oe NOVA AUTA ACADEMIAE CAESAREAE LEOPOLDINO -CAROLINAE GERMANICAE NATURAE CURIOSORUM. TOMUS QUINQUAGESIMUS QUINTUS. CUM TABULIS XVIIL Verhandlungen der i Kaiserlichen Leopoldinisch- Carolinischen Deutschen Akademie der Naturforscher. Fünf und M Band. Mit 18 Tafeln. Halle, 1891. ar von EeBlochmann Ina Sohn, í en Dr esden. Für die Akademie in Commission bei W. Engelmann in Leipzig. s e 2 Kr É? ER. Verhandlungen der Kaiserlichen Leopoldinisch-Carolinischen Deutschen Akademie der Naturforscher. Fünf und fünfzigster Band. Mit 18 Tafeln. Halle, 1891. Druck von FE. Blochmann und Sohn n Dresden. Fiir die Akademie in Commission bei W. Engelmann in Leipzig. Eë NOVA ACTA ACADEMIAE CAESAREAE LEOPOLDINO-CAROLINAE GERMANICAE NATURAE CURIOSORUM. TOMUS QUINQUAGESIMUS QUINTUS. CUM TABULIS XVIII HALIS SAXONUM, MDCCCXCI. ED x officina D Blo ch) main et eee Dresdae. Pro Academia apud W. Engelmann, Lipsiae. 4 ` ` % D GUILIELMO II REGNI GERMANICI IMPERATORI GLORIOSISSIMO BORUSSORUM REGI AUGUSTISSIMO POTENTISSIMO ACADEMIAE CAESAREAE LEOPOLDINO-CAROLINAE GERMANICAE NATURAE CURIOSORUM PROTECTORI SUPREMO, AMPLISSIMO, CLEMENTISSIMO HOC QUINQUAGESIMUM QUINTUM NOVORUM ACTORUM VOLUMEN SACRUM ESSE DESPONSUMQUE VOLUIT ACADEMIA PRAESIDE HERMANNO KNOBLAUCH. S$ —, _ —— x es x Kr WE Béi HS I. Vo. Inhalt des LY, Bandes. Ferdinand Lingg. Ueber die bei Kimmbeobachtungen am Starnberger See wahrgenommenen Refractionserscheinungen Dr. Edmund Hess. Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. _ Ueber die Klein’sche Configuration Cf. (6015, 306) und einige bemerkenswerthe aus dieser ableitbare räumliche Configurationen . Dr. Felix Marchand. Beschreibung dreier Mikrocephalen- Gehirne nebst Vorstudien zur Anatomie der Mikrocephalie. Abtheilung II . Dr. Hermann Knoblauch. Ueber die Polarisation der strahlenden Wärme durch totale Reflexion . R. Keller. Ueber Erscheinungen des normalen Haarverlustes an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen . S. 305—358. Dr. Alfred Nalepa. Neue Gallmilben . S. 361—395. Dr. A. Overbeck. Zur Kenntniss der Fettfarbstoff-Production bei Spaltpilzen S. 397—416. S. 1—95. S. 97—167. S. 169—280. CO . 283—304. Taf. I—II. Taf. IV. Taf. V—X. Taf. XI—XIIL Taf. XIV—XVII. Taf. XVII. Se S FR EIERN seat aaah OF sy RER INEO WAS OEA der Ksl. Leop.-Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher Bd. LV. Nr. 1. — in Ueber die bei Kimmbeobachtungen am Starnberger See \ | dë wahrgenommenen Refractionserscheinungen. Von S Ferdinand Lingg, | Ingenieur-Hauptmann a. D. und I. Assistent der Kgl..Meteorologischen Centralstation München. H D | H N Mit 5° Tafeln N Be TAU Eingegangen bei der Akademie am 30. December 1888. HALLE. "eng, Druck von E, Blochmann & Sohn in Dresden. & Für die Akademie in Commission bei Wilh. Engelmann in Leipzig. | H fi E pte rer ere + — ||| a + + — + | Uebersicht des Inhaltes. | Seite | Einleitung . . ee E a ohal ah, costa Worin die W aan der matten ës Seespiagäls zu ‚suchen issue | GeodätischeV érhalimsseutist. ahi Tal. BER. halt sch ade } | erer seta eh naman odau adashib Ideen] | | ENONCE ANAE RNE] PUN oa e Dearne kr Gl | | A EN E ee ne weet es AT e FE OTHAN | | Mernrohr. was Shrek | Niveau-Merkmale an SH N PEI rc Am 13 | Distanzen, Lotheonvergenzen und Seespiegel- Depro ke eg tal Be- | obachtungsobjecten Sur ERA TO. per ILGE aed \ Störungen des idealen Niveaus der W: geng ës KE Eed RIT eRe ART zelt | Gefälle des: Deesa naianei ta. ET i EinwirkunddessBelieissdet.Umgebungei, sawisowietinwts ab mal unbenierdb | Bewegungen deriWasseroberiache:tedion. adcekignmotatg. att. karui ol. 17 Courungsder-Niveau-Verhältnisser.. ash, rel Bangenproil ae T bayi Tarog. Sul E E Die angestellten GE vet hoea SR BIER ron DUO | Gesichtsfeldr DER +. simens Fah sieges | Die Verhältnisse, auf ZER Sch Gis Bodad EECH E E | Nenderungen im Wasserstande.des Sees... a. sner .. +. «avis. sch cdi van „ann Schempareskohenlage, der Kımm. es k .....% os kgs. «2s TSAO LO ir To BED Verfolgung der Dampfschiffe en GLEN Wellenkamm- LinresfantasH2 me ma. ab Wirkung der Dünungen . . i Aenderungen in den BEE Bir Bilden Wissenschaftliche Deutung der wahrgenommenen e CO Physikalische Theorie der or pice Boe sce. SDL EN egen bieten | Geodätische Theorie Rp j \ Astronomische Horizontal- Refi Té ction siert Construction des; zugehörigen Lichtstrahles = mi ait ene un on. a degt een | Lichtpunkt an der -Grenze der. Atmosphäre .. ._ .... [#81 -sridi aueh we a: | Terrestrische Horizontal- Refraction . . . Ze EE | Verhältniss zwischen den beiderseitigen Riten ORTEN ARE Refractionscoefficient . . . ss. m Seel Wirkliche Werthe des Reo ehr au ee cs) Al | Werthe des Refractionscoefficienten nach Jahres- und Asset. RE BE + RedUCtom GEET EE res ee red 4 Ferdinand Lingg. Construction eines die Kimm tangirenden gebrochenen Strahles . . . . . . . 