professor der ern Carl Schröter, Dr. phil., Professor der Botanik. Emil Huber-Stockar, Ingenieur. Martin Rikli, Dr. phil., Professor der Botanik. Emil Bosshard, Dr. phil., Professor der Chemie. Eduard Rübel, Dr. phil., Privatdoz. der Botanik. Walter Frei, Dr. med. vet., Professor der Veterinärpathologie. Alfred de Quervain, Dr. phil., Prof., P.-D. an beiden Hochschulen. 7, Sekretäre.') David Johann Heinrich von Orelli. 1796—1799 rer (ökonomischer Sekretär, auch Notar genannt) 1759—1778 Salomon Schinz, 1778—1790 Hans Rudolf Schinz, Pfarrer und Natur- Rahn, Dr. med., Stadtarzt. 1799— 1801 Johann Jakob Cramer, Pfarrer und Professor. 1801—1823 Heinrich Rudolf Schinz, Dr. med., Arzt und Professor der Naturwissenschaften. 1823—1835 Hans Locher-Balber, Dr. med., Professor der Medizin. 1835—1843 Ferdinand Keller, Dr. phil., Rage und Archäolog. 1843—1847 Albert Kelliker, Dr. med., Professor der Ana- tomie. 1847— 1857 Rudolf Heinrich Hofmeister, Dr. phil., Professor der Physik. 1857 —1860 Keith Pestalozzi-Bodmer, Dr. med., Arzt. Cramer, Dr. phil., Pro- fessor der Botanik. 1870—1880 August Weilenmann, Dr. phil., Professor der Physik. 1850—1886 Robert Billwiller, Dr. phil., Direktor der meteorologischen Zentralanstalt. 1886—1892 Adolf Tobler, Dr. phil., Professor der Physik. 1892—1894 Carl Fiedler, Dr. phil., Privatdozent der Zoologie. 1894—1899 Alfred Werner, Dr. phil., Professor der Chemie. 1899—1906 Karl Hescheler, Dr. phil., Prof. der Zoologie. 1906—1912 Schoch-Etzensperger, Dr. phil. 1912—1917 Eduard Rübel, Dr. phil., Geobotaniker. 1917—1919 Alfred Kienast, Dr. phil., Mathematiker. Von 1920 an Otto Schlaginhaufen, Dr. phil., Professor der Anthropologie. 8 Quästoren.’) Quästoren des Lotterie- oder Hauptfonds 1751—1787 Caspar Scheuchzer. 1788-1814 Hans Conrad Lochmann. 1814—1826 Hans Jakob Pestalozzi. 1826—1832 Johann Jakob Hess. 1832—1842 Salomon Klauser. 1842—1854 Otto Rudolf Werdmüller. 1) den eye Jahren waren in den Statuten zwei Sekretariate vorgesehen, eines für die BEE und eines für die eg Geschäfte. Das erstere, auch Notariat genannt urde aber nach Rücktritt Ulrichv rs, des ersten und einzigen Notars der Gesellschaft mit em wissenschaftlichen vereini Bi ?2) Bis zum Jahre 1854 besass = Gesellschaft ae Quästoren, die des Brauch fonds (auch Quästor-Ausgeber genannt) und die des Lot efonds ann Quästor-Einnehmer genannt). en ersteren fiel bis zum Jahre 1 vol eich das Vizepräs äsidium zu. Im Jahre I den die beiden Quästorate vereinigt. Der erste, der das umgestaltete neue Amt übernahm, war Meyer- Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. XXXIX Quästoren des Brauchfonds. 746—1759 Hans Conrad Meyer, Staatsmann und Meteorolog. 1759—1790 Hans Caspar Hirzel, Dr. med., Stadtarzt. 1790—1803 Johann Heinrich Rahn, Dr. med., Chorherr. 1803—1811 Diethelm "Lavater, Dr. med., Apotheker, Naturforscher und Staatsmann. 1811—1812 Paul Usteri, Dr. med., Arzt, Natähföhsiher und Staatsmann. 1812-1831 Johann Caspar Horner, Dr. phil., Dröfeaktr und Forschungsreisender. 1831—1834 Heinrich Rudolf Schinz, Dr. med., Arzt und Professor. 1834—1841 Leonhard Schulthess, Kaufmann und Botaniker. 1841—1851 Johann Jakob Usteri-Usteri, Kaufmann. 1851-1854 Adolf Salomon Pestalozzi, Bankier. 54—1858 Conrad Meyer-Ahrens, Dr. med., Arzt. 1858—1874 Johann Caspar Escher-Hess, Kaufmann und Naturforscher. 1874— 1876 Hans Rudolf Schinz-Vögeli, Kaufmann und Naturforscher. 1876—1887 Johann Caspar Escher-Hess, Kaufmann und Naturforscher. 1887—1914 Hans Kronauer, Dr. phil., Mathematiker. Seit 1914 Moritz Baumann-Naef, Dr. phil. IV, Bibliothekare. 1754—1757 Johann Jakob Köchlin, Pfarrer. 1757—1764 Hans a Schinz, Kauf- mann und Staatsmann. 1764—1774 Leonhard Usteri, Chorherr und Profes 4— 1778 Hans Conrad Heidegger, Staatsmann. 1778-1780 Johann Heinrich Waser, Pre 1780-1792 Heinrich Lavater, Staatsmann. 1792—1837 Christoph Salomon Schinz, Dr. med., Arzt, Chorherr und Professor. 1837— 1881 Johann Jakob Horner, Bibliothekar und Professor. 1881—1892 Johann Friedrich Graberg, Zeichenlehrer. 18811892 Carl Ott, Physiker. 1892--1915 Hans Schinz, Dr. phil., Professor der Botanik. N: Redaktoren der Vierteljahrsschrift. 1856—1893 Rudolf Wolf, Dr. phil., Professor der Astronomie. 1894—1912 Ferdinand Rudio, Dr. phil., Professor der Mathematik. Seit 1912 Hans Schinz, Dr. phil., Professor der Botanik. VL Vertreter in der Kommission der Zentralbibliothek. Seit 1916 Martin Rikli, Dr. phil., Professor der Botanik. VII Abgeordneter in den Senat der Schweiz. Naturf. Ges. 1922—1928 Walter Frei, Dr. med. vet., Professor der Veterinärpathologie. 1922—1928 Otto Schlaginhaufen, Dr., Professor der Anthropologie (Stellvertreter). E Ehrenmitglieder.) Mg ln 5 Hr. Eberth, Karl Josef, Dr. med., Prof. an der Universität, . a. Ringbahnstrasse 111 , . Halense . . . 1865 1896 » Hantzsch, aaa Dr.; Prof. FR Obi an ar Uni „Leipzig... =, 1885 1896 Ss» ir Feng a. ar of, d. Geol. beider Hochschulen, Hofstrasse 100... saarieh Tin, ..:. SER: 1914 7 Die Sltete a. maman am, die der Gesellschaft schon 40 Jahre angehören sind durch fett- edruckte Jahreszahlen aus ichnet, . Mitglieder, deren, ‚Nam rg mit s bezeichnet ist, sind zugleich Mitglieder der Schweiz. Natur- forschenden Gesellschaft ( Lebenslängliche Mitglieder sind mit Z bezeichnet. XL Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. u A, seit seit sHr. ER Aeke Dr., Prof. der Mathematik an der "Hochschule, Höhestrasse 21 . ..Zollikon b. 2. . 1881 1912 Ss» Fritz, Dr., Zoologe, Here 22. Re, FYT) s » Sarasin, Paul, Dr., Zoologe, Spitalstrasse 22 . . Basel . ... ..—. 1985 s » S$chinz, Hans, Dr., Prof, der Bot. an der Universität, Seefeldstrasse. 427 > Altich 8 © 22: 270 De ga s » Schröter, Carl, Dr., Prof. & Bot.. a. d. wre, Bo. schule, Merkirairane e 70 Zürich 7... We su s » Tschirch, Mexander, Dr. Prof. (Bot., Eher): an der Universitä er 7 Bern, Kollerweg 33 2° 95 IX. Korrespondierende Mitglieder. Pr Km s Hr. Margerie, Emmanuel de, Geologe, Universit& Strassbourg . . . . — 1883 » Bredig, Georg, Dr., Prof. für Elektrochemie an der techn. Hochschule . . . . . Karlsruhe . . . 1910 1911 » Einstein, Albert, Dr., Prof. Phys., Pkasanle a Wissenschaften . . Berlin-Dahlem . 1911 1911 » en Vitae Di Prof. De. an A Univers . » München :.. +... ..» 