| Zeitschrift

Naturwissenschaften.

Organ des naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen

und Thüringen, unter Mitwirkung von

Geh. Rath Prof. Dr. Freih. von Fritsch, Prof. Dr. tarcke, Geh. Rath Prof. Dr. Knoblauch, Geh. Rath Prof. Dr. Leuckart, Geh. Rath Prof. Dr. E, Schmidt und Prof. Dr. Zopf

herausgegeben von

Dr. G. Brandes,

Privatdocent der Zoologie an der Universität Halle.

67. Band. (Fünfte Folge Fünfter Band.)

Mit 7 Tafeln und 16 Textfiguren.

Leipzig. C. E. M. Pfeffer. 1894,

Inhalt des 67. Bandes.

I. Original- Abhandlungen.

Compter, G., Dr. Die fossile Flora des unteren Keupers von Ostthüringen, - Taf. I—IV . . ne

Dathe, A., Theorie des Färbeprozes: i

nö. Max v., Dr. Hilfsmittel der Schling- und Renken- pflanze

Donath, Fa, "Prof. Ueber die hydrolytischen Spaltungen orga- nischer Substanzen +

Förtsch, Dr., Major a. D. "Vergeschichtiieke "Töpfereigeräthe aus der Umgebung von Halle. fel

Fritsch, K.v., Prof. Dr. Das Gefüge dilnvisler ER gebilde am Goldberge bei Halle a.S. Taf. V-VII

Gross, Premierlieut. Der Luftballon im Dienste der Wissen- schaft .

Kobert, R,, Prof. Dr. Ueber die Wirkmgen des Septentzionalias

Lampe, Dr. Ueber neue Fundorte der subhercinischen Kreide- BE ee ae en ee

Marshall, W,, Prof. Vertheilung der Farben bei einheimischen Schmeitterlingen .

Ueber thästgnögehphlsihe Desishangin äss südwentiicheh

Theils der palaearktischen Region zu deren —_— Hälfte

Müller, Kurt, Dr. Ueber Immunität und Immunisirung Schmeil, O., Dr. Einige neue Harpaticden-Formen des. Süss- wassers. 6 Figuren im Text . . u Schmidt, K.E.F,, Dr. ee Angust Kundt, "Nachruf i Zur ‚Erinnerung an Hermann v. Helmholtz . . Die Elektrochemie und ihre Bedeutung für die Terkuik . Sehulze, Erwin, Dr. Ueber das System der Pflanzen. . . - Faunae mammalium saxonicae supplementum . Simroth, Heinr., Dr. a über die Mörhologie der

Smalian, C, Dr. Altes u. Neues aus dem vr der Ameinen Veckenstedt, Edm., Dr. Zur Bestimmung der 12 Edelsteine

am Amtsschild des Hohenpriesters . . . as ee

Seite

s AnaneE | a8

8

IV Inhalts-Verzeichniss.

Wiener, H,Dr. Die re Construction zweier Sinus- ER ERTE (10 Figuren im Text. at W., Dr. Prof. Der sent Schotendotter als Gift- pflanze . .

II. Kleinere Mittheilungen.

Mathematik und Astronomie,

Die Monde des Jupiter. . Dre Bee, Das grüsste Fernrohr der Welt. een Ein neuer Komet Ve ee

ern der Mllchsteasse , Kom

Ein us rt EN ra ie Bihenstaionen ee er Neue Riesenferur

Die Helligkeit des erinnere Ai Die e Strahlung der Some

Der Encke’sche Kom ; ei ee . Die Weltstellung u a LEN re sn Auuos von Saturn und Uranus 3 0, oc ee ; Chemie und Physik,

Ucher dm Ei an IE ee ek a a el

n Zeiss : Re En as were der Glssindnstrio N Optisches Verhalten der Alaune . re . ea er ; : j Boraluminiumbron

Telegraphiren ra Drahiverbinfung.

Schmelzpunkte anorganischer Salze .

Direkte Verwandlung zn Energie i in Licht. Ein Usi- versal- Elektrodynamome

Ein neues ee ; Die älreeis Umwandlung de chemischen Energie der Kohle in elektrische

Sulfide des Phosphors u. a.

Frick sches Holspleiinbiih u... ©... 2... en

Ein neuer Bestandtheil der Luft . . . . 2.2 2.0. .

Das Alpenglühen ; t

mo -; ..cu

Mineralogie und Geologie. Quecksilberbergwerke von Avalaberg Kopal aus Ostafrika Die Iberger Gletschert rtüpfe Zwei neue Fundorte von Ölrieshssbubseiiuiien re

. . . .

*

Seite

Inhalts-Verzeichnise,

Seite Trinidad- er En ET DET NER Schlier in Mähre ER ar Gangspalten des Wochmeäkhiasse ee 269 Dür grösste Dismant . - u. nein Neuer Fnndort für Diamanten . . : 2. 2 2 02 200.269 Südindische Kreideformation i ; res 270 Neues Vorkommen von E b g dä. Minerale 367 Musnss Oypakıyslalls . . es ar ren u 368 Botanik, Zoologie und Palaeontologie. Kröten durch Fliegenmaden getödtet. . . » » » 2.2... 19 Zur Amphibienfauns Schlesins. . -. . . ».. .». 2... .319 Ein brütender Tintenfisch 5 122 Ein neuer Acranier . 271 Dr. P. Knuth’s blihenbiologische, Beobachtungen 271 Enchytraeiden als Rübenschädig - ‚ne 008 Essbare Flechten . . : N ee 277 Die Bacterien als Pflanzenfeinde Su SE u a ee a er Einfluss der Nahrung auf er ee ne: BE TEE | Ueber Alca impennis . Et 284 Die Einführung. des Seidenbauen in n Deutschländ ei. 287 Kleine Wohlthäter der Menschheit . EI RUHTN 288 Die Abstammung unserer er 289 Kreuzung eines eg Wildebers mit einem Büindener Schwein . A . 369 Ueber die Wa liche 371 Ueber einen dtzenthlimlichen. Aufenthältiort ür Afterskorpione 373 Anpassung der Pflanzen an die Ni SOCENUEREER 375 BR Tmre 2, 0. A ee ee Chilaspis Löwei. . a} Unilateraler Melseisans- bei Haden striii. 458 : Insekten der Steinkohlenzeit . . 4 458 Die eierlegenden Säugethiere . 459 Mediein. Die Geburt von Sechslingen 123 Die Fresse zur Diphtheriebehandlung des Menschen . 292 Zur Akromegali 293 Neuer pe En Photographie dos Netehantbildes 294 Veränderungen der nn bei Tabes dorsalis . 378 Die scheintodt Begrabenen s ee 378 Aus verschiedenen Gebieten. RR Dis Chemie den Orsams.. . sn ae

VI ° Inhalts-Verzeichniss.

DEREN 2, 2 ee er Ueber Lawinen . A N en Meteorologische. kant RE waren Der in Wien am 7. Jen 1894 . 2

Litteratur- Besprechungen. TEEN Physikalische Chemie der en 5 Barth, ‚Zur Theorie des Weltgeschehens . Bechhold’s Handlexicon der nie siheften : Behla, Die Abstammungslehre ete. . Behrens, Das mikroskopische Gefüge der Metalle Berichte der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg Bertram, Exceursionsflora. . 5 Bücking, Sulfoborit, ein neues Borat 3 von | Westerogeln n Dammer, Anleitung für Pflanzensammler . - Drude, Physik des Aethers Föppl, Einführung in die Karwellsche Theorie a. Elektrieität Garcke, Illustrirte Flora von Deutschland . . Haacke, Gestaltung und Vererbung. . se Harbordt u. Fischer, Mach,s Grundriss der Physik EI Hayeck, Lehrbuch der Zoologie . . - in Heyne, Die exotischen Käfer in Wort und Bi te Hofmann, Die Schmetterlinge Europas (11—18 nstructionen für Beobachter netsorolgche Bealonn Karsch, Vademecum botanicum Keller, Das Leben des Meeres (Lief. = 2 ü Kerville, H. G. de, Die leuchtenden Thiere und Piiiises : Kolibach, Naturwissenschaft und Schule, 2. Aufl. Klimpert, Hydrodynamik . Klingraeff, H. von, Die Leber- ni bias; u.W Koch, Rob., Fortschritte in der Lehre von d. Gährungsorganismen Krebs, Erhaltung der Mansfelder Seen Krieger, Zur Kenntniss der üysenopierenlinns dos Königreichs

Ben.

Lenz, Nützliche, schädliche im Verdächtige Pilze KC Auf) Nalepa, Zur Kenntniss der Phyllocoptiden Ostwald’s Klassiker Nr. 43, 4851. . Prantl-Pax, Lehrbuch der Botanik Rohweder Blüthendiagramme . Schreiber, Klimatographie des Könier. Bacheen.. Sievers, Amerika . Sorge, Religion und Naturwissonschaft kalls Gegensätze Sprockhoff, Praktische Naturkun Stenzel, Weltschöpfung, Sintfluth 4 Gott. Basen Sterne, Carus, Nordische Herkunft der ee Tarnuzzer, Falb und die Erdbeben

Seite

Inhalts-Verzeichniss. Vvil

Seite Voigt, Excursionsbuch zum Studium der ee en. Wacker, Onze Zaadplanten 18%. . ine Westermaier, Compendium der allgemeinen Botanik . 0. 888 Wiedemann, Elektriecität, 2. Bd.. . 142 Wiesengrund, Die Elektrieität etc. für Totaiäkın verständl. 301 Wildermann, Jahrbuch der Naturwissenschaften 93/9 . 151

Zimmer, Ueber das Wesen der Naturgesetze

Neun erschienene Werke . . . . 2.2... 4,156, 815, 470

Statuten

Naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen und Thüringen

Halle a. S.

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©: E:

Der naturwissenschaftliche Verein wurde gegründet am 21. Juni 1848 und führt seit dem 7. Dezember 1852 den Namen Naturwissenschaftlicher Verein für Sachsen und Thüringen in Halle a. S.

2.

Zweck des Vereins ist Pflege der Naturwissen- schaften zur Belehrung, Anregung und Unterhaltung mit besonderer Rücksicht auf die natürlichen Verhältnisse der Provinz Sachsen und Thüringens.

(Zur Provinz Sachsen werden auch die natürlich dazu ge- hörigen Ländergebiete gerechnet, nämlich ganz Anhalt sowie die Braunschweigischen und Hannöverschen Anteile des Harzgebirges. Thüringen umfafst die sämtlichen sächsischen Herzogtümer und die fürstlich Schwarzburgischen und Reussischen Landesgebiete,)

83.

Dieser Zweck wird erreicht durch Vorträge und Mitteilungen sowohl eigener als fremder Untersuchungen, jurch Besichtigung naturwi haftlich int Orte, Fabriken und sonstiger Einrichtungen, durch Herausgabe der Zeitschrift für Naturwissenschaften und durch Füh- rung einer Bibliothek (vgl. die Bibliothekordnung).

Zweck des Vereins.

Von den Sitzungen,

Von den

Mitgliedern.

N

54. Die Versammlungen des Vereins sind regelmässige, und zwar wöchentliche, am Sitz des Vereins in Halle, und jährliche, allgemeine.

55.

Nach besonderem Ermessen werden die wöchent- lichen Sitzungen zu öffentlichen ausgedehnt, in welchen nur allgemein belehrende und unterhaltende Vorträge gehalten werden.

S 6.

Es finden jährlich zweimal allgemeine Versamm- lungen statt und zwar eine zweitägige und eine ein- tägige.

54,

Der Ort der allgemeinen Versammlungen wird auf der jedesmaligen zweitägigen Versammlung für die beiden nächsten festgestellt.

Als Ort für die eintägige soll in der Regel Halie gewählt werden.

Ss 8.

Der Verein besteht aus wirklichen Mitgliedern (ein- heimischen, d. h. in Halle wohnenden, und auswärtigen), correspondirenden und Ehren-Mitgliedern.

Hallische Studenten können als Teilnehmer die Sitzungen des Vereins besuchen.

s9.

Wirkliches Mitglied kann Jeder werden, der die Ziele des Vereins in irgend einer Weise zu fördern be- fähigt ist.

8-10:

Die Anmeldung geschieht durch Vorschlag von Seiten dreier Mitglieder, die Ernennung in der nächsten Sitzung durch den Vorsitzenden.

Die Teilnehmer haben sich nur beim Vorsitzenden anzumelden.

ran

SH.

Zu correspondirenden und Ehrenmitgliedern können um den Verein oder um die Wissenschaft verdiente Naturforscher ernannt werden, und zwar geschieht dies in einer Sitzung durch Abstimmung mit zwei Drittel Majorität der Anwesenden.

8.412; Naturwissenschaftliche Vereine der Provinz können als Zweigvereine unter besonders festzustellenden Be- dingungen aufgenommen werden.

$ 13.

Die Geschäfte des Vereins leitet der Vorstand, der Vom sich zusammensetzt aus dem Vorsitzenden, dessen Stell- Vorstande, vertreter, drei Schriftführern, dem Kassirer und dem Bibliothekar.

Die Wahl des Vorstandes erfolgt für ein Jahr in der letzten Novembersitzung durch die wirklichen Mit- glieder. (vgl. die Geschäftsordnung.)

8 14.

Jedes wirkliche Mitglied zahlt einen jährlichen Bei- Von den trag von 9 Mark (im Laufe des 1. Vierteljahres zu Beiträgen. zahlen) und bei der Aufnahme 3 Mk. Eintrittsgeld. Die auswärtigen Mitglieder haben ausserdem noch 0,30 Mk.

für Franko-Zusendung der Publicationen beizufügen. Die Teilnehmer bezahlen für das Semester 1 Mark Beitrag.

a 19.

Etwaige Austrittserklärungen müssen im Laufe des 1. Vierteljahrs erfolgen, widrigenfalls der Jahresbei-

trag zu entrichten ist.

$ 16. Ss

Der Verein giebt ausser der „Zeitschrift für Natur- yonden

wissenschaften“ noch einen Bericht über die na Publicationen. nn und den Stand des Vereins heraus. >

= A m

8:17.

Sämtliche Mitglieder erhalten die Zeitschrift und den Bericht,- während die Teilnehmer nur den Bericht zu beanspruchen haben.

S 18. Von der Auf. Bei etwaiger Auflösung des Vereins geht die lösung des Bibliothek in den Besitz der Naturforschenden Gesell-

Vereins. schaft, oder falls diese nicht mehr besteht, in den Besitz

der hiesigen Universitätsbibliothek über. Ueber den Ver- bleib des sonstigen Vermögens entscheidet die letzte Generalversammlung.

8 19.

Von den Aenderungen der vorstehenden Bestimmungen Statuten- können nur nach Kenntnisnahme aller wirklichen Mit- änderungen. ojieder auf einer Generalversammlung mit zwei Drittel

'Majorität der Anwesenden beschlossen werden. Quedlinburg, Allg. Vers. am 16./17. Juni 1894.

Gebauer-Schwetschke’sche Buchdruckerei, Halle 2.35

Zeitschrift

Naturwissenschaften.

Organ des naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen

und Thüringen, unter Mitwirkung von

Geh. Bergrath Dunker, Geh. Rath Prof. Dr. Freih. von Fritsch,

Prof. Dr. Garcke, Geh. Rath Prof. Dr. Knoblauch,

Geh. Rath Prof. Dr. Leuekart, Geh. Rath Prof. Dr. E, Schmidt und Prof. Dr. Zopf.

herausgegeben von

Dr. G. Brandes,

Privatdocent der Zoologie an der Universität$Halle.

67. Band. (Fünfte Folge. Fünfter Band.

Erstes und Zweites Heft. Mit 1 Tafel.

Ausgabe für Vereinsmitglieder.

Iochält.

I. Original- Dathe an des Färbeproz ‚Derschau, Max v., Dr., Hilfsmittel ie Sehling- und Ranken- Forreie Di, "Maj or a. D, „Vorgeschichtliche "Töpfereigeräthe

aus der Feier von "Halle. Gross, Premierlieut., Der Tathalie Dienste der "Wissen-

schaft, ee ke W, ‚Prof, Vertheilung der Farben bei einheimischen chm ; Schmidt, K. E. F, ‚Dr. Pr ivatdoe,, August Kundt, Nachruf -Smalian, 'C, Ir, Ältes und Neues aus dem Leben der Ameisen Zopf, W., Dr. Prof., De erepisblittrige Sehotendotter als Gift- pflanze : i

en Kleinere Mittheilungen.

Mathematikund Astronomie: neue ee Be en Das grösste Kara der Weit 9. 111. Ein neuer Komet

Chemie und Physik: Ueber Alaune 8. 113. Platinmetalle

Mine ralogie undGeologie: Queeksilberbergwerke von Avala- ‘berg S, 117. Kopal aus Ostafrika S. 118. Die Iberger un serie Ss. 118.

Botanik, Zoologie und Pa alaeontologie: Kröten durelı -Fü eptnmaden getöderS. 119.— Zur AmphibienfaunaSchlesiens

119, Ein brütender Tintenfisch S. 122.

Weitere: Die Geburt von Sechslingen S, 123.

Aus verschiedenen Gebieten: Pielgifte 8 . 126.

Litteratur-Bespreehungen .. ee Ne

5 Neu era,

ARHETKUNE

ins. Rede pe ‚von ke er Mi d Zu r Grundm

erke. - wu - » * . - * Sr he

/wei hervorragende Erscheinungen

für den

botanischen und mathematischen Unterricht

an den höheren Lehranstalten

aus dem

Verlag von E. F. Thienemann in Gotha.

Vor kurzem erschuen:

lütendiag ramme nebst Längsschnittbildern von aus- gewählten einheimischen Blütenpflanzen, als Vertreter der Hauptabteilungen des natürlichen und des Linneschen Pflan- zensystems, zur Einführung in das Verständnis des Blüten- baues und als Muster für das Diagramm-Zeichnen. Von J. Rohweder. 24 Tafeln mit 96 Abbildungen in Farben- druck und 16 Seiten Text. Gr.-40, in eleg. Mappe. Preis 6 #.

Zu beziehen durch jede Buchhandlung oder gegen Einsendung des Be- trages direkt franko durch die Verlagsbuchhandlung.

Zu näherer Orientierung verweise ich auf die unten abgedruckten Be- sprechungen und erbiete mich überdies, denjenigen Herren Fachlehrern, welche am Orte keine Buchhandlung haben, gegen Einsendung von 20 Pf. das Text- heft (mit Inhaltsverzeichnis) und eine Probetafel franko zu übersenden.

Auszüge aus den bis jetzt erschienenen Besprechungen:

Der Unterric ir in der Botanik hat in nenerer Zeit wesentliche rg itte

gemacht, seitdem « nn eingeschränkt worden ist und an r Stelle. das Selbstsehen nn ei as Zeichnen des Angeschauten een Sana: onnen | hat. Als ein Hilfsmittel für sole Ei Unterricht hat der längst in pers Krelcle

als ein tüchtiger Beobachter und Methodiker bokansike Nee J. Boh- weder in Husum die hier vorliegenden ‚;, Blütendiagramme“ Ha arten werden in 96 farbigen Figuren nach Grundrifs und anche der Blüten dargestellt. Die einzelnen EDER. n haben bei 6—7 em Durc

si hen en erfung der Di Anler nme hehe re üchige Winke 7: , des Lehre er EB wird vielseitig are geheifsen werden. Das ganze Werk ist für die Hand des Lehrers einzelner Baer Schüler bestimmt, Die A ee ist N eine er er tbere. + , 3 i reman!?n 2 ai BUCHENKUs (Ze FIFR f- SBASIN ou nal 1898, Heft 3. ME

. Dieses Buch verfolgt den Zweck, das Studium der Botanik durch he. führen iängster Fühlung zwischen i Theorie und rag er Anschauung zu för che he

es. is a wen Tina „. wele eim. Unterricht in der a omie auch m je unterschätzt worden = dafs durch das Zeichnen de Objekte 2) Schärte, den Beonachmung g: ethö ht‘ Wird, Bei. dem..Stucdium; ‚der Mor ph hat ‘dieses Prinzip ‚bisher Ya Eingang 'geftnden, und es ist daher Er er u ee dafs der Verfasser des en Werkes dieser An A : x Kan 2 un seine ihn ed und zu nn: Bethätigung seiner Beobachtungsgabe anne n. Über den des Studiums der Blütendiagramme zum Zwecke des Erlernens der botanische Systematik Mas kaum jemand Zweifel hözen, und. es sollte daher niemand ve 'sä n, dem in jeder Beziehung Anerkennung verdienenden Eehrmitte

wir in Rohw een „Blütendiagrammen“ besitzen, zu Be weiter Verbreitung un unseren jüngsten Fachgenossen zu celhe en. „Eharmasgut Ak Nr. 26

Das vorliegende Werk hat sch die Auge ge stellt, ‚ine systema teilung der phanerogamen u ar a . Blü < wer ap nen lieher Weise zu bearbeiten; die n Ma ee ect. Die Einlei eitung, Ze 1 Abhandlung aa Bi, Gt einfach ech en ‚und ‚deutlich, dafs dies für führung in Diagra voll- 8 ee eichend Er "Eine isch " Übersieht über ee I vollatandigi ER De Text. Als ganz vorzüglich müssen die Zeie . gramime hingestellt werden, /deren elegante 'Ausführu ER ' läßt. Das ganze Werk- liegt handlich in ge Mappe; sich leicht in enache, =. trenn nen, wa m Zw ecke * n schieden geeignet er Preis ist in anbetracht der FOTSBEBPRRG: Ausmiapns a“ Tafeln als ein ee re zeichnen. ererhe Centralhalle 1893, ir. 12

.... Wenn inan jedoch von diesen re in: bezug auf die r it bsii n wohl , dafs die "Taicin v

arb er stellen Dia agramme und Blütenlängss schnitte v -

die zum gröfsten Tei . ent ausgewählt sind, Saba uch einige von geri ingere

deutung ... . enthalte % z |. aber- müssen Auswahl and 1 Darstellun ganz geschickt seh werd : mar lan Kon Text giebt einen sehr kurz gehaltenen, beinahe Nomenkla 2 menklato! ce; brifs‘ der! Mor ologie Einteilung de Brit Fine) ee Bao Sander RE ist, eine Anleitu gramms und eine kurze Übersicht über : een und er Et ee ia sich, trotz. er Gogenreden noch

ganz aus der Behuie e entfernen 3 ist. . ADERHO! Be Een Zeitung 1208; Nri

Be „Bei. va Auswahl der. Bilder ne auf das bei dein: Unt in. erster Linie Rücksicht genommen; . ‚die und s ee Ö u

W hs Verse ielnrt serinde: ‚die MER Me u ars: Zeilen Age der,s \ icrit, weil er hat a aher auch stefs als Kelten Mittel zur Erkläfung eg seinem Adern uhgeietnägt: die ‘vorliegenden Diagramine aber übertreffen an’ 'Deutlich- keit. und Schönheit der Ausführung alles, was. ihm .in,der, Beziehung bisher zu Gesi cht ea a8, och einmal sei das kit) auch äußerlich ER nei besonders ee empfohlen Nana, Luckenwalde,

Höck. 3 eraz air Centrajblatt, 14. Jahrgang, Nr. 5/6.) Der Versuch and Vertawers, den Unterrieht in der Botanik sgrate Fe yon Blütendiagran beleben, kann: nur mit Freude begrüfst - Wir nbichlen.: däher Röhweders Biitendiapratbme allen Tehrern der "Botanik ae: Wärmste und ig aegreg dem Bäbkanger wen bald eine-ne ® Aut flag

. Fiscner-Besz (Die Heimat, 3. Ars gang, Aprinept. ji

= in Betanischen Unterricht stellt sich. ‚bei Aneignung‘ der wichtigsten 'B a r Morphologie ‘bei Behandlung der Sy steme ‚leicht red ea der üler »ein,,odie | er a ‚Hier‘

tische Anw isgrstinch Inzigigr a sung! inber in der Praxis noch wenig geübt wurde, zur Geltung ring ngen.... r halten das Werk er = ee mnasi Beainckükten Semin he ne ei ö erwertung Die r. Diagramme wird reichlich Beth: dimich * re Einsicht ; wunderbare Gesetzmäsigket = Aegenginusen und durch leichte er Kazur ne & “bei Vergleichungen u = Ein n Systeme. ‘Es eignet sich ebenso trefflich für Selbstunterricht wie zu angen Korea er er Austüllung von Mufsestunden; die zeichnerische = Serkeengee ar der einzelnen Blütenformen in Verbindun ng eatt aufmerksamer, sinnige der: unendlichen Formen- und Farbentlle, > in dor r Blütenwelt sich OMenbart, arg reichen nn inn für Geist md Gem 2 zeiger f. d. Eee en Tieratur 1093, Nr. r

Mit & Vergnügen haben. wir diese Blüten-Diagramme empfangen; .da ® emung, sind, dafs: damit. vielen ein angenehm es Geschenk ‚bereitet: wird. ‚Denn, n ei in. bota ba Ken aus Abbildungen = E: r jemals Viberazise h Gelegen heit ‚empfing, wi

er

es &!

re kin Panne: eraehan ‚Formen . "mil, zur. ne eig 2 & gr .

zeichneten Dure rt Biumen ich x* nn ng, eine auseichende Ds he des Sinmschlagenden Weges gegeben, u yon Realschulen, Seminaren ‚Präparanden-Anstalten Iandwirtschaftl Se Bchulka das Interesse an dem en -Zeichn 2 Es handelt air damit, wie wir fest glauben, um eine ; Me en eye botanischen Unterrichts, und wir gra i Ve rfasser aus vollem Ka zu seinem Vorgange.

Vierstellige logarithmisch-trigonometrische Tafeln

nebst einigen physikalischen und astronomischen Tafeln, für den Gebrauch an höheren Schulen zusammengestellt von ©, Rohrbach, Dr. phil. Ye nd am Gymnasium Ernestinum zu Gotha. Preis 60 P

Aus dem Vorwort: em vo Jahresfrist der Übergang von den ‚bisher am sms eschlosse

Logari übernah Verfasser die Bearbeitung dieser neuen ee auf nd : icht au

n hte Die Einrichtung der Tafel ist dem seit Bremikers sechsteliger Tafel (1852) allgemein eingebürgerten Muster nachgebildet mit nur einigen leicht erkennbaren Abweichungen, unter denen die Änfügung einer Spalte mit der Überschrift ,, 19% = hauptsächlichste ist; sie erleichtert durch Erhöhung der Symmetrie die Über- ‚vor ‚allem die Interpolation, 2. man nicht genötigt ist, zur Bildung der

Ra m gelassen och w

Für Mitteilung von Wünschen in dieser Richtung für eine zweite Auflage würde

r Verfasser dankbar sein. Für die Genasigkelt,. ERRERREN der astronomischen die

eln, galt als Prinzip eine Anpassung an nauigkeit, die mit den instru mentellen Hilfsmitteln der Schule (Sextant, ee etwa zu erreic i ügung einer graphischen aeg des Verlaufes der eh

Zur Einsichtnahme und Prüfung der | Tafeln von C. Rohrbach, welche trotz ihres kurzen Bestehens bereits in einer gröfseren Anzahl höherer Schulen eingeführt sind, stelle ich den Fachlehrern je ein Exemplar, wenn unter Beifügung des Direktoratsstempels ahrer An- stalt verlangt, gern gratis und franko zur Verfügung und bitte gegebenenfalls direkt zu verlangen. Hochachtungsvoll

E. F. Thienemann,

Verlagsbuchhandlung. 2 (rotha. |

Druck der Engelhard-Reyherschen Hofbuchdruckerei in Gotha.

Se

Altes und Neues aus dem Leben der Ameisen. Oeffentlicher Vortrag, gehalten am 18. Januar 1894 im naturwissenschaftlichen Verein für Sachsen - Thüringen. Von Dr. C. Smalian,

Halle a. S

Wenn der Frühling auf die Berge steigt, dann ziehen die Schaaren der Sammler, Naturfreunde und der Forscher hinaus, um dem Gethier der eben erstandenen Natur nach- zustellen. Mischen wir uns unter diesen Schwarm, nicht um Thierleichen einzuheimsen und sie in Schubladen und Kästen mumifieirt zu bewahren, sondern um als Bio- logen zu versuchen, in das Problem des Lebens etwas ein- zudringen.

Fern den Küsten des weiten Meeres mit seiner über- wältigenden Fülle des Lebens lassen wir uns genügen mit

dem, was die feste Scholle bietet. Mitten hinein in das Territorium derer, welche sich als Insektenkundige, als Entomologen bezeichnen, geht unsere Wanderung. Wir überlassen ihnen heute gerne die farbenprächtigen Segler ‚der Lüfte, die Falter, und die gleissenden Panzerleiber der Käfer. Nach einem engen Winkel der Kerfthierwelt, un- scheinbar nach aussen, aber voll von interessantestem Leben, steht unser Sinn. Ein Haufen flanzen- reste, wimmelnd und kribbelnd von Ameisen, ein Höhlenbau solcher Wesen unter Steinen oder Baumrinde wird uns fesseln.

: Jahrhundert seit Perer Huser haben ag diesen a - Zeitschrift f. Naturwiss. Bd, 67. 1994 SE ee

Der sprichwörtliche Fleiss der „Emsen“ und irre mannigfaltig ausgebildeten Instinkte zogen bereits das Interesse der Alten auf sich. Allein erst in dem letzten

2 Altes und Neues aus dem Leben der Ameisen.

eine Anzahl geistvoller Specialisten zugewendet, die von der Betrachtung der biologischen Eigenthümlichkeiten der Ameisen geleitet, in ihre psychischen Eigenheiten einzu- dringen versuchten; in künstlichen Ameisennestern zogen sie nach dem Vorgange von ForEeL und Lussock das Ex- periment in die Untersuchungen hinein und machten die errungenen Resultate zu Bausteinen einer vergleichenden Psychologie, ja setzten dieselben mit den metaphysischen Fragen nach der Herkunft und Ausbildung der organischen Welt überhaupt in Beziehung. Es mag sich daher immer wieder lohnen, dem merkwürdigen Wesen und Treiben des Ameisenvolkes an der Hand neuerer Forschungen nachzu- gehen, die Resultate der Forschung zusammen zu stellen, Probleme anzudeuten, ohne in Einzelheiten aufzugehen und dem Specialforscher vorzugreifen, eine Sünde, die man in einem allgemein orientirenden Vortrage nicht be- gehen soll.

Dem unbefangenen Beobachter tritt in der Ameise das Bild regster Lebensenergie und hervorragender psychischer Bethätigung entgegen, und es nimmt daher nicht Wunder, in dem leicht beweglichen Mechanismus des Leibes und

der Sinnesapparate, des Sensoriums, die causal geforderte organologische Grundlage zu finden. Vor allem hat der vordere Abschnitt des Centralnervensystems eine ausser- ordentliche Ausbildung erfahren.

Bekanntlich wird das Centralnervensystem der Insekten dargestellt durch das Bauchmark, jenen nervösen Strang, dessen Anschwellungen, die Ganglienknoten, dort am stärk- sten ausgebildet sind, wo es gilt, besondere Werkzeuge, wie etwa die Muskeln des Bewegungsapparates, zu in- nerviren. Der vordere Abschnitt des Bauchmarks besteht aus drei Stücken, einem Unterschlundganglion, einem Ober- schlundganglion und dem nervösen Bindestück beider, der Kommissur, welche den Schlund umgürtet. Diese Stücke, welche bei manchen Insekten oft weit jenen Ganglien an Masse nachstehen, welche den kräftig entwickelten Be- wegungsapparat innerviren, sind bei den Ameisen stark

Von Dr. ©. SMALIAN. 3

ausgebildet. Dies gilt insbesondere vom Oberschlundganglion und erklärt sich zum Theil daraus, dass mit ihm die Sinnes- werkzeuge, vor allem die Augen nervös verbunden sind. Wenn man das Oberschlundganglion als das Hirn der In- sekten bezeichnet, so ist dabei nie zu vergessen, dass diese Gleichstellung mit dem Gehirn der Wirbelthiere, also auch des Menschen, nur in physiologischem Sinne, also gemäss den Funktionen dieses Körpertheils, berechtigt ist; ob sie auch morphologisch begründet ist, muss trotz der ein- gehendsten Arbeiten noch als ein Problem angesehen wer- den. Sehen wir ab von der Frage, ob das Hirn der In- sekten nur für den Kopfeomplex eine Rolle spielt, oder ob ihm wie dem Hirn der Wirbelthiere die Controle über die anderen nervösen Centren zukommt, so dürfte so viel fest- stehen, dass an das Hirn der Insekten vorwiegend die seelischen und wichtige Sinnesvorgänge geknüpft sind. nd wenn man aus den so verschiedengradigen seeli- schen Ausdrücken im Leben der Insekten Schlüsse ziehen darf auf den Bau des Hirns in Analogie zu den Verhält- nissen der Wirbelthiere, so wird man einen complieirten Bau des Hirnes dort erwarten, wo höhere Seelenthätigkeiten in die Erscheinung treten. Das beweisen in der That die seelisch höher stehenden Insekten, in Sonderheit diejenigen der Hautflügler. Und unter ihnen weist das Ameisenhirn nach den Ausführungen des grossen Histologen Levpıa den verwickeltsten Bau auf, entsprechend den mannigfal- tigen seelischen Bethätigungen dieser Thiere. Es kann hier nicht der feinere Bau dieses Hirnes betrachtet werden. Auf eines ist aber aufmerksam zu machen: Während die Hirne seelisch tiefer stehender Insekten, so derjenigen, welche keine persönliche und andauernde Brutpflege treiben, eine relativ sehr einfache Hirnmasse besitzen, so zeichnet das Hautflüglerhirn eine Zuthat zu den primären Hirnlappen aus, indem rückwärts gewendet zu beiden Seiten der Mittel- linie stielförmige Auswüchse, die corpora pedunculata aut- treten. Diese complieiren sich in ihrem Aufbau und ihrer Form bei denjenigen Hautflüglern, bei welchen man eine ausgezeichnete Brutpflege und damit ausgeprägte sociale Instinkte beobachtet. Sie sind am meisten bei den Ameisen u

4 Altes und Neues aus dem Leben der Ameisen.

differenzirt, merkwürdiger Weise auch bei den Männchen, welche bekanstlich an der Brutpflege nicht betheiligt sind; letzterer Umstand darf allerdings nicht weiter befremden, wenn man bedenkt, wie bei höheren Thieren, z. B. den Säugern, für die Brutpflege so typisch angepasste Organe wie die Milchdrüsen und Brustwarzen ebenfalls dem männ- lichen Geschlechte, wenn auch rudimentär, zukommen. Die physiologische Bedeutung einer solchen Oberflächen- vergrösserung des Ameisengehirnes wird im Allgemeinen klar werden durch die Vergleichung analoger Verhältnisse bei den höheren Thieren, wenn wir auch zur Zeit davon Abstand nehmen müssen, eine Lokalisirung der seelischen Thätigkeiten, wie sie an einzelne Hirntheile der Ameisen geknüpft sein können, aufzufinden. Im Uebrigen wird auch die relative Hirnmasse, wie bei den höheren Thieren, so bei den Insekten und im Speciellen bei den Ameisen einen gewissen Maassstab für die höhere oder mindere Begabung abgeben.')

Mit dem Hirne sind ausserordentlich wichtige Theile des Sinnesapparates, die zusammengesetzten und die ein- fachen Augen, sowie die Fühler verbunden. Wenn man den Ausführungen Wasmanw’s?) zustimmen darf, die psychi- schen Thätigkeiten der Ameisen seien vorwiegend die Pro- dukte des sinnlichen Empfindungs- und Vorstellungs-Ver- mögens, so würde der Bau des Ameisenhirnes eine dazu passende organologische Illustration sein, da in ihm die engste Verbindung stark ausgebildeter und verwickelt ge- bauter Sinnesapparate vorliegt und zu einem Theil wenig- stens die stärkere Hirnausbildung veranlasst zu haben scheint.

Für den Gesichtssinn werden die seitlich stehenden, zusammengesetzten und die in der Mitte des Kopfes stehen- den einfachen, die Nebenaugen in Anspruch genommen. Uebergehen wir den Bau dieser Apparate, der so typisch auch andern Insekten eigen ist, so dürfen wir über die pbysiologische Bedeutung derselben Folgendes als Resultat

el a Die Insekten. I. Theil, p. 251—256.

ASMANN, Die zusammengesetzten Nester und gemischten a der Ameisen,

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Von Dr. C. SmaLIan. 5

der Versuche ansehen, deren eine grössere Anzahl gerade an den Sehwerkzeugen der Ameisen gemacht sind.

Ueber die Bedeutung der einfachen Augen der Insek- ten, also auch der Ameisen, wissen wir absolut nichts Sicheres. Fliegen und Ameisen, deren Nebenaugen von ForeL mit Lack überzogen wurden, liessen in ihren Be- wegungen nichts Aussergewöhnliches erkennen. Trotzdem wird man nicht mit PrAreAu die so verwickelt gebauten Nebenaugen als rudimentäre Organe auffassen dürfen, da die Spinnen bekanntlich nur diese einfachen Augen be- sitzen. Nach PrAreau sind die Spinnen sehr kurzsichtig. Die Summe der einschläglichen Thatsachen scheint die Meinung am annehmbarsten zu machen, dass die „Neben- augen dem Sehen im Dunkeln und aus der Nähe dienen“. ')

Ganz anders stehen dem die zusammengesetz- ten Augen der Ameisen gegenüber. Lackirte Foreı. dieselben, so benahmen sich die Versuchsthiere wie im Dunkeln. Wenn Ameisen mit lackirten Augen ihre Nest- genossen erkannten, so ist das ein Beweis, dass das Wiedererkennen seinen Sitz in einem andern Sinnesgebiete als in den Augen hat. Wie die Ameisen und die Insekten überhaupt sehen, darüber gehen die Ansichten auseinander, und es ist hier nicht der Ort, auf die bezüglichen Theorien einzugehen. Was die Ameisen mit den zusammengesetzten Augen zu erkennen vermögen, wissen wir ebenfalls nicht. ScHinper’s Versuche mit versehiedenfarbigen Papierstück- chen, von denen etliche mit Zuckerlösung benetzt waren, zeigten, dass die Ameisen auf alle von der Umgebung farbig abstechenden Schnitzel zuliefen, auch auf solche, welche nicht etwas Geniessbares darboten. Danach wären die Thiere nicht vom Geruch, sondern von den Farben geleitet. Das stimmt zu der Thatsache, dass überhaupt ein grosser Theil von Insekten von Farben angelockt wird; denn xur hierin ist ja die Farbenpracht der Blumen in all’ ihrer Eigenart begründet im Dienste der Bestäubung. Dass die Farben als solche erkannt werden und auf das Auge

1) Näheres über die Bedeutung der Nebenaugen siehe bei LuBBocKk Die Siune und das geistige Leben der Thiere. p. 179—185.

6 | Altes und Neues aus dem Leben der Ameisen.

der Ameisen verschiedenartig einwirken, scheinen Lussock's Versuche!) zu beweisen. FOrREL schliesst sich der Lussock- schen Ansicht an, dass die Ameisen Licht verschiedener Wellenlänge empfinden könnten und auf Violett und Ultra- violett sehr energisch reagirten. Demgegenüber hat GrABER 2) diese Empfindlichkeit auf ein Allgemeinbefinden der Haut zurückführen wollen, allein man wird Luzsock beipflichten können, der den Chitinpanzer der Insekten für Licht nicht durchlässig betrachtet. Lussock’s 3) zahlreiche Experimente ergaben weiterhin, dass von verschieden gefärbten Gläsern, welche mit Honig benetzt waren, die blauen am meisten von Ameisen besucht wurden, die übrigen in der Reihen- folge: Weiss, Gelb, Sekarlachroih, Grün, Orange; unge- färbte Gläser wurden, wie bei dem Scummrzr’ schen Ver- suchen, weniger besucht, als gefärbte. Das stimmt zu den Beobachtungen Kerxer’st) an der Honigbiene: Gleichzeitig neben einander blühende Blüthen des blauen Ysops /Hys- sopus offieinalis), der blass-violetten Monarda fistulosa wur- den von Honigbienen stark besucht, die dicht daneben blühende scharlachrothe Monurda didyma dagegen ver- mieden. KER"ER ist in seinem Urtheil vorsichtiger als Luspock; er spricht bei den Bienen nicht von einer Vor- liebe für Blau und von dem Verabscheutwerden von Roth, während Lussock von einer Vorliebe der Ameisen für Blau redet. Denn Kerxer hält es nicht für ausgemacht, dass dasScharlachroth überhaupt übersehen werde. Und Lussock’s Versuche können allerdings höchstens zeigen, dass Blau leichter gesehen wird, als andere Farben, daher auch häufiger aufgesucht wird. Das ist das Wenige, was wir von dem Sehen der Ameisen thatsächlich wissen.

Die Thatsache, dass Bienen, Wespen und Ameisen

sich mit grosser Sicherheit in ihre Behausungen zurück- finden, hatte Lussock einen vielleicht vorhandenen Rich- tungssiun vermuthen lassen; seine darauf bezüglichen Ver-

1) LuBBock 1. c. p. 205—213. 2, ibid. p. 207.

3) ibid. p

4) Ka, Ds ssnichen. Bd. I. p. 191.

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suche ergaben aber bisher keinerlei Anhalt zu solcher Annahme.

Dass Ameisen hören können, scheint heute zweifel- los zu sein, da sie gleich anderen Insekten Töne (dies auch meist nur durch sehr leise Geräusche) hervorbringen können; denn man wird wohl nicht annehmen dürfen, dass Geräusche hervorgebracht werden, damit sie nicht gehört würden. Bei den Bienen ist das Töten der Königin als Alarmsignal längst bekannt, ebenso kennt man lange die Tonerzeugung der Mutillen. Dort wie bei manchen Ameisen wird das Geräusch von einem sogenannten Stridulationsapparat her- vorgebracht. LAxno1ıs?2) beobachtete, wie die Mutillen den ihnen eigenen Ton durch Aneinanderreiben der Hinterleibs- ringe hervorbrachten. Und wer einmal zirpende Bockkäfer beobachtet hat, weiss, wie hier die Geräusche durch Reiben des Kopfes gegen die Brust erzeugt werden. LAxpoıs und Luzsock 3) wiesen alsdann den Schrillapparat an echten Ameisen nach /Lasius fuliginosus und Lasius flavus). Neuer- dings hat Ros, Wrousc#ton®) an indischen Ameisen (/Orema- togaster Rogenhoferi) einen „deutlich zischenden Laut“ dann vernommen, wenn er die Thiere in ihrer „braunen Papier- nestern“ beunruhigte. Er deutet den Ton als Alarmsignal, und er hörte einen „äbnlichen, obgleich leiseren Ton“, wenn er ein Nest von Camponotus oder Polyrhachis spinigera er- schütterte. A. FoREL5) hat schon vor 20 Jahren über Ge- räusche bei Camponotus berichtet, die er als Alarmsignale deutet, und welche dadurch entstehen, dass die Thiere „nicht nur einander lebhaft schlagen, sordern zugleich den Boden zwei- oder dreimal nach einander wit ihrem Hinter- leibe“. Wasmann6) tritt der Deutung als Alarmsignal bei, stellt aber zur Frage, ob die Wahrnehmung des Signals für die Ameisen eine Gefühls- oder eine Gehörswahrnehmnng sei, ob nicht etwa die leise Erschütterung der Unterlage

1) LUBBOCK, 1. c. p. 274,

2) a : n

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4) e EN IX. p. 26 und 27,

5) Forer, Fourmis de la Suisse p. 354.

6) one Stimmen aus Maria-Laach 40. Bd. AN: p. 214.

8 Altes und Neues aus dem Leben der Ameisen.

vermittelt wird. Wasmann beobachtete übrigens Myrmica ruginodis, welche ein „leise zirpendes Geräusch“ hervor- brachten, indem „die aufgeregten Thiere heftig ihren Hinter- leib auf und ab bewegten“. An derselben Art hat A. H. Swıntonx!) bereits viel früher die gleiche Beobachtung wie Wasmann gemacht; er hat auch die Schrillorgane, hervorspringende Leistchen, an der Basis des Hinterleibes und am zweiten Stielchenglied nachgewiesen. Emery2) wies an amerikanischen Ameisen (Paraponera und Pachy- condyla) den Schrillapparat nach; die breite Gelenkfläche des zweiten, dem Stielchen folgenden Hinterleibssegmentes, zeigt dort, wo es in das erste eingestülpt ist, eine feine Querstreifung, und es gelang ihm durch Reibung der Flächen an einander am todten Thier das Zirpen künstlich zu er- zeugen. Dasselbe konnte EmErvY an Pachycondyla flavicornis, die ihm aus Parä geschickt wurden, nachweisen; die ver- nommenen Töne ähnelten denen der Mutillen.

Es fragt sich nun, ob auch Gehörapparate bei den Ameisen bekannt sind, welche jene zweifellos erzeugten Lautäusserungen zu verlähinet im Stande sin

In Analogie zu den Gehörapparaten der ar Ren welche GRABER in dem Schienbein dieser Thiere beschrieb und eingehend studirte, entdeckte im Jahre 1877 Lussock ®) bei Ameisen in dem nämlichen Körpertheil einen ähnlichen Apparat (bei Lasius flavus, Myrmica ruginodis, Pheidole megacephala),. Bei den beiden letztgenannten Formen, welche durchsichtig sind, kann der Apparat durch die Haut hindurch gesehen werden, so auch die glänzenden

Hörstifte. Andere durchsichtige Arten zeigten’ den Apparat

nicht, und so ist es möglich, dass er nur manchen Arten zukommt. In seinem Bau aber ist er dem sogenannten Gehörapparate der Heuschrecken sehr ähnlich.

') A.H.Swıntos, Note on the stridulation of Myrmica ruginodis and other Hymenoptera. Entom. Monthl. Mag. XIV. 1878— 1879. p. 137,

MERY, ., und springende Ameisen. Biol. Centraibl. Bd. XIII, 1893 No. 3) LUBBOCK ie c. p. 108 und 109.

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Sinnesapparate, welche im Dienste des Geschmacks- sinnes stehen, stellen sehr wahrscheinlich eigenthümlich modifieirte Haare im Munde oder auf benachbarten Organen dar, wie Lussock!) an Lasius nachwies. WASMARN?) gelıt auf die Ausbildung der Nebenapparate der Fresswerkzeuge näher ein und zeigt höchst beachtenswerthe Beziehungen derselben zur Ernährungsfähigkeit dieser Thiere auf. Er führt aus, dass Insekten, welche sich füttern lassen, rück- gebildete Taster (Palpen) besitzen. Ja es lässt sich aus dem Grade der Rückbildung dieser Organe fast ablesen, ob die Thiere mehr oder weniger abhängig von andern sind. Das beweisen Käferchen (Pselaphus, Claviger, Ate- meles, Lomechusa), welche von Ameisen gefüttert werden, das beweisen jene Ameisen, welche sich von andern füttern lassen; so hat Anergates atratulus, welche am abhängigsten von ihren sogenannten Scelaven ist und ohne diese ver- hungert, nur noch zweigliedrige Kiefertaster und einglie- drige Lippentaster. Die Taster aber dienen vermuthlich der „Rekognoseirung und Prüfung geeigneter Nahrung“.?)

Besonders hoch ausgebildet scheint der Geruchssinn der Ameisen zu sein. FOrREL und Luseock sprechen diesen Sinn den Ameisen in hohem Grade zu. ForEL bemerkte, wie die grosse Rossameise (Camponotus herculeunus) den Honig aufstöberte, den ein aus Gips für Strongylognathus testaceus hergerichteter Zwinger enthielt. Es war unmög- lich, dass Camponotus den Honig sehen konnte, sie konnte ihn nur gerochen haben. Mit Luzsock#) hat man die Fühler als Sitz des Geruchssinnes anzusehen, der hier mit dem Tastsinn seine Stätte gefunden hat. Lussoor’s Versuche scheinen in der That zu beweisen, dass die Sinnesapparate der Fühler Geruchsorgane sind. GRrABEr’s5) Amputationen von Insektenfühlern, deren Träger dennoch Geruchssinn behielten, beweisen nicht das Gegentheil, denn die Versuche

1) LUBBOcCK 1. c. p. 31.

2) WaAsmann, Die zusammenges. Nester etc. p. 69, 70, 71.

3) ibid. p. 71.

4) LUBBOCK 1.c. p. du. 4

5) GRABER, Grundversuche ai die Wirkung und die Aufnahme- stellen chem. Reize bei den Thieren, Biol. Centralblatt 1885.

10 Altes und Neues aus dem Leben der Ameisen.

GRABER'S und LUBBOCK'S weisen noch auf einen zweiten Sitz des Geruches hin, nämlich auf die Taster des Mundes, auf die Palpen. Die Erscheinung, dass die Ameisenindi- viduen einer noch so grossen Colonie stets einander er- kennen, nachdem sie sich gegenseitig mit den Fühlern be- rührt haben, dass sie aber jedem Individuum auch der eigenen Art feindlich begegnen, sobald dasselbe einem fremden Neste entstammt, hat die Ameisenkundigen ver- anlasst anzunehmen, der Sitz des Wiedererkennungsver- mögens seien die Fühler und es beruhe auf dem Erkennen eines jedem Neste und seinen Insassen anhaftenden speeci- fischen Geruches, dem Nestgeruch fodorat au contact, FOREL), Lussock’s Ameisen erkannten sich noch nach einem Jahr und neun Monaten wieder; auch dieser Forscher sucht den Sitz des Wiedererkennungsvermögens in den Füblern, wenn er gleich nicht sich für den odorat au contact Forer's aus- spricht. Dagegen steht WAsmann diesbezüglich auf der Seite Forer’s, Nach ihm haftet der Nestgeruch aber nur den ausgefärbten, völlig fertigen Ameisen an, während die eben der Puppenhiülle ledigen, jungen Thiere, ferner die Puppen und Larven der Ameisen, mögen sie aus dem Neste der Art stammen oder aus fremden Nestern geraubt und eingetragen sein, des Nestgeruches noch entbehren und von ihm als „international“ bezeichnet werden, während die erwachsenen Thiere eben im Nestgeruche ihr „Na- tionale‘“ an sich tragen. International sind nach ihm eben- falls die Larven und Puppen jener Käferchen, die man als Gäste der Ameisen bezeichnet. Der odorat au contact spielt bei der Erklärung des häuslichen Lebens der Ameisen eine bedeutsame Rolle.

Nach dieser Uebersicht über das nervöse Element und über die wichtigsten Daten des Sinnesgebietes der Ameisen treten wir ein in die Betrachtung der Lebensverhältnisse dieser merkwürdigen Thiere. Beobachtungen in künst- lichen Nestern veranlassen Lussock, den Ameisen ein Alter von 5 bis 8 Jahren zuzusprechen, während Wasmann die Maximalgrenze auf 13 bis 20 Jahre angiebt.

In der Geschichte der Erde und der sie bevölkernden Thierwelt stossen wir in den alten Schichten, im Palaeo-

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zoicum noch nicht auf die staatenbildenden Insekten. Aus dem Mesozoicum, dem Mittelalter der festen Erdrinde, soll angeblich eine Ameise bekannt sein, und zwar aus dem Lias, also dem unteren Jura. Innerhalb des Kaenozoicums tritt im Tertiär, jenem Zeitalter, das auch in unseren geo- graphischen Breiten tropisches und subtropisches Klima zeitigte, die Ameisenwelt in erstaunlicher Fülle auf, ja viel- leicht erreichte sie in dieser Epoche der Braunkohlenbil- dungen ihre höchste Blüthe. Ameisenreste aus dieser Zeit sind vor allem aus Süsswasserabsätzen und als Bernstein- einschlüsse bekannt; es ist klar, dass ihre Leiber leicht, etwa vom Winde oder durch kleine Gewässer, in welche die Thiere fielen, in den Schlamm der Süsswasser ge- langten; und es ist einleuchtend, dass Meeresabsätze an so kleinen Resten typischer Landthiere arm sein oder der- selben entbehren müssen. Bemerkenswerth ist, dass die tertiären Ameisen bereits neben den beiden Geschlechtern, Männchen und Weibchen, die Kaste der Arbeiter aufweisen; es liegt nahe, aus solchen bis heute constant erhaltenen polymorphen Formen einen Schluss auf die Constanz der socialen Instinkte zu ziehen, wie Wasmann!) das thut.

In ihrem Einfluss auf die Pflanzenwelt und theilweise auch auf die Thierwelt bilden die Ameisen, wenn auch nur in gewissen Gegenden der Erde, einen bedeutungsvollen Faktor im Haushalte der Natur.

Wahrhaft furchtbar sind die RE REEEG welche die Blattschneiderameisen der Gattung A’fa im tropischen und subtropischen Amerika unter der Vegetation anrichten. Aus der zerstreuten Literatur hat W. MarssarL2) eine Reihe hervortretender Berichte gegeben über diesen Gegenstand. Und neuerdings hat ALrrep MöLter3) eine, wenn auch noch unvollständige Aufzählung derjenigen brasilianischen Pflanzen gegeben, welche von den Blattschneider- oder Schlepp- ameisen geschnitten werden. Es ist ferner bekannt, dass

1) WASMAnN I. c. p. 249 u. 250. 2) W. MARSHALL, Zool, Vortiäge, Leben u. Treiben der Ameisen. er 1889. p. 132—139. ALFRED MÖLLER, Die Pilzgärten einiger südamerikan. Ameisen. wi G. Fischer. 1893.

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andere Ameisen in eine eigenthümliche Wechselwirkung zu gewissen Pflanzen treten, zum Vortheil der Ameisen sowohl wie der Pflanzen, indem ein trächtiges Weibchen der be- treffenden Ameisen an einer Stelle geringsten Widerstandes in gewisse Stammtheile der Pflanzen eindringt, sich eine Kammer einrichtet, in welcher es jedenfalls durch die Pflanzensäfte ernährt wird, und hier für Nachkommenschaft sorgt. Letztere findet hier Unterschlupf, verändert dabei die Pflanze oft in charakteristischer Weise und bricht aus dem Hinterhalt bervor, sobald der Wohnort irgendwie er- schüttert wird.

Da die Thiere höchst schmerzhafte Verwundungen den Angreifern beibringen, so ist hier ein indirekter aber wirk- samer Schutz der Wohnpflanze bewirkt. Die Tropen der alten wie der neuen Welt liefern treffende Beispiele, und vor allem haben ForzEs und Treu für Indien, Fr1rz MüÜLrLer für Südamerika eingehende Berichte über dieses Genossenschaftswesen, über dieses symbiotische Verhält- niss zwischen Ameisen und Pflanzen gegeben. Die ecla- tantesten Beispiele hat MArsnarr !) übersichtlich für den Interessenten zusammengestellt und für dieses originelle Miethsverhältniss den passenden Namen der Enoekie?) vorgeschlagen. Ohne uns auf Einzelheiten hier einzulassen, möchten wir doch auf eine bemerkenswerthe Angabe ALFR. Mörter’s eingehen. In Brasilien ist eine Hauptzerstörerin der Pflanzenwelt die von den Eingeborenen Suuba genannte Atta hystrixz und discigera. Neben den dort heimischen Ge- wächsen, welehe durch mancherlei Anpassungen den Ver- bedraägen jener Thiere noch am meisten gewachsen sind, sieht diese Blattschneiderin es besonders auf die von anderen Continenten eingeführten Kulturpflanzen ab. In einer Nacht sind oft grosse Theile der Plantagen ver- nichtet; in mächtigen Zügen marschiert die Sauda, die ab- geschnittenen Blatttheile hoch aufgerichtet zwischen den Kiefern tragend, und in eine auf dem Kopfe befindliche Rinne legend und damit stützend. Der bewegliche Wald

1) l. ce. p. 117—131. Y,p 2.

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von Dunsinam aus Macbeth erfährt hier eine Verwirkli- chung en miniature. Diese scheussliche Ameise hat einen Todfeind in der heftig stechenden und daher sehr ge- fürchteten Aziteca instabilis gefunden, welcher der Imbauba- baum, Ceeropia adenopus, Wohnsitz gewährt, ein Gewächs aus der Familie der Nesselgewächse /Urticaceen). Es galt bisher für ausgemacht, dass die Imbauba von den Blatt- schneidern verschont werde. Diesen Baum, und ebenso andere Pflanzen, welche scheinbar von der Schlepperameise verschont wurden, sah A. MöLter gelegentlich doch auch von letzterer angegriffen. Und das geht so zu:

Die Blattschneider werden nicht etwa von überhängenden Zweigen affieirter Pflanzen auf die Imbauba übertragen; das würde ihnen bald schlecht genug bekommen. Vielmehr er- folgte der Angriff dann, wenn bei sinkender Temperatur ' die Schutzameisen starr und unthätig in ihren Nestern ver- harrten, während die Blattschneider bei dieser Temperatur thätig und wohlauf sind.

Die symbiotischen Verhältnisse zwischen Pflanzen und Ameisen sind interessant, zahlreich und mannigfaltig genug, um für sich allein eingehender behandelt zu werden oder einer Unterhaltung über Genossenschaftswesen, Symbiose, in der Natur reiche Nahrung zu geben. Aber hier wollen wir uns mit den wenigen Andeutungen genügen lassen.

Abgesehen von den eclatantesten Fällen, wo Pflanzen den Ameisen als ausschliessliche Nahrung dienten, liegen etliche höchst merkwürdige Beispiele vor, wo Ameisen nicht nur ernten, was auch für sie gesäet ist, sondern wo sie einen gewissen Einfluss auf die Kultur der Gewächse aus- üben, welche ihnen Nahrung geben. Liscecum und Mac Cook haben uns mit jenen merkwürdigen Ameisen der neuen Welt bekannt gemacht, welche in gewissem Sinne ackerbautreibende Ameisen genannt werden dürfen, Pogonomyrmer barbata und oceidentalis. Besonders die Be- obachtungen MAc Coox’s an Pogonomyrmex barbata in Texas werden allezeit das höchste Interesse beanspruchen dürfen. Dieses Thier legt ein etwa kreisförmiges Nest von 3—4 m Durchmesser an; innerhalb des Umfanges bleibt kein Kraut und Gras stehen, alles wird mit den Kiefern sorgsamst

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abgejätet; nur der Rand bleibt mit Stoppeln besetzt, die also eine Art Zaun bilden. Auf der für einen Ameisenbau erheblichen Kulturfläche gedeiht aber eine einzige Grasart, Artstida stricta, von weitem her gelb leuchtend. Die Körner dieses Grases werden von den Bewohnern der kegelförmi- gen Nester, die aus dem Kulturplateau hervorragen, that- sächlich gesammelt und eingetragen, also geerntet. Man kann sich lebhaft vorstellen, welchen überraschenden Ein- druck solche Anlagen auf den unbefangenen Beobachter machen. Und wen eine lebhafte Phantasie beseelt, wie Lincecum, dem steigen die Bilder menschlicher Kulturarbeit hier auf, und er sieht die Ameisen ackern, säen und ernten. Wer nüchterner veranlagt ist, wie Mac Cooc, der glaubt wohl an das Ackern und Jäten, das er sieht, aber noch nicht an das Säen, und vermuthet, dass die aufgehende Saat von verloren gegangenen Körnern herrühre. Die Körner werden übrigens nicht von den Pflanzen herabge- holt, sondern nur die abfallenden werden gesammelt und eingetragen, im Bau geschält und von den unreifen abge- sondert, welche sammt den Schalen vor dem Baue abge- lagert werden gleich den „Kjökkenmöddings“, den Küchen- abfällen des Urdänen, um mit W. Mars#ALL zu sprechen. Die Nesthügel im Kulturkreis sind übrigens mit kleinen Kieseln an ihrer Basis gepflastert, eine Art Fundament gegenüber den Einflüssen des tropischen Regens. Staunen muss allerdings den Beobachter erfüllen beim Anblick dieser

Dinge. Und es ist natürlich, wenn er hier sein eigenes Ich en miniature vor sich zu haben glaubt, menschenähn-

liche Intelligenz im Ameisenhirn sich ihm aufdrängt. Aber

da kommt gleich der Skeptiker und Kritikus und redet

von Instinkten, die allerdings einmal durch sinnliche Er-

fahrung erworben, dann stetig vererbt sind. Allein wir wollen nicht vorgreifen. Ein anderes höchst anziebendes _

Bild, das dem eben geschilderten mindestens an Wertl

gleichkommt, hat uns jüngst Aurr. Mörrer !) entrollt. Der Vorwurf dieses Gemäldes entstammt den Gefilden der

1) Aure. MÖLLER, Die Pilzgärten einiger südamerkan. Ameisen. 4

) Jena, G. Fischer 1893,

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Kolonie Blumenau in Brasilien. Der Forscher, welcher in jenem Eldorado der Biologen den Vorzug genoss, aus dem Borne der vielseitigen Erfahrungen seines Onkels, des für die biologische Wissenschaft so hochverdienten und einst unsterblichen Frırz Mürter, tausendfältige Anregungen zu erhalten, ist seines Zeichens Pilzforscher. Und gerade mykologische Studien, die er mit Erfolg dort trieb, liessen dabei ein hochinteressantes Nebenprodukt für die Ameisen- biologie abdestilliren. Wir folgen dem sorgsamen und ge- wissenhaften Forscher bei seinen Beobachtungen eines wandelnden Waldes jener Schlepperameisen, von denen besonders drei Arten: Atta hystriz, discigera und coronata bei Blumenau ihr Unwesen treiben. Was wird aus den heimgetragenen Blattstücken in den Nestern der Schlepper? So fragte einst schon Betr beim Anblick der schleppenden Blattschneiderameisen. Er fand bei der Untersuchung der Nester, die unregelmässig auf dem Erdboden, aber mit Laub oder Holzstücken belegt sind oder unter dem Schutze decken- der Baumrinde liegen, selten einmal ganze Blattstücke und kam zu dem Schluss, dass die Thiere kein Blattwerk frässen. Statt dessen wird der Hohlraum der Nester von einer „lockeren, weichen, grauflockigen, nach Art eines grob- porigen Badeschwammes mit grösseren und kleineren Höhl- ungen durchsetzten Masse“ erfüllt, „in der auch die Eier, Larven und Puppen in unregelmässiger Anordnung umher- liegen“. Eine ähnliche Masse fand sich auch in den Nestern der Haar- und Höckerameisen /Apterostigma und Cyphomyrmez) jener Gegeud. Die mikroskopische Unter- suchung, welche MÖLLER ausführte, ergab, dass die ein- getragenen Blattstücke so zerkleinert waren, dass „fast keine Zelle unverletzt blieb“. Genauere Beobachtung in künstlichen Nestern zeigte Folgendes: Eine Ameise schnitt ein dargebotenes Blatt mitten durch; nur das Stück, das sie zwischen den Kipnbacken trug, verarbeitete sie weiter, indem sie es weiter zerschnitt; die abfallenden Stücke wurden von anderen Individuen ergriffen und zerkleinert. Sobald das Stück etwa die Grösse des Ameisenkopfes er- halten hat, so wird es mit den Vorderfüssen gehalten, so dass „die scharfe Kante dem Munde zugewendet ist“. Nun

16 Altes und Neues aus dem Leben der Ameisen,

wird es, wie dieLupe zeigt, ringsum mit „radialen Riefen* bedeckt, sodann wird die ganze Oberfläche zerkratzt, „gleichsam wund gemacht“, dann mit den Füssen und Kinnbacken gründlich „zusammengeknüllt“ und „geknetet“, So wird das weiche Kügelehen in eine Lücke des Nestes eingefügt. Während die Schlepparbeit der Atta discigera von grossen Arbeiterinnen ausgeführt wird, liegt dieses sorgsame Verkleinerungsgeschäft mittelgrossen Arbeiterinnen ob. Doch wozu nun das alles? Schon nach wenig Stunden durchzieht dieses merkwürdige Ameisenpräparat ein wirres Geflecht von weissen Fädchen, der vegetative Theil eines Pilzes. Sollten diese Ameisen Pilze fressen und eine Pilz- kultur anlegen? Berr vermuthete es einst; sein ant-food entpuppte sich vor MöLter in der That als „Pilzgarten“ entsprechend dem „muschroom-garden“ (Erdpilzgarten), von dem Mac Cook!) bereits friiher bei Atta fervens und Atta septentrionalis berichtete. Deutlich sind an dem Pilzgarten zu unterscheiden ein oberer, blauschwärzlicher, für die Ameisen werthvollerer Theil, den sie bei der Zerstörung des Nestes zuerst sorgsam wieder sammeln, und ein älterer, nieht mehr recht brauchbarer, gelblicher Theil. Während die von den mittelgrossen Arbeiterinnen zerkäuten Kügel- chen von weissem Pilzmycel umsponnen und mit einander verbunden sind, finden sich durch die ganze Masse zer- streut, aber stets nur den obersten, jüngsten Schichten des Pilzgartens angehörig '/,—'/;mm dicke, weisse Pünktchen, welchen MöLtLer den Namen „Kohlrabihäufehen“ giebt. Sie stellen die hauptsächlichste Nahrung der Ameisen dar, wie die Beobachtungen im künstlichen Nest ergaben. Und sie sind ein Züchtungsprodukt ganz kleiner Arbeiterinnen, welchen das Geschäft des Jätens im Pilzgarten obliegt. Diese winzigen Thierchen dringen in die feinsten Spalten

Kohlrabihäufeben wirkliche Reineulturen des Pilzes ziehen | konnte, ein Resultat, das derjenige zu würdigen weiss, der die Gefahren kennt, die den Culturen des Pilzzüchters von

1) Mac Cook, Proceed. of Nat. Se. Philadephia 1879 u. 1880.

3 4 Bi er KL

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Seiten der allgegenwärtigen Sporen von Bakterien und Schimmelpilzen drohen und ach, zu oft jäh hereinbrechen. Diese Arbeit muss in noch grellerem Lichte erscheinen, wenn man all’ der Unreinheiten gedenkt, welche den von den Schleppern eingebrachten Blattstücken anbaften. Es kann nicht unsere Absicht sein, hier auf die mykolo- gischen Resultate Mörzer’s einzugehen, uns interessirt die Arbeit der Ameisen, und so müssen wir ‚noch ein wenig bei MöLLer’s zahlreichen Versuchen bleiben. Entfernte dieser Forscher alle Arbeiterinnen aus dem Pilzgarten, so „schoss er binnen kurzer Zeit in’s Kraut“, d.h. er bildete ein Luftmycel, welches verschiedenartige, auf vegetativem Wege erzeugte Vermehrungsorgane hervorbrachte, die der Pilzforscher Conidien nennt, und die vor allem einen inte- grirenden Bestandtheil jener gelben, tieferen Lage des Gartens ausmachte. Setzte Mörter etliche kleine Arbeiter- innen wieder in den Garten, so schwand jenes Luftmycel in dem Maasse, wie die Grösse der Ameisenarbeit wuchs. Bald entstanden auch wieder die „Kohlrabihäufchen*, die aus kugelförmigen, plasmareichen Anschwellungen des vege- tativen Mycels bestehen. MÖLLER war so glücklich, grosse Hutpilze auf den Nestern der Atta discigera zu finden; durch Aussaat der sogenannten Basidiensporen, welche an den Lamellen des Hutes entstehen, konnte er das Pilzmycel seiner Pilzgärten erziehen, konnte daran die in letzterem beobachteten beiden Conidienformen, Stranganschwellungen und Perlfäden beobachten, konnte mit dem Fleische des Hutes und der Hutlamellen seine Ameisen füttern, mit Hülfe der kleinen Arbeiterinnen die „Kohlrabihäufehen“ erziehen und die Ameisen auch sich von letzteren ernähren sehen. Er kommt sonach zu dem äusserst merkwürdigen, in zwei- facher Weise wissenschaftlich bedeutungsvollem Resultate : Das Mycel des Pilzgartens erzeugt zweierlei Conidien- formen und als höhere Fruchtform einen Hutpilz, Rozites gongylophora, während die Kohlrabihäufchen ein von den Ameisen künstlich gezüchtetes Product ist, das ihnen als Hauptnahrung dient.

Zeigten sich die Blattschneiderameisen als directe Schädlinge der Pflanzenwelt, so können Ameisen auch

Zeitschrift f. Naturwiss, Bd, 67, 1894. 2

16 - Altes und Neues aus dem Leben der Ameisen.

indirect der Vegetation sehr nachtheilig werden. Da ihnen Süssigkeit über Alles geht, so ist ihnen der Blüthenhonig natürlich eine willkommene Speise. Allein es ist bekannt, dass der Nektar der Blumen den Insecten nur deshalb ange- boten wird, damit sie mittelst geeigneter Vorrichtungen ihres Leibes den Blüthenstaub von einer Blume zur Narbe einer anderen Blume nämlicher Art bringen und so die Samenbildung sichern. Der dünne, glatte Ameisenleib ver- mag für die Mehrzahl der Blumen den Gegendienst der Bestäubung nicht zu leisten. Und darum werden die Ameisen auf Blumen, welche den Honig offen darbieten, ihn nehmen und denjenigen Insekten vorenthalten, welche mit ihren Leibesvorrichtungen im Stande sind, Bestäubung zu vermitteln. Wäre daher den Ameisen überall der Weg offen zu den Nektarien, den Honigbehältern der Blumen, so würden diese Thiere der Vermehrung der Pflanzenarten ausserordentlich hinderlich werden. Allein die Blumenwelt ist geschützt gegen unberufene Gäste. Ueber die Mittel, welche in der Natur zu diesem Zwecke angewendet werden, hat uns vor allem Krrxer von MARILAUN !) unterrichtet: Da führt die Masse rtickwärts geschlagener Hüllblätter des Kelches die Honigräuber in die Irre und ab von dem Pfade zur Saftdrüse, oder ein Gewirr von Stacheln stellt sich in den Weg. Dort liegt der süsse Saft an unzugänglichem Ort, in der Tiefe einer Lippenblume, deren Lippen von den Ameisen nicht geöffnet werden können, oder im Grunde eines langen Spornes, zu dem nur lange Insectenrüssel vor- zudringen vermögen. Hier bietet eine Nebenblumenkrone oder ein Reusenapparat von Haaren, welche sich über den zum Honig leitenden Schacht legen, nutzlosen Eindring- lingen gebieterisch halt, und bei einer Anzahl von Pflanzen ist der Blüthenstiel mit Praeventivmaassregeln ausgerüstet, als welche die Kleberinge der Pechnelke ete. anzusehen sind. Ja Krrser deutet eigenthümliche, ausserhalb der Blüthe an vielen Pflanzen vorkommende Honigdrüsen, die extra- nuptialen Nectarien in diesem Sinne. Die Ameisen finden

A. KERNER von MarILAUN, „Die Schutzmittel der Blüthen gegen ee Gäste“.

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ausserhalb der Blüthe Honig genug und werden durch dieses von der Pflanze gebrachte Opfer von der Bltüthe ab- gehalten. Man wird solche Deutung wohl als etwas künst- lich ansehen müssen, und die extranuptialen Nectarien sind entschieden noch controvers. Natur ist hinsichtlich des Blüthenschutzes ausserordentlich erfinderisch. Eine genauere Behandlung des Gegenstandes ist indessen hier natürlich nicht angängig.

Gegenüber dem Schaden, welchen Ameisen der Vege- tation zufügen, steht vor allem auch in der Heimath ein nicht unbeträchtlicher Nutzen. Die mit Giftdrüse und Stachel oder mit verderbenbringenden Kiefern versehenen Ameisen sind die geschworenen Feinde vieler schädlicher Inseeten, besonders der Raupen. Durch die Vernichtung dieser Thiere werden die Ameisen zu einer bedeutsamen Schutztruppe der Pflanzenwelt, und in der Mehrzahl der Fälle wird es sich empfehlen, in unseren Gärten diese Garde zu schonen.

Viele Ameisen sind Allesfresser, und in ihrer uner- hörten Fresslust, welche sich paart mit angeborenem, in- stinktivem Muth und wilder Angriffsweise, können sie zu einer fast unüberwindbaren Naturmacht werden. Denken wir nur an jene kleinen Plagegeister, die gelegentlich wahr- haft epidemisch in unseren Gebäuden auftreten und den Nahrungsmitteln nachstellen. Bei Bäckern und in den an Bäckereien angrenzenden Gehöften kann die winzige Pharao- ameise zu einem chronischen Uebel werden. Aber was ist das gegen den Ansturm der sogenanten Treiberameisen der Gattung Anomma. Es sind Bilder des Grausens, welche die Berichte der Reisenden uns von den Treibern entrollen, Dörfer werden von den Eingeborenen verlassen, sobald die Treiber einziehen; die kleineren Hausthiere, vor allem das Geflügel, wird überfallen und vernichtet; der Neger sieht sich seines Viehstandes beraubt, vom nächtlichen Schlummer durch solche Peiniger aufgescheucht, muss er von dannen ziehen.

Es ist demnach einleuchtend, dass die Ameisen einen bedeutsamen Einfluss auf die geographische Verbreitung

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der Thierwelt haben. W. MarsHarı!) stellt die bezüglichen Thatsachen zusammen und hebt besonders hervor, dass in den Tropen die bodenbrütenden Vögel von den Eeiton- Arten zu leiden haben. Es ist daher verständlich, dass z. B. Bodenbrüter in verhältnissmässig geringer Ausahl dort gefunden werden, wo jene Ameisen massenhaft vor- kommen; und die Thatsache, dass die grossen Hühnervögel des tropischen Amerikas „ganz gegen die Gewohnheit ihrer Sippe auf Bäumen nisten“, ist sicherlich den Eeiton-Arten jener Gegenden zuzuschreiben.

Treten wir damit ein in die Darstellung der Beziehungen der Ameisen zur Thierwelt!

Zu unseren Gärten mit frisch grünendem Laube trägt uns der Blick. Ein Idyll, ein Ameisenidyll zieht ihn auf sich. Das sonst so streitbare Ameisengesindel hier bei einem höchst friedlichen Geschäft, beim Melken der Ameisen- kühe, der Blattläuse, der „Neffen“. Der süsse Saft, den die Blattläuse als Abfallprodukt des Stoffwechsels aus dem Ende ihres Verdauungsapparates absondern und den sie, auf Blättern oder Zweigen sitzend, mit den Hinterfüssen „fortschleudern“ und so die Erscheinung des Honigthaues auf umgebenden Pflanzentheilen erzeugen, wie die Beob- achtungen von BRanDeEs 2) ergeben, bildet das Lockmittel für die Ameisen. Mit den Fühlern streicheln die Ameisen den Hinterleib jener Thiere, bis das ersehnte Tröpfehen erscheint, das, an der Luft consistenter und klebrig wer- dend, seinen Erzeugern vermuthlich lästig werden würde.‘) Und so hat Linx&®’s Bezeichnung „Aphis formicarum vacca“, die Blattlaus ist die Milchkuh der Ameisen, sich bewährt. „Die verschiedenen Ameisenarten benutzen auch verschiedene Arten von Aphis“.1) Manche betreiben das Geschäft unter irdisch, indem sie, wie Lasius flavus, Wurzelläuse melken; auch Schildläuse werden als Melkvieh benutzt. Die Ver-

1) W. MARSHALL 1, c. p. 67 u 2) G. Branpes, Die Blattläuse und der Honigthau. Zeitschr. für Naturwissenschaften. Leipzig, Pfeffer. 66. Bd. 1893, p. 9. UBBOCK, Bienen, Wespen und Ameisen. p. 57. 4) ibid. p. 56,

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suche von Lussock !) haben den unwiderleglichen Beweis geliefert, dass auch die Eier der Blattläuse, welche durch braune, dunklere Färbung von den Eiern der Ameisen unterschieden werden können, von den Ameisen im Herbst in ihre Nester getragen wurden, hier vor Kälte und sonstigen Einflüssen des Winters geschützt bleiben und im Frühjahr Blattlausbrut lieferten, die auf gewissen, auf und neben den Ameisennestern wachsenden Pflanzen prächtig gediehen und natürlich fleissig gemolken wurden. Es ist natürlich, dass eine solche Thatsache leicht zu Gunsten der Annahme einer Ameisenintelligenz gedeutet werden konnte, da hier eine bewusste Absicht vorzuliegen scheint. Es ist klar, dass aus diesem Freundschaftsverhält- niss, welches besser als Symbiose nach dem egoistischen Prineip „do ut des“ bezeichnet werden muss, für die Vege- tation ein mehr oder minder grosser, indireet hervorgeru- fener Nachtheil entspringt. Aber nicht nur mit den Blatt- läusen sind die Ameisen ein symbiotisches Verhältniss eingegangen, sondern auch mit anderen Thieren. Die Nester der Ameisen sind ein Unterschlupf für mancherlei Gethier. Luseock 2) zählt Schmarotzer auf aus der Gruppe der Milben und kleine schwarze Fliegen, Phora und Platyphora, die ihre Eier an die Ameisen legen, Einwohner, Inquilinen, aus der Verwandtschaft der Springschwänze /Poduriden) der Gattung Beckia°), eine weisse Holzlaus /Plathyarthrus Hof- mannseggt), welch’ letztere beiden Thiere Lureock als blind anspricht. Märker4) zählt aus den Nestern der rothen Waldameise (F. rufa) etwa 1000 Gäste auf, Anprk: giebt diejenigen von Lasius flavus auf fast 600 Arten an. Von diesen gehört der bei weitem grösste Theil zu den Käfern, und unter diesen lieferten wiederum die Halbflügler oder RKaubkäfer (Staphyliniden), ferner die verwandten Psela- phiden und Clavigeriden das grösste Contingent der Ameisen- einwohner. Dass unsere Kenntnisse über diese Verhält- nisse äusserst lückenhaft sind, wird bei der Schwierigkeit

1) LuBBOock |. c. p. 58. du.

4) GERMAR’S Ztschr. f. Entomologie. 1841, p. 210.

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der Untersuchung nicht Wunder nehmen. Eine grosse Menge Formen sind sicher zufällige Einwohner der Ameisen- nester, welche der Wärmesehutz anlockt oder die Begierde nach den Eiern und Larven der Ameisen. So darf man mit Wasmann Dinarda dentata und Notothecta flavipus als „indifferent geduldete Gäste“ bezeichnen; und es ist er- klärlich, dass Raubkäfer wie Myrmedonia funesta und cog- nata sowie Quedius brevis, welche der Ameisenbrut nach- stellen, „feindlich verfolgte Einmiether“ darstellen. Allzu wunderbar mag auch das Auftreten eines grossen Gold- käfers (Cetonia floricola) in den Nestern der Waldameisen nicht erscheinen, da dessen Larven in den unteren, mul- migen, von den Ameisen verlassenen Theilen des Baues Wohnung und Nahrung finden, wo auch die lange bekannten Puppenwiegen dieses Käfers sich finden. Dass aber die fetten Larven, wenn sie unter die sonst so gierigen Ameisen gerathen, nicht angegriffen, vielmehr nur beleckt werden, dürfte nach WAsmanN eine, wenn auch nur zum Theil ge- nügende Erklärung darin Sn, dass mit dem Belecken gewisse gastronomische Genüsse verbunden sein können. Allein die Ameisen gehen auch wirkliche Symbiose mit Käfern ein, welche als „ächte Gäste“ bezeichnet werden und den Gattungen Pselaphus („Tastkäfer“), Claviger („Keulen- käfer“), ferner aus der Gruppe der Kurzflügler den Gat- tungen Atemeles und Lomechusa angehören. In neuerer Zeit hat vor allem WAsmann) 2) über die Wechselbeziehungen dieser Käferchen zu den Ameisen berichtet, und wir dürfen demnächst auf weitere Nachrichten von Seiten dieses aus- gezeichneten Forschers über die Gattung Atemeles hoffen. Alle diese Käferchen werden von den Ameisen, bei welchen sie leben, gefüttert, während die Käfer, durch das Streicheln und „Liebkosen“, das die Ameisen ihren Leibern mittelst der Fühler anugedeihen lassen, veranlasst werden, an den zum Theil behaarten Hinterleibern einen Flüssigkeitstropfen austreten lassen, der von den Ameisen verzehrt wird. Ate-

1) WasmAanNn, Beiträge zur Lebensweise der Gattung Atemeles und Lomechusa

2) Winsen, Vergleichende Studien über Ameisengäste und Termitengäste. Haag 1890. Tijdschr. v. Entomol. Bd. XXI

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meles und. Lomechusa vermögen übrigens selbst zu fressen und vergreifen sich gelegentlich an der Ameisenbrut; Pse- laphus und Claviger können aber nicht selbständig fressen.

Wasmann!) hat auf ein interessantes Kriterium hinge- wiesen, welches gleichsam gestattet, solehen Insekten, die von anderen gefüttert werden, wie die in Rede stehenden Käferchen, Termitengäste und jene Ameisen, die von anderen Ameisen geatzt werden, „vom Munde abzulesen“, wie hoch oder niedrig der Grad der Abhängigkeit von ihren Ernährern ist. T'hiere, die gar nicht mehr selbst- ständig fressen können, besitzen sehr verkümmerte Taster; solche aber, die zwar für gewöhnlich sich füttern lassen, jedoch auch selbständig sich noch zu ernähren vermögen, zeigen ein normales Verhalten in der Ausbildung der Taster. Dem entsprechen die Tasterverhältnisse von Ate- meles, Lomechusa, Claviger und Pselaphus; bei den beiden letztgenannten Thieren sind die Kiefertaster nur noch ein- gliedrig, also fast verkümmert. Die blutrothe Raubameise (Formica sanguinea) lässt sich zwar gewöhnlich von ihren Selaven füttern, kann sich aber auch selbständig ernähren; sie besitzt wohl ausgebildete sechsgliedrige Kiefertaster und viergliedrige Lippentaster. Die Amazone, Polyergus, verhungert inmitten der besten Nahrung, wenn sie nicht von den Selaven gefüttert wird und hat sehr rüickgebildete Taster. Das Extrem stellt Anergates atratulus dar, die entsprechend ihrer völligen Abhängigkeit von den Sclaven nur noch zweigliedrige Kiefertaster und eingliedrige Lippen- taster aufweist. Noch bleibt zu erwähnen, dass die Gast- freundschaft der Ameisen sich auch auf die Pflege und Erziehung der Brut jener Käferchen erstreckt, ein Geschäft, das eben so sorgsam ausgeübt wird, wie die Pflege der eigenen Ameisenbrut.

Wir gelangen zu dem Treiben der Ameisen im Heimaths- nest und zu den Beziehungen dieser Thiere zu Individuen der eigenen und fremden Arten. Das gewaltige Beobach- tungsmaterial über diesen Gegenstand hat jüngst WAsmann, 2)

1) WAsMmann, 8. J., Die zusammengesetzten Nester und ge- mischten Kolonien der Ameisen. Münster, 1891, p. 69, 2) ibid.

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einer der sorgsamsten und nüchternsten Forscher und gründ- lichsten Ameisenkenner, von allgemeinen Gesichtspunkten aus zusammengefasst und dargestellt. Wir lassen uns in Folgendem vielfach von ihm leiten,

Auch dem oberflächlichsten Beobachter muss die psy- chische Regsamkeit der Ameisen auffallen, und man wird im allgemeinen diesen Thieren ein sanguinisches Tempe- rament zuschreiben; allein eine vergleichende Uebersicht zeigt auch das phlegmatische in etlichen ausgezeichneten Beispielen. Die Emsigkeit unserer Thiere ist schon seit alten Tagen sprichwörtlich, und all ihr Fleiss dreht sich um den Aufbau und die Erhaltung ihrer angestammten Burg und vor allem um die Brutpflege. Die Brutpflege ist das leitende Motiv für die wichtigsten Thätigkeiten der Ameisen. Im Gegensatz zum monarchischen Bienenstaat, in welchem eine Königin, welche allein die Fortpflanzung besorgt, tonangebend und bedingend für den ganzen Be- "stand des Staates ist, ist der Ameisenstaat demokratisch. Mehreren Weibchen liegt das Geschäft der Eiablage ob, nachdem die Paarung ebenso wie bei der Biene auf dem sogenannten Hochzeitsfluge in der Luft erfüllt ist. Nach diesem einmaligen Ausfluge ins Luftmeer werden die Weib- chen meist von den anderen Insassen des’ Nestes ergriffen, man beisst ihnen die Flügel ab und zwingt sie so zur Sess- haftigkeit. Da, wo ein Weibchen die Urheberin eines neuen Nestes wird, besorgt es das Geschäft des Flügelabbeissens selbst, jener Organe, die ihre Schuldigkeit gethan haben, im engen Neste aber nur hinderlich sein können. Neben den beiden fortpflanzungsfähigen Gechlechtern treten sodann meist in ungebeurer Anzahl die Arbeiterinnen auf, gleich- sam verktimmerte Weibchen, deren Keimanlage rückgebildet erscheint, und die nur in Ausnahmefällen unbefruchtete Eier ablegen, aus denen nach Lussock’s eingehenden Prüf- ungen nur Männchen entstehen analog den parthenogonetisch erzeugten Arbeiterinneneiern der Bienen. Die Arbeiter weisen in unseren Breiten kaum erkennbare Unterschiede in Form und Grösse auf; aber in den Tropen liegen alle mögliehen Uebergänge von kleinsten bis grössten Arbeiter- innen vor. Und wir erinnern uns dieser Verhältnisse,

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welche bedeutungsvoll wurden für den Aufbau und die Pflege der Pilzgärten der brasilianischen Blattschneider. Es ist einleuchtend, dass diese Verschiedengestaltigkeit sich oftmals auf die Form der Kiefer erstrecken wird, und so erklären sich z.B. die gewaltigen Sägekiefer der Blatt- schneider. Ja die Tropen führen in der Kaste der Arbeiter- innen oft eine diekköpfige Unterkaste vor, die mit gewal- tigen Sägekiefern Angriffe auf ihr Nest erfolgreich und energisch abwehren. Das sind die Soldaten, deren Kopf- hohlraum weniger dazu dient, ein grösseres Ameisenhirn aufzunehmen und so zum Sitze eines höheren Intellects zu werden, als vielmehr Raum für die gewaltigen Kiefermus- keln zu bieten und dem entsprechend die „rohe Gewalt“ (MArsHALL) zu verkörpern. Neber dem Nestbau liegt den Arbeiterinnen die Pflege der Eier, Larven und Puppen ob, die im Gegensatz zu den Bienen und Wespen, wirr herum in den Kammern und Gängen liegen. Ihre Entwicklung ist von einer mittleren Temperatur abhängig, die zu er- halten Aufgabe des oft gewaltigen Baues ist. Die schnellen Temperaturschwankungen des Herbstes bringen es daher bei uns mit sich, dass das Arbeitervolk die Brut bald an die frische Luft trägt, wenn es im Bau zu heiss ist, bald in die wärmeren Tiefen hinabschleppt, wenn draussen die Kühle dazu auffordert. Der eintretende Winter lässt das sonst so rührige Volk in Letargie fallen, aus welcher der wärmende Strahl es erst wieder erweckt. Die Larven werden gefüttert, und wenn das entwickelte Insect aus der Puppenhülle heraus will, so fassen hilfreiche Kiefer zu und schälen die jungen Ameisen heraus. Leichen und Unge- höriges werden ebenfalls herausgeschafft und vor das Nest geworfen.

Eine ganz eigenartige Rolle spielen Arbeiterinnen bei den sogenannten Honigameisen. Diese Thiere sind in Mexico als beliebtes Dessert der Eingeborenen seit langen bekannt. Mac CooX beobachtete die Honigameise von Neu-Mexico bei Santa F& genauer. Vor allem fand er solche Thiere in einer durch rothe Sandsteinketteu, welche Götzenbildern ähneln, ausgezeichneten Gegend bei Manitou (Colorado), die deshalb den Namen „Garten der Götter“ führt. So

26 Altes und Neues aus dem Leben der Ameisen.

stellte er neben der Myrmecoeystus mexicanus WESTMAEL die Myrmecoeystus hortus deorum Mac C00x auf. Aehnliche Ver- hältnisse wie bei diesen Formen sind übrigens auch bei einer australischen Ameise festgestellt worden, welche GERALD WALLER 1880 an Sir Jomn Lussock sandte, und die von letzterem als Camponotus inflatus bezeichnet ist. Die amerikanischen Honigameisen bauen niedrige Kegel aus Sandgeröll, deren trichterförmiger Eingang stets von einer stattlichen Schaar Schildwachen besetzt ist. In den glatt gelaufenen Labyrinthgängen und Kammern leben drei, nur durch ihrs Grösse von einander verschiedene Arbeiterinnen- formen, deren 10 bis 20 sich wie eine Art Leibwache um eine Königin schaaren. Eine vierte Form von Arbeiter- innen sind ganz abnorm ausgebildet und hängen als so- genannte Honigtöpfe in besondern Kammern, deren Boden glatt, deren Decke aber rauh ist, um ein Anklammern der unbeholfenen Wesen zu ermöglichen. Arbeiterinnen holen von den kleinen Gallen einer in jenen Gegenden wachsenden Buscheiche, Quereus undulata, während der Nacht den Honig, der stecknadelknopfgrosse Ausschwitzungen der Gallen dar- stellt. Mit dem Safte werden grosse Arbeiterinnen geradezu vollgestopft. Der Kropf oder Vormagen dieser Wesen er- scheint alsdann derartig mit Honig angefüllt, dass die übrigen Eingeweide zu einem Klümpchen zusammengedrängt werden. Der Körper erscheint prall und aufgetrieben, sodass die chitinösen Rückenbrustplatten, welche sonst dicht an ein- ander schliessen, weit von einander getrieben sind, während die düinne Zwischenhaut straff gespannt ist. Die grösste Menge dieser lebendigen Honigtöpfe, welche Mac 000& in einem Neste fand, belief sich auf 600 Stück. Nicht be- kannt ist, ob diese Wesen von Anfang an von Arbeitern gefüttert werden, oder ob sie in früberem, noch „marsch- fähigem“ Alter selbst Honig einsammeln. Ferner ist nieht festgestellt, ob die Thiere ihre hängende Stellung allein oder mit Hülfe von Arbeitern erlangen. Bei geringem Druc

auf den Leib eines solchen Honigtopfes lässt der Mund einen Tropfen austreten. Wurden die Bewohner eines Nestes vier Monate lang von jeglicher Nahrung mit Aus- nahme frischen Wassers fern gehalten, so zeigten sie sich

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alle wohl und munter; die Honigträger waren dabei merk- lich ihres Inhalts beraubt. Im allgemeinen sind die Arbeiter um die Honigtöpfe besorgt; doch blieben herabgefallene Honigbehälter monatelang in unbehülflicher Lage. War einer derselben verwundet, so fielen die Arbeiter über ihn gierig her. Dagen wurden natürlichen Todes gestorbene Honigtöpfe seeirt, Vorderkörper und Hinterleib gesondert entfernt. Wahrscheinlich wirkt der Honig solcher gestorbener Individuen ebenso apathisch, wie mit Carmin gefärbter. Der Ameisenhonig besitzt säuerliches Aroma, ist dünner als Bienenhonig und stellt nach Wersersır's Analyse eine Lösung von reinem, unkrystallisirtem Traubenzucker in Wasser dar. Noch einmal mag darauf verwiesen sein, dass ein Vertreter einer von Myrmecocystus ganz verschiedenen Gattung, die Camponotus inflatus von Adelaide ebenfalls Honigtöpfe besitzt. Es handelt sich also hier um eine parallele Entwicklung des Instinktes, gewisse Arbeiter so eigenthümlich zu modifieiren. Die Grundlage zu einer Er- klärung solcher Verhältnisse können wir etwa dort finden, wo auch bei einheimischen Ameisen Arbeiter, vom Melk- geschäft der Aphiden heimkehrend, ihren Kropf oft strotzend haben von Honig, der grösstentheils allerdings daheim zur Atzung der Brut verwendet wird.

Die mannigfachen Bauten der Ameisen, welche von den Autoren eingehend behandelt wurden, mögen hier über- gangen werden. Nur mag darauf verwiesen werden, dass die grösseren unter ihnen man denke nur an die oft gewaltigen Nadelhaufen unserer heimischen rothen Wald- ameisen im Stande sind, der Landschaft eine gewisse Physiognomie aufzuprägen.

Der Verkehr im Neste unter den Genossen einer Colonie ist ein durchaus friedlicher, abgesehen von ge- legentlich beobachteten Raufereien, welehe man wohl mit wenig Recht als Spielerei, ja als Vorübung zum Kampfe gedeutet hat. Die Genossen einer Colonie erkennen sich stets wieder, ja nach langer Zeit; und es ist bereits darauf verwiesen, dass die bedeutendsten Autoren dies auf den Nestgeruch zurückführen wollen. Ganz anders wird das Bild, wenn Ameisen verschiedener Herkunft, verschiedenen

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Nestern entstammend oder solche verschiedener Arten auf einander treffen. Meist entbrennt heftiger Kampf; die Kiefer lassen bald Köpfe des Feindes rollen, der Stachel erdolcht die Fremdlinge, die Giftdrüsen spritzen ihren Inhalt ver- heerend aus. Der Ausgang ist ein ungleicher, entweder völlige Vernichtung einer Partei oder Rückzug in wilder Flucht. Allein eine wenig zahlreiche Partei wagt eine grosse Colonie kaum anzugreifen, geht ihr aus dem Wege oder sucht, wenn angegriffen, ihr Heil in der Flucht. Das hängt in manchen Fällen auch von dem Naturel der Art ab. Die Beobachtungen führen uns ferner Raubzüge vor,

deren Zweck in dem Puppenraub besteht. Solche Brut wird entweder gefressen oder heimgeschleppt und zu Sclaven oder Helferinnen erzogen. Dabei wird oft eine Auswahl getroffen, indem nur Arbeiterinnenpuppen heimgebracht

werden, die Puppen der Geschlechtsthiere aber aufgefressen werden oder liegen bleiben. Letztere können freilich oft aus mechanischen Gründen nicht transportirt werden, da die Form und Stärke der Kiefer es den Räubern verbietet.

Der Angriff geschieht bei den einzelnen Arten der Räuber ; in einer ihnen eigenen, stets genau befolgten Taktik; die

einen greifen in kleinen Trupps an, deren viele gleichzeitig in das Nest der Gegenpartei einbrechen, diese überrumpeln und das Innere nach Brut durchstöbern. Andere dagegen

kämpfen in geschlossenen Reihen. Manche Ameisen küm- mern sich ferner fast gar nicht um andere Arten, die in ihrem Heim sich niedergelassen haben, und es herrscht hier ein indifferentes Gleichgewicht. Endlich kann es auch zu freundschaftlichen Verbindungen mehrerer Arten kommen, es entstehen Bundescolonien. Das ganze Gebahren erinnert so vielfach an menschliche Verhältnisse, an alle die vielen

Wechselbeziehungen unseres Lebens, dass der aristotelische

Ausdruck des z00n politicon mit allen seinen Consequenzen sowohl auf den Menschen wie auf die Ameisen eine be rechtigte Anwendung verlangen könnte. Es ist ein Ver dienst Wasmanw’s, den anthropinen Uebertragungen, welche selbst verdienstvolle, aber zugleich phantasiereiche Forscher in die Lehensverhältnisse der Ameisen gebracht haben, den Boden entzogen zu haben. Wasmanw’s Kritik spitzt

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sich auf die Frage zu: Ist den Ameisen Instinkt oder Intelligenz eigen? Sind ihre so interessanten Lebens- äusserungen Ausdrücke des einen oder des andern psy- chischen Moments? Es ist zu einer Orientirung über diesen Punkt durebaus erforderlich, auf die wichtigsten conereten Fälle einzugehen, welche der Kritik dieses Forschers die empirische Grundlage geben. Und da bedarf es noch eines kurzen Ueberblickes über einige wichtige Formen des Zu- sammenfindens zweier verschiedener Ameisenarten in dem- selben Nest. Dieses Zusammenfinden kann ein rein zu- fälliges sein; so wohnt die kleine Rasenameise ( Teeframorium caespitum) oft dicht bei dem Nest der blutrothen Raub- ameise (Formica sanguinea); ebenso hat sich im Nestbezirk der uns bereits bekannten körnersammelnden Ameise (Po- gonomyrmez) Amerikas sich die kleine Spiessameise (Dory- myrmez pyramica) eingestellt. Wenn das Beisammenwohnen keine Störungen der Parteien veranlasst, so mag eine ge- wisse Indifferenz das Verhältniss derselben beherrschen. Bei der Rasenameise und der blutrothen Raubameise da- gegen ist dies Verhältniss kein ideales; ewiger „unter- irdischer Guerillakrieg“ ist an der Tagesordnung. Den Entstehungsgrund solcher zufälliger „zusammengesetzter Nester“ darf man mit WAsmann!) wohl vorwiegend in der Häufigkeit des Vorkommens der bei einander wohnenden Arten suchen. Der Friede unter den Nachbarn ist am besten gesichert, wenn die „Körpergrösse der Thiere recht verschieden ist im Verhältniss zur Beschaffenheit des Nest- bezirkes“.2) Es giebt aber auch „gesetzmässige Formen zu- sammengesetzter Nester“. So hat sich die winzige Sole- nopsis fugar bei grösseren Verwandten (Formica sanguinea, rufibarbis, fusca, pratensis, Polyergus rufescens, Myrmica scabrinodis und lobieornis) eingenistet. Neben dem gelegent- lich zu beobachtenden Geschäft der Pflege von Wurzel- läusen hat Solenopsis sich dem unsauberen Diebeshandwerk zugewendet. Von ihren weiteren Hauptgängen mit den Bruträumen, in welchen sich die grösseren Männchen und

1) WAasMmAnN Il. c. p. 8 2) ibid. p. 10 u. 11

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Weibehen tummeln können, treibt dieser Zwerg winzige Minen nach den Gängen seines Wirthes, um hier Eier und kleine Larven zu stehlen. Die geringe Angriffsfläche dieser kleinen Arbeiter lässt sie den Kiefern der Wirthe entgleiten oder sichert bis zu gewissem Grade gegen das Gift der- selben; ja es ist nicht unwahrscheinlich, dass solche Zwerg- diebe tiberhaupt übersehen werden, und bei der Flucht in ihre engen Gänge können die erbosten Verfolger nicht nachsetzen. Dazu kommt die grosse Masse der Diebe und ihr geradezu scheussliches Gift, dass die grossen Verfolger oft nach kurzer Frist vernichtet. Eine Erklärung der Ent- stehung solcher zusammengesetzter Nester dürfte kaum Schwierigkeiten bereiten.

Eine andere kleine Ameise, Formicoxenus nitidulus, ver- dient die Bezeichnung einer Gastameise. Sie logirt sich als ein regelmässiger Gast bei der rothen Waldameise For- mica rufa, ein und geniesst bier den Wärmeschutz des grossen Nestes, der sie wohl hierher zog. Zuweilen wird ihr kleines Nest im Puppengehäuse des Goldkäfers, Cetonia floricola, gefunden. Sie ist harmlos und besitzt „eine un- erschütterliche Geduld;* mit geringem Gesichtssinn begabt, erträgt sie die Püffe und Fusstritte ihrer Wirthe mit stoischer Ruhe, die sie ihrer Kleinheit wegen wohl übersehen mögen. Zu viel beunruhigt, stellt sie sich todt, und verlegt ihr Nest aus zu belebten Theilen des rothen Waldameisen- nestes in ruhigere Stadtviertel. Wenn die Waldameisen ibr Nest verlassen, folgt sie ihnen, jedenfalls um dem Wärmeschutz wiederum nachzustreben. Sie wird von den Wirthen geduldet, weil jedenfalls meist übersehen. Ein echter Gast, den die Wirthe füttern, ist sie aber nicht. Wie man sich ein so harmloses Gastverhältniss entstehen denken will, dürfte ebenfalls keinerlei Schwierigkeiten bereiten.

Von diesen zufälligen und gesetzmässigen zusammen- gesetzten Nestern scheidet WAsvmanw nun scharf die „zu- sammengesetzten Colonien“. Diese kommen dadurch zu Stande, dass zu bestimmten Zeiten räuberisch veranlagte Ameisen regelmässige Raubztige ausführen, um die Puppen fremder Ameisen zu erbeuten, heimzutragen und zu Selaven

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oder Hilfsameisen zu erziehen. Daraus kann ein dreifaches Wechselverhältniss von Herren und Sclaven resultiren:

1. Die Herren bleiben gänzlich unabhängig von den Hilfsameisen, was an dem gekerbten Kaurand der Kiefer der Herrenarbeiter zum Ausdruck gelangt.

Das Prototyp dieser Sorte ist die blutrothe Raubameise, Formica sanguinea, welche F. fusca und rufibarbis zu Sclaven macht, erstere deshalb häufiger, weil sie gemeiner ist. Gerade wenig zahlreiche Colonien von sanguinea haben die meisten Sclaven, weil sie naturgemäss von den einge- schleppten Puppen relativ wenige zur Nahrung brauchen, und weil sie die meisten Arbeiter nöthig haben.

Die beim tollkühnen Angriff befolgte Taktik wurde schon erwähnt. Während sanguinea vorwiegend jagt, müssen ihre Hilfsameisen Erdarbeiten verrichten, die Brut erziehen und Blattläuse züchten. Sanguinea ist zwar nicht völlig abhängig von ihren Helfern, aber sie sind ihr zum Vortheil geworden.

2. Die Herren sind abhängig von den Selaven, was die Kiefer ihrer Arbeiterinnen durch den Mangel des Kaurandes verrathen.

Das typische Beispiel bilden die Amazonen, Polyergus, deren Kiefer ausschliesslich als furchtbare Waffen im Streite dienen. Die europäische Polyergus rufescens raubt F. fusca und rufibarbis, die nordamerikanische P. /ueidus zieht F. Schaufussi zu Selaven auf. Es ist interessant, dass die Selaven entgegen ihrem oft feigen Naturel bei den Herren deren Kampfesmuth übernehmen und sich bei Nestüberfällen muthig benebmen. Die Amazone ist die gefürchtetste Selavenjägerin, aber auch nur nach dieser ienen Richtung hat sich ihr Talent ausgebildet. Zu Hause ist sie das täppischste, unbeholfenste Wesen, das die häus- lichen Arbeiten ihren Selaven überlassen muss, weil ihre einseitig zum Kampfe ausgebildeten Kiefer es ihr gar nicht gestatten. Ja sie lässt sich normaler Weise von den Selaven füttern, die sie anbettelt, obwohl ihre Fresswerkzeuge es ihr zulassen dürften, denn sie besitzt keine rückgebildeten Taster. Abgesehen von wenigen Fällen, wo sich ?

32 Altes und Neues aus dem Leben der Ameisen.

gleichsam zufällig an Nahrung vergriff, verhungert sie mitten in der Nahrung, wenn sie nicht gefüttert wird.

Eine Untergruppe der zweiten Classe, wo die Herren von den Helfern zwar abhängig sind, es aber ihrer Fress- werkzeuge wegen nicht zu sein brauchten, bilden Strongy- lognathus testaceus und die noch lange nicht völlig erforschte nordische Tomognathus sublaevis.

Strongylognathus testaceus ist mit der kleinen Rasen- ameise, Teframorium caespitum vergesellschaftet und schwer zu finden, da beide Formen sich sehr ähneln. Strongylo- gnathus vermag ihre völlig zahnlosen Kiefer aber kaum noch zum Angriff zu gebrauchen, ebenso wenig aber zur Brut- pflege; sie wird von Teframorium gefüttert, kann sich aber, der Hilfsameisen beraubt, selbst ernähren und vermag auch kleine Gänge zu graben. Wie kommen diese gemischten Colonien zu Stande? Nach der Ansicht WAsmann’s auf friedliche Weise, da von einem Sclavenraube nichts zu beobachten ist. Man kann hier also nur von „Bundes- colonien“ sprechen, deren Glieder weder Herren noch Scelaven sind, sondern wohl passend als „Gesellschafts- ameisen*“ bezeichnet werden müssen. Beobachtet ist das Zustandekommen einer solchen Colonie nicht. Allein am wahrscheinlichsten ist, dass sich ein befruchtetes Weibchen von S’rongylognathus friedlich alliirt mit einem der sehr häufigen isolirten Weibehen von Tetramorium; es könnte auch ein Weibehen von Strongylognathus von einer T'etra- morium-Colonie aufgenommen werden oder zwei Colonien der in Rede stehenden Thierchen verbänden sich. Letztere beiden Annahmen dürften jedoch wenig Wahrscheinliches haben. Es bleiben aber in dieser Bundescolonie Räthsel. Da in der Bundescolonie Strongylognathus Tetramorium Weibchen beider Parteien vorhanden sind, so ist die wich- tigste ungelöste Frage: Wo bleiben die von Tetramorium erzeugten Männchen und Weibchen, die nie gefunden werden?

3. Die Herren sind gänzlich abhängig von den Sclaven und besitzen überhaupt keine Arbeiterform.

Dieses Extrem findet sich in den Colonien Anergates atratulus Tetramorium. Neben den geflügelten Weibchen

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hat Anergates atratulus ungeflügelte, unentwickelte und larvenähnliche Männchen. Neben ihnen bevölkern nur Arbeiter von Tetramorium die Colonie. Anergates ist völlig abhängig von Tetramorium und besitzt in beiden Geschlechtern äusserst reduzirte Kiefer. Im Uebrigen ist nichts über die Entstehung solcher Colonien bekannt.

Den von Wasmann charakterisirten drei Gruppen ge- setzmässig gebildeter gemischter Colonien können solche gemischten Colonien gegenüber gestellt werden, in welchen zwei verschiedene Ameisenarten, die für gewöhnlich nicht vergesellschaftet sind, nesslinineise sich zusammen ge- funden haben. Solche „zufällige Formen gemischter Colo- nien“ können künstlich hervorgebracht werden, um den Forscher auf die Fährte zu bringen nach den Urmaches der Wechselwirkung der Ameisen in den gemischten Colonien, sie können andererseits gelegentlich auch in der Natur vorkommen. Die ausnahmsweise gebildeten gemischten Ameisencolonien haben also eine wichtige theoretische Bedeutung, und ein kurzes Referat über die einschläglichen Beobachtungen und Ansichten WAsmann’s muss deshalb hier seinen Platz finden.

„Künstliceh anormal gemischte Dupdessolonie? kann man leicht hervorrufen zwischen ganz jungen, der Puppe eben entschlüpften jungen Ameisen, wie schon Forer's Ver- suche dargethan haben. Die noch nicht ausgefärbten Thiere vergesellschaften sich ohne Schwierigkeit, bauen ein ge- meinsames Nest. Der Bestand einer solchen Bundescolonie hängt natürlich von der Art ihrer Zusammensetzung ab. Die Erklärung dieser friedlichen Vereinigung beliebig vieler, ganz verschiedener Arten, deren Individuen aus ganz ver- schiedenen Nestern stammen, findet Foreı darin, dass den unausgefärbten Ameisen noch kein typischer Nestgeruch anhafte, dass sie noch nicht ihr Nationale an sich tragen, daher „untereinander noch auf einem internationalen Stand- punkt“ stehen. Wer sich der Annahme Forer’s von der Bedeutung des odorat au contact anschliesst, wird darin auch leicht die Erklärung dafür finden, dass solche jungen, nicht ausgefärbten Ameisen mit noch weichem Chitinpanzer von erwachsenen alten a leichter aufgenommen werden

Zeitschrift für Naturwiss. Bd. 67. 3

34 Altes und Neues aus dem Leben der Ameisen.

als alte. Versuche haben weiter die wichtige Thatsache festgestellt, dass Ameisen verschiedener Arten und Colo- nien, welche, in Masse vereinigt, sich wüthend bekämpfen, sich ganz anders verhalten, sobald sie in geringer Zahl in einem Gefässe mit Erde gehalten werden: Anfänglich weichen sie möglichst einander aus, oft „siegt das Gesellig- keitsbedürfniss über die gegenseitige Abneigung“, Ja es kann selbst zu Bündnissen kommen, was besonders dann der Fall ist, wenn die zusammengebrachten Arten unter einander näher verwandt sind, und wenn der Unterschied in der Grösse nicht zu bedeutend ist. Unter diesen Be- dingungen wird eine vollkommene Bundescolonie erzielt, in welcher alle Individuen sich am Nestbau, an gegenseitiger Fütterung und an der Brutpflege betheiligen. Das gegen- seitige Verhältniss der künstlich gemischten Individuen bleibt ein um so indifferenteres, je bedeutender der Unter- schied in der Grösse und in der systematischen Herkunft ist. Diese Thatsachen sind von grosser Wichtigkeit für die Erklärung der Entstehung der Bundescolonien, z. B. der früher erwähnten Colonie Strongylognathus testaceus Tetramorium, sofern damit ein möglicher Weg gezeigt wird,

den die Natur zur Erzielung von Bundescolonien beschreiten

kann. Es ist ferner bemerkenswerth, dass die Neigung zur Allianz gewissen Ameisenarten und Gattungen in höherem Grade eigen ist, als anderen. So sind die Formiciden durch diese Neigung besonders ausgezeichnet ; unterihnen schliessen Formica sanguwinea und rufa am leichtesten wieder Bünd- nisse mit Colonien derselben Art. Polyergus dagegen ver- gesellschaftet sich nie mit einer Colonie ihresgleichen,

während eine Vereinigung von Polyergus und Formica um

so leichter statt hat, weil ja Polyergus der Formica be- darf. Zwei Colonien derselben Ameisenart alliiren sich um so leichter, je plötzlicher die Annäherung stattfindet,

während eine langsame Vereinigung eine längere Reihe

von Feindseligkeit nach sich zieht. Werden fremde Colo- nien in einem Sacke durcheinander geschüttelt, so scheint die Noth schnell gegenseitige Freundschaft zu schmieden

(ForzL). Es ist einleuchtend, dass gelegentlich durch 4

* A

A =

Von Dr. €. SmaLsan. 35

Ameisensammler unbewusst künstlich anormale Bundes- eolonien herbeigeführt werden.

Gegenüber den „künstlich anormal gemischten Bundes- colonien® stehen „künstlich anormal gemischte Raubcolo- nien“, welche For£L mehrfach hervorbrachte, so besonders von Formica sanguinea und pratensis. Ihre Dauer war keine lange (2—3 Jahre); bald herrschte die eine, bald die andere Art vor. Die Allianz war übrigens eine innige und bewährte sich im Kampfe gegen fremde Colonien; dabei zeigte sich das eigenthimliche Naturel der einzelnen Art; pratensis floh bei Beunruhigung zunächst in die Tiefe und die Wahlstatt bedeckte sich mit der kriegerischen sanguinea; doch nahm auch pratensis, welche sonst hauptsächlich fried- licher Beschäftigung nachging, am Kampfe Theil und zwar mit der ihr eigenthümlichen Taktik des Fechtens in ge- schlossener Reihe. Wasmann erzeugte künstlich gemischte Raubcolonien von Formica sanguinea, fusca, rufa, pratensis, und es ist interessant, wie in diesen Colonien das Naturel jeder einzelnen Art in schärfster Weise zum Ausdruck ge- langte. Wurden Hornissen in das Nest der Colonie ge- worfen, so stürzte sich vor allem die kampflustige sanguinea giftspritzend auf die Fremdlinge, ihr schlossen sich an die kleinen fusca. Dagegen zeigten sich unsere Waldameisen, rufa und pratensis, entsprechend ihrem harmloseren Naturel, viel unbeholfener.

Bei den künstlich erzeugten anormal gemischten Colo- nien weiss man genau, ob man eine Bundes- oder eine Raubeolonie vor sich hat, und vor allem, wie sie entstanden sind. Aber es giebt auch „natürliche anormale gemischte Colonien“, welehe durch Beobachtung erwiesen sind. Allein ihr Wesen ist schwer zu ergründen, da sich meist nicht leicht entscheiden lässt, ob man wirklich anormal gemischte Colonien oder Raubcolonien oder gemischte Nester vor sich hat; indessen vermag der Scharfbliek des geübten Forschers aus dem Naturel der vergesellschafteten Arten durch Ana- logieschluss die Natur der Vereinigung mit grosser Wahr- scheinlichkeit festzustellen. So sah Wasmann einst Formica sanguinea mit rufa und fusca associirt, und Foren hatte

früher bereits Colonien sanguinea-pratensis und sanguinea- 2

36 Altes und Neues aus dem Leben der Ameisen.

rufa beobachtet. Forer’s Beobachtungen haben auch natür- lich anormal gemischte Bundescolonien wahrscheinlich ge- macht (Fourmiliöres miztes naturelles anormales in Ameisen der Schweiz).

Nach einer Uebersicht über die feststehenden That- sachen des Verhaltens der Ameisen untereinander ergiebt sich für uns zur Schlussbetrachtung eine Reihe Fragen und theoretischer Erörterungen: Wie entstanden die gemischten Raub- und Bundescolonien? Haben sie sich entwickelt im Sinne der Descendenztheorie? Mit dieser Frage ist die- jenige nach der Entstehung der socialen Instinete aufs Engste verknüpft, ebenso das Problem: Tritt uns in den Handlungen der Ameisen eine höhere psychische Bethätigung entgegen, vergleichbar unserer Vernunft? Die hierzu ge- hörige Argumentation ist im allgemeinen eine einbeitliche und sei als hypothetisches Moment hier am Ende kurz an- gedeutet.

Die Beobachtungen über das Treiben der Ameisen lehren, wie mehrfach erwäbnt wurde, dass die Thätig- keiten dieser Thiere stark an menschliche Verhältnisse an- klingen; und die Gefahr liegt nahe, menschliche Anschau- ungen auf das Volk der Ameisen zu übertragen, eine Erscheinung, welche nicht nur Laien, sondern verdiente Forscher hervorgebracht haben. Wenn man, entschieden in gewisser Voreingenommenbeit befangen, den Menschen in der.Ameise en miniature wiedererkennen will, so legt man vor allen Dingen den Handlungen dieser Thiere eine bewusste Absicht zu Grunde. Es ist nicht zu leugnen, dass man nur zu leicht zu dieser Ansicht kommen kann, Beispiele aus dem Beobachtungskreise sind genug zur Hand; wir wollen uns aber niebt mehr in’s Einzelne ver- lieren. Da wir uns nicht in die Psyche der Ameisen ver- setzen können, so werden die Beobachtungsresultate Je nach dem Standpunkte des Beurtheilenden stets schwanken. Allein ich glaube doch, dass die anthropine Uebertragung über’s Ziel hinausschiesst, wenn sie bewusste Absicht der Ameisenhandlungsweise unterschiebt. Man wird nicht leug- nen können, dass unsere Thiere Erfahrungen machen, dass sie durch bestimmte sinnliche Empfindungen veranlasst, ZU

Von Dr. C. SmALıan. 37

bestimmten Thaten veranlasst werden, dass sie Erinnerungs- bilder besitzen, welche auftauchen, sobald der Reiz, welcher jene hervorrief, wieder sich geltend macht. Es sind das schon verwickelte psychische Thätigkeiten, welche WAsmann sammt und sonders als Instinete bezeichnet, weil sie con- stant bei den einzelnen Arten sich äussern und vor allen zum Theil wenigstens den eben aus der Puppenhülle ge- nommenen Jungen anhaften. Man mag in manchen dieser Erscheinungen selbst die Anfänge einer Abstraction er- blicken, sofern Vorstellungen ceoncereter Dinge wie der Puppen, die geraubt werden, vorliegen. Ja manche Thätig- keiten scheinen Anzeichen fast einer Art Ueberlegung an- zudeuten. Daher Forer’s Meinung vom „kurzen Funken einer überlegenden, zweifelnden Vernunft“ und Hesrı FABRES „Schimmer von Intelligenz“. Es kommt eben darauf an, ob man die Vorstellungen conereter Dinge gleichsam als Anfang der Abstraction und damit der Intelligenz ansehen will, wie Every!) das thut, oder ob man das mit WASmann Instinet nennen will. Darin hat Wasmann aber gewiss Recht, dass von einer Vernunft wie beim Menschen hier füglich nicht geredet werden kann. Von einer sinnlich er- zeugten Vorstellung bis zur geistigen Erzeugung einer be- wussten Absicht, das ist noch ein weiter Weg. Dass die Räuber wissen, zu welchem Zweck sie die Puppen der Fremden eintragen, das Ziel der Selaverei, das kann Niemand beweisen; aber auch der Gegenbeweis muss aus- stehen. Es ist sehr wohl denkbar, dass den Ameisen ein- fache, sinnliche Vorstellungen eigen sind wie dem mensch- lichen Säugling, dass die daraus folgenden Strebungen das Resultat eines zuerst gelegentlichen Erfolges sind von zu- fälligen Bewegungen, dass diese Bewegungen alsdann aus dem Gebiete des Reflexes herausgehoben und zu gewollten Handlungen werden. Die Abstraetionen höheren Grades sind aber erst möglich durch den Besitz einer Sprache, wie Em£rY treffend ausführt, welche gestattet, Reihen von Vorstellungen zu Begriffen und danach zu Schlüssen zu verbinden. In diesem höhern Grade wird man den Ameisen 9) Emerr, Intelligenz und Instinet der Thiere, biolog. Central- latt 1893. Bd. XILL, No. 5, p. 151—

38 Altes und Neues aus dem Leben der Ameisen.

allerdings eine Intelligenz absprechen müssen. Allein etwas ganz anderes ist es, ob alle Thätigkeiten der Ameisen ihren Grund in Instineten haben, oder ob sie nicht zum Theil ein Ausfluss einer, wenn auch sehr niedrigen Intelligenz sind, genau wie die menschlichen Handlungen zum Theil instinetiv, zum Theil rationell sind. ZiEsLer!) sieht als Instinet nur vererbte geistige Eigenschaften an und be- schreibt mit HersBerr Spencer denselben als einen „com- plieirten Reflex“. Dabei sind Reflex und Instinkt schwer von einander zu scheiden, beide sind entstanden auf Grund der für die Species charakteristischen Keimesanlage, „sie sind durch Vererbung überlieferte Eigenthümlichkeiten“, Erkennt man diese Fassung des Instinetes als richtig an, so muss man auch der Unterscheidung beipflichten, welche ZIEGLER zwischen Instinet und Verstand aufstellt: „Die- jenigen Assoeiationen, welche im individuellen Leben auf Grund der Einprägung von Sinneseindrücken gebildet wer- den, diese beruhen auf dem Verstand, diejenigen, welche unabhängig von der äusseren Erfahrung zur Entwicklung kommen, diese sind instiretiv“. Was ergiebt sich, wenn wir diesen Maassstab an die Ameisenthätigkeiten anlegen? Die grosse Masse der auf Nestbau, Brutpflege, Sclaven- raub gerichteten Handlungen der Arbeiter beruht auf In- stinet. Dafür spricht die Constanz der Ausführung dieser Thätigkeiten; die Thiere folgen dem angeborenen Triebe, so zu handeln, und die Arbeiter jeder folgenden Generation machen cs ebenso wie diejenigen der vorhergehenden. Darin liegt ein scharfer Gegensatz zu den Thaten des Menschen, den Darwin?) längst hervorhob: „Die Ameisen arbeiten nach ihren Instineten und mit angeborenen Organen als Werkzeugen, während der Mensch nach erworbenen Kenntnissen und mit künstlich gefertigtem Geräth arbeitet“. Dieser Unterschied kann nicht genug hervorgehoben werden: Die auf die Erhaltung des Ameisenstaates zugeschnittenen

!) H. E. ZIEGLER, über den Instinet, Anhang zu „die Natur- wissenschaft und die socialdemokratische Theorie“ p. 246.

2) Darwıs, Entstehung der Arten, übers. von Carus, 4. Aufl. p. 313.

eg 5%. 4 Vak tal Zu

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Thätigkeiten beruhen auf dem Muss, diejenigen des Men- schen auf dem freien Willen. ZieeLer!) gagt daher mit Reeht: „Man würde einen groben Irrthum begehen, wenn man von den Verhältnissen der Inseeten einen Schluss auf die soeialen Einrichtungen des Menschen machen wollte, besonders wenn man etwa die communistischen „Staaten“ der Inseeten als Vorbild eines Communismus der Menschen betrachten möchte“. Und dieser Autor weist treffend darauf hin, dass die Inseeten und die Wirbelthiere mit dem Men- schen schon um deshalben einen Vergleich nicht aushalten, weil sie so sehr differente am Stamme des Thier- reiches darstellen.

Wenngleich die Richtung er Ameisenthätigkeiten in- stinetiv begründet erscheint, so kann daneben dennoch die Art der Ausführung unter dem Einfluss der Erfahrung stehen. Wenn aber im individuellen Leben einer Arbeiterin die Erfahrung auf die Handlungsweise des Thieres ein- wirken und diese verändern kann, so heisst das, das Thier vermag zu lernen. Ob Ameisen etwas lernen können, ob der Antrieb zu einer veränderten Handlungsweise also in einer, wenn auch geringen Ueberlegung zu suchen sei, das ist die Frage. Es scheint nicht angängig, die Frage all- gemein zu bejahen oder zu verneinen, da offenbar Unter- schiede einer verschiedenen Begabung der Gattungen, Arten, ja auch der Individuen derselben Species vorliegen können genau wie bei den höheren Thieren. Wider- sprechende Beobachtungen liegen in Menge vor; so führt Wasmans 2) Beispiele an, welche gegen jede Ameisen- intelligenz sprechen, Luprock 3) golche, welche für dieselbe eintreten sollen. Einige besonders typische Beispiele mögen hier ihren Ort finden:

WASMAnN®) hing ein Schälchen mit Honig wenige Milli- meter über Formica sanguinea auf, unter dem ein Erd- häufchen lag. Die sanguinea, welche manche Autoren als

1) ZIEGLER, |. c. p. 186,

2) ]. c. p. 203 und 204. ;

3) LuBBOcK, Ameisen, Bienen und Wespen. Kap. IX, p. 198 bis 231.

#%) WASMAnn, 1. c. p. 208.

40 Altes und Neues aus dem Leben der Ameisen.

die „intelligenteste* heimische Art ansprechen, „reekten stundenlang sehnsüchtig ihre Fühler nach dem hohen Ideale aus, ohne auf die Idee zu kommen, eine kleine Schicht unter denselben zusammen zu tragen und dadurch ihren Standpunkt zu erhöhen“. Das geschah auch nach Tagen nicht. WaAsmann fährt fort: „Der schwächste Schimmer einer tiberlegenden Vernunft hätte dazu ausgereicht aber er war eben nicht vorhanden. Meiner Meinung nach wäre der Versuch in wenig veränderter Form noch instructiver und beweisender: Wenn man nämlich zunächst eine Verbindung zwischen dem Honigschälchen und dem Erdhäufchen her- stellte, sodass die Thiere erst zum ersehnten Ziel gelangen könnten und so durch Erfahrung den Weg kennen zu lernen vermöchten. Was würden sie thun, wenn alsdann später die Brücke abgebrochen würde?

In dieser Form würde sich der Versuch mehr dem- jenigen nähern, über welchen Luseock!) nach dem Bericht Kerners referirt, und über den Dr. GrevLer aus Bozen im „Zoologischen Garten XV p. 434“ zuerst berichtet hat. Ein College des Dr. GrepLer hatte Ameisen auf seinem Fenster- sims mit Zucker geködert (welche Art vorlag, wird leider nicht angegeben). Der Zucker wurde später in ein Gefäss gethan und dann mit einem Faden am Querbalken des Fensterkreuzes befestigt, „und damit die bisher gehegten Pfleglinge auch vom höher gehängten Brotkorbe Kunde nähmen, wurde eine Anzahl Individuen desselben Ameisen- zuges hineingegeben“. Bald sah man die Thiere mit Zuckerkrümehen am Faden über das Fensterkreuz hinab- turnen. In den folgenden Tagen ging der Zug von der im Garten befindlichen Colonie über das Gesims, das Fensterkreuz zum Zuekerbehälter und zurück. EinesMorgens jedoch stand die Masse der Thiere wieder auf dem Gesims; im Zuckergefässe „arbeiteten aber ein Dutzend Kerle rüstig und unverdrossen, trugen die Krümchen nunmehr blos an den Rand desselben und warfen sie ihren Kame- raden hinab auf das Fenstergesimse, das ihr kurzsichtiges Auge doch gar nieht wahrnehmen konnte“. Dieser Ver-

1) LupBock, Ameisen, Bienen und Wespen, p. 199.

Von Dr. C. Smausan. 41

such ist zweifelsohne in seiner Ausführung lückenloser als der Wasmanw’sche, und er verlangt vorn herein weniger von der ratio der Thiere, indem er Schritt für Schritt Er- fahrungen bietet. Von LEUCKART und andern werden mehrfache Beobachtungen über Ameisen angeführt, welche über in den Weg gelegte Hindernisse (Theerringe, Tabaks- Jauche) Erdklümpcehen, Blattläuse zu einer Brücke formirten, über welche sie hernach marschirten.

Es ist jedenfalls sehr erwünscht, Experimente und Beobachtungen nach solcher Richtung hin noch möglichst viele anzustellen zur Klärung der Frage, ob Intelligenz oder Instinet den Ameisen zuzuschreiben sei. Darf ich hier eine eigene kleine Beobachtung darstellen: Ich sah im Juli 1893 zwei rothe Waldameisen sich mit dem Hinter- leibe eines erbeuteten Wespenleichnams abquälen; sie wollten das Stück in eine der Oeffnungen des Nestes hin- einbugsiren, und da es bei der ersten Oeffnung nicht an- ging, so versuchten sie es an drei oder vier andern, aber überall umsonst; sie zogen nämlich das breitere Ende voran; endlich aber drehten sie die Last herum, und nun zog eine am spitzen Ende vorn, die zweite schob nach, sodass die Beute schnell meinen Blicken entschwand. Ich wage nicht, derartige Handlungen, bei welchen gleichsam probirt wird, und welche man tausendmal beim Transport von Bau- material durch Ameisen beobachten kann, ohne weiteres einer Intelligenz zuzuschreiben, da hier das Gefihl mannig- fach eine Rolle spielen kann. Allein ich bin durch die schönen Beobachtungen Wasmann’s doch durchaus nicht überzeugt davon, dass man den Ameisen auch die leiseste Spur von Intelligenz absprechen müsse. Wasmans denkt meiner Meinung nach beim Gebrauche des Wortes Intelli- genz immer an eine zu hohe Bethätigung derselben bei Wesen, welche so weit verschieden sind in ihrer Orga- nisation von den höchsten Wirbelthieren. Er verlangt meiner Meinung nach viel zu viel von einer Ameisen- intelligenz.

Als völlig verfehlt wird man aber Wasuansw’s!) Forde-

1) 1. e. p. 208.

42 Altes und Neues aus dem Leben der Ameisen.

rung ansehen müssen, dass sanguinea, welche stets in kleinen Trupps angreift und deshalb von grossen Trupps fusca oder rufibarbis leicht überwunden werden kann, ihre Taktik verändern solle. Die Taktik ist ebenso gut ange- boren, also instinetiv wie der Trieb zu rauben. Ebenso hinfällig ist seine Argumentation bezüglich des Verhaltens von der Amazone, Polyergus, wenn er sagt: „Ein Wesen, das selbst fressen kann, und trotzdem das Fressen „ver- lernt hat“, das ist die grösste Ironie auf die Tbierintelli- genz“ (l. e. p. 204). Woher weiss er denn, dass Polyergus

fressen kann? seine Stütze ist ein Analogieschluss von der

Beschaffenheit der Fresswerkzeuge auf das Fressenkönnen. Und er berichtet, dass er einmal Polyergus habe selbst- ständig sich ernähren sehen; allein die Sache ist doch nieht zweifelsohne, da man in diesem Falle, wo die Thiere sonst nie fressen, sondern stets gefüttert werden, nicht wissen kann, ob die berührte Nahrung auch wirklich auf- genommen wurde.

lles in allem: Wir sind auch nach den ausgezeich- neten Beobachtungen WaAswann’s nicht im Reinen darüber, ob den Ameisen nur Instinet zukommt und nicht auch die ersten Anfänge der Abstraction, also Elemente einer In- telligenz. Denn den Beobachtungen dieses Autors stehen ebenso schwerwiegende anderer bedeutender Forscher wie 1. B. Lussock’s gegenüber. Zudem wird man sich über das, was man als Intelligenz definiren will, erst einigen müssen. Bis dahin ist jeder Streit müssig.

Und nun noch etwas über die Meinungen nach der Entstehung der soeialen Instinkte der Ameisen und also damit derjenigen der gemischten Colonien: Wen die mäch- tigen Erfolge der morphologischen Forschung, also der ver- gleichenden Anatomie, Entwieklungsgeschichte und der Palaeontologie auf den Boden der Entwicklungslehre ge stellt haben, der muss eonsequenter Weise auch eine Ent- wicklung der thierischen Psyche annehmen.

Die Forderung ist leicht, der Beweis psychologischer- seits zur Zeit unmöglich. Das ist, was sicher steht. Mit grossem Interesse folgt man den ebenso scharfsinnigen wie objeetiven Ausführungen WAsmanw’s, in welchen er das Pro

ne REES EL ne Ni

Von Dr, C. Smausan. 43

und das Contra bezüglich einer seelischen Entwicklung ab- wägt. Er giebt die Möglichkeit einer solchen zu, aber er macht sich doch nicht frei aus seinem sonstigen Anschau- ungsbereich; er will am Ende zum persönlichen Schöpfer- begriff gelangen, wie der Monist zum Monismus. Er be- kennt sich wenigstens als einen gemässigten Anhänger der Entwicklungslehre; aber seinem Fühlen nach würde er es gern sehen, wenn sich diese Lebre auf die Dauer als un- haltbar erwiese. Dieses Eindrucks kann man sich nicht erwehren bei der Lectüre der philosophischen Kapitel seines herrlichen Buches. Zwei schwerwiegende Einwände gegen die Lehre von der Entwicklung der socialen Instinete der Ameisen wird man anerkennen müssen: Erstens, seit dem Tertiär sind die Kasten der Ameisen dieselben geblieben; also müssen auch die ihnen anhaftenden Instinete damals bereits gegeben sein. Allein, wie sie waren, das wissen wir nicht, und wie es vor dem Tertiäralter war, in welchem die Thiere vielleicht ihre höchste Blüthe erreichten, darüber wissen wir abermals nichts. Zweitens der Einwurf, den Darwın sich selbst schon erhob: Will man annehmen, die Instinete seien von den Urameisen durch Erfahrung er- worben und vererbt, so entstehen die grössten Schwierig- keiten für eine Erklärung.

Da heute die Arbeiter, die eigentlichen Träger der soeialen Instinete, normaler Weise sich nicht fortpflanzen, so müsste man zu zweierlei Dingen seine Zuflucht nehmen: Erstens könnten die gelegentlich von Arbeitern erzeugten Männchen, falls die Arbeitereier nicht von ihren Producenten gefressen werden, was oft geschieht, die Träger einer „latenten Vererbung“ sein. Oder man muss annehmen, bei den Urameisen sei der Unterschied zwischen normalen, ver- erbungsfähigen Weibehen und Arbeiterinnen noch ein ge- ringer gewesen; aber dann, so folgert Wasmann weiter, waren ja die Instinete noch niederer Art. Zu der letzteren Folgerung braucht man aber, meine ich, durchaus nicht zu kommen. Es kann ja doch möglich sein, dass längere Zeit hindurch Weibchen sowohl Eier legten, als es auch in den Instineten zu allerhand Arbeit weiter und weiter brachten. Erst spät, als die Instinete schon hoch, ja am höchsten

44 Altes und Neues aus dem Leben der Ameisen.

unter dem Einfluss der natürlichen Zuchtwahl entwickelt waren, trat eine scharfe Trennung von nur eierlegenden Weibehen und nur arbeitenden Kümmerweibchen ein, und von jetzt an mag es nicht Wunder nehmen, die Instinete als constant bleiben zu sehen. Wir sind indessen hier überall rein im Gebiet der Hypothese, und es ist besser, mit WAsmann ein ehrliches Ignoramus zu bekennen. Daraus kann aber nimmermehr folgen, dass diese Lücken unseres Wissens im Stande seien, die Entwicklungslehre über den Haufen zu werfen. Man mag noch so viele werthvolle Bau- steine zu einer vergleichenden Psychologie zusammentragen und diese zu Prüfsteinen der Entwicklungslehre machen, ein wirkliches zusammenhängendes Gebäude wird sich nie- mals fügen lassen. Die Paläontologie hat bei aller Lücken- haftigkeit uns mit einer Menge alter Formen bekannt ge- macht, die wir nach ihrem Bau als Colleetivtypen, also als Ahnen heute lebender Wesen ansehen dürfen, die Entwick- lungsgeschichte der Einzelwesen hat uns das biogenetische Grundgesetz gebracht, das uns weithin rückwärts leitet und ein Verständniss für heutige Einrichtungen der Lebewesen liefert, die physiologisch unverständlich erscheinen; die vergleichende Anatomie ist ein stolzer Bau, der mit seinen eben genannten Schwesterwissenschaften uns unaufhörlich vorwärts bringt in der Erkenntniss des Wesens und der Entstehung der Lebewelt. Alle diese morphologischen Dis- eiplinen predigen uns den Entwicklungsgedanken. Aber es fehlt uns eine vergleichende Physiologie und Psycho- logie mit dem annähernd gleichwertbigen Inhalt wie die vergleichende Morphologie. Allein die Hoffnung auf eine vergleichende Psychologie in diesem Sinne ist eine zu schwache. Denn es kann keine auf empirischer Grundlage aufgebaute Entstehungsgeschichte der geistigen Thätig- keiten geben, keine Psychogenie; die vergleichende Psycho- logie ist daher ein Bau ohne Fundament, sie mag ein mehr oder minder werthvolles Mosaik darstellen, aber leider werden die meisten Plätze ihres Gebietes immer frei bleiben, da es uns unmöglich ist, uns in die Thierseele zu ver- setzen; wir können nur immer mit menschlichem Maasse messen und werden damit per Analogiam so und so oft

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Von Dr. C. SmaLıan, 45

falsch messen. Und wenn es uns gelänge, die Dinge vom psychischen Standpunkte des Thieres aus anzusehen, so fehlte uns das Urtheil, die ratio, die jedenfalls nur uns unter den Lebewesen eigen ist. So drängt es uns also doch zur Entwicklungslehre. Unter den mannigfachen Dar- stellungen, welche das Leben des interessanten Ameisen- volkes erfahren hat, nimmt Wasmann’s Werk das muss man hervorheben eine vorzügliche Stellung ein. Es ist ein Muster strenger Wissenschaftlichkeit, die der Phantasie straffe Fesseln anlegt, damit sie nicht mit uns bei der Be- urtheilung der natürlichen Dinge durchgehe. Und ein Anderes beweisen so gediegene biologische Arbeiten, näm- lich dass die morphologische Methode, die so gewaltig heute die Forschung beeinflusst, nicht die alleinselig- machende für den Naturforscher ist, und dass man den äusseren biologischen Verhältnissen der Lebewelt mehr Rechnung tragen soll, als das zuweilen geschieht.

Nachtrag.

Nach Drucklegung dieser Ausführungen kommen mir zwei Arbeiten in die Hände, welche sich auf die Enstehung der Instinkte und der Arbeiter bei den Ameisen beziehen, und die hier nicht unerwähnt bleiben dürfen'))! WeısMmAnN hebt hervor, das die Eigenthümlichkeiten der Arbeiter nur „durch Selektion der Ameiseneltern“ gezüchtet wurden insofern, als „immer diejenigen

tern am meisten Aussicht auf Erhaltung ihrer Kolonie tten, welche die besten Arbeiterinnen hervorbrachten“. Die Arbeiter weisen in Bezug auf die Eigenthümlichkeiten der beiderlei Eltern Unterschiede auf, welche als „regressive® und „progressive“ Umbildungen anzusehen sind. Die ersteren, Rückbildung des Geschlechtsapparates (Fehlen des receptaculum seminis), Abnahme der Ocellen der Augen, Verkümmerung der Flügel und des ge- sammten Flugmechanismus, Rückbildung der auf die Fortpflanzung gerichteten Instinkte, erklärt WEIsMANN durch seine Theorie „Panmixie“ oder durch „negative Selektion“, d.h. ein „überflüssiges Organ sinkt von der Höhe seiner Ausbildung durch Niehtunter-

1) WEISMANN, die Allmacht der Naturzüchtung, Jena G. Fischer, 189. 2) Biologisches Centralblatt Bd. XIV p. 535—59.

46 Altes und Neues aus dem Leben der Ameisen.

gang ze... Individuen herab, welche es in weniger voll- kommener Ausführung besitzen,“ Danach wäre die Verkümmerung des er der Amazone, Polyergus rufescens etwa folgendermaassen zu denken: Bei den gänzlich auf Krieg und

sondern durch den der Sklavin ausgelöst.“ In der Zeit, als die Arbeiter der Amazone zwar sich schon von Sklaven füttern liessen, aber selbst sich noch ernähren konnten, waren „Individuen mit schlechter entwickeltem Nahrungssuchttrieb ceteris parıibus ebenso gut als andere, und Kolonieen mit solchen blieben deshalb ebenso- wohl erhalten als andere. So musste langsam dieser Trieb von seiner ursprünglichen Vollkommenheit einbüssen und ist nach gewiss ungeheuer langen Generationsfolgen schliesslich ganz ge- schwunden. Die progressiven Umbildungen der Arbeiter, die höheren Instinkte knüpfen an die. höhere Ausbildung des Hirnes an und sind nach WEISMANN durch „positive Selektion“ der Arbeitereltern hervorgebracht zu denken. Mit der Rückbildung des Fortpflanzungstriebes wird das sonst hierauf verwendete

Material für die psychische eine verwendet. EMERY, der auf WEISMANN’s Seite steht, setzt hier ein. Indem er!) eingehend die muthmassliche Entstehung des Arbeiterstandes skizzirt und

besonders darauf hinweist, dass die noch wenig untersuchten tropischen Poneriden vermuthlich Primitivformen darstellen, deren

Arbeiter von den Weibchen noch wenig verschieden sind, meint

er, dass analog den Verhältnissen bei der Honigbiene die Arbeiter -

lediglich durch eine besondere Nahrung gezüchtet wurden. Bei dieser Annahme ist die Arbeiterbildung zurückzuführen auf eine

„besondere Reaktionsfähigkeit des Keimplasmas, welches auf die h

in rmg oder auf ‚den Mangel ‚gewisser Nährstoffe dureh here A

in ihrer kieer antwortet. " Arbeiternahrung muss die Kr und Gehirnentwieklung gegen die der Flügel und der organe bevorzugen, Königinnennahrung umgekehrt.“

summirt seine Ansichten i in der Bemerkung: „Bei der er der einzelnen Ameisenarten wurden nicht die Eigenschaften

der Abeiterinnen vererbt, sondern die allen befruchteten Eiern von

zukommende Fähigkeit, zu einer oder mehreren Sorten Arbeitern gezüchtet zu werden. Es wurde auch der besondere Instinkt der ner vererbt, welchen auch die frucht-

baren Weibchen als Begründerinnen neuer Gesellschaften be- i

sitzen müssen.

1, L. C. P- 55—bb.

NR sr BR I

REN RR

Ueber die Vertheilung der Farben bei einheimischen Schmetterlingen. Briefliche Mittheilung des Professor W. Marshall an den Herausgeber.

Sehr geehrter Herr College und Freund!

Als ich vor Kurzem in Ihrer geschätzten Zeitschrift (66. Bd. pag. 403) Ihre Mittheilung über die Vertheilung der Farben beim Kohlweissling las, fiel mir ein, dass ich mich vor etwa einem Dutzend Jahren gleichfalls mit der Färbung der Schmetterlinge beschäftigt hatte. Ich liess damals aus Mangel an Zeit die Sache ruhen, aber viel- leicht dürfte Ihnen eine Mittheilung meiner damaligen Be- funde nicht uninteressant sein, so wenig die Untersuchungen auch abgeschlossen sind. Zugleich muss ich auch betonen, dass ich zu jener Zeit nach dem, was über diesen Gegen- stand in der Litteratur vorhanden war, keine Umsehau bielt, und dass sich diese Unterlassungssünde gesteigert hat in dem Maasse, wie seitdem diese Litteratur gewachsen ist. Doch zur Sache!

Nach den Gesetzen der Korrelation sollte man an- nehmen, dass die beiden Flügelpaare der Inseeten als ho- motype Theile (obere, metamerale Anhänge) vollständig gleichartig entwickelt sein müssten. Bei manchen alter- thümlichen Formen, z. B. bei den Planipennien im Sinne Burmeister’s ist ja das in der That auch der Fall oder doch nahezu der Fall. Wenn nun eine ungleichartige Ent- wieklung dieser ursprünglich homotypen Theile eintritt, so kann das auf sehr verschiedenen Ursachen beruhen: zu-

nächst und hauptsächlich wirken statische Momente; An-

passung der Flügel als Bewegungsorgane an Belastungs

48 Vertheilung der Farben bei einheimischen Schmetterlingen.

verbältnisse des Körpers, dann kann sich das vordere Flügel- paar zum Schutzorgan entwickeln, geschlechtliche und nach- ahmende Zuchtwahl können umbildend auf die Flügel einwirken u. s. w. Auch auf die Färbung der Schmetter- lingsflügel haben diese Momente z. Th. eingewirkt, haupt- sächlich aber die nachahmende und geschlechtliche Zucht- wahl, die auf dem Gebiet der Farbenvertheilung bei den Lepidopteren in einem merkwürdigen Kampf mit einander getreten sind und die verschiedenen Kombinationen der Farben auf diesen als Resultate gezeitig haben.

Wenn wir einen Schmetterling mit grauen Vorder- und rothen Hinterflügeln sehn, so wundern wir uns gar nicht, wir würden uns aber sehr wundern, wenn er etwa rechts graue und links rothe Flügel hätte. Nicht besonders auf- fällig ist es uns ferner, dass bei den einen Schmetterlingen Ober- und Unterseite nahezu gleich, bei andern aber sehr verschiedenartig gefärbt sind. Aus dem täglichen Anblick kennen wir alle die Gesetze der Korrelation und bemerken Abweichungen von denselben sofort.

Nach diesen Gesetzen wäre aber, bei strikter Be- folgung derselben zu erwarten gewesen, dass beide Flügel- paare unter sich und auch ihre beiden Seiten gleich gefärbt seien. In der That ist das bei vielen Spannern (Geometridae) der Fall, höchstens dass die Unterseite bei gleicher Zeichnung und gleicher Farbe eine oder einige Nüancen heller ist, was wohl auf direkte Einflüsse des Lichtes zurückzuführen sein dürfte. Weiter ist es der Fall bei den Männchen der seltsamen Psychiden, bei denen e8 allerdings in Folge der Art der Begattung und der Be- schaffenheit des Weibehens dieser Schmetterlinge nicht möglich war, dass die geschlechtliche Zuchtwahl sich an der Entwieklung und an der Vertheilung der Farben be theiligen konnte. Auch wenn es sich um Ekel- und Warn- farben (in der deutschen Fauna z. B. bei Spilosoma men- thastri, lubrieipeda und Stilpnotia salicis) handelt, hat die korrelative Entwicklung der Farben freies Spiel und natür- lich auch bei solchen Schmetterlingen, die ungeniessbare kopiren. Diese letzteren Fälle sind in unserer Fauna nieht zahlreich aber um so interessanter. Spilosoma menthastr!