43 Verschiebung der Kimm durch die Brechung des Strahles . . . . . 1... . 44 Senkung des Lichtstrahles unter den Horizont der wahren Kimm . . . . . . 46 Nutzen des Versleichsstzchlene en veer EE bk | Seheinbare Lage des Lichtpubktes at wah) tiaan e . 02.002,47 AEO AE NENE ES ee EE Nepauıysgebrochener Verglorchostr anl A ae. EE Nutzensder. beiderlei Vergleichsstrahlen << =... a ee, ees ee RO Vergleichungsmethode . . . . i 3 Ereegnes D Ursachen der beobachteten avitilligen Schwankungen dar R bay ett Eeer? Eigenthümlichkeit der Beobachtungsmethode hinsichtlich der Refractionserscheinungen 55 | Locale physikalische Verhältnisse: =. ne se... tc ne eo Luftschichten über der Seefläche . . . - En Zeitliche Aenderung der Luftzustände über Wasser SANS ars E pee | Aenderung dieser Verhältnisse über Landis oora nisnin gab cnr n ba 06 Wirkung von Nebeldünsten `. . . er er. a ol | Zur scheinbaren Bewegung der Kimm im A erbauen DE | Die nicht tangirenden Lichtstrahlen . . . Be m og ob eS | Aenderungen der scheinbaren Nivea areon an e A éi. Salt, 67 | Verschiedene Wirkungen der Strahlenbrechung in einem landschaftlichen Bilde od | Folgen hiervon für photographische Aufnahmen solcher Bilder . . . . 68 | Zeitliche Aenderungen an Bildhöhen . . . 3 : 70 | Unterschiede in der scheinbaren Höhenlage verschieden ges sten ‘Obj ee 72 Die -übersehbare..Wasserfläche als. Object: e 2... ausm E 2 BIEGEN STUCERWARSOLHACHe EE 73 N Spiegelung, der gewellten Seelläche nascittsadesth oh. iin a Wages 76 Einfluss der Höhe der Wellen 78 Deutung der Wellenkammlinie . . . j $ MEL ge Tey ss KE 78 Folgen einer Aenderung der Abstände Sector Bocbachtemesobjoctis em und Beobachtungspunkt fag Marat re dE 81 Die Eigenthümlichkeiten der Spiegelung an der Kimm im Allgemeinen . . . . 83 Allgemeines Ergebniss der Erkliirungsversuche . . . . SCT sh pest Gleichzeitige Beobachtung von Temperatur und Benchtigkeit der Luft ait set Schlussergebnisse RE wi. sore 85 Wahl der Bee shuns Situation ae op wifoinituel tei ab ara werde Photographische Aufnahme von Ee EE Mathematische Behandlung der Verhältnisse . centin toi demr ner an nO SCHLUSS eee N Ee EE 87 Nachtrag aus det Jahre TSSOU Er a ed sin. cats ee Figur I. Zur Theorie der terrestrischen Hor one Refractionah. class zer Ate? „ Il. Längendurchschnitt von Bernried nach Starnberg und Leutstetten ur „ IH. Diagramme der beobachteten scheinbaren Bewegungen der Kimm ée Zë » VI. Theilung des) Gesichtsfeldes.im Fernrohr 9.50. nn ann CECR Kimmbeobachtungen am Starnberger See. 5 Einleitung. 1) Die Gestalt der Erde ist uns hinlänglich bekannt, nach Zahlenwerthen ihrer Dimensionen, sowie, hinsichtlich der Krümmung ihrer Oberfläche, an- schaulich aus Globen und anderen Unterrichtsmitteln; aber eine Vorstellung von dieser Krümmung in ihrem natürlichen Verhältniss, und insbesondere in engeren Grenzen, wie etwa des Gebietes unserer Gesichtsweite durch Wahr- nehmung in der Natur, können wir nur schwer unter gewöhnlichen Verhält- nissen gewinnen. Der Seemann auf offenem Meere, dessen Auge ringsum nichts Anderes sieht, als dessen Wasserfläche und darüber das Firmament, kömmt bald zur Erkenntniss, dass er sich überall im Pole einer sehr flachen Calotte befindet, und dass jede Richtung, nach welcher er in die Ferne blickt, diejenige einer Ehene ist, welche durch seinen Standpunkt und den Mittelpunkt der Erde gedacht werden kann, und dass nach allen diesen Richtungen die Krümmung des Meerespiegels die nämliche ist, diejenige eines grössten Kugelkreises der Erde. Die fir ihn scheinbare Grenze der Meeresfläche, der Rand seines Ge- sichtskreises von der Erdoberfläche, bildet einen Parallelkreis senkrecht zur Lothlinie seines Standpunktes. Diese Kreisform des ihm sichtbaren Ober- flächengebietes, die ihm in jeder geographischen Position auf dem Ocean in gleicher Weise entgegentritt, verräth ihm über jeden Zweifel die kugelförmige Gestalt der Erde. Auch über den Betrag dieser calottenartigen Wölbung der See gewinnt er gleichfalls alsbald eine Vorstellung durch die Wahrnehmung, wie jenseits von deren Peripherie, welche er, bezogen auf eine Blickrichtung, die Kimm nennt, Leuchthürme, Schiffe, Kiisten-Conturen und einzelne Gegen- stände solcher, deren Höhenverhältnisse ihm bekannt sind, nach und nach über diesen Wasserscheitel emportauchen oder hinter demselben verschwinden; 6 Ferdinand Lingg. die Erfahrung lehrt ihm sogar die Entfernung dieser für ihn nur zum Theil ihrer Höhe sichtbaren Objecte von der Kimm zu beurtheilen, wie auch den Abstand der letzteren von seinem Standpunkt, je nach der Höhe, in welcher er sich darin über Wasser befindet. Anders ist das bei den Binnenländern, die