1905 1912 8 Ordentliche Mitglieder. ey Hr. Abegg, Karl, Kaufmann . . . Schloss Buonas, Kt.Zug 1910 » Ackerknecht, Eberhard, Dr. Prof, Piosektor a. vet.-anat,. Institut . ; . . Forchstrasse 149 . 8 1911 s » Adrian, Paul, Dr., change Math. . 2, Stockerstrasse41. . 2 1919 » Aebi, Max, dipl. Ing. . . » . » 2 2.2... Zollikon,alteLandstr.18 1919 » Aebly, Jakob, Dr. med.. . ‚ Riedtlistr. 19 . . . 6 1918 s » Aeppli, August, Dr., a. Prof. a. d. En Indnsbeikärheie Kronenstrasse 24. . 6 1889 s » Agthe,Karl, Dr., Dipl. -Ing., Chemiker-Konsulent . Küsnacht . .— 1916 > Alder, Max, Dr., Prof. an der höhern Töchterschule . ET 7 1913 s » Ammann-Schwarzer, Albert, Kaufmann . . Voltastr.1. . 7.108 s » Anderes, Ernst, Dr.med., Privatdoz. f. Gynäkologie ee e ;.8 ID » Andreae, Carl, Ing., Prof.a.d.E. T. H. . Bürglistrasse 30. . 2 1918 > Anselmier, Paul, Dr. med., Prakt. Arzt . . . Stauffacherstr. 54 . 4 1920 s » Bachmann, Hans, Dr., Prof. an der Kuntonschule . Luzern, Bee 5a. — 1897 8» Bader-Schneebeli, Hermanı, Kaufm: ‚ Traubenstr. 5... . „ 2 1916 s » Badoux, Henri, Prof. d. rn a. = Eidg. Techn. Hochschule . . Gloriastrasse 68. . 7 1915 s » Babler, Emil, I Prof. am aut Gruianien . . Seestrasse 41, Zollikon 1911 ') Die Mitglieder sind gebeten, allfällige rn me ea en Korrekturen um- gehend dem Quästor, Herrn Dr. M. Baumann-Naef, Tödistrasse 39, Zürich 2, und dem Sekretär, en Prof, Dr. O. Schlaginhaufen, Susenbergstrasse 94, Zürich 7, a Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. XLI Stadikr, Mitglied Zürich seit sHr. Bänziger, Theodor, Dr. med., Augenarzt . Billrothstrasse 15 8.1889 » Bär, Richard, Dr., P.-D. f. Physik a.d.Univ. . ereegpan 5 7 1922 s » Bäschlin, Fritz, Ingenieur, Prof.a. d. techn. Hochschule Zollikon 1910 s » Baragiola, Wilhelm Italo, Dr. ‚ Kantonschemiker, Pri vatdozent a.d. E.T.'H ; kr 32 = 101 » Bareiss, Arthur, erg s . Alpenquai 22 2.1910 » Barth, Adolf, Dr. med., prakt. kat . Uster, FreioSiranee 13— 1920 Zs» Baumann-Naef, Moritz, Dr., Chemiker . . Tödistrasse 39 . .„ 2 1910 » Baur, Emil, Dr., Prof. an d. techn. Kosiechnie Ottikerstrasse 52 6 1911 » Beck, Alexander, Dr... u. Brof. Math... ..;; . Schanzenberg-Schönbergg. In 1 1870 s » Beck-Barker, Bernh ge Pfarrer . . . Dättlikon am Irchel .. — 1904 » Beck, Emil, Dr., Prof. am kant. Oynimksien e . Schanzenberg-Schönbergg. 7. 1° 1907 » Beck, Karl, Prof. (Phys.) am Kant. Gpanasım . Hegibachstr. 75 3: 1917 » Beer, Robert, Buchhändler . : h eterhofstatt 10 7 1905 » Behn-Eschenburg, Hans, Dr. Disshtor i . Oe n. —' 1910 » Bender, Paul, Lätbegränhluähe Kunstanstalt 50 2 ZOkon. — 3811 » Benz,Walter, Dr. Fa Math.a.d. kant, Takbietrioschale Scheuchzer: a 90 6 1917 » Bernhard, Hans, Dr., P.-D.d. a.d. Univ, Schifflände 22 „1.1980 » Bernheim-Karrer, Jakab, Dr. med., Pro . Gartenstrasse 36 . . 2 1903 » Beuttner, Eugen, Dr., an 769 . Zollikon . . — 1917 » Biber, Werner, Dr. med., Arz . Kanzleistrasse 9. 4 1919 s » Biedermann, Robert, abe" Sana . Winterthur 1915 > Bjerknes Jakob, Aall Bonnevie, Vorstand d. Wetter - warte in Bergen, z.Zt. wissenschaftl. Mitarbeiter d. Schweiz. Meteor. Zentralanstalt . . Gloriastr. 57 7 1982 s » Billwiller, Robert, 4 Adjunkt d. EN Metoorei. Zentralanstalt . Plattenstr. 44, . . 7. 1917 Fr. Bindschedler-Laufer, Marie, je . Zürichbergstr. 98 . 7 1919 s Hr. Bircher, F. Ernst, Dr. jur., Rechtsanw alt. . Sophienstrasse 2 . 7 1902 » Bircher, Max, Dr. me . Keltenstrasse 48 , 7 192 » Bitterli, Emil, Ing., 5 rue Cheklön: Lagasche, au 19. —: 1910 » Bilankart, Andre, Ass Er Lavaterstr. 56 31990 » Blattmann-Ziegler, er Fabrikant a . Wädenswil . .— 1911 s ». Bleuler, Eugen, Dr. med., Prof. an der Universität . Burghölzli 8 1900 $ » Bloch, Bruno, Dr. med., Prof. Dermatol. a. d. Univers. Plattenstrasse 4. 71.1917 s » Bloch, Isaak Adolf, Dr., Prof. an der Kantonsschule . Solothurn — 1895 s » Blumer, Ernst, Dr., Gäölöge . Zollikon . 1917 » Bodmer-Abegg, Henry, Dr. jur. . . Bärengasse 18 1 1919 s » Bommer, Albert, Apotheker . Zähringerstrasse 9 1 1889 s » Boner, Georg, Ing., Verw a: -Delgierer v von Brown, Boveri 0. . Florhofgasse 2 1 1919 » Borsari-Welti, Eugen, Kau urn . Seestr.29, Zollikon . — 1920 s » Bosshard, Emil, Prof. Chem. a. d. Fer Aaabaih, . alte Beckenhofstr.48 6 1913 s » Bosshard, Heinrich, Dr., Prof. am kant. Gymnasium Weinbergstrasse 160 6 1892 sFr. Boveri-Boner, Yvonne, Dr. ; aden, Römerstr. 24 — 1917 » Brandenberger, Au Prof. i randschenkestr. 55 2 1919 Hr jeriet.: rue a’ ln 10. St. Louis, Alsace. . — 1918 . Brauchlin, Gottl., (für Postsendungen: Postfach, Basel) XL Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. Bremi, Walter, Dr., Chemiker Brennwald, Paul, Kaufmann Bretscher, Konrad, Dr., SE edssleisen, Brettauer, Alfred, Dr. me 1ed. Brinkmann, Emil, Ingen Brockmann-Jerosch, Heinrich, Dr. ‚Prof, P. -D, Bot. a. Unir. Bruman, Franz, stud. ı Brunner, Alfred, Sek. ei Weeikie: ; Brunner, Friedrich, Dr. med., Asyl Neumünster Brunner, Otto, Dr., Apotheker Bruppacher, Heinrich, EEREER Bühler, Anton, Dr. med. Sladikr, Nitgl, Zürich seit ", Braun, Josias, Dr., Konservat. a. Geobot. Inst. Rübel Winterthurerstr. 66 . 6 1916 . Hönggerstrasse 148 . 6 1911 . Tödistrasse 66 . . 2 1911 . Weinbergstrasse 146 6 1890 . Bahnhofstr. 55. . 1 1916 Rigistrasse 9 6 1917 Kapfsteig 44 7 197 Sihlstrasse 33 1 1920 Altstetten (Zch.) — 1922 Heliosstrasse 16 7 1896 immatquai 56 1 197 Wettingerhaus 1 121919 str 1.1904 . B Beer Bürgi, Oscar, Dr. med. u. Prof. an er Universität Sonnenberg Erlenbach (Zürich) — 1906 Burri, Robert, Dr., Prof. en -Vorst. der eidgen ie Cadisch, Joos, Dr., Adj. d. Schweiz. Geol. Komm. ee Fritz, Fabrikant an, Paul, Dr. "FIR "Prof, Dir. = re Klinik der Universität . Claraz, Georges Cloätta, Max, Dr. u Pr of. an ir Universität . Corti, Arnold, Dr., Direktor Cramer, Otto Leopold, Dr. '. Cramer-v. Muralt, Olga . .Daiber, Marie, Dr., Prof, P.-D. a. zool. Inst, beider Hochsch., Prosektor '. Dällenbach, Walter, Dr. ing., Priv.-Doz. a.d. E. # . Däniker, Albert Ulrich, stud. phil. Debye, Peter, Dr., Prof. der Physik a. n E. T. H. Deucher-Bühler, w. 6., Rmert Dieterle, Theophil, Dr. med. Disteli, Martin, Dr. Prof. ER 8. Ei Univ, . Dübendorfer, Emma, Dr. med., Ärztin ', Dübendorfer, Heinrich, Stadtkassierer Dubuis, Samuel Ed., Tierarzt i . Let : Düggeli, Max, Dr., Prof. landw. Bakter. a. e w Hochschule Hofstrasse 75 . Dumas, ra, Dr. ‚Prof. Math. an d. Univers., Plateau e Du er Kalay: Dr. ‚Prof, Math. an er Univ. st, Ulrich, Dr., Prof. Zool. an der Universität Dürsteler, Wilhelm, Dr., Chemiker h ibn 2 — 18% Seestr.97, Küsnacht (Zch.) 1920 . Dufourstrasse5 . . 