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wird nachgeahmt von Diaphora mendica, aber nach einem bekannten Gesetze nur vom Weibe und die Verschiedenheit der beiden Geschlechter beweist, dass Mimiery bei dieser Art nicht sehr alt sein kann, da ibr Resultat sich noch nicht auf das Männchen durch Vererbung übertragen hat. Bei Porthesia auriflua und chrysorrhoea, die Stilpnotia salieis nachäffen, ist die Uebertragung durch Vererbung weiter fortgeschritten; bei auriflua ist das Weib auf beiden Seiten rein weiss wie S/. salieis, der Mann ist auf der Oberseite der Vorderflügel nur noch am Innenwinkel braungrau ge- fleckt, aber die Unterseite hat noch eine breite schwärz- lichbraun verwaschene Binde am Vorderrande, Bei chry- sorrhoea ist die Uebertragung noch weiter vorgeschritten, da beim Manne die Vorderflügel auf der Oberseite in der Regel reinweiss sind und nur gelegentlich (als Rück- schlag) hier schwarze Punkte zeigen. Diese Beispiele be- weisen, dass, wie bekannt, nachahmende Zuchtwahl beim männlichen Geschlecht erst bemerkbar wird, wenn sie bei den an der Sache mehr interessirten Weibchen schon völlig durchgeführt ist. Die Fälle der beiden Porthesia-Arten beweisen aber auch zugleich, dass die am verstecktesten gelegenen Theile (Unterseite der Oberflügel) zuletzt der Wirkung der durch die Mimiery neu eingetretenen Korre- lation unterliegen. Die versteckten Theile, an deren Färbung die Resultate der geschlechtlichen Zuchtwahl sichtbar werden, können bei den verschiedener Schmetterlingsgruppen ver- schieden sein, je nachdem diese Thiere in der Ruhe zu sitzen pflegen: an den unter diesen Verhältnissen sicht- baren Theilen tritt Schutzfärbung in korrelativer Entwick- lung auf, an den versteckten aber die durch geschlechtliche Zuchtwahl bedingten Farben. Die meisten Tagfalter sitzen bekanntlich in der Ruhe mit aufgeklappten Flügeln, wobei der Vorderrand der Hinterfligel mehr oder weniger weit die Unterseite der Vorderflügel bedeckt und die Hinter- fligel zeigen auf der Unterseite durchaus Schutzfärbung, die Unterseite der Vorderfligel aber nur soweit, wie sie von den Hinterflügeln nicht bedeckt sind, auf dem be- deckten Theil macht sich aber, kraft den Gesetzen der Korrelation, die auf geschlechtlicher Zuchtwahl ee

Zeitschrift für Naturwiss. Bd. 67. 1894.

50 Vertheilung der Farben bei einheimischen Schmetterlingen.

Färbung geltend. Mit der Oberseite beider Flügel verhält es sich oft gerade umgekehrt: die der Vorderflügel zeigt den Einfluss von serual selection durchaus, die der Hinter- flügel häufig nur soweit, wie sie von den Vorderflügeln nicht bedeckt sind.

Die Färbung der Unterseite bei dem ruhenden Senf- weissling /Pieris napi) und beim Aurorafalter (Anthocharis cardamines) ist noch protectiver als beim Kohlweissling. Sie ist genau so vertheilt bei jenen wie bei diesen, aber sie ist nicht mehr einfach grünlichgelb, sondern beim Senf- weissling sind an den Hinterflügeln die Adern grün be- stäubt und das geht noch weiter beim Aurorafalter. Beim Männchen ist der orangerothe Fleck oben und unten gleich stark entwickelt, er wird aber in der Ruhe nicht sichtbar, ebensowenig wie das Weiss der Oberseite, denn die Vorder- ftigel sind an der Spitze unten grünstreifig, die ganze Unterseite der Hinterflügel ist aber grün, breit genetzt oder gewolkt. Die ruhenden Aurorafalter sehen der Unterseite der Umbelliferendolden, die sich bei manchen Arten bei kühler Witterung oder Abends zusammenziehen, ausser- ordentlich ähnlich, und sie setzen sich auch mit Vorliebe an dieselben.

Aehnlich entwickelt, aber noch interessanter, ist die Farbenvertheilung bei einer Anzahl einheimischer Sphin- giden. Der Todtenkopf (Acherontia atropos) hat die Ober- seite der Vorderflügel schützend, die der Hinterflügel schmückend, gelb mit schwarzen Binden, gefärbt. Auf der Unterseite sind beide Flügelpaare so gefärbt, wie das hintere auf der Oberseite. Merkwürdiger noch wird die Sache bei zwei einheimischen Arten der Gattung Smerinthus, beim Pappelschwärmer /S. populi) und beim Abendpfauenauge (S. ocellatus). Die Smerinthen sind Thiere, die sowohl durch den Schnitt ihrer Vorderflügel, wie durch ihre Färbung ausgezeichnet geschützt sind. Hierzu kommt noch die Stellung, die sie beim Ruhen einnehmen. Der alte Röseı hat auf einer seiner vorzüglichen Tafeln, ich weiss nicht welcher, und die „Inseetenbelustigungen“ sind mir eben nicht zur Hand, ein Abendpfauenauge abgebildet, ser

mit dachförmig angezogenen Flügeln wie eine Noktuide

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dasitzt. Diese Stellung ist für Smerinthen ungewöhnlich. In der Regel sitzen diese Thiere ähnlich wie die Hesperien: Die Ebene der gehobenen Flügel bilden zur Körperlängs- axe ungefähr einen halben und mit einander einen ganzen rechten Winkel, dabei sind die Vorderflügel etwas nach hinten gerichtet, die hinteren aber nicht, sodass ihr Vorder- rand etwas über den Vorderrand der Vorderflügel sichtbar wird, und ein ruhender Smerinthus sieht, wenn er an einem Baume . einigen dürren Blättern trefllich ähnlich.

ie eben beschriebene Art des Sitzens ist nun die Vertheilung der Farbe beim Pappelschwärmer und Abend- pfauenauge wundervoll eingerichtet, die des Linden- und Eichenschwärmers (Smerinthus tiliae und quereus) weniger. Beim Pappelschwärmer sind die Vorderflügel auf der Ober- und die Hinterflügel auf der Unterseite durchaus schützend gefärbt, aber diese sind auf der Ober- und jene auf der Unterseite zum Theil schön braun, beim Abendpfauenauge sind die entsprechenden Stellen rosenroth, wozu noch auf der Oberseite der Hinterflügel der schöne Augenfleek kommt, der Smerinthus ocellatus zu einem unserer schönsten ein- heimischen Schmetterlinge macht. Man betrachte nun ein- mal die Oberseite der Hinterflügel dieses Schwärmers genau, und man wird finden, dass sie am Vorderrand auf der Oberseite genau so weit schützend, d. h. bräunlich grau gefärbt sind, wie sie bei der ruhenden Stellung über den Vorderrand der Vorderflügel hervor sehen.)

Es sei mir gestattet, hier eine Stelle aus Seitz, Be- trachtungen über die Schutzvorrichtungen der Thiere (Spengel’s Zool. Jahrb. Systematik etc. III. anzuführen, da sie ebenfalls die besprochene Form betrifft. $. ocellatus, das Abendpfauenauge, pflegt den Tag an der Rinde der Stämme in der Art zu verbringen, dass es mit bei- gezogenen Fühlern und aufwärts gerichteten Hinterleibe still dasitzt, während die braunen, rindenartig gezeichneten Vorderflügel das Auge der Hinterflügel völlig decken. In dieser Stellung ist es gut an- gepasst und wird leicht übersehen. Sobald es nun beunruhigt wird, ändert es die Stellung und zwar in eigenthümlicher Weise. Die Vorderfligel werden hoch gehoben, und zwar über die Höhe hinaus, welche sie beim Fluge einnehmen müssen.

Zugleich wird der Hinterleib ausgestreckt, und nun leuchten mit einem Male die tiefblauen in röthlichem Grunde stehenden Augen zu beiden Seiten des einem Nasenrücken gleichenden Abdomens

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52 Vertheilung der Farben bei einheimischen Schmetterlingen.

Einer sehr interessanten und für die uns hier be- schäftigenden Fragen sehr wichtigen Varietät des Pappel- schwärmers gedenkt TreıtscHke (B, X. pg. 141) mit folgen- den Worten: „Herr KorLar fing einen solchen Schmetter- ling, der auf einem Vorderflügel, wie auf den beiden hintern, den rostrothen Wurzelfleck führte.“ Das ist also ein Fall, in dem die mächtige Wirkung der Korrelation eine durchaus abnorme aber doch sehr verständliche und erklärliche Erscheinung veranlasst hat. Es giebt übrigens auch Exemplare des Abendpfauenauges, bei dem die Ober- seite der Vorderflügel einen auffallend rosigen Anflug hat. Ich will hier noch einer exotischen Sphyngide, des in die Chaerocampa-Deilephila-Gruppe gehörigen Ambulyz ganascus gedenken. Bei ihm sind die Vorderflügel auf der Ober- seite aschgrau mit einer kohlschwarzen Wurzelbinde und mit einer Auzahl verwaschenen, dunkler grauen Querbinden, sie sind mithin durchaus schützend gefärbt, die Hinterflügel sind rosenroth mit 3 schwarzen Querbinden. Betrachtet man den Schmetterling von unten, so sieht man folgendes: die Hinterflügel sind lehmgelb mit drei dunklern Quer- binden und die Vorderflügel sind auf der vordern Hälfte gleichfalls ockergelb, auf der hintern Hälfte aber rosen- roth mit zwei gunz schwarzen Querbinden und den An- deutungen einer dritten. Dieser Fall ist daher noch inter- essanter als der von Smerinthus ocellatus, weil nicht blos die Grundfarbe, sondern auch die Zeichnung der Oberseite der Hinterflügel sich auf der Unterseite der Vorderflügel wiederfindet.

Auch bei den einheimischen Deilephila-Arten sind die Farbenvertheilungen ähnlich wie beim Totenkopf, und es giebt Varietäten, besonders südländische Wolfsmilch-

hervor, und durch sie ist das Säugethier so genau nachgeahmt, dass selbst der Einstrich am inneren Augenwinkel nicht fehlt. Darüber erheben sich dann wie zwei gespitzte Ohren die braunen Vorder- flügel und so starrt plötzlich aus dem Dunkel des Unterholzes, das den Fuss des Baumes umgiebt, das Augenpaar wie das eines Marders oder einer Katze dem Angreifer entgegen; wohl geeignet, einem Vogel derart Schrecken einzujagen, dass ihm der Appetit für einige Zeit vergeht.“ Anm, des Herausgebers.

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schwärmer, bei denen die Vorderflügel auf der Oberseite die schützende Färbung sehr stark einbüssen, dafür aber die schmückende der Hinterfligel annehmen. Darauf sei hier nur hingewiesen, aber einer merkwürdigen Varietät von Chaerocampa elpenor, die TREITSCHKE (Bd. X, S. 129) be- schreibt, muss ich doch gedenken. Dieser Klassiker auf lepidopterologischem Gebiete sagt von einem grossen männ- lichen Individuum des mittleren Weinschwärmers in seiner Sammlung, es habe auf den Hinterflügeln, hinter dem schwarzen Wurzelfleck, starke grüne Bestäubung und dann mitten durch das Roth eine eben solche, mit dem Grunde der Vorderflügel gleichfarbige, grüne Linie. Das ist also ein Fall, in dem einmal die Korrelation die schmückende Farbe der Hinterflügel durch die schützende der Vorder- flügel verdrängt hat.

Was einheimische Spinner angeht, so sind die lang- weiligen Lithosien und die von insektenfressenden Thieren verschmähten Zygänen häufig auf der Oberseite und Unter- seite und unter einander gleich gefärbt, selbstverständlich geht die gleiche Färbung der Vorder- und Hinterfligel nur soweit, wie es der Umfang der letzteren zulässt. Es giebt aber unter unsern Lithosien einige Ausnahmen: so ist Lithosia deplana auf der Oberseite gleichmässig gelb, aber auf der Unterseite sind die Vorderflügel grau, bei Lithosia eborea sind auf der Oberseite die Vorderflügel gelb, die Hinterflügel aber grösstentheils grau, die Unterseite ist aber gerade umgekehrt gefärbt. Das scheint darauf hin- zudeuten, dass die grauschwarze Färbung die ursprüngliche der Lithosien gewesen (und bei griseola zum Theil, bei rubricollis, abgesehen vom Halskragen, ganz geblieben) ist, die durch die gelbe in sehr verschiedenem Grade und in sehr verschiedenem Umfange verdrängt wurde.

Bei unsern beiden Nachtpfauenaugen /Saturnia spini und carpini) sind die Vorder- und Hinterflügel oben und unten und unter einander ziemlich gleich gefärbt und gezeichnet. Die Thiere sitzen mit angezogenen Flügeln und es kann sein, dass sie wie Frasz EıLuarn SCHULZE vom grossen Nachtpfauenauge (S. pyri) vermuthet, sitzend mit den Augenflecken dem Kopfe eines kleinen Säugethieres

54 Vertheilung der Farben bei einheimischen Schmetterlingen,

ähnlich sind und daher von Vögeln ignorirt werden. Anders verhält sich die Sache beim Nagelfleck (Aglia tau). Vorder- und Hinterfligel haben oben, die erstern auch unten, auf lehmgelben Grund den bekannten blauen, weiss- gekernten Fleck auf der Unterseite und die verschwindende schräge Randbinde. Ganz anders und sehr eigenartig ist aber die Unterseite der Hinterflügel gezeichnet. Diese sind, wie das vordere Drittel der Unterseite der Vorderflügel, in einer schwer zu beschreibenden Weise heller und dunkler gebändert und gefleckt und das ganze ist schwärzlich über- stäubt, der Augenfleck der Oberseite markirt sich als ein helles Dreieck mit eingedrückten Seiten. Diese Färbung ist bei der Art, wie diese Thiere, besonders die fast ganz fiugunfähigen, helleren Weibchen (das wie wild in den Laubwäldern herumsausende Männchen bekommt man nur, wenn man es aus der Raupe gezogen hat, sitzend zu sehen) zu sitzen pflegen, wundervoll schützend. Die Thiere sitzen im Frühling nämlich ganz in der Stellung, wie ich sie oben vom Abendpfauenauge beschrieben habe, mit halb in die Höhe geklappten Flügeln, wobei die hintern unter den vordern vorgezogen sind, auf und zwischen den vorjährigen, dürren Blättern der Buchen. Denen gleichen sie aufs Haar, auch die schwarze, von parasitischen Pilzen herrührende Bestäubung ist kopirt, und die an ihnen so häufigen Frass- stellen, an denen im Sommer vorher die Raupe irgend eine Schabe genagt hat, fehlen nicht im Abbild, das ist der veränderte Augenfleck der Oberseite.

Bei einem von Cramer (Tafel CH, Fig. E u. F.) ab- gebildeten und Phaluena Bomby« Molina genannten Spinner aus Surinam wiederholt sich die Farbenvertheilung des Pappelschwärmers, wenn auch die Farben anders sind, oben sind die Oberflüigel zimmetbraun, die Unterfüügel in grossem Umfang schön violett, die Unterseite verhält sich umgekehrt. . Es lässt sich mit ziemlicher Gewissheit sagen, dass dieser Schmetterling in der Ruhe die Stellung der Smerinthus und des Nagelflecks annehmen wird. Ebenso eine andere, von ÜrAMEr abgebildete Saturnie (Janus), die auf der Oberseite einen Augenfleck im Hinter-, auf der Unter- seite aber im Vorderflügel hat.

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Eine merkwürdige Ausnahme bilden verschiedene Euprepienformen, die von insektenfressenden Thieren ver- schmäht werden. Ihre Vorder- und Hinterflügel sind beide so lebhaft und auffallend gefärbt, dass von Schutzfärbung keine Rede sein kann und die Unterseite beider Flügel- paare stimmen unter sich und mit der Farbe der Oberseite der Hinterflügel (z. B. bei Calkimorpha hera) ziemlich gut überein, aber die Oberseite der Vorderflügel ist ganz anders gefärbt. Man hätte aus den früher entwickelten Gründen vermuthen sollen, dass die Farbenähnlichkeit beider Flügel- paare oben und unten eine grössere wäre.

Wir kommen jetzt zu den Noktuiden und wollen be- sonders die Gattungen Brephos, Tryphaena und Catocalla in das Auge fassen. Bei allen Angehörigen dieser drei Genera weichen bekanntlich die beiden Flügelpaare auf der Oberseite erheblich ab, das vordere zeigt Schutz-, das hintere Prachtfärbung. Die im Sonnenschein fliegenden Brephos-Arten haben oben graulich oder bräunlich mellirte und gescheckte Vorder- und gelbe, mit schwarz gezeichnete Hinterflügel, auf der Unterseite verhalten sich beide Flügel- paare wie die Hinterflügel auf der Oberseite. Tryphaena pronuba und fimdria haben die Oberseite der Vorderflügel mit stark ausgeprägter Schutzfärbung, die der Hinterflügel ist (besonders bei mdria) lebhaft gelb mit breiter schwarzer Binde. Betrachten wir die Schmetterlinge von unten, so sehen wir die Hinterflügel wie oben gefärbt, aber die Vorder- flügel weichen in Kolorit und Zeichnung hier sehr von ihrer Oberseite ab, indem sie gelb mit einem grossen, bindenähnlichen Fleck sind, der bei pronuba heller, grau- lich, bei Amdria aber nahezu schwarz ist. Es ist bekannt, dass auch die Tryphaenen viel bei Tage fliegen. Der Variationskreis in der Zeichnung, aber auch in der Färbung der Oberseite der Vorderflügel, ist bei ihnen ein so grosser, dass kaum ein Individuum dem andern gleicht, und viele Exemplare von pronuba haben hier eine mehr oder weniger starke Beimischung von gelb, ja es kommen welche vor, die fast ganz gelb sind. Das ist auch bei einer andern, kleineren und seltneren Art (bei Tryphaena comes) der Fall, und man hat aus dieser Abänderung eine eigne Art machen

56 Vertheilung der Farben bei einheimischen Schmetterlingen.

wollen und sie adsegua benannt. TrEırscakz erwähnt (Bd. V, 1. Abth. S. 268) ein Exemplar von Amdria, das auf der Oberseite der Vorderflügel ganz purpurfarbig war, also bier jedenfalls eine sehr starke Beimischung rothgelber Schuppen hatte.

Von besonderem Interesse sind nun die präch- tigen Ordensbänder (Catocalla) und wir können bei ihnen, was die Vertheilung der Farbe betrifft, einen doppelten Typus unterscheiden. Den Typus der rothen (incl. des blauen C. fraxin! —) und den der gelben. Bei allen Arten zeigt die Oberseite der Vorderflügel Schutz-, der Hinter- flügel Prachtfärbung. Bei den rothen Ordensbändern gleicht die Unterseite der Hinterflügel sehr der Oberseite. Die Unterseite der Vorderflügel weicht von der Oberseite der- selben, aber auch von der Unterseite der Hinterflügel be- trächtlich ab. Sie ist allerdings auch gebändert, aber nicht schwarz und roth, sondern schwarz und weiss. Von einer Art der rothen Ordensbänder (C. electa) giebt es Individuen, bei denen die graue Oberseite der Vorderflügel stark rosig angehaucht ist. Sehr merkwürdig ist die Farbenvertheilung bei C. fraxini. Die Oberseite der Vorderflügel zeigt die bekannte Schutzfärbung, auf der der Unterflügel ist die schwarze Randbinde gleich, wie bei den rothen Ordens bändern, aber die zweite, innere Binde dieser hat sich bis zur Wurzel ausgebreitet, so dass nur eine Binde übrig geblieben ist, die, graublau bestäubt, der äussern rothen Binde der rothen Ordensbänder entspricht. Höchst über- raschend ist nun die Färbung der Unterseite bei frazint: Beide Flügelpaare eind hier sehr hellgrau, fast weiss mit braunschwarzer Binde. Die Unterseite hat also den alten Typus besser bewahrt als die Oberseite.

Den andern Typus bilden die gelben Ordensbänder, bei denen bekanntlieh das, was auf der Oberseite der rothen, roth erscheint, durch gelb vertreten ist. Die Unter- seite zeigt aber eine viel strengere, als wie bei den rothen Ordensbändern durchgeführte Korrelationserscheinung, in dem sie in der Farbe bei beiden Flügelpaaren derjenigen der Oberseite der Hinterflügel entspricht. Es ist nun nicht ohne Interesse, dass es Arten rother Ordensbänder giebt,

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ich kenne allerdings nur eine, die ihren persönlichen ‘Typus verlassen und sich dem der gelben angeschlossen haben. Das ist Catocalla ilia von Jamaica. ÜrAuer bildet die Art auf Tafel XXXII unter B und C ab, und schon ihm fiel die abweichend gefärbte Unterseite auf, denn er sagt: gelykt naar het gemeene Europische roode Wees- kind (das ist Catocalla nupta) maar vanonder heeft zy alle de dwarsbanden over die wieken rood, in plaats dat de gemelde inlandsche deselven wit van kleur heeft.‘“ Unter den gelben Ordensbändern bildet übrigens die seltene C. conversa in sofern eine Ausnahme, als auf der Unter- seite der Vorderflügel kein gelb vorhanden ist, sie ist viel- mehr dunkelbraun mit einer weissen Binde.

Die Färbung der einheimischen Spanner bieten für die uns hier beschäftigenden Fragen wenig Bedeutungs- volles, da dieselbe fast immer eine schützende, selten eine warnende (z. B. bei Zerene grossulariata) ist. Eine auf ge- schlechtliche Zuchtwahl deutende kenne ich nicht. Inter- essant ist vielleicht nur die Beziehung der Vertheilung der Farben zu der Art, wie die Thiere zu sitzen pflegen. Das geschieht bekanntlich auf zweierlei Art: die einen strecken ihre Flügel gerade von sich ab, und sehen aus wie die gespannten Schmetterlinge in der Sammlung,!) die andern sitzen mehr nach der gewöhnlichen Weise der Bombyeiden oder mancher Noktuiden, mit nach rückwärts gerichteten, die Hinterflügel mehr oder weniger bedeckenden Vorderflügeln.. Danach regulirt sich die Vertheilung der Schutzfärbung: Bei den Erstern zeigt sie sich gleich- mässig auf der Oberseite beider Flügelpaare, bei den letzteren blos auf dem vorderen.

Auf Mikrolepidopteren habe ich meine überhaupt sehr fragmentarischen Beobachtungen nicht ausgedehnt. Auch zu einer mikroskopischen Untersuchung, namentlich ob

1) Aus diesen interessanten Mittheilungen erhellt die Unzu- länglichkeit der Aufspannungs-Methode der Sammler: man sollte in einer ordentlichen Sammlung die Schmetterlinge nicht nur so auf- stellen, dass möglichst die ganzen Flügelflächen sichtbar werden, sondern sollte auch die Thiere in ihrer Ruhestellung vor Augen führen.

nm. d. Herausgebers.

58 Vertheilung der Farben bei einheimischen Schmetterlingen.

und wie viel Schuppen der Prachtfärbung zwischen denen der Schutzfärbung vorkommen, wie sich verschiedene Indi- viduen derselben Art diesbezüglich verhalten bin ich noch nicht gekommen.

Von einigem Interesse an dieser meiner Mittheilung ist vielleicht der Nachweis, wie zwei grosse Naturgesetze, das der geschlechtlichen und das der gleichfärbenden Zucht- wahl mit einander auf den Schmetterlingsflügeln zufolge der Gesetze der Korrelation kämpfen, wie aber im All- gemeinen die geschlechtliche Zuchtwahl siegreicher ist, was sich darin ausspricht, dass Varietäten mit den Spuren von Uebergriffen der geschlechtlichen Zuchtwahl auf das Gebiet der nachahmenden ziemlich häufig vorkommen, um- gekehrt aber ausserordentlich selten sind. Auch wäre noch zu erwähnen, dass die auf geschlechtliche Zuchtwahl zurück- führbaren Zeichnungen weit weniger variabel, als die auf nachahmende zurückführbaren sind.

Mit kollegialem Gruss

Ihr ganz ergebener W. Marshall. Leipzig, 28. April 1894.

Ueber vorgeschichtliche Töpfereigeräthe aus der Umgebung von Halle,

Von Dr. Förtsch, Major a. D., Halle a. S. Mit Tafel I.

Der Thon ist das für die plastische Kunst zuerst be- nutzte Material. Es ist biegsam, zähe, schneidbar, ja sogar, wie indische Töpfer uns lehren, hämmerbar; es musste den noch rohen Menschen zu Versuchen einladen.

Durch Zusatz von Sand, zerklopftem Granit, gekörntem Quarz, Glimmerschüppchen und ähnlichen Materialien kann man „langen“ Thon „kurz“ machen; er reisst dann weniger leicht beim Trocknen an der Luft und wird beim Brennen nicht flüssig. Den Leuten der Steinzeit war dies schon bekannt und noch heute fertigt man in Lithauen Töpfe aus diesem kurz gemachten Thon. Auf dem Topf- markt in Saalfeld werden ebensolche Töpfe feilgehalten, die aus der Gegend von Schweinfurt stammen sollen.

Gewisse Formen thönerner Gefässe, besonders solcher zum Aufbewahren von Lebensmitteln, zum Kochen und Schöpfen, finden wir gleich bei den verschiedensten Völkern und bei ganz ungleichem Stande der Kultur; sie haben, wie es oft bezeichnet worden ist, „etwas ganz Naturnoth- wendiges an sich.“ Anders liegt die Sache bezüglich

edlerer Formen, wohin ich die Vase und den Krug mit ver-

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engtem Halse rechnen darf. Diese setzen schon eine grössere Fertigkeit und edleren Geschmack voraus. Wenn wir letztere bereits an den Gefässen unserer jüngeren Stein-

60 Ueber vorgeschichtliche Töpfereigeräthe.

zeit bewundern dürfen, so ist dies nur ein Beweis dafür, dass unsere Voreltern, obgleich unkundig der Metalle, es doch verstanden, das Wohlgefallen Erregende zu würdigen.

Noch giebt es Völkerschaften, die in mit frischer Thier- haut ausgelegten Erdlöchern oder in Holzkisten und ge- flochtenen Körben durch Einlegen glühender Steine ihre Speisen kochen; die meisten aber kennen die Töpferei, über deren Ursprung bereits unendlich viel geforscht und ge- schrieben worden ist. Zu einem anderen Resultat ist man freilich nicht gekommen, als zu dem, dass diese Tecbnik an den verschiedensten Punkten der Erde sich völlig selb- ständig entwickelt haben muss.

Cook sah auf Unalaska (36° n. Br.), wie die Einge- borenen auf einen flachen und platten Stein einen erhabenen Rand aus zähem Thon in Kreisform aufsetzten, um in dem so gebildeten Hafen mit heissen Steinen zu kochen.')

Die Andamanesen machen noch heute ein Loch in die Erde in der Form unserer Kochtöpfe, glätten es im Innern und lassen es austroeknen. Ist dies geschehen, so streichen sie die Form gleichmässig mit einer dünnen Schicht feuch- ten Thons aus und füllen nach einiger Zeit heisse Asche hinein, um nach dem Erkalten einen leidlich gebrannten und haltbaren Kochtopf dem Erdboden zu entnehmen.

SCHAAFFHAUSEN?) war der Ansicht, die älteste Art der

Töpferei sei die gewesen, dass man einen aus Binsen oder Gras geflochtenen Korb von Innen oder Aussen mit feuchtem Thon gut bestrichen und ihn dann lufttrocken dem Feuer zum Brennen ausgesetzt habe. Die vegetabilischen Stoffe vergingen im Feuer und der Topf blieb übrig. Und in der That, man hat nicht selten Reste vorgeschichtlicher Thongefässe gefunden, welche unzweifelhaft das feine Flechtwerk erkennen liessen, (Pottenstein in Franken,

Madgyarad in Ungarn) so deutlich, dass sogar die Spezies

der Pflanzen noch festzustellen waren. Unsere Voreltern haben also genau so verfahren, wie die Weiber der Eingebornen im westlichen Kansas, welehe 1) Jac. Cooxs Reisen ed. FORSTER II,

13, ) SCHAAFFHAUSEN im Correspondenzblatt der deutschen Gesell- schaft für Anthropol. 1878. 159.

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Von Dr. FörTscH. 61

Rau!) bei der Arbeit zu beobachten Gelegenheit hatte. Sie bekleideten das Innere von Weidenkörben mit Thon und brannten das rohe Gefäss, indem sie es in die Mitte eines Kohlenhaufens setzten. Solche Gefässe dienten zur Aufbewahrung von Oel und Körnern in Mengen bis zu 40 Pinten.

Wenn Deumin?) dieser Annahme seine Zuplimäung versagt, weil „das Holz oder Flechtwerk hätte verkohlen müssen‘, so beweist er durch seine eignen Worte, dass er den Betrachtungen SCHAAFFHAUSENS nur oberflächlich ge- folgt ist.

Die alten Aegypter und die Israeliten kannten bereits die Töpferscheibe, die fast ebenso ausgesehen haben muss, wie die heutiger Töpfer. Der Bedarf an Geschirren war ein grosser und der Preis der Waare ein niedriger. Zur Zeit des Jeremras befand sich die Werkstatt eines Töpfers in der Nähe des „Scherbenthors.“?)

Bei den Griechen, denen das Handwerk sonst nicht eben viel galt, stand die Töpferei in hohem Ansehen, dem Spinnen, dem Ackerbau und der Gärtnerei mindestens ebenbürtig. Die Etrusker bedienten sich wie die Griechen der „Formstecken“ und der Drehscheibe und zwar mit gleichem Erfolg, was man von den Römern nicht behaupten könnte.

Aus unserer eignen Vorgeschichte wissen wir, dass die Töpferei eine grosse Rolle gespielt hat, die Gefässe der Steinzeit sind meistentheils zierlich ornamentirt und von edler Form, obgleich aus freier Hand gefertigt. Sie haben Henkel als Handhaben und Oesen, durch welche ein Riemen oder eine Schnur gezogen werden konnte. Um die Orna- mente eindrücken zu können, hat man das fertige Gefäss mit einem besonders bereiteten feinen Schlick nach dem Trocknen an der Luft überzogen.

Der Hauptkünstler für das Haus war der Töpfer, der ausser Kochtöpfen Alles fertigte, was ein Haushalt gebrauchte,

1) c. Rarv, die Thongefässe der nordamerikanischen Indianer, im Archiv für Anthropol. etc. II. 1868. 19ff.

2) Demmm, Keramik-Studien III. 2.

3) JEREM. 18,1 und 19,1.

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Kannen, Siebe, Deckel, Webegewichte, Wirteln, Netzsenker, Feuerkieken und Graburnen, also Alles, was aus Stein, Holz, Knochen oder Horn entweder gar nicht oder nur unter Aufwendung grosser Mühe und Zeit anzufertigen war.

Die Drehscheibe findet erst in der vorrömischen Eisen- zeit (La Tene-Zeit) in Mitteleuropa Eingang, mit ihr tritt aber auch ein Rücksehritt in der Kunsttöpferei ein.

Die altnordischen Gefässe sind sämmtlich aus freier Hand gemacht, selbst noch zu Zeiten, wo fremdländische Gefässe aus Thon, Metall und Glas durch den Seeverkehr dort Eingang gefunden hatten.

Noch vor ganz Kurzem blühte in Jütland die Töpferei als Hausindustrie, was den braven Jüten den Spitznamen der „Sortpotter“ eingebracht hatte. Sitzend brachte der Töpfer oder die Töpferin auf eineın angefeuchteten Brett, das über den Knieen lag, einen Thoneylinder in rotirende Bewegung und höhlte ihn mit den Fingern der linken Hand zum Topfe aus; dieser wurde an der Luft und über schwach glimmendem Torf getrocknet und dann über stärkerem Feuer in einer mit Heideboden überdeckten Grube grau- schwarz, doch ohne Glasur, gebrannt.

Ganz ähnlich verfuhr man in der Tucheler Haide bis vor wenigen Jahrzehnten. Ich selbst habe noch in Graudenz solehe schwarze Töpfe gesehen, deren Qualität Nichts zu wünschen übrig liess, obgleich sie, weil unglasirt, den An- schein hatten, dass sie durehlässig seien. In geringem Grade waren sie das auch wirklich, doch wusste die Köchin diesen Uebelstand leicht zu beseitigen und zwar durch 30- genanntes „Einbuttern“, was darin bestand, dass in dem Topf Fett oder Butter zerlassen wurde, ehe sie Wasser oder Milch zum Kochen einfüllte.

Es ist dies eine nicht zu unterschätzende Erfahrung, weil durch sie die Meinung mancher Forscher, man habe in unglasirten Töpfen überhaupt nicht kochen können, ent- kräftigt wird.

Beim Brennen pflegten die Töpfer die in einer mässig tiefen Grube auf Ziegelsteinen aufgestapelten lufttrockenen Geschirre zunächst mit Scherben von gebrannten Thon- waaren 3 bis 5 Zoll hoch zu belegen, um den Durehzug

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der heissen Luft zu ermöglichen, ebenso wurden die Zwischen- räume zwischen den Ziegelsteinen und zwischen den ein- zelnen Stücken mit alten Scherben locker ausgefüllt, um den Luftzug nicht zu stark werden zu lassen. Glühte der Ofen vollständig und entstiegen demselben weisse Aschen- theilchen, so wurde er mit Rasenstücken belegt, die Zug- löcher wurden mit fettem Kienholz gefüllt und dann dicht zugesetzt. Dieses letztere Verfahren bewirkte, dass der Koblenstoff sich in den feinen Poren des Thons nieder- schlug und eiue vollkommen schwarze Färbung herbeiführte. Da diese Töpfe, „Testen“, Schüsseln und das „Flachzeug“ vor dem Brande mit einem Flaschenboden oder glatten Stein polirt wurden, zeigten sie nach dem Brande einen „speckigen Glanz.“!

Durch Senesten?) sind auf Fühnen Töpferwerkstätten und Oefen aus vorgeschichtlicher Zeit aufgegraben wor- den, die nicht nur das gesammte Werkzeug der Urtöpfer lieferten, sondern auch erkennen liessen, dass das Ver- fahren in jenen Zeiten genau dem entsprach, welches bis vor wenigen Jahren in Jütland üblich war, und dass sich das Werkzeug unseres Jahrhunderts nur ganz unwesentlich von dem der Steinzeit unterschied.

Auf seiner ägyptischen Reise hat erst vor wenigen Jahren ScHLIEMANN beobachtet, wie die Weiber in Kalabsche ihre einfach aus Alluriälboden und mit freier Hand gefer- tigten Thongeschirre in flachen Gruben zwischen schwelen- dem Büffel- und Kameelmist brannten. Ein solches Brennen dauerte einige Tage.

Obige Betrachtungen habe ich geglaubt vorausschieken zu müssen, nicht blos, um flüchtig zu zeigen, welche Be- deutung in der Vergangenheit und da, wo metallene Werk- zeuge und Geschirre Eingang noch nicht gefunden, die Thonbildnerei gehabt, beziehungsweise noch heute hat, und

1) Vergl. ScharLock, Ueber das ehemals in Preussen üblige Drehen des Töpfergeschirrs etc. in „Berichte über die in den Sitzungen der physik. ökonom. Gesellsch. zu Königsberg i/Pr. gehaltenen Vorträge“ 1855.

2) F. Senestev, Fortidsminder og Oldsager ete. 245ff.

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mit welchen einfachen Hülfsmitteln eine Produktion selbst in grösserem Massstabe ausführbar war, sondern auch, um auf den erwähnten Thatsachen fussend, Vergleiche mit Er- folg ziehen zu können.

Unsere Gegend ist reich an Thonlagern, die ihren Ur- sprung entweder der Verwitterung der Feldspathgemeng- theile des Porphyrs (Kaolin) oder der Tuffe der Schiefer- thone des Rothliegenden zu verdanken haben. Es finden sich aber auch Thone, welche dem Buntsandstein, tertiären und quartären Bildungen angehören, und daneben Lehme, welche sich brennen lassen. Diese Thonlager treten viel- fach zu Tage. In früheren Jahrhunderten, ehe umfangreiche Aufbesserungen und Ebnungen des Geländes stattgefunden hatten, ist dies gewiss noch mehr der Fall gewesen. Uebrigens ist es nach in England und Belgien gemachten Erfahrungen auch durchaus nicht ausgeschlossen, dass man in der Urzeit bereits in die Tiefe gegangen ist, um besseres Material zu erhalten.

Mir war es vergönnt, zwischen Böllberg und Wörmlitz gelegentlich einer umfangreichen Ausschachtung ein Thon- lager blossgelegt zu sehen, das ohne Zweifel vor langen Zeiten abgebaut worden war. Die Stellen, denen der Thon entnommen, waren mit Wacken bunten Sandsteins, die viel- leicht den Ackerboden der Nachbarschaft bedeckt hatten, und mit unreinem Thon wieder zugesetzt. In der über- lagernden Humusschicht fanden sich zahlreiche Scherben aus frühen Perioden und ein leidlich erhaltener Schlittknochen. Dass die Thonbildnerei in der Vorgeschichte bei uns eine ganz besondere Heimstätte gehabt hat, das beweisen nicht allein die überall zu findenden Gefässscherben aus den ver- schiedensten Perioden, sondern auch das oft geradezu massenhafte Vorkommen der Thongebilde, von denen in dem folgenden die Rede sein soll.

Ueber die Fundplätze derselben soll später im Beson- deren die Rede sein, hier will ich nur im Allgemeinen be- merken, dass sie meist als Trümmer, scheinbar durch Hitze geborsten oder absichtlich zerschlagen, in alten Cultur- schichten und Müllgruben vorkommen, zuweilen einzeln, in der Regel jedoch in grüsserer, ja grösster Zahl. Bei vielen

Von Dr. Förtsch. 65

ist das Gefüge ein äusserst lockeres, während andere Härte und Festigkeit behalten haben.

Wer in Sammlungen oder Museen solche Stücke be- trachtet, kann sich kaum ein vollständiges Bild von einem Fundplatz machen, da dort nur einzelne, möglichst gut er- haltene, ausgewählte Exemplare auszuliegen pflegen, unter Umständen in Gemeinschaft mit andern Erzeugnissen glei- chen Materials, die deshalb jedoch nicht in direktem Zu- sammenhang mit ersteren zu stehen brauchen.

Die Mehrzahl ist aus ganz rohem Material geformt, aus ungeschlämmtem Thon, der oft mit Brocken nicht ver- witterten Ursprungsgesteins, mit grobem Sand oder Quarz- körnern durchsetzt ist, ja nicht selten einfach aus Lehm oder Alluvialboden.

Doch finden sich auch solche, zu deren Herstellung reinere und feinere Thone benutzt worden sind. Diese zeigen dann auch eine wohlgeglättete Aussenseite und eine gefällige Form, aber auch, da ein solcher Thon bei stärkerem Feuer leicht flüssig wird, zuweilen Verbie- gungen. Ein Theil der Thonkörper ist etwa folgender- maassen gebildet worden: Der Arbeiter rollte einen Thon- klumpen auf einem flachen Stein zu einem Cylinder von rund 10 Centimeter Länge und 3—4 Centimeter Dicke; an jedes Ende fügte er ein dickeres Stück Thon an und formte diese durch Drücken mit den Fingern und durch Stauchen gegen den Stein zu tellerartigen Verbreiterungen, zu Füssen. Wahrscheinlich hat dieses Aufstauchen, beson- ders, wenn die Thonmasse lang und übermässig feucht war, ebenfalls zu leichten Krümmungen des eylindrischen Theils geführt, die man so oft beobachten kann. (Fig. 1.) E Bei dieser Arbeit bildeten sich naturgemäss dann Näpf- chen, wenn zur Bildung der Verbreiterungen kein neues Rohmaterial angeklebt wurde, sondern man es vorzog, aus dem Cylinder selbst durch Drücken mit dem Daumen Thon herauszupressen. Da diese Näpfchen bei der praktischen

Verwendung der „Thonstützen“, wie ich sie, etwas vor-

greifend, hier schon nennen will, noch einen besonderen Vortheil boten, gab man ihnen scheinbar den Vorzug. (Fig. 2a und b.)

Zeitschrift f. Naturwiss. Bd, 67, 189. 5

66 Ueber vorgeschichtliche Töpfereigeräthe.

Anderen sieht man es an, dass sie durch Rollen zwischen den flachen Händen entstanden sind; dabei blieben unter und über den Händen Verdiekungen bestehen, die durch Stauchen oder Abschneiden leicht zu einem flachen Fuss umzuformen waren. Die Fingereindrücke sind in der Regel deutlich zu erkennen, während Füsse und Ränder der Näpfchen derartig geglättet sind, dass der Thonkörper auf ebenem Boden, ohne zu kippen, stehen konnte. In dem Provinzialmuseum zu Halle befinden sich aus Göhlitsch bei Merseburg stammende Stücke von auffallender Stärke, bei ihnen ist der volle Fuss 7—8 em im Durchmesser.

Zuweilen hat der Former mit Hülfe eines scharfen Steins oder Messers in je einem der beiden Füsse einen fingerhutgrossen Ausschnitt erzeugt, dessen Zweck später ersichtlich werden soll. (Fig. 3.)

Neben den geschilderten finden sich konische Stücke von ganz roher Arbeit. An den tiefen Fingereindrücken und dem Mangel jeder Glättung erkennt man, dass sie in Eile und wohl als Massenprodukt gefertigt wurden, und es

hat fast den Anschein, als ob der Arbeiter gleichzeitig m jeder Hand eine Thonwulst zu kneten verstanden hätte. Das Letztere bezieht sich besonders auf diejenigen, welche

oben abgeflacht sind, weniger auf diejenigen, wo dure

Eindrücken eines konischen oder halbkugelförmigen Werk zeugs eine becherartige Vertiefung erzeugt worden ist. (Fig. 4.) Der Hauptzweck dieser Manipulation war, den Konus mit möglichst wenig Material herzustellen, ibn

an der Basis leicht zu halten.

Diesen Thonkörpern konnte man dadurch eine feste und aufrechte Stellung geben, dass man sie mit dem spitzen Ende in ein vorbereitetes Loch des Erdbodens steckte, doc kommen auch Formen vor, bei denen am dünnen Ende |

eine fussartige Verbreiterung gebildet ist. (Fig. 5.)

Prismatische, 4kantige Stücke mit und ohne Näpf- ; | chen, finden sich ebenfalls; bei manchen ist an wobler | haltenen Pressrändern erkennbar, dass sie durch Pressen 7

in Formen gebildet wurden. Fig. 6a und b.

Ich will hier bemerken, dass ein älterer Arbeiter aus Stedten bei Schraplau diese Stücke „Roststäbe‘‘ nannte, ET

: 1 F.

Von Dr. FörtscH. 67

wusste jedoch nicht anzugeben, wie man sich die Ver- wendung dieser kurzen Thongebilde zur Herstellung eines Rostes zu denken hätte. Vielleicht hatte er, da meist nur Bruchstücke gefunden werden, diese „Stäbe“ in ihrer vollkommenen Erhaltung sich von grösserer Länge ausge- malt oder von Sammlern diese willkürliche Bezeichnung übernommen.

Gefunden wurden bisher diese Thongebilde in der Um- gebung von Eisleben, Halle, Merseburg, Hohenmölsen, Weissenfels, wie ich gehört habe, auch in der Gegend von Osterfeld. Am ‚hohen Ufer‘ bei Goseck habe ich einzelne Trümmer davon aufgelesen, bei Aufgrabungen dagegen dort keine gefunden. Bei Erdeborn hat man auf der „Ebene“ in der unmittelbaren Nähe vorgeschichtlicher Wohnplätze grosse Mengen dieser den Ackerboden verunreinigenden und ganz wesentlich schädigenden Trümmer aufgesammelt, um tiefe Wasserrisse damit auszu- füllen.) Ich kenne bei Stedten einen Acker, unter dessen Humusdecke, bei °?/, Fuss Tiefe, man stets auf dieselben stösst.

Sie finden sich ferner, wie schon angedeutet, als un- terste und mittlere Lage alter Culturschichten; man erkennt, dass sie dorthin gleichzeitig mit Asche und Abfällen des täglichen Lebens als lästiger Abraum hingeschüttet wur- den. Hierher gehört z. B. die Fundstelle am Advokaten- weg in Halle resp. Giebichenstein. War bereits ein Schutt- kegel vorhanden, so rollten sie naturgemäss in Folge der Walzenform an dem Mantel ab und lagen dann dichter gruppirt im Kreise um den Schuttkegel herum. Heute sind jene Schuttkegel zusammengesunken, oft von Ackerboden überlagert, und man wundert sich über die kreisrunde An- ordnung der Thongebilde. Nun konnten Abfall und Asche auch sehr wohl in eine Grube, die besonders dazu ausge- hoben wurde, wie Beispiele lehren, geschüttet werden, dann rollten die Stücke an die Ränder der Grube, und er- scheint es begreiflich, dass Entdecker solcher Gruben ver- mutheten, diese unerklärbaren Gegenstände seien absicht-

1) Heme, Zur Geschichte des Dorfes Erdeborn 2. = Tee

68 Ueber vorgeschichtliche Töpfereigeräthe.

lich, vielleicht „zu Cultuszwecken‘“, in dieser peripherischen Weise angeordnet worden.

Man hat sie auch in Gräbern gefunden, und, wenn sie Näpfcehenform oder becherartige Aushöhlungen zeigten, für Opferlampen oder -Becher angesprochen. Beides konnten sie nicht sein, zur Aufnahme von Fett oder Oel war das Näpfchen nicht gross genug, auch zum Halten von anregen- dem Getränk, und wäre es auch noch so konzentrirt ge- wesen, erscheint in den meisten Fällen der Becher zu klein, zu dem hätte das lockere mürbe Material den kleinen Schluck Meths oder Ahornweins gar schnell aufgesogen oder durchsickern lassen. Wenn wir solche Stücke bin und wieder in Gräbern finden, so darf uns das nicht Wun- der nehmen, denn einem geschickten Töpfer gab man das mit in’s Grab, womit er alltäglich im Leben hantirt hatte, sein Geräth zum Formen und Brennen. Und ledig- lich dem letzterem Zweck haben diese Dinge gedient, sie waren nichts weiter, als unverbrennliche Stützen und Untersätze für zu brennende Thonwaaren.

Ganz zurückzuweisen ist die Annahme, es seien „Netz- beschwerer, Spindeln oder Garnwickel“ gewesen: Netzsenker aus Thon geformt, zeigen stets die Durchlochung für die Schnur, und als Garnwickel oder Spindeln wären doch höchstens die verwendbar gewesen, welche, eylindrisch ge- formt, auf beiden Seiten Aufkröpfungen zeigen; aber auch diese besassen bei ihrer Länge von 10 bis 17 cm nicht Widerstandsfähigkeit genug für einen solehen Zweck. 2

Die Verwendung der geschilderten Thonstützen haben wir uns etwa folgendermaassen zu denken: Eine mässig tiefe Brenngrube wurde ausgehoben und zur Aufnahme der Stützen hergerichtet, d. h. für konische wurden mit einem spitzen Werkzeug Löcher in den Boden gestossen, für die mit Näpfehen versehenen wurde derselbe einfach gut 8% ebnet und dann der Fuss etwas in die Sohle eingedreht, für die flachen Füsse der anderen wurden mässig grosse Löcher ausgestochen, welche man mit Klumpen feuchten Thons ausfüllte. In diese nachgiebige Masse presste man die lufttrockene Thonstütze so tief ein, dass sie fest und ; aufrecht stand. (Fig. 5 und 7.) i

Von Dr. FörtscH. 69

Bei Stedten habe ich viele derartige Thonklumpen aus der Sohle einer mit feiner Asche und Trümmern von Thon- stützen gefüllten Grube herausgehoben, und es passen die Füsse der Stützen vollständig in die wohlerhaltenen Ein- drücke hinein. Während nun alle Thonstützen roth ge- brannt waren, liessen die in ihrer ursprünglichen Lage be- findlicehen Thonklumpen ersehen, dass die Gluth nur auf ihren obersten Theil hatte wirken können. Diese Thon- klumpen sind auch an anderen Orten gefunden worden und befinden sich im Provinzialmuseum zu Halle mehrere der- gleichen. Bei einigen ist in der Mitte der Eindrücke ein kleiner Konus wohl erhalten geblieben, der den früher be- sprochenen fingerhutartigen Ausschnitten in den Thonstützen entspricht und also nur bewirken sollte, dass die sichere Stellung noch mehr gewährleistet wurde. (Fig. 8.)

Dass diese Stützen mehrfach gebraucht worden sind, das beweisen gleichfalls die Eindrücke in den Thonklumpen, da sie die Beschädigungen, welche die Füsse durch früheren Gebrauch erlitten, deutlich wiedergeben.

Bei den aufgefundenen konischen Stützen fehlt fast immer der spitze Theil, was dadurch zu erklären ist, dass dieser, in dem feuchten Boden steckend, nicht 39 fest ge- brannt wurde, wie der obere in der Asche stehende Theil, und sich leicht ablöste. Man findet zwischen der Asche und dem schwarzen Boden Thonstützen führender Kultur- schichten nicht selten Brocken und haselnussgrosse Klümp- chen kurz gemachten und mässig gebrannten Thons, die meiner Ansieht nach von den abgelösten Spitzen der koni-

schen Stützen herrühren. Wir dürfen annehmen, dass letztere nur einmal gebraucht werden konnten, daher auch die rohe Herrichtung.

Auf diese Stützen wurden die Gefässe zum Brennen gestellt; für kleine genügte eine, für grössere wurden mehrere Stützen verwendet. Die Näpfehen- und Becher- form bot dabei gleichzeitig den Vortheil, dass Stütze und Topf nicht leicht zusammenbacken konnten, erstere auch im Feuer weniger leicht sprangen. Genügte die Höhe einer

Thonstütze nicht vollständig, so wurde die Unterlage durch ; neue Zuthaten von Thon entspreehend erhöht, oder man

70 Ueber vorgeschichtliche Töpfereigeräthe.

legte wohl auch einen Thonklumpen obenauf, was man daran erkennt, dass Eindrücke von der Thonstütze und dem zu brennenden Gegenstand vorhanden sind. (Fig. 11.)

Zuweilen haben auch Stützen schräg gestanden, wie die Abdrücke im Thon zeigen, wahrscheinlich, um umfang- reichere Gefässe und Schüsseln vor einem Umkippen zu sichern. (Fig. 9.)

Demselben Zweck haben konische Stützen gedient, welche an der Basis schräg abgeschnitten sind. Am Advokatenweg habe ich derartige gefunden. (Fig. 10.)

Die feine Asche, welche die Trümmer der Stützen an dem Fundort bei Stedten umgab, lässt darauf schliessen, dass man zum Brennen nur schwelende, das Feuer mässig nährende Stoffe, wie faules Holz, Moos, Kuhdünger und dergl., nicht aber Aeste und stärkere Zweige, benutzt hat. Grössere Kohlenstücke fehlten gänzlich. Die schwarze Färbung der Innenseite vieler Gefässscherben deutet darauf hin, dass man die Gefässe selbst mit Fichtennadeln, Harz, Horn- oder Knochenstücken angefüllt hat und während des Brandes das, was vergangen war, durch Zuschütten von glühender Asche ergänzte.

Bei vielen Thonstützen ist ein Theil, zuweilen die Hälfte, schwarz gebrannt, wohl ein Beweis dafür, dass sie mit diesem Theil längere Zeit in glühendem Brennmaterial ge- standen haben, während der nur roth gebrannte darüber hinausgeragt hat.

Zu beantworten wäre noch die Frage nach dem Alter dieser Ueberreste.

Die ehemaligen Wohnstätten auf „der Ebene“ bei Erde- born, von denen vorher die Rede gewesen, gehören, soviel ich habe ermitteln können, der jüngeren Steinzeit an, eben- so sind bei Stedten von dem Ackerbesitzer und mir in der Nähe der bereits besprochenen Fundplätze Steinkistengräber aufgedeckt und zahlreiche Scherben aus der Steinzeit ge sammelt worden.

Auf „Lehmanns Berg“ in Giebichenstein fand ich neben wohlgeformten Thonstützen mit Näpfchen Scherben aus der Steinzeit und ein Steinbeil, dagegen zeigt die Mehrzahl der am Advokatenweg in Gemeinschaft mit rohen konischen

Von Dr. FörTscH.

Thonstützen gefundenen Gefässscherben den Charakter der „Rauhtöpfe‘‘ aus der Latenezeit. Nur ein gereifelter Scherben dürfte dem Lausitzer Typus zuzurechnen sein.

Im Osten des Galgenberges fand ich auf einem frisch gepflügten Acker einen rohen napfförmigen Fuss und ein eylindrisches Stück, beide von auffallend gutem Material (Kaolin) gefertigt und von heller Farbe. Der Napf ist mit einem Messer flüchtig ausgeschnitten und zeigt da, wo der eylindrische Theil angesessen, Spuren schwarzer Glasur, die vielleicht von dem zu brennenden Gefäss abgetropft ist. Das ceylindrische Stück ist durehlocht; scheinbar ist der Thon, um einen Dorn, den man später herauszog, ge- legt worden. (Fig. 12.

Diese Stücke dürften dem späteren Mittelalter ange- hören. Wir dürfen nach der bisherigen Erfahrung also ver- muthen, dass der Brauch, Thonwaaren auf besonders her- gerichteten, stabilen, durch Feuer nicht leicht zerstörbaren Untersätzen und Stützen zu brennen, hier zu Lande bereits in der Urzeit üblich war und sich viele Jahrhunderte hin- durch gehalten hat.

Dem wohlerfahrnen Töpfermeister und Fabrikbesitzer Herrn Bönme in Halle habe ich meine Funde und einige dem Provinzialmuseum gehörige Stücke vorgelegt und ihn um seine Ansicht gebeten. Derselbe erklärte nach Besich- tigung aller Stücke auf das Bestimmteste, dass es Unter- sätze für zu brennende Thonwaaren gewesen seien. Erst als er mir mitgetheilt, dass man in seiner eignen Töpferei bis in die 40er Jahre unseres Jahrhunderts nicht unähnlich geformte Untersätze beim Beschicken des Ofens in Ge- brauch gehabt, welche, um ein Bersten zu verhindern, seit- lich mehrfach durchlocht gewesen wären, las ich ihm vor, was ich über diese Thongebilde niedergeschrieben hatte. Er stimmte mir in allen Stücken bei.

Zum Schluss möchte ich diejenigen der Herren Leser, welche für die Vorgeschichte unserer Provinz einiges Interesse haben, bitten, falls ihnen ähnliche Funde, beson- ders solche, welche zur weiteren Aufklärung beitragen können, vorkommen oder bekannt werden, mich davon gütigst zu benachrichtigen.

72 Ueber vorgeschichtliche Töpfereigeräthe,

Nachtrag.

Gelegentlich eines Besuchs der Industrieausstellung in Erfurt kamen mir „Muffeln nebst Zubehör“, ausgestellt von der Thon- und Chamottewaarenfabrik von J. R. Geith in Coburg, zu Gesicht. Das Zubehör bestand aus Untersätzen von feuerfestem Thon, die zum grossen Theil den vorher be- sprochenen Thonstützen nicht unähnlich waren: Ein Theil war walzenförmig, während der andere durch Doppelkegel gebildet wurde. Die Länge dieser wohlgebrannten Hohbl- körper schwankte zwischen 0,06 und 0,30 m. Aus den Mänteln der walzenförmigen Untersätze war je ein läng- licher Schlitz ausgeschnitten, jedenfalls zu dem Zweck, einem Springen beim Brennen der Porzellan- oder Steingut- waaren vorzubeugen.

Uebrigens sei hier bemerkt, dass ein gutes Auge bei älteren Steingutwaaren am Boden stets drei Stellen be: merken wird, welche anzeigen, wie das Sttick beim Brennen gestützt gewesen ist.

Die Hilfsmittel der Schling- und Rankenpflanzen, Von

Dr. Max v. Derschau, Auerbach a. d. Bergstr.

Bei der grossen Gruppe der Schling- und Ranken- pflanzen sind bekanntlich die Hauptaxen in zu geringem Maasse tragfähig, um ein selbstständiges aufrechtes Wachs- thum zu gestatten, da der Durchmesser des Stammes zur Länge des letzteren in einem ungünstigen Verhältnisse steht. Diese Pflanzen können nur dann zur Blüthe- und Fruchtentwicklung gelangen, wenn Stützen, welche der in- dividuellen Wachsthumsbewegung in geeigneter Weise ent- sprechen, vorhanden sind.

Schon daraus, dass Gegenstände, welche sowohl die verschiedenartigsten Lagen zum Horizonte einnehmen als auch in ihrer äusseren Form und Beschaffenheit sehr von einander abweichen, als Stützen benutzt werden, geht her- vor, dass die Art und Weise der Wachsthumsbewegung grosse Differenzen und Uebergänge darbiete. Es werden daher nur solche Schlingpflanzen an dieser Stelle Berück- sichtigung finden, die eine vertikale Wachsthumsbewegung besitzen, während diejenigen ausser Acht gelassen werden sollen, welche sich auf schrägen Flächen ausbreiten.

Aber auch bei den kletternden Schlingpflanzen giebt es verschiedene Modifikationen der Kletterbewegung, es mag an dicser Stelle genügen, die typischen Klimmer und die echten Rankengewächse einer näheren Besprechung zu unterziehen.

Die echten Klimmer erzielen die spiralige Aufrollung dureh die rotirende Nutation des weiter wachsenden Spross- : endes um eine excentrische Axe, indem bei jeder Nutations-

74 Die Hilfsmittel der Schling- und Rankenpflanzen.

tour das nutirende Ende eine Hemmung seitens der Stütze erfährt.

Wenn man von rechts- oder linkswindenden Pflanzen spricht, so rührt dies von der anfänglichen Nuta- tionsriehtung des Sprossgipfels der Keimpflanze her. Nutirt dieser vom Standpunkte des Beobachters aus zuerst nach rechts um die Stütze, so ist die Pflanze linkswindend, das Gegentheil ist der Fall bei den rechtswindenden Pflanzen. Von Zeit zu Zeit wird nun der windende Stamm durch Längsstreckung, besonders in den Zonen des stärkeren Längenwachsthums, dem stützenden Baumstamme fest an- gepresst, wodurch ein besserer Halt erzielt wird. Hiermit sind jedoch noch keineswegs alle Bedingungen eines auf- rechten Wachsthums erfüllt, denn der windende Stamm würde um die Stütze zusammensinken, wenn nieht GewebeveränderungenindenälterenStamm- zonen Hand in Hand mit der Kletterbeweguung gingen. Durch Verholzung bestimmter Gewebepartieen er- halten die älteren Stammzonen auch oft sehr beträchtliche Starrheit, wodurch die aufrechte Haltung ganz bedeutend unterstützt wird. Diese Kletterbewegung erreicht schliesslich mit der Blüthen- und Fruchtentwicklung ihr Ziel. Mehr oder weniger scheint auch die Entfaltung der Blüthen von Licht und Wärme beeinflusst zu werden. Denn die Lianen der Urwälder Brasiliens entfalten meist erst in den Kronen der Bäume ihre Blüthen, wo denselben eine grössere Licht- menge zur Disposition steht.

Den echten Rankenpflanzen, wozu auch die Blatt- kletterer gehören, geht ein Klettervermögen des Stammes ab. Als Ersatz dafür sind reizbare Klammerorgane voT- gesehen, welche geeignete Stützen nach kürzeren oder län- gerem Kontakte zu erfassen vermögen und dieselben auch infolge der Circumnutation leicht erreichen. Mit Aufhören des Längenwachsthums im rankenden Organe erlischt auch die nutirende Bewegung und zugleich auch die Reizempfind- lichkeit. Jedoch will Darwın!) bei den rankenden Blatt-

1) Darwın, Bewegungen und Lebensweise der Kletterpflanzen 1876, pag. 56.

Von Dr. Max v, DERScHAU. 75

stielen von Solanum „jasminoides in ausgewachsenem Zu- stande noch Reaktion auf Kontaktreiz gefunden haben. Die Reizempfindlichkeit kann nun unter den rankenden Organen während des Längenwachsthums derselben sehr verschieden entwickelt sein. Namentlich zeichnen sich die Ranken ge- wisser Passifloren in dieser Hinsicht aus. Weniger sensibel sind die rankenden Blattstiele im allgemeinen. Jedoch hat Darwın'!) für die reizbaren Blätter der Gloriosa superba einer Monocotyledone, eine hohe Reizbarkeit durch Kontakt nachgewiesen. Es genügte hier eine Belastung mit einer 4,05 mgr wiegenden Fadenschlinge, um eine deutliche Reiz- krümmung zu erzielen. Wie aber schon vorher gesagt wurde, sind im Allgemeinen die rankenden Blattstiele weniger sensibel als die Ranken und bei den Blattkletteren findet man gewöhnlich nur wenige Blattstiele, denen es gelungen ist, eine Stütze zu erfassen. Aber auch auf die Beschaffen- heit der Stütze kommt es an. Am besten werden Gegen- stände mit rauber Oberfläche umschlungen, auch muss der Durchmesser der Stütze zu dem des rankenden Organes in einem gewissen Verhältnisse stehen. Glatte Glasstäbe wur- den nach lange einwirkendem Kontakte nicht erfasst, und zu dicke Stützen erzielten ebenfalls kein Resultat. Hieraus geht hervor, dass Kontakt mit Reibung verbunden, den gewünschten Effekt auslöst. Die Haken der Haken- kletterer, welche erst durch Treus 2) des näheren bekannt wurden, dienen ebenfalls wie die Ranken und rankenden Blattstiele der Fixation an die Stütze.

Bei allen diesen Organen wird durch Kontaktreiz eine Krümmungsbewegung ausgelöst, indem an der Kontakt- stelle eine relative Wachsthumsverlangsamung erfolgt, während die nach aussen gelegene Flanke in normaler Weise fortwächst. Da infolge der Krümmung der Stütze zu stets neue Punkte direkt durch Kontakt gereizt werden, so tritt schliesslich eine völlige Umschlingung des erfassten ee ein. Hiernach können wir 2 Stadien in der

1) Darwın, 1. c. pag. 63.

2) Treue, Ann. de Buitenzorg, „Sur une nouvelle re a plantes grimpantes,“ Vol. = 1882, :

76 Die Hilfsmittel der Schling- und Rankenpflanzen.

physiologischen Inanspruchnahme rankender Organe unter- scheiden. Nämlich die Funktionen vor und nach dem Erfassen einer Stütze. Im ungereizten Zustande werden Ranken und rankende Blattstiele nur auf Biegungsfestig- keit in Anspruch genommen, d. h. sie müssen dem Ein- wirken äusserer Kräfte, wie z. B. dem Winde, Regen ete. entsprechenden Widerstand entgegensetzen können. Bei den rankenden Blattstielen wird diese äussere Einwirkung noch durch die hinzukommende Last der Blattspreite ver- mehrt. Infolge dieser Belastung wird auf der konvex ge- krümmten Flanke des Organs eine Zugspannung, auf der konkav gekrümmten dagegen eine Druckspannung zur Geltung kommen. Die Spannung wird in den peripherischen Schichten am stärksten sein. Dagegen nehmen die ent- gegengesetzten Spannungen je mehr dem Mittelpunkte der Axe des Organes genähert allmählich ab, bis sie sich in der Mitte aufheben. Diesen Verhältnissen wird durch eine sehr zweckmässige Baumechanik Genüge gethan. Möglichste Festigung der Zellmembranen bieten das geeignete Mittel. Es kommen vorzüglich Gewebearten zur Verwendung, welche sich durch starke Membranentwicklung auszeichnen. So tritt als besonders biegungs- und druckfest Collenchym und Hartbast stets in den peripherischen Schichten auf, weiter nach innen zu dann die weniger leistungsfähigen Gefässbündel und schliesslich in der neutralen Zone das Mark, welches wegen seiner geringen mechanischen Lei- stungsfähigkeit gewissermassen die ‚„‚Füllung‘ ausmacht. Mit gewissen Modifikationen wiederholt sich diese Gewebeorien- tirıng bei allen rankenden Organen nicht nur, sondern auch bei allen anderen auf Biegungsfestigkeit in Anspruch ge- nommenen Pflanzentheilen. Stets aber gewinnt man den Eindruck, dass die Natur bei Anwendung dieser Mittel und der zweckmässigen Vertheilung derselben sehr ökonomisch zu Werke geht.

Zu biegungsfesten Konstruktionen eignen sich vorzugs- weise die prosenehymatischen Gewebearten, welche meistens auch zur Verwendung kommen, wie das vorher schon an- gedeutete Collenchym und der Hartbast. Das Parenchym besitzt, ausgenommen im turgeseenten Zustande, eine sehr

Br ee u Sage Fe BON

Von Dr. Max v. DERSCHAU. 17

geringe Biegungsfestigkeit. Unter den von mir untersuchten rankenden Blattstielen hat in dieser Hinsicht der rankende Blattstiel von Lophospermum scandens eine Ausnahme von der üblichen Gewebeordnung. Hier fehlten gerade Collen- chym und Hartbast und es wurde der ganze Zwischenraum zwischen Gefässbündeln und Epidermis durch turgescentes Parenchym ausgefüllt. Diese Gewebeanordnung genügte auch in vollkommenster Weise der physiologischen Inan- spruchnahme.

Haben nun die rankenden Organe die Umschlingung vollzogen, so treten entsprechend der neuen Arbeitsleistung gewisse anatomische Veränderungen = Dieselben dienen einer solideren Festigung an die Stütz

Diese Vorgänge sind von WorGITzkI 9 und Orro MÜLLER?) des Näheren für die Ranken untersucht worden.

Nach diesen Autoren vermehren sich die mechanisch wirksamen Elemente auf der konkav gekrümmten Flanke, während der Charakter der Konvexen ein turgescenter bleibt. Die konkavwärts eintretende Verdiekung und Ver- holzung des Hartbastringes und dessen Verholzung vollzieht sich nach und nach auf dem ganzen Querschnitt. Auch treten collenchymatische Verdickungen des Rindenparen- chyms auf. Ohne Zweifel ist die konkave Seite nach der Umschlingung einer erhöhten Druckspannung ausgesetzt, und die dort stattfindende Gewebeverstärkung bietet der ersteren ein entsprechendes Aequivalent. Nach Worsıtzkı soll der verholzte konzentrische Gewebering ein Abwinden von der erfassten Stütze verhindern. Zu ähnlichen Resul- taten gelangte Orro Mürzer. In der That erfolgt durch Verholzung der Zellmembranen und durch Verdickung der- selben ein Starrwerden der um die Stütze geschlungenen Kontaktzone. Wie schon früher angedeutet, geht diese anatomische Gewebeveränderung durch den Einfluss des Kontaktreizes vor sich. Orro MürLtLer beobachtete jedoch auch eine Veränderung der Epidermiszellen bei Cueurbita- ceen-Ranken auf der mit der Stütze in Berührung befind-

1) Worgıtzkı, „Vergl. Anatomie der Ranken“ Flora 1887.

To MÜLLER, „Unters. über die Ranken der Cucurbitaceen,‘“ Biologie der Pflanzen IV 1887.

Ba

78 Die Hilfsmittel der Schling- und Rankenpflanzen,

jichen Seite. Dieselben wachsen stark in radialer Richtung und nehmen den Charakter von Saugzellen an, welche an der Berührungsstelle mit der Stütze sogar einen klebrigen Saft absondern. Da ausserdem diese Zellen in die Vertie- fungen der Oberfläche der Stütze hineinwachsen, so zeigen Querschnitte aus der Kontaktzone stets ein mehr oder weniger ausgebuchtetes Aussehen. Analoge sekundäre Gewebeveränderungen boten nach Einwirkung von Kontakt die von mir untersuchten rankenden Blattstiele. Jedoch war für die Art und Weise der vor sich gehenden anato- mischen Gewebeveränderungen die individuelle Veranlagung und die Qualität der Gewebe maassgebend. Zum Theil wurde durch Kontaktreiz sekundäres Diekenwachsthum aus- gelöst, oder es wurden schon vorhandene Gewebe nur noch durch Verdiekung und Verholzung der Zellmembranen ver- stärkt. Infolge dieser Vorgänge konnte nach Eintritt des Reizes bald eine Volumzunahme desjerigen Blattstieles, der die Stlitzen umschlungen hatte, konstatirt werden. Je nach der Dauer des Kontaktes war die Verdiekung recht be- deutend, und es sind zu diesem Zwecke von mir Messungen an verschiedenen rankenden Blattstielen angestellt worden. Die Zahlen geben den mittleren Durchmesser der Objekte vor und nach der Reizung in Millimetern an. Solanum jasminoides: |

No. I. No. I. No. MI. normal: 0,24 mm, 0,52 mm, 0,25 mm gereizt: 0,34 „, B;12,;, 2,00

N nach 9—10 Tagen nach 40 Tagen. Lophospermum scandens:

No. I. No. ID. No. II. normal: 1,00 mm, 0,64 mm, 0,96 mm gereizt: 1,50 „, 2,94 2,30,

nach 9—10 Tagen nach 40 Tagen. Clematis vitalba:

No. 1 No. IH. No. II.

normal: 0,78 mm, 3,00 mm, 2,88 mm gereizt: 1,14 30 8.56.

———

nach 9—10 Tagen nach 40 Tagen.

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Von Dr. Max v. DERSCHAU. 19

Die Tabelle lässt namentlich bei Solanum und Lopho- spermum beträchtliche Querschnittsvergrösserung erkennen, während bei Clematis dieselbe geringer war. Wie schon vorher angedeutet, rührt letztere Erscheinung davon her, dass kein sekundäres Diekenwachsthum bei den Ülematıs- Blattstielen durch Reiz ausgelöst wird. Bei den beiden ersteren Blattstielen tritt jedoch ausgiebiges Diekenwachs- thum nach der Reizung ein. In beiden Fällen erfolgt aus- giebige Verholzung der mechanisch wirksamen Gewebe- komplexe und es wird an der Kontaktzone wie bei den Ranken ein massiver konzentrischer Holzeylinder erzielt, der durch seine Starre ein Abwinden von der Stütze zur Unmöglichkeit macht. In kurzer Zusammenfassung der Resultate ergiebt sich, dass den. Schling- und Ranken- pflanzen Mittel und Wege der verschiedensten Art zu Ge- bote stehen, um je nach der Individualität eine vollkom- mene Entwicklung zu erreichen. Ferner ist gezeigt worden. dass der jeweiligen physiologischen Inanspruchnahme der rankenden Organe ihr anatomischer Bau auf das zweck- mässigste entspricht.

Bisher ist gezeigt worden, dass Kontakt mit Reibung verbunden eine relative Wachsthumsverlangsamung an rankenden Organen auf der Berührungsflanke hervorruft. Bei gewissen chlorophyllosen phanerogamischen Schmarotzern, 2. B. Cuscuta, löst der Kontaktreiz verbunden mit Reibung dagegen eine deutliche Beschleunigung des Wachsthums aus, was aus der Entwiekelung der Haustorien hervorgeht. Es scheint jedoch die Entstehung derselben an gewisse Bedingungen geknüpft zu sein, wie aus den interessanten Beobachtungen von G. J. Pzircz?!) hervorgeht. Nach diesem Autor werden niemals Haustorien entwickelt, wenn zwei oder

Auch beobachtete dieser Forscher, dass die Haustorien wieder in den Mutterstamm zurücktreiben, falls keine Ge- legenheit da ist, mit der Wirthspflanze in dauerndem Kontakte bleiben zu können. Wächst ferner die Ouscutas über ihre

1) @. J. Prircz, „on the structure of the Haustoria of some Phanerogamic Parasites, 1893,

80 Die Hilfsmittel der Schling- und Rankenpflanzen.

Nährpflanze hinaus, so bleiben die entstehenden Haustorien nur abortiv und stellen grössere oder kleinere Anschwellungen auf dem Mutterstamme dar,

Möglicherweise beruht das Nichtzustandekommen der Haustorien bei einander als Stütze umschlingenden gleichaltrigen Cuscutastämmen darauf, dasseine Wachsthums- differenz derselben entweder gar nicht oder doch nur sehr minimal vorhanden ist, sodass der Faktor „Reibung“ kaum in Betracht kommen dürfte. Reibung tritt jedoch stets ein, sobald Wirth und Parasit Wachsthumsdifferenzen darbieten.

Je nach der anatomischen Struktur des Wirthes ist auch die der Haustorien verschieden. Stets jedoch ist zwischen beiden eine innige Verwachsung sowohl der Gefässe als auch der physiologisch ernährend wirksamen Gewebe, des Phioems, zu erkennen. Unter diesen Verhältnissen dienen die Haustorien sowohl der Festigkeit der Mutter- pflanze als auch der Ernährung der letzteren. Ob nun das Zudringen dieser Saug- und Haftorgane in die Wirths- pflanze lediglich auf mechanischem Wege erfolgt oder ob Sekretionen seitens der Haustorialzellen lösend auf die Zellmembranen des Trägers einwirken, oder beide Faktoren zusammen wirken, ist noch nicht sicher gestellt.

Die Theorie des Färbeprozesses.

Von A. Dathe, Halle a. .S.

Trotz des grossen Aufschwunges, den die Färberei in den letzten 5 Dezennien unter der Herrschaft der Chemie genommen hat, ist man bis heute noch zu keiner einheitlichen Ansicht über das Wesen des Färbens gelangt.

Dieeinenhalten denFärl hanisct die Farbstoffmolekule lagern ‚sich in Folge einer als Ober- flächenanziehung oder Attraktion (Ausdrücke, die nicht viel sagen) bezeichneten Kraft zwischen die Molekeln der Faser, ohne sich chemisch damit zu verbinden. Gegen diese Theorie spricht sowohl der Umstand, dass nicht alleFarbstoffe substantiv (d. h. ohne Beizen) färben, als auch die eigen- thümliche Erscheinung, dass die gefärbten Fasern eine andere Farbe zeigen, als den Färbstoffen eigen ist.

Andere und zwar die Mehrzahl halten den Färbeprozess für einen chemischen: die Farbstoffe verbinden sich mit der Faser in Folge chemischer Kräfte. Gegen diese Ansicht spricht freilich der. Umstand, dass man in den weitaus meisten Fällen das Gesetz der multiplen Proportionen auf die entstandnen Verbindungen nicht anwenden kann.

O0. N. Wırr sprach nun im Jahre 1890 die Anschauung aus, der Färbeprozess sei ein Lösungsprozess: und versteht unter einer Lösung eine Molekularverbindung nach

unbestimmten Verhältnissen. Er sagt:' die Faser ist ein Lösungsmittel für die Farbstoffe so gut wie Wasser oder Alkohol. Das Färben ist nun allein von dem Grade der Löslichkeit des Farbstoffs in dem rn ——

Zeitschrift für Naturw. 67. Bd. 1894

32 Die Theorie des Färbeprozesses.

mittel einerseits und in der Faser andrerseits abhängig, z. B. Fuchsin ist in Seide leichter löslich als in Wasser, folglich wird in einer wässrigen Fuchsinlösung Seide gefärbt; dagegen löst sich Fuchsin leichter in Alkohol als in Seide, folglich wird ineiner alkoholischen Fuchsinlösung Seide nicht gefärbt, vielmehr giebt mit Fuchsin gefärbte Seide deu Farbstoff an Alkohol wieder ab.')

Im Jahre 1893 veröffentlichte E. KnecHt, ein bekannter Theoretiker auf dem Gebiete der Färberei, eine Arbeit, die vielleicht geeignet ist, Klarheit in den Färbeprozess zu bringen.

Es ist bekannt, dass, wenn man eine wässrige Lösung eines Farbstoffes auf Cellulose (Filtrirpapier) bringt, sich um den gefärbten Tupfen ein farbloser Ring bildet. Diese Erscheinung hat man bisher als Capillarerscheinung erklärt, indem man sagte, das Wasser besitzt eine grössere Capillar- geschwindigkeit als die Farbstoffe. Diese Erscheinung ist von GOPPELSROEDER und Parerson benutzt worden, um nach- zuweisen, ob ein Farbstoff eine einheitliche Substanz oder ein Gemenge ist,

E. Knecur richtete nun zum ersten Male seine Auf merksamkeit auf den farblosen Ring. Er liess eine Fuchsin- lösung von Filtrirpapier aufsaugen, trennte dann die ungefärbten Stellen von den gefärbten, extrahirte die ersteren mit Wasser und fand darin Salzsäure.

Nun ist Fuchsin eine Verbindung von Salzsäure mit einer Base, dem Pararosanilin resp. Rosanilin. Die Cellulose muss also eine Zerlegung des Fuchsins, eine Dissoeiation, verursacht haben. Eine quantitative Bestimmung hat ergeben, dass etwa die Hälfte der Salzsäure aus dem Fuchsin abge schieden wordenist. Von mir neuerdings angestellte Versuche mit Capillarröhren ergaben, dass in diesen eine Trennung

des Farbstoffs vom Lösungsmittel nicht stattfindet. Die

bei Verwendung neutraler Lösungen basischer Farbstoffe

1)Dr. E. Erpmans, der es für zweifellos hält, dass die substantiven Färbungen aufchemischen Vorgängen beruhen,macht daraufaufmerksam, dass der Wırr’sche Ausdruck „Lösung von Farbstoff in einer Faser“ zum wenigsten sehr unglücklich gewählt wurde, da er gegen jeden Sprachgebrauch ist.

Von A. DartaeE 83

(Fuchsin und Methylviolett) beobachtete Trennung ist nicht ein mechanischer Vorgang, sondern beruht auf einem chemischen Prozess, der sich zwischen dem Alkali des Glases und dem Farbstoff abspielt, indem die in Wasser unlösliche Farbbase ausgefällt wird.

Es gelingt nicht eine Trennung herbeizuführen in angesäuerten Lösungen basischer Farbstoffe sowie in der Lösung solcher Farbstoffe, die sich in Alkalien lösen.

Für einen chemischen Vorgang beim Färben spricht ausserdem ein von mir angestellter Versuch mit Methylviolett. Die Lösung dieses Farbstoffes in Salzsäure sieht grün aus, die sich auch beim Aufsteigen in Capillarröhren nicht ändert. Taucht man dagegen Cellulose in diese Lösung, so wird sie in der intensiv grünen Lösung violett gefärbt, eine Erscheinung, die sich kaum anders erklären lässt, als dass die Baumwolle mit Methylviolett eine violett gefärbte Verbindung eingeht, die auch gegen Salzsäure beständig ist. !)

1) Dasschemische Vorgänge bei derAufnahme von Farbstoffen in Betracht kommen, beweisen auch die von mir ausgeführten Färbungen lebender Thiere mittels Methylenblau. Bei Trematoden, auf deren Untersuchung es mir ankam und die ich unter ihren natürlichen Existenzbedingungen mit der Farbe in Berührng brachte, färbt sich scheinbar der Gesammtkörper gar nicht, sondern nur wenige Zellen und einige Gruppen von Fasern nehmen die dunkelblaue Farbe an. Sobald nunaber das so gefärbte Thier in ein sauerstoffreiches Reagens (z. B. Wasserstoffisuperoxyd) gelegt wurde, zeigte der ganze Körper eine blaue Färbung, Es wurde also das Methylenblau von allen Zellen aufgenommen, aber in den meisten durch Reduction in die Leuko- verbindung übergeführt.

(Anm. des Herausgebers.)

August Kundt. Nachruf,

gehalten am 21. Juni 1894 im naturwissenschaftlichen Verein für Sachsen und Thüringen.

Von Dr. K. E. F. Schmidt, Privatdocent für Physik zu Halle a. S.

Wieder ist die Reihe hervorragender Forscher auf dem Gebiete der Physik um eine treffliche Kraft ärmer geworden, TyspaLL und Hertz ist Ausust Kunpr gefolgt.

Ein rastloses, auch äusserlich viel bewegtes Leben liegt hinter dem Entschlafenen. Es scheint mir der Be deutung des Namens würdig zu sein, einen Rückblick auf sein Leben und Forschen zu werfen.

Kunpr wurde 1838 zu Schwerin in Mecklenburg ge- boren. Nach Absolvirung des Gymnasiums Friderieianum seiner Vaterstadt bezog er 1860 die Universität Leipzig. Im dritten Semester wandte er sich nach Berlin, wo er den Rest seiner Studienjahre verlebte. 1867 habilitirte sich KunDT als Privatdocent für Physik zu Berlin. Schon 1863 siedelte er, einem Rufe folgend, als ordentlicher Professor nach dem Polytechnikum Zürich über, das er dann nach zwei Jahren wieder verliess, um die Professur für Experi- mentalphysik an der Universität Würzburg anzutreten. Nach zweijähriger Thätigkeit ging er dann 1872 an die neugegründete Landesuniversität Strassburg. Hier wirkte er 16 Jahre. Unter seiner Leitung entstand das neue physikalische Institut, das seiner Anlage und Ein- richtung nach zu den ersten der deutschen Laboratorien zu zählen ist.

Ausust KUNDT, Nachruf von Dr. K. E. F, Schuipr. 85

Im Jahre 1888 folgte er einem ehrenvollen Rufe nach Berlin, um die durch den Abgang des Prof. v. HELMHOLTZ freigewordene Professur für Experimentalphysik - zu über- nehmen.

In dieser Stellung hat er noch 6 Jahre gewirkt, bis ein schweres Herzleiden dem noch nicht 56 jährigen ein zu frühes Ende setzte.

Seine wissenschaftliche Ausbildung genoss Kunpr hhapt- sächlich in Berlin, wo damals Gustav MAcnus als Lehrer der Physik wiidite: Gleichzeitig hatte er Gelegenheit, Dowes berühmte Vorlesungen zu hören, sowie das Glück, auch Gustav KırcHhHorr, den berühmten Entdecker der Spectralanalyse, den hochverdienten Forscher auf dem Gebiete der mathematischen Physik zu seinen Lehrern zu zählen.

Der Eigenart seines Intelleetes entsprechend schloss sich Kuspr am meisten an Masnus an, welcher ihn in die von ihm selbst an neuen Forschungsmethoden so sehr be- reicherte Disciplin einführte.

Masnus selbst war ausgebildet in der Zeit, wo die rationelle Methode der neueren Naturforschung, die den Schwerpunkt auf die Verfolgung und Beobachtung des Experimentes legt, harte Kämpfe gegen die speculative Methode der Philosophie auszuhalten hatte, die gar zu geneigt, aus der Gedankenwelt die Eigenschaften der Körper und den Verlauf der Erscheinungen zu construiren, vergessen zu haben schien, dass die grossen Resultate der astronomischen Forschung, die allen anderen Diseiplinen der Naturwissenschaft mit Erstaunen erregenden Erfolgen weit vorausgeeilt war, nur durch die peinlichste und sorg- fältigste Beobachtung der Erscheinungen möglich geworden war. Man schien sich im Lager der Speeulation nicht mehr zu erinnern, wie ängstlich Newrox vermieden hatte, der Phantasie in der Bildung von Hypothesen freien Spielraum zu geben, wie sorgsam NewTox jeden Schritt in den grund- legenden Ansätzen der Rechnung, die ihn zu der grossen Entdeckung des Gravitationsgesetzes leitete, an der Hand der Erfahrung prüfte und controlirte. Der mühsame und oft auf grosse Zahlenreihen basirte Weg der exacten

86 Avucust Kunpt, Nachruf.

Forschung schien dem hohen Schwunge der „philosophisch- dichterischen Anschauungsform“ gegenüber begrenzt und kleinlich.

Allerdivgs kannte man in der physikalischen Forschung zu Zeiten Masnus’ noch nicht die grosse Mannigfaltigkeit der Methoden, mit Hülfe deren man physikalische Wahr- heiten zu finden vermag; noch ahnte man damals nicht, bis zu welcher Feinheit und Exactheit man mit verbesserten Apparaten vordringen kann.

Darin Grosses geleistet zu haben, ist das anerkannte Verdienst von Masnus und damit gleichzeitig das Ansehen der experimentirenden Forschung der speculativen Richtung gegenüber gehoben und ihre Stellung befestigt zu haben, der grosse Fortschritt, den wir ihm verdanken.

Die mit Forschungsmitteln so reichlich ausgerüsteten naturwissenschaftlichen Institute und Laboratorien der Neu- zeit waren damals noch fromme Wünsche. Die Vorlesungen über Physik konnte MAacnus nur mit Hülfe einer Privat- sammlung von Apparaten so gestalten, wie es in seiner Absicht Jag und die Arbeiten zur Erforschung der ihn be- schäftigenden Fragen nur mit Instrumenten ausführen, die er zum grössten Theil nach eigenen Angaben mit eigenen Geldmitteln bauen liess. In den Zimmern seiner Privat- wohnung hatte er die Instrumente untergebracht und hier arbeitete er mit seinen Schülern an dem Weiterbau der von ihm vertretenen Disciplin. Naturgemäss konnte ef nur Wenige an diesen Uebungen und Arbeiten theilnehmen lassen, aber um so eingehender konnte er den Einzelnen in seine Methoden einweihen und ihm mit Rath und That zur Hand sein,

So ist denn auch im Laufe einer langen fruchtbringeu- den Thätigkeit eine grosse Reihe von bedeutenden Physikern aus seiner Schule hervorgegangen

Einer der vorzüglichsten ist Avaver Kuxor, der, mit hervorragendem experimentellen Geschicke begabt, gan2 in die Fusstapfen seines verdienten Lehrers trat. Seine empfängliche impulsive Natur liess ihn jedes neue Problem mit einer bewunderungswürdigen Energie angreifen. Die Nacht wurde zum Tage gemacht, wenn es galt, eine neue

Von Dr. K.E.F, ScHımipr. 87

Idee auszuführen, und kein Mittel wurde unversucht ge- lassen, die der Ausführung sich entgegenstellenden experi- mentellen Schwierigkeiten zu heben und zu beseitigen, und selten nur misslang es seiner Emsigkeit und Rastlosigkeit, das angestrebte Ziel zu erreichen.

Wer, wie der Verfasser dieser Zeilen, den Vorzug ge- habt, als Assistent ihm zur Seite zu sein, wird sich mit Freude und Bewunderung der Wege erinnern, die er ein- schlug, seine Zwecke zu erreichen, wie sein Geist rastlos und unermüdlich bestrebt war, die durch reichliche und vielfache Erfahrung gewonnenen Resultate anzuwenden, um der Natur die Antwort auf eine bis dahin nicht gelöste Frage abzuringen.

Dieser niemals ermüdenden Thätigkeit sind die grossen Erfolge zuzuschreiben, die Kuspr im Laufe der Jahre er- rungen hat. Neue Methoden zur Erforschung unbekannter Gebiete zu finden, ist seine Hauptthätigkeit gewesen. Darin gleicht er seinem grossen Lehrer Masnus. Das Kunpr eigene experimentelle Geschick, das wir so.oft an ihm bewundert haben, war ihm gleich Jenem ein trefflicher Führer. Noch eine andere Aehnlichkeit besteht zwischen den beiden Männern, eine gewisse Abneigung gegen die theoretische oder mathematische Behandlung der Physik.

v. Hermnorrz spricht sich über die Stellung, welche Masnus der theoretischen Physik gegenüber einnahm, sehr eingehend in seiner in der Akademie der Wissenschaften zu Berlin gehaltenen Gedächtnisrede aus, indem er zu- nächst bemerkt, dass er mit seinen befreundeten Fach- genossen der Ansicht gewesen sei, dass Macnus ein zu grosses Misstrauen gegen die mathematische Behandlung der Physik gehabt habe, ein Misstrauen, welches allerdings durch die im Anfange dieses Jahrhunderts üblich gewesene Methode der Rechnung mit verschuldet worden sei. MAsnus habe streng darauf bestanden, dass das Geschäft der mathematischen Physik ganz von dem der experimentellen Forschung zu trennen sei, und ein junger Mann, der Physik betreiben wolle, müsse sich zu den einen oder anderen entscheiden.

88 Aucusrt Kunpr, Nachruf,

Diese Ansicht war auch Kuspr zur Richtschnur seiner Forschung geworden, indem er sich gänzlich auf experi- mentelle Physik warf. Trotzdem hat er aber niemals, wie auch Macnus, Bedenken getragen, die wahren Erfolge der theoretischen Leistungen und Arbeiten mit Bewunderung und Freude anzuerkennen.

Werfen wir einen Blick auf die Resultate seiner zahl- reichen Arbeiten, so sehen wir, dass er in fast allen Ge- bieten der Physik thätig gewesen ist. Gleich im Anfang seiner wissenschaftlichen Laufbahn veröffentlichte er eine höchst originelle Methode, die Fortpflanzungsgeschwindig- keit des Schalles in Gasen zu messen; eine Methode, die jetzt eine gang und gebe Uebungsaufgabe für unsere jungen Studenten bildet und in neuerer Zeit zu ausserordentlich subtilen Untersuchungen auf dem Gebiete der mechanischen Wärmetheorie verwendet wurde.

In der Folgezeit hat er eine ganze Reihe von aku- stischen Problemen behandelt. Eine weitere Reihe von Untersuchungen beschäftigt sich mit der anomalen Dis- pansion von Farbstofflösungen, ein Phänomen, welches darin besteht, dass nicht wie beim Durchgang der Sonnen- strablen dureh ein Glasprisma die Strahlen kleinster Wel- lenlänge am stärksten von ihrer Bahn abgelenkt werden, sondern dass bei einem aus der Farbstofflösung gebildeten Prisma diejenigen Strahlen, welche die betreffende Sub- stanz verschluckt, die grösste Ablenkung erfahren; so.dass z. B. die gelben Strahlen am stärksten und die blauen weit weniger stark gebrochen werden.

Dieses Problem hat Kunpr lange Zeit beschäftigt und die Resultate seiner Forschungen sind in einer grösseren Reihe von Arbeiten niedergelegt. Auch für diese Unter- suchungen arbeitete er eine neue und höchst einfache und übersichtliche Methode für die Messungen durch. In gleicher Weise förderte er die Arbeiten über die durch Wärme und Druck in Krystallen erzeugten elektrischen Polarisations- zustände, indem er eine Methode angab, die mit einem Blieke die hierbei herrschenden elektrischen Verteilungen übersehen liess.

Von Dr. K. E. F. Scmmipr. 89

Eine grössere Reihe von Untersuchungen hat Kuxpr den Vorgängen in Gasen gewidmet, indem er hauptsächlich die Erscheinungen der Reibung, der Diffusion, sowie endlich ‘der Drehung der Polorisationsebene des Lichtes, wenn die Gase sich in einem magnetischen Felde befinden, zum Gegenstand seiner ‘Messungen machte. Grosses Aufsehen erregten seine Untersuchungen über die Drehung der Polar- isationsebene in sehr dünnen Schichten von Eisen, Cobalt und Nickel, wenn diese in ein starkes magnetisches Kraft- feld gebracht werden. Er zeigte, dass hierbei die Drehung in unendlich viel stärkerem Grade auftritt, als dies durch Quarzplatten oder „active“ Flüssigkeiten, z. B. Zucker- lösungen oder dergleichen erfolgt.

Seine letzten Untersuchungen beziehen sich auf die Feststellung der Lichtgeschwindigkeit in Metallen. Die Schwierigkeit, die Kunpr hier erst nach vielen unendlich mühevollen Untersuchungen überwand, bestand darin, kleine Prismen des betreffenden Metalles auf Glas niederzuschlagen, die eine genügende Ablenkung und hinreichende Schärfe der abgelenkten Bilder gaben. Wie zu erwarten war, fand er Resultate von ausserordentlichem Interesse, die besonders für die Erkenntniss der Vorgänge der Lichtbewegung in Metallen von hervorragender Wichtigkeit sind.

Zeigt sich Kunpr so in seinen Arbeiten als ein Mann von ausserordentlicher Vielseitigkeit und Umsicht, der ähn- lich wie der grosse FarapayY von einem experimentellen Instinet geleitet und vom glücklichsten Geschick und be- deutender Erfahrung unterstützt war, so finden wir in ihm bei seinen Vorlesungen und Anleitungen zu physikalischen Arbeiten den tüchtigen, anregenden und fruchtbringenden Lehrer. Sein Vortrag, unterstützt von instructiven, elegant durchgeführten Experimenten, war fesselnd, klar und ver- ständlich. Die Arbeiten, an die er seine Schüler setzte, verfolgte er mit regem Interesse und war stets bereit, aus dem reichen Schatze seiner Kenntnisse und Erfahrungen Hülfe zu leisten. Mit unendlicher Sorgfalt suchte Kunor, indem er sich selbst Stunden, ja Tage lang mit dem jungen Commilitonen an den Apparat setzte, um die günstigsten

Versuchsbedingungen aufzufinden, Jedem, bei dem er Inter-

0) August Kunpr, Nachruf.

esse und Liebe zur Sache fand, die Wege zu ebenen, da- mit der junge Fachgenosse eine mit schönen Resultaten ab- schliessende Arbeit zu liefern im Stande war.

So hat Kunpr im Laufe seiner langjährigen Thätigkeit eine grosse Menge tüchtiger Physiker herangebildet, die teilweise jetzt als Lehrer an den Hochschulen die von ihm angeregten Ideen weiter tragen.

Als Mensch war er gefällig, leutselig und entgegen- kommend. Er liebte es, im Kreise fröhlicher Commilitonen vergnügt und heiter sein zu können und oftmals hat er uns zu fröhlichem, mit munteren Scherzen und heiteren Ge- plauder gewürztem Male in sein gastfreies Haus geladen. Wie er in der Wissenschaft anregend und fruchtbringend durch seine lebhafte und impulsive Natur war, so war er es auch im Gespräche. Mit Trauer und Wehmuth haben wir den geliebten und hochverehrten Lehrer von uns sche'- den sehen, und dankbar werden wir dessen gedeuken, was er uns zu unserer Weiterförderung gern und bereitwilli: geboten.

Der cerepisblättrige Schotendotter (Erysimum crepidifolium Rchb.) als Giftpflanze.

Von Prof. Dr. W. Zopf. Halle a.S

Im vorigen Sommer hörte ich zufällig von einem Landmann, dass eine in der Wettiner Gegend massenhaft vorkommende, gelbblühende Crucifere (es war offenbar Erysimum crepidifolium gemeint) auf junge Gänse stark giftige Wirkungen äussern solle.

Als ich in diesem Frühjahr die Pflanze in genannter Gegend in Blüthe sah, fiel mir jene Aeusserung wieder ein, und ich nahm mir vor, dieselbe einmal auf ihre Richtigkeit zu prüfen.

Zu diesem Zwecke sammelte ich mehrere Kilo des frischen Krautes und kaufte mir am nächsten Tage drei etwa 10 bis 14 Tage alte, sehr muntere und fresslustige Gänschen.

Während zwei der Thierchen mit Rapsblättern gefüttert wurden, gab ich dem dritten ein frisches Blättchen des Erysimum, welches nur etwa 2 cm Länge und 2—3 mm Breite hatte und vorher in kleine Fragmente zerpflückt war. Das Thierchen nahm in seiner Fressgier diese Blatt- theilchen sofort anf.

Es waren kaum 15 Minuten vergangen, als sich hef- tiges Erbrechen einstellte: indem das Gänschen den Kopf auf Heftigste nach rechts und links bewegte, schleuderte es weithin eine helle Flüssigkeit aus dem Schnäbelehen, mit der zugleich die gefressenen Blatttheilchen heraus- flogen. Diese Brechanfälle wiederholten sich im Laufe

92 Der crepisblättrige Schotendotter als Giftpflanze.

einer Stunde öfter, Nach jedem derselben war das Thier- chen sehr matt. Es konnte sich bald nicht mehr auf den Beinen erhalten, die Flügelchen hingen vom Körper herab, die Augen schlossen sich, das eine ganz, das andere halb. Dabei liess es ununterbrochen ein klägliches Piepen hören. Ab und zu wurde es sehr unruhig und suchte sich zu erheben, musste sich aber alsbald wieder setzen. Sehr bald konnte es das Köpfchen nicht mehr halten, und die Augen schlossen sich vollständig. Dieser Zustand dauerte etwa eine halbe Stunde, dann raffte es sich plötzlich auf, bekam einen Krampfanfall, bei welchem es sich überschlug und fiel todt nieder.

Von der Fütterung bis zum Tode waren nur 1?/, Stunden verflossen.

Das Kraut von Erysimum erepidifolium scheint demnach in der That auf junge Gänschen schon in kleinen Frag- menten und binnen kurzer Zeit tödtlich zu wirken.

In Rücksicht auf die eigenthümlichen Krankheits- symptome starkes und häufiges Erbrechen, Lähmungs- und Krampfzustände und den schnellen Tod des Thieres drängte sich nun die Vermuthung auf, dass die Gift- wirkung der Pflanze auf einem Alkaloide beruhen möchte.

Zur eventuellen Gewinnung desselben zog ich die zer- schnittenen Pflanzen, etwa 1'/, Kilo, mit sehr schwach salz- saurem Wasser aus, was bei gelinder Wärme während 15 bis 20 Minuten geschah. Der Auszug wurde schön himbeer- roth, weil ein namentlich in den Stengeltheilen vorhandener rother Farbstoff mit in Lösung geht. Zur Entfernung des- selben empfahl es sich, den salzsauren Extraet auf ein ge- ringes Volumen einzudampfen (was nicht auf offenem Feuer, sondern auf dem Wasserbade geschah, um etwaige Zersetzungen zu vermeiden) und nun mit einer Lösung von Baryumoxyd auszufällen. Ist die Ausfällung voll- ständig geworden, so filtrirt man die gelbe Barytverbindung des Farbstoffs ab. Um aus dem Filtrat das Baryum zu entfernen, wurde Kohlensäure eingeleitet, bis in einer Probe durch Kohlensäure keine Fällung mehr eintrat. Hierauf filtrirte ich das kohlensaure Baryum ab. Das

Von Prof, Dr. W. Zorr, 93

Filtrat, welches deutlich alkalisch reagirte, wurde genau neutralisirt und hierauf zur Trockne eingedampft. Den Rückstand zog ich mit Aleohol absolutus aus, dampfte die Lösung ein und wiederholte dieses Verfahren. Schliesslich nahm ich mit Wasser auf, wobei etwas Bräunliches unge- löst blieb, und dampfte diese wässrige Lösung ein. Man erhält hierbei eine diek-syrupöse Masse von brauner Färbung.

Nach dem ganzen eben beschriebenen Verfahren müsste man, wenn tiberbaupt eine Basis in der Pflanze enthalten ist, dieselbe als salzsaures Salz erhalten haben, wenn auch jedenfalls in noch nicht ganz reiner Form.

Versuche an verschiedenen Thieren, zu denen eine Lösung von 0,29 g der zuvor 24 Stunden in Sch wefelsäure- Exsiccator gehaltenen, braunen dick-syrupösen Masse in 50 ccm Wasser verwandt wurde, lassen keinen Zweifel, dass in der That ein, namentlich auf Gänse, sehr stark giftig wirkender Körper in jenem braunen Produet vor- handen ist.

Versuch 1. Einem etwa 14 Tage alten, sehr mun- teren Gänschen wurden 2 cem jener Lösung, = 11 milligr., unter die Rückenhaut injicirt.

Schon nach 5 Minuten traten ausgesprochene Krampf- erscheinungen und bald darauf Lähmungszustände auf, die sich darin äusserten, dass das Thierchen. die Beine nicht mehr gebrauchen, den Kopf nicht mehr halten und nicht mehr senkrecht sitzen konnte, sondern auf die Seite. fiel. Dabei trat. Athemnoth ein, die Herzthätigkeit wurde bald sehr schwach, und bald darauf erfolgte der Tod.

Von der subeutanen Injection bis zum Tode waren nur 15 Minuten verstrichen.

Versuch 2. Einem grossen, kräftigen Frosch wur- den ebenfalls 2 cem, = 11 milligr., unter die Rückenhaut eingespritzt.

Nach 25 Minuten ausgesprochene Lähmungserschein- ungen. Das Thier, das vorber munter umherhüpfte, kann nieht mehr springen und schleppt beim Sichfortbewegen die hinteren Extremitäten nur mühsam nach, Nach wei- teren 10 Minuten ist es nicht: mehr im Stande, sich wieder auf den Bauch zu legen, wenn man es auf die Seite ge-

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legt hat. AufReize, wie Drücken, Zwicken, Ziehen reagiren die hinteren Extremitäten gar nicht mehr, in den Schwimm- füssen treten Krampferscheinungen auf. Schliesslich tritt auf irgend welche Reize gar keine Reaction mehr ein, und schon 2 Stunden 40 Minuten nach der Injection ist das Thier todt.

Versuch 3. Einer ausgewachsenen weissen Ratte wurden ebenfalls 2 cem, = 11 milligr., unter die Rücken- haut injieirt.

Nach einer Stunde deutliche Krankheitserscheinungen. Das Thier sitzt, im Gegensatz zu seiner Lebendigkeit vor der Injection, träge und theilnahmlos da, mit gesenktem Kopfe. Dieser Zustand währte bis in die Nachmittags- stunden, wo es den Kopf zwischen die Vorderpfoten ge- steckt bielt.e. Ab und zu schrak es zusammen. Nahrung nahm es während 6 Stunden fast gar nicht. Nach acht Stunden schien es wieder ganz munter zu sein, am näch- sten Tage war es ganz gesund.

Versuch 4. Einem ganz jungen Hühnchen wurden 3/, eem jener Lösung (etwa 4 milligr. enthaltend) ebenfalls unter die Rückenhaut gespritzt.

Das Thierchen blieb vollständig gesund.

Versuch 5. Einem jungen Gänschen, das genau so gross und alt war, wie das zum ersten Versuche be- nutzte, wurde 1 cem jener Lösung (etwa 5,5 milligr. der rohen salzsauren Basis enthaltend) in den Magen ein- geführt.

Es zeigten sich im Laufe des Tages nur Lähmungs- erscheinungen an den Augenlidern, welche sich, auch beim Gehen, zeitweilig schlossen. Am Abend war das Gäns- chen wieder sehr munter und frass mit gutem Appetit, auch an den folgenden Tagen war es durchaus gesund.

Aus diesen Versuchen ergiebt sich erstens, dass die salzsaure Basis, subceutan injieirtt, sehon in sehr ge- ringen Dosen (11 milligr.) auf junge Gänse sowie auf Frösche tödtlich wirkt und zwar binnen kurzer Zeit (beim Gänschen in einer Viertelstunde, beim Frosch innerhalb 3 Stunden); zweitens, dass die Wirkung des wie oben

Von Prof. Dr. W. Zopr. 95

angewandten Giftes bei diesen Thieren besonders in

ähmungserscheinungen der Extremitäten besteht, mit denen aber beim Gänschen starke, beim Frosch schwächer bervortretende Krampferscheinungen ver- bunden sind; drittens, dass weisse Ratten und junge Hühner gegen das subeutan injieirte Gift wenig empfänglich resp. immun zu sein scheinen; viertens, dass vom Magen aus die salzsaure Basis beim Gänschen in geringen Dosen sehr wenig wirksam zu sein sebeint, während sie subcutan injieirt schnell den Tod herbeiführt.

Ich machte ferner verschiedene Versuche, die Basis im freien Zustande zu gewinnen; zunächst in der Weise, dass ich ein paar Hände voll Erysimum-Kraut mit schwach salzsaurem Wasser auszog, das Extract auf ein kleines Volumen eindampfte (wobei zur Verhütung zu starker Acidität ab und zu ein Tropfen Natronlauge zugesetzt wurde) und dann mit Natronlauge in kleinem Ueberschuss versetzte. Hierbei entstand eine rothbraune Fällung, die abfiltrirt und nach schwachem Auswaschen mit warmem Wasser ausgezogen wurde. Falls das Alkaloid in kaltem Wasser schwer oder gar nicht löslich sein sollte, musste es in der gewonnenen Flüssigkeit vorhanden sein.

Um dies zu prüfen, setzte ich diese Flüssigkeit einem. 8—10 Tage alten Gänschen vor. Es gelang, das sehr lebhafte und störrische Thierchen zu bewegen, einige Tröpf- chen der Flüssigkeit aufzunehmen.

Es traten auch bei diesen Versuchen wieder sehr hef- tige und characteristische Giftwirkungen auf, unter denen namentlich die krampfartigen hervortraten im Verein mit Lähmungserscheinungen.

Schon nach etwa 10 Minuten fing das vorher sehr muntere Thierchen an, die schon erwähnten Brechan- anfälle zu zeigen, nach weiteren 5 Minuten konnte es sich bereits nicht mehr auf den Beinen halten und wurde wie schläfrig. Dann zeigte es grosse Unruhe und lief umher wie ein Betrunkener, bald nach der einen, bald nach der anderen Seite hin wankend. Es setzte sich dann nieder, um sich niebt wieder zu erheben, ein Auge schloss sich ganz, das andere halb, die Flügelchen standen vom Körper

96 Der crepisblättrige Schotendotter als Giftpflanze,

ab und wurden bewegt. Den ganzen Körper ergriff ferner ein Zittern, das je länger, desto stärker wurde. Nach etwa dreiviertel Stunden konnte das Thierchen den Kopf nieht mehr senkrecht halten, auch nicht mehr sitzen; der Körper legte sieh anf die rechte Seite, die Füsse zogen sich krampfartig an den Rumpf zusammen. Während dieser Erscheinungen ging häufig Koth ab, und wie auch schon vorher, piepte das Thierchen kläglich. Die Augen schlossen sich bald vollständig, das. Zittern des ganzen Körpers wurde sehr heftig, der kleine Hals wie starr. Schliesslich hörte das Vibriren des Körpers und der Krampf auf, und das Thierchen war bald darauf todt. Vom Beginn bis zum Ende des Experiments waren nur 23/, Stunden ver- flossen.

Es scheint also, dass in der obigen Flüssigkeit wirklich das freie Alkaloid enthalten war, wenn vielleicht auch nur in geringer Menge

In den paar Tröpfehen, die das Thierchen aufnahm, ist sicherlich nur eine minimale Quantität des Giftes vor- handen gewesen, und doch wirkte dasselbe so auffällig krankmachend und binnen wenigen Stunden tödtlich.

Es zeigte sich bei weiterer Prüfung, das die Basis flüchtig ist. Sie lässt sich daher aus dem frischen zer- schnittenen Kraut mit Wasser überdestilliren, nach vor- herigem Zusatz von Natronlauge oder gebrannter Magnesia. Das Destillat zeigt einen höchst widerlichen, eigenartigen Geruch und stark alkalische Reaction, die freilicb zum Theil von Ammoniak herrührt, da sich das Alkaloid beim Ueberdestilliren theilweis zersetzt.

Bei dem ersten Destillationsversuche sprang mir der Kolben und der übelriechende heisse Krautbrei fiel auf den Experimentirtisch; obwohl ich nun die Masse möglichst schnell zu entfernen suchte, konnte ich doch nicht hindern, dass ich die Dämpfe einige Zeit einathmete. Die Folge‘ war, dass mir unwohl wurde. Es trat Zittern in den Händen ein, die bleich wurden, Benommenheit des Kopfes und Be- klemmung in der Herzgegend. Ich glaube nicht, dass dieser Zustand auf Einbildung beruhte. Durch Einathmen frischer Luft am Fenster besserte er sich nicht, aber nach dem

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Genuss von 2 Gläsern Wasser und etwas Brod ging er bald vorüber.

Das freie Alkaloid scheint demnach auch auf den mensehlichen Körper zu wirken.

Nachdem jenes Destillat mit Schwefelsäure genau neu- tralisirt war, wurde zur Trockne eingedampft und der Rück- stand mit Alcohol absolutus in der Kälte aufgenommen. Hierbei bleibt ein weisser Körper zurück, der sich als schwefelsaures Ammoniak erwies. Leider sind die Mengen desselben nicht unbeträchtlich, weil, wie schon früher an- gedeutet, die Basis eine theilweise Zersetzung erfährt.

In der alkoholischen Lösung hat man das schwefelsaure Salz des Alkaloides vor sich. Nach Verjagen des Alko- hols bleibt es als eine diek-syrupöse bräunliche Substanz zurüc

Ich löste dieselbe in Wasser und setzte diese Lösung einem vierten, 14 bis 20 Tage alten Gänschen vor. Ob- wohl es nur wenige Tröpfehen dieser Flüssigkeit aufnahm, war die Wirkung doch auch in diesem Falle eine tödtliehe, wenn auch der Tod erst in 9 Stunden eintrat.

Die Krankheitssymptome bestanden zunächst wiederum in häufigem und heftigem Erbrechen, welches etwa nach zwei Stunden eintrat, sodann in Lähmungserscheinungen der Extremitäten und Halsmuskeln, welche sich etwa nach 5 Stunden einstellten. Zittern und Krampfzustände fehlten, in den letzten Stunden trat Athemnoth ein.

Das schwefelsaure Salz wirkt demnach auf junge Gänse ebenfalls giftig.

Das Alkaloid in zu weiterer Untersuchung ausreichender Menge zu gewinnen, ist mir bisher nicht gelungen. Die Schwierigkeiten liegen besonders darin, dass es äusserst unbeständig ist und und dann auch in nur sehr geringer Menge in der Pflanze vorkommt. Da es zu den flüch- tigen Basen gehört, so lässt es sich wohl am bequemsten in der Weise gewinnen, dass man die Pflanzentheile mit Wasser und Magnesia usta destillirt, das Destillat mit Salz- säure neutralisirt, dann zur Trockne eindampft und den Rückstand mit Alcohol absolutus auszieht, der das 3a Salz reichlich aufnimmt. Durch een dieses Lösungs

Zeitschrift £. Naturwiss. Bd. 67. 1894.

98 Der crepisblättrige. Schotendotter als Giftpflanze.

mittels erhält man eine braune, dick-syrupartige Masse, aus der die salzsaure Basis in farblosen Kryställchen aus- krystallisirt, wenn man im Schwefelsäure-Exsiccator trock- net. An der Luft zerfliessen aber die Krystalle allmählich wieder. Die Basis kann man durch conc. Natronlauge frei machen und durch häufiges Schütteln mit Aether auf- nehmen, in welchem sie, wenn auch schwer, löslich ist. Aus der wässrigen Lösung liess sich übrigens das freie Alkaloid mit Aether nicht ausschütteln.

Mit Goldehlorid giebt die salzsaure Basis ein schön krystallisirendes Doppelsalz (Prismen), das Platindoppelsalz ist in der Krystallform dem des Ammoniumplatinchlorids ähnlich. Leider sind beide Salze zerfliesslich, daher zur Analyse nicht brauchbar, was auch von dem oxalsaurem Salze gilt. Möglicherweise ist das Alkaloid des Erysimum erepidifolium identisch mit dem Sinapin, das man aus den Samen des weissen Senfs gewonnen hat (Litteratur in Hvsemans und Hırcer, die Pflanzenstoffe p. 799). In anderen Cruciferen scheinen Alkaloide bisher nicht gefunden zu sein; indessen ist zu vermuthen, dass unter den übrigen Erysimum-Arten sich ebenfalls Alkaloiderzeuger finden werden. Eine Prüfung in dieser Richtung habe ich aus Mangel an Material bisher nicht vornehmen können.

In der weiteren Flora von Halle und zwar auf den Hügeln am süssen See bis in die Gegend von Eisleben hin, dann an der Saale entlang auf den Bergen bei Wettin, Dobis, Rothenburg, Cönnern bis in die Gegend von Alsleben ist Erysimum crepidifolium ausserordentlich häufig und scheint sich von Jahr zu Jahr weiter auszubreiten. Ueber- all da, wo Verwitterungsproducte des Rothliegenden auf- treten, hat sich die Pflanze geradezu massenhaft ange- siedelt, oft ganze Hügel bedeckend, Wegeränder und Bahn- dämme begleitend, auf Luzerne- und Kleeäckern sich aus- breitend und in Wettin und anderen Ortschaften bis auf die Gartenmauern gehend. Wo, wie bei Cönnern, Zechstein und Rothliegendes aneinander grenzen, geht die Pflanze auch auf Ersteren über, mit dem Porphyr aber scheint die Grenze wie abgeschnitten zu sein, man findet sie daher auch nicht im Hallischen Porphyrgebiet vor, ebenso wird sie

Von Prof. Dr. W. Zorr., ug

auf dem Buntsandstein des linken Saaleufers bei Salzmünde vermisst.

Für die Landwirthschaft der genannten Distriete ist nun dieses Gewächs zu einer wahren Calamität geworden, insofern es als unfehlbares Gänsegift die Gänsezucht im Freien erheblich beeinträchtigt resp. erschwert. Da, wie ich zeigte, schon ein einziges Blättchen der Pflanze im Stande ist, eine junge oder auch ältere Gans binnen Kurzem zu tödten, so müssen die Thiere aufs Sorgfältigste gehütet werden. Das ist nun um so schwieriger, als merkwürdiger Weise gerade diese Crucifere von jungen und alten Thieren so leidenschaftlich gern gefressen wird, dass sie in unbe- wachten Augenblicken sofort über das Kraut herfallen. Alt und Jung kennt daher, wie ich mich in diesem Jahre durch Ausfragen der Leute in den verschiedensten Ort- schaften überzeugt habe, das gefährliche Kraut und seine schnell tödtende Wirkung ganz genau und bezeichnet es mit dem treffenden Namen der „Gänsesterbe“ oder des „Sterbekrautes“.

In einzelnen Ortschaften, wie z. B. in Rothenburg, wo die Pflanze bis an die Ränder der Dorfstrasse geht, werden die Gänse, in Rücksicht auf die grosse Gefahr der Vergiftung, überhaupt nicht mehr aus den Höfen getrieben. Gutsbesitzer und Kleinbauern lassen, wie man mir sagte, die Gänsesterbe möglichst von den Ackerstücken entfernen, was freilich insofern keinen Zweck hat, als man die Pflanze an den Wegerändern ruhig weiterwuchern lässt.

Ich habe auch Fälle erzählen hören, wo ein Bauer dem andern aus Feindschaft die Gänse heimlich mit Gänse- sterbe vergiftete. Wer von den Lesern dieser Zeitschrift Gelegenheit haben sollte, sich in den genannten Gegenden nach der Gänsesterbe zu erkundigen, wird mit mir die Ueberzeugung gewinnen, dass die Klagen über die Schäd- lichkeit dieser Pflanze ebenso allgemein als berechtigt sind.

Zum Schluss möchte ich noch meinen besten Dank aus- sprechen Herrn Prof. J. VoLuaeo, der die grosse Güte hatte, mir die Benutzung der Apparate seines Institats zu gestatten, sowie einige Rathschläge zu geben und Herrn Privatdocent Dr. G. Braxoes, der mir freundlichst bei den Thierversuchen halt.

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Der Luftballon im Dienste der Wissenschaft.’

Gross, Premierlieutenant der Luftschifferabtheilung in Berlin.

Nachdem der bei seiner Erfindung so begeistert be- grüsste Luftballon, welcher dem Menschen neue Wege des Verkehrs über die Länder und Meere zu eröffnen versprach, all’ diese weitgehenden und theilweise phantastischen Hoff- nungen und Erwartungen nicht erfüllt hatte, sank er sehr bald zurück in seiner Werthschätzung und war schliesslich fast lediglich dazu verdammt, die Schaulust einer neu- gierigen Volksmenge zu befriedigen und hierdurch die Taschen unternehmungslustiger Besitzer von Vergnügungs- localen und sogenannter Berufs-Luftschiffer oder Akrobaten mit klingender Münze zu füllen.

Zweifellos aber sind der Luftschifffahrt ernstere Ziele gestellt, und zwar in doppelter Weise; einmal als ein jetzt bereits von allen Militärstaaten eingeführtes und werthge- schätztes Höhenobservatorium im Kriege, gewissermaassen als das oberste Auge des die Schlacht leitenden Oberbe- fehlsbabers, und zweitens als das einzige Mittel, dem Manne der Wissenschaft die Möglichkeit zu geben, in das Element siegreich vorzudringen, welches sich seinem erforschenden Geiste am längsten entzogen hat.

Was die militärische Ausbeutung der Erfindung des Luftballons anbelangt, so sind jetzt gerade hundert Jahre verflossen, seit zum ersten Male ein Ballon auf dem Kriegs- schauplatz erschien. Der Physiker Guyrox pe MoRrvEAU trat zuerst im Juni des Jahres 1794 mit dem Vorschlage hervor, den Luftballon bei den Heeren als fliegende Ob-

1) Mit Genehmigung abgedruckt aus der Memoiren - Correspon- denz. Herausgeber PauL LINDENBERG, Berlin.

Der Luftballon i. Dienste d. Wissenschaft, v. Premierl, Gross. 101

servatorien zu benutzen. Sein Vorschlag fand Anklang, man bildete in aller Eile eine Luftschiffer-Compagnie unter dem Commando CovrELre’s und schickte dieselbe nach dem von den Oesterreichern belagerten Maubeuge, wo sie treffliche Dienste leistete. Die eigentliche Feuertaufe er- hielt der erste Kriegsballon am 26. Juni in der Schlacht von Fleurus in welcher derselbe eine wichtige Rolle zu spielen Gelegenheit fand.

Doch die Kriegs- Aeronautik war nicht lange von Be- stand. NAPOLEON BoNAPARTE löste bald die Luftschiffer- Compagnien auf, und so kam es, dass trotz vereinzelter Versuche und Verwendung des Ballons als Kriegsmittel in den verschiedensten Staaten dieser in Vergessenheit gerieth, bis derselbe im Feldzuge von 1870/71 bewies, welche wich- tigen Dienste er als Communicationsmittel im Nothfalle zu leisten im Stande ist. Seit jenem letzten Kriege hat denn auch die Kriegs-Aeronautik gewaltige Fortschritte gemacht, so dass gegenwärtig kein grösserer Staat mehr des Ballons als eines wichtigen Kriegsgeräthes entbehren zu können glaubt. Wir finden daher heute in allen civilisirten Staaten wohlorganisirte Militär - Luftschiffer - Abtheilungen, deren hoher Werth für die Heeresleitung i in einem nächsten grossen Kriege sich zweifellos zeigen wir

Die Verwendung des Tafikallen im Dienste der Wissenschaft datirt zurück bis zum Anfange dieses Jahr- hunderts, sie hat dann lange Jahre geruht, bis in neuerer Zeit die junge meteorologische Wissenschaft, sich schritt- weise systematisch entwiekelnd, namentlich durch die Resul- tate der meteorologischen Hochstationen angeregt, zu der Erkenntniss gelangte, dass in der Wechselwirkung zwischen der Erde und der Atmosphäre die meisten meteorologischen Vorgänge bedingt seien, und man daher das Beobachtungs- gebiet mehr und mehr vom Erdboden lösen und in die freie Atmosphäre verlegen müsse.

Will man die Gesetze ergründen und studiren, nach denen sich der ewige Wechsel des Zustandes unserer Atmosphäre vollzieht, um hieraus wenigstens mit annähern- der Sicherheit den in alle menschlichen Verhältnisse so tief einschneidenden Witterungswechsel vorher zu bestimmen,

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102 Der Luftballon im Dienste der Wissenschaft-

so darf man sich nicht wie bisher damit begnügen, die aus den zahlreichen jetzt über die ganze civilisirte Welt ver- breiteten meteorologischen Stationen täglich telegraphisch einlaufenden Beobachtungen zu sogenannten Wetterkarten zu combiniren, man muss vielmehr in das zu untersuchende Element selbst, die freie Atmosphäre, wo jener ewige Wechsel sich vollzieht, eindringen. Hier wird man nicht nur, wie auf der Erde, die Wirkungen, sondern, was un- gleich werthvoller ist, ihre Ursachen kennen lernen und studiren können. Dem Menschen stehen zwei Mittel zu Gebote, in jenes Element einzudringen: er kann die natür- lichen Erhebungen der Erde, jene Bergriesen, deren eisge- krönte Häupter hoch in die Atmosphäre hineinragen, er- klimmen und hier seine Beobachtungen anstellen, oder aber er muss sich und seine Instrumente einem leistungsfähigen Luftballon anzuvertrauen sich nicht scheuen. Beide Arten, sich in die Luft zu erheben, sind von einander grundver- schieden, beide geben daher auch verschiedene Resultate der dort angestellten Beobachtungen. Eine meteorologische Hochstation, sie mag noch so isolirt auf der höchsten Klippe eines Bergriesen aufgebaut sein, klebt doch schliesslich an der Erde, deren Wärme- und Feuchtigkeits- Ausstrahlung, deren elektrischer und sonstiger Zustand ganz wesentlich die hier aufgestellten Instrumente beeinflusst.

Aber auch die in dem frei in der Atmosphäre schwe- benden Ballon angestellten Beobachtungen geben nur dann einwandfreie Resultate, wenn ganz besonders hierfür con- struirte Instrumente vorhanden sind, und wenn dieselben von geübten Beobachtern bedient werden.

Unter den Aufgaben, deren Lösung allein unter Zu- hilfenahme des Luftballons gelingen kann, steht die Er- mittelung der Temperatur- und Feuchtigkeits- Vertheilung in der Atmosphäre obenan, weil diese Factoren in erster Linie den Wechsel des Zustandes der Atmosphäre bedingen. Wir wissen zwar im Allgemeinen, dass die Temperatur mit der Erhebung über der Erdoberfläche abnimmt, da die Erwärmung der Luft nicht etwa direet durch die Sonne, sondern erst durch die Ausstrahlung der von dieser erwärmten Erdober- fläche ausgeht, wir wissen ferner, dass im Allgemeinen der

Von Premierlieutenant Gross. 103

Wasserdampfgehalt hoher atmosphärischer Schichten ge- ringer ist als solcher, welche der Erdoberfläche näher liegen, aber tiber das Maass dieser Abnahme unter den ver- schiedensten Wetterlagen, sowie über die Unregelmässig- keiten unter gewissen Witterungs- Verhältnissen ist unsere Kenntniss noch eine äusserst unvollkommene.

Aber mit dem Eindringen in höhere Luftschichten allein ist für die Wissenschaft noch wenig erreicht; diese bedarf exacter Messungen der Zahlenwerthe, und um diese zu ge- winnen, bedarf man der zweckentsprechenden Methoden und der Apparate. Lange Zeit hindurch glaubte man mit der freien Aufhängung eines gewöhnlichen Thermometers und der Beobachtung eines gebräuchlichen Hygrometers Werthe wissenschaftlicher Bedeutung zu gewinnen. Wie viel Mühen und Gefahren sind leider fruchtlos erlitten bei den meisten bisherigen, sogenannten wissenschaftlichen Ballonfahrten, da die gewonnenen Resultate in Folge der Mangelhaftigkeit der Instrumente und der Beobachtungs- methode höchstens geeignet sind, Unklarheit da hinein zu bringen, wo man sich nach Klarheit sehnte. Erst später, als man einsah, dass die Angaben dieser Instrumente von wechselvollen äusseren Bedingungen, wie Besonnung, Be- schattung und Benetzung, abhängig waren, sowie dass bei schnellen Höhenänderungen des Ballons das Wärmegefühl ‚den Angaben des Thermometers nicht entsprach, ging man an die Verfeinerung der Apparate, indem man dieselben den Störungen zu entziehen und sie empfindlicher zu machen versuchte.

Aber erst in den letzten Jahren ist es dem Scharfsinn und der unermüdlichen Arbeit des Professors Dr. Assmann vom königl. Meteorologischen Institut gelungen, die grossen Schwierigkeiten zu überwinden, welche sich der präcisen Ermittelung von Temperatur und Feuchtigkeit bei Luft- fahrten und auch auf der Erde entgegengestellt hatten. Es hat deshalb erst in allerneuester Zeit der Luftballon für die meteorologische Wissenschaft die ihm gebührende Be- deutung gewonnen.

Dem Fernstehenden dürfte kaum bekannt sein, dass die einwandfreie Bestimmung der Lufttemperatur bis vor

104 Der Luftballon im Dienste der Wissenschaft.

wenigen Jahren noch ein ungelöstes Problem war, obwohl man die Beobachtung der Temperatur von jeher als eine der fundamentalsten Aufgaben der meteorologischen Stati- onen hielt. Der Stand des Thermometers hängt nämlich nicht allein von der Temperatur der umgebenden Luft ab, die zu messen ist, sondern auch davon, in welchem Maasse dasselbe durch Ein- und Ausstrahlung beeinflusst wird. Die auf den meteorologischen Stationen gebräuchlichen mannigfaltigen Schutzvorriehtungen in Form von Blech- schirmen, Jalousiegehäusen, besonderen Hütten und der- gleichen mehr sind nicht im Stande, die Instrumente gegen diese störenden Einflüsse zu schützen und zwar um s0 weniger, als die Luft ruhiger ist. Nun herrscht aber im Korbe eines frei fliegenden Ballons stets absolute Wind- ‚stille, er mag noch so schnell mit dem Winde vorwärts eilen; es treten daher hier störende Strahlungseinflüsse doppelt stark auf und machen daher die meisten bisherigen Fahrten, die mit so grosser Kühnheit und theilweise mit Menschenopfern unternommen wurden, für die Wissenschaft minderwerthig. sogen. Assmann’sche Aspirations- Psychrometer genannt, weil es durch Combination eines trockenen mit zwei befeuchteten Thermometern gleichzeitig zur Be- stimmung der Luftfeuchtigkeit dient beruht auf dem Prineipe, dass den äusserst feinfühligen, in einer spiegeln- den Metallhülse eingeschlossenen Thermometern durch einen von einem Uhrwerk getriebenen Exhaustor dauernd grosse Mengen von immer wieder frischer Luft zuge- führt werden, so dass die einzelnen Lufttheile nicht Zeit behalten, sich an der höher temperirten Umhüllung zu er- wärmen. Dieses Instrument giebt, ob in Sonne oder Schatten aufgehängt, die wahre Lufttemperatur an. Wie gross der Unterschied zwischen dieser und der Strahlungs- wärme der Sonne sein kann, zeigen die Messungen schon der ersten Fahrten mit dem Ballon „Humboldt“. Es be- trug bei 6200 m Höhe die Lufttemperatur 26° C., während das Schwarzkugelthermometer, welches das Maass der Strah- lungswärme der Sonne angiebt, + 13° zeigte. Es bestand somit zwischen der wahren Lufttemperatur und der Ein

Von Premierlieutenant Gross. 105

strahlungswärme der Sonne ein Unterschied von 39%, Aus diesem Beispiel geht ohne Weiteres der geringe Werth für die exacte Wissenschaft von Messungen mit Instrumenten hervor, bei denen der störende Einfluss der Sonnenstrahlung nicht vermieden wird, auch sind nur hieraus die auffallend hohen Temperaturen zu erklären, welche bei den bisherigen Hochfahrten, namentlich in Frankreich und England, be- obachtet wurden.

Nach dem Vorigen ist wohl einleuchtend, dass, wo deutscher Scharfsinn die Mittel bot, nunmehr wahrhaft richtige Werthe von Messungen mit Hilfe des Luftballons zu erreichen, auch deutsche Energie berufen ist, diese Er- findung auszunutzen, und so entstand der Keim zu dem wissenschaftlichen Unternehmen der Erforschung der höheren Atmosphäre mit Hilfe eines leistungsfähigen Luftballons, in Berlin im Schoosse des deutschen Vereins für Luftschiff- fahrt. Nachdem durch die grossherzige Unterstützung des Kaisers dem Verein hierfür reichliche Geldmittel zur Ver- fügung gestellt worden waren, begannen im Anfange des verflossenen Jahres die Fahrten des Ballons „Humboldt“, die sein Nachfolger, der „Phönix“, gegenwärtig noch fort- setzt und hoffentlich zur Vollendung bringen wird zu Nutzen und Frommen der Wissenschaft, sowie zur Ehre des deut- schen Namens.

Ehe wir auf diese Fahrten eingehen, dürfte es inter- essiren, zu erfahren, was bisher auf diesem Gebiet über- haupt geleistet wurde, wenn auch, wie wir nachgewiesen haben, die Resultate der früheren Fahrten, wenigstens was Temperaturmessungen anbelangt, minderwerthige sind.

Die erste zu wissenschaftlichen Forschungen unter- nommene Luftfahrt fällt bereits in das Jahr 1803; sie wurde von dem belgischen Physiker Rosertson und dem Luft- ‚schiffer Luost zu Hamburg ausgeführt. Man erreichte an- geblich eine Höhe von 7400 m, was bei der geringen Grösse des Ballons er besass nur 600 cbm Wasserstofigas allerdings mehr als unwahrscheinlich ist, und stellte Messungen der Temperatur und Luftelektrieität an. RoBERT- son führte noch eine Reihe von Fahrten in Russland aus, welche indessen wegen der nur errichteten geringen Höhen

106 Der Luftballon im Dienste der Wissenschaft.

weniger interessant sind. Indessen erregten die gewonnenen Resultate grosses Interesse und Widerspruch bei der Aka- demie der Wissenschaften zu Paris, so dass man hier schon im folgenden Jahre, also 1804, zwei junge Gelehrte, Bıort und Gay Lussac, mit der Ausführung gleicher Forschungen betraute. Nachdem der zur Verfügnng gestellte Militair- Ballon beide Männer nur auf 4000 m heben konnte, stieg Gay Lussac allein auf und erreichte 7000 m Höhe. Die gewonnenen Resultate stimmten mit denen RoBERTSoN’s durchaus nicht tiberein, man war daher noch unklarer als zuvor.

Das gute Beispiel der französischen Gelehrten wirkte zündend auch auf einen Deutschen. Professor JuNnGIUs zu Berlin stieg im Jahre 13805 zu wissenschaftlichen Beobach- tungen auf, erreichte angeblich 6500 m Höhe, brachte in- dessen gar keine Resultate mit zur Erde zurück, da ihn sehr bald, wie er selbst angiebt, eine schlafartige Betäubung überfiel. Erst im Jahre 1850 sind zwei weitere Fahrten zu wissenschaftlichen Zwecken zu verzeichnen. BaArıAL und Bıxıo, zwei französische Gelehrte, erreichten bei der ersten Fahrt 5900 m, bei der zweiten sogar 700 m Höhe. Die Resultate dieser beiden Fahrten sind nicht ohne Werth für die Wissenschaft geblieben, da gute Beobachtungen von Eisnadel-Wolken und interessanter optischer. Erscheinungen in ihnen mit zur Erde gebracht wurden.

Mit den Forschungsreisen, welche fast zu derselben Zeit in England ausgeführt wurden, beginnt auf diesem Ge- biete eine neue bahnbrechende Periode, deren Ergebnisse, wenn auch nunmehr nicht mehr einwandfrei, die Grundlage für die Anschauung und Gesetze der höheren Atmosphäre bis in die allerneueste Zeit bildeten. Die dreissig Luft- ‚reisen des englischen Meteorologen Mr. Graısuer sind auch wohl die einzigen überhaupt, welche in Folge der Energie, Geschicklichkeit und Zuverlässigkeit dieses kühnen For- schers wirklich brauchbare Resultate ergeben haben, 80- weit dieselben nicht durch mangelhafte Instrumente und deren Anbringung leider getrübt wurden. Mr. GLAISHER, Chef des Meteorologischen Bureaus zu Greenwich, und der bekannte Luftschiffer Coxweri übernahmen es mit echt

Von Premierlieutenant Gross. 107

britischer Energie, die oberen Luftschichten der Atmos- phäre zu erforschen, die man bisher den Menschen für un- zugänglich hielt. Sie unternahmen die kühnen Fahrten meist von dem central im Lande gelegenen Wolverhampton aus und geriethen trotzdem häufig in grosse Gefahr des Meeres wegen, dessen Nähe sie mehrfach zu rapiden Lan- dungen aus enormer Höhe zwang.

OXWELL besass für diese Fahrten einen Ballon von 2500 cebm Grösse, nach dessen Zerstörung ein neuer Ballon von 2600 ebm Grösse erbaut wurde; die Füllung erfolgte mit einem sehr leichten, eigens hierfür präparirten Leucht- gase, dessen schwere Bestandtheile ausgeschieden wurden, so dass diese Ballons eine vorzügliche Steigekraft besassen. In den Jahren 1861 66 führten beide Männer dreissig Fahrter aus und brachten von diesen eine Unsumme von Beobachtungen der Lufttemperatur, Feuchtigkeit, Elektri- eität, der Windrichtung und Stärke, der Wolkenbildung, Zusammensetzung und Höhen der Wolken mit zur Erde, auch stellten sie spektroskopische, sowie physiologische Beobachtungen an und sammelten Luftproben der verschie- densten Höhen zur chemischen Untersuchung.

Gleich bei der ersten Fahrt schlug GLA1sHErR seine Vor- läufer an Höhe, indem er fast 8000 m erreichte. Am interessantesten ist die dritte Fahrt am 5. September 1862, bei welcher der Ballon wahrscheinlich 10000 m Höhe er- reicht hat. In einer Höhe von 8883 m machte GLAISHER seine letzte Beobachtung, dann verlor er die Besinnung, bald darauf auch sein Begleiter Coxweır, welcher im Ringe des Ballons sass. Letzterem gelang es indessen noch, mit den Zähnen die Ventilleine zu erfassen und das Ventil zu öffnen. Als GraAısuer von seiner Betäubung erwachte, be- fand sich der Ballon noch in einer Höhe von 7200 m in rapidem Falle. Aus den Angaben des Thermometers be- rechnet Graısuer, dass der Ballon 10000 m Höhe tber- sehritten baben müsse. Wie dem auch sein mag, sicher hat Graısuer 9000 m Höhe erreicht, eine Leistung, die ihm bisher Niemand nachgemacht hat. Nach GrA1sHerR sind in England Ballonfahrten zu wissenschaftlichen Zwecken nicht mehr unternommen worden.

108 Der Luftballon im Dienste der Wissenschaft.

In Frankreich aber, der Wiege des Luftballons, neidete man die englischen Erfolge; man begann hier sehr bald das begonnene Werk Gar Lussac’s fortzusetzen. Es bil- deten sich im ganzen Lande Vereine, von denen zahlreiche Ballonfahrten unternommen wurden, auch solehe zu angeb- lich wissenschaftlichen Zwecken. Doch die Oberflächlieh- keit und Unzuverlässigkeit der Franzosen, welche von jeder Ballonfahrt ein Aufsehen machen, als wäre sie eine cause c6elebre, macht diese Fahrten für die Wissenschaft vollständig wertblos. Eine rühmliche Ausnahme hiervon maehen die beiden wirklich rein zu wissenschaftlichen Untersuchungen unternommenen Fahrten Tıssannıer’s in Begleitung von SıveL und Crov& Spmerzı, welche leider ihren Opfermuth mit dem Leben bezahlten. Die drei kühnen Forscher unternahmen im Jahre 1874 eine bis 7000 m hin- aufgehende Luftreise zur Erprobung der Wirkung der künst- lichen Sauerstoffathmung auf den menschlichen Organismus, auf Grund deren dieselben Männer im ‘Jahre 1875 eine zweite Hochfahrt auf über 8000 m wagten, bei welcher jene beklagenswerthe Katastrophe eintrat. Nach fünfstündiger Fahrt landete Tissanpıer mit den Leichen seiner beiden Begleiter, welche, wie er selbst angiebt, nicht genügend Sauerstoff einathmeten. Seit jener verhängnissvollen Fahrt ist auf dem Gebiete der wissenschaftlichen Erforschung der Atmosphäre mit Hilfe des Ballons nichts Beachtenswerthes zu verzeichnen, bis vor wenigen Jahren der deutsche Ver- ein zur Förderurg der Luftschifffahrt sich die Aufgabe stellte, mit den nunmehr vollkommenen Instrumenten systematisch und gründlich dieses Problem wieder aufzu- nehmen.

Als der Ballon „Humboldt“ in den Dienst der Wissen- schaft gestellt wurde, waren bereits fünf vorbereitende

ahrten mit einem kleineren 1200 ebm grossen Ballon aus- geführt worden, wobei alle einschlägigen Versuche, be- treffend die Wahl der Instrumente, sowie deren zweck- mässigste Anbringung, erledigt waren, und ein hinreichendes Personal wissenschaftlich gebildeter Beobachter, die sämmt- lich dem königl. Meterologischen Institute angehörten, aus- gebildet worden war.

Von Premierlieutenant Gross. 109

Der „Humbold“, ein prächtiger Ballon von 2500 cbm Inhalt, trat am 1. März 1893 vor den Augen des Kaisers, dessen regem Interesse er entstammte, seine erste Fahrt an, bei der leider durch ein Missgeschick der Professor AssMANnN, die Seele des ganzen Unternehmens, ein Bein brach und hierdurch für weitere Fahrten dienstunbrauchbar wurde. Doch das Unternehmen konnte nicht aufgehalten werden, dessen Leitung in seiner energischen und geschickten Hand verblieb. Sein Assistent, Herr Bersox trat als Be- obachter für ihn ein und hielt getreulich alle bisherigen 21 Fahrten mit dem Führer des Ballons, dem Sehreiber dieses, aus. Bei besonderen Aufgaben wird stets noch eine dritte Persönlichkeit mitgenommen, auch von diesen Herren stellt das Meteorologische Institut den weitaus grössten Teil.

Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, die Resultate der bisherigen Fahrten, die für den Laien meist nnr in trockenen Zahlenreihen und Kurven bestehen, aufzuzählen, !) es sei nur bemerkt, dass diese Fahrten bereits eine reiche werthvolle Ausbeute wissenschaftlich ungemein werthvollen Materials ergeben haben. Die Instrumente haben sich tadel- los bewährt, auch haben sie gezeigt, wie wenig richtig die bisherigen Messungen gewesen sind. Der Ballon „Hum- boldt“ hatte leider kein Glück. Von den sechs Fahrten, die er überhaupt nur erlebt hat, waren die ersten beiden mit Verletzungen der Luftschiffer verbunden, bei der dritten Fahrt riss sich der Ballon selbst bei der Auffahrt an einem Fabrikschornstein ein mächtiges Loch, bei der sechsten explodirte nach der Landung in Folge elektrischer Funken- bildung das noch im Ballon enthaltene Gas und zerstörte Hülle und Netz. Der Nachfolger des „Humboldt“, der „Phönix“, welcher grösser noch und vollkommener aus seiner Asche entstand, hat unberufen bisher mehr Glück gehabt, er hat bisher 15 Fahrten glatt ohne jedes Missge- schick durchgemacht.

1) Die Ergebnisse dieser Ballonfahrten zur Erforschung der Atmosphäre werden fortlaufend mitgetheilt in der „Zeitschrift für Luftschiffahrt und Physik der Atmosphaere*, Verlag: Berlin, Mayer und Müller; Redaction Dr. V. Kremser, Berlin, Meteorol. Institut.

110 Der Luftballoni. Dienste d. Wissenschaft, v. Premierl. Gross.

Die Zahl der Fahrten, die fünf vorbereitenden des Ballons ‚M. W.“ nicht mitgerechnet, beträgt jetzt 50, hier- von sind 5 bei Nacht ausgeführt, sieben Mal ist die Höhe von 5000 m, 3 Mal die von 6000 m überschritten worden. Die Fahrten haben bei den verschiedensten Wetter- tagen im barometrischen Maximum und Minimum, bei schwerem Regen, bei Schnee, bei diehtem Nebel und hei- terem Himmel, bei Tage und bei Nacht stattgefunden.

Was die Erreichung noch grösserer Höhen anbetrifft, so wird diese Aufgabe in diesem Frühjahre in Angriff ge- nommen werden, da die Gewinnung des hierzu erforder- lichen Wasserstoffes einige Zeit beanpruchte. Alle übrigen Vorbereitungen für Hochfahrten sind beendet, die künst- liche Atmung von Sauerstoff bei drei Fahrten bereits er- probt. Inzwischen ist eine Hochfahrt auf 8000 m Höhe gelungen, deren Ergebnisse ganz besonders interessante waren, da eine bis 7000 m reichende schwere Schneewolken- Masse hierbei durchnitten wurde.

In erster Linie ist es gelungen, mit einwandfreien In- strumenten die Temperatur- und Feuchtigkeits-Verhältnisse der freien Atmosphäre bis zu einer Höhe von 8000 m unter den verschiedensten Wetterlagen, in den verschiedenen Jahreszeiten bei Tage und bei Nacht soweit festzustellen, dass deren Gesetzmässigkeit der Veränderung genau her- geleitet und deren Ausnahmezustände erklärt werden können. Es sind ferner höchst wichtige und interessante Aufschlüsse gewonnen worden über diese Verhältnisse in den Wolken selbst, sowie namentlich über den Einfluss der Wolken- bildungen auf die umgebenden Luftmassen. Die luft- elektrischen Messungen bis in grosse Höhen haben gleich” falls bisher unbekannte und wichtige Resultate ergeben, welche Aufklärung über bisher nicht gekannte Witterungs- erscheinungen zu geben berufen sein werden. Miteinem Woite, es sind die Bausteine gesammelt worden, aus denen das solide Fundament für die wissenschaftliche Erforschung der Atmosphäre in allernächster Zeit erbaut werden wird.

Mleinere MWittheilungen.

Mathematik und Astronomie.

Die Monde des Jupiter. Bis zum 9. September 1392 war man in dem Glauben, der Jupiter habe 4 Monde, am genannten Tage aber entdeckte Barnard mit dem 36 zöll. Fernrohre der Lick-Sternwarte einen 5. Satelliten des Pla- neten. Während die bislang bekannten Monde eine Grösse gleich dem unsrigen besitzen, d. h. also etwa einen Durch- messer von der Längenausdehnung Europas haben, ist der neuentdeckte, seinem Planeten bedeutend näher stehende viel kleiner, indem seine Grösse etwa der einer grossen Stadt gleiehkommt. Seine Umlaufszeit beträgt ca. 12 Stun- den, während die der übrigen ca. 3,13,16 und 18 Stunden ausmacht.

Das grösste Fernrohr der Welt ist nunmehr der Yerkes-Refractor der Universität zu Chicago. Das Objectiv- glas hat nämlich einen Durchmesser von 40 englischen Zoll, also bedeutend mehr, als das bekannte Lick-Telescop. Das Fernrohr selbst ist von Stahl und hat 62 Fuss Länge. Seine Gestalt ist annähernd die einer Cigarre, und es wiegt nicht weniger als 120 Centner. Die Höhe der Säule, auf der das Fernrohr angebracht ist, beträgt 43 Fuss, und das Objectivglas des Ferurohrs, wenn dasselbe senkrecht steht, befindet sich 72 Fuss über dem Boden, das heisst fast dop- pelt so hoch als ein dreistöckiges Haus. Wird das Instru- ment geneigt, so wäre der Beobachter jedesmal genöthigt, auf eine hausliohe Leiter zu klettern, um durch das Fern- rohr zu sehen. Dieses wäre nicht blos beschwerlich, son- dern auch gefährlich. Es ist daher die Einrichtung ge-

112 Kleinere Mittheilungen.

troffen, dass der ganze Fussboden auf hydraulischem Wege gehoben und gesenkt werden kann, so dass der Beobachter stets auf ebener Erde steht. Die Beleuchtung der Kreise und Hilfsapparate geschieht am Ocularende des Fernrohrs durch electrisches Licht und alle Ablesungen -und Be- wegungen des Fernrohrs geschehen durch electrische Vor- richtungen, so dass der Beobachter sich nieht vom Platze zu rühren braucht. Die Leistungen dieses neuen Riesen- telescops werden zweifellos gross sein, und man hofft auf ähnliche Neuentdeckungen, wie sie sich einzig und allein durch grosse Fernrohre ergeben können. So wurde durch den 18zölligen Refractor zu Chicago der Begleiter des Sirius, der bislang noch von keinem kleineren Fernrohre gesehen werden konnte, entdeckt. Ihm folgte der 26zöllige Refractor in Washington, der die beiden Marsmonde ent- decken liess. Endlich liess das dreifüssige Fernrohr der Lick-Sternwarte den fünften Jupitermond erblicken. Was der neue 40-Zöller offenbaren wird, kann man noch nicht wissen. Sicher ist es aber, dass nach Ansicht seines Ver- fertigers Mr. Alvan G. Clark in Cambridge in Amerika wir noch keineswegs an die Grenze der Leistungsfähigkeit eines Riesenfernrohres gelangt sind.