stets und überall umeeben to} von Festland sind, dessen Relief — selbst wenn noch so flach und scheinbar horizontal — so gut wie nie concentrisch ist mit dem Meeresniveau. Den Reiz, den es für Solche etwa hat, die ideale Krümmung der Erdober- fläche mit eigenen Augen wahrzunehmen, den, müssen sie sich begnügen, an den ihnen nächst erreichbaren Landseen zu befriedigen, soweit diese das ermöglichen. Für Diejenigen, welche so glücklich sind, an dem Wiirmsee ein nahes Kleinod zu besitzen, das für die verschiedenen Gewässersporte die will- kommenste Gelegenheit bietet, besteht die Frage: können wir vielleicht auch jener Neugierde an dieser Seefläche nachgehen, in welcher Weise und mit welchem Erfolge? Dieser Frage näher zu treten fand ich bei der Bearbeitung des „Erd- profil der Zone von 31° bis 65° Nordbreite“ Veranlassung, und durch einen Ferien-Aufenthalt in Bernried an diesem See im Jahre 1886 die gewünschte Gelegenheit hierzu. Der hierbei gewonnene Einblick in die beziiglichen Verhältnisse war für mich bestimmend genug, diese Beobachtungen in den Jahren 1887 und 1888 fortzusetzen, wodurch meine Auffassung der gemachten Wahrnehmungen wesentlich geklärt und mein Verständniss des Zu- sammenhanges derselben ebenso gereift wurden. Im Nachstehenden sollen nun die von mir zur praktischen Untersuchung der fraglichen Verhältnisse dort angestellten Beobachtungen, die dabei befolgte Methode und die damit gemachten Wahrnehmungen, sowie deren wissenschaft- liche Verarbeitung dargelegt werden. Worin die Wahrnehmung der Wölbung des Seespiegels zu suchen ist. 2) Den Nachweis der Wölbung einer Wasserfläche dürfen wir bei der verhältnissmässig geringen Ausdehnung dieses Sees und seiner langgestreckten Form natürlich nur in den Niveauverhältnissen des Bildes suchen, das uns in der Blickrichtung entgegentritt, wenn wir unseren Aussichtspol entsprechend wählen. Kimmbeobachtungen am Starnberger See. 7 Die Höhe, um welche der Seespiegel über dem Meeresniveau liegt, ist hierbei selbstverständlich nur insofern von Belang als sie zum idealen Erd- halbmesser zu addiren ist; die Wölbung beider Niveaux wird immer concentrisch sein, und auch nach allen Richtungen gleich erscheinen, indem auf die Distanz, bis zu welcher sich unsere Wahrnehmungen erstrecken können, die dureh die Abplattung der Erde bedingten Unterschiede der Kriimmungshalbmesser zu keiner Bedeutung gelangen. Geoditische Verhältnisse. 3) Den Betrag der Wölbung eines Wasserspiegels bezeichnet man am besten durch die Senkung desselben unter diejenige Ebene, welche senkrecht auf die Lothlinie eines Berührungspunktes durch diesen gedacht werden kann, und die dessen „scheinbarer Horizont“ heisst; während der „wahre Horizont‘ dieses Punktes, in der Geodäsie, durch dessen zur idealen Erdoberfläche concentrisches Niveau gebildet wird, also hier durch die Wasserfläche selbst. Diese Abweichung des wahren Horizontes von dem scheinbaren nennt man die Depression dieses Niveaus. Aus der Linge eines bestimmten Bogens einer Wasserfläche ergiebt sich leicht dessen Mittelpunktswinkel, welchen die Lothlinien seiner beiden Endpunkte mit einander einschliessen; aus diesem lässt sich dann einfach der Betrag der Senkung von dem einen Endpunkt bis zu dem anderen, wie auch die Höhe der Wölbung über die diese Punkte verbindende Sehne berechnen, wenn der Krümmungshalbmesser der bezüglichen geographischen Breite und die Höhenlage des Wasserspiegels über dem Meeresniveau bekannt ist. 4) Zur Zeit der nachfolgend zu erörternden Beobachtungen, welche ich im September 1886 angestellt, hatte der Wiirmsee einen Wasserstand von 64 cm über dem Nullpunkt des Pegels im Dampfschiffhafen; dieses Niveau liegt 4,673 m unter der Höhenmarke an der Perronseite des Hauptbetriebs- gebäudes im Bahnhof zu Starnberg, welche mit der Angabe versehen ist 588,435 m über der Nordsee“. Bezogen auf diesen Vergleichshorizont der 7 E EN ” „Nordsee“ kommt dem Seespiegel zur besagten Beobachtungszeit sonach die Cote (584,4) zu. Sieht man ab von den noch immer nicht endgültig festgestellten Höhen- differenzen der Vergleichsniveaux des „Berliner Normal-Null“, des Amster- 8 Ferdinand Linge. damer Pegel-Nullpunktes, des Mittelwassers der Nordsee und des General- horizontes des bayerischen Präcisionsnivellements, so kann man einfach annehmen, dass das Niveau, welches 588,435 m unter der erwähnten Höhenmarke liegt und kurzweg als „Nordsee“ bezeichnet ist, mit dem idealen Niveau der Erd- oberfläche zusammenfällt, das den Krümmungshalbmessern angehört, die sich aus den Bessel’schen Erddimensionen ergeben. Es ist das hier um so mehr statthaft, als es sich im vorliegenden Falle nur um den Abstand des See- spiegels vom Kriimmungsmittelpunkt, d. i. um den