8 1910 . Uraniastr.24.. „. . 1.190 . Kantstrasse 19. . 7.1920 . Lugano, Via Salvatore 1 — 1894 . Plattenstrasse 58 7 12 . Dübendorf. . . . — 1918 ..Jupiterstr. 14. . . 7 1918 iterstr. 1 . Jupiterstrasse 14 . 7 1919 Kueserstr. 32. . . 7 1906 H. Alpenquai 20. . . 1 1922 . Dillileeweg 5, Küsnacht 1919 7 1920 . Gloriastr. 35 . Freudenbergstr. ne u 10 . Zollikerberg b. Zürich 1922 . Olten, Steinbruchweg 672 1892 ahnhofstrasse 8 . 1 1912 Hottingerstr. 25 7.. 1949 tzisteig 1 ‚6.1918 A SAER „Lausanne . ...—- 191 ‚Neuchätel . . . . — 197 . Bern a a ae ‚Thalwil... ..— 190 Eder, Rob., Dr., Prof. f. Pharm. a.d. are Hochschule Freudenbergstr. 144 6 1915 r, Eder-Schwyzer, Jeanne, Dr. (Chem, Freudenbergstr. 144 6 1915 Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. XLII Stadikr. Nitgl, Zürieh seit - Egli, Hedwig, . . 2. Seestrasse 97, Küsnacht 1920 r. Egli, Max, Dr., Prof, am int, Grande UM .. ...„ Hefrliberg:. 910 > Ehrhardt, Jakob, Dr. med. vet., Prof. a.d. Universität weisen 74. ,6 1908 » Engel, Emil, ae A . . . Blümlisalpstr. 66. . 6 1917 » Engi, Paul, ing..:"% “ . . . „ Heerbrugg, Kt. St. Gallen 1921 » Engler, me Dr. phil., Ciieiiker 5 . Hönggerst., Altstetten b.Z. 1918 s.» Erb, Josef, Dr., Geologe, Carel van Baleidtteig 30 Den Haag (Holland) . — 1899 s » Ernst, Alfred, de Prof. Bot. an der Universität . Zollikon, Erre 66 — 1901 Frl. Ernst, Betty . . „ Häldeliw 2 ID Hr. Ernst, Heinrich, Ze ce a ernit :. ee Rinne asse .. «4:10 s » Ernst, Julius Walter, Ingenieur .. . Freiestrasse 21 A a ZLs» Escher, Berend, Dr. sc. nat., Prof., Rüke, RR FRE mineralogisch. Museum . Ri ee 86, Leiden, Holland — 1910 » Escher, Fritz, Dir. d. städt. PEN Fkes u: . Schlieren . . . — 1919 s » Escher-Kündig, Jakob en o: h,e, ‚ Entomolog ', Gotthardstrasse 35 . 2 1883 » Escher-Lang, J. H., Kaufm . Hofackerstrasse 44 . 7 1919 s » Escher, Hermann, Dr., er Pr Zentralbibliothek St. Urbangasse 6 . 1 1911 s » Escher, Heinrich Hermann, Dr., Chem . Zederstr. 14 7 1918 » Escher, Kaspar, stud. phil. . . . . . . , . Wallisellen — 1922 » Escher, Konrad, cand. phil. . . . . - . ... Sihlstrasse 16 4 1920 8.» ‚Bucher, Wilkölm Caspar , , . .. . 00. _ . Scheideggstrasse 99 a; » Farner, Ernst, Dr. med., Arzt . . Theaterstr. 12 1 1919 s » Farny,JeanLucien, Prof. Elektr.a.d. koche Hobköähalie Fehrenstrasse 3. . 7 192 s » Feer, Emil, Dr. med., Prof. an der Universität . . Freiestrasse 108 . . 7 1911 s » Fehlmann, } Werner, Dr., Privatdozent an der techn. Hochschule Talktr.46, Schaffhausen — 1915 ‘> Feix, Richard, Direktor der a -Import-Co. . Splügenstrasse 410°, 1914 » Felix, Florian, Dr. med., ; ; . — 1910 » Felix, Otto, Dr., Tierarzt, Dir S Ver. "Zürch. Molke: eye 4 #4 1919 s » Felix, Walter, Dr. med., Prof. Anatomie a.d. Univ. Köllikerstr. 27: 1801 s » Fierz-David, Sr "g ‚Prof. f.Chem.a.d.E.T.H. Kilchberg b. Re — 1917 » Fingerhuth, Max, Dr. m 0.2.2 sa Feldeggstrasse 80 8 1905 s » Fischer, Emil, Dr. dr Abit RE Rn ABollöyaltasse: 19.7: 1919 s » von Fleischl, Otto, Dr. het en. nV Stockerstrasse 32 2 1918 » Fleischmann, Carl, kuskikir: N .. . . Rigistrasse 52 1915 » Fliegner, Alb., Dr., a. Prof. Yissnen. . . . ViaTrevano9,Lugano — 1870 s » Flückiger, Otto, Dr; ‚Prof. an der höhern Töchterschule Zollikerstr.25,Zollikon - 1910 in Flury-Habegger, Emma . Junkerngasse 36, Bern— 1915 r. Flury, Philipp, Dr.h.c., Adj. H. ei. forstl, wa -Stal, Hadlaubstr. 108 . . 6 1888 » Forrer, Robert K., Dr., Chef de travaux ä nr de Physique ,. Rue de I’Uni ‚ Strasbourg. . .— 1922 s » Franel, Jerome, Dr. ‚Prof. Math. and.techn. a: Klusweg 8. st 1802 » Frank, Ludwig, Dr. med. . . Freudenber 16 ‚7 1910 s » Frei, Walter, Dr.med. vet., Prof. ER Universität Zollikon, aa 68 — 1912 s » Frey, Hans, Dr., Prof. am kant. Lehrerseminar . . Küsnacht b. Zeh. .— 1896 s Frl. Frey, Hedwig, Dr. ., P-D., Prosektor- am anat. Institut der Cnir, Mommsenstrasse 17 -9:1912 Hr, Frey, Jakob Heinrich, ERTRER N . . Zollikerstrasse 152 . 8 1919 s » Frick, Theodor, Dr. D. 8, Zahnarzt . . . . . . Titlisstrasse 14 37 :1900 » Friedheim, Ernst, eand. med. . =...» „ Neumünsterallee 21 8 1920 XLIV Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. sHr. $ >» v v »» mm un nm % v E7 Sul. ig Agid Friedländer, Immanuel, Geologe, Via Luigia Sanfelice 60, Napoli-Vomero — 1016 Fritz, Franz, Dr., Tierarzt . . . ‚ . Forchstrasse 151. . 7.1914 Froebel, Robert, Gartenarchitekt . . . . . . Moussonstr. 15. . 7.1918 Froehner, Julius, Dr. med., Zahnarzt. . . . . . Peterstrassei. 1:1911 Frölich, Julius, Dr. med.dent., Zahnarzt . . . Oescherstr. 17, Zollikon 1922 Früh, Jakob, Dr., Prof. Geogr. an deriachn, Honkischnle Freiestrasse 6. .. . 7.1895 Fueter, Rudolf, Dr., Prof. Math. an der Universität Rigistrasse 34. . . 6 1917 Furrer, Ernst, Dr., dipl. Fachlehrer f. Naturwissensch. Affoltern bei Zürich — 1913 Gampert, Paul, Kaufman , SPETTEE Gartensiraste 36 2 19 Gams, Edmund, se onienr . Seegartenstrasse2 . 8 1917 Gams, Hellmut, Dr., Bot., Biolog. Station Wißeisstiih ‚Wasserburg a. Bodensee 1912 Ganz, Emil, Kaufmann ! “2 202%. Wonnebergstr. 67 . 8 1%5 Gassmann, Theodor, Dr. yhil. : . Villa l’Oasis, Corseaux/\erey— 1905 Gaule, Georg Justus, Dr. med., a. Prof.: a. a. Univ ersität Zürichbergstrasse 130 7 1887 Geilinger, Walter, Dr. med. f ‚502 Haldchweg 3i. . 110 Geiser, Karl Friedrich, Dr., a. Prof. Math. . „Küsnacht b. Zch. . . — 1883 Gerlach, Rudolf, Dr., Prof. am kant. Lehitekäihieih . Küsnacht b. Zeh. . s » Giger, Emil, Dr. rer. nat., Prof. höh. Töchtersch. gie u 7 » Glättli, Hans, Tierarzt , ; \ tager ei. s » Gmehm, Robert, Dr., a. Prof., Präs, er a. Site Bist Pr . 7 1873 Ss» n, Emil, Dr. ‚Oniege, Villa Philadelphie 2 107 » von riesen: ‚Willy, Dr.med.,Prof. Er a.d.E.T.H. En 029 771028 » Graemiger, Benjamin, Ingenie z . Höngg, are 181 .— 1914 » v. Graffenried, Alfred, dipl. i ing. an iin ‚ Hottingerstr. 28 5.411918 s » ÜGramann, August, Dr., Sekundarlehrer . . .St. Gallerstrasse 35,Winterthur 189 s » ÜGreinacher, Heinrich, Dr. ‚eroöf,P.-D. u, Univ. Gladbachstr. 62 . . 7 1915 s » Greiner, Paul, Kaufmann . . wi . Kilchberg b. Zeh, . . — 1917 » Gretler, Heinrich, Apotheker . : . Rindermarkt 19. . 