Ein neuer Komet wurde am 26. März Abends vom Astronom Denning in Bristol an der Grenze des grossen und kleinen Löwen entdeckt. Zur Zeit der Entdeckung (Abends 9 Uhr 30 Min. mittlerer Zeit von Bristol) war sein

Ort: Gerade Aufsteigung 148° 45°; Nördliche Abweichung 32° 15".

Am 27. Abends und 28. März früh wurde derselbe auch auf der Sternwarte zu Hamburg und München wie folgt beobachtet:

27. März, Abends 11 Uhr 37,2 Min. mittlere Zeit von Hamburg: Gerade Aufsteigung 149% 39° 8%;

Nördliche Abweichung 31° 38 52,

28. März, früh 12 Uhr 1,3 Min. mittlere Zeit von

München: Gerade Aufsteigung 149° 39° 46”; Nördliche Abweichung 31° 38° 31“.

Kleinere Mittheilungen. 113

Chemie und Physik.

Ueber !Alaune und besonders über den Kali-KEisen- alaun, einen höchst zersetzlichen Körper. Der allgemeine Typus der Alaune lässt sich auffassen als

M'M'(SO,), + 12aq; hierin könnte der Schwefel auch durch Selen oder Tellur ersetzt sein, das würde Alaune der Selen- oder Tellursäure ergeben vom Typus:

M'M'(SeO,), + 12 ag,

M'M“(TeO,) + 12 aq.

Interessant ist nun die Reihe der ee se: Kaliumaluminium-Alaun.... KAI(SO,), + 12aq.... 921, Rubidiumaluminium- Asun: RbAI(SO,) + 12aq ... 105° Caesiumaluminium-Alaun..Cs AlSO,), + 12aq. .1201/,0

Diese Zahlen stellen eine Parallele zu den Atom - Ge- wichten von K,Rb, Cs dar, da diese betragen für

133

Die Aehnlichkeit "ikaer beiden Zahlenreihen spricht sich aufs Deutlichste in den Differenzen aus; für die Me- talle erhalten wir die Zahlen 46 und 48 dad für die zu- gehörigen Alaune 12'/, und 151/.. ze

Substituirt man das Aluminium durch Eisen, so ent- stehen Kaliumeisen- und Rubidiumeisen-Alaun, die mit dem Rubidiumaluminium - Alaune folgende, nach ihren Schmelz- punkten geordnete, interessante Reihe ergeben: Rubidiumaluminium-Alaun ...... RbAI(SO,), + 12 aq 105° Rubidiumeisen-Alaun............ RbFe(SO,), + 12aq 60° Kaliumeisen-Alaun .............- KFe(SO,)s + 12aq 33°

Sehr auffällig ist die Erscheinung, dass mit dem Ein- tritt des Eisens trotz seines höheren Atomgewichtes (55,9) gegenüber demjenigen des Aluminiums (27) die Schmelz- punkte der Rubidiumeisen- und Kaliumeisen-Alaune fallen. Bemerkenswerth ist jedenfalls die Thatsache, dass der Ka- liumeisen-Alaun ein anorganisches Salz ist, das bereits unter Blutwärme schmilzt. Daraus erklärt sich die an leichte

Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. 67. 1994.

114 Kleinere Mittheilungen.

Zersetzlichkeit dieses Körpers und die Schwierigkeit seiner Darstellung, die nur bei + 2 bis + gelingt. Ueber- raschend ist die weisse Farbe des Salzes, in welcher sich also die Anwesenheit des Eisenoxyds (Fe,O,) nicht äussert. Die Schmelzpunkte der Alaune geben ein gutes Krite- rium für ihre Erkennung ab.!)

Dr. H. Erdmann, Vereinssitzung am 11. Jan. 189.

Platinmetalle. Von einer hypothetischen Säure (HC]), sind ableitbar die bekannten Salze:

Kaliumplatinchlorid .......... K,PtC], Magnesiumplatinchlorid ..... MgPtC], Ammoniumplatinchlorid ..... (NH,),PtC], Rubidiumplatinchlorid ....... Rb, PtC], Caesiumplatinchlorid.......... C3,PtC],

Bei allen herrscht die Combination Würfel - Octaeder 0,0) in den Crystallen vor. Das Ammoniumsalz hat insofern eine technische Bedeutung, als es zur Reinigung und Regenerirung des Platins dient, indem man es glüht und so den bekannten Platinschwamm erhält.

Abweichend von diesen Verbindungen verhalten sich das Natrium und Lithiumsalz, welche mit 6 Molekülen Crystallwasser nicht in der denoben genannten Salzen eigenen Combination des, isometrischen Crystallsystems, sondern in grossen Prismen erystallisiren.

Natriumplatinchlorid.... Na,PtCl,; + 6.aq. Lithiumplatinchlorid .... Li, PtCl; + 6 aq.

Das Chlor dieser Verbindungen kann ersetzt werden durch die anderen Halogene, durch Cyan und Rhodan. In schönen rothen Crystallen stellt sich das

Kaliumplatinrhodanid ....K,Pt(CNS), dar.

Trat in diesen EREERNES das Platin 4wertbig auf, so zeigt es sich in anderen Salzen 2werthig; bekannt ist in neuerer Zeit das Platinchlorür PtCl, geworden, das zur Herstellung der Kekauhınleen dient. Ebenso gibt es Cya- nüre des Platins, z. B

') Vgl. H. Erdmann, die Salze der Rubidiums und ihre Be- deutung für die Pharmaeie, Archiv d. Pharmacie 1894, 232, 3

Kleinere Mittheilungen. 115

Kaliumplatineyanür ....K,Pt(CN), + 3 aq entsprechend einer hypothetischen Säure H,Pt(CN), + 3aq.

Diese Cyanüre sind durch sehr lebhafte Färbungen der Crystalle ausgezeichnet:

Kaliumplatineyanür ....... K,Pt(CN), + 3aq hellgelb

Magnesiumplatineyanür...MgPt(CN), +3aq roth (mit grünem Oberflächenschimmer).

Bariumplatineyanür....... BaPt(CN), +3aq gelb mit blauer Oberflächenfarbe.

In wässeriger Lösung sind alle diese Salze farblos. Das Magnesiumsalz hat die Streitfrage mit entschieden, ob aus Salzlösungen das Wasser allein herausfriert oder auch das gelöste Salz. Das Eis dieses Magnesiumsalzes war völlig farblos, nicht eine Spur roth; also konnte nur Wasser herausgefroren sein.

Diesämmtlichen Platinmetalle lassensichin zwei Gruppen theilen, welche ihrer Natur nach sich den beiden Edel- metallen Gold und Silber anschliessen:

Goldgruppe: Silbergruppe: Atomgewicht Atomgewicht a 196,7 Silber, Ag........ 107,66 Platin, Pi 2.2.58. 194,3 Palladium, Pd .. 106,35 Iridium, Ir... 192,5 Rhodium, Rh .... 102,7 ÖOsmium, Os....... 190,3 Ruthenium, Ru... 101,4 Diesen entsprechen die Chlorüre und Chloride Au0dl.... Goldehlorür I es Silberchlorid Au), Si. Goldcehlorid a Platinchlorür PdC],..... Palladiumchlorür a Platinchlorid Pq4Cl,.... Palladiumchlorid ICh: Iridiumchlorür HERNE Iridiumchlorid

Die Chlorverbindungen des Iridiums sind noch inten- siver roth als diejenigen des Platins. Durch schwache Re- duction kann man das Iridiumsesquioxyd IrCl, von grüner Farbe erhalten, das also analog dem Goldchlorid Aulh gebaut ist.

ge

116 Kleinere Mittheilungen.

Das Osmium liefert mit dem Sauerstoff das besonders für die Augen gefährliche Ueberosmiumsäureanhydrid Os0, oder Osmiumtetroxyd. Die Dämpfe dieses Körpers scheiden auf organischen Gebilden metallisches Osmium ab. Be- kannt ist dieser Stoff als Fixatif in der microscopischen Technik. Das Kalisalz der Ueberosmiumsäure K,0s0, wird subecutan injieirt bei Epilepsie. In seinen Verbindungen tritt die metalloidische Natur des Osmiums hervor.

Das Rhodium besitzt rothe Salze (Name von der Morgen- röthe, wie Iridium, dessen Salze verschiedenfarbig sind, nach der Iris benannt ist). Das Rhodium hat vor allem eine hohe Residualaffinität, bildet daher leicht Doppelsalze:

Natriumrhodiumchlorid Na, Rh Cl, + 12aqg, das in schönen, grossen Crystallen sich darstellt.

Gegen Lösungsmittel sind die Platinmetalle sehr in- different. So löst sich Rhodium absolut nicht in Königs- wasser. Erhitzt man es aber mit Chlornatrium zusammen und leitet Chlor über die Mischung, so bildet sich das er- wähnte Doppelsalz.

Das Ruthenium ist dem Osmium sehr ähnlich und ver- hält sich ganz wie ein Metalloid. Es bildet wie das Os- mium ein Tetroxyd, welches noch viel zersetzlicher ist als Osmiumtetroxyd.

Nach bekannter Regel fallen bei ähnlichen Elementen mit steigendem Atomgewicht die Schmelzpunkte. Diese Regel wird auch hier bei den Platinmetallen, wo die Atomgewichte so wenig differiren, bestätigt, wie die Schmelzpunktsbestim- mungen ergeben:

AU 1098, Ann 954° Eh csnsmeees 1775° Bir... 1500° FRE 19509 BE na shsr 2000° ? en 2500° ER Er

Bei den sehr hoch schmelzenden Edelmetallen, welche hierin offenbar dem Kohlenstoff ete. ähneln, tritt der metal- lische Charakter zurück; gleichzeitig sinkt das electrische Leitvermögen, während die specifisehen Gewichte noch ZU- nehmen.

t) Angabe unsicher, weil Os immer verdampft.

Kleinere Mittheilungen. 117

Leitfähigkeit:

Ar. 0. 44—46 3 57—64 BE en 6— 8 Fü. ...0r2. 7— 9 Spec. Gewichte:

ART, 19,3 Ab... 20 PruEE 21,5 0: 11,4 Ir 0, 22,4 KB, 12,1 IR 22,5, schwerstes Edelmetall. 2 12,9

Dr. H. Erdmann, Vereinssitzung vom 25. Jan. 9.

Mineralogie und Geologie.

Quecksilberwerke von Avalaberg. In Avala, 20 km von Belgrad und von Schuplja-stena, sind die Quecksilber- erze in Quarzmassen des Serpentins enthalten, welehe Gro- deck mit Vorbehalt als Gangmassen bezeichnet; es fehlt aber die charakteristische, plattige Gestalt dazu. Die zellig porösen Quarze sind mit grünen Massen erfüllt, einem Ka- lium, Aluminium, Chromsilicat, dem Avalit (Losawitz), In grösserer Teufe wird der Quarz dichter und reicher an Zinnober; in der Erbstollensohle finden sich durchschnitt- lich 0,6 °/, Quecksilber. Der Quarz erhält in tieferen Lagen mulmige Beschaffenheit, der Avalit tritt bandartig, der Zinnober schichtförmig auf; die Erscheinung wird also in etwas gangartig. Noch tiefer treten statt der Quarze Do- lomite mit Avalit und Millerit (Nickelkies) auf; die Luft ist heiss und sehr sauer, die Wände blühen mit Nickel- sulfat aus. Das Vorkommen von Avala ist gleichsam das Paradigma für viele andere serbische Vorkommen: Serpen- tine mit Avalit und Zinnober. Auch in Bulgarien zeigt sich die Erscheinung, die so ganz verschieden von den Funden in Idria ist; in Idria ist das Quecksilber an Sedimentär- gesteine gebunden; in Almaden in Spanien fand und findet sich das Quecksilber im Sandstein. Dagegen erscheint in New-Almaden der Avalit ebenso als eine Art „Leitfossil“ für Quecksilber wie in Avala. Die Entstehung der serbischen

118 Kleinere Mittheilungen.

Vorkommen erscheint zur Zeit völlig dunkel. Wie in Idria dasSedimentärgestein und organische Beimengungen (Idrialit) der Verhüttung hinderlich sind, so bieten sich auf Avala andere Schwierigkeiten: Verhüttung in Muffeln ergiebt zu grosse Verluste. Man hat versucht, die Verbrennungsgase mit den Quecksilbergasen zu mischen. Wenn indessen die Erze feucht sind, was natürlich meist der Fall ist, dann lassen sich die Quecksilbergase nicht völlig eondensiren, was einen Verlust an Quecksilber von 20%/,—40°/, bedeutet. r. v. d. Borne, Vereinssitzung am 25. Jan. 1894.

Kopal aus Ostafrika. Das Kopalharz findet sich als ein jungalluviales Gebilde, das unter 1 m Tiefe nicht vor- kommt und zur Gewinnung des Kopallackes gesammelt wird. Kein recentes Kopal vermag mit diesem jungallu- vialen Harz zu concurriren. Das Vorkommen ist ein ganz anderes als das des Bernsteines. Die Stücke liegen immer im Umkreise von 5 bis 10 m; das entspricht also wohl jedesmal einem Baume, der hier einst stand. Seitdem auf Kopal in Deutsch-Ostafrika ein Ausfuhrzoll gelegt ist, wird von den Eingeborenen sichtlich wenig Kopal eingeliefert; dagegen hat sich in Sansibar das Kopalangebot seitdem erheblich gehoben.

Dr. v.d. Borne, Vereinssitzung am 25. Jan. 189.

Die Iberger Gletschertöpfe. Auf dem Plateau des Iberges bei Grund, etwa 560 m über dem Meeresspiegel, liegen eine Anzahl ziemlich tiefer Löcher, die bisher für ver- lassene Eisensteinfundstätten angesehen wurden. Neuer- dings sind diese Löcher bis auf 6 resp. 9 m Tiefe ausge- schachtet und zeigen nun fast kreisrunde und anscheinend abgeschliffene Wandungsflächen mit spiraligen Vertiefungen, sodass die Annahme, es möchten diese Löcher Gletscher- töpfe vorstellen, einige Berechtigung zu haben scheint. Auf dem Boden der Töpfe haben sich aber bisher keine Mahl- steine finden lassen, und die Vermuthung, diese könnten in die Spalten des Bodens hinabgeschwemmt sein, hat wohl kaum eine Berechtigung; daher können diese Vertiefungen nur als sogenannte Strudellöcher angesehen werden.

Dr. G. Brandes, Vereinssitzung am 24. Mai 189.

Kleinere Mittheilungen. 119

Botanik, Zoologie und Palaeontologie.

Kröten durch Fliegenmaden getödet. (ef. F.Leydig, „Verbreitung der Thiere im Rhöngebirge und Mainthal“, Verh. nat. Ver. d. Rheinl. und Westf., 1881, R. C. Mor- tensen, „Zool. Anzeiger“, Leipzig, Mai 92, „Zool. Garten“, Frankfurt a. M., 32, 2).

In der Zeit vom 7. bis 10. Juli vor. Jahres fand ich wiederum hier am Zobten tiber ein Dutzend Kröten (Bufo vulgaris) mit Fliegenmaden im Kopfe, diesmal aber nicht an feuchten Stellen, letztere waren ja in Folge der an- haltenden Dürre sehr selten sondern in Bächen und Tümpeln im Wasser liegend. Von diesen wurden immer je zwei, zusammen 10, in Glasgefässe gesetzt, deren Boden mit einer stark augefeuchteten Bodenschicht bedeckt war, während eine in Weingeist aufbewahrt an Herrn Professor v. Leydig in Würzburg geschickt wurde. Fast alle von den in den Behältnissen befindlichen Lurchen starben be- reits am ersten oder zweiten Tage, zwei am dritten und eine einzige am vierten, nachdem sie aus dem Wasser ge- nommen worden waren, worauf die Maden, deren Anzahl in den einzelnen Individuen zwischen 15 und 32 schwankte, in den Körper der Kröten wanderten. Am 3., 4. oder 5. Tage nach dem Verenden der Bufones verliessen jene den Cadaver, um sich in der Erde zu verpuppen und zu über- wintern. Vom 14. bis 23. April kamen die Fliegen (Lu- eilia sylorum) hervor, paarten sich aber leider nicht.

Es werden sich sicherlich heuer wieder Kröten mit Maden im Kopfe in grösserer Anzahl hier vorfinden. Ich bin nun gern erbötig, Vereinsmitgliedern, welche sich dafür interessiren, lebende Exemplare gratis zuzuschicken, nur bitte ich um rechtzeitige Bestellung per Postkarte.

Schlaupitz, Kr. Reichenbach a. d. Eule, Schl.

Karl Knauthe.

Zur Amphibienfauna Schlesiens.‘) Der Alpen- molch (Triton alpestris Laur.), dessen Vorkommen in Schle- sien von den älteren Autoren wie besonders Karvza („Syste-

1) Briefliche Mittheilungen an den Herausgeber.

120 Kleinere Mittheilungen.

matische Beschreibung der schlesischen Amphibien und Fische“, 1855) nicht erwähnt oder bestritten wurde, ist be- kanntlich 1890 von Hrrm. LAcHmann für die Umgegend von Bunzlau, Goldberg, Jauer und anderen Städten des Reg.- Bezirkes Liegnitz constatirt worden. („Die Reptilien und Amphibien Deutschlands“, p. 174); aber auch in Mittel- schlesien, wenigstens in meinem engeren Beobachtungs- gebiete, ist diese prachtvolle Species sehr häufig anzu- treffen am Zobten, der Eule und auf dem zwischen den beiden Gebirgsstöücken liegenden Hochplateau sogar weit gemeiner als der kleine Teich- resp. Kammmolch. Die oben auf dem über 600 m hohen Geiersberge liegende 308g. Entenpfütze, eine uralte Cysterne, bewohnt ausschliesslich Triton alpestris. Beiläufig habe ich von diesem Molche schon recht oft Stücke gefunden, die in Larvenform ge- schlechtsreif waren, seltner von Tr. cristatus Laur. und taeniatus Schn.

Von anderen beachtenswerthen Amphibien sei zunächst Rana arvalis Nils., der Feld- oder Moorfrosch erwähnt, der den Zobtner Halt ziemlich zahlreich bevölkert. Sein Vor- kommen in der Umgegend von Breslau wurde bereits durch v. SIEBOLD, PrLüser und v. Beprraca (s. „Die Lurchfauna Europas“, I. Anura, Moskau 1891, p. 111) gemeldet. Ueber seine Lebensweise etc. schreibe ich später einmal ausführ- licher, dann werde ich auch genaue Maasse von möglichst vielen Sticken geben.

Endlich übersende ich Ihnen anbei einen Frosch, den ich mit Fug und Recht für den agifis Thomas ansprechen zu dürfen glaube und bemerke dabei Folgendes:

Kurz nach meiner Rückkehr aus Ostindien im Februar vor. Js. lieh ich unserem damaligen Assistenten Herrn Husco Krosg, jetzt in Lindenruh bei Liegnitz, einem grossen Naturfreunde, den Jahrgang 92 vom „Zoologischen Garten‘, Frankfurt a. M. Einige Tage später erzählte er mir nun im Anschluss an die darin enthaltene Arbeit von F. Leyvis- Würzburg tiber Rana agilis (L. eit. Nr. 11), dass er im vor- hergehenden Hochsommer auf den nahen Seewiesen einen braunen Frosch getroffen hätte, der sehr schlank gebaut gewesen sei und erstaunlich weite Sprünge ausgeführt

ae Ba

Kleinere Mittheilungen. 121

hätte. In früheren Jahren war mir trotz grosser Acht- samkeit, besonders nachdem W. WOoLTERSTORFF den Spring- frosch fürs nahe Böhmen nachgewiesen („Zoologischer An- zeiger“, 1890) am Zobten nur immer Rana fusca Roes. und arvalis Nils, begegnet, die Mittheilung interessirte mich daher ungemein. Natürlich wurden unsere Leute sofort auf den Neuling aufmerksam gemacht und ihnen für jedes Stück eine hohe Prämie geboten, allein vergebens, ich er- hielt nur Rana muta var. acutirostris und Stücke, die der var. longipes F. Müller (Verhandl. naturf. Ges. Basel, vii Th, 3 H., p. 6.70) sehr nahe stehen. Schon glaubte ich, Herr Klose hätte sich geirrt, als wir beide zur Zeit Ernte nach Eintritt der Dunkelheit auf einem Spaziergange zu meinen Lettengruben plötzlich einen schlanken Frosch in weiten Sprüngen vor uns weghüpfen sahen. Nach län- gerer Zeit erst wurde er gefangen, getödet und untersucht an der Hand des trefflichen Werkes von v. Bedriaga. Das Thier passte genau zu der darin gegebenen Diagnose von Rana agılis, dennoch beschloss ich, mir erst Vergleichs- exemplare aus Böhmen (von Naturalienhändler v. Frick, Prag) kommen zu lassen, ehe ich den Fund publieirte. Da wurde ich im März er. durch einen gütigen Zufall mit Herrn Prof. Dr. O. Boetteer in Frankfurt bekannt, durch seine freundliche Vermittelung erlangte ich von Herrn @. A. Bov- LENGER, Custos am British Museum, ein schönes Vergleichs-. exemplar aus der Nähe von Wien, das mir allen Zweifel benahm.

Zu meiner grössten Freude überbrachten mir nun gestern unsere Ochsenjungen, die wahrscheinlich auf der Kaninchenjagd gewesen waren, wiederum ein schönes Exem- plar aus Jentschwitz, das ich Herrn Prof. Dr. BoeTTeErR de- diciren werde.

Durch diesen zwiefachen Fund ist das Vorkommen des Springfrosches, Rana agılis Thomas, in Mittel- schlesien constatirt und er wird sich sicherlich wohl noch an anderen Orten in meiner engeren Heimath auffinden lassen. Von diesen Exemplaren glaube ich nun bestimmt, obwohl Leyvıs das bestreitet („Zool. Garten“, 1892, 11, p. 323/324), dass sie erst neuesterdings aus Böhmen hier

122 Kleinere Mittheilungen.

eingewandert oder, was noch näher liegt, als befruchteter Laich durch Zugvögel, besonders Wildenten, eingeschleppt worden sind; freilich muss ich dabei offen bekennen, dass ich erst durch W. WoLTERsTorFr’s schönen Fund auf den Springfrosch aufmerksam wurde, vorher hatte ich mich nur wenig um unsere Amphibien gekümmert.

Sehlaupitz, Kr. Reichenbach, Schl., 30. April 1894.

Karl Knauthe.

Ein brütender Tintenfisch (Octopus) ist kürzlich in Kalifornien von dem wissenschaftlichen Reisenden des Pa- riser Museums für Naturgeschichte, Herrn Diguet, entdeckt und von den Zoologen Ed. Perrier und A. T. de Roche- brune beschrieben worden. Durch diese Entdeckung wird eine Angabe des Aristoteles bestätigt, die in neuerer Zeit ganz in Vergessenheit gerathen ist. „Die Polypen (das ist ja seit dem Alterthum der volksthümliche Name der Tinten- fische) brüten“, sagt der Vater der Naturforschung, „und sie magern ab, weil sie nichts während der Brutzeit fressen. Sie brüten erst, nachdem sie sich ihrer Eier gänzlich ent- ledigt haben, und sie bebrüten sie an demselben Orte, wo sie die Eier abgelegt haben. Das Weibehen nimmt zu- weilen auf den Eiern, zuweilen am Eingange des Loches, in dem sie die Eier abgelegt hat, Platz und legt seine Arme zusammen, um sie besser zu bedecken.“ Weiter be- merkt Aristoteles, dass die Polypen sich einen geeigneten Ort zum Ablegen ihrer Eier aufsuchen, beispielsweise das Innere einer Muschel, den Boden eines Gefässes oder ir- gend einen anderen hohlen Raum, an dessen Wänden sie die Eier anhängen. Ebenso brütet auch der neuentdeckte Tintenfisch, Octopus Digueti, aber er wählt sich immer den gleichen Brüteplatz aus, nämlich Muschelschalen (Venus- muscheln, Kammmuscheln). Das Thier kauert zwischen beiden Schalen, und über und unter ihm sind seine Eier an die Schalen geheftet. Es bleibt noch festzustellen, ob die Muschel dauernd oder nur während der Brutzeit den Aufenthaltsort des Thieres bildet. Jedenfalls erinnert dies Verhalten lebhaft an die Gewohnheit der bekannten Ein- siedlerkrebse, die in Schneckenschalen hausen. Wie bel

Kleinere Mittheilungen. 123

diesen Thieren, so steht auch der Instinkt, der den Tinten- fisch veranlasst, in einer Schale Wohnung zu nehmen, nicht ganz gesondert und unvermittelt da; er erscheint vielmehr nur als weitere Ausbildung eines in der Verwandtschaft dieser Thiere sehr verbreiteten, unbestimmteren Instinkts, der sie treibt, sich in Höhlungen einen Unterschlupf zu suchen, um dort die Eier abzulegen und wahrscheinlich auch zu bebrüten.

Mediecin.

Die Geburt von Sechslingen. Nach den überein- stimmenden Ansichten wohl sämmtlicher Geburtsbelfer lag bis jetzt kein irgendwie sicher beglaubigter Fall einer Sechslingsgeburt vor. Um so wichtiger und interessanter erscheint die Vassalli’sche Beobachtung, zumal diese durch mehrere Aerzte und andere Personen in ihrer Richtigkeit bezeugt wird, auch das Präparat noch vorhanden zu sein scheint. Zwar ist der Fall bereits im Jahre 1888 in der Gazzetta Med. Ital. „Lombardia* 1888 veröffentlicht worden, hat aber offenbar das Interesse in weiteren Kreisen nicht zu erwecken vermocht. Vasalli sah sich desshalb genöthigt, ihn wiederum in einer verbreiteteren Zeitschrift zu veröffent- lichen. (Vassalli, Francesco: A rivendicazione del primo caso di gravidanza seigemellare. Estratto dol. Boll. Med. della Soizzera Italiana. N. 3 u. 4. 1894.

Die Geburt verlief wie folgt:

Zunächst ergaben Nachforschungen, dass in der Fa- milie der 36-jährigen Zweitgebärenden, wohnhaft zu Castag- nola bei Lugano, wie auch in der ihres Mannes, Zwillinge öfters vorgekommen sind, unter andern auch bei ihrer eige- nen Schwester. Die erste Geburt fand 15 Monate vor der zweiten statt. Das Kind, ein kräftiger Knabe, wurde so lange gestillt 11 Monate bis die Mutter sich wieder schwanger fühlte. Sieben Monate nach der Geburt war die Regel wieder eingetreten, zum letzten Male am 29. De- cember 1887. Die Empfängniss selbst soll in der ersten Hälfte Januar 1888 stattgefunden haben. Im Anfang litt

124 Kleinere Mittheilungen.

die Frau an den gewöhnlichen Schwangerschaftsbeschwerden, wie Erbrechen u. s. w., fühlte sich aber im übrigen wohl und hatte namentlich nicht über Varien und Oedeme zu klagen. Erst in den späteren Monaten trat Hinfälligkeit, Blutarmutb, und in der letzten Zeit vor der Geburt häufiges Frösteln auf. Niemals will sie Kindesbewegungen gespürt haben. Im 4. Monat hatte allmählich der Leib eine solche Ausdehnung erreicht, wie am Ende der Schwangerschaft, so dass die Schwangere darunter litt und jeden Augen- blick die Geburt erwartete, gleichzeitig bemerkte sie jetzt eine leichte Anschwellung an den Knöcheln.

Am 4. Mai 1888 etwa am 115. Tage der Schwanger- schaft wollte sie nach einer leichten Feldarbeit zu Stuhle gehen, als der Blasensprung erfolgte, mit dem aber auch gleich ein Fuss vorfiel. Die herbeigerufene Hebamme entwickelte durch leichten Zug daran die Frucht. Alsbald langte auch Vassalli an.

Es ergab sich jetzt, dass die Frau fieberfrei und die Gebärmutter noch enorm ausgedehnt war. Auch fühlte man zahlreiche kleine Theile, aber Herztöne oder Kindesbewe- gungen waren nicht nachzuweisen. Da die weichen Ge- burtswege nur wenig vorbereitet waren, da in dem 3 em grossen Muttermunde eine Blase ohne Kindestheile zu fühlen war, so beschloss Vassalli zunächst abzuwarten.

Am andern Vormittag, 5. Mai, traten mit Einsetzen der Wehenthätigkeit wiederholte Schüttelfröste ein Temp. 3807 C. die mit gleichzeitigem Blutabgange die Be- schleunigung der Fehlgeburt wünschenswerth erscheinen liessen. Es wurde demnach die Blase gesprengt und die zweite Frucht in Fusslage entwickelt, worauf eine dritte Blase sich stellte und die dritte Frucht in gleicher Weise zu Tage gefördert wurde. Dies wiederholte sich noch zwei- mal. Währenddem waren zwei Stunden verflossen. Vas- salli glaubte nun, dass die Zahl der Früchte erschöpft sei und versuchte nun nach einiger Wehenschwäche und Blutabgang die Nachgeburt zu entfernen. Alsbald trat je’ doch, als Zug an den Nabelschnüren erfolglos blieb, bel dem Versuche der Lösung des noch fest anhaftenden Mutter- kuchens eine schwere Blutung ein. Vassalli, erschöpft

Kleinere Mittheilungen. 125

wie er war, führte seinen Arm in die Gebärmutter ein und stopfte so die Blutung, bis anderweitige Hilfe zur Stelle war. So musste er in dieser, eines komischen Beige- schmackes nicht ganz entbehrenden Lage, vier tödtlich lange Stunden aushalten, bis die Doctoren Bianchi, Reali und Solari aus Lugano angelangt waren. Solari entfernte dann nicht ohne Schwierigkeit die Nachgeburt, in der man noch einen sechsten Eisack mit Frucht vorfand. Der ganze Eingriff hatte 7 Stunden gedauert. Wochenbett glatt bis auf eine geringe Steigerung 38,2 C. am 3. Tage.

Späterhin gebar im nächsten Jahre die Frau Zwillinge, die am Leben blieben, desgleichen die Frau eines Vetters ihres Mannes.

Was die Früchte anbelangt, so kamen sie alle lebend zur Welt und bewegten sich lebhaft, blieben aber natürlich nicht am Leben. Zusammen wogen sie 1730 gr, der best- ausgebildete und zugleich erstgeborene wog 305 gr, der kleinste 245 gr. Ihre Längen betrugen 22—26 cm. Köpfe auffallend gross im Verhältniss zum übrigen Körper, Pupillar- membran vorhanden, Mund und Nase offen. Die Fettent- wickelung noch eine mässige; auch hatten die Früchte ein greisenhaftes Aussehen. Nägel erreichten nicht die Finger- spitzen, Geschlechtsorgane gut entwickelt 4 Knaben, Mädchen die äussere Scham klaffend, Vorhaut bedeckte noch nieht ganz die Eichel. Der umfangreiche, einzige, allen sechs Eiern angehörige Mutterkuchen, war leider so zerfetzt, dass man ihn nicht genau untersuchen konnte.

Aus der Mittheilung lässt sich leider nicht entnehmen, wie viel eineiige oder mehreiige Früchte vorhanden waren.

Da das Präparat dem Maxo della R. Senola Ortetrica di Milano überwiesen worden ist, so würde es wohl nicht allzuschwer sein, dies nachzuholen.

Halle a.S. v. Herff.

126 Kleinere Mittheilungen.

Aus verschiedenen Gebieten.

Pfeilgifte. Diese lassen sich nach ihrer Wirkung in vier Gruppen theilen. Am unschädlichsten sind diejenigen Gifte, die nur Entzündungen erregen, welche allerdings meist sehr schnell und unter grossen Schmerzempfindungen auftreten. Hierher gehören die Ranuneulusarten mit ihren Entzündung erregenden Oelen und vor Allem die Euphor- bien mit ihren Milchsäften. Viel gefährlicher sind Gifte, welche die Athmung zu lähmen im Stande sind. Im Ge- biete des Himalaya, in Nepal, in den Nordthälern des Brahmaputra, in Assam und Birma wird besonders der Saft von Aconitum ferox als ungemein schnellwirkendes Gift verwendet. Schon !/, Milligramm ist im Stande, lebens- gefährliche Erscheinungen hervorzurufen. Die Ainos auf Jassi verwenden mit ähnlichem Erfolg Aconitum japonicum. In gleicher Weise wirkt der Drüsensackinhalt der Gift- schlangen, z. B. der Puffotter in Afrika. Auch als Zusatz zu dem gefürchteten amerikanischen Curare findet Schlangen- gift Verwendung. Ungemein gefährlich sind weiter die Herzgifte, die grösste Gruppe der Pfeilgifte. 50 gr Milch- saft von Antiaris toxicaria genügen, um 100 Pfeile zu ver- giften. Dabei enthält ein gr Milchsaft nur 5/jooo gr An- tiarin. In Malacca wird der Antiaris noch der Saft einer Strychnosart beigemischt Das Sirengift in Borneo und das Macassagift sind nichts anderes als Antiaris. Das schlimmste aller Herzgifte ist das in Afrika gebräuchliche Pfeilgift aus der Acocanthera, von dem schon Bruchtheile eines Milligramms von tödtlicher Wirkung sind. Endlich gibt es Krampfgifte, die schwere Krampfanfälle hervorrufen. Hierher gehört die bekannte Giftzwiebel von Südafrika, Hemanthus, die Eiweiss - Gifte südafrikanischer Käfer und die Gifte aus Leichentheilen. Vergiftete Pfeile dieser Art, die vor 90 Jahren Lichtenstein nach Berlin gebracht hat, besitzen noch jetzt ihre volle frische Wirkungsfähigkeit.

Litteratur-Besprechungen.

HH. Bücking, Sulfoborit, ein neues Borat von Westeregeln. . Sitzungsber. d. kgl. Akad. d. Wissenschaft. Berlin 1893 No. 44.

In den Rückständen des aus Schacht III aufgearbeiteten Carnallits von Westeregeln hat Herr Naupert Krystalle von Kieserit (+ P der Ref.), von Coelestin und von Sulfoborit aufgefunden. Der letztere besteht aus 3Mg SO,, 2 M9;B,O,, 12 H,0, die Analyse ergab: MgO = 32,91, SO, = 21,9, H,O = 21,50. Der Sulfoborit schmilzt unter Aufwallen und unter Grünfärbung der Flamme; Mineralsäuren lösen ihn als Pulver leicht.

Das Mineral ist ringsum krystallisirt; die Kryställchen sind 3—4 mm lang (das grösste 10 ><4><3 mm), sie sind rhombisch und zwar a: b:c = 0,6196 : 1: 0,8100; beobachtete Flächen m = (110), o= (111), 5=(010), e=(001) und r = (101); Spaltbarkeit nach (110) und weniger vollkommen nach (001); die Härte ist 4; das spec. Gewicht 2,38—2,45.

Die Ebene der optischen Axen ist das Brachypinakoid (010), die erste negative Mittellinie ist die Verticalaxe ce; der wahre Axenwinkel 29 ist 86042‘ Li, 86052' Na, 86°50° Th (? d. Ref.), die mittleren Brechungsexponenten # = 1,5355 Li, 1,5396 Na, 1,5443 Th. Der kleinste «& = 1,5272 Na und der grösste y = 1,5443 Na. Luedecke.

Mrieger, Dr. Richard: Ein Beitrag zur Kenntniss der Hymenopterenfauna des Königreichs Sachsen. Wissen- schaftliche Beisabe des Nicolai-Gymnasiums zu Leipzig. Programm, No. 542. 1894. (4. 50 $. Text.) Leipzig 1894. ;

128 I. Litteratur-Besprechungen.

Der vorliegende Beitrag ist ein reichhaltiges Verzeichniss der Grabwespen und Bienen (die Falten- und Gold- wespen werden in den Schriften der Leipziger Naturforsch. Gesellschaft folgen), welches der Verfasser auf Grund eigener Forschung und Bestimmung, unter Benutzung früherer Ar- beiten anderer Autoren aufgestellt hat, wie er in den Ein- gangsworten ausführlich mittheilt. Das Verzeichniss ist systematisch angelegt, und bei jeder Gattung findet sich die Angabe der Autoren, nach welchen die Arten bestimmt sind. Für die einzelne Art ist nicht nur die Art und Weise ihres Vorkommens und der Fundort angegeben, sondern auch die Fangzeit nach Tag, Monat und Jahr, sowie die Individuenanzahl nach den Geschlechtern unterschieden. Auch bei gemeinen Arten sind die Angaben über das Vor- kommen „so ausführlich wie nur möglich .... weil.... und weil Arten, die als ‚allgemein verbreitet und überall häufig’ gelten, dies nach meinen (des Verf.) Erfahrungen durchaus nicht immer sind.“ Hierin pflichtet der Ref. dem Verf. vollkommen bei, denn dieser so „beliebte Ausdruck“ findet sich auch auf anderen Gebieten leider nur zu oft.

Nach den einleitenden Vorbemerkungen folgt das eigent- liche Verzeichniss, welches von Sphegiden 136, von Pompi- liden 38, von Scoliiden 5, von Mutilliden 5, von Trigona- lyiden 1 und von den Apiden 226 Arten für das Königreich Sachsen nachweist.

Zahlreiche Anmerkungen geben Nachricht von zweifel- haften Arten, welche in dem Verzeichnisse nicht mit auf- gezählt sind, oder weisen auf die Wahrschei nlichkeit hin, dass Arten, ausserhalb der politischen Grenze beobachtet, wohl auch im Faunengebiete vorkommen würden, oder sie enthalten andere Notizen meist systematischer Art. Hin und wieder sind auch biologische Beobachtungen dem Ver- zeichniss einverleibt.

Es folgen dann noch Bemerkungen über die angeführten Fundorte, unter denen natürlich Leipzigs Umgebung als das am besten durchforschte Gebiet die ausführlichste Be- rücksichtigung findet. Ein Litteratur-Verzeichniss beschliesst den für faunistische Arbeiten stets werthvollen Beitrag.

D. v. Schleehtendal.

Litteratur- -Besprechungen. 129

Nalepa, Prof. Dr. Alfred: Beiträge zur Kinaloisi der' Pytlocoptiden.” (36 Seiten Text mit 6 Täfeln Ab- bildungen.) Eingegangen 9. Mai 1892. Nova Acta der Kaiserl. Leop.- Carol. Akademie der Naturforscher. Band LXI, No. 4, p. 291—324. Tab. IX-—-XIV. Hulle 1894.

Das unbestrittene Verdienst des Verf. ist die Aufstel- lung und Ausbildung der Systematik der Phytopten (Gall- milben), welcher er in rastloser opferfreudiger Thätigkeit seit dem Jahre 1888 seine freie Zeit widmet. Die beständig fortschreitende Artenkenntniss lässt aber eine Stabilisirung der Gattungscharaktere augenblicklich noch nicht zu: Gat- tungen, vor kurzem noch als wohlbegrenzte Artenreihen bestehend, missen durch das Auffinden von Zwischenformen vereinigt werden; bisher verschiedene Arten, werden als Varietäten ein und derselben Stammform erkannt, sei es, dass die Varietät aus unbekannter Ursache neben der Stammform auf der gleichen Nährpflanze entstanden, nun als solche morphologisch von denen der Stammform ver- schiedene Gallformen erzeugt, oder dass sie durch ver- änderte Lebensbedingungen, Uebersiedelung von der ursprünglichen auf eine andere verwandte Nährpflanzenart dazu geführt sei, und hier nun ähnliche Gallbildungen wie die Stammform hervorruft.

In der vorliegenden Arbeit behandelt der Verf. die Genera: Phyllocoptes Nal., Anthocoptes Nal., Tegonotüs Nal., Oxypleuritis Nal., ER er zu der Subfamilie Phyllo- coptida vereint.

Der Verf. sieht die Phyllocoptiden als phylogenetisch jüngere Formenreihe an, welche von den Phytoptiden her zu leiten ist. „Auffallend ist der Umstand, dass in der Mehrzahl der bis jetzt untersuchten Gallen Phyliocoptiden mit Phytopten angetroffen werden, mit welchen sie dann manchmal in einigen Merkmalen übereinstimmen. Diese Uebereinstimmung kann dann oft so frappant sein, dass unwillkürlich der Verdacht rege wird, dass man es mit dimorphen Formen zu thun haben könnte.“

Die nachbeschriebenen Arten sind meistens in dem Anzeiger der Kaiserl. Akad. d. Wiss. in Wien bereits kürz diagnostieirt, einige auch schon anderen Ortes veröffent-

Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. 67. 1894. 9

130 Lit teratur- Besprechungen.

licht, wenige Arten werden hier zuerst eingehends be- schrieben. Auf den beigegebenen Tafeln sind alle Arten mit gewobnter Meisterschaft dargestellt, sowie Abbildungen der bisher noch nicht gegebenen Cecidien an Fragaria collına und Robinia Pseudacacia auf Tafel XIV in Fig. 5 und 7 beigefügt. D. von Schlechtendal.

Mrebs, Wilhelm: Die Erhaltung der Mansfelder Seen. er re eines Meteorologen zur Selbsthülfe. Leipzig, @G. Uhl.

Der Task di vorliegenden Broschüre deckt sich nicht ganz mit dem verheissungsvollen Titel. Der Verfasser giebt nur die Mittel und Wege an, welche zu einer gründlicheren Erforschung der meteorologischen Verhältnisse des Mans- felder Seengebietes führen sollen. Vor allem will er den Betrag der Verdunstung ermittelt wissen. Zu diesem Zwecke hat er selbst einige Messungen an dem Sissen See vor- genommen. Er hat sich dabei einer z. Th. ganz neuen, aber noch wenig geprüften Methode bedient. Krebs will aus der sogenannten Psychrometer-Differenz die Grösse der Verdunstung berechnen, indem er auf experimentellem Wege feststellt, wie viel verdunsteten Wassers auf der Psychrometerdifferenz kommt. Seine Messungen am See selbst sind viel zu kurz, theilweise auch viel zu ungenau, so dass dem Ergebniss derselben nur wenig Werth bei- gelegt werden kann. Der schwache Punkt in seinem Ver- fahren liegt jedoch vor allem darin, dass er die Grösse der Verdunstung experimentell an einem wassergefüllten Fass ermittelt. Er erhält dabei durchaus keine allgemein gül- tigen Werthe. Das ist ein Fehler, der unseren sämmtlichen Verdunstungsmessungen anhaftet.

Ausserdem enthält das Buch in dem ersten, zweiten und letzten Kapitel noch eine Schilderung der landschaft- lichen Verhältnisse in der Umgebung der Seen und der Vorgänge, die sich dort innerhalb der letzten Jahre voll- zogen haben. Der grösste Theil der Broschüre war bereits in versiechdenen Zeitschriften veröffentlicht. Ule.

Litteratur-Besprechungen. 131

Schreiber, Paul, Prof. Dr.: Klimatographie des Königreich Sachsen. |Forschungen zur Deutschen Landes-

und Volkskunde, Ba. VIII, Heft er ee Engelhorn, 1593, 8%, 97 S.u. 2 Taf. Pr.

Der Verfasser, Direktor der Br re Zentral- station zu Chemnitz, veröffentlicht in dem vorliegenden Buch die Ergebnisse Jahrzehnte langer Forschungen über die klimatischen Verhältnisse von Sachsen. Das Buch gliedert sich in 2 Abtheilungen, von denen die erste ‚Die tägliche Periode im Witterungsverlauf in Sachsen nach den Beob- achtungen im Schloss zu Chemnitz während der Jahre 1887 bis 1891 enthält. Nach einer einleitenden Schilderung der Lage und Einrichtung des Observatoriums in Chemnitz wer- den der Reihe nach die einzelnen klimatischen Faktoren, Temperatur, Luftdruck, Richtung und Stärke des Windes, Bewölkung, Luftfeuchtigkeit und Menge und Häufigkeit des Niederschlages eingehend behandelt.

Die zweite Abtheilung bringt die Ergebnisse der Beob- achtungen über Temperatur und Feuchtigkeit der Luft, Bewölkung und Niederschläge in den Jahren 1864 bis 1890. Zur Darstellung der jährlichen Periode der Tagesmittel der Temperatur wurden hier sogar die 60jährigen Beobachtungen von 1831 bis 1890 in Leipzig verwendet. Ueberhaupt zeichnet sich die vorliegende Klimatographie durch den Umfang des . benutzten Materials aus. Das Material ist auch in der viel- seitigsten Weise verrechnet worden, ja wir möchten fast glauben, dass zuviel gerechnet worden ist. Die Uebersicht- lichkeit und Klarheit des klimatischen Bildes geht dabei nur zu leicht verloren. Der Verfasser giebt zwar in der Einleitung der zweiten Abtheilung eine ausführliche Er- läuterung der Methode seiner klimatologischen Untersuch- ungen; allein die neu eingeführten Begriffe sind noch zu neu, um leicht von Jedermann verstanden zu werden. Ausserdem halten wir derartige theoretische Betrachtungs- weisen nieht immer für gut. Gerade in klimatologischen Darstellungen, wo an und für sich schon die Menge der Zahlen leicht verwirrt, sollte man mit möglichst einfachen Mitteln Anschaulichkeit zu erreichen suchen. Schreiber stellt eine Reihe von Gleichungen von ihm Grund-

132 - Litteratur-Besprechungen.

gleichungen genannt auf, welche »für jeden ‘Ort des Landes'z. B. die seiner Höhe nach ihm ’zukommende mittlere Jabrestemperatur'zu berechnen gestatten. Auf-Grund solcher Rechnungsverfahren ‚hat. er Klimatafeln “für Sachsen auf- gestellt, die dem. Buch als Anhang beigefügt sind. Es steckt in diesen Tafeln eine gewaltige Arbeit. Ob ‚aber der wissenschaftliche Werth dem Aufwand an Arbeit ent- spricht, wagen wir zu bezweifeln. Man kann mit einfacheren Mitteln wenigstens ‚annähernd gleichwerthige Resultate er- zielen. Ule. Sierers, Wilh., Prof. Dr.: Amerika. Eine dall- gemeine Landeskunde, herausgegeben unter Mitwirkung von Dr.. E. Deckert. und: Prof. Dr. W. Kükenthal. Leipzig und Wien, Bibliographisches Institut, 1894.

Der Landeskunde von Afrika und Asien ist schnell die- jenige von Amerika als dritter Theil der. vom bibliographi- schen Institut geplanten „Allgemeinen Länderkunde“ ge- folgt. Dieses Mal finden wir nicht wieder die bewährte Feder des Giessener Geographen Sievers allein thätig, sondern die gewaltige Arbeit ist getheilt. Sievers hat nur Sitdamerika behandelt; Nordamerika und’Mexiko hat durch E. Deckert eine vortreffliche Darstellung erhalten, und die amerikanischen Polarländer sind von dem bekannten Zoologen Kükenthal bearbeitet worden. Alle drei Autoren erscheinen fürihre Aufgabe insofern besonders geeignet, als sie sämmtlich ihnen z. Th. persönlich bekannte Gebiete tibernommen haben.

Die Gliederung des Werkes weicht naturgemäss von derjenigen der beiden ersten Bände schon deshalb ab, weil hier ja ein Doppelcontinent vorlag, welcher sich an und für sich schon nicht so einheitlich behandeln lässt, wie etwa Afrika oder Asien. Vorausgeschickt wird ein Ab- schnitt über die Erforschungsgeschichte, sowie eine allge- meine Uebersicht des gesammten Amerika. Dann folgen als selbständige Theile des ganzen Werkes: Südamerika, Nordamerika und Grönland und der Arktische Archipel. Abschnitte der Landeskunde: Oberflächengestaltung und Geologie, Klima, Pflanzenwelt, Thierwelt, Bevölkerung, "Staaten, europäische Kolonien und Verkehr. Auf Einzel-

Litteratur-Besprechungen. 133

heiten’ des Inhalts können‘ wir: hier‘ nieht‘ eingehen. Nur so viel sei bemerkt, dass überall mit. grossem: Fleisse die vorhandene Litteratur' benutzt: worden ist. Dass ein so umfangreiches: Werk nicht ganz. ohne: Fehler sein: kann, ist für denjenigen, der auch nur eine Ahnung hat von der Fülle des-Materials; das- hier bewältigt: ist, nur zu. begreif- lieb. Fehler von’ wesentlicher Bedeutung sind uns: jedoch nirgends aufgestossen. Manches: bedarf auch schon. auf Grund neuer Messungen einer Korrektur. Der höchste Berg: von Nordamerika ist z. B. nicht mehr der Mount Elias, - sondern der Pie von: Orizaba, der mit 5582 m den Mount Elias noch um 92 m überragt. Vom rein geographischen Standpunkte aus hätten wir an der Art der Behandlung des Stoffes nur insoweit etwas zu rügen, als uns die ein- zelnen: Abschnitte zu wenig verbunden erscheinen. Aufgabe einer Landeskunde ist es doch, in erster Linie die Be- ziehungen der Erscheinungen eines Gebietes zu einander festzustellen und zu ergründen. Die sehematische Gliede- rung in diesem Werke zerreisst das Ganze, so dass der ursächliche Zusammenhang oft verloren geht. Wir denken dabei z.B. an die Abhängigkeit der Pflanzen- und Thier- welt von Klima und Bodenbeschaffenheit und Aehnliches, Im Einzelnen aber ist die Darstellung durchweg eine ge- wandte, klare und verständliche, und es gilt das für Jeden der Autoren. Volle Anerkennung müssen wir aber auch der Verlagsanstalt zollen; die Ausstattung des Werkes ist in der That eine vortreffliche. Möge das ganze Unter- nehmen die rechte Würdigung auch bei dem Publikum finden. Zur Zeit, wo Handel und Verkehr mehr und mehr kosmopolitischen Charakter erhalten, sollte Jedermann freudig die Gelegenheit benutzen, welche ibm durch die Herausgabe der Allgemeinen Länderkunde des Bibliographi- schen Instituts geboten wird, unter wissenschaftlicher Führ- ung und an der Hand vortrefflicher Karten und Bilder die Eigenart der einzelnen Kontinente der Erde kennen zu lernen. Ule. Tarnuzzer, Falb und die Erdbeben. Hamburg, Verlags- Anstalt und Druckerei A. G. (vormals J. F. Richter) 1892

134 Litteratur-Besprechungen.

(Vortrag gehalten in der naturforschenden Gesellschaft Graubündens 1890).

„Gas- und Lava-Emissionen in Spalten der Erdkruste periodisch beeinflusst durch die Anziehung von Sonne und Mond und nach Massgabe der nach innen und aussen wachsenden Kruste tiefer rückend erschüttern durch Explo- sionen und Durchbruch die tberlagernden Erdschichten (Erdbeben) und werden, wo sich Wasser befindet, derart verstärkt, dass sie bis an die Oberfläche gelangen!“ Dies die Falb’sche Theorie. Es hat denselben bekanntlich nicht beunruhigt, dass nach den neueren Ansichten der Physik es wahrscheinlich ist, dass bei dem grossen Drucke im Innern der Erdkern wahrscheinlich fest ist; auch hat es seine Ueberzeugung nicht zn erschüttern vermocht, dass man nachweist, dass seine Theorie der Vertheilung der Erdbeben nicht mit den Thatsachen übereinstimmt.

Diejenigen, welche sich für den Gegenstand interessiren, seien auf das interessante Schriftehen selbst verwiesen.

Luedecke. Hayek. &. von: Handbuch der Zoologie. IV. Band. 2. Abtheilung. Wien 1893. Carl Gerold’s Sohn. 6,50 M.

Mit der vorliegenden Lieferung erreicht das reichhaltige Werk seinen Abschluss. Die Abtheilung enthält den Rest der Vögel und die Säuger, deren sechzehnte Ordnung, die Primaten (mit den vier Familien der Aretopitheei, Platy- rhini, Catarrbini und Erecti, Menschen mit dem Gebiss eines Australnegers) endet. Wie schon die Ordnungszahl angiebt, ist die Systematik originell genug, sowohl in der Abgrenzung, wie in der Reihenfolge der Gruppen. Sie sind Monotremata, Marsupialia, Bruta (mit den Familien Bradypoda, Gravigrada, Riesenfaulthiere und Entomophaga), Natantia (mit den Unterordnungen Cete, Zeuglodontia und Sirenia), Perissodactyla, Artiodactyla (Ruminantia, Anoplo- therioidea, Artiodaetyla non ruminantia), Proboseidea, Lam- nunguia, Amblypoda, Pinnipedia, Carnivora, Prosimii, Ro- dentia, Insectivora, Chiroptera, Primates. Die wichtigste Eigenart liegt aber wiederum weniger im Text, der knapp ist, als vielmehr in der Reichhaltigkeft der Abbildungen

Litteratur-Besprechungen. 135

von denen viele, selbst dem in der zoologischen Litteratur Bewanderten, kaum geläufig sein werden. Wir finden Gebisse, Schädel, Skelette, Hirne, Eihäute und die übrigen inneren Organe, Füsse, Zitzen (vom Rhinoceros), Hautdrüsen (Kehlsack des weiblichen Chiromeles torquatus), einzelne Thiere, Gruppen, ober- und unterirdische Bauten (sehr charakteristisch für Talpa und Ornithorhynchus) in viel- seitiger Abwechselung. Es laufen ja, der Vollständigkeit wegen, eine Anzahl allgemein bekannter Dinge mit unter, aber sie werden doch bei weitem von den Raritäten tber- wogen. Die Menge der Figuren war nur möglich unter Verzicht gleichmässiger Durcharbeitung, so dass nicht von jeder Gruppe alle Organe, sondern nur eben die gegeben wurden, von denen sich interessante Darstellungen fanden. Bei den Vögeln treten Pterylosen, Charakterköpfe, Füsse, Schnäbel, Steuer- und Schwungfedern in den Vordergrund. Das Gesammturtheil über das werthvolle Werk dürfte dahin lauten, dass es den Anfänger nicht eben allzu sehr fördern dürfte, dass es aber dem kritisch Fortgeschritteneren, der das Alltägliche der Zoologie beherrscht, eine Fülle von An- regungen bietet; denn er sieht, was es ausser der ge- wohnten Grundlage noch für eine Menge von Sonderbild- ungen giebt. Solcher Tendenz entspricht denn wohl auch der nicht eben niedrige Preis.!) In diesem Sinne aber kann das Werk dem Zoologen, der nicht auf der Oberfläche bleiben und doch nicht allein in Spezialitäten sich verlieren will, nur empfohlen werden. Simroth.

Heyne, Alexander: Die exotischen Käfer in Wort und Bild. 1. Lieferung. Verlag von Ernst Heyne in Leipzig. 1893. Folio.

Der Verfasser des vorliegenden schön ausgestatteten Werkes, von dem die erste Lieferung vorliegt, will den Freunden und Sammlern der Käfer ein weniger kostspieliges Buch bieten, nach welchem sie exotische Käfer aller Art bestimmen können, ohne zunächst der kostbaren, schwer zugänglichen Litteratur zu bedürfen. Der Verf. sucht dieses

1) Wie aus dem Prospeet, der dem vorigen Hefte dieser Zeitschrift beigelegt war, ersichtlich, hat die Verlagshandlung den Preis von 78 Mk. auf 20 Mk. heruntergesetzt. Anm. des Herausgebers.

136 Litteratur-Besprechungen.

dadurch zu.ermöglichen, dass er alle Familien, ohne Aus- nahme, vorführen und ‚vieler, artenreicher Gattungen ge- denken wird, auch wenn solche nur unscheinbare Vertreter aufzuweisen haben. Kleine, und schwer zu bestimmende Arten aber sollen nur flüchtig berührt werden. Dagegen sollen die Familien, zu denen die grossen und prächtigen Arten gehören, ausführlicher behandelt werden.

.. Dass bei der sehr grossen Zahl von exotischen Käfern nur, ein verhältnissmässig kleiner Theil dargestellt werden kann, ist selbstverständlich, doch glaubt der Verf. „auf alle Fälle nicht nur dem Anfänger, sondern überhaupt, der Mehr- zahl der Liebhaber vollständig genug, darzubieten, sowohl in Bezug auf Reichhaltigkeit ‚der. berücksichtigten Arten, als auch hinsichtlich der Ausführlichkeit der Beschreibungen, Benennungen, Heimatangaben u. s., w.“

;. Hinsichtlich der Systematik ist der Katalog, von ı Gem- minger und Harold zu Grunde gelegt. Die Bestimmung ist durch Vergleich der ‚Originale für die Abbildungen mit den Exemplaren der Sammlung des Königlichen Museums für Naturkunde in Berlin gesichert und die Beschreibung der Tbiere daselbst angefertigt. ‚Die in ‚Buntdruck , bei-

gegebenen zwei Tafeln: Tafel 1: Cieindelidae I mit 58 Ar- ten, und Tafel 16; Dynastidae JH mit 7_ Figuren sind sehr ‚sauber ausgeführt, und besonders die Wiedergabe der Färbung und. Zeichnung ist von grosser .Naturtreue. _

Das ganze Werk soll etwa 20 Lieferungen umfassen, von denen alle 6 Wochen eine zum Preise von 4 Mark aus- gegeben -wird.. Die Anschaffung des Sammlern und,Freun- den exotischer Käfer zu. empfeblenden Werkes wird da- durch wesentlich erleichtert. gi D. von Schlechtendal.

Prantis Lehrbuch, der Botanik, herausgegeben uud, neu bearbeitet von. Ferdinand Pax. Mit 555 Fi,uren in Hols- wi Neunte vermehrte und verbesserte Auflage. Leipzig,

"erlag von Wilhelm, Engelmann. 1894. gr, 8°. X und 365 P- Er der Bearbeitung der neunten Auflage von Prantis

Lehrbuche der Botanik, die er nach dem Tode des ursprüng-

lichen Verfassers übernommen, hat Pax die Darstellung der

Anatomie wesentlich verändert, indem er weit mehr eine

ns ai eig Ab ee ee

Litteratur-Besprechungen. 137

vermittelnde Stellung zwischen der älteren Schule der Anatomie und der physiologischen Richtung einnimmt als Prantl; in der Physiologie wurden die Erscheinungen der Symbiose eingehender behandelt, die Wurzelknöllchen der Leguminosen, die Mycorrhiza u. a. besprochen, Verhältnisse, die in der achten Auflage noch nicht Erwähnung gefunden hatten; in der Systematik haben bedeutende Kürzungen stattgefunden, wo es sich um Aufzählung von Arten han- delte, so dass jetzt nur solche Arten erwähnt werden, welche Nutz- speciell Medieinalpflanzen sind oder hervor- ragendes. morphologisches Interesse gewähren; auf die ge- nauere Angabe der Vaterländer ward grösseres Gewicht gelegt; die Einleitung zu den Ängiospermen ward durch die Besprechung der Entwickelungsgeschichte der Anthere und des Embryosackes erweitert; die Zahl der Holzschnitte ist von 326 auf 355 vermehrt worden. Es genügt, die wesentlichsten Verbesserungen, die das Prantlsche Buch bei der Neubearbeitung durch Pax erfahren hat, anzugeben; ein Wort zur Empfehlung des trefflichen Werke hinzuzu- fügen, ist bei der allgemeinen und grossen Anerkennung, die es in wissenschaftlich botanischen Kreisen bereits ge- funden hat, überflüssig.

Es sei aber gestattet, einige Bemerkungen, namentlich über Terminologie, Nomenklatur und Systematik, zu machen, die vielleicht bei der folgenden Auflage Berlick- sichtigung finden.

In der Darstellung der Morphologie erscheint der Satz ‚exempla illustrant’ nicht ‚gentigend gewürdigt. Unseres Erachtens müssten die Verschiedenheiten des Blüten- baues u. s. w. durch Anführung reichlicher Beispiele mit vorzugsweiser Berücksichtigung der der deutschen Flora angehörigen Pflanzen erläutert werden. P. 212 fehlt unter den ‚Beispielen von nackten Blüten Fraxinus excelsior, welche allgemein bekannt und dadurch lehrreich ist, dass sie zeigt, dass die Nacktheit der Blüte bisweilen ahf ein- zelne Arten einer Gattung beschränkt ist. Die anstatt des einfachen und sachgemässen Ausdruckes ‚nackte Blüte, flos nudus’ angewandte Bezeichnung ‚achlamydeische Blüte’ er- scheint gesucht und unzweckmässig. P. 224 steht als Bei-

138 Litteratur-Besprechungen.

spiel von Blüten mit einem Staubblattkreise nur die Gattung Viola, während doch eine grosse Anzahl von ganzen Pflanzen- familien der deutschen Flora genannt werden könnte. Für die sogenannte Diplostemonie und Obdiplostemonie sind gar keine Beispiele genannt. Eine grössere Reichhaltigkeit an Beispielen wird den Wert des Buches erhöhen, indem dadurch einerseits der allgemeine Botanik Studirende leiehter eine konkrete Anschauung von den dargestellten Verhältnissen gewinnen kann, anderseits es dem Botaniker, der sich nur mit specieller Pflanzenkunde nach Anleitung der üblichen nicht auf wissenschaftlich morphologischer Grundlage bearbeiteten Floren befasst hat, erleichtert wird, seine Pflanzenkenntniss morphologisch zu vertiefen.

Die für ein aus einem Staubblattkreise bestehendes Androeceum angewandte Bezeichnung ‚haplostemones An- droeceum’ ist nicht glücklich gewählt, da sie dem Wort- sinne nach viel mehr auf die (die Regel bildenden) An- droeceen mit einfachen Staubblättern (im Gegensatze ZU den aus verzweigten Staubblättern bestehenden Androeceen von Rieinus, den Malvaceen, Hypericum u. a.) passt. Wie p. 244 die Blüte eines Theiles der Monokotylen pentacy- klisch und nicht ‚pentaplophyll’ genannt ist, so ist kon- sequenter Weise auch das Androeceum der ceyklischen Blüten als monocyklisch oder dieyklisch (anstatt haplostemon oder diplostemon) zu bezeichnen.

n der systematischen Nomenklatur dürfte es an der Zeit sein, die umständlichen Namen Monocotyledones und Dicotyledonos durch die längst von Garcke eingeführten Namen Monocotylae und Dicotylae zu ersetzen.

In der Klasse der Coniferae sind zwei Familien, Taxaceae und Araucariaceae, unterschieden, welch letzterer die ‚Abietineae’ als tribus untergeordnet sind. In dieser tribus ist vom historischen Gesichtspunkte wie dem Um- fange nach ohne Zweifel die Gattung Pinus als die Haupt- gattung zu betrachten; manche Botaniker fassen noch heute die ganze tribus, wie Linne, in einer Gattung Pinus ZU sammen, indem sie die nach Linne aufgestellten Gattungen (Abies, Picea, Larix ete.) als subgenera nehmen. Der tribus kommt demnach der Name Pineae zu, wodurch der

Litteratur-Besprechungen. 139

Name Abietineae mit der unvorschriftsmässigen Endung ‚ineae’ beseitigt wird. Aus denselben Gründen und ausser- dem der Kürze wegen dürfte der Familienname Arauca- riaceae durch Pinaceae zu ersetzen sein. Aendert man noch den Tribusnamen Cupressineae in Cupresseae ab, so ergiebt sich folgende nomenklatorische Gliederung der Coniferen:

l.f. Taxaceae. 1.g. Taxus; 2. g. Ginkgo; 3. g- Phyllocladus. 2.f. Pinaceae. 1.tr. Araucarieae. 1.8. Araucaria; 2.g. Agathis. 2. tr. Pineae. 3. g. Abies; 4. 8. Pseudotsuga; 5.g. Picea; 6. g. Tsuga; 7.g. Larix; 8. g. Cedrus; 9. g. Pinus. 3. tr. Taxodieae. 10.g. Taxodium; 11.g. Sequoia; 12. g. Sciadopitys. 4.tr. Cu- presseae. 13. g. Juniperus; 14. g. Thyia; 15. g. Cu- pressus; 16. g. Chamaecyparis; 17. g. Callitris.

Das System der Pflanzen enthält bei Prantl-Pax die vier (Haupt: JAbtheilungen der Myxomyceten, Thallophyten, Archegoniaten, Phanerogamen. Die dritte und vierte Ab- theilung sind wie folgt gegliedert:

3. Abtheilung: Archegoniaten.

1. Klasse: Bryophyta. 1. Unterklasse: Hepaticae. 2. Unterklasse: Musei. - 2. Klasse: Pteridophyta. 1. Unterklasse: Filieinae. 2. Unterklasse: Equisetinae. 3. Unterklasse: Lycopodinae. 4. Abtheiluug: Phanerogamen. 1. Klasse: Gymnospermae. 1. Unterklasse: Cycadaceae. 2. Unterklasse: Coniferae. 3. Unterklasse: Gnetaceae. 2. Klasse: Angiospermae. il. Unterklasse: Monocotyledones. 2. Unterklasse: Dieotyledones.

Zweckmässiger erscheint es, die Gymnospermen zu den teridophyten zu stellen und diese als besondere ‚Abthei- lung’ (phylum) von den übrigen Archegoniaten, den Bryo- phyten zu trennen. Die Gründe zur Vereinigung der Gymno-

140 Litteratur-Besprechungen.

voll entwickelt, wo jedoch noch hinzuzufügen: wäre, dass | bei’ Ceratozamia unter den’Cycadaceen und bei Salisburya ! unter den Coniferen der Embryo in den Samen’ sich’ erst N nach der Aussaat bildet, so dass auch im dieser Hinsicht ' eine auffallende Aehnlichkeit mit den’ Verhältnissen der Pteridophyten besteht.

Nach der Abtrennung der Gymnospermen bleiben von der alten’ Gruppe der Phanerogamen noch als letztes phylum die Angiospermen übrig, deren’ Namen man, um ihn denen der anderen Phylen gleichförmig zu machen, zweckmässig in den gleichbedeutenden Namen Carpophyta ändert.

Die Monokotylen' gehören als letzte Klasse an das Ende des Systems. Die Verhältnisse der Kotyledonen und der Wurzeln lassen nur die Reihenfolge Coniferae-Dico- tylae-Monocotylae naturgemäss erscheinen. Auch die grössere Coneinnität des Baues der Monokotylen gegenüber den Dikotylen rechtfertigt es, die Mönokotylen an die Spitze des Pflanzenreiches zu stellen.

Hiernach ergiebt sich die folgende Gliederung des Systems:

1. ph. Myxophyta. 2. ph. Thallophyta. 3. ph. Bryophyta. 1. el. Hepaticae. 2: el. Musci. 4. ph. Pteridöphyta cl. Goniopterides (Equisetinae). el. Bryopterides (Lycopodinae). el. Phyliopterides (Filieinae). el. Cyeadaceae. el. Coniferae. . el. Gnetaceae. 5. ph. Carpophyta. 1. el. Dicotylae. 2. el. Monocotylae. Die beiden Ordnungen (‚Reihengruppen’) der Dikotylen sind im Prantl-Pax’schen Buche Archichlamydeae und Sym- petaläe genannt. Däss in der ersten Ordnung auch Pflanzen

spermen mit den Pteridophyten sind im Buche selbst licht-

PmPpumwn

Litteratur-Besprechungen. 141

mit nackten oder apetalen Blüten ‚vorkommen, ‚ist ‚gewiss kein:hinreichender Grund, den ‚guten .und bezeichnenden Namen Choripetalae zu Gunsten des nichtssagenden-Namens Archichlamydeae zu verwerfen und dadurch die, Gleich- förmigkeit und Gegensätzlichkeit in der ‚Benennung , ‚der ‚beiden, Ordnungen ‚zu zerstören. Denn abgesehen davon, dass, in, manchen Fällen, z. B. bei Fraxinus excelsior, durch die. Vergleichung verwandter Arten, die Betrachtungsweise gerechtfertigt wird, die Kronblätter seien vorhanden, haben aber „die. Grösse Null, kann ‚man sich ‚bei ‚dem. Satze ‚a potiori fuit denominatio’ beruhigen. Dies gilt auch hinsichtlich der p. 271 erwähnten Formen mit. verwachsener Krone, die bei,,dem grossen, Interesse, dass sie.als Ausnahmen von einer sehr beständigen Regel darbieten, ‚namentlich. aufgeführt ‚werden, sollten. ;Wollte man an die systematische Nomenklatur die Anforderung stellen , ‚dass jeder Name auf jede einzelne der durch ihn bezeichneten Formen passe, so würden wenige nomina significantia_ von umfassenderen systematischen. Einheiten bestehen können. „So würde der Name Dicotylae ‚hinfällig durch Persoonia und Psittacanthus, welche mehr als zwei (die bestimmte Zahl ist p. 233 nicht angegeben), Keim- blätter besitzen; Labiatae durch Lycopus, Thymus u. a., Coniferae durch Taxus u. s. w. ; Quedlinburg. Dr. Erwin Schulze.

'Mdlimpert: Lehrbuch der Bewegung ‚flüssiger Körper (- erh. I Kleyer. Stuttgart,. Julius Maier. 1893. 228

Der ee muss einen merkwürdigen Begriff von einem Lehrbuch haben, wenn er glaubt, durch: theilweise recht naiv unverständliche Fragestellung und oft recht un- verständliche Antworten einen Jünger der Wissenschaft in die schwierige Disciplin der Hydrodynamik einzuführen.

Nach Ansicht des Referenten scheint diese Methode für

ein Lehrbuch völlig verfehlt. Für: den Praktiker mag

hin und wieder Brauchbares sich vorfinden, vermuthlich findet er dasselbe aber besser in klarer geschriebenen

Werken. Schmidt.

142 Litteratur-Besprechungen.

F. Wiedemann: Die Lehre von der Elektrizität. 2. Bd. mit 163 Holzstichen und 1 Tafel. 2. Auflage. Braun- schweig, Vieweg & Sohn. 1894.

Wir nahmen schon im 66, Band p. 118 dieser Zeit- schrift Gelegenheit, auf die Bedeutung und Vorzüge dieses Werkes hinzuweisen. Es liegt jetzt der 2.Band desselben fertig vor uns. Nachdem die im 1. Bande nicht mehr zum Ab- schluss gekommene Darstellung der elektrischen Vorzüge in Nichtleitern zu Ende geführt ist, werden die Beziehungen zwischen Elektrizität und Wärme in 3 ausführlichen Kapiteln behandelt. Der zweite und umfangreichere Theil des Bandes beschäftigt sich dann mit dem besonders in dem letzten Jahrzehnt so enorm entwickelten Gebiete der Elektrochemie. Diese namentlich unter dem Einflusse van t’Hoffs, Ar- rhenius, Ostwalds und Nernsts ausgebaute Diseiplin hat sich zu einer selbständigen Wissenschaft erhoben. Die zahllosen Arbeiten auf diesem Gebiete füllen nicht nur 13 stattliche Bände der Zeitschrift für physikalische Chemie vollständig aus, sondern nehmen auch in anderen Zeit- schriften (z. B. Wiedemann, Annalen für Chemie und Physik) einen nicht unwesentlichen Raum ein. Es war daher hier eine gewaltige, rein litterarisch sichtende und ordnende Arbeit nothwendig. Es ist dem Verfasser ge- lungen, unter Berücksichtigung der bis in die letzte Zeit erschienenen Arbeiten ein übersichtliches Bild von dem Stande der Diseiplin zu geben. Die vielfach von F. Kohl- rausch zur Verfügung gestellten Originalmittheilungen über seine fundamentalen Untersuchungen auf diesem Gebiete verleihen einzelnen Abschnitten einen besonderen Werth.

Der letztgenannte Abschuitt des Werkes drängt zu einem Vergleiche mit der Darstellung, welche Ostwald in seinem Lehrbuche der allgemeinen Chemie über den gleichen Gegenstand giebt. Hier finden wir die Sprache eines mit voller Energie für neue Anschauungen eintretenden Mannes, der selbst thätig mit Hand an den Ausbau dieser Ideen gelegt hat; die lebendige Darstellung reisst den Leser mit, und die Schwierigkeiten, die sich den neuen Theorien ent- gegenstellen, kommen ihm oft nicht recht zum Bewusstsein. Ganz anders Wiedemann. Er giebt uns eine ruhige Dar-

Litteratur-Besprech ungen. 143

stellung der Thatsachen; ohne sich der neuen Theorie zu verschliessen und ihre Vorzüge und Leistungsfähigkeit zu verkennen, weist er darauf hin, dass manche Beobachtungen auch noch in anderer Weise erklärt werden können. Er erkennt die grosse Fruchtbarkeit der neuen Ideen an, ohne sich zum unbedingten Anhänger der noch vielfach um-

strittenen Richtung zu erklären. Schmidt.

Lenz: Nützliche, schädliche und verdächtige Pilze. 7. Aufl. bearbeitet von Dr. O. Wünsche. Verlag von E. F. Thiene- mann. Gotha.

Der Verleger hat das in 7. Auflage erscheinende Werk

im Preise auf 2,80 Mk. für geheftete und 3,50 Mk. für

in Leinwand gebundene Exemplare herabgesetzt.

Durch die Preisherabsetzung tritt dieses älteste und voll-

ständigste immer noch beste aller Pilzbücher wieder erfolg-

reich in die Concurrenz mit den vielerlei in den letzten

Jahren erschienenen billigen, kleineren Pilzbüchern ein.

Wir werden in nächster Zeit eine ausführliche Besprechung

bringen, können aber heute schon „Lenz, Pilze“ auf Grund

unserer Kenntniss der frtiheren Auflagen allen Natur- freunden warm empfehlen.

Karsch, Dr. A.: Vademecum botanieum. Handbuch zum Bestimmen der in Deutschland wild wachsenden, sowie im Feld und Garten, im Park, Zimmer und Gewächshaus kultivirten Pflanzen. Mit 2437 Einzel-Ilustrationen. Leipzig 15894. Verlag von Otto Lenz. Preis 26 Mark.

Der Zweck des vorliegenden Vademecum botanicum soll der sein, auch dem Nichtfachmann es zu ermöglichen, nicht allein die in Deutschland wild wachsenden Pflanzen sicher zu bestimmen, sondern auch solche, welche in Feld und Garten, im Park, Zimmer und Gewächshaus kultivirt werden. Es werden zunächst die Phanerogamen behandelt und von den Gefässkryptogamen auch die Farne und andere Gruppen berücksichtigt. Eine Erklärung der Kunstaus- drücke, Abkürzungen der Autornamen und ein ausführ- liches Inhaltsverzeichniss bilden den Schluss des 72 Druck-

144 Litteratur-Besprechungen.

bogen umfassenden Werkes. Die Bestimmung der Familien geschieht in einem Schlüssel nach dem Linne’schen System, welches dem speciellen Theil voransteht. Im speciellen Theil folgen der kurzen Charakterisirung der Familien zu- nächst Schlüssel zum Auffinden der ‚Gattung, und darauf werden die einzelnen Gattungen mit ihren Arten vorgeführt. Einfache, theils zwar nicht besonders gelungene, Ab- bildungen sind zahlreich beigegeben und unterstützen wesentlich das Auffinden der zu bestimmenden Pflanzen. Auch sonst ist die Ausstattung des Buches eine gute zu nennen. Der Verfasser, dem es nicht vergönnt war, sein Werk im Druck vollendet zu sehen, da er bereits im Jähre 1892 verstarb, ist besonders durch seine Flora von West- falen zur Genüge als Florist bekannt. Es ist zu wünschen, dass wie die letztere, so auch das vorliegende, umfang- reiche Werk eine gute Aufnahme finde und dass das Ziel des Verfassers, ein brauchbares Buch für die Praxis zu liefern, ohne die wissenschaftliche Seite ausser Acht zu lassen, erreicht sei. Selten möchte dieses 9755 Arten ent- haltende Vademecum für den ihm gezogenen Kreis die Auskunft versagen. Dr. W. Krüger.

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Woakker, Dr. .J. H.: Onze zaadplanten van het jaar 1893. Aus „Archief voor de Java- Sniherindustrie 1893. Af. 13°, 13 pag.

Nachdem in Kürze die an die Zucht des Zuckerrohres ‚aus Saat vielfach in unberechtigter Weise gekntpften Hoff-

nungen zurückgewiesen und die wirklichen Aussichten der- selben gewürdigt worden sind, geht Verf. auf den Bau der Blüte, insbesondere auf den der Blüte der auf Java in aus- ‚gedehntem Maasse gebauten Varietät, des sog. Cheribonrohres ‚über. Er weist auf die seltene Fruchtbildung dieser Variefät hin, die in der Unvollkommenheit der Zellen ihren Grund "hat. Kreuzungsversuche dieser Varietät durch Bestäuben der Narben mit Pollen solcher Varietäten, bei denen letzterer vollständig ausgebildet wird, waren obgleich nicht 8402 einwandsfrei von Erfolg gekrönt. Den Schluss der Arbeit bildet eine Liste von 669 aus Saat erhaltenen

Litteratur-Besprechungen, 145

Pflanzen von etwa 30 Rohrvarietäten, incl. 3 Kreuzungen von Cheribonrohr mit tebu itam Banjermassing, tebu Padang und tebu kassor. Als bemerkenswerth sei noch hervorge- hoben, dass die erhaltenen Saatpflanzen selbst von ein und derselben Mutterpflanze ein sehr verschiedenes Aussehen zeigen, dass jedoch fast allen eine starke Bestockung eigen ist. Die Bestockung stieg z. B. bei einer Saatpflanze von tebu lumar Borneo auf 56 Sprossen (sie wechselte von 14 bis 56); die Blattbreite variirte zwischen 0,4—6 em; die Höhe von 0,45—1,50 m. Dr. W. Krüger.

Koch, Dr. Alfred: Jahresbericht über die Fortschritte in der Lehre von den Gührungs- Organismen. Dritter Jahrgang 1892. Braunschweig. Harald Bruhn 1893. Preis 6,80 Mk. 18 Bogen.

In 6 Abschnitten (Lehrbücher, zusammenfassende Dar- stellungen etc. Arbeitsverfahren, Apparate ete. Morpho- logie der Bakterien und Hefen Allgemeine Physiologie der Bakterien und Hefen Gährungen im Besonderen Fermente) werden 394 Arbeiten dieses Gebietes aufgeführt und die wichtigsten Ergebnisse derselben kurz und klar wiedergegeben, so dass es sehr leicht ist, an der Hand dieses vorzüglichen Führers sich in Kürze über die vor- liegenden neueren Untersuchungen zu orientiren. Diese zusammenstellende Arbeit wird daher für Manchen von Nutzen sein und deshalb von Vielen wie ihre Vorgänger willkommen geheissen werden. Dr. W. Krüger.

Sprockhoff, A.: Praktische Naturkunde für mehrklassige Knaben- und Müdchenschulen. Hannover, Karl Meyer, 1893. Preis 4 Mk.

Das für einfache Sehulverhältnisse berechnete Buch besteht aus sechs einzelnen, reich illustrirten Heften, welche das wichtigste aus den Gebieten der Chemie, Anthropologie, Zoologie, Botanik, Mineralogie und Physik enthalten. Die Hefte sind Auszüge aus des Verfassers naturwissenschaft- lichen Lehrbüchern, welche zu den verbreitetsten und best- empfohlenen der Jetztzeit gehören. Da bei der Auswahl

Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. 67. 189. 10

146 Litteratur-Besprechungen.

des Stoffes die Bedürfnisse des täglichen Lebens mass- gebend sein mussten, so sind die das Wohl und Wehe des Menschen in erster Linie bedingenden Naturobjekte, sowie die bekanntesten und wichtigsten Erscheinungen und Vor- gänge im Haushalte der Natur und des Menschen in den Vordergrund gerückt. Die gesammte Darstellungsweise lässt den erfahrenen Schulmann erkennen. Bezüglich der Hefte über Zoologie und Botanik sei jedoch bemerkt, dass eine stärkere Betonung des biologischen vor dem morpho- logischen Momente mehr dem Standpunkte der heutigen Methodik und Naturforschung entsprechen würde. Sehmeil.

Wilhelm Haacke, Dr.: Gestaltung und Vererbung. Eine Entwickelungsmechanik der Organismen. Mit 26 Ab- bildungen im Text. Leipzig. T. O. Weigel Nachfolger (Chr. Herm. Tauchnitz). 1893. Ladenpreis: Geh. 8 Mk, gebd. 9,20 Mk. =

Haacke wendet sich in dem vorliegenden grossen Opus in schärfster Weise gegen Weismann’s Theorie von der Präformation der Organismen in den Keimzellen. Es würde zu weit führen, wollten wir an dieser Stelle auf die ganze Fülle des Gebotenen auch nur mit wenigen Worten eingehen, es kann sich nur darum handeln, die Kernpunkte kurz zu besprechen; im übrigen muss es dem interessirten

Leser überlassen bleiben, sich gründlich in das Werk zu

vertiefen.

Haacke steht insofern auf einem durchaus anderen

Boden wie Weismann, als er in dem Plasma und nicht in

der Kernsubstanz den Träger der Vererbung sieht.

Eigentlich ist dieser gegnerische Standpunkt Haacke’s erst

secundär, da er auf ihn gedrängt wird durch die Annahme

der Vererbung erworbener Eigenschaften. Für diese Annahme bedarf es seiner Ansicht nach keines experl- mentellen Beweises mehr, da die Natur das Experimen gewissermaassen schon ausgeführt hat und uns das Ergebniss desselben in der gesammten Organismenwelt mit ihren im Laufe der Zeit erworbenen Eigenschaften vor Augen stellt.

Wir wollen nicht auf die Schwächen einer solchen Bewes

Litteratur-Besprechungen. 147

führung eingehen, sondern Haacke in seinem weiteren Ge- dankengange folgen. Wenn man die Möglichkeit, ja die Nothwendigkeit der Vererbung von localen Abänderungen an irgend welchen Körperstellen zugiebt, so müssen diese Abänderungen auf die Keimzellen übertragen werden; an eine Wanderung von kleinsten Theilchen aus allen Körper- theilen nach den Keimzellen ist nicht zu denken, also bleibt nur die Annahme einer dynamischen Uebertragung dieser Abänderungen übrig. Wäre nun der Kern der Vererbungs- träger, so könnte eine solche Uebertragung nicht statthaben (warum nicht? steht doch Plasma und Kern in engsten Wechselbeziehungen!), da sich die Kerne nicht berühren. In innigem Contaet stehen nur die Zellleiber, also müssen diese in erster Linie die Träger der Vererbung sein; „der formgebende Stoff des Thierkörpers ist im Plasma des Zellleibes, vor allem in dessen organischem Mittel- punkte, dem Centrosoma, zu suchen.“ Abgesehen davon, dass bisher noch kein Grund vorhanden ist, das Centro- soma dem Plasma zuzurechnen (es spricht vielmehr sein Verhalten gegen Farbstoffe und seine ursprüngliche Lage für die Kernnatur), scheint mir das wenige, was wir über das Verhalten des Centrosoma bei der Theilung wissen, durchaus nicht in Parallele gestellt werden zu können mit den minutiösen Vorgängen, die sich an der chromatischen Substanz des Kerns bei der Theilung in grösster Regel- mässigkeit abspielen. Wenn wir bei jeder Zellvermehrung die Theilung des Chromatinbandes in Chromosomen, die Anordnung derselben zu einer Sternfigur und vor allem die Längstheilung dieser Elemente auftreten sehen, so muss sich uns die Ueberzeugung aufdrängen, dass der chroma- tische Theil des Kerns bei den verwickelten und dunkeln Vorgängen der Vererbung eine wichtige Rolle spielt.

Wenn andere Untersuchnngen in dem Kern ein Organ des Stoffwechsels nachgewiesen haben, so kann der Sitz dieser Thätigkeit auch in einem anderen Bestandtheile des Kerns gesucht werden (man denke an die beiden Kerne der Protozoen).. Haacke sieht in dem Centrosom haupt- sächlich deshalb den Vererbungsträger, weil es seiner An- sicht nach der organische Mittelpunkt der Zelle ist. Ich

10*

148 Litteratur-Besprechungen,

sehe aber nicht ein, warum gerade die Vererbungssubstanz in dem organischen Mittelpunkt ihren Sitz haben muss, kann mir vielmehr sehr wohl denken, dass hier etwas anderes verborgen ist, vielleicht das, was das Plasma von den Bütschli’schen Schäumen unterscheidet; das wich- tigste für die Zelle ist ja doch das Leben an und für sich, betrachten wir doch also dieses Centrum (wenn durchaus betrachtet sein muss) als den Angriffspunkt der mystischen Lebenskraft, von dem aus die Strahlenbündel als Kraft- linien das gesammte Plasma beherrschen und die einzelnen Theile des Kerns gesetzmässig ordnen.

In engstem Zusammenhang mit dieser Annahme, dass das gesammte Plasma die Vererbung vermittelt, steht nun auch die sogenannte Gemmarienlehre des Autors, die er im Verlauf des Werkes in äusserst consequenter Weise zur Erklärung der Entstehung der Grundformen, der Ent- stehung der Faunen, der geschlecbtlichen und ungeschleebt- lichen Fortpflanzung ete. heranzieht. Wie Weismann seinen Iden als den Trägern der Vererbung einen be- stimmten Bau zuschreibt, so auch Haacke dem Plasma. Während aber der erstere als Evolutionist eine polymikte Struetur voraussetzen muss, nimmt unser Autor als Epi- genetiker ein monotones Plasma an, d. h. die Plasmaelemente sind einander völlig gleich. Es ist nicht zu leugnen, dass auf diese Weise die ganzen Vererbungserscheinungen leicht versinnbildlicht werden können, aber auch nur als eine Versinnbildlichung möchte ich die Ausführungen Haack e's auffassen.

Das Plasmagefüge Haacke’s, von dessen höherer oder geringerer Festigkeit das Wohl und Wehe der Orga nismen abhängt, besteht aus sogenannten Gemmarien, die bei den einzelnen Arten natürlich verschiedenen Bau besitzen. Die Einheit der organischen Welt findet ihren Ausdruck erst in kleinsten Bausteinen, sogen. Gemmen, für die Haacke eine rhombische Säulenform annimmt. Diese Gemmen können sich nun je nach den Berührungsflächen zu geraden oder zu schiefen Gemmensäulen zusammen- setzen, und diese letzteren lassen sich wiederum auf das

mannigfaltigste mit einander zu Gemmarien verbinden, de.

Litteratur-Besprechungen. 149

um das Centrosom in besonderer Weise angeordnet sind. Alle Theile des Plasmas stehen mit einander in inniger Correlation: wird durch irgend welche Einflüsse das Plasma- gefüge an einer Stelle geändert, so erstreckt sich die da- durch bedingte Umlagerung der Gemmen auf den ganzen Organismus: die Gemmarien suchen das gestörte Gleich- gewicht sofort wiederherzustellen. Dies mag zur Charakteri- sirung der neuen Theorie gentigen. Es ist eine eigenthüm- liche Sache mit solchen metaphysischen Speeulationen: Weismann hatte doch wenigstens beim Aufbau seiner Theorie die Längsspaltung der Chromosomen als Anhalts- punkt, Haacke’s Vermuthung steht völlig in der Luft. Einen Punkt möchte ich noch besonders erwähnen: wie soll man sich die Monotonie des Plasmas denken können, wenn man schon mit dem Mikroskop einen vom Plasma abweichend gebauten und abweichend reagirenden Bestand- theil dieses aus lauter gleichen Grundelementen bestehen- den Plasmas nachzuweisen im Stande ist! Solche Bestand- theile sind die Centrosomen und auch die sogen. Granula.

Der schwächste Punkt der Haacke’schen Anschauungen liegt aber unstreitigin der durch keine neuen Beobachtungen gestützten Annahme, dass das Centrosoma ein Plasmatheil, und dass das Plasma der Vererbungsträger ist. Wäre Weis- mann auf eine ähnliche Theorie gekommen, so würde er sich sicherlich erst bemüht haben, durch sorgfältige und mannigfaltige mikroskopische Untersuchungen irgend welche Gründe für seine Ansichten zu finden. Und auch dann verlässt ihn eine gewisse Bescheidenheit nie. „So möge denn,“ schliesst er die Vorrede zu dem Werke, das Keim- plasma, „diese Frucht langer Arbeit und vielen Zweifels sich ans Licht wagen. Sollten auch nur wenige meiner theoretischen Aufstellungen unveränderten Bestand behalten gegenüber den Ergebnissen zukünftiger Forschung, so würde ich doch nicht glauben, vergeblich gearbeitet zu haben; denn auch der Irrthum, wofern er nur auf richtigen Schlüssen beruht, muss zur Wahrheit führen.“ Haacke da- Segen hat in seinem ganzen Werke „in unwiderleglicher Weise dargethan“, „in bündiger Weise nachgewiesen“ etc. und an die eben eitirte Vorwortstelle knüpft er auf Seite 111

150 Litteratur-Besprechungen.

die Bemerkung „Wie wir gesehen haben, wird Weismann früher, als er es vielleicht zu hoffen gewagt hat, die Genug- thuung zu Theil, dass er nicht umsonst gearbeitet hat und dass sein Irrthum zur Wahrheit geführt hat.“ Findet man überhaupt die Wahrheit? Ich dächte, des Menschen Auf- gabe wäre es nur, sie ewig zu suchen.

Zum Schlusse möchte ich noch auf störende stilistische Unarten hinweisen, es ist hauptsächlich der Gebrauch eines negirten Wortes wie „unschwer“ statt „leicht“; dieses Wort versteht natürlich Autor und Leser, abe ein gleich folgen- des „nicht weniger schwer“ hat der Autor nicht verstanden, er meint nämlich „nieht weniger unschwer“, d. h. ins Deutsche übersetzt „ebenso leicht“ (vergl. Seite 120). Auf derselben Seite findet sich im letzten Absatz folgende Satz-

eonstruction rn en unge aber ...., wenn sich dem-

nach ...., somuss ... .“— Der arme Ausländer, der sich

bemühen will, die Weisheit dieses Satzes zu ergründen! G. Brandes.

Conrad Keller, Prof. Dr.: Das Leben des Meeres. Mit botanischen Beiträgen von Prof. Carl Oramer und Prof. Hans Schinz. Leipzig T. O. Weigel Nachf. (Chr. Herm. Tauchnitz) 1894.

Das neue populäre naturwissenschaftliche Prachtwerk

aus dem rührigen Weigel’schen Verlage soll in etwa 15

Lieferungen & 1 Mk. im Laufe dieses Jahres erscheinen.

Die uns bis jetzt vorliegenden vier ersten Lieferungen halten

vollkommen, was in dem Prospeete versprochen wird: in

anziehender und in allgemein verständlicher, aber durchaus wissenschaftlicher Sprache schildert Keller das Leben des

Meeres. Im ersten Theil behandelt Keller nach einer Ein-

leitung über die historische Entwiekelung der Erforschung

des Meerlebens und nach einer Schilderung des Wohn- elementes die allgemeinen Lebenserscheinungen der marinen

Tbierwelt; bis jetzt sind folgende Kapitel erschienen: frei-

lebende und festsitzende Thiere, Arbeitstheilung und

Polymorphismus, Genossenschaftsleben oder Symbiose,

Schmarotzerleben oder Parasitismus, die Farben der

Meeresthiere, Meeresleuchten, Wanderungen der Meere%

Litteratur-Besprechungen. 151

bewohner, der Suezkanal als Wanderstrasse und die Strandfauna. Wie man sieht, ausserordentlich interessante Themata, die alle gewandt behandelt und von guten Holz- schnitten und prächtigen Farbentafeln begleitet sind. Wir wollen nach Fertigstellung des Werkes, das jedem Gebildeten warm empfohlen werden kann, auf den reichen Inhalt näher eingehen. G. Brandes.

Jahrbuch der Naturwissenschaften 1593— 1394. IX. Jahrgang. Unter der Mitwirkung von Fachmännern herausgegeben von Dr. Max Wildermann. Mit 24 in den Text gedruckten Abbildungen und 2 Kärtchen. Freiburg i. Br. 1894. Herdersche Verlagshandinng. gr. 8°. (XII u. 536 S.) 6 Mk.; in eleg. Original-Einband: Leinwand mit Deckenpressuny 7 Mk.

Bei der Besprechung dieses Werkes brauchen wir nur auf die Empfehlungen hinzuweisen, die frühere Jahrgänge dieser Jahrbücher in unserer Zeitschrift erfahren haben. Es enthält wirklich alles, was der naturwissenschaftlich Gebildete aus dem Gesammtgebiet wissen muss, und das meiste von dem Gebotenen wird auch jedem Gebildeten verständlich und interessant sein. Möchte sich Wilder- mann’s Werk immer mehr Boden in der Familienbibliothek des deutschen Volkes verschaffen! G. Brandes.

Henri Gadeau de Kerrille: Die leuchtenden Thiere und Pflanzen. Aus dem Französischen übersetzt von W. Marshall. Mi 27 in den Text gedruckten Abbildungen und einem Titelbild. (VI u. 242 Seiten) In Original- Leinenband 3 Mk. Leipzig, Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber, 1893.

Der 7. Band der bekannten Weber’schen naturwissen- schaftlichen Bibliothek liegt uns in obigem Werkchen vor. Wer Marshall’s gewandte Feder und reichen Wissensschatz kennt, weiss, dass die Uebersetzung hinter dem Original auch nicht im geringsten zurückbleibt. Das Werk selber ist jedem Gebildeten als eine Fundquelle interessantester Thatsachen aus dem Gebiete der Biologie warm zu empfehlen,

152 Litteratur-Besprechungen.

auch ist es für jeden Naturwissenschaftler, speciell den Biologen, ein unentbehrliches Nachschlagebuch, da in ihm alle Einzeldaten über das wunderbare Phänomen des Leuch- tens organischer Substanzen auf das gewissenhafteste zu- sammengetragen und ebenso übersichtlich als erschöpfend verarbeitet sind. Unter den Pflanzen sind es hauptsächlich Pilze und Algen, die normaler Weise Leuchtkraft besitzen, während an Moosen, einigen Monocotylen und Dicotylen nur gelegentlich Lichterscheinungen (vielleicht elektrischer Natur, Ref.) wahrgenommen sind, bei den Thieren dagegen finden wir fast in allen Klassen leuchtende Arten, nur bei den Amphibien, Reptilien, Vögeln und Säugethieren ist eine selbständige Production von Licht bisher nicht bekannt geworden.

Kerville beschränkt sich aber nicht darauf, eine Uebersicht über die leuchtenden Pflanzen- und Thierformen zu geben, sondern behandelt in einem Kapitel auf das aus- führlichste die Anatomie und Physiologie der leuchtenden Organe, wobei auch das Wesen des Leuchtens und die Eigenschaften des entwickelten Lichtes eine Besprechung erfahren. Wenn ich in dem spannend geschriebenen Büch- lein etwas vermisst habe, so sind es einige Abbildungen über den Bau der eigentlichen Leuchtorgane bei Fischen, die demjenigen, der die schwer zugänglichen Original- abhandlungen nicht kennt, ausserordentlich erwünscht sein würden. G. Brandes.

Te

Berichte der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. B., VIII. Bd. Zoologische Abhand- lungen, August Weismann zu zeinem 60. Geburtstage, 17. Januar 1894, gewidmet von C. Apstein, H. Blanc, 0. Bürger, F. Dahl, A. Fritze, A. Gruber, V. Hücker, H. Henking, O. Jschikawa, E. Koneiöcht, O. vom Rath, H.E. Ziegler und von der Weinehärsihuiien Gesellschaft zu Frei- burg i.B. Mit 6 Tafeln u. 14 Abbildungen im Text. (Im Abonnement 12 Mk.) Freiburg i. B. und Leipzig 1594. Akad. Verlagsbuchh. von J. C. B. Mohr (Paul Siebeck).

Der vorliegende Band enthält diesmal nur zoologisch®

Litteratur-Besprechungen 153

Abhandlungen, weil er als Festschrift zu Weismanns 60. Ge- burtstage erschien.

E.Korschelt (Ueber eine besondere Form der Ei- bildung und die Geschlechtsverhältnisse von Ophryotrocha puerilis) hat einen kleinen marinen Anneliden studirt und bei ihm eine eigenthümliche Eibildung gefunden. Die Ovarialzellen sind dimorph, die einen werden Ei-, die an- deren Nährzellen. Je eine Ei- und eine Nährzelle lösen sich gemeinsam los und treiben frei in der Leibeshöhle, wobei die Nährzelle allmählich resorbirt wird. Bei dieser Art kommen neben Männchen und Weibchen auch Zwitter vor, die entweder in dem einen Theil der Glieder männ- liche, in dem anderen weibliche Geschlechtsdrüsen besitzen oder auch wirkliche Zwitterdrüsen haben. Dahl (Die Copepodenfauna des unteren Amazonas) theilt die Resultate seiner planktologischen Untersuchungen mit und beschreibt ausser mehreren neuen Arten eine neue Gattung Weismannella. Gruber (Amoeben-Studien) veröffentlicht Beobachtungen, die darauf hinweisen, dass auch bei nackten Amoeben eine indirekte Kerntheilung vorkommt.

Häcker (Die Entwickelung der Wintereier der Daph- niden) weist nach, dass bei den Wintereiern der Daphniden die Oberflächengestaltung und die Entstehung der Dotter- kerne in verhältnissmässig frühere Entwickelungsstadien fällt als bei den Sommereiern. Ischikawa (Ueber die Kerntheilung bei Noctilula miliaris) beschreibt eine für Flagellaten schon mehrfach nachgewiesene typische Mitose. Apstein (Vergleich der Planktonproduction in verschie- denen holsteinischen Seen) kommt zu dem Resultate, dass das Plankton benachbarter oder gar mit einander ver- bundener Seen in mehrfacher Hinsicht Unterschiede auf- weist. Nach Henking (Beiträge zur Kenntniss von Hydrobia ulvae und deren Brutpflege) legt das Weibchen von Hydrobia ulvae die Eier in kleinen Häufchen auf die Schalen seiner Artgenossen ab. Bürger (Studien zu einer Revision der Entwickelungsgeschichte der Nemertinen) bringt Berichtigungen und neue Beobachtungen über die Entwickelungsgeschichte der Nemertinen. Eine inter- essante Beobachtung von allgemeinem Interesse theilt O.

154 Litteratur-Besprechungen.

vom Rath (Ueber abnorme Zustände im Bienenstock) mit. In einem weisellosen Stocke fütterten die Arbeiter einige Drohnen wie Königinnen. Diese zeichneten sich dann als fertige Thiere durch ihre Grösse aus, ferner zeigten die Geschlechtsorgane eine auffallende Hemmungsbildung: Ko- pulationsapparat und Samenblasen fehlten, von den Aus- fübrungswegen waren nur Spuren vorhanden, und die Samen- entwickelung war zurückgeblieben. Fritze’s Beobach- tungen über Saison-Dimorphismus bei japanischen Schmetter- lingen haben wir schon im vorigen Hefte bei Gelegenheit unseres Aufsatzes über Saisondimorphismus erwähnt. Blane (Etude sur la f&condation de l’oeuf de la Truite) behandelt die Polyspermie und die minutiösesten Vorgänge bei der Befruchtung des Forelleneies. Ziegler (über das Verhalten der Kerne im Dotter der meroblastischen Eier) kommt es darauf an, nachzuweisen, dass gewisse Kerne, die sich amitotisch theilen, in keiner Weise bei dem Aufbau des embryonalen Körpers betheiligt sind, sondern nur der Assimilation des Dotters dienen. G. Brandes.

Neu erschienene Werke.

Allgemeines, Mathematik und Astronomie,

de Freudenreich, Ed. Les Microbes et leur röle dans la laiterie. Paris 1894. 8°, VI, 120 pp. Avee 2 fig.

Turpin, E. Les Causes des phenomenes. Paris, 1893. 180. 343 pp. Avee nombr. fig.

Ziegler, H. E. Die Naturwissenschaft und die socialdemokratische Theorie, ihr Verhältniss dargelegt auf Grund der Werke von Darwin und Bebel. Zugleich ein Beitrag zur wissenschaftlichen Kritik der Theorien der derzeitigen Socialdemokratie. Stuttgart, 1894. F. Enke. 8, 252

Darville, L. Le Roman de la science. Hommes et singes, Paris, 1894, 180 315 pp. Avec nombr. fig.

Mewes, Rdf. Kraft und Masse, Bildner des Kosmos. (Identität der Naturkräfte,) I. und II. Theil. Berlin, 1894. A. Friedländer.

4 PP.

Cajori,F. A History of Mathematics. London, 1894. 80%. 420 pp.

Dang, H. T. Differential- och integralkalkylens användning. Senare delen. Upsala, 1894, 8. 17 pP.

Daanin, N. F, Elements of synthetie solid Geometry, London, 189.

. pp.

Groten = rst, N. C. Beginselen der differentiaal- en integraal- rekening. Breda, 1894. 8. 6, 425 pp.

Sehotten,H, Inhalt und Methode des planimetrischen Unterrichts. Eine vergleichende Planimetrie, II. Bd. Leipzig, 1894. B. G. Teubner. 8. IV, 410 pp.

Heffter, L. Einleitung in die Theorie der linearen Differential- gleichungen mit einigen unabhängigen Variabeln. Leipzig, 1894, B. 6. Teubner. 8. XIV, 258 pp. Mit 3 Fig.

Hime, H. w. L. The Outlines of Quaternions. London 189. 8.

Klein, F. Leetures on Mathematics, delivered from August 23 to Septbr. 9, 1894. London, 1894. 8. :

Peano,G. Notations de logique math6matique. Introduetion au formulaire de mathömatique. Torino, 1894. 8. 52

156 Neu erschienene Werke.

van Wettum, Th. B. RBesearches on Matrices and Quaternions. Leiden, 1894. 40%, 4, 27 pp.

Vogler, Ch. A. Lehrbuch der praktischen Geometrie. II. Thl. Höhenmessungen. I, Halbbd. Anleitung zum Nivellieren oder Ein- wägen. Braunschweig, 1894. F. Vieweg & Sohn. 8%. VIII, 422 pp. Mit 1 Tab., 90 Holzst., 4 Zinkätzgn. u. 5 Taf.

Williamson. Introdustion to the Feiern Theory of the Stress and Strain of elastie Solids. London, 1894. 80,

Lockyer, J. N. The Dawn of Astronom London, 1894, 8

430 pp.

Martin, P. Untersuchung über die wahrscheinlichste Bahn des Cometen 1825. I, und über seine Identität mit dem Me, 179. AHBEGGOR 1894, Vandenhoek & Ruprecht. 40. 8

Mayer’s, Tob. Sternverzeichniss, Nach den Baobiitehden auf der Göttinger Sternwarte in den Jahren 1756—60. Neu bearbeitet

n Arth. Auwers. Leipzig, 1893. W, Engelmann. 40.. VII, 208 pp-

Gyld&n, Hg. Trait& analytique des orbites absolues des huit planetes prineipales. Tome I. Thöorie generale des orbites absolues. Stockholm, 1894. (Berlin, Mayer & Müller) 40. VIII, 577 pp.

Pratt, H. Prineipia nova astronomieca. London, 1894, 40,

Physik und Chemie.

Flawitzky,F. Allgemeine oder organische Chemie. Kasan, 18%. 80. 304 pp. (Russisch.)

Lilienthal, Thdr. Ein Beitrag zur Kenntniss des Irisins und ihm ähnlicher Kohlenhydrade. Jurjew, 1894. E. G. Karow. 8°. 0 pp.

Schoentjes, X. Cours de physique RER ET Paris, 189. 8. XI, 496 pp. Avec 430 fig.

Weber’s, W. Werke. Herausgegeben von der königl. Gesell- schaft der Wissenschaften zu Göttingen. IV. und VI. Bd, Berlin, 1894. J. Springer. 80%. XIV, 638 u. XXIV, 326 pp. Mit Abbildgn., 4 und 17 Taf.

Heaviside, 0. Electro-magnetie Theory. Vol. I, London, 189.

8%, 480 pp.

deHeen, P. La Chaleur. Liege, 1894. 80. X, 382 pp. Avet 177 fig.

‘Hoppe, Edm. Lehrbuch der Physik für höhere Lehranstalten. Leipzig, 189. J. A. Barth. 8. Re III und 134 pp. Mit Fig. un 1 Karte der Isogonen u. Isoklin

Jakson,D.C. A Text-Book on a and . Con- struction of Dynamos. Vol. I. London, 1893. 80. 292 p

Kirchhoff, Gst. Vorlesungen über wer " Physik. IV, Bd. Vorlesungen über die Theorie der Wärme. Herausgegeben. von Max Planck, Leipzig, 1894. B. G. Teubner. 8%. X, 210 pp Mit 17 Fig. |

Neu erschienene Werke. 157

dela Escosuray Morrogb, L. Introduceiön al estudio de la quimica analitica cualitativa. Madrid, 1894. 4%. XI, pp

Glücksmann, C. Kritische Studien im Bereiche der Fundamental- anschauungen der theoretischen Chemie, I. Thl.: Ueber die Molekularhypothese. Wien, 1894, F. Dsuticke. 80%, 74 pp.

Kronecker, Lp. Vorlesungen über Mathematik, Herausgegeben unter Mitwirkung einer von der königl. preuss, Akademie der Wissenschaften eingesetzten Commission. I Bd. Herausgegeben von Eug. Netto. Leipzig, 1894. B. G. Teubner. 8. X, 345 pp.

Ostwald, W. Elektrochemie. Ihre Geschichte und Lehre. 1 Lfg. Leipzig, 1894, Veit & Co. 8. p.1--80. Mit zahlreichen Abbildg.

Behrens, H. A Manual of micro-chemical Analysis. London, 1894, 8. 264 pp.

du Bois, H. Magnetische Kreise, deren Theorie und Anwendung. Berlin, 1894. J. Springer. (München, RB. Oldenbourg.) &. XIV, 382 pp. Mit 94 Abbildg.

Bujard, Alf. und Ed. Baier, Hilfsbuch für Nahrungsmittel- chemiker auf Grundlage der Vorschriften, betreffend die Prüfung der Nahrungsmittelchemiker. Berlin, 1894. J. Springer. 8%. XVI. 320 u, 166 pp. Mit Abbildgn.

Carnegie, D. Law and Theory in Chemistry. London, 1894 8,

PP-

Claes, P. et E. Thyes. Etudes microscopiques, de produits ali- mentaires: a) Histologie et morphologie compar6des des tests des graines entrant dans la composition normale des prineipaux tourteaux alimentaires. Bruxelles, 1894. 8°. 94 pp. Avec 7 pl. b) Con- tribution ä l’examen mieroscopique du poivre et de ses falsifications.

- 48 pp. Avec 3 pl.

Serres, L. Trait6 de chimie avec la notation chimique. Paris, 1894. 8. 900 pp. Avec 295 fig.

Zune, A. J. Traite d’analyse chimique, mierographique et miero- biologique des eaux potables. Paris, 1894. 80, 400 pp. Avec 2 pp. et 410 grav.

Mineralogie und Geologie.

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Rothpletz, A. Ein geologischer Querschnitt durch die Ost-Alpen, nebst Anhang über die sogenannte Glarner Doppelfalte. Stuttgart, 1894. E, Schweizerbart, 8°. IV, 268pp. Mit 115 Abbildg. u. 2 farb. Tf.

158 Neu erschienene Werke. Tarr, R. 8. Economic Geology of the United States. London, 189.

.. 520 pp-

Abhandlungen palaeontologische. Herausgegeben von W. Dames und E. Kayser. Neue Folge. 1. Bd. (Der ganzen Reihe V. Bd.) 5. Heft, Jena, 1894. @. Fischer, 8. X, 36 pp. Mit 1 Fig., 7 Tf. u. 7 Bl. Erklärgn.

de Koninck, L.L. Traite de chimie analytique minerale, qualitative et quantitative. 2 vols. Liöge, 189. 8. XXXI, 480 et XXI,

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Bommeli, R. Die Thierwelt. Eine illustrirte Naturgeschichte der jetzt lebenden Thiere, Stuttgart, 189. J. H. W. Dietz. 8.

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III. Bd. 2. Hälfte, 2. Lfg. Broslan, 1894. J. U. Kern’s Verl. 9.

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Vines, 8. H. A Students Text-Book of Botany. 1st Part, London, 1894, 80, 400 pp.

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3.

2a Thonstütze mit Näpfchen. 2

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Tafel 1. Förtsch, Ueber vorgeschichtliche Töpfereigeräthe,

Thonstütze mit flachem Fuss.

von grösserer Länge.

Thonstütze a Küserbütniigem Ausschnitt im Fuss

Thonstütze von konischer Form mit becherartiger Vertiefung, ohne

Dieselbe mit Fuss, auf einem Thonklumpen.

Thonstütze von prismatischer Form.

Dieselbe mit Näpfchen.

Thonklumpen mit kleinem Conus in der Mitte des Eindrucks.

Thonklumpen, auf welchem die Stütze schräg gestanden hat.

Conische Thonstütze mit abgeschrägter Basis.

Thonstütze mit zwei aufgepackten Thonklumpen und Eindruck in dem oberen Theil

Thonstütze mit Näpfehen, aus jüngerer Zeit, durchlocht.

Verwendung der Stützen beim Brennen,

leitschrift für Naturwissenschaften Bd, 67.

Tafel 1.

"werk H-- DER TEHÜG EHLPERE, 7 LEER,

5 4

Serder’ide Berlagshandlung, Freiburg in Breisgau.

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in ee re en, d. 6. Heft. = edecke, Proi. Br. O., Die isopleomorphe Gruppe der Mesotype. { tachrift für Naturwissenschaften „63. Bd. 1. He ft 2 M. 2— Luzi, Dr. William, Beiträge z ie Kenntnis des Gra tkohlenstoffes. (Zeit- _ ift für naigre ften, 64. Bd. 45. raphitk NM.4—

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Bd, 45 Scheilwien, Robert, Optische Häresien, Erste Folge, und das Gesetz der Polarität,

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ae nen

Verlag von Leopold Voss in Hamburg.

Sup” Soeben erschien Lieferung 341.

Zeitschrift

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Naturwissenschaften.

Organ des naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen

und Thüringen, unter Mitwirkung von

Geh. Rath Prof. Dr. Freih. von Fritsch, Prof. Dr. Garcke, Geh. Rath Prof. Dr. Knoblauch, Geh. Rath Prof. Dr. Leuekart, Geh. Rath Prof. Dr. E, Schmidt und Prof. Dr. Zeopf.

herausgegeben von

Dr. G. Brandes,

Privatdocent der Zoologie an der Universität Haile.

67. Band (Fünfte Folge Fünfter Band.

Drittes und Viertes Heft.

Mit 3 Tafeln und 10 Figuren im Text.

Ausgabe für Vereinsmitglieder.

=. ae Leipzig. ce. E =. Pfeffer. s 1894.

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I. Original-Abhandlungen. Seite Compter, 6. Dr. Die fossile Flora des unteren Keupers von Ostthütingen Taf, I— Donath, Ed., Prof. Ueber die hydrolytischen Spaltungen organischer a zen - Kobert, R., Prof. Dr. Ueber die Wirkungen des Septentrionalins 199 Lampe, Dr. Beher neue Fundorte der Rn Kreide-

3 ‚198 Müller, Kurt, „br Ueber Immunitit und Immunisi rung 161 Simroth, Heinr., Dr. Bemerkungen über die Marbholopie der Scaphopo Be P iener, H,Dr. Die geometrische "Construction "zweier Sinus- schwingungen. (10 Figuren im Text.) 231

U. Kleinere Wittheilungen. Mathematik . es onomie: ee er S. 260. Kometen S. 261. Ein Bar RER: 262. Asonsmisehe. ee S. 262 Chemie und | ıysik: Refraetometer von Zeiss S. 263.

ee Verhalten der Alaune S, 64. _ Peine don 8.264. Boraluminiumbronze S. 264. Telegraphiren one Drahtverbindung S. 265. Schmelzpunkte anorgant-

Mineralogie undGeologie: Zweinene Fundorte von Gletscher- schrammen ete, 8.267. Trinidad-Asphalt S. 268. Schlier > Mähren S, 269. Gangspalten des Nurdwöatbarzen 8: 269. ' Der en m S. 269. Neuer Fundort für n 8. 269. Südindische Kreideformation 5.20.— n

.271.— E Essbare Flechten S. 277. Die Bacterien als _Pilauzenfeinde S. 280. Einfluss der Nahrung auf Färbung 2832. Ueber Alca impennis $. 284, Die Einführung Be aa ser a Deutschland 3.387. ' Kleine Wohlthäte er ehheit S. 288. e Abstammung unserer Haus- Medicin: Die Blutserumtherapie zur Dipktherichehandiung des Menschen S, 292 Zur Akromegalie S. 29. Neuer Sen and Photographie des Netzhautbildes s$ Ei Aus verschiedenen Gebieten: Ueber Lawinen $. 29. Meteorologische Höhenstationen 8.295. De ie in ien am 7. 1894 S. 297. Elessier Hoss techungen ee Neun a ee re ee ; MRS en

Anmerkung.

Der Kunsiter des zes Dr. E. Erdmann, wohnt Anlatur strasse 15, ai POBORHEEN, Tr. ©. Smalian,

Ueber Immunität und Immunisirung,

Von Dr. Kurt Müller, Assistent a. d. Chirurg. Klinik zu Halle a. S,

Die Frage nach den Bedingungen der Immunität, d.h. die Frage danach, aus welchem Grunde der eine oder der andere Organismus gegen bestimmte Infeetionskrankheiten unempfänglich ist, hat in der neusten Zeit nicht nur das spezielle Interesse der ärztlichen Welt, sondern aller ge- bildeten Stände wachgerufen, so dass es mir nicht unberech- tigt erscheint, die Frage einmal in einer naturwissenschaft- lichen Zeitschrift allgemeineren Inhalts zu beleuchten. Ganz besonders aber scheint sie mir deshalb an Iuteresse zu ge- winnen, als es bereits in breiteren Kreisen bekannt ist, dass Versuche, die Immunität gegen bestimmte Krankheiten auch beim Menschen künstlich hervorzurufen, unternommen, die, soweit sich ein so verwickelter Vorgang beurtheilen lässt, mit Erfolg gekrönt worden sind.

Es erübrigt nur noch vorauszuschicken, dass wir unter einer Infeetionskrankheit eine solche verstehen, welche durch das Hineingelangen von Infeetionserregern in den thierischen Organismus von aussen her erzeugt wird. Unter Infectionserregern haben wir kleinste und wenigst gegliederte Individuen des Pflanzenreiches, vor allen Bakterien zu ver- stehen und diesen vielleicht einige wenige Arten zuzuzählen, welche man noch in’s Thierreich rechnen mtisste.

Der Begriff Immunität war noch bis vor kurzer Zeit ein allgemeiner; man verstand einfach darunter, dass ein gewisser Organismus für ein Thier nicht pathogen war, d.h. es nicht krank machte. Die weiteren Fortschritte in der Bacteriologie, mussten binnen Kurzen dazu führen,

Zeitschrift f. Naturwiss. Bd, 67. 1894 11

162 Ueber Immunität und Immunisirung.

diesen zwar an sich ganz klaren, aber für den Bacteriologen unzureichenden Begriff zu präeisiren.

Ein Infectionserreger kann ja auf zweierlei Art den Organismus schädigen. Entweder der eingeimpfte, oder zufällig in den Körper gelangte Keim beginnt an der Ino- kulationsstelle auszukeimen und es gelangen die Sprossen in die Lymph- oder Blutbahnen, sie überschwemmen den ganzen Organismus, besiedeln alle inneren Organe und zer- stören dieselben nun durch ihre giftigen Stoffwechsel- producte, oder sie hindern durch Verstopfung der capillaren Gefässe die Ernäherung. Eine solche Erkrankung ist zum Beispiel der Milzbrand bei gewissen Thierarten; da finden sich oft in den inneren Organen Ansiedelungen ganz UN- geheurer Mengen von Pilzen, so dass von normalem Gewebe oft kaum etwas zu sehen ist. Diese Art von Erkrankungen, bei denen die Schädigung auf die angegebene Art er folgt, bezeichnen wir als septicaemische. Oder aber, der eingeimpfte oder an irgend einer Stelle angesiedelte Pilz wächst an Ort und Stelle oft sehr üppig; untersucht man jedoch nach dem Tode die inneren Organe und das Blut, so findet man keine Baeillen, statt deren aber ausgedehnte pathologische Veränderungen. Diese Art von Bacterien wirken durch Intoxieation durch Vergiftung des Organismus, sie bereiten durch ihr Wachsthum an der Impfstelle Giftstoffe, welche durch Blut- und Lymphbabnen in den Körper verbreitet werden und diesen bis zur Auf- lösung schädigen können.

Zu diesen vorwiegend toxischen Erkrankungen zählt die Hauptmenge der menschlichen Infeetionskrankheiten, die Cholera, die Diphtherie, der Typhus, der Wundstarrkrampf und andere. .

Es ist also nach dieser Auseinandersetzung ZU berück- sichtigen, dass man zwei Gruppen der Wirkung eines In- . fectionserregers unterscheiden muss, einmal eine infeo tiöse und dann eine toxische, und damit ist e&8 ohne weiteres klar, dass der Bacteriologe unter dem Ausdruck immun, zwei ganz heterogene Dinge verstehen musste; den einerseits bedeutet er, für die infectiös wirkende Arten die Unmöglichkeit durch Weiterwucherung 1

LE =

EEE

Von Dr. K. MUELLER. 163

schädigen, andererseits für die toxisch wirkenden, die eingetretene Unschädlichkeit der Giftstoffe, die vom Pilz produeirt und in den Körper geschleudert werden.

Man hat sich deshalb dahin geeinigt, den Ausdruck immun nur für die Arten der Wirkung zu reserviren, wo es sich um Behinderung durch Wachsthum im Körper handelt; für die toxisch wirkenden Pilze werden dagegen die unempfänglichen Thiere als giftfest bezeichnet.

Ist also ein Thier unempfänglich gegen einen gewissen Mikroorganismus, so kann dies dadurch bedingt sein, dass es entweder in wahrem Sinne immun, oder dass es gift- fest ist. 5

Daraus ergiebt sich die logische Folgerung, dass es möglich sein kann, ein empfängliches Thier auf zweierlei Arten unempfänglich zu machen; einmal können wir es immunisiren; dann hindern wir jede weitere Verbreitung des Pilzes im Körper; oder wir können uns darauf be- schränken, es giftfest zu machen; dann geht unser Be- streben darauf hin, dem Thier solche Substanzen einzu- verleiben, dass die in den Körper übergegangenen Gift- stoffe von ihnen vernichtet oder zu unschädlichen Ver- bindungen herabgemindert werden.

ersuche zu immunisiren sind natürlich sofort begonnen worden, als man die kleinen Lebewesen, die Bacterien, kennen und ihre Vernichtung durch gewisse chemische Stoffe herbeizuführen, gelernt hatte.

Besonders Sublimat nnd Carbolsäure hielt man bis vor kurzer Zeit für so energische Desinfieientien, dass man glaubte, dass sie sich gegen Pilze auch in starker Ver- dinnung wirksam zeigten. Auf dieser Anschauung beruhen die Versuche innerlicher Desinfieirung des Organismus durch diese und ähnliche Mittel. Wir sind heute so weit,

88 wir wissen, dass von starken Verdünnungen überhaupt eine pilztötende Wirkung zu hoffen ist. Sind doch selbst !e in der Chirurgie gebräuchlichen Lösungen unseres ener-

Sischsten Desinficiens, des Sublimats, recht schwache und absolut nicht von der Bedeutung, wie man früher glaubte; “!e verhalten sich in ihrer Wirkung zum strömenden Wasser“. ; dampf wie Tag und Nacht und hätten wir nicht Seife und e

Ben en

164 Ueber Immunität und Immunisirung.

Bürste, um den Boden für die Einwirkung des Quecksilbers zu ebnen, so würden wir nicht viel erreichen.

Schon aus diesem Grunde, darf man von einer inneren Desinfieirung durch solche Mittel nichts hoffen, ganz ab- gesehen davon, dass unsere gebräuchlichen Mittel stark zellvernichtende Eigenschaften besitzen und durch Ver- bindung mit den Körpereiweissen zu relativ wirkungslosen Körpern werden.

Es ist deshalb Aufgabe derer, welehe die Immunität künstlich erzeugen wollen, Mittel zu finden, die in den Organimus eingeführt, sich den Zellen gegenüber indifferent erweisen, die Bacterien oder ihre Produkte aber unschädlich machen.

Ehe wir aber über die künstlichen Immunisirungs- methoden sprechen, ist es nöthig, uns zunächst einmal da- rüber zu unterrichten, welche Sehutzmittel dem immunen Organismus zu Gebote stehen, um Krankheitskeime abzu- wehren. Wir gehen so analytisch vor und gewinnen da- durch die Componenten. zur Construction unserer Aufgabe.

Die angeborene Immunität lässt sich nun nach der treffliehen Eintheilung von Lusarscn auf dreierlei Art er-

lären:

1. kann sie eine zufällige, aus irgend welchen physio- losischen Eigenschaften des Thieres sich herleitende sein. So sind z. B. gewisse Thiere lediglich deshalb immun gegen irgend welche Krankheitskeime, welche sie mit der Nahrung aufnehmen, weil der starke saure Magensaft dieselben ver nichtet.

2. Der Thierkörper kann für eine Baeterienart nicht genügende oder nicht genügend assimilirbare Stoffe dar- bieten, die sogenannte Assimilationstheorie von BAUMGARTEN und PeErruschky.

Ich kann hier nicht darauf eingehen, die Mängel dieser Theorie kritisch zu beleuchten, und muss nur zufügen, sie zur Erklärung der Immunität nicht ausreicht.

Der Ansicht dieser Autoren nach gehen Pilze deshalb im Körper immuner Thiere unter, weil sie keine zusagende Nahrung vorfinden, wie eine Pflanze, die an Humus

wöhnt ist, auf Steinboden. Thatsächlich hat ja eine solebe

LJ 00 220 00 nn un un ER

Von Dr. K. MUELLER. 165

Theorie viel bestechendes; es giebt Pilze, welche wir schon sehr lange als pathogen für den Menschen kennen, und welche zu züchten trotz tausender von Versuchen mit den seltsamsten Nährböden, nicht gelingt. Es giebt ferner, um nur noch ein Beispiel anzuführen, zwei Arten von Tuber- kulose, von denen die eine die gewaltigsten Verheerungen unter Menschen und sonstigen Säugethieren, die andere bei Vögeln anrichtet, ohne dass man bis vor kurzer Zeit im Stande gewesen wäre, beide Arten in einander überzuführen, bis es endlich Fıscnt, gelang durch strenge und fortgesetzte Züchtung auf verschiedenen Nährböden, beide auf eine Grundform zurtckzuleiten. i

Trotzdem aber sprechen so viele Thatsachen gegen eine solche Auffassung von der Immunität, dass wir sie nicht als zutreffend ansehen können. Wenn Milzl dvaceins, also abgeschwächte Milzbrandkeime, im Lymphsack der Frösche rascher zu Grunde gehen, als virulente so kann dies seinen Grund sicher nicht im Nahrungsmangel haben, denn abgeschwächte Milzbrandpilze haben thatsächlich ein geringeres Nahrungsbedürfniss als virulente.

Die dritte Möglichkeit ist endlich die, dass im Thierkörper Schutzstoffe die Vermehrung der Bacterien ver- hindern können.

Diese Schutzstoffe könnten einerseits im Körper prä- formirt existiren, andererseits könnten sie erst durch die Bacterieninvasion gebildet werden. Das letztere bedeutet mit anderen Worten die Frage, ob ein Kampf des Körpers segen die Infeetionserreger stattfindet.

Wie sie aber auch vorhanden sein mögen, sie müssen in beiden Fällen entweder an die zelligen oder an die flüssigen Elemente gebunden sein, d.h. sie sind entweder een Körperflüssigkeit vorhanden oder Product der Körper- zellen.

, Um mit der Kampftheorie zuerst zu beginnen, so fällt hierher die geistvolle Hypothese Merscuxıkorrs von der Fressthätigkeit der Zellen des mittleren Keimblatts, der

eUcocyten. Die Leucoeyten sollen nach ihm die Fähig- keit besitzen, die eindringenden Bacterien zu ergreifen und “U vernichten. Wenn sich in der That auch mikroskopisch

166 Ueber Immunität und Immunisirung.

eine solche Fressthätigkeit der Leucocyten zeigen und auch culturell beweisen lässt, dass dieselben im Stande sind, virulente Bacterien aufzunehmen, so sind doch zahlreiche Bedenken erhoben worden, ob die Phagocytose primärer Natur, also die Ursache der Immunität, oder erst sekun- därer ist.

Buchner ist letzterer Ansicht, indem er glaubt, dass die im Körper präformirten Schutzstoffe erst eine Anzahl von Bacterien töten; es werden dadurch Proteine frei, welche nun erst die Hervorloekung der Leucocyten bewirken, ein Vorgang, der als Chemotaxis oder Chemotropismus be- zeichnet wird. ;

Eine vermittelnde Stellung nimmt LusasscH ein. Indem er tote und lebende Frösche impfte und letztere verschie- dene Zeit nach der Impfung tötete, konnte er konstatiren, dass je längere Zeit nach der Impfung verstrichen war, desto später Sporen auskeimten und zwar stets nur extracellulär gelegene, während in toten Fröschen alle auswuchsen. Er schliesst daraus mit Recht, dass die Schutzstoffe dee Froschkörpers, die sehr labiler Natur sein müssen, erst durch die Lebensthätigkeit der eingedrungenen Baeterien in vollste Action treten, und dass diese Stoffe besonders wirksam im Körper der Leucoeyten vorhanden sind.

Für die Anhänger der humoralen Theorie, d.h. der Theorie wonach die schützenden Stoffe, in den Körper flüssigkeiten enthalten sein sollen, war von ausserordent- licher Wichtigkeit die Entdeckung von der bacterien tötenden, der bacterieiden Kraft des Blutserum8.

Das aus der Ader gelassene Blut gewisser Thierarten hat nämlich die merkwürdige Eigenschaft, ausserordentlich rasch und energisch Bakterien abzutöten, und zwar wohnt diese Kraft sowohl dem zellhaltigen als dem zellberaubten Blut, also dem Serum inne.

Die Anhänger der humoralen Theorie verwenden diese Thatsache derartig, dass sie behaupten, diese keim tötende Eigenschaft des Blutserums komme nur den mehr oder weniger immunen Thieren in besonders hohem Grade zu, und sie sei deshalb der Grund der Immunität. we sind heute soweit, dass wir ohne weiteres sagen können

Von Dr. K. MUELLER. 167

dass diese Annahme mit den Thatsachen nicht überein- stimmt. Es giebt einerseits Thierarten mit ausserordentlich stark keimtötender Kraft des extravasculären Blutserums, welche trotzdem gegen dieselben Organismen ausserordent- lich empfänglich sind und umgekehrt. Beurıse, der diese Hypothese aufstellte, sieht vor allen Dingen im Milzbrand der Ratten eine Stütze seiner Lehre, weil Ratten ein extra- vasculär ausserordentlich stark Milzbrandkeime zerstörendes Blutserum besitzen, sollen sie gegen Milzbrand fast ganz unempfänglich sein.

Bereits von mehreren Autoren von LOEFLER, Strauss, Lusarsch, METSCHNIKOFF u. a. ist diese hohe Resistenz der Ratten gegen Milzbrand und damit die grundlegende Be- deutung von der bacterieiden Kraft ihres Blutes bezweifelt worden. Da bisher jedoch die Versuchsreihen stets zu kleine waren, um ein Urtheil zu gestatten, so habe ich seiner Zeit auf Veranlassung des Herrn Geheimrath EserrH die Lösung dieser Frage versucht.

Gestützt auf ein Versuchsmaterial von 250 Thieren, welche stets mit Brot gefüttert wurden, in den besten hygienischen Verhältnissen sich befanden, sich ausserordent- ich gut vermehrten und niemals eine Erkrankung in Upjähriger Beobachtungszeit zeigten, konnte ich nach- weisen, dass bei Infeetion mit gar nicht excessiven Dosen, Ja einzelne bei Einbringung von nur ein Paar Keimen, Dicht weniger als */, prompt der Impfung erlagen; das übrige Fünftel starb zum grössten Theile nach wieder- holter Impfung, in der Regel unter einem Bilde, welches ich als „chronischen Rattenmilzbrand“ bezeichnet habe und bei dem sich besonders in der Leber, aber auch in der Milz eigenthümliche Nekrosen vorfinden. Erschüttern diese Befunde schon einigermassen die humorale Theorie der Immunitätslehre, so kommt noch ein zweiter Factor hinzu.

Beurine und Nissex experimentirten, ebenso wie ich, nicht nur an weissen, sondern auch an bunten Ratten, und wenn sie auch in einzelnen Fällen weniger bacterieid Wirkendes Serum vorfanden, so bleiben sie doch im All- Semeinen dabei, dass das Rattenserum starke keimtötende

'irkung habe. ee

168 Ueber Immunität und Immunisirung.

Nun stellt sich aber bei meinen Versuchen dıe ganz eigenthümliche Thatsache heraus, dass trotz gleicher Ver- suchsbedingungen und gleicher hygienischer Verhältnisse, gleicher Ernährung, die dunklen Racen, besonders die schwarze Race eine bedeutend grössere und zwar bis fünf Mal höhere Resistenz besitzt als die weisse.

Da nun sich derartige Verhältnisse aus dem Verhalten der bacterieciden Kraft des Serums nicht erklären liessen, so ist das ein zweites wichtiges Factum gegen die Bedeu- tung des Blutserums als Grund der Immunität. Nun kommt noch eins dazu. Schon früher hatte Feser darauf aufmerk- sam gemacht, dass mit Fleisch gefütterte Ratten milzbrand- immun wurden. Meine darauf gerichteten Versuche an 20 Thieren bestätigen diese Angaben insofern, als es that- sächlich gelingt, Ratten dadurch widerstandsfähiger, keines- wegs aber immun zu machen; es wird bei ihnen die ganze Krankheitsdauer hinausgerückt, gewissermaassen die Er- krankung chronischer gemacht; sie sterben alle erst nach längerer Zeit, als Brotfesser.

Diese Thatsache lässt sich gleichfalls schlecht mit der bacterieiden Kraft ihres Serums, welches durch die hohe Alecalescenz desselben bedingt sein soll, in Uebereinstimmung bringen; denn eher müsste man annehmen, dass die Thiere, da bei ausschliesslicher Fleischnahrung die Säfte und das Blut saurer werden, dadurch widerstandsloser würden.

Sprechen diese Ansichten bereits mit einer an Gewiss- heit grenzenden Wahrscheinlichkeit gegen die humorale Theorie, so kommt dazu noch folgende Beobachtung, welche ich gleichfalls an Milzbrand infizirten Ratten machen konnte. Jedes einzelne Organ dieser Thiere war nämlich in ausserordentlich verschiedenem Grade Sitz von Infeetions- erregern und zwar war dieses Verhalten ein so konstantes dass ich nothwendig annehmen musste, dass in jedem Organ ganz spezifische Kräfte die Ansiedelung der Bac- terien begünstigen oder hindern mussten. "Zu dieser An- schauung musste ich deshalb kommen, weil diese Vertel- lung der Keime in den Organen nicht etwa auf die Blut- gefä theilung zurückgeführt werden konnte; da ich ferner annehmen musste, dass diese spezifischen Kräfte in den Rn

Von Dr. K. MUELLER. 169

Zellen enthalten oder von ihnen produeirt sein mussten, so will ich mir die nähere Begründung dieser Ansicht bei Be- sprechung der zelligen Theorie vorbehalten.

Wenn wir diese letztere Theorie, welche jetzt wohl von der Mehrzahl der Bacteriologen als die allein gültige angesehen wird, betrachten, so spalten sich die Ansichten der Autoren in zwei Lager. Während die einen tiberhaupt irgendwelche physiologisch - chemische Eigenschaften der Körperzellen zu Trägern der Immunität machen, sind an- dere Forscher geneigt, diese Eigenschaft einer besonderen Art von Zellen des mittleren Keimblattes, den Leucoeyten und ihnen verwandten Zellen zuzusprechen.

Merschnikorr, der Hauptvertreter dieser letzteren An- schauung, stellt in seiner Phagocytentheorie ganz all- gemein die Thatsache, dass Leucocyten im Stande sind, Fremdkörper und auch virulente Baeterien aufzunehmen als Grund der natürlichen und erworbenen Im- Munität gegen Infeetionskrankheiten hin.

Es ist in der That kein Zweifel darein zu setzen, dass die Phagocytose ausserordentlich rasch einsetzen kann, so

man sie wohl als Ursache der Immunität, als Haupt- vernichtungswerkzeug des Körpers, betrachten könnte. Eben- sowenig lässt sich bezweifeln, dass vollvirulente Bacterien von den Fresszellen aufgenommen werden. METSCHNIKOFF hat dies experimentell erwiesen.

Dass ferner in den Leueoeyten chemische Umsetzungen statthaben, konnte er dadurch zeigen, dass er Larven von Triton taeniatus den Schwanz abschnitt und den Stumpf mit Lakmuspulver einrieb. Bald darauf erschien ein Theil der von den ausgewanderten Leueocyten aufgenommenen Körnchen hellroth.- Aehnliches beobachtete Lunarsch bei Aseidien nd Torpedos, denen er Carminemulsion direet ins Blut oder unter die Haut gespritzt hatte. Es zeigte sich dabei wikroskopisch deutlich ein Auswahlvermögen der Leuco- ‘yten, indem sie kleinste und sehr grosse Carminkörper

" liessen und nur die mittelgrossen aufnahmen und theilweise verdauten. Aehnlich ist es ja auch mit den auf- genommenen Bacterien. Diese zeigen einmal mehr oder

weniger ausgesprochene Degenerationserscheinungen; a = e

170 Ueber Immunität und Immunisirung.

ander Mal aber bleiben sie unverändert. Trotz dieser ausserordentlich bestechenden Gründe darf man aber ohne weiteres die Phagoeytose nicht als hauptsächlichen Immu- nisirungsfactor ansehen.

Je grösser die Eiterung, also je ausgesprochener die Phagoeytose, um so acuter pflegt z. B. bei der Gonorrhoe und der Diphtherie der Krankheitsprozess zu sein.

Iudem nun MErschsikorr von der Ansicht ausging, dass es gelingen müsse, bei Thieren in deren Körper seiner Meinung nach Sporen am Wachsthum durch die Phagocyten verhindert werden, das Auskeimen dadurch zu ermöglichen, dass man die Leucocytenansammlung hindert, führte er in den Lymphsack des Frosches Milzbrandsporen ein, die er in kleine Fliesspapierpackete gebracht hatte.

Während nun in den Controllfröschen, wo Leucoeyten zu den Sporen freien Zutritt hatten, diese nicht auswuchsen trat in den Packeten, wohin Leueocyten gar nicht oder nur in sehr geringer Menge dringen konnten, Auskeimen zu Bacillen ein.

Wenn dies auch für die Phagocytose als Immunisirungs- factor sehr beweisend scheint, so ist doch die Beobachtung von Bucuxer, dass durch den Durehtritt von Serum durch diffundible Membranen dieses modifieirt wird, schwer ins Gewicht fallend.

Es braucht also gar nicht die Abwesenheit der Leueo- eyten zu sein, welche das Auskeimen ermöglichte, vielmehr kann die Veränderung des Serums die Ursache sein.

Sollten aber vor allen Dingen thatsächlich die Fress- zellen so bevorzugte Kampforgane des Körpers vorstellen, wie METSchNIKorF dies will, so müsste man das Auftreten der Phagoeytose ganz parallel dem Immunitätsgrade be-

obachten können. Dies wird jedoch von der grössten Ani,

zahl der Autoren, besonders den deutschen ganz entschieden in Abrede gestellt. Ich selbst konnte bei meinen Studien an Ratten niemals Phagveytose zu Gesicht bekommen. Dann aber ist ein nicht unwichtiger Factor gegen die Pha- goeyten-Theorie, jenes von mir schon erwähnte speeifische Verhalten der einzelnen Organe dem Infectionserreget

gegenüber, welches ich in 50 Fällen beim Milzbrand der

Von Dr. K. MUELLER. 171

Ratten mikroskopisch nachweisen konnte. Der oft zu den angerichteten pathologischen Veränderungen ganz asyme- trische Gehalt an Bacterien, welcher, wie schon bemerkt, nicht durch die Blutvertheilung sich erklären liess, sowie die Beobachtung, dass sich in diesen Organen durch Unter- suchung in verschiedenen Zeitabschnitten, die Verminde- rung der Keime, nach einem bestimmten Zeitintervall, numerisch nachweisen liess, legte mir die Vermuthung nahe, dass es in jedem Organe besondere Kräfte sein müssten, welche den Kampf gegen die Baecterien führten.

Niemals sah ich Phagoceytose und glaubte mich zur Annahme berechtigt, dass nieht ein gleichmässig über den ganzen Körper verbreitetes Prineip, wie die Leucoeyten, die Immunität allein bedingen konnten, sondern neben ihnen jede einzelne ÖOrganzelle. Fernerhin musste ich, da ich auch in andern Zellen eingeschlossene Keime nie vor- fand, zur Ansicht kommen, dass nicht eine Fressthätigkeit der Zellen, sondern die Aussonderung chemischer Producte durch diese die Immunität ermögliche. Merscuxorr hat in allerneuester Zeit meine Auffassung dahin kritisirt, dass 8 gar nicht ausschliesslich die Leueocyten seien, welche die Keime in den Organen durch Verdauung vernichteten, sondern neben ihnen, sogen. Macrophagen, eine ausser- ordentlich eigenthümliche Zellgruppe, welche er sich z. B. in der Leber durch Zusammenfliessen der Endothelzellen der Kapillaren mit Wanderzellen entstanden denkt, und die merkwürdig bizarre Formen und eine enorme Grösse an- nehmen können.

Er meint, indem ich nach Mierophagen, also einfachen Leueocyten suchte, habe ich jene, wie er selbst sagt, oft ausserordentlich bizarren und schwer zu deutenden Formen übersehen. Es bedurfte nattirlich nur der Anregung von 80 hervorragender Seite für mich, um mich sofort meine P Täparate, aber auch jetzt mit demselben Erfolg als früher durchmustern zu lassen. ;

Auch heute noch muss ich METscHxIKorF gegenüber die- selbe Behauptung aufrecht erhalten, dass ich nur extra = cellulär gelegene Bacterien vorfinden konnte, und muss an a z

3

172 Ueber Immunität und Immunisirung.

meiner früheren Annahme, der specifischen Bedeu- tung der einzelnen Körpergewebe, festhalten.

Uebrigens hat in der neusten Zeit, diese von mir be- anspruchte specifische Bedeutung der Gewebe, ein Schüler von METScHNIKOFF, WERIGO, am Milzbrand der Kaninchen bestätigt. Ausserdem sind es aber vor allen Dingen eine Reihe klinischer Beobachtungen, welche die Bedeutung der einzelnen Körpergewebe für das Zustandekommen der In- fection mit absoluter Sicherheit beweisen. Eins der präg- nantesten Beispiele hierfür ist die durch Staphylokokken- infeetion des Blutes bedingte acute infeetiöse Osteo- myelitis, dieaeute Knochenmarkeiterung, der sog. Knochen- frass. Erfahrungsgemäss erkrankt an dieser Krankheit nur eine ganz bestimmte Classe von Individuen und zwar nur solche, die noch nicht ausgewachsen sind. Während der wachsende Knochen für die Erkrankung ganz ausser- ordentlich empfänglich ist, ist der ausgewachsene gegen sie so gut wie ganz immun.

Aber er kann empfänglich gemacht werden und zwar dadurch, dass er früher einmal während der Wachsthum- periode in gleicher, wenn auch vielleicht nur in leichter Weise, erkrankt war; dann bleibt er geschwächt und er- langt nieht den hohen Immunitätsgrad, wie ihn sonst aus- gewachsener Knochen hat. Auch Knochen der einmal ge- brochen war, kann die Disposition zur Erkrankung behalten.

Die Thierexperimente bestätigen diese klinischen Er- fahrungen gleichfalls; nur bei jungen wachsenden Thieren gelingt es durch Injeetion von Staphylokokken ins Blut unter Umständen Osteomyelitis zu erzeugen, bei älteren Jedoch nur dann, wenn durch eine vorher gemachte Fractur der Boden für die Infection vorbereitet wird. ;

Ganz ähnlich liegen überhaupt die Verhältnisse bei den sogen. pyogenen, den eitererregenden Kokken, den Staphylokokken und Streptokokken. Man glaubte früher, dass diese Pilze stets Eiterungen erzeugen müssten; ‚baue wissen wir, dass sie zwar in der Mehrzahl der Fälle In Br That Eiterungen hervorrufen, in vielen aber auch ig geringere Grade der Entzündung. Die Ursache für diese 2 verschiedene Wirkung können wir nur in dem speeifiseben 2

Von Dr. K. MuELLer. 173

Verhalten der Gewebe erblicken, ganz besonders dann, wenn es gelingt an demselben Individuum an der einen Stelle einen eitrigen, an der andern nur ein serösen Er- guss, beide erzeugt durch dieselben Mikroorganismen, zu sehen : Beobachtungen, wie sie von SCHRANK und mir ge- macht sind. Der von mir beobachtete Fall, bei dem es sich um eine mächtige Eiteransammlung am Oberschenkel bei einer Osteomyelitis und einem serösen Erguss im Knie, beide Staphylokokken enthaltend, handelte, ist deshalb ganz besonders beweisend für diese Auffassung von der specifischen Bedeutung der Körpergewebe, als Thierver- suche zeigten, dass sowohl die Staphylokokken des eitrigen als die des serösen Ergusses denselben Virulenzgrad be- sassen.

Nach dieser Beobachtung giebt es überhaupt keine andere Erklärungsmöglichkeit, als den Grund der ver- schiedenen Wirkung in dem verschiedenen Resistenzgrade der Gewebe zu sehen.

Wenn wir das letzte nochmals zusammenfassen, so be- ruht also das Wesen der Immunität weder in der Fress- thätigkeit der Leucocyten, noch in der bacterieiden Kraft der Körpersäfte, sondern in den jeder einzelnen Körperzelle in verschiedenem Grade zukommen- den bacterienfeindlichen Eigenschaften.

Nach diesen Auseinandersetzungen über die einzelnen Theorien der Immunität, wollen wir zur Besprechung der künstlichen Erzeugung derselben übergehen.

Nachdem wir gesehen haben, dass es im wesentlichen die Zellen sind, welche durch ihren Kampf gegen die Eindringlinge, die relative d. h. beschränkte oder absolute Immunität (Lusarscn) bedingen, so ist es klar, dass es durch Anregung dieser Gebilde gelingen muss, wenigstens gewisse Grade der Immunität zu erzeugen. In der That ist ein kräftiger, gut genährter Organismus gegen die Mehrzahl aller Infeetionen, weit widerstandsfähiger als ein schlecht genährter, durch frühere Erkrankungen her- "ntergekommener, eine Beobachtung, wie sie auch das Ex- Periment bestätigt hat. Hungernde oder erschöpfte Thiere werden leichter infieirt als kräftige. In letzterer Hinsicht

174 Ueber Immunität und Immunisirung.

ist besonders lehrreich der Versuch von CHARRIN u. ROGER, welche Ratten nur dann milzbrandempfänglich machen konnten, wenn sie diese Thiere in einer Tretmühle fortgesetzt laufen liessen.