Krümmungshalbmesser dieses Niveaus handelt, wobei natürlich die Höhendifferenzen von Vergleichs- horizonten gleichzeitig im umgekehrten Sinne an den Beträgen der Kriimmungs- radien in Rechnung zu bringen wären, wodurch die Höhenlage solcher Ver- gleichshorizonte gänzlich bedeutungslos bleibt. Bei dieser Annahme addirt sich jene Meereshöhe des Würmseespiegels von 584,4m zu dem Krümmungsradius des Meeresniveaus für die geographische Breitenlage des Sees. Dieser letztere tritt mit seinem Nordufer bis 175 m an den Parallelkreis von 48° Breite und erstreckt sich nur wenig über 10 Bogenminuten südwärts; die mittlere geographische Breite wäre demnach 47° 55’; doch soll hier der Krümmungshalbmesser von 48° Breite in Ansatz gebracht werden.!) Dieser beträgt für das Meeresniveau 6370 020,1 m (0,82), hierzu die Höhe des Sees über letzterem zu 584,4 m, giebt als Krümmungsradius des Seespiegels 6370 604,5 m. 1) Der Krümmungsradius ist nicht zu verwechseln mit dem Halbmesser des nämlichen Oberflächenpunktes ; dieser verbindet den letzteren mit dem Mittelpunkt des Erdellipsoides, jener dagegen fällt mit der Lothlinie zusammen, welche den Winkel halbirt, den die zu den beiderseitigen Brennpunkten laufenden Radienvectoren desselben Punktes einschliessen. Er berechnet sich nach der Formel: a(1—e?) Q Fr v4 3 (1—e? sin? p)? wobei a die halbe grosse Achse, e die numerische Excentricität und g die geocentrische Breite, d. i. den Neigungswinkel des Halbmessers mit der grossen Halbachse, bezeichnen. Im Aequator ist der Krümmungsradius 42 565” kürzer als die grosse Halbachse, im Pole 42078” länger als die kleine, und im 48. Breitengrad um 4348” grösser als dessen Halbmesser, von dem er um 11’ 27” diesseits abweicht und reicht hierdurch 23 476% über die Aequatorial-Achse hinunter. Kimmbeobachtungen am Starnberger See. 9 Mit diesem Werth berechnet sich für einen Centriwinkel von 10’ in meridionaler Richtung : die Bogenlänge!) (des Seespiegels) zu. 2.2.2.2... 18581,367 m, diesSchne ;diesesyBogensd)szusisch iii’ ib. al 531,529, die Tangente der Mitte des Bogens oder dessen Horizont?) zu 18 531,346 m, die Höhe des -Bogens (in der Mitte)4) u s . . En 6,664 m, der lothrechte Abstand von Sehne und Tangente an aan End- punkten), d. i. die beiderseitige Depression aus der Mitte zu 6,675 m, die Länge des Bogens im Meeresniveau würde betragen . 18529,g66 m mithin nur 1,70, m weniger als in 584,4 m darüber. Diese überraschend kleinen Längendifferenzen allein schon lassen ersehen, wie auf diese Erstreckung der Betrag der Krümmung der Erdoberfläche noch äusserst gering ist. 5) In Richtung einer Linie des Sees, welche, den Vorsprung des Ost- ufers tangirend, die Ufer von Starnberg und von Seeshaupt in grösster un- gebrochener Distanz verbindet, hat derselbe eine Länge von 19500 m; diesem Bogen entspricht ein Mittelpunktswinkel von 10° 31’36.%) Für diesen Winkel berechnet sich die Höhe des Bogens des Wasserspiegels zu 7,4609 m?) oder rund 7,; m, und die Depression des letzteren aus einem Endpunkte unter dessen Horizont bis zu dem anderen zu 29,9938), also rund 30 m. 1) Der Meridiangrad in 48° Breite hat im Meeresniveau eine Bogenlänge von 111178”, im bezeichneten Niveau des Seespiegels von 111 188,905” | s E 2) Halbe Sehne, — — 0X sin 5’. o m t St 3) Halbe Tangente, — = @ >< tang 5’. 4) Bogenhöhe, hn = 0 — 0X cos 5’ = o(1—cos 5’). 5) Abstand Ae an den Bogenenden, d. i. Depression aus der Mitte: Be “0 = 12 cos 5’; (Ne 0) OMO E00 ee tang 5’ : een) SS) = aan BAR S (cos 5’ J e sin Ai y 9:0 19 500. e OA 24 1 IRB 057 7) hm = ọ (1 — cos 5'15%s). Einfacher rechnet sich mit der Formel: H rt . DH . . ln = 2 sin? =, 0, wobei œ die Lotheonvergenz ist, also fm == ọ. 2 . sin? 2’ 37%s. tang 3 5 Shee o E SE =) wobei œ die Lotheonvergenz = 10’ 3 Ki £ sin « Nova Acta LY. Nr. 1. 2 10 Ferdinand Lingg. Um dieses Krümmungsverhältniss in der Natur prüfen zu können, ist es nicht ausführbar, den Augpunkt mit Fernrohr am Ufer in den Wasserspiegel selbst zu verlegen; berechnet man aber für eine bestimmte Höhe desselben über dem letzteren die Entfernung desjenigen Punktes des Wasserbogens, dessen Horizont durch diesen erhöhten Augpunkt geht, so braucht man nur für die weitere Distanz von diesem Scheitelpunkt, genannt „Kimm“, bis an das jenseitige Ende des Wasserbogens dessen Senkung besonders zu berechnen, und hat man mit deren Betrag die Höhe, in welcher über dem jenseitigen Uferpunkte die ungebrochene, die Kimm tangirende Visirlinie aus dem Aug- punkte hinziehen wird. Wählt man für die Höhe des Augpunktes über dem Wasserspiegel rund 2 m, so ergiebt sich als Entfernung der Kimm von diesem Punkte für den bezeichneten Kriimmungshalbmesser ein Centriwinkelt) von 163”43 und eine Distanz?) von 5 048,012 m oder eine Bogenliinge) von 5 048,038 m. Dieser Abstand der Kimm ist für jene Aughöhe nach allen Richtungen über die Wasserfläche gemeinsam gültig. In der besagten Richtung der See- länge von 19500 m bleibt demnach für die Entfernung des jenseitigen Ufer- punktes von der Kimm eine Distanz von 14452 m und ein Mittelpunkts- winkel von 467’; diesem entspricht eine Depression*) des Seespiegels unter den Kimmhorizont von: 16,398 oder 16,4 m,?) in welcher Höhe über dem See- spiegel der Kimmhorizont also das Ufer von Starnberg erreicht oder durchzieht. 