1 1919 » Grisch, Andreas, Dr., Adjunkt d. ne ner. schaftlichen Varsmnhsaiietält R F . . Oerlikon — 1907 s » Grossmann, Marcel, Dr., Prof, Math. a. d. mr Hochschule . Holderstr. 14 . 7 1908 » Grubenmann, Ulrich, Dr., Hon.-Prof. Min. a.d. Univ. Hofackerstr. 74 7:1893 » Gschwind, Meinrad, Dr. ne Eidg. Prüfungs-Anstalt £. Brennstoffe. Clausiusstr. 6 .» 6 1918 » Gugelmann, Paul, Forstpraktikant . . . . . . Aigle, Avenue du chalane 1920 » Guggenbühl, Adolf, Ing. \ - Weinbehrstiume en ki s » Gujer-Berchtold, Julius, a. Nat. „Rat, Fahikant . „ Bächtoldstr. 6 . „2: 1916 s « Guyer, Oskar, Dr., Prof. a. d. kant. Handelsschule . Moussonstrasse 19 17 1930 » Gyger, Alfred, Kartmans, i . Rigistrasse 61 . 61919 » Gysi, Alfred, Dr. D. S., Prof. a. d. ZuinerstBehnln der Universität . . . . Obere Zäune 10 1 1895 s » Haab, Otto, Dr. med, Box „Prof. 2. 4. Universität . Pelikanstrasse 41 ı 1880 » Haab, Otto E., Dr. med., Augen . . . Pelikanstr. 41 1.1920 » Haas, de, Walter, Redaktor d. Re Er . Rüschlikon .— 191 s » Haffter, Paul J., per Adr. Herrn H. Nabholz . Mühlebachstr. 82. .8 1915 » Hallheimer, Siegbert, Dr. med. . ; . Tödistr. 51. ..2 1922 » Hägler, Karl, Assist. am ge tik, ü Uniy, . , Streulistr, 5 7 : 1920 Y Halperin, Jakob, Dr. med. . . .. .. Seebach. "+ „14.14, 1910 Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. XLV Stadikr. Kitglied Zürich seit Hr. Hartmann, Adolf, Dr., Prof. a. d. Kantonsschule in Aarau . — 1999 s » Hauri, Hans, Dr., Bekanäkrichrer . St.Gallen, se; 11 — 1911 » Hauser, Adolf, Apoth BROT or el unge -, GOMEInHEREN, 7 1918 » Hauser, Walter, Dr., Bezirkslehrer . . . . . Brugg (Kt. Äsıyan). .— 1921 » Heberlein, Fritz, Deck. Chemiker . . „ . . Zollikerstr. 132 . 8'1916 » Heberlein, Hugo, Kaufmann . Zollikerstr. 2235 .. 8 1918 » Hedinger, E., Dr. med., Prof. Fr Path. a. 53 Gnir, Sonnenbergstr.19 . 7 1922 s » Heim, Arnold, Dr. , Geologe : . Hottingerstr. 5 . . 7 1906 » Henri, Victor, Dr., Prof. d. phys. TER 8. d. Univ. Streulistr. 8, III . 7 1990 s » Henschen, Karl, Dr. med., Prof. a „St.Gallen, Bahnhofstr. 11 1910 Frl. Herder, Hermine, er: Villa Yalta en . „. ,.Seolaldstr, 287 . 8 1916 Hr. Herkenrath, Franz, Ingenieur am . Höngg, Zürcherstr. 37. — 1912 s » Herzfeld, Eugen, Dr., Ass. am chem. Lab. 5 en, Ekkehardstrasse 16 . 6 1911 s » Hescheler,Karl,Dr. ‚Prof. Zoolog.anbeid.Hochschulen Rotstrasse 2 . ..6 1894 » Hess, Gottfried, Architekt . Nordstrasse 15 .6:1911 » Hess, Walter, Dr. med, Prof, d. Zahnheriiunde a. : er . Hofackerstr. 46 °. . 7 1922 s» om Walter, R., Dr Inc. Prof. Physiol, 5 a. & Um. Susenbergstr. 198 . 6 1919 » Heusser, Hans ‚ Oberassist. a. Kant. Tierspital Bellariastrasse 74 . 2 1918 » Hiller, Eduard, Br Sonnenapotheke . . . Rämistrasse 7”. . . 1 1911 > Hirsch, Arthur, Dr., Prof. Math. a. d, techn. Hochschule . . Reinacherstrasse 8 . 7 1908 s » Hirschi, Hans, Dr., Ger @ i ya DIOR 1: 0.0 sera wer DO » Hirzel, Hermann, Dr. ing,, indie „. . „ Winkelwiese 5_. 11918 s » Höhn, Walter, Sekundarlehrer . . » 2. ,„ Weinbergstrasse 95 6 1910 s Fr. Hoffmann-Grobety, Amelie, Dr. u SC. . .... . Ennenda, Kt. Glarus — 1919 Hr. Hofmeister, Eduard . . ers . vw „ Proigutstr. 16. 2 1918 Frl. Hofmeister, Sara Er 2,6. HMöllingersir. 14 . 7 1918 Hr, Hollenweger, Ernst, or De . Höhenweg 16. . .. 7.1920 » Hottinger, Max, Ingenieur, P.-D. a.d. E. T. H. . Mühlebachstr, 46. 8 1921 » eher N wi med., Privatdozent f. Urologie der Univer i . Voltastrasse 27 UT SESLE » ae Karl, E ee 00 2.2.0. Beisitostrasen. DV): . 1:1912 s » Huber-Stockar, Emil, Ingenieur . . . Neumünsterallee 12 . 8 1888 s » Huber-Pestalozzi, Gottfried, Dr. med. & er » . Englischviertelstr. 61 7 1915 s » Huber, Hans, Dr. med., Sanatorium . . . Kilchber, ch... ..— 1910 » Huber, Max, Dr. jur., Prof, der Rechte an der re. Schloss Wyden h. Ossingen „ — 1910 s » Huber, Robert, Dr., Prof. am kant. Gymnasium . . Streulistrasse 16 . . 7 1910 » Hürlimann, Albert Heinrich, Brauereibesitzer . . Brandschenkestr. 160 2 1921 » Hürlimann, Hans Dr., Chemiker . » 2... „. Brandschenkestr. 160 2 1917 s » Hug, Jakob, Dr., Sekundarlehrer . Schindlerstrasse 16 . 6 1910 s$ » Hunziker, Edwin, Ing. der N Geodät, 2 Nordstrasse 1755. . 6 1917 > Imhof, Alfred, Dipl. Fa Prof. am k. Technikum, Winterthur, Breitestr. 52 1922 s » Imhof, Othmar Emil, Dr.. . “20. Königsfelden-Brugg . 1882 » Jabs, Asmus, techn. Direktor R ‚ Alpenstrasse 3° .:.-2 1905 s » Jaccard, Paul, Dr., Prof. Bot. Kiderksche: Hochschule Carmenstrasse 46 . 7. 1903 XLVI Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. Stadikr, Hitglied Zürich seit s Hr.Jakob, Joh., Dr., Priv.-Doz. a.d.E.T.H. . Rösslistr. 472,Seebach b. Zeh. 1919 Jeannet, Alponse Dr., Geologe d. Schweiz. Geolog. Kommis . . Institut geologique, Le Mail, Neuchätel — 1913 19 v s » Jegen, G., Dr. Sohweis, Kurkchechetait Wädenswil Wädenswil. . STTere Jegher, Carl Bi er, cher Zürich . 1919 Ls’» Jenny-Tschudi, Daniel, Fabrikant . . . . ...Garıs . .. .— 191 Frl. Josephy, Gretel, Dr. . . RT RA Rise 171.2, WER TE s Hr. Karrer, Paul, a „ Prof. Chemie a. d. Universität Wytikonerstrstr.55 . 7 1918 s » Kaufmann, Rober . Belsitostrasse 17. 7 1919 s » Keller, Konrad, . Prof, Tool, an un va be . Schaffhauserstr.83 . 6 1875 s » Kiefer, Adolf, Dr. . Minervastrasse 149 . 7 1894 s » Kienast, Alfred, Dr., Prirakdo, Tach, an di sell: ER Küsnacht b. Zeh. . — 1%5 » Kleiber, Albert, D ; . Kirchgasse 13 . 131893 » Klett, Max, Dr., Ohemiker j . Lenzburg (Aarau) . — 1911 s » Knopfli, Walter, Dr., Ass. a. Zo0l. Es r Beir.. . Stauffacherstrasse 9. 4 1913 » Koch, Helmut, dipl. Ing. . ee . . Freigutstrasse 9 . . 2 1917 yılach, Wie, Optiker .. . 4-4. 2 Bahnhöfstr'11 .'1 1918 » Kollbrunner, Otto, Dr.med... . . . . . . .„ Rämistr. 24 1 1920 >» Koller, Eugen, Mühlenbesitzer ; - 2. Jürcherstr. 30, Küsnncht h. ri 1919 s » Kopp, Robert, Dr., Prof, an der a, . . St.Gallen-Ost, Neptunstr.5 1896 » Kruck, Carl, Baumeister 5 ; rn sRüsmacht a. nee » Kubly, F. Wala, Dr. med. . . Bellerivestrasse 38 . 8 1916 Am 90 s » Künzli, Emil, Dr., Prof. an de Eustonheinle:, = Solochuian ®, — 1901 s » Küpfer, Max, Dr., Priv.-Doz. Zool.a. d.E.T.H. . Klausstrasse 20 8 1911 » ‘ Kummer, Walter, Dr., Ing.-Kons., Prof. a, d. techn, Hochschule Mythenstrasse 15 2 1910 s » Kummer-Weber, Wilhelm, Zins .. ı , 5, . Villa Verhanella, Locamo . . — 1914 » Kunz, Carl, Dr., Privatlehrer . . - . 