Doch allein reichten natürlich diese Hilfsmittel niebt aus, die Immunität zu erklären, aber die Beobachtung hat uns andere in die Hand gegeben.

Untersuchen wir eine Cultur irgend eines Pilzes, so fällt es auf, dass meist schon nach kurzer Zeit eine mehr oder weniger grosse Zahl von Individuen degenerirt oder abgestorben sind und zwar nicht, wie man zuerst annehmen musste, in Folge Nahrungsmangels, denn die Cultur kann sich dabei üppig weiter entwickeln, sondern unter dem Einflusse der durch die Pilze selbst ausgeschiedenen Stof- wechselproducte. Es müssen also in der Cultur Stoffe vor- handen und zwar durch das Wachsthum der Pilze erzeugt sein, welche wenigstens auf die älteren Individuen ent- schieden schädlich einwirkten dies der Punkt, bei dem unsere Bestrebungen zur Erzeugung künstlicher Immunität einsetzen müssen.

Wenn ein Organismus an irgend einer Infection er- krankt, so kann man sich wohl vorstellen, dass auch hier in derselben Weise unter den Einflüssen der ausgesonderten Stoffwechselproduete, schliesslich die Keime untergehen und dass auf diese Weise eine Selbstimmunisirung des Organismus erfolgt.

Unter Umständen kann diese Selbstimmunisirung eine ausserordentlich kräftige und lang dauernde sein. So z. B. ist es bekannt, dass ein Mensch, nach einmaligem Ueber- stehen der Pocken oder des Scharlachs, meist nicht wieder daran erkrankt. Wenigstens ist der Schutz ein über Jahr- zehnte ausgedehnter. Ebenso verhält es sich z. B- bei den Masern und bei der Lues.

Diese Beobachtung führte den Menschen darauf, ähn- _ liches künstlich zu versuchen. Den ersten und noch ausser ordentlich gefährlichen Versuch dieser Art unternahm JEnxer, die Inoculation der Menschenblattern als Schutz gegen die Erkrankung, bald aber lernte er dureh a die segensreiche Erfindung der Kuhpockenimpfung dieses

Von Dr. K. MUELLER. 175

gefährliche Vorgehen ersetzen. Tausende von Menschen- leben sind thatsächlich durch die zwangsweise Einführung dieser Maassregel in der Mehrzahl der eivilisirten Länder im Laufe der Jahre gerettet worden und die Pocken sind dadurch in Deutschland zu einer der seltensten Erkrankungen geworden.

Dies Verfahren beruht darauf, dass man durch abge- schwächte Keime derselben Art eine meist sehr milde verlaufende Erkrankung erzeugt, durch deren Ueberstehen aber der Organismus selbst gegen vollvirulente Mikroorga- nismen immun wird. Man muss sich das so erklären, dass durch diesen Abschwächungsvorgang die krankmachenden Substanzen oder die prädisponirenden, wie sie die Fran- zosen nennen, ungleich stärker beeinflusst und zerstört werden, als die vaceinirenden.

Ueber die einzelnen Metboden der Abschwächungs- möglichkeit kann ich mich natürlich nicht weiter aus- lassen, und will nur bemerken, dass auf einem ähn- lichen Prinzip auch die von Pasrtzur erfundene und in Frankreich vielfach mit nicht so schlechtem Erfolg geübte Schutzimpfung der Schafe gegen Milzbrand gehört. Auch noch gegen andere specifische Thiererkrankungen ist, wenn auch in geringerer Ausdehnung derselbe Vernichtungsweg eingeschlagen worden.

. Sind es nun aber die Stoffwechelproducte, durch die Bacterien verderbend oder vaceinirend wirken, so durfte man annehmen, dass sich auch mit den Stoffwechsel- producten dieser allein, ohne lebende Bacterien, gleiches würde erreichen lassen.

In der That sind auch die in dieser Hinsicht unter- Nommenen Versuche von Erfolg gekrönt gewesen. Hier- her gehört eine Methode Fraunker’s gegen Diphtherie bei Thieren, ferner wohl auch die von Pasreur ausgeübte Impfung gegen Hundswuth und endlich die allen bekannten Versuche mit Tuberkulin gegen das Schreckgespeust der Menschheit, die Tubereulose. Leider haben sich ja die überschwänglichen Hoffnungen, welche besonders in Laienkreisen auf dies Mittel gesetzt wurden, nicht bestätigt.

176 Ueber Immunität und Immunisirung.

Trotzdem ist aber sein Werth in keiner Hinsicht zu unter- schätzen.

Nach diesen Beobachtungen und Bestrebungen hatte man auch die Erklärung für die seltsame Naturerscheinung, dass gewisse Individuen mit einer zunächst ganz räthsel- haften individuellen Immunität ausgerüstet sind, gefunden. Man konnte das so erklären, dass es wohl irgend welche von immunen Vorfahren her, die vielleicht durch einmaliges Ueberstehen gewisser Erkrankungen die Immunität gegen diese erworben hatten, ererbte Fähigkeiten sein müssten, welche die betreffende Nachkommenschaft immunisirt hatten.

Auf der Nutzbarmachung dieser Idee beruhen die Ver- suche durch Uebertragung von Säften oder Organbe- standtheilen immuner und immun gemachter Thiere, Immunität bei anderen künstlich zu erzeugen. In der That gelingt dies und gerade diese Art der Immunisirung ist es, welche heute besonders durch die Publikationen von Benrisg, als die sogen. Serumtherapie, die Augen der ganzen Welt auf sich gelenkt hat. Wie auch die hier zur Immunisirung benutzten Körper beschaffen sein mögen, ob sie Serum gewisser Thierarten, wie Bernurıne’s Heilserum gegen Diphterie, oder das von ihm und Kırasaro gegen Tetanus, oder Organbestandtheile meistens in Pulverform, wie die Immunisirungsmethoden anderer, darstellen mögen, alle haben das Uebereinstimmende, dass es sich um Ueber- impfung der immunisirenden Substanz vermittelst fremd- artiger Thierbestandtheile handelt.

Wenn ich den dornenvollen Weg, der zu dieser Mög- lichkeit führt, schildern soll, so ist es der, dass zunächst kleine, von diesen wieder grössere Thiere durch irgend- welche Mittel,. auf einen genügend hohen Immunisirungs- grad gebracht werden müssen, ein Vorgehen, welches, wen” es für den Menschen brauchbares Material liefern soll neben grosser Sorgfalt und Geduld, sehr lange Zeit in An spruch nimmt. Ausserdem vereitelt frühzeitiger Tod der Versuchstbiere, oder ein in die schliesslich gewonnene

Substanz hineingelangter Keim, in wenig Stunden ds m

zahlreichen Tagen mühsam abgerungene.

Von Dr. K. MUELLER. 177

Denn alle diese Körper und darin liegt die Schwierig- keit ihrer Behandlung vertragen Hitzegrade, welche Ei- weis koagulieren, nicht mehr, sie werden zerstört. Trotz- dem ist man aber in den letzten Jahren ein gut Stück weiter gekommen und besonders der Serumthera pie scheint in der That eine Zukunft bevorzustehen. Den gauz beson- deren Vorzug dieser Art von Immunisirung hat man aber darin zu suchen, dass diese Substanzen nicht nur durch vorheriges Einspritzen- den Organismus vor der Infeetion schützen können, sondern dass sie im Stande sein sollen, den bereits erkrankten zu retten. Wir haben also in ihnen ein ganz specifisches Präparat vor uns, welches gewissermaassen auf die bereits im Körper kreisenden Gift- stoffe, ohne die Zellen zu verletzen, neutralisirend wirkt.

„Es ist deshalb“, sagt der Erfinder dieses Verfahrens, Beuris«, „nicht mehr ein Schritt ins dunkle, wenn die praktische Verwendung meines Heilverfahrens auch für den Menschen durch Versuche in grösserem Maasstabe in An- griff genommen wird.

Wir haben gegründete Ansicht, die in Frage kommen- den Heilmittel aus dem Blut von den unwirksamen Körpern desselben abzutrennen und dieselben in eine Form überzu- führen, welche ebenso haltbar und bandlich ist, wie die, in welcher andere Mittel aus den Apotheken abgegeben werden.

Auch die Gefahren, welche in der Verwendung fremd- artigen Thierblutserums auf den Menschen beruhen, glaubt Beneisg ausschliessen zu können. Dass durch die Erfin- dung von Koskr. wieder ein wesentlicher Schritt zur Ver- Wirklichung der Idee geschehen ist, brauche ich nicht erst zu erwähnen.

Hoffen wir zum Segen der Menschheit, dass also Beuring’s Ansicht sich bestätigen möge. Sollte dies in der That der Fall sein, so hätten wir das, was ich am Beginn des Aufsatzes als Forderung aufstellte, ein Mittel, welches im Körper die Krankheitserreger oder die von ihnen erzeugten Giftstoffe vernichtet und den Zellen gegen- über indifferent ist.

Zeitschrift für Naturwiss, Bd. 67. 1894. 12

178 Ueber Immunität und Immunisiruug von Dr. K. MvVELLER.

Falls sich diese Behauptungen in voller Grösse bewahr- heiten sollten, dann bedeutet diese Therapie für die innere Medizin etwa das, was die anti- und die aseptische Wund- behandlung in der Chirurgie bedeutet, d. h. eine Erfindung der allergrössten Tragweite und die erfolgreiche Erschliess- ung von Gebieten, an die der Menschengeist sich bisher nicht wagte.

Die letzte Frage, welche ich noch zu beantworten habe, ist die nach der Dauer der künstlichen Immunität. Da kann man im Allgemeinen den Satz aufstellen, dass die Erzeugung der Immunität um so unsicherer und kürzer dauernd ist, je mehr sich die immunisi- renden Stoffe von den Produkten lebender Bak- terien entfernen. (Lusarsch).

Wir sehen also, dass nach diesem Grundsatz, der Beurine’schen Blutserumtherapie die niedrigste Stufe der Dauer zukommt; sie erstreckt sich in der That nur auf Wochen. Bedeutend höher steht die Immunisirungsdauer bei Verwendung abgeschwächter Culturen; sie beträgt bei Milzbrandimpfung z. B. 2—3 Jahre, bei den Menschen- blattern sogar 5—10 Jahre.

Die Immunität endlich nach Ueberstehung von Infee- tionserkrankungen erstreckt sich meist über Jahrzehnte. Wenn wir nun berücksichtigen, dass trotz der Sehutz- impfung des Körpers an einer Stelle nicht nur diese Stelle immun ist, sondern der ganze Organismus, so lässt sich das nur daraus erklären, dass die immunisirenden Substanzen in den Körpersäften löslich sind. Darin nun, das einer- seits die immunisirenden Stoffe in den Körpersäften löslich sind, andererseits aber die erworbene Immunität eine auf Jahre ausgedehnte sein kann, darin liegt das physiologische Räthsel und Unmöglichkeit einer ausreichenden Erklärung für den Vorgang der Immunität.

Ueber die hydrolytischen Spaltungen organischer Substanzen.

Von Prof. Ed. Donath Brünn.

Die Prozesse, bei welchen eine grosse Anzahl der verschiedensten organischen Substanzen durch die Ein- wirkung von Säuren oder Alkalien oder sogenannten un- geformten Fermenten (Enzyme) unter Aufnabme der Elemente eines oder mebrerer Moleküle Wasser eine Spaltung, in manchen Fällen einen successiven Abbau erfährt, sind nicht nur in physiologischer Beziehung für die Biologie der Pflanze und des Thieres von grösster Bedeutung, sondern auch für die Technik bekanntlich von Wichtigkeit. Man hat deshalb schon seit Langem für die Erklärung dieser nahezu räthselhaften Prozesse die verschiedensten Theorien aufgestellt!), (Siehe Dr. AnorLr Meyer, die Lehre von den chemischen Fermenten oder Enzymologie, Heidelberg U. 8. w.) Ich habe ebenfalls schon vor zwanzig Jahren, als ich mich mit dem Studium des von mir „Invertin“ ge- Nannten ungeformten Fermentes der Bierhefe beschäftigte, in einem Vortrage im natnrforschenden Vereine zu Brünn

!) Wie weit die theoretischen Anschauungen über ähnliche Prozesse früher in blosse Hypothesen übergingen, ergiebt sich aus

an spitzige Glassplitter durch die scharfen Kanten derselben in ihre Atome zerfallen. ee

12*

180 Ueber die hydrolytischen Spaltungen organischer Substanzen.

eine Anschauung tiber dieselben ausgesprochen. Auf Grund der inzwischen wesentlich geänderten theoretischen An- schauungen, weiterer Beobachtungen Anderer und einiger eigener Versuche möchte ich mir in Folgendem erlauben, den genannten Prozessen eine allgemeine Deutung zu geben. Ich bin zu derselben wesentlich durch folgende Be- trachtungen gelangt.

Erstens werden die der hydrolytischen Spaltung fähigen, verschiedenartigsten Substanzen von labilerem Molekül wie: Kohlehbydrate, Fette, Proteinsubstanzen, Glyeoside u. s. w. bei Aufnahme der Elemente eines oder mehrerer Molektle Wassers stets in Substanzen von stabilerem Mole- küle, von geringerer Atomzahl gespalten, wobei gleich- zeitig die Spaltungsprodukte zusammen eine beträchtlich geringere Verbrennungswärme besitzen, als die ursprüng- liche Substanz, so dass es bekannten thermochemischen Grundsätzen entsprechend zweifellos ist, dass bei diesen Prozessen Wärme entwickelt, also potentielle Energie (che- mische Spannkraft) in kinetische Energie (Wärme) umgesetzt wird. Nach den Bereehnungen, welche über einige der be- kanntesten Prozesse dieser Art in Naumanns Handbuch der Thermochemie 1882 S. 417 angestellt sind, sind die eni- sprechenden Umsetzungswärmen sogar ziemlich beträcht- liche; doch ist meines Wissens noch keine derselben bisher experimentell festgestellt worden.

Ein weiteres für die Betrachtung dieser Vorgänge mir massgebendes Moment war der dritte thermochemische Grundsatz BERTHELOTS?), das Prinzip der maximalen Arbeit, nach welchem eine jede chemische Uebersetzung oder

1) Der Chemismus der chlorophylihaltigen Pflanze; zwei Vor- träge im naturforschenden Verein in Brünn 1873. : 2) Ich kenne wohl die gewichtigen Gründe, welche gegen die Allgemeingültigkeit dieses Satzes von verschiedener und berufenster Seite vorgeführt wurden; aber selbst Prof. Dr. Nernst, der dieselben in seinem vorzüglichen allgemeinen Theile von Dammers Handbuch

der unorganischen Chemie 1892 kritisch zusammenstellt, sagt, 8.31,

dass „trotz der energischen Abwehr der Allgemeingültigkeit dieses Prinzipes keinesfalls gegen die vorsichtige Verwendung dieses Satzes als einer erfahrungsgemäss häufig stimmenden Regel Einspruch er hoben werden darf“.

Von Prof. Ep. DonATH. 181

Veränderung, welche sich ohne Dazwischenkunft einer frem- den Energie vollzieht, die Erzeugung jener Körper anstrebt, bei deren Bildung die grösste Wärmeentwickelung erfolgt. Die dritte mich leitende Betrachtung war folgende. In dem Molekül Wasser sind nicht beide Wasserstoffatome gleichwerthig (siehe darüber Gaxswinpr: Constitution des Wassermoleküls. Ch. Zeit. Rez. 1891. 161 und Andere). Das eine in der Hydroxylgruppe enthaltene scheint in festerer Bindung mit dem Sauerstoff zu sein als das zweite, so dass man die Formel des Wassers gewissermassen als H—OH und nicht H—0O—.H aufzufassen hat. Von der grossen Molekularbildungswärme des Wassers ist eben der weitaus grösste Theil auf Rechnung der Hydroxylbildung zu setzen, so dass die Bindung des zweiten Wasserstof- atomes bei der Wasserbildung mit weitaus geringerer Energie erfolgt und deshalb eine weniger feste ist, als die des ersteren. Weiter lässt sich auch aus den bisherigen thermochemischen Resultaten folgern, dass die Wärme- tönung, welche bei der Hydroxylbildung auftritt, beträcht- licher ist als irgend eine, die der Bindung eines Sauer- stoffatomes mit irgend einer Kohlenstoff und Wasserstoff enthaltenden Atomgruppe oder einer anderen Atomgruppe überhaupt entspricht. Wenn wir daher in einem Molekül einer labileren organischen Verbindung ein Sauerstoffatom mit zwei solchen Atomgruppen R’ und R in der durch

R R:>0

ausgedrückten Formel in Bindung sehen, wie sie den Aethern, Anhydriden !) entspricht, so wird das Molekül dieser labileren Verbindung an dieser Stelle den schwäch- sten Angriffspunkt besitzen, weil das Sauerstoffatom das Bestreben haben wird, in eine mit grösserer Wärmetönung —.

') TOLLENS nennt diese Art der Sauerstoffbindung die des Aethylen- und Propylenoxydes. Maronuewskı, Berl. Ber. 183, 2929, nennt diese Bindung äthylenoxydartig. Die Ursachen, die mich zur Bezeichnung dieser Bindungsart als ätherartige oder Anhydrid- bindung veranlassen, bedürfen wohl keiner näheren Erörterung.

182 Ueber die hydrolytischen Spaltungen organischer Substanzen.

verbundene Bindung, in die Hydroxylgruppe einzutreten. . Lassen wir nun auf diese labilere organische Substanz Wasser im molekularen sfatus nascens einwirken, also ent- sprechend

| H = D—H+ a ensahne I Bon Ron

so wird durch das eine ohnehin lockerer gebundene Wasser- stoffatım des Wassermoleküles das Sauerstoffatom zur Hydro- xylbildung veranlasst. Es tritt an dieser Stelle eine Spaltung des labileren Moleküls ein, und es entstehen zwei Spaltungs- produkte, von denen jedes eine Hydroxylgruppe im Mole- kül mehr enthält, wobei infolge der der Hydroxylbildung entsprechenden grösseren Wärmetönung twickelung auftritt, also eine Art innerer Verbrennung erfolgt.

Es handelt sich nun darum, zu zeigen, ob diese, wie ich glaube durchaus unseren gegenwärtigen Anschauungen entsprechenden und nicht gezwungenen Argumentationen bei den bydrolytischen Spaltungen, die z. B. durch Säuren oder Alkalien bewirkt werden, zutreffen.

Soweit wir die Structur der solcher hydrolytiseber Spaltungen durch Enzyme fähigen Körper, also der Kohle- hydrate, Glycoside, Fette, Proteinsubstanzen kennen, können wir allerdings nur bei einem Theile derselben mit einiger Bestimmtheit annehmen, dass in ihrem Molekül mindestens ein Sauerstoffatom in der oben bezeichneten anhydrid- ähnlichen Bindung enthalten ist!). Bezüglich der von den Kohlehydraten noch am wenigsten studirten Stärke- und

Stärke und Cellulose sind gewiss als hocheomplicirte, aber äther- artige Verbindnng aufzufassen, wofür nebst anderen die von RACONNOT, FFHLING, insbesondere aber von HönıG und SCHUBERT (Monatsheft für Chemie 1885) untersuchten Schwefelsäureesi sprechen; ihrer Struetur nach sind sie wahrscheinlich zugleich Aether und zugleich Alkohol.

1) Veber die Constitution der Glycoside siehe die jüngste |

Mittheilung von L. MarcuLewskı (Berl. Ber, 1893. 2928)

Von Prof. En. Doxatn. 183

Cellulosegruppe, deren Spaltung und Abbau durch Säuren und Enzyme nicht nur am interessantesten, sondern auch technisch am wichtigsten ist, wird von mehreren Forschern, die über ihre Constitution bestimmte Anschauungen aus- gesprochen haben, das Vorhandensein mehrerer Sauerstoff- atome in solcher Bindung angenommen‘). (Siehe Fırrıe: Ueber die Constitution der sogenannten Kohlehydrate, Tübingen 1871 und Torzens: Kurzes Handbuch der Kohle- hydrate.) Bezüglich der Fette und einiger anderer dieser Substanzen können wir das mit Bestimmtheit annehmen.

Betrachten wir nun speciell näher die Vorgänge, die bei der Einwirkung verdünnter Schwefelsäure auf Stärke, also bei unserem technischen Prozesse der Traubenzucker- gewinnung sich abspielen. In der verdünnten Schwefel- säure müssen wir den thermischen Verhältnissen beim Mischen von Schwefelsäurehydrat und Wasser entsprechend ein Hydrat der Schwefelsäure existierend annehmen, indem auf ein Molekül SO,H, eine bestimmte grössere Anzahl von Molekülen H,0, gewissermassen in Form einer Mole- kularverbindung enthalten sind. (Siehe Tuomsen, PICKERING und Andere.) Zwischen der Schwefelsäure, einem Körper von so stark acidem Charakter und der Stärke darf wohl selbst bei dieser Verdünnung der Schwefelsäure keine völlige Indifferenz angenommen werden?), wenn es auch nn

') C. SCHEIBLER und H. MiTTELMEYER haben allerdings 18% (Berl. Ber. 3060) andere Anschauungen über die Constitution der Granulose (dem charakteristischen Bestandtheile der Stärke) aus- &eSprochen. Nach ihnen besteht das Molekül der Granulose aus einer noch nicht bekannten Anzahl von Glycosegruppen, die mittelst Monoearbonyl und auch mittelst einer Dicarbonylbindung verknüpft

in müssen, Lässt man diese Anschauung gelten, so wird dennoch an den obigen Folgerungen nichts geändert, denn auch hier wird der Sauerstoff aus mehrfachen Gründen, ja vielleicht noch in hüherem Grade die Neigung besitzen, in die Hydroxylbindung überzugehen. Im übrigen sind in der jüngst veröffentlichten Mittheilung der ge nannten Forscher (Ber. 1893, 2930) über die Constitution des Rohr- zuckers und der Stärke Formeln benutzt worden (für Rohrzucker CO, . © . CyH410z und für Stärke OsHu05 . O +»... CoHuOn), die mit den hier gemachten Annahmen wohl im Einklange stehen.

%) n nach Höxıc und Schugerr und Anderen a. a. 0. Stärke und Cellulose mit eoncentrirter Schwefelsäure so leicht

184 Ueber die hydrolytischen Spaltungen organischer Substanzen.

zu keiner chemischen Action kommt. Diese gewisse chemische Spannung aber bewirkt insbesondere, wenn Er- wärmung der Flüssigkeit dazutritt, eine Spaltung des höchsten Schwefelsäurebydrates, wobei ein Molekül Wasser desselben abgespalten wird entsprechend der Formel (S0,H,+XH3;0) = (SO,H,+X 1.H,0)-+H30. In diesem Zustande des molekularen status nascens aber wirkt das eine Wasserstoffatom auf eines der in der Stärke in der Bindungsform

R

p >20

| vorhandenen Sanerstoffatome, die Hydroxylbindung an- strebend, ein und es erfolgt eine Spaltung des hoch zu- sammengesetzten labilen Stärkemoleküls unter Bildung eines Zuckers und eines anderen Kohlehydrates von der allgemeinen Formel Ce HjozO;,, welches in gleicher Weise fortgesetzt wahrscheinlich solange Spaltungen erfährt, als noch ein Sauerstoffatom in dieser erörterten Bindungsform enthalten ist. Das durch Abspaltung eines Wassers ent- standene niedrigere Hydrat der Schwefelsäure kann, nach- dem Wasser im Ueberschusse vorhanden ist, sich wieder unter Aufnahme desselben in das frühere, höhere Hydrat verwandeln und dadurch wieder in derselben Weise wie früher wirksam werden. Ist schliesslich durch den fort- währenden Verbrauch an Wasser zur Hydrolisirung die verdünnte Schwefelsäure gewissermaassen concentrirter ge worden, so wird sie allerdings andere Wirkungen aus zuüben vermögen. Auch in der verdünnten Salzsäure dürfen wir wohl verschiedene Hydrate des Chlorwasser- stoffes existirend und deshalb die gleiche Wirkung der- selben annehmen. Aehnliche Betrachtungen dürfen aber auch auf die meisten in wässeriger Lösung befindlichen Schwefelsäureester bilden, so wird zwischen Stärke und der hoch- hydratisirten Schwefelsäure, wie wir sie in der verdünnten Schwefel- säure annehmen müssen, doch immerhin auch eine gewisse chemische Spannung ein gewisses Bestreben nach chemischer Umsetzung AU genommen werden dürfen.

Von Prof. Ep. DoNATH. 185

Säuren ausgedehnt werden. Noch berechtigter sind dieselben bei den z. B. vielen Glycosiden gegenüber sich als Spal- tungsmittel erweisenden Alkalien, welche in wässerigen Lösungen ebenso hydratisirt angesehen werden können, wie die sogenannten starken Mineralsäuren.

Man könnte einwenden, wenn Schwefelsäure und Kaliumhydroxyd in ihren wässerigen Lösungen in gleicher Weise hydratisirt sind, warum wirkt letzteres nicht ebenso hydrolytisch auf Stärke ein wie erstere. Allein diesem Falle fehlt eine wesentliche Vorbedingung, nämlich das Bestreben chemischer Anziehung und Umsetzung zwischen den beiden genannten Substanzen. Zwischen der Stärke, welche in ihrer Structur zwischen der eines Aethers und der eines Alkohols steht, also gewissermassen electro- positiven basischeren Character besitzt, und der stark aciden Schwefelsäure kann ein solches Umsetzungsvermögen angenommen werden, nicht aber zwischen Stärke und Kaliumhydroxyd, welche gewissermassen einen gleichen electrochemischen Charakter besitzen. Dafür sprechen auch die Erscheinungen bei der hydrolytischen Spaltung der Glyeoside. Manche derselben sind vorzugsweise durch Alkalien spaltbar; aber das eine der Spaltungsprodukte hat dann zumeist den Character eines Aldehydes oder Phenols, eines mehr aciden Körpers und diese Spaltung ist dann eigentlich als eine Art Verseifung aufzufassen.

ü neuerer Zeit (siehe Nersst in Dammers Hand- buch ete. S. 277) fasst man auch die Zuckerinversion durch Säuren als eine specifische Wirkung der freien Wasserstoff-Ionen auf, welche den gegenwärtigen Anschau- üngen der physikalischen Chemie entsprechend, nur in einer wässerigen Lösung von Säuren enthalten sein können. Allein wie ist dann die Inversion des Zuckers durch In- vertin zu erklären, die Umwandlung der Stärke und anderer Substanzen durch Wasser allein ete.?')

.. Pass in vielen Fällen zur hydrolytischen Spaltung Dicht einmal die Gegenwart solcher in hydratisirter Form BE seien,

') Man sieht übrigens, dass die von mir entwickelte Theorie

yurchans nichts enthält, was mit der Annahme der Wirkung freier asserstoff-Ionen so direet im Widerspruch stünde, denn auch ich

186 Ueber die hydrolytischen Spaltungen organischer Substanzen.

in Lösung vorhandener Säuren oder Alkalien nothwendig ist, ist aus vielen Fällen bekannt. So wird Stärke schon durch blosses Kochen mit viel Wasser thatsächlich ver- ändert (C. J. Liwıser und 6. Dürr. Berl. Ber. 189. 2537) und der Stärkekleister enthält wahrscheinlich bereits Amylodextrin neben anderen Substanzen.

Ganz besonders wichtig sind in dieser Richtung die Untersuchungen Zurkowskys (Ber. der österr. Gesell. ete. 1888, S. 2) über den Abbau der Stärke durch Glycerin, und es ist sehr bedauerlich, dass dieselben weder durch ihn noch durch andere mit der Stärke sich beschäftigenden Forscher fortgesetzt wurden. Er hat constatirt, dass durch Einwirkung von erhitztem Glycerin auf Stärke eine weiter- gehende Spaltung der Stärke erfolgt, wobei nicht nur die Dextrine von niedrigstem Molekulargewicht, wie Erythro- dextrin und Achrodextrin, sondern auch Substanzen ent- stehen, welche in absolutem, ja sogar in Aetheralkohol löslich sind und deshalb ein ganz anderes Verhalten als die Dextrine im Allgemeinen zeigen.

Solange die Zusammensetzung der dabei erhaltenen Produkte nicht bekannt ist, weiss man nicht, ob man e8 hier bloss mit einem Abbau der Stärke durch Sprengung ihres Moleküls in solche von geringerem Molekulargewichte aber der gleichen procentischen Zusammensetzung oder gleieh- zeitig mit einer Hydrolyse und Bildung hydroxylreicherer Substanzen zu thun hat. Er erschien mir nun der We danke sehr naheliegend, die viel leichtere hydrolytische S;altung, die Inversion gewisser Zuckerarten durch Glycerin zu untersuchen. i

In einem käuflich erbältlichem Glycerin von spec! fischem Gewicht 1-2556 bei 17'500, also ungefähr 97° Glycerin enthaltend, wurden 10°/, des Gewichtes an M# nade aufgelöst und die Lösung in offener Schaale eine halbe Stunde bei 130°C erhitzt. Die unverändert aus sehende verdünnte Flüssigkeit gab nun mit Fenuine’scher

sehe als die Hauptursache der hydrolytischen Spaltungen die Wirkung | der beim Abspalten von Wasser vorübergehend in einen status n artigen Zustand ausser dem Hydroxyl befindlichen Wasserstoll _ atome an. nn

Von Prof. Ep. DONATH. 187

Lösung erhitzt starke Ausscheidung von Kupferoxydul und ein quantitativer Versuch ergab, dass 420), des Zuckers in Invertzucker umgewandelt war. Bei einem zweiten Versuche wurden 9-3545 gr Raffinade in 100em? Glycerin gelösst, welches vorher mit 10°/, seines Gewichtes mit Wasser verdünnt wurde und nun in gleicher Weise wie vorher verfahren; die Menge der invertirten Sacharrose betrug jetzt 7-3 /,. Bei einem dritten Versuche mit Glycerin, das mit 20°), Wasser vorher verdünnt wurde, betrug die invertirte Rohrzuckermenge 15'3°%,, und als die Versuche mit diesem wasserhaltigen Glycerin in einer Livrer’schen Druckflasche bei 120—130°C wiederholt wurden, ergab sich, dass über 60°/, des Rohrzuckers invertirt waren. Dementsprechend zeigten auch die Lösungen im Halb- schattenapparate eine beträchtliche Abnahme der Rechts- drehung. Als die Versuche mit wässerigem Glycerin in der Lixtxer’schen Druckflasche durch mehrere Stunden bei 150—190°C ausgeführt wurden, zeigten die Flüssig- keiten bereits Linksdrehung, jedoch gleichzeitig eine ziem- lieh beträchtliche Färbung, ein Beweis, dass eine theilweise Zersetzung, wahrscheinlich der gegen höhere Temperaturen besonders empfindlichen Lävulose eingetreten war').

In gleicher Weise wurden Versucbe mit Dextrin, Maltose und Milchzucker mit Glycerin, dem 10°), Wasser zugefügt wurden, angestellt. Eine Umwandlung des Dextrins = Dextrose war hierbei nicht nachzuweisen, dagegen war eine partielle Umwandlung der Maltosein Dextrose, nachweis- bar durch die Zunahme des Reduetionsvermögens und die Veränderung des Drehungsvermögens und in noch höhereın Grade aber keineswegs vollständig war eine Inversion des Milchzuckers erfolgt. Es ergiebt sich demnach, dass Rohr- zucker, Milchzucker und Maltose durch Erhitzen mit wässerigem Glycerin eine hydrolytische Spaltung in dem Sinne, wie sie durch verdünnte Mineralsäuren bewirkt Wird, erfahren und zwar am leichtesten die Sacharose und am schwierigsten die Maltose. Es entspricht dies auch

. » Vielleieht ist durch das Glycerin bei dieser Temperatur schon eine stärkere „Reversion“ der Lävulose herbeigeführt worden.

188 Ueber die hydrolytischen Spaltungen organischer Substanzen.

dem Verhalten der genannten Zuckerarten bei der Inversion durch verdünute Mineralsäuren, wobei Sacharose am leichtesten, Milchzucker weniger leicht und am schwierig- sten Maltose (und Trehalose) invertirt werden.

Diese wenigen Thatsachen'!) sind für die Theorie der hydrolytischen Spaltungen, wie ich glaube, doch schon von einem gewissen Werthe. Während das wenig Wasser enthaltende Glycerin verhältnissmässig nur geringe inver- tirende Wirkung ausübte, stieg dieselbe nach der Ver- » dünnung mit 10°), und noch mehr mit 20°), Wasser. Da wir aus der bekanntlich sehr energischen Absorption von Wasser durch wasserfreies Glycerin, aus der beim Mischen desselben mit Wasser eintretenden Contraction und Tempe- raturerhöhung (Lenz, STROHMER) wohl die Folgerung ziehen können, dass das Glycerin in hydratisirtem Zustande vor- handen ist, die vorhandenen Hydrate aber bei den höheren Temperaturen in vorliegenden Versuchen sich in Glycerin und Wasser wieder spalten, so liegt doch wenigstens in vorliegenden Fällen der Gedanke äusserst nahe, dass das abgespaltene gewissermaassen im molekularen status nascen® sich befindliche Hydratwasser es ist, welches, unterstützt durch die höhere Temperatur, die hydrolytische Spaltung der genannten Zuckerarten bewirkt.

Zur weiteren Begründung dieser Anschauungen mög® noch folgendes angeführt werden. Inulin kann bekanntlich schon durch anhaltendes Kochen mit Wasser allein ver zuckert, in Lävulose übergeführt werden, und die Fette können durch Wasser bei höherem Druck gespalten wer den. Auch die Wirkung des Pepsins auf Eiweissstoffe soll dadurch ersetzt werden können, dass man die Letateret mit Wasser in eine Röhre einschliesst und auf eine be- stimmte Temperatur (170—180°) erhitzt; auch für mehrere Glyeoside sind ähnliche Spaltungen durch Wasser allein bekannt. Es gerügt also in manchen Fällen bloss die durch Temperaturerhöhung (wie bei allen Körpern) 8% steigerte Neigung des Zerfalles bei dem hochzusammeng®"

1) Ein ausführliches Studium des Verhaltens wässerigen aly- cerins gegen Zuckerarten, Glycoside etc. möchte ich mir vorbehalten

Von Prof. Ev. DonarH. 189

setzten Molekül der organischen Substanz und die Beschleu- nigung der Atombewegung im Wassermolekül, um eine Spaltung mit gleichzeitiger Hydrolyse zu bewerkstelligen; das zeigt wohl genügend, dass wir es auch in den anderen Fällen nicht mit auf wesentlich anderen Ursachen beruhen- den Vorgängen zu thun haben dürften.

Viel schwieriger gestaltet sich allerdings die Auffassung der durch Enzyme bewirkten hydrolytischen Spaltungen. Wir kennen bereits eine sehr grosse Anzahl derselben und zweifellos spielen sich im Pflanzen- und Thierkörper noch weitaus mehr ab, als uns bisher bekannt sind. Es ist vielleicht nicht zu viel gesagt, wenn behauptet wird, dass fast in jeder lebenden Zelle derartige Vorgänge sich ab- spielen, und dass die durch die dabei erfolgende Hydroxyl- bildung, innere Verbrennung entwickelte Wärme gewiss ein Theil der den Lebensprozess begleitenden Wärmeentwick- lung ist.

Die ungeformten Fermente zeigen nun im Allgemeinen gegen die entsprechenden organischen Substanzen ein ähn- liches Verhalten nur gewissermassen in schwächerem Sinne. So wird z. B. Stärke von verdünnten Mineralsäuren zu Dextrose verzuckert, von diastatischen Fermenten jedoch ur bis zu Maltose. Wir können allerdings die früheren Betrachtungen nicht ohne weiteres auch auf diese Wirkung der ungeformten Fermente ausdehnen, da die Kenntniss derselben noch eine äusserst mangelhafte ist und wir nicht enmal ihre näheren Eigenschaften, geschweige denn ihre Constitution kennen. Allein das wenige, was wir über die- selben wissen, lässt es durchaus nicht als unwahrscheinlieb erscheinen, dass auch sie in ihren wässerigen Lösungen entweder in verschiedenen Zuständen der Hydratisirung vorhanden sind oder wenigstens das Bestreben zur Hydra-

'Tung haben, also eine Anzahl von Wassermolekülen in eine Art chemischer Spannung versetzen. Nach ZuLkowskY und.

ÖNIG!) Jassen sich mehrere Enzyme aus ihren wässerigen Lösungen durch Aether im Zustande hoher Aufquellung als RR

: = Sitzungsbericht der Kaiserl. Akademie d. Wissenschaften 1875,

190 Ueber die hydrolytischen Spaltungen organischer Substanzen.

frusehlaichartige Masse ausscheiden, wie ich dies auch beim Invertin constatirt habe; nach den Versuchen von Dr. Anorr MAYER (siehe dessen Enzymologie) wird trockenes Invertin durch höhere Temperaturen nicht alterirt, wohl aber in seiner Wirksamkeit durch Kochen wässeriger Lösungen zerstört.

Nach Wurtz {compt. rend. 91 p. 787, auch Marsx's eitirtes Werk) erfährt Papain durch anhaltende Erwärmung seiner Lösung eine Aenderung seiner Elementarzusammen- setzung im Sinne einer Zunahme des Wasserstoffgehaltes. Das sind doch immerhin Momente,') welche es wenigstens nicht unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass die Enzyme in ihren wässerigen Lösungen das Bestreben der Wasser- addition, der Hydratisirung besitzen, wie wir es bei vielen Säuren und den Alkalien mit allerdings viel grösserer Bestimmtheit annehmen dürfen. Auch dafür, dass zwisch®n dem spaltbaren Körper und dem Enzyme ein gewisses An- ziehungsbestreben vorhanden ist (wie wir dies zwischen Stärke und hydratisirter Schwefelsäure angenommen haben) liegen schon einige Beobachtungen vor. Nach Wurtz wird Papain aus seinen Lösungen unauswaschbar auf dem Fibrin fixirt und erst nach stattgefundener Lösung (Verdauung) desselben wieder zu weiterer Wirkung frei. Dasselbe Ver- halten zeigt nach ihm das Pepsin.

Wir sehen also, dass gewisse Analogien zwischen dem Verhalten der Enzyme und dem gewisser Säuren gegen bestimmte organische Substanzen immerhin angenommen

werden können. Während jedoch die hydrolytische Wirkung 5 der Säuren und (wenn auch in geringerem Grade) die der Alkalien viel allgemeiner ist, auf eine grössere Anzahl vn

organischen Verbindungen sich erstreckt, ist dies bei den Enzymen jedoch nicht der Fall und fast jedes derselben

äussert seine Wirkung nur auf einen bestimmten Körpel

Die Enzyme haben eben keinen so ausgeprägten chemie Charakter, wie die Mineralsäuren und Alkalien und desba

findet bei jedem derselben das Bestreben einer chemische

1) Als solche wäre noch das Verhalten der Enzyme gegen de 2 :

stoffsuperoxyd und einige andere Erscheinungen anznfihren.

Von Prot. Ev DoNATH. 191

Anziehung oder Anlagerung und Umsetzung nur gegenüber einer bestimmten Substanz statt, die zu ihm ihrem chemi- schen Charakter nach in einem wenn auch geringen chemi- schen Gegensatze steht. !)

Dass die hydrolytischen Spaltungen durch Enzyme sich allerdings nicht so leicht auf Grund der im Vorliegenden Eingangs erörterten Prinzipien erklären lassen, wie der Ab- bau der Stärke oder die Inversion des Zuckers durch Säuren, die Zerlegung der Glycoside ete. bin ich mir wohl bewusst; allein sie scheinen doch in vielen Beziehungen analog zu sein, und vorläufig spricht wenigstens nichts da- gegen, auch die hydrolytischen Fermentwirkungen vom gleichen Standpunkte aus aufzufassen.

Wenn die vorher an speciellen Beispielen entwickelten Anschauungen zu einer allgemeineren Theorie der hydro- Iytischen Spaltung organischer Substanzen präeiser gestaltet werden sollen, so gelangt man zu folgender Fassung der- selben:

1) Alle soleher Spaltungen fähigen organischen Sub-

stanzen enthalten in ihrem Molekül mindestens ein Sauer- stoffatom in der anhydrid- oder oxydartigen Bindung (bei den Substanzen, die einen eigentlichen Abbau erfahren, Stärke, Proteinsubstanzen sind mehrere solcher Sauerstoff- atome vorhanden). Dieses hat das Bestreben, in die mit be- deutend grösserer Wärmeentwickelung verbundene Hydro- *ylbindung überzugehen. Ä 2) Die die Spaltung veranlassenden Substanzen, Säuren, Alkalien sowie Enzyme sind in ihren Lösungen entweder in hochhydratisirtem Zustande enthalten (die ersteren) oder haben das Bestreben sich zu hydratisiren.

3) Zwischen dem spaltbaren und dem spaltenden Körper besteht eine wenn auch sehr geringe Affinität (chemische Spannung), welche eventuell durch eine Er- höhung der Temperatur a oe in

snaltan i BEE rd

1) Wenn wir auch die dualistische Anschauungsweise lange aus dem chemischen Lehrzebäude eliminirt haben, so sind manche der- n entsprungene Bezeichnungen zum Ausdrucke gewisser Be- Hehungen noch immer gut verwendbar,

192 Ueber die hydrolytischen Spaltungen organischer Substanzen.

den Körper veranlasst, ein Molekül Wasser in einer Art von molekularen status nascens abzutrennen.

as lockerere, nicht als Hydroxyl gebundene Wasserstoffatom desselben veranlasst den verkettenden Sauerstoff der organischen Substanz zur Hydroxylbildung, infolge deren die Spaltung und eine Art innerer Verbren- nung (unter Wärmeentwickelung) erfolgt.

Ueber neue Fundorte der subhereynischen Kreideflora.

Von Dr. Lampe, Quedlinburg.

Eine Zusammenstellung der bis dahin bekannten Fund- orte der subhereynischen Kreideflora giebt Dr. Erwın SCHULZE in seiner Schrift über die Flora der subherey- nischen Kreide, die im 60. Bande dieser Zeitschrift abge- druckt ist.

Nach einer Darlegung der geschichtlichen Entwickelung unserer Kenntniss von der subhereynischen Kreideflora folgt eine Erörterung der geognostischen Stellung der die Pflanzenreste einschliessenden Schichten und eine Be- schreibung der Fundorte. Bei jeder der pflanzenführen- den Stufen ist ein Verzeichniss der ihre Flora zusammen- setzenden Arten gegeben.

Der Zweck meiner Mittheilung ist es, einige neue Fundorte, die von mir bei meinen geologischen Streifereien in der Umgebung Quedlinburgs aufgefunden sind, für weitere Kreise bekanut zu machen.

Ich habe dieselben, soweit es mir möglich war, aus- sebeutet; allerdings werden fortwährend noch neue Sachen gefunden und ist die Ausbeutung keineswegs abgeschlossen.

Eine genauere Bestiminung der vielen, theilweise recht gut erhaltenen Reste war mir aus verschiedenen Gründen bis jetzt noch nicht vollständig möglich; ich habe mich vorläufig auf die am häufigsten vorkommenden Blätter be- schränkt. Jedenfalls unterliegt es keinem Zweifel, dass Sich unter den Funden viele, für die subhereynische Kreideflora vollkommen neue befinden.

Zeitschrift f, Naturwiss, Bd, 67, 1894, 2

194 Ueber neue Fundorte der subhereynischen Kreideflora.

Für die untere Kreide sind neue Fundorte nicht bekann geworden; auch war eine weitere Ausbeutung der bekannten, am kleinen Helmsteine bei Westerhausen und der Langen- berge, des schlechten Aufschlusses wegen, nicht möglich.

Während Pfianzenreste, mit Ausnahme von Algen, aus dem Plänerkalke von Quedlinburg bis vor kurzem nicht bekannt waren, sind in neuerer Zeit Coniferenreste mehr- fach gefunden worden, so von Sequoia Reichenbachi und Geinitzia formosa. Wenigstens stimmen die aufgefundenen Stücke mit denen aus den Lettenschichten der Altenburg ziemlich überein. Zapfen fehlen allerdings. Beide Coniferen ziehen sich vermutlich durch alle Schichten der oberen Kreide hindurch.

- Für die Flora des Salzberges giebt Dr. Scuuzze fol- gende Pflanzen an: einen Farn sScleropteris callosa und eine Sequoia; ferner führt er an, dass nach EwArnp sich auch Geinitzia formosa fände. Als Fundort wird die oberste feste Bank unter der Grenze des oberen Quadermergels der Hasenköpfe am alten Warnstedter Fusswege bezeichnet.

Ich habe Pflanzenreste, wenn auch spärlich, in fast allen Bänken des Salzberges gefunden, keineswegs an eine bestimmte Schicht gebunden.

Als sicher bestimmbar liegen vor Seguoia Reichenbach, Geinitzia formosa, Seleropteris callosa und die untere Hälfte eines Dicotylenblattes.

Auch vom Löhofe, von dem bisher Pflanzenreste über- haupt nicht bekannt waren, befindet sich in meiner Samm- lung die Spitze eines Dicotylenblattes und zwar eines Dryophyllum.

Nach Bespreehung der zahlreichen Reste der Letten- schichten der Altenburg, zu denen sich übrigens in neuester Zeit auch noch eine bis jetzt unbekannte Conifere gesellt, die wahrscheinlich zur Gattung G?yptostrobus Endl. gehört, theilt Dr. Scuurze mit, dass sich im mineralogischen In- stitut der Universität Halle mehrere Stücke eines Pflanzen- abdrücke enthaltenden, gelben bis rothbraunen, eisen- schüssigen Sandsteines befinden, die als ehemalige Reste der Stiehlerschen Sammlung höchst wahrscheinlich aus der | Umgebung von Quedlinburg stammen, deren näherer Fund- ;

Von Dr. Lampe. 195

ort aber unbekannt ist und trotz vielfachen Suchens nicht aufzufinden war.

Auch Heer führt in seiner Kreideflora von Quedlinburg einige ähnliche Funde an und nennt als Fundstätte den Langenberg. Nach den bisherigen Erfahrungen über das Alter der Klasse der Dieotylen war es von vornherein un- wahrscheinlich, dass diese Reste, bei denen Dicotylen über- wiegen, den gaultinen Schichten der Langenberge ent- stammen. Diese Vermuthung hat sich auch bestätigt. Es ist mir nämlich gelungen, den Fundort wieder aufzufinden, und zwar liegt er auf der Altenburg in der Nähe des Sternbrunnens. Verlässt man bei der neuen Mühle die nach Weddersleben führende Chaussee und steigt den nach der Altenburg führenden Hohlweg hinauf, so gelangt man in einen Steinbruch, in dem jetzt ein Thonlager ausgebeutet wird.

In diesen Thonen sind zahlreiche Reste von Dicetylen und Coniferen vorhanden, die darum von hohem Interesse sind, weil die Blattsubstanz noch vollkommen erhalten ist. Eine genaue mieroseopische Untersuchung dieser Blätter wird jedenfalls für die Bestimmung der einzelnen Arten einen viel sicheren Anhalt geben, als die blossen Ab- drücke.

Während diese Fundstätte früher nur unvollkommen und kurze Zeit aufgeschlossen war, so dass sie nicht aus- gebeutet werden konnte, gelang es mir, namentlich im Jahre 1891, eine Reihe von Blättern zu sammeln. Die Fundstätte ist auch jetzt noch aufgeschlossen, es ist aber nicht leicht, gute und vollständige Exemplare zu erhalten. Zunächst ist trockenes Wetter nothwendig, da bei Regen der Thon sofort aufweicht und die Blattsubstanz zerfällt. Dann müssen die Funde auch möglichst an Ort und Stelle sorgfältig präparirt werden; am besten überstreicht man sie sofort mit einer Gummilösung und wiederholt dasselbe Nachher noch mehrere Male. Auf diese Weise behandelt halten sich die Blätter am besten und können später auch Noch zu mieroscopischen Untersuchungen benutzt werden.

Am häufigsten findet sich hier Chondrophyllum %

2. sp., das allerdings in vollständigen a zu 13 :

196 Ueber neue Fundorte der subhereynischen Kreideflora.

gewinnen ist. Selten ist Credneria, die überhaupt im Alten- bergzuge sich nur vereinzelt vorfindet. Von Farnkräutern sind nur spärliche Reste vorhanden, so von Gleichenia Zippei und acutiloba; zahlreicher sind Coniferen, namentlich Geinitzia formosa und Euryeaecis sguamosa. Zapfen hiervon, die in den Lettenschichten der Altenburg und überall sonst, wo diese Coniferen sich finden, namentlich von Geinitzia formosa sehr häufig sind, kommen nicht vor.

Ueber den Thonen lagert zunächst ein fester gelblicher, dann ein mürber weisser Sandstein ohne irgend welche tbierische und pflanzliche Reste, und über diesem ein gelber oder rothbrauner, eisenschüssiger Sandstein mit vielen Pflanzenresten. Von diesem Fundorte stammen die oben erwähnten Stücke des mineralogischen Instituts der Universität Halle.

Auch hier findet sich Chondrophyllum trieuspe, ebenso Ch. hederaeforme, Hzer. Letzteres kommt auch in den Lettenschiehten der Altenburg vor; in dem oben erwähnten Thonlager ist es bis jetzt noch nieht aufgefunden. Es ist das umsomehr zu bedauern, als gerade hier eine genauere Untersuchung der Blattsubstanz einen Aufschluss über die Stellung der betreffenden Pflanze geben könnte. Die Ner- vatur ist auf dem Abdrucke nicht besonders gut erhalten. Herr, der das Blatt bestimmte, waren nur Fragmente be- kannt, auch sind die Abbildungen, die er in seiner „Kreide- flora von Quedlinburg“ giebt, nicht genau. Nach den in meiner Sammlung befindliehen vollständigen Abdrücken erseheint es als sicher, dass das Blatt überhaupt nicht zur Gattung Chondrophyllum zu zieben ist, dass es vielmehr neu zu benennen ist.

Reste von Coniferen sind selten und schlecht erhalten, ebenso ist nur ein kleines Wedelfragment eines Farnkrautes vorhanden.

Der wichtigste und reichhaltigste Fundort, der alle bisher bekannten durch die Menge der Formen und die gute Erhaltung übertrifft, befindet sich am alten Wege von Westerhausen nach Warnstedt,

Wenn man von Westerhausen kommend die Höhe er schritten hat, so sieht man rechts am Wege und links In

Von Dr. Lampr. 197

einer daneben befindlichen Kiefernschonung einen weissen, gelblichen, in einigen Bänken dunkleren Sandstein an- stehen, der Pflanzenreste in ungemein grosser Anzahl, wie sie bisher für die subhereynische Kreideflora nicht be- kannt waren, einschliesst. Es ist allerdings auch hier nieht immer möglich, den Fundort auszubeuten; sobald es geregnet hat, spaltet der Sandstein schlecht und man er- hält keine guten Abdrücke. Das beste Resultat hat man jedenfalls, wenn man den Fundort, nachdem es längere Zeit trocken gewesen ist, im Hochsommer besucht. Es empfiehlt sich, da der Sandstein zu mürbe ist, sofort nach dem Herauspräpariren der Blattabdrücke, das sehr leicht geschieht, das Gestein mit einer Lösung von Mastix oder Sandarak in Aether zu tränken und so zu härten.

Chondrophyllum hederaeforme tritt hier seltener auf, als auf der Altenburg; sehr zahlreich und in sehr guten Exemplaren ist Chondrophyllum tricuspe vorhanden mit den mannigfachsten Abweichungen. Es scheint fast ebenso zu variiren, wie die Oredneria-Arten.

Sehr häufig ist schliesslich noch ein Populus ähnliches Blatt, das bisher für die subhereynische und die deutsche Kreideflora unbekannt war. Es ähnelt der Populus litigiosa Heer, zeigt aber wesentliche Unterschiede, namentlich in der Zahl der Seceundärnerven.

Nach einer mündlichen Mittheilung des Herrn Rittmeister von Harnteı ist ein ähnliches Blatt auch im Heimburg- gestein aufgefunden und befindet sich in seiner Sammlung. Zu meinem Bedauern habe ich dasselbe mit den vielen in meinem Besitze befindlichen noch nicht vergleichen können. Ich habe das Blatt vorläufig Aegirophyllum‘) genannt, denn es erscheint mir immerhin bedenklich, Namen recenter Pflanzen zu benutzen, sobald nur die Blätter, nicht etwa auch Blüten und Früchte bekannt sind.

Von Coniferen sind nur schlecht erhaltene Reste vor- handen, so von Geinitzia formosa Zweige und Zapfen, ebenso der Zapfen einer Sequoia und von Eurycacis squamosa.

1) 7 alysıpos die Pappel.

198 Neue Fundorte der subhercynischen Kreideflora von Dr. Lampe.

Auch hier scheint COredneria zu fehlen; bis jetzt ist

noch kein auch noch so geringer Rest gefunden, der mit Sicherheit zur Gattung Credneria zu rechnen wäre. Wäh- rend Credneria also im Heidelbergzuge vorherrscht und zwar in einem Maasse, dass es längere Zeit, fast ein volles Jahrhundert, die einzige bekannte Pflanze des Heidelberges und der ganzen subhereynischen Kreide war, ist es in dem ganzen Altenbergzuge, mit Ausnahme der Lettenschichten, in denen überhaupt Coniferen überwiegen, C’hondrophylium triceuspe. Andererseits ist gerade letzteres für den Heidelberg sehr selten. Bisher ist mir nur ein Exemplar bekannt, das sich in der Sammlung des Herrn Rittmeisters v. HAENLEIN befindet und das von denen der Altenburg und Wester- hausen erhebliche Abweichungen zeigt.

Unzweifelhaft ist unsere Kenntniss der subhereynischen Kreideflora durch die neuen Fundorte erheblich erweitert. Trotzdem ist noch viel zu thun, und die weitere Ausbeutung wird hoffentlich noch viele und wichtige Abdrücke liefern.

Weitere Mittheilungen über die von mir gemachten Funde werden in kürzester Zeit erfolgen.

Ueber die Wirkungen des Septentrionalins. Von

Professor Dr, R. Kobert, Dorpat.

Unter denjenigen Pflanzen , welche durch die Eigen- artigkeit und Furchtbarkeit ihrer Wirkungen seit den er- denklichsten Zeiten die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich gezogen haben, nimmt der Sturmhut /Aconitum) eine der vorragendsten Stellungen ein. Die dem Alterthum und dem Mittelalter entstammenden Schriften derInder, Griechen,

ömer, Perser, Araber ete. berichten tiber Aconitwirkung die wunderbarsten, meist fabelhaft ausgeschmückten That- sachen.

Die moderne Botanik hat uns eine ganze Anzahl von Aconitarten unterscheiden gelehrt, welche als Aconıtum Napellus, Ac. ferox, Ac. Fischeri, Ac. heterophyllum, Ac. Ly- coctonum, Ac. Anthora, Ac. paniculata, Ac. variegatum, Ace. Stoerkeanum, Ae. uncinatum ete. unterschieden werden und welche sich ihrer Wirkung qualitativ und quantitativ sehr erheblich unterscheiden. Die den Aerzten und den Homoeopathie - treibenden Laien bekannteste Species ist Aconitum N: apellys, deren Knollen das Aconitin der Apotheken liefern, von welchem ein einziges Gramm mehr als 250 Menschen zu tödten im Stande ist.

Eine andere, jetzt in Deutschland kaum ärztlich benutzte, gelb blühende Species ist das Aconitum Lycoctonum WiLL- DENOw, dessen Name „Wolfstödter“ bedeutet. Diese Pflanze bildet in Russland seit den ältesten Zeiten ein vom Volke sowohl für innere als äussere Krankheiten oft gebrauchtes Heilmittel‘). Sie findet sich ausser in Russland auch ———

‘) Historische Studien aus dem pharmakolog. Institute zu Dor- bat, herausgegeben von Prof. R. KoBERT, Bd. 1, 1889.

200 Ueber die Wirkungen des Septentrionalins.

z.B. in den Hochalpen bis zu einer Höhe von 6—7000 Fuss hinauf. Nach Untersuchungen, welche namentlich in Dor- pat unter DRAGENDORFF ausgeführt worden sind, enthält diese Pflanze in ihren Knollen kein Aceonitin, sondern zwei eigen- artige Alcaloide, das Lycaconitin und das Myoctonin, welche eine sehr geringe Giftigkeit besitzen und therapen- tisch unbrauchbar sind.

Zu Aconitum Lycoctonum ist von den Botanikern und Pharmakognosten meist eine andere Species resp. eine Varietät in sehr nahe Beziehungen gesetzt worden; ich meine das Aconitum septentrionale Koelle, den Sturmhut des Nordens, welcher im europ. Russland, in Sibirien und in Lappland zu Hause ist. Es ist eine imponirende Pflanze, welche in Lappland über 2 m hoch wird und prachtvolle blaue Blüthen in reicher Fülle, aber selten Samen trägt. Sie besitzt ein perennirendes Rhizom, welches knollige Verdiekungen bildet. Gestützt auf die von den meisten Botanikern behauptete Ansicht, dass Aconitum septentrionale nur eine Varietät von Ac. Lycoctonum sei, möchte man glauben, dass beide Species sich auch in chemischer und pharmakologischer Beziehung fast identisch verhielten- Dem ist aber keineswegs so. Nach Untersuchungen, welehe Herr Dr. H. V. RosenpauL in Dorpat unter Professor DRAGENDORFF (chemisch) und unter meiner Leitung (pbarma- kologisch) angestellt hat, und zu denen er das Material als Arzt der lappischen Eisenbahn in Lappland selbst ein- gesammelt hat, enthält das Rhizom des nordischen Sturm- hutes drei bisher gänzlich unbekannte Alealoide mit eigenartiger Wirkung. Das eine aus Aetherlösung kry- stallirende, Lappaeonitin genannt, "hat die Formel C;,H,;N,0,; das andere, aus Chloroformlösung gewonnene, in Aether aber unlösliche, hat die Formel C,,H,;N50% und wird Septentrionalin genannt. Uber das dritte Alea- loid siehe weiter unten. Auch die Zersetzungsproducte der genannten 2 Alcaloide sind von denen des Aconitins, Lyeaconitins und Myoctonins verschieden. u

Hinsichtlich der Wirkung interessirt uns namentlich das Septentrionalin, welches bei Einspritzung unter d@

Haut oder noch besser ins Blut bei Kalt- und Warmblüten

rasch eine vollständige Aufhebung der Empfindung En

Von Professor Dr. R. KoBERrT. 201

und bald darauf auch eine vollständige Aufhebung der Bewegung hervorruft, ohne dass bei eingeleiteter künstlicher Athmung die Herzthätigkeit irgendwie ge- stört würde. Die Aufhebung der Bewegung erfolgt gerade so wie beim indianischen Pfeilgifte Curare durch Lähmung der peripheren Enden der Bewegungsnerven. Wie beim Curare so tritt auch beim Septentrionalin die lähmende Wirkung bei innerlicher Eingabe nur sehr unvollkommen ein, da beide Alealoide ebenso rasch ausgeschieden werden, als sie zur Aufsaugung kommen. Bekanntlich wird das Curare in allen physiologischen und pharmakologischen Laboratorien täglich als unentbehrliches Hülfsmittel bei Versuchen, welche ein Stillliegen der Thiere erfordern, ge- braucht. Es hat aber verschiedene Nachtheile, indem es

i) in seiner Wirkung sehr schwankt;

2) oft schädliche Nebenalealoide enthält;

3) auch wenn es rein ist, oder wenn man das müh- sam daraus rein dargestellte Curarin anwendet, bei grösseren Dosen sehr unangenehme Nebenwirkungen (Blutdruckserniedrigung ete.) hervorruft;

4) die Thiere zwar unbeweglich, aber nicht in gleich hohem Grade, ja nach Ansicht der Antivivisectoren überhaupt gar nicht empfindungslos macht.

Von allen diesen Nachtheilen ist nun das Septentrio- nalin, Serge als salpetersaures Salz zu verwenden sein würde, frei

y) es kei da es ein chemisch reiner Körper von eonstanter Zusammensetzung ist, in seiner Wirkung gar nicht. Die zur vollständigen Lähmung erforder- liehen Dosen betragen

pro kg Frosch 0,2—0,5 mg Septentrionalin »„ » Hund „2. Katze } ee! mE ei Kaninchen

2) Die aheneoniihie der wa können mit Sicherheit abgetrennt werden, ehe das Mittel auf den Markt kommt,

3) Herz und Blutdruck bleiben bei Katze undHund selbst nach erheblichen Dosen ziemlich unbeeinflusst.

202 Ueber die Wirkungen des Septentrionalins.

4) Es besitzt eocainähnliche, so stark anaesthesirende Wirkungen, dass es schon dieser allein wegen mit Vortheil verwendet werden könnte.

Beide Wirkungen zusammen genommen aber, die bewegunglähmende und die empfindung- lähmende, sind bei keinem sonstigen Alcaloide vorhanden und nehmen den mit Hülfe dieses Mittels ausge- führten Viviseetionen den letzten Rest von Grausamkeit, wel- chen sie eventuell bisher noch gehabt haben. Es muss daher im Interesse der Vereine gegen Tbierquälerei liegen, dieses Mittel überall bekannt zu machen und seiner Einführung in Laboratorien das Wort zu reden.

Bekanntlich hat man das Curare auch zu ärztlicher Verwendung bei Vergiftung mit krampfmachenden Giften, wie Strychnin, und bei Krankheilen, wie Hundswuth und Wundstarrkrampf, empfohlen, aber nur sehr selten bisher angewandt, weil der Arzt sich auf die in der Apotheke vor- handenen Präparate von Curare nie verlassen kann. steht zu hoffen, dass das Septentrionalin auch in dieser Beziehung dem Curare den Rang streitig machen wird. Vorläufig liegen zwar noch keine Versuche an Menschen vor, aber der Schreiber dieser Zeilen, sowie Dr. RosENDAHL werden in grossen Krankenhäusern unter den nöthigen Vorsichtsmassregeln solche anstellen lassen und beim günstigen Ausfall derselben zu allgemeiner Verwendung des neuen Mittels in medieinischen Fachzeitschriften auf-

fordern. Die bisher im Handel aufgetauchten sonstigen

Ersatzmitteul des Curare, zu denen auch Lycaconitin und Myoctonin gehören, haben sich bei eingehenderer Prüfung sämmtlich als nur wenig oder gar nicht brauchbar er-

wiesen.

Die Frage, ob das Septentrionalin in genüigender Menge zu mässigen Preisen zu beschaffen sein wird, muss in bejahendem Sinne beantwortet werden. Herr RosenDaHt wird in Lappland, wo die Pflanze sehr häufig ist, die selbe in grossem Massstabe einsammeln lassen und a2 E. Mercx nach Darmstadt schicken lassen. Dort wird ; Alkaloid fabrikmässig gewonnen und nach eingehend

Von Professor Dr. R. KOBERT. 203

neuer Prüfung von unserer Seite auf den Weltmarkt ge- bracht werden. Die Ausbeute beträgt 0,2 %/, der getrock- neten Knolle (neben 0,5 °/, Lappaconitin).

Die synthetische Darstellung des Mittels wird, sobald die Spaltungsproducte genügend genau studirt worden sind, in Angriff genommen werden. Bis jetzt wurde festgestellt, dass das Septentrionalin beim Erhitzen mit Natronlauge im zugeschmolzenen Rohre auf 150°C. sich in 2 Alealoide und eine stickstofffreie Säure spaltet. Letztere ist mit der aus Lappaconitin bei gleichem Spaltungsverfahren erhaltenen identisch.

Endlich ist in unserer Droge noch ein drittes Alealoid enthalten, welches ebenfalls in Chloroform löslich ist wie das Septentrionalin, während es in Aether im Gegensatz zum Septentrionalin nur wenig löslich ist. RosENDAHL nennt dasselbe Cynoctonin, indem er sich dabei an die Worte von Dioskoripes anlehnt: est et alterum aconitum, quod aligui eycoctonum, alii Iycoctonum appellant. Die Menge desselben in der getrockneten Wurzel beträgt nur 0,175°],. Es bildet ein amorphes graues Pulver von schwach bitterem Geschmack. Mit concentrirter Schwefelsäure färbt es sich Tothbraun. Beim Verdunsten mit rauchender Salpetersäure zur Trockne und Zusatz von alcoholischer Kalilauge färbt es sich tief bluthroth. Die Formel desselben dürfte C4H,,N,0,; lauten, Die Wirkung ist eine stark krampf- erregende, ist aber keineswegs mit der des Aconitins oder Lappaeonitins identisch.

Um die schon seit Lisnt's Zeiten strittige Frage zu entscheiden, inwieweit den oberirdischen Theilen und Speciell den Blättern des nordischen Sturmhutes eine Gift- Wirkung zukommt, machte Rosexvauı einige quantitative

stimmungen der Gesammtalcaloide in den Knollen einer- seits und in den oberirdischen Theilen, speciell in den Blättern, andererseits. Dabei ergab sich, dass der Ge- ‘ammtalcaloidgehalt der unterirdischen Theile er Pflanze 15—17 Mal grösser ist als der der

f Oberirdischen. |

204 Ueber die Wirkungen des Septentrionalins von Prof. KOBERT.

Ein ausführlicher Bericht über die Wirkung aller drei Alecaloide des nordischen Sturmhutes wird von Dr. RosenpAuL im elften Bändchen der von mir herausgegebenen Arbeiten des pharmakologischen Institutes zu Dorpat gegeben werden. Dieses Bändchen wird im Herbst dieses Jahres zur Ausgabe gelangen. Es sei mir verstattet, auf dasselbe

alle Interessenten hiermit hinzuweisen.

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Die fossile Flora des untern Keupers von Ostthüringen,

Von Dr. 6. Compter, Apolda. Hierzu Tafel H—IV.

Die Mittheilungen über fossile Pflanzenreste aus dem untern Keuper hiesiger Gegend, durch welehe ich (Act. Nat. Cur. XXXVIT 3 und diese Zeitschr., Bd. 56 S. 1—28) die Zusammenstellungen von Bornemann (Organ. Reste der Lettenk. Thür. 1856) und E. E. Scmum (Abhandl. z. geol. Speeialkarte v. Preuss. ete., Bd. I Heft 2 1874, 8. 44 ff.) erweitert habe, bin ich jetzt wieder in der Lage, durch neue Funde zu vermehren. Da ich aber nunmehr meine Sammelthätigkeit einstellen muss, und ohnehin der heutige etrieb der Ziegeleien und zugehörigen Thongruben weni Raum für weiteres Sammeln bietet und die Sandsteinbrüche schon längst eingegangen sind, und da einige meiner früheren Aufstellungen einer Berichtigung bedürfen, so hielt ich es für angezeigt, statt jene Beiträge zu ergänzen, vielmehr unter Zuhüilfenahme dessen, was von anderen Herren ‚er gesammelt worden ist, alles zusammenzustellen, sn die hiesige Gegend bisher geliefert hat. Kan die andern sammelnden Herren mir mit grösster Bereit- ss keit das von ihnen zusammengebrachte Material be- == Bearbeitung zur Verfügung gestellt haben, wofür ich 2 mentlich Herrn Commerzienrath Wıepemann zu Dank „pfichtet bin, so glaube ich, dass mit dem Folgenden

" &ewisser Abschluss erreicht ist, und hoffe, dass der- ix ein Scherflein zur Verwirklichung dessen beiträgt, ° E. Scmum sagt: er finde in der grössern Armuth und

206 Die fossile Flora des untern Keupers von Ostthüringen.

Einförmigkeit des ostthüringischen Keupers gegenüber dem fränkischen und schwäbischen keine endgültige Entscheidung, sondern hege die zuversichtliche Hoffnung, dass zahlreiche Nachträge erhalten werden würden.

Die Fundstücke stammen alle aus der Nähe von Apolda; die Lokalitäten sind höchstens 1!/, Wegstunden von hier entfernt, andere Aufschlüsse in grösserer Ent- ‚ernung haben entweder gar nichts, oder wenigstens nichts Nennenswerthes geliefert. Daher können die hiesigen Vorkommnisse als Vertreter der Flora des ganzen östlichen Thüringens gelten.

Die Bezeichnung „unterer Keuper“ behalte ich bei im Sinne der geol. Specialkarte, den Kohlenletten, den grauen Sandstein und die lichten Mergel umfassend, welche letztere übrigens nie in Betracht kommen.

Von den kleinen Oberhautläppehen der von HarLiER aufgestellten und von E. Schu (a. a. O. Nr. 6—22) auf- geführten Cycadeenarten sehe ich auch jetzt ab, wie ich es bereits früher gethan habe.

Die Aufstellung folgt im allgemeinen der systema- tischen Anordnung in ZırreLr, Handbuch der Paläonto- logie. II. Abth.

Algae incertae sedis. Mesochondriteae.

Im grauen Sandstein von Apolda fand sich auf Spalt- flächen eines ganz beschränkten Horizonts ein Gebilde, das weissen Kreidestrichen zu vergleichen war: die Striebe 1 bis 2 mm breit kreuzweis übereinander liegend, ver zweigt, zum Theil fiederförmig, ziemlich geradlinig, Anfang und Ende spurlos verlaufend, aus Kalk bestehend, aber ohne eine Structur erkennen zu lassen. I so dünn auf, dass er unter mässiger Vergrösserung der

Lupe verschwimmt. Ich stelle das Vorkommniss zu den nd Ver

Mesochondriteen, theils weil es in der Gestaltung ie %

zweigung dem Chondrites bollensis Ziet. (Handb.

S. 64 Fig. 48) nahe kommt (die Zweige sind mehr 88° radlinig und die Fiederungen regelmässiger) beim letzteren auch „die Pflanzensubstanz häufig

Der Kalk liegt

—, theils weil durch eine

feine weisse Erde ersetzt ist“. Eine Dicke von 12 mM i

Br

Von Dr. &. ComPTER, 207

scheinen unsere Aeste nicht besessen zu haben; Pseudo- morphosen können es aber sehr wohl sein. Der Steinbruch ist seit Jahren schon eingegangen, etwas Näheres daher leider nicht mehr festzustellen. Filicaceae,

Marattiaceae. Danaeopsis Heer. Danaeopsis marantacea Heer (Taeniopteris marantacea Presl, Aspidites Scheibleri Göpp., Stangerites marantacea Bornem). Die grössten Exemplare (s. Act. Nat. Cur. XXXVIH 3) sind aus dem grauen Sandstein von Apolda; der graue Sandstein von Nauendorf hat nur kleine Bruchstücke ge- liefert, und aus dem Letten von Pfiffelbach lassen sich höchstens handgrosse Schollen gewinnen, aber sehr reich- lich und mit sehr scharfen Abdrücken. Fruetificationen sind nur an diesen Lettenvorkommnissen deutlich.

Die Vertheilung der Fruchthäufchen ist nicht die von Heer (Urwelt d. Schweiz, Tafel II, Fig. 5b) und Scumper (Trait6 de Pal. Pl. XXXVII, Fig. 2, 3), sondern die von SCHENK (Beitr. z. Fl. d. Keup. u. d. rhät. Form. 8. 34 und Die fossilen Pflanzenreste $. 34 Fig. 24) dargestellte. Die ganze Unterfläche der Pinne ist gleichmässig mit Soren be- deckt. Am deutlichsten sind dieselben im Abdruck, und Jedes Häufchen ist durch einen Spalt parallel dem Haupt- nery in zwei Theile geschieden. ScHmper (Paläont. S. 88) spricht von rundlichen Sporangien, die sich durch einen senkrechten Riss (?) öffnen sollen, Schenk von halbkugligen Erhöhungen, auf deren Scheitel theilweis ein linearer Spalt zu erkennen sei. Für Risse, die sich erst mit der Frucht- reife gebildet hätten, kann ich diese Furchen nicht halten; ich Muss sie vielmehr für Eindrücke oder Falten nehmen, die schon vor der Zeit der Oeffnung vorhanden waren. Für Risse sind sie viel zu regelmässig. Au den besterhaltenen Stellen der Abdrücke zeigen sich nämlich diese Linien oder

eisten bei günstiger Beleuchtung in der Gestalt der Fig. 1

und 1a (Taf. II).

2. Danaeopsis angustifolia Schenk (Taeniopteris angusti- Folia Schenk. olim).

TEN .

208 Die fossile Flora des untern Keupers von Ostthüringen,

SCHENK (ScHönLeEIn, Abbild. von foss. Pfl. a. d. Keuper Frankens, S. 16) sagt: „Im Keuper Frankens kommt neben Danaeopsis marantacea Heer noch ein mit Taeniopteris in der Nervatur und im Habitus verwandter Farn vor, dessen Fructificationen noch nicht bekannt sind, weshalb ich ihn in meinen Beiträgen zu Taeniopteris gezogen und wegen seiner schmalen Segmente Taeniopteris angustifolia genannt habe.* Auf diesen Farn, wie er Taf. 1II Fig. 1 in einem schönen Exemplare abgebildet ist, beziehe ich die hiesigen Vorkommnisse, nicht auf den in den Beitr. z. foss. Fl. des Keup. und d. rhät. Form. Taf. II Fig. 5 abgebildeten; denn ob der letztere mit jenem identisch ist, bezweifle ich.

Von dieser Art liegen mir ausser dem (Act. Nat. Cur. XXXVH 3) schon angeführten Exemplare aus dem grauen Sandstein von Apolda, das nur etwas kleinere Abmessungen besitzt als das Schönxtein’sche, grössere Bruchstücke noch aus dem Sandstein von Nauendorf, kleinere aus mergeligen Oeckerdolomitnestern von dort, sowie aus dem Letten von Pfiffelbach vor. Unter den Nauendorfer Funden sind einige Stücke mit ausserordentlich dieker Rachis und sehr ver- schmälerter Blattspreite. . Es sind Bruchstücke aus der Nähe der Basis der Segmente; eins davon findet sich in Fig. 2 (Taf. II) abgebildet, die Rachis ist 3—4 mal s0 breit, als die verschmälerte Blattfläche jederseits.

Nun habe ich (Aet. Nat. Cur. Taf. I Fig. 1) ein Vor- kommniss, ebenfalls aus dem Sandstein von Apolda, abge- bildet, das ich damals nicht anders, als auf ein kurz gefiedertes Pterophyllum deuten konnte, trotzdem mich das Verhältniss der Fiederlänge und -Breite zur Rachisbreite, die theilweis zusammenhängenden Aussenränder der ver meintlichen Fiederchen und die Unregelmässigkeit der letztern bedenklich machten. Eine Gefässbündelbahn der Rachis bat sich abgelöst und in einem flachen Bogen seit- lich über die Blattfläche gelegt. Die Rachis ist also stark macerirt; und diese Maceration schien mir die grosse Breite des untern Endes derselben zu erklären; ich nahm das- selbe für gespalten oder breitgequetscht. Jetzt halte ieh aber dafür, dass diese Breite eine natürliche ist, ähnlich e wie an dem Stück der Fig. 2, und die Zwischenräume =

Von Dr. G. CoMPTER. 209

zwischen den scheinbaren Fiederchen sind durchgeriebene oder beim Spalten der Platte in Druck und Abdruck am letzteren, der leider nicht erhalten ist, hängengebliebene Stellen. Ich bin mir also jetzt klar, dass das in jener Fig. 1 der Act. Nat. Cur. abgebildete Stück Danaeopsis angustifolia oder Taeniopteris angustifolia Schenk olim ist. Der Verlauf der Nerven ist aber offenbar demjenigen von Danaeopsis weniger verwandt, als demjenigen von Taensop- teris, wie ihn T'aeniopteris vittata Brongn. (Ve&g. foss. S. 263, Taf. 82 Fig. 1—4) oder Taeniopteris Münsteri Göpp. (Gatt. foss. Pfl., 3. und 4. Lfrg., S. 15) aus der Lettenkohle von Baireuth zeigen. Schexk hält nun (Die foss. Pflanzenreste, $. 42) für derartige Farne, wenn die Fruetification fehlt und nur der Leitbündelverlauf maassgebend ist, Taeniopteris nur für die ältern Formationen aufrecht, während er für die mesozoischen Bildungen ähnliche Farnkräuter als Oleandridium bezeichnet, und in Betreff der fructifieirenden Taeniopteris auct. = Stangerites M’Clell. = Angiopteridium Schimp. (Handb. d. Pal., S. 134, Traite, Taf. 28 Fig. 1—6) ist er (a.a. 0. 8. 30) der Ansicht am meisten zugeneigt, dass dieser Farn dem Genus Angiopteris zuzutheilen sei. An unserer fraglichen Gattung stimmt aber die sich so auffällig verdiekende Rachis und die Verschmälerung der Blattflügel, die, wie mir scheinen will, an der Basis nicht mit einer Abrundung, sondern ganz herablaufend ausgeht, nicht überein. Damit lässt sich auch die Annahme nicht wohl vereinbaren, dass das Blatt gefiedert war. Der Farn ist daher zu keiner der genannten Gattungen zu ziehen. Auch die Länge seiner Blätter, sowie das Verhältniss ihrer Länge zur Breite weicht von Angiopteridium Sehimp. wesentlich” ab, wie ich mich durch Vergleichung des schönen Exemplars in der Würzburger Universitätssammlung selbst überzeugt habe. Ich halte deshalb dafür, dieses Vor- kommniss vorläufig als Taeniopteris angustifolia bestehen zu lassen. Gegenüber Taeniopteris auct. = Angiopteridium Schimp. = Angiopteris Schenk ist es durch die 20—30 em langen, einfachen Blätter mit nach unten sehr Yerdiektem Hauptnerv undallmählich verjüngten (herablaufenden) Blattflächen deutlich unterschieden.

Zeitschrift £. Naturwise. Bd. 67. 1994. 14

210 Die fossile Flora des untern Keupers von Ostthüringen.

Da die Thongruben und Sandsteinbrüche, welche das Material geliefert haben, jetzt alle eingegangen sind, und in den neu eröffneten bis heute so gut wie nichts von Pflanzenresten gefunden wurde, so ist die Hoffnung, zu dem Laube auch noch Fructificationen zu erhalten und dadurch von hier aus zur Entscheidung der Frage beitragen zu können, ob auch dieser Farn zu den Angiopterideen zu stellen sei, weit binausgeschoben.

ScHENK (Beitr. S. 53) giebt diese Art nur aus dem Lettenkohlensandstein von Estenfeld und Erlach bei Würz- burg und (Schöntem’s Abbild. v. foss. Pfl. S. 16) aus dem Keuper Frankens an; sie scheint also in Franken aus den Letten noch nicht bekannt zu sein.

Neuropterideae.

Neuropteridium Schimp.

3. Neuropteridium grandifohum Schimp.

Zwei Vorkommnisse aus dem grauen Sandstein von Nauendorf und dessen Unterlager.

ScHimpER bezeichnet die Gattung als deın bunten Sand- stein eigen. Die Uebereinstimmung der Nauendorfer Stücke mit Handb. d. Pal. S. 117 Fig. 90 ist aber unzweifelhaft, also das Vorkommen auch im Keupersandstein festgestellt. (Vergl. diese Zeitschr. Bd. 57 S. 16.)

Alethopterideae. Neuropecopterideae.

Anotopteris Schimp.

4. Anotopteris distans Schimp., (Neuropteris distans e remota Prs

Aus dem grauen Sandstein von Apolda in mehreren grossen Exemplaren, von Nauendorf und Pfiffelbach in Bruch- stücken; im Letten hat sie sich nicht gefunden.

Ein Stück 30 cm lang und 34 cm breit, dem Haupf- stiel nach durchgebrochen, mit 10 primären Segmenten links und 6 rechts, sehr ähnlich Scnönzemw’s Taf. viu Fig. 2—7. Es ist von der Unterseite sichtbar, da ‚der Hauptstiel trotz des Bruchs erkennen lässt, dass er nieht 3—5flächig war, wie in Schöxzein’s Figg. 2b und 3b, und da die Stiele der primären Segmente eine Furche De sitzen,

Von Dr. G. ComPTER, 211

Ein zweites Stück, zwei primäre Segmente, giebt bei- nahe die Fig. 1 Schuönteı’s auf Taf. IX wieder; nur sind die Segmente etwas kürzer und haben einen gefurchten Stiel, was bei ScHönLem nicht zu erkennen ist, obwohl beide Exemplare, wie aus der gegenseitigen Deckung der Fiederchen hervorgeht, dieselbe Seite nach oben kehren.

Im Besitz des Herrn Commerzienrath WIEDEMANN ist eine Sandsteinplatte mit einem Exemplare, ähnlich dem auf Taf. 33 Fig. 1 in Schimp. Traite abgebildeten.

Angiopecopteride#®.

Pecopteris Brongn.

5. Pecopteris Meriani Brongn. (Alethopteris Meriani Göpp.)

Aus dem Sandstein von Nauendorf liegt ein Stück mit Fructification vor, das in Fig. 3 (Taf. ID) wiedergegeben ist. Es ist zwar nur wenige Centimeter lang und lässt die Grenze der secundären Segmente nicht erkennen, weil die Ränder zum Theil noch vom Gestein bedeckt sind; es be- Sitzt auch eine ziemlich dieke Rachis, dicker jedenfalls als die unfruchtbaren Segmente der Pecopteris-Arten; aber die Fructification stimmt mit derjenigen von Pecopteris Meriani Brongn., wie Heer (Urwelt d. Schweiz Taf. II Fig. 3b) sie giebt, gut überein. Die Soren stehen nämlich den Mittel- nerven der seeundären Pinnen parallel und ihre Reihen sind abwechselnd durch schmälere und breitere Bänder ge- trennt; die schmäleren sind die Nerven, die breiteren sind die äusseren Flügel der Pinnen. Sie waren ursprünglich in der Weise sichtbar, wie es an der linken Hälfte oben, an der rechten unten jetzt noch der Fall: als ganz seichte mehrtheilige oder sternförmige Grübchen, mit einem dünnen Häutehen überzogen, nämlich der Epidermis der Oberseite, da diese nach oben gekehrt ist. Die andern Reihen habe ich besser sichtbar gemacht, indem ich vorsichtig mit der Nadel das Häutehen und den Inhalt der Grübchen, der in feinem, ockerigem Mehl bestand, entfernte, ohne dabei die Sandkörner der Wände und des Bodens zu verschieben oder auszureissen. So haben sich die Gruben von ziem- licher Tiefe ergeben, meist vier-, öfter auch dreitheilig (Fig. 33).

14*

212 Die fossile Flora des untern Keupers von Ostthüringen,

Auffällig ist allerdings, dass von Blättern, die auf Pecopteris gedeutet werden könnten, in dem Horizont, der den Fund geliefert hat, nichts zu finden gewesen ist, trotz- dem ich den ganzen dort ausgebrochenen Sandstein sorg- fältigst durchsucht habe; ich konnte nur Danaeopsis, Tae- ‚niopteris, Equisetites, Sphenozamites und Cordaites feststellen. Immerhin ist die Uebereinstimmung mil Pecopteris Meriani Brongn, bei Heer nicht zweifelhaft. Zur Klärung der Frage, welcher Familie Pecopteris zuzuweisen sei, vermag der Fund freilich kaum etwas beizutragen. Die Fruchtorgane könnten auf Gleicheniaceen oder Angiopecopterideen gedeutet wer- den; vielleicht mehr auf die ersteren. Schmper bemerkt aber (Handb. S. 128), dass die schon vor längerer Zeit ge- machten Versuche, die Arten von Pecopteris wenigstens zum Theil in andere Gattungen darunter auch Gleichenia unterzubringen, als misslungen zu bezeichnen seien, weil diese Arten mit den lebenden Gattungen in Bezug auf Fruchtorgane nichts gemein hätten. Darum habe ich auch die Angiopecopterideen beibehalten.

6. Pecopteris sp.?

Zwei Exemplare aus dem grauen Sandstein von Apolda. Das eine ein Zweig mit 1 und 3 primären Segmenten, das andere ein Bruchstück eines Zweiges, daneben 2 primäre Segmente. Dieselben stehen abwechselnd, entfernt, sind lanzettlich bis länglich-lanzettlich, gefie- dert, die Fiederchen eiförmig bis eiförmig-läng- lich, sitzend, dicht aneinander stossend, zum Theil sich deekend, mit durchgehendem Mittel- nerv; dieSeitennervenamMittelnerv aufsteigend, auswärtsgebogen, unregelmässig gegabelt (Fig. 4, Taf. I). Es stimmt diese Gestalt und Nervatur zwar mit Pecopteris Meriani Brongn. nach Hrer’s Abbildung (Urw. d. Schw., Taf. II Fig. 93) leidlich gut überein; diese bildung ist aber offenbar schematisch gehalten und darum nicht unbedingt maassgebend; mit BroxeNIarT's Ab- bildung stimmt sie nicht. Daher lasse ich die Artbestim mung offen,

Von Dr. G. ComPTeEr. 213

Calamarieae. Equiseteae.

Equisetites Sternberg.

1. Equisetites platyodon Schenk (Equisetum marcrocoleon

Schimp.).

Nur aus der Thongrube der Ziegelei Mattstedt bekannt, stark verdrückt; meist Scheiden und Zähne.

8. Equisetites arenaceus Schenk (Equisetum arenaceum

Jäg.).

Im Keupersandstein von Apolda, Nauendorf, Herressen und Pfiffelbach und im Kohlenletten von Pfiffelbach, Nauen- dorf, der Ziegelei Mattstedt und des Neuen Werks.

Die Stücke zeigen verschiedenen Erhaltungszustand, je nachdem sie aus dem Sandstein oder aus dem Letten stammen, wie E. Scumiv (a. a. 0. 8.42) bereits bemerkt bat. Die Vorkommnisse aus dem Sandstein sind in be- trächtlichen Grössen erhalten und meist nur wenig ver-

rückt, aber von geringer Deutlichkeit; diejenigen des Lettens bilden verworrene Haufen flachgedrückter Trümmer, liefern aber scharfe Abdrücke der äussern, wie der innern Oberfläche des Holzeylinders, meist von einer dünnen Schicht krümeliger oder staubiger Kohle bedeckt, oder den Holz- eylinder selbst.

Das grösste Exemplar dieses Erhaltungszustandes ist ein flachgedrücktes Stammstück von 20 cm Breite, 17 em Länge und 2 cm Dicke, 1'!/, Internodien umfassend.

Ein einziges Stück ist mir im Letten aufgestossen, das ähnlich wie die aus dem Sande, die runde Form bewahrt hat; es ist ein unteres, verjüngtes Stammende von 5 em

änge mit 4 Internodien. }

Obwohl im allgemeinen die Funde mit dem überein- Stimmen, was andere Localitäten liefern, so scheinen mir einzelne wegen besonderer Eigenthümlichkeiten doch der bildlichen Darstellung werth, zu der ich nachfolgende Er- läuterungen gebe.

. 5 (Taf. II) ist ein Aststück aus dem Letten von Pfiffelbach, flachgedrückt, einerseits verbrochen ) anderer- seits mit einem Zweige, in dessen Winkel sich Holz- Tinden-Masse eingeklemmt hat. Es zeigt den Erhaltungs-

214 Die fossile Flora des untern Keupers von Ostthüringen.

zustand und die Oberflächenbeschaffenheit der Vorkomm- nisse aus dem Letten.

Fig. 6 (Taf. II), aus dem Sand von Nauendorf, besteht äusserlich aus der Rillenschicht, die Scuenk (Beitr. S. 12, Erläut. zu Scuöxtem’s Abbild. S. 10, Taf. II Fig. 2, 4, 5 und Die foss. Pflanzenreste S. 54) als Calamites arenaceus auet. oder als Steinkern des Equisetites feststellt. Die äussere Schicht schält sich ab und lässt erkennen, dass noch drei glatte concentrische Cylinder darunter liegen. Demnach müsste das Mark in Schichten an der Innenwand des Holzeylinders angelegen haben. Fig. 7 (Taf. U), im Besitz des Herrn Commerzienrath WıErpemann, offenbar ein Bruchstück eines umfangreicheren, also älteren oder unteren Stammtheiles, hat wohl um deswillen Interesse, weil es zeigt, dass auch ältere Stämme an ihrem unteren Theile Aeste getragen haben, und zwar ziemlich viele in einem Quirl, entgegen der Ansicht Scnuenx’s (Beitr. S. 14), dass der Stamm an seinem untern Theile keine Aeste gehabt zu haben scheine, und ebenso ScHimpEr's (Handb. S. 159), dass die Stammstücke nur selten Astspuren tragen, und wo sie vorkommen, dann dem obern dünnen Theil des Stammes angehört zu haben scheinen. Andere Stücke können noch vorgeführt werden, bis zu Schenkelstärke, die ebenfalls Quirle von 10 und mehr, zum Theil daumen- dicken Astnarben, selbst an zwei bis drei aufeinander fol- genden Internodien, besitzen. i

Fig. 8 (Taf. U) ist jedenfalls beachtenswerth, weil sich unter den Astnarben der drei aufeinanderfolgenden Internodien im Bogen, und den Narben mehr oder weniger genau folgend, ein Kranz hinzieht, der wie aus Scheide- zähnen zusammengesetzt erscheint. Die Grösse der Zähne würde wesentlich geringer sein, als die der eigentlichen Seheide, ungefähr nur die Hälfte derselben betragen. Aus dem Sandstein von Apolda.

Ebendaher ist auch das in Fig. 9 (Taf. ID abgebildete

Stück. Ich gebe es wieder wegen des gänzlichen Mangels einer Spur von Scheide und wegen der vertieften Punkte unter den Internodiallinien, die nicht wohl Blattnarben einer Schizoneura sein können, da solehe bei dem Umfang

Von Dr. 6. CoMPTER. 215

des Axenstlickes nach Schenk Kreise, d. h. Flächen dar- stellen müssten, nicht bloss Punkte. Ob diese Punkte von Glied zu Glied alternirend oder korrespondirend überein- anderstehen, lässt sich nicht ermittein.

Fig. 1 (Taf. III) eine Fruchtähre von derselben Loca- lität; übergeknickt und abgebrochen, neben dem Axen- ende liegend. Das oberste deutliche Internodium hat auch noch einen glatten Cylinder unter den Rillen; ein zweiter ist nicht mehr ganz deutlich (vergl. Fig. 6 (Taf. I). Die Schildehen sind nur zum Theil in ihrer Gestalt erhalten, fünf- oder sechseckig, mit einem Buckel; die grössere Zahl derselben ist verwischt.

Fig. 2 (Taf. III) ebendaher giebt auch eine von der Spindel abgebrochene und daneben liegende Aehre. Die Schildchen sind kleiner, als im vorigem Falle, weniger zer- streut, aber auch weniger scharf begrenzt.

Ausserdem liegen noch mehrere Stücke von geringerer Deutlichkeit vor, aus dem Sandstein von Apolda und von Nauendorf, Platten bis zu 4><7 cm, bedeckt mit isolirten, 3—4 mm im Durchmesser haltenden rundlichen Schildehen, zum Theil gemengt mit Blattresten, Nadeln, Schuppen ete. 9. Equisetites singularis n. sp.

Fig. 3 (Taf. III) stellt einen Steinkern aus dem grauen Sandstein von Apolda dar, als vollständiger Cylinder aus dem Gestein herausgeschält, auf dessen gerillter Oberfläche noch einige Fetzen des Holz-Rinden-Cylinders aufliegen, der breite runde Furchen und Rippen besitzt. Der obere dieser Fetzen schwillt über der Nodallinie an. Furchung und Schwellung sind an dem Bruchstück in Fig. 4 und dem- Jenigen in Fig. 5 und 6 der Tafel II, von entgegengesetz- ten Seiten dargestellt (beide von Nauendorf), noch deut- licher zu sehen; die Schwellung lässt aber eine Inter- nodiallinie nicht erkennen; die Stelle ist an diesem Exemplar verrieben. Ich glaube indessen nicht fehl zu greifen, wenn ich einige andere Stücke, die sich ebenfalls rund aus dem Sandstein (von Apolda) herausgelöst haben oder heraus- lösen liessen, und wovon ich eins in Fig. 7 (Taf. II) ab- bilde, damit identifieire. Wenn daran vom Steinkern auch Nichts zu erkennen ist, so gehören sie der Furchung nach

216 Die fossile Flora des untern Keupers von Ostthüringen.

doch zweifellos derselben Art an. An ihnen ist nun die Gliederung vollkommen deutlich. Die Wulst wird von einer schmalen, aber scharfen Nodallinie getheilt, und ihre untere Hälfte hat in der Verlängerung der Furchen kurze, scharfe, kommaähnliche Einschnitte, während zwischen diesen, also immer in der Verlängerung der Rippen des untern Internodiums eine Gefässbündelspur. sichtbar ist. Die breiten Furchen alterniren von Glied zu Glied. ScHENK kennzeichnet nun Egwisetum durch eine an der Aussenfläche entweder fein gerillte oder mit stärkeren, wenig zahlreichen Rippen versehene Axe. Hiernach gehört das Vorkommniss also dem Genus Equisetites an. Nun hat das in Fig. 3 auf Tafel III abgebildete Stück aber noch. eine Eigenthüm- lichkeit. Die Narbe « oben links, sowie 5 nahe dem untern Ende sind unzweifelhaft Astnarben; eine ebensoleche befindet sich auch unter der obern Nodallinie auf der Rückseite; Fig. 3a stellt sie dar. Diese Narben sind ungewöhnlicher Weise vom Diaphragma um ein beträchtliches Stück ent- fernt, ein Merkmal, das sich mit der sonst beobachteten Weise des Astansatzes nicht vereinbaren lässt. Die Art kann daher nicht wohl zu Equisetites arenaceus gezogen werden und ich habe mir im Hinblick auf die eigenthüm- liche Aststellung dafür Equisetites singularis vorzuschlagen erlaubt: Furchen und Rippen der Oberfläche breit und rund; Gelenke wulstig aufgetrieben; Wulst durch die Nodallinie scharf getheilt; Fortsetzung der Rippen auf der untern Wulsthälfte durch kurze Einschnitte begrenzt, in der Mitte mit einer Gefässbündelspur; Aeste vom Diaphragmä mehr oder weniger abgerückt.

Schizoneureae. Schizoneura Schimp. 10. Schizoneura Meriani Schimp. - we. Diese Art habe ich (Act. Nat Cur. XXXVI3 8.5) auf geführt auf Grund eines Fundstücks aus dem grauen Sand- stein von Apolda, das mit Scuöxuzın’s Abbildung Taf. vI Fig. 1 grosse Aehnlichkeit hat; nur sind die Blätter schmäler und die Blattnarben wenig deutlich.

Von Dr. @. ComPTER. 217

Seitdem haben sich noch verschiedene Exemplare ge- funden. Von denselben bilde ich noch folgende ab:

Fig. 8 (Taf. III) ausgezeichnet durch die langen schmal- linealen Blätter; ebenfalls aus dem Sandstein von Apolda; derselbe ist aber etwas lettig, daher die Blätter scharf er- halten; trotzdem lassen sie von Verwachsensein keine Spur erkennen. Die breiten Rippen des Markrohrs treten nur wenig durch die Rindenrillen hervor.

Fig. 9 (Taf. IT) ein ganz junger Zweig ebendaher. Er kann der Fig. 5 auf Taf. XVI von Schmeer’s Traits verglichen werden; die Blätter sind indes noch nicht 1 mm breit, aber bis zum Grunde frei.

Ein anderes Stück aus dem Sandstein von Nauendorf lässt erkennen, dass die breiteren Rippen des Steinkerns oder des Markrohrs nicht überall gleichmässig durch die äussere Streifung hindurchscheinen, wie bei SCHÖNLEIN Taf. V Fig. 4.

Das Stück in Fig. 10 (Taf. II), aus dem Letten von Pfffelbach, bilde ich ab um der grossen Blattnarben willen und weil es die Art der Erhaltung der Pflanzenreste im Letten vielleicht noch deutlicher zur Erscheinung bringt, als Fig. 5 der Tafel II.

Fig. 11 (Taf. IT), aus dem Nauendorfer Sandstein, Zeigt, wie sich die Rippen des Markrohrs vom Zweige nach dem Aste hin verbreitern. Wird für den Uebergang vom Aste auf den Stamm dasselbe Verhältnis der Furchenbreite festgehalten, so kommt man auf Stammfurchen von der

reite, wie an Schizoneura Meriani Schimp. im Traite Taf. XvI Fig. 3, 4, oder Scuöxtzm’s Abbild. Tafel V Fig. 3a.

An unserm Stück sind aber noch zwei Eigenthümlich- keiten zu bemerken. Am Zweige korrespondiren nämlich die Rillen des obern Internodiums nicht alle mit denen des Untern; einige davon alterniren, weil die obern zahlreicher sind. (In der Abbildung liess sich das nicht deutlich wiedergeben.) Ausserdem zeigen die schwarzen Leisten des Astes, also die Rippen, unten links, wo sie als Abdruck auftreten, daein Stück des Astes weggebrochen ist, ein Anasto- mosiren, das an die Gabelstränge der Calamarieen erinnert,

218 Die fossile Flora des untern Keupers von Ostthüringen.

Eine Andeutung von früherem Verwachsensein der Blätter findet sich also an den aufgeführten Exemplaren nirgends. ScHimper (Handb. S. 161) schreibt zwar den dünnern secundären Aesten der Schizoneura vollständig freie Blätter zu und Schenk (Die foss. Pflanzenr. S. 55) sagt: „sie waren wohl nie zu einer Scheide, wenn nicht ‚in den frühesten Entwiekelungsstufen vereinigt“ und 8. 56 „ob ursprünglich scheidige Blätter vorhanden waren, muss spätern Untersuchungen überlassen bleiben.“ Aber ab- gesehen davon, dass sich’s schwer vurstellen lässt, wie jüngere Aeste freie oder gespaltene Blätter, ältere Aeste verwachsene Blätter haben sollen sind die zwei Exem- plare in Figg. 8 und 9 jedenfalls von so verschiedenem Alter, dass die Abwesenheit eines Hinweises auf Verwachsen- sein oder Spaltung der Blätter zweifelhaft machen muss, ob die vorliegende Art mit dem Genus Schizoneura ver- einigt werden dürfe; denn was hätte ein von einer voll- ständig fehlenden Eigenschaft entlehnter Name für eine Berechtigung?

Uebrigens kommen im Letten, losgelöst vom Zweige, Blattreste vor, die durch ihre Gestalt und Nervatur denen der Scuimrer’schen Abbildungen (Handb. Fig. 122) von Schizoneura paradoxa gleichen; es kann also auch eine echte Schizoneura, deren Name in der Beschaffenheit der Blätter begründet ist, hier vorkommen; doch soll einst- weilen, solange sich die Blätter nicht am Zweige gefunden haben, kein Werth darauf gelegt werden.

Cyeadeaceae.

Cycadites Brongn.

Schuimper führt (Handb. d. Pal. S. 217) nur Arten aus der Steinkohle, dem Rhät, Lias, Oolith und jngern Schichten an.

11. Oyeadites Rumpfii Schenk.

Scnenk hat diese Art in seinen Beiträgen beschrieben und (Taf. VI Fig. 1) abgebildet, später aber wieder. ein- gezogen; an den aus den Hautresten der hiesigen Funde gefertigten Präparaten hat er sich indess überzeugt, dass es zweifellos eine Cycadee ist. Daher hielt ich bei meint Mittheilung (Act. Nat. Cur. XXXVH 3, Taf. U Fig. die

Von Dr. G. ComPTER, 219

Aufstellung einer neuen Art für überflüssig, trotzdem die speeifischen Merkmale nicht ganz zutreffen; die Fiederchen sind schlanker und die ganze Gestalt zarter, als bei Schenk. In den süddeutschen Sammlungen ist die Art übrigens nur selten anzutreffen; in Würzburg fand ich sie als Selenocar- pidium gracillimum Sandbrgr.

Der graue Sandstein von Apolda hat seitdem noch eine ganze Reihe von Exemplaren geliefert, darunter auch solche, deren Endfieder und zwei bis drei obern Seiten- fiedern breit herablaufend in einander überfliessen, so dass die Rachis erst beim vierten Fiederpaare die runde Gestalt annimmt. Eine Anzahl Exemplare befindet sich im Besitz des Herrn Commerzienratli WIEDEMANN.

12. Cycadites apoldensis m.

(Act. Nat. Cur. XXXVII 3, 8.8, Taf. I Fig. 6.) Grauer Sandstein von Apolda.

13 Cyeadites pinnatilobatus n. sp- (Fig. 1 Taf. IV.)

Ein Wedel, der bei flüchtiger Betrachtung für eine Anotopteris gehalten werden kann. Es lassen sich aber Hautschüppchen ablösen, die sich durch kurze Behandlung mit chlorsaurem Kali und Salpetersäure in Ober- und Unterhaut trennen und die Cycadeenstructur zeigen. Die Zellen unterscheiden sich von Oycadites Rumpfii durch dtunere Wandung mit Andeutungen von spiraligen Ver- Öickungsleisten, durch Abwesenheit der Buckel, durch ziem- lie regelmässige parallelogrammatische Gestalt. Die Fiederchen sind lineal, alternirend, sitzend, ünter ziemlich grossem Winkel ausgehend, her- ablaufend und theils ungetheilt, theils fieder- lappig ausgebuchtet; die Lappen wechseln eben- falls meist ab und sind lanzettlich bis eiförmig, Nach vorn gerichtet. Diese Lappen sind nicht etwa zufällige Bildungen, die durch Ausbreehen oder Abreiben der zwischenliegenden Flächentheile entstanden wären; sie besitzen vielmehr natürliche Ränder.

Wenn Schexk (Die foss. Pflanzenr. S. 148) meint, vom Culm bis zum Infralias fehle Cycas und was vorhanden, seien Abdrücke ohne Nachweis der Structur, so bedarf das nach den hiesigen Vorkommnissen der Erweiterung in dem

220 Die fossile Flora des untern Keupers von Ostthüringen,

Sinne, dass sich die grosse Lücke vom Culm ab schon mit dem Keuper schliesst.

« Dioonites Miquel.

14. Dioonites pennaeformis Schenk.

Im Letten von Pfiffelbach früher nicht selten, jetzt nicht mehr zugänglich; aus dem Sandstein, und zwar von Apolda, sind mir nur 2 Exemplare bekannt geworden.

Pterophyllum Brongn.

Auch die zweite der Arten, die ich früher (Act. Nat. Cur. XXXVII. 3. 8. 6. Taf.I. Fig. 2. 3.) mitgetheilt habe bedarf einer Verbesserung.

15. Pterophyllum robustum sp. em. Grauer Sandstein von Apolda und Nauendorf, Bruch- stücke auch im Letten von Pfiffelbach.

Die a. a. O. beschriebene und abgebildete Art ist als Pterophyllum longifolium Brongn. nicht aufrecht zu erhalten, wie ich mich durch Vergleichung der mir zugänglichen Abbildungen und der Stücke in den süddeutschen Samm- lungen überzeugt habe.

Wenn auch die Länge der Fiedern von Pterophyllum longifolium Brongn. eine sehr verschiedene ist, so erreicht sie doch niemals mehr als 10 cm; die hiesigen Pinnen gehen aber über 20 em hinaus. Ich habe hier noch anderes Material zu dem meinigen herzugezogen; die Fiedern sind am Grunde niemals verschmälert, vielmehr meist etwas verbreitert, unter einander ein wenig zusammenhängend und stets um weniger als ihre eigne Breite von einander ent- fernt. Am ehesten liesse sich die biesige Art noch mit Pier, Brongniarti Morris identifieiren, wie es im Handb- d. Pal. $. 224 Fig. 161 abgebildet ist, wenn dieses zarter® Nerven hätte und nicht dem Wälderthon angehörte. Nun danke ich Herrn C.-R. Wırpemann die freundliche - theilung eines Bruchstücks, das ich in Fig. 2 auf Tafel I wiedergebe, und das derselben Art angehört, ja, wie ieh mit Grund annehmen darf, von demselben Exemplare stammt, wie die a. a. O. Taf. I. Fig. 2 und 3 abgebildeten Stücke. Dieses Stück besitzt eine ausserordentlich diek®

Rachis, dieselbe ist nicht in ganzer Breite erhalten, vier

ESTER TR

leicht kaum zu drei Vierteln; ergänzt würde sie auf 3 em s

Von Dr. G. CoMPTER. 221

kommen. Es muss also ein Fragment nahe vom Grunde des Wedels sein; und dieser Grund hat Segmente gehabt reichlich von derselben Breite, wie die Mitte und das Ende des Wedels. Im Hinblick auf den mächtigen Stiel und die ganze Erscheinung habe ich daher die Art in der obigen Weise abgeändert: Pierophyllum robustum: Wedel gross, bis 2m, gefiedert, Fiedern bis 30 cm lang, und 8mm breit, lineal, am Grunde ein wenig ver- breitert, mit schmalem Saum untereinander zu- sammenhängend, um weniger als die eigne Breite von einander entfernt.

Damit ist zugleich die Ansicht hinfällig geworden, dass die ganz schmalen Segmente, die sich a. a. O. Tafel I Figur 4 abgebildet finden, dem Grunde eines Wedels von Pterophyllum longifolium zugehört hätten. Sie müssen einer andern Art eigen sein, die ich aber auf sich be- ruhen lasse. 16. Pterophyllum Bronnii Schenk (Macropterygium Bronnii

Schimp.)

(Act Nat. Cur. S. 6.)

Grauer Sandstein von Apolda. 1, Pterophyllum spectabile m. (Diese Zeitschr., Bd. 57, S. 16, Taf. II Fig. 19). Bruchstücke auch im Sandstein von Nauendorf. Pterophyllum Jägeri Brongn. Form mit schmalen Seg- menten. (Diese Zeitschr. Bd. 57, S. 16, 3). Nach Scurmper könnte es zweifelhaft ein, ob Pfero- Phyllum spectabile und Pter. robustum zu dieser Gattung gehören. Er sagt (Handb. d. Pal. S. 224), die seitliche Einfügung der Segmente bilde einen Hauptcharacter der Gattung, und er fordert sie für Pferophyllum auch Traite II 8.127... Nun sind an dem von mir abgebildeten Exemplare von Pteroph. spectabile die mittleren und unteren Segmente mit ihren untern Enden deutlich bis an eine mittlere Leiste heran auf die Rachis aufgelagert, so dass sie seitlich an einem Grat oder Kiel der Oberseite ansitzen; bei den obern

egmenten ist dieser Umstand nur undeutlich zu er- nen.

fr m

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222 Die fossile Flora des untern Keupers von Ostthüringen.

Dass und inwieweit ein ähnliches Verhältniss auch bei Pier. robustum stattfindet, darüber habe ich Act. Nat. Cur. ete. S. 6 Auskunft gegeben. Hiernach wären beide Arten keine Pterophyllen. Ich halte aber mit ScHEsKk daran fest, dass die Insertion auf der Ober- oder Vorder- seite stattfindet und nur scheinbar an der Seite, nämlich wenn der Wedel von unten sichtbar ist.

19. Pterophyllum longifolium Brongn.

Ganze Wedel vermag ich nicht nachzuweisen; es kommen aber im Sandstein (Herressen und Nauendorf) und im Letten (Pfiffelbach) Bruchstücke vor, deren Zugehörig- keit ich nicht bezweifle.

Sphenozamites Brongn.

20. Sphenozamites tener m.

(Diese Zeitschrift Bd. 57, S. 3—12.)

Dazu ist zu bemerken, das sich nachträglich noch mancherlei Material gefunden hat: einzelne Fiederchen von 13 em Länge und 9 em grösster Breite; auf einer Platte eine Rachis von 20 em Länge mit 3 opponirten Fieder- paaren von je 9 cm Länge und Breite; auf einer andern Platte ein Zweig mit 3 Fiederpaaren, von denen nur die Fiederchen der linken Seite zu einem Drittel bis zwei Drittel erhalten sind (Fig. 3 Taf. IV); auf einer dritten Platte endlich eine Rachis mit zwei Pinnen derselben Seite und daneben, unter spitzem Winkel gegen sie gerichtet, eIn fingerdicker Zweig oder Ast, an welchem jene Rachis augen- scheinlich gesessen hat; die Platte ist zwar nicht bis zur Ursprungsstelle der Rachis erhalten; trotzdem kann man über die Zusammengehörigkeit beider Theile nicht iM Zweifel sein. Damit ist Sphenozamites als eine grössere holzige Pflanze nachgewiesen. ;

Demselben Horizont und fast derselben Stelle, wie die schönsten Exemplare des Sphenozamites, sind einige eigen thümliche Stücke entnommen, welche die Figg. 4—7 (Taf. darstellen. Braune bis schwarze, von einer rissigen oder staubigen Kohleschicht bedeckte Flächen auf dem Sand- stein mit ausgesparten runden oder langgezogenen, von Gestein ausgefüllten Löchern. Die kleinern Stücke (F igg. + = bis 6) sind Bruchtheile aus der Mitte von Blättern; en. =

Von Dr. G. CoMPTER. 223

natürlicher Rand fehlt. Die Löcher dieser Stücke sind ziemlich rund, mit dunklerem, etwas aufgeworfenem Ringe umgeben. Fig. 4 hat 5 vollständig begrenzte Löcher, da- von eins nicht offen, nur als dunkler Kreis angedeutet ist, und ein am Rande durchgebrochenes, Fig. 5 hat 5 voll- ständige und 2 durchgebrochene, Fig. 6 aber hat 12 voll- ständige und 3 halberhaltene. Eine bestimmte Anordnung derselben lässt sich nicht erkennen, nur bei 4 und 5 ist eine Reihung angedeutet. Der dunklere Ring oder Rand ist bei 4 abwärts oder einwärts, bei 5 und 6 etwas auf- wärts gebogen. Das Stück Fig. 7 scheint aus der Mitte eines Blattes, mehr nach der rechten Seite hin, ausgespalten zu sein; die beiden seitlichen Ränder sind Brüche, der Vorderrand zeigt natürliche Erhaltung; die beiden Aus- randungen desselben sind Kerben, die in der Verlängerung der beiden senkrechten Reihen von Löchern liegen, also die Fortsetzung dieser Reihen bilden. Die vollständigen Löcher sind länglich bis langgezogen und nach unten zum Theil in eine erhabene Falte der Blattfläche aus- laufend. Die Ränder dieser Löcher sind weniger scharf und weniger zusammenhängend, als bei den drei ersten Stücken. Das erste ist wohl als Unterseite oder als Ab- druck der Oberseite, die übrigen sind als Oberseiten zu deuten. Von Nervatur ist nichts zu erkennen.

Eine Erklärung dieser Reste gebe ich nicht, aber eine Vermuthung gestatte ich mir auszusprechen. Im Hinblick auf die Darlegungen, welche Srur (Verhandl. d. k. k. geol. Reichsanst. in Wien, 1878) und Weiss (Zeitschr. d. d. geol. Gesellsch. XXXI 1879) über Fructifieationen der Nöggerathia Foliosa an Material von Radnitz und Trzemoschna gegeben haben, zusammengehalten mit der Ansicht Sarorra’s, dass die Nöggerathien vom Typus der foliosa als Repräsentanten der wahren Cycadeen zur Zeit der mittleren Steinkohlen- Periode zu betrachten seien, könnte man in diesen Resten Fruchtblätter vermuthen. Wenn nämlich die Fructificationen der Nöggerathia aus gefiederten Blättern bestehen, auf

eren querovalen, 1,5:2 cm messenden Fiedern Körper, die als F rüchte bezeichnet werden, in grösserer Anzahl stehen, theils geordnet, theils ungeordnet, und die Früchte, von

224 Die fossile Flora des untern Keupers von Ostthüringen.

3:4 mm, rundliche bis elliptische Insertionsnarben hinter- lassen, dann darf vielleicht die Annahme gewagt werden, dass die Nauendorfer Blattreste Früchte getragen haben, die sitzend befestigt waren, vielleicht auf kleinen Er- höhungen, die sich nachher abgerieben und Löcher gegeben haben; sie sassen bei den kleinen Stücken mehr senkrecht zur Blattfläche, bei dem grössern schief, nach vorn oder aussen geneigt. Diese Fruchtblätter würden einer Cycadee zuzuschreiben sein. Carpolithes Sternberg. Carpolithes keuperianus Schenk. (Beitr. zu foss. Fl. des Keup. u. d. rhät. Form. 8. 71, Taf. V Fig. 6.) Grauer Sandstein von Apolda. . Carpolithes amygdalinus Schenk.

(Diese Zeitschrift, Bd. 57, S. 21.)

Ebendaher. . Carpolithes sphaericus m.

(Diese Zeitschrift, Bd. 57, S. 24.)

Ebendaher.

Ich führe diese Früchte nur an; sie in Zusammenhang mit Blättern oder Blüthen zu bringen, ist nicht möglich gewesen, weil die Thongrube, die sie geliefert hat, bald nachdem die Funde gemacht worden waren, einge gangen ist.

Oycadorhachis.

SCHENK, Die foss, Pflanzenr., S. 151.

Fig. 8 und 8b (Taf. IV.), ein elliptischer Cylinder von der schmalen und breiten Seite gesehen. Die Bogenlinien sind Falten, durch Zusammenschieben in Folge schiefen Drucks entstanden; die dunkeln Flecke sind Reste von Oberhaut,

21.

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189) DD

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welche Cycadeenstructur besitzt. Es lässt sich das Vor

kommniss wohl kaum anders erklären, denn als ein ZU- sammengedrücktes Stück einer Rachis vom untersten } eines Wedels, unterhalb der Pinnen. Die Dimensionen sind für diese Erklärung allerdings auffällig gross und die Rundung sehr regelmässig; die Grösse wird indessen vom Blattstiel der Fig. 2 (Taf. IV) nahezu erreicht.

Von Dr. G. CoMPTER. 225

Auch Stammstücke von Cycadeen haben sich gefunden, deren eines sich den Figg. 10 und 11 auf Taf. LXXI von ScHimper’s Traite vergleichen lässt.

Cordaiteae Grand’ Eury.

Cordaites Ung.

24. Oordaites keuperianus n. sp.

In dieser Zeitschrift, Bd. 57, S. 13, Fig. 18, habe ich ein Vorkommniss beschrieben und abgebildet, das als ein Zamites gelten sollte. Das bedarf aber auch einer Be- riehtigung. Es haben sich nachträglich eine ganze Anzahl von Bruchstücken gefunden, aus deren gegenseitiger Er- gänzung sich Blätter ergeben von 30—40 em Länge und 1,5—2 cm Breite, lineallanzettlich bis lineal, nach dem Grunde hin allmählich bis auf 5 oder 6 mm verschmälert, am Ende wahrscheinlich zugespitzt, da die vorhandenen Endfragmente in sehr schlanke, spitze Kegel zusammen- gerollt sind. Die Nerven scheinen nahezu parallel zu laufen; sie sind aber an der Basis dicht zusammengedrtickt und nach oben hin gegabelt, so dass sie sich vom Grunde nach der Mitte für gleiche Breiten etwa im Verhältniss 4:7 oder 4:9 vermehren. Auf der Oberseite sind sie platt, auf der untern etwas rundlich vorspringend. Die Basis des Blattes ist quer abgeschnitten; es hat sich mit einer gelinden horizontalen Biegung an die Axe gelegt. Die Zeichnung (Fig.9 auf Taf. IV) habe ich etwas schema- isiren müssen, weil das Blatt auf dem Gestein aufliegt, seine Basis also von der Unterseite nicht sichtbar ist.

Ueber die Stellung dieser Reste im System bin ich lange im Zweifel gewesen. Sie den Cycadeen zuzuweisen, verbietet sich wegen der breiten, quer ansitzenden Basis; den Gramineen widerspricht die Nervatur; mit PAoentcopsis Heer ist zwar Aehnlichkeit vorhanden; jedoch ist die Basis unserer Blätter wesentlich breiter, als bei PAoeni- °opsis, und die gegenseitige Lage derselben, wo ihrer mehrere beisammen vorkommen, deutet nicht auf eine so diehte büschelige Stellung. Wohl aber lassen sich die- selben ohne grosses Bedenken zum Genus Cordaites Unger stellen. GRanv’ Every (Flore earbonifere du depart. de la Loire) unterscheidet nach den Blättern drei Gruppen, deren

techrift £. Natyri . 1894. a

ss. Bd, 67. 1894

226 Die fossile Flora des untern Keupers von Ostthüringen.

zweite, Dory-Cordaites, durch lanzettliche, spitze Blätter gegenüber den beiden andern mit an der Spitze gerunde- ten Blättern characterisirt ist. In diese Gruppe lassen sich die hiesigen Blätter ohne Schwierigkeit stellen. Leder- artig sind dieselben, nach der glänzend braunen Oberfläche zu urtheilen, jedenfalls gewesen, wenn auch Fetzchen sich nicht ablösen lassen, wie bei den meisten hier vorkommen- den Cycadeen; die Basis ist von der Art, wie GrAnD’ EuryY sie für Dory-Cordaites (Taf. XVII Fig. 5 und 6) darstellt; die Nerven theilen sich unmerklich und sind auf der untern Seite etwas vorspringend, nur auf der obern nicht vertieft, sondern flach; auch ist nicht zu erkennen, dass sie am Rande des Blattes feiner wären. Nach Herr wür- den sie der Abtheilung B. mit gleichen Längsnerven (Foss. Pfl. Spitzbergens, S. 23, Taf. H Fig.29 und 30) zuzuweisen sein, wenn diese Abbildungen auch etwas feinere Nerven zeigen. Die Eigenthümlichkeit der conisch zusammen- gerollten Spitzen ist jedenfalls im Erhaltungszustand be- gründet. Fast vollständig ist die Uebereinstimmung mit Oordaites palmaeformis Göpp., nur ist die Gestalt schlanker, da bei 30—40 em Länge die Breite 2 cm nicht über- schreitet. Blätter lederig, 30-40 cm lang, 1,5—2 em breit, lineallanzettlich bis lineal, nach dem Grunde hin bis auf 5 oder 6 mm verschmälerft, quer an der Axe sitzend, zugespitzt; Nerven nahezu parallel, nur wenig diehotom, oben flach, unten etwas erhaben. Da sich diese Blätter aber wegen des grossen Abstandes der Lettenkohle oder des Keupers von der Steinkohle mit Cord. palmaeformis niebt identifieiren lassen, so erlaube ich mir, Cord. keuperian# dafür vorzuschlagen: Eine Anzahl Exemplare sind an 12 bis 15 cm langen Bruchstücken genau lineal und höchstens 1 cm breit.

Das Vorkommniss ist auf den grauen Sandstein der Thongrube Nauendorf beschränkt gewesen. Von Herressen

liegen zwar noch einige Stücke vor, 5—7 cm breit, vo 2

linearer Gestalt und an der Spitze zugerundet; sie

indessen so undeutlich, dass es bei dieser Erwähnung be en

wenden mag.

Von Dr. &. CoMPTER, 227

Coniferae.

Voltzia Brongn. (Glyptolepsis Schim., G/yptolepidium Heer).

25. Voltzia coburgensis Schauroth.

Nicht’ selten im Letten von Pfiffelbach und im merge- ligen Ockerdolomit von Nauendorf, selten im grauen Sand- stein.

26. Voltzia heterophylla Brongn.

Aus dem Letten von Pfiffelbach liegen zwei Stücke vor, welche schöne Uebereinstimmung mit Schimper, Traite Taf. 74 Fig. 3 oder Görrerr, Foss. Conif. Taf. 23 Fig. 2 (oberes Kätzchen), bekunden.

Widdringtonites Endl.

27. Widdringtonites keuperianus Heer. Im Letten von Pfiffelbach, selten. Araucarites Göpp.

. Auracarites thuringicus Bornem, sp.

Häufig im Sandstein und Letten.

Was E. Schu tiber den Erhaltungszustand der Coni- ferenhölzer sagt, ist durch zwei anderweitige Formen des Vorkommens zu ergänzen. Beide stammen aus dem grauen Sandstein.

Das erste ist eine Säule Stammholz von 11 cm Höhe, ? und 5 cm Breite und Dicke, röthlich-grau, aus einem ehemaligen Steinbruch bei Stiebritz, am Wege nach Stobra. Auf dem Querbruch, den ich an der Smirgelscheibe noth- dürftig eben geschliffen habe, lassen sich Verwitterungs- spalten, in concentrischen Linien, Jahresringen ähnlich ver- laufend, und mit der Lupe auch Markstrahlen erkennen. Die Krümmung jener Bogenlinien deutet auf einen Durch- messer von 50 em; dabei ist aber von aussen her eine un- bestimmbare Dicke abgewittert, auch Rinde nicht vor- handen. Einen Querschliff oder -Schnitt herzustellen, er- klärte der Mechaniker das Material für zu hart. Die Untersuchung musste sich daher auf Splitter beschränken, und diese liefern meist Radial-, selten Tangentialflächen. Die Zellen sind gänzlich mit Kieselsäure erfüllt; die Wände Splittern leicht ab, und wenn dann der Cylinder, den die | Füllmasse bildet, so zu liegen kommt, dass die = seit-

DO je 0)

228 Die fossile Flora des untern Keupers von Ostthüringen.

wärts gerichtet sind, so erscheinen sie im Abdruck als kurze Doppelwarzen, deren kleinere über die grössere etwas hervorragt. Sonst sind die Tüpfel schwer zu er- kennen. Sie stehen meist zweireihig, aber vielfach auch einreihig; ob auch dreireibig, ist zweifelhaft. Auf der Tangentialseite habe ich keine Tüpfel finden können; auch an der Radialwand fehlen sie auf ganze Strecken; Tüpfel des Strahlenparenchyms einer auf die Tracheide. Die Zellen sind theilweis mit einer feinkörnigen Masse erfüllt. Schenk erklärt (Handb. d. Pal. S. 242—43 und Die foss. Pflanzenr. $. 143) Araucarites Göpp., Araucariozylon Kraus, Dadozylon Endlicher für Cordaitenholz (Fig. 173). Da am vorliegenden Stück aber die Radialwände der Tracheiden niemals 3, noch weniger 4 oder 5 Reihen hexagonaler Doppeltüpfel zeigen und der innere Hof nicht spaltenförmig schief ist, so habe ich das alte Genus beibehalten und hier unter den Coniferen stehen lassen. Das zweite Stück, das eine andere Erhaltungsform aufweist, ist in derselben Formation, wie das erste, zwischen Apolda und Stobra auf einem Felde ausgeackert worden. Ein Block 20 em hoch, 15 em breit und dick. Er bildet ungefähr eine abgestumpfte vierseitige Pyramide, deren eine Seite senkrecht steht, während die 3 andern verbrochen abgestuft sind. Er scheint seinem Gefüge nach ziemlich genau mit denen übereinzustimmen, die BORNEMANN (a. a. O. S. 62) aus der Horsmarschen Mark beschreibt; er ist erst verkohlt und verwittert, dann verkieselt. Von oben herein ist er concentrisch-schalig gespalten, nach den Jahresringen. Die Schalen besitzen 1—4 mm Dicke. Die Krümmung derselben deutet auf einen Stamm von mehr als 50 em Durchmesser, wobei sich die Dieke des abge brochenen äusseren Ringes nicht bestimmen lässt. Ein Querschnitt war nicht herzustellen; das Material 2er bröckelte; auch ein Radialschliff nicht, nur ein Tangential- schliff; indessen auch der nur so dünn, dass eben die Markstrahlen sichtbar wurden. Die Masse ist tiefbrauP- Auch hier konnten deshalb nur Splitter zur Untersuchung Ss verwendet werden, die durch Behandlung mit kohlensauren! = Natron leidlich durchsiehtig, mit chlorsaurem Kali md

Von Dr. &, COMPTER. 229

Salpetersäure genügend klar wurden; das Natron färbte sich merklich braun. Dieses Holz unterscheidet sich vom vorigen durch die leeren Zellen; sie sind nicht mit Kiesel- säure gefüllt; nur die Wand ist verkieselt; sodann sind die Zellen, namentlich die Markstrahlen, von merklich ge- ringerem Durchmesser und die Tüpfel stets einreihig; ganz selten tritt eine zweite Zellenlage hinzu. In den Zellen zerstreut finden sich rundliche oder eckige Körner einer gelben bis braunen Masse, beträchtlich grösser, als beim vorigen. Von der Aussenfläche einer Spaltschale sind die Zellen weniger durchsichtig, also dickwandiger, als von der Innenfläche. Auch spiralige Verdiekungsschichten lassen sich erkennen.

Die Spalten und Risse sind dicht mit Quarzkryställchen bekleidet, die meist vollständig ausgebildet sind und oft nur mit einer Spitze ansitzen; sie schliessen häufig zer- störte und zerfaserte Zellwandreste, namenlich von Mark- strahlzellen, ein, um welche die Krystallisation stattgefunden hat (Fig. 10, Taf. IV).

Es ist ein Coniferenstamm, aber schwerlich ein Arau- carites Göpp., da von mehrreihigen Tüpfeln keine Spur u finden ist. Bei der Unsicherheit einer näheren Be- stimmung blossen Holzes ohne Blätter oder Früchte sehe ich von allem Weiteren ab.

Unbestimmbares.

Einige Vorkommnisse, die ich nicht zu deuten weiss, mögen hier noch in aller Kürze erwähnt werden, um darauf hinzuweisen.

Aus dem grauen Sandstein von Apolda stammen zwei oder vielleicht auch drei Bruchstücke von Blättern, mög- licherweise auch Oberhautstreifen eines Axenorgans, kreuz- weis übereinander liegend und sich theilweis deckend, parallelnervig; Nerven ziemlich derb, paarweis einander dicht genähert, die Paare durch breitere Zwischenräume getrennt. .

Ferner lieferte der graue Sandstein von Apolda und

Letten von Pfiffelbach organische Reste, die, der Mittelrippe nach zu urtheilen, ein Blatt darstellen; Nerven

230 Die fossile Flora des untern Keupers. Von G. COMPTER.

sind nicht zu erkennen. Die ganze Erscheinung müsste durch wellenförmiges oder faltiges Zusammenschieben der Blattspreite erklärt werden.

Endlich ist noch ein Blattfragment von zarter, aber sehr scharfer Nervatur zu erwähnen, sowie mehrere Reste, die zweifellos Blättern zugehören, aber von Nerven nichts erkennen - lassen.

Die Vergleichung der vorstehenden Zusammenstellung mit den aus Franken und Schwaben bekannten: Keuper- und Lettenkohlenpflanzen ergiebt, dass dort der Reichthum an Arten im Ganzen etwas grösser ist, als hier, dass dort namentlich die Farne zahlreicher sind, dass dagegen Ost- thüringen reicher an Cycadeen ist, und dass unter diesen Cycadites Brongn. sich besonders hervorhebt.

Die geometrische Zusammensetzung zweier Sinus- schwingungen, Von Dr. H. Wiener.

(Nach einem in der Vereinssitzung vom 10.Mai 1894 gehaltenen Vortrag.)

1. Um die Zusammensetzung zweier Schwingungen

zu zeigen, bedient sich der Physiker des folgenden eleganten Versuches: Durch einen kleinen Spiegel, der an einer schwingenden Stimmgabel befestigt ist, wird ein auffallender Lichtstrahl auf einen Schirm zurückgeworfen, und dadurch die Bewegung der Stimmgabel in die eines auf dem Schirme in gerader Linie hin und her schwingenden Lichtpunktes übersetzt. Schiebt man nun in den Weg des Lichtstrahls noch einen zweiten, ebenfalls an einer Stimmgabel be- festigten kleinen Spiegel ein, und fängt den. zweimal ge- spiegelten Lichtstrahl wieder durch einen Schirm auf, so ann man auf diesem nach Belieben die Bewegung der ersten oder der zweiten Gabel beobachten man braucht dazu ja nur jedesmal die andere festzuhalten. Man kann aber auch beide Bewegungen gleichzeitig eintreten lassen, und erhält so eine verwickeltere Bewegung des Licht- Punktes, nämlich „die aus den beiden einfachen Schwing- ungen zusammengesetzte Bewegung“. Diese durch das Auge wahrnehmbare Bewegung kann als ein Bild des akustischen Vorganges beim Zusammenklingen der beiden Töne be- trachtet werden.

Die Kurven, die so vom Lichtpunkt bei der zusammen- gesetzten Bewegung beschrieben werden, sind unter dem

amen „Lissasou’s Kurven“ bekannt. Die Gestalt dieser Kurven hängt unter der Voraussetzung, dass man den beiden Schwingungen senkrechte Richtung zu einander und einen gleich grossen Ausschlag (gleiche Amplitude) ertheilt,

232 Die geometrische Zusammensetzung zweier Sinusschwingungen.

nur von zwei Faktoren ab, von dem Schwingungsver- hältniss, d.h. dem Verhältniss der Dauer der einen Schwing- ung zu der der andern, und von ihrem Phasenunterschiede, d.h. von dem früheren oder späteren Hinzutreten der Be- wegung der zweiten Gabel zu der der ersten. Bei ge- gebenem Schwingungsverhältniss also z. B. bei Benützung derselben beiden Stimmgabeln wird daher wegen der möglichen Phasenunterschiede noch immer eine ganze Schaar von solchen Kurven möglich sein.

Es dürfte vielleicht geeignet sein, hier auf diese Kurven etwas einzugehen, da hierzu nur ganz einfache geometrische Betrachtungen nöthig sind; ich will daher zuerst ihre Kon- struktion angeben und dann zeigen, wie man sich über die zu einem gegebenen Verhältnisse gehörigen Kurven leicht eine Uebersicht verschaffen kann, indem man sie was auf zwei Arten möglich ist -- als Projektionen einer Raum: kurve auffasst.

2. Die Schwingungen, deren Zusammensetzung wir betrachten wollen, sind Sinusschwingungen, das sind geradlinige Bewegungen eines Punktes, bei denen seine Entfernung aus einer Mittellage dem Sinus der Zeit pro-

portional gesetzt ist. Eine solche erhält man am anschau-

liehsten, indem man einen Punkt P, der mit gleichförmiger Geschwindigkeit einen Kreis durchläuft, auf eine Gerade seiner Ebene, z. B. einen Kreisdurchmesser, senkrecht pro- jieirt. Beginnt nämlich der hin und her schwingende Punkt seine Bewegung im Kreismittelpunkt 0’ und gelangt nach einer gewissen Zeit in die Lage P', so wird (vgl. die Figur): 0'P'=asing, ; und man hat, da wegen der gleiehförmigen

Zeit proportional ist, eine Sinnsschwingung; rs und dasselbe gilt bei der Projektion auf eine Fig. 1. zum Kreisdurchmesser 0‘ P' parallele Gerade. 3. Neben dieser Konstruktion müssen wir zum späteren

Gebrauch noch die graphische Darstellung der Sinusschwing

ung durch die Sinuskurve erwähnen, die man dureh

Bewegung des Punktes P der Winkel p der

die Eigenschaft definirt, dass ihre Ordinate gleich dem a

Sinus der Abseisse ist, die also geometrisch erhalten wird, .

Von Dr. H. WıEner, 233

indem man in der vorigen Figur die Strecke a zur Ein- heitsstrecke wählt und die Bogen O P als Abscissen, die Längen O’ P‘ als Ordinaten aufträgt. Die Kurve zeigt un- endlich viele Wellen, deren ganze Länge gleich dem Kreis- umfang, also fir a=1 gleich 2 z ist. Da die Bewegung des Punktes P gleichförmig ist, so ist die Zeit dem Bogen proportional, kann also z. B. direkt durch den Bogen aus- gedrückt werden, so dass die Abseisse die Zeit angiebt, in der die Entfernung des schwingenden Punktes aus der Mittellage gleich der Ordinate ist.

Da wir aber im Folgenden Schwingungen zu betrachte haben, die einen Hin- und Herweg in verschiedenen Zeiten vollenden etwa in !/,, '/,,.. oder auch in dem 2-fachen, 3-fachen, .. einer gegebenen Zeit so bezeichnen wir als Sinuskurven auch solche, deren Wellen- länge auf !/, (wie in der beistehenden Figur), !/,,.. verkürzt, oder auf das 2-fache, 3-fache, . . verlängert, all- gemein im Verhältniss - verändert

Fig. 2. erscheinen.

4. Die geometrische Definition der Sinusschwingung (Nr. 2) soll jetzt angewandt werden, um zwei solche Schwing- üngen zusammen zu setzen. Hierzu nehmen wir an, dass nieht nur ein Punkt eine etwa horizontale Sinusbewegung von der Schwingungsweite a ausführe, sondern dass mit einem sich so bewegenden Punkt ein vertikal gestellter Stab verbunden sei, und dass auf diesem während seiner Bewegung ein zweiter Punkt eine Sinusschwingung von der- selben Weite, aber vielleicht anderer Dauer, vollführe; es beschreibt dann dieser zweite Punkt in der von dem Stabe überstrichenen Ebene die gesuchte zusammengesetzte Be- wegung. Wollen wir nun die Bahn des Punktes in dieser Ebene verzeichnen, so können wir für beide Schwingungen denselben in der Bahnebene gelegenen Hilfskreis ver- wenden, indem wir den Punkt, der den Stab führt, als

ojektion eines auf dem Kreise wandernden Punktes P, die Linie des Stabes selbst als den Projektionsstrahl dieses Punktes betrachten, gleichzeitig aber den auf dem Stabe . Auf und ab gehenden Punkt als Projektion eines zweiten

234 Die geometrische Zusammensetzung zweier Sinusschwingungen.

den Kreis gleichförmig umlaufenden Punktes P ansehen, dessen horizontale Projektionsstrahlen den Stab wo er sich auch zur Zeit befinden mag in einem Punkte der gesuchten Bahnkurve schneidet.

Von den Geschwindigkeiten, mit denen hierbei die beiden Punkte den Kreis gleichförmig beschreiben, kann jede für sich beliebig angenommen werden, und nur dann, wenn man verlangt, dass die Bahn in sich zurtckläuft, müssen sie in rationalem Verhältniss stehen. Und auch die Lage der beiden Punkte P auf dem Hilfskreis zur Anfangs- zeit ist willkürlich, da eine Verschiebung des einen An- fangspunktes einem früheren oder späteren Hinzutreten der zweiten Schwingung zu der schon begonnenen ersten gleich kommen würde und daher nur den Phasenunterschied der beiden Schwingungen ändern könnte.

Schreitet nun die Zeit um 1, 2, 3,.. gleiche Zeittheileben fort, so wird jeder der beiden Punkte P um ebenso viele Einheiten der seiner Geschwindigkeit entsprechenden Bogen- länge auf dem Kreise fort schreiten; zieht man daher dureh jede solche Lage der Punkte ? eine horizontale bezw. Vet tikale Linie, so gehört deren Schnittpunkt der gesuchten

Konstruktion für ein ratio- nales Verhältnis m:n der

Fig. 3. .4. e

Durchläuft der eine Punkt P den Kreis In ”ı der andere in » Zeiteinheiten, so theile man 2

- = Bahnkurve an. Besonders FIN 553 MIN SR Se Umlaufszeiten und bei spe

einfach gestaltet sich die ig, 4 eiellen Phasendifferenzen:

wei

gegenüberliegende Quadranten desHilfskreisesin

m, die andern beiden inn gleiche Theile und ziehe

durch die Theilpunkte das eine Mal ver ! das andere Mal horizontale Linien, so dass man ein Liniennetz erhält; gehtmandannvoni Knotenpunkt dieses Netzes aus und sc in den Diagonalen der Netzmaschen weiter, erhält man die Knotenpunkte des Net einer der zu dem Schwingungsverhä gehörigen Bahnkurven liegen.

hreitet stet3

tikale,

rgend eine | zes, dein

Von Dr. H. WIENER, 235

Denn beim Verstreichen eines Zeittheilchens rückt eine vertikale und eine horizontale Linie des Netzes bis zur nächsten fort, also rückt der Knotenpunkt des Netzes, in dem sich die beiden ersten Linien schneiden, bis zu dem in der Diagonale einer Masche gegenüberliegenden Knotenpunkte weiter.

Bleibt nach Vollendung dieser Kurve ein Knoten frei, so kann man von ihm aus eine weitere Kurve beginnen. Und da man statt m und n Theile auch ein belie- biges Vielfaches dieser Zahlen nehmen, das Netz also be- liebig verdichten kann, so erhält man nicht nur beliebig nahe aneinanderliegende Zwischenpunkte einer solchen Kurve, sondern auch eine beliebige Anzahl von Kurven,

die zu demselben Schwingungsverhältnisse aber zu verschiedenen Phasenunterschieden gehören. Figur 3 zeigt das Netz für das Verhältniss 3:2 (Quinte und Grundton), in Figur 4 sind daraus drei Kurven abgeleitet;

Fig, 5. Figur 5 stellt eine solche Kurve für das

Schwingungsverhältniss 9:8 (Sekunde und Grundton) dar.

Für die so gewonnenen Kurven giebt es noch eine andere Erzeugung, welche bei gegebenem Schwingungsver- hältnisse mit einem Schlag das ganze System der zu allen Phasenunterschieden gehörigen Gestalten liefert. Statt näm- lich die Kreisbahn des Punktes, dessen Projektion den Stab führt, in die vom Stabe überstrichene Ebene zu legen, kann man sie auch senkrecht dazu stellen, und den Stab dann als die Projektion eines auf diesem Kreise geführten zweiten Stabes betrachten, der also seinerseits mit gleichförmiger Geschwindigkeit einen Kreiscylinder beschreibt etwa 50, dass während der Punkt auf dem Stabe = Schwingungen vollendet, der Stab selbst einmal um den Cylinder herum- geht [oder was dasselbe ist, dass der Stab » mal herumgeht, während der Punkt auf ihm m Schwingungen vollführt]. Es kommt dann auf dasselbe hinaus, ob man die Schwingung, die mit dieser zusammengesetzt werden soll, unmittelbar auf em projieirten Stab vor sich gehen lässt, oder auf dem Stabe des Cylinders und diese Bewegung dann zusammen mit dem Stabe projicirt. Bei der letzteren Auffassung erhält

236 Die geometrische Zusammensetzung zweier Sinusschwingungen.

man die gesuchte Kurve als die Projektion einer auf dem Cylinder liegenden Raumkurve.

Diese aber lässt sich sehr einfach konstruiren. Breitet man nämlich die Fläche des Cylinders in eine Ebene aus, so entspricht der Bewegung des Punktes auf der Raum- kurve die eines anderen Punktes in der Ebene, dessen Ab- weichung aus der Mittellage dem Sinus der Zeit und dessen Projektion auf die Gerade, in die sich der Ort der Mittel- lage abwickelt, der Zeit selbst proportional ist, d. h. man erhält in der Ebene eine Sinuskurve. Und wenn um- gekehrt eine solche Sinuskurve auf dem Kreiseylinder gerade aufgewickelt wird, d.h. so, dass ihre Mittellinie in einen Kreis des Cylinders übergeht, so wird eine Raumkurve ent- stehen, deren senkrechte Projektion auf eine zur Cylinder- axe parallele Ebene als die Bahn eines Punktes betrachtet werden kann, dessen Bewegung sich aus zwei Sinus schwingungen zusammensetzt. Nur hat man den Dureh- messer des Cylinders gleich der Breite des Streifens zu machen, in dem die Sinuskurve verläuft, falls man an der Voraussetzung festhält, dass die Weiten (Amplituden) der beiden Schwingungen gleich gross seien. Will man dabel das Schwingungsverhältniss m: herstellen, so lässt man m volle Wellen der Sinuskurve sich » mal um den Cylinder herumwickeln. i

Vergleicht man mit einer so konstruirten Kurve n andere, für welche der Punkt auf dem Stabe um einen Zeittheil später wie vorher durch seine Mittellage hindureb- geht, so hat sich der Stab inzwischen um das diesem Zeit- theil entsprechende Stück auf dem Cylinder weiter bewegt: Die dem neuen Phasenunterschiede entsprechende Raum kurve ist daher der vorigen kongruent und gegen un nur um ein Stück auf dem Cylinder gedreht.

Somit ergiebt sich der Satz: .

Durch Zusammensetzung zweier Sinusschwind ungen erhält man eine Bewegung, deren Bahn- kurve gefunden werden kann, indem man Sinuskurve auf einen Kreiseylinder ger& wickelt, und diesoerhaltene Raumkurv

eine . deaur eaufeine derCylinderaxe parallele Ebene projieirt- De

nn a a aan lan rin u an nn

a

Von Dr. H. WıEner. 237

man dann unter Festhaltung der Projektionsebene den Cylinder um seine Axe, so erhält man in den sich hiermit ändernden Projektionen alle zu demselben Schwingungsverhältnisse aber zu verschiedenen Phasenunterschieden gehörigen Gestalten dieser Bahnkurven.

a 6. Man kann die Schaar i der Bahnkurven auch auf eine zweite Weise erzeugen, indem man die horizontale /]-und die vertikale Richtung ihre Rolle tauschen lässt,

Fig. 6b. d.h. indem man einen hori- Ze, zontalen Stab mit einem SW |) darauf schwingenden Punkt {N |?) längs einesdazusenkrechten 5 z Kreises einen liegenden

*\ / Cylinder beschreiben lässt.

Pe J N J

——" Man erhält dann dasselbe

Det. Fig: Tb. Schwingungsverhältniss wie vorher, wenn man » Wellen einer Sinuskurve m mal um den liegenden Cylinder so herumwickelt, dass die Kurve sich schliesst. D.h.:

Das ganze System der zu einem gegebenen Schwingungsv erhältniss, aber zu beliebigen Phas enunterschieden gehörigen Kurven lässt Sich aus zwei eylindrischen Raumkurven durch Projektion herleiten.

Se 7. In denFig. 6a. u. 6b. u. 7a. u.7 b. sind für die Schwingungsverhältnisse 2:1 (Oktave u. Grundton) und 3:2 (Quinte u. Grundton) die beiden Raumkurven in schiefer Pro- jektion gezeichnet, so dass die Verschieden- heit der Raumkurven in den Fig. hervortritt und erst dann verschwinden würde, wenn

Fig. 8. die Sehrichtung in die kurze Linie des Axenkreuzes fiele. Beim Schwingungsverhältniss 1:1 (und nur bei diesem) sind die beiden Raumkurven kongruent, und zwar Ellipsen, Peren Ebene gegen die Cylinderaxe unter 45° geneigt ist. |

238 Zusammensetzung von Schwingungen. Von Dr. H. WıENER.

Denn in diesem Falle wird das Netz (vgl. Figur 3) zu den Diagonalen symmetrisch, so dass die Diagonalen selbst zu Bahnkurven werden. Die eylindrische Kurve projieirt sich daher in eine Gerade, ist also der Schnitt der projieirenden Ebene mit dem Kreiscylinder, d. h. eine Ellipse (Fig. 8).

Ihre Projektionen werden beim Weiterdrehen aus einer solehen wieder Ellipsen, die sich stetig bis zum Kreise und dann wieder bis zur zweiten Diagonale ändern.

Die 5 Raumkurven der Figuren 6 bis 8 habe ich aus starkem Draht biegen lassen und so ein Hilfsmittel ge- wonnen, um die Uebereinstimmung der Projektionen sehr einfach durch die Schatten dieser Drähte in parallel auf- fallendem Lichte vor Augen zu führen. Dreht man dann zwei zusammengehörige Raumkurven (Fig. 6a. und 6b. oder 7a. und 7b.) um ihre Axen, von denen die eine horizontal, die andere vertikal liegt, so ändern sich zwar, dem verän- derten Phasenunterschied entsprechend, die beiden Schatten stetig, aber sie bleiben bei gleich starker Drehung unter einander stets kongruent.