1) (othe)? = 02+ (0. tang &)?, das giebt: und für tg —= Om sonach tang o — —— g /2 ho + hè tang & / ` om n 2) 7™:111188%25 = 163/45 : 3600”. 9) | ==.0.tang.¢ — le o 5) Würde man anstatt dem Krümmungshalbmesser für 48° Breite denjenigen für ', welcher um 93” kürzer ist, anwenden, so würde diese Differenz für den niimlichen Centriwinkel nur um 0,955 ®® weniger betragen. Ein Bogen mit dem letzteren Radius senkt sich unter einen solchen mit dem ersteren Halbmesser aus einem gemeinsamen Niveaupunkt auf 5 Minuten um nur 0,,”®, und auf 10’ erst um 0,4™™. Kimmbeobachtungen am Starnberger See. ink Vorversuch. 6) An einem hierfür günstigen Nachmittag, am 9. September des Jahres 1886, nahm ich nun in dem bezeichneten Uferpunkte bei Seeshaupt Aufstellung, befestigte in 2 m Höhe über Wasser mein Fernrohr an einem Baume und richtete dasselbe auf Starnberg ein. Was ich in dem hierdurch im Fernrohr fixirten Bilde am bestimmtesten unterscheiden konnte war, von den über dem Wasserscheitel noch wahrnehmbaren Gebäudetheilen, etwa die Hälfte der Giebelhöhe der Siidfront des Gasthofgebäudes zum „Bayerischen Hof“. Gemäss der später erhobenen Niveauverhältnisse dieses Gebäudes hat der besagte Giebel eine Höhe von 3 m und liegt deren Mitte 15,3 m über à dem damaligen Niveau des Seespiegels; der Betrag von 1,1”, um welchen die Kimm sonach unter dem Niveau ihres Horizontes erschien, ist offenbar die Wirkung der Refraction, welche einem Coefficienten von k = 0.03353 entsprechen wiirde, der auch zur Zeit der Beobachtung, um 5 Uhr Abends, ganz gut be- standen haben kann. Diese Versuchsbeobachtung belehrte mich, dass mein Fernrohr der Distanz Seeshaupt-Starnberg zu diesem Zwecke nicht gewachsen ist, und dass ich mich mit der kürzeren Strecke begnügen musste, welche mir mein Urlaubs- domicil Bernried bequemer bot. Beobachtungspunkt. 7) Ich wählte mir deshalb dortselbst eine zu solchen Beobachtungen passende Stelle, einen mir uneingeschränkt zugänglichen Baum, unmittelbar an dem Wasserrand und brachte auch hier das Fernrohr genau 2 m über demselben an. Die Entfernung der Kimm blieb demnach die schon be- zeichnete von 5048 m oder 16343 Centriwinkel. Beobachtungsmethode. 8) Meine Absicht ging nun dahin, kennen zu lernen, was sich mit diesem einzigen Beobachtungsmittel, das wohl jeder Tourist mit sich führt, zunächst über dem Wasserscheitel sichtbar zeigt, in einer Richtung, in welcher hinter der Kimm Gebäude aufragen, die in ihrer entgegensehenden Front Merkmale besitzen, durch welche sich die scheinbare Höhenlage der Kimm GE 12 Ferdinand Linge. bezeichnen lässt. Nachträgliche Erhebungen über die Höhenverhältnisse der ins Auge gefassten Gebäudefronten würden dann in den Stand setzen, das Niveau festzustellen, in welchem der die Kimm passirende Sehstrahl der Visur dieselben erreichte, sowie dasjenige, in dem sie von dem Horizont der Kimm getroffen oder durchschnitten werden. Die Differenz dieser beiderlei Niveaux bildet den Betrag der strahlenbrechenden Wirkung der Atmosphäre. Fernrohr. 9) Das Fernrohr, das ich hierzu benützte, hat ein terrestrisches Ocular von vier Linsen, ein Objectiv von 400 mm Brennweite und 34 mm Durch- messer Oeffnung und eine l5malige Vergrösserung. Das für eine geschehene Einstellung darin zwischen dem, dem Auge nächsten, Linsenpaare erzeugte Bild bleibt innerhalb des durch die Diaphragmen begrenzten Gesichtsfeldes, für eine bestimmte Stellung des Auges in der Verticalebene der Fernrohr- achse, natürlich fix; also um so sicherer, wenn man so in das Fernrohr blickt, oder umgekehrt dasselbe derart auf das Object einrichtet, dass die Ränder des Gesichtsfeldes und des Diaphragmas concentrisch erscheinen. t) Der Mangel eines Fadenkreuzes, wie die astronomischen Oculare solche haben, ist sonach für diese Beobachtungsmethode von keiner Bedeutung, bei welcher es sich einzig nur darum handelte, wahrzunehmen, welche Höhen- marken der jenseits der Kimm sichtbar werdenden Gegenstände mit dieser zusammenfallen, also der nämlichen Visirlinie, oder richtiger dem gemeinsamen Lichtstrahl angehören — und das zeigten natürlich die Bilder im Fernrohr ohne Weiteres. 