2 22. Chemin Miremont 85, (nf, . — 1911 » Landolt-Locher, Paul, Kaufmann . . . . . . Scheideggstr.8 . . 2 1918 > Laupper, 6. . . Promenadengasse 11 1 1922 gs» Leuulandt‘ Rud,, Vorst. ii se Mädchen- Erz. er Mollis . — 1909 s » Liebmann, Erich, Dr. med., Oberarzt an der med. Klinik . . Kante oe s » Locher, Fritz, dipl. Ing. . . Aubrigstr. 10 . . . 2 1917 » Löffler, Wilhelm, Dr. med., Prof. : a. d. Be = Dir. d. med. Poliklinik . gegen 93.2 192 s » Looser, Emil, Dr. a Privatdotent-£ Chiranpie _ ..8 1920 » Löwensberg, Paul, Dr. med. . Sissach Basen) — 1912 s » Lüdin, Emil, Dr., Prof. an der Yin Indiana Stolzestrasse 14 . . 6 18% s >» Lüthy, Adolf, Du Prof. an der höh. Töchterschule er 2, 7 1904 s$ » Lunge, Georg, Dr. „aDrof: Chen 4.0; . Carmenstrasse 37 7 1876 s » Maier, Hans W., Dr. med. a ‚P.-D. d. Psychiatrie Burghölzli . 8 1909 » Mark-Bechtold, Andre, De . Bahnho FEREER 55-.1 195 s » Matthias, Eugen, Dr., Prof. a. 5% höh, "Töchterschule Plattenstrasse 4 . 7 1919 Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. XLVUl Stadkr. Mitglied Zürich seit s Hr. Maurer, Julius, Dr., Direkt. d. Meteor. Zentr.-Anst. Zürichbergstrasse 7 7 1881 » Medicus, Fritz, Dr., Prof. Philos. a.d.techn. Hochschule Rüsechlikon, @lämischstr. 8 1911 » Meierhofer, Hans, Dr., Prof. a.d. höhern Töchters chule Reinacherstrasse 18 . .7 1908 s » Meissner, Ernst, Dr, Prof, Mech. an der techn. Hochschule . Zollikon, adeng 59 — 1910 » Meissner, Karl, Dr., P.-D. f. Physik a. d. Univers, Scheuchzerstr.64 . 6 1921 » Menzi, Jakob, Dr., Sekundarlehrer ; nee: 271 3 1919 » Mertens, Oskar, Ba astrickt „ Hotusr. 108 . , , 7: 1081 s » Messikommer, Heinrich, Antiquar . .‚ Hechiplatz 1 .._. . 1 1910 s » v.Meyenburg, Hanns, Dr. mel, Prof. Univ at las Institut pathologique ; EEE Tree ea — 1916 » Meyer, Alfred, Dr. med. Akt — 19189 Fr. Meyer-Landolt, Bertha alien, ‚aTraubenberg1920 sHr. Meyer, Edgar, Dr., Prof. d. Physik. 2 d. Hasen sität, ann r.28. 1907 » Meyer, Franz, Dr. jur... . : los 2 er 5 1919 sHr. Meyer-Rüegg,Hans, Prof., Dr. ei. ‚Priv. ii, a. A Ta Freiestrasse 116 . . 7 1910 » Meyer, Heinrich, Dr., Chöämikär »Platteßsir. 34, . 7 1918 » Meyer-Hürlimann, . nen med. ]. Meyer, Martha, Lehr », Minder, Leo 7 . Hottingerstrasse 20 . 7 1901 . Minervastrasse 128 . 7 1917 ff . Sch s » Minkowski ee I. ai. D-. f. an. d. Kir, Physikstrasse6 . . 7 1917 s » Misslin, Emil, Dr., Chemiker; Privatdoz. E.T.H. Arterstrasse 26 . . 7 1919 s » Monakow, Konstantin von, Dr. med., Prof. a. d. Universität . Dufourstrasse 116 . 8 1887 s » Monnier, Eduard, Dr. med., Priv.-Doz. 1 Rn a. d. Univers. Pestalozzistr. DB...» 1911 » Mühleder, Hans, okay. en: » Müller, Albert, Buchhändler ; : RE 9 a a: > sFrl. Müller, era Dr. med., Ars ; . . Gethestrasse 10. . 1 1911 » Müller, Gertr - 2 2020... Hirschengraben 48 . 1 1919 Hr. Müller, ri R . Zollikerstrasse 45 . 8 1919 » Müller, Heinrich, a. Da; . Bergstrasse 132. . 7 1912 s » Müller-Thurgau, Hermann, Dr., Direkt, a. Sie: nn suchsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau . . Wädenswil. . . . — 1891 » Müller, Marcus, Lehrer. . ee WERKOR - nee 19 . Mühlebachstr. 21 . 8 19 . Rämistrasse 18 . . 7 1883 » Murait, Alex von, Dr. med., ae » Muralt, Wilhelm von, Dr. med. » Naef-Werner, Paul, a. ins und Pflanzer . Dolderstrasse 57. . 7 1918 » Naegeli, Alfred, Dr. m . Samaden, Kreisspital — 1921 s » Naegeli, Otto, Dr. med., Br Dir. a. Ines, Klin, ie Universität . eNalasir.05 . . . 17 1918 s » Nager, Felix Rudolf, Dr. ak: Prof, pP -D. für Obe-; Rhino- u. Laryngologie an ER Universität . . Freiestrasse 20. . . 7 1917 s >» Niggli,Paul, Dr., Prof. Mineralogie a. beid.Hochsch. Rigistr. 40° | ° . . ..— 1913 > Oehrli, Armin, Apotheker Rosengasse 9. . . 1 1921 » Ogushi, Kikutaro, Dr., Prof. dr ee . Osaka (Japan). . . — 1913 s » Oppliger, Fritz, Dr., Prof. am kant. Lehrerseminar . Küsnacht b. Zch. . . — 189 s » Oswald, Adolf, Dr.med. et phil., Prof., P.-D.a.d. Univ. Hofstrasse 78. . . 7 1908 Ott, Emil, Dr. &s sciences, Chemiker, Prof. . . Schlieren, Industriestrasse — 1918 Yv XLVIII Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. s » Rikli, Martin, Dr., Prof., P.-D. Bot. an d. E. zT. m . Gladbachstr. 44 . Ei sHr. Ott, Hans, Direktor der Ott-Toblerschen Privatschule Neumünsterallee 1 . » Ott, Carl, Reallehrer . . . . 2000 Hochstrasse 109, Schaffhausen . — 1919 » Pänchaud de Bottens, Adalbert, Dr. phil. et med. . Seefeldstrasse 33 . 8 1911 » Pestalozzi-Bürkli, Anton, Dr. Löwenstrasse 21 . 1 198 s » Peyer, Bernh., Dr., Privatdozent Zoöl. a. % hlveie: ‚ Hirschengraben 5 56 .1 1918 s » Pfenninger er.W., Dr. med. vet., Ass.a. vet.-path.Institut Selnaustr. 36 1 198 » Pfister, Gottfried, Dir. Allg. Maggi-Ges. . . . Kemptthal.. . . — 1918 » Pfister, Johann, Ingenieur ; „2 aenache be: Zeh... . — 1915 sFrl. Pfister, Martha, Dr. phil., talrecin eier YErEoR: ..—- 191 Hr. Pfleghard, Otto, Architekt . . „ Zollikerstr. 245 8 1918 s » Piccard, Aug., Dr., Prof., 133, ‚Ateniie: Adalphis Buy, Bruxelles . — 1912 » Platter, Bruno, Assist. d. Schweiz. Agr.-chem. Anstalt Asylstr. 98. . . . 7 1916 » Poölya, Georg, Dr., Prof., P.-D. für Mathem. E.T.H.. Büchnerstr. 1. 6 1920 s » PräSil, Franz, Dr., Prof. Masch. a. d. techn. Hochschule Heuelstrasse 51 7 1894 s » (Quervain, Alfred August de, Dr., Prof., P.-D. an beiden Hoch- schulen, Adjunkt der meteorologischen Tentral-Anstalt „2.2, Gloriastrasse 68 . °. 7. 1907 » Rahn, Viktor C., Banquier . . . . . . . . Lavatersirasse 50 . 2 1919 » Rascher, Max, Buchhändler. . . . . . . . .„ Rathausquai 20 1. 2906 » Raths, Jakob, Sekundarichrer ee} 10! ienliskame 3 7 1897 Frl. Äanch, Aline, Lehreri . » Weststr. 18 .:3 1918 Hr. Reber, Theodor, Prof. a. a. Herne ; Münchhaldenstr. 15. s 1920 s » Redeker, August, nee ker 2. 2202020202. Bremen-Hemelingen . — 1913 s >» Rehsteiner, Hugo, Dr. 3 re... St.Gallen, Eschenstr.i — 1918 » Reitz, Wilhelm, Oberkigehien ; u ie Nee . 1 1904 » Rell, Bruno P., Dr. D. S., Be, Paradeplatz1 . . 1 1921 Frl. Renner, Sophie, Dipl. Fachlehrerin . . . . . Coneordiastrasse 20 7 1918 sHr. Resch, Alfred, Dr. med.. . ... 2. , Fraumünsterstr. 8 . 1 1916 » Riese, Heinrich, Ingenieur . . . . . . . . . Bahnhofstrasse 78 . 1 1915 » Rieter, Emil, Stadtchemiker .. . . . Ausstellungsstr. ” 5 1921 . s » Ris, Friedrich, Dr. med., Direktor der Pflegeanstalt Rheinau . a Ritzmann, Emil, Dr. med. . . . „ Bahnhofstrasse 58 1 1889 s » Rollier, Louis, Dr., Prof., P.