Dabei bemerkt man Doppelpunkte der Schatten- kurven, die sich bei der Drehung der Raumkurven zum Theil in vertikaler, zum Theil in horizontaler Richtung verschieben. Die einen sind die Schatten wirklicher, die anderen scheinbarer Doppelpunkte der Raumkurven; diese letzteren entstehen dadurch, dass sich die Schatten eines vorderen und eines hinteren Theiles der Raumkurve kreuzen, Hat dabei die eine Raumkurve an einer Stelle einen wirklichen Doppelpunkt, so hat die andere an der entsprechenden Stelle einen scheinbaren.

Diese und manche andere Eigenschaften der Kurven Lissarou’s lassen sich ohne weiteres aus den gegebene! Konstruktionen ableiten.

Bemerkungen über die Morphologie der Scaphopoden, Von Dr. Heinrich Simroth. Leipzig-Gohlis.

Die Durcharbeit gderScaphopoden für Broxn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs hat mir eine ganze Reihe von Fragen aufgeworfen und von Beziehungen aufgedeckt, welche nur aus der Uebersicht des Gesammtmaterials sich - ergeben konnten und, wie mir scheint, von den Vorgängern übersehen sind. Eine vollkommen normale Methode würde die Arbeit vom Schreibtisch auf den Experimentir-Tisch und an den Strand des Meeres zu übertragen haben; sie würde jedoch den Abschluss des malacologischen Theils bei Lebzeiten unmöglich machen, ausserdem aber, wie es die Vertiefung in das einzelne Objekt nothwendigerweise mit sich bringt, von der allgemeinen Uebersicht wieder abdrängen. Das führt zu einem fatalen Dilemma. Ent- weder man schiebt den Broxx bei Seite und begiebt sich m monographischer Arbeit an die Einzelheiten, womit aber wieder die Quelle der reichen Fragestellung versiecht oder man setzt sich dem Vorwurf allzu üppiger Speculation “us, die man nicht durch positive Leistungen genügend begründet. Um das Allgemeine nicht zu verlieren, be- Schränke ich mich auf Combinationen, wie sie am Schreib- isch gewonnen werden.

„Pie Bemerkungen betreffen tbeils einzelne Theile, theils die Auffassung und Eintheilung der ganzen Klasse»

240 Bemerkungen über die Morphologie der Scaphopoden.

A. Morphologie.

1. Die Schalenstruktur.

Lacaze-Durnıers’!) ausführliche Schilderung, auf die ich im Einzelnen nicht eingehe, setzt mich, glaube ich, in den Stand, eine Erklärung des Baues auf mechanischer Grundlage zu versuchen,

Von so zarten, durchsichtigen oder durchscheinenden Röhren, wie sie etwa Dischides besitzt, sehe ich ab, denn über ihre Struetur ist meines Wissens nichts weiter ver- öffentlicht.

Die grossen, diekeren Dentalienschalen bestehen be- kanntermassen aus drei Schichten. Man kann sie nach moderner Terminologie als Ostracum, Peri- und Hyp- ostracum bezeichnen. Das Periostracum, das die Sceulptur trägt, ist so kalkig, wie die übrigen, aber gleichmässig, strueturlos; höchstens könnte man an Calcosphaeriten denken. Das Hypostracum, namentlich am oberen Theile und zwar nachträglich entwickelt und besonders stark nach dem Abwerfen der Schalenspitze, entspricht zwar der Perlmutterschicht anderer Mollusken, ist aber, wie das mittlere Ostracum, aus Prismen zusammengesetzt, die un gefähr der Schalenaxe parallel gerichtet sind. Das Ostra- cum besteht aus feineren Prismen, ganz wie das der Gastropoden und Lamellichranchien, nur dass diese eine viel grössere und darum durchsichtigere Regelmüssigkeit : der Anordnung zeigen, als das bis zur Unverständlichkeit

verwebte Gewirre bei jenen. Sie kreuzen sich im A versalschliff unter annähernd rechten Winkeln, deren ©. n Radien

birende auf die Schalenaxe gerichtet sind, also de des kreisförmigen Schliffs entsprechen. Allerdings entsteht eine Complication dadurch, dass die Kalkstäbe nicht streng oder überhaupt nicht in der Ebene des Transversalschl liegen, sondern schräg nach unten und aussen stehen, © = Anwachslinien der Schale entsprechend. Uebrigens scheitl .

1) H. de LacAzE-Durtuıers. Histoire de Vorganisation = a. döveloppement du Dentale, Ann. d. se. nat. zool. (#) VL ee ‘VL. 1857.

Von Dr. HEInRicH Sımrortn. „241

mir die dadurch hervorgerufene Ablenkung noch nicht ge- nügend festgestellt.

Lassen wir diese Abweichung bei Seite, was für die Auffassung nichts verschlägt, dann dürfte der mechanische Aufbau leicht klar werden.

Die Prismen, vielleicht von je einer Zelle aus wachsend, werden der Schalenzunahme gemäss, nach aussen und unten gerichtet sein. Schon der Umstand, dass gelegentlich neue eingeschaltet werden, bringt es mit sich, dass sie nicht streng radial geordnet sind. Wenn sie aber nur etwas von dieser Lage abweichen, dann muss jeder Druck von unten sie in die tangentiale Richtung zu drängen bestrebt sein. In der That erhält man das Schema auf's einfachste, wenn man an den inneren Umkreis des Schalendurch- Sehnitts in engen Abständen ringsum Tangenten zieht. Der Druck aber ergiebt sich von selbst aus den Bewegungen des Thieres. Namentlich muss jede stärkere Retraetion des Mollusks, einschliesslich des Mantels, von innen nach aussen drücken.

Mit dieser einfachen Ableitung verbindet sich aber, wie so oft, zugleich ein teleologisches Prineip, indem die höchste Schalenfestigkeit erreicht wird.

Die später am apicalen Pole darunter abgeschiedenen

Prismen des Hypostracums finden natürlich in dem schon fertigen Ostracum eine Schranke und legen sich einfach er Länge nach an dasselbe an. Man könnte in eben dieser Prismenstructur ein Hinderniss gegen die Homolo- gisirung mit der Perlmutter anderer Weichthiere er- blicken,

Die Abweichungen vom Schema, welehe die Krümmung der Schale in der Anordnung der Prismen des Ostracums bedingt, sind erst noch zu prüfen durch neue Unter- suchung.

Uebrigens liegt die Parallele zwischen dem Gefüge dieser Stäbe und den unter denselben Winkeln gekreuzten Spieulis der Aplacophoren auf der Hand.

Zeitschrift £, Naturwiss, Bd. 67. 1894. 16

242. Bemerkungen über die Morphologie der Scaphopoden.

2. Der Mantel.

Hier erheben sich mancherlei Fragezeichen, die na- mentlich das Hinterende, den sogenannten Pavillon, be- treffen. Nach LacazE-DUTmIEers ragt er kaum aus der Schale heraus. Anders in den Zeichnungen, die SARS von Siphonodentalium gegeben hat.!) Hier ist der vorge- schobene Rand zackig, ungefähr wie die Schalenöffnung, mit einem Einschnitt auf der unteren Seite. Die alte Ab- bildung von ArsEnVILLE, die erste, welche das Thier bringt, und die z.B. in die Cusıerzs’ übergegangen ist, zeigt einen faltigen herausragenden Trichter, etwa von der Form einer Kartoffelbüthe. Bei der geringen Anzahl der Formen, von denen wir das Thier kennen, möchte ich Bedenken tragen, diese Gestalt des oberen Mantelendes einfach, wie es ge- wöhnlich geschieht, ad acta zu legen. Ebenso erwünscht wäre es, den Umriss dieses Endes bei Dischides, Cadulus u. a. zu kennen.

Viel wichtiger aber dürften Formen, bezw. Gattungen sein, die einen langen Schalenschlitz an der eonvexen Seite haben, wie Fissidentalium. Hat der Mantel hier einen ebenso langen Spalt wie die Schale? Das würde wohl mit Nothwendigkeit zu der Consequenz führen, dass auch der obere Mantelwulst, der nach der Litteratur ganz nahe am apicalen Pole liegt, weiter nach unten sich ver- schöbe, oder vielleicht umgekehrt, dass das gauze Hinter- ende, so weit der Spalt reicht, eine kaenogenetische Bil- dung wäre, nachträglich herausgewachsen. Vermuthlieh wirken beide Momente bei der Bildung zusammen.

3. Das Nervensystem.

TureL#?) und Prare?) haben gezeigt, dass die hintere Verlängerung des Cerebralganglions in Wirklichkeit ein »)M. Sars. Om Siphonodentalium vitreum ete. Christianla 1861. = a TureLe. Ueber Sinnesorgane der Seitenlinie ete. Zei f. wiss. Zool. II. 1890. ; 9) PLate. Ueber den Bau und die Verwandtschaftsbeziehunge" = der Solenoconchen. Zool, Jahrb, V. 1891. I

Von Dr. HEINRICH Sımrorn. 243

durch ein kurzes Connectiv abgesetztes Pleuralganglion ist, rechts und links symmetrisch. Leider haben sie sich nicht darım gekümmert, ob der Mantelnerv, welchen LacaAze- Durnıers aus diesem Hirnanhange entspringen lässt, aus dem Cerebral- oder aus dem Pleuralganglion stammt. In letzterem Falle läge die Vermuthung nahe, dass diesem Nerven ein besonderes Osphradium am Mantel entspricht. Sie mag künftig geprüft werden.')

4. Die Verdauungswerkzeuge.

a) JEFFREYS giebt an,2) dass die Radiolarien, welche zur Nahrung dienen, unverdaut im Magen liegen. Hier liegt wohl eine Verwechslung vor; denn nach allen übrigen Angaben halten sie sich zwar in den Backentaschen, aber von der Leber, d.h. vom Magen an, ist bloss ein heller Speisebrei vorhanden.

b) Man kann sich kaum vorstellen, dass der Kiefer, weit hinter der nicht einstülpbaren Schnauze im Inneren gelegen, zur Zerkleinerung der Nahrung dient oder über- haupt mit dem Beissen zu thun hat. Sollte er nicht anders verwandt werden? Gerade unter ihm findet sich das Sub- radular- oder Geschmacksorgan. Sollte er nicht dazu dienen, den hintergeschluckten Bissen fester auf dieses herabzudrücken? Freilich könnte eine solche Geschmacks- ——

!) Anm. Bei der Wichtigkeit des Lang’schen Lehrbuches der vergleichenden Anatomie der Wirbellosen will ich nicht unterlassen, auf ein Versehen darin hinzuweisen, Lane verlegt die Visceral- ‘ommissur der Scaphopoden hinter, bez. über den Enddarm, während doch gerade die Lage darunter und davor einen so wichtigen Gegen- satz zwischen den Amphineuren und allen übrigen Mollusken bedingt, Vielleicht erklärt sich das Versehen aus der unglücklichen fran- »ösischen Terminologie, welche vom Menschen ausgehend, das Vorder- ende aller Thiere als superieur bezeichnet, ohne alle Rücksicht auf diese selbst. So wird die weitere vordere Schalenöffnung von Den- talium, die wir der natürlichen Haltung entsprechend die untere Nennen, als superi enommen, woraus die vollständige Gegen- Sätzlichkeit aller Lagebezeichnungen sich ergiebt.

2) Gwvn JErFREYS, On theMollusca of the Lightning and Por- Cupine Expedition. Proc, Zool. Loc. London 1882.

aeg

244 Bemerkungen tiber die Morphologie der Scaphopoden.

empfindung wohl nicht mehr zur Verweigerung eines Fremd- körpers bez. zum Ausspeien führen, wohl aber von der An- wesenheit schmackhafter Beute Nachricht geben und somit die Fresslust und das Gedeihen des Thieres an- regen.

c) Ebenso oder noch mehr wie beim Kiefer, könnte man sich bei der Radula fragen, wie sie in ihrer Abge- schlossenheit noch wirken und sich erhalten haben könne, da doch die Benutzung als Raspel, überhaupt die Berührung mit der ausserhalb befindlichen Beute vollständig ausge- schlossen ist. Auch hier liegt wohl die Erklärung in einem abgeänderten Gebrauch. Wie die entsprechenden Abbildungen Lacaze-DviHıers’ zeigen, werden die Zähne viel weniger in der Richtung von vorn nach hinten, als von links nach rechts bewegt, die Lateralzähne greifen bei der'Retraetion der Zunge zangenartig in einander ein, kurz die Reibplatte ist zu einem Quetschapparat geworden, der die Radiolarien zwischen seine Arme nimmt und zerdrückt. Der Name „Heteroglossa“, den Gray der Klasse gab, ist in dieser Hinsicht recht zweckentsprechend.

d) Die sogenannte Rectaldrüse ist dasjenige Organ, dessen bisherige Auffassung ich am allerwenigsten theilen möchte. Pıarz hat gegen Fon!) gezeigt (1. e.), dass durch einen einzigen Gang die zahlreichen Sehläuche in den End- darm münden. Von diesem steht so gut wie fest, dass er rbythmische Schluckbewegungen macht und zum Athmen dient, neben der gegenüberliegenden Kiemengegend des Mantels. In den Schläuchen haben alle Forscher überein- stimmend Drüsenzellen vermisst, dagegen besonders lange Geisseln gefunden, welche ein starkes Wimperspiel unter- halten. Der Strom dringt in die Schläuche ein, wohl um wieder heraus zu treten. Die erstere Stromriehtung wird bezeugt durch gelegentliches Eindringen von Eiern. Es liegt demnach wohl keine Veranlassung vor, die Bezeichnung Rectaldrüse festzuhalten; ich möchte in der Einriehtung vielmehr einen Spülapparat erblicken, welcher zum Gas-

1) H.For. Sur Y’anatomie mieroscopique de Dentale. A

rch. Zool. 2 exp. et gen. (2) VII. 1889,

Von Dr. HEINRICH SımRroTH. 245

wechsel mit der in dem lacunären Bindegewebe enthaltenen Hämolymphe, also zur Athmung dient, kurz, ich halte das Organ für eine Wasserlunge.

5. Der Blutlauf.

Die Bahnen, in denen die Hämolymphe fliesst, sind durchweg lacunär, ohne eigne Wandungen. Lacaze-Dv- THIERS, der zur Zeit einer geringeren Ausbildung der Histologie arbeitete, nannte die röhrenförmigen Gefässe. Man könnte vielleicht Gefässbahnen dafür setzen. Das obere vordere Mantelgefäss, das in der Medianlinie nach vorn zieht, giebt vorn nach rechts und links je zwei Zweige ab, die parallel mit dem vorderen Mantelrande nach unten ziehen. Sie verzweigen sich in feinere Lacunen, lassen aber das ring- fürmige Mantelsttick zwischen sich frei. Der Verfasser der klassischen Monographie giebt an, das hintere Ringgefäss gehöre zum vorderen Mantelwulst, das vordere zu der da- ran sitzenden Krause, die als freies Mantelende den aus- gestreckten Fuss festonartig umgiebt. -

Möglicherweise hätte der französische Forscher ein wenig anders gedeutet, wenn ihm der damalige Standpunkt der Gewebelehre erlaubt hätte, jene ringförmige Mantel- region zu erkennen, die Pratz (l.e.) als die gallertige be- zeichnet. Sie folgt unmittelbar auf den vorderen Mantel- wulst und hat etwa die Breite, welche dem Abstand jener Gefässringe entspricht. Mir scheint daher die Annahme nahe zu liegen, dass der vordere Ring allein dem Mantel- wulst entspricht, der hiutere aber den Mantel hinter der Sallertigen Region versorgt, welche ihrer gallertigen Grund- ven entsprechend vermuthlich von Lacunen so ziemlich frei

eibt.

Die Entscheidung dieses Punktes kann natürlich nur am frischen Material gefällt werden.

6. Die Wasserporen. Jene feinen Oeffnungen, welche neben den Nierenporen sach aussen münden, sollen nach Lacaze- DUTHIERS die freie Communication zwischen Blut und Wasser vermitteln.

246 Bemerkungen über die Morphologie der Scaphopoden.

Wer die allgemein verbreiteten Anschauungen der damaligen Zeit über diesen Punkt kennt, wird eine derartige Auf- fassung nicht verwunderlich finden, und wer den langen Streit der neueren Zeit über die Wasseraufnahme bei Schnecken und Muscheln verfolgt hat, dem wird es ganz unmöglich erscheinen, dass mit den vor annähernd vierzig Jahren zu Gebote stehenden Mitteln eine völlige Aufklärung hätte erreicht werden sollen.

PıATE, der neueste Bearbeiter, ist der Auffassung Lacaze-Durniers bedingungslos beigetreten (1. e.), trotz den schweren Bedenken, welche die Untersuehung der anderen Weichthiere ergeben hatte, und trotz den histologischen Andeutungen von Seiten anderer Forscher.

Nassoxow!) erblickt in den Poren die Mündungen zweier ovaler Drüsen; For findet in der Nachbarschaft eine Art Endothel, woraus er die Deutung des Analsinus als Prrıcarn herleitet (l. e.). Prare leugnet beide Be- funde.

Liegt es nach alledem nicht näher, da eigentliche Drüsenzellen kaum nachgewiesen sind, daran zu denken, dass in der That jene zarten Membranen Wasserräume ab- schliessen, welche durch die Poren nach aussen führen? Es könnte Wasser aufgenommen und wieder abgegeben werden, je nach der Verschiebung des Thieres bei seinen Bewegungen, es könnte zur Noth auch eine Ausscheidung von Blutflüssigkeit durch die Membrane angenommen werden, wiewohl die erstere Hypothese sicherlich mehr Wahrschein- lichkeit hat, nach dem, was Scnirmenz an Natica 8% zeigt hat.

Jedenfalls liegt auch hier eine offene Frage vor. B. Ontogenie. Es muss selbstverständlich noch mehr gewagt

scheinen, auf diesem Gebiete Kritik zu üben als bei der

1) Nassoxow. Zur Morphologie der Scaphopoden. Biolog. Cen- r tralblatt X 1890. 8. 254-255, ;

Von Dr. HEINRICH SIMmROTH. 247

Anatomie. Auch handelt sich’s bloss um ein paar unter- geordnete Punkte, das Proktodaeum und die Fuss- drüse.

Nach Kowarrvskr!) verklebt der Darm einfach mit dem Epithel an der Stelle, wo künftig der After entsteht. Der Autor vermuthet, dass ein einfacher Durchbruch erfolgt ohne Einstülpung des Ectoderms. Bei der besonderen physiologischen und morphologischen Ausbildung des Rek- tums als Respirationsorgan liegt es doch wohl nahe, künf- tig nach einem eingestülpten Proktodaeum zu suchen.

Als Fussdrüse fasst Kowarevsky eine kleine Ein- stülpung an der Wurzel des Fusses, allerdings mit einigem Zweifel. Sie soll wieder verschwinden und darin an die Fussdrüse von Chiton erinnern. Nun bildet aber derselbe Forscher an den ältesten von ihm beobachteten Stadien einen viel grösseren Drüsenschlauch ab, der un- mittelbar hinter dem Munde sich nach aussen öffnet. Er wird einfach als Drüse bezeichnet, wenn auch fraglich. Der Form, Ausdehnung, Enge der Mündung und vor allem der Lage nach stimmt aber diese Drüise meiner Meinung nach vollkommen mit der von Chiton überein, daher ich kein Bedenken tragen möchte, beide zu homologisiren. Wie freilich dann die viel unbedeutendere frühere und weiter hinten gelegene Einstülpung zu deuten, ob etwa als Rest einer Byssusdrüse, muss ich dahingestellt sein lassen. Dass die vordere, echte Fussdrüse der Larve nachher wieder schwindet, ergiebt sich aus den Verhältnissen des er- wachsenen Thieres.

C. Phylogenie. l. Die Stellung der Seaphopoden im System.

PeLsexzer meint,2) die Dentalien wären morphologisch höher zu stellen als die Amphineuren, die Cephalopoden, —_

') A. Kowauevsky, Etude sur l’embryogönie du Dentale, Ann. du Musee d’hist. nat. Marseille. Zool. I. 1883.

®) P. PsLsenzer, La classification generale des Mollusques, Paris 1892. Bull, seient. France Belg. XXIV.

248 Bemerkungen’ über die Morphologie der Scophopoden.

die ältesten Anisopleuren oder Schnecken und die ältesten Muscheln wegen der unpaaren Geschlechtsdrtise mit nur einem Ausführgange, wegen der Nähe von Mund und After, wegen der unteren Mantelverwachsung und der weiten Entfernung zwischen Pleural- und Pedalganglien.

Ich möchte noch einige Momente hinzufügen, die Re- duction der Blutgefässe, die Ausbildung der Sep- ten und die Zerstückelung des Coeloms.

Der Mangel besonderer Gefässwandungen kann doch in keinem Falle als ursprünglicher Zustand gelten, zum mindesten wird anfangs die Herzkammer in eine Aorta sich fortgesetzt haben. Ebenso muss man der Vorstufe, welche noch Kiemen hatte, auch die Existenz von Vor- kammern zusprechen. Der Verlust dieser Organe deutet auf eine lange Reihe schon sehr früh ausgestorbener Zwischenformen.

Eine sehr charakteristische Bildung, die mit dem Blut- lauf zusammenhängt und wohl bei keinem anderen Weich- thier in ähnlicher Weise vorkommt, sind die vollkommenen Septen, welche sich zwischen die Eingeweide schieben und nur an ganz bestimmten Stellen Oeffnungen frei lassen für die Cireulation der Hämolymphe. Sie schaffen besondere Sinus im Fuss, um das Hirn, um den Pharynx, um den Darmkanal.

Endlich weist auch der spärliche Rest und die Zer- splitterung der secundären Leibeshöhle auf eine welt- gehende Umbildung hin. Man würde das kümmerliche Herz zur Noth für ein altes Erbtheil halten können, wenn das Pericard noch mit den Nieren zusammenhinge ; aber die Nierenspritzen werden vergeblich gesucht.

Ich schliesse mich also vollständig der Auffassung U) welche die Dentalien weder zu den Schnecken noch ZU den Muscheln in nähere Verwandtschaft bringt, sondern einen völlig gleichberechtigten und von den übrigen ebene weit abstehenden Zweig am Weichthierstamme in ihnen erblickt. en

Von Dr. Heinrich Sımrorn. 249 2. Der Zusammenhang der Scaphopoden unter einander und ihre Urform. a. Musculatur und Fuss.

PrATE vertritt die Anschauung, als wenn die Siphono- poden mit ihrer papillenbesetzten Endscheibe am Fusse ursprünglicher wären als die Dentalien; er stützt sich zumeist darauf, dass bei Siphonodentalium die Retraetoren ungespalten sind, während sie sich bei Dentalium durch einen Längsspalt verdoppeln, so dass jenes im Ganzen ıwei, dieses aber vier Columellarbündel besitzt (]. e.).

Ich komme viel eher zu dem umgekehrten Resultat, wenn ich auch gestehe, dass die phylogenetische Deduc- tion, wie bei weitem in den meisten Fällen, zu keinem völlig klaren und befriedigenden Ergebniss führt.

Was zunächst jene Muskeln anlangt, so hängt der Grad ihrer Differenzirung mit der morphologischen Aus- bildung des Fusses zusammen. Worauf die Spaltung bei Dentalium beruht, wird mir allerdings nicht hinreichend deutlich. Man hat wohl daran zu denken, dass der Ein. tritt in ein complieirtes Muskelgewirre des Fusses eine weitere Theilung verlangt. Desto klarer aber wird die Sache bei den Siphonopoden. Hier fehlen dem Fusse die trans- versalen Muskeln, er wird zu einem Rohre mit Rings- und Längsfasern in seiner Wand und mit einstülpbarer Spitze. Die Retraction wird durch die Columellares bewirkt; sie fassen distal an der Endscheibe an und wirken somit als einheitliche geschlossene Muskelbündel, ohne Veranlassung u weiterer Spaltung.

Die Bildung des hohlen Rohres aber kann gegenüber dem parenchymatösen Dentaliumfusse, in dem doch ein weit weniger glattwandiger Hohlraum ausgespart wird, nur als eine seeundäre Stufe gelten und die damit verbundene Einstülpbarkeit erst recht.

Ebenso aber möchte ich die äussere Form des Fusses beurtheilen. Man kann schwerlich die rings ge- franste Endscheibe der Siphonopoden als etwas Ursprüng-

liches auffassen, um so weniger, als bei Pulsellum in der

250 Bemerkungen über die Morphologie der Scaphopoden.

Mitte noch ein freier tasterartiger Zipfel hervorsteht. Viel- mehr scheint mir’s, dass man vom entgegengesetzten Aus- gangspunkte weit eher zum Ziele kommt.

Dentalium hat einen dreilappigen Fuss, eine Mittel- spitze und zwei Seitenlappen, die als Anker dienen. Bei der Larve erscheinen schon sehr früh die drei Lappen als annähernd gleiche Bildungen zu einer Zeit, wo der Stiel, um den Ausdruck zu gebrauchen, noch nicht entwickelt ist. Weist nicht diese Gestalt darauf hin, dass man die Seiten- iappen als Epipodien zu deuten habe? Doch hat diese morphologische Frage hier weiter keine Bedeutung.

m bequem weiter zu gelangen, darf man wohl eine litterarische Annahme machen. Desuavzs bildet!) den Fuss so ab, als ob die Mittelspitze von einer trichterförmig geschlossenen Manschette umfasst würde. Wieder hat diese Darstellung durch das Gewicht der Lacaze-Durnters’schen Arbeit ihren Credit eingebüsst. Könnte nicht DesmaYyss doch eine Form mit solchem Fusse gefunden haben? Wie dem aber auch sei, mag die Gestalt dieses Fussendes existiren oder nicht, es liegt nahe anzunehmen, dass sie zum mindesten früher existirt habe, indem die Lappen möglichst ringsum in den Sand griffen zu besserer Ver- ankerung. Von hier aus ist aber nur ein Schritt zur Scheibe von Pulsellum. Der Rand des Trichters zackte sich m Papillen aus zu immer wirksamerer Befestigung, die Mittel- spitze schrumpfte zusammen zu einem nutzlosen Fortsatz. Er verktimmerte zuletzt ganz, so dass wir die reine Form von Siphonodentalium vor uns haben.

Mir scheint, die Ableitung ist einigermassen einleueh- tend; und dennoch könnte man eins einwerfen, nämlich

den einfach stumpf zugespitzten Fuss von Gadila (Helonyx)

ohne Lappen und Endscheibe.2) Doch ist die einfache Umrisszeichnung, welche Srımpsovn gab, so wenig über- zeugend, dass man von einer Deutung (Verklimmerung

der Lappen oder dergl.) vor der Hand besser absehen wi

1) G. P. Desuaves, Anatomie et monographie du genre Dentale Möm. soc. hist. nat. Paris. II. 1825

2) STIMPSON. On certain geners and families of zoophagou# .

Mollusca. Amer. Journ. of Conchology I. 1865.

Von Dr. HEInkıcH SıurorH. 251

b. Die Körperform (Kiemengegend. Leber. Gonade. Urform).

Die verschiedenen Scaphopodenschalen differiren theils nach der Umrandung der oberen Oeffnung, theils nach der inneren Schalenfläche, theils nach dem Umrise.

Die obere Schalenöffnung erlaubt die verschie- denste Zusammenstellung. Unter den Dentaliiden ist sie einfach ganzrandig wie Dentalium s. s., sie hat einen kurzen ventralen Ausschnitt bei Entalium, einen längeren ventralen Spalt bei Fissidentalium und Fustiaria. Der Spalt kann aber auch auf die dorsale Seite rücken, bei Dentalium sub- terfissum und Leoninae Mevnıer, eine Lageveränderung, für deren Deutung, ob durch die wirkliche Verschiebung der Fissur oder durch Umschlag der Schalen-Krümmung, wir noch keinen Anhalt haben. Unter den Siphonopoden haben wir bei Pulsellum wieder den einfachen Oeffnungsrand, bei Siphonodentalium und Dischides mancherlei Ein- schnitte, bei dem kleinsten Cadulus endlich nochmals eine ganzrandige Oeffnuung. Da jede Erklärung ohne vorlie- genden andersartigen Zwang vom Einfachsten auszugehen hat, sind Formen mit ganzrandiger Oeffnung an die Wurzel zu stellen, ob aber Dentalium s. 8., Pulsellum oder Cadulus, lässt sich von dieser Seite aus in keiner Weise ausmachen . „Die innere Schalenfläche kommt am wenigsten In Betracht, sie ist ja fast durehgehends glatt und fort- laufend, und nur bei dem fossilen Lobentale Cossmans wird sie durch zwei von den Seiten her einspringende Längsleisten unterbrochen.

Am wichtigsten scheint mir der Schalenumriss, für den wir, um nicht bloss beim Abscheidungsproduet zu bleiben, ebensogut den Mantelumriss setzen können. Bei den Dentaliiden haben wir durchweg die normale Kegelform mit mehr oder weniger gekrümmter Axe, gerade- 80 bei Pulsellum unter den Siphonopoden, bei den anderen Vertretern dieser Familie schnürt sich meist die vordere Oeffnung ein, so dass sich die Schale nach beiden Enden hin verjtingt. Einige Siphonodentalien, wie $. pentagonum,

252 Bemerkungen über die Morphologie der Seaphopoden.

folgen noch der einfacheren Form der Dentaliiden. Die bauchige Schale mit beiderseitiger Verjüngung steht dem Kegel um so näher, je weiter die Stelle der grössten Ver- breiterung nach dem Vorderrande zu liegt; sie rückt schliess- lich bei den meisten Cadulus in die Mitte der Längsaxe, und wir haben einen fast kugligen Umriss von etwa Weizen- kornform, dessen obere und untere Oeffnung an Gestalt und Weite nur wenig differiren. Die Reihe liegt also mit einiger Klarheit vor, an dem einen Pole stehen die konischen, am anderen die nahezu kugligen oder weizenkornförmigen Gestalten.

Soll man sich für eine als die ursprünglichere ent- scheiden, so kann diese angesichts der Ableitung der Scaphopodenschale aus der vom Rücken herabwachsenden und dann unten sich zum Gürtel schliessenden Sattelform nur der einfache Kegel sein. In der That haben auch alle Morphologen, welche eine phylogenetische Construction versucht haben, nur diese Form ihren Speculationen zu Grunde gelegt (GRoBBEn, PLAtE, Lane).

Gleichwohl liegt die Sache nicht ganz so einfach, ja es scheint aus der individuellen Entwickelung hervorzu- gehen, dass die erste Schalenform eine andere war.

Von Siphonodentalium vitreum bildet Sars (l. e.) eine Jugendform ab, deren oberes Schalenende ein wenig auf getrieben ist mit einem kurzen ventralen Einschnitt von hinten her.

Dieses Embryonalende entspricht aber recht wohl der ersten Schalenbildung der Dentalienlarve, wie wir sie durch Lacaze-Duruters und Kowarevskv kennen, auf dem Stadium, wo die Mantellappen bez. die Scehalenränder unten eben verschmolzen sind. Die Stelle der ersten Verschmelzung liegt aber bei der Schale wenigstens mehr dem Vorder- ende genähert, während sie nach hinten noch klaflt.

Ich glaube, man hat Grund zu der Annahme, dass

eine derartige Schalenform eine Stufe darstellt, welche Bo Urform lange Zeit selbständig war, natürlich nieht n BU sondern Be

zug auf das Segel und die sonstigen Larvenorgane, lediglich in Hinsicht auf Mantel und Schale, also & allgemeine Körperform. Ich werde dazu geführt dure

a lan land nn nn nn

|

Von Dr, Hzınrich SIMmROTH. 253

Betrachtung der Respirationsorgane und der Wachs- thumsverhältnisse der Dentaliumschale.

Als Kiemengegend dient nur die Mantelpartie unter- halb des Afters (zugleich mit dem Enddarm). Durch be- sondere Wimperringe ausgezeichnet, ist sie vom hinteren Theile des Mantelrohres scharf abgesetzt, das Blut wird durch eine untere ventrale Gefässbahn von hinten her herbei- geschafft. Woher kommt die scharfe hintere Abgrenzung dieser Athemgegend, die doch nach vorn, der Erwartung entsprechend, allmählich in die übrige Haut sich verliert? Den Schlüssel liefert zunächst die Art des Wachsthums bei Dentalium, das von Zeit zu Zeit die obere Schalen- spitze abwirft und nach Bedarf die erweiterte Oeffnung dureh Hypostracum - Abscheidung verengert oder einen seeundären Tubus aufsetzt. Dieses Abwerfen ist aber nur dadurch möglich, dass die Haftstelle zwischen Mantel und Sehale, d. h. der Retraetorenansatz allmählich sich nach vorn verschiebt. Lag er aber ursprünglich weiter hinten, dann geht wohl daraus hervor, dass das Mantelrohr nach hinten auswächst. Auf diese Weise dürfte sich Fissiden- talium erklären. Selbstverständlich kann bei diesem an- fangs die Spalte nicht so lang sein wie nachher, wo sie J@ die Embryonalschale um ein vielfaches an Länge über- treffen kann. Die Haftstelle liegt vermuthlich, wie oben schon angedeutet, über dem vorderen Ende der Spalte. Sie rückt mit diesem nach vorn, und der Unterschied von Dentalium 8. 8. liegt hauptsächlich in der Constanz des hinteren Schalenendes, das nicht abgeworfen wird. Die

chale und mit ihr das Thier zieht sich also während der Entwickelung nach hinten aus und erhält den hinteren Manteltheil, Wäre dieser gleichmässig von Anfang an aus- gebildet, so läge kein Grund vor für die scharfe Abgrenzung er Kiemengegend. Diese aber wird sofort verständlich, wenn man jener gedrungeneren Urform mit nur kurz ge- schlosgenem, nach hinten gespaltenem Schalenringe eine selb- Ständige Existenz zuschreibt. Der Schluss des Mantels zum Ringe nahm den Raum weg für die Kiemen, deren Funktion von der benachbarten Haut, dem Mantel (und dem Rektum) übernommen wnrde. Erst nachdem diese

254 Bemerkungen tiber die Morphologie der Scaphopoden.

Region zu typischer Ausbildung sich gefestigt hatte, erfolgte der Uebergang zur gestreckten Kegelform, indem das Thier stärker nach vorn wuchs und auch hinten das Mantelrohr weiter auszog. Die Kieme blieb beschränkt auf die alte Stelle, die dazukommenden Manteltheile partieipirten trotz der Continuität nicht mehr an der Athmung, als jeder be- liebige Hautabschnitt.

Somit vereinigen sich verschiedene Momente, um einen Schluss auf die Urform zu stützen. Fraglich bleibt beson- ders, ob das kleine erste Schälchen, (vorn ringförmig, hinten und unten gespalten, von relativer Kürze, so dass die Längs- axe die Queraxe nur wenig übertraf), die vordere Oeffnung etwas verengerte oder nicht. Das Endstück der jungen Siphonodeutaliumschale scheint das erstere anzudeuten; andererseits entspricht die obere Oeffnung der Entaliumschale mit ihrem kurzen ventralen Ausschnitt ganz dem hinteren Ende derselben Siphonodentaliumschale, während sich das vordere Ende continuirlich zum gestreckten Conus verlängert, also ohne Verengerung. Durch eine geringe Verengerung aber würde man auch leicht von der ursprünglichen Schalen- form zu der von Gadila und Cadulus gelangen. Zur Klar- stellung dieser Beziehungen, ob Cadulus oder Pulsellum- Entalium der Urform näher steht, ist auf den Situs vis- cerum zurückzugreifen.

Vorher aber noch eine andere Bemerkung, die Schale betreffend. Aus der Jugendform von Siphonodentalium ist zu folgern, dass bei dieser Gattung, wie bei Dischides, das embryonale Schalenende abbricht; und da liegt die Annahme nahe genug, dass der Bruch unmittelbar hinter der Insertion der Retractoren oder Spindelmuskeln statt hat, sowie dass die mit den Muskelbiündeln wechselnde Insertionslinie die charakteristischen Auszackungen der Bruchlinie bestimmt, ein Punkt, der zu künftiger Unter- suchung auffordert. u

Und damit zurück zur phylogenetischen Ableitung’ Sie knüpft am besten an die Gonade und die Leber at. Beide Mitteldarmdrüsen liegen bei Dentalium syM metrisch nach hinten, so dass von den zahlreichen Schläuchen

die vordersten seitwärts, die hintersten parallel nach hinten :

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Von Dr. HEINRICH SımrortnH. 255

gerichtet sind. Bei den Siphonopoden werden die Lebern ganz nach vorn gedrängt, so dass die Schläuche von der Seite und vorn nach innen und hinten dem Magen zustreben; nur zwei Schläuche, die beiden medialen, von PLarte als Hinterlebern bezeichnet (l. c.), behalten die alte Richtung, parallel zur Längsaxe, bei; die Vereinigung aber der beiden Hauptgänge zu einem, der nur von einer Seite das Secret in den Magen befördert, deutet ebenso wie die Verlagerung der seitlichen Schläuche auf einen secundären Zustand, gegenüber den Dentalien.

Die Ursache der Dislocation lässt sich leicht auffinden, sie liegt in der Gonade. Auch diese zeigt bei Dentalium die einfacheren Verhältnisse; denn als langgestrecktes gleichschenkliges Dreieck nimmt sie hinter dem Magen über der Leber den Rücken ein, so dass sie durch die Medianebene in zwei symmetrische Hälften getheilt wird. Bei den Siphonopodiden dagegen wird sie viel kürzer und breiter, ihre Seitentheile riicken in den Mantel hinab, ver- drängen die Leber und dringen bis zur gegenseitigen Be- rührung in der unteren Medianlinie nach unten und vorn. Und so gewinnt man nach allen Seiten den Eindruck, als ob die Form von Dentalium ursprünglicher wäre als die der Siphonopoden, die vielmehr als redueirte Gestalten er- scheinen. Ich glaube, man kann selbst den Grund auffinden davon, dass bei dieser Grössenreduetion gerade die Gonade die Veränderungen im Situs viscerum bestimmt. Wie näm- lich verschiedene Abbildungen von Lacaze - Durusers, M. Sans, For. und Prare ergeben, sind die Eier der kleinen Siphonodentalien relativ beträchtlich grösser als die von Dentalium, wohl um ein mehr-, vielleicht vielfaches. Die Reduktion der Eigrösse hat mit der des Körperumfanges ei weitem nicht gleichen Schritt gehalten, daher die Verlagerungen.

; Bei aller Ueberzeugungskraft der Thatsachen, wie sie sich mir wenigstens darstellen, ist es doch nicht leicht, die erste Form der Gonade in jenes frühe Stadium hinein zu eonstruiren. Die Larve, die es uns einigermassen vorführt,

naturgemäss noch keine Geschlechtsdrüse. Auf jeden

256 Bemerkungen über die Morphologie der Scaphopoden.

Fall musste sie kürzer sein als bei Dentalium und schmaler als bei den Siphonopoden.

Uebrigens hängt mit der verschiedenen Eigrösse ein anderer Umstand zusammen, welcher wiederum im Gegen- satze zu den eben gegebenen Ableitungen den Dentalien das Gepräge weiter entfernter Formen giebt. Die Siphono- poden bleiben durchweg klein, wachsen also nicht weiter in die Länge; damit aber werfen sie auch das obere Sehalen- ende (nach Abbruch des embryonalen Theiles) nicht wieder ab, wie Sars richtig schloss, die obere Oeffnung ist im Verhältniss zur Schale weit und lässt auch recht grosse Eier durch; den kleinen Dentalieneiern dagegen entspricht eine enge obere Oeffnung, und wenn sie das Schalenende abwerfen, verengern sie sich wieder durch Hypostracum- abscheidung, besitzen also eine recht wesentliche käno- genetische Sondererwerbung, wobei eine möglichst enge obere Oeffnung zugleich für die Abhaltung von Fremd- körpern vortheilhaft ist.

3. Die geologische und geographische Verbreitung.

Die Paläontologie hat einige wenige Formen aufgedeckt, welche in der gegenwärtigen Schöpfung zu fehlen scheinen, wahrscheinlich sogar bloss eine, denn das Pyrgopolon Montrorr’s wird kaum noch als ein Scaphopod betrachtet. Es kommt also nur Lobentale Cossmann in Betracht.

Demnach zeigen unsere Thiere in allen Gattungen eine grosse Zähigkeit, Beweis genug, dass sie in ihrer Eigenart

den Bedingungen, unter denen sie leben, vortrefflich nm

gepasst sind. Schon hier wird man Anlass nehmen dürfen (von allen morphologischen Argumenten ganz abgesehen),

sie nicht länger als einfache Zwischen- oder gar Ueberr

gangsstufe zwischen Gastropoden und Lamellibrachien anzusehen.

Dentalium hat sich vom Silur an erhalten. In spät secundären und tertiären Ablagerungen scheinen erst | Siphonopoden aufzutreten, so dass wir auch hierin einen Beweis für die „grössere Annäherung der Dentaliiden an

Von Dr. Heinrich Sımrorn, 257

die Urform erblicken können, wenn wir nicht die Zartheit und Kleinheit der Siphonopoden dafür verantwortlich machen wollen, dass sie in älteren Schichten noch nicht nachge- wiesen wurden.

Von hoher Bedeutung scheint mir’szu sein, dass fossile Formen, wie Fissidentalium und Cadulus, z. Th. in fast identischen Arten einen ganz ausserordentlichen Procentsatz der abyssischen Fauna ausmachen. Diese Thatsache lässt sich aber nicht nur in dem Sinne verwerthen, den man’ so gern hineinlegt, als ob die Tiefseefauna überhaupt ein Refugium darstelle für alterthümliche Geschöpfe, sie erhält vielmehr einen um so stärkeren Nachdruck dadurch, dass die Sipho- nodentalien in weniger tiefen Wasserschichten bisher mehr in den arktischen Breiten vorkommen, welche die niedrigen Temperaturen der Tiefsee theilen. Der grösste Reichthum an Gattungen fällt also in die Kältegebiete, und wir kommen zu der Folgerung, dass die Scaphopoden unter niedrigen Wärmegraden erzeugt sind.

4. Die Färbung.

Aus der Farbe eines Thieres einen Schluss machen zu wollen auf seinen Schöpfungsherd, ist vor der Hand ein 8eWwagtes Unternehmen. Man muss sich leider bisher noch mehr vom Gefühl leiten lassen, als von exacten Merkmalen. Gleichwohl stehe ich nicht an, auch das, was sich mir bei der Betrachtung der Körper- und Schalenfärbung der Sea- phopoden aufdrängte, heranzuziehen.

Die Farben bewegen sich zumeist in der linken Hälfte des Spectrums. Am grellsten tritt Orange auf, wenn auch vereinzelt. Demnach herrscht ein ziemlich mattes Grün vor; röthliche Töne finden sich, besonders ein dumpfes Purpurroth. Die übrigen Abstufungen liegen auf der Linie 2wischen Weiss und Schwarz, ganz weissen Schalen stehen solche mit einem rein grauen Anflug in verschwommenen Ringen, den Anwachslinien entsprechend, gegenüber, Blau, Indigo, Violett fehlen, ersteres wenigstens beinahe.

Erlaubt diese Scala irgend einen Schluss? "Als ich kürzlich mit Herrn Winter in Frankfurt die von ihm her-

sestellten prächtigen zoologischen Tafeln durchsah, fiel mir San, >!

f. Naturwiss, Bd. 67, 1894,

258 Bemerkungen über die Morphologie der Scaphopoden.

die ausserordentliche Uebereinstimmung der Dentalien- färbung mit der der nordischen Actinien auf.') Genau die- selbe Breite der Scala, in den gleichen Abstufungen. - Be- vor ich meinen Gedanken Ausdruck gab, bemerkte Herr WINTER, dessen eingehende Bemühungen um das Colorit der Neapeler Actinien bekannt sind, man sähe den Nord- formen gleich an der Farbe die Kälte an. Ohne mich hier auf eine theoretische Discussion irgendwie einzulassen, verschweige ich doch nicht, dass ich schon aus der Fär- bung den Eindruck erhalten hatte, die Seaphopoden seien ursprünglich Kälteformen.

D. Schluss.

Die Scaphopoden sind eine durchaus selbständige Weichthiergruppe von hoher Eigenart. Der grabenden Lebensweise angepasst, nehmen sie zwar, wie die Muscheln, das Athemwasser durch das Hinterende ein, aber sie führen es nach vorn durch die Fussrinne aus. Dabei haben sie die selbständige Ergreifung und Auswahl der Nahrung nicht aufgegeben, sondern den Zottenbesatz ihrer Fühler, wie ihn Tuıere bei Haliotis nachgewiesen hat (l. e.), ZU langen Captakeln ausgebildet. Die Urform war wohl kürzer, gedrungener, mit nur schmaler vorderer ventaler Verwachsung des unteren Schalenrandes, während nach hinten ein starker ventraler Ausschnitt blieb. Die Ver- engerung der Mantelhöhle brachte die Kiemen zum Schwinden, und die Haut übernahm die Athmung. Besonders wurde die Stelle zur Kiemengegend ausgebildet, in deren Nachbarschaft anfangs die Kiemen gesessen hatten, der untere hintere Theil des Mantelrohrs und der gegenüber- liegende Enddarm, der rhythmische Schluckbewegungen ausführen lernte und aus seiner Wand zahlreiche stark = wimpernde Schläuche in das Schizocoel hineinspriessen liess als Wasserlunge (Rectaldrüse). Mit den Kiemen schwanden = die Eigenwände der Gefässe und die Vorkammern. Die

1) Norsks Nordhavs- Expedition 1876 1878. Danielssen. e_ 4 tinida 1891. Er

Von Dr. HEinRIch SImroTH. 259

Radula wurde zwar nicht mehr zum Ergreifen und Ein- holen der Beute gebraucht, aber sie erhielt sich trotzdem, weil sie aus einer Raspel sich zu einem Quetschapparat zum Zerdrücken der Radiolarien umbildete. Der Kiefer blieb bestehen, um die Nahrung mit dem Geschmackswerk- zeug oder Subradularorgan in innigere Berührung zu bringen.

Der Fuss war anfänglich der Dentalienfuss mit End- spitze und Seitenlappen. Daraus entwickelte sich durch Pulsellum hindurch die Endscheibe der Siphonopoden mit ihren zahlreichen Ankerpapillen.

Mit der grabenden Lebensweise verband sich später eine weitere Streekung des Körpers, die Schale wurde konisch röhrenförmig. Der embryonale Theil wurde abge- worfen. Nachher trat bei den Siphonopoden eine Ver- engerung der vorderen Schalenöffnung ein unter gleicher Reduktion des Körpermasses. Die Eier nahmen indess nicht entsprechend ab, und die grosse Gonade bedingte eine Verlagerung der benachbarten Organe, besonders der Lebern.

. Das Schöpfungscentrum muss mit hoher Wahrschein- lichkeit in den kälteren Gegenden gesucht werden.

äileinere VHittheilungen.

Mathematik und Astronomie,

Photographien der Milchstrasse. Der bekannte ame- rikanische Astronom Prof. Barnard vom Lickobservatorium veröffentlichte kürzlich in einer amerikanischen astrono- mischen Zeitschrift einen interessanten Aufsatz über Photo- graphien von Nebelflecken und Sternhaufen der Mileh- strasse, in welchem er seine Aufnahmen eines grossen Theiles der Milchstrasse und zwar vom Sternbilde des Scorpions bis zu dem des Orion eingehender beschreibt und zu interessanten, lehrreichen Schlüssen über die Or- ganisation der verschiedenen Gegenden der Milchstrasse gelangt. Die Milchstrasse zeigt nicht in jedem ihrer Theile dasselbe Bild, unzählige Sterne, wie von Vielen angenommen wird, vielmehr sieht man vollkommen verschiedene Gestal- tungen. Hier zeigt sich eine wolkenartige Ansammlung von feinen staubähnlichen Sternchen, dort eine Menge deut- lich getrennter, sich kräftig hervorhebender Sterne. Im Scorpion, Schützen und noch weiterhin erblickt man zel- streut Nebelflecke und dichte Sternhaufen, die offenbar nicht Theile (Sterne und Nebel) der an der Grenze unserer Welt befindlichen Milchstrasse, sondern in angemessenen Entfernungen jenseits derselben sich befinden und nur gleicher Richtung gesehen werden. An anderen Stellen,

grunde sind meist etwas hellere Sterne vorhanden, als die ee

sind, welche die betreffende Milchstrassengegend sonst au

DR

Kleinere Mittheilungen, 261

weist. Barnand theilt diesen Beobachtungen und Erschei- nungen gemäss die Gruppen von helleren Sternen in zwei Klassen ein. In der ersten ist den Sternen keine Nebel- masse beigemengt. Zu dieser rechnet er die Hyaden im Stier (oder das Regengestirn, deren Hauptsterne die Gestalt eines V zeigen und deren hellster Stern der rothe Alde- baran ist), den Delphin in der Nähe des Atair (dessen 5 Hauptsterne die Gestalt eines Kinderdrachen ähneln), die bekannten Sternhaufen h und x im Perseus und andere. Kometen. Augenblicklich sind 3 Kometen mit bewafl- neten Augen sichtbar. Der am 26. März von Denning zuBristol entdeckte Komet (= 1894 I) hat sich als ein neues Glied unseres Sonnensystems erwiesen, denn aus den Beobach- tungen desselben ist von Scuurnor in Paris eine Umlaufs- zeit von 7°/, Jahren berechnet worden. Von der Sonne entfernt sich dieser Komet bis auf 128370000 geogr. Meilen, also noch etwas weiter als die Entfernung des Jupiters von der Sonne beträgt. In der kürzesten Entfernung von der Sonne ist er 22901000 geogr. Meilen entfernt, erreicht also noch nicht die Entfernung der Erde von der Sonne. Ein zweiter Komet (1894 If) wurde am 1. April (nicht 3. April) von GAtE in Sydney (Australien) entdeckt, dessen kürzeste Entfernung von der Sonne 19670000 geogr. Meilen beträgt. Bemerkenswerth ist es, dass seine Bahn nahezu senkrecht (genau unter einem Winkel von 87° 15’) auf der Erdbahn steht. Der dritte Komet dieses Jahres wurde im Jahre 1873 das erste Mal gesehen, und damals von Texeer (als 3. Tempel’scher Komet von kurzer Umlaufszeit) entdeckt und nach 5'/, jähriger Umlaufszeit 1878 wieder beobachtet. In den Jahren 1883 und 1889 kehrte er zwar, wie aus Seiner Umlaufszeit hervorgeht, wieder zurück, konnte aber Dicht gesehen werden, da er der Richtung nach der Sonne zu nahe stand. Scnhurnor in Paris berechnete sein Jetziges Wiedererscheinen und in der That wurde er an dem von ihm bestimmten Orte zu Capstadt (Südspitze von Afrika) vom Astronomen Fıray wieder aufgefunden. Offenbar ist die Scnunnor’sche Berechnung eine der ausge- Zeichnetsten Leistungen in der Kometen-Astronomie. Dieser

Tempel’sche Komet entfernt sich von der Sonne bis auf :

262 Kleinere Mittheilungen,

93171000 geographische Meilen, also noch nicht bis zur Jupitersbahn, und nähert sich der Sonne bis auf 26965000 geographische Meilen.

Ein neuer Planet, 1894 BC (der 390. Planetoid), ist von Bisourpan in Paris am 24. März abends im Nord- osten der Wasserschlange als Stern 13. Grösse entdeckt worden. Sein Ort war am 24. März abends 10 Uhr 26 Min. mittl. Zeit von Paris:

Gerade Aufsteigung 141° 14° mit einer täglichen

Aenderung von 4 Bogenminuten;

Nördliche Abweichung 12‘.

Astronomische Höhenstationen. Wie schon lange vermuthet wurde, hat die Beobachtung astronomischer Er- scheinungen von beträchtlichen Höhen aus bedeutende Vor- theile vor der in der Ebene oder auf geringen Erhebungen, und zwar ist es die trockene Luft, nicht die Höhe an und für sich, die in optischer Hinsicht so günstig einwirkt. Die älteste dieser Höhen-Sternwarte ist das Lick-Obser- vatorium in einer Höhe von 1305 m, dessen glänzende Er- folge wir mehrfach erwähnt haben. Neuerdings sind nun eine Anzahl neuer Höhenwarten errichtet oder in Aussicht genommen. Im Gouvernement Tiflis auf dem Sidabhange des Kaukasus in 1400 m Höhe ist von Petersburg aus ei temporäres Observatorium aufgeschlagen worden. Ferner besteht in Peru auf dem Rücken der Anden in einer Höhe von 2457 m die Boyden-Station Arequipa, die sehon her- vorragende spectralphotographische Ergebnisse aufzuweisen hat. In den Seealpen ist auf dem Monnier 280 m hoch von Nizza aus ein Observatorium errichtet. Endlieh hat man auf der Spitze des Montblanc in 4810 m Höhe ein Beobachtungshaus im Eis befestigt, das besonders dazu dienen soll, von ihm aus das Sonnenspectrum frei von den

durch tellurische Absorption hervorgerufenen Störungen U

studiren, wie es Prof. Simony-Wien auf dem Pik von Teneriffa im Jahre 1888 mit bestem Erfolge gethan bat-

Kleinere Mittheilungen. 263

Chemie und Physik.

Refraktometer von Karl Zeiss in Jena. Der Apparat dient dazu, den Brechungsindex von Flüssigkeiten, besonders von Oelen und Fetten, in sehr einfacher Weise zu bestimmen. Es kann damit unter Anderm in kurzer Zeit nachgewiesen werden, ob Butter mit Margarine verfälscht ist oder nicht. Um auch solche Fette untersuchen zu können, die bei ge- wöbnlicher Temperatur nicht flüssig sind, wie eben die Butter, ist ein besonderer Heizapparat an dem Refrakto- meter angebracht. Nachdem die zu untersuchende Flüssig- keit in ganz dünner Schicht zwischen 2 Prismen gebracht worden ist, erscheint das Gesichtsfeld des an dem Apparate befindlichen Fernrohrs auf der linken Seite hell, auf der rechten dunkel. Die Trennungslinie zwischen dem hellen und dem dunkeln Theil hat je nach dem Brochungsindex der zu untersuchenden Flüssigkeit eihe verschiedene Lage. Nach einer im Okular des Fernrohrs angebrachten Seala wird die Lage der Trennungslinie und damit der Brechungsindex bestimmt.

Eigenthümliche Produkte der Glasindustrie. In der Fensterglashütte von Witten in Westf. befindet sich die Glasmasse in dichtwandigen, feuer- und alkalifesten Oefen, welche bis 100 m lang und 1—2 m hoch sind. Durch die langsame Bewegung der glühenden Masse in den langen Vefen wird die Gleichmässigkeit der Glasmasse hervor- gebracht. Springt nach Abnutzung des Ofens einmal die Wand, so lässt man die Masse in einen Kellerraum, um sie später wieder zu verwenden. Beim Abktihlen der Masse bildet sich dann nur an der Oberfläche Glas, das innere bleibt noch monatelang glühend. Bei so langsamer Ab- kühlung ist natürlich reichliche Gelegenheit zur Krystalli- sation vorhanden. So ist selbst die äussere Rinde nicht

Omogen, soudern entglast. Nach dem Inneren zu, wo die Masse blasig wird, bildet sich die krystallinische Natur immer deutlicher aus, weil ja hier die Abkühlung am lang- samsten erfolgte. Die von Herrn Dr.Borgmannmitgebrachten Belegstücke, die in verschiedenem Grade eine mattgrüne

264 Kleinere Mittheilungen.

Färbung besitzen, zeigen: solche "Uebergänge. Die von Herrn stud. Köthner ausgeführte Analyse dieser Krystalle führt im wesentlichen auf ein Natrium-Caleiumsilicat, in dem Natrium und Caleium durch verwandte Metalle (Ra- lium, Magnesium, Eisen) theilweise vertreten sind.

Dr. H. Erdmann, Vereinssitzungen am 11.1. u. 8.3. 9.

Optisches Verhalten der Alaune. Abgesehen von dem berühmten Isomorphismus und den bemerkenswerthen Elastieitätserscheinungen der Alaune sind diese Salze auch optisch sehr interessant. Als Krystalle des isometrischen (regulären) Systemes sollten sie isotrop sein, sie lassen in- dessen das eindringende Licht nicht intakt, hellen vielmehr das Gesichtsfeld auf und zeigen Doppelbrechungsersehei- nungen, ein Verhalten, das wohl auf geringe Unreinheiten zurückgeführt werden muss.

Prof. Lüdeck«, Vereinssitz. am 11. Jan. 9.

Michaelis und Burmeister, Phenylpyrazolidon. Eine

neue mit Hilfe des Phenylhydrazins dargestellte stickstofl- haltige ringförmige aromatische Verbindung, die von einigem Interesse sein dürfte, weil ihre Methylirung ein Derivat erwarten lässt, dass sich dem Antipyrin ähnlich verhält.

Boraluminiumbronze. N. Warren in Liverpool hat durch Versuche ermittelt, dass die Eigenschaften der Alu- miniumbronze durch kleine Zusätze von Bor wesentlich verbessert werden. Die Legierung giebt dann einen dich- teren und härteren Guss. Sie schmilzt und schmiedet sich mit grosser Leichtigkeit. Die gewöhnliche Aluminium bronze hat beim Niederschmelzen die unangenehme Eigen- thümlichkeit, dass sich auf der Oberfläche eine 'schwer- schmelzbare Legirung bildet, welche sich so stark am der Luft oxydirt, dass sie eine Art Schlacke bildet, mit dem Rest des Metalles nicht mehr verbindet. aluminiumbronze schmilzt bei einer niedrigeren Temperatur als die gewöhnliche Bronze. Die Herstellung ist derartig, dass zunächst das Aluminium zu Barren geschmolzen wird, welche das Bor ebenso beigemischt enthalten wie der S

ol-

den Kohlenstoff. Diese Barren werden dadurch hergestellt, |

die sich

Kleinere Mittheilungen. 265

dass Aluminium in eine glühend heisse Mischung von Fluss- spat und wasserfreier Borsäure gebracht und die Hitze so weit verstärkt wird, bis sich ein Rauch von Borfluorid bildet. Das Bor löst sich hierbei im Aluminium theilweise auf, und das Metall wird dadurch krystallinisch und brüchig. Von diesem Boraluminium werden 5—10 °/, dem reinen Kupfer zugesetzt. Prometheus.

Telegraphiren ohne Drahtverbindung. Der eng- lische Elektriker Preece, welcher bereits früher inter- essante Versuche über die telegraphische Uebermittlung von Nachrichten von der Küste nach Schiffen durch In- duetion ohne continuirliche Leitung gemacht hat, stellte neuerdings weitere Versuche an zwischen Lavernock Point am Bristolkanal und zwei Inseln Flat Holm und Steep Holm, welche 5 bezw. 8,5 km von der Küste entfernt liegen.

Längst der Klippen der Küste wurden zwei Kupfer- drähte auf 6 m hohen Pfosten in 1160 m Länge gespannt, welche einen einzigen Leiter bildeten, und an eine Wechsel- Strommaschine angeschlossen, welche bei 192 Wechseln pro Sekunde einen Strom von 15 Ampere bei 150 Volt gab. Die Rückleitung wurde von der Erde gebildet. Auf Flat Holm wurde parallel zu dieser Landlinie ein Gutta- perchakabel von 548 m Länge gelegt. Die Correspondenz gelang ohne Mühe, nur war es schwierig, bei Beginn einer Depesche die Aufmerksamkeit des Telegraphisten auf der Insel zu wecken. Dagegen gelang der Versuch mit der weiter entfernten Insel Steep Holm nicht. Es wurden “war noch Wirkungen vom Lande her auf die Leitung auf der Insel bemerkt, doch waren dieselben zu undeutlich für eine Verständigung. Für diese Entfernung war also der Strom zu schwach oder die Leitungen waren zu kurz.

Andere sorgfältige Versuche sind in Schottland ange- stellt worden, wo zu beiden Seiten des Loch Ness Tele- Sraphenlinien in etwa 2 km Entfernung sich befinden. An Jeder Küste wurde eine 8 km lange Linie genommen und mit Punkten landeinwärts auf 14,5 bezw. 9,5 km Entfernung verbunden. Auf diese Weise konnte man zwischen beiden

266 Kleinere Mittheilungen.

Linien nicht nur telegraphiren, sondern auch telephoniren; beim Telegraphiren waren die Signale so laut, dass kein Anruf erforderlich war.

Aehnliche Versuche wurden nun kürzlich auch von der allgemeinen Elektrieitätsgesellschaft angestellt. Unter An- wendung von kaum 500 m Draht, mittels eines etwa 200 mal in der Sekunde unterbrochenen Stromes von 110 Volt und 2,5 Ampere gelang es, auf 4,5 km Entfernung von Wann- see nach Neu-Cladow a. d. Havel über den Wannsee .zu telegraphiren. Die Signale waren im Telephon als ein leise knurrendes Geräusch vernehmbar, dessen Tonhöhe ungefähr im Gebiete der grossen Oktave lag. Zwei im Abhorchen geübte Beamte waren ohne weiteres im Stande, vom Lande aus aufgegebene Meldungen aufzunehmen.

Ueber die Schmelzpunkte anorganischer Salze haben N. Meyer und W. Riddle eine erste Versuchsreihe ver- öffentlicht. Ueber die Schmelzpunkte der bekanntesten dieser Salze fehlt es noch vollständig an zuverlässigen Angaben; und doch wäre ihre Kenntniss nicht bloss prak- tisch wichtig, sondern man darf bier vielleicht ähnliche Regelmässigkeiten erwarten, wie sie bei organischen Ver- bindungen längst bekannt sind. Da die Versuche noch nicht zum Abschluss gelangt sind, so genüge hier die Bemerkung, dass die Temperaturen mit dem Luftthermometer gemessel sind, was in einfachster Weise möglich war. Die vor läufigen Ergebnisse sind:

Chornatrium schmilzt bei 851° C. Bromnatrium = an Jodnatrim = .. Dur Chlorkalium = a Bromkalium 5; a Jodkalium n „Dass Pottasche an 1045° Soda 109° Borax 0 Schwefelsaures Natrium ,, a Schwefelsaures Kalium , 1073°

) Jahrbuch für Naturw. 9. Jahrg-

Kleinere Mittheilungen. 267

Mineralogie und Geologie.

Zwei neue Fundorte von Gleischerschrammen aufan- stehendem Gestein im norddeutschen Glacialgebiet. Professor F. WAHnscHArFFE in Berlin hat im Sommer 1893 in Posen und Schlesien von zwei neuen Punkten Gletscher- schrammen auf anstehendem Gestein nachgewiesen. Die eine Stelle liegt 25 km westlich von Inowrazlaw bei dem Dorfe Krotoschin unweit der Stadt Bartschin, unmittelbar südlich an der Bahn Inowrazlaw-Elsenau, die andere 7 km west- nordwestlich von Jauer in Schlesien zwischen den Dörfern Schlaup und Herrmannsdorf südlich der Chausee, welche die Ortschaften Hermersdorf und Peterwitz verbindet. An der ersten Stelle treten in einem Kalksteinbruch des Weissen Jura unter der ca. 5m mächtigen Decke des oberen Ge- Schiebemergels, welche auf eine Länge von 130 m und eine Breite von 15 m abgedeckt ist, Schiehtenköpfe des sehr dichten und harten Kalksteins hervor, deren abgeschliffene Oberfläche mit deutlichen Glacialschrammen versehen ist. Ihre wesentlich nordwest- südöstliche Richtung stimmt sehr gut mit der Richtung der Schrammen überein, mit der die Oberfläche von Geschieben bedeekt war, welche sich un- mittelbar auf den abgehobelten Schichtenköpfen des Jura- kalkes fanden. Die Vertiefungen, welche sich in den Schichtenköpfen des 5 km oststidöstlich gelegenen Kalk- bruches bei Hansdorf finden, zeigen langgestreckte grubige Vertiefungen, die eher an Karrenbildungen als an Gla- eialschrammung erinnern. An der zweiten Stelle finden Sich in einer Kiesgrube am Nordabhang einer Erhebung, die den Namen „der Weinberg“ trägt, überlagert von einer tm mächtigen ungeschichteten groben Kiesschieht, der ein 2 dm mächtiges Bänkchen von sandigem Thon folgt, eine ingeschichtete Bank von groben Gesteinsbruchstücken ver- Schiedener Grösse, welche fest in einander gekeilt liegen. In dieser Bank kommen neben nordischen Geschieben auch Basaltblöcke vor, von denen ein grösserer von 2 m Durch- Messer auf der nach Süden gerichteten Seite auf einer mehr als 2 qm grossen Fläche sehr deutliche Gletscherschrammen “eigt, welche sich in gleicher Richtung durch die ganze

268 Kleinere Mittheilungen

Fläche fortsetzen. Die Basalte des 400 m ostnordöstlich gelegenen Kirschberges, dem diese Blöcke entstammen, er- wiesen sich nach Abdeckung des darauf liegenden Materials als völlig unverwittert, glatt abgeschliffen und mit deut- lichen Glacialschrammen versehen, welche die Richtung NO nach SW besassen. Die Schrammenrichtung stimmt also genau wit der Transportriehtung der Bäsaltblöcke in der Lokalmoräne auf dem Weinberge überein. Dr. Halbfass, Neuhaldensleben.

Trinidad-Asphalt. Der Trinidad-Asphalt wird in dem sogenannten Asphaltsee gebrochen, der ungefähr 30 m über dem Meeresspiegel und 3 englische Meilen vom Meere ent- fernt liegt. Die Tiefe der Asphaltmasse, die den soge- nannten See bildet, beträgt nach einigen vorläufigen Bohr- ungen 23 m in der Mitte und 6 m am Rande. Der Grund soll aus blauem Thon bestehen. Wenn diese Messungen richtig sind, so würden unter. Berücksichtigung des Um- fanges des Sees die augenblicklich vorhandenen Asphalt- mengen 6000000 Tonnen betragen, doch wird wohl mit Recht angenommen, dass der an der Oberfläche starre Asphalt in der Tiefe flüssig oder wenigstens plastisch ist und durch unterirdische Zuflüsse permanent vermehrt wird. Die Oberfläche des sog. Asphaltsees ist ziemlich eben, und das Material erscheint durch Verwitterung braun und von erdiger Beschaffenheit, Sprünge und Risse haben sich hier und da bis zu Meterbreite gebildet, die theils mit Regen wasser, theils mit Sand gefüllt sind und von denen sogar einige eine ärmliche Vegetation ernähren. Der Asphalt, der ziemlich hart und spröde ist, wird mit der Spitzhacke gebrochen und an das Seeufer gefahren. Hier wird er mittelst Booten auf die Schiffe verladen. Während der

Reise wird das scheinbar spröde Material vollständig

plastisch, sodass er nach der Ueberfahrt sich zu einem einzigen Klumpen zusammengeschweisst hat. Der rohe Asphalt wird dann wieder aus dem Schiffe herausgebrochen :

und 5 Tage lang in grossen eisernen Gefässen bei mässiger ss Wärme erhitzt. Auf diese Weise wird die Feuchtigkeit

ausgetrieben, während erdige Verunreinigungen sich m:

er

Kleinere Mittheilungen. 269

Boden, andere sich als Schaum auf der Oberfläche absetzen. Die raffinirte Masse wird in Fässer abgezapft und bildet dann das bekannte Handelsprodukt.

Schlier in Mähren. Von Professor A. Rzehak wurden Schlierbildungen in folgenden neuen Lokalitäten constatirt: Neudorf bei Mautnitz, Pausram, Tracht, Wisternitz, M. Tannowitz, Neusiedl und Brünn. Die petrographische Beschaffenheit dieser Bildungen variirt sehr bedeutend. Sehr häufig sind Septarien von diehtem, meist dolomitischen Kalkstein; ausserdem treten Gips, Pyrit und Glaukonit, bei Neudorf auch Kohlenwasserstoffgase auf. An mehreren Stellen schliessen sich die Schlierbildungen, sowohl was den petrographischen Charakter als auch die Lagerung anbelangt an das karpathische Palaeogen an: bei Pausram nehmen sie sogar Antheil an dem tektonischen Aufbau des Gebirges. Palaeontologisch weichen sie von den Ablagerungen der zweiten Mediterranstufe ziemlich beträchtlich ab. Dem Alter nach gehören einzelne Schlier- bildungen (Brünn, M. Tannnowitz ete.) den Grunder- Horizont an, andere repräsentiren wohl das Unter- Mioeän. Ein Bindeglied zwischen dem Oligocän und dem Miocänbildungen sind die fossilreichen Septarien von bituminösem Kalkstein, die sich bei Mautnitz in Thon ein- gebettet vorfinden und neben vielen dem Miocän fremden

ormen auch Luecina globulosa, Solenomya Döder- leini, Mytilus ef. aquitanicus enthalten. Naturf. Vers. zu Wien 1894.

Gangspalten des Nordwestharzes. Nach Baurath Dr. Langsdorfi-Clausthal bilden die Gangspalten des Nordwest- Arzes ein complieirtes Netz, das man unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Streichungsrichtungen und des Wineralogischen Charakters in vier Systeme theilen könne: 1 dasjenige von Clausthal, 2) das System Lerbach-Lauter- berg, 3) das der grossen Oderspalte und 4) das System des Brockenmassivs. Eine sichere Bestimmung des relativen Alters” dieger vier Systeme ist zur Zeit noch ausstehend, ebenso die Entscheidung der Frage, in welcher geologischen

270 Kleinere Mittheilungen.

Periode die Hebung des Harzes über die Umgebung statt- gefunden hat, und ob sie auf einmal oder in Zwischen- räumen zu verschiedenen Perioden erfolgt ist.

Naturf. Vers. zu Wien 189.

Der grösste Diamant. Im Juni vorigen Jahres ist in den Minen von Jägers-Fontein in der Kapkolonie von dem Inspector des Bergwerks ein Diamant gefunden, der alle bisher bekannten Diamanten an Grösse bei weitem über- trifft. Der Stein ist beinahe 3 Zoll gross und fast ebenso breit. Er wiegt 971 Karat, sein Glanz soll tadellos sein. Das Aussehen ist wasserhell, nur im Innern befindet sich ein kleiner schwarzer Punkt, der jedoch durch geschicktes Schleifen soll entfernt werden können. Der Diamant hat den Namen Excelsior erhalten.

Neuer Fundort für Diamanten. In Oregon Wis. wurde in einem Schwemmlande, welches viele Quarz- krystalle enthielt, ein kleiner, halbdurchsichtiger Krystall gefunden, der sich nach der Untersuchung als ein Diamant auswies. Der Krystall ist dodekaedrisch und wiegt fast 4 Karat.

Südindische Kreideformation. Die fossilienreiche obere Kreide ist vermöge ihrer günstigen centralen Lage zwischen den sonst schwer vergleichbaren Kreideablager- ungen des atlantischen und paeifischen Gebietes vorzüglich zu einer Beurtheilung der oberen Kreidezeit im allgemeinen geeignet. Nach neueren Untersuchungen Franz Koss mat’s (Wien) ist sie auf der einen Seite durch die Ab- lagerungen von Natal, Angola, Elobi mit der mittel- europäischen Kreide verknüpft, zeigt aber auch Ne kennbare Beziehungen zur Westseite des atlantischen Oceans: Brasilien, und östliches Nordamerika. Besonders gross ist die Zahl der indischen Formen im paeifischen

Gebiet in: Jesso, Sachalin, Britisch-Columbien, Chile ete.

Naturf. Vers. zu Wien 1894.

Kleinere Mittheilungen. 271 Botanik, Zoologie und Palaeontologie,

Ein neuer Acranier. Der berühmte Ampbioxus laneeolatus hat einen Genossen bekommen: An der Küste der Bahama-Inseln hat man im Sande ein nur 16 mm langes durchsichtiges Urwirbelthier gefunden, das nach E. A. Andrews’ Beschreibung (Studies from the Biological Laboratory of the Johns Hopkins University 1893) einen stark verlängerten Schwanz besitzt und dessen Bauchflosse keine Flossenstrahlen erkennen lässt. Das wesentlichste Kennzeichen ist aber die Asymmetrie der Gonaden: die Geschlechtsdrüsen finden sich nur an der rechten Seite. Diese Eigenthümlichkeit und die Insel Lucaya veranlassten den Namen Asymmetron lucayanum. G. Brandes.

Dr. P. Knuths blüthenbiologische Untersuchungen. Von den neueren Arbeiten aus dem Gebiete der Blüthen- biologie nehmen diejenigen Knuths eine ganz besonders hervorragende Stellung ein. Vom Jahre 1892 bis 1894 liegen vier bedeutungsvolle Arbeiten dieses Autors vor:

l) Dr. Paul Knuth, Vergleichende Beobachtungen über den Insektenbesuch an Pflanzen der Sylter Heide und der Schleswigschen Festlandshaide.

Separatabdruck aus Botanisch Jaarboek uitge- geven door het Kruidkundig genotschap Dodon- naeate Gent. Vierde Jaargang 1892.

2) Blüthenbiologische Beobachtungen auf der Insel Capri, ebenda, 5. Jahrg. 1893.

3) Blumen und Insekten ‘auf den Nordfriesischen Inseln. Kiel und Leipzig 1894, Lipsius und Tischer.

#) Blumen und Insekten auf den Halligen.

Separatabdruck aus Botanisch Jaarboek, VI. Jahr- gang 1894, Gent. J. Vuylsteke.

Der Verfasser strebt dem Ziele zu, blüthenbiologische Untersuchungen „auf möglichst zahlreichen, kleineren, ab- Segrenzten Gebieten planmässig anzustellen.“ Welches Ver- dienst um die biologische Forschung gerade aus der Be- arbeitung von Inseln erwächst, ist seit den Arbeiten Darwins hervorgetreten, und darum haben wir Knuths Werken einen besonderen Wertli beizumessen. :

Die unter 3 aufgeführte Arbeit ist die umfangreichste

272 Kleinere Mittheilungen.

(200 p. nebst Anhang und alphabetischen Verzeichniss der behandelten Pflanzenarten), ein Werk im grossen Stile des unvergesslichen Herm. Müller, unentbehrlich für jeden, der nach möglichst erschöpfender Kenntniss der Blumenbestäu- bung strebt. Indem Verfasser seine Beobachtungen auf den „vier Hauptinseln der nordfriesischen Gruppe Röm, Sylt, Amrum und Föhr‘ niederlegt, leitet er seine Darstellung ein mit einer ebenso knappen als klaren „Einführung in die Blütenbiologie.“ Denjenigen, welchen Hermann Müllers klassisches, aber bente schwer zu erhaltendes Werk: „Die Befruchtung der Blumen durch Insekten, Leipzig 1873“ unzugänglich ist, kann ausser dem in Rede stehenden Werke empfohlen werden „P. Knuth, Blüthenbiologische Beobachtungen“, Sonderabdruck aus ‚die Heimat“. Kiel, Lipsius und Tischer, in welchem Verfasser eine ausführ- lie'\e Darstellung der Blüthenbiologie giebt. Die für die Blumen der vier genannten Inseln als Bestäubungvermittler auftretenden Insekten sind von hervorragenden Autoritäten bestimmt worden. Ein Verzeichniss der wichtigsten Litteratur über Blüthenbiologie erhöht den Werth des Knuthschen Werkes. Da von der ungeheueren Anzahl einzelner blüthen- biologischer Arbeiten manche dem Autor erst zugänglich waren, als er seine eigenen Beobachtungen niederlegte, ist es von besonderem Werth zu erfahren, dass im Wesent- liehen sich Uebereinstimmung ergab zwischen den Resul- taten Knuths und denjenigen der Autoren. Wer mit der älteren Litteratur vertraut ist, wird mit Freuden die Ergäu- zungen und Verbesserungen begrüssen, welche Knutbs | Untersuchungen den älteren Beobachtungen angedeihen lassen. Greifen wir nur ein Beispiel heraus: Parnast ralustris wird von H. Müller als Insekten-Täuschblume (H.

M. Alpenblumen) bezeichnet. Knuth stellt dagegen fest, dass „Parnassia mindestens so viel Nektar absondert, als die meisten Umbelliferenblüthen.“ Der Nektar wird in je Ben . Tröpfehen zu den Seiten des Stieles der bekannten „Saft- =

Ur

maschinen“ abgeschieden. Der Nektar erscheint der me lichen Zunge nicht süss und lockt eine sehr gro von Insekten, vor allen Dipteren an. Als besonders IT teressant müssen die allgemeinen Resultate Knuths wi

se Za nn:

Kleinere Mittheilungen, 273

die Beziehungen der Blumen und Insekten auf den ge- nannten Inseln gelten, weshalb hier ein kurzer Auszug folgen mag; auf eingehendere Behandlung der unter 1 auf- geführten Arbeit Kuuths kann deshalb verzichtet werden, weil der Autor in seinem unter 2 aufgezählten Werke da- rauf zurückgreift.

a auf den nordfriesischen Inseln windstilles Wetter selten ist, „so scheint festzustehen, dass auf den dem Winde ausgesetzten Stellen der Inseln der Insektenbesuch ein sehr spärlicher ist.“ Das Vorkommen der mit Wind und Sturm ringenden Insektenwelt nimmt mit der Abnahme stärkerer Luftströmungen zu. Während Röm noch ärmer an Insekten ist als Sylt, treten Insekten nach Zahl der Arten wie der Individuen auf Amrum, welches im Westen durch hohe Dünenketten geschützt ist, in den östlichen Marschen in reicher Zahl auf. Wahrhaft ärmlich an Insekten sind die Halligen. „Nur an sehr wenigen, besonders heissen und windstillen Tagen traf ich auf den Halligen von Blüthe zu Blüthe fliegende Insekten an, und auch diese nur in wenigen Exemplaren“, sagt Knuth (ef. op. 4 p. 6 und 7). Dieser Thatsache entspricht die Blumenwelt der Halligen nach Vorkommen und Einriehtungen. Für die Halligen ergaben sich diesbezüglich folgende allgemeine Resultate:

Die Zahl der windblüthigen Pflanzen ist auf den Balligen eine verhältnismässig sehr grosse.“

„Die insektenblüthigen Pflanzen der Halligen sind (bei ausbleibendem Insektenbesuche) sämmtlich im Stande, sich selbst zu befruchten.“

„Es überwiegen bei Weitem die Blumen mit halb verborgenem Honig, die ja auch am besten der wechseln- den Witterung und dem Besuche der verschiedensten In- Sekten angepasst sind; alsdann folgen die die grösste Augen- fälligkeit besitzenden Blumengesellschaften und einige Hymenopterenblumen, während Blumen mit freiliegendem und mit verborgenem Honig, Pollenblumen, Falterblumen und Fliegenblumen fehlen.“ en

Ein interessantes Beispiel für die Anpassungsfähigkeit der Blumen an wechselnden Insektenbesuch ist Euphrasia Odontites var. litoralis welche Knuth-in grossen Mengen Zeitschrift £, Naturwiss, Bd, 67, 1894. a

274 Kleinere Mittheilungen,

auf der Hallig Langenes fand. Dieses Beispiel von An- p gsfähigkeitist ähnlich klassisch als dasjenige H. Müllers von Rhinanthus major, welche Pflanze in den tieferen Ge- birgslagen der Alpen eine typische, Hummelblume ist, wäh- rend sie die Hummelthür, den normalen Eingang für die Hummeln zwischen Ober- und Unterlippe schliesst, wo in den höchsten Lagen Hummeln fehlen, findet sich in der Oberlippe eine besondere Oeffnung, die Falterthür, die dem Rollrüssel der oben noch reichlich fliegenden Falter durchlässt. Auf den Halligen ist Euphrasia Odontites var. li- toralis ganz anders als auf den grösseren Nachbarinseln eingerichtet. Während sie auf letzteren deutlich protogy- nisch erscheint, („die empfängnissfähige Narbe ragt in der ersten Zeit des Blühens aus der Oberlippe hervor und ver- trocknet, indem sich der Griffel gerade streckt und die An- theren aufspringen, so dass zur Befruchtung unbedingt Insek- tenbesuch nöthig ist, der denn auch von mehreren Hummel- arten reichlich abgestattet wird“), ist Zuphr. Od. auf den Halligen der spontanen Selbstbestäubung angepasst (die Narbe tritt überhaupt nicht aus der Oberlippe hervor, sondern bleibt in derselben versteckt zwischen den allmählich heran- reifenden Antheren der beiden längeren Staubblätter, welche erstere bei ausgebliebenem Insektenbesuche mit Pollen be- legen müssen. Es verhält sich also die Halligform von Euphr. Od. var. hitoralis wie die Schattenform der nieht lito- ralen Varietät“, welche Knuth auf Föhr zwischen Getreide beobachtete. Die Halligen stellen sich also auch in Bezug auf Blüthenbiologie als Extreme der Inselbildung Jar. Kehren wir zu Knuths Untersuchungen über die nord- friesischen Inseln zurück, so ergiebt sich daraus, dass „der Reichtum der Inseln an Insektenarten und Individuen ZU nimmt in der Reihenfolge Röm, Sylt, Amrum, Föhr“ ent-

SET

sprechend der Abnahme des Einflusses der Winde be

ziehungsweise der Zunahme schützender Dünen und Dünen-

ketten. Im dritten Abschnitt von op. 3 führt Knuth m

Zusammenhange die Anpassungen der Pflanzen d friesischen Inseln an Standort und Lebensbedingung‘"

vor: Auffallende Niedrigkeit vieler Pflanzen, die sich mn | wenig

Boden anschmieger und so dem Winde möglichst

er nord

ER

Kleinere Mittheilungen. 275

Angriffspunkte darbieten. (Wer denkt da nicht an die Hochgebirgsflora? Ref.) Gedrungener Stengel, stark ver- zweigte Wurzeln, weithin kriechende Rhizome; relativ grosse Blüthen gegenüber den niedrigen Stengeln, obwohl in absoluter Grösse den Festlandsformen gleichstehend. Die Behrenssche Ansicht, dass Inselblumen lebhafter gefärbt seien als die gleichen Festlandsformen, konnte Knuth nicht aufrecht erhalten. Die Inselblumen fasst Knuth heute als Kümmerformen auf. Die Ausführungen Buchenaus über die Anpassungen der Inselpflanzen an feuchten Untergrund und intensive Insolation (tief hinabgehende und stark ver- zweigte Wurzeln, verdickte, zähe Oberhaut, Behaarung, Fähigkeit, die Blätter bei trockenem Wetter zu schliessen) ergänzt Knuth noch durch die Erwähnung eines Fett- und Wachsüberzuges von Cakile n: aritima, Elymus und Psamma arenaria u.8. w., ferner des Einflusses des Kochsalzgehaltes des Bodens anf die Pflanzen: „Der Salzgehalt des Saftes wirkt wasseranziehend, vergrössert und vermehrt die Zellen“ des Rinden- bezw. Pallisadengewebes und erhöht den Tur- g0r der Gewebe. Viele Salzpflanzen sind durch verdickte Oberhaut gegen zu starke Verdunstung geschützt; dieser Schutz fehlt aber solchen, welche, wie Aster Trifolium, Im Feuchten wachsen. Die allgemeinen Resultate der blüthenbiologischen Beobachtungen Knutls sind eine glän- zende Bestätigung der Blumentheorie Hermann Müllers: Auch die Blumen der nordfriesischen Inseln zeigen, dass Selbstbestäubung nur ein Nothbehelf ist, wenn Kreuzung ausbleibt, Die Fähigkeit, sich durch spontane Selbstbe- Stäubung fortzuflanzen, ist durchaus begrenzt; wäre sie un- begrenzt, so müsste gerade auf insektenarmen Inseln, wie die nordfriesischen Inseln es wenigstens zum Teil sind, Kleistogamie weit verbreitet sein, wogegen die Thatsachen Sprechen. Die besonderen blüthenbiologischen Resultate Knuths hier aufzuzählen, verbietet der Raum; es muss jedem Interessenten dringend empfohlen werden, Knuths Aus-

hrungen im Einzelnen zu folgen, es entspringt daraus Teichster Gewinn. Knuths blüthenbiologische Beobachtungen auf Capri stellen sehr interessante Einzelbeobachtungen

& ‚und "Beschreibungen dar; zu allgemeinen Resultaten schien

ei,

276 Kleinere Mittheilungen.

den Verfasser die Kürze seines Aufenthalts auf der Insel und die daraus folgende Beschränktheit des Stoffes offen- bar nicht zu berechtigen.

Halle a. S., im Juli 1894. Dr. C.Smalian.

„Können die Enchytraeiden eine Bübenkrankheit verursachen?-‘ Ueber diese für die Rübenzucker-Industrie äusserst wiehtige Frage theilt neuerdings Prof. FR. VEJ- povskyr in Prag seine Erfahrungen und Vermuthungen mit (Zeitschr. für Zuckerindustrie in Böhmen, Jahrgang X). Es ist bekannt, dass Heterodera schachti, ein Fadenwurm, bei der Krankheit der Zuckerrüben eine hervorragende Rolle spielt, indessen scheinen die Enchytraeiden nach Prof. Vespovsky’s Ansicht für die Rüben noch weit gefähr- licher zu sein, als die vorgenannten Schmarotzer. Die Enchytraeiden sind kleine weissliche oder farblos dureh- sichtigte, bisweilen auch röthliche Würmchen, welche zu der Unterklasse der Borstenwürmer gehören; sie haben eine Länge von etwa !/, bis 3 em und sind über Europa

allgemein verbreitet. Die zablreichen Arten leben an Pflanzenwurzeln in feuchter Erde und faulendem Laub, m

Acker- und Gartenerde, sowie in Blumentöpfen (daher ihr Name von xvroog, Blumentopf). In der Mundhöhle tragen

diese Würmer eigenthümliche läppchen- oder messerförmige

ehitinige Organe, welche bei der Nahrungsaufnahme durch Ausstossen des Schlundkopfes vorgestülpt werden. Diese von Vzspovsky (in seinem Hauptwerk: System und Mor-

phologie der Oligochaeten, Prag und Leipzig 1884) zuerst

als Geschmacksorgane gedeuteten Gebilde der Mundhöhle

dürften nach des Verfassers Ansicht dieselbe Bedeutung haben, wie die Stacheln der Heterodera, nämlich die Pflanzenwurzeln zu verwunden, um sie dann auszusaugel In dieser Vermuthung wurde VEJDOVSKY durch eine eigene Wahrnehmung bestärkt, indem er eine Enchytraeide 2

einer Wurzelfaser einer jungen Zuckerrübe zu beobachten

Gelegenheit hatte, welche ihre oben erwähnten Mund- = stacheln in das pflanzliche Gewebe tief eingestochen hatte. = Auch mebrfache Mittheilungen und Zuschriften an BE

VE>vovsky von ausserhalb (aus Russland, Böhmen und

2 Al nn - En

Kleinere Mittheilungen. 277

Bayern) machen es wahrscheinlich, dass die Enchytraeiden bei Krankheiten der Culturplanzen einen zum mindesten sehr beachtenswerthen Factor bilden und zwar nicht nur für Zuckerrüben, sondern auch für Kartoffeln und Getreide- arten. Da die Biologie der Enchytraeiden noch fast völlig unklar ist, so wäre es angesichts der enormen Wichtigkeit der Sache für die gesammte Bodeneultur wünschenswerth, dass sich nicht allein Fachzoologen, sondern auch praktische Landwirthe mit dieser Frage beschäftigen würden. Prof. Vimovsky schliesst mit der Bemerkung, dass wahrschein- lich auch Arten der Fadenwurm- (Nemodoten) Gattung Dorylaimus, ebenso wie Heterodera, für die Rübenkultur nachtheilig sein können. Dr. A. Collin.

Essbare Flechten. Der belgischen Akademie der Wissenschaften wurden durch den Minister des Innern Proben einer organischen Masse übergeben, die von dem belgischen Consul in Aleppo eingesandt war und, wie es in dem Begleitschreiben hiess, von den Kurden Mesopo- tamiens mit dem Namen „Himmelsbrot‘‘ bezeichnet wurde. In den ersten Tagen des Monats Mai 1890 tobte ein heftiger Sturm in Vilayet Diarbekir, der stellenweise die Felder verheerte, die Bäume entwurzelte und auf seinem Wege die Verwüstung mit sich trug, ausser in der Gegend des Schebel-el-Oofiot, in der Ebene, die ihn umgiebt, wo reich- licher Hagel fiel, der nach dem Schmelzen die fragliche Masse in dieker Schicht zurückliess. Es wurde festgestellt, dass dieser Stoff weder in dem Vilayet selbst, noch in dessen Nachbarschaft vorkommt und dass ein Wirbelsturm ihn aus einer entfernten Gegend herbeigeführt haben muss. Mit *inem Drittel seines Gewichts Mehl angeknetet, wurde er essbar befunden und von den Einwohnern der Provinz in Ausgedehntem Maasse als Nahrungsmittel benutzt.

Der Brüsseler Botaniker, Professor ErrERA, hat dieses „Himmelsbrot“ näher untersucht, mit dem von den Kundigen erwarteten Ergebniss, dass es sich um eine den Flechten zugehörige Pflanze, die Lecanora esculenta Eversm. (‚Sphae- rofhallia esculenta Nees ab Es.) handelt. Sie wurde zuerst

von dem berihmten Naturforscher Pallas in den düren

278 Kleinere Mittheilungen,

Gips- und Kalksteinbergen der tatarischen Wüste gefunden. Lepesour und Eversm. trafen sie in den Kirgisensteppen, wo sie in Menge am Fusse der Gipshügel, welche die Salzseeen umgeben, vorkommt. Auch in Persien ist die Flechte, nach Angabe des Reisenden Parrot, bekannt, und man glaubt dort, dass sie vom Himmel falle. Alles in Allem ist sie gemein in Mittelasien, kommt aber auch in Palästina sowie in Algier vor.

Ursprünglich sind diese Flechten an dem Gestein, das sie krustenartig überziehen, festgewachsen; später werden die Krusten rissig und heben sich von ihrer Unterlage ab. Dabei rollen sich ihre Ränder derartig zurück, dass die ab- gelöste Flechte einen knollenförmigen, erbsen- bis hasel- nussgrossen Körper mit einem Hohlraum in der Mitte bildet. In diesem Zustande werden die Flechten leicht durch den Wind fortgeführt, da sie ausgetrocknet ein sehr geringes Gewicht haben; in manchen Gegenden aber, wo zu Zeiten starke Regengüsse niedergehen, werden sie durch das Wasser fortgespült und in den Thalmulden angehäuft, manchmal in so grosser Menge, dass sie 15—20 Centimeter dieke Schichten bilden.

Die Farbe der trockenen Flechten ist hellbraun, ZU- weilen etwas graulich; an Bruchstellen erscheint das innere Gewebe weiss wie Kreide. Sie können zwischen den Zähnen zerrieben werden, haben aber keinen Geschmack. Ihr Nährwerth ist sehr gering; einen Hauptbestandtheil ‚der Flechten bildet kleesaurer Kalk, den sie in ganz gewaltiger Menge (60 v. H.) enthalten. Nichtsdestoweniger ist der. „Mannaregen“ den Kirgisen, Tataren, Kurden u. s. w. VOF züglich in Hungerjahren hochwillkommen. i

Es kann kaum bezweifelt werden, dass die Manna, die nach Mose II, 16 den hungernden Juden in der Wüste als Speise diente, nichts Anderes als unsere Lecanoraflechte war. Man versteht unter ‚„‚Manna“ bekanntlich auch 4 zuckerhaltigen Ausschwitzungen verschiedener Bäume. Manna der Apotheken stammt von der in Südeuropa : heimischen Mannaesche (Fraxinus Ornus L.); ein Eucalyp : tus liefert die australische Manna, und die Sinai-Mamt fliesst auf den Stich einer Schildlaus aus den Zweigen der

ein-

Kleinere Mittheilungen. 279

arabischen Tamariske (Tamarix mannifera Ehbg.). Diese Tamariske bildet namentlich am Sinai ganze Wälder, und ihr honigähnlicher Saft, den die Araber noch jetzt Man nennen und als Leckerbissen schätzen, wird von den Mönchen des Berges in kleinen Blechbüchsen den Sinaipilgern für theures Geld als die Manna der Bibel verkauft. Doch be- steht wie bereits erwähnt, kaum ein Zweifel, dass nicht dieser, sondern vielmehr die Lecanoraflechte das Wüsten- brot gewesen ist, das die Juden vom Hungertode errettete. Freilich lässt sich Einzelnes in dem Mosaischen Bericht auch auf die Tamariskenmanna beziehen, so dass einige Forscher, denen sich auch Errrra anschliesst, der Ansicht sind, in den Schilderungen Mos. II, 16 und IV, 11 seien die beiden Stoffe durcheinander geworfen worden.

Die Mannaflechte ist nicht die einzige essbare Art ünter ihren Verwandten, die sonst freilich als Nahrungs- mittel nur geringe Bedeutung für den Menschen haben. Die als Heilmittel unter dem Namen „isländisches Moos“ bekannte Cetraria islandica, eine vorzüglich in der kalten Zone, aber auch auf den deutschen Gebirgen vorkommende blattartige Erdflechte, bildet in Island ein werthvolles Nahrungsmittel, dank ihrem ausserordentlich reichen Gehalt an Flechtenstärke, einer der gewöhnlichen Stärke gleich zusammengesetzten Gummiart, die in der Mannaflechte nur in geringer Menge (5. v. H.) enthalten ist. Sie wird theils zu Brot verbacken, theils in Form von Milchgrütze genossen. Bei uns findet diese Flechte wegen ihrer glinstigen Wirkung auf die Schleimabsonderung als Gallerte oder (zur Verbesser- ung des Geschmacks) in Verbindung mit Chokolade (Moos- chokolade) oder auch als wesentlicher Bestandtheil von Brusthee gegen verschiedene Lungenübel Verwendung. Sie ist übrigens die einzige Flechte, die jetzt noch offizinell ist. Das sogenannte „irländische Moos“ oder Carragheenmoos, das in der Heilkunde zu ähnlichen Zwecken verwendet wird wie das „isländische Moos“, ist weder ein Moos noch eine Flechte, sondern eine Meeresalge.

Eine dritte essbare Flechte ist erst im vorigen Jahre bekannt geworden. Ihr wissenschaftlicher Name ist Endo- - 2arpon miniatum Schaer., und sie wächst in Nordamerika,

280 Kleinere Mittheilungen.

Kuba, Japan u. s. w. auf Kalkböden. Nach Angabe eines gelehrten Japaners, Herrn MınarakA, wird diese Flechte in den Bergen Japans zum Zwecke des Genusses in grossen Mengen gesammelt und als Luxusspeise nach China aus- geführt. Sie ist in Japan unter dem Namen „Iwataka“ bekannt, was „Steinpilz‘“ bedeutet. Richtig zubereitet soll sie wie Kaldaunen schmecken.

In Zeiten der Hungersnoth hat man auch noch andere Fleehten zur Ernährung benutzt. De CAanpoLLe berichtet, dass in der Umgebung von Genf während der Hungerjahre 1816 und 1817 „Flechtenbrot‘“ gegessen worden sei, doch giebt er nicht an, welcher Flechtenart man sich zur Her- stellung dieses Brotes bediente. Die Rennthierflechte (Cla- donia rangiferina), die ja in den skandinavischen Ländern als Viehfutter und als Rohstoff zur Spiritusbereitung eine grosse Bedeutung besitzt, wird dort neben der Cetraria is: landica zuweilen zwischen das Brot verbacken.

Die Bakterien als Pflanzenfeinde. Es giebt unter den Blüthenpflanzen kaum eine Gattung, die nicht von krankheiterzeugenden Schmarotzern befallen würde, und bei mancher Art ist es geradezu eine Seltenheit, dass man sie gesund antrifft. Während aber die auf der Ent- wieklung von niederen Organismen beruhenden Krankheiten des Menschen und der Thiere, so weit nicht thierische Schmarotzer, wie Eingeweidewürmer, Insektenlarven u. 8. W. ihre Ursache sind, meistens durch Bakterien (Spaltpilze) hervorgerufen werden, beruhen die Pflanzenkrankheiten, so weit sie bis jetzt bekannt sind, in ihrer Mehrzahl auf der Entwieklung echter Pilze, die mittels fadenförmiger, gewöhnlich verzweigter Schläuche (Mycelien) die befallenen Körpertheile der Pflanze durchwuchern. Soleher Art sind die bekannten und gefürchteten Krankheiten des Getreides (Rost, Brand), des Weinstocks (echter und falscher Mehl tbau), der Kartoffeln, der Obstbäume (Rost, Rothfäule, Taschen der Pflaumen u.s. w.) und vieler anderen Pflanzen Allein auf dem Weinstock leben etwa ein halbes Hundert verschiedener Arten von diesen Schmarotzero. Derart&®

Pilze rufen allerdings auch gewisse Krankheiten im Menschen z u

Kleinere Mittheilungen. 281

und Thierkörper hervor, z. B. den Mundsehwamm (Soor) der Kinder und manche der sogenannten Hautflechten (Grind, Ringflechte), einige spielen sogar dadurch im Natur-Haus- halte eine wesentliche Rolle, indem sie unter Insekten (Raupen, Stubenfliegen) verheerende Seuchen hervorrufen; im Allgemeinen aber treten sie doch an Bedeutung für die Pathologie des Menschen und der Thiere hinter den Bak- terien zurück. Andererseits ist die Zahl der Bakterien, die Pflanzenkrankheiten erzeugen, nicht so gering,- wie man vor Kurzem annahm. Seitdem der holländische Botaniker, J. H. Wacker vor sechs Jahren nachwies, dass der gelbe Rotz der Hyazinthen, eine sehr verderbliche Krankheit, bei der eine Auflösung der Gewebe unter Bil- dung eines gelben Schleims auftritt, durch eigenthümliche Baeillen hervorgerufen wird, sind eine ganze Reihe von Bakterienkrankheiten an Pflanzen festgestellt worden. So hat der Amerikaner Burırı einen Bacillus als den Urheber des in den Vereinigten Staaten namentlich an der Zucker- hirse (‚Sorghum saccharatum) grosse Verheerungen anrichten- den „Hirsekornbrandes“ erkannt. Auch die gefürchtete Sereh-Krankheit, die auf Java ganze Zuckerrohrpflanzungen vernichtet, wird vermuthlich durch Bakterien hervorgerufen. Das Gleiche gilt für die Nassfäule der Kartoffeln, für die Stengelfäule der Pelargonien, für die von den Italienern „Rogna“ (Krätze) genannte Krankheit des Oelbaums, die sich durch Auswüchse am Stamm und an den Avsten kund- giebt. Auch eine Bakteriosis des Weinstocks ist bekannt, und kürzlich hat Dr. Lixoav in Berlin als den Urheber einer Krebskrankheit, die den Stamm und die Blätter des Epheus befällt und rasch zerstört, ein Bakterium nachweisen können. Eine ganze Reihe von Bakterienkrankheiten sind vor wenigen Wochen von dem Pariser Professor PrızLıevx, einem ausgezeichneten Pilzforscher, und seinem Mitarbeiter DELA- CRorX namhaft gemacht worden. Diese Krankheiten befallen Begonien, Gloxinien, die Blätter des Alpenveilchens und des Tabaks, Weintrauben, Tomaten, gewisse Aepfelsorten (Kalvillen, Reinetten) und treten sehr verheerend auf. Be- sonders bemerkenswerth ist, dass der Bacillus, der die Gloxinien-Krankheit hervorruft, bei der Kultur in Fleisch-

282 Kleinere Mittheilungen.

brühe oder Gelatine diesen eine ähnliche Färbung ertheilt, wie der Baecillus pyocyaneus, der das öfter in Kranken- häusern zu beobachtende Grün- oder Blauwerden des Eiters hervorruft. Man war bereits vorher in Deutschland auf das Auftreten dieses Bacillus bei der Kartoffel und Pelar- gonium aufmerksam geworden. Dass gewisse Bakterien, die bei Mensehen und Thieren Krankheiten hervorrufen, auch auf Pflanzen übertragen werden können, hatte schon 1890 ein russischer Forscher, Lomissky, nachgewiesen. Er zeigte beispielsweise, dass Milzbrand- und Typhus-Bazillen in verletzte Pflanzentheile eindringen und sich dort ver- mehren und Kolonien bilden können, die ihre Ansteekungs- fähigkeit bewahren; auch lehrten Lommns£ys Versuche, dass beim Wachsthum von Weizen auf einem mit Krank- heitserregern beschiekten Boden die Bakterien in grosser Menge in die Gewebe der Weizenwurzeln einzudringen vermögen.

Fügen wir den obigen Mittheilungen noch hinzu, dass in jüngster Zeit der durch seine Arbeiten über Pflanzen- krankheiten bekannte Prof. Soraver (jetzt in Berlin) eine von ihm zuerst an slavonischen, dann auch an deutschen Zuekerrüben beobachtete Krankheit, die sich durch Schwär- zung und Verflüssigung gewisser Zonen des Rübenfleisches kundgiebt und möglicherweise noch ernstere Bedeutung für unsern Rübenbau gewinnt, auf die Entwicklung von Bakterien zurückführt, so glauben wir genug Beweise beigebracht zu haben, um zu zeigen, dass hinsichtlich der Immunität gegen diese winzigen Zerstörer des höheren organischer Lebens die Pflanzen vor den Angehörigen des Thierreichs nichts voraus haben.

Einfluss der Nahrung auf Färbung. Anfang April erhielt ich von Herrn Inspektor Fecuxer in Mellendorf eine ganze Collection grosser Moderlieschen (Leucaspius delineats v. Sieb), sämmtlich mit schwarz tingirten Flossen- Diese Fische wurden in eine Lettengrube gesetzt, deren andere Bewohner: Cyprinus carpio, carassius L., Gobio Auviatilis CUF- ; Leueiseus rutilus, Alb. Iueidus Heck. alle entschieden NeigunE zum Melanismus bekunden. Wenige Wochen später 7

Kleinere Mittheilungen. 283

es mir nun auf, dass die Rapfenlauben ad unum omnes mit hochroth tingierten P. pect., ventr, und caud. in ihrem Ele- mente sich tummelten. Es ‚waren, wie die histologische Prüfung dieser Erscheinung lehrte, alle die schwarzen Chro- motophoren entweder schon völlig in rothe umgestaltet, welehe sich dann wundervoll verästelt zeigten, oder aber noch in der Verwandlung zu carmoisinfarbigen begriffen, dergestalt, dass im expandirten Zustande der Zelle in den Ramifieationen rothe, im Centrum dagegen schwarze Pigmentkörnehen vorherrschten. Im eontrahirten !) Zustande erschien die Pigmentmasse als eine rothbraun gesäumte schwarze Kugel.

Gleichzeitig, Ende April, zeigte sich in der nämlichen Pfütze nun aber auch der hier sehr gemeine Copepode Cyelops bisetotus Rhbg. ausschliesslich in rothen Exemplaren und es zeigte sich bei der Untersuchung des Magens von vielen Moderrapfen, dass jener Kruster die fast ein- zige Nahrung von unseren Weissfischen gebildet hatte.

Die Grube empfängt all ihr Wasser aus einem ihr an- liegenden Teiche. Dasselbe erleidet nach Untersuchungen meiner Freunde, Chemiker Scuuca-Heidersdorf und Apo- theker Frırscur-Reichenbach in ihr keinerlei Veränderung. Es zeigt sich indessen, dass in jenem Teiche keine Spur von beginnendem Albinismus weder bei Leucaspius noch bei Oyelops auftrat.

Es wurden nun aus möglichst verschiedenen Gewässern der näheren Umgegend: Peile, Lohe, Weistritz, Oder u.s. w. Moderrapfen mit melanotischen Flossen herbeigeschafft, in Blechgefässe oder Glas- Thonkrausen, deren jedes Wasser von anderer chemischer Beschaffenheit, von stark eisen- m

!) „Man schneidet die Flossen ab, breitet sie auf einem Deck- glase aus und bringt sie in einer feuchten Kammer auf zwei Stanniol- plättehen, die mit der secundären Spirale eines Inductionsapparates 'n Verbindung steben, und leitet nun den Strom hindurch.“ A. Lode, „Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Farbenwechsels der Fische“, Sitzber.k, k. Akad.d. Wiss., Wien, März 90, Sep.-Ab. 8.4). Nach

See. schon bemerkt man ein allmähliges Schrumpfen der Rami- fieationen.

284 Kleinere Mittheilungen.

bis hochgradig salpeterhaltigem, fasste, gesetzt und aus- schliesslich mit den rothen Cyel. 'bisetosus Rhbg. gefüttert, worauf die Flossen aller Thiere sehr schnell beginnenden Albinismus zeigten.

Es ist diese Beohachtung ein Pendant zu den bereits vor längerer Zeit publieirten Mittheilungen anderer Forscher, dass sich das Federkleid gewisser Vögel (Canarien, Tauben ete.) nach einer bestimmten Nahrung umfärbte. Auch an Schmetterlingen hat man Aehnliches wahrge- nommen.

Schlaupitz, Kr. Reichenbach, Schl., 15. Juni 94. Karl Knauthe.

Ueber Alca impennis. Gegenwärtig ist in den Zei- tungen viel von einem merkwürdigen Vogel die Rede und es wird von fabelhaften Preisen berichtet, die für geine Eier bezahlt werden. Der Namen dieses Vogels ist Alca impennis. Für den nicht zoologisch Gebildeten könnte das Thier sonst wie heissen, eine Vorstellung von demselben könnte er sich doch nieht machen. Steht ihm ein latei- nisches Wörterbuch zur Verfügung und sucht er nach der Bedeutung der Worte, so wird er auch nicht klüger, denn unserm nachplinianischen, naturwissenschaftlichem Küchen- latein wird von philologischer Seite noch keine Rechnung getragen. Da auch nicht jeder die zoologischen Hilfsmittel, etwa Brehm’s Thierleben, sich zu unterrichten, besitzt, 80 _ ist es vielleicht nicht unangebracht, eine kleine Skizze von dem vielgenannten Vogel zu geben, und um 80 weniger, als er in diesem Jahre eine Art Jubiläum feiert. a

Alca impennis Linn, der Brillenalk oder der Geirfugl der atfnder gchört zu der Schwimmvogelfamilie der Alke, die aus 7 Gattungen und etwa 28 Arten bestehend, an den nördlichen Küsten des Atlantischen und stillen Oceans ver- breitet ist. An jenen gehen sie an der Ostseite bis england, an der Westseite bis in die Gegend von New-York, an diesen auf der amerikanischen Seite bis Unterealifornie?,

Sud- i

auf der asiatischen bis zu dem mittleren Inseln des jap® S &

nischen Archipels. Keine Art tiberschreitet nach ST den Wendekreis des Krebses, und die Zahl der Arten U

|

Kleinere Mittheilungen. 285

Individuen vermehrt sich polwärts. In Deutschland kommen zwei Arten vor, aber auch erst seit 1890. Sie bewohnen nämlich ausschliesslich die Felsen von Helgoland, und in Betracht der Bereicherung unserer vaterländischen Vogelwelt, haben wir also durch den Tausch mit den Engländern ein ganz glänzendes Geschäft gemacht.

Der Brillenalk ist der grösste Vertreter seiner Sippe, er ist nämlich 90 em lang, hat aber Flügel, die blos 20 em lang und ganz verkümmert sind, namentlich keine Schwung- federn haben, woher ihm Linne den Beinamen „impennis“, ohne Schwingen, gegeben hat. Dass der Vogel nicht zu fliegen vermag, ist klar und das wurde, wie wir gleich sehen werden, sein Verderben. Seine Farbe ist elegant, salonfähig, der Rücken und der Kopf, mit Ausnahme eines grossen, weissen, runden Fleckes über jedem Auge, der ihm den Namen Brillenalk eingetragen hat, glänzend schwarz, die Unterseite ist reinweiss, die Kehle bräunlich. Der Schnabel ist kräftig, schmal, oben gebogen, und an seiner Spitze befinden sich einige, der Zahl nach individuellen Schwankungen unterliegende Furchen. Das kurze, spitze Schwänzchen besteht aus 12 wenig entwickelten Federn. An den schwarzen Füssen sind die drei grossen, nach vorn gerichteten Zehen durch eine Schwimmhaut verbunden, eine kleine vierte, verkümmerte, gelegentlich auch fehlende befindet sich hinten, höher nach oben am Fusse. Männ- Chen und Weibehen unterscheiden sich äusserlich nicht. Die Eier sind sehr gross, 1,15 bis 1,20 em lang und 0,8 cm an der breitesten Stelle breit, ihre Gestalt ist stark birn- fürmig, mehr noch als die des Kiebitzeies. Die Farbe der Eier schwankt sehr, der Grund ist weisslich, gelblich, röth- lich oder grünlich und mit grossen Flecken, Flatschen und Strichen von dunkler, meist schwarzbrauner Farbe-bedeckt. Es wird bei allen Alken jährlich nur ein Ei gelegt, und die Jungen sind Nesthocker.

Der Brillenalk bewohnte in Amerika in grosser Zahl den St. Lorenzgolf, New-Foundland und besonders die Funkinsel und kam bis Grönland vor. Ebenso häufig war er auf .den Scheeren und Felseninselchen an der Süd- und

, Nldwestseite von Island, ferner auf den Faröder und St. Kilda,

286 Kleinere Mittheilungen,

vielleichtauch auf Spitzbergen und an der norwegischen Küste. In vorhistorischer Zeit ging er weiter südlich, auf der ameri- kanischen Seite des Atlantischen Oceans Kis nach Maine und Massachusetts und auf der europäischen bis auf die dänischen Inseln. Das weiss man deshalb genau, weil man Knochen von ihm in Küchenabfällen der alten Ureinwohner jener Länder gefunden hat.

Man darf mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dass der Vogel egenwärtig ausgestorben ist, obwohl es nicht ab- solut ausgeschlossen sein dürtte, dass auf irgend einem un- bekannten Felseninselehen der nordischen Meere ein oder das andere Pärchen vorkommt. Natürlich war der Mensch, der liebenswürdige Herr der Schöpfung und namentlich in Gestalt der besonders liebenswürdigen Walfänger und Robbenschläger die Ursache, dass der Brillenalk aus dem Buche des Lebens gestrichen wurde. Bei Tausenden wurden die hilflosen, flugunfähigen Vögel hingemordet, theils um als Proviant zu dienen, theils aber auch aus blosser Mord- lust. Es wird berichtet, dass die Robbenschläger auf der waldlosen Funkinsel mit den Cadavern der fetten Vögel die Thrankessel geheizt hätten. Manche flugunfähige Vögel, besonders Bewohner von Inseln, hat der Mensch ausgerottet: auf Neuseeland allein 14 Arten von Straussen, von denen manche bis 20 Fuss hoch wurden, drei andere Straussarten auf Madagascar, ferner drei grosse flugunfäbige Tauben arten, je eine auf den Inseln Mauritius, Bourbon und Ro- driguez, darunter die bekannte Dronte oder den Dodo. Die letzen Exemplare des Brillenalkes fielen übrigens nicht hungrigen Matrosen zum Opfer, sondern da sie schon 88 sucht und selten geworden waren, speculativen Naturalien- händlern und zwar die letzten beiden 1844, also vor 0 Jahren, auf der Insel Eldey bei Island. 2

Man kann sich denken, dass die Naturforscher, be

sonders die Direetoren zoologischer Museen, mächtig .. | : den Ueberbleibseln dieser Vögel her und nieht wenig st auf den Besitz derselben sind. Professor Wırazın Bi

sıus hat die Geschichte -_ een dieser er ; z zusammengestellt. Dan von Alca impenms

8 Ä Stück ausgestopfte Bälge, 9 Skelette und 68 Eier, oder, wenn

Kleinere Mittheilungen. 287

die neueste Notiz von zwei weiteren, in England aufge- fundenen sich bewahrheiten sollte, 70. In Deutschland hat

man 20 gestopfte Bälge, 1 Skelett und 4 Eier. Das zoologische Muscum der Uniyersität Leipzig besitzt ein sehr schönes aus- gestopftes Exemplar, das königliche Museum zu Dresden zählt gleichfalls einen ausgestopften Brillenalk, aber ausserdem ein Skelett und ein Ei desselben unter seinen Schätzen.

Ein Ei der Alca impennis hat folgende Geschichte: im Jahre 1884 besass es der Graf Rorverv in Breslau, von dessen Sammlung ich aber nicht weiss, wohin sie nach dem Tode ihres Besitzers gekommen ist. Der Graf kaufte es 1869 oder 1870 von dem verstorbenen Leipziger Barbier Hvenner, wie es heisst für 200 Thaler. Hurnser acquirirte es in der Mitte der 30er Jahre um 7 Thaler von dem Na- turalienhändler Fr. Schurz, der es selbst wieder mit der Sammlung eines reichen, verstorbenen Hamburger Senators erstanden hatte. Jetzt würde das Ei, das besonders gut gehalten und von grünlicher Grundfarbe mit grüngrauer Zeichnung war, mindestens, wenigstens von Engländern, ‚die reich und verrückt genug dazu sind, mit 5000 Mk. be- zahlt werden!

Leipzig. W. Marshall.

Die Einführung des Seidenbaus in Deutschland. Die gegen Ende des vorigen und zu Anfang desgegenwärtigen Jahrhunderts in verschiedenen Staaten Deutschlands ange- stellten Versuche mit Seidenraupenzucht blieben deshalb ergebnisslos, weil die jungen Triebe der Maulbeerbäume in kalten Frühjahrsnächten zu Grunde gingen und mit ihnen natürlich auch die Raupen. Wie bekannt hat Herr Prof. Harz in München einen einheimischen Ersatz für die Maul- beere festgestellt, die Schwarzwurzel (Scorzonera hisp.), a!so eine altbekannte und überall angebaute Küchenpflanze. In dem württembergischen Gewerbeblatt berichtete SCHRADER- FeverRBAcH über die Aufzucht von Seidenraupen mit diesem Gewächse, und seinen bemerkenswerthen durchaus günstig lautenden Mittheilungen entnehmen wir, dass er von 'f Tamm (etwa 750 Stück) Eiern, die er von Professor Harz

bezogen hatte, 432 Sttick Kokons erhielt (= 72 v. H.). Die : \

288 Kleinere Mittheilungen,

Fütterung geschah ausschliesslich mit Schwarzwurzelblättern, und der Beweis, dass die Raupe sich an diese neue Nah- rung gewöhnt hat, liegt darin, dass, während bei den ersten Versuchen von 100 Stück Raupen nur ein Stück zur Co- eonbildung gebracht wurde, jetzt infolge von rationeller Züchtung, wie schon erwähnt, 72 v. H. durchkommen. Da- bei stellte sich die merkwürdige Thatsache heraus, dass das Raupenleben (bis zum Einspinnen) bei Schwarzwurzel- fütterung, statt blos auf 30 Tage, wie bei Maulbeerblatt- futter, sich auf 80 und sogar 90 Tage ausdehnte. Dass der Anbau der Scorzonera höchst einfach ist, dürfte überall bekannt sein. Doch möge hierzu in Kürze Fol- gendes angeführt sein. Im Mai wird der Samen (in jeder Samenhandlung erhältlich) in Gartenboden gesäet, damn auf Beete in Reihen, die etwa 50 Centimeter von einander entfernt sind. In kurzer Zeit stehen die Pflanzen da, und von Ende August ab, oder schon früher, lassen sich die Blätter, also die Nahrung der Seidenraupe, ernten. Doch ist es besser, die mit Laub überdeckte Pflanze überwintern zu lassen; dann kann im Frühjahr eine Menge Blätter ge schnitten werden. Die Schwarzwurzel erträgt unser Klima vortrefflich und kann überall in Deutschland gezogen werden. Die grosse Wichtigkeit dieses neuentdecekten Seidenraupen- futters für den deutschen Landbau und die deutsche In- dustrie leuchtet ohne Weiteres ein.

Kleine Wohlthäter der Menschheit sind bekanntlieh die Marienkäferchen (Ooceinella), jene kleinen runden, hoch- gewölbten Käferchen, von denen das bekannteste und volks- thümlichste das siebenpunktige (Coceinella septempunctata L.) ist. Ein jeder freut sich, wenn eins dieser schwarze®, auf den siegellackrothen Flügeldecken mit 7 schwarzen Punkten geziertes Bürschlein zwischen den Pflanzen seines grössere! oder kleineren Wintergartens überwintert und hüitet sich, : es zu töten, auch wenn er nicht weiss, wie guten Grund . er dazu hat, so zu handeln. Beim Volk gilt das Thierchen ss wegen des gelben, scharfriechenden und ätzenden Saftes, ee den es bei Berührung aus den Gelenken seiner Beme treten lässt, für ein Mittel gegen Zahnschmerzen;

Kleinere Mittheilungen. 289

liegt aber nicht seine Bedeutung für uns Menschen, sondern in dem, was er und seine Larven als Nahrung vertilgt. Die Larven sind eigenthümliche Wesen, mohnfarbig mit gelber Unterseite und orangenen Flecken. Sie haben eine Anzahl behaarter Höckerchen auf der Oberseite des Körpers, 6 wohlentwickelte Beine und sind muntere Geschöpfe, die sich in an Blättern befestigte, orangegelben Puppen mit schwarzen Flecken verwandeln, die öfters für die des Co- loradokäfers gehalten worden sind. Es ist eine auch bei Laien altbekannte Sache, dass dieser Käfer und seine Larve mörderisch unter den schädlichen und widerlichen Blatt- läusen hausen, dass sie wahre Blattlauslöwen sind. J. Prr- RAuD, ein Beamter der Weinbaustation in Villefranche, hat noch eine andere, höchst nützliche Seite dieses Thierehens kennen gelehrt. Als er auf der Suche nach sogenannten Heuwürmern, den für den Weinstock überaus schädlichen Raupen des Traubenwicklers (Tortriz oder Oochylis ambi- guella), war, sah er an den glühenden Gescheinen vielfach die Larven des Marienkäferchens. Anfangs schenkte er der Sache keine weitere Beachtung, aber bald wurde sie ihm interessant genug, denn er beobachtete, wie diese Larven eifrigst Heuwürmer frassen. Bei weiteren Nach- forschungen fand er oft bis 20 soleher Geschöpfe auf einem einzigen Weinstok mit diesen nützlichen‘ Mahlzeiten be- schäftigt. Darum Schonung den Marienkäfern und ihren Larven, und den Garten- und Weinbergbesitzern ist nur zu empfehlen, besonders diese letzteren, die nicht weg- fliegen können, wie die Käfer einzusammeln und auf ihre, von Blattläusen befallenen Blumen und in ihre vom Heu- wurm infieirten Weinberge zu thun.

Die Abstammung unserer Haushunde. Zur Ent- scheidung der noch immer schwebenden Frage, von welehen wilden Arten unsere Haushunde abstammen, liefert A. Wolfgramm in den „Zoologischen Jahrbüchern“ einen neuen Beitrag. Durch Vergleichung einer Anzahl von Wolfsschädeln aus der Sammlung der Landwirthschaftlichen Hochschule in Berlin hat er an den Schädeln von Wölfen,

® in der Gefangenschaft geboren waren, eine Reihe tief- Zeitschrift £, Naturwiss., Bä, 67, 1894. 19

290 Kleinere Mittheilungen.

greifender Veränderungen feststellen können. Zunächst zeigte sich, dass’durch die Gefangenschaft schon nach einer Generation eine bedeutende Verkleinerung des Schädels hervorgerufen wird. Während ferner der Schädel wilder Wölfe lang, schmal und niedrig ist, war er bei den in der Gefangenschaft geborenen Wölfen kurz, breit und hoch geworden. Fast keiner der äusseren Schädelknochen zeigte sich unverändert; ausserdem ergaben sich bedeutende Ver- änderungen im Gebiss, namentlich an den Mahlzähnen und an dem oberen Reisszahn, der erheblich verkleinert war. Gewisse Abweichungen in der Stellung und in der Form der Zähne hängen mit einer Verkürzung der Schnauze zu- sammen, die ebenso wie der Gehirntheil eine Lagever- änderung erfahren hat. Von den Veränderungen des Ge- hirnschädels ist die Vergrösserung der fast kugelförmig gewordenen Gehirnkapsel die auffallendste. Durch diese Umwandlungen, auf deren Mannigfaltigkeit schon von Prof. NEHRING hingewiesen worden war, hat der Schädel der in Gefangenschaft geborenen Wölfe eine Gestalt angenommen, durch die sie einzelnen Rassen unserer Haushunde sehr nahe gebracht werden. Wenn Darwın Gelegenheit gehabt hätte, meint WoLrsramm, diese Wolfsschädel zu studiren, 80 würde es ihm weniger wunderbar erschienen sein, schon auf den alten assyrischen Denkmälern verschiedene Hunde- rassen vertreten zu sehen. Die Schädel zeigen grosse Aehnlichkeit mit denen des Hundes der Steinzeit, des Torf- hundes (Canis palustris). Nach Jerrreies, durch dessen Untersuchungen (1877) die Frage der Abstammung der Haushunde wesentlich geklärt ist, stammt der Torfhund von dem kleinen Schakal (Canis aureus) ab, der von ‚den Europäern der Steinzeit gezähmt wurde; die heutigen Spit2®, Pintscher, Wachtel- und Dachshunde sind seine Nach“ kommen. Der in der Bronzezeit auftretende Hund (Can matris,optimae) ist viel grösser als der Torfhund und stammt nach JEITTeLEs von dem wilden indischen Bheria z pallipes) ; dagegen gelangte Sruper nach Untersuchung v- Ss lichen Materials aus der späteren Steinzeit zu der Ansle h,

dass die grossen Bronzezeit-Hunde nur ein Züchtungserzels_

niss aus der ursprünglichen kleinen Rasse der Steinzeit ur

Kleinere Mittheilungen, 291

stellen. Die Betheiligung des Woifes an der Entstehung dergrossen Hunderassen erklärt JEITTELESs für ausgeschlossen. WoLrerauMm erklärt aber, dass die Gründe dafür, nämlich die bedeutendere Grösse des Wolfes und das abweichende Verhalten seines Reisszahnes zu den beiden Höckerzähnen nieht stichhaltig seien; denn die in Gefangenschaft ge- borenen Wölfe, deren Schädel er untersucht hat, sind kleiner und zeigen dieselbe Eigenschaft des Gebisses, die JEITTELES als „echtes Hundegebiss‘“ bezeichnet. Dass der Bronzezeit- Hund nur ein Züchtungsergebniss aus dem Torfhunde sei, wie STUDER will, hält WoLroramm nieht für wahrscheinlich. Haben wir ihn als ein Kreuzungserzeugniss anzusehen, wofür die Hunde der späteren Steinzeit sprechen, so kann nur der europäische Wolf dabei betheiligt gewesen sein, da der indische Bheria bis heute noch nicht in Europa nachgewiesen ist. Nach den Ergebnissen der Untersuchungen Worreramms kann die Annahme einer Mitwirkung des Wolfes bei der Entstehung gewisser Hunderassen keinem Bedenken unterliegen. Die Möglichkeit, dass der Bronze- zeit-Hund nicht durch Kreuzung, sondern durch unmittel- bare Zähmung des Wolfes entstanden ist, scheint weniger Wahrscheinliehkeit für sich zu haben. Jedenfalls ist für die Ableitung unserer Hunderassen von Schakal und Wolf um so weniger Schwierigkeit vorhanden, als beide wilden Arten, wie WoLrGramm hervorhebt, das Bellen erlernen, wie Hunde mit dem Schwanze wedeln, ihn sowohl nach rechts und links wie nach aufwärts gekrümmt tragen, den Befehlen ihres Herrn gehorchen, ihn noch nach drei bis vier Jahren wiedererkennen, ihre Freude nach Hundeart zu erkennen geben, endlich sich fruchtbar paaren und Nachkommen hervorbringen, die sich sowohl unter einander als auch mit ihren Erzeugern fortpflanzen können. Als ersten Gegen- stand der Zähmung wird der Mensch der Vorzeit jeden- falls solche wilden Arten gewählt haben, die sich am leichtesten einfangen und zühmen liessen. Das trifft beim Schakal zu, und durch dessen Gesellschaft ist es dem Menschen dann auch leichter geworden, den Wolf für seine Zwecke brauchbar zu machen.

1

292 Kleinere Mittheilungen.

Mediein.

Die Blutserumtherapie zur Diphtheriebehandlung des Menschen. Beurıne gelangt zu folgenden Schluss- sätzen:

1. Die Blutserumtherapie ist die antitoxische Thera- pie, mittelst welcher wir solche Infektionskrankheiten zu bekämpfen suchen, von denen wir wissen, dass sie durch mikroparasitäre Gifte erzeugt werden.

2. Zur Behandlung diphtheriekranker Menschen exi- stiren gegenwärtig zwei Präparate, das erste enthält in 10 CC. eine einfache Heildosis, das zweite in 11.5 CC. die 2'/gfache Heildosis; ersteres ist ein ca. 60faches Normal- serum nach Bzurıng-Euericn. Für Kinder unter 10 Jahren, bei denen die Krankheit nieht über den dritten Krankheits- tag hinaus ist, genügt fast durchwegs schon die einfache Heildosis, um die Genesung herbeizuführen.

3. Zur prophylaktischen Behandlung des Menschen genügen durchschnittlich 60 Normaleinheiten, um Kindern und Erwachsenen Diphtherieschutz zu gewähren.

4. Besonders verdient hervorgehoben zu werden, dass die spezifische Heilwirkung des Heilserums um 80 sicherer eintritt, je frühzeitiger eine Diphtheriebehandlung beginnt. Man kann schon jetzt das Urtheil abgeben, dass von IM Fällen, die im Laufe der ersten 48 Stunden nach der Er- krankung die einfache Heildosis eingespritzt erhalten, keine fünf Fälle an Diphtherie sterben werden. Je später die Diphtherie in Behandlung genommen wird, um 80 grössere Heildosen sind erforderlich. 2

5. Das im Diphtherieheilserum enthaltene Antitox1n ist eine wasserlösliche Substanz, die gegenüber den g6& wöhnlichen atmosphärischen Einfliissen recht widerstands- fähig ist, von der wir nur wissen, dass sie das Diphtherie gift unschädlich macht.

6. Als Quelle der Entstehung dieses Antitoxins haben | wir das reaktionsfähige Eiweiss des lebenden Organismus n zu betrachten, und zwar entsteht aus diesem reaktionsfäign Eiweiss unter der Einwirkung eines spezifischen

das zugehörige Antitoxin unter solchen Umständen, welche

Tosind

Kleinere Mittheilungen. 293

auf eine allgemeine Störung der Regulirungsvorrichtungen im Gesammtorganismus hindeuten.

7. Wenn wir nach dem erfolgreichen Ueberstehen einer spontan entstandenen oder willkürlich erzeugten toxischen Infektion die Körpersäfte untersuchen, so finden wir das Toxin nicht blos kompensirt durch das Antitoxin, sondern wir finden einen Ueberschuss von Antitoxin, den wir dazu verwenden können, um anderen Individuen die Ueberwindung der gleichen Intoxikation zu erleichtern. Hierauf beruht die Blutserumtherapie.

Mit Rücksicht darauf, dass die Antitoxine chemische Körper sind, ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass sie später ein Mal synthetisch hergestellt werden.

Wir verweisen hierzu auch auf die Original-Abhand- lungen dieses Heftes „Immunität und Immunisirung“ von Dr. Kurt MürLer,

Was die Erfolge mit dem Blutserum anlangt, so lässt sich noch kein abschliessendes Urtheil darüber fällen, je- doch erklären sich auch skeptische Aerzte jetzt für die Anwendung desselben. Als Folgeerscheinungen traten mehrfach Gelenkschmerzen und Ausschläge an den Ge- lenken auf, die bisher aber keinen beängstigenden Cha- rakter angenommen haben,

Zur Akromegalie. Dr. Hurmann ScHLesinger stellte in Wien zwei Fälle von typischer Akromegalie vor, bei denen neben den Wachsthumsanomalien folgende Symptome von Hypophysiserkrankungen vorhanden waren. Im ersten Falle bestand Atrophia nervi optiei sinistri, rechtsseitige eomplete Oculomotoriusläihmung und temporale Hemian- opsie am linken Auge. Im zweiten Falle war ein Nystag- mus rotatorius, Optieusatrophie und bitemporale Hemian- Opsie vorhanden.

An der Hand der Arbeiten von Laxeen und nach erneuertem Studium der von diesem Forscher unter- suchten Riesenskelette wurde ebenfalls in Wien auf der Naturforscherversammlung von Maximilian Sternberg der Nachweis versucht, dass es zwei ganz verschiedene Arten ' von Riesen giebt: physiologische und pathologische. Die

294 Kleinere Mittheilungen.

ersten sind einfach Menschen von übermässiger Körper- grösse, die anderen zum allergrössten Theile typische Fälle von Akromegalie. Die anatomischen Befunde bei physiologischen Riesen haben mit denen bei Akro- megalie nichts zu thun, doch kommt beides ungewöhnlich häufig an einem und demselben Individuum vor, so dass von allen Akromegalischen 200%, riesig sind, von allen beschriebenen Riesen 400), akromegalisch. Der causale Zusammenhang besteht darin, dass der Riesenwuchs eine Disposition zu allgemeinen Vegetationsstörungen und be- sonders häufig zu Akromegalie setzt. Eine gleiche Di- sposition für allgemeine Vegetationsstörungen liegt in der lymphatischen Constitution. Als Theilerscheinung derselben ist die bisher unerklärte Vergrösserung der Thymus auf- zufassen, da die Seetionsberichte ausserdem vielfach Hyper- plasie der anderen Iymphatischen Organe nachweisen. In Bezug auf die Diagnose ist auf die Unterscheidung von Crania progenea zu achten, was bisher nicht berücksichtigt worden ist und manche zweifelhafte Fälle erklärt, ebenso auf die jetzt ganz vergessene allgemeine Hyperostose. Zu den typischen Frühsymptomen der Krankheit gehören die erst in neuester Zeit berücksichtigten Paraesthesien und Schmerzen der Extremitäten, gegen die Fütterung von Sehilddrüsensaft oder Ergotin und Faradischer Pinsel in Anwendung gebracht worden sind. Naturf. Vers. zu Wien 1894

Neuer Augenspiegel und Photographie des Netz- hautbildes. Das wesentliche an dem elektrischen Augen" spiegel von Dr. Prerzs-München ist eine riogförmige Glüh- lampe, durch deren mittlere Durchbohrung der Beobachter ähnlich wie durch das Loch des perforirten Spiegels den

Augenhintergrund betrachten kann. Diese ringförmige

kalte Lichtquelle kann auch derart vor das anterBeen . Auge gebracht werden, dass das entstehende Netzhautbil es durch ein geeignetes Objeetiv ohne grosse Schwierigkeit = auf einen Schirm aufgefangen und photographirt werden kann. Naturf. Vers. zu Wien 189.

Kleinere Mittheilungen. 295 Aus verschiedenen Gebieten.

Ueber Lawinen, Die eigentliche Dynamik des Schnees ist bisher noch wenig behandelt. Oberingenieur Vıncexz Porzack (Wien) hat neuerdings am Arlberg die ersten Vor- versuche über den Reibungscoeffieienten von Schnee auf Rasen und auf Schnee durchgeführt. Diese ergaben Werthe von 0,62—1,38, welch letzterer Werth einem Winkel von 57° entsprechen würde. Was die Bewegungen des Schnees angeht, so zeigen gewöhnliche und Telephotographien von Lawinenanbrüchen, dass das Abbrechen von Schneeschildern als Lawinenursache, das bisher in keinem einzigen einwandfreien Fall constatirt werden konnte, nicht aufrecht zu halten ist. Wo wirklich das Abbrechen von Schildern, kleine Abrollungen von Schnee u. dgl. eine veranlassende Rolle spielen sollen, müssen die allgemeinen Verhältnisse bereits derartig geworden sein, dass nur mehr die letzte zurückhaltende Faser reisst.

Naturf, Vers. zu Wien 1894.

Meteorologische Höhenstationen. Die Erforschung unserer Atmosphäre zur Beantwortung vieler wichtiger mete- orologischer Fragen von allgemeiner Bedeutung war die Veran- lassung zur Errichtung einer Anzahl meteorologischer Höhenstationenauf Berggipfeln, wie ja auch neuerdings zu der planmässigen Ausführung von Luftfahrten mit dem für die- sen Zweck besonders hergestellten Ballon „Phönix“ unter Lei- tung des Vorsitzenden des „Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschifffahrt“ in Berlin, des Prof. Assmans. Die in der Regel mit grossen Schwierigkeiten und bedeutendem Kostenaufwande verknüpfte Errichtung meteorologiseher Höhenstationen ist in den letzten Jahrzehnten sehr gefördert worden. Wir glauben daher, dass eine Zusammenstellung der gegenwärtig bestehenden meteorologischen Gipfel- Stationen, für welche wir die Angaben der „Zeitschrift für Luftschifffahrt und Physik der Atmosphäre“ entnehmen, unsern Lesern von Interesse sein wird. Deutschland hat 9 Stationen auf folgenden Berggipfeln: Wendelstein, in den bayr. Alpen, 1728 Meter hoch; Schneekoppe, Riesen- gebirge, 1603 Meter; Hirschberg, bayr. Alpen, 1512 Meter;

296 Kleinere Mittheilungen.

Gebweiler Belehen, Wasgenwald, 1394 Meter; Glatzer Sehneeberg 1215 Meter; Fichtelberg, sächs. Erzgebirge, 1213 Meter; Hohenzeissenberg, schwäb. Hochebene, 994 Meter; Inselsberg, Thüringerwald, 914 Meter; Schmücke, Thüringerwald, 912 Meter. Zu diesen wird in nächster Zeit noch der Brocken im Harz, 1141 Meter über dem Meere, hinzutreten. Oesterreich hat 4 Hochstationen: Sonn- bliek, Salzburg, 3105 Meter; Obir 2140 Meter; Schmitten- höhe 1935 Meter; Schafberg 1776 Meter. In der Schweiz bestehen folgende Gipfelstationen: Montblanc 4810 Meter, die höchste Station in Europa und die dritthöchste der Welt; Säntis 2500 Meter; Pilatus Kulm 2070 Meter; Rigi Kulm 1790 Meter; Gäbris 1253 Meter; Chaumant 1128 Meter. Frankreich hat nur 4 Stationen: Pie du Midi 2859 Meter; Mont Ventoux 1900 Meter; Mont Ai- gonal 1567 Meter; Puy de Döme 1467 Meter, Italien hat 2 Stationen: Etna 2990 Meter; Monte Cimone 2168 Meter. In Portugal besteht eine Station auf Serra da Estrella 1141 Meter und in Grossbritannien Ben Nevis 1343 Meter. Die auf dem Pike’s Peak im Felsengebirge, Kolorado, Vereinigte Staaten’von Nordamerika, in Höhe von 4308 Meter im Jahre 1872 errichtete Station ging 1888 wieder ein, ist aber im vorigen Jahre wieder ins Leben gerufen worden. Die Verhältnisse sind dort ausserordentlich günstig, denn die Station liegt noch unterhalb der Schneegrenze, das Gipfelplateau ist im Sommer mit den schönsten Blumen geschmückt und von Insekten und Schmetterlingen belebt. Die höchsten Beobachtungsstationen der Welt besitzt Je doch Peru. Die Station auf dem Chachani, neunzehn Kilo- meter nördlich der Stadt Arequipa, wurde von Professor Pickering, Direktor des Harvard College Observatory zu Cambridge (Massachusetts) aus den Mitteln der Stiftung eines nordamerikanischen Bürgers im vorigen Jahre in einer Meereshöhe von 5075 Metern errichtet. Sie liegt ‚noch unterhalb der Schneegrenze und ist keine eigentliche Gipfel station, da die Spitze des Chachani die Höhe von

Meter erreicht und stets mit Schnee bedeckt ist. Die Sta : tion, auf einem Plateau am Siidostabhange des Berges legen, ist zu Pferde zu erreichen. Ende September d. 4. _

Kleinere Mittheilungen. 297

ist sodann noch eine zweite Hochstation in Peru auf dem Gipfel des Misti vom Prof. BaıLey errichtet worden. Man vergleiche hierzu auch unsere Mittheilungen über Höhen- sternwarten anf Seite 262.

Der Hagelsturm in Wien am 7. Juni 1894. Um die siebente Morgenstunde des 7. Juni wüthete in Wien und der allernächsten Umgebung ein Hagelsturm, der wohl zu den verheerendsten gehört hat, die jemals Mitteleuropa heim- gesucht haben. Nachdem schon am 5. Juni das Thermo- meter 2 Uhr Nachmittags 25,5° gezeigt hatte, ging, trotz starken Regens in der Nacht und am Morgen des 6. das Quecksilber Mittags nieder auf 22,2° und behielt diese Höhe die ganze Nacht und den folgenden Morgen. Um 6 Uhr Morgens war am 7. der ganze südliche und west- liche Horizont mit schweren Wolken von unheimlich fahl- gelber Beleuchtung verhängt und die völlige Windstille liess die Schwüle der Temperatur etwas tiber 20% überaus drückend empfinden. Die Wolken zogen aus süld- westlicher Richtung immer dichter zusammen und etwas nach 1/,7 Uhr war es so finster, dass man in den Zimmern Licht anzünden musste, Genau ®/,7 Uhr kam ganz plötz- lich die gewaltige Wolkenmasse in eine rasend schnelle Bewegung, noch einige ganz kurze Windstösse und mit enormer Heftigkeit fiel unter betäubendem Prasseln und Knattern in dichtesten Massen der Hagel unter starken elektrischen Entladungen nieder. Es war, berichtet ein Augenzeuge, als ob ein ungeheures Reservoir mit einem einzigen Handgriff, ohne Einleitung oder Uebergang, um- gekippt worden wäre und sich mit seinem gesammten In- halt auf einmal entleerte. Im Nu war ganz Wien in eine Winterlandschaft verwandelt, alles war mit aufgehäuften Hagelmassen bedeckt, so weit nur das Auge reichte. Die Dächer erschienen wie mit Schnee bedeckt und als später die Körner gegen die Dachrinnen abrutschten, wie von Schnee besäumt. Die niedrig- und besonders die unter dem Niveau des Strassenpflasters gelegenen Wohnungen waren in wenigen Minuten meterhoch mit Eis und später mit Wasser gefüllt, dass die Bewohner häufig nur mit Mühe der Gefahr des Ertrinkens entkamen. Was dieses Hagel-

298 Kleinere Mittheilungen,

wetter, das in solcher Intensität von der K.K. Centralan- stalt für Meteorologie und Erdmagnetismus in Wien auch annähernd noch nicht beobachtet war, so auszeicbnete, war nicht die Grösse der Schloossen, die die Grösse einer Haselnuss im Allgemeinen nieht überschritt, während man schon solche von 6—7 cm Durchmesser beobachtet hat, sondern die ganz unglaubliche Diehtigkeit der Massen, die dem Auge nicht erlaubte, ein paar Schritte vor sich die Häuser und Bäume zu erkennen und die um so gefährlicher war, als der heftige Sturm die Schlossen mit ungewöhn- licher Kraft schleuderte und so ihre Wirkung vermehrte. Nur so ist ja auch der grosse Schaden zu erklären, der angerichtet worden ist. Auf der Meteorologischen Warte wurde in 15 Minuten 16 mm, in der Stadt, Universitätplatz 26 mm, in der Josephstadt 45mm, in Währing (Türkenschanze) 27 mm gemessen. Die angegebenen ganz ungeheuren Ni er schlagsmengen dürften aber noch viel zu niedrig sein, da die Hagelkörner vielfach aus dem Regenwasser wieder heraus sprangen. Noch Nachmittags um 5 Uhr, also 10 Stunden später, konnte man an manchen Stellen, wo die Körner zusammengeschaufelt waren, zwischen Eiswällen gehen, über welche man kaum mit dem Kopfe hervorragte. In da öffentlichen Anlagen und im botanischen Garten bedeckte das herabgeschlagene Laub der Bäume nebst den abge brochenen Aesten wie ein dicker grüner Teppich den Boden, zahllose Vögel fielen dem mörderischen Unwetter zum Opfer, und, im Prater musste man es auf manchen Wegen AUT geben, vorwärts zu kommen, weil eine grosse Anzahl ge stürzter Bäume die Passage versperrten.

In der Stadt wurden nach einer ungefähren Schätzung mebr als 5/, Millionen Fensterscheiben eingeschlagen, ha sehr vielen Gebäuden an der Wetterseite sämmtliche, Ausnahme der Spiegelscheiben; schlimm erging e$ 2. > E: K.K. Hofburg, den meisten erzherzoglichen Palais, des BE lienischen Botschaft, dem neuen Rathhaus, den er ministerium (2000 Scheiben), der Polizeidirektion, Ei Theresianum, dem Hauptzollamt (4700 Scheiben), dem be : amts- und dem Landgerichtsgebäude, wo natürlich ü pr er die Arbeit eine Zeit lang sistirt werden musste. Aut 7

dem Kriegs

Kleinere Mittheilungen. 299

Nordbahnhof ergoss sich durch die zertrümmerte Glasbe- dachung der Halle die Fluth auf den Perron und die mit dem Schnellzug ankommenden Passagiere mussten, bis an die Knöchel im Wasser watend, dem Ausgang zueilen. Auch die meisten Schulen mussten einen unfreiwilligen Ferientag einschalten. Besonders stark wurde neben der Landesirren- anstalt das Allgemeine Krankenhaus getroffen, wo mehr als 10000 Fensterscheiben zertrümmert wurden. Die Pa- tienten wurden durch das Wüthen des Orkans und durch das Prasseln und Knattern der in sämmtliche Zimmer der Wetterseite eindringenden Hagelmassen und Fenstersplitter in panischen Schrecken versetzt. Im Nu waren die Kranken- säle überschwemmt und in den meisten derselben lag der Hagel fusshoch auf dem Boden, auch die meisten Pro- fessoren der Kliniken mussten von Abhaltung ihrer Vor- lesungen Abstand nehmen. In der Stadt an den Halte- stellen der Fiaker, namentlich aber auf dem Sinneringer Exerzirplatze gingen zahlreiche scheu gewordene Pferde urch und verursachten nicht nur vielfachen materiellen Schaden, sondern gaben auch Veranlassung zu vielfachen leichteren und schwereren Verletzungen, ja sogar in drei Fällen zu tödtlichen Unglücksfällen.

Fragt man nach der Ursache dieses ganz ausserge- wöhnlichen Naturereignisses, so muss zunächst eonstatirt werden, dass die meteorologischen Verhältnisse die Wahr- scheinlichkeit eines starken Hagels mit ziemlicher Sicher- heit voraussagen liessen.