1) Eine Aenderung der Höhenlage des Auges um n-Millimeter über oder unter die Fernrohrachse würde nichts Anderes bedeuten, als eine gleichwerthige Aenderung der Höhe des Augpunktes über dem Seespiegel. Abgesehen von der hiermit verbundenen Verschiebung der Kimm, würde deren Horizont in den Entfernungen der bezüglichen Vergleichsobjecte proportional dieser sich unter jenen senken, welcher durch die Fernrohrachse geht; d. i. für Starnberg rund (10000:5000 = 2) x» und für Leutstetten rund 14000:5000 oder kaum 3><, und Jan == 26,9527" — 400 ><67,3g2™™ — 202x hı. Daraus erhellt, dass es innerhalb der Grenze bis @ = 10’ vollkommen correct ist fir J, == ni, stets han = 2? >< tang 10° : at 1 rt ai Det ak wie mit jener 4 = 5 x 0x2.sin? — = S ant, 0. Kimmbeobachtungen am Starnberger See. 47 Scheinbare Lage des Lichtpunktes. 64) Aber diese Kimmpunkte aller Blickrichtungen und alle Objectpunkte, welche mit den ersteren zusammenfallen, erscheinen dem das Fernrohrbild be- schauenden Auge nicht in der wahren oder wirklichen Höhenlage oder Rich- tung, wie diese in dem Längenprofil ersichtlich ist, sondern alle in ein und der nämlichen Richtung der Tangente des letzten Bogenelementes dieses Licht- strahles, d.i. der Neigung, mit welcher dieser an das Fernrohrobjectiv gelangt, und welche die Achse des Fernrohres erhält, wenn dieses mit der Mitte der Höhe des Gesichtsfeldes auf die Kimm eingestellt wird. Diese Tangente bildet mit der Sehne zur scheinbaren Kimm einen Winkel Az, = SCH = 18%, und mit der Sehne zu den mehrfach bezeichneten viereriei Objectpunkten des beispielsweise construirten Lichtweges in ähnlicher Weise die Winkel: 485%, 487%, 490%, 608%, 10 10 10 und -p oder 48%, 48%, 49% und 60). Um diese Verticalwinkel erscheinen also dem visirenden Auge diese 5 Objecte über ihrer wahren Höhenlage, was bei den Entfernungen: 5644, 15 000, 15050, 15160 und 18800 m eine Täuschung von 0,5, 3,53, 3,55, 3,60 und 5,5 m hervorruft. Zieht man a hiervon obige Beträge der Senkung des Lichtstrahles unter den Horizont der wahren Kimm ab, so erhält man als Elevation der scheinbaren Höhenlage iiber diesen Horizont: 0,444, 1,25, 1,25, 1,26, und 1,57 m, deren obere Endpunkte alle der geraden Linie der scheinbaren Höhenlage aller einzelnen Punkte des construirten tangirenden Lichtstrahles angehören, und welche Linie sich um den Winkel von 60'3;—43%6 — 17’ über den Horizont der wahren Kimm erhebt (was in der Schlossfront von Leutstetten eben jene 1,57 ausmacht). Man findet diese gemeinsame Richtung der scheinbaren Höhen- lage aller Punkte des construirten Lichtstrahles im Profil durch eine Linie angedeutet. Aus diesem Zusammenfallen aller von der directen geraden Verbindungs- linie zwischen Augpunkt und Lichtpunkt ungleich abweichenden Zwischen- punkte eines Lichtstrahles in eine gemeinsame scheinbare Lage erhellt am besten, welche Verzerrung der Bilder durch die Strahlenbrechung zu Stande kommt. ii un nn u aa a 48 Ferdinand Lingg. Zenithdistanz des Lichtpunktes. 65) Der Winkel, welchen diese Linie mit der Lothlinie des Beobachtungs- punktes einschliesst, wäre die Zenithdistanz, welche als „scheinbare“ an dem Verticalkreis des Theodoliten abgelesen würde, dessen Fernrohr an die Stelle des benützten gedacht werden kann. Addirt man zu dieser scheinbaren Zenithdistanz die eben ermittelten Winkel zwischen Tangente und Sehne, d. i. die Refraction am Augpunkt, so erhält man die Werthe der wahren Zenithdistanz der betreffenden Licht- punkte für diesen. 66) Zieht man in ähnlicher Weise die Tangente irgend eines Punktes dieses Lichtstrahles, denselben als Lichtpunkt betrachtet, so wird wieder der Winkel A = des von diesen beiderlei Punkten eingeschlossenen Centriwinkels « sein miissen, , welchen diese mit der Sehne von da zum Augpunkt bildet, — insofern Aa = Az, vorausgesetzt bleibt, und darum wird auch der Winkel Gë unter welchem sich die beiderlei Tangenten des Augpunktes und des Licht- punktes kreuzen, als äusserer Nebenwinkel der Spitze eines gleichschenkeligen Dreiecks gleich 2 mal Ze a, d.i. 2 x S a, also die Gesammtrefractions — ka sein. Auch auf der Seite des Lichtpunktes ist selbstverständlich der Winkel, welchen die Tangente desselben mit seiner Lothlinie macht, derjenige der „scheinbaren Zenithdistanz“ des anderen Endpunktes des Lichtbogens für diesen Aufstellungspunkt. Ist wirklich Az, 2, so sind auch diese beiderlei scheinbaren Zenithdistanzen unter sich gleich, nämlich Z— liegen Licht- und Aug- punkt in dem nämlichen Niveau, so durchschneiden sich ihre Tangenten in der Mitte ihres gegenseitigen Abstandes. Negativ gebrochener Vergleichsstrahl. 