-D. Geol, ER a Hoss Sonneggstr.5 . 6 :1905 » Roothaan, Hans Philipp, Geologe, pr. Adr. Frau M.Roothaan, Gossau, Kt. St. Gall. 1917 » Roth, Conrad, Ing., Direktor i . Zollikerstr. 10, Zollikon 1919 s » Roth, Otto, Dr.med.,a.Prof. Bakt. a. ci th Hocheih; Engl. Viertelstr. 54 . 7 1891 > Roth, Wilhelm, Dr. med.. . Plattenstrasse 34. . 7 1910 » Rothpletz, ‚are Friedrich, Garteninspakti . . Belvoirpark 2 193 s » Ruckstuhl, Werner, Dr., Chemiker . .. . z, Homberg, Kemptthal 1917 L>» Bat Schmerzen Eduard, Kanfinann . 2. Scheideggstrasse 45 . 2 1912 sFrl. Rübel, Cecile . . Zürichbergstr. 35 7 1918 ZsHr.Rübel, ae Dr., Other, Priv. De E. T. H. Zürichbergstrasse 30 7 1903 sFrl. Rübel, Helene ; . . Zürichbergstr. 35 7 1918 Hr. Rüeger, Armin, köokkekär,a 2, Hebel ; . Bischofszell 1 s » Rüst, Ernst, Dr., Prof. an der kant. Handelsschule . Hadlaubstrasse 106 .6 1910 s » Rutgers, Fritz, India Zürichstrasse 11 . . . Oerlikon Hr. » LE» % “ % v » > v vvvry y Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich, XLIX Stadikr. Mitgl, Zürich seit Rutgers, Joh., Dr. med.. Arz 200000 0 Wilhelminalaan 21, Lochem (Holland) 1919 Rutishauser, Friedrich, hokkhrer . 20.0. , Winterthurerstr. 58. 6 1916 Rütschi, Alfred, . Theaterstr. 12° .=. 1 1920 Ruzicka, Leopold, "Dr, P. .D. a. Chäägie an beiden Hochschulen . . . Winterthurerstr. 40 . 6 1921 Salis, Theophil, Apotheker . . . . . 2 2... Werdstrasse 5. 4 1917 Banmet; BIS, Dr. Apotheker . .....,....... ae 42 6 1912 . Schaefer, Margrit, cand. med. . . . . . . . Zeltw Ka Re N) ". Schäppi, Theodor, Dr. med. et phil. . Serena. . 7 1904 Schärtlin, Georg Gottfried, Dr., Direkt. a. Benkenariik, Mythenstr. 1 . 2 189% Schardt, Hans, Dr., Prof. Geol. an beiden Hochschulen Ya 18 ee 1081 Schaufelberger, Wilhelm, Dr. . . Riedtlistrasse 72. 6 1902 Schellenberg, Hans, Dr., Prof, ke an & ale, Hochschule Hofstrasse 63 . a Schellenberg, Kaspar, u; Tierarz . Hofstrasse 65. . 7 1896 Scherb, Richard, Dr. tisd, en Don; a. ;; Uni; Anstalt Balgrist, Forchstt. 326 . . . 7 1921 Scherrer, Paul, Dr., Prof. d. Physik a.d.E. T.H. Gloriastr. 35 7 1921 Schindler-Stockar, Dietrich, Dr. jur., Rechtsanwalt . Rämistrasse 2. 1 1911 Schindler, Konrad, Dr. med. . . . Seegartenstrasse 2 8 197 Schinz, Hans Rudolf, Dr. med., P. .D. a. ee nr. Leiter d. en -Inst. a. Kantonsspital . . Seefeldstrasse 12 8 1920 Schlaginhaufen, Otto, Dr., Prof. Anthrop. a. d. Uni v. Susenbergstrasse 94 7 1904 Schläpfer, Paul, Dr.,Dir.d.Eidg. rag f. Brennst. a. LEN. Gladbachstrasse 62. 6 1917 Schleich, Karl, Dr., Chem . Kemptthal . — 1918 Schmid, Ed., Dr., Prof. an A Kane, lirtrienehle a.Landstr, 42, Kilchberg 1905 Sohmidlin-Lindt, L. Laurent, Fabrikdirektor . . Thalgarten, Kichteräwil 1920 Schmidt, Oscar, Dr. ‚Direkt.d. Akkumul,-Fabr. Oerlikon Scheideggstrasse 35 . 2 1900 Schneider-Orelli, Dr., Tit.-Prof. f. Entomologiea.d. E. T. H., Höngg, Bernie 64 — 1922 -1 Be] D{ a Schnorf, Carl, Dr. med. v Schnyder, Othmar, Dr. det, vet, "Prof. = Baiatrik a. ri Univ. Dianastr, 8 2 1922 Schoch-Etzensperger, Emil, Dr. ; . Zollikerstr. 136 — 1898 Schöller, Fried. Arthur, Kadtiian u, Parkrine 9 2 1919 Schöller, Walter, Kaufmann . . Ho ei 16. 7 1910 Schöllhorn, Fritz, Brauereileiter. Branarel Huldengut, Winterthur . . — 1917 Schönenberger, Friedrich, Ing. . . . . . . . Allenmoosstrasse Il, Oerlikon . — 1919 Schoop, Max Ulrich, Physiker . . Hardturmstrasse 822 . 5 1912 a Bee Dr., Prof. f. bei Physik a a. =: Univ Mer . Huttenstrasse 9. . 7 1921 _ von is ABER Anton, D r. med. . Wasserwerkstr. 53 . 6 1889 Schulthess-Hünerwadel, Hans, Verlage Buch . Rämistrasse 52 7 1910 Schulthess, Willy, Dr. jur, Vize-Dir . Guggerstr. 26, Zollikon 1919 Schultz, Gustav, Kaufmann . . ee, Konkordiastt. 28; 7 1918 Schwarz, Emil, Dr. med., Yorrkserst era, U SBIROREEES . . . 1 21910 Schwätz: Ernst, Ingenieur . . sn, Schmgterst- 7 5; .6 1931 Schwarz, Heinrich, Dr., ‚Chemiker nn. a tr Korneirasse 4:2 ui: 1980 Schwarzenbach-Fürst, Arn 2 000. „ Kilchberg b.’Z., Beewart — 1916 nn Ir} v Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. . Schwarzenbach, Ernst, Dr. med. . . Schwarzenbach, Marthe, stud. Pick i i . Schweizer, Armin, Dr. jur., Hechtsunwatt ; Schweizer, Robert, Dr. ars Schwyzer, Fritz, Dr. Schwyzer-Ellsworth, Ai, Kaulmamn Seeberger, Xaver, Dr. Seiferle, Eugen, stud., en Be Seiler, Ulrich, Dr., Prof. am kant. EN Seitz, Johann, Dr. med. 2 2 Sigerist, Henry E., Dr. me . 2.d. Sigg, Hermann Otto, Kaufmann, aaa 110 . Sigg, Martha, alte Landstrasse 110 . . Silberschmidt, William, Dr. iied: Prof. an e® Tan. Slotopolsky, Benno, Dr. een am Anatom. In- stitut der Universität Sonder, Richard, stud. geol. . Speiser, Andreas, Dr., Prof. Math. a. a Universität Talas Sponagel, Paul, Dr., Chemiker . . Stadtmann, Doris, nr med. . Staehelin, Markus, Dr., Ass. a la Btäkn federale d’essais viticoles Stähli, Jean, Dr. med., Priv. Ei: i ea a. 1 Universität Staub, Hans, cand. chem . Staub-Elmenhorst, Mary Ellen Staub. Rudolf, Dr., Geologe . Staub-Wagopoff, ‚Sara cand. geol. \ . Staub, Walter, h Staudinger, vr De ‚Prof dran Hochschule Hadlaubstrasse 81 . 6 1912 1 Steiger, Alfred, D.D. S., Zahn: Steiger, Karl, Kunstmaler Steiner, Gotthold, Dr., Bureau of Plant Kant De- partement of Agriculture Steiner, Hans, Dr. phil. Steiner, Hans, Dr., Metarickten, Stieger, Anton, D Stierlin, Hans, Dr., Bit am tank Oyiaaiii a ; Pästaliseistragse 29. . Plattenstrasse 86 . . Rieslingstr. 8. Stadikr. Hitglied Zürich seit . Stockerstrasse 32 _ . 2 1907 . Kilchbergb. Z., Seestr.107 1921 . Rüschlikon, alte landstrasse 1919 { ne 15% 1910 . Kastanienbaum b. Luze i ee ve 1913 . Trottestr. 11 1918 : Bere 1918 Tee wen — Se) fe) fr Ebelstrasse 7. 1918 Küsnacht (Zürich) . — 1918 Küsnacht (Zürich) . — 1918 Zürichbergstrasse 54 7 1903 ee u es 1% = EEE . Be Tania 9 a . Bergstr.5 . a ausanne en 1919 Hadlaubstrasse 7. . 6 1917 Gladbachstr. 54 . 7 1917 . Hauptpostlagernd Zürich 1919 - Staub, Paul, dipl. Chemiker,M.O. Wurinptön Kramnik 4543, St. Louis, U. S. A. 1919 , Rieslingstr.8. . . 7 ı911 . Hegibachstr. 38 . Bahnhofstr. 30 . Kilchberg b. Zeh... . -— 1910 . Washington U. S.A. — 1911 . Universitätstr. 65 .6 1912 Frohburgstrasse 63 6 1910 Stodola, Aurel, Dr., Pr of. Masch. a. d. techn. Hochschule ee A „. LaV Stoll, Hermann, Dr. jur., Industrieller Stoppani, Giovanni Ambrosio, Dr. med., Prof. an en Zahnarztschule der Universität Straessle, Anton, Kaufmann erstr. 15. . . 2 1918 . Bahnhofstrasse 30 . 1 190% . Altstätten,Kt.St.Gallen 1918 » Strohl, Hans, Dr., Prof. Zool. a. " Universität, Zollikon, Wytellikerstr. 12 — 1907 x Stünzi, Walter, Fabrikant Täuber, Karl Paul, Ingenieur Tank, Franz, Dr. Prof. f. Physik a. E E. T. H. . Alpenstrasse 1 . . 1920 , Rotbuchstrasse 33 . 6 1910 . Spyristr. 39 a a Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich, LI Stadtkr. Mitglied Zürich seit sHr. Thellung, Albert, Dr., Prof., P.-D. Bot. a. d. Univ. nee 33: € 1911 » Tieche, Max, Dr. med, Priv.-Doz. a, d. Univ. ofstr. 2 1 1920 s >» Tobler, Adolf, Dr., Prof. Elektr. a.d. techn. Hedkschiis Winkelw 4 E78 s » Treadwell, William D., Dr. Prof. d. Chem. a. d.6.1.H. Hö wg a, Zollikon — 1916 » Trueb, Reinhold, Ingenieur, Fabrikant . . .„ Hombrechtikon — 1911 » Trümpler, Gottfried, Dr., Priv.-Doz., Küsnacht (Zch.), Felseneggstr.. . — 1922 s » Tschulok, Sinai, Dr., Prof., Fachlehrer für Naturwissensch. und Privatdozent an der Universität . . Gloriastrasse 68 7 1909 s >» Uehlinger, Arthur, dipl. forest., Forstpraktikant, Kreisforstamt 4, arau, Westallee 8 — 1920 » Ulrich, Alfred, Dr. med., Leiter der aa Anstalt Südstrasse 150 .. 8. 1908 » Ulrich, Konrad, Dr. ned, ; . Börsenstrasse. 16 1 1912 » Usteri-Pestalozzi, Eduard, ie: u u Thalacker 5 ek 1918 s >» Veraguth, Otto, Dr. med., Prof. a. d. Universität . . Gladbachstrasse 90 . 7 1903 Vetter, Hans J., med. pract., Ass.am pathol. Inst. d. Uni . Zürich - ...— 19% » Viollier, facal- Dr., Pr of. a. d. höh, Töchterschule Forchstrasse 145 er 1981 » Vogel, Theodor, Anokeher . Seefeldstrasse 831. . 8 1916 LFrl.Vogel, Vera, cand. med. . . . . Zürichbergstr. 6. . 7 1919 sHr. Volkart, Albert, Dr., Vera e Baikein land- wirtschaftlichen Versuchsanstalt Oerlikon . Frohburgstrasse 67 . 6 1900 s » Vonwiller, Paul, Dr. med. et phil., Anatom. Tnstilat Zürich >77 1018 » Voornveld, H.: J. A. van, Dr. med. Re a 3 58 N 6 1921 » Walter, Theodor, Dr. med., prakt. Arzt. . . . Wetzikon — 1920 » Walthard, Max, Dr. med. Prof, d. a a. 7 . Voltastr, 16 ne Tr s » Waser, Ernst, Dr., Ghetniken: Prie; eos; a: & Univ. Freie Strasse 5 . . 7 1915 » Weber, Emil, Dr., Sekundarlehrer. . . . . Hotzestrasse 48 6 1911 s » de Weck, Alshönse, Dr. phil., Square des Places 2, Fribourg (Suisse) — 1920 » Wegmann, Gustav, Ingenieur . . Hofstrasse 132 "1808 s » Wehrli, Hans, Dr., Prof. Geogr. an de Univar sität . Kurhausstrasse 11 . 7 1903 s » Wehrli, Leo, Dr., Prof, Geol. a. d. höh. Töchterschule Hochstrasse 60 :T 1895 » Wehrlin, Kurt, Dr. med.. . . Steinwiesstr. 17 7 1917 s » Weiss, Pierre, Dr., Directeur de I RR de Priya. & Univ. u: urg . . — 1902 s » Wettstein, Ernst, Dr. Prof. an der kant. Industrieschle . . Atte rer 34 7 1904 » Weyl, Hermann, Dr., Prof. Math.a.d.techn. Hochsch. . Bolleystrass 6 1915 Widmer, Adolf, Dr. med. . EEE ee er 2 2 1916 » Sun, Rudolf, Syinsieline Rn Öberrieden b. Zch — 1910 $ » Wiegner, Georg, Dr., Prof. Agr. Chem. a. d. techn. Iochschale . Neptunstr. 14 . 7 1913 » gear Theodor, Sekundarlehrer . . . „ Dreiwiesenstr. 9 7 1907 » Wild, Emi . Bergstrasse 16, Zollikon 1922 s >» Wild, Fe Dr. a Peine a. PR Universität Steinwiesstrasse 31 . 7 1911 s » Winterstein, Ernst, Dr., Prof. MR: Chem. a. d. techn. Hochschule . ; . . Physikstrasse 4 1.1898 » Witzig, August, ee eewartstrasse 21 . 2 1919 s » Wolter, Alfred, Dr., Prof. ne an beiden ee Sternwarte . . 6 1880 Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 67. 1922 LI Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. &: Hr. Wolter Paul, Di mel, = +: 4. 23-2 ,-Weinplatz >» Wyss, Franz Jos., Dr. med. . . . :. .......... Haldeneggsteig ‘5 » v. Wyss, Georg, Dr. phil. “0... Bärengasse 19 s » Wyss, Hans 0Osk., Dr. De Sreki. Kr 2.0 „. Steinwiessir'37, s » Wyss, Max Oskar, Dr. med., Privatdoz. a. d. Univ. Häldeliweg 17 v » v. eg r, Wilhelm, Dr., Prof., Rektor der höhern Töchterschule (ält. Abt.) . . + Winkelwiese 5 v. Wyss, Walther, Dr. med. . Wilfriedstr,. 12 Wyssling, Walter, ee Prof, Bekir. an de -- Hochschule . Wädenswil . Stadtkr, Mitgl, Zürieh seit ade 1916 6 1920 12.1918 42.1918 1# 1910 pi i 1911 er — 188 Yamasaki, Haruo, Dr. med., bei Hrn. Z. Matsuura, Miogadani, Koishi- kawa Tokyo, Japan 1920 Zangger, Heinrich, Dr. med., Prof. an der Universität Bergstrasse 25 Zeller-Williger, Inder Ingeneun ; . Rütistrasse 10 Ziegler, 3. H., Dr., Chemiker . . . Talstrasse 29 Zietzschmann ir Br Prof. Veh Med.a. d. Goiser sitit Seefeldstrasse 115 Zölly-Veillon, Heinrich, Ingenieur, Dr. h.c. . . . Brunaustrasse 42. . Zollikofer, Clara, Dr., Assist. u. P.-D. Bot. a.d. Univ. Obere Zäune 4 . . Zollinger-Jenny, Ernst, Fabrikant . . Bellariastrasse 57 Zschokke, Erwin, Dr. med., Prof. an der Universität Selnaustrasse 36 . Zschokke, Theod., Obetbontächniker a. d. eidg. Ve suchsanstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau . . Wädenswil . Zuppinger, Emil, Fabrikant . . . ». . ...... .„ Wallisellen . Zürcher, Ernst, Buchdrucker . . . . . . .. ..„ Brunngasse 2 Zürcher, Joh. Friedr. arten, SR Zweifel, Fritz, Dipl. Ang. ie ar Freie ausländische Mitglieder. ", Bluntschli, Hans, Dr. med., Prof. Anat. a. d. Univers., Gärtnerweg 54 Frankfurt a. M. Driesch, Hans, Dr., Uferstrasse 52 . . . . .. . Heidelberg . v. Eggeling, Heinrich, Dr. med., Prof. an d. Universität Jena . Emden, Rob., Dr.,Prof. an d. techn. Hochseh. (Phys,), Habsburgerstr.4 München Ernst, Paul, Dr. med., Prof. an d. Univers., @raimbergw. 8 Heidelberg v. Frey, Max, Dr. med., Prof. an der Universität . Würzburg . Goldschmidt, Heinrich, Dr.. Prof. Chem. a. d. Univers. Christiania Höber, Rudolf, Dr. med., Prof. an d. Univers. (Physiol. Inst.) Kiel . Jordan, Hermann, Dr., Prof. Physiol, Frans Halsstraat 19 Utrecht . v. ee Dr., Prof. Phys., Inst. für theor. Sr ppenzell . alte Landstrasse 398, Rischfikon = 1918 MN aD 00 II rt ne) oO vum It sh Yilel, 1904 1916 1892 1914 1888 1914 1888 1914 1901 1914 1898 1914 1881 1914 1889 1914 1903 1914 1912 1914 Labndiay, Nahum, 6, u Ne a. ” Tim. Ns ; Ri, 1 en 1909 1922 Lifschitz, Israel, Dr., Anorg. chem. Laborat. der Reichsuniversitä t. ; . Groningen, Holland 1917 1921 Lorenz, Richard, Dr., Prof. Herten an & Univ, Frankfurt a. M. 1897 1914 Martin, Paul, Dr., Prof. Anat. a.d. Univers., Johannesstr. 15 Giessen . .. 1889 1914 Martin, Rudolf, Dr., Prof. Anthrop., Laplasss tr. 24 München 0. 97 ..1890 1916 ee Verzeichnis der Mitglieder der Naturf. Gesellschaft in Zürich. sHr. Maurizio, Adam, Dr., Prof. Bot. a. d. Hochschule Lemberg . » Mollison, Theod., Dr., Prof. . Breslau, Arabia » Morton, Friedrich, DE Universität, wien & » Sauerbruch, F., Geh.-Rat, Prof., Dr., Chirurg. Klinik, München s » Schall, Karl, Dr., Prof Chem. an der Universität, Sternwartenstr. 79 » Stix, Oswald, Dr. ing., Ingenieur, Seidlgasse 14 . . Wien III » Weber, Friedr., Dr., Geologe a ee 1. » Zschokke, Markus, Dr. med., vet., Tierarzt . . . Pretoria (S.-Afr.) XII. A. Vorstand. Präsident: Hr. Quervain, Alfred de, Dr.. Prof., Gloriastr. 68 Vizepräsident: » Hescheler, Karl, Dr., Prof., Rotstrasse 2. tär: » Schlaginhaufen, O., Dr., Prof., Bhheigstrasee 94 Quästor: » Baumann-Naef, M., Dr., Tödistrasse 39 u Redaktor: » Schinz, Hans, Dr., Prof.. sg 12 Vertreter in der Kommission der Zentralbiblioth ee en Prof., ENERE 4A Vertreter im San 8: N Frei, W., in Prof., Höhestr. 68, Zollikon » Schläginhaufen, Otto, Dr.. Prof. (Stellvertreter) . Beisitzer: » Bosshard, E., Dr., Prof., alte Beckenhofstr. 48 . » » Kienast, A., Dr., Küsnacht (Zürich) ; » » Rübel, E., Dr., Zürichbergstrasse 30 B. Rechnungsrevisoren 1922-1924. Hr. Escher, Wilhelm Caspar » Wegmann, Gustav Abwart: Hr. Zeller, Adolf, Maler, Zürich 3, Stationsstr. 19. Mitgliederbestand. LI 1902 1914 om 1914 5 1920 1911 1920 1889 1914 1908 1914 1904 1914 1917 1920 Austritts- jahr er 9232-1924 se: 1924 1920-1926 1918-1924 1922-1928 1919-1928 1919-1928 1922-1924 ‚1922-1924 1922-1924 Auf 31. Dezember 1922 I. Ehrenmitglie Il. arseen ur Mitglieder II. Ordentliche Mitglieder i IV. Freie ausländische Mitglieder : Der Autor erhält von der Gesellschaft 50 Freiexemplare ohne Umschlag geheftet, weitere Exemplare ohne Umschlag sind zu nachstehenden Preisen erhältlich: Preise für Separata aus der Vierteljahrsschrift. Die Kosten für Heften und Beschneiden sind in diesen Preisen inbegriffen, nicht aber diejenigen für allfällige Tafeln. 25 50 75 125 150 | 175 | 200 | :225 | 250 | 275 |: 300 Exempl. | Rxempl. | Hxempl. | Exempl. | Exempl, | Exempl, | Exempl. | Exempl. | Exempl. | Exempl. | Exempl. | Exempl. Fr. Fr Fr. Fr. Fr. Fr, Fr. Fr. Fr. Fr. Fr. Fr. !/k Bogen = 2 Seiten . 1.40 | 2.80| 4&.20| 5.60| 7.—| 8340| 9.80| 11.20 | 12.60 | 14. — | 15. 40 | 16. 80 u #5 2,— | 4&—| 8—| 8—|10.— 112% — | 14. —- | 16. — | 18. — 120. — 122. — 124. — h . =B_, 2.60| 5.20| 7.801|10.40 | 13. — | 15. 60 | 18. 20 | 20. 80 | 23. 40 | 26. — | 28. 60 | 31.20 Ms mi, 5.— | 10. — | 15. — | %. — | 25. — | 30. — | 35. — | 40. — | 45. —- 50. 156. — 80, Umschläge mit dem Titel der Abhandlung || 14.— | 16. — | 18. — | 20. — | 22. — | 24. — | 26. — | 28. — | 30. — | 32. — | 34. — | 36. — hai „Vierteljahrsschrift“ der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich n Kommission bei Beer & Co. — kann durch jede Buchhandlung be- en werden. Bis jetzt sind erschienen ee 1-66 (1856—1921) als Fortsetzung der in 4 Bänden (1847—1855) veröffentlichten „Mitteilungen“ der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich. Der Ve erkaufspreis der Jahr- gänge 51-61 beträgt Fr. 12.—, Jahrgang 62 und 63 je Fr. 22.—. Ältere Jahr- gänge sind, soweit noch vorhanden, zu reduzierten Preisen erhältlich. Der 41. Jahrgang — Festschrift der Naturforschenden Gesellschaft zur Feier ihres 150jährigen Bestehens — kostet 20 Fr., der 64. Jahrgang (1919) Fr. 40.—, der 65. (1920) Fr. 34.—, Jahrgang 66 Fr. H4— Di seit 1799 in ennnterbrocköner Folge vonder Gesellschaft herausgegebenen „Neujahrsblätter“ sind ebenfalls durch die Buch- ea Beer & Co. zu ri Seit .. sind Each arrenbildungen, 1913. 6. Asper: Wenig bekannte Gesellschaften en Tiere. R. Billwiller: Kepler als Reforınator der Astronomie. 1878. Die egilche Station auf dem Säntis. 18838. Ernst t Blu mer: Geschichte des Erdöls. Bilder aus der Ve unseres Planeten. 1920. K. er Zur Geschichte des in der Schweiz. 1906. H. ockmann-Jerosch: unfels "und Surchrut. 1921. C. Ceahsn Bau und Wachstum des ae Ne halmes. 1889. M. Düggeli: Die a 1919. Forel: oz Nester der Ameisen. 1893. H. Fritz: s der chen Physik. Die Sonne. 1885. U. Grubenman un: Ueber‘ die Rutilnadeln einschliessonden Bergkrystalle vom Piz Aul nd Bnndneröterinnt 1899. iedrich Wiser (1802—1878). ebene eines Zürcher Pe ae 19 . Hartwich: Das Opium als Genussmittel. sie, Alb. Heim: Ueber Bergstürze. 1882. Geschichte des Zürichse 1891. Die Gletscherlawine an der Altels am 11. September 1805 unter Mitwirkung von L. Du Pasquier und F. A. Forel). (un F3 see 1905. Der Bau der Schweizeralpen. 1908. Die Mythen. Arn. Heim: Über Grönlands Eisberge. 1911. ‚Auf dem Vulkan Smeru auf Java. 1916. Th. Herzog: Reis ebilder aus Ostbolivia. 1910. E Hescheler: Sepia Keen Der gemeine Tintenfisch. 1902. Der Alten. 1884. Die Blutbuche 2 Buch am Irchel. 1894. C. Keller: Über F ea in der Tierwelt. 1879. A. Lang: Safer der Mammut- funde (mit Bericht über den A in Nahen) 189 unge: Reraen: sonst, jetzt und einst oesch: Wohl in und ... iehen unsere Vögel. 1877. Der japanische Riesensalamander und fossile Salamander von en 1887. J. Pernet: Hermann v. Helm- holtz. 1895. A. de Quervain: Aus der Wolkenwelt. 1912. M. Rikli: Kultur und eher von äh spanischen Riviera. 1907. Eine Frühlin fahrt nach Kreta 1917. F. Rudio: Zum hundertsten Neujahrsblatt Naturf: enden Gesellschaft. 1898. E. ur :här: Das Zuckerrohır. 1890. H. Schinz: Schweizerische Afrika-Reisende ni der Anteil der Basen an der ein, eg) und ‚Erforschung Afrikas s überhaupt. 1904. Otto. 3 = Greg ä Die Wassernuss und der Tribulus „ders; Schlaginhaufe 1914. Die Technik der künstlichen Fischzucht. Tabelle zur Heichten 2 sy me für die Herr dan 191. Leo W ehrli: Ders versteinerte d zu Chemnitz. 1915. A. Weilenmann: Über die Luftströmungen, insbesondere die Stürme Europas. 1876. Die elektrischlän Mr und ihre wendung zur geligie en nach Marcon Die Bücherbestände der Naburten es hraaser:: ya schaft, die mit dem 1. Januar 1916 in den Besitz und damit auch in die Verwaltung der Zentralbibliothek übergegangen sind, stehen den Mitgliedern unserer Gesellschaft nach Massgabe der Benutzungsordnung we. Zentralbibliothek zur Verfügung.