Der Telegraph hatte vom Kanal und von Nordwest- deutschland Sturm angemeldet; in Mitteleuropa, speciell über Wien lagerte eine schmale Form niederen Luftdrucks und abnorm hohe Temperatur, bis über normal, dabei zeigte das Psychrometer einen hohen Grad von Feuchtigkeit, 80 dass die sich stark ausdehnende Luft in diesem Bezirk in zahllosen Säulchen in die Höhe ging und dort die mit starkem Gefälle gegen E vorrückenden kälteren Luftmassen aus NW

f. Hierdurch entstanden ganz plötzlich ganz ausserge- wöhnlich heftige Luftströmungen, welche den Hagelschlag unmittelbar zur Folge hatten. Denn die unter normalen Verhältnissen in einer Höhe von etwa 2600—3000 m tiber

300 Kleinere Mittheilungen.

Wien schwebenden unendlichen feinen Eisnadeln, die latente Ursache des Hagels, wurden mit grosser Geschwindigkeit zur Tiefe gerissen, an einander geschlagen und zusammen ge- schweisst. In den unteren momentan sehr stark durehwärmten Luftschichten, den gekröseförmig gewulsteten Haufenwolken, fror mit grosser Geschwindigkeit Wasserdampf an die Eis- nadeln an, die, stark beschwert, nunmehr schleunigst der Anziehung der festen Erde folgten. Es ist klar, dass je kälter die Eiskryställchen ursprünglich gewesen und je diehter die durchfallenen Wasserwolken gebildet sind, destoschneller die eigentlichen Hagelkt bilden können, dieinso kurzer Zeit eine so gewaltige Niederschlagssumme verursachten. Dass gerade Wien von dem Unwetter so heimgesueht wurde, während doch z. B. in dem unmittelbar östlich daranstossenden Marchfeld nicht eine Schlosse fiel, scheint meiner Ansicht nach auf zwei Ursachen zurückgeführt werden zu können. Einmal bildete sich hier vermöge der die Umgebung weit überragenden Erhitzung der Luft dureh das Strassenpflaster und die Häuserwände ein natürliches Centrum des nur langsam fortschreitenden localen Gewitter- wirbels, und dann war gerade in der Josephstadt, dem Mittelpunkt eines grossen Theils der Wiener Industrie, wo der Niederschlag 45 mm erreichte, die Atmosphöre überreich mit Wasserdampf und Kohlenstaub verunreinigf. Wenn nun schon allgemein zugegeben ist, dass die mit Hagel verbundenen elektrischen Erscheinungen, mit deren Stärke die Stärke des Hagels parallel zu gehen pflegt, mit der Reibung des Wasserdampfes mit den Eisnadeln aufs engste zusammenhängen, so kann man wohl annehmen, dass die elektrischen Entleerungen noch erheblich ea werden, wenn die mit Wasserdampf übersättigte Luft gi durch Russ und Rauch und durch feste Kohlentheileben verunreinigt ist. Beobachtungen der meteorologischen 2. tralstation in Chemnitz, mit denen meine eigenen IN = haldensleben angestellten übereinstimmen, scheinen den 58 zu bestätigen, dass die Industrie uns nicht nur das “zZ verdirbt, was schon lange bekannt ist, sondern auch ni Hagelstürme verheerender macht. Per = : Vereinssitzung am 28. Juni 1894. Oberlehrer Dr. Halbe

Litteratur-Besprechungen.

ee

Bernhard Wiesengrund, Die Elektrieität, ihre Er- zeugung, praktische Verwendung und Messung für Jeder- mann verständlich, kurz dargestellt. Mit 41 Abbildungen. Frankfurt a. M,, Verlag von Bechhold (ohne Jahr). 53 8. 80, Preis 1 M.

In einer Zeit, in der man überall elektrische Telegra- phen, elektrische Lampen, elektrische Bahnen etc. antrifft, ist es naturgemäss, dass viele Leute das Bedürfniss fühlen, sich einige Kenntnisse über die Lehre von der Elektrieität zu verschaffen. Dem entsprechend sind in den letzten Ö Jahren eine ganze Anzahl populärer Schriften erschienen, die das Wichtigste über diese Naturkraft in allgemein verständlicher Form enthalten. Selbstverständlich sind sie nicht alle von gleichem Werthe; das vorliegende Büchlein kann man wohl zu den bessern seiner Art rechnen. Aller- dings ist es ansich klar, dass man die heutige Elektrotechnik, die ja unser ganzes Kulturleben in neue Bahnen zu lenken im Begriff steht, nicht auf 53 Oktavseiten erschöpfend und fir Jedermann verständlich behandeln kann. Man wird sich also nicht wundern, wenn man auf mancherlei Lücken und Unklarheiten stösst. Zwar, dass in der Einleitung die »Reibungselektrieität“ mit 6 Zeilen abgemacht wird, dass von er alten Elektrisirmaschine, der Leydener Flasche, dem lektrophor, der Influenzmaschine und den übrigen Ap- Paraten der physikalischen Kabinette gar keine Rede ist, das wollen wir nieht tadeln, aber auch die Grundlagen der von Galyani und Volta entdeckten „Berührungselektriei- ft“, der Begriff der elektrischen Kraft, des elektrischen Stromes, der Spannung ete. sind etwas zu knapp gehalten,

302 Litteratur-Besprechungen,

so das jemand, der nicht bereits einige Kenntnisse vom Galvanismus besitzt, wohl schwerlich volle Klarheit’ gewinnen wird. Ebenso wird auch den meisten Lesern in den Kapiteln über „elektrisches Maass und Maasseinheiten“ und über die „Messinstrumente“ manches unklar bleiben trotz der kühnen Behauptung des dem Buche beigegebenen Prospektes: „Das Messen der Elektrieität ist nach dem Durchlesen des betr. Kapitels so verständlich, wie wenn es sich um das Messen von Wasser handelt.“ Auch die Verwendung der Elektrieität in der Medicin wird sehr kurz (10 Zeilen) ab- gehandelt und der Abschnitt über Telegraphie und Tele- phonie ist gleichfalls zu kurz weggekommen, namentlich zeigt die Beschreibung des Mikrophons eine bedenkliche Lücke. Dagegen sind die Abschnitte über die Starkstrom- technik (Dynamomaschinen, Elektromotoren, elektrische Kraftübertragung, elektrische Beleuchtung und elektrische Bahnen), offenbar mit Vorliebe behandelt, dabei ist die Darstellung knapp und klar, die Figuren, besonders die schematischen, sind charakteristisch und sauber gezeichnet. Überhaupt ist das Schriftchen gut ausgestattet und kant bei dem billigen Preise von 1 M. sehr wohl allen denen empfohlen werden, welchen es an einem allgemeinen be- lehrenden Überblick über das gewaltige Gebiet zu thun ist, ohne dass sie sich in Einzelheiten vertiefen wollen.

Für eine zweite Auflage sei dem Verfasser zunächst die Verbesserung des Druckfehlers auf $. 7 (der Wider- stand ist gleich der Spannung, dividiert durch die Strom- stärke, nicht umgekehrt) empfohlen; sodann besonders die Vervollständigung der Theorie des Mikrophons und det Figur 43 durch Einfügung der Induktionsspule.

Erfurt, im Juli 1894. G. Schubring.

a

@&. ©. Zimmer. Deber das Wesen der Naturgeselzt: 2 Giessen, J. Rickersche Buchhandlung. 1893. 101 3. 8. Aus einer Hypothese über die Konstitution der uez Moleküle und der Körper-Atome leitet der Verfasser an ; Erscheinungen auf den verschiedenen Gebieten von Wär Elektrieität, Licht und Magnetismus ab. Auch wenn Mat

Litteratur-Besprechungen. 303

dieser Hypothese nicht zustimmt, so muss man doch zu- geben, dass es dem Verfasser gelungen ist, die verschieden- artigen Erscheinungen in interessanter Weise zusammen zufassen und auf gemeinsame Grundgesetze zurückzu- führen. Nach Ansicht des Verfassers wird in einfachen Körpern jedes Körper-Atom von einer aus Aether-Molekülen be- stehenden Aether-Kugel eingeschlossen. Dieser Aether ist die Ursache der Wärme; mit zunehmender Wärme erfahren die Aether-Moleküle jeder Aether-Kugel eine Verdichtung; dadurch wächst die abstossende Kraft der Aether-Kugeln. Wie der Verfasser hieraus die Wärme-Erscheinungen ab- leitet, das möge man in der Schrift selbst nachlesen. Die Er- scheinungen der Elektrieität erklärt er durch die Annahme, dass jedes Aether-Molekül, sobald es aus dem Verbande der Aether-Kugel heraustritt, die Fähigkeit hat, sich in die Aether-Atome der + E und E zu spalten. Die hierauf gegründete Anschauung über die Elektrieität ist also wesent- lich dualistisch, beim Galvanismus wird stets von zwei entgegengesetzen Strömen, einem positiven und einem negativen, gesprochen. Dabei finden auch Induktion, Thermo- Elektrieität etc. ihre Erklärung, von besonderem Interesse ist die Darstellung der chemischen Wirkungen des Stromes. Der dritte Abschnitt handelt vom Lichte, er beginnt mit den Worten: „Wie die Wärme, so besteht auch das Licht aus Aether-Molekülen,“ aber „während die Wärme-Aether-Mole- küle an Körperatome gebunden sind, besteht das Licht- Aether-Molekül nur in freiem Zustande.“ Diesen Licht- Aether-Molekülen wird aber keine oscillirende, sondern eine fortschreitende Bewegung zugeschrieben. Die Lieht-Aether- tome unterscheiden sich untereinander dureh ihre Grösse; die violetten Lichtstrahlen bestehen aus den grössten Licht- äther-Atomen, sie erleiden auch die grösste Brechung, die blauen, grünen und gelben sind kleiner, die roten die kleinsten abgesehen von den unsichtbaren Strahlen. Die Lichtäther-Moleküle können ihre Grösse verändern (Fluorescenz), sie können auch in die Aether-Kugel eines Körperatoms eintreten etc. Auch Absorption, Beugung und Polarisation des Lichtes werden erklärt. Der vierte

304 Litteratur-Besprechungen,

und letzte Abschnitt des Buches behandelt den Magnetismus, selbstverständlich im Zusammenhang mit der Elektrieität. Wir empfehlen die Schrift allen Physikern, die ein Interesse daran haben, eigentümliche und von den allgemein aner- kannten Theorien abweichende Ansichten kennen zu lernen. Erfurt, im Juli 1394. Schubring.

A. F. Barth, Beiträge zur Theorie des Weltgeschehens. Grossenhain und Leipzig. Verlag von Baumert und Ronge. 1893. 58 8. 8°.

Der Verfasser ist ein Gegner der mechanischen Wärme- theorie, von der er sich jedoch eine ganz falsche Vorstellung gemacht hat er kämpft z. T. gegen Windmühlen! Seiner Meinung nach ($. $. 40) wird die Wärme weder in der Dampfmaschine, noch in der Gas- oder Heissluftmaschine, uoeh etwa beim Ausbruche eines Vulkans in mechanische Kraft umgesetzt, eine besondere, speeifische „mechanische Kraft“ giebt es überhaupt nicht. Ebensowenig wird in den genannten Maschinen nur Wärme verbraucht. Die Wärme bildet vielmehr, wie der Verfasser erörtert, nur die Ursache, „dass Dämpfe oder Gase erzeugt, beziehentlich die Luft oder die Gase gespannt werden; sie bleibt aber im ubrigen Wärme, bleibt was sie ist, selbst dann noch, wenn Si® für den besondern Zweek (wie teilweise bei der Dampf- maschine) durch Ausstrahlung oder Ableitung verloren geht.“ Was die Wärme nach Ansicht des Verfassers ne ist nicht deutlich gesagt, mitunter ($. S. 45) erscheint 6% als ob er sie für einen Stoff ansähe, wenigstens erklärt = es für ein unmögliches „Eskamoteurstück*, die ausserhalb des pneumatischen Feuerzeuges thätige Kraft in he zu verwandeln, die sich dann in der Luft innerhalb Kir Cylinders vorfindet. Im nächsten Abschnitt ($. 52) 2 | es: Das Vermögen der Weltkörper, Wärme auszustra ur nimmt allmählich ab mit ihrer fortschreitenden VerkfagZ und kehrt sich schliesslich in ihr Gegentheil um, er bei den Vorgängen, die mit der Loekerung, mit der we auflösung der Weltkörper zusammenhängen, wa bunden wird: an und für sich ist die Wärme so WT

PURE \

Litteratur-Besprechungen. 305

gänglich, wie die Materie oder ein Theil der Materie selbst, Nach den letzten Worten sollte man doch glauben, der Verfasser hielte die Wärme für einen Stoff; S. 53 aber erklärt er sie für eine Kraft. Unverständlich ist es, was er unter dem „untersten Gefrierpunkt“ versteht; vielleicht den absoluten Nullpunkt? Auch über die Begriffe „mechanische Kraft“ und „mechanische Arbeit“ scheint der Verfasser nicht ganz im Klaren zu sein. Noch auf- fälliger aber ist die Behauptung (S. 41), dass die Erzeugung höher gespannter Dämpfe keine höhere Wärmemenge und keinen grössern Kohlenverbrauch erfordere; der Verfasser wird für diese Behauptung ebensowenig Glauben finden, wie für den Satz (8. 44), dass eine Kalorie, verwendet auf die Erzeugung gespannter Dämpfe, einer verschieden grossen Arbeitsmenge äquivalent sei. 8. 33 hält er es für nöthig, Seinen Lesern den Unterschied zwischen Wärme und Temperatur auseinander zu setzen, damit sie sich „in dem Labyrinth der Wärmetheorie zurecht finden;* wie man aus obigen Proben sieht, hat er aber selbst den Ariadne- faden noch nieht gefunden. Vielleicht gelingt ihm dies aber noch auf Grund eingehender Studien in guten wissenschaft- lichen nieht blos populären Schriften. Erfurt, im Juli 1894. G. Sehubring.

W. Sorge, Dr. med. Religion und Naturwissen schaf: ten keine Geegensütze. Wider den Monismus für akademisch Gebildete. Berlin 1893. Wiegandt und Schotte. Der Verfasser will in diesem Büchlein vom rein natur-

Wissenschaftlichen Standpunkte aus beweisen, dass die ehren Darwins, Häckels und Büchners falsch sind. Aber

das Ziel, das der Verfasser sich gesteckt hat, hat er meines

Erachtens nach sicher nicht erreicht. Dass in den Lehren eser Männer, den Vorkämpfern einer neuen Weltauf-

fassung, viele Lücken sind, die erst in später Zeit, wenn

überhaupt sich ausfiillen lassen, ist klar und das wird auch kein verständiger Forscher leugnen, aber sich durch des erfassers angeführte Beispiele veranlasst zu sehen, die

Sanze Theorie umzustossen, wird ebenfalls wohl niemand

Zeitschrift f, Naturwiss,, Bd, 67, 15%. MW

02 2 nr

306 Litteratur-Besprechungen.

einfallen. Wir freuen uns über den guten Stil, in dem das Buch geschrieben ist, und müssen den Fleiss bewundern, mit dem der Verfasser das Material und die Beweise, die meistens garnicht gesucht erscheinen, zusammengetragen hat; leider hat er sich aber gerade in den Hauptpunkten arg vefrannt,

Wir wollen im Folgenden einige seiner Einwürfe und Behauptungen kurz näher betrachten.

Eine von den Behauptungen, die der Verfasser in diesem Werkchen aufstellt, ist die, dass der Geist ein einheitliches, körperliches Wesen von eigenartiger Substanz sei. Warum nimmt der Verfasser den Geist nicht vielmehr als Kraft, als eine neue Form der Energie an, vielleicht ähnlich der Elektrieität! Seine und G. Jarsers Behaup- tung, der Geist wäre plastisch und könne Eindrücke dauernd in sich aufnehmen, die Elektrieität nicht, liesse sich dann vielleicht so erklären, dass die Molekel der Gehirnsubstanz durch die Eindrücke so verändert würden, dass sie später als Widerständein der Leitung eine Wirkung auf den Strom selbst hervorriefen. Auch die Erscheinung, dass bei aufmerksamem Hinhorchen auf ein leises Geräusch 2. B. oder bei genauem Beobachten eines mikroskopischen Präparates etc. unsere Aufmerksamkeit vollständig von dem Gegenstande unserer Beachtung in Anspruch genom- men wird, und wir von der sonstigen Aussenwelt mehr oder weniger vollständig entrückt sind, ferner die That- sache, dass bei Hysterischen nicht selten plötzlich Unempfind- lichkeit auf einer Körperseite oder Lähmung einzelner Glieder eintritt, kann er sich nicht anders erklären, als dass er annimmt, der Geist, als Körper gedacht, wandert

von einem Gehirntheile in den andern und durch Verlassen |

eines bestimmten Theiles tritt in dem entsprechenden

Organe Unempfindlichkeit ein. Wieviel leichter lässt sich

dies durch die elektrische Theorie erklären: wir brauchen nur Ausschaltung bestimmter Nebenleitungen oder,

MM

zweiten Falle, eine plötzlich veränderte Leitungsfähigket

anzunehmen. Wohl gemerkt, ich behaupte nicht, dass def

Geist nun wirklich eine elektrische Erscheinung ist, glaube _

nur, dass derselbe sich dadurch leichter erklären lässt, @

Litteratur-Besprechungen. 307

durch die Annahme einer körperlichen Wesenheit; vor allem möchte ich betonen, dass der Geist nach meiner Meinung eine Kraft und kein Stoff ist. Auch die $S. 15 und 16 an- geführten Beispiele verwickelter geistiger Thätigkeit, die übrigens noch zu den einfachen gehören, auch nicht in genügender und richtiger Weise dargelegt sind, zeigen nur, zu wie komplizierten und unglaublichen Erklärungs- versuchen die Theorie des wandernden Geistes gelangt: wie muss da der arme Geist ohne Rast, ohne Ruh umher- fliegen, um an den verschiedensten Gehirntheilen die Ein- drücke von aussen in sich aufzunehmen. Wir kommen mit der Erklärung durch doppelte Schaltung oder direkte Weiterleitung viel einfacher, ungezwungener und vollkom- mener zum Ziele. Was nun den Stoff anlangt, aus dem der Geist bestehen soll, so kann der Verfasser ihn sich mit G. JAEGER weder gasförmig, noch flüssig, noch fest denken keines von diesen lässt sich mit den Eigen- schaften des Geistes vereinen, er nimmt also eine eigen- artige Substanz an, „welche sich mit keiner uns bekannten Materie verwechseln oder gleichstellen lässt;* also ein vierter Aggregatzustand.(!) Wie leicht lässt sich diese Schwierigkeit umgehen, man betrachte den Geist nicht als Stoff, sondern als Kraft!

Auf Seite 19 erscheint das treue Festhalten an der elektrischen Fluidumtbeorie geradezu rührend; ebenda ist nach ihm das elektrische und magnetische Fluidum nicht identisch (?) [geschrieben 1893!]. Auch Bibelstellen zieht er zum Beweise für die Körperlichkeit des Geistes heran: ‚Und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.“ Was hat der Geist Gottes mit dem des Menschen zu thun!

: In dem zweiten Abschnitte: „Giebt es einen Schöpfer in der Welt?“ erläutert er die Kant’sche Theorie von der Weltentstehung. Doch gleich beim Beginn kann er sich nicht erklären, wie am Anfange (es giebt ja eben keinen Anfang!) Die Drehung der Weltsonne anders entstanden 8eials durch die Hand eines Sehöpfers. Wenn die Materie wig, ist die ihr innewohnende Kraft nicht auch ewig? a ' der Verfasser auf die Urzeugung zurückgreift, ist

. selbstverständlich; und doch steht dieser Einwurf auf sehr 20*

308 Litteratur-Besprechungen.

schwachen Füssen: die Pasteurschen Versuche beweisen garnichts; denn ausser den unnatürlichen Verhältnissen hat man noch in Betracht zu ziehen, dass die ersten gebildeten Organismen vermutlich zu klein sind, um gesehen zu werden; und wenn wirklich die Urzeugung, was wir gem zugeben, heute nieht mehr an einer Vermehrung der Indi- viduen und Arten thätig ist, da der Raum für die günstiger situirte lebende Materie kaum ausreicht, mit welehem Rechte kann man daraus folgern, dass sie nie existiert hat? Und weil wir bisher Eiweissstoffe nicht auf unorganischem Wege haben herstellen können, „können sie nur aus der Hand des Schöpfers hervorgegangen sein“? Bewundernswürdige Logik!

Wie nach dem Verfasser das erste organische Leben nur durch die Hand des Schöpfers entstanden sein kann, so ist auch die Weiterentwiekelung bis zum Menschen her- auf dureh sprungweise auftretende, heterogene Zeugung (vergl. Korzuigers Theorie) oder durch neue Schöpfungen auß Eiweisskörpern von ihm geleitet worden; er führt hier das verdienstvolle, aber durchaus nicht beweisende Werk Hamann’s an, und stützt sich auf die mindestens sonderbar klingende Erklärung Korrumers: „dass die DarwinschE Theorie noch in keinem Falle grössere Umgestaltungen wahrscheinlich zu machen gewusst hat(!?)“ Doch näher auf diese Gründe und Thatsachen einzugehen, würde zu weit führen; sie sind z. T. falsch aufgefasst, theils geradezu unrichtig, so z. B. kommen und kamen nach ihm Beutel- thiere nur in Neuholland vor(?). Einmal sagt er: „mal kann sich des Lächelns tiber solche Hypothese (gemeint ist die Annahme, dass die Schwerkraft die Folge des Aetherdruckes sei) kaum enthalten!“ Ja, manche können manches eben nie begreifen! Aehnlich unannehmbar ist ihm die grossartige Hypothese von Hermrıcı HERTZ, dass nn Licht und Elektrizität im Grunde genommen Erscheinunge? derselben Energieform sind; er glaubt als entkräftenden Gegenbeweis nur anführen zu brauchen, das man d einer Lichtwelle auf 0,0005 mm berechnet, die einer trizitätswelle aber auf 60 cm! So! der Herr Verfasser sich die Sache doch einmal näher an!

sehe

ie Länge Euer

Litteratur-Besprechungen. 309

Den Haupttrumpf scheint der Verfasser am Ende seines Werkchens ausspielen zu wollen: zieht er da zum Beweise des Fortlebens nach dem Tode die Verwandlung der Insekten, Amphibien u. s. w. heran!. Diesen wider- sinnigen, scheinbar unausrottbaren Beweis für ein Fortleben nach dem Tode bekommt man immer und immer wieder zu hören. Ist es glaublich, dass ein Mensch, der nur die geringste Spur von Vernunft hat, gewisse Larvenzustände, bei denen unter mehr oder weniger vollständiger Aufgabe der Aussenbewegung (durch Chitinpanzerbildung) unter dieser Haut die Imagoorgane gebildet werden, mit dem Tode, der Auflösung des Leibes, vergleichen will?

Kurz, das Buch hat viele, viele schwache Seiten, von denen ich einige hier angeführt habe; und doch kann das Werkchen, des vielen Guten halber, das es bietet, Allen empfohlen werden, die die Wahrheit suchen.

A. Kalberlah.

Voigt, Dr. Alwin. Exkursionsbuch zum Studium der Vogelstimmen. Berlin 1894, Rob. Oppenheim (Gustav Schmidt),

Endlich einmal ein Buch, das einem herrschenden Bedürfnisse abhelfen will und, wie es scheint, auch kann. Ein Werk, das die Vogelstimmen einheitlich zusammen- fasste, war noch nicht vorhanden, und wir begrüssen es mit um so grösserer Freude, da die in Breuu’s oder Naumann’s oder anderer Forscher Naturgeschichte zerstreu- ten Angaben praktisch nieht zu benutzen waren. Wir müssen den Fleiss bewundern, mit dem der Verfasser das oft schwierig zu beschaffende Material herbeischaffte, und es sich viel Geld und Zeit hat kosten lassen, um ein mög- lichst vollständiges und abgeschlossenes Werk vorzulegen.

'enn man nun auch nicht immer mit dem Verfasser über-

°instimmt und an einigen Stellen vielleicht die Laute

anders wiedergegeben hätte, so muss man im übrigen zu-

' $estehen, dass man sich nach seinen Zeichen und Worten

_ ein ziemlich genaues Bild von den betreffenden Stimmen

_ nd Lauten machen kann, während sonst ja das Fixiren

Yon thierischen Lauten eine sehr heikle Sache ist.

310 Litteratur-Besprechungen.

Das Buch ist sehr praktisch eingerichtet: Nach einer „Uebersicht der verbreitesten einheimischen Vögel, geordnet nach der Zeit ihrer Ankunft, der Jahresvögel nach der Zeit, da sie sich am meisten hören lassen“, spricht der Verfasser von der schriftlichen Darstellung von Vogelstim- men. Er hat bei Lauten, bei denen das Fixiren in Noten zu schwierig, ev. unausführbar oder unübersichtlich war, ‘ganz neue Zeichen eingeführt: so bedeuten Punkte kurz angeschlagene, Striche langgezogene Töne; folgen diese so rasch aufeinander wie die Töne einer Trillerpfeife, so stellt er Punkt an Punkt u. s. w. Mir kommt diese Neuerung sehr praktisch vor. Von der Beurtheilung des rein Musikalischen bei dieser Methode muss ich absehen; vergl. dazu den Aufsatz in Reıcnenow’s Journal für Ornith. 42. Jahrg. von Devrrius: Bemerkungen zu dem Aufsatz des Herrn Dr. Arw. Voisr: „die schriftliche Fixirung der Vogelstimmen“. Der systematische Theil ($. 14—173), der nun folgt, führt alle bei uns lebenden Vögel (mit Ausnahme der seltener vorkommenden) in systematischer Ordnung mit ihrem Gesang (resp. Paarungsruf) und charakteristischen Lauten, die sie bei bestimmten, oft wiederkehrenden An- lässen immer in derselben Weise hören lassen (Lock- und Warnrufe). Sehr praktisch sind die kurzen Bemerkungen

über Lebensweise, Aufenthalt u. s. w. bei den einzelnen

Spezies. ;

Dann folgen Rathschläge für Anfänger.

Der Anhang, der den Anfänger besonders in das Studium der Vogelstimmen einführen soll,

in die verschiedensten Gebiete:

1) Ende März durch Gärten und Anlagen nach am

Laubwalde; 2) Mitte Mai ebenda; 3) Ausflug in den Nadelwald; 4) Ausflug in Felder, Wiesen, Brachen, Dörfer; 5) Ausflug nach Teichen, Sümpfen, Flüssen.

Uebersichtliche Bestimmungstabellen, die allerd®

erst nach einiger Uebung von Nutzen sind,

ist ein Führer

auf ornithologischen Ausflügen, und zwar geleitet er er :

ET REN

|

Litteratur-Besprechungen. 311

das Büchlein, das wir hiermit noch einmal einem Jeden empfehlen möchten, der Zeit und Lust hat, einige Stunden dem Studium der Vogelstimmen zu widmen. A. Kalberlah. Instruktionen für die Beobachter der meteorologischen Stationen der Schweis. Zweite Auflage. Herausgejeben von der Direktion der Schweiger meteorologischen Centralanstalt. Zürich 1893.

Die meteorologische Centralanstalt der Schweiz hat von der kundigen Hand ihres verdienten Direktors R. Bırr- WILLER eine neue Ausgabe ihrer Instruktionen für die Be- obachter an Stationen II. und III. Ordnung verfassen lassen; welche im Wesentlichen denselben Inbalt besitzen wie die Instruktionen des Kgl. preus. meteor. Instituts. Es werden zunächst allgemeine Vorschriften für die Aufstellung der Instrumente, die Beobachtungstermine, die Stellvertretung des Beobachters, die Eintragung der Beobachtungen in das Tagebuch und die Monatstabellen und für den Verkehr mit der Centralanstalt gegeben, wobei hervorgehoben werden mag, dass auch in der Schweiz die mitteleuropäische Zeit für die Beobachtungszeit an den Stationen nieht maass- gebend ist. Es folgt sodann eine kurze aber das nothwen- digste erschöpfende Auseinandersetzung tiber die Behandlung und Ablesung der Beobachtungsinstrumente: das Thermo- meter, das Psychrometer, das Haarhygrometer, das Baro- meter, als welches jetzt nach und nach das von R. Fuss in Berlin verfertigte Normalinstrument der preuss. Stationen auch in der Schweiz eingeführt werden soll, die Windfahne und der Regenmesser, gleichfalls nach dem auf den meisten deutschen Stationen eingeführten System von HELLMAnN. Unter die Beobachtungen ohne Instrumente sind aufzu- nehmen: die Bewölkung einschliesslich der hauptsächlichsten Wolkenformen, der Nebel, der Beginn, Dauer und Aufhören der Niederschläge (Regen, Hagel, Graupeln, Tau, Reif, Rauchfrost, Glatteis und Sehnee), der Föhn, Gewitter, Erd-

eben, Nebensonnen und Monde u. s. w., endlich phänolo- gische Beobachtungen, die sich auf die erste Blüthe von Corylus Avellana, Cytisus Laburnum, Syringa vulgaris, die

312 Litteratur-Besprechungen.

Blüthe und Fruchtreife von Prunus avium, Pyrus vulgaris, Pyrus malus, die Blüthe und Erndte von Secale cereale hiber- num und Triticum spelta, endlich auf die Blüthe-Weinlese von Vitis vinifera zu beziehen haben. Dann schliesst sich ein Abschuitt über die Reduktion des Barometerstandes auf 0! und die Berechnung der rel. Feuchtigkeit, welch beides durch beigefügte Tafeln sehr erleichtert ist. Als Anhang sind noch einige Bemerkungen über Maximum- und Mini- mumthermometer, und über den Sonnenschein-Autographen zu betrachten, welche beide Instrumente aber nur au einigen Stationen II. Ordnung funktioniren. Die kurze und knappe und dabei doch nichts wesentliches übergehende Behandlung der Elemente der prakt. Meteorologie lassen die Instruktionen auch für den Privatliebhaber dieser Wissen- schaft als ein ganz geeinetes kleines Compendium erscheinen. Neuhaldensleben. Dr. Halbfass.

Dr. Hobert Behla. Die Abstammungslehre und die Errichtung eines Instituts für Transformismus. Kiel und Leipzig. Lipsius und Tischer 1894.

Ein wundersames Buch. Verfasser erkennt zwar die

Lebewelt als entwickelt an, aber nicht durch Häufung kleiner, für das Leben der Art zweckentsprechender Ab- änderungen unter der Kontrole des Kampfes ums Daseib, sondern durch das Mittel der Kreuzung. Durch künstliche feminale Injektion in den Uterus eines Thieres, das 208 selbst sich niemals von einem Männchen anderer Speeles begatten lässt, will Verfasser neue Arten züebten.

fordert zu dem Zweck besondere Institute des Transformis- mus in den jeweiligen Heimatländern der zu untersuchen- - den Thiere. Er hofft nicht nur auf dem Wege der Synthese ähnlich demCl il geg b Wesen neue herzustellen, sondern er erwartet auch von seiner. Methode die sogenant"

ten Collectivtypen Darwıns zu analysiren; denn er hält letz

tere eben nicht für Stammformen der heutigen Organismeb,

sondern sie sind für ihn durch Kreuzung differenter Wesen en entstanden unter dem Einfluss besonderer, heute MOTT

nachzurechnender Umstände, wobei „sexuelle Affi Keimzellen vereinigte und aus differenten Kompon@”

nität? de

Litteratur-Besprechungen. 313

eine Resultante sich ergab, deren Eigenthümlichkeiten so wenig vorherzusagen waren, wie diejenigen des CO, aus den Eigenschaften von C und 0. An origineller Dar- stellung und reicher Phantasie fehlt es dem Verfasser nicht. Aber er berücksichtigt weder die mechanische Unmöglich- keit der Vereinigung vieler Keimzellen noch die vielen Thatsachen einer reichen Litteratur über die Sterilität der Bastarde. Wo aber durch Generationen hin fruchtbar bleibende Bastarde erzielt wurden, geschah es stets nur dann, wenn die vereinigten Arten lange domestieirt waren- Auch Herr Bzura hat Darwın nicht bezwungen und wird ihn mit seiner Theorie nicht bezwingen, wie amüsant sie sich auch liest. Halle a. S. Dr. €. Smalian.

E. Hofmann. Die Schmetterlinge Europas, Lieferung 11—18. Verlag der C. Hoffmann’schen Verlagshandlung (A. Bleit). Stuttgart 1894. Lieferung 1 M.

In Band 65 dieser Zeitschrift $. 207 ist schon ein- mal auf die Vorzüge dieses Buches hingewiesen worden. Zusammen mit dem Raupenwerke desselben Verfassers bildet es jedenfalls die am besten durchgeführte Grundlage für die Bestimmung unserer Macrolepidopteren. Es ist fast unerlässlich oder wenigstens in viel höherem Maasse zweck- dienlich, beide Werke zusammen zu besitzen, da bei den Sehmetterlingen zugleich auf die Abbildungen der Raupen verwiesen wird. Wer aber so eingehend die Imagines sammelt, dass er ein ausführliches Bilderwerk braucht, ist doch fasst durchgehends auch Züchter, und das ist um so nöthiger, als ja die Raupen bei ihren manchfachen Um- wandlungen nach Form und Farbe oft erst auf bestimmten Stadien nach den Abbildungen erkannt werden können. Der Text ist bis zu der Mitte der Noctuiden etwa fortge- führt und dass die Tafeln bis zum Schluss nichts an ihrer Vortrefflichkeit einbüssen werden, dafür,bürgt der Umstand, dass eben, ausser der Reihe, die Abbildungen der zartesten Geometriden gebracht werden. Die noch fehlenden Liefer- ungen sollen alle bis zur fünfundzwanzigsten, in diesem

314 Litteratur-Besprechungen,

Jahre erscheinen. Einen Mangel mag ich nicht ver- schweigen, der allerdings wohl alle jetzt gebräuchlichen Bestimmungswerke in gleicher Weise angeht, die zum Theil gar zu wenig grammatikalische Nomenclatur, Es ist doch etwas hart, wenn man in einem Buche, das sich durch die guten etymologischen Ableitungen auszeichnet, u. a. lesen muss: Notodonta bicoloria, var. unicolora. In dieser Hinsicht lassen glücklicherweise auch die neuen nomen- clatorischen Regeln genügende Freiheit, welche hoffentlich gute Früchte tragen wird. Simroth (Leipzig).

Bechhold’s Handlexicon der Naturwissenschaften und Medicin, bearbeitet von A. Velde, Dr. W. Schauf, Dr. G. Pulvermacher, Dr. L. Mehler, Dr. V. Löwenthal, Dr. C. Eckstein, Dr. J. Bechhold und G. Arends. Frank- Furt a. M. Verlag von H. Bechhold 1894.

Ein für jeden Naturwissenschaftler und für alle, die sich für Naturwissenschaften interessiren, unentbehrliches Nachschlagebuch, das über alles in kurzgefasster klarer Form Aufschluss giebt. Gleich hinter dem gesuchten Wort findet man eine Abkürzung, die uns lehrt, welchem Gebiete der betreffende Gegenstand angehört. Dann folgt die Er- klärung, in der meist einige Worte cursiv gedruckt sind, wodurch angedeutet wird, dass man über sie in selb- ständigen Artikeln nachlesen kann. Zum Schluss bekommt man auch nöthigenfalls noch Aufklärung über die Ethymo- logie des Wortes. Einer besonderen Empfehlung bedarf es bei diesem Werke kaum: Jeder hat das Bedürfnis, ein solches Handbuch als sofortigen zuverlässigen Berather neben sich zu haben, sicherlich schon empfunden, und es wird daher genügen, die Aufmerksamkeit der Interessenten auf das erschienene Werk zu lenken. Dr. Brandes.

Neu erschienene Werke.

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Allgemeines, Mathematik und Astronomie,

Facecioli, A. Teoria del volo e della navigazione aerea. Milano, 1894, 80%, VIII, 310 pp. Con 52 incis. e 2 tav

deFonvielle, W. Manuel pratique de laedronaute. Paris, 189. 16%. Avee 70 ie

Sinelair, D., Lux Naturae. Nerve System of the Universe. Lon- don, 1894. 80,

Ajello, C., Lezioni pratiche di geometria deserittiva per la rap- presentazione delle figure piane e dei solidi. Palermo, 1894. 16%. Con 15 tav.

d’Arcais. Corso di caleolo infinitesimale. Vol. II. Padova, 1894. 80,

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Abhandlungen zur geologischen Speeialkarte von Preussen und den Thüringischen Staaten, Herausgegeben - der königl. preussi- schen geologischen Landesanstalt. X. Bd. 6. Heft. Berlin, 189. S. Schropp, 80. p. 1249-1392. Mit 13 Taf. u 13. Bl. Erklärgn.

Gümbe!, .. W. Geologie von Bayern. II. Bd. 11. u. 12, Lfg Kassel, 1894, Fischer: ; srtol, BA. Abm mes. Les eaux souterraines, Fa

Cavernes, les sources, la sp6laeologie. Explorations souterr: Sg efectudes de 1888 ä 1893 en France, Belgique, Autriche et Orr e, is, 1894. 40%, 580 pp. Avec 4 phototypies et 16 pl. hors texte, 100 grav. et 200 cartes. Martin, R,et R. Rollinat. Frege Re | de YIndre, Paris, 1894.

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Böse, Emil. Monographie des Genus ee Gemm. (Aus: „Palaeontographiea“.) Stuttgart, 1894. E. Schweizerbart. 4.

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für Pharmaceuten und Mediciner besprochen und durch Original-

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Paris, 1894. 8%. Avec 8 pl. col. et 9 fig. Schumann, K. Lehrbuch der systematischen Botanik, Phyto-

paläontologie und Phytogeographie, Stuttgart, 1894. F. Enke 9% |

XI, 705 pp. Mit 193 Fig. u. 1 farb. Karte

Sabouraud, R. Les Trichophytes humaines. Paris, 189. 9. a

Atlas de 134 fig.

Compter, Fossile Flora des untern Keupers von Ostthüiri

vr

ermempm

Fructifica Basis eines "Wedels von Taeniopteris ed Schenk « F Brongn.

Tafel II.

von Danaeopsis marantacea Heer. ($ n. Gr. I Era von Pecopteris Meriani

teris Sp. Tebhekiiee arenaceus Schenk aus dem Letten von Pfiffelbach. Sa

ig,

zl

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er i & E = &

Tafel III. Compter, Fossile Flora des untern Keupers von Osttht

1-2, Fruchtstände von Equisetites arenaceus ie von Apolda, 7. Equisetites singularis n. 89. von Apo 8. Schizoneura Meriani Schimp. aus dem Sand von Apolda.

9. „» »» # n. 10. ”„ „» Letten von Pfffelbach.

Gm 11. 1; N

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Tafel IV.

Compter, Fossile Fiora des untern Keupers von Ostthüringen. r

1, Oyeadites nt n. sp. aus dem Sand von Apolda. 2. Pterophyllum robustum

3, Sphenozamites tener m. aus dom Sand yon Nauendorf. 4—7. Fruchtblätter (?)

8. Oyeadorhachis aus dem Letten von Pfiffelbach.

9. Cordaites keuperianus n. sp. aus dem Sand von Nauendorf, ($ n. 6r.), ngsemereegg da die Basis in Wirklichkeit auf dem Gestein auf liegt,

10. Quarzkrystall aus einem Block verkieselten Holzes. (22°).

x

En

+ Tamm LLEIDZIG.

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yon den Korallen! bauten. (Zeitschrift für Naturwissenschaften. 63.

R t. es, Dr. G., Eine neue Methode zur Aufstellung von zoologischen Objekten und zootomischen Präparaten. (Zeitschrift für Naturwissenschaften,

64. Bd, 1/2. Heft.) W4= 2

Dr. eier esse der Bang von Sachsen, Anhalt, Braunschweig, er und Thüringen. (Zeitschrift für Natur wissenschaften, (63. "Bd. ae . Heft.)

r Paläontologie er obern Muschelkalke. (Zeitschrift für Naturwissenschaften, 64. Bd. 1/2. Heft. 5 rt, Dr. Eugen, Der Darwinismus und seine Konsequenzen IN

en ur Re und sozialer Beziehun M. 2.25 Beiträge zu unserer mo ei Atom- und Molekular- Theorie auf Grundlage. Die philosophische Grundlage der bemie. 2. Die Fe ee se. 3. Die Ursache der Phosphor escenz der ee uden Materie“ nebst Erörterung der d | Spe im Lichte. (Das age er en ee ser, das chemische Spektr M. M., Ueber Kraft und Bewegun im, Hinblick auf die Lake 2 . und die mechan ae zu + Sen ‚2 . Dünker, E., Ueber ein Vorkommen von Kr She sallın in der ur = 3 Kenpers. (Zeitschrift für teen 63. Bd. 2/3. ne

Garcke, Prof. Dr. A., Wie viel Arten von Wissadula giebt es? (isch für Naturwissenschaften, 63. Bd. 2/3. Heft.)

DE Diesem Hefte ] ein Prospeet der Verlagsbuchhandlung © eigel (Chr. Herm, Teen tz) im in Leipzig, beirenent Prof, Dr. Conrad Keller, „Das Leben des Meeres“

in ‚Halle Saale).

Zeitschrift

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Organ des naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen

und Thüringen, unter Mitwirkung von

: Geh. Rath Prof. Dr. Freih. von Fritsch, Prof. Dr. Garcke, Geh. Rath Prof. Dr. Kuoblauch, Geh. Rath Prof. Dr. Leuekart, Geh: Rath Prof. Dr. E. Sehmidt und Prof. Dr. Zopf

herausgegeben von

Dr. G. Brandes,

Privatdocent der Zoologie an der Universität Halle.

67. Band. (Fünfte Folge. Fünfter Band.)

Fünftes Heft.

Mit 3 Tafeln und 6 Figuren im Text.

Ausgabe für Vereinsmitglieder.

Leipzig. C. E. M. Pfeffer. 189.

Inhalt.

I. er hkkandiomgeh. Fritsch, K. Prof. Das Gefüge diluvialer Grund- moriüengehile am Gsläberes bei Halle a.S. Taf. V-VU Schmeil, r. Einige neue eye ars des Süss- wassers. "6 Figuren im Schmidt, K.E.F., studie, Dr. Zur Erinnerung an Her-

zZ

Schulze, Erwin, Dr, Ueber das System der "Pfanz

Veekenstedt, Edm., Dr. Zur Bestimmung der 12 "Edelsteine am Amtssehild rs Hohenpriesters

DI. Kleinere Mittheilungen.

Mathematik und Astronomie: Neue Ri esenfernrohre S. 361. Die Helli en des verfinsterte: Mondes, Die Strahlung der Sonne 8.36

Chemie und Physik: De Verwandlung elektrischer Energie in Licht, Ein eustaen. Die alraete ine S. 368.

ee un ogie: Nenes Vorkommen von Eisen- bora , Härtebestinmung der Minerale S. 367. Grosse

Botanik und Zooloriek. Kreuzung eines europäischen Wild- ebers ve einem Bündener Schwein $. 369. Ueber die

Mediein- Verände mise. der Spinslsangien bei Tabes dorsalis Die scheintodt Begr \ Aus verschiedene n Gebiet a “Die Chemie des Oceans Spiritus aus Torf S. 380. Litteratur-Bespr Sahünsen . . . .... >. au erschienene Werke . . . .. 2... ,'.*

321 357

351

Zur Erinnerung an Hermann von Helmholtz. Von Dr. K. E. F. Schmidt, Privatdocent für Physik zu Halle a. S.

Es war ein trüber regnerischer Septembertag, an dem eine grosse Zahl von Leidiragenden, den verschiedensten Lebensstellungen angehörend, der stillen Villa in der March- strasse zu Charlottenburg zueilte, um die irdischen Reste des heimgegangenen Meisters zur letzten Ruhestätte zu ge- leiten: heftiger Wind trieb dunkle Wolken vor sich her und die düstere Stimmung der Natur passte wohl zu der Trauer, die Jedem, der zu beurtheilen versteht, was die rastlose Arbeit dieses unendlich reich begabten Geistes geschaffen hat, sich aufdrängen muss, wenn er bedenkt, a8 auch einem solchen Geiste die unabänderlichen Natur-

. gesetze ein Ende geben.

Als dann später während der Trauerfeier die Sonne das düstere Gewölk zertheilte, der Wind die Wolken vom Himmel verjagte und das sanft verschleierte Tagesgestirn seinen milden Glanz über den mit Blumenspenden und Kränzen reich geschmückten Sarg ausbreitete, wem wären da nicht die schönen Worte des Todten eingefallen, in denen er berichtet, wie die Sonne ihm nicht nur den

äusseren, sondern auch den inneren oft so dunklen Pfad

der Ideen und Gedanken erhellt habe, wie er sie bei Ge-

legenheit der 500jährigen Jubelfeier der Ruperto-Carola

gesprochen: „Und wenn der stille Frieden des Waldes den anderer von der Unruhe der Welt scheidet, wenn er zu

seinen Füssen die reiche üppige Ebene mit ihren Feldern ' und Dörfern in einem Blicke umfasst und die sinkende

Sonne goldne Fäden über die fernen Berge spinnt, dann Zeitschrift f, Naturwiss. Bd.68, 1894. 21

322 Zur Erinnerung an Hermann von Helmholtz.

regen sich wohl auch sympathisch im dunklen Hintergrunde seiner Seele die Keime neuer Ideen, die geeignet sind, Lieht und Ordnung in der inneren Welt der Vorstellungen aufleuchten zu machen, wo vorher Chaos und Dunkel war.“

Und in dem milden Sonnenschein der herbstlichen Natur haben wir ihn hinausgeleitet, dorthin, wo er nun unter rauschenden Baumkronen ausruht von der grossen Arbeit seines reichen schönen Lebens.

Es ist eine Pflicht der Dankbarkeit, wenn der Schüler dem dahingeschiedenen verehrten unvergesslichen Lehrer einen Nachruf widmet. Und dieses Gefühl der Verehrung mag den Versuch entschuldigen, wenn ich an dieser Stelle ein Erinnerungsbild des grossen Mannes zu entrollen trachte; denn meine Kräfte sehe ich nicht ausreichen, einen auch nur einigermassen zufriedenstellenden Entwurf für eine Uebersicht der Erfolge dieses Riesengeistes zu liefern. Ist es mir schon nicht leicht, der Bedeutung und Stellung gerecht zu werden, die HerımnorLtz’ Arbeiten in dem Ge- biete der Physik einnehmen, da die Vielseitigkeit und Tiefe seiner Untersuchungen, welche stets Fragen ein- sehneidender principieller Bedeutung zugewandt sind, für eine völlige Würdigung ein ausgedehntes Studium ver- langen, so muss ich in dem Gebiete der Anatomie, der physiologischen Optik und Akustik dem Urtheile Berufener das Wort geben.

Es ergeht mir bei der Betrachtung der Werke dieses genialen Forschers wie einem Wanderer, der in eine reich gegliederte Gebirgsgegend versetzt wird, die an Pracht und Sehönheit ihres Gleichen sucht, deren erhabene M Schnee nnd Eis gehüllte Gipfel, deren Faltungen und vielfach verschlungene Thalwindungen zu viele sind, als dass es seine Zeit erlaubte, seine Kraft er- möglichte, sie alle zu durcheilen. Nur die höchsten, UN bedingt in die Augen fallenden Gipfelpartien vermag e* staunend und bewundernd aus grösserer oder geringerer Entfernung zu betrachten. Von vielem Schönen muss " sich berichten lassen und sein Sehnen und Wünschen damit

Von Dr. K. E. F. Scuumipr, 323

zufrieden geben, wenigstens einige der gebotenen Schön- heiten mit eigener Kraftanstrengung kennen gelernt zu haben.

Die reichbeanlagte Natur des Hernnortz’schen Geistes, die schon in frühster Jugend allgemeine Aufmerksamkeit erregte, wurde durch die Art und den Gang des ihm auf- gedrängten Studiums der Mediein auf das glücklichste zur Entwicklung und Reife gefördert. „Meine Neigung und mein Interesse waren von früher Jugend an der Physik zugewendet,“ berichtet er selbst, aber die Verhältnisse der Familie gestatteten nicht, eine solche „brodlose Kunst“ zum Gegenstand des Lebensstudiums zu machen: Das in dieser Hinsicht aussiehtsvollere Studium der Mediein, worauf ihn der Vater lenkte bot ihm Gelegenheit, auch die Natur- Wissenschaften eifrig zu betreiben. „Dieses erwies sich schliesslich als ein Gewinn,“ sagte er wiederholt, „denn in dieser Weise gelangteich zu einer viel breiteren Kenntniss der gesammten Naturwissenschaft, als sie im regelmässigen Wege den Studirenden der Physik und Mathematik zu theil wird,“

Wenn an sich schon diese breit angelegte Basis für die "issenschaftliche Ausbildung des jungen Medieiners von hoher Bedeutung war, so kommt noch hinzn, dass er unter dem Einflusse eines „grossen Lehrers, des gewaltigen Jonannes MüLLer“ im Kreise hochbegabter Studienfreunde wie Ex pu Boıs-Raymoxp, E. Brücke, Lupwis und Virchow der Anatomie nnd Physiologie zugeführt wurde, Gerade diese Disciplin der Mediein musste für einen so reich begabten Geist ein Arbeitsfeld liefern, auf dem für geniale Erfindungs- und Entdeckungsgabe, gepaart mit voll- Ommener Beherrschung experimenteller Methodik, reiche zen zur Reife zu bringen waren. Was er der Physio- Sie geworden ist, mag aus den Worten eines Vertreters Bin Diseiplin hervorgehen: „Dieser Geist ersten Ranges, Ich gross als Denkez wie als Experimentator, als Morpho- in als Physiolog erhob durch eigene Leistung und Pr den mächtigen Einfluss, den er durch Beispiel Wort auf begeisterte Schüler auszuliben wusste,

324 Zur Erinnerung an Hermann von Helmholtz.

die Physiologie erst völlig zum Rang einer experimentellen Wissenschaft.“

Gleich in seiner Dissertation machte er eine Ent- deekung, die WALDEYER „eine der wichtigsten“ nennt, die man in der Anatomie machen kann, „er deckte den Zu- sammenhang der Nervenfasern mit den Nervenzellen auf.‘ Und die „erste genaue Kenntniss von den Verbindungen der Gehörknöchelehen und deren wichtigem Bandapparat“ verdankt die Anatomie seinen späteren Untersuchungen. Schon ein Jahr später erscheint die vielgenannte Arbeit über das Wesen der Fäulniss und Gährung, in der er den experimentellen Nachweis erbringt, dass die Ansicht des berühmten Justus Lresie, nach welcher der Sauerstoff die Ursache jener Processe bilden sollte, nicht haltbar ist, sondern dass der Zutritt von Mikroorganismen nothwendig sei.

Vier Jahr später erschien dann die berühmte Arbeit über die Erhaltung der Kraft, in welcher HeımuoLrz die Grund- !ehre entwickelt, auf deren Basis eine völlige Umwälzung in den Anschauungen naturwissenschaftlicher Forschung er- folgte. Es ist höchst bezeichnend und charakteristisch wie HeımnoLrz zu diesen Betrachtungen gelangte. In seiner schönen Rede, die er am 2. November 1891 auf dem zu seinen Ehren veranstalteten Festmahl hielt, theilt er uns darüber folgendes mit:

„Junge Leute greifen am liebsten gleich von vornherein die tiefsten Probleme an, so ich die räthselhafte Frage nach der Lebenskraft. Die Mehrzahl der Physiologen hatte da- mals den Ausweg G.E. Stans ergriffen, dass es zwar die physikalischen und chemiselen Kräfte der Organe und Stoffe des lebenden Körpers seien, die in ihm wirkten, dass aber eine in ihm wohnende Lebensseele oder Lebens kraft die Wirksamkeit dieser Kräfte zu binden und zu lösen im Stande sei, dass das freie Walten dieser Kräfte nach dem Tode die Fäulniss hervorrufe, während des Lebens dagegen ihre Action fortdauernd durch ihre Lebensseele regulirt werde. In dieser Erklärung ahnte ich etwas Wider- natürliches; aber es hat mir viel Mühe gemacht, meine Ahnung in eine präcise Form umzugestalten. Endlich 2 meinem letzten Studienjahr fand ich, dass Sranzs Theorie

Von Dr. K. E. F. Scauipr- 325

jedem lebenden Körper die Natur eines perpetuum mobile beilegte. Mit den Streitigkeiten über das letztere war ich ziemlich genau bekannt. So stiess ich auf die Frage: „Welche Beziehungen müssen zwischen den verschiedenen Naturkräften bestehen, wenn allgemein kein perpetuum mobile möglich sein soll? und die weitere „Bestehen nun thatsächlich alle diese Beziehungen ?%

Das Schicksal der Schrift ist bekannt; nur von wenigen verstanden, rang sich die in ihr enthaltene Grundidee erst zu allgemeiner Anerkennung durch, als besonders 'englische Autoren wie Jouse auf experimentellem, Sir Wıruıam Tuomson auf theoretischem Wege zu ähnlichen Ueber- 2eugungen gelangten.

In dieser Schrift wird zum ersten Male in klarer durchsichtiger Weise die allgemeine Anwendbarkeit des allgemeinsten Naturgesetzes auf sämmtliche Diseiplinen der Physik in mathematischer Formulirung durchgeführt.

Drei Jahre später löst er die von Jou. MÜLLer noch für „Wohl unlösbar“ erklärte Aufgabe über die Fortpflanzungs- geschwindigkeit der Reizung in den Nerven, mit andern

orten, er bestimmt die Zeit, welche ein im Gehirn aus- gelöster Willensimpuls braucht, um bis zu dem darauf mit Muskelzuekung antwortenden Nervenenden zu gelangen. Die verwendete Untersuchungsmethode führte auf neue Versuche rein physikalischer Natur, dureh welche er Dauer ind Ablauf der durch plötzliche Stromsehwankunge in- dueirten elektrischen Ströme verfolgt und durch mathe- matische Analyse ein sehr allgemeines Prineip, das solche Induetionsströme regelt, auffindet.

Im gleichen Jahr erfand Hzınmorrz den Augenspiegel Und eröffnete mit der Untersuchung über die Theorie der. -Usammengesetzten Farben die Reihe seiner physiologisch- OPlischen Arbeiten, die er später 1856 1866 in seinem Handbuch der physiologischen Optik mit den Resultaten Anderer Forscher zu einem Gesammtwerk vereint. „Diese $rösste wissenschaftliche Arbeit auf diesem Gebiete, sowie die fruchtbarste Erfindung“, gaben den Ophtalmologen auf ter 1886 stattfindenden Versammlung nach Doxpers Worten Anlass, „den grossen Naturforscher als den Mann

326 Zur Erinnerung an Hermann von Helmholtz.

zu bezeichnen, dem unter Allen damals Lebenden die Augenheilkunde das meiste zu verdanken habe.“

Gegen Ende der 50er Jahre finden wir HeL.mnoLTz mit akustischen Untersuchungen beschäftigt; bald treffen wir ihn in rein physiologischen, bald in rein physikalischen Arbeiten, die er entweder zur Deutung der physiologischen Vorgänge nöthig hatte, oder auf die ihn Versuche geführt und deren weiteren Ausbau er wünschenswerth fand.

£Erwähnen möchte ich hier die Arbeit: Ueber die Wirbel- bewegung der Flüssigkeiten. Bisher hatte man nur solche Flüssigkeitsbewegungen behandelt, bei denen wirbelnde Bewegungen nicht auftraten. Nun sind aber gerade diese so häufig in der Natur auftretende Bewegungsformen, dass der Analyse, welche sie nicht zu beschreiben vermochte, erhebliche Mängel und Lücken zugeschrieben werden mussten. Diese zu beseitigen hatten sich die grössten Mathematiker seit Euler vergeblich bemüht. HeımHoLtz vermochte die Lösung vollkommen zu erbringen und er zeigte, dass nicht nur höchst merkwürdige Kraftwirkungen zwischen wirbelnden Wassertheilchen auftreten, sondern er wies auch auf gewisse Analogien zwischen diesen und den elektrisch-magnetischen Phänomenen hin, welche von grösster Bedeutung sind. Eine gleich verwickelte mathe- matische Aufgabe löste HeıLmnorLtz ferner in der Theorie der Luftschwingungen in Röhren mit offenen Enden. Die Vorgänge im Innern der Orgelpfeifen bilden Probleme, welche grosse Mathematiker wie Brrxovzzı und Eurer viel- fach beschäftigt hatten. HeLmmorrz kam auf diese Unter- suchungen bei seinem Studium über die Klänge der Orgel- pfeifen. Um die bei offenen Pfeifen entstehenden Vorgänge zu erforschen, reichte die bisherige Theorie nicht aus. In wenigen knappen Sätzen setzt er die Gründe klar aus

einander, weshalb die Theorie nicht fähig war, die auf-

tretenden Fragen zu beantworten. Er kommt bei seinen

Untersuchungen auf neue Funetionen, untersucht ihre ana

Iytischen Eigenschaften und macht sich dann an die sung.

In höchst origineller Weise tiberträgt er Betrachtungen, . die bei der Lösung von elektrischen Problemen lange mit -

EHEN EN RN FRE ERRETUNEHRDER ZART:

Von Dr, K. E, F. ScHamipr. 327

Nutzen verwendet worden sind, auf diese Funetionen und findet dadurch die Lösung von Fragen, an deren Ver- folgung Männer wie Poısson Dunamer vergeblich ge- arbeitet hatten. Auch hier bieten die Hinweise auf die Vorgänge elektrischer Natur höchst interessante Gesichts punkte, die eine fruchtbare Perspective für weitere Arbeiten in sich schliessen, nachdem die Theorie der elektrischen Schwingungen durch die Arbeiten von Hertz eine 30 hohe Bedeutung gewonnen hat.

Ich wende mich nun zu den grossen Arbeiten über Elektrieität besonders Elektrodynamik, welche HELMHoLTZ von den 70er Jahren ab bis in die allerneueste Zeit fast aus- schliesslich beschäftigt haben. Zu nennen ist hier zunächst eine Arbeit, die ganz allgemeine Gesetze über die Ver- breitung elektrischer Ströme in körperlich ausgedehnten Leitern enthält: Eine für die allgemeine Monatsschrift für Wissenschaft und Literatur bearbeitete Zusammenstellung der neueren Forschungen tiber thierische Elektrieität wies Hermmortz auf Lücken in der Theorie derartiger Strom- ‘ysteme hin, welche besonders Em ou Bois Reruonn bei seinen fundamentalen Versuchen über thierische Elektrieität aufgefallen waren und von ihm allerdings geschickt Wmgangen aber nicht beseitigt und ausgefüllt waren. Ohne gut ausgebildete Grundvorstellungen über derartige Stromsysteme war ein sicherer Aufbau der von DU Boıs Reyaoxn experimentell so glücklich bearbeiteten Diseiplin vieht möglich. Heuunorez leitete Grundgesetze höchst all- eemeiner Natur ab, die eine grosse Zahl von Fragen ein- wandsfrei zu beantworten gestatten.

Die Weiterverfolgung dieser Frage führte HrımnoLrz 2u. den grossen Arbeiten, in denen er die Bewegungs- 8leichungen der Elektrieität für ruhende und bewegte Körper ableitet. Durch die Oresteorsche Entdeckung, dass en elektrischer Strom eine in seiner Nähe befindliche Magnetnadel ablenkt, war Amp£re auf die berühmten Ver- Suche, bei denen bewegliche stromdurchflossene Leitertheile ’on in der Nähe befindlichen elektrischen Strömen bald Angezogen bald abgestossen werden, geleitet. Im engsten Anschluss an diese Versuche stellte Aupinz 1826 ein Fern-

328 Zur Erinnerung an Hermann von Helmholtz.

wirkungsgesetz für elektrische Stromelemente auf, aus dem 1847 Neumann, der Vater, ein Potentialgesetz ableitete, das HermHorLrz zur Grundlage für seine Betrachtungen machte und von dem er eine Erweiterung gab, welche ausreichte, aus dem Gesetz alle Erscheinungen zu deuten. Die Auf- stellung eines solchen fundamentalen Gesetzes, welches wenn möglich sämmtliche bekannten Phänomene elektrischer Natur unter sich begriff, bildete seit Amp£re ein Problem, an deren Lösung die bedeutendsten Forscher, wie RIEMANN, GRASSMANN, WILHELM WEBER, Crausıus, MAxwELı gearbeitet haben. Von allen schien das von WırurrLMm WEBER auf- gestellte Gesetz das allgemeinste und unbeschränkteste zu sein. HermnorLtz ging daher zunächst von ihm aus, um die Frage zu beantworten, wie die Elektrieität in körper- lich ausgedehnten Leitern zu fliessen beginnt. Er wurde dabei auf Consequenzen geleitet, welche mit den Grund- gesetzen der Mechanik in Widerspruch treten. Dieses gab ihm Veranlasssung zu einer kritischen Durchmusterung der bis dahin bekannten Theorien, die ihn dazu führte, das Neumans’sche Gesetz als das am besten begründete hinzu- stellen. Gleichzeitig suchte er aber eine Vermittelung zwischen der alten Theorie der Fernwirkung und der von Farapay uud Maxweus begründeten Anschauung herbei- zuführen. Und er konnte zeigen, dass sich MAaxwELLs Gleichungen auch aus den älteren Theorien ableiten lassen. Die grosse Reihe dieser schwierigen mit vollendeter Klar- heit durchgeführten Untersuchungen hat nicht nur wesentlich zur Klärung der Sachlage und zur Erkenntniss der Lücken, Mängel und Schwierigkeiten beigetragen, sondern hat auch eine Menge experimenteller Arbeiten von grösster Be- deutung zur Folge gehabt. Er selbst hat die erste An- regung zu Untersuchungen gegeben, welche auf expert mentellem Wege die Entscheidung über die streitigen Punkte herbeiführen sollte, wobei sich dann gleichzeitig zeigen musste, welches der vielen Gesetze als das richtige auf- recht zu halten war.

Als weitaus durchgreifendste dieser Arbeiten müssen wir die Herrzschen Untersuehungen über die Ausbreitung der elektrischen Kraft bezeichnen. Nicht nur war eil

Von Dr. K. E. F. Schnmipr. 329

von HermHoLtz gestellte Preisaufgabe die erste Veran- lassung für Hertz, sich diesem Gebiete der Elektrodyna- mik zuzuwenden, sondern die Hrımuortz’schen Arbeiten waren Hertz, Führer und Leiter in seinen Untersuchungen, wie er uns selbst berichtet. Neben diesen Arbeiten beschäftigten Hrımnontz Fragen elektrochemischer Natur. Was für Umwandlungen der chemischen Energie müssen eintreten, um den Strom zu erzeugen? Wie weit lassen sich diese Processe aus den Ge- setzen der Thermodynamik ableiten, das sind die Fragen, die ihn jetzt tief in die Gesetze der Verwandelbarkeit der Energieformen hineindrängen. In seinen Arbeiten über die Mechanik monocyklischer Systeme deren Typus die rotirende Bewegung eines Kreisels um seine Axe bildet und in den sich an diese Arbeit anschliessenden Unter- suchungen über das Prineip der kleinsten Wirkung führt er uns in die letzten Tiefen der Mechanik: in die Mechanik der Aetherbewegungen. Verständen wir diese, so würden uns die mannigfaltigen elektrischen und magnetischen Phänomene und der wunderbare Zusammenhang zwischen beiden Energieformen begreiflicher erscheinen. MaxweLL 2eigte zuerst, dass eine sılche mechanische Auffassung der Tscheinung möglich ist. Die von ihm gefundenen Grund- gleichungen hat Hzrrz dann später als das Fundament für weitere theoretische Betrachtungen hingestellt, zeigend, Wie sich aus ihnen sämmtliche empirisch bekannten Gesetze der elektrischen Kräfte herleiten lassen und hinzufügend, dass ünsere Erkenntniss noch nieht genügend vorgeschritten sel, um aus mechanischen Grundlagen eine Ableitung dieser Gesetze zu geben. ; Die genannten Arbeiten von HELMHOLTZ müssen wir als u diesem Ziele hinleitende Vorstudien auffassen und die darauf begründeten Arbeiten von Hrrmuorrz und Boutz- sie eröffnen die erfreuliche Aussicht einer günstigen ahrt zu diesem hohen Ziele.

Ich würde es mir versagen müssen, den Blick auch : Auf die rein menschliche Seite dieses grossen Mannes zu

330 Zur Erinnerung an Hermann von Helmholtz.

lenken, wenn uns nicht einige Documente zur Hand wären, aus denen uns ein Bild entgegenleuchtet, so hell, so schön, so bewundernswerth, dass man nieht müde wird, diese herr- liehen Bekenntnisse eines tiefen Gemütbslebens auf sich wirken zu lassen. Das sind die Dankesworte, die Heım- „oLrz 1886 in Heidelberg den Ophtalmologen und 1891 den Festtheilnehmern aussprach, als sie gekommen waren, ihm den Dank und die Anerkennung für seine grossen Schöpfungen zu zollen.

Selten nur ist es einem Sterblichen vergönnt, in so harmoniseher Weise sein inneres Wesen durchzubilden und zu adeln wie bei HeLmuortz; selten nur begegnet uns eine so ideale Auffassung der Lebensaufgabe wie bei ihm. Ich kann für diese keine treffendere Schilderung, als sie in den Worten des Meisters enthalten ist, finden: 3

„In gesicherter Stellung, wo diejenigen, welche keinen inneren Drang zur Wissenschaft haben, ganz aufhören können zu arbeiten, tritt für die, welche weiter arbeiten, eine höhere Auffassung ihres Verhältnisses zur Menschheit in den Vordergrund.“ |

„Es tritt ihnen die ganze Gedankenwelt der eivilisirten Menschheit als ein fortlebendes und sich weiter ent- wickelndes Ganze entgegen, dessen Lebensdauer der kurzen des einzelnen Individuum gegenüber als ewig er- scheint. Er sieht sich mit seinen kleinen Beiträgen zum Aufbau der Wissenschaft in den Dienst einer ewigen heiligen Sache gestellt, mit der er durch enge Bande der Liebe verknüpft ist, dadurch wird ihm seine Arbeit selbst ge heiligt. Theoretisch begreifen kann das vielleicht Jeder, aber diesen Begriff bis zu einem drängenden Gefüh zu entwickeln, mag eigene Erfahrung nöthig sein.“

„Die Welt, welehe an ideale Motive nicht gern glaubt, nennt dieses Gefühl Ruhmsucht.“ ;

. Dass aber ein derartiges Gefühl, aus dem wir ja leider nicht selten die widerwärtigsten niedrigsten Charakter entwicklungen entstehen sehen, bei HELMHOLTZ nicht auf- kam, davor bewahrte ihn eine catonische Strenge im Urtheil über seinen eigenen Werth und die Bedeutung seiner Leistungen. „Wie verderblich der Grössenwahn für ein

Von Dr. K. E. F.Scumipr. 331

Gelehrten werden kann, habe ich oft genug gesehen und

habe deshalb stets mich zu hüten gesucht, dass ich diesem

Feinde nicht verfiele,“ sagt er selbst an einer andern elle.

Eine nothwendige Folge dieser bei ihm nie irrenden Objeetivität war die grosse Bescheidenheit, die ihm eignete: fern war ihm jede Selbstüberhebung oder Selbstverherr- liehung. Die Art und Weise, wie er sich über den ge- waltigen Eindruck, den die Ehrungen zur Feier seines 70. Geburtstages auf ihn machten, ausspricht, legen davon ein schönes. Zeugniss ab: „Ich bitte Sie um Verzeihung“, wendet er sich an die Festtheilnehmer, „wenn diese Fülle von Ehren mich zunächst mehr in Erstaunen setzt und ver- wirrt, als dass ich sie begreifen könnte. Ich finde in meinem eigenen Bewusstsein keinen entsprechenden Mass- stab für den Werth dessen, was ich zu leisten gestrebt habe, welcher mir ein ähnliches Faeit gäbe, wie Sie es gezogen haben.“ Und dann berichtet er von der Art, wie er seine Resultate gefunden, wie er oft lange auf gute Einfälle

abe warten müssen, wie sie ihm dann gekommen seien „in

einer Stunde vollkommener körperlicher Frische", „bei ge- mächlichem Steigen über waldige Höhen in sonnigem Wetter;“ wie er oft mühselig und langsam auf verworrenen Pfaden zur Wahrheit gelangt sei, um dann, am Ziele an- gelangt, zu erkennen, dass er einen königlichen Weg bätte benutzen können, wenn er gescheidt genug gewesen wäre, den richtigen Weg zu finden. „In meinen Abhandlungen habe ich natürlich den Leser nicht von meinen Irrfahrten ünterhalten, sondern ihm nur den gebahnten Weg be- schrieben, das scheint Ihnen nun plötzlich, wie eine ge- waffnete Pallas aus dem Kopfe des Jupiter vor Augen ge- ‘Prungen. Ihr Urtheil ist daher durch Ueberraschung be- Einträchtigt, meines nicht.“

Zu der ungetrübten Harmonie seines inneren Lebens trug auch wohl eine Art künstlerischer Anschauung der Dinge .* „Etwas vom Schauen des Dichters muss der Forscher “Sich bergen“, sagt er in seinem Preisliede auf die Schönheiten Heidelbergs. Deutlich treten solche Stim-

ngen in seinen Vorträgen und Reden, die an Form und

332 Z. Erinnerung an Herm. v. Helmholtz. Von Dr. Schmipr-

Darstellung unvergleichlich dastehen, und am deutlichsten in seiuen Tonempfindungen dem Leser entgegen. Nur einem mit Künstlersinn reich begabten Geiste konnte es gelingen, ein derartig harmonisch in einander greifendes Ganze zu schaffen, wie es uns in diesem Meisterwerk dargeboten wird, in welchem die Lösung schwieriger Probleme der Physik mit äusserst subtilen physiologischen Untersuchungen vereint wird, um die grossen „psycho- logischen Wahrheiten“ im Reiche der Töne zu ergründen.

Das dunkle seelenvolle Auge des hochverehrten Meisters hat sich für immer geschlossen; wir denken des Dahingeschiedenen mit theilnehmender Wehmuth, denn wir verloren in ihm nicht nur Einen der grössten Gelehrten, sondern auch einen wahrhaft grossen Menschen.

Und die Worte, die Goetu£ einst dem vor ihm heim- gegangenen Freunde nachrief, dürfen wir auch unserem HELMHoLTZ nachrufen:

„Indessen schritt sein Geist gewaltig fort „Ins Ewige des Wahren, Guten, Schönen, „Und hinter ihm, in wesenlosem Scheine, „Lag, was uns Alle bändigt, das Gemeine.“

Das Gefüge diluvialer Grundmoränengebilde am Goldberge bei Halle a. S. Von Dr. K,. v. Fritsch, Professor der Geologie und Mineralogie. Hierzu Tafel V—VI.

Viele Einzelheiten im geologischen Bau einer Land- schaft werden durch technischen Betrieb frei gelegt. Strassen- und Bahnanlagen, Arbeiten in Kies-, Sand- und Lehmgruben, in Steinbrüchen u. dergl. decken Lagerungs- verhältnisse von grosser Bedeutung auf. Oft verschwinden die Aufschlüsse in sehr kurzer Zeit. Häufig ist es von Werth, solehe Beobachtungen der Vergessenheit zu ent- ziehen und Jeder geologische Beobachter wird nach Kräften bemtiht sein, sichere und klare Wahrnehmungen durch 4 ichnungen festzulegen. Aber es ist nur selten leicht, einwandfreie Zeichnungen zu geben.. Denn auch dem Ge- wandtesten ist es kaum möglich, die einzelnen Züge eines Profils genau wiederzugeben, ohne dass er diejenigen Dinge, die seine Aufmerksamkeit am meisten auf sich ziehen, in der Darstellung bevorzugt, ohne dass ihn auch sein Augenmass irre leitet.

In der Neuzeit giebt die Vervollkommnung der photo- 1 Phischen Aufnahmen ein Mittel an die Hand, thatsäch- richtige Darstellungen zu liefern. ‚Solche photo- Beinte Bilder sind um so wichtiger, weil sie Zeit

® Es sei gestattet, hier mit Hilfe mebrerer nach photogra- Plischen Aufnahmen, die Herr Prof. Lüpeere auf meine nr ausgeführt hat, durch die bewährte Kunst der Herren

334 Diluviale Grundmoränengebilde am Goldberge b. Halle a. 8.

Gebrüder PLerrser hergestellten Lichtdrucke einige wich- tige geologische Erscheinungen aus der nächsten Umgebung von Halle zu besprechen!

Seit Jahrzehnten werden die im Nordosten der Stadt zwischen Diemitz und Mötzlich an den sanften Böschungen des „Goldberges“ und der „Sandhöhe“ angelegten Sand- und Kiesgruben unserer Diluvialgebilde von den hiesigen Freunden der Geologie und Palaeontologie gern und oft be- sucht. Denn jeder Besuch bringt eine kleinere oder grössere Ausbeute von Petrefacten oder von Gesteinsstücken ein. Manche Funde haben die Arbeiter gemacht und hän- digen sie dem Städter gegen eine kleine Belohnung ein. Anderes lesen diese selbst auf oder schlagen es aus den Geschieben heraus. Eine grosse Anzahl der früheren Wahr- nehmungen ist in Herrn Dr. P. Borckerr’s fleissigem Aufsatze!) erwähnt, und seitdem ist natürlich noch recht Vieles hinzugekommen.

Die zahlreichen Gesteine, deren Trümmer hier zu- sammengehäuft sind, und der wahrscheinliche Ursprungs ort vieler der Geschiebe sind so mehr und mehr bekannt geworden. Kein einziges Stück hat mir von dort vorgelegen, das vom Thüringer Walde, vom Harz oder von dem zwischenliegenden Hügellande stammt. Die Gebirge Scan- dinaviens, die Umgebungen der Ostsee und das norddeutsche Flachland haben ausschliesslich das hier zusammengehäufte Trümmerwerk geliefert.

Die Massenanordnung in den verschiedenen Kiesgruben am Goldberge und in seiner Nähe musste lange Zeit hin- durch für eine sehr unregelmässige gelten. Man konnte die Lagerstätte als einen Aufschluss von sehr sandigem Ge schiebemergel mit Nestern und Lagen von Sand und Kies bezeichnen.

Durch die anhaltende Trockenheit der letzten Jahre erst wurde ein klarer Einblick ermöglicht. Denn unter deren Einfluss zerbröckelten an den Wänden der Gruben

!) Beiträge zur Kenntniss der diluvialen Sedimentär-Geschieh® in der Gegend von Halle a. 8. 1887. Inaug.-Diss. und Zeitschr. Naturwissensch. Bd. LX, S. 278, 4. Folge, 6. Bd.

Von Prof. K. v. Fritsch. 335

viele lockere Theile, der Wind vermochte leichter beweg- liehe Körner und Staub fortzublasen.

Hierdurch wurde die Anordnung der Sand- und Thon- partikel in ihren Einzelheiten klar. Es wurde kenntlich, dass in Stücken der Wände, die den Eindruck zusammen- hängender Sand- oder Geschiebe - Lehmmassen bei feuchter Witterung machen, eine Schichtung und Bänderung vor- handen ist, und dass das ganze Gebilde kräftige Be- wegungen durchgemacht hat, förmlich geknetet und durch einander gearbeitet worden ist.

Auf die merkwürdigen Lagerungsverhältnisse vieler oberflächlicher Massen unserer Landschaften haben schon frühere Geologen ihre Aufmerksamkeit gelenkt. Aber erst 1880 gab Herrmann CREDNER in seinem Aufsatze: „Ueber Schiehtenstörungen irh Untergrunde des Geschiebelehmes, an Beispielen aus dem nordwestlichen Sachsen und angrenzen- den Landstrichen“') eine zusammenfassende Darstellung und Erläuterung zahlreicher Beispiele von Unregelmässigkeiten und merkwürdigen Profilen. Seitdem sind gelegentlich Einzel- beobachtungen dargestellt und in grösseren oder kleineren

isen bekannt gemacht worden, z. B. durch Herstellung von Bildern einzelner Braunkohlengruben, die meist ohne Beigabe von erläuternden Berichten theils käuflich geworden Sind, theils nur an wenige Personen verschenkt wurden.

Die mir bekannt gewordenen bildlichen Darstellungen und Beschreibungen solcher Lagerungsverhältnisse lassen «8 immerhin wiünschenswerth erscheinen, dass die am Goldberge gemachten Wahrnehmungen vor der Vergessen-

it bewahrt bleiben. Denn so verwandt auch mehrere der bisher dargestellten Erscheinungen mit den hier zu be- Schreibenden sind, so besteht doch, wie die folgenden Zeilen 'arthun werden, einiger Unterschied. Und die Bilder, die am meisten denen gleichen, die sich in der Halleschen Städtischen Kiesgrube dem Beobachter dargeboten haben, sind, wie z. B. Fig. 17 und 18 auf Orrpxer’s angeführter an

—_

m Zeitschrift der Deutsch. geol. Gesellsch. 1880. Bd, 23.7 5 f, 8 afel 8 u, 9, |

336 Diluviale Grundmoränengebilde am Goldberge bei Halle a. 8.

Tafel VIII nach Zeichnungen, nicht nach Photogra- phien entworfen.

Längere Zeit hindurch befanden sich die hauptsäch- lichsten Sand- und Kiesgruben im Nordosten der Stadt dicht neben der Halle-Bitterfeld-Berliner Bahn an der Sandhöhe bei Diemitz, Doch fand man den Sand beim Fortschreiten der Arbeiten mehr und mehr lehmig. So wurden denn bedeutendere Sandgruben etwas weiter nördlich am Gold- berge bei Mötzlich aufgethan. Eine Feldschienenbahn, auf der eine kleine Locomotive benutzt wird, führt von dem Uebergange der Fahrstrasse nach Tornau über die Halle- Ascherslebener Bahn unter theilweisem Anschluss an die Feldwege nach den Sandgruben.

Der Hauptbetrieb findet jetzt an der Stelle, wo früher der höchste Punkt des Hügels ungefähr 131 m Höhe über dem Meere erreichte, statt.

Hier boten sich die Ansichten, die auf Taf. V, VI und VII dargestellt sind, im April d. J. dar. Taf. V und VI stellten Theile einer etwa von Süd nach Nord ver- laufenden Wand dar, auf die man von Osten her blickt, indem man selbst in dem ausgeschachteten Raume steht. Bei Tafel VII sieht man von Westen her auf einen nach Norden gerichteten Vorsprung des in der Hauptsache von West nach Ost verlaufenden „Stosses“; der Apparat stand auf einem in der Grube stehen gebliebenen Hügel, nahezu in der Höhe des jenseitigen Randes, dessen nächst ge- legenes Stiick kaum über 20 m davon entfernt war. Neben den am Fusse der dargestellten Steilwand angehäuften, herabgerollten Schuttmassen, die in der unteren linken Ecke des Bildes sehr deutlich sichtbar sind, liegen die Geleise der Grubenbahn, zwischen 6 und 10 m tiefer als das umgebende Feld.

Alle drei Abbildungen zeigen als nächsten Untergrund des Letzteren dunkle, humose Erde, die nichts weiter ist als aufgepflügtes und mit vielen Zersetzungsmassen organischer Körper gemengtes Material der tiefer gelegenen Massen j oder der natürlichen Gebirgsarten.

Fast überall am Goldberg geht dieser Humus, Abbildungen klar zeigen, aus einer oberen Bank hervor,

wie die

a a a er FE FE N 1 5

E

Von Prof. K. v. Fritsch. 337

die wir wegen ihrer lehmigen Beschaffenheit und wegen ihres erheblichen Reichthums an nordischen Geschieben

einen diluvialen Geschiebelehm nennen müssen.

Dieser liegt ungefähr der Oberfläche gleich, doch fallen namentlich auf Taf. V und VI Anschwellungen des- selben auf. Andererseits erkennt man vereinzelte Stellen seines Fehlens. Die Photographie bringt in besonderer Deutlichkeit zum Ausdrucke, dass fast überall die Ge- schiebelehmmassen in dreierlei Ausbildungsform überein- ander liegen: oben in Humus übergegangenes, dann aus- gelaugtes und zersetztes, als weisses Band im Licht- drucke erscheinendes, und unten frisches Gestein.

Die Mächtigkeitswechsel sind sehr gross; die örtlich ganz fehlende Bank hat nicht selten über 2 m Stärke.

Dieser Geschiebelehm ist ganz ungleichförmig zu den darunter befindlichen Massen gelagert. Die Photographieen stellen nur kleine Theile der ringsum vorhandenen, mehrere hundert Meter zusammen messenden, aufgeschlossenen Wände dar. Ueberall aber haben die oben erwähnten Wirkungen von Trockenheit und Wind vielleicht im Winter schon etwas unterstützt durch Frost eine geneigte bis saigere Massenstellung mit vielen örtlichen Unregel- mässigkeiten hervortreten lassen. Zuweilen erinnern uns bei der Betrachtung von der Ferne her kaum die weichen serundeten Umrisse einzelner Stellen, dass wir es mit noch nicht zu starrem Fels erhärteten Gebirgsmassen zu thun

Aus einiger Entfernung gesehen versetzen uns Manche Stellen unwillkürlich in Gedanken in ein Grau- Wackengebiet wit auf dem Kopfe stehenden und über- gekippten Schichten, wie z. B. Taf. VII auf der rechten Seite, auch Taf. V rechts und Taf. VI in der Mitte. Manche Lagen von grobem Gerölle haben diese Auf- "iehtung mitgemacht; eine solche Lage, in der es viele Menschenkopfgrosse und grössere Geschiebe gab, ist auf di VI für den gut erkennbar, der sich die Mühe giebt, 'e Einzelheiten des Lichtdruckes genau anzusehen. hin rde man an diese Aufschlüsse versetzt und ver- dert, das Gestein zu berühren oder näher zu unter- 0, 80 müsste man glauben, dass man sich im Gebiete

0 Milschrift f. Naturwiss,, Bä. 68, 1501.

338 Diluviale Grundmoränengebilde am Goldberge bei Halle a. 8.

einer weit über 100 m mächtigen Schichtenabtheilung be- fände, deren Lagen im Allgemeinen nach Norden und Nordosten einfallen. An sehr wenigen Punkten ist ent- gegengesetztes Einfallen wahrnehmbar.

Wenn man das Streichen der Lagen näher untersucht, so zeigt sich darin ein bedeutender Wechsel, doch immer mit einem Vorwalten der Richtungen von Ost nach West oder von Südost nach Nordwest. Verkrümmungen der Lagen sind sehr häufig, doch konnten Falten nur im Kleinen beobachtet werden, und die Versuche misslangen, das auf dem ansehnlich grossen Raume entblösste Hauf- werk auf die Zusammenfaltung und Zusammenpressung einer einzigen Lagenreihe zurückzuführen, also für gewisse besonders kenntliche „Schichten“ Stellen des Wiederauf- tretens jenseit etwa anzunehmender Luftsättel oder jenseit etwaiger eingeklemmter Mulden nachzuweisen.

In fast allen Profilen, die Stauungsfalten darstellen, sieht man söhlige oder nahezu söhlige Stücke der zu- sammengepressten Gebirgsmassen in weit grösserer Mit- betheiligung beim Massenaufbau als bei diesen Auf- schlüssen,

Man vergleiche u. A. die angeführten Crevxer’schen Abbildungen, namentlich Fig. 15, 16, 17, 18 auf Taf. VII.

Wir haben es aber nach meiner Meinung hier nicht mit den Folgen der Zusammenstauung einer Masse ka thun, die vorher eine andere, nämlich die regelmässige ebene Lage gehabt hat, sondern mit einem Gefüge, das sich bei der Entstehung dieses geologischen Gebildes ent- wickelte. Wir können, mit anderen Worten, nieht mit der nachträglichen Biegung und Faltung von Schichten, sondern mit der Kreuzsehichtung (cross stratification, oder der dis- cordanten Parallelstructur) eine Vergleichung suchen, und mit der Fluidal- oder Fluetuationsstruetur von Gesteinen, die aus heissem Fluss erstarrt sind.

Wie bei der Kreuzschichtung ein Theil einer nur ein Meter mächtigen Bank von Sandstein als eine viele Meter mächtige Folge dünner, verschiedenfarbiger Sand- steinblätter erscheinen kann, so dürfte auch hier das als geologische „Einzelmasse“ aufzufassende, in dem Haupt-

Von Prof. K. v. Fritsch. 339

theile der Profile aufgeschlossene Gebirgsglied von mannig- faltiger Zusammensetzung nur seinen allmählichen Aufbau aus einzelnen „Schalen“ darlegen. Während aber in Sandsteinen, die sich im Wasser gebildet haben, derlei „Schalen“ meist nur Platten von geringer Ausdehnung dar- stellen, die gewöhnlich ziemlich sanft geneigt sind und selten steiler stehen als mit etwa 30° gegen die haupt- sächliche Auflagerungsfläche der ganzen Bank, haben wir es hier mit häufig gewundenen Blättern von Lehm, Sand, Kies und Geröllanhäufungen zu thun, die sich auf Längen von 5—12 und vielleicht mehr Metern verfolgen lassen. Bei der Bildung von Schalen ‘von Sandstein wirkten die Schwerkraft der sinkenden Theile und deren gegenseitige Zusammenbaltskraft allein. Bei den in Rede stehenden Gebilden aber haben wir die Mitwirkung gewaltig be- lastender und gegen Süden, bezüglich Südwesten stets vorwärts geschobener Inlandeismassen anzunehmen, die von den Gebirgen Scandinaviens her gegen Mittel- thüringen sich bewegten. So wurden die am Grunde des Eises befindlichen Massen von Sand, Kies, Geschieben, Lehm und Thon geknetet und gepresst. Allem Anscheine nach bot ein vom Galgenberg nach dem Dautzsch bei Diemitz fortziehender Riegel von Porphyr Widerstand, vor dieser Sperre staute sich die vom aufliegenden Eise mitgeführte Grundmoräne und wuchs in ihren unteren Theilen gegen das Ausgangsgebiet des Eises mehr und mehr an. Das Ergebniss dieser Stauung ward eine Hügel- masse, die, obwohl aus lockerem Grundmoränenmaterial aufgebaut, doch nicht weniger die nächsten Umgebungen überragt, als manche der benachbarten Porphyrkuppen, an denen wir noch, wie z. B. am kleinen Galgenberge bei Giebichenstein, die Politur und Schrammung der Felsen beobachten, über die das Eis mit den darin ein- gebackenen Gesteinsbrocken hinwegging und den Fels abfeilte und abschliff.

Das Gefüge der Diluvialmassen und deren Anordnung am Goldberge sind nicht erklärbar, wenn man die Drift- theorie zu Grunde legt, die lange Zeit für die Entstehung der Diluvialgebilde von Nord- und Mitteldeutschland an-

22*

340 Diluviale Grundmoränengebilde bei Halle von K. v. FrITscH.

nehmbar schien. Bei Anwesenheit einer grösseren Wasser- masse hätte die fast saigere Stellung von Geröllbänken und von Sand- und Lehmlagen auf ansehnlichem Raume, welche die Lichtdrucktafeln zur Anschauung bringen, weder entstehen noch sich erhalten können.

Wie natürlich sich aber dieses Gefüge bei Annahme der Lehre von einer allgemeinen Vereisung unserer Land- schaften erklärt, dürfte aus unserer Darstellung hervorgehen.

Einige neue Harpactieiden-Formen des Süsswassers,

Von Dr. O. Schmeil, Magdeburg.

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Den von mir im vorigen Jahre veröffentlichten Mit- theilungen über die Copepoden des Rhätikon - Gebirges*) mag hier ein kurzer Nachtrag folgen. Derselbe ist bedingt dureh die Untersuchung des Materials, welches Herr Pro- fessor ZscHorkE auf seiner vorjährigen Exeursion an die Gewässer dieses interessanten Gebirgsstockes gesammelt hat. Er beweist von neuem, dass nur eine planmässige, sich öfter wiederholende Durchforschung eines Gewässers in der Lage 'st, uns mit dem gesammten „faunistischen Inventare“ des- selben bekannt zu machen. Trotz dieser neuen Funde halte ich aber das Verzeichniss der Rhätikon-Copepoden noch durchaus nicht für abgeschlossen.

Im allgemeinen fand ich in dem zuletzt untersuchten Materiale für jedes der Gewässer dieselben Arten wieder, Welche ich in der eitirten Arbeit angegeben habe. Hier und da trat allerdings eine andere Form auf, oder fehlte eine für das betreffende Gewässer bereits festgestellte. Es ist hier Nicht der Ort, ein genaues Verzeichuiss des faunistischen Be- Standes der einzelnen Lokalitäten zu geben**), da uns an dieser Stelle nur diejenigen Arten interessiren, welche bis- EEE

*) Copepoden des Rhätikon-Gebirges. Mit 4 Taf. Abhand-

a der Natuforsch. Gesellschaft zu Halle. Bd. XIX, Heft1 u. 2.

= 7 Ein solehes Verzeichniss wird Herr Professor ZSCHOKEE in N Schlussberichte veröffentlichen. a

342 Einige neue Harpactieiden-Formen des Sisswassers.

her noch nicht im Rhätikon-Gebirge beobachtet worden sind. Es sind dies: Cyclops fimbriatus FISCHER, Canthocamptus minutus CLaus, Canthocamptus echinatus MRAZER und Canthocamptus schmeili MRAZEK.

Ueber die beiden zuerst genannten, weit verbreiteten Arten kann hier hinweggegangen werden, da ich sie bereits an einem anderen Orte*) eingehend charakterisirt habe.

Die beiden anderen Canthocamptus- Arten dagegen er- fordern eine kurze Betrachtung. Durch sie und Canth. minutus wird die Zahl der Rhätikon-Harpactieiden (Canth. Zschokkei**) mihi, Canth. rhaetieus mihi und Canth. cuspidatus mihi***) verdoppelt. Von den typischen, durch Mrazex trefflich beschriebenen Formen), welche allein bisher vom Autor in der Umgebung von Ptibram in Böhmen beobachtet worden sind, weichen sie in einigen, systematisch nieht unwichtigen Punkten ab, so dass sich die Aufstellung zweier gesonderter Varietäten nöthig macht.

1. Canthocamptus echinatus Mrazer var. luenensis.

Die Form entstammt dem Lünersee. Sie stimmt mit der typischen Form vollkommen überein bis auf die Be- dornungsverhältnisse des fünften Fusspaares. Für die stark verlängerte Innenpartie des ersten Segments des weiblichen Fusses giebt Mrazex fünf Dornen von verschiedener Länge an. Auch bei der Varietät kehren diese Dornen wieder; e3 tritt aber hier noch ein sechster am Aussenrande hinzu,

*) Bezüglich Oyel. fimbriatus vgl. meine Arbeit: „Deutschl. Ir leb. Süsswasser-Copep.“ Theil I, p. 161— 168, bezüglich Canth. minutus Theil II, p. 31—37.

“") Sicher indentisch mit Canth. Zschokkei mihi ist Attheyella

Seott. (The invertebrate fauna of the inland waters of Sean, Eleventh Annual Report of the Fischery Board for Seot- p. 227. Tafel VII, Fig. 1-11.) Die erstere, weil ältere Be- seine steht der Art zu. L e. p. 23—39, Tafel II—IV,

+) MuAKEE. Al. Beitr. z. Kenntn. der eg Süsswassers, p. 124—126, Taf. VI, Fig. 77—89 und Tafel VII, Fig. 107— 117,

nfauna des 1165— 119,

Von Dr. O0. Scunmeir. 343

ein Umstand, der bei der ausserordentlichen Konstanz der Bedornungsverhältnisse gerade dieses systematisch wichtigen Fusspaares volle Beachtung verdient.

Am männlichen fünften Fusse habe ich die gleiche An- zahl von Anhängen beobachtet. Die Grösse der beiden Domen an der Innenpartie des ersten Segments sind aber bei der Varietät bei weitem nicht in dem Masse verschieden wie bei den typischen Thieren. Die obere Borste am Innen- rande des zweiten Gliedes fand ich genau wie bei mehreren im II. Theile meiner erwähnten Arbeit beschriebenen Arten viel zarter als die übrigen Anhänge und länger, als Mrazer sie in seiner Zeichnung (Fig. 89) ange- geben hat.

3 dd

Canthocamptus echinatus MRAZEK var. luenensis. Fünfter Fuss von Weibchen und Männchen, 2. Canthocamptus schmeili MrazEr var. hamata. Obgleich ich von dieser Form nur zwei männliche Exemplare (gleichfalls im Materiale aus der Litoralzone des Lünersees) fand, ist die neue Varietät doch sicher be- gründet. Ueber den scharf und stark ausgezackten ventralen Hinterrändern des 2., 3. und 4. Abdominalsegments findet ch je eine ununterbrochene Reihe kräftiger Dornen. Gleicher Dornenbesatz tritt an der Bauchseite des letzten Ringes auf. (Mrazer erwähnt für die typische Form nur das Vorhandensein einer solehen Dornenreihe am vorletzten weiblichen Abdominalsegmente. Da er für das Männchen

344 Einige neue Harpactieiden-Formen des Süsswassers.

keine besonderen Angaben macht, so ist wohl möglich, dass bei seinen Männchen die Ornamentik die gleiche gewesen ist wie bei der Varietät.)

Bei weitem wichtiger sind die Differenzen im Ban des 2., 3. und 5. Fusspaares.

Vom 2. Fusspaare giebt Mrazek keine Abbildung. (Das von ihm Taf. VII Fig. 114 gezeichnete Füsschen ge- hört nicht, wie er meint, dem 2., sondern dem 4. Paare an, wie sich dies schon aus dem Vorhandensein der Seiten- randborste des 2. Basalgliedes unzweifelhaft ergiebt.) Den Innenast dieses Fusspaares fand ich bis etwa zur Mitte

4 N a PEN > % EN EINS / N IN Vu IRBEN \ AN N [? )) u eo RN Ifz7 JEDEN 1] | A INN N N N | H | f REN > wi BAT NN IN 4 IR N N j IL eN U I Ina TR EN} MON il \ \ N H | IR || | | BE ! I n | un N \

Canthocamptus schmeili MRAZEK var, hamata. Fuss des zweiten und Innenast des dritten Paares, fünfter und (sog.) sechster Fuss vom Männchen,

des dritten Aussenastgliedes reichend. Das langgestreckte

Endglied desselben ist viel breiter als beim Weibchen (ef.

Mrazexs Fig. 110) und auch am Innenrande mit einer kräftigen Borste bewehrt.

Die dornartige Verlängerung des 2. Innenastgliedes des

3. Fusses ist nach Mrazer sehr kräftig, kaum so lang als

das kolbenförmige Endsegment und endet in drei kleinen

Zacken. Bei der Rhätikon-Form ist dieses Gebilde viel

länger und trägt an der Innenseite nicht weit vom Ende

einen kleinen widerhakenartigen Vorsprung. Dieser sen

Haken, welchem ich auch die Bezeichnung der Varietät .

entlehnt habe, trat an beiden Fissen der beiden von mi unter

Von Dr. 0. ScHueir. 345

suchten Individuen auf, so dass ich ihn, wenn auch für ein sehr minutiöses, so doch charakteristisches Merkmal halte.

Das 4. Fusspaar ist genau so gebildet‘ wie bei der typischen Form (cf. Mrazexr’s Fig. 114).

Für die Innenpartie des ersten Segments des fünften Fusspaares giebt Mrazek 3 Dornen an. Bei der Varietät ist der innerste (lange) Dorn in Wegfall gekommen. Das Endglied zeigt dieselbe Bewehrung wie das der typischen Form.

Bemerken möchte ich nur noch, dass ich an der Sorg- falt des von mir hochgeschätzten böhmischen Forschers durch diese kurze Mittheilung durchaus keinen Zweifel habe erwecken wollen. Hätte ich in MrAzexs musterhaften Darstellungen irgend welche Fehler vermuthet, so würde ich sicher nicht zur Aufstellung gesonderter Varietäten ge- schritten sein.

H.

Den kurzen Diagnosen dreier neuer Harpactieiden- Arten, welche im 2. Theile dieser Mittheilungen Platz finden Mögen, gestatte ich mir, einige Bemerkungen vorauszu- schicken

Herr Dr. Arsteıx in Kiel hatte die Freundlichkeit, mir eine grössere Anzahl von Planktonproben, welche er ge- legentlich seiner Seenuntersuchungen eben so vielen Ge- wässern Holsteins entnommen hatte, behufs Bestimmung der in denselben enthaltenen Copepoden zu übersenden. Während sich in allen Proben nur bekannte Arten näch- Weisen liessen, fanden sich in dem Materiale, welehes Tüm- bein der Colberger leide entstammte, nicht weniger denn vier für Deutschland neue Arten, von welchen drei bisher Überhaupt noch unbekannt waren. Zwei derselben machen die Aufstellung neuer Gattungen nothwendig, welche ich nach “erren Dr. Arsıeın und meinem als Herpetologen "ühmlichst bekannten Freunde W. WoLrERrstorrr als Ap-, “einia und Wolterstorffia benenne. Die dritte Form 2eigt sich als ein Glied des Genus Nitocra Bork und die Merte als mit der durch BrancHarn und RICHARD vor

346 Einige neue Harpacticiden-Formen des Siüsswassers.

wenigen Jahren aus stark salzhaltigen Gewässern von Algier bekannt gewordenen Laophonte Mohamed identisch *).

Das Auftreten dieser bisher einzig aus Binnenland- Gewässern bekannten Laophonte-Art in Gewässern, welche von ihrem Entdeckungsorte weit entfernt sind, ist sicher sehr interessant.

Dazu kommt noch, dass auch die Gewässer derColberger Heide, wenn auch nicht in dem Masse wie die von Algier, relativ stark salzhaltig sind. Nach einer Mittbeilung des Herrn Dr. Arsteın beträgt der Gehalt an Salzen ea. 0,5 %,. Wie für einige andere Copepoden, 2. B. für den auch in Deutschland (Mansfelder Seen bei Halle a. $.) lebenden Diaptomus salinus v. Danay nachgewiesen, so scheint auch die Existenz dieser Art an einen relativ hohen Salzgehalt seines Wohngewässers gebunden zu sein. Ob dies auch für die drei anderen Spezies gilt, wird sich ergeben, wenn sie an einem oder einigen anderen Orten wiedergefunden worden sind. Alle vier Arten sind fremdartige Erscheinungen unter den Süsswasser-Copepoden und zeigen mehr oder minder deutlich ausgeprägt den Typus mariner Thiere. Die Fauna der Gewässer der Colberger Heide sowohl, als die der Salzseen von Algier ist aber, wie durch das Auftreten von Süsswasser-Ostracoden und Cladoceren sieh ergiebt, keine marine, sondern eine typische Süsswasser-Fauna.

Da mir von den beiden neuen Genera nur je eine Spezies bekannt geworden ist, so muss ich wegen der Un- möglichkeit, die Artcharaktere von denen der Gattung ZU sondern, in nachfolgendem auf die Aufstellung von Gattung®“ diagnosen verzichten. Die Berechtigung der neuen Gattungen werde ich darzuthun versuchen, sobald ich ltickenlose Be schreibungen und zuverlässige Abbildungen der neuen Arte veröffentlichen kann. Aus den nachfolgenden kurzen Dia- gnosen dürfte sich dies allerdings schon ergeben.

*) BLANCHARD und RıcHAarn, Faune des lacs sales nz Cladoc. et Copep. Mem. de la Soe. Zool. de France. © p. 526—529, Taf. VI, Fig. 1—15,

Von Dr. 0. Scuaeir. 347

Nitoera simplex n. sp.

Vorderleib nur um ein geringes breiter als der Hinterleib, Körper deshalb sehr schlank. Hinterrand des letzten Cephalothoraxsegments und alle Hinterränder der Abdominal- ringe*) mit Ausnahme ihrer mittleren dorsalen Partien mit Dornen besetzt. Laterale und dorsale Dornen (besonders die des letzten Segments) grösser als die ventralen. Erstes Abdoninalsegment auf der Rückenseite mit einer Querfalte, über welcher eine ebenfalls in der Mitte unterbrochene Dornenreihe zu beobachten ist. Genitaloperkulum () mit zwei fast gleich kurzen Borsten. Analoperkulum mit (ca. 8) kräftigen Dornen.

Furka in beiden Geschlechtern gleich, wenig länger als breit, rechteckig; am Aussenrande, nahe dem apikalen Ende, mit zwei Borsten und einigen kleinen Dornen; Apikal- bewehrung wie bei N. hibernica**).

Vorderantennen achtgliedrig; die des Weibchens genau wie bei N. hibernica; die des Männchens ebenfalls schlank, vorletztes Segment derselben aber am Aussenrande mit perlartigen Cutieularverdiekungen.

Nebenast der Hinterantennen wie bei genannter Art.

Innenäste aller Schwimmfusspaare dreigliedrig. Der des ersten Paares nur sehr wenig länger als sein Aussen- at; bei weitem nicht in dem Masse zum Greiffusse um- sebildet als bei den anderen Arten. Das erste Segment desselben viel breiter und nur wenig länger als die beiden anderen, unter sich fast gleich langen Glieder. Drittes Innenastglied des zweiten Paares***) am Ende mit einem

one und einer Borste und mit einer Innenrandborste. Die Wwehrung der Innenäste der beiden folgenden Paare

gleich: das dritte Glied am Ende je mit einem Dorn und zwei rn

*) Natürlich mit Ausnahme des ventralen Randes des ersten Segments beim Männchen, bi ””) ef. SCHMEIL, Deutschl. freil. Süssw.-Copep. Theil I, p. 78 * 4, Taf. VII, Fig. 1-16. u *) Die Angaben über die Bewehrung dieses und der folgenden d “immfusspaare beziehen sich nur auf das Weibehen, da der Ban = entsprechenden männlichen Füsse noch nicht sicher festgestellt e.

erden konnt

348 Einige neue Harpactieiden-Formen des Sisswassers.

Borsten und mit je zwei Innenrandborsten. Die Aussenäste des zweiten bis vierten Paares gleich bewehrt: am Ende ihrer dritten Glieder und an den Innenrändern mit je zwei Borsten. Der Dorn am zweiten Basalsegmente des ersten Paares nicht wie bei den übrigen Arten modifieirt. Fünfter Fuss des Weibehens: Innenpartie des ersten Segments breit und nur etwa bis zur Mitte des zweiten Gliedes reichend, Unterrand derselben abgerundet mit fünf Borsten, welche, nach ihrer Länge geordnet, so auf ein- ander folgen: 2, 1, 4, 3, 5. Die beiden ersten gewöhnliche Borsten, die drei anderen scheinen ähnlich modifieirt zu sein wie bei N. hibernica. Das zweite Glied breit, nach dem Ende verschmälert, an der Spitze und dem letzten Drittel des Aussenrandes mit sechs Borsten von verschiedener Länge und Stärke. Fünfter Fuss des Männchens: Innenpartie des ersten Segments (wohl nur) mit zwei Borsten*). Endglied auch am Innenrande mit einer Borste. Eiballen bis über das Ende der Furka reichend. Grösse: @ ca. 0,5 mm.

Apsteinia rapiens n. g. D. SP- |

Körper schlank. Rostrum bildet eine breite, kurze | Platte. Hinterränder aller Abdominalsegmente auf der | Bauchseite mit je einer Reihe Dornen. Beim Männchen sind alle Dornen von gleicher Länge; beim Weibchen sind 4 die seitlichen grösser als die übrigen. Analklapp® u beim Männchen mit einigen langen Dornen; Genitalklappe desselben ohne Anhänge. ss Furka kurz, so lang wie breit; die äussere apikale Ecke 3 abgerundet. In der Mitte des Aussenrandes zwei BO Ä eine grössere und eine kleinere, und einige (3—#) Dornen. Am Innenrande einige Dornen. Apikalbewehrung 6 wie bei der Mehrzahl der Canthocamptus-Arten. : _ Vorderantennen siebengliedrig. Nebenast der Einer antennen stabförmig, eingliedrig. Mandibulartaster e# RE tich, da ich

*) Genaue Angaben zu machen, ist mir nicht = nur ein einziges männliches Exemplar untersuchen konnte. u

> Pte ee a tn ee ie

Von Dr. O. ScHumeit, 349

gliedrig, nach innen gerichtet, mit drei Borsten an der äusseren und einer Borste an der inneren apikalen Ecke. Erstes Paar der Schwimmfüsse in beiden Geschlechtern übereinstimmend. Innenast dreigliedrig. Erstes Glied des- selben so lang als der kurze, dreigliedrige Aussenast; das zweite und dritte Glied gleich lang, viel kürzer als das erste. Das zweite bis vierte Paar beim Weibchen fast gleich gebildet. Innenäste zweigliedrig. Innenast des zweiten Paares etwa so lang als die beiden ersten Aussenastseg- mente; Innenast des dritten Paares kürzer; der des vierten nur noch wenig länger als das erste Aussenastsegment. Bewehrung überall gleich: das erste Glied mit einer Innen- Tandborste; das zweite am apikalen Ende mit einem Dorne und zwei Borsten, am Innenrand mit zwei Borsten. Aussenast des zweiten männlichen Fusses wie beim Weibehen*). Aussenast des dritten dagegen zum Greiffuss umgebildet; alle Glieder stark verbreitert; das Endglied nach innen gerichtet, die äussere der beiden Apikalborsten zu einem starken Dorn umgewandelt. Der Innenast des- selben besteht aus drei fast gleich langen Gliedern; das erste und zweite mit je einer Innenrandborste, das dritte nit zwei Apikalborsten. Viertes Fusspaar des Männchens "ie beim Weibchen; dem ersten Segmente des Innenastes aber fehlt die Innenrandborste, dem zweiten eine der beiden des weiblichen Fusses. Fünftes Fusspaar: Beim Weibchen ist die Innenpartie

je ersten Segments stark verlängert (überragt das zweite IR am

ed beträchtlich), dreieckig, am Aussenrande mit einer, e mit zwei, und am Innenrande mit drei Borsten bewehrt

eg Hinsichtlich ihrer Längen nehmen diese Borsten Olgende Ordnung ein: 3, 2, 4, 1 und 5, 6. Zweites Seg- _% mit zwei Aussenrand- und drei Apikalborsten, von *elcher die mittlere die längste aller ist.

8 cn Männchen ist die Innenpartie des ersten Segments en venlg verlängert und mit einer Borste und zwei sehr ER

) Ueber den Innenast dieses Fusses kann ich keine Angabe . ü, da ich ihn nur stark verletzt gesehen habe,

350 Einige neue Harpactieiden-Formen des Süsswassers.

starken Dornen, von welchen der äussere der grössere ist, bewehrt. Endglied klein; am Ende mit zwei kräftigen Dornen und einer zarten, auf einem kegelförmigen Vor- sprunge zwischen beiden inserirten Borste und einer Innen- randborste bewehrt.

Grösse: ca. 0,5 mm.

Wolterstorffia confluens n. g. n. 8p.

Körper nach hinten stark verschmälert. Unterseite des Abdomens mit vielen Reihen zarter Haare. Furka lang, be- sonders im männlichen Geschlecht. Die äussere und mittlere Apikalborste derselben im Basalabschnitte mit einander ver- schmolzen. Vorderantennen sechsgliedrig. Nebenast der Hinterantennen zu einer Borste redueirt. Mandibel an der unteren apikalen Ecke mit einem hyalinen, flächenhaften Anhange, der in zwei borstenförmige Fortsätze ausläuft. Mandibularpalpus klein, eingliedrig. Maxillen und die beiden Maxillarfüsse zeigen den Typus von Canthocamptus. Erstes Schwimmfusspaar in beiden Geschlechtern gleich. Die anderen Paare des Männchens viel grösser und stärker ge baut als beim Weibchen. Innenäste aller Paare zweigliedrig; am ersten Paare an Länge fast gleich dem Aussenaste, al den anderen viel kürzer als derselbe. Zahl und Form der Anhänge an den einzelnen Paaren meist sehr verschieden. Die beiden Segmente des normalen Harpactieiden- Fusses des fünften Paares eng mit einander verschmolzen. (Fünfter Fuss also eingliedrig.)

Grösse: 0,65 —0,75 mm.

Zur Bestimmung der 12 Edelsteine am Amtsschild des Hohenpriesters. Von Dr. Edm. Veckenstedt.

Halle a. S.

Wie mich meine Eddastudien zu dem Honigthau und dieser zur Bleifliege und damit zur Mannaeicade geführt haben, so wurden mir meine Forschungen über die Paradies- bäume Veranlassung, den Stein Schoham, welcher im Jahve- Elobim-Bericht erwähnt wird, nachzuspüren. Es fiel mir auf, dass Kaurzscn den Stein überhaupt nicht tber- setzt, F. Lexormant, der bekannte Assyrologe, in seinem Werke Les Origines de l’Histoire davon ganz verschiedene Deutungen giebt. Indem ich mich nach Mitteln umsah, den Stein Schoham näher zu bestimmen, schienen mir dieselben In 2. Mos. Kap. 28 und Kap. 39 gegeben.

Es werden dort nämlich 12 edle Steine aufgezählt an dem Amtsschild, oder wie andere Gelehrte unklar tber- setzen, an der Orakeltasche des Hohenpriesters. Hier habe ich nun zu bemerken, dass in der Uebersetzung und Bezeichnung dieser Edelsteine von der Septuaginta bis zu UTHER, Kaurzschn und der Probebibel eine Einstimmung nieht vorhanden ist, dass Kaurzsch auch hier den Stein Schoham nicht übersetzt, Luruer, Mever, Str, die Probe- Bibel den Diamant haben, welcher gar nicht am Amts- schild gewesen sein kann, da man denselben in den alten Und ältesten Zeiten nicht geschnitten hat, während alle "Wölf Steine geschnitten waren.

i Somit ergiebt sich als erster Grundsatz für die Be- stimmung der Steine, dass es sich nur um solche handeln un, welche der Steinschneider zu behandeln vermocht.

352 Zur Bestim. d. 12 Edelsteine am Amtsschild d. Hohenpriesters.

Das Steinschneiden führt uns aber in Aegypten zu jenen frühen Zeiten zurück, dass nichts dem entgegensteht, nicht anzunehmen, dass wenigstens zur Zeit des. König Salomo die Steine den Amtsschild zu zieren vermocht, während einige Gelehrte uns in Bezug auf den Bericht in spätere Zeiten herabführen, da sie die Abfassung des Priester- codexes und. somit des Berichtes Moses 2, Kap. 28 und 39 der Zeit des 9.—5. Jahrhunderts überweisen, ohne dafür jedoch wirkliche Beweisgründe anzuführen.

Sodann vermag man für die Bestimmung der 12 edlen Steine einige Beweise der Sprache zu entnehmen, denn wenn das Ebräische selbst von dem Stein Saphir und Jaschpah spricht, so ist der Saphir der Alten und der Jaspis gegeben, und es ist unverständlich, wie hier Kaurzsch wieder der Septuaginta allein folgt und Jasch- pah mit Onyx übersetzt, da doch die Septuaginta neben allen Vorzügen auch schwere Ungenauigkeiten aufweist, wie die Lutherübersetzung, hervorgegangen aus Unkenntniss und Neigung zur Verhüllung oder Wandlung des Urtextes.

Aber es schien mir noch ein drittes Moment zur Be- stimmung der Steine erforderlich, und dieses glaube ich in der Farbensymbolik gefunden zu haben. Durch mein Studium der Einzelheiten der katholischen Kirche bin ieh der Ueberzeugung geworden, dass, wie in der katholischen Kirche die Symbolik die tiefere Bedeutung von Form un Farbe erschliesst, auch die alte ebräische Kirche die Symbolik als herrschendes Gesetz gekannt und geübt hat, wie das alte Aegypten in seinen kirchlichen Heiligthtimern und den Attributen des Herrschers und deren Anwendung

roth, mit dem Blau-, Dunkelblau- und Violettschimmer, ®° bin ich zu der Ueberzeugung gelangt, dass die Edelstein® en in den Farbenabstufungen von orange oder hellroth be violett zu suchen sind. ne

Von Dr. Epm. VECKENSTEDT, 353

Ist hier nicht die Stelle, die Symbolik der Farben näher zu bestimmen, so gehe ich nun sofort an die Wahl der Steine, indem ich bemerke, dass ich nach Aufstellung meines Prineipes der Bestimmung der Steine mieh zu unserem Rabbiner begab, Herrn Dr. FessLer, weleher nicht nur die Berechtigung dieser Anschauung sofort erkannte, sondern auch mir mit allen Mitteln der semitischen Ueberlieferung und Philologie behilflich war, die Wahl richtig zu treffen.

So ergab sich uns denn, da ich den Fehler der Septua- ginta berührt, dass das Aramäische für die Bestimmung der edlen Steine neben dem Urtext die besten Hülfsmittel bietet.

Und nun gehe ich auf die zwölf edlen Steine selbst näher ein, allerdings nur in der Weise, dass ich die Er- gebnisse meiner Forschungen gebe, die entsprechende ein- gehendere Behandlung aber für eine Arbeit vorbehalte, welche ich tiber die Paradiesbäume und ihre angeblichen Eben- bilder bei den Chaldäern, Persern, Indern, Griechen, Nord- sermanen und Norddeutschen in Kurzem veröffentlichen werde.

Die Steine zerfallen in 4 Reihen, jede Reihe hat 3 Steine.

In Reihe 1 finden wir Odem, Piteda, Bareketh, wo- für sich die Steine Sarder, Topas, Smaragd setzen lassen. Ist Odem roth, so hebt Prmswws die rothe Farbe des indischen Sard besonders hervor, während AGATHARCHIDES ron der lieblichen Goldfarbe des Topases berichtet. Da Nun das Aramäische bei Piteda nicht nur auf grün hin- weist, sondern auch auf gelb, als Farbe der Gelbsucht, so lässt, sich die Wahl des Topases an dieser Stelle sehr wohl begründen. Haben sich uns bis jetzt die Farben roth Und orange der edlen Steine ergeben, so würden wir nun "ach dem Blau als Sehiller- und Purpurfarbe auszuseben das Recht haben, was der Smaragd zu bieten vermag, denn *8 redet uns Diodorus Sieulus von dem Smaragd in den

gängen, mit der Farbe des Himmels. Die zweite Reibe bietet Nophech, Saphir, Jahalom. Da der Saphir der Alten unserem Lapis lazuli entspricht, welches Wort dem Arabischen entstammt und auf die Farbe Himmels hinweist, so ist über diesen Stein ein Zweifel TOOANAE 1, Yaturwisn.; Ba. 61, 108. 23

354 Zur Bestimm.d. 12 Edelsteine am Amtsschilde d, Hohenpriesters.

nicht wohl angebracht. Führt uns Jahalom wieder zu einer Schillerfarbe, entspricht der sonstigen semitischen Bezeichnung des Jahalom, also Kaschalong, der Sardonyx, so werden wir auch von Seiten der Farbensymbolik aus den Sardonyx zu setzen vermögen, welcher in seinen rothen und braunrothen Lagen nicht nur die Grundfarben des Purpurs, sondern auch der Schillerfarben bietet, da er von dem Rothen zum Braunrothen hinüberschillert.

. Bei Nophech ist durch das Ebräische die Möglichkeit geboten, zu der Farbe zu gelangen, welche mit Schminke belegte Augenbrauen umspielt, danach zu Roth, bei dunklem Untergrund. Nun hat der Karfunkel, oder lateinisch Carbunculus, griechisch Anthrax, unser Rubin, seine Be- zeichnung davon, dass gleichsam aus der schwarzen Kohle der rothe Feuerfunke herausschlägt, welcher dem Karmesin entspricht in seinen Beziehungen zu der Grundfarbe roth.

Demnach hat die zweite Reihe der Edelsteine die Farben karmesin, himmelblau, mit Goldpünktchen, rothbraun.

In Reihe 3 finden wir die edlen Steine Leschem, Schebo, Ahlama.

Von diesen 3 Steinen weist die Verknüpfung von Zaubern und Zauberwesen mit Ahlama auf denjenigen Stein hin, welcher den Alten ganz besonders als ein Stein voll über- natürlicher Kraft gilt, indem er durch die ihm innewohnende Macht die Kraft des Zaubers bricht. Somit schmückt denn der Amethyst in tiefsinniger Symbolik nicht nur den Ring des Bischofs, sondern auch den Amtsschild des hohen Priesters-

Hat Herr Dr. Fessrer bei Stein Schebo Neigung, sich für den Türkis zu entscheiden, so muss ich darauf bin- weisen, dass die Septuaginta wie ihre Uebersetzer oder Abschreiber den Achat haben, denn Josephus, de? hier scheinbar abweicht, bietet, wie in Reihe 2 und 4 = Steine nur in anderer Ordnung, so dass er den Achat n Amethyst in gewandelter Stellung bringt. Was die - scheidung nach der Farbe für den Türkis zu bestimmen z mag, das wirft sich auch für den Achat in die Wagsch a da der Türkis der Alten eben der Chrysolith ist, et lith aber, wie sein Name bezeugt, nur in den Farben"

Von Dr. Epm. VECKENSTEDT. 355

stufungen von gelbroth zu roth anzunehmen ist, der Achat aber nach seinen Lagen von Chalcedon, Jaspis und Horn- blende die Farben von gelb zu gelbroth und braunroth er- möglicht.

Für die Bestimmung von Stein 1 in Reihe 3 ist es Herrn Dr. Fesster und mir bis jetzt nicht möglich ge- wesen, andere überzeugende Beweise für die Wahl des Steines zu finden, als diejenigen etwa sind, welche die Farbensymbolik anzunehmen erlaubt. Haben wir bis jetzt die Farben und Farbenabstufungen violett, und da wir auf Türkis-Chrysolith zu verzichten haben, wie wir sogleich sehen werden, braunroth, rothgelb, so würde als dritte Farbe orange Einstimmung gewähren, wie sie der Stein Ligyrion bietet, der Lynkurer oder gelbrothe Hyaeinth.

Reihe 4 hat die Steine Tharschisch, Schoham, Jaschpah.

Führt uns das Aramäische bei dem Stein Tharschisch zu dem Meere und damit zu dessen Farbe, welche der Südländer gern mit der Bezeichnung purpur belegt, wäh- rend wir von der grünen Farbe des Meeres sprechen, wenn düstere Wolken den Himmel bedeeken und der Sturm in den Fluthen wühlt, von dem Blau des Meeres aber dann, wenn es ruhig im Sonnenschein daliegt, von dem Gelb- roth aber, welches wir auf der Höhe der leicht bewegten Fluth erblicken, wenn die Sonne ihre goldenen Strahlen darauf herniedergiesst, so glauben unsere Uebersetzer wegen des lautlichen Anklangs von Türkis und Thar- schisch für den Türkis sich entscheiden zu sollen, also für ünseren Chrysolith, wenn sie nicht einfach die Septuaginta Sedankenlos abgeschrieben haben. Da nun aber auch das Aramäische unseren Chrysolith, den Tüskis der Alten, nzunehmen erlaubt, welcher nieht nur grün gefunden wird, sondern auch gelb und hinüberschillernd bis zu dem

Taunen, 80 werden auch wir nach unseren Grundsätzen bei der Auswahl der edlen Steine den Chrysolith zu setzen keine lebhaften Bedenken tragen.

Für Stein 2 hat das Aramäische den Beryli. Von dem Beryli wissen wir, dass derselbe in Aegypten gefunden "ird, und zwar der edle, durchsichtige, dass sein Haupt-

fundort aber nach Prinivs Indien ist. i 2 *

356 Zur Bestimm. d. 12 Edelsteine ete. Von Dr. VECKENSTEDT.

Der Stein Schoham ist derjenige, weleher den Namen des Joseph trägt, also es ist der Stein dieses Stammes.

Noch immer ist Ophir, wohin König Salomo seine Schiffe mit dem befreundeten Hiram sandte, am wahrschein- lichsten in Indien zu suchen, indische Waaren und sicher auch edle Steine aus Indien kennen zu lernen hatten die Israeliten in Aegypten, ebenso wie die edlen Steine Aegyptens, mebr als vorübergehend Gelegenheit, um zu wissen, dass der Beryll nicht nur in Aegypten gefunden wird, sondern auch, dass der Hauptfundort dieses edlen Steines Indien ist.

Somit glaube ich mit jenem Recht, welches die ruhig wägende Forschung auszuüben erlaubt, sagen zu können, dass wir über Lexormants Ueberfluss von Uebersetzungen des Steines Schoham mit derselben Ruhe hinwegschreiten dürfen, wie über die Verlegenheit von Kaurzscn, welcher von den zwölf Steinen wie bemerkt, elf nicht nach dem Ebräischen, sondern nach der Septuaginta übersetzt, den Stein Schoham überhaupt nicht, also auch nieht einmal nach der Septuaginta.

Ist der Stein Jaschpah schon den Lauten nach der Jaspis, so weist das Aramäische auf die Abart desselben, den Pantherstein hin, mit seiner Farbengluth, in den Ab- stufungen von gelbroth bis braun. Demnach ist es nieht zu verstehen, dass Kautzsch auch hier die Septuaginta ab- schreibt und statt des Jaspis den Onyx setzt, welchen unsere Bücher als einen Stein mit grauen oder mit schwärz- lichen Lagen oder mit schwarzen und weissen Lagen angeben.

Somit haben wir die Farben und Farbenabstufungen goldgelb, gelblich bis braun, und braungelb bis blutroth.

Ob mit dieser Arbeit bereits alle Steine als genau be- stimmt gelten können, das muss ich der Zukunft anheim geben, sicher aber erscheint mir das Ergebniss dieser Untersuchung, dass wir die Möglichkeit gewonnen haben, zu wissen, welche Steine auszuschliessen, welche mit Be- stimmtheit, welchemithoher Wahrscheinlichkeit zusetzen sin

Ueber das System der Pflanzen. Von Dr. Erwin Schulze.

In der von F. Pax bearbeiteten neunten Auflage von Prantr’s Lehrbuch der Botanik (Leipzig, EnseLmann, 1894) S. 133—134 ist der systematischen Uebersicht des Pflänzen- reiches folgendes System zu Grunde gelegt, „weil die hier gegebene Eintheilung dem gegenwärtigen Stande der Morphologie und Verwandtschaftslehre am besten zu ent- sprechen scheint“:

1. Abth. MYXOMYCETEN. 2. Abth. THALLOPHYTEN. 1. Kl. Schizophyten. 2. Kl. Peridineen. 3. Kl. Baeillariaceen. 4. Kl. Algen. 5. Kl. Fungi. 3. Abth. ARCHEGONIATEN. t. Kl. Bryophyten. 1. Unterkl. Hepaticae. 2. Unterkl. Musei. 2. Kl. Pteridophyten. 1. Unterkl. Filieinen. 2. Unterkl. Equisetinen. 3. Unterkl. Lyeopodinen. 4. Abth. PHANEROGAMAE, 1. Kl. Gymnospermen. 1. Unterkl. Cycadeen. 2. Unterkl. Coniferen. 3. Unterkl. me. 2. Kl. Angiosperm 3. Unterkl. Monchstziedentt. 2. Unterkl. Dikotyledonen.

358 Ueber das System der Pflanzen.

Die Myxomyceten sind hier offenbar deshalb von den Thallophyten abgesondert und als besondere Hauptabthei- lung aufgestellt, weil der Begriff des Thallus sich nicht wohl auf das Plasmodium derselben anwenden lässt. Eben- sowenig lässt er sich aber auf manche „Thallophyten“, nämlich auf die einzelligen Pflanzen und auf die in Stamm und Blätter gegliederten Characeen anwenden, während er auch auf manche nicht zu den „Thallophyten” gehörige Pflanzen, nämlich auf die frondosen Lebermoose und sogar auf einige Samenpflanzen, z. B. Lemma, passt. Unter diesen Umständen dürfte es sich empfehlen, den Namen Thallophyta nicht mehr zur Bezeichnung einer systematischen Hauptabtheilung zu verwenden, sondern nur noch als morphologisches Prädikat für die nicht in Stamm und Blätter gegliederten (mehrzelligen) Pflanzen beizubehalten. Solche Widersprüche zwischen Wortsinn und systematischer Bedeutung haften den Namen „Mycophyta“ und „Phyeo- phyta® nicht an, die, weil sie kein bestimmtes Merkmal angeben, auf alle Pflanzen passen, die man damit be- zeichnen will, also auch auf die vielgestaltigen Abtheil- ungen der pilzartigen und der algenartigen Pflanzen, für die es einen charakterisirenden Namen nicht geben kann, weil sie kein Merkmal haben, das allen Gliedern gemein- sam wäre.

Die Abtheilung der Archegoniaten erscheint durch den Besitz des Archegoniums nicht hinreichend charakterisirt, da dies Organ auch bei den Gymnospermen deutlich und bei den Angiospermen als Eiapparat rudimentär vor handen ist und bei den Tballophyten sein Homologon in dem Oogonium hat. Deshalb und wegen des sehr ver- schiedenen Verhaltens beztglich des embryonalen Gene rationswechsels erscheint es rathsam, die Bryophyten un die Pteridophyten nicht als blosse Klassen in einer Haupt- abtheilung der Archegoniaten zusammen zu fassen, sondern jede der beiden Gruppen als besonderes Phylum ee zu lassen, wie es ja auch die meisten Systematike" thun. Dadurch wird es auch vermieden, dass so wesentlie verschiedene Pflanzentypen wie die Filicinen, Equisetinet

Von Du ERWIN SCHULZE, 359

und Lycopodinen durch das Schema des Systems auf den Rang von Unterklassen herabgedrückt werden.

Ueber das Verhältniss der Gymnospermen zu den Pteridophyten urtheilt K. Gozseı, (Specielle Pflanzenmorpho- logie, Leipzig, EnseLmann, 1882, p. 1): „Es würde unsern heutigen Anschauungen ebensogut und vielleicht noch besser entsprechen, die Gymnospermen [anstatt sie mit den Angio- spermen zu einer Abtheilung der Samenpflanzen zu ver- einigen) einfach den Gefässkryptogamen anzureihen, mit denen sie, die Samenbildung und die Art und Weise der Befruchtung (durch Pollenschläuche, nicht durch Sperma- tozoiden) ausgenommen, alle charakteristischen Merkmale gemeinsam haben; vor allem die Art und Weise der ge- schlechtlichen Fortpflanzung ist der Hauptsache nach bei beiden dieselbe.“ Der durch die Art der Befruchtung und durch die Samenbildung bedingte Unterschied von den Farnpflanzen lässt es jedoch angemessen erscheinen, die Gymnospermen nicht einfach den Pteridophyten einzuordnen, sondern als besonderes Phylum zwischen den Pteridophyten und den Angiospermen einzuschalten.

An die Gymnospermen schliessen sich von den Angiospermen die Dikotylen durch die Zahl der Keim- blätter und durch Uebereinstimmung in der Gewebebildung (durch das Verhalten derBlattspurstränge, Borkebildung u.a.) zunächst an, so dass die Monokotylen die letzte Klasse im Systeme bilden.

Um die Benennung der Phylen so weit als thunlich gleichförmig zu machen, könnte man den Namen „Angio- Spermae“ durch den gleichbedeutenden Namen „Carpo- Phyta“ ersetzen,

Die nachstehende Anordnung der Pflanzen in 6 Phylen wit 24 Klassen besitzt wohl gegenüber dem Prantz - Pax’- schen Systeme bei gleicher Harmonie mit den That- sachen der Morphologie, den Vorzug einfacherer Gliede- "ing und somit grösserer Uebersichtlichkeit.

1. ph. MYCOPHYTA. 1. Kl. Myxomycetes. 2. Kl. Schistomycetes. 3. Kl. Phycomycetes.

360 Ueber das System der Pflanzen.« Von Dr. Erwin SCHULZE.

4. Kl. Mesomycetes.

5. Kl. Ascomycetes. 6. Kl. Basidiomy cetes.

ph. PHYCOPHYTA. 7. Kl. Schistophyceae. 8. Kl. Peridinea.

9. Kl. Diatomaceae.

10. Kl. Conjugatae.

11. Kl. Chlorophyceae.

12. Kl. Characeae.

13. Kl. Phaeophyceae.

14. Kl. Rhodophyceae.

. ph. BRYOPHYTA. 15. Kl. Hepaticae.

16. Kl. Musei.

. ph. PTERIDOPHYTA. IU.RL Goniopteriden. 18. Kl. Bryopte

19. Kl. Phyilopterides.

5. ph. GYMNOSPERMAE. 20. Kl. Cycadaceae. 21. Kl. Coniferae.

22. Kl. Gnetaceae.

ph. CARPOPHYTA.

23. Kl. Dieotylae.

24. Kl. Monocotylae.

Die Klassen 1—14 kann man als Haplophyta, (wegen der bei ihnen in mehreren Abstufungen = tretenden embryonalen Generation) als Embryopbyta, 15 bis 19 als Diphyophyta oder Digenneophyta (mit Bezu& auf. die zwei verschiedenen Generationen), 20-24 ala Spermophyta zusammenfassen, die Klassen 1724 als Rhizophyta oder Angiophyta (Wurzelpflanzen oder Gefäss pflanzen). Die Myxomyceten sind nach dem Urtheile neuerer Mycologen von den pilzartigen Pflanzen abzu sondern; sie bilden.danaech ein eigenes. > „Moophyta

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1524

Mleinere Mittheilung en.

Mathematik und Astronomie,

Nene Riesen-Fernrohre. Das Riesen-Fernrohr der neuen Sternwarte in Chicago (vergl. die Mittheilung auf Seite 111 dieses Bandes), das mit seinem Objektiv- ‚durehmesser von 1,16 m (40 engl. Zoll) das Fernrohr der Lieksternwarte um 101 mm übertrifft, wird nun auch bald überholt sein. Den neuesten Nachrichten zufolge, soll in P ittsburgh ein noch grösseres Fernrohr aufgestellt werden, welches einen Objektivdurchmesser von 1,27 m (50 engl. Zoll) erhalten soll, nachdem sich zwei Herren, Axprew Carseeıe und H. Purers jun, gefunden haben, welche die Kosten, die über 60000 Mark betragen, decken wollen. Die Anfertigung wird dem berühmten optischen Institut von BRASHEAR in Pittsburgh übertragen werden. Aber auch in Deutschland rührt man sich jetzt und wird vielleicht in kürzester Zeit die amerikanischen Leistungen überflügelt "aben. Wie Dr. Arcuksuorn aus Berlin auf der dies- Jährigen Naturforscherversammlung in Wien mittheilte, sollen, da die finanziellen Schwierigkeiten nunmehr als ge-

oben zu bezeichnen sind, zwei Riesenfernrohre für Berlin . gebaut werden, von denen das eine ein Objektiv von 44 Zeil (1,15 m), das andere ein solches von 50 Zoll (1,37 m) besitzen wird, während die Brennweite bei dem ersteren ‘a8 vier- bis fünffache, bei letzterem das Dreissigfache be- tragen soll. Die berühmte Jenenser Glasfabrik Schott und Genossen hat sich seit einiger Zeit für die Herstellung von Gläsern riesiger Dimensionen eingerichtet, und es ist geglückt, Scheiben zu erzeugen, welche die nöthigen Dimensionen besitzen. So sind gegenwärtig 10 Scheiben

362 Kleinere Mittheilungen.

vollendet, deren Durchmesser zwischen 1,26 m und 1,37 m schwanken. Um die Kosten der Kuppel herabzudrücken, hat Dr. ArcHExHoLD eine ganz neue Construction erdacht, die er ebenfalls in Wien den Fachgenossen erläutert hat.

Die Helligkeit des verfinsterten Mondes. Auf der jährigen Naturforschery lung entwickelte Professor Dr. Joser v. HeppeRGER auf Grund der von Herrn Prof. G. MüLLeR ausgeführten spektralphotometrischen Messungen der Strahlung der Sonne bei verschiedenen Zenithdistanzen eine Formel für die Schwächung des Lichtes beim Durch- tritte durch die Atmosphäre und zeigte, wie sich hieraus die Intensität der Beleuchtung für irgend einen Punkt im gegebenen Abstande vom Schattencentrum bestimmen lässt. Ein Vergleich der von Professor Sararık gelegentlich der Finsternisse vom 23. August 1877 und vom 15. November 1891 geschätzten Helligkeit der Mondscheibe mit der theoretisch bestimmten Helligkeit lieferte eine be- friedigende Uebereinstimmung.

Die Strahlung der Sonne. Ueber die seitens der Erde von der Sonne empfangene Wärme haben HoupaiıE und SimicHon seit 11 Jahren regelmässige Beobachtungen angestellt, aus denen sich ergab, dass die Strablung im Dezember am schwächsten ist. Sie nimmt von da be ständig zu, um im Monat April ein Haupt-Maximum zu €" reichen, vermindert sich dann und kommt in den Monaten Juni und Juli zu Werthen, die kaum höher sind, als die- jenige des März. Im August nimmt sie noch mehr ab, um dann regelmässig bis zum Dezember zu sinken. Man sieht, wie abweichend das Bild vom Gange der Lufttemperatur ist, die durch andere Faktoren heherrscht wird, besonders hervorzuheben würde dabei sein die veränderte Stellung der Sonne zum Horizont; im Sommer fallen die Strahlen senkrechter auf, es werden daher die gleichen Flächen von einer grösseren Anzahl von Strahlen getroffen, und sie erfahren daher eine höhere Erwärmung.

Kleinere Mittheilungen. 363

Chemie und Physik.

Directe Verwandlung elektrischer Energie in Lieht. Die neueren Versuche des berühmten Elektrikers Tesıa mit Strömen von sehr hoher Spannung erregen das grösste Interesse. TeszA arbeitet mit Wechselströmen von mehreren hunderttausend Volt Spannung und Millionen Wechsel pro Sekunde, wie wir im vorigen Bande auf Seite 391 eingehend mitgetheilt haben. Die Schwierigkeit, solche Ströme aus Strömen geringerer Spannung zu erzeugen, besteht darin, dass die hierzu nöthigen Transformatoren in einem vollständigen und nichtleitenden Dielektrieum arbeiten müssen. Die atmosphärische Luft ist hierzu untauglich, und Tesra hat daher seinen Apparat in Oel eingebettet, aus dem er durch Erhitzen auf hohe Temperaturen alle Lutt- blasen verdrängt.

Tesıa hat nun neuerdings Glühlampen hergestellt, die sich von den bisherigen dadurch unterscheiden, dass sie nur einen Zuleitungsdraht haben. Dieser endet innerhalb der luftleer gemachten Glasbirne in einer kleinen Kugel aus Kohle oder Rubin; der Strom ist also ungeschlossen, und dennoch wird das Kügelchen zum Glühen und Leuchten ge- bracht. Diese Lampen haben aber den Uebelstand, dass die Glühkörper durch die Wirkungen der raschen Schwing- "ngen in ihrem feinsten Bau fortwährend stark erschüttert \nd daher bald zerstäubt werden. Ja es konnten mittelst » dieser Elektrieitätserregung in luftleeren Röhren sowie sewöhnlichen Glühlampen ohne metallische Verbindung mit der Elektrieitätsquelle prächtige Lichtwirkungen hervor- gerufen werden: durch das kräftige elektromagnetische Feld werden isolirte Elektromotoren in Bewegung gesetzt. Der Kohlenfaden der Glühlampen, welcher bisher durch Seinen Leitungswiderstand zum Glühen gebracht wurde und °0 das Glühlicht erzeugte, ist überflüssig; Drähte und Netallstücke wie auch ein Vacuum leuchten in der Nähe der Blektrieitätsquelle ohne eigentliche Stromleitung.

Einen Universal-Elektrod; ter demonstrirte Professor ZiCKLER-Brünn auf der diesjährigen Natur-

364 Kleinere Mittheilungen.

forscherversammlung. Dieses elektrische Messinstrument ist ein Torsions-Elektrodynamometer, bei welchem die be- weglichen und festen Windungen aus mehreren Abtheilungen von verschiedenen Querschnitten und verschiedenen Wind- ungszahlen bestehen. Das bewegliche Gewinde dreht sich um eine vertikale Axe auf einer in Stein laufenden Stahl- spitze. Durch verschiedene, am Instrument vorzunehmende, einfache Schaltungen kann dasselbe als Strommesser (von 0,1—100 Ampere), als Spannungsmesser (je nach Vor- schaltewiderstand von 5—600 Volt) oder als Energiemesser (bis 100 A. >< 500 V. = 50000 Watt) sowohl bei Gleichstrom, als auch bei Wechselstrom benutzt werden.

Ein neues Halbschattenprinzip hat Professor Dr. Lummer - Charlottenburg in Wien auf der diesjährigen Naturf.-Versammlung in seinem Vortrage über die Bedeutung der Photometrie bei den Halbschattenapparaten entwickelt. Bringt man zwischen die Fernrohre eines Speetrometers ein totalreflectirendes Prisma, dessen Hypothesenfläche theil- weise versilbert ist, bringt Nicor/sche Prismen vor den Spalt des Collimators und vor den Oeularspalt, so bilden die Silber- und Totalreflexionsfelder zwei Halbschattenfelder. Hierdurch wird das bei den bisherigen Apparaten übliche kostspielige grosse Objeetivnicol vermieden.

Die direkte Umwandlung der chemischen Energie der Kohle in elektrische. Die Dampfmaschine gestattet nUF eine geringe Ausnutzung der chemischen Energie der Kohle. Nur 10 Prozent derselben sind dabei in mechanische Energie überführbar. Es ist daher schon lange in der Technik der Wunsch nach einer billigeren Energiequelle rege geworden und eine ganze Anzahl von Vorschlägen sind gemacht worden, um dieses Ziel zu erreichen. E

Dahin gehört z.B. die Einführung der Gaskraftmaschine, die sehr gute Resultate geben. 2

Neuerdiugs ist nun von Prof. OstwaLo in Leipzig ee ; rauf hingewiesen worden, dass vielleieht die Eleetroehemi® n im Stande sein würde, die grosse Aufgabe, billige knergi® =

Kleinere Mittheilungen. 365

zu beschaffen, zu lösen und zwar mit Hilfe eines Elementes, welches gestattet, mit Hilfe von Luft-Sauerstoff und Kohle elektrische Energie zu erzeugen.

Auf der ersten Versammlung der Deutschen elektro- chemischen Gesellschaft (Nov. 94) konnte Dr.W. Borchers eine Anzahl von Versuchen mittheilen, die er in dieser Richtung unternommen hat und die für den Anfang recht erfreuliche Resultate ergeben haben.

Er hat eine Gaskette konstruirt aus Kohlenoxyd, einer sauren Lösung von Kupferchlorür und Luft. Dabei gehen folgende Reactionen vor:

D) An dem CO-Pol:

2Cu Ci + CO = Cu, Cl, CO

Cu, C, CO +H,0=2Cu+2HCl +C0O,

II) An dem Luft-Pol: - 2CuC1+0+2HC1l=2CuCl,, +H,0

Die Reaetionsprodukte von I und II reagiren nun mit ein- ander in folgender Weise:

2Cu+2Cul, =4CuCl Der Elektrolyt bleibt also bei diesem Element unverändert, das Kohlenoxyd wird in Kohlensäure übergeführt und die Energie, die bei diesem Vorgange frei wird, tritt wenigstens zum Theil in Form von Elektrieität auf. Borchers erhielt »wischen 26 und 38 Prozent der berechneten Energie. - Er verwendete nun nicht reines Kohlenoxyd, sondern *08. Generatorgas, ein Gemisch von Kohlenoxyd und Wasser- stoff, welches man erhält, wenn man Wasserdampf über glühende Kohlen bläst; ja selbst Leuchtgas, welches nur Ungefähr 4 Prozent CO enthält, liess sich mit Erfolg ver- werthen, Weniger günstig waren die Resultate bei An- Wendung von staubförmiger Kohle. Wenn diese Anordnung bei der technischen Verwerthung

*ne gleich gute Energieausbeute gestattet, so stehen wir

vor einer vollkommenen Umwälzung unserer Technik.

Dr. R. Schenck, Vereinssitzung am 6. Dez. 189.

Ueber ultraviolette Absorptions- und Emissions- Peetren. Regierungsrath Direktor J. M. Ian - Wien Se

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fehtete auf der

366 Kleinere Mittheilungen.

eine Reihe von Speetraluntersuchungen, die er in Gemein- schaft mit E. VArLEnta angestellt hatte. Es wurden Speetrumphotographien mittelst des Quarzspectrographen hergestellt, die Absorptionsspeetren der neuen optischen Jenenser Gläser, sowie von farbigen Glasflüssen bekannter Zusammensetzung studirt; letztere gehorchten der Kuxpt- schen Absorptionsregel. Von verschiedenen Elementen (Na, K, Li, Ca, Ba, Cd etc.) wurdeu Flammen-, Funken- und Bogenspectren untersucht, der Verlauf der Bunsen’schen Flammenreactionen im Ultraviolett ermittelt und über 200 Wellenlängenbestimmungen gemacht. Es ergaben sich Regel- mässigkeiten bezüglich der Emissionsspeetren bei steigender Temperatur. Die Mascarr ’schen, sowie Kayskr-RunGE- schen Numerirungen der Cadmiumlinien wurden reetifieirt. Ferner entdeckten sie ein neues Bandenspectrum des Queck- silbers und stellten dessen Linienspeetrum sicher. Da das Molekül des Quecksilberdampfes nur aus einem Atome besteht, so ergiebt sich aus jener Beobachtung die Unbalt- barkeit der Loxyer’schen Theorie der Bandenspeectren, die er dem Molekül zuschreibt; auch WUELLNER'S Theorie wird hiermit hinfällig. Die Bandenspectren sind vielmehr auch an Vibrationen der Atome, resp. deren Aetherhüllen ge bunden. Die diesbezüglichen Wellenlängenmessungen und heliographischen Speetrumphotographien sind in den Denk- schriften der Akademie der Wissenschaften in Wien publieirt- Sulfide des Phosphors. Nach einer Untersuchung von A. Herrr scheicen die bisher angenommenen Verbindungen P,S und P,S, nicht zu existiren. Von den Sulfiden P, Sy, P,S,, P,S,, P,S,, P,S, bildete sich das erste glatt beim Er- hitzen der abgewogenen Mengen von Schwefel und Phos- phor über 160°. Bei dem Versuche, das zweite ebenso zu erhalten, ergab sich ein Gemenge von P,S, mit PS Das dritte und das vierte Sulfid konnten wieder leicht wonnen werden. Demnach würden die Verbindunget P,S;, P,S,, P,S,, P,S, als existirend anzusehen sein, ne sich auch bei der Bestimmung der Dampfdichte bestätigt Zeitschr. f. phys. Chem. XI, 196, nach Jahrb. f. Naturw. 9. Jahrg.

Kleinere Mittheilungen. 367 Mineralogie und Geologie.

Neues Vorkommen von Eisenboraeit. In der Nähe von Roschwitz bei Bernburg findet sich über der Carnallit- Etage eine Ablagerung von Hart-Salzen, die sich aus Sylvin, Kieserit und Steinsalz zusammensetzen. Darüber folgt Anhydrit, in dessen Liegendem Butzen von Kainit, Caruallit und Kieserit vorkommen. In diesen Letzteren finden sich grüne Eisenboraeite in den Formen + Te- traöder, Würfel, Rhombendodeka&öder und Hexakiste- traöder 5 03

Prof. Lurpecke, Vereinssitzung am 8. Febr. 189.

Härtebestimmung der Minerale. Durch entsprechende Modification eines zuerst von Professor Dr. F. Tovra an- sewendeten Prineips der Härtebestimmung durch Schleifen, welche darin besteht, ein gegebenes Quantum Schleif- material auf einer ebenen Glas- oder Metallunterlage bis zur Unwirksamkeit zu zerreiben, gelangte Priv.-Doe. Rostwar-Wien dazu, zunächst für die Glieder der Mous’schen Härteskala neue Relativwerthe zu gewinnen. Als Ver- Sleichsmaassstab wählte Rosıwar die Härte des reinen Korunds, welche = 1000 gesetzt wurde, und gelangte so zu folgenden Zahlenwerthen:

10 Diamant 140000 9 Korund 1000

8 Topas 194 7 Quarz 175 6 Adular 59,2 5 Apatit 8 4 Flussspath 6,4 3 Galeit 5,6 2 Steinsalz 2 1 Talk 0,04

* Zwischen 2 und 3 schaltete BREITHAUPT den Talk- glimmer, zwischen 5 und 6 den Skapolith als Zwischen-

.

368 Kleinere Mittheilungen.

Die Zahlenwerthe sind Durchschnittshärten, gefunden aus mehreren durchschnittlichen Flächenhärten.

Ein besonderes Verfahren musste zur Bestimmung der Härte des Diamants angewendet werden, indem die durch gleiche Mengen Diamant- und gleich grosser Korundsplitter an demselben Probekörper (Korund, Topas, Quarz) erzielten Substanzverluste in Verhältniss gesetzt wurden.

Naturf. Vers. zu Wien 189.

- Grosse Gipskrystalle. Ueber ein sehr merk würdiges Vorkommen von Gips (Selenit) macht J. E. TALMmAGE aus dem südlichen Utah Mittheilung (Seiencee XXI, 85). In einer Höhle daselbst, gebildet von einer Gipsschale, sind die Innenwände und der Boden von Selenitkrystallen aus gekleidet, welche frei in das Innere der Höhle hervorragen,; da die Mineralmasse, in welcher sie eingebettet waren, sehr verwittert und meistentheils nur noch in geringen Resten vorhanden ist. Bis zu einer Tiefe von 8'J, m war die Höhle gangbar, weiter konnte Tarmace nicht vordringen, weil die Krystalle von allen Seiten zu weit in die Höhle hineinragten und einzelne sogar die ganze Höhle balken- artig durchquerten. Auch vem Boden aus, der von hinem- gewehtem Sande bedeckt ist, starrten die Krystalle in die Höhe. Ein Blick zum Gewölbe der Höhle zeigt ein von grossen Prismen und gewaltigen Balken von riesigen Dimensionen, sodass man an das Balkenwerk eines Berg“ werkstollen erinnert wird. Von den in das Museum vol Salt-Lake City übergeführten Exemplaren dieses seltenen Fundes besitzen manche eine grosse Regelmässigkeit in der Ausbildung. Darunter befinden sich vollkommene Prismer von 1—5 Fuss Länge. Einer der regelmässigsten Krystalle : ist 4 Fuss lang, und seine weitesten Flächen haben 6 zl Durchmesser. Auch hat man Tafeln von 6 Fuss Länge und 2'/, Fuss Breite in der Höhle abspalten könneN. Krystallprismen bis zu 100 Pfund Schwere sind keine Seltenheit; eine angebrochene Krystallstufe hatte ee | Gewicht von -600 Pfund; bis jetzt sind bereits gegen 2! prachtvofler Krystalle gebrochen und verfrachtes worden

Jahrbuch f. Naturw. 93/94 .

Kleinere Mittheilungen. 369 Botanik und Zoologie,

Kreuzungen eines europäischen Wildebers mit einem Bündener Schwein, Bekanntlich sucht Herr Jur. Kuznx seit langer Zeit schon methodisch die Beziehungen unserer Hausthiere zu den stammverwandten Wildformen vermittels der Kreuzung bezw. Bastardirung zu eruiren.

Die Abstammung unseres Hausschweins, scweit da- mit das jetzt fast verschwundene deutsche Landschwein gemeint ist, ist zur Genüge durch die klassischen Unter- suchungen eines Herrmann von Naruusıus klargelegt.

Immerhin war es interessant zu untersuchen, wie sich die Paarungsprodukte der Wildschweine, das europäische Wildschwein ist nämlich der Stammvater der deutschen Landrassen, und Hausschweine verhalten.

Ein Hauptaugenmerk sollte die Zeichnung der Jugend- kleider der Kreuzungsthiere sein.

Bekanntlich trägt unser junges Wildschwein Livree, so von den Jägern genannt, ein Ausdruck, den die Wissen- schaft für die streifige Schutzfärbung der Frisehlinge adoptirt hat.

Dass es sich in unserem Falle nicht um das eigentliehe deutsche Landschwein, sondern um eine Form der ro- manischen Schweine handelt, ist für das Folgende ziemlich gleichgültig.

\ Die erwachsene Sau ist das Produkt der Kreuzung eines männlichen europäischen Wildschweines, welches jetzt m Hausthiergarten noch lebt, und einer Büindener Sau.

. Die jungen '/,-blütigen Thiere dieser Abstammung sind gleich unseren wilden Frischlingen gestreift, gleichen Im Habitus vollkommen jungen Wildschweinen und haben von der Mutter nur ein weisses Stirnabzeichen ererbt, Welches mit dem wachsenden Alter sehr an Grösse zuge- Nommen hat, sodass der grössere Theil des Kopfes des erwachsenen Thieres weiss von Farbe ist. a Von weit grösserem Interesse war es nun die Frucht- barkeit der gewonnenen 2/,-blütigen Thiere, und das Ver- halten der eventuell zu gewinnenden ?/,-blütigen Wild- . ‚Schweinkreuzungen zu studieren. Es wurde Familienzucht = rift f. Naturwiss. Bd. 67. 1894

370 Kleinere Mittheilungen.

zucht getrieben und Bruder und Schwester eines Satzes mit einander gepaart. Die Paarung hatte Erfolg, es wurden 6 2/,-blütige Kreuzungsthiere geboren.

Trotz der heterogenen Paarung waren die gefallenen Jungen beim Halbblut äusserst conform, die jungen Schweinchen zeigten kaum Unterschiede, höchstens in der weissen Zeichnung der Stirn.

Ganz anders verhält es sich mit dem ?/,-Blut.

Die vier gestreiften Individuen gleichen im allgemeinen ganz ihren !/,-blütigen Verwandten, aber auch hier finden sich schon Differenzen, so ist das eine Schweinchen be- deutend heller gefärbt, während ein gelbes und ein weisses Ferkel fast als nicht zum Satz gehörig er- scheinen.

Bei beiden Thieren ist die Streifung nur andeutungs- weise noch vorhanden, und hier und da findet man schwarze Flecken mehr oder weniger regelmässig in die Streifung eiugereiht.

Wohl bekannt ist der Umstand, dass zumal bei hete- rogener Kreuzung bereits im ?/,-Blut, noch mehr Im ta, ®/ıs- u.8. w. -Blut grössere Differenzen Inconstanzen vorkommen.

Aus diesem Grunde verwarfen die alten Constanz- theoretiker, deren Lehre in dem Hauptsatze gipfelte: „Nur reine Rassen vererben sicher‘, die Kreuzung ganz und gar; sie hatten dasselbe wie hier schon lange beobachtet und kamen zu dem Schluss, dass auf solche Weise nie ein WO consolidirter Thierstamm gewonnen werden könnte. i

Aus der an und für sich riehtigen Beobachtung wUf R dieser falsche Schluss gezogen; aber gerade bier ist 2 denkenden Landwirthe und Züchter, der sein Zuchtziel "= vor Augen hat, Gelegenheit geboten, durch vorsichtige Zuel wahl zu ebenso hervorragenden Resultaten zu gelangen, W bei der Reinzucht, sehrwohl kann man vermittels der Kreuzung zu wohl consolidirten und eonformen Stämmen, Zuehten Rassen gelangen und ist schon zu solchen gelangt des: =

Kurz zusammengefasst lehrt dieser Fall nz ; „je heterogener die Kreuzung, um 80 unsicherer 8 vo Erfolge, je homogener, um so sicherer!“ Es wäre also a

Kleinere Mittheilungen. 371

allzu heterogener Kreuzung zu warnen, doch ist der Fall nicht ausgeschlossen, dass auch bei sehr vorsichtiger Aus- führung derselben Resultate zu erzielen sind.

Der hier vorliegende Fall ist zu finden in der Nr. IV des XXI. Jahrganges der Deutschen landw. Presse, Berlin, Verlag von P. Parrr.

Dr. von Spillner, Vereinssitzung am 31. Mai 94.

Ueber die Walfische.') Kleinere Arten dieser Thiere, die Tümmler oder Meerschweine, findet man auch an unseren Küsten, mitunter in grossen Massen. Ihr Körperbau ist, wie der aller Wale, äusserst zweckmässig. Der Schwanz ist das Muster einer Schiffsschraube, mit den beiden Hinter- flossen werden drehende Bewegungen gemacht, und das schnelle Schwimmen wird dadurch erleichtert, dass die Haut nackt ist. Nur bei jungen Thieren und vereinzelt auch bei älteren findet man noch einige Borsten am Kiefer, Der ganz junge Embryo hat, was erst kürzlich festgestellt wurde, Beine, die sich aber sehr rasch zurückbilden. Diese Thatsache zeigt deutlich, dass ein Landthier sich allmählich dem Leben im Wasser angepasst hat. Das Blut ist 37 bis 40) Grad warm. Geräth der Tümmler bem Verfolgen von Fischen in ein Netz, so wird er später todt emporgezogen; er ist einfach im Wasser ertrunken, denn die Wale sind, da sie durch Lungen atlımen, an die Oberfläche des Wassers gebunden. Hier suchen sie somit auch ihre Nahrung: Fische, die in Massen vorkommen, wie Heringe und Makrelen; Crustaceen und Schnecken; Plankton.

Man theilt alle Wale in Zahn- und in Bartenwale. Letztere sind die Riesen. Zu ihnen gehört zunächst der stönländische Walfisch, der mit 40 bis 50, selten 60 Fuss Länge wohl der längste ist, und einen gewaltigen Umfang und ein Gewicht von 200 bis 300 Oentnern erreicht. Besonderen Werth verleihen ihm seine vorzüglichen Barten, Hornplatten, die in der Zahl von 350 an jeder Seite des üngeheuren Maules von dem Zahnfleisch lose herabhängen ' und bis yu 4 Meter lang werden. Sie sind an ihrem oberen

Fe RE

0 Nach einem in der geographischen Gesellschaft zu Berlin ge- haltenem Vortrage (Tägl. Rundschau) des Geh.-Rath Prof. Dr. MoeBıus. 24%

312 Kleinere Mittheilungen.

Ende lebendig, d. h. sie haben Blutgefässe. Im ihrer Mitte bleibt kaum noch Raum für einen menschlichen Finger, und diese Oeffnung kann noch durch besondere Platten ver- schlossen werden. Diese Barten dienen dem Thiere zum Filtriren seiner Nahrung, die aus kleinen Krebsen, Diatomeen und Schnecken besteht. Den Barten entsprechen bei den Wiederkäuern übrigens gewisse Falten am Gaumen. Be- merkenswerth ist es auch, dass der Embryo des Bartenwals bis zum dritten Theil seiner embryonalen Lebenszeit Zähne hat. Durch ihre beiden Nasenlöcher stossen die grönlän- dischen Walfische nicht Wasser, wie man früher glaubte, sondern gewaltige Dampfstrahlen aus, da sie fortgesetzt wassergeschwängerte Luft einathmen. Die Jungen, gewöhn- lich nur eins, haben bei der Geburt schon den dritten Theil der Grösse von Erwachsenen. Vor 200 Jahren lebte der grönländische Walfisch noch eireumpolar im nördlichen Eis- meere. Von 1660 bis 1795 aber haben die Holländer 71900 Walfische erlegt, von 1670 bis 1790 die Hamburger 9900, in der Davisstrasse von 1814 bis 1870 die Engländer 5000. So ist das Thier auf der östlichen Erdhälfte heute ausgerottet und kommt wohl nur noch an der amerikanischen Küste vor. Auch früber kam der grönländische Wal, der Kälte lieht, bei Island nicht mehr vor. Dagegen ist neuerdings bei Island wieder der biskayische Walfisch gefangen worden, der etwas kleiner als der grönländische ist und dessen Barten nur eine Länge von 7 Fuss erreichen. Er ward in früheren Jahrhunderten, besonders im elften und zwölften, an den englischen und spanischen Küsten häufig erbeutet, kommt von Island bis zu den Azoren Vor, un ist als besondere Art durch den dänischen Forscher ESCHKE, der 1854 einen bei San Sebastian gefangenen Säugling em warb, festgestellt worden. Ihm sehr ähnlich ist der jap&- nische Walfisch, den die Japaner seit Jahrhunderten mit Netzen fangen, die ein Taucher an einer Leine unter dem Thiere schwimmend, um dieses herumzieht. Zwei weitere, nahe verwandte Arten leben im Südmeer vom Kap der guten Hoffnung bis zur amerikanischen Westküste. Hiermit ist &I Zahl der langbartigen und deshalb werthvollsten Wale

Be

Kleinere Mittheilungen. 373

Weit grösser sind die Finwale, deren Barten aber kurz, wenig elastisch und deshalb ohne besonderen Werth sind. Da diese Thiere ausserdem unruhig sind und bei Verwundungen auf den Grund gehen, hat man sie früher in Ruhe gelassen. Neuerdings aber werden sie bekanntlich mit Dynamitgeschossen, die aus Kanonen abgefeuert werden und starke Taue nachziehen, erbeutet. Der Erfinder dieser Jagdart ist als Millionär gestorben, und verschiedene Aktiengesellschaften betreiben heute den Fang der Finwale, deren Fleisch ausgekocht wird. Etwa 1000 werden heute Jährlich an den norwegischen und russischen Küsten er- legt. Von ihnen wird eine Art 23 Meter lang, kommt ver- einzelt in die Ostsee und das Mittelmeer, und jagt besonders die Dorsche, deren man schon 600 in dem Magen eines Walfisches fand. Das grösste Thier der Erde aber ist der auch zur Gattung der Finwale gehörige Blauwal, der 100 Fuss lang und 300 Centner schwer wird. In seinem Magen hat man bis zwölf Heetoliter kleine Krebse gefunden. Er ist sehr verbreitet gewesen, kam im Atlantischen Ozean, in der Südsee und 1829 noch bei Japan vor. Einer strandete 1889 zwischen Sylt und Föhr. Von einer dritten, kleineren Art der Fiuwale wurde ein Exemplar 1819 in der Neu- städter Bucht gefangen. Ausserdem giebt es noch zwei

tten,

Zu den Zahnwalen endlich gehören der Tümmler, der heerdenweise bei Farör erscheinde Grindwal, der Nar- wal und endlich der Potwal. Letzterer wird bis zu sechzig Fuss lang und war früher besonders geschätzt, weil er in einem Hautaufsatz viele Centner Walrat hat, das ein flüssiges Fett ist und an der Luft erstarrt.

Auch der Finwal wird leider wohl das Geschick .des Srönländischen Walfisches theilen. Wenn man in jetziger Weise fortfährt, ihn mit Dynamit zu verfolgen, so werden diese Riesen der Thierwelt bald nur noch in Sagen und !n den Büchern der Wissenschaft fortleben.

Veber einen ‚eigenthümlichen Aufenthaltsort der Afterskorpione, zu denen unser bekannter Bücherskorpion ehört, nämlich den Körper anderer Gliederfüsser, sagt

374 Kleinere Mi’theilungen.

Lupwice in Leunis Synopsis der Thierkurde, 3. Auflage, 2. Bd., S. 569: „mitunter trifft man sie, wie schmarotzend, auf dem Körper von Fliegen, Ohrwürmern, Wanzen, After- spinnen u.s. w. an.“ Es sind für diese wenig bekannte Thatsache neuerdings mehrere Belege bekannt gemacht worden. F. v. Wacner beschreibt einen Fund, der bei Schwerin gemacht worden ist (Zool. Anz. Nr. 406, $. 434). Eine Schnake oder Kammmücke, Ofenophora pectinicornts, trag an den Beinen vier Exemplare eines augenlosen Cher- nes. Sie hatten sich, ohne ihre Beine zu benutzen, mit ihren Seheeren am Ober- oder Unterschenkel der Fliege angeklammert. Offenbar benutzten sie das Kerbthier nur als Mittel, einen anderen Ort zu erreichen. F. LEYDI6 theilt mit (Zool. Anz. N. 411, S. 36), dass er den Bücherskorpion an der Afterspinne Phalangium opilio, sowie an einer Schmei?#- fliege antraf. Er ist jedoch der Meinung, dass hier nieht ntır Schmarotzerthum vorgetäuscht wird, sondern wirklich vorliegt. Die Skorpione stechen wohl ihre Wohnthiere an. Bestärkt wird LevoiG in dieser Ansicht dadurch, dass an einem brasilianischen Bockkäfer, Acrocinus longimanı®, unter den Flügeln einen stattlichen Chelifer americanus fand. Es handelt sich hier wohl um, wenn auch gelegent- lichen, Parasitismus. Ergänzend bemerkt weiter H. v. IHERISG, dass er unter den Flügeln zweier Pyrophorusarten oft Chernetiden fand. Auch auf anderen Käfern fanden a sich. Inerıns schliesst sich der Ansicht Wacners an; Stelle unter den Flügeln würde gewählt, weil hier Sehut2 vorhanden sei. Doch hält er eine auf die Lösung der Frage abzielende Untersuchung für erforderlich. Jedenfalls würde ein Ortswechsel der baumbewohnenden Skorpion® und Milben in den Campros ohne diese „Reitthiere“ schwer lich auf weitere Strecken gelingen. Verfasser ist der An sicht, dass vielleicht die Ansiedelung der Unio-Embryone" auf Cypriniden Europas auch hierher gehört. In beiderlei Fällen würde der vermuthliche „Commensale‘“ oder „para sit“ nur ein „Reitgast‘ sein.

Naturwissenschaftl. Wochenschrift.

Kleinere Mittheilungen. 375

Anpassung der Pflanzen an die Niederschläge. Während bis vor wenigen Jahrzehnten Farbe und Form der Blüthen, Blattform, Behaarung und so manches andere uns in seiner Bedeutung für die Pflanze unklar war, wissen wir jetzt, dass auch diese Eigenthümlichkeiten sämmtlich Produkte der natürlichen Zuchtwahl, Anpassungen an die Jedesmaligen Existenzbedingungen sind. In jüngster Zeit haben wir hierfür wieder eine schöne Bestätigung erhalten, indem der Jenenser Botaniker Stau seine auf Java an- gestellten Beobachtungen veröffentlicht hat (Regenfall und Blattgestalt. Annales du Jardin botan. de Buitenzorg, 201: X1, 8: 98—182, 18v3).

Der Regenfall kann den Blättern in doppelter Hinsicht Sehaden thun: einmal durch Zerknieken und Abbrechen der Blätter und dann durch zu lange Befeuchtung. Gegen beides haben sich Sehutzvorriehtungen mannigfaltiger Art entwickelt. Die Wucht der fallenden Regentropfen wird unfährlich, wenn die Blätter eine mehr oder weniger hängende Lage annehmen; eine solebe findet sich viel- fach besonders in den Tropen bei völlig ausgebildeten Blättern, noch häufiger trifft man sie aber bei noch nicht völlig entwickelten an, wie z. B. bei der Rosskastanie, deren starr nach abwärts gerichtete Blattspreiten dem aufmerk- Samen Naturbeobachter im ersten Frühjahr stets auffallen. In ähnlicher Weise ist eine steil oder schräg aufwärts ge- richtete Blattspreite geschützt, besonders wenn die Blätter schmal oder getheilt sind, hiermit steht im schönsten Ein- klang, dass die aufliegenden Wurzelblätter häufig gross und ganzrandig sind, während die übrigen klein oder ge- tbeilt sind. Zu erwähnen sind hier auch solche Blatt- Spreiten, die ursprünglich einfach sind, später aber zer- sehlitzt werden. Bei den gewaltigen Blättern der Musaceen‘) zerreisst der Regen oder der Wind die Blattsubstanz Parallel den Blattrippen, ohne dass dadurch die Function des Blattes irgendwie gestört wird; bei anderen z. B. bei der südamerikanischen Heliconia dasyantha wird diese RER : *

') Musa sapientium hat 4 m lange und 60 cm breite Blätter, Musa Ensete 6 m lange und 9 em breite.

376 Kleinere Mittheilungen,

Zerschlitzbarkeit durch eigenthümliche Umwandlung im Blattparenehym vorbereitet und geregelt und bei den Palmen geht meistens die Zerschlitzung der ursprünglich einfach angelegten Spreiten !) schon in der Knospenanlage vor sieh. Ebenso interessant sind die Mittel der Pflanzen für möglichst schnelle Entwässerung, die natürlich besonders bei Bewohnern feuchter Standorte zu finden sind. Der einfachste und bekannteste Schutz gegen die Schädigung durch Wasser ist eine starke glatte Cuticula, die das Blatt überbaupt unbenetzbar macht. Wenn dasBlatt aber benetz- bar ist, so ist es häufig in eine mehr oder weniger lange Spitze ausgezogen, die eine Rinne bilden kann, oder als ein rundlicher Faden sich darstellt, dessen äusserste Ecke hakenförmig nach abwärts gekrümmt, ist. Diese Verlänge- rung der Mittelrippe leitet das auf dem Blatte befindliche Wasser sehr schnell zu Boden; Versuche zeigten, dass nach Entfernung der „Träufelspitze‘“ die Entwässerung eines benetzten Blattes 3—8 Mal langsamer erfolgte als sonst. Träufelspitzen finden sich bei Vertretern aller tropischen Pflanzenfamilien, vor allem bei den eigentlichen Urwald- formen. Bei manchen Pflanzen geht die Ableitung des Wassers aber auf ganz anderem Wege vor sich, z. B. bel unserer bekannten Veronica chamaedrys. Hier stehen die besonders längs der Nerven stark behaarten Blätter schräg aufwärts, das aufgefangene Wasser läuft ın den vertieften Nerven zu der ebenfalls behaarten Rinne des Blattstiels, erreicht in dieser den Stengel, der mit zwel starken Haarreihen besetzt ist. Die Haare des Stengels und des Blattes wirken wie Löschpapier, indem sie das Wasser auffangen und (dienen somit zur schnellen Ent wässerung der Blätter. Man kann durch vorsichtiges Ent fernen der Haare den Beweis für die Richtigkeit dieser Ansicht leicht erbringen. Dr. 6. Brandes, Vereinssitzung am 1898. ) Diese Spreiten sind die grössten, die überhaupt 'bekannt &- worden sind; soerreichen die'Blätter der Inajapalme (M aximiltan« regia) eine Länge von 15 m und eine Breite von 3 m, umd die der

Tupatipaime (Raphia taedigera) 19-20 m Länge bei einer Breite von 12m.

-

Kleinere Mittheilungen. 317 Mediein.

Veränderungen der Spinalganglien bei Tabes dor- salis. Die Hinterstränge des Rückenmarks bestehen nach früheren Untersuchungen von SCHIEFFERDECKER und neuen von Casar, KÖLLIKER etc. aus den Fortsetzungen der ein- strahlenden Hinterwurzelfasern. Reprıch hat gezeigt, dass bei Tabes dorsalis gerade die intramedullaren Fortsetzungen der Hinterwurzelfasern erkranken. Dadurch wird die Frage aufgeworfen, wie sich dieSpinalganglienzellen, das trophische Centrum der Hinterwurzelfasern, bei Tabes verhalten, da eine Erkrankung, beziehungsweise ein Untergang dieser Zellen zur Degeneration der Hinterstrangfasern führen könnte. Kurze Angaben über Veränderung der Spinalgang- lienzellen liegen von Luys, ferner von OPPENHEIM und SIEMERING vor, ausführlichere von WorLexsere, welch letztere Srrosse, der hierüber auf der letzten Naturforscher- versammlung zu Wien Mittheilungen machte, im wesent- liehen bestätigen kann. Kr fand bei drei Fällen von Tabes aus verschiedenen Stadien jeweils beträchtliche Verände- tungen der Interspinalganglienzellen, jeweilsentsprechend der Höhe des tabischen Processes im Rückenmark : Schrumpfung, abnorme starke Pigmentirungen, Vacuolisirungen des Proto- plasmas, Wucherung der Kapselzellen, Degenerationen des Kernes und Kernkörperchens, totaler Untergang und Zer- fall der Ganglienzellen. Ersatz des Raumes der unter- gegangenen Ganglienzellen durch gewucherte Kapselzellen. Das interstitielle Gewebe der Ganglienzellen war nur wenig vermehrt. Die hinteren Wurzeln waren jeweils entsprechend der Höhe des tabischen Prozesses im Rückenmark stark degenerirt,, die austretenden sensiblen Spinalnerven am Peripheren Pol des Ganglions zeigten weit geringere, indes doch deutliche Degeneration einzelner, oft zu Bündeln zu- Sammengeordneter Fasern.

Die recht hochgradigen Veränderungen der Ganglien- zellen legen die Anuahme nahe, dass eine primäre Er- krankung der Spinalganglienzellen die Grundlage der Tabes dorsalis sein könnte, wofür sich schon Professor MARIE usgesprochen, während sich Leypex gegen diese Annahme

378 Kleinere Mittheilungen.

unentschieden, Hırzıs mehr ablehr.end verbält. Gegen diese Annahme spricht das nicht proportionale Erkranken der Hinterwurzelfasern und der sensiblen Fasern am Gang- lion. Indess liesse sich doch vielleicht eine partielle Er- krankung der Ganglienzelle, respektive gewisser „Organe“ der hochorganisirten Zelle vorstellen, welche zur Degene- ration nur des einen ins Rückenmark ziehenden Nerven- fortsatzes führen würde.

Die scheintodt Begrabenen. Ziemlich häufig tauchen in den Tagesblättern Nachrichten über scheintodt Begrabene auf, die wegen der eingehenden grauslichen Schilderung aller Haupt- und Nebenumstände bei den meisten Mer.schen Glauben finden. Die „Deutsche Medicinalzeitung,“ die schon seit Decennien derartige Berichte als Legenden bezeichnet, veröffentlicht einen Aufsatz von Max Brertvse, der sich zur Aufgabe gemacht hat, den Beweis für die Unbaltbarkeit der erwähnten Laienansicht zu erbringen. BREITUNG hat sich der Mühe unterzogen, bei 25 durch die Tages-Zeitungen veröffentlichten Fälle von Scheintod Erkundigungen und Nachforschungen bei den Ortsbehörden anzustellen und hat gefunden, dass sämmtliche Fälle von Anfang bis zu Ende erlogen waren. Er stellt am Schluss seiner Arbeit folgende Sätze auf: i

1. Es ist kein Fall bekannt, d. h. als unzweifelhaft sicher festgestellt, in dem ein Scheintodter begraben, da- nach dem Grabe entzogen und dem Leben wiedergeben I8t-

2. Es ist kein Fall bekannt, in den auf Grund von Veränderungen in der Lage, von Verletzungen der Leiche bei späterer Exhumirung ein unzweifelhaft sicheres Urtheil von eompetenter Seite auf vorher nieht erkannten Scheit“ tod abgegeben werden konnte, :

3. Die Möglichkeit, dass ein Mensch lebendig begraben werden kann, ist bei geregelter Leichensebau, die dureb Aerzte vollzogen worden ist, ausgeschlossen.

4. Die Möglichkeit ist bei nicht bestehender ärztlicher Leichenschau ziffernmässig unberechenbar gering.

Kleinere Mittheilungen. 379

Aus verschiedenen Gebieten.

Die Chemie des Oceans ist auf der sogenannten „Pola“-Expedition, die während der Sommer 1890—93 im östlichen Mittelmeere stattfand, ein Gegenstand sorgfältiger Forschungen gewesen, deren Hauptresultate wir im Folgen- den nach dem von Dr. Coxrkan NATTERER auf der Natur- forscher Versammlung zu Wien gehaltenen Vortrage wieder- geben.

An der Oberfläche des Meeres wird Sauerstoff theils aus der Atmosphäre absorbirt, theils durch pflanzliche Orga- nismen produeirt. Die allmähliche, im östlichen Mittel- meere immer nur geringe Abnahme des Sauerstoffgehaltes mit der Tiefe, sowie die Art des Vorkommens von sal- Petriger Säure, von Brom und von Jod im Meere lassen erkennen, in welchen Richtungen sich das, im Maximum 4400 m unter die Oberfläche hinabreichende Tiefenwasser bewegt, das bisher als nahezu stagnirend gegolten hatte. Durch viele Analysen ist während der „Pola“-Expe- ditionen von NATTERER festgestellt worden, dass das frei- bewegliche Meerwasser nur Spuren von organischen Sub- Stanzen in Lösung hält, dass dagegen das den schlammigen Meeresgrund durchsetzende Wasser ziemlich reich an orga- nischen Substanzen und an Ammoniak ist, beide herrühiend von abgelagerten Pflanzen- und Thierkörpern. An manchen Stellen des Meeresgrundes ist der lehmartige Schlamm von 1 bis 10 em dicken Steinkrusten bedeckt, die deut- lichster Weise auf das Vorhandensein chemischer Fällungen im Meerwasser hindeuten. Einige Beobachtungen an solchen Steinkrusten, sowie die sich aus vielen Analysen ergebende Thatsache, dass das den Grundschlamm durchsetzende

asser weder vollkommen stagnirt, noch aus dem Grund- schlamm heraustritt (von Ausnahmefällen abgesehen: Auf- quellen von Stsswasser vom Meeresgrunde in der Nähe karstartiger Gebirge, Heraustreten von Wasser mit Petroleum- Spuren aus dem Grundschlamm zwisehen Cypern und Syrien), Sprechen dafür, dass in der Regel Meerwasser in den

eeresgrund capillar eindringt, von Festlandsmassen auf- gesaugt wird. :

380 Kleinere Mittheilungen,

NATTERER hat ausserdem im Mai 1894 auf S. M. Schiff „Taurus“ die Tiefen des zwischen Bosporus und Dardanellen gelegenen Marmarameeres untersucht und gefunden, dass das Marmarameer in chemischer, physikalischer und bio- logischer Hinsicht mit dem Mittelmeer übereinstimmt und micht mit dem Schwarzen Meere.

Spiritus aus Torf. Die aus den fünfziger Jahren stammenden Vorschläge, Holzcellulose durch Schwefelsäure in gährungsfähigen Zucker zu verwandeln, um daraus Spiritus zu gewinnen, sind ohne praktischen Erfolg ge- blieben. Nach einem Patent Karzsser's aus dem Jahre 1891 eignet sich dazu Torf weit besser als Holz, weil er eine lockere Masse darstellt, deren Cellulose sich leicht verzuckern lässt. Marneus hat das Verfahren näher be- schrieben und Laboratoriumsversuche ‚darüber mitgetheilt. Die Torfmasse wird mit verdünnter Schwefelsäure 4 bis 5 Stunden lang bei 115--120° gekocht und dabei der Gang der Verzuckerung analytisch verfolgt. Die Brühe wird schliesslich durch Filterpressen abgetrennt, für sich ein- gedampft, mit Kalkmilch und Kreide neutralisirt und mit Hefe vergohren. Aus 200 g Torf werden im Laboratorium 12,5 cem absoluten Alkohols gewonnen. Hiernach würden 500 kg Torf 31 1 absoluten Alkohol liefern können, wäh- rend 500 kg bester Kartoffeln bei ausgezeichnetem Betriebe etwa 60 1 ergeben. In der Nähe von Mooren würde da- her der sehr billige Torf die Spiritusfabrieation besser lohnen als Kartoffeln. Karssser geht neuerdings mit dem Plane um, die bisher nicht verwerthbare und überdies höchst lästige Ablauge der Sulfitcellulosefabrication mit Torf zusammen auf Spiritus zu verarbeiten.

Jahrbuch für Naturw. 9. Jahrgang.

Litteratur-Besprechungen.

Ostwald’s Hllassiker der exacten Wissen- schaften. Wilhelm Engelmann, Leipzig, No. 43. Untersuchungen über den Farbenwechsel des afrikanischen Chamaeleons von Ernst Brücke. (1851 und 1852). Her- @usgegeben von M. v. Frey. Mit 1 Tafel, 64 S., 1,20 M.

Aus dem Gebiete der Physiologie waren bisher erst

2 Arbeiten in den Klassikern erschienen, es ist daher jeder

weitere Beitrag sehr erfreulich, zumal wenn er wie in

diesem Falle eine so hervorragende Arbeit eines der

Grössten seiner Zeit enthält, die nicht nur ein Thema von

allgemeinstem Interesse behandelt, sondern auch bis auf

ee heutigen Tag in jeder Hinsicht mustergültig genannt uss,

Ne. 8— 51, Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen von Christian Konrad Sprengel. (1793) in 4 Bündchen herausgegeben von Paul Knuth. 543 S. mit 25 Tafeln, 8 M.

Bei einem Werk von solcher Bedeutung wie das Sprengel’sche, das für unsere moderne Blüthenbiologie die ganze Grundlage ausmacht, war natürlich die Nachfrage bald Srösser als das Angebot, allerdings nicht beim Er- scheinen des Buches, sondern, erst als Darwin über ein halb Jahrhundert später auf das verschollene Werk hin- "les und die Richtigkeit der interessanten Beobachtungen 4 engel’s bestätigte. So kam es, dass schon vor iger Zeit ein Facsimile-Druck von dem seltenen Werke ın den Buchhandel kam; dieser war aber leider so theuer,

® von einer allgemeinen Verbreitung des lesenswerthen

382 Litteratur-Besprechungen,

Buches keine Rede sein konnte; erst jetzt wird es möglich sein, dem Werke in ausgedehnterem Maasse Eingang in Privatbibliotheken zu verschaffen. Wir können die An- schaffung dieses Klassikers nicht nur allen Biologen (be- sonders den Entomologen und Botanikern), sondern allen Gebildeten auf’s Angelegentlichste empfehlen, zumal der Herausgeber auf dem in Frage stehenden Gebiete als Autorität bekannt ist und durch eine Fülle von An- merkungen die Beobachtungen Sprengel’s erweitert und hier und da auch verbessert hat. G. Brandes.

Weltschöpfung, Sintfluth und Gott. Die Ur- überlieferungen auf Grund der Naturwissenschaft erklärt von Arthur Stenzel. Mit 3 Tafeln. Braunschweig. Rauert und Rocco Nachfolger (D. Janssen) 1894.

Das Buch sucht die tiefsten Fragen des Seins und Er- kennens zu lösen, indem es zur Bewältigung dieser Auf- gabe ein gewaltiges Material heranzieht, freilich nicht nach sicheren Gesichtspunkten, dasselbe auch mit Willkür verwendet. So waren, da der Verfasser Ueber- lieferung und Naturwissenschaft in Einklang zu setzen ver sucht, um dieser Einstimmung dann seine Schlüsse zu ent nehmen, zunächst die Kosmogonien zu bieten, sodann die Fluthüberlieferungen, und zwar der Zeit nach geordnet, nicht minder zuch nach den Völkereinheiten, also die semi- i tischen, arischen und turanischen, und dann diejenigen der sogenannten Naturvölker. Dann hatte er die Frage zu handeln, ob Gott ursprünglich monotheistisch gedacht ist, oder Polytheismus die Urreligion gewesen, um darauf zu erweisen, dass diejenigen im Recht oder im Unrecht sind, welche Gott ausserweltlich als Geist setzen, welche IM Pantheismus die Lösung der Gottfrage finden, oder aber diejenigen, welche die Ansicht vertreten, dass die Lehre des grossen Empedokles von Agrigent, die Schellinz“ Okensche Naturphilosophie, die Descendenztheorie v0" Lamarek-Darwin-Häckel das Gesondertdasein Gottes als überflüssig erscheinen lassen.

Litteratur-Besprechungen. 383

Statt des vorgezeichneten Weges beschreitet der Ver- fasser jenen, auf welchem er aus der philologischen Er- klärung der ersten Worte der altebräischen Ueberlieferung zu dem Erweise kommen zu können vermeint, dass die- selben nur von einer Neuschöpfung reden, welche sich an die Sint-, also grosse Fluth anschliesst, die er vom Dilu- vium scharf scheidet, sodass er die Frage der Ur- schöpfung auf diese Weise nicht stellt und löst. Aber die Vebersetzung der ersten Worte des alten Testamentes ist brüchig, wenn wir bei Stenzel lesen: „Im Anfang schuf Elohim neu den Himmel und die Erde (das Land)“, wäh- rend die wirkliche, philologisch genaue Uebersetzung zu lauten hat: „Anfänglich schied(en) (trennten) die Starken die Himmel und die Erde“, also den Himmel von der Erde.

Somit hat der Verfasser die ersten Worte der alt- ebräischen Ueberlieferung gar nicht verstanden, denn die- selben bieten keinen Fluthbericht, sondern eine altsemitische Kosmogonie, die allerdings das Vorhandensein der Materie Yoraussetzt, dieselbe aber durch die Starken (Götter oder Dämonen) scheiden, trennen und ordnen lässt, welche dann in den Sinn eingegangen ist, dass Gottes Kraft Himmel und Erde geschaffen hat. |

Aber auch die Sintfluth selbt hat der Verfasser ihrem Wesen nach verkannt, wenn er sie als eine allgemeine, und als solche als geschichtliche bestimmt, welche im Jahre 3318 vor unserer Zeitrechnung stattgefunden hat, die im Jahre 7231 unserer Zeitrechnung wiederkehren wird.

Den Gottesbegriff lässt Stenzel einem Kometen ent- stammen, der zwar nicht Urheber, aber Begleiter der Sint- futh vom Jahre 3318 gewesen ist, welchem Kometen dafür aber unsere Väter im Jahre 1807 zu sehen und zu beob- achten Gelegenheit gehabt haben. ;

Solche Aufstellungen zu beweisen, werden die GURr und Göttinnen der verschiedenen Völker in den üblichen Anpassungsapparat gesteckt und Etymo logien die nur derjenige zurückzuweisen Neigung haben wird,

384 Litteratur-Besprechunger. welcher von dem Nutzen riehtiger Zeitverwendung keine

Ah hat. gear Frese Edm. Veckenstedt.

Die nordische Herkunft der T'rojasage, b* zeugt durch den Krug von Tragliatella, eine dritthalb- tausendjährige Urkunde. Nachtrag zu den Trojaburgen Nordeuropa’s von Dr. Ernst Krause (Carus Sterne). Mit 12 Abbildungen im Text. Glogau 1593. Verlag von Carl Flemming.

Der Verfasser sucht in der vorliegenden Sehrift sowie in den voraufgegangenen „Trojaburgen“ und in „Tuisko- land“ die Richtigkeit des Satzes, dass die Arier oder Indo- germanen dem Norden entstammen, auch durch die Sagen- forschung zu erweisen, eine Aufgabe, welche von dem Augenblicke an als gestellt zu gelten hat, wo der Erweis erbracht ist, dass wir den Norden als die Urheimatlı unserer Vorfahren anzusehen haben. Wie wir uns nun auch ZU dieser Frage stellen, so haben wir jedenfalls zuzugeben, dass das Hochland von Pamir am unglticklichsten für das Geburtsland der Arier angesehen wird, da auf demselben die Race binnen kurzem ertartet, im Norden ihre Dauer- barkeit bewährt. Dann aber haben wir als das Gegen gewicht die Thatsache zu betrachten, dass die frühere Kultur dem Süden nicht abgesprochen werden kann, und damit auch die frühere Fixirung der Volkssage sowie ihre Ausprägung in Dichtung und sinnliche Gestaltung.

Der Kampf nun, welcher durch Missachtung oder Ver- kenuung dieser Thatsachen entbrannt ist, hat Steigerung in seiner Heftigkeit dadurch erfahren, dass nieht nur die Geschichte der Mythe, sondern auch deren Deutung ‚n denselben hineingezogen ist. Nun ist es aber eine nieht zu leugrende Thatsache, dass sich zur Deutung derselben allein der Philologe für berufen hält, in unserem Falle der Germanist, wogegen Dr. Krause das Recht für sieh bean sprucht, als Naturforscher die Deutungsfähigkeit besse" entwickelt zu haben. Hierzu habe ich nun zu sagen, dase

a En ne inc) So i,.

der Germanist allerdings nur mit Erfolg an Lösung #_

Litteratus-Besprechungen. 385

Aufgabe gehen kann, den Text der Sage von entstellenden Zuthaten zu säubern, und die Geschichte derselben zu ver- folgen, was mit dem bisher getibten mechanischen Zusammen- stellen unserer Parallellisten eben nichts zu thun hat, wie sodann allerdings nicht zu leugnen ist, dass den Germanisten der Verfolg der Kultur und das Eindringen in die Be- dingungen des Lebens der Wirklichkeit von Gegenwart und Vergangenheit nicht als erstrebenswerthes Ziel gegolten hat. Aber auch Herr Dr. Krause sucht die Lösung der Aufgabe auf einem Gebiete, wo ihm dieselbe nicht be- schieden; statt als Naturforscherden Ursprung der Naturmythe klar zu legen und sie bis zu dem Augenblicke zu ver- folgen, wo sie in die Geschichte übergeht, etymologisirt er so unglücklich wie die Mythologen und erklärt willkürlich wie sie, so, wenn er, weniges herauszugreifen, das Thier auf dem Krug von Tragliatella lieber für einen Hund an- sieht, als für einen Affen, wofür dasselbe doch sogar ein Philologe halten muss, wenn er die heilige Kümmerniss für die „Rauhe Else“ hält, die zu Troja, d. h. in der Unter- welt, das rauhe Fell bekam, während dieselbe in Wirk- lichkeit Christus am Kreuz ist in der älteren Darstellung der christliehen Kirche, wenn er behauptet, dass das Fest der Sonnenvermählung von Lukas Kranach auf zahlreichen Altarbildern und Holzschnitten dargestellt wurde, während in Wirklichkeit das von ihm gebotene Bild von Lukas. Kranach, welches jene Behauptung erweisen soll, mit vollendeter Deutlichkeit die Gestalten giebt: einen Engel mit dem Kreuz Christi, das trotz nicht zu guter Perspektive niemals ein Hammer Thors wird, Maria, die Verkündigung der Geburt Christi an die Hirten, Christus in der Hölle den Teufel, als Unthier gestaltet, überwindend, Christus von Wolken umsäumt zum Iimmel aufsteigend oder im Himmel weilend. Und das soll die bildliche Darstellung des Textes der Sonnenvermählung sein!

er Krug von Tragliatella soll nun beweisen, dass die auf demselben angebrachte Spiralenfigur denen gleicht, die "ir auf Steindenkmälern sehen, auf Broncefibeln, als Stein- Setzungen, als Mosaikarbeiten in Kirchen, welche Spiral-

itschrift £. Naturwiss. Bd. 67. 1894. 25

386 Litteratur-Besprechungen.

gestaltungen alle die Nachbildungen von Trojaburgen sein sollen, diese selbst sollen ein ganz spezieller Ausdruck der Kultur einer Weltaxengottheit sein. Es verbietet mir, das anzunehmen, meine Ansicht vom Wesen der Götter, der schaffenden Einbildungskraft der Völker, der Ab- straktionsfähigkeit der vorgeschichtlichen Bewohner Europas, der Uebertragung und Fortpflanzung der echten Volkssage sowie des Volksfestes: denn wohl hat das Volksfest sogar ın denaltsemitischen Zeiten an gewisse Zeitabschnitte Anlehnung gesucht und gefunden, aber diese Feste als Ausdruck der astronomischen Vorgänge in den Einzelheiten derselben anerkennen zu können, bleibt mir versagt trotz „Trojaburgen“ und „Krug von Tragliatella“.

Edm. Veckenstedt.

H. Behrens. Das mikroskopische Gefüge der Metalle und Legirungen. Hamburg und Leipzig L. Voss. 1894. Mit 3 Figuren im Text und 16 Tafeln.

Verfasser hat sich die dankenswerthe Aufgabe gestellt, an der Krystallisation durch Anfertigen von Durchschnitten, Aetzen und Anlassen, durch die mikroskopische Analyse, Härteprüfung und chemische Untersuchung die Metalle und deren in der Technik hauptsächlich verwandte Legirungen näher kennen zu lehren. ‘So hat er die Edelmetalle: das Gold, Silber und Platin und deren Legirungen, das Zinn,

‘Zink, ‚Blei, Hartblei, Lager- und Abklatschmetalle, ‚das Kupfer, ‘die Bronzen, das Messing, die Kupferaliminium- 'legirungen und: das Eisen untersucht, und seine hauptsäch ‚lichsten "Erfahrungen über deren Formen besonders "Oberflächenformen’ —— auch auf 16 wohlgelungenen Tafeln dargestellt. er = Besondere Aufmerksamkeit wendet er auch den fremden "Einschlüssen' zu; so (den 'bei der'Schmelzung aufgenomme“ nen Oxyden, Sulfiden ete., welche bei der Abkühlung sich sodann alsifeste Krystalle: ausscheiden und dann als Ein- schlüsse in'den Legirungen und Metallen auftreten. ' Durch > besondere Methoden sucht er das Gefüge und . ‚die Struktur der/'Metalle sichtbar zu machen; so sueht-!

Litteratur-Besprechungen. 387

frei liegende Krystalle, welche der Beobachtung und Be- stimmung zugänglicher sind, durch besondere ‚Schmelz- methoden zu erhalten; auch während der Präparation der Platten durch Schleifen und Poliren verfolgt er die Aende- zung des Gefüges etc.

Zur Vergleichung und Unterscheidung der verschiede nen Metalle verwendet er sodann auch die Aetzmethoden, welche ja auch von den Mineralogen vielfach angewandt werden, um bemerkenswerthe Elemente der Form zu er- kennen.

Auch das Anlassen der Metalle kann dazu verwandt werden, um bestimmte Eigenschaften besser hervortreten zu lassen; endlich ist die Härteprüfung und chemische Untersuchung natürlich unerlässlich.

Der Verfasser hat die eben genannten Körper auf diese Weise untersucht und so eine grosse Reihe Daten ge- sammelt, welche allen denen, welche sich mit der Unter- suchung von Metallen zu befassen haben, von besonderen Werthe sind.

Halle a. S, Lüdecke.

4. Arzruni. Die physikalische Chemie der Krystalle. Braunschweig, Vieweg u. Sohn. 1593. Mit 8 eingedruckten Abbildungen.

In der Einleitung werden die geometrischen und physi- kalischen Eigenschaften der Krystalle geschildert. Bei den geometrischen Eigenschaften folgt er den Ansichten von Ta, Liesisch (Geometrische Krystallographie 1881). Er Siebt hier eine Aufzählung der einzelnen Gruppen der Krystallsysteme und charakterisirt dieselben durch Angabe der Symmetrie-Axen, Symmetrie-Ebenen ete., ohne jedoch vorher diese Elemente zu erklären. Durch die theoretischen Untersu ehungen von L. Souncke, ScHönrLızss, FEODoRow Corxu, Gavorin ete. hat man bekanntlich Ansichten über die Struktur der Krystalle gewonnen, welche auch die Auffassung über die Symmetrie derselben beeinflusst hat. ‚nsbesondere kommen alle diese Autoren darin überein, dasg der Hemimorphismus der Krystalle eine der Hemiedrie

Ar

388 Litteratur-Besprechungen.

durchaus an die Seite zu stellende Erscheinung sei. Hier- durch erscheinen neben den sonst von den Autoren ge- schilderten Hemiedrien und Tetartoedrien noch eine Reih e anderer, welehe man eben früher durch den Hemimörphis- mus erklärte.

Obwohl nun der Verfasser die Charakterisirung naelı den Axen der Symmetrie, dem Symmetrie-Centrum ete. al- so jene Auffassung, wie sie einige der oben genannten Kry- stalltheoretiker gebraucht haben benutzt, so warnt er doch vor Verwechselung des Hemimorphismus mit der Hemiedrie! Auf sonstige sich z. Th. aus dieser Art der Auffassung er- gebende Widersprüche einzugehen, ist hier nicht der Ort. Der Kern des Buches ist in 3 Kapitel getheilt; derselbe bebandelt die Beziehungen zwischen Krystallform und chemischer Zusammensetzung und zwar I. Polymorphismus, I. Isomorphismus, III. Morphotropie. Ueberall ist der Verfasser auf die Originale zurückgegangen, und das Werk bietet eine erschöpfende Darstellung der Beziehungen der Körper zwischen Krystallform und chemischer Constitution. Dass bei der Bewältigung einer so ausgedehnten Litteratur auch einzelne kleine Versehen an einzelnen Fällen mit unterlaufen sind‘, ist leider richtig, es ist dies schon an andrer Stelle von anderer Seite hervorgehoben worden. Trotz alledem glauben wir, dass das Buch Allen, welche sich hier orientiren wollen aufs beste empfohlen werden kann; die Ausstattung ist eine durchaus würdige.

Halle a. S. Lüdecke.

Kompendium der allgemeinen Botanik für Hochschulen, von Dr. Max Westermaier, Prof. am Kgl. Lyceum z4 Freising. Mit 171 Fig. Freiburg im Breisgau, Herder sche Verlagsbuchhandlung. 1893.

Das Buch giebt auf ca. 300 Seiten eine kurze und

klare, für reifere Studirende berechnete Darstellung 25 wichtigsten morphologischen, physiologischen und we ER 5

‘gischen Thats en. Dieselben wurden in 6 grös 2 Abschnitten behandelt, welche betitelt sind, 1. Zellenle u 2. Lehre von den Geweben und einfachen Organen, 3 Le

de

g efallen

Litteratur-Besprechungen, 389

von den Organsystemen, 4. Lehre von der Fortpflanzung, 5. Allgemeine Chemie und Physik des Pflanzenlebens, 6. Pflanzensystem. Der erste Abschnitt gliedert sich in folgende Kapitel: Allgemeine Orientirung Primordial- schlauch und Zellmembran in ihrem gegenseitigen Ver- halten; Turgor; Plasmolyse Zellinhalt Zellmembran Entstehung der Zellen. Im zweiten Abschnitt werden behandelt: Aufbau der Gewebe und einfachen Organe Differenzirung der Gewebe nach Bau und Funktion (Physi- ologische Anatomie der einfachen Organe). Der dritte be- spricht: Die Unterscheidung der Organe Entstehungsort und Stellungsverhältnisse seitlicher Organe und Ursachen der definitiven Stellung Verschiedenes Entwicklungs- vermögen der Strahlen eines Systems gleichnamiger Organe Eintheilung der Organsysteme. Im vierten Abschnitt finden wir: Die Fortpflanzung der Kryptogamen Fort- pflanzung und Generationswechsel der Moose, Gefäss- kryptogamen und Phanerogamen, vergleichend betrachtet Die Phanerogamenblüthe und ihre Theile Frucht und Samen der Phanerogamen, morphologisch und physio- logisch betrachtet Allgemeine Physiologie der Fort- pflanzung. Der fünfte Abschnitt enthält: Chemische Phy- siologie Physiologie des Wachsthums Temperatur, Licht, Schwerkraft und andere äussere Einflüsse in ihrer ehung zum Pflanzenleben Physiologie der Bewegungs- erscheinungen. In Abschnitt II und III hat Verfasser die Anschauungen SCHWENDENERS und seiner Schüler vielfach zum Ausdruck gebracht (Bau und Funktion der Gewebesysteme, Blatt- stellungstheorie etc.) Eine grosse Anzahl von Holzschnitten und ein Register erhöhen die Brauchbarkeit des Buches, dessen letzter Abschnitt (System) leider zu dürftig aus- ist, Zopf.

ie offizinellen Pflanzen der Pharmacopoea germanica Für ‚Pharmaceuten und Medieiner besprochen und durch Abbildungen erläutert von Dr. F. G. Kohl. Lieferung

re mit Tafel 41-110. Leipzig, Ambr. Abel 1892 bis Se i

390 Litteratur-Besprechungen.

Den bereits in einem früheren Jahrgange dieser Zeit- schrift besprochenen Lieferungen sind nunmehr dreizehn weitere gefolgt, welehe Cocculus palmatus, Myristica fragrans, Aconitum Napellus, Hydrastis canadensis, Papaver somni- ‚ferum, Cochlearia. off., Brassica nigra; B. Napus, Viola tricolor , Thea chinensis, Tilia parvif., grandifol., Theobroma Cacao, "Althaea officinalis, Malva. silvestris, M. vulg., Gossy- pium herbae., Linum usit., Pilocarpus pennatifolius, Citrus Limonum, ©. vulg., Quajebun offie., Quassia amara, Pieraena excelsa, Balsamea Myrrha, Erythrorylon Coca, Polygala Senega, Vitis vinifera, Rhamnus cath., Rh. Frangula, Bu- phorbia resinifera, Ricinus comm., Croton Tiglium, Eluteria, Mallotus philipp., Pimpinella Anisum, P. Sazifraga, Carum Carvi, Foeniculum capillaceum, Archangelica offie., Levisti- cum offie., Conium macul., Ferula Asa foetida, Dorema Ammoniacum, Eugenia caryophyllata, Punica granatum, M: leuca Leucadendron, Liquidambar orientalis, Rosa centifolia, Potentilla tormemsilla; Rubus idaeus, Hagenia abyssinica, Pru- nus cerasus, P. BT Ononis spinosa, Glyeirrkiza glabre, Melilotus offieinalis, Trigonella foenum graecum, Physostigma venenosum, Astragalus verus, Toluifera Pereirae, Andira Pisonis Cassia aculifol. und angustif., Copaifera of. mr Darstellung bringen. Die Habitusbilder sind ausgezeichnet dureh Schönheit und Naturtreue, die Analysen durch Korrekt- heit. Der Charakter des Textes ist der frübere geblieben; das Werk ist pharmazeutischen Kreisen aufs Wärmste ZU empfehlen. Zopf.

Dr. Hugo von K linggraeff. Die Leber- und Lu moose West- und Ostpreussens. Herausgegeben mit Unter“ stützung des westpreussischen Provinzial- Landtages v0" Westpreussischen Botanisch-Zoologischen Verein.

1893. Commissionsverlag von W ilh. Engelmann. in Leipaig- (XIV u. 317.8. 8°) Im Jahre 1858 veröffentlichte H. v. Kıino6RAErF u. d- T. „Die höheren Kryptogamen Preussens“, ein Büchlein, " Ei er ausser den Farnen 51 Lebermoose und ‚224 Laub-

Litteratur-Besprechungen. SA

moose beschrieb. In zwei späteren Verzeichnissen preussischer Moose, von denen das eine in den Schriften der physikalisch-ökonomisehen Gesellschaft in Königsberg von 1872, das andere in seiner topographischen Flora der Provinz Westpreussen, einer Festschrift zur 53. Versamm- lung deutscher Naturforscher in Danzig im Jahre 1880, entbalten ist, lieferte der Verfasser Nachträge und Berich- tiguugen zu jenem Schriftehen. Nachdem dies längst im Buchhandel vergriffen ist, hat K. jetzt als Abschluss einer 50 jährigen biogolischen Forschung das Gesammtergebniss derselben in einem neuen Werke „Die Leber- und Laub- moose West- und Ostpreussens“ mitgetheilt, dessen Inhalt im nachstehenden kurz angedeutet sein mag.

Ein 36 Seiten füllender allgemeiner Theil giebt Aus- kunft über die geschichtliche Entwickelung der Kenntnis der Moosflora Preussens, über Verbreitung und Vorkommen: der Moose, über biologisches und über Nutzen und Schaden der Moose. In dem systematischen Theile folgt sodann die Aufzählung der bis jetzt in Preussen aufgefundenen Moose. Es werden 91 Arten Lebermoose und 393 Arten Laubmoose aufgeführt. Die systematischen Einheiten von den Klassen bis zu den Arten und Varietäten herab sind mit knappen, aber das charakteristische glücklich hervorhebenden, gleich- sam plastischen Beschreibungen versehen. Auf die Be- schreibung jeder Speeies folgt die Angabe der Art des Vorkommens ünd der Zeit der Sporenreife, darauf der spezielle Nachweis der Verbreitung ir den beiden Pro- Yinzen West- und Ostpreussen. Die Standortsangaben sind nach den Landrathskreisen und zwar möglichst in der Reihenfolge von SW. nach NO. geordnet; bei den gewöhn-

Arten sind nur die Kreise,'iin denen’ sie bisher ge- funden; "bei den selteneren aber’ die speziellen “Fundorte angegeben. Bei jedem’ Fundorte ist der Name des Finders beigefügt, die eigenen Funde des Verfassers sind mit ! be zeichnet. Bei vielen Arten, -Gattungen u. s. w. sind noch werthvolle: kritische Bemerkungen über Ab&fenzung; isyst&- . &tiöche Stellung, Benennung u.\dgl. gegeben. 'Ein.Register Weist durch fett gedruckte. Zahlen‘ die Seite\nach,.iwo.die

392 Litteratur-Besprechungen.

Art, Gattung oder Familie beschrieben ist, durch kleinere Zahlen die Seiten, wo sie gelegentlich erwähnt wird. Im Vorworte finden sich höchst beachtungswerthe Bemerkungen über die Nomenklatur. Die vorstehende Inhaltsangabe wird genügen, einen Begriff von der Reichhaltigkeit des mit ausgezeichneter Sachkenntniss und mit selbständiger aber vorsichtiger Kritik sorgfältig ausgearbeiteten Buches zu geben; es bietet: 1) eine genaue Uebersicht der Verbreitung der Moosarten in Preussen, 2) eine Anleitung zum Be- stimmen der deutschen Moosarten, soweit sie in Preussen vorkommen, 3) Beiträge zur genaueren Kenntniss der Moose der deutschen Flora. Kundige Bryologen werden den hohen Werth des Buches zu würdigen wissen. Referent hält es aber für seine Pflicht, solche Botaniker, die gleich ihm Anfänger in der Mooskunde sind, auf dies vortreff- liche Hilfsmittel aufmerksam zu machen und ihnen die An- schaffung des schönen Buches auf das dringendste ZU empfehlen. Dasselbe bildet eine vorzügliche deskriptive Ergänzung zu den Verzeichnissen der Moose der Provinz Brandenburg von REINHARDT und von WARNSTORF und zu den zahlreichen Zusammenstellungen von Fundorten der Moose anderer Gebiete. Bei einer etwaigen neuen Auflage wäre

zu wünschen, dass die Angaben über das Vorkommen der

Arten und die Bemerkungen in derselben grösseren Schrift gedruckt würden wie die Beschreibungen. Der dazu er- forderliche Raum liesse sich leicht dadurch gewinnen, dass die Artbeschreibungen und Fundortsangaben in der vollen Breite der Druckeolumne gesetzt und dass die Worte West- preussen und ÖOstpreussen in W und O abgekürzt werden. Auch würde das Buch an Uebersichtlichkeit gewinnen, wenn über jede Seite der Name der Familie und Gattung, der die darauf behandelten Arten angehören, gesetzt würde, wie eg z.B. in Kocn’s synopsis florae germanicae geschehen en Dr. Erwin Schulze.

| ; wu W. Exkursionsflora des Herzogthums Braun- schweig mit Einschluss des ganzen Harzes. Der Flora von Braunschweig vierte, erweiterte und gänzlich umge

Litteratur-Besprechungen. 393

staltete Auflage, bearbeitet von W. Bertram, herausgegeben von Franz Kretzer. Braunschweig, Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn. 1894. (XII u. 392 S. kl. 8°.)

W. Bertram, Generalsuperintendent in Braunschweig, gab im Jahre 1876 eine Flora der Umgegend von Braun- schweig heraus. 1885 erschien eine durch einen ansehn- lichen Nachtrag vermehrte dritte Ausgabe dieses Werkes und nunmehr ist eine Neubearbeitung erfolgt, deren Gebiet auf das ganze Herzogthum Braunschweig und den Harz ausgedehnt ist. Die Thätigkeit des Herausgebers, des Lehrers Krerzer, hat sich im wesentlichen auf die Be- sorgung der Drucklegung beschränkt.

Das Werk ist in Form von analystischen Tabellen aus- gearbeitet. Vorangestellt sind 1) eine Tabelle zur Be- stimmung der Hauptgruppen und Klassen (p. 1—2), 2) eine solche zum Bestimmen der Familien (p. 3—19). Seite 21 bis 373 sind sodann die Familien in systematischer Reihen- folge aufgeführt; unter jeder Familie findet sich eine Tabelle der Gattungen, unter jeder Gattung eine solche der Arten mit Angabe des Vorkommens im Gebiete. Die Tabellen sind mit Sorgfalt und Umsicht ausgearbeitet; das Buch ist ein sehr brauchbarer Schlüssel zum Bestimmen der Gefäss- pflanzen des Harzgebietes und eignet sich auch durch sein handliches Format sehr gut zum Gebrauche auf botanischen Ausflügen. Seine Ausstattung in Papier und Druck ist die versnute und mit Recht berühmte des Vieweg’schen Ver- azes,

Wenn bei den Arten erst die Fundorte aufgeführt werden und man dann erst den Namen der Pflanze erfährt, so ist dies zweifellos ein Üoregov ro0regov und es dürfte Digg bei einer abermaligen Neubearbeitung empfehlen, zu der Binriehtung der ersten Auflage zurückzukehren, wo die

amen der Arten den Diagnosen vorangestellt waren. Dr. Erwin Schulze.

394 Litteratur-Besprechungen.

Drude, Physik des Aethers. 66 Abbildungen. Stuttgart. Ferdinand Enke 1894.

Der Titel des Werkes lässt Jeden, der dasselbe zur Hand nimmt, etwas anderes erwarten, als der Inhalt bietet. Denn bei dem heutigen Stadium der Entwickelung unserer physikalischen Diseiplin führt eine derartige Titel-An- kündigung nothwendig zu der Annahme, dass neue Ent- wicklungen oder Erweiterungen der Maxwellschen An- sichten geboten werden. Der Verfasser thut dieses aber nicht, sondern bietet uns eine Darstellung der Theorie des Magnetismus und der Elektrieität, wie wir sie jetzt den Hörern im Colleg geben. Die Darstellung ist im Ganzen klar und durchsichtig, an manchen Stellen allerdings weit- schweifig und zu breit. Der enge Anschluss der Theorie an das Experiment und die Benutzung der geometrischen Methoden der Kraftlinien Faradays fördern das Verständnis des Buches in vorzüglicher Weise. Die Darstellung um- fasst das Gesammtgebiet der modernen Elektrieitätslehre, und die im Anschluss daran entwickelte elektromagnetische Theorie des Lichtes. Die vielfachen Hinweise auf neuere experimentelle Arbeiten werden den meisten Lesern reebt willkommen erscheinen. Für Studirende, die schon einen allgemeinen Ueberblick über das Gebiet gewonnen haben, ist das Buch zum Nachstudim zu empfehlen.

Es sind in letzter Zeit mehrere derartige Werke er schienen. So z. B. die Vorlesungen von PoincarRE deutsch von Gumuıch und JÄer. An dieses mit vorzüg- licher Klarheit und präciser Kürze abgefasste Buch hat Detor sich in der Darstellung der Induetionserscheinunge®; worauf er selbst iu seiner Vorrede hinweisst, angelehnt. Auch in dem Capitel über Elektromagnetismus bemerkt mat den Einfluss der Poiscarr#’schen Darstellung der Elektro a

| Schmidt.

Neu erschienene Werke.

Allgemeines, Mathematik und Astronomie. Wright, M. 0. The Friendship of Nature. London, 1894. 320, 240 pp. Nataral en ige Edited by R. Lydekker. Vol, I. London, 1894. 50,

Hemel, C1, Fur el lüorähöneh de la mktöre. Paris, 1894. 180, Felton, H. Creation, its Law and Religion. - London, 189. 89. PP-

Akerblom, P. De l’emploi des ERROR pour mesurer la

hauteur des nuages. Upsala, 1894. 8%. I PP-

Hildebrand Hildebrandsson, H, et K. L. Hagström. Des Principales methodes employses Höuk observer et mesurer nanges] Upsala, 1893. 80. VII, 34

Mahnheim, A. Pıineipes et "döveloppeinents de döcmätrte eine- matique. Paris, 1894. 40. Avec 186 fig.

'Ivanti Tl eoneetto d’infinitesimo e Ia sua _. alla

' matematien. Mantova, 1894. 80. 134 pp. Con

Hagen, J. Synopsis Fe höheren Mathematik. Ber Bd. Geometrie algebraischen Gebilde. Berlin, 1894. F. L. Dames. 4%, V,

PP-

ara oux, G. Essais de psychologie et de metaphysique re "Arithmetique graphique. - Les espaces arithmötiques hypermagique Paris, 1894, 0, XXIII, 176 ‘chwarz, W. Beiträge zur Kenntniss der umkehrbaren Umwand- lungen Wolyinotpher Körper. Göttingen, 1894. Vandenheock nnd Ruprecht. 40. 55 pp.

Gälo, Ne. Lezioni di trigonometria Yettilinea, Aversa, 1894. 80 211 pp. Con fig.

Grassmann 8, Hm. Gesammelte mathematische und TAYSTRAENEENE

erke. ‘Auf Veranlassung der mathematisch-physikalischen Klasse - der königl. sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften und unter en Mitwirkung von Jul, Lüroth, Ed. Study, Just. Grassmann, Hm. Grassman nd 9,6. Scheffers herausgegeben von F. Engel. T. Bd:

396 Neu erschienene Werke.

1. Thl. Die Ausdehnungslehre von 1844 und die geometrische Ana- lyse. Leipzig, 1894. B. G. Teubner. 8. XII, 435 pp. Mit Bildniss und 35 Fig.

Michalskij, A. Die Ammoniten der untern Wolgaschicht. Lief. 1 und 2. Petersburg, 1894. 40. 495 pp. (russisch).

Niewenglowski, B. Coursde g&eometrie analytique ä l’usage des eleves des gie spec. Vol. I. Sections coniques. Paris, 1594 8% VI, 484 p

Cayley, A. Collected Mathematical Papers. Vol. VI and VI. London, 1894, 40,

Payne, W. Wand ©. R. Willard. Popular Astronomy. London, 1894. 80,

Observations de Poulkova, publises par O. Struve. Vol. X. St. Petersbourg, 1894. [Leipzig, Voss’ Sort] 4%. II, 57, 226 pp- Porro, F. Astronomia sferica elementarmente esposta. Roma, 1859

8°. XIII, 136 pp.

Chemie und Physik.

de Letamendi, J. Curso de quimica general 6 canon perpetuo de la präetiea mediean. 2 tomos. Madrid, 1894. 40. 738,156 pp. Con grabados.

Barillot. Traite de chimie lögale. Analyse toxicologique. Recherches speciales. Paris, 1894. 8%. Avec nombr. fig.

Lomnitz, E. Kenntniss des Trimethylirimethylentrisulions. Heidel- berg, 1894. J. Hörning. 47 .

Oechsner ® Coninek. Cours de ehknia organique. 2 vol. Paris,

1894, 80, PP. ; Schneller, = Reactionen und Reagentien. Ein Handbuch für Aerzte, Analytiker, Apotheker und Chemiker. I. bd. Eichstätt, 1894. tillkrauth. 80, IV, 605 Ostwald, W. Elektrochemie. Ihre Geschichte und Lehre. 3. U. 4. Lief. Leipzig, 1894. Veit & Co. 8%, p. 161-320. Mit Abbild. Strehl,K. Theorie des Fernrohrs auf Grund der ea z Lichts. 1]. Thl. Leipzig, 1894. J. A. Barth. 8. VH, 1 T.

Publikationen des astrophysikalischen Observatoriums zu Potsdam. Herausgegeben von H. C. Vogel. Nr. 31. IX. Bd. Potsdam, 189. [Leipzig, W. Engelmann.] 4°. III, 501 pp.

Montpellier, L-A. Electrostatique. Paris, 189. 16%. 292 PP- Aveec 121 fig.

Christiansen, C. Laerebog i Fysik. Kjobenhavn, 1894

Berthenson, 6. Grundprineipien der physiologischen a wo das Buttenstedt’sche Flugprineip. Berlin, 189. Mayer &

üller, p.

Abhandlungen, wissenschaftliche, der physikalisch-technischen Reichs

x =)

62} Neu erschienene Werke. 397

anstalt. I. Bd. Berlin, 1894, J. Springer. 4%. XVIII, 105 und 439 pp. Mit 16 Fig.

Anderssohn, A. Physikalische Prinzipien der Naturlehre. Halle, 1894. G. Schwetschke. 80,

Price, W. A. A Treatise on the Measurement of elestrieal Resi- stance. London, 1894. 80,

Bagnoli, E. Prineipi di statiea e loro applicazione alla teoria e eostruzione degli strumenti metriei. Milano, 1894. 8. 260 PP. Con 260 ill.

Handbuch der Physik, unter Mitwirkung von F. Auerbach, F, Braun, E. Brodhun u. A. herausgegeben von A. Winkelmann. III. Bd. 22. Lfg. Breslau, 1894. E. Trewendt. 80%, Mit Abbild.

Faceioli, A. Teoria del volo e della navigazione aerea. Ricerche sperimentali sulla resistenza dell’aria. Teoria dellelice e del timone, Milano, 1894. 80, VIH, 310 pp. Con 52 ineisioni e 2 tavole inter- ealate nel testo.

er, J.M. und E. Valenta Absorptionsspektren von farblosen und gefärbten Gläsern, mit Berücksichtigung des Ultraviolett. (Aus: Denkschr. der Kaiser. Akademie der Wissenschaften.| Wien, 1894. F, Tempsky. 4% 11 pp. Mit1 heliogr. Taf., 2 Curven- tafeln im Text und 1 Textfig.

Mineralogie und Geologie.

Smith, J, Monograph of the Stalactites and Stalagmites of the Cleaves Cove, near Dalry, Ayrshire. London, 1894. 8°,

Loewinson-Lossing, F. Petrographisches Lexikon. Repertorium der Petrographischen Termini und Benennungen. II. Thl. [Bei- lage zu den „Sitzungsberichten der Naturforscher-Gesellschaft zu Jurjew vom Jahre 1894*)] Jurjew, 1894. [Berlin, R. Friedländer ü. Sohn.] 80, p. 113—256. Schluss.

Michalski, A. Die Ammoniten der unteren Wolga-Stufe. 2. Lfg. Deutsches Resume. [Memoires du comits geologique. Vol. VII, Nr. 2]. St. Petersburg. 1894. Eggers & Co. 4%. p. 329-497.

Bird, c, Geology. London, 1894. 80. 426 pp.

Nakchinson, U. N. Creatures of other Days. London, 1894. 89.

Engel, Ueber kranke Ammonitenformen im schwäbischen Jura. (Aus: „Nova Acta der kaiserl. Leopold.-Carolinisch. deutschen Aka- demie der Naturforscher.“] Halle, 1894. [Leipzig, W. Engelmann.]

» 60 pp. Mit 30 Taf.

Abhandlungen der königl. preussischen geologischen Landesanstalt. Neue Folge. 2, Heft u. 9. Heft. II. Thl. Berlin, 1894. S. Schropp. XVI, 255 u. IX, 298 pp. Mit 13 Textfig., 1 Atlas von 28 Taf., = Tab. und 34 Taf. Mit 8 u, 34 Bl. Erklärungen.

= träge zur Geologie und Paläontologie des Herzogthums Braun-

Sthweig nad der angrenzenden Landestheile, herausgegeben BR

398 Neu erschienene Werke.

Auftrage des herzogl. Staatsministeriums von herzogl. Kammer- Direktion der Bergwerke. 1. Heft. Braunschweig, 189. F, Vie- weg & Sohn. 8%. X, 202 pp. Mit 8 Taf.

Schmalhausen, J. Ueber devonische Pflanzen aus dem Donetz- Becken. [M&moires du comit& ge&ologique, vol. II, Nr. 3] St. Petersburg, 189. Eggers & Co. 4%. 36 pp. Mit i Taf.

v. Gümbel, K. W. Geologie von Bayern in 2 Thln. II. Bd. Geo- logische Beschreibung von Bayern. Cassel, 1894. Th. Fischer. 80. VII, 1184 pp. Mit zahlr. ee u. Profilen im Text und 1 geolog. Karte v. Bayern als Beilag

Heim, Alb. Geologische Exkursion rt durch die östlichen Schweizer-Alpen. Lausanne, 1894. F.Payot. 8%. 16 pp- Mit 1 Taf. v. Ettinghausen, Ost. Zur Theorie der Entwicklung der jetzigen Floren der Erde aus der Tertiärflora. [Aus: „Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wissenschaften.“| Wien, 189. Tempsky. 80%, 90 pp.

Zoologie.

Nordhavs-Expedition, den norske, 1876—78. XXII. Zoologi. Ophiu- roidea. Ved J. A. Grieg. Christiania, 1894. 4%. 13 BL 41 pp.

Horae societatis entomologicae rossicne variis sermonibus in Rossia usitatis editae. Tom XXVIII. Nr. 1 et 2. St. Petersburg, 1894 [R. Friedländer u. Sohn.] 8, 288 pp. Mit 2 Fig. und 3 z. Thl, farb. Taf.

v. Lendenfeld, R. Die Tetractinelliden der Adria mit einem An- hang über die Lithistiden. [Aus: „Denkschriften der königl. Aka demie der Wissenschaften.“j Wien, 1894. F. Tempsky. 4. 116 pP- Mit 1 Fig. und 8 Taf.

Huxley, T. Mans’ Place in Nature and other anthropologieal Essay8- London, 1894, 80,

Iolieoeur, H. Description. des TEEN de la vigne. Insectes et

ouleur. Paris, 1894. 40. 230 PP-

Ascärate y Fernandez, c. Insectos y eriptögames que invaden los eultivos en Espana. Madrid, 1894. 4%, 780 pp.

Rossmässler, E. A. Iconographie der Land- und Süsswasser- Mollusken mit vorzüglicher Berücksichtignng der europäischen noch nicht abgebildeten Arten, fortgesetzt von W.Kobelt. Neue En

1. EEE Parc Wiesbaden, 1894. C. W. Krei idel. p- 1-40. Mit 10 Steinta

Sars, @. O0. An eisen, of the Crustacea of Norw AT. with ge Deseriptions and Figures of all the Species. Vol. I. Pt. and Christiania, 1894, 8. p. 541-588. Og Planche 158..908

Berlese, A. Acari, myriapoda et scorpiones hucusque in Italia reperta. Fasc. LXX—LXXIHI. Padova, 1894, 8. 104 pP- 894. |

Thomson, €. G, Opuseula entomologien. Fasc. XIX. Lund, 1

67 pp. a

Neu erschienene Werke, 399

dalla Torre, ©. G. Catalogus Hymenopterorum hucusque descrip- forum systematicus et synonymicus, Vol, I. Tenthredinidae inel. Uroceridae (Phyllophaga und Xylophaga.) Leipzig, 189. W. Engel- mann. 8%, VIII, 459 pp.

Wiese, V, Tropefuglenes Liv i Fangenskab. 1. Heft. Aarhus, 1894. 4% 48 pp. Og 2 Tavler.

Bütschli, 0. Vorläufiger Bericht über fortgesetzte Untersuchungen an Gerinnungsschäumen, Sphärokrystallen und die Struetur von Cellulose- und Chitinmembranen, [Aus: „Verhandlungen des natur- historisch-medicinischen Vereins zu Heidelberg.‘ Heidelberg, 1394. C. Winter. 8. 63 pp. Mit 3 Taf.

Chyzer, C., et L. Kulezynski. Araneae Hungariae secundum eulleetiones a Leone Becker pro parte perscrutatas conscriptae. Tomi II, pars 1. Theridioidae, Budapest, 1894. Verlagsbureau

Eberth,C.J. Die Sarkolyse nach gemeinsam mit Nötzel ausge- führten Untersuchungen an der Froschlarve. [Aus: „Festschrift der Faeultäten zur 200jährigen Jubelfeier der Universität Halle.“] Berlin, 1894. A. Hirschwald. 40. 14 pp. Mit 1 Holzschnitt und 1 farb. Tafel.

Bibliotheca zoologiea. Original-Abhandlungen aus dem Gesimmt- gebiete der Zoologie. Herausgegeben von Rdf. Leuckart und ©. Chun. 16, Heft. 3. u. 4. Lieferung. 17, Heft. 1. Lief. 18. Heft. 1. Lief. Stuttgart, 1894. E,. Nägele. 40,

Bronn’s, H.G. Klassen und Ordnungen des Thierreichs, wissen- schaftlich dargestellt in Wort und Bild. III. Bd. Mollusken. 10.— 14. Lfg. Suppl. Tunieata. 2. u. 3. Lfg. Leipzig, 18914. €. F. Winter. 8,

Sanders, A. Researches in the nervous System of Myxine glutinosa. London, 1894. 4,

Botanik, Schneider, G. Book of Choice Ferns for the Garden, Conserva- tory and Stove, Vol. III, London, 1894. 40, 466 pp.

Parlatore, F. Flora italiana, continuata da T. Carael. Vol. X. Firenze, 1894, 80, 934 p

: Moquin-Tandon. El&ments de botanique medierle. Paris, 1894

Pp. Avec 133 fig.

Knuth, P. Grundriss der Blüten-Biologie. Kiel, 1891. Lipsius & Tischer. 80. 105 pp. Mit 36 Holzschn. in 143 Einzelabbildgn.

Itzerott, G. Bakterienkunde, Leipzig, 1894. A, Abel, 120, VII,

= Pp. Mit 48 Abbildgn.

a Bonnier et de Layens. Flore de la France. Avec toutes les . Pspeces figurdes et dessindes d’apres nature. Paris, 1894. 8.

400 Neu erschienene Werke.

Britzelmayr, M. Hymenomyceten. XIII. Hymenomyceten aus Südbayern. X. Thl. Mit Verzeichnissen der im I.—X. Thle. ver- öffentlichten Arten und Formen. [Aus: „31. Bericht des natur- wissenschaftlichen Vereins für Schwaben und Neuburg.*] Berlin, 1894. R. Friedländer & Sohn. 8%, p. 157—222. Mit 44 autogr. u. kolor. Taf.

Bibliotheca botanica. Abhandlungen aus dem Ga der

anik, Herausgegeben von Chr. Luerssen und F. H. Ha enlein. 29. Heft. Stuttgart. 1894. E. Nägele. 4%, 12 pp. Mit 4 Taf. und 4 Bl. Erklärungen.

Acloque, A. Flore de France contenant la description de toutes les especes indigenes disposdes en tableaux analytiques. Paris, 1894. 16°. 840 pp. Avec 2165 fig.

Agardh, J. G. Analecta algologiea. Observationes de speciebus algarum minus cognitis earumque dispositione. Continuatol. Lund, 1894. 4%, 144 pp. Och 2 pl.

Küstenmacher, M. Beiträge zur Kenntniss der Gallenbildungen mit Berücksichtigung des Geıbstoffes. |Aus: „Pringsheim's Jahrbücher für wissenschaft. Eotanik.“] Berlin, 1894. Gebr. Bornträger. 8. V.144 pp

Linden, L., A. Co nina et G. Grignan, Les Orchidees ex0- tiques et leur culture en Europe, Paris 1894, 80%. XIV, 1

Reichenbach fil., H. Gst. Xenia Orchidacea. Beiträge zur Kom niss der Orchideen. Fortgesetzt durch F. Kränzlin. I.

8. Heft. Leipzig, 1894. F. A. Brockhaus, 40. p. 125-140. Mit 10 Kupfertaf., wovon 5 kolor sch

Schulze, Max. Die Orchiäaceen Deutschlands, Deutsch-Oesterreie® und der Schweiz, 13 Lfgn. Gera, 1894 &

92 Chromotaf., 1 Taf. in Schwarzdr. u. 1 Sta

Penzig, OÖ. Phlanssn- Teratologie, a "geordnet. Dicotyledones, gamopetalae. Monoeotyledones. Crytogama®. 1894. [Berlin, R. Friedländer u. Sohn,| 8%. VII, 594 pp-

Becker, Th. Revision der Gattung Chilosia Meigen. [Aus „N Acta der kaiserl. Leopold, - Carolinisch deutschen Akademie

Naturforscher Halle, 1894. [Leipzig, W. Engelmann.) 4%. 321 pP

t 13. Taf. /

I: Genua,

en botanica. Abhandlungen aus dem Gesammtgebiete Ku Botanik. Herausgegeben von Chr. Luerssen und F. Ha 30. u. 31. Heft. Stuttgart, 1894. E, Nägele. 40. hohen v. Haläesy, E. Botanische Ergebnisse der im Auftrage der kaiserl. Akademie der Wissenschaften unternommenen Bet f reise in Griechenland. I. Beitrag zur Flora von Epiru enkschriften der kaiserl. Akademie der Wissenschaften. 1094. F. Tempsky. 4%. 52 pp. Mit 3 lith. Taf.

1 2.

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2 u Er

Tafel V. v. Fritsch, Diluviale Grundmoränengebilde bei Halle a|S.

e der Westwand der städtischen Sandgrube zwischen Diemitz und Mötzlich bei Halle a/S.

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Tafel VI. v. Fritsch, Diluviale Grundmoränengebilde bei Halle a/S.

Theil der Westwand der städtischen Sandgrube zwischen Mötzlich und Diemitz bei Halle a/S.

'S we ojfed '19uU7J9] 4 '1q2 9 UoaA YOnıpyysıT soyd oydapn"'

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Tafel VO. viale Grundmoränengebilde bei Halle

Zeitschrift für Naturwissenschaften Bd. 67. Tate} VII

Be 5 Kse h ee;

; : = 34, al Ss VÖ. Lüdecke phöt. Lichtdruck von Gebr. Plettner, Halle a. >

Verlage von ©. E.M. Pfeffer in Leipzig.

Brandes, Privatdocent, Dr. G., Die Blattläuse und der Honigthau.

(Zeitschr. f. Naturwiss., 66. Bd. 3/4. Heft.) Preis Mk. 4.— Der Saisondimorphismus bei einheimischen . und exotischen Schmetterlingen.

1 Taf. und 1 Fig. (Zeitschr. f. Naturwiss., 66. bd. 5/6. Heft.) Preis Mk. 4.— Die Brutpflege der Fische.

1 Taf. und 1 Fig. ERBIEREIN f. Naturwiss., 66.Bd 5/6. Heft.) Preis ne 4.—

Corapias: Dr: G,,

Die fossile Flora des unteren Kae von Ost- thüringen.

Mit 3 Doppeltafeln. (Zeitschr. f. Naturw., 67. Bd. ur Heft.) PreisMk,4.—

Derschau, Dr. Max V.,

Hilfsmittel der Schling- und Rankenpflanzen. (Zeitschr. f. Naturwiss., 67. Bd. 1/2. Heft.) Preis Mk. 4.—

a RRSRERSEERNR

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Ueber die hydrolytischen Spaltungen organischer Substanzen, (Zeitschr. f. Naturwiss., 67. Pd. 3/4, Heft.) Preis Mk. 4—

Erdmann, Privatdocent, Dr. Hugo,

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Naturwissenschaftl. Verein für Sachsen und Thüringen zu Halle a. $. Bericht über das Jahr 1894. 47. Gesellsehaftsjahr.

Das vergangene Jahr zeitigte drei wichtige geschäft- _ liehe Aenderungen für den Verein: e 1. Umarbeitung und Neuherausgabe der Statuten, die _ aufder allgemeinen Versammlung am 16. und 17. Juni 1894 zu Quedlinburg angenommen wurden. 2. Eingehen des Correspondenzblattes, an dessen Stelle en Jahresbericht tritt, der sämmtlichen Mitgliedern jedes- "mal mit dem 6. Hefte der Zeitschrift zugeht; die wissen- schaftlichen Mittheilungen aus den Sitzungen kommen ent- weder als Öriginalabhandlungen oder unter der neuein- gerichteten Rubrik „KleinereMittheilungen“ in der Zeitschrift zum Abdruck. 3. Verschmelzung der Vereinsbibliothek mit derjenigen der Naturforschenden Gesellschaft zu Halle a. $. auf Grund

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liothek ideelles Eigenthum der Gesellschaften ist. Aus

Vortheil, indem die Bibliothek einmal ihre vorhandenen Serien wesentlich vervollkommt durch diejenigen der hin- Zugekommenen Gesellschaft, wie sie andererseits in der . ist, neue Serien hinzuzufügen. Die Bibliothekare ‚beider Gesellschaften verwalten gemeinsam die Bibliothek. Für die Neuaufstellung der Bibliothek sind die Vorarbeiten Aufstellung des neuen provisorischen Katalogs, Regelung des Tauschverkehrs) beendigt, auch ist die Neuaufstellung

Mm. Bar Garden,

1% Bericht über das Jahr 189.

der Werke schon ziemlich weit fortgeschritten, sodass bis zum Sommer die gemeinsame Bibliothek zur Benutzung kommen kann.

Ferner ist mit den Direktoren hiesiger Institute (zu- nächst des mineralogischen und des zoologischeu) ein Uebereinkommen getroffen dahin gehend, dass eine Reihe einzelner Fachzeitschriften und selbständiger Werke dauernd diesen Instituten geliehen wird, mit der Bedingung, den Bibliothekaren des naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen und Thüringen und der naturforschenden Gesell- schaft jederzeit, den Vereinsmitgliedern zu bestimmten Stunden der Woche den Zutritt zu den Institutsbibliotheken zu gewähren. Die Direktoren sind dafür verpflichtet, die geliehenen Werke in Ordnung zu halten und für gesonderte Aufstellung und übersichtliche Katalogisirung Sorge zu tragen.

Der Vorstand bestand aus den Herren:

Geheimrath Prof. Dr. Freiherr von Fritsch, 1. Vor- sitzender; Major a. D. Dr. Förtsch, 2. Vorsitzender; Gym- nasialoberlehrer Dr. Riehm, Privatdocent Dr. Wiener, Ober- lehrer Dr. Smalian, Schriftführer; Dr. E. Erdmann, Kassen- führer; Privatdocent Dr. Brandes, Bibliothekar.)

Im ganzen wurden 29 Sitzungen abgehalten, darunter eine allgemeine am 16. und 17. Juni in Quedlinburg, welche von 81 Theilnehmern besucht war, wovon 25 hallesche Mit- glieder. Mit dieser Versammlung wurden verbunden: Ausflüge in die subhereynische Kreide von Westerhausen, in das Granit- massiv des Wurmthales, in das Bodethal, ferner die Be- sichtigung der Sammlungen von Alterthümern, welche zum Theil der Stadt Quedlinburg, zum Theil Herrn Dr. Lampe und anderen Privaten gehören, endlich Besichtigung der Dippe’schen und Mette’schen Gärtnereien. Die zweite statutengemäss abzuhaltende, allgemeine Versammlung fand am 16. Dezember statt. Ausserdem hatten sich gelegentlich

1) In den Vorstand für das Jahr 1895 wurden gewählt = Herren: von Fritsch, Vorsi’zender, Förtsch, zweiter Vorsitzender, Riehm, Smalian, A. Wagner, Schriftführer, E. Erdmann, Rue führer, Brandes, Bibliothekar,

Naturwissenschaftl. Verein für Sachsen u. Thüringen. III

der Universitätsjubelfeier hiesige und auswärtige Mitglieder zu einem geselligen Beisammensein eingefunden.

Besucht wurden die Sitzungen, ausser von zahlreichen Gästen, im Ganzen von 609 Mitgliedern, sodass im Durch- schnitt auf jede Sitzung 21 anwesende Mitglieder kommen. Ausserdem veranstaltete der Verein im Jahre 1894 vier öffentliche Vorträge, die sich eines regen Besuches auch seitens vieler Nichtmitglieder zu erfreuen hatten. Diese öffentlichen Vorträge behandelten folgende Stoffe:

„Altes und Neues aus dem Leben der Ameisen.‘ Herr Oberlehrer Dr. Smalian.

„Dehönheitspflege im Alterthum und in der Gegenwart.“ Herr Privatdocent Dr. Kromeyer.

„Ueber Lionardo da Vinei als Naturforscher.“ Herr Direetor Dr. v. Lippmann.

„Das Leben der Menschen in der Steinzeit.“ Herr Major a. D. Dr. Förtsch.

Die in den Sitzungen gebotenen Vorträge‘) und Mit- theilungen bezogen sich auf folgende Gegenstände:

Mathematik und Astronomie.

Benennung kleiner Grössenordnungen H. Erdmann, Schmidt. Konstructive Darstellung von Raumkurven, Wiener. Planimeter und Curvimeter D., Ule. Diester- wegs populäre Himmelskunde, Brandes. Die Entstehung der Jahreszeiten auf dem Mars, Wiener.

Physik und Meteorologie. Graphische Darstellung von Schwingungskurven zweier Pendel, D., Wagner. Der von Bernheim verbesserte Abbe’sche Zeichenapparat D., von Herff. Die Unhaltbar- keit des Bär’'schen Gesetzes, Dunker. Direkte Umwand- lung chemischer in elektrische Energie nach Borchers, - Schenek. Der grosse Hagel Wiens vom 7. Juni 1894,

Halbfass. Die Sohncke’sche Gewittertheorie, Wiener.

Chemie, Nahrungsmittel- und physiologische Chemie. Alaune, insbesondere der Kali-Eisenalaun D., H. Erd- - Vernnreinigtes Aluminium, Teuchert, H. Erd-

1) Demonstrationen, welche statt hätten, sind mit D. bezeichnet.

IV Bericht über das Jahr 189.

mann. Entglaste Produkte der Wittener Glasindustrie, D., H. Erdmann. Analyse derselben nach Köthner, derselbe. Platindoppelsalze und die Verwandtschaft der Edelmetalle.

D., H. Erdmann. Ein nenes haltbares Platinpapier für photographische Zwecke, Knapp. Deutsche Vaseline- fabrikate, Huth. Zur Theorie des Färbeprozesses, D,;,

Dathe. Synthetische Darstellung von Nahrungsmitteln, insbesondere über Holzmehl-Pferdebrot, D., H. Erdmann. Analyse des Pferdebrotes, schwedisches und russisches Hungerbrot, Baumert. Die Verdauungsvorgänge im Darm der Hausthiere, Holdefleiss. Genuss von Pferdefleisch und über das Schächten, Veckenstedt und Dr. Fessler. Nachweis von Pferdefleisch und dessen Vorkommen in Fleischwaaren, Goltz, Baumert.

Mineralogie und Geologie.

Bemerkungen über das krystallographisch-optische Ver- halten der Alaune, Luedecke. Der Eisenboraeit von Roschwitz b. Bernburg, D., derselbe. Krystallformen von Eis und Schneeflocken, D., derselbe. Verbreitung des Zinns und seiner Erze, derselbe. Die Quecksilberwerke von Schuplja Stena b. Belgrad, D., von dem Borne. Die edlen Steine der altsemitischen Welt, Veekenstedt. Der geologische Bau eines Theiles von Ostafrika, von dem Borne. Schichtungs- und Quetschungserscheinungen in den Diluvialsanden des Goldberges b. Diemitz, v. Fritsch, Luedecke. Gegenwärtiger Stand des verschwindenden salzigen Sees, Brandes. Besuch der sogenannten neuen Bau- mannshöhle, D., derselbe. Die Natur der sogenannten Gletschertöpfe des Iberges, derselbe. Die geologischen Verhältnisse desKarstes, derselbe. Ein Geschiebe Calamo- pora aus der Gegend von Eisleben, D., Förtseh. Stein- gerölle von Gerdauen in Ostpreussen, D., derselbe. Chamotte - Thone von Rackonitz in Böhmen, D., derselbe. Diluviale Knochenbreeeien aus Cypern, D., v. Fritseb. Trilobiten aus den Thüringer Griffelschiefern, D., derselbe Fossile Pflanzen der subhereynischen Kreide von Wester- hausen, D., Lampe. Paläontologische und prähistorische Funde aus der Gegend von Neuhaldensleben, D., Brandes.

Naturwissenschaftl. Verein für Sachsen und Thüringen. V

.— Ammoniten der Trias von Hanbulog bei Serajewo, D., von dem Borne. Cymatosaurus Friderieianus aus dem Muschelkalk von Nietleben, D., und Nothosaurusreste des Muschelkalkes von Freyburg a. U. (Geschenk von Dr. Schmerbitz), D., v. Fritsch.

Prähistorische Forschung. Feuersteinartefaete von Ratibor, D., Förtsch. Vor- geschichtliche Töpfereigeräthe aus der Umgegend von Halle, D., derselbe. Zeiten- und Nothfeuer, Veckenstedt. Altgermanische Namengebung, derselbe. Nagelsteine, insbesondere der „lange Stein‘ bei Dölau, derselbe. Der im salzigen See gefundene Einbaum, E. Erdmann.

Zoologie, Anatomie, Entwicklungsgeschichte, Physiologie. Frühzeitiges Ausschlüpfen von Schmetterlingen im Winter, Brandes. Abhängigkeit der Farbe von Schmetter- lingspuppen von der Farbe des Untergrundes, D., Brandes. Sehützende Färbungen und Zeichnungen von Kohlweiss- lingspuppen, Pieris brassicae zwischen Flechten D. und des Rüsselkäfers Lithinus nigrocristatus auf Parmelia erinita von Madagaskar, D., Smalian. Schmeil, Deutschlands freilebende Süsswassercopepoden II, Harpactieidae, Referat Brandes. Eine seltene amerikanische Schildkröte Kinos- 'ernum und ihr Ei, D., derselbe. Kessler, Der Blattfloh Trioza alacris an Laurus nobilis, Referat Brandes. Eine Singmaus, D., Kalberlah. Einige wenig bekannte Wild- Schweine des malayischen Archipels, D., v. Spillner. Der grosse ÖOrang des Leipziger zoologischen Gartens, Brandes, Knauthe, Kröten von Fliegenmaden getötet, Referat Brandes. Die Fauna Istriens, D., Brandes. Ueber die Krebspest, derselbe. Belege für die Herkunft des Honigthaues von Blattläusen, derselbe. Honigthau ‘von Schildläusen, derselbe. Honigthau in Gallen, D., hede. —— Zacharias, Zweiter Forschungsbericht der Plöner biologischen Station, Referat Schmeil. Schleierschwänze "nd Teleskopfische, D., Smalian. A. Fritze, Saisondimor- Pälsmus japanischer Schmetterlinge, Referat derselbe. P. Marshall, Parthenogenesis bei Wespen, Referat derselbe

vi Bericht über das Jahr 1394.

Knauthe, Die Brutpflege des Moderrapfen, Leucaspius delineatus, Referat Brandes. Die Brutpflege der Macro- poden, Smalian. Walembryonen nach Kükenthal, Referat Smalian. R. Semon, Entwicklungsgeschichte und Biologie des Ceratodus Forsteri, Referat derselbe. Ein Hühnerei mit wurstförmigen Fortsätzen, D., Riehm. Zwei durch einen Strang verbundene Hühnereier, D., Brandes. Ein von Dr. Rosenthal (Teuchern) in einem Hühnerei gefundener Fremdkörper, D., derselbe. Mole und Dermoideysten, v. Herff. Eine Dermoideyste aus dem Bauchfell einer Gans, D., Brandes. Zwillings-, Drillings- ete. Bildungen, insbesondere ein Fall von Sechslingen, v. Herfl. Zwei ungleichalterige Zwillingsembryonen, D., derselbe. Ein Zwillingsapfel und dessen genetische Deutung, D., derselbe. Superfecundatio und Superfoetatio, derselbe. Poly- spermie, Brandes. Ueber Telegonie, v. Spillner, Smalian. Atavistische Zeichnungen der Hausthiere zur Erklärung der Telegonie, Brandes, Smalian. J. Kühn, Kreuzungen eines europäischen Wildebers mit einem Bündener Schwein, Referat v. Spillner. Kohl, Die rudimentären Wirbel- thieraugen II, Referat Brandes. Trocken konservirte, abgeworfene T'ritonenhäute, D., Smalian. Konservirung von Thieren in Formaldehyd (Formol, Formalin), D., Brandes, Goldfuss, Smalian. Eine Konservirungsflüssig- keit für Pflanzen, Hollrung.

Botanik. Phänologisches vom abnorm zeitigen Frühjahr 1894, von Fritsch. Eine deformirte Clematis-Blüthe, D., von

Schlechtendal. Vergrünte Rosen, D., Kalberlah. Ver- grünungen von Blüthen, D., v. Schlechtendal. Eine ver- grünte Weinblüthe, D., derselbe. Ein Kieferzweig mit 85 Fruchtzapfen, D., Klöber. Gallen der Zerreiche (Quereus cerris) und deren Erzeuger (Chilaspis nitida Mayr.) im botanischen Garten zu Halle a.S., D., v. Schlechtendal. Reinkulturen zweier neuer, niederer Pilze, Prototheca mor!- formis und Zopfi und zweier neuer, niederer Algen, Chlorella protothecoides und Chlorothecium, saccharophy Ilum, D., Krüger. Eine neuntheilige Roggenähre, D., Riehm.

Naturwissenschaftl. Verein für Sachsen und Thüringen. VII

Geschichte der Blattstellungstheorien, insbesondere die mechanistischen Theorien Schwendeners und Schumanns, Referat Smalian. Stahl, Pflanzenbiologische Forschungen, insbesondere die Träufelspitze der Blätter, Referat Brandes. Zoebl und Mikosch, die Funktion der Grannen,

Referat Smalian. Die Befruchtung der Blumen durch Insekten, D., Smalian. Wurzellose Tillandsien aus Argentinien (Flor de l’air), Ph. Wagner. Epiphyten der Savannen, Smalian. Wasser- und Mineralstoffaufnahme durch Blätter, Krüger, Spillner. Die xerophytische Flora Istriens, D., Brandes, Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschutz, Hollrung. Pflanzenschaden, durch Fluorverbindungen von Floridasuperphosphaten verur- sacht, Teuchert. Pleomorphismus der Blätter und

Nutzpflanzen aus der Familie der Moraceen, Brandes. Ueber Septentrionalin, Kobert. Ein Indigolösung zerstörender Mikroorganismus, D., Dathe.

Allgemeines. Reisen in Albanien, Montenegro, Dalmatien und Bosnien, H. Erdmann. Glückwünsche sandte der Verein Herrn Prof. Häckel-Jena zum 60. Geburts- tage, Herrn Exec. v. Seuäffer-Jena zum 70. Geburtstage.

Nekrologe.

Nachrufe an Prof. Hertz und Prof. Kundt. Schmidt. Nachruf an Hofrath Dr. Liebe. v. Fritsch. Nachruf an Prof. Kützing. Zopf. Nachrufe an Dr. L. Coulon, Neufchatel, Prof. v. Helmholtz und Geh. Bergrath Dunker. V. Fritsch.

Ausflüge Machte der Verein nach Quedlinburg (s. oben) und in die Hildebrandt’schen Mühlenwerke nach Böllberg.

Die Kassenverhültnisse sind in steter Besserung begriffen. Da die letzte Abrech- Qung, die noch ein beträchtliches Defieit ergab, schon auf der Generalversammlung im Sommer stattfand, seitdem

VII Bericht über das Jahr 1894.

aber die Verhältnisse durch Wegfall des Correspondeuz- blattes, äusserste Sparsamkeit und durch Beitritt vieler neuer Mitglieder eine wesentliche Verbesserung erfahren haben, verzichten wir diesmal auf nähere Angaben und hoffen im nächsten Jahre einen bescheidenen Ueber- schuss melden zu können.

Der Personalbestand

wies im vergangenen Jahre folgende Bewegung auf. Zu Beginn des Jahres zählte der Verein 4 Ehrenmitglieder, 3 eorrespondirende, 115 auswärtige, 85 einheimische, im ganzen also 200 zahlende Mitglieder, dazu kamen noch 6 studentische Theilnehmer.')

Durch den Tod verlor der Verein 4 Mitglieder, die Herren Geh. Bergrath a. D. Dunker und Markscheider Sommerweiss, Hofrath Prof. Dr. Liebe und Se. Exec. den wirkl. Geheimrath, Prof. Dr. Hermann v. Helmholtz. Ihren Austritt erbaten 7 Mitglieder, die Herren: Dr. Ellisen, Dr. Gerlach, Dr. Guckelberger, cand. Oelert, Graf Stolberg- Stolberg, Sekundarlehrer Werneburg, Oberlehrer Wilke. Nach diesen Verlusten zählte der Verein also 3 Ehrenmit- glieder, 3 correspondirende, 107 auswärtige und 83 ein- heimische, insgesammt 190 zahlende Mitglieder.

Der Zuwachs des Jahres 1894 füllte aber diese Lücken völlig aus. Nicht weniger als 30 neue Mitglieder traten dem Vereine bei, sodass die Anzahl der Zahlenden bis zum Ende des Jahres auf 220 stieg. Zum correspondiren- den Mitglied wurde ernannt Herr Prof. Dr. William Marshall zu Leipzig, wegen seiner grossen Verdienste um die Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse, besonders wegen seiner reizvollen Schilderungen der

Direktor Eisengräber, Dr. Neyde und Dr. Schellwien.

Naturwissenschaftl, Verein für Sachsen und Thüringen. IX

‚heimischen Thierwelt. Drei einheimische Mitglieder mussten in die Liste der auswärtigen übertragen werden, Dr. Rüble, Dr. Sehütze und Dr. Wiener, letzterer folgte einem Rufe als ordentlicher Professor an die technische Hochschule zu Darmstadt, und wir verloren in ihm zu unserem grossen Bedauern ein eifriges Vorstandsmitglied.

Die neuen einheimischen Mitglieder sind folgende Herren:

Dr. Bornitz, Gymnasiallehrer. Brinkmann, Fabrik- besitzer und Stadtverordneter. Goltz, Direktor des städt. Sehlachthofes. Humperdinck, Bergrath. Karras, Buch- druckereibesitzer. Dr. Keil, Frauenarzt. Dr. Lange, Arzt. Dr. Lenz, Assistent am landwirthschaftl. Institut. C. Plettner, Kunstverleger. Dr. Risel, Sanitätsrath und Kreisphysikus. von Skerst, stud. Dr. Schulz, prakt. Arzt. Dr. Thost, Verlagshändler. Dr. Wagner, Oberlehrer. Ph. Wagner,

aufmann.

Von auswärts meldeten sich die Herren:

Prof. Dr. Blasius, Braunschweig. Dr. Brandis, Arzt an der Provinzial -Irrenanstalt Nietleben. W. Brauns, Fabrikbesitzer, Quedlinburg. Dr. Fries, Direktor der Provinzial-Irrenanstalt Nietleben. Dr. Grossmann, Oberarzt, ebendaselbst. Dr. B. Habenicht, Quedlinburg. Dr. Halb- fass, Oberlehrer, Neuhaldensleben. Dr. 0. Hermes, Direktor des Berliner Aquariums. K. Knauthe, Schlaupitz i. Schles. Prof, Dr. Kohlmann, Quedlinburg. Dr. Meye, prakt. Arzt, Eisleben. H. Meyersberg, Wien. Dr. G. Rhode, Cönnern. Dr. Walter, Sekretär des schlesischen Fischereivereins in Breslau. Dr. Weller, Chemiker, Quedlinburg.

. Diese grosse Anzahl auswärtiger Mitglieder, die an den Sitzungen des Vereins kaum theilnehmen und vom Verein ur die Zeitschrift erhalten, beweist uns, dass die Zeit- Schrift gehr wohl im Stande ist, uns neue Mitglieder zuzu-

. en; und wir richten daher an alle Vereinsangehörigen die Bitte, in ihrem engeren Bekauntenkreise auf die Zeit- Schrift für Naturwissenschaften nach Kräften aufmerksam Sachen, sie ist ein ausnehimend billiges Organ, zumal ot die Vereinsmitglieder, und die Redaction bemüht sich,

| allen Daturwissenschaftlichen Interessen in gleicher Weise

2 Bericht über das Jahr 189.

Rechnung zu tragen. Es müsste doch jedem Mitgliede möglich sein, jährlich einen seiner Bekannten für den Verein zu werben; wenn das wirklich geschähe, würden wir in 3 Jahren unser 50jähriges Bestehen in grossartigster Weise feiern können.

Halle a. S., den 10. Januar 189.

K. v. Fritsch, K. Smalian, 7. Z. Vorsitzender, Schriftführer.

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Mitgliederverzeichniss.')

A. Ehrenmitglieder.

. Rammelsberg, Dr., Geh. Regierungsrath u. Prof., Berlin. . v. Hauer, Hofrath, Intendant d. k. k. naturhist. Hof-

museums in Wien.

. Virchow, Dr., Geh. Medieinalrath u. Prof., Berlin.

B. Korrespondirende Mitglieder.

» Kenngott, Dr., Professor, Zürich.

Dieck, Dr., Zöschen bei Merseburg. Schmerbitz, Dr., Freyburg a. U.

» Marshall, William, Dr., Professor, Leipzig

C. Ordentliche Mitglieder,

a. Auswärtige:

Abbe, Dr., Professor, Jena.

Ahlenstiehl, Dr., Oberlehrer, Lüneburg, Hoher, Garten 1.

Albert, Dr., Gut Münchehof bei Quedlinburg.

Alt, Dr,, Direktor der Landesheilanstalt Uchtspringe, Alta rk.

Amberg, Physiker, Berlin, Spenerstrasse 4/b. Anhaltisches Ministerium, herzogl., Dessau. Bäumler, E., Dr., Halberstadt, Augenklinik.

Barth, M., Dr; Helmstedt, Landwirthschaftl. Schule.

Bender, Dr. Sanitätsrath, Camburg. ng

1) Abgeschlossen am 1. Januar 1895. Berichtigungen, Woh-

wu Sewechsel etc. erbittet der Schriftführer Dr. Smalian, Halle a. S., Örmlitzerstrasse 4.

42,

Mitgliederverzeichniss.

. Beyschlag, F., Landesgeologe, Dr., Wilmersdorf bei

Berlin, Nassauische Strasse 51. Biedermann, Oberstlieutenant, Berlin W., Lützow- Ufer 22.

. Blasius, Wilh., Dr., Prof., Braunschweig, Gausstr. 17. . Bode, Dr., Rittergutsbesitzer, Rottenbauer bei Heidings-

feld in Bayern.

. Böttger, O., Dr, Prof., Frankfurt a.M., Seilerstr. 6. . v. d. Borne, G., Dr., Berneuchen bei Neudamm.

. Brandis, Dr., Arzt a. d. Prov.-Irrenanstalt, Nietleben. . Brass, Dr., Göttingen.

. Brasack, Dr., Professor, Aschersleben.

. Brauns, Wilhelm, Fabrikbesitzer, Quedlinburg.

. Büttner, Dr., Rektor, Camburg.

. Carus, Dr., Prof., Leipzig, Gellertstr. 7.

- Compter, Dr., Direktor, Apolda.

. Credner, Dr., Oberbergrath uud Professor, Leipzig,

Milchinsel 4.

. Dalmer, Dr., Kgl. Landesgeolog, Jena, Bahnhofstr.

Droysen, Dr., Direktor, Dahme (Brandenburg).

. Dsehenfzig, Magdeburg, Commerzienrath. . Fiermann, Max, Apothekenbesitzer, Weissenfels a. 9.

Flemming, Dr., Professor, Altenburg. Franke, Dr., Oberlehrer, Schleusingen.

. Fries, Dr., Direktor d. Prov.-Irrenanstalt, Nietleben.

Gareke,Dr., Professor, Berlin SW., Gneisenaustr. 20.

2. Geuther, Nikol., Lehrer a. d. Realanstalt am Donners-

berge bei Marnheim (Pfalz).

. Glass, Direktor, Merseburg, Landwirthsehaftl, Schule.

Gotha, Naturwissenschaftl. Sammlungen des herzogl- Museums in Gotha. Grossmann, Dr., Oberarzt, Prov.-Irrenanst. Nietleben.

. Grässner, Bergassessor, Schönebeck.

. Grottke, Buchhändler, Leipzig, Königstr. 23. . Günther, Dr., Fabrikbesitzer, Bernburg.

- Habenicht, Dr., B., Quedlinburg.

Hachtmann, Dr., Sanitätsrath, Weissenfels a. 8

. Halbfass, Dr., Gymnasialoberlehrer, Neuhaldensleben,

v. Hänlein, Rittmeister, Blankenburg (Harz).

SF,

3

S

Mitgliederverzeichniss. XIll

. Hasse, Dr. med., Nordhausen. . Hellriegel, Dr., Professor, Bernburg. . Hermes, O., Dr., Direktor des Berliner Aquariums,

Berlin C., Unter den Linden 13.

. Herzfeld, A., Dr., Direktor und Professor, Berlin 3,

Invalidenstrasse 43.

. Hielscher, Dr., Berlin NO., Weinstrasse 30.

. Holdefleiss, Dr., Professor, Breslau.

. Huth, P., Fabrikant, Wörmlitz bei Halle.

Kaiser, Dr., Oberlehrer, Schönebeck a. E.

- Kessler, Apotheker, Nordhausen, Mohrenapotheke.

- Kirehner, Dr., Professor, Leipzig, Brüderstr. 34.

. Klöber, Oberlehrer, Quedlinburg.

- Klose, Professor, Weissenfels a. 8.

- Knauthe, Karl, Schlaupitz, Kreis Reichenbach u. d.

Eule, Schlesien.

- Köhnke, Dr., Oberlehrer, Salzwedel.

- Köttnitz, Dr., Fabrikbesitzer, Teuchern.

- Kohl, C., Dr., Stuttgart, Kriegsbergstr. 15.

. Kohlmann, Dr., Professor, Quedlinburg.

- Krüger, W., Apotheker, Waltershausen.

. Lampe, Dr. phil., Quedlinburg, Lange Gasse 8.

- Leuekart, Dr., Geh. Hofrath und Professor, Leipzig. Leuschner, Geh. Bergrath, Eisleben.

Liesenberg, C., Chemiker, Dresden - Plauen, Hohe Strasse 34.

- Lisker, Rektor, Volksmädchenschule, Alte Neustadt-

Magdeburg. (z. Z. in Naumburg, Wenzelspromenade 17).

- Lorentzen, Oberlehrer, Pforta bei Kösen. - Lüdecke, Dr., Kultur-Ingenieur, Mainz, Frauenlob-

Strasse 4.

- Mette, Einfahrer, Leopoldshall. : Meye, Dr. med., prakt. Arzt, Eisleben. : Meyer, Dr., Hofrath, Dresden, Zoologisches Museum,

Zwinger.

i Meyersberg, H., Wien I, Schottenring 15.

: Müller, Traugott, Dr., Hafelberg, Dom 25.

: Pertsch, Dr., Hofrath, Gotha.

- Petry, Dr., Oberlehrer, Nordhausen, Alleestr. 12b.

103.

Mitgliederverzeichniss,

. Petzold, K., Dr., Oberlehrer, Zerbst, Käsperstrasse 6. . Pott, R., Dr., Poppelsdorf bei Bonn, Physiologisches

Institut. Pröschold, Dr., Oberlehrer, Meiningen.

. Rademann, Apotheker, Frankfurt a. M.-Bockenheim,

Königstrasse 2. Rengel, C., Oberlehrer, Potsdam, Neue König- strasse 1281.

. Rhode, G., Dr., Cönnern, Zuckerfabrik.

. Riehter, Dr., Gymnasialoberlehrer, Quedlinburg.

. v. Röder, V., Rittergutsbesitzer, Hoym (Anhalt).

. Römer, Dr., Bernburg, Versuchsstation.

. Rosenthal, Th., Dr., Teuchern, Reg.-Bez. Merseburg. . Rühle, Dr., Wickede a. d. Ruhr, Portlandcement-

fabrik.

. Rost, Adalb., Dr., Prof., Cassel, Annastr. 20.

. Sachtleben, Dr., Direktor, Krefeld.

. Sauer, Dr., Landesgeolog, Heidelberg, Römerstr. 42. . Schäffer, Dr., Professor, Jena.

. Scheer, H., Oberlehrer, Königsberg i. Pr., Mittel-

Tragheim 34 B.

. Scheibe, Dr., Bezirksgeolog, Berlin N., Invaliden-

strasse 44.

. Sehiemenz, Dr., Neapel, Stazione zoologica. . Schmeil, Dr., Rektor, Magdeburg, Annastr. 17.

Schmidt, Dr., Arehidiakonus, Aschersleben. Schmidt, E., Dr., Geh. Regierungsrath u. Professor, Marburg.

. Schnorr, Dr., Professor, Zwickau.

. Seholwer, Magdeburg, Zschokkestrasse 19.

. Sehreiber, Dr., Professor, Stadtrath, Magdeburg.

. Sehröder, Realschuldirektor, Naumburg a. 9, Park-

strasse 15.

. Sehubring, @., Professor am Realgymnasium, Erfurt,

Karthäuser-Ufer 6.

. Sehtitze, R., Dr., Spessarter Hohlglaswerke, Lohr a.M. . Schulze, Erwin, Dr., Badersleben, Ackerbauschule.

Siegert, Dr., Professor, Dresden N., Antonstr- 16.

Mitgliederverzeichniss. XV

. Simroth, Dr., Professor Leipzig - Gohlis, Leip-

zigerstrasse 1.

. Soltsien, Handelschemiker, Erfurt.

Stade, H., Dr., Berlin W., Schinkelplatz 6.

. Staute, Dr., Brauereibesitzer, Freyburg a. U.

. Steffeck, Dr., Cröllwitz bei Halle.

. Steinriede, Dr., Direktor, Wittenberg.

. Stössner, Dr., Helmstedt, Landwirthschaftl. Schule. . Fürst Stolberg-Rossla, (Adr.: Rentkammer).

. Fürst Stolberg- Wernigerode, (Archivrat Jacobs). . Thede, Direktor, Rattmannsdorf bei Ammendorf.

. Thiele, Dr., Professor, München, Schillingstrasse 761. . Thomas, Dr., Professor, Ohrdruf.

116. Walter, Oberlehrer, Magdeburg, Breiteweg 24.

117. Walter, Dr., Sekretär des Schles. Fischereivereins, Breslau.

118

- Weller, Dr., Chemiker, Anilirfabrik, Quedlinburg. - Wiener, Dr., Professor an der techn. Hochschule,

Darmstadt,

- Wiedemann, Kommerzienrath, Apolda. - Winter, Dr., Surabaya, Java. » Wolterstorff, Konservator, Magdeburg, Johannis-

bergstrasse 12,

- Wohltmann, Dr,, Professor, Poppelsdorf, Landwirth-

Schaftliche Academie.

: Zache, E., Dr., Berlin W., Demminerstr. 64 III. . Zörner, E., Dr., Delitzsch.

b) In Halle a. S.

- Albert, Dr., Professor, Händelstrasse 9.

- Anton, Buchhändler, Charlottenstrasse 20.

: Apel, Oberlehrer, Friedrichstrasse 28.

: Baumert, Dr., Privatdocent, Blumenthalstrasse 4. - Behrens, H., Privatgelehrter, Steinweg 47,

- Beleites, Dr., Ohrenarzt, Alte Promenade 12.

- Binder, Kaufmann, Ankerstrasse 14.

ä Blaue, J., Dr., Wilhelmstrasse 44.

Borck ert, Dr., Oberlehrer, gr. Märkerstrasse 21.

Bornitz, Dr., Gymnasiallehrer, Sophienstrasse.

Mitgliederverzeichniss.

v. Borries, Oberst, Jägerplatz 1611.

. Brandes, 6., Dr., Priv.-Doc., Domplatz 4. Bibliothekar. . Brinkmann, Fabrikbesitzer und Stadtverordneter,

Krausenstr. 1.

. Cluss, Dr., Privatdocent, Bernburgerstrasse 181.

Cornelius, Dr., Professor, Advokatenweg 1.

. Datbe, Chemiker, Fritz-Reuterstrasse 9.

. Dehne, M., Fabrikbesitzer, Schimmelstrasse 3.

. Dieker, Hugo, Ingenieur, Merseburgerstrasse 168.

. Erdmann, E., Dr., Chemiker, Bismarckstrasse 29II,

Labor. Anhalterstrasse 15. Kassirer.

. Erdmann, H, Dr., Professor, Friedrich strasse 52. . Förtsch, O., Dr. phil., Major a. D., Reichardtstrasse 14.

2. Vorsitzender.

. Freyberg, H., Brauereibesitzer, Glauehaerstr. 49.

v. Fritsch, Dr., Professor, Geh. Rath, Margarethen- strasse 3. 1. Vorsitzender.

- Gärtner, Dr., Wuchererstrasse 76II. . Goltz, Direktor des städtischen Schlachthofes. . Goldfuss, O., Ulestrasse 17.

Grassmann, H., Dr., Oberlehrer, Niemeyerstrasse 23.

. Grosse, Buebhändler, Blumenstr. 10. . Gruhl, Fabrikbesitzer, Lindenstrasse 66. . Hendel, Justus, Dr. jur., Verlagsbuchhändler, Moritz-

zwinger 16II.

. Heck, Direktor der. Portland-Cementfabrik, Mans-

felderstrasse 30.

. v. Herff, Dr., Prof. Frauenarzt, Magdeburgerstr. 53. . Karras, Wilhelm, Buchdruckereibesitzer, Steinweg 23. . Keil, Dr., Frauenarzt, Martinsberg.

Höniger, Dr. med., Nervenarzt, gr. Steinstr. 58.

. Holländer, Dr., Professor, Marktplatz 11.

Hollrung, M., Dr., Vorsteher der Nematoden-Ver- suchsstation, Martinsberg 8. Hornemann, Dr., Apotheker, Ulestr. 12.

. Hübner, Markscheider, Margarethenstr. 2. 9. Humperdinck, Bergrath, Dorotheenstr. 18. . Kathe, Wagenfabrikant, Leipzigerstr. 94.

. Knapp, K., Buchhändler, Mühlweg 19.

16».

169. 170. 171. 172.

173. 174. 175. 176.

117. 178. 179. 180.

Mitgliederverzeichniss. XVII

Knoblauch, Dr., Geh. Regierungsrath u. Professor, Paradeplatz 7.

Kobelius, Ober-Postsekretär, Lindenstrasse 79. Kromeyer, Dr. med., Privatdocent, Poststrasse 8I. Krüger, Wilh., Dr., Leipzigerstrasse 45.

Kühn, Dr., Geh. Ober-Regierungsrath u. Professor, Wuchererstrasse 2.

Kulisch, Direktor, Wilhelmstrasse 22.

Kuhlow, Direktor, Jägerplatz 15.

Lange, Dr. med., Friedrichsplatz 4.

Lenz, Dr. phil., Assistent am landw. Institut, Albrecht- strasse 13 II.

Löwenhardt, Dr., Oberlehrer, Mühlweg 231. Lüdecke, Dr., Professor, Wilhelmstrasse 35. Mekus, Dr., prakt. Arzt, gr. Steinstrasse 57.

v. Mendel-Steinfels, Landes-Oekonomierath, Karl- strasse 16.

. Mohs, Dr., Stadtrath a. D., Poststrasse 21.

. v. Nathusius, Geh. Regierungsrath, Händelstr. 26.

. Oertel, Rechnungsrath, Schillerstrasse 1.

. Pfeffer, W., Ingenieur, Stadtrath, Bernburgerstr. 11. . Plettner, Karl, Mühlweg 14.

. Pressler, Dr., Fabrikbesitzer, Wörmlitzerstrasse 7.

. Reger, Dr., Oberstabsarzt, Wettinerstr. 17.

. Rickelt, A., Kaufmann, Oleariusstrasse 1111.

. Risel, Dr. med., Sanitätsrath, Karlstrasse.

. Riehm, Dr., Oberlehrer, Reichardtstr 26. 7. Schreftführer. . Schäfer, Dr., Direktor, Mühlweg 11

Schenck, Dr., Adolf, Privatdocent, Schillerstr. 7.

. Schenek, Dr., Rud., Assistent Zinksgartenstrasse 6. » Schimpff, Direktor, Merseburgerstrasse 37.

v. Schlechtendal, Dr., Assistent, Wilhelmstrasse 9,

. Schlüter, Naturalienhändler, Wuchererstrasse 9. . Schmidt, Dr., Professor, Forsterstrasse 17.

Schultz, Arthur, Dr., prakt. Arzt, Albrechtstr. 221.

Schwetschke, U., Buchhändler, gr. Märkerstr. 10.

v. Skerst, stud. rer. nat., Schillerstr. 1.

. Smalian, Dr., Oberichrer, Wörmlitzerstrasse 411.

2. Schriftführer.

XVII Mitgliederverzeichniss,

202. Sohneke, Apotheker, gr. Ulrichstrasse 54, 203. v. Spillner, R., Dr., gr. Steinstrasse 37. 214. Stäckel, Dr., Privatdocent, Lafontainestrasse 2. . 205. Strieker, Buchhändler, Karlstrasse. 206. Switalsky, V., cand. med., Charlottenstr. 21IH. 207. Tausch, Buchhändler, Wuchererstrasse 30. 208. Teuchert, Dr., Chemiker, gr. Märkerstrasse 4. 209. Thost, Dr., Verlagsbuchhändler, Robert Franzstr. 1. 210. Ule, Dr., Privatdocent, Robert Franzstrasse 141I. 211. Veekenstedt, Dr., Oberlehrer a. D., Lafontainestr. 11. 212. Völlmer, Dr., Oberlehrer, Realschule, Francke’sche Stiftungen. 213. Volhard, Dr., Professor, Mühlpforte 1. 214. Vorländer, Dr., Assistent, Blumenthalstrasse 10. 215. Wagner, Dr.,‚Oberlehrer, Lindenstr. 14, 3. Schriftführer. 216. Wagner, Ph., aus Buenos Ayres, z. Z. Parkstr. 4p. 217. Witthauer, Dr., prakt. Arzt, Händelstrasse 38. 218. Zimmermann, Bergwerksdirektor, Advokatenweg 4. 219. Zopf, Dr., Professor, Hermannstrasse 4. 220. Zwanziger, Apotheker, Geiststrasse 2. D. Studentische Theilnehmer ($.-8. 94 u. W.-S. 9/9). l. Arenander, stud. agr., Wuchererstrasse. 2. Kalberlah, stud. rer. nat., Geiststrasse 10. 3. Köthner, Paul, stud. chem., Sophienstrasse 4. Rudorf, Georg, stud. agr., ‚Charlottenstrasse 21. 5. Scheibe, Albin, cand. phil., alter Markt 21.

Im Jahre 1895 sind bereits als Mitglieder aufgenommen die Herren:

1. Meyner, Dr. phil., Thierarzt, Greifenhagen i. Pommern.

2. Bardenwerber, Gutspächter, Büschdorf b. Halle.

3. Biedenkopf, Hermann, Landwirthschaftslehrer, :

Badersleben.

4. Schumann, Dr., Assistent, Landwirthsch. Versuchsstät., | :

Halle. 5. Jentzsch, Conrad, Halle, Leipzigerstr. ). Heck, Dr., Professor, Halle, Ulestrasse.

6 _ 7. Ruprecht, Max, Lieutenant a. D., stud. med., Halle. n 8. Eckert, Max, Dr., Assistent am geogr. Inst., Le 4 9. Majewski, Director der Hartmarmorfabrik, Halle. .

5

Seitschrit #

Naturwissenschaften.

Organ des naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen

und Thüringen, unter Mitwirkung von

Geh. Rath Prof. Dr. Freih. von Fritsch, Prof. Dr. arcke, Geh. Rath Prof. Dr. Knoblauch, Geh. Rath Prof. Dr. Leuekart, . Geh. Rath Prof. Dr. E, Schmidt und Prof. Dr. Zopf

herausgegeben von

Dr. G. Brandes,

Privatdocent der Zoologie an der Universität Halle.

67. Band. {Fünfte Folge. Fünfter Band).

Sechstes Heft.

Ausgabe für Vereinsmitglieder.

Mo. Bot. (garden, 197,.

Leipzig. EM. Pfeffer.

Inhalt.

I. ge Abhandlungen. Seite Karsba, W., Prof., Ueber thiergeographische Beziehungen des südwestlichsten Theils der palaearktischen Be zu -. I a Hälfte 01 Se a ı: Dr, Faunae mammalium saxonieae supple- ee

Schmidt. "K E. F., Dr, "Die Elektrochemie und ihre Beden- tung für die Technik .. rg 438

I. Kleinere Mittheilungen. er een und Astronomie: Der Encke’sche Komet

Die Yemsianenus; der Meteore 8. 447. Neues von Saturn und Uranus S. "443,

Chemie und Ph ai: s Reiekschen erueeir S. 449. Ein neuer Bestxzdtheil der Luft 8. 450. Das Alpenglühen Viseosin 8, 453.

Botanik, Zoologie und Palaeontologie: Flor de l’aire "8.45, is La öwei S. 457. Unilateraler Melanis- mus bei Fdaen strigilis S. 4 458. Insekten der Str ‚inkohlen- zeit 8. 458. Die Bi usa Säugethiere S. 459.

Litteratur-Bes rechungen . ee 463 Neu erschienene Wer ee 20 Anmerkung.

Das 1. und 2. Heft des 68. Bandes erscheint gegen Ende Mai, Diesem Hefte soweit es für Vereinsmitglieder bestimmt ist liegt

der Jahresbericht 1894 bei,

Ueber thiergeographische Beziehungen des dwestlichsten Theils der paläarktischen Region zu deren östlichen Hälfte, Von Professor W. Marshall.

Im Jahre 1850 trennte Bonararım (im „conspectus vum“) die Blauelstern als Gattung Cyanopica von der alten Gattung Piea und diese Trennung begründete er in dem- n Jahre näher. ') _ Er stellte drei Arten der neuen Gattung auf: melano- Data (Pica m. Wacz.) von China, eyanea (Corvus cyaneus ALL.) von Ostasien, Daurien (Transbaikalien) und OooAi “Yanopica europaea SCHLEG.) aus Spanien. BONAPARTE sagt | von diesen drei Arten, sie seien ‚so elosely allied as to’ taken fur three races of one species.“ SCHLEGEL hatte früher?) nur zwei Arten: europaea von iberischen Halbinsel und cyanea von Ostasien und Japan "genommen, von denen er bemerkt: „compar6es ensemble,

deuxraces presentent les traits distinetifs suivants ete.* r’) zieht er beide Formen als eine Art /eyanea) zu er Gattung Prea. Ob man nun die östlichen und die westlichen Blau- Mm als eigene Arten oder als geographische Rassen, tische Varietäten u. s. w. ansehen will, kann hier Geschmacke eines Jeden überlassen bleiben, so ‚steht unter allen Umständen fest: sie sind äusserst | “roceed zoolog. Soc. London Vol. XVIIL, $. 85. Fauna japonica, Aves p. 82. ;

: £. Naturwiss, Bd. 67, 1894. a 26

402 Ueber thiergeographische Beziehungen etc.

nahe mit einander verwandt und daher ist es um so auf- fallender, dass die etwa auf dem 40° n. Br. gelegenen Stellen ihres Vorkommens durch einen Zwischenraum von fast 145 Längsgraden, durch nahezu die grösste Breite der ungeheuern paläarktischen Region getrennt sind, und da- zwischen nirgends dieselben oder ihnen ähnliche Formen gefunden werden. Noch vor 25 Jahren stand man dieser Thatsache als einem befremdlichen Räthsel gegenüber, und als ich in den Jahren 1867—1871 Assistent am Reichs- museum zu Leiden war, pflegte mein Chef, SchLecer, der zu der Anschauung getrennter „Schöpfungsherde“ neigte, triumphirend auf sie hinzuweisen, was mich nicht wenig verdross, denn ich war damals schon, sehr zum Aerger des wackern, alten Herrn, ein tüchtiger Anhänger Darwıns und Schüler HäÄckers,

Bei Bearbeitung der geographischen Verbreitung 88 wisser Schmetterlinge fiel mir jüngst jenes alte Problem wieder ein, und ich will hier den Versuch wagen, eine an- nehmbare Lösung desselben zu geben. Zunächst ist e8 nöthig, dass wir uns danach umsehen, ob sich im Vorkommen von anderen Thieren und auch von Pflanzen nicht analoge Erscheinungen finden, da es nicht wahrscheinlich ist, dass jene Thatsache ganz vereinzelt dastehen sollte. Finden sie sich aber, dann wird uns die Lösung gewiss leichter werden, als wenn wir es mit einem ganz vereinzelten Falle zu thun hätten. Und sie finden sich; allerdings muss ich hier gleich hervorheben, dass bei diesen analogen Fällen die räum- liche Trennung nie so gross wie gerade in dem der Blau- elstern ist. Dass es sich dabei nicht immer, vielmehr nur ausnahmslos um dieselben Arten, sondern meist nur UM dieselben Gattungen handelt, ist von einem thiergeogta phischen Standpunkte aus von nebensächlicher Bedeutung.

Da haben wir zunächst eine Gattung der Säugetbiere, die der Bisamspitzmäuse /Mygale), von denen die eine Art (pyrenaica) an den Gewässern der Pyrenäen und der Sierra de Gredos lebt, die andere, der Desman oder Wu- chuchul (moschata) an Flüssen und Seen des stidöstlichen Russlands. Allerdings ist die letztere mehr als noch einmal so lang (25 em zu 10 em ohne Schwanz) als die erstere;

Von Professor W. MARSHALL. 403

sieht ihr aber sonst in allen Stücken gleich. Wir wissen aber, dass die Grösse bei Localrassen sehr schwinden kann, besonders scheint sie sich nach dem Umfang des Wohnorts (Umfang der Gewässer, dann ob Kontinent, grössere oder kleinere Insel, ob Tiefland oder Hochgebirge) und den ver- schieden günstigen Umständen der Ernährung zu richten.

Eine Anzahl Schmetterlinge zeigen eine ähnliche Ver- breitung: in Südrussland, am Uralfluss, in Centralasien (bei Lebsa), Kleinasien und Syrien fliegt ein eigenartiger Weiss- ling (Zegris Eupheme) und eine Varietät von ihm (meridio- nalis) in Andalusien, bei Leon, Valadolid. Die Varietät ist der Stammform sehr ähnlich, hat höchstens auf der Unterseite etwas mehr gelb und ist ein wenig grösser. ') Eine andere Art /Fausti) findet sich am Tura, einen im Ural entspringenden Nebenflusse des Tobol im asiatischen Russland. Die Verbreitungsgebiete von Zupheme und ihrer Varietät meridionalis sind vollkommen von einander getrennt. Ein anderer Falter, Eyeria melas, fliegt von Krain bis in das südwestliche Russland, seine Varietäten astur und Pyrenaica finden sich in den Pyrenäen.

Auf der Sierra Nevada beobachteten Grasuın und Raupur ein Sandauge /Saiyrus Hippolyte) und einen Spinner (Orgyia dubia), die blos aus Russland bekannt waren, BELLIER DE LA CHAVIGNERIN 2) beobachtete auf den Basses- Alpes Plusia uralensis, eine gleichfalls östliche Form. Plusia Zosimi®) fliegt in Piemont, im Ural und Altai und am Amur, Plusia ercumflera in Südrussland, Kleinasien, Armenien, im Altai, am Amur und auf den Kanaren. Freilich sind die Plusien Wanderthiere und ebenso die Arten der Eulen- Sattung Heliothis, aus der nubiger sich in Südrussland und

yrien einer-, andererseits in Andalusien, incarnatus im süd- östlichen Russland, Armenien, Syrien und in Kastilien und Andalusien findet. Thalpochares arcuinua fliegt im südöst- a EEE

R ‘) Vergl. Rünt, Fr., Die paläarktischen Grossschmetterlinge, 140 u. 141.

?) Ann. soc. entomol. de la Tr. T. VII p. 177.

3) Die folgenden Angaben sind Srtaupıngers Katalog ent- ; men, von dem die Lepidopterologen und Thiergeographen eine Neue Ausgabe sehnlichst erwarten, ea

a 25 *

404 Ueber thiergeographische. Beziehungen etc.

lichen Oesterreich, in Ungarn, Dalmatien, ihre Varietät argillacea in Südrussland und Griechenland und in Anda- lusien; ganz ähnlich ist T’halpochares lacernaria verbreitet, doch findet sie sich im Westen auch noch in Südfrankreich und geht im Osten bis Kleinasien. Prothymia conicephala bewohnt Katalonien und Andalusien, sowie die Südtürkei und Hyrkanien. Cerocala scapulosa fliegt im südwestlichen Andalusien und ihre Varietät incana in Spanien, Leucauchts cailino in Südfrankreich und Spanien, aber auch in Griechen- land, Kleinasien und Südrussland, Pseudophis syriaca in Syrien und Andalusien, Catocala diversa in Ungarn, anf der Balkanhalbinsel, in Bythinien und Andalusien, Cueullia for- mosa in Ungarn und dem südöstlichen Frankreich. Spin- therops exsiccata ist ähnlich verbreitet wie Plusia eireumflexa, nämlich in Syrien und auf den Kanaren,

Die Stammform von Lycaena Zephyrus, einem Bläuling, fliegt auf der Balkanhalbinsel, im Apel-Tekke-Gebiet und in Kleinasien, die eine (alpine) Varietät /Lyeidus) in Wallis, die andere /Aesperica) in der Sierra Nevada, ZLycaena Lysimon in China, in Syrien, auf Cypern, auf den Kanaren, in Portugal und in Südfrankreich.

Ein dritter östlicher Bläuling (Zycaena aduetus) erreicht in der Stammform seine Westgrenze in Ungarn und Klein- asien, aber die Varietät Ripartii findet sich von Zentral- asien bis Rumänien und gleichfalls bis Kleinasien um im südöstlichen Frankreich, in den Bas-Alpes wieder aufzutreten. Lycaena melampus endlich bewohnt Algerien, Spanien, die Riviera und Persien.

Von Käfern!) findet sich eine Art der Tenebrioniden (Calcar procerum) in Südfrankreich und Südrussland. Man könnte in diesem Falle an eine zufällige Verschleppung durch den Menschen denken, und das Gegentheil davon lässt sich ja nicht beweisen, aber es ist dabei zu berücksichtigen, dass diese Gattung noch 5 weitere Arten hat, von denen 2 im Westen /elongatum in Portugal, Südfrankreich und bei Tanger, und Lucasi in Algier), 3 aber im Osten (sul-

1) Für die betr. Verbreitung der Käfer wurde benutzt: GEMMINGER a et B. DE HaroLD „Catalogus coleopterorum‘“.

Von Professor W. MARSHALL. 405

catum und crassipes in Südrussland, rufipes in Sibirien) vor- kommen, und dass in keinem der dazwischen liegenden Länder, weder in den nördlichen noch südlichen Kisten- gebieten des Mittelmeers eine Art bis jetzt aufgefunden wurde. An der Hand dieser Thatsachen betrachtet erscheint denn doch die Wahrscheinlichkeit einer Verschleppung von Calcar procerum in einem etwas anderen Lichte. Aller- dings ist es bekannt, dass die Tenebrioniden als Haushalts- und Wohnungsschmarotzer dem Menschen folgen, und glaube auch ich, dass der grösste Theil der bei uns heimischen Arten auf diese Weise nach Deutschland gekommen ist. Auch sonst ist die Vertheilung der Tenebrioniden') am Mittelmeere höchst interessant und besonders auch in Hin- sicht des Vorkommens im westlichen und östlichen Theil: 80 hat beispielsweise die Gattung Hopatroides 13 Arten, von denen 12 vom westlichen Mittelasien an bis Griechenland und Aegypten sich verbreiten, eine einzige aber (thoracicus) nur in Andalusien gefunden wird; die zwischen Griechen- land und Aegypten einerseits und Spanien andererseits ge- legenen Küstenländer des Mittelmeeres beherbergen keine einzige Art. Gerade umgekehrt verhält sich die Gattung Mierositus: ‚17 Arten finden sich im Südwesten (Algier, Spanien, Portu- 8al) eine einzige forbieularis) auf Kreta. Die Buprestidengattung Cylindromorphus hat 6 Arten, eine (Alum) ist weitverbreitet, 3 finden sich auf der iberischen Halbinsel und in Südfrankreich, 2 im Südosten. Die inter- essante Gattung der Blatthornkäfer Amphicoma ist mit 15 Arten in den Gegenden vom Kaukasus bis zur Balkan- halbinsel einer- und bis Aegypten andererseits vertreten, 3 weitere finden sich in Algier und Marokko, eine davon ' uch in Andalusien. Die kleine Rüsselkäfergattung Amom- Phus umfasst nur 4 Arten, drei davon bewohnen den Süd- Westen (Spanien, Algier), eine Griechenland. Von dem n Genus Vesperus (Bockkäfer) überschreiten 6 das Gebiet des

N) Vergl. den lesenswerthen Aufsatz von ErICHsoN „über die = „isckten von Algier mit besonderer Berücksichtigung ihrer geogr. er in M. Waaner „Reisen in der Regentschaft Algier“,

406 Ueber thiergeographische Beziehungen etc.

Mittelmeers nicht über den 10° östlicher Länge nach Osten, nur eine einzige kommt von Smyrna. sStenosoma (gleich- falls zu den Bockkäfern gehörig) hat im Südwesten von den Kanaren bis Sardinien 6 Arten, eine siebente findet sich in Ungarn und eine, merkwürdig versprengt, am Kap der guten Hoffnung. Die auf die paläarktische Region be- schränkten Cerambyeidengattungen Agapanthia und Dorca- dion haben ein Maximum im Südosten, nehmen nach Westen nach und nach ab, um im Südwesten eine abermalige Stei- gerung zu erfahren. Besonders die Gattung Dorcadion ist in dieser Beziehung interessant: ihr Entstehungscentrum, die Dorcadion-Werkstätte, um mit RossmässLer') zu reden, befindet sich im westlichen Sibirien, am Baikal traf Rappe?) nur noch eine Art unter Kalkgestein. Im Centrum der Ver- breitung finden sich etwa 130 Arten, in Deutschland sind 3 vorhanden, zwei davon /aethiops und pedestre) nur im äussersten Südsüdost, eine /fulginator mit Var. atrum) dürfte nördlich bis zum Regenstein am Nordharz und bis in das südliche Westfalen gehen, Italien hat 4 Arten (arenarium, einerarium, femoratum und smyrnense), die aber auch zugleich alle in nordöstlichen Gebieten des Mittelmeers verbreitet sind. Aus Algier ist eine eigene Art (muricatum) bekannt, aber auf der iberischen Halbinsel steigt die Zahl der endemischen Arten wieder auf 23.

Unter den Kanthariden, gewiss wie die Tenebrioniden eine alterthümliche Familie der Käfer, sehen wir, dass ie Gattung Oenas von ihren 8 Arten 3 im Westen (Spanien, Algerien) und 5 im Osten (eine schon in Ungarn und Klein- asien) hat, während die Gattung Lydus (13 Arten) mit einer in ganz Südeuropa und Nordafrika und mit je 6 in Algerien und in der südöstlichen paläarktischen Region vorkommen. -Es liessen sich gerade aus der Ordnung der Käfer noch zahlreiche Beispiele inniger Beziehung des Südwestens der paläarktischen Region zu deren Südosten, unter Ueber

!) Vergl. Wasner, M., Reisen in der Regentschaft Algier, C- ul, 8. 237. „Der Herd, gewissermassen die Olausilien-Werkstätte ist In Dalmatien und den umliegenden Provinzen.“

%) Rappz: „Bericht über Reisen im Süden von Ost-Sibirien“, in Beiträge zur Kenntniss des Russ, Reiches, 23 B., 8. 198.

Von Professor W. MARSHALL, 407

springen der mittlern Küstengebiete um das Mittelländische Meer herum, anführen, die wenigen mögen genügen, und werfen wir jetzt lieber einmal einen Blick auf die Pflanzenwelt.')

Callipeltis, eine kleine zu den Rubiaceen gehörige Staude hat Vertreter im Orient und in Spanien; der spanische Wach- holderbaum /(Juniperus thurifera) erreicht, von Spanien aus südlich und östlich sich verbreitend, Sardinien und den Atlas, findet sich aber weiter nach Osten erst im Taurus wieder. Das pontische Rhododendron (Rhododen- dron ponticum) tritt westwärts vom Pontus erst wieder an Spaniens Südküste auf und eine kleine Rosacee (G@eum heterocarpum) ist nur aus den obern Gebirgsregionen von Granada und Murcia und dann wieder vom persischen Elborus bekannt. Die echte Ceder findet sich (in localen Varietäten) im Himalaya, auf dem Libanon, Taurus und Atlas, aber nirgends dazwischen. „Die Gesneriacee Haberlea ist wegen ihrer Verwandtschaft mit der pyrenäischen Ra- mondia die merkwürdigste nıonotypische Gattung der (Bal- kan-) Halbinsel; sie wurde anf dem Rhodopen - Gebirge entdeckt und scheint sonst in Macedonien nicht weiter vor- zukommen.“2) Eine zweite Art wurde im thessalischen Olymp gefunden.

Die hiermit aufgeführten Fälle der Uebereinstimmung des paläarktischen Südwestens mit der paläarktischen Ost- hälfte in Bezug der Thier- und Pfianzenwelt mögen ge- Nügen. Es ist kaum zweifelhaft, dass sich deren noch weit mehr würden finden lassen, mir kam es nur auf solche Fälle an, bei denen der Zusammenhang zwischen beiden Ge- bieten völlig oder beinahe völlig unterbrochen erscheint.

Wie lassen sich diese merkwürdigen Uebereinstimmungen denn nun erklären? Wir wollen einmal alle Möglichkeiten, die ein derartiges discontinuirliches Vorkommen verur- sachen könnten, an den einzelnen Fällen kritisch prüfen, doch muss ich von vornherein erklären, dass ich mich da- bei auf die durch nichts begründete Hypothese von der nn

‘) Hierzu vergleiche Grısrsach: „Die Vegetation der Erde“, B. I. GRISEBACH, 1]. ce, B. L, 8. 377

408 Ueber thiergeographische Beziehungen ete,

„an verschiedenen Orten der Erde wiederholt stattgefunden habenden Schöpfung analoger Species“ als auf ein vages Hirngespinst nieht einlassen kann. Eins will ich zugeben: Die goldglänzenden, prachtvollen Arten von Carabus haben sich in der That in den Gebirgen Sibiriens und der iberischen Halbinsel unabhängig von einander durch jeweilige selbst- ständige Anpassung entwickelt, so dass wir es hier mit ein- fachen Convergenz-Erscheinungen zu thun haben, wie sie in den Gebirgen Südamerikas in derselben Käfergattung sich wiederholen.

Man könnte vermuthen, es handele sich bei den im Vorigen angeführten Organismen um neuere Einwanderungen, die wesentlich von Osten nach Westen stattgefunden hätten. Das wäre für Zegris Eupheme var. meridionalis und einige Eulen möglich, denn die Pieriden, die Plusien und Helio- tbiden sind in der That fast überall, wo sie vorkommen, grosse Wanderinnen, und den Einwurf, dass es dann doch merkwürdig wäre, sie weder auf der Balkan- noch auf der Apeninnen-Halbinsel anzutreffen, könnte man’ allenfalls da- mit zu entkräften wagen, dass man eine durchgehende Wanderung annähme. Nun, vom Uralfluss bis Spanien ist etwas weit, und wenn die Zegris wahrscheinlich auch nicht gerade schlechte Flieger sein werden, so sind sie doch ganz gewiss keine so guten wie die Sphingiden, und kaum denen traue ich es zu, dass sie eine solche Strecke in 12 Stunden werden zurücklegen können, und so lange wandern Pieriden nicht einmal, denn in der Regel beginnen sie zwischen 9 und 10 Uhr vormittags, wenn die Sonne etwas höher steht, und stellen den Zug zwischen 5 und 6 Uhr abends ein. Einen Transport durch einen heftigen Sturm aus Osten würde ein so zartes Thier, wie es ein Weissling doch immerhin ist, auf eine so grosse Strecke gewiss nicht aushalten. Abgesehen davon würde dann zunächst immer noch das Vorkommen anderer östlichen Tagfalter, des Satyrus Hippolyte, der Lyeänen u. s. w. zu erklären sein und vollends das der Orgyia, bei der aller Analogie nach das Flugver- mögen besonders im weiblichen Geschlechte ein sehr mangel- haftes sein wird. Wenig wahrscheinlich dürfte es auch Sein, dass die Cyanopica vom äussersten Osten der Region

Von Professor W. MARSHALL. 409

bis zum äussersten Südwesten, oder umgekehrt in hin- reichenden Exemplaren verschlagen sein sollte um festen Fuss in der neuen Heimath fassen zu können, und bei der Bisamspitzmaus ist an ein solches Verschlagenwerden vollends nicht zu denken.

Auch daran darf in der Mehrzahl der Fälle nicht ge- dacht werden, dass in den zwischen den westlichen und östlichen Stellen des Vorkommens gelegenen Ländern die "betr. Thiere etwa alle übersehen worden wären und früher oder später noch aufgefunden werden möchten. Die Länder des südlichen Europas sind denn doch zu sehr durch- forscht, als dass man die Blauelster u. s. w. wirklich übersehen haben sollte, wenn es auch immerhin möglich ist, dass eine oder die andere, jetzt nur aus dem Osten und Westen bekannte Käferart dort noch aufgefunden werden wird.

Die sonderbare von Osten nach Westen erst erfolgende Ab- und dann Wiederzunahme der Arten der Gattung Dor- eadion könnte man dadurch zu erklären versuchen, dass man sagte, die klimatischen, geologischen und pflanzlichen Verhältnisse Spaniens seien denen der östlichen Steppen sehr gleich, und die Käfer hätten sich unter ähnlichen Existenzbedingen wieder ähnlich entwickelt und einen ähn- lichen Aufschwung genommen. Die Steppennatur eines bedeutenden Theiles von Spanien ist sehr ausgesprochen, ') das ist unbestreitbar, aber auch der östliche Küstenstrich Italiens ist eine echte Steppe, und doch hat seine Fauna nicht entfernt den Steppencharakter wie die spanische, Auch sonst ist die Verschiedenheit der Arten und des Vorkommens der Organismen in Italien von denen östlicher Länder unter

Sonst gleichen Existenzbedingungen eine bemerkenswerthe: 80 fiel es dem englischen Reisenden Prior?) bei einem

Besuche des Matese bei Neapel auf, wie sehr die Flora : dieses Berges, namentlich hinsichtlich der Artenmenge, 8egen den dalmatinischen Berg Biokovo, den er kurz vor-

ne 1) Vergl. die schöne Arbeit von M. Wırıkomm: „Die Strand- En und Steppengebiete der Iberischen Halbinsel und deren Vegetation“. Leipzig, 1852,

2) Ann. nat. hist. I Ser. Vol. 17, 1846 p. 124.

410 Ueber thiergeographische Beziehungen etc.

her besucht hatte, zurückstand, obwohl der geologische Bau, das Klima nnd die Gestaltung der Berge eine weit grössere Gleichartigkeit würden haben erwarten lassen.

Die Erklärung, die GrisesAcH!) für die floristischen Uebereinstimmungen des Südwestens und des Ostens der paläarktischen Region giebt, scheint mir doch nicht so un- umstösslich richtig. „Die Verknüpfung der Flora des spanischen Tafellandes“, sagt der grosse Pflanzengeograph, „mit den russischen und anatolischen Steppen durch eine Reihe von identischen Pflanzenarten ist eine Erscheinung, welche ebenso, wie die Wiederkehr arktischer Gewächse in den Alpen (GriszsacH bestreitet, dass die Annahme einer Reliktenflora aus der Eiszeit den Thatsachen ent- spreche), den Vorstellungen von der Einheit der Vegetations- centren als widerstrebend betrachtet werden könnte. Geht man indessen auf die einzelnen Arten ein, von denen ich doch nur etwa 30 zähle, die als charakteristische Steppen- pflanzen in den Zwischenländern kein passendes Klima finden, so wird auch hier der Austausch wohl begreiflich, selbst wenn zur Uebertragung des Samens keine anderen Bewegungen, als die der Atmosphäre sollten mitgewirkt haben.“

Die geringe Wahrscheinlichkeit, um nicht zu sagen „Unmöglichkeit“, dass der Samen des spanischen Wach- holderbaums vom Taurus nach Spanien durch den Wind sollte transportirt worden sein, sieht der Botaniker GRISE- BACH selbst vollkommen ein und er nimmt seine Zuflucht zu einem andern Verbreitungsmittel, zeigt aber damit, wie wenig er Zoologe war. Er bemerkt zunächst auch über die Verbreitung der Cedern und weiter des spanischen Wachholders: „zu Gunsten einer historischen Wanderung dieser Coniferen lässt sich anführen, dass der Samen von Holzgewächsen seine Keimkraft lange bewahrt, dass der- selbe bei der Ceder grosse Flügelanhänge besitzt, die ım Winde wie ein Segel getrieben werden, und dass die Vögel, denen die Beeren des Wachholderbaumes zur Nah- rung dienen, dessen wohl erhaltenen Keim beherbergen

1). c.B.L, 8. 384.

Von Professor W. MARSHALL. 411

und zu weit entlegenen Orten, wohin ihre Wanderung sie führt, verpflanzen können.“ !)

Dieser Annahme wäre entgegen zu halten, dass die betr. Vögel doch wohl Beerenfresser, Drosseln oder Sylvien gewesen sein müssten. Diese würden aber, allen ihren Gewohnheiten, namentlich aber ihrer Art zu wandern nach zum Durchqueren des zwischen Taurus und iberischer Halbinsel gelegenen Gebietes viel länger gebraucht haben, als sie bei ihrer äusserst raschen Verdauung die Kerne bei sich behalten haben würden. Ferner ist es überhaupt im ‚allerhöchsten Maasse unwahrscheinlich, dass ein Landvogel als Individuum so weit in ostwestlicher Richtung wandern sollte, dass wäre ohne alle Analogie, und dass sie aller- dings als Arten in dieser Richtung langsam vorwärts drangen, kommt hier gar nicht in Betracht. Auch an ein Verschlagenwerden durch lang anhaltende und auf weithin thätige Oststürme ist bei den übrigen klimatischen Ver- hältnissen des Mittelmeeres kaum zu denken, und zuge- geben, sie kämen vor oder wären vorgekommen, dann ist nicht einzusehen, weshalb sie die Vögel mit den Wach- holderbeerenkernen im Leibe nicht auch auf die alten Ge- birge von Calabrien und Sicilien verschlagen haben sollten. ‚Bleiben noch die Wasservögel, und in der That weist Grıse- BACH in einem andern Falle auf die Möglichkeit (für ihn scheint es, obwohl die Sache doch sehr verwickelt ist, wahr zu sein) hin, dass ein Gewächs durch einen solchen auf eine ungeheuere Entfernung verpflanzt worden sei. Bei Besprechung 2) der Thatsache, dass in dem antarktischen Faunengebiete Südamerikas Beziehungen zu den hohen Breiten der nördlichen Hemisphäre auftreten, hebt er her- vor, er habe für alle derartige Fälle genügende Erklärungen ‚Schon früher gefunden gehabt, mit Ausnahme für einen einzigen. „Die einzige damals unerklärt gebliebene Aus- nahme /Gentiana prostrata)“, führt Griszsach fort, „glaube ich jetzt von den Zügen des Albatross /Diomedea) ableiten 2u können, welcher, abweichend von der Lebensweise der m———__

!) GrisEgAcH, I. c. B. I. 8. 388.

2) GrisEBacH, l. c. B.1I. 8. 49%.

412 Ueber thiergeographische Beziehungen etc.

meisten andern Zugvögel, über beide Hemisphären, vom Kap Horn bis zu den Kurilen und Kamtschatka wandert und die Standorte jener Pflanze in der arktischen und antarktischen Flora in Verbindung setzt. Mit der Beute, die dieser Vogel verschlingt, kann er auch die Samen von Pflanzen, welche, mit den Flüssen in’s Meer gespült, in den Magen von Fischen gelangen, in einzelnen Fällen aus- streuen, so dass sie an fernen Küsten aus seinem Dünger aufkeimen. Solehe Deutungen enthalten wenigstens nichts Hypothetisches (?!), als dass die Uebertragung des Samens nieht unmittelbar beobachtet ist, und wie viel mehr un- erwiesene und selbst unzulässige Voraussetzungen sind er- forderlich, wenn man mit Hooker solche Ansiedelungen von einer vorweltlichen Eisperiode herleitet und annimmt, dass zur Zeit, als die Erde sich wieder erwärmt haben soll, eine Wanderung der Pflanzen vom Aequator in der Richtung zu beiden Polen stattgefunden habe.“

Für den ersten Blick scheint die Annahme, oder wir können mit vollem Rechte sagen, die „Hypothese“ GRisE- BacH’s von der Verpflanzung der betr. Enzianart durch den Albatross sehr wenig Wahrscheinlichkeit für sich zu haben, aber der Grad der Wahrscheinlichkeit wächst in dem Maasse, Je länger wir uns den Zeitraum vorstellen, während dessen eine solche Verpflanzung möglich war, und bei Bemessen desselben kommt es auf Hunderttausend Jahre mehr oder weniger nicht an.

Aber auch damit ist die Verbreitung des spanischen Wachholders nicht erklärt, denn der Albatross ist ein Vogel der offnen Weltmeere, und die Wasservögel des Mittel- meers, wesentlich Möven, sind gerade keine grossen Wan- derer, haben auch keine Ursache dazu. Eine Ausnahme macht etwa der Mittelmeer-Sturmvogel (Puffinus Kuhli). Nun will ich zugeben, dass ein solcher gelegentlich an der Küste Kleinasiens einen Fisch frisst, der seinerseits eine vom Taurus herabgespülte Wachholderbeere ver schlungen hat. Der rasch fliegende Vogel entledigt sich seines Kothes und mit ihm der Kerne der Wachholder- beere an der spanischen Küste. Wie kommen nun die Kerne in die Berge des Binnenlandes? Dass die im Taurus

Von Professor W. MARSHALL. 413

entspringenden Gewässer gelegentlich eine Beere in’s Meer spülen mögen, gebe ich unbedingt zu, aber dass die spa- nischen Flüsse die Kerne stromaufwärts spülen sollten, quod credat Iudaeus Apella!

Nachdem ich so den Versuch gemacht habe, ver- schiedene Hypothesen, die man über die Ursache des un- leugbaren Zusammenhanges der Fauna des östlichen und des südwestlichsten Theiles der paläarktischen Region auf- stellen könnte oder thatsächlich aufgestellt hat, zu wider- legen, erübrigt nun noch, eine neue, die vielleicht grössere innere Wahrscheinlichkeit hat, aufzustellen. Und allerdings komme ich da, trotz Griskpach, um die Eiszeit und um - vor ihr liegende geologische Erscheinungen, namentlich um die Vertheilung von Land und Wasser in den Tertiärzeiten nicht herum.

Unsere Kenntnisse über diese Vertheilung sind leider _ och nicht von einer derartigen Vollkommenbheit, dass wir unsere Behauptungen mit wünschenswerther Bestimmtheit aufstellen könnten, wir müssen vielmehr zugeben, dass diese Behauptungen noch recht viel Hypothetisches an sich haben. So viel scheint indessen festzustehn, ') dass ein Land- Strich zur Miocenzeit in Mitteleuropa vorhanden war, der s ‚Im Norden von dem Helveto-germanischen Meere, im Süden vom Mittelmeere bespült wurde und der sich östlich zwischen

: einer über Wien und Krakau sich nach Südrussland bin- a ziehenden Verlängerung des Helveto-germanischen Meeres And dem germanischen Meere zu einer Verbindung ein-

schob. Der grösste Theil der Balkanhalbinsel und Italiens war unter Wasser. Auch scheint der Atlantische Ozean,

_ der mit seinem aquitanischen Becken den grösseren Theil

_Westfrankreichs bedeckte, durch einen IRRE: mit dem Helvetisch-germanischen und dem Mittelmeere in Zusammen ; Ang gestanden zu haben. Ob das Letztere freilich immer _ der Fall war, oder ob nicht gelegentliche Verbindungen _ der iberischen Halbinsel, so weit sie vorhanden war, mit

Sam ostgallisch-germanischen und mit der west-östlichen

I vergl, Zırreu: „Aus der Urzeit“, $. 458#. und Korex: „Die 12, Kapitel.

414 Ueber thiergeographische Beziehungen etc.

Länderbrücke stattfanden, oder ob nicht zahlreiche Inselchen in jenem Canal vorhanden waren, ist die Frage. Jeden- falls konnte der Austausch der westlichen und östlichen Fauna und Flora hier stattfinden und muss hier statt- gefunden haben.

Bei der nach und nach sich steigernden Abkühlung, die der Eiszeit voranging, mussten viele Thiere und Pflan- zen auf der gebirgigen west-östlichen Länderbrücke und auf dem grossen nordeuropäischen Kontinent aussterben, andere wanderten südwärts. Das vermochten sie auf der Balkanhalbinsel und auf der iberischen Halbinsel in ziem- lichem Umfange, aber die Chancen, die Inseln, die die da- maligen Vorläufer der apeninnischen Halbinsel bildeten, zu besiedeln, waren viel geringor. Daher kommt es, dass in den nördlichen Küstenländern des heutigen Mittelmeers die Faunen und Floren so ungleich vertheilt sind, dass Nord- und Mittelitalien (auf Sicilien und in Süditalien machen sich mauritianische Elemente geltend) im Vergleich zur iberischen Halbinsel und zur Balkanhalbinsel, auf der später auch noch Besiedelungen von Osten her stattfanden, relativ arm an Pflanzen und Insekten ist, und dass in Süd- russland, Griechenland, der Türkei, Dalmatien, Ungarn u. 8. w. sich Formen finden, die im Westen erst wieder in Südfrank- reich, Portugal, Spanien, und von hier aus nach Afrika übertretend, in Mauritianien vorkommen.

Es ist wohl als ziemlich sicher anzunehmen, dass die meisten der betr. Thiere und Pflanzen sich auch auf dem grossen europäischen Centraleontinent vor der gesteigert auftretenden Abkühlung werden gefunden haben, aber die Chancen der Erhaltung ihrer Reste waren der Natur der Sache nach nicht gross, und die im Bernstein und in den Oeninger Schiefern wirklich erhaltenen gehören einer frühern

eit an.

Ich gebe es zu, dass diese meine Beweisfübrung zahl- reiche Lücken enthält, aber sie scheint mir doch immerhin kräftiger als die Hypothesen, die über das nun einmal nicht wegzuleugnende diseontinuirliche Vorkommen von Organismen gleicher oder doch sehr ähnlicher Art auf der iberischen Halbinsel nebst Südfrankreich einerseits und auf

Von Professor W. MARSHALL. 415

der Balkanhalbinsel und im weitern Osten der paläarktischen Region andererseits aufgestellt worden sind.

Im Anschluss hieran sei bemerkt, dass WAarzAce!) drei besondere Fälle von discontinuirlicher Verbreitung bei Vögeln abgehandelt hat, auf die wir hier noch etwas näher eingehen wollen. Der erste Fall betrifft eine geographische Rasse oder locale Unterart der Sumpfmeise, die sich in Italien, auf der Balkaninsel und in Kleinasien findet und in genau derselben Form im nordöstlichen China, im Meer- busen von Pu-tschi-li und um Peking auftritt. Im zweiten Fall handelt es sich um die Verbreitung der Rohrammer (Emberiza schoeniclus), die sich über ganz Europa und über Westasien bis zum Thale des Yenesai und bis in das nord- westliche Indien verbreitet, weiter östlich bis zur Lena durch eine verwandte, kleinere Art /passerina) vertreten wird, in Japan aber wieder auftritt und die sich, obwohl sie selbstverständlich von irgend einem Artenmacher in Pyrrhulina umgetauft wurde, nach den Angaben eines SO hervorragenden Ornithologen wie Sresoum in nichts von der westlichen schoeniclus unterscheidet. Drittens endlich hebt Warzace die Thatsache hervor, dass der gemeine Eichelheher, der ganz Europa bis zum Ural und den Nord- westen Africas bewohnt, auf der Hauptinsel des japanischen Archipels durch eine nur wenig abweichende Form /Garru- bus Japonieus) vertreten wird, während im centralen Theile des nördlichen Asiens, schon westlich vom Ural beginnend und bis zur Insel Sachalin und Jesso reichend, eine ziem- lieh verschiedene Art (Brandtii) gefunden wird.

. Nur für diesen letzten Fall versucht der grosse eng- lische Thiergeograph eine Erklärung zu geben. „Es ist gewiss,“ sagt er, „eine sehr bemerkenswerthe Thatsache, 483 von den 12 Arten der echten Heher, die sich über die gemässigten Gegenden Europas und Asiens verbreiten, gerade eine, dem englischen Eichelheher so nahe verwandte Torm in einer, von Westeuropa denkbar fernsten Gegend der Paläarktischen Region gefunden wird. ..+.- wir können die Vermuthung kaum von der Hand weisen, dass einmal

!) In seinem Buche „Island Life“, S. 63—65.

416 Ueber thiergeographische Beziehungen etc.

eine, unserm gegenwärtigen Eichelheher sehr nahe ver- wandte Art von Heher das ganze, gegenwärtig von der Gattung bewohnte Gebiet eingenommen hat, die sich in verschiedenen Theilen von Asien nach und nach in eine Reihe verschiedener Arten zerlegte, und dass sich ein Ueberbleibsel der ursprünglichen Stammart fast unverändert in Japan erhielt, vermuthlich durch günstige klimatische und anderweitige Bedingungen gegen coneurrirende Formen geschützt.“

Ich habe früher!) eine andere Hypothese über die ver- wandtschaftlichen Beziehungen und die Art der Verbreitung der Heher aufgestellt, die ich hier wiederholen will.

Die Heher bilden wesentlich zwei Hauptgruppen, die man als Heber der Neuen und der Alten Welt, oder als Blau- und Grauheher bezeichnen könnte. Die erstern ver- theilen sich auf zwei Gattungen, Cyanocitta und Uyanocoraz, Jede mit 16 Arten. Cyanocitta bewohnt hauptsächlich Nord- amerika von Alaska südlich bis Boyota, Cyanocorax wesent- lich Südamerika von Südkalifornien und Mexico bis zum La Plata. In der Färbung beider Gattungen herrscht Blau vor. Die Arten von Cyanocoraz?) haben niemals gebänderte Schwanz- und Flügelfedern, dievon Oyanocitta aber wenigstens zum Theil, und gerade die so ausgezeichneten sind nörd- liche Formen, jenseits des 40° n. Br. kommt überhaupt keine Art mit unge*änderten Schwanzfedern mehr vor.

In der paläarktischen Region und in den nördlichsten Theilen der orientalischen findet sich bloss eine Gattung, Garrulus, (die Gattung Zophoeitta von den Sunda-Inseln ist nur entfernt verwandt) mit 12 Arten, in deren Gefieder zwar auch die blaue Farbe in verschiedenem Umfange aber immer geringer als in dem der amerikanischen Vettern auftritt. Auch sie theilen sich, abgesehen von einer höchst seltenen, abgetrennten Art (G. Liprur) von Siüdjapan, der Färbung nach in zwei durch besondere Gattungsnamen

) Vergl. Verhandl. der deutsch. zool. Gesellsch. Leipzig, 1891 $ 66. ?) Ich finde nirgends Angaben über das Jugendgefieder von Cyanocoraz. Es wäre hoch interessant, wenn hier gebänderte Federn vorkämen. Uebrigens ist Cyanoeitta mit Garrulus näher verwandt ale mit Cyanocoraz, ne

Von Professor W. MARSHALL 417

erfreulicher Weise noch nicht unterschiedene Untergruppen: Die eine besteht aus 4 Arten, in deren Gefieder noch ziemlich vie] Blau vorkoinmt, indem nämlich nicht nur die Flügeldeck- federn, sondern die Schwung- und Schwanzfedern blau und schwarz quergebändert sind. Eine Art /Garrulus taivanus) bewohnt Formosa, eine andere /sinensis) das südöstliche China, eine dritte /bispecularis) den östlichen‘) und eine vierte (Janceolatus) den westlichen Himalaya. Die 7 übrigen Arten bilden eine zweite Gruppe und sind sämmtlich unserm gemeinen Eichelheher nahe verwandt, z. Th. nur locale Rassen von ihm. Die blaue Farbe des Gefieders ist hier be- deutend zurückgetreten, am Rumpf hat das Blaugrau einem weinigen Rothgrau Platz gemacht, nur die Flügelfedern haben die charakteristische Färbung bewahrt. An den Sehwung- und Schwanzfedern finden sich aber doch noch Spuren der alten blauen und schwarzen Querbänderung. Die Stenerfedern sind schwarz, nur an den Wurzeltheilen finden sich noch Reste blauer Binden. Diese letztere Er- scheinung ist interessant und wichtig. Sie zeigt uns, dass die Ahnen der Eichelheher-Gruppe blaugebänderte Schwanz- federn hatten, dass diese Farbenvertheilung aus irgend einem Grunde ihre Bedeutung verlor und von der günsti- seren schwarzen verdrängt wurde, sich aber doch als Rudiment an den Federstellen erhielt, die unter normalen Verhältnissen nicht gesehen werden können. Die Riehtig- keit, diese blaue Restfärbung als rudimentär aufzufassen, dürfte wohl auch dadurch unterstützt werden, dass sie in be- deutenden individuellen Grenzen schwankt, was bekanntlich In der Regel eine Eigenthümlichkeit rudimentärer Eigen- schaften zu sein pflegt. Noch ein dritter Grund spricht für lie grosse Wahrscheinlichkeit, dass die entwiekelte Ansicht den Thatsachen entspricht, dass ist die Correlation, die 5 sich in der Farbenvertheilung auf Flügel- und Schwanz- . federn der Vögel geltend macht, und auf die wir einen : Augenblick eingehn wollen. in gewisses correlatives Verhältniss zwischen Flügel- SR u - nd Schwanzfedern der Vögel ist gen. und _ En N) SchLegen (Museum des Pays-Bas, Coraoes, pg. 60) zieht sınensis als Localrasse zu bispecularis. Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. 67, 1891. -

418 Ueber thiergeographische Beziehungen cte.

bloss, was die Farbe angeht. Aber gerade diese Ueber- einstimmungen und Aehnlichkeiten sind äusserst merkwürdig und lassen sich am besten durch einige Beispiele (aus einer grossen Zahl nur wenige!) illustriren.

Man betrachte eine Schwung- und eine Steuerfeder von 1) Merops erythroptera: beide sind gleich gelbbraun, vor der Spitze mit einer schwarzen Binde, während bei beiden die Spitze selbst wieder gelblich erscheint; 2) Pferuthius rufiventris : beide Arten von Federn schwarz mit roth- brauner Spitze; 3) Procnias zersa: beide Federarten schwarz mit lasurblauem Aussensaum; 4) Pericrocotus brevirostris 2: Schwanzfedern schwarz mit chromgelben Aussensaum, Schwungfedern schwarz mit breiter chromgelber Querbinde; beim Männchen ist das Gelb durch Zinnoberroth in ganz gleicher Ausdehnung und Verbreitung vertreten. Auch die Trochalopteron-Arten bieten auffallende Beispiele. Bei Wiedehöpfen sind Schwung- und Steuerfedern schwarz mit breiter weisser Querbinde, die sich an den Schwanzfedern ale Saum des Aussenrandes nach vorn und hinten fortsetzt.

Ganz analog verhalten sich auch die nordamerikanischen Blauheher bezüglich der Farbenvertheilung auf Schwanz- und Flügelfedern und das ist ein alterthümliches Verhalten, das nicht bloss verräth, dass diese Federn im Allgemeinen homologe Bildungen sind, das sind schliesslich selbst- verständlich alle Federn, -— sondern die zu beweisen scheinen, dass gerade zwischen jenen noch ein innerer, genetisch näherer Zusammenhang besteht, ein Zusammen- hang, der auf uralte Eigenthümlichkeiten im Bau der Wirbelthiere zurückweist. Die horizontalen wie die ver tikalen Gliedmaassen derselben gehen aus Hautleisten her- vor, von denen die horizontale als Wourr’sche bekannt ist. Oft treten, wenn Anpassungsbedingungen es erfordern, Rückschläge in der Richtung dieser Urleiste auf, indem nicht nur die beiden Extremitätenpaare vorhanden sind, sondern Hautsäume vom Hals zum Arm, von diesem ent- lang des Rumpfes zum Schenkel, vom Schenkel weiter entlang des Schwanzes verlaufen, so bei Galeopithecus unter den Säugern. Meist allerdings tritt dieser Hautsaum nicht | lückenlos in seiner ganzen ursprünglichen Ausdehnung auf, =

Von Professor W. MARSHALL. 419

es fehlen in der Regel entweder der Abschnitt zwischen Hals und Oberarm, oder der zwischen Schenkel und Schwanz, oder beide zugleich. Derartige Rückschläge treten uns ent- gegen im Patagium und in der Achselfalte der Vögel, in der Flughaut der Fledermäuse und Pterodaktylien, in dem Fallschirm der fliegenden Eichhörnchen und Beutelflatterer, in (und zwar durch die eintretenden distalen Enden der falschen Rippen gestützt) der Rumpfseitenhaut der Eidechsen- gattung Draco und im Seitensaum mancher Geekonen. Am merkwiirdigsten erscheint der letztere bei einem javanischen Gecko (Ptychozoon homalocephalon), bei dem nicht nur eine breite Hautfalte an jeder Rumpfseite vorhanden ist, sondern Ober- und Unterarm, Ober: und Unterschenkel, sowie sämmt- liche Finger und Zehen gesäumt sind. Auch am Schwanze zeigt sich diese Falte und zwar sehr merkwürdig in den vordern zwei Dritteln, entsprechend den einzelnen Schwanz- wirbeln, metamerisch eingeschnitten.

Wir können hier keine weitern Einzellieiten entwickeln, nur so viel sei gesagt, dass der Aussenrand dieser Haut- falte auch die Stelle war, an der die Vorläufer der Schwung- und Steuerfedern ihren Ursprung nahmen. Hierdurch traten Sie sich dem übrigen Gefieder gegenüber, so zu sagen,

genetisch näher, ihre homologen Beziehungen mehrten sich,

das correlative Verhältniss zu einander wurde inniger, als ihr Verhältniss zu den übrigen Federn. Das spricht sich in jenen Fällen gleicher Färbung deutlich aus, jene Aehn- liehkeiten sind kein Zufall, sie sind vielmehr der Aus- druck gleichen Ursprungs der betr. Federn, wie sie es bei 80 vielen Fischen an den oft sehr abweichend von dem Äbrigen Körper, aber unter sich gleich gefärbten horizon- talen und verticalen Flossen ist. | Noch ein frappantes Beispiel mag diese Behauptung ' erhärten. Bei dem europäischen Seidenschwanze sind be- kanntlich die Schäfte der Armschwingen an den Spitzen Zu siegellackrothen Plättchen verbreitert, während das Vord er- ende des Bartentheils, der Handschwingen gelb ist. Die Steuerfedern haben gleichfalls gelbe Spitzen, aber eine Verbreiterung ihrer Schaftenden fehlt normalerweise. Es giebt indessen einzelne Individuen, ee alte

420 Ueber thiergeograpbische Beziehungen etc,

Männchen, bei denen auch an den Schwanzfedern jene rothen Endplättehen auftreten. Diese Erscheinung ist voll- kommen unerklärlich, wenn man nicht jenen genetischen Zusammenhang zwischen Flügel- und Schwanzfedern an- nehmen will, der tiefer und inniger als zwischen ihnen und andren Federn ist. Auch die Verhältnisse der Entwicklung der Federn an Schwanz und Flügel des Archaeopteryx ge- wiunnen von diesem Gesiehtspuncte aus an Bedeutung. Diese weitläufige Auseinandersetzung über die Farben- verbältnisse an den Schwanz- und Flügelfedern der Vögel im allgemeinen und an denen der Heher im besondern sehien mir deshalb nöthig, um der von WALLACE vertretenen Ansicht, dass früher eine einzige, dem gemeinen Eichel- heber sehr nahe verwandte Art in der paläarktischen Region existirt habe, die in Asien in eine Reilie von Formen zer- fiel, zu beleuchten. Dieser Annahme widersprechen die aus der Farbe der Befiederung oben abgeleiteten That- sachen. Die korrelative Entwicklung derselben ist der ältere Zustand, dessen Verdrängung bei der Glandarius- Gruppe nieht vollständig war und der sich in der Färbung der Flügeldeckfedern und der Wurzeln der Steuerfedern erbielt. Es sind daher die Formen von Formosa und deu chinesisch-indischen Gebirgeu, bei denen die Verhältnisse sich rein erhielten, als die ursprünglicheren auzuselen und sie knüpfen unmittelbar an die amerikanische Gattung Cyanoeitta au. Diese Gattung und die Gattung Garrulus sind gemeinsamen Ursprungs und ihr gemeinsames Ent- stehungseentrum befand sich in Nordamerika. Von hier wanderten die echten Heher in die damals noch durch Landverbindung angegliederte paläarktische Region ein, vielleicht oben im Norden, vielleicht aber und wahrschein- licher auf einer ältern, weiter südlich gelegenen Brücke, für deren einstige Gegenwart mancherlei spricht und auf die Geor« BAUR!) in einem Autfsatze über die Galapagos- Inseln bei Besprechung der Verbreitung der Riesenschild- kröten hingewiesen hat. Die bedeutende Tiefe des Stillen

5 in einer Feuilletonserie der „Münchner Neusten Nachriehten*, doch ist mir der Jahrgang entfallen. .

#

Von Professor W. MARSHALL. 421

Oceans braucht in der That nicht eine so uralte zu sein, wie allgemein angenommen wird. Ein Blick auf die An- ordnung des Tertiärs von Malta, wie es durch J. Murray festgestellt ist, lehrt uns, wie verhältnissmässig rasch sehr bedeutende Schwankungen in den Meerestiefen stattfinden können oder konnten. „Die (tertiären) Schichten (auf Malta) sind ausserordentlich regelmässig gelagert und sind durch keine Hebung während der ganzen Dauer des Zeitabschnittes, in den ihre Bildung fällt, jemals ganz dem Meere entrückt gewesen. Die obersten und untersten Lagen sind Kalke, . die fast ausschliesslich durch die absondernde Thätigkeit der zu den Algen gehörigen Nulliporen gebildet sind; man kann mit Sicherheit behaupten, dass es Seichtwasserbil- dungen sind, die in höchstens 50 Faden (etwa 90 m) Tiefe ahgesetzt wurden; auch die in ihnen gefundenen Echiuiden bestätigen dies. Sie werden von Zwischenselichten getrennt, unter denen sich besonders ein für Bauten sehr geschätzter Kalk auszeichnet; dieser besteht zum weitaus grössten Theile aus Globigerinen und theilt mit dem Globigerinen- schlamm der abyssischen Meerestiefen (besonders des Stillen Oceans! MarsuaLL) auch die Häufigkeit von Phosphatknollen und phosphatisirten Haifischzähnen. Murray schlägt die Tiefe, in denen diese Globigerinenkalke gebildet sind, auf mindestens 300-1000 Faden (549—1830 m) an.“ !)

Die von Osten her eingedrungenen Heher wanderten uun die chinesisch-nordindischen Gebirge entlang westwärts und büssten auf dieser Wanderung immer mehr an den Eigenthümlichkeiten der Vorfahren ein. So erreichten sie Persien, besiedelten die Länder um den Pontus und von hier zunächst das östliche, dann das westliche Europa und gingen nach Nordwestafrika über, wo sich neben der Stamm form eine Localrasse /cercicalis) entwickelte. Nach Osten überschritten sie den Ural, durchquerten Asien und setzten auf die japanischen Inseln über. Die Verhältnisse des kon- finentalen Klimas Ostrusslands, diesseits des Urals und im tentralen Asien wirkten auf Garrulus glandarius, wie auf Manche andere Europa und Sibirien gemeinsame Vogelarten, 5

!, Koran: „Die Vorwelt“. S. 446.

422 Ueber thiergeographische Beziehungen ete,

modifieirend ein, und es entstand die Localform Brandt, während die Stammform unter dem insulären Klima Japans sich erhielt.

Bemerkenswerth ist die Lücke in der Verbreitung der Heher zwischen lJanceolatus mit blau gebändertem Schwanz im nordwestlichen Himalaya und den zur glandarius-Gruppe mit ungebänderten Schwanzfedern gehörigen hyrcanus in Nordpersien.

Auch der südliche Theil des nördlichen Asiens wird ungefähr vom 50 bis 30° n. Br. und vom 50 bis 115° östl. L. von keiner Heberart bewohnt, ein Blick auf die von WALLacE entworfene Karte der Verhreitung der Gattung Garrulus zeigt in sehr deutlicher Weise, wie die betr. Vögel erst westwärts und dann ostwärts zurück um die unwirthlichen, meist baumlosen Gegenden Oentralasiens herum gewandert sind und sie vermieden haben.

Ueber das Zustandekommen der discontinuirlichen Ver- breitung von Limberiza schoeniclus-pyrrhulina und der Ein- schiebung vou Emberiza passerina zwischen den beiden Vorkommensgebieten der erstern Art äussert sich WALLACE (vergl. 8.415 dieses Aufsatzes)nicht. Es wäre denkbar, dass da- bei älnliche Verhältnisse wie bei der Verbreitung von Garrulus glandurius (europaeus-japonicus) und Brandti eingetreten wären, d. h. dass passerina eine mehr kontinentale Form sei.

Zu dem zusammeuhanglosen Vorkommen von Parus palustris bemerkt Warzack!): „Wenn Parus borealis eine von Parus palustris verschiedene Art ist, als welche er in Gray’s „Hand List of Birds“ und in Suarre’s und Dassser’s „Birds of Europe“ angesehn wird, dann hat Parus palustris eine sehr merkwürdige discontinuirliehe Verbreitung, ... beide Bezirke des Vorkommens liegen etw& unter derselben Breite und haben ein sehr ähnliches Klima, aber der Zwischenraum zwischen beiden beträgt gegen 4000 (engl.) Meilen. Betrachtet man diese beiden Formen indessen bloss als Unterarten, dann wird das Verbreitungs- gebiet dieser Art‘ zusammenhängend, und nur eine ihrer Varietäten oder Unterarten hat ein diseontinuirliches Vor-

') Island life, S. 64.

Von Professor W. MARSHALL. 423

kommen. Es ist eine auffallende Thatsache, dass beide Formen, Parus palustris und borealis neben einander im südlichen Skandinavien und in einigen Theilen Centraleuropas vorkommen und sich, wie angegeben wird, sowohl in ihrer Stimme und Lebensweise, als auch in der Färbung etwas von einander unterscheiden.“

Abgesehen davon, dass die klimatischen Verhältnisse der beiden Verbreitungsherde von Parus palustris demn doch nicht so sehr gross sind, wie WALLACE meint, man denke nur an die Verschiedenheit der durchschuittlichen Jahrestemperatur! liessen sich zwei mögliche Ursachen dieses discontinuirlichen Vorkommens denken, je nachdem man borealis als Stammrasse und palustris als Varietät auf- fasst, oder umgekehrt. In ersterem Falle hätte sich ein und dieselbe Varietät an weit von einander getrennten Stellen selbstständig gebildet, was sehr auffällig und un- wahrscheinlich wäre. Im zweiten Falle hätte palustris, ursprünglich eontinuirlich quer durch Asien vom Gelben Meere bis nach Westeuropa verbreitet, durch irgend welche Einflüsse, vielleicht der spättertiären Abkühlung, die Varietät dorealis gebildet und hätte sich nur an günstigen Loecalitäten er- halten, zu denen auch Südschweden gehören würde, wenn es Sich hier nicht etwa um eine Neueinwanderung von Süden her handelt, und die „einige Theile Centraleuropas*, wo palustris noch vorkommt, gewissermassen Etappen wären. Diese Annahme scheint mir die grössere Wabhrscheinlich- keit für sich zu haben. Ein Fall, der eine gewisse Aehn- lichkeit mit der Verbreitung von Parus palustris-boreulis hat, betrifft einen Tagschmetterling, einen Dambreitfalter. Melanagria Japygia bewohnt Kalabrien und Sieilien und soll die Stammrasse von Mel. Cleanthe sein, die im mittleren Spanien und im südöstlichen Frankreich, sowie im süd- lieben und östlichen Russland fliegt. Hier ist wahrscheinlich umgekehrt Cleanthe die Stammart, zwischen deren Ver- breitungsbezirken der Zusammenhang völlig zerstört wurde, während Mitglieder derselben nach Süditalien gelangteu, vielleicht von den Alpen her verdrängt, oder von Spanien über Mauritanien eingewandert, und hier die neue Form Japygia bildeten. Denken wir uns, dieselbe vermöge nord-

424 Ueber thiergeographische Beziehungen etc.

wärts zu wandern und die trennenden Gebiete zwischen den Localitäten, an denen Oleanthe fliegt, einzunehmen und zu behaupten, so würde die Analogie zwischen der Ver- breitung der betr. Meisen und dieser Schmetterlinge noch grösser sein.

Es giebt noch einige Fälle bemerkenswerther discon- tinuirlicher Verbreitung in Europa, die wahrscheinlich auch anf andere Art erklärt werden müssen, sie betreffen zunächst die Saturniidengattung Trorıea. Die Gruppe der Tropaeen (die einander sehr nahe verwandten Gattungen Tropaea, Actias, Argema und Copiopteryz umfassend) hat Vertreter in Amerika von Guatemala und Brasilien bis Mexiko und Toronto in Ca- nada, durch die äthiopische Provinz von Abyssinien bis Natal und Madagaskar, in den eontinentalen Theilen der orienta- lischen Region und auf den Adamanen, in China, Japan, am Amur und im ceentralen Spanien.

Ueber die ostsibirisehe Art bemerkt Rappz 1): „Unsere Aufmerksamkeit wird plötzlich besonders rege gemacht dureh das laute Sehwirren, welches ein Riesenrachtfalter bei dem Herannahen zum Feuer verursacht. Es ist das Genus Tropaea (Artemis), welches in verwandter Art Ostindien angehört, und das wir hier trotz der 35° (R.) Kälte im Januar ruhig seine Metamorphose vollenden sehn.“ Nach BREMER 2) ist die Art übri itd damerikanischen Luna näher als mit der ostindischen und südehinesischen Selene verwandt. Neuerdings sind noch weitere Arten in China (Tropaea Maasseni), Japan (Gnoma, Dulcinea, aliena), sowie in Canada (Rossi), Mexiko /Dietynna) und Guate- mala /atzteka) entdeckt worden, die mir unbekannt ge- blieben sind.

Die Tropaeen dürften eine alterthümliche Spinnergrupp® sein, die einst weit verbreitet war, dann auf die Tropen- länder Amerikas, Asiens und Afrikas ähnlich wie die Megalaemiden und Trogoniden unter den Vögeln, den Zonu- riden und Testudiniden unter den Reptilien und den Coe- cilien und Engystomatiden unter den Amphibien zurückge-

)1.e. 8.589, ?) Mem de L’Acad. imp. d. se. St. Petersbvurg, 1864.

Von Professor W. MARSHALL. 425

drängt wurden und später wieder in nördliche Länder ein- wanderten und zwar mit Umgehung der Gebirge und ent- lang der Küsten von Afrika nach Spanien, von Ostindien nach Japan und in die Amurländer, vielleicht auch nach Nordamerika, wenn hier nicht ein Vorstoss der brasilianischen Formen stattfand.

Das Eindringen afrikanischer Thier- und Pflanzenformen in die paläarktische Region über Spanien und indischer über China, Formosa und Japan ist bekannt genug und MiqusL!) verwirft eine besondere japanische Flora: nach Süden geht die japanisch-chinesische Flora allmählich in die indische (oder besser: nach Norden geht die indische Flora allmählich in die japanisch-chinesische) und nach Norden in die des Amurs über. Tropaea Isabellae bewohnt ein kleines Gebiet in der Sierra de Guadarrama und zwar ziemlich hoch in der Nadelholzregion. Vielleicht ist die eigenartige Zeichnung dieses schönen Spinners auf sein hohes Vorkommen zurückzuführen. Während nämlich viele Tropaeen hellgrün mit je einem Augenfleck von verschiedener Grösse auf jedem Flügel sind, ist bei /sabellae die Nervatur braun bestäubt, etwas, das an alpinen und borealen Formen heller Schmetterlinge öfters zu beobachten ist. Dem se indessen , wie ihm wolle, gewiss ist der Schmetterling

Dicht „wahrscheinlich aus dem Innern Afrikas“ eingeschleppt 2)

Es steht übrigens der Fall, dass eine tropische Tbhier- familie im Westen und Osten der paläarktischen Region in verschiedenen Arten unabhängig vordrang, nicht so ganz vereinzelt, auch bei einer Vogelgattung finden wir ein ent- Sprechendes Verhalten und zwar bei der Gattung Ortolus (Pirol). Unser gewöhnlicher Pirol bewohnt den grössten Theil des warmen und gemässigten Europas und westlichen Asiens, fehlt aber im Osten der paläarktischen Region etwa vom 50° östl. L. an; am Amur wieder durch Oriolus indieus (oder chinensis, was synonym ist) ersetzt, der sich von Bangka, Java, Borneo, Celebes und Formosa?) bis Denn RE

!) Verslag. d. Koningl. Akad., Amsterdam 1868. pe. > u. 72. 9) BASTELBERGER, Stettin. entomol. Zeitung 1878, S. 193. 3) ScHLEGEL, Museum des Pays-Bas: Coraces, pg. 102.

426 Ueber thiergeograph. Beziehungen von Prof. MARSHALL.

Peking‘) und zum mittleren Amur findet.?2) Freilich besteht zwischen den Pirolen und den Tropaeen immerhin ein nicht unwesentlicher Unterschied darin, dass jene Vögel nur in gewissem Sinne und mit Beschränkung als endemische Formen können angesehen werden, da sie ausserhalb der Tropen Zugvögel sind. Die übrigen 22 Arten der echten Pirole bewohnen die äthiopische und orientalische Region und betreten die australische eben auf den Sula- Inseln.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass die beiden vorher namhaft gemachten Noktuidenarten /Plusia eircumflera und Spintherops exsiccata), die sich in Kleinasien und auf den Ka- ‚naren finden, auf diese Inselgruppe über Nordafrika ein- gewandert sind, und dass ebenso der Bläuling Zycaena Lysimon diesen Weg nahm, aber auch nach dem südwest- liehen Theil des europäischen Continents übertrat.

Zum Sehlusse muss ich betonen, dass es mir selbst- verständlich gänzlich fern liegt, das im Obigen Entwickelte als nur einigermaassen feststehend anzusehen. Es fehlt mir die Detailkenntniss der einschlagenden geologischen That- sachen und namentlich die der betr. Litteratur. Sollte in- dessen auch alles an meinen Betrachtungen irrthümlich und falsch sein, so würde ich mich doch freuen, wenn dieselben allgemeinere Anregung geben würden, der Lösung jener interessanten thier- und pflanzengeographischen Frage näher zu treten.

'} WALLACE, Die geogr. Verbreitung der Thiere, b. IL, 8. 302. 2 Vgl. Rapp, |, ce, S. 627.

*

Faunae mammalium saxonicae (Zs. Ntw. v. 66p. 183... 179; 1893) supplementum.

Seripsit örwin Schulze Ph. D.

1. ADDITAMENTA AD APPARATUM LITTERARIUM.

1634

au

1756

1770

Ein Seehund am 20. März 1634 bei Kötzschenbroda gefangen. Weck A., Der kurfürstl. sächs. Residenz- und Hauptfestung Dresden Beschreibung und Vorstellung (Nürnberg 1680) p. 546. Curiosa Saxonica p. 76; 1748. Hamburg. Mag. v. 16 p. 178; 1756, Merian M., Topographia superioris Saxoniae, Frankfurt. 40. [p. 123b: 1629 ein Damhirsch in der Hart bei Leipzig erlegt.] Lehmann Ch., Historischer Schauplatz der natürlichen Merk- würdigkeiten in dem meißnischen Ober- Erzgebirge. Leipzig 1699 (u. 1747). [p. 522... 608 wilde Tiere; p. 609 kleine Baub- tiere.] Außzug in Itluste. Jagd-Ztg. (Leipzig) v. 18 (1890/1) p. 474... 476. 485 . . 487.

Ein Filfras am 4. April 1715 auf dem Töpferwalde bei Frauen- stein erlegt, Dresdnische Merkwürdigkeiten p. 60; 1715. Bahn, Daß Amt, Schloß und Stätehen Frauenstein (Fridrichstat bei Dresden, 1748) p. 10. 194

Ein Biber am 15. Sept 1748 auf dem Elbheger in Nider-Muschitz bei Meißen gefangen. Grundigs Samlungen zu der Natur- und Kunstgeschichte (Schneeberg) v. 3 p. 357.

Schulze, Nachricht von dem onweit Dresden befindlichen Zschonengrunde und von den darinnen vorhandenen Seitenheiten der Natur, N. Hamburg. Mag. (Leipzig) v. 7n.37p.3.. 75 [p- 12... 13 Säugetiere.) Bechstein J. M., Kurze aber gründliche Musterung aller bißher mit Recht oder Unrecht von dem Jüger als schädlich geachteten und getöteten Tiere. ta

Anton D,, Verzeichnis der Säugetiere in der Oberlausitz. Lau- sitzisehe Monatsschr. (Görlitz) 1799; 2. Teil, p- 889..8 732 .. 733. (ef. Uechtritz 1821.)

_ Lndwig Ch. F., Initia faunae saxonicne, Lipsiae. [fase. 1 p-

6..7T mammalia.] = Mosch C. F., Sachsen, historisch -topographisch - statistisch vor mit naturhistorischen Bemerkungen dargestelt. Dresden un

428

1821

1872

Faunae mammalium saxonicae supplementum

Leipzig. 8°. [v. 1p.50..51. 119, 124. 130: Säugetiere im Amte Pim v. Uechtritz, M. F., Beiträge zur Naturzeschichte der Ober- lausitz. Okens Isis v. 1 p.278... 291. [p. 279... 280: Nachtrag zu Antons Verzeichnis der oberlausitzischen Säugetiere (1799). Meyer E. J. J., Versuch einer medieinischen Topographie und Statistik der Haupt- und Residenzstat Dresden. Stolberg am Harze und Leipzig. [cap. 5 (p. 73... 99): Fauna der Gegend um Dresden; p. 73... 74 Säugetiere.|

Geinitz H. B., Die Versteinerungen von Obersachsen und der Lausitz. Gaea von Sachsen (Dresden, Arnold. 8%)} p. 61... 142 [p- 134... 142: Gruppe über der Kreideformation, p. 134... 139 Säugetiere.)

immermann K. G., Über einen in der Lilienstraße in Ham- burg außgegrabenen Schädel von TrichzcHus. Jb. Min, p. 73; 1845 Hornschuch u. Schilling, Kurze Notizen über die in der Ostsee vorkommenden Arten der Gattung ee Greifswald. Schach F., Über eine in Rußdorf (im März 1850) erlegte ee Carus ferus. Mitt. a. d, a (Altenburg)

er, 170 . 174.

Pass M., Übersicht der in hiesiger Gegend (d. i. bei Merane einheimischen Säugetiere; ap. Leopold J. H., Chronik und Be- ee Fabrik- und Handelsstat Merane (Merane. 3%

Bären in nn Zool. Gart. v.5 p. 385 . . 386. Reibisch Th,, Ve eg: en Sängatiere Sachsens. Sitzb. Isis Dresden Zimmermann K. 6, - die im Alluvium Hamburgs ge fundeuen Walfisch- und Delphinknochen. Jb. Min. p. 82; 1870. Zimmermann K. G., Eine neue Hirschart auß dem Alluvium von Hamburg. Jb. Min. p. 26; 1872. Engelhardt, Über daß Vorkommen einiger Fledermäuse. Sitzb- Isis Dresden 1871 p. 29. [8 sp. bei Dresden.] Richters in ‘Hamburg in naturhistorischer und medieinischer Beziehung’ (Hamburg, Friederichsen. 80%) p.153 . . 160: Fauna. p. 156 Säugetierfauna: Mus decumanus P, Puoca vitulina L. DeLpumUS delphis L.]

hneider U., Wald und Jagd im sächsischen mn Neue Deutsche Tagästg. (Berlin) v. 2 (1881/2). [p. 162 . Er Sängetiere,] Ein Wolf im Königreiche Sachsen. Neue Deutsche Jagdztg. (Berlin) v. 5 p. 263. Weidman (Leipzig) v. 16 p. 29. 318. 335; v. 17 p. 221. Deutsche Jägerztg. (Neudam) v. 5 p- 199. Nehring A., Über die Robben der Ostsee, namentlich über die Ringelrobbe; Sitzb. G. Ntf. Fr. Berlin 1886 n. 3 p. 119 es

1890

18

1891

1892

1393

8

scripsit ERWIN SCHULZE Ph. D, 429

Schacht H., Die Raubsäugetiere des Teutoburger Waldes. Zool, Gart. v.31: 3. MUSTELA martes p. 166. . 171; 4. MusTeLa foina p. 242.. 245; 5. MUSTELA putoria p. 304. . 309. (ef. 1887.) Borcherding F, Vier Wochen in Nassau an der Lahn. Nach- richtsbl. D. Malakozool. G. 18% n. 5. [p. 68. . 71 Säugetiere.) 1891 Pechuel- Loesche, ee Tierleben. 3. Aufl. Leipzig, Bibliogr. Institut. 80. Bd. . 3: Säugetiere. [v. 1. 1 (44 + 702 p., 19t); v. 2. se 12 + 708 p., 19t.); v. 3. 1891. (12 + 744 p., 21t., 4 mappae.)]

(Lehmann) Bären und Wölfe in Sachsen, Illustr. Jagdztg. (Leipzig) v.18 (1890/1) p. 474... 476. 485. .487. (cf. Lehmann 1699.) Struckmann C., Über die bißher in der Provinz Hanover und den unmittelbar angrenzenden Gebieten aufgefundenen fossilen und subfossilen Reste quartärer Säugetiere _ Nachträge und Erpänzungen.40,u. 41. Jber. Nth. G. Hanover 1889/91p.48...62t.1.

cf. 1884.

(e Schulze E., Faunae saxoniese mammalia euumerat. Zs. Ntw. v. 66 p. 133 . . 179. (Supplementum 1894.) Friedel E,, Spandan- Gatow-Kladow. Brandenburgia (Berlin) n. 4 (August) p. 79... 82, [p. 82: ‘Die Maulwürfe, welche sich auf dem Iinchen-Kiladde bemerkbar machen, kommen über die Havel von Kladow geschwommen und entfernen sich vor dem Winter wider zum festen Lande. Auf dem Kälberwerder sind keine Maulwürfe.’) Möllmann G,, Yalsssnasetällung der Säugetiere, Vögel, Rep- tilien, Amphibien und Fische, welche biß jetzt im Artlande und den angrenzenden Gebieten beobachtet wurden. (9. Jber. Ntw. V. Osnabrük 1891/2 p. 163... 232.) Quakenbrük, Rackhorstsche Buchliandlung (Edm, Eckhart). kl. 8°. 84 p. [p. 9. . 19 mammalia,} ickel J., Die Litteratur über die Tierwelt des Königreichs Sachsen. (Progr. erg Gymn. Dresden.) Dresden. 40. 44 p. [p- 8... 9 Säugeti Poppe S, A., Über "Anß Vorkommen von Mus alezandrinus Geoffr. in Gare Ntw. Wochenschr. (Berlin) v. 8 n. 46 p. 505 . . 507. Nehring“ A., Die Verbreitung des Hamsters Bram vulgaris) in Deutschland. Arch, Ntg. 1894 v. in. 1 p. 15... 32. Mit Karte het H., Die Biber an der mitleren Elbe. Nebst einem Anbange über PLaTyPpsyLLus castoris Ritsema. Mit einer Karte und 6 Abbildungen, Dessau, P. Baumann. 8%, 417 p. Schulze E., Faunae mammalium saxonieae (Zs. Ntw. v. 66 p 133 ,. 179; 1898) supplementum. Zs. Ntw. v. 67 p. 427 . „487. 11. additamenta ad apparatum litterarum; 2. indices in en litterarium

430 Faunae mammalium saxonicae supplementum

2. INDICES IN APPARATUM LITTERARIUM. Index auetorum.

Altum B. 18665. 1867. 1872 Anton D. 1799 Artzt 1878

v. Baer, K, E. 1863

Ballenstedt 1823

Balling 1831

Banke 1832

Bartels 1846

Bechstein J. M. 1792. 1801 7

Behlen 1823

Behrens G. H. 1703

Beling Th. 1857. 1859, 1872, 1873. 18°5. 1876. 1880. 1881, 1886

Berthold 1840

Beyer 1851

Blasius J. H. 1839, 1840, 1841. 1853. 1856. 1357

I W, 1877. 1878. 1883. 1884.

Blumenbach J. F. 1830

v. Bohlen, J. 1873

Boli E, 1856, 1862 Borcherding F. 1889. 1890. 1891 v. Brakel 1874

Brandt K, 1889

Brederlow 1846

Brehm A, 1890

Brehm L. 1825. 1827, 1828 Brehm 0, 1847

Brinkmann A, 1885 Buchenau F. 1866

Coester 1890 Cornelius 1875 Credner R, 1877

Bohne J. ". A, 1819, 1841. 1855, 1856. 1857 v. Dombrowski, E. 1889. 1890

Eiffeldt 1873 Engelhardt 1872 Engelhardt P, 1879 Erythropel A. 1885

Fechner 1851

Feist A. 1892

Fickel J. 1893 Fintelmann 1891 Focken Th. 1882 Franegre 1827

Friedel E. 1886. 1893 Friedrich H, 1891. 1892. 1894 Fries S, 1879

v. Fritsch, K. 1884 Fuhlrott ©. 1859. 1865 Fürbringer 1882

Gätke H. 1866

Geitel 1873 £

Giebel Ch. 1847. 1853. 1854. 1805. 1858. 1863. 1864. 1865. 1866. 1867. 1868. 1875. 1877. 1879

Gildemeister 1878

Girtanner A. 1885

Gloger C. 1828. 1833

Göppert 1873, 1876

Greiff J. 1885

Greve L. 1831

Gronen D. 1884

Grotrian H. 1880. 1883

Guthe H. 1867

Guthke 1891

Maltermann G. 1885

Heineken Ph. 1837

seripsit ERWIN ScHuLzE Ph. D.

Heise 1763

v. Hellen, H. 1885 Helms F. 1836. 1845. 1847 Henneberg W. 1891 Heß W. 1881. 1889 lloffmann F. 1823 Hofmeister 1883 Holland Th. 1871 Hornschuch 1850 Huntemann J. 1881 v. Hüpsch 1774

Jacobs E. 1870 1871. 1874 Jäckel 1872

John 1890

Irwisch Th. 1879

Ivens W. 1842

Malb L. W. 1857 Keyserling A. 1839. 1840 Kirschbaum 18;

Kobelt 1556

Kraepelin K, 1884 Kraft H. 1889 Krause 1866 Krause G. 1877 Kuhl H. 1819

Landois H. ae 1884, 1885. 889, 1890

Langerfeldt 1888 Lehmann Oh. 1699

_ Leisler J. Ph. 1810 Lentin 1802 Lenz A. 1878

IHR = o -

NE Linde 1889

I |

431

v. Lochow 1870 Lübben E. 1891 Ludolph F. 1839 Ludwig Ch. F. 1810 Ludwig F. 1881

Magerstedt 1866

Martin Ph. L. 1847. 1882 Martiny B., 1883

Mehlis E. 1831

v. Mendel, H. 1883 Merian M. 1650

Merrem Bl. 1789 Mertens A. 1891

v. Meyerinck, R. 1829

Milde 1880

Mitford E L. 18% - Möbius K. 1862

Möllmann G. 1893

Mosch C. F, 1816

Müller A. 1880

Müller A. u. K. 1873. 1882

Müller 1891 Münter J, 1873

NWehring A. 1878. 1879. 1886.

1887. 1888, 1889. 1894 Nehrkorn A. 1873. 1878 Nitsche H. 1879. 1885

Overbeck 1339

Pallas P. S. 1756

Päßler M. 1863

Pechuel-Loesche 18%

Petry A. 1891

Pieler 1875

Pietsch 1875

Pohlig H. 1855

Poppe 8. A. 1882, 1884, 1889. 1891. 1892. 189

Hecks 18% Reibisch Th. 1870

432

Reuvens C.L. 1890

Richters 1876

Rimrod 1838. mies 1842. 1846, 1858 Ritter J. J. 175

Römer A. Be

Rönnecamp 1889

Rühle F. 1891 Rüling J. Ph. 1786

Sandberger G. 1857 842

h 1853 Schacht H. 1877. 1884 1886, 1887. 1890

Scheffler L. 1883 Schilling 1850 Schinz H. 1840 Schlenzig M. 1856

Schmidt E. 1881. 1883 Schmidt Ph. 1830 Schmidt Th. 1856 Schneider J. 1816 Schneider O, 1881 Schneider U. 1882 Schulz J. H. 1845 Schulze 1770 Schulze E. 1887. 1890, 1893. 1894 Schwebe E, 18% Sickmann F. 1883 .zD. 6. 1773 Steinvorth H. 1861. rue 1867. 1870. 1876. 1884, 1

Index Arctomys Sb. eitillus Sb.: Martin 1847. Arvicola Cp.: Blasius 1853, agrestıs Sel.: Jäckel 1872.

Faunae mammalium saxonicae supplementum

Stiehler W. 1861

Stricker W. 1868

Struck K. 1876,

Struckmann C. 1874. 1880. 1884 1887. 1892

Stübner J. Ch. 1790

Sturm K. G. 1818

Sufirian E. 1846

Taschenberg E. 1872

1'homas F. 1880

Tobias R. 1865

Troschel 1864. 1870. 1872. 1875 1879

v. Uechtritz M. F. 1821 Unger 1885

v. Veltheim, W. 1818 Virchow R. 1876. 1885

Wegner A. 1885 Weise A. 1886 Wiepken C. F. 1876. 1878. 1883.

1 Winnigstedt J. 1672 Zeppenfeldt 1818 Zimmermann Ch. 1834

Zimmermann K. G. 1845. 1870. 1872

Zimmermann P. 1888 Zumbusch F. 1890

rerum.,

amphibius Cp.: Beger 1867; Irmisch 1879. arcalis Cp.: Winnigstedt 1672; Beger 1867; Jäckel 1812; Nehrkorn 1873; Beling 1873; Heß 1881.

seripsit ERWIN ScHuLzeE Ph. D. 433

campestris Blasius 1853; W. Blasius 1883. glareolus Bl.: Mehlis 1831; Beling 1886. neglectus: Dehne 1856.

obscurus: Blasius 1884.

ratticeps Bl.: Blasius 1884.

subterraneus Sel.: Dehne 1855.

Bos L.: John 189. primigenius Boj.: Körte 1821; Hoffmann 1823; 1823; Helms 1836; Blasius 1841; Rimrod 1842; Stiehler 1861; Blasius 1877; Nehring 1875. 1888. 1889. taurus L.: Sturm 1818; Giebel 1853; Greve 1881; Mendel 1883; Wegner "1885; Erythropel 1885; Hellen u. Hallerianı 1885; 1885 .

Canis L. lupus L.: Lehmann 1699; Behrens 1703; Zeppenfeldt 1818; Bohlen u. Münter 1873; Jacobs 1874; Krause 1877; 1882; 1885. vulpesL.: Francque 1827; Taschenberg 1872; Troschel 1872; Landois 1884; Schacht 1887; Zumbusch 18%. Capra sp.: Giebel 1858. Castor L. fiber L.: 1756; Heise 1763; Meyerinck 1829; Giebel 1854; Möbius 1862; Altum 1866; Pieler 1875; 1877; 1879; Girtanner 1885; Blasius 1886. 1889; Kraft 1389; Overbeck 1889; Linde 1889; Mitford 1890; Friedrich 1891. 1892. 1894. Catus Ferus: Schach 1853. Cervus L. alces L.: Hoffmann 1823: Ballenstedt 1823; Göppert 1873, 1876; Nehring 1878; Müller 1886; Behla 1886; Landois 1889; Müller 1891. eanadensis: Giebel 1853. capreolus L.: Giebel 1853. 1867. 1875; Beling 1857; Lochow 1870; 1875; 1878; Fürbringer 1882 ; Blasius 1885. 1886; Brandt 1889; Dombrowski 1890. dama L.: Merian 1650; Giebel 1853

Zeitschrift f. Natarwiss, Bd. 67. 189. 28

454 Faunae mammalium saxonicae supplementum

elaphus L.: Giebel 1853. 1866. 1868. 1575; Beliug 1859; Credner 1877; Dombrowski 1889; K... 189) Schmeil 1890; John 1890.

tarandus L.: Boll 1862; Nehring 1878; Struckmann 1880. 1887.

sp. Zimmermann 1872.

Cete L.: Bloch 1785; 1792; Zimmermann 1870; Bohlen u. Münter 1874; Richters 1876.

Chiroptera Blb.: Leisler 1810; Kuhl 1819; Brehm 1827. 1828; Gloger 1828; Blasius 1839. 1840. 1841. 1853; Kolenati 1856. 1857; Koch 1860. 1863; Engelhardt 1872; Effeldt 1873; Fries 1879; Landois 1885.

Cricetus C,

Jrumentarius P.: Sulzer 1774; Kalb 1857; Magerstedt 1866; Ludolph 1889; Petry 1891; Nehring 1894. vulgaris Desm.: Nehring 1894. Croeidura Wgl. aranea Wgl.: Dehne 1855. leucodon Wgl.: Nitsche 1885. Crossopus Wgl. Fodiens Wgl.: Dehne 1855. Delphinus L. delphis L.: Richters 1376. phocaena L.: Bloch 1785. Equus L. caballus L.: 1816; Nehring 1878; 1879; 1881; Hof- meister 1883; Landois 1884; Unger 1885; Guthke 1891; Lübben 1891. Erinaceus L. europaeus L.: Landois 1884. 1890; Schacht 1886. Felis L. : eatus L.: Schach 1853; Blasius 1878; Sehacht 1887; Landois 1890. : Iynz L.: 1817; Veltheim 1818; Dehne 1819; Banke 1832; Bohlen u. Münter 1873; 1882. Foetorius Bl. lutreola Bl.: Helms 1836; Poppe 1889.

scripsit ERWIN ScHuzze Ph. D. 435

Glis Br. nitela: Brehm 1847.

Gulo Storr. borealis Nilss.: 1715. Halichoerus N.: Hornschuch u. Schilling 1850. Hippopotamus sp.: Giebel 1853, Homo L. sapiens L.: Fuhlrott 1859. 1865; Baer 1863; Virchow 1876. 1885; Gildemeister 1878. Hypudaeus Ill. amphibius Ill.: Irmisch 1879. hereynicus Mehlis 1831. Lepus L.: Giebel 1858. : eunteulus L.: Buchenau 1866; Gätke 1866; Troschel 1879;

Heß 1881. timidus L.: Giebel 1868; Zumbusch 1890.

Lutra L. vulgaris Erxl.: Helms 1845; Steinvorth 1865; Giebel 1868; Pieler 1875; 1883; 1885. Meles L. vulgaris Desm.: Beyer 1851; Beling 1875; Schacht 1877; Landois 1886. Micromys Dehne agılıs Dehne 1841. 1855. 1857.

Mus L.: Troschel 1864.

agrarius P.: Siekmann 1883.

aexandrinus G.: Poppe 1893.

avellanarius L.: Brehm 1847.

decumanus P.: Helms 1847; Dehne 1855; Richters 1876; Steinvorth 1876; Giebel 1877; Schneider 1881; Schmidt 1881; Fritsch 1834. ah

minutus P.: Dehne 1841. 1855. 1857 (Micromys agilıs); Steinvorth 1890.

musculus L.: Dehne 1855; Jäckel 1872; Artzt 1878; Heß 1881; Schmidt 1883; Kraepelin 1884.

ge

436 Faunae mammalium saxonicae supplementum

rattus L.: Troschel 1864. 1870. 1875; Steinvorth 1870, 1876; Härter 1879; Giebel 1879; Thomas 1880; Schneider 1881; Ludwig 1881; Leimbach 1884; 1385; Messer 1889; Borcherding 1889; Poppe 1839. 18393; Recks 1890; Hampel 1890.

silvatieus L.: Dehne 1855; Jäckel 1872; Huntemann 1881; Coester 1890.

(rex rattorum : Ivens 1842; Schlenzig 1856; Stein- vorth 1884. 1890.)

Mustela L.

erminea L.: Nehring 1879; Fintelmann 1891.

Foina Br.: Wiepken 1888; Schacht 18%,

lutreola L.: Helms 1836; Poppe 1889.

martes L.: Wiepken 1888; Rönnecamp 1889; Schacht 18%.

putoria L.: Giebel 1864; Beling 1872; Landois 1884; Schacht 1890; Zumbusch 1890; Henneberg 1891.

vulgaris Br.: Gronen 1884.

Myoxina: Nehring 1879; Reuvens 1890. Myoxus Sb.

avellanarius: Brehm 1847; Rimrod 1858.

glis Sb.: Rimrod 1858; Sickmann 1883; Schacht 1884.

muscardinus Sb.: Rimrod 1842.

nitela Sb.: Brehm 1847; Rimrod 1858; Geitel 1875.

Ovis L.

aries L.: Lentin 1802; Berthold 1840; Kohl 1864; Engel- hardt 1879; Mendel 1883; Müller 1885. 3

tragelaphus C.: Blasius 1878.

Phoca L.: Nehring 1886. 1887.

annellata N.: Nehring 1886.

vitulina L.: 1634; Richters 1876.

. Plecotus @.

auritus G.: Schlüter 1857; Müller 1880, Rhinolophus G. hipposiderus: 1887. Sceiurus L. vulgaris L.: Brehm 1847; Beling 1881; Greif 188 Hartwig 1890.

scripsit ERWIN ScHhuLze Ph. D. 437

Sorex L. alpinus Schinz: Nitsche 1879; Schulze 1887. amphibius Brehm 1825. araneus Sb.: Dehne 1855; Giebel 1868. chrysothorax Dehne 1855. Jodiens Pallas 1756; Brehm 1825; Dehne 1855. leucodus Herm.: Jäckel 1872; Nitsche 1885. macrurus Lehmann 1822. natans Brehm 1825. pygmaeus P.: Jäckel 1872. stagnatilis Brehm 1825. vulgaris L.: Jäckel 1872.

Sus L.

porcus: Giebel 1853. scrofa L.: Giebel 1853. 1863; Troschel 1864; Nehring 1378; Mendel 1883; Müller 1885; Kobelt 1886. Talpa L. europaea L.: Sp... z 1773; Hüpsch 1774; Kohlmann 1851; Dehne 1855; Kirschbaum 1856 ; Giebel 1865; Friedel 1893. Triehechus sp-: Zimmermann 1845. Ursus L. arctos L.: Lehmaun 1699; 1864; Altum 1866; Jacobs 1870. 1871; Pietsch 1875; Giebel 1877; Milde 1880; : Grotrian 1880. 1883; 1882; Zimmermann 1888. Vespertilio L. auritus L.: Schlüter 1857; Müller 1880. discolor Natt.: Dehne 1855 Jerrugineus Brehm 1827. 1828. murinus Sb.: Schlüter 1857. noetula Sb.: Dehne 1855; Schlüter 1857; Beling 1870. okenii Brehm 1827. 1828. pipistrellus Sb.: Cornelius 1875; Müller 1880. schinzii Brehm 1827. 1828. serotinus Sb.: Landois 1885. submurinus Brehm 1827. 1828. wiedii Brehm 1827. 1828. > Vesperugo Bl. Dipistrellus Bl.: Cornelius 1875; Müller 1880.

a

Die Elektrochemie und ihre Bedeutung für die Technik. Von Dr. K. E. F. Schmidt, Privatdocent für Physik zu Halle a. 8.

Die Fragen, mit denen sich die Elektrochemie befasst, behandeln die engen Wechselbeziehungen zwischen der elektrischen und chemischen Energieform. Wie geschieht es, dass die chemischen Vorgänge in einem galvanischen Elemente Kräfte zum Ausdruck bringen, deren Wirkung wir unter geeigneter Anordnung der Apparate viele tausend Meilen weit übertragen können?

Welche Gesetze regeln andererseits die durch den elek- trischen Strom eingeleiteten Vorgänge der Zersetzung und Vereinigung ehemischer Verbindungen? Welche Vorstel- lungen haben wir uns über die Anordnung der Bestand- theile eines Salzes zu bilden, wenn wir es in Wasser oder einem anderen Lösungsmittel auflösen, damit jene Gesetze einen einfachen und umfassenden Ausdruck gewinnen, der geeignet ist, neue Thatsachen auf diesem Gebiete zu ent- decken ?

Die Beantwortung dieser Fragen ist Aufgabe der Wissenschaft, während die Verwendung der wissenschaft- lichen Erkenntnisse der Technik und Praxis zufällt, und diese Seite des Gegenstandes ist auch Veranlassung wesen, dass in neuerer Zeit weiteste Kreise von dem Vor- handensein der Disziplin der Elektrochemie Kunde erhalten haben.

Der grössere Theil der Menschen ist gewohnt, wenn er von Elektrizität liest oder hört, zunächst und haupt- sächlich an die technische Ausbeutung und Nutzbarmachung

Die Elektrochemie ete. von Dr. K. E. F. ScHhmipr. 439

dieser wunderbaren Naturkraft zu denken; so sehr 'hat sie sich in den Dienst der Kultur gestellt. Kann uns diese Thatsache Wunder nehmen, wenn wir selbst in den ent- legensten idyllischen, einsamen Thälern der Gebirge Abends plötzlich den Glanz der elektrischen Bogenlampe auf- leuchten sehen? Wenn wir täglich hören oder beobachten, wie die motorische Kraft der thierischen Muskel durch die elektrische Energie verdrängt ist, um dem gesteigerten Verkehr betriebsreicher Städte gerecht zu werden?

Zu leicht vergisst da der Laie, dass alle diese Er- rungenschaften nur erzielt werden konnten auf Grundlage des emsigsten mühevollen Fleisses gelehrter Arbeiter, und es mag ihm oft wenig plausibel erscheinen, dass wirkliche Fortschritte auf diesem Gebiete nur durch gediegene gründ- liche wissenschaftliche Kenntnisse der Ingenieure gemacht werden. WERNER von SIEMENS war ein technisch eminent beanlagter Geist; die grossen Erfolge, die er erzielte, basiren aber wesentlich mit darauf, dass er unter der vor- züglichen Leitung von MAcnts eine tiefe wissenschaftliche Ausbildung erhalten hatte und mit den gerade in seine Zeit fallenden grossen Erfolgen der Naturwissenschaften weiterging, und dass er selbst mit Hand anlegte an den _ Weiterbau wissenschaftlicher Ideen.

Zumal die Elektrochemie fordert zu einer technischen Ausbeute die gründlichste Kenntniss der physikalischen Gesetze und der chemischen Vorgänge, und es ist nicht denkbar, dass ein Techniker wirkliche Fortschritte auf diesem Gebiete zu Tage fördert, wenn er nicht eine ge- diegene Kenntniss der Theorie der Vorgänge sich zu eigen gemacht hat.

Die hier vorkommenden ehemischen Prozesse gehören mit zu den schwierigsten Problemen, die uns die Chemie bietet, das ist auch gebührend bei Begründung des von Seiten der deutschen elektrochemischen Gesellschaft an das Ministerium gerichteten Gesuches betont worden. Mit Recht hat man darauf hingewiesen, dass der Techniker auch in dieser Disziplin eine gründliche Vorbildung auf der Hoch- schule geniessen soll, und dass es deshalb notwendig sei, eigene Lehrstühle für diese Disziplin einzurichten.

440 Die Elektrochemie und ihre Bedeutung für die Technik.

Um dem Leser eine Vorstellung über die Probleme der Elektrochemie zu verschaffen, wollen wir einen kon- kreten Fall zur eingehenden Betrachtung vornehmen.

Wir wollen uns gewöhnliches Kochsalz in Wasser auf- lösen. Hierbei tritt dann nach den neuesten Darstellungen über diese Prozesse ein eigenthümlicher Vorgang ein. Das Kochsalz ist eine chemische Verbindung von Chlor und - Natrium, indem ein Atom Chlor mit einem Atom Natrium zu einem Molekül Chlornatrium oder Kochsalz zusammen- tritt. Wenn nun von diesem Salz eine bestimmte Menge in 1 Liter Wasser gebracht wird, so löst sich das Salz auf. Hierbei bleibt ein Theil der Salzmoleküle in dem Zustande, den er vor der Lösung zeigte, der Rest aber theilt sich so, dass sich das Chloratom von dem Natriumatom trennt und Jedes Atom für sich in der Lösung vorhanden ist. Diese einzelnen Atome bewegen sich in der Lösung nach allen möglichen Richtungen, mit den verschiedensten Geschwindig- keiten fortschreitend. Tauchen wir in diese Kochsalzlösung zwei Platten aus Platin, von denen wir die eine mit dem Kupfer, die andere mit dem Zink-Pole eines galvanischen Elementes durch einen Metalldraht verbinden, so fliesst ein elektrischer Strom durch die Lösung und wir sehen nun bei geeigneter Zahl der galvanischen Elemente eine heftige Entwickelung von Gasblasen, besonders in der Nähe der Platinplatten ein- treten. Bei genauer Untersuchung erkennen wir, dass an der mit dem Kupferpol verbundenen Platinplatte Chlorgas und an der anderen Wasserstoffgas entweicht.

Dieses Wasserstoffgas entsteht dadurch, dass das Natrium unter den hier auftretenden Bedingungen heftig auf die Wassermoleküle wirkt; indem ein Natriumatom ein Wasserstoffatom im Wassermolekil gebildet von einem mit zwei Atomen Wasserstoff verbundenen Atom Sauerstoff verdrängt urd der frei gewordene Wasserstoff vom elek- trischen Strom an das Platinblech getrieben wird und als Gas aufgefangen werden kann.

Diese Vorgänge der Trennung chemischer Verbin- dungen durch den elektrischen Strom bezeichnet man als Elektrolyse: die wandernden Atomkomplexe, die als Träger Sositiver und negativer Elektrizität auftreten, als Ionen.

Von Dr. K. E. F. Scuaipr. 441

Die Mengen der entweichenden Gase stehen in direktem Zusammenhang mit der Stärke des elektrischen Stromes und können nach den sorgfältigen Untersuchungen Faranavs als Maass für die Stromstärke benutzt werden, was sowohl bei wissenschaftlichen wie technischen Messmethoden in der vielfachsten Weise verwendet wir

FarAaDAY zeigte dann auch ee dass diese Zer- setzungsvorgänge durch den elektrischen Strom in engstem Zusammenbange mit den Aequivalentgrössen stehen, und hierdurch schlug er die Brücke zwischen Chemie und Physik und legte den ersten Grundstein zur Elektrochemie.

Bekanntlich ist es für eine chemische Verbindung eharakteristisch, dass stets bestimmte Gewichtsmengen (s0- genannte Aequivalentgewichte) verschiedener Stoffe ver- vereinigt werden müssen, damit sie ohne Restbildung sich zu dem neu zu bildenden Körper vereinigen; so treten 35,5 gr Chlor mit 23 gr Natrium zusammen, um 58,5 gr Kochsalz zu bilden. In dieser Verbindung können wir dann durch geeignete Operationen die 23 gr Natrium durch 108 gr Silber ersetzen und erhalten 143,5 gr Chlorsilber; die 108 gr Silber sind also für chemische Verbindungen den 23 gr Natrium äquivalent.

Jeder Ueberschuss von Chlor oder Natrium würde nach _ der eingetretenen Vereinigung des Chlornatriums als Chlor

ezw. Natrium zurückbleiben.

Diese Aequivalenzbeziehung der chemischen Elemente tritt nun auch in dem Ausscheidungsprozesse, welchen der elektrische Strom bewirkt, zu Tage. Lassen wir nämlich den gleichen Strom der Reihe nach durch eine Kochsalz- lösung, eine salpetersaure Silberlösung, eine Schwefelsäure- lösung usw. gehen, indem wir in sämmtliche Lösungen ge- eignet verbundene Platinbleche tauchen, so wird die aus der ersten und dritten Lösung ausgeschiedene Gewichts- menge Wasserstoff gleich und die aus der mittleren Lösung

_ _ tretende Menge Silber 108 mal grösser sein. 108 gr Silber

können aber 1 gr Wasserstoff in chemischen Verbindungen vertreten: es sind also äquivalente Mengen, die durch den

. gleichen Strom aus verschiedenen Lösungen geschieden

werden. Dieses wichtige Gesetz Faravays lässt sich all-

442 Die Elektrochemie und ihre Bedeutung für die Technik.

gemein bewahrheiten und ist für die Erkenntniss der ganzen Vorgänge von allerhöchster Bedeutung geworden.

Soweit sind nun die Probleme ziemlich einfach und übersichtlich durchgearbeitet, aber für die Anforderungen der Praxis treten Komplikationen ein, die wissenschaftlich vielfach noch gar nicht untersucht sind und der Deutung eminente Schwierigkeiten entgegenstellen. Wir treffen hier- bei auf Vorgänge, die deshalb schwer zu studiren sind, weil sie oft auf Verbindungen in statu nascendi hinweisen, welche sich vorläufig der ehemischen Theorie ziemlich ent- ziehen.

Ehe hier keine Klarheit geschaffen wird, werden viel- fache Anwendungen in der Technik mit Misserfolgen ver- kntipft bleiben. Ohne gründliche wissenschaftliche Durch- arbeitung ist, wie man nach Obigem leicht einsehen wird, nichts zu erzielen. Die hierzu erforderliche Schulung kann selbstverständlich nur durch Lehrkräfte erzielt werden, die gründliche Kenntniss der Chemie mit denen der Physik vereinigen; deshalb hat man mit Recht auf Neuschaffung von Professuren gedrängt, die sich nur diesem Grenzgebiete zuwenden sollen.

Beschäftigen wir uns nun einmal näher mit den Auf- gaben, die an die Technik gestellt werden.

Eine der ältesten und ausgedehntesten Verwendungen der Elektrochemie für technische Zwecke bildet die Gal- vanoplastik oder die Kunst, Metalle mit Ueberzügen anderer Metalle zu versehen. Man taucht zu dem Ende das erstere Metall in die Lösung eines Salzes, welches das nieder- zuschlagende Metall als chemischen Bestandtheil enthält, und schiekt einen elektrischen Strom durch die Lösung, den man an der einen Seite durch das zu tüberziehende Metall in die Lösung einführt.

Die erste Entdeckung eines solchen galvanoplastischen Niederschlages ist 1837 von Jacopy gemacht, welcher beim Danielschen Elemente bemerkte, dass sich das Kupfer der Kupfersulfatlösung eng an die Oberfläche des Kupferpoles anschmiegte, allen Vertiefungen und Krümmungen der Pol- oberfläche folgend. Als er 1840 seine Entdeckung und die Bedeutung der Thatsache veröffentlichte, wurden von den

Von Dr. K. E. F. Scuaipr, 443

verschiedensten Forschern die Versuche in mannigfachster Weise erweitert. Dr 1a Rıve in Genf vergoldete und ver- silberte die verschiedensten Metalle; BoerrsEr lehrte 1846 die ersten Eisenniederschläge auf anderen Metallen an- bringen und Jacaı versah 1859 Kupferstichplatten mit einem Ueberzuge von Stahl, um sie vor dem beim Druck unvermeidlichen Schädigungen wirksam zu schützen. Die Ausbeutung dieser Technik bildet jetzt eine der wichtigsten Zweige der Industrie; wir erinnern nur an die enorme Aus- breitung der Christoffllewaaren. Auch die Massenfabrikation von Schmucksachen in getriebener Arbeit, von Ornamenten für Möbel usw. usw. mag hier für die grosse Bedeutung dieser Technik Erwähnung finden.

In neuerer Zeit hat man übrigens auch Gegenstände von weit grösseren Dimensionen galvanoplastisch bronzirt. Das grösste derartige Werk ist das Gutenberg-Monument in Frankfurt, bei dem die drei grossen Figuren Gutenberg, Fust und Schöffer durch elektrolytischen Prozess mit einem Bronzeüberzug versehen worden sind.

Dieser Theil der elektrotechnischen Technik ist sicher fundamentirt und mit Rentabilität zu betreiben. Es giebt aber noch eine grosse Reihe anderer technischer Zweige, wo die Verwendung der Elektrizität wohl Erfolg verspricht, wenn die Anlagen in geeigneter Weise durchgeführt werden, wo aber theilweise bisher Misserfolge erzielt wurden, weil das Verfahren nieht genügend durchgearbeitet wurde: Ver- suche die oft im kleinen gut gelangen, die auch eine Zeit lang gut im Grossbetriebe funktionirten, versagten, und trotz grosser Kostenaufwände liess sich meist eine zufrieden- stellende Abänderung des Betriebes nicht herbeiführen.

Die Gebiete, die sich hier der Technik geöffnet haben, sind mannigfachster Art. Da sind zunächst einmal die Gerbeprozesse, die Herstellung von Farbstoffen, die Ver- wendung der Elektrolyse zu Färbereizwecken, elektrische Bleichverfahren, Reinigung von Abwässern, Klärung der Rübensäfte, Sterilisiren der Milch, Imprägnation von Holz mit Metallsalzen zu nennen (vergl. diese Zeitschrift Bd. 66, Seite 396). |

444 Die Elektrochemie und ihre Bedeutung für die Technik.

Der elektrische Strom soll hierbei hauptsächlich zur Beförderung und Beschleunigung der gewünschten Proce- duren einerseits, sowie zur gründlicheren urd voll- kommeneren Erreichung des Zweckes andererseits dienen. Die bisher in der Praxis durchgeführten Versuche scheinen gute Resultate zu versprechen, jedoch sind die Einzel- vorgänge noch nicht mit hinreichender Schärfe bekannt, um mit genügender Sicherheit in allen Fällen verwendet zu werden. Es wird daher noch vieler Versuche bedürfen, um das gestecke Ziel zu erreichen.

Die für die Praxis und Industrie bedeutsamste Ver- wendung der Elektrochemie beruht in der Reingewinnung von Metallen. Der Bergbau fördert die Metalle meist in Erz eingeschlossen und meist in chemischen Verbindungen mit Sulfaten, Arsenaten, Karbonaten u. dgl. vereinigt, So dass erst komplizirte und kostspielige Prozesse nothwendig werden, das gesnchte Metall in gewünschter Reinheit aus dem Gestein zu entfernen. Hier ist nun der ergiebigste Erfolg von der Verwendung elektrolytischer Prozesse zu erwarten, indem uns das elektrische Scheidungsverfahren die Metalle in tadelloser Reinheit mit Hilfe recht eleganter Scheidungsmethoden liefert. So wird fast die ganze Kupfer- menge, deren die Elektrotechnik bedarf, auf elektrolytischem Wege gewonnen (vergl. Correspondenzblatt des naturwiss. Vereins für Sachs. und Thür. 1891, Seite 69; auch über die auf elektrolytischem Wege erfolgende Herstellung des metallischen Aluminiums lese man ebendort Seite 26 nach.)

Die Schwierigkeit, die sich bei diesen Bestrebungen entgegenstellt, besteht darin, die elektrolytischen Prozesse 50 zu leiten, dass mit den geringsten Mitteln eine möglichst vollkommene und zugleich ökonomische Ausbeute statt- findet. Dabei tritt nun wieder eine Menge Faktoren auf, die eine eingehende Kenntniss der elektrolytischen Prozesse erfordert. Glaubt man dann, die Vorgänge im Labora- toriumversuch genügend kennen gelernt zu haben, so zeigt der im grossen durchgeführte Versuch plötzlich ganz neue Schwierigkeiten, wie wir gleich näher sehen werden.

In den Stollberger Bergwerken wird ein Erz gewonnen, das etwa 7—8 v. H. Kupfer, 10 v. H. Blei und 0,05 v- H.

Von Dr. K. E. F. Schumipr. . 445

Silber enthält. Die Gewinnung dieser Metalle geschah zu- nächst nach einem elektrolytischen Verfahren, das von dem Ingenieur MArcnzse in Genua durchgearbeitet wurde und bei den Laboratoriumversuchen gute Resultate ergeben hatte.

Für den Hüttenbetrieb wurden in grossen Zügen folgende Einrichtungen getroffen.

Durch Rösten und Zusammenschmelzen mit kiesel- säurehaltigen Stoffen lässt sich aus dem gewonnenen Erz ein sogenannter Concentrationsstein gewinnen, der bis zu 50 v. H. Kupfer enthält. Ein solcher Stein in verdünnter Schwefelsäure gelöst, ergiebt einen Elektrolyten, der etwa 28 gr Kupfer und 15 gr Eisen im Liter enthält. Ein weniger konzentrirter Stein von etwa 15—21 v. H. Kupfer- gehalt wurde geschmolzen und unter geeigneten Vorsichts- massregeln in Platten von 80 cm Höhe, 80 em Breite und 4 mm Stärke gegossen, um als Stromzuleiter zu dienen, während als Stromableiter Kupferblechplatten von gleicher Flächenausdehnung und 1 mm Stärke verwendet wurden.

Der Elektrolyt wurde in mit Blei ausgeschlagenen Holz-

bottichen von 2,20 m Länge, 1 m Höhe und 1 m Breite untergebracht und in jedem Bottich 15 Kupfererzplatten und 16 Kupferbleche eingeführt. Durch jeden Bottich wurde ein Strom von 30 Ampere pro Quadratmeter und einer Spannung von 1 Volt gesandt, welcher von einer Dynamo geliefert wurde, die bei 700 bis 800 Touren einen Strom von 430 Ampere und 35 Volt Spannung lieferte.

Die Anlage funktionirte im Anfange trefflich, das er- haltene an den Kupferblechen ausgeschiedene Kupfer war sehr rein. Jedoch schon wenige Tage nach Durehführung des Betriebes fing die Einrichtung an, zu versagen.

Einmal stieg durch die mit dem Strom verknüpften Polarisationserscheinungen die Spannung der Bottiche bis zum fünffachen Werthe, da sich Schwefel in grossen Mengen

_ an den stromzuleitenden Erzplatten ansammelte. Ferner

bröekelten mit zunebmender Betriebsdauer Theile von den Kupfererzen ab, fielen auf den Boden der Bottiche und gaben, indem sie leitende Verbindung zwischen den Strom-

446 Die Elektrochemie etc. von Dr. K. E. F. ScHmipr.

zuleitern und Ableitern herstellten, Veranlassung, dass der Strom den Elektrolyten nicht mehr passirte. Schliesslich erwies sich auch das ausgeschiedene Kupfer nicht mehr als rein.

Im Laufe der Zeit wurden nun mannigfache Abände- rungen getroffen, die kurze Zeit Abhilfe schafften, aber bald wieder versagten.

Man suchte den unangenehmen Folgen des Abbröckelns durch Ersatz der Kupfersteinplatten durch unlösliche Blei- platten entgegenzuarbeiten. Aber die im Anfang guten Erfolge wurden bald wieder durch Polarisationsvorgänge, die in Folge der Oxydation der Bleiplatten eintraten, illu- sorisch gemacht. Man versuchte darauf, den an den Blei- platten auftretenden Sauerstoff dadurch unwirksam zu machen, dass man dort schweflige Säure in den Elektro- Iyten einführte; diese oxydirt sich mit dem Sauerstofi zu Schwefelsänre. Aber auch hierbei stellten sich neue Uebel- stände heraus, die eine mit bedeutenden Kosten verbundene Neueinrichtung erfordert hätten.

In diesem Stadium der Versuche bot die Firma SIEMENS und Harsee der Gesellschaft ein neues Verfahren an, das angenommen wurde, während das bisherige über die Stadien der Vorversuche nicht gelangte, verlassen wurde.

Wir haben dureh die eingehende Besprechung eines instruktiven Falles gezeigt, wie grosse Summen geopfert werden, um nicht erwartete Schwierigkeiten zu überwinden; und wie schliesslich Tausende vergebens angelegt werden und verloren gehen.

Viele solcher Missstände würden sich leichter ver- meiden lassen, wenn Erfahrungen durch geeignet geleitete Versuche gewonnen würden. Um dieses auszuführen, sind die neuen Lehrstühle für Elektrochemie zum Theil ge- schaffen, zum Theil in Aussicht genommen worden, und man darf hoffen, dass bei richtiger Handhabung der Angelegenheit vielfach der Technik derartige unnütze Opfer erspart bleiben und die Ersichtung neuer Lehrstühle dadurch der Allgemeinheit zum Nutzen gereichen werde.

#Mleinere Mittheilungen.

Mathematik und Astronomie,

Der Encke’sche Komet ist am 1. November von CeruLtı im Pegasus genau an der von der Rechnung vor- ausbestimmten Stelle des Himmels aufgefunden worden. Es scheint daraus hervorzugehen, dass dieser durch die Kürze seiner Umlaufszeit (31/, Jahr) ausgezeichnete Komet in der seit seiner letzten Erscheinung verflossenen Zwischen- zeit keine bedeutendere, aus unbekannter Ursache ent- springende Bahnstörung erlitten hat, während er bei früheren Erscheinungen mehrfach eine rund 2'/, Stunden betragende Verkürzung seiner Umlaufszeit erfahren hatte, die man viel- fach auf die Wirkung eines den Weltraum erfüllenden widerstehenden Mittels zurückzuführen geneigt war. Die genauere Beobachtung des interessanten, übrigens aber äusserst lichtschwachen Himmelskörpers wird uns vermuth- lich bald in den Stand setzen, die Zulässigkeit dieser Er- klärungsweise der Unregelmässigkeiten seiner Bewegung definitiv anzuerkennen oder abzulehnen.

Naturwissenschaftliche Wochenschrift.

Die Weltstellung der Meteore. Professor von Niesst, gelangte zu folgenden Resultaten:

1) Der Mangel einer nachweisbaren Verdichtung der Meteorbahnen in der Bewegungsrichtung der Sonne wäre im Allgemeinen kein negatives Kriterium gegen die ausser- planetarische Herkunft der betreffenden Körper. Dagegen müsste der sichere Nachweis einer solchen Verdichtung die Annahme des stellaren Ursprungs unbedingt mit sich bringen.

448 Kleinere Mittheilungen.

2) Soweit das gegenwärtig noch immer unvollständige Beobachtungsmaterial über die Lage der scheinbaren Ra- diationspunkte reicht, kann nun in der That mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, dass die kosmischen Ausgangspunkte der Meteorbahnen zahl- reicher sind auf jener Kugelhälfte, in welcher der Apex der Sonnenbewegung liegt, als in der entgegengesetzten. Die Analyse lässt ferner den Schluss zu, dass die räumliche Geschwindigkeit der Sonne im Vergleich gegen jene der in ihre Wirkungssphäre eindringenden Körper zumeist eine geringe ist.

3) Die Durehführung systematischer Sternschnuppen- beobachtnngen in aequatorialen Gegenden der Erde wäre von ausschlaggebender Bedeutung. 2

Naturf. Versammlung in Wien 1894.

Neues von Saturn und Uranus. Interessante Beob- achtungen am Saturn und Uranus sind von Prof. BARNARD mit dem grossen 36zölligen Fernrohre der Lick-Sternwarte angestellt worden. Es war seit längerer Zeit bekannt, dass die Saturnkugel gegen die Ringe etwas unsymmetrisch zu liegen scheint, und man hatte auch beobachtet, dass ZU den Zeiten, in welchen sich die Erde genau in der Ebene der Saturnringe befindet, die Ringe gewöhnlich auf der einen Seite der Kugel eher verschwinden als auf der an- deren, und später in umgekehrter Weise zuerst die eine Oese und dann die andere wieder erscheint. Genauere Messungen vom äusseren Rande der Saturnringe auf der einen Seite bis zum Rande der Kugel und gleiche Messungen an der anderen Seite haben ergeben, dass that- sächlich einige Ringexcentrieität vorhanden ist, welche etwa 0,12 Sekunden beträgt. Ebenso ist durch die neue Beobachtung eine alte Streitfrage entschieden worden, die nach der Lage des Aequators des Uranus. Durch sehr genaue Messungen an der Uranuskugel ist ziemlich sicher- gestellt worden, dass, wie schon früher vielfach behauptet worden, der Aequator der Uranuskugel nur sehr wenig oder gar nicht gegen die Bahnebene dieses Planeten ge- neigt ist. Nature.

Kleinere Mittheilungen. 449

Uhemie und Physik.

Frick’sches Holz-Pferdebrot, aus Sägemehl und Kleie durch einen Backprozess hergestellt, ist als ein technischer Versuch zur Verwerthung der Holzsubstanz zu Fütterungs- zwecken beachtenswerth, wenngleich dieser Versuch als noch nicht vollständig gelungen bezeichnet werden muss.

Die, das neue Fabrikat in das günstigste Licht stellen- den Prospecte enthalten auch eine Analyse des von der landwirthschaftlichen Hochschule in Berlin untersuchten Pferdebrotes; dieselbe weicht zum Theil recht erheblich von den Ergebnissen ab, welche ich in Gemeinschaft mit Dr. Lenz bei Untersuchung der vorliegenden Holzbrotprobe im hiesigen landwirthschaftlichen Universitäts-Institute er- halten habe.

Die erwähnten beiden Analysen zeigen im Vergleiche miteinander folgende Unterschiede, die ihren Grund jeden- falls in der Verschiedenheit des verwendeten Holzmehles haben; daneben ist, als Maassstab für die Beurtheilung, die Durchschnitts-Z g von Hafer, Heu und Stroh

angegeben

Holzbrot

analysirt in: Hafer Heu Stroh

Berlin Halle

Wasser: . ; 5... 11.38 191.. 143 183 N N: 9.18 10.7 9.5 33 EM. 25.2 Ob 1.78 5.0 2.3 1.3 Rohfaser . . .: . 27.36 32.86 10.6 27.6 44.0 he 2: 6.28 3.3 6.0 4.1

Stickstofffreie ös ® 33; ee ' . .57.96 3852 58.3 -403 38.3 Bei der Halle'schen Analyse fällt also der hohe Rohfaser- gehalt und ein entsprechend niedriger Betrag an stick- stofffreien Extraetstoffen (Stärke u. dergl.) unangenehm auf; die Berliner Analyse dagegen zeigt ein weit günstigeres Nährstoffverhältniss. Von einer chemischen Präparirung des Holzmehls habe ich nichts bemerken können, es sel denn, dass damit der Backprozess gemeint sein soll. er Die Verwendung von Holz zu Fütterungszwecken ist eine unter Umständen höchst wichtige wirthschaftliche Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. 67, 18%. | 0

450 Kleinere Mittheilungen.

Frage und namentlich würde es von grösster Bedeutung sein, wenn es gelänge, die sonst schwer oder nicht zu ver- wendenden Abfälle der Forsteultur (Reisig), in denen zur Winterzeit die sämmtlichen Reservestoffe aus den Blättern aufgespeichert sind, in der Weise zu verwerthen, dass an Ort und Stelle durch maschinelle Kraft ein Holzmehl her- gestellt würde, welches zur Fütterung benutzt werden kann. Herr Monteur Worrr (Halle, Leipzigerstr.) hat eine Mühle eonstruirt, auf der sich Reisig leicht und gründlich zermahlen lässt. Dr. G. Baumert, Vereinssitzung am 8. Nov. 9%.

Ein neuer Bestandtheil der Luft. Bei seinen Unter- suchungen über die Dichte der Gase stiess Lord RaLeıeH auf die merkwürdige Thatsache, dass der aus der Atmo- sphäre gewonnene Stickstoff etwas schwerer ist als der chemisch hergestellte.

11. atm. N = 1,2572 g 1 ,, chem. N= 1,2502 g

Es schloss hieraus, der atm, Stickstoff muss mit einem schweren Gas verunreinigt sein. Und es gelang ihm und Prof. Rausay, diesen Bestandtheil aufzufinden.

Entsauerstoffte und von Kohlensäure befreite trockne Luft wurde über glühendes Mg-Metall geleitet, der Stick- stoff wird absorbirt, es blieb ein Gas zurück vom spee. Gewicht 20 (H,=1). Das Gas ist ausgezeichnet durch eine ausserordentliche Indifferenz gegenüber anderen chemischen Agentien, deshalb wurde ihm der Name Argon («@ privativum und &oyov); das träge, indifferente.

Seine physikalischen Constanten wurden von OLSZEWSKI untersucht:

kritische Temperatur 121° Siedepunkt 187° Schmelzpunkt 189,59,

er erhielt es auch im festen Zustande. Das Speetrum hat Crookzs eingehend studirt, es ent- hält Linien, die keinem anderen Körper zukommen. Durch Bestimmung der Schallgeschwindigkeit in dem Gase (nach Kuxor) wurde das Verhältniss der spee. Wärme gefunden 1,66. Daraus folgt, dass es aus einatomigen

Kleinere Mittheilungen. 451

Molekülen besteht und das Molekulargewicht 40 hat!). Da- mit ist seine elementare Natur bewiesen. Ueber seine Stellung im periodischen System lässt sich noch nichts be- stimmtes aussagen ?).

Dr. R. Schenck, Vereinssitzung am 21. Feb. 1895.

Das Alpenglühen. Dieses wundervolle Naturschau- spiel, das jeder Alpenbesucher sehen möchte, und das die meisten von ihnen schon gesehen zu haben meinen, wenn die Gipfel der Bergriesen im. letzten Abendsonnenschein erglänzen, ist häufig Gegenstand wissenschaftlicher Beobach- tungen gewesen (vgl. diese Zeitschr. Band II, Seite 343 f.), ohne dass aber bisher eine befriedigende Erklärung für das Zustandekommen des seltsamen Phänomens hätte er- bracht werden können. Ein Schweizer Physiker, AmsLeR- Larrox, hat nun in jüngster Zeit eine Abhandlung über das Alpenglühen veröffentlicht (Vierteljahrsschrift der naturf. Gesellschaft in Zürich. 39. Jahrg. 1394, Seite 221), die die entbehrte Erklärung in überzeugendster Weise liefert. Der genannte Forscher hatte das Glück, auf Rigi-Scheideck im Alpenglühen selbst zu stehen: er sah die Sonnenscheibe von neuem über den Horizont emportauchen, 10 Minuten nach dem wirkliehen Sonnenuntergang zum zweiten Male

sitzt (anderthalbfaches Moleeulargewicht). Anmerkung des Herausgebers.

2) Inzwischen hat RAmsAY auf der am 27. März in London ab- gehaltenen Jahresversammlung der „Chemical Society‘ eine weitere interessante Mittheilung gemacht. Er glaubt, das bisher nur aus einer Linie D; des Sonnenspectrums geschlossene Element Helium mit Argon vermischt bei der!’Behandlung einer seltnen Erde (Oleveit) mit Sehwefelsäure gefunden zu haben. Wir werden ausführlicher auf diesen Gegenstand im nächsten Hefte zurückkommen.

Anmerkung des Herausgebers.

452 Kleinere Mittheilungen.

untergehen und nach weiteren 10 Minuten sah er die Sonne, wenn auch etwas matter gefärbt und nicht mit ganzer Scheibe, zum dritten Male unter dem Horizonte verschwinden.

Dass es sich hierbei nicht um ein Rückwärtsrücken der Erde handelt, sondern um optische Erscheinungen, die durch Aenderungen in dem liehtbreehenden Medium verursacht werden, liegt auf der Hand. Es fragt sich nur, ob man für diese Veränderungen eine befriedigende Er- Klärung findet.

Für das Verständniss der in Frage kommenden Er- scheinungen müssen wir von dem normalen Zustand der Atmosphäre ausgehen, bei dem infolge der Temperaturver- theilung, der Spannung und des Feuchtigkeitsgrades die brechende Kraft der Luft von der Erdoberfläche aus mit zunehmender Höhe beständig abnimmt. Ein solcher nor- maler Zustand ist stets kurz vor Sonnenaufgang vorhanden. An ruhigen, warmen Tagen wird durch die Wärmestrahlung der Erde und durch die Entwicklung von Wasserdampf dieser Zustand gestört, indem die der Erde benachbarten Luftschichten schlechter lichtbrechend werden als über ihnen befindliche: es findet sich dann also von der Erde aus ein allmählich zunehmendes Lichtbrechungsvermögen ; erst in Höhen, die von der Erdstrahlung ete. unbeeinflusst bleiben, setzt wieder die gewöhnliche gleichmässige Ab- nahme der Lichtbrechung ein. Dieser Zustand währt bis zum Sonnenuntergang: sobald die Sonnenstrahlen die Erde und die über dicht ihr lagernden dampfgesättigten Luft- schichten nicht mehr treffen, tritt eine rasche Abkühlung ein, dadurch wird das Lichtbreehungsvermögen in den untersten Sehichten wieder stärker, sodass man von der Erde aus anfänglich eine Abnahme der Lichtbrechung findet, die sich bis zu einem natürlich fortwährend nach oben wandernden Minimum erstreckt, dann beginnt eine Zunahme des Licht- brechungsvermögens bis zu dem festliegenden Maximum und von dort aus die normale stetige Abnahme. Diese Verhältnisse erklären das Wiederaufleachten hoher Berg- gipfel vollkommen. Die tiefer gelegenen Gegenden west- lich der Berge liegen schon lange im Schatten, wenn die Sonne für den Horizont der Bergspitzen untergeht, die Ab-

Kleinere Mittheilungen. 453

kühlung kann also inzwischen soweit vorgeschritten sein, um die Zunahme der Lichtbrechung in den untersten Schichten zu bewirken: die Strahlen der scheidenden Sonne werden dadurch stärker gebrochen und bescheinen die Spitzen nochmals (unmittelbar nach dem Sonnenuntergange, erstes Glühen), dann kommen die Strahlen in das Minimum, werden hier weniger gebrochen und treffen daher die Berge nicht. Nun kann das Minimum sich schneller nach oben verschieben als die Sonnenstrahlen, dadurch würden diese wieder die stärker breehenden Luftschiehten zu durch- dringen haben und dadurch ein zweites Glühen veranlassen. Endlich würden die Strahlev das Minimum passiren (Er- löschen des zweiten Glühens) und wieder in Schichten ge- langen, deren Lichtbrechungsvermögen allmählich zunimmt, sie würden mit ihrem Glanze zum dritten Male die Häupter der Bergriesen treffen und erst mit dem Eintritt in die normalen Schichten dauernd von der Erde Ahschied nehmen. Die Erwägungen Auster-Larron’s erklären also auch das mehrfach beobachtete dritte Glühen und die Erscheinung, dass das Glühen am Fusse der Berggipfel beginnt und all- mählich nach oben wandert.

Dass die Tiefe der Röthung fortschreitend zunimmt, hängt davon ab, dass die stärker gebrochenen Lichtstrahlen einen längeren Weg in feuchter Luft zurückzulegen haben, auf dem die übrigen wirksamen Strahlen von dem Medium verschluckt werden.

Viscosin: Unter dieserBezeichnung wurde einer hiesigen Firma für Brauereiartikel seitens eines Fabrikanten ein Präparat zum Vertrieb angeboten, welches den Zweck hat, in allen Arten von Bier einen bleibenden Schaum zu er- zeugen.

Das Viscosin, welches mir nur in einer Menge von etwa 50 ce zur Untersuchung übergeben wurde, stellte eine dunkel, bezw. schwarzbraune, schäumende Flüssigkeit dar, die im Aussehen grosse Aehnlichkeit mit Porter hatte. Geschmack fade, etwas kratzend; spec. Gew. 1.068. Beim Verdampfen und Trocknen hinterblieben 16.29°/, einer fast schwarzen, blätterig spröden Masse, welche sich beim Er-

454 Kleinere Mittheilungen.

hitzen stark aufbläht und mit dem Geruche nach verbrannten Zucker verbrennt. Die in einer Menge von 2.320), zurück- bleibende Asche zeigt alle Eigenschaften einer Pflanzenasche. Das Viscosin besitzt in ganz hervorragendem Grade die Fähigkeit, mit Wasser geschüttelt, einen feinen, weissen tagelang bleibenden Schaum zu bilden. Dieses Verhalten weist auf das Vorhandensein von Saponin hin, dem längst bekannten Vertreter einer Gruppe glycosidischer Substanzen, die im Pflanzenreiche sehr weit verbreitet und namentlich in der „Seifenwurzel‘“ von Saponaria office. und in der Quillajarinde von Quillaja Saponaria vertreten sind.

Die Untersuchung des Viscosins hat ergeben, dass das- selbe in der That ein mit Zuekercouleur oder Farb- malzauszug versetzter Seifenwurzelextrakt ist.

Da das Viscosin nur in kleiner Dosis (10 g pro hl, das ist eine Verdünnung von 1 zu 10000) dem Biere zugesetzt werden soll, so ist nicht anzunehmen, dass letzteres da- durch bemerkbare Veränderungen oder 'gesundheitsnach- theilige Eigenschaften erhalten wird. Gleichwohl ist die Verwendung von Viscosin oder ähnlicher Präparate in der Brauerei oder im Gastwirthschaftsbetriebe vom Standpunkte der Nahrungsmittelechemie aus energisch zu bekämpfen, weil normales Bier eines derartigen Correetivs nicht bedarf und das Viscosin mithin nur dazu dienen könnte, ein fehlerhaftes Gebräu scheinbar zu verbessern oder abge- standene Bierreste (Trippbier) verkaufsfähig zu machen. Wer aber die auf dem Kohlensäuregehalte des Bieres be- ruhende und mithin eharaeteristische Eigenschaft des Schäu- mens durch Zusatz einer Substanz künstlich nachahmt, welche, wie im vorliegenden Falle Seifenwurzelextraet, dem Biere völlig fremd ist, verstösst zweifellos gegen das Nabrungsmittelgesetz.

Dr. Baumert. Vereinssitzung am 10./1. 189.

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Kleinere Mittheilungen. 455

Botanik, Zoologie und Paläontologie.

Flor de Faire. Herr Kaufmann Pr. Wacner hat aus Argentinien zwei sehr merkwürdige Pflanzen mitgebracht, von denen er die eine als wunderlichen Zierrath auf den Gräbern der Reichen an Drähten aufgehängt fand, während die andere an den niedrigen Mimosengesträuch der Gegenden von Tucuman, Cordoba und Salta nicht selten vorkommt und nur mit wenigen dünnen Fäden an den Zweigen befestigt ist. Das Volk nennt diese Pflanzen, „for de l’aire‘‘ weil sie nur von der Luft zu leben scheinen und auch nur in hängender Lage gedeihen ; sobald nämlich ‚ausgewachsene Pflanzen oder eine junge die aus den Blattachsen hervorknospen, zu Boden fallen, ver- faulen sie.

Diese Pflanzen sind Arten der in Amerika vor- kommenden Tillandsien, die zu den Bromeliaceen gehören und ein grosses Contingent Ueberpflanzen (Epiphyten) stellen. Nur wenige dieser Formen sind Fels- oder Erdbewohner. Die Biologie dieser Pflanzen hat SCHIMPER sehr ausführlich behandelt. (A. F. W. Scumrer, Bot. Centralblatt XVoO 1884, pag. 192.)

Die wichtigsten biologischen Daten nach SCHIMPER mögen hier folgen:

Wurzeln sind bei Tillandsia im erwachsenen Zustande gar nieht vorhanden, doch sind die Keimlinge mit solchen versehen. Die Samen werden aus einer Kapsel frei, in der sie zahlreich entwickelt sind; sie sind mit langem Stiel und langem Schopf versehen; Stiel und Schopf lösen sich in der Reife in zahlreiche Haare auf. Die ganze Ein- richtung ist offenbar an Verbreitung durch Wind angepasst und das transitorische Würzelchen des Keimlings dient zum Anheften an Baumstimme oder Zweige. Bei Tillandsia usneoides, welche von Argentinien bis Carolina sich findet, werden auch einzelne Zweige vom Winde fortgetrieben, umklammern einen Ast und erzeugen nach einander eine Menge Aeste, sodass Bildungen entstehen, welche unserer Bartflechte ähneln. Die Tillandsien haben ein ausser- ordentliches Lichtbedürfniss. Sie finden sich daher in den

456 Kleinere Mittheilungen.

„lichten Bäumen der Savannenländer.“ Sie sind die genüg- samsten aller Epiphyten, d. h. zugleich die vollkommensten; selten trifft man sie anders als auf Bäumen. Sie stellen einen Fall der höchsten Anpassung an einen ganz be- stimmten Lebensmodus dar. Es ist keine Rinde so glatt, dass eine Kolonie Tillandsia-Arten auf derselben nicht üppig gedeihen könnte, sogar in trockener, sonniger Lage, während diese Gewächse auf Felsen oder überhaupt auf nicht pflanzlicher Unterlage eine sehr seltene Erscheinung sind. (ScHhmper ]. e. pag. 386.) Die ausserordentliche Anpassung der Bromeliaceen an epiphytische Lebensweise verleibt ihnen dieselbe Bedeutung die bei uns den Flechten als Vorläufern der Vegetation zukommt. (Schimper 1. e. pag. 335). Die epiphytische Flora der Savannen verdankt ihren Charakter hauptsächlich dem Vorherrschen stark be- schuppter und daher grau oder weiss erscheinender Bro- meliaceen (Wırrmak in Enster und Prantı, natürl. Pflzfam. Theil II, 4. Abth. 1888, pag. 40). -—- Die schmalen Blätter sind meist scheidenartig. ‚In den Blattbasen sammelt sich Wasser, das auch während der trockenen Zeit, da sie seit- lich oft ziemlich dicht schliessen, beinahe stets darin zu finden ist, ebenso sammeln sich darin Fragmente von faulenden Blättern, tote Thiere und erdige Stoffe. Scrmpers Versuche zeigten, dass das Wasser und folglich auch die im Wasser gelösten Stoffe durch die sehuppenförmigen Haare auf der Innenseite der Blatthasis aufgenommen werden. (WırTmar ]. ce. pag. 33.)

Diese schuppenförmigen Haare, nach dem Typus der Sternhaare gebaut, sitzen entweder flach auf oder sind, ähnlich einer Reisszwecke, eingesenkt. Entweder sind sie gleichmässig über die Blattspreite vertheilt, oder an der Blattbasis angehäuft; die letztere erscheint dann oft dunkler. Wo solche Haarschuppen stark entwickelt sind, ist die Epidermis weniger verdickt, da ja hinreichend Schutz gegen Verdunstung gegeben is. Um die Schuppen herum ist eine Cuticula meist nicht ausgebildet. „Der Inhalt der Zellen des Schildes der Schuppen besteht, so lange die Pflanze nicht befeuchtet wird, aus Luft. Beim Benetzen füllen sie sich aber mit Wasser, und wie Schimpers Ver-

Kleinere Mittheilungen, 457°

suche zeigten, findet auch ein leichtes Eindringen gelöster Stoffe in die Blattgewebe statt. Die langen Fortsätze mögen zum Auffangen von Staubpartikelehen und dergl.dienen andererseits schützen sie durch ihre Bedeckung, zumal die Schuppen sehr dicht stehen, das Blatt vor zu starker Ver- dunstung.“ (Wırruar ]l. c. pag. 35). Dass in den Blättern ein mächtiges Wassergewebe auftritt, welches oft !/, bis 2, der Blattdieke einnimmt, nimmt bei der Lebensweise der Gewächse in trockener Luft nicht Wunder. Das Wasser- gewebe ist indes bei solchen Formen schwächer entwickelt, wo sich Wasser in scheidenartigen Blattbasen ansammeln kann. (Wırımar |. c. pag. 35). Dr. Smalian, Vereinssitzung am 1. Nov. 1894.

Chilaspis Löwei. Vor Jahren habe ich einen Infections- versuch mit dieser Wespe an einer alten Zerreiche im bota- nischen Garten zu Halle vorgenommen und über das Resultat in der Wiener Entomologischen Zeitung (VII. Jahrgang Seite 345) berichtet. Da ich alle Blätter der unteren Zweige, welche Gallen trugen, entfernt hatte (Ch. nitida- Wespen erzog ich jedoch nicht), so hielt ich die Sache für abgeschlossen. Mit Staunen erhielt ich daher die Mitthei- lung, dass die Infeetion noch fortdauere. Unter dem Baume, der rings von Rasen umgeben ist, lagen Ch. nitida-Gallen in unglaublicher Menge und von einer Schönheit, wie ich sie nie gesehen. Ohne eine Abnahme zu bemerken, las ich in 20 Minuten 270 Gramm dieser Gallen auf. Der Baum war noch voll belaubt und immer noch fielen Gallen herab! Es waren im Jahre 1888 also doch Ch. Löwei- Wespen höher geflogen und hatten sich so enorm in den sechs

3 Jahren vermehrt! Da Ch. nitida zwei Jahre zur Ent-

wiekelung braucht, so stimmt das massenhafte Erscheinen der Gallen in diesem Jahre, und es ist ein solehes wieder

im Jahre 1897 zu erwarten. Denn 1888 legte Ch. Löwei

die Eier und veranlasste die nitida-Galle. 1889 war Ruhe, 1890 erschien Ch. nitida, Ch. Löwei und Gallen von Ch. nitida von drei zu drei Jahren. Es ist noch zu ermitteln, ob in den Zwischenjahren keine Gallen auftreten. Be-

458 Kleinere Mittheilungen.

achtenswerth ist, dass uns hier Einmiethler und Schma- rotzer fehlen und bemerkenswerth, dass der bisher sterile Baum reife, keimfähige Samen bringt.

Dr. v. Schlechtendal, Vereinssitzung am 8. Nov. 94.

Vorkommen von unilateralem Melanismus bei Hadena strigilis L._ Das in Rede stehende Exemplar dieser Noctuide, ein Weibchen, wurde im Sommer 1893 bei Grimma gefangen. Dasselbe zeichnet sich dadurch aus, dass rechte und linke Seite verschieden gefärbt sind, und zwar besitzt die rechte eine vollkommen schwarze Färbung, ist also die der normalen, melanotischen Abart (var. aethiops Hw.), die linke dagegen zeigt eine durchaus indifferente, hell strohgelbe Färbung. Ebenso ist diese Differenz an den Fühlern, wenn auch nicht in demselben Maasse, bemerkbar. Der gesammte Körper ist dagegen gleichmässig dunkel.

In Canadabalsam eingeschlossen werden die Schuppen der linken Flügel ausserordentlich durchsichtig und sind so kaum sichtbar, diejenigen der rechten Flügel behalten ihre schwarze Färbung.

Günther Enderlein, stud. rer. nat. in Leipzig.

Insekten der Steinkoblenzeit. Ein ungeheuer reicher und wiehtiger Fund ist in den Steinkohlenschichten von Commentry gemacht. Cuarıes BRoNGNIART (Compt: rend. der Pariser Akademie 21. Mai 1894) beschreibt von dort 137 Insektenarten, von denen 102 neu sind. Sie vertheilen sich auf die Ordnungen der Neuropteren, Orthopteren, Homopteren und Thysanuren und auf 62 darunter 46 neue Gattungen. Die von Blumennahrung lebenden Familien fehlen, wie ja auch die „Blumen“ s. 8. in dieser Periode noch nicht nachgewiesen sind. Interessant ist die Grösse der gefundenen Libellen, die eine Flügelspann- weite bis zu 70 em aufweisen. Das wichtigste Ergebniss sind aber die anatomischen Abweichungen, da sie uns wieder einmal einen kleinen Blick in das Schaffen der Natur thun lassen und eine hypothetisch längst verbreitete Ansicht bestätigen. Die Segmentirung des Körpers, die heutzutage bei dem ausgebildeten Insekt nur an dem Hinterkörper vorhanden ist, erstreckt sich nämlich bei vielen

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Kleinere Mittheilungen. 459

der gefundenen Formen auch auf den Mittelleib, dessen drei Ringe nun aber entsprechend den drei Fusspaaren auch je ein Flügelpaar tragen, wie wir es sonst nur noch bei Termitenlarven kennen. Man darf mit Recht auf die aus- fübrliche von Abbildungen begleitete Abhandlung über diesen Gegenstand gespannt sein.

Dr. G. Brandes, Vereinssitzung am 10. Jan. 1895.

Die eierlegenden Säugethiere haben von jeher nicht nur das Interesse derGelehrten, sondern auch das weitester Kreise in Anspruch genommen. Anfänglich wullte man überhaupt nicht recht daran glauben, dass es Säugethiere geben sollte, die es in Bezug auf die Vermehrung den Vögeln gleichthun und beschalte Eier ablegen. Aber die sichere Bestätigung dieser T'hatsache liess nicht lange auf sich warten, obwohl genauere Untersuchungen bisher nicht angestellt wurden. Professor Semon— Jena hat nun den Vorzug gehabt, kürz- lich fast 2 Jahre lang in Australien zubringen zu dürfen und hat in diesem Zeitraume mit ausserordentlichem Glück dem Studium des Ceratodus und der eierlegenden Säugethiere obgelegen. Semon ist jetzt damit beschäftigt, sein reiches Material mit Hilfe einer Reihe von tüchtigen Specialforschern zu bearbeiten und wird die Resultate dieser Untersuchungen unter dem Titel „Zoologische Forschungsreisen in Australien zuge ‚dem Malayischen Arabipe” in den Denkschriften der

natur Gesellschaft zu Jena veröffentlichen. Die ersten Hefte liegen bereits vor, und wir haben ja auch schon im vorigen Bande (Seite 399 ff.) über die Lebensweise und die Entwiekelung von Ceratodus an der Hand der Semon’sehen Mittheilungen berichtet. Heute wollen wir in ähnlicher Weise die Ergebnisse der Untersuchungen über die eierlegenden >Säugethiere kennen lernen.

Die in Betracht kommenden Formen beschränken sich auf die Ameisenigel und die Sehnabelthiere. Was die erste Sippe anlangt, so erkennt Semon ausser der in Nordwest- guinea vorkommenden Proechidna nur eine Artaan, Echidna aculeata, die er aber in 3 Varietäten spaltet: Zypica auf dem Continent, setosa in Tasmanien und lawesi an der Südost-

4650 Kleinere Mittheilungen.

küste Neuguineas. Die durch ihre gewaltige Grösse ausge- zeichneten auf dem Continent gefundenen fossilen Arten werden unterschieden als Ech. Oweni und amplor.

Vornehmlich hat Semonx die Varietät Zypica beobachtet und gesammelt und zwar in den Gegenden am Burnett und die folgenden Mittheilungen beziehen sich immer auf diese Form.

Die Ameisenigel leben in den für Australien typischen „serubs“, unwegsamen Dieckichten, in denen wie in den „Machien“ der Mittelmeerregion bedornte Sträucher vor- herrschen. Hier bringen sie den Tag über in Erdhöhlen und unter Steinen schlafend zu, Nachts durehwandern sie den Scrub anscheinend planlos nach allen Richtungen, um allerlei Gewürm zu erjagen. In menschenarmen Gegenden sind sie sehr häufig (Semox hat im Laufe von 5 Monaten ca. 400 Stück erhalten), aber trotzdem hat Semon nie- mals ein Exemplar in der Freiheit zu Gesicht bekommen. Die Eingeborenen verstehen sich auf die Jagd dieser Thiere ausgezeichnet, da sie das mit einem eigenthümliehen Beigeschmack behaftete Fleisch hoch schätzen. Sie ver- folgen von einem Hunde begleitet am Tage die kreuz und quer laufenden Spuren der Thiere mit wundernswerther Sicherheit bis zu dem Versteck. Auffallend ist die Ueber- zahl und die Grösse der männlichen Thiere, sie sind etwa doppelt so gross als die Weibehen und auch in doppelter Anzahl vorhanden. Was nun die Fortpflanzung angeht, so fanden sich schwangere Thiere im Juli (der Winter dauert in diesen Gegenden von Juni bis Anfang September) und die ersten freien Jungen im Oktober. Bei den Weibchen sind beide Eileiter gut entwickelt aber nur in den linken

treten Eier aus dem Ovarium; man findet im Eileiter das . Ei stets ohne Schale, im Uterus erhält es dann eine Schale

und gelangt von hier (auf unbekannte Weise) in den Beutel. Hier wächst es noch ganz bedeutend, so dass der Durchmesser

um mehr als das Dreifache zunimmt (von 4,5 mm auflömm);

auch die Schale, welche Keratin (Hornstoff) enthält, wird

vielstärker, während desAufenthaltesim Beutel (von, 012 mm bis 0,14 mm). Der Embryo wächst innerhalb der Eischale von 5,5 mm bis 15 mm, dann wird er frei und wächst m

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Kleinere Mittheilungen, 461

Beutel im Laufe von 10 Wochen bis zu einer Länge von 90. mm, zu welcher Zeit die Entwickelung des Stachel- kleides einsetzt. Die Mutter entledigt sich dann des Jungen, nimmt es aber zeitweilig wieder in den Beutel, um es zu stillen. Was nun den Brutbeutel selbst angeht, so ist er nicht dauernd vorhanden, sondern entwickelt sich erst zur Brunstzeit und wächst allmählich mit dem Jungen; nach der endgültigen Entlassung des Jungen aus der mütterlichen Pflege bildet er sich wieder zurück und verschwindet gänzlich. Zitzen sind nicht vorhanden, man muss annehmen, dass das von den Hautdrüsen abgesonderte milchartige

Sekret sofort von den Embryonen aufgeleckt wird.

Von den männlichen Geschlechtsverhältnissen ist vor allem zu erwähnen, dass die Hoden nicht aus der Leibeshöhle herabsteigen wie bei den übrigen Säugern und dass sie wälrend der Brunstzeit von Bohnengrösse bis zu Wall- nussgrösse anschwellen.

Interesant sind auch die Ergebnisse der Temperatur-

‚messungen die in der Cloake und in der Bauchhöhle leider

nicht an ein und demselben Thiere vorgenommen wurden. Semon fand, dass die Temperatur ganz auffallenden Schwan-

kungen unterworfeu ist, er mass in der Cloake von 26,50

34° C. und in der Bauchhöhle von 290°—36° C. Die Sippe der Schnabelthiere hat ausser der in 1 R £ 4 4 z In) {N 7 Z Bar

ir ° o \ go agilis) nur einen Vertreter, der nach den Prioritätsgesetzen den Namen Ornithorkynchus anatinus beansprucht.

Die Schnabelthiere haben ihre Quartiere ebenfalls unter der Erde und zwar in dem Ufergelände fliessender Gewässer; ihre Höhlen bestehen aus schräg verlaufenden

Röhren, deren Haupt-Oeffnung unterhalb des Wasserspiegels

liegt, eine zweite Oeffinung führt auf das Land. Die Höhlen liegen stets an Vertiefungen des Flussbettes, den sogenannten

„Waterholes“, die wir schon bei der Besprechung der

" Lebensweise des Ceratodus kennen gelernt haben (ef. Bd. 66, - pag. 400). In diesen Flussbecken suchen die Thiere ihre - Nahrung, indem sie 2—3 Minu‘en lang unter Wasser bleiben

_ und währenddem ihre Baekentaschen mit kleinen Muscheln - füllen, die sie dann an der Oberfläche mit den hornigen

462 Kleinere Mittheilungen.

Verdiekungen (Zähne sind nur in der Jugend vorhanden) ihrer Kiefer zermalmen. In der Winterzeit findet diese Nahrungssuche 2 Mal am Tage statt, kurz vor Sonnenauf- gang und vor Sonnenuntergang und dauert bis zu einer halben Stunde, in der heisseren Jahreszeit lassen sich die Thiere am Tage nicht im Wasser sehen. Die Jagd ist also nur im Winter möglich, dann aber stets von gutem Erfolg begleitet. Sobald die sehr scheuen und vorsichtigen Thiere untertauchen, springt man heran und schiesst beim Wiederauftauchen. Die Getödteten schwimmen an der Oberfläche, da die Thiere speeifisch leichter sind als Wasser. Das Fleisch riecht stark thranig und wird von den meisten Eingeborenen verabscheut. :

In der Brunstzeit, die in die 2. Hälfte des August fällt, schwillen die Hoden und Ovarien sehr beträchtlich an. Wie bei Echidna werden nur die Eier des linken Ovariums befruchtet, die in dem linken Ovidukt stets in Zweizahl zur Entwicklung gelangen. Ein Brutbeutel ist nicht vorhanden, die Eier werden vielmehr in den Höhlen abgelegt, jedoch hat Semox die Art der Eiablage und die Entwicklung der Eier nicht verfolgen können.

Litteratur-Besprechungen.

Föppl, Einführung in die Mazwell'sche Theorie der Elektricität. Leipzig, Teubner 1894.

In dem Buche wird uns die Maxwell’sche Theorie in der Sprache der Quaternionen geboten und dargestellt. Diese fast ausschliesslich von den Britten benutzte Rech- nungsweise hat sich bis jetzt auf dem Continente kaum Bahn gebrochen, obgleich die Darstellung der Gleichungen un- gemein an Uebersichtliehkeit gewinnt und die Rechnungen selbst sehr abgekürzt erscheinen. Es mag diese ablehnende Haltung vielleicht darin begründet sein, dass bisher eine gute Darstellung und Einführung in die Quaternionen- rechnung fehlt. Ref. kann nicht finden, dass die von Föppl gegebenen einleitenden Kapitel den Leser das Ver- trauen geben, dass die neue Rechnungsart wirklich das leiste, was der Verfasser im Vorwort darüber erwähnt. Die Dar- stellung in diesem Theile des Buches ist nicht überall glücklich. In dem zweiten und Hauptheil strebt der Verf. eine die Rechnung möglichst wenig durch längere Rechnungen unterbrochene Darstellung der Maxwell’schen Theorie an und giebt auf ca. 270 Seiten einen sehr durchsichtigen

völligen Ueberblick über das vonMaxwell entwickelte Gebiet. Schmidt

Ostwald, Klassiker der exacten Wissenschaften Nr. 44, 45, 53. Wiühelm Engelmann, Leipzig.

Die grossen Vorzüge dieses Unternehmens haben wir verschiedentlich hervorzuheben Gelegenheit genommen. In den genannten 3 neuen Nummern werden nun in 44 die bedeutendsten der Abhandlungen üher das Ausdehnungs-

464 Litteratur-Besprechungen,

gesetz der Gase gebracht. Für die Ermittelung der in diesem Gesetze wichtigen Constanten haben Gay-Lussae, Dalton, Dulong und Petit, Rudberg, Magnus, Rignault, also Männer von hervorragendem Rufe, grössere Untersuchungen durchgeführt. Hieraus mag schon die grosse Wichtigkeit, welche dieser Frage zukommt, hervorgehen. Erschlossen uns doch diese Untersuchungen die Erkenntnisse der Grund- eigenschaft der wichtigen Klasse der gasförmigen Körper und führten sie uns zu einem der wichtigsten Begriffe der absoluten Temperatur.

Die Ermittelung des Ausdehnungseoeffiecienten erfordert eine subtile mit höchstem experimentellem Geschick ver- bundene Untersuchung, und auch aus diesem Grunde sind die Arbeiten der genannten Forscher würdig, den Leser leicht zugänglich gemacht zu werden.

In dem 45. Bändchen werden uns Davys elektro- chemische Untersuchungen (1806—1807) gebracht. Davy, der Lehrer des grossen Faraday, legte in diesen beiden Arbeiten den Grund zu den Untersuchungen über Elektro- Iyse, deren hervorragende und wichtige Bedeutung für die Entwieklung der Wissenschaft bekannt sind. Wir begrüssen in diesen Arbeiten aber auch willkommene Beiträge zur Geschichte der Wissenschaft. Dieser leider nicht immer richtig gewürdigte Zweig der Diseiplin findet in dem viel- seitigen Ostwald einen anregenden Vertreter und auch die Herausgabe dieser Abhandlungen müssen wir zu seinen glücklichen Griffen nach dieser Richtung rechnen.

Nr. 52 gibt uns Galvanis Abhandlung über die Kräfte der Elektricität bei der Muskelbewegung (1791) in deutscher Uebersetzung. Das Werkcehen interessirt dem Leser durch die charakteristische Art, wie uns Galvani seine Beobachtungen darstellt und sie von Versuch zu Ver- such fortschreitend allmählig zu einem richtigen Zusammen- hang der Versuchsanordnung gelangt, bei dem der Froseh- muskel elektrisch erregt wird, ins Zucken gerät. Haben auch spätere Untersuchungen gelehrt, dass seine theore- tischen Speculationen über das Wesen der elektrischen Vorgänge falsch sind, so gewährtes doch Interesse, den eigen- artigen Darstellungen des Mannes auch hier zu folgen.

Litteratur-Bespreehungen. 465

Von Interesse dürften endlich noch die Fragen elektro- therapeutischer Natur sein. Unter vielen phantastischen Darstellungen findet sich hier mancher Funken Wahrheit. Galvani ahnt Erfolge einer elektrischen Behandlung des erkrankten Organismus, wie sie von unseren modernen Thera- peuten auf Grund klarerer Darstellungen erzielt sind. Schmidt.

Harbordt und Fischer, Machs Grundriss der Physik, II. Theil. Leipzig, G. Freitag 1894, geb. 2 Mark.

In dem vorliegenden Werke haben wir eine ausführ- lichere Anordnung des Stoffes, als sie in dem Bd. 65 pag. 119 dieser Zeitschr. besprochenen ersten Theile dieses Leitfadens der Physik für die oberen Klassen desGymnasiums gegeben ist, vor uns. Was wir damals lobendes an dem I. Theil hervorgehoben, können wir hier wiederholen.

Es ist in dem II. Theil die mathematische Behandlung zur Hülfe genommen und meist an der Hand höchst lehrreicher Construetion die mathematische Ableitung der Gesetze gegeben. Dem Lehrer wird hier eine Methode ge- boten, die in der richtigen Weise verwendet, höchst erfreu- liche Resultate geben muss.

Die Eintheilung der Materie in der, in den neuen Schul- plänen angegebenen Weise muss als eine recht glückliche bezeichnet werden, denn der im ersten Theil des Lehr- eursus genommene gibt dem Schüler zunächst einen völligen Ueberblick der Gesammtmaterie. Sein Interesse wird dann, wenn er die Materie in fortgeschrittenerem Stadium wieder- holt und in grösserem Umfange vorgetragen erhält, viel reger sein. Das Verständnis für die schwierigeren Theile, wie sie eine eingehendere tiefere Behandlung der Probleme mit sich bringt, wird ihm leichter werden und das Resultat des Unterrichts wird ein weit vollkommeneres sein als es er- reieht wird, wenn der Stoff gleich bis zur äusserst mög- lichen Grenze verfolgt wird.

Möge das klar geschriebene und sorgfältig bearbeitete Werk der beiden Verfasser eine recht gute Verbreitung

finden! me Schmidt.

Zeitschrift £, Naturwiss, Bd. 67. 1591. 30

x

466 Litteratur-Besprechungen.

Anleitung für Pflanzensammler von Dr. Udo Dammer, Kustos am königl. Botanischen Garten zu Berlin. Mit 21 in den Text gedruckten Holzschnitten. Stuttgart, Verlag von Ferdinand Enke 1894.

Der Verfasser gibt in diesem Werkchen aut 79 Seiten und in 17 Kapiteln eine Anleitung für Pflanzensamnler, die sich sowohl dem geübteren Sammler, als in ganz be- sonderer Weise dem Anfänger als brauchbares Hilfsmittel erweisen dürfte. Nachdem im ersten Kapitel die Hilfs- mittel und die Ausrüstung besprochen ist und auch in an- erkennenswerther Weise die Bezugsquellen angeführt sind, führt das 2. Kapitel in die Weise des Einsammelns ein und gibt besonders denjenigen Leuten Winke, die in bota- nisch unbekannten Länderstriehen reisen und der Wissen- schaft ein h hb lzur Verfügung stellen möchten. Das dritte Kapitel behandelt die Präparirmethoden, das

‚Trocknen, Vergiften und die Erhaltung von in den Farben

veränderlichen Pflanzen. Das 4. Kapitel, das Bestimmen der Pflanzen, weist uf ‚alle zu | beachtenden er ent Pflanze hin und In der Beschreibung des Herbariums (5. Kap.) dürfte wohl der Einwand gerechtfertigt sein, ob das Aufkleben der Pflanzen auf halben Bogen wirklich zu empfehlen ist. Mögen auch die Pflanzen vor dem Herausfallen aus dem Herbar gesichert und die Kosten geringere sein, so ist aber dieMöglichkeit einer Untersuchung zum Vergleieh mit andern Pflanzen eingeschränkt, und lose in ganze Bogen eingelegte Pflanzen halten sich,wennman dieBogen nicht dreht, sondern schiebt, ebenso gut. In den folgenden Kapiteln (6 bis 17) werden noch besprochen: die biologische Sammlung, die pathologische Sammlung, die Missbildungssammlung, die Frucht- und Samensammlung, die Holzsammlung, dieKnospen- sammlung, die Blattsammlung, die Farnsammlung, die Moos- sammlung, die Algensammlung, die Flechtensammlung und die Pilzsammlung. In der Pilzsammlung ist die Aufbe- wahrung von Pflanzenkrankheiten etwas kurz weggekommen. So lassen sich z. B. Ustilagineen nicht aufbewahren im Herbar. Für sie eignen sich vorzüglich Cigarrenkistehen oder weite Reagenzgläser. Clavicepsarten bewahren sich

Litteratur-Besprechungen. 467

een wit dieselbe Weise oder auch sehr gut in nach aber offenen Umschlägen, die auf einen Bogen Papier aufgeklebt und dem Herbar eingefügt werden.

In klarer und verständlicher Weise sind die einzelnen Maassnahmen beschrieben und dem Anfänger ist das Werk- chen warm zu empfehlen, um ihn vor dem Nachlassen der Bethätigung dieser interessanten wie lehrreichen Wissen- schaft zu bewahren. Hervorzuheben ist auch noch, dass der Verfasser des öfteren auf den Werth des Aufzeichnens des Gesehenen als hervorragendes Anschauungsmittel hin- weist.

Badersleben. Herm. Biedenhopf.

KMurl Hollbach, Naturwissenschaft und Schule, zweite Auflage der Methodik der gesammten Naturwissenschaft. Köln, P. Neubner.

Mit Freude begrüsst Referent die zweite Auflage der Kollbach’schen Methodik der gesammten Naturwissenschaft. Es ist zweifellos, dass schon die erste Auflage von 1888 eine grosse Zahl von Lehrern verschiedenster Schulen eben- so begeisterte wie Unterzeichneten. Der Gedanke der ein- heitlichen Verbindung der verschiedenen naturwissenschaft- lichen Fächer unter einander zu unterrichtlicher Einheit, der das Buch auch in zweiter Auflage beherrscht, fällt an- dauernd auf fruchtbaren Boden bei den Lehrern; und schon schicken sich offizielle Lehrpläne, wenn auch saghaft, an, demselben gerecht zu werden. Auf die Fülle von Anreg- ungen, welche das herrliche Buch von Kollbach jedem Lehrer wie auch dem der Schule fernstehenden giebt, hat Referent mehrfach aufmerksam gemacht (cf. Dr. Smalian, „Wie wird der Naturgeschichtsunterrieht ein biologischer“ in Kehrs pädagogischen Blättern, Bd. XIX und zur Reform des biolog. Unterrichts. Verhdlg. der Ges. Deutscher Natur- forscher und Aerzte. 1891 p. 545) und das Buch in Lehrer- kreisen weithin empfohlen. Es ist Referenten eine ange- nehme Pflicht, auch die zweite Auflage dringend zu em- pfehlen, besonders aber den Lehrerseminaren, in denen

468 Litteratur-Besprechungen.

gerade der biologische Unterricht meist höchst stiefmütter- lich behandelt wird und demgemäss in seinen Wirkungen so steril wie möglich sich bethätigt.

Halle a. S, Dr. C. Smalian.

«J. Hohweder, Blüten-Diagramme. Gotha, E. F. Thiene-

Auf 24 musterhaft sauber, klar und übersichtlich aus- geführten Tafeln nebst knapper, aber umfassender Erklärung wetteifern Autor und Verleger, um der unterrichtlichen Be- handlung der wichtigsten einheimischen Pflanzenvertreter eine ausserordentlich werthvolle Hülfe zu spenden. Nicht nur Diagramme, sondern auch ganze Blüthen im Längsschnitt werden farbig gegeben und sind der Hand des Naturge- schichtslehrers aufs beste zu empfehlen. Jeder, der die Tafeln kennen lernt, wird gewiss wünschen, dieselben stark vergrössert für den Unterricht in der Klasse zu besitzen.

Halle a. S. Dr. C. Smalian.

@aurcke, Dr. August, Illustrirte Flora von Deutschland. Zum Gebrauche auf Exkursionen, in Schulen und zum Selbstunterricht. Siebzehnte, neubearbeitete Auflage, vermehrt durch 759 Abbildungen. Berlin. Paul Parey. 1895. kl. 5°. (IV u. 96 u.768 $.).

Garckes Flora von Deutschland, die bereits in 16 Auf- lagen mit mehr als 50000 Exemplaren verbreitet ist, ist nunmehr in 17. Auflage erschienen. Da die Einrichtung des Werkes allgemein bekannt ist, genügt es, die Aenderungen, die es in dieser Neubearbeitung erfahren hat anzugeben. Die Zahl der aufgeführten Arten, die in der 16. Auflage 2584 betrug, ist in dieser neuen auf 1262 gestiegen. Die einjährigen Wintergewächse sind durch ein besonderes Zeichen ( von den einjährigen Sommergewächsen () unter- schieden. Eine wesentliche Bereicherung hat das Buch in dieser 17. Auflage durch Abbildungen je einer oder auch zweier Arten einer jeden Gattung erfahren, welche die Tracht der Pflanze und wichtige einzelne Theile darstellen und das Bestimmen ganz erheblich erleichtern werden. Im

Litteratur-Besprechungen, 469

Anhange ist eine Uebersicht der Familien nach dem neueren Systeme gegeben, wie sie in Englers Syllabus angeordnet sind. In dieser vervollkommneten Gestalt wird das werth- volle und mit Recht allgemein hochgeschätzte Buch in noch höherem Maasse als bisher geeignet sein, als Führer in die Kenntniss der Gefässpflanzen der deutschen Flora zu dienen.

Bei Aspidium lonchitis Sw. sind die Worte „angeblich am Harze“ zu streichen, da die Pflanze sicher nicht am Harze wächst. Von Asplenium adulterinum Milde, das von Garcke noch als besondere Art aufgeführt wird, hat Sadebeck nach- gewiesen, dass es nur eine Serpentin-Varietät des A. viride Hds. ist, indem er es durch mehrere Generationen hindurch fortgesetzte Kultur auf serpentin-freiem Substrat in die gewöhnliche Form des A. viride tiberführte. Die Bastard- natur des Aplenium germanicum Weis, die von Garcke nur als wahrscheinlich angegeben wird, soll durch Svante Murbeck sicher erwiesen worden sein.

„Die Bastarde sind nur mit den Namen der Eltern mit Ausschluss der ihnen als Synonyme beigefügten, durchaus überflüssigen und leicht Irrthum erzeugenden einfachen neuen Benennungen bezeichnet, und da der Bastardirungs- process keine Multiplikation ist, so ward als Verbindungs- zeichen statt des üblichen > ein + gewählt, wie dies von der 1. bis 15. Auflage durchgeführt ward und jetzt endlich von den bedeutendsten Systematikern anerkannt ist.“ Die Botaniker, welche als Verbindungszeichen >< wählten, haben damit offenbar keine Multiplikation, sondern eine Kreuzung andeuten wollen, und es erscheint jenes Zeichen, da der Process der Kreuzung zweier Arten doch auch nicht gerade eine Addition ist, passenden als das Zeichen +. Es dürfte sich daher empfehlen, in den folgenden Auflagen wieder das Zeichen >< einzuführen, das in der 16. Auflage bereits angewandt worden ist.

Dr. Erwin Schulze.

Neu erschienene Werke.

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Mathematik und Astronomie.

Bocher,M, Die Reihenentwickelungen der Potentialtheorie. Leipzig, 1894. B. G. Teubner. 8%, VIII, 258 pp. Mit 113 Fig

Läska, W. Sammlung von Formeln der reinen und re Mathematik. Braunschweig, 1894, F. Vieweg & Sohn, 8%, 1071 u. XVI pp. Mit Taf.

Orio y Rubio, M. Libro de problemas aritmeticos, algebräicos y geome6tricos. Paris I. Valencia, 1894. 40%, 387 pp.

Seguier, J. Formes quadratiques et multiplication complexe. Deux formules fondamentales d’apres Kronecker. Berlin, 1894. F. L. Dames.

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80,

Lohse, 0. -Plenstogsenbie. Eine Beschreibung der im Bereiche der Sonne zu beobachtenden Körper. Leipzig, 1894. J. J. Weber. 89. IX, 192 pp. Mit 15 Abbildgn,

Chemie und Physik. Ahrens, Fel. B. Organische Chemie für Aerzte in 12 Vorlesungen, Stuttgart, 1894. F. Enke. 80, Bender, Adf. u. Hg. Erdmann, Chemische Präparatenkunde,

IL. Bd. Stuttgart, 1894. F. Enke. 8. XII, 610 pp. Mit 41 Ab- bildungen,

Meusel, Ed. Das Atomvolumen in chemischen Verbindungen, Lieg- nitz, 1894. E, Scholz, 27

Newth,@.S. A Text-Book of i inorganic Chemistry. London, 189.

80, 660 PP. Parker, J. Thermo-Dynamies. London, 1894. 8%. 314 pp. Stricker, S. Ueber strömende Elektrieität. Eine Studie. Schluss- heft. Wien, 1894. F. Deuticke, 8. IV u p. 90—148.

Neu erschienene Werke, 471

Wüllner, Adph. Lehrbuch der Experimentalphysik. I. Bd. All- gemeine Physik und Akustik. Leipzig, 189. B. G. Teubner, 8, X, 1000 pp. Mit 321 Abbildgn.

Mineralogie und Geologie.

Solly, R.H. An elementary Introduction to Mineralogy. London, 1894. 80, 376 pp.

Abhandlungen, palaeontologische, herausgegeben von W. Dames und E. Kayser. Neue Folge. II. Bd. (Der ganzen Reihe VI. Bd. ) 5. Heft. Ueber Stigmariopsis Grand’Eury. Von H. Graf zu Solms- Laubach. Jena, 1894, G. Fischer. 4%, 17 pp. Mit 1 Fig. 3 Taf. u. 3 Bl. Erklärgn.

Botanik und Zoologie.

Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Herausgegeben von Fd. Cohn VI. Bd. 1. Heft. Breslau, 1894. J. U. Kern’s Verl. 8, VII, 212 pp. Mit 60 Abbildgn.

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Dennert, E. Vergleichende Pflanzenmorphologie. Leipzig, 189. J. J. Weber. 8%, VIII, 254 pp. Mit über 600 Einzelbildern in

506 Fig.

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Rothert, W. Ueber Heliotropismus. [Aus: , ‚Beiträge zur Biologie der Pflanzen .“] Breslau, 1894. J. U. Kern’ s Verl. 8. VII, 212 pp. Mit 60 Abbildgn.

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472 Neu erschienene Werke. Griffini, A. Entomologia II Lipidettori italiani. Milano, 1894, 3°, 296

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Chvostek, F. Ueber das Wesen der paroxysmalen Häm oglobinurie Wien, 1894. F. Deuticke. 8%. 105 pp.

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Cuzzi, A. Tirattato di ostetricia e ginecologiea. rue. 235—28.

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Dornblüth’s, Fr., und Goliner’s Mutterpflichten. 2 Thle. in 1 Bde. Stuttgart, 1894. A. Brettinger. 120, VII, 152 u, V, 95 pp- Fenwick, W. S. The Dyspepsia of Phthisıs, its Varieties and Treat- ment. London, 1894, a M., and L. E. Shore. Physiology for Beginners. London . 80, ne La esterilidad en la muger y su tratamiento, Madrid, E pp.

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Compter, Dr. G., Die fossile Flora des unteren Keupers von Ost- thürin

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