67) Für alle diese Seh-Strahlen kann aber in Wirklichkeit der Refractions- coefficient , welchem hier beispielsweise der schon etwas seltene, beträchtliche Werth von 0,1 gegeben ist, sich nicht nur bis auf Null vermindern, in welchem Falle der Lichtsrahl mit der geraden Verbindungslinie durch Object- oder Lichtpunkt und Augpunkt, und im vorliegenden Fall — als die Kimm tangirend — mit der Horizontlinie der wahren Kimm zusammenfällt, sondern auch über diesen Werth hinaus negativ, z.B. — 0, werden. Solche Fälle negativer Refraetion entstehen dadurch, dass in den von den beziiglichen Theilen des Kimmbeobachtungen am Starnberger See. 49 Lichtstrahles durchzogenen Schichten der Atmosphäre die Dichte nach auf- wärts — anstatt abzunehmen — zunimmt, was durch eine zu langsame Ab- nahme der Temperatur mit der Höhe zu Stande kommen und zu einem labilen Gleichgewicht dieser Höhenschichten führen kann. Findet dieses schon von der Wasserfläche an statt, so wird der Lichtstrahl auf seinem Wege von da nach aufwärts in höhere Luftschichten oder, mit Bezugnahme auf unseren speciellen Fall eines die Kimm tangirenden Lichtstrahles, dieser, indem er von diesem Berührungspunkte weg in Richtung des Horizontes desselben seinen Weg zu verfolgen beginnt, also in eine dem Wasserspiegel aufliegende nächst- höhere Luftschichte übertritt, welche anstatt weniger. nun mehr dicht ist als jene, anstatt sich von dem von unten nach oben gerichteten Einfallsloth zu entfernen, zu diesem sich nähern und darum von der zuvor innegehabten Richtung nach aufwärts abweichen; indem sich diese Aenderung des Licht- weges mit Zunahme der Luftdichte wiederholt, erhält derselbe eine gekriimmte Richtung nach aufwärts, welche ihre convexe Seite nach abwärts gegen die ursprüngliche Richtung hat, die in dem hier im Auge behaltenen Falle nichts anderes ist, als der Horizont der wahren Kimm. Bei diesem Verhältniss ge- staltet sich also der ganze Lichtweg mit Bezug auf diese Horizontlinie ganz so, als wenn der Brechungscoefficient positiv wäre, aber in symmetrisch um- gekehrtem Sinne, anstatt beiderseits unter diese sich senkend, nun über diese sich erhebend. 68) In Folge dessen wird aber der die wahre Kimm tangirende Strahl die Lothlinie des Beobachtungspunktes über dem Augpunkte passiren; in den letzteren dagegen wird nur ein Strahl gelangen können, dessen Berührungs- punkt nunmehr diesseits von der wahren Kimm liegt. Der Horizont dieses Tangirungspunktes muss sich hierbei gegen den Augpunkt zu um soviel unter diesen neigen, dass die Hebung dieses diesseitigen Strahlzweiges über diesen Horizont, welche wieder $ mal der Lothconvergenz y zwischen der schein- baren Kimm und dem Augpunkte beträgt, zugleich ; der Depression des Wasser- 5 bogens unter diesen Horizont ausmacht, und dass beide Dimensionen zusammen gleich der Höhe des Augpunktes über Wasser, d.i. hier — 2m, seien. Nennt man die Dimension jener Hebung des Lichtstrahles w, so wird jene der Senkung des Wasserbogens unter den Horizont der scheinbaren Kimm = 2 — uw, mithin u = OC 5u — 2—u und 6u = 2 m also u = 3 Meter. Nova Acta LV. Nr. 1. 7 50 Ferdinand Lingg. Hiermit ergiebt sich als Lothconvergenz zwischen Augpunkt und scheinbarer Kimm ein Centriwinkel y = 1493!) und als Bogenlänge der Abstand 4602,83 m; der Abstand dieser scheinbaren Kimm von der wahren beträgt sonach 163,443 — 149,03 = 14,413 oder 5048 — 4603 = 445 m, und der Abstand der letzteren von dem Durchschneidungspunkte des Horizontes der- selben mit jenem der scheinbaren : = = 222, m. 69) Die Entfernungen der viererlei Beobachtungsobjecte von diesem letzteren Punkte werden nun 10 174,5, 10224,5, 10 334,5 und 13974,5 m, und darnach ergiebt sich die Hebung des Horizontes der scheinbaren Kimm iiber jenen der wahren — bei der Abweichung beider Horizonte um 14% — zu 0,7104 m, 0,7139 m, 0,7216 m und 0,9757 m. 70) Die Distanzen von der diesseitigen scheinbaren Kimm nach den- selben Objecten betragen nun nach Bogenlängen 10397 10447 10557 und 14197 m, und nach Centriwinkeln 336’ 3385 341’ und 459er. Hieraus berechnen sich wieder nach den bezeichneten beiderlei Formeln in gleicher Weise die Hebungen des Lichtbogens mit dem negativen Re- fractionscoefficienten = — 0,1 über jenen Horizont der scheinbaren Kimm zu 1,694, 1,713, 1,749 und 3,160 m. 71) Addirt man diese beiderlei Hebungen, so erhält man als Höhen, in welchen der Lichtbogen die viererlei Objecte über dem Horizont der wahren Kimm trifft oder denselben entstammt, die Verticalabstände: + 2,404, + 2,497, + 2,471 und + 4,136 m. Diese sind demnach um 0,127, 0,130, 0,132 und 0,156 m grösser, als die bezüglichen Senkungen des Lichtbogens positiver Refraction. 72) Die Richtung aber, in welcher alle Punkte dieses negativ ge- brochenen Lichtstrahles dem Auge erscheinen, und damit auch jene der Achse des Fernrohres, wenn die Kimm in der Mitte des Gesichtsfeldes liegt, senkt sich unter den Horizont der wahren Kimm um 15754. Die Retraction Az 1) Nachdem wu = „m und die Senkung des Horizontes der scheinbaren Kimm 5 F 5 K . Bu 2 / ` unter jenen der wahren 2™—w oder —™ beträgt, ist D + er = 02-1 (0 tang y)?, also š 3 \ 3 tang y = Va SETZ und y — 149%. 30 Kimmbeobachtungen am Starnberger See. 51 hat dieselbe Grösse, wie bei dem positiv gebrochenen Strahl von gleichem Refractionscoefficienten, nämlich ; a, und beträgt also auch hier für die Schloss- front von Leutstetten 0,1 >< 6087 = 60%; dies giebt für die Entfernung von 18800 m einen Verticalabstand von 5,551 m, welcher, hier im Falle der nega- tiven Strahlenbrechung nach aufwärts, sich von dem 4,136 m über dem Horizont der wahren Kimm liegenden Lichtpunkte nach abwärts aufträgt und sonach noch um 1,45 m unter diesen Horizont reicht. Diese Tiefe ergiebt auf 18800 m jenen Neigungswinkel von 15754, welcher für alle Punkte dieses Lichtstrahles als scheinbare Tiefenlage derselben der gleiche, also con- stant bleibt. Demselben entsprechen als Tiefen unter dem Horizont der wahren Kimm für die viererlei Beobachtungsobjeete die Abstände von 1,194, 1,127, 1.133 und — wie eben benützt — 1,15 m. 73) Das für den positiv gebrochenen Strahl bezüglich der scheinbaren und wahren Zenithdistanz bereits Gesagte gilt für den negativ abgelenkten Lichtstrahl mit dem Unterschiede, dass hier die Refraction von der schein- haren Zenithdistanz zu subtrahiren ist, um die wahre zu erhalten. 74) Auch dieser Bogen des die Kimm tangirenden Lichtstrahles für die negative Refraction von + = —0, ist nach diesen berechneten Zahlen- werthen mit der Höhenverjüngung von 3/399 im Längendurchschnitt auf- getragen. Nutzen der beiderlei Vergleichsstrahlen. 75) Nun lässt sich in dem letzteren einfach zeigen, welchen Einfluss die Verschiedenheit der Refraction auf das Sichtbarsein von Schiffen hat, die jenseits der Kimm das Gesichtsfeld des Fernrohres passiren; zu diesem Zwecke sind die auffälligsten Niveaux des Dampfschiffes Wittelsbach darin an jenen Stellen angedeutet, an welchen dasselbe auf seinem Cours von Possenhofen und von Starnberg nach Leoni die Visirlinie nach Leutstetten kreuzt. Man sieht hieraus, dass, während dasselbe bei einer Refraction null in dem näheren Kreuzungspunkte bis an die halbe Höhe des Salonaufbaues und im Ferneren nur bis an den unteren Rand des Sonnenschutztuches sichtbar bleibt, das freie Bild dieses Dampfers bei einer Refraction = + 0,1 im ersteren Punkte bis nahe an das Unter- oder Hauptdeck, im letzteren nur bis etwas mi 7 or bo Ferdinand Linge. unter das obere Deck herabreicht, und bei einer negativen Refraction k 2 im ferneren sogar nur bis an die Firstlinie des Sonnenschutztuches geht, also =-—0,; dagegen im näheren Punkte nur in die gleiche letztere Höhe und hier nur mehr den Schlot zeigt. 76) Mit Zuhülfenahme dieser so beispielsweise für den Refractions- coefficienten £ = + 0,1 construirten Lichtstrahlenwege lassen sich nun die Be- obachtungsergebnisse durch Vergleich der Abweichungsbeträge auf die ihnen zukommenden Coefficienten untersuchen. Vergleichungsmethode. 77) Nach dem Vorausgegangenen kann man den Bogen des die schein- bare Kimm tangirenden und in den Augpunkt gelangenden Lichtstrahles auch auffassen, als eine Senkung desselben unter die Linie der scheinbaren Höhen- lage seiner Punkte; welche Abweichung in jedem derselben gleichfalls ganz nahe E mal Lotheonvergenz, oder (2 >< $ =) k mal der Depression des Wasser- bogens vom gleichen Centriwinkel betragen wird. Diese letztere nimmt aber im Quadrat der Zunahme des Centriwinkels zu, während die Erhebung der scheinbaren Höhenlage über den Horizont der wahren Kimm nur einfach pro- portional der Entfernungen vom Augpunkte wächst. Mit dieser Zunahme des Theiles der einseitigen Refraction für den Augpunkt über dem wahren Kimm- horizonte ist demnach jene des unter diesem Horizonte verbleibenden Theiles nicht proportional mit Bezug auf die Entfernung vom Augpunkte; wohl aber wird, für ein und die nämliche Entfernung oder Lothlinie, das Verhältniss dieser beiderlei Theile über und unter dem wahren Kimmhorizonte zum Be- trage der ganzen Täuschung oder der Refraction Az,, bei einer Aenderung des Coefficienten E constant bleiben, da beide Theile Producte mit dem Factor A sind. Handelt es sich also nur darum, für bestimmte Objecte aus den Be- obachtungen der scheinbaren Höhenlage der Kimm über oder unter dem wahren Kimmhorizont die hierbei geherrscht habenden Werthe von % durch Vergleich dieser Abstände mit jenen für den bestimmten Werth Zu berechneten Dimension abzuleiten, so wird man dieses ebenso correct können aus dem besagten Theile der Refraction unter und bezw. über dem wahren Kimmhorizont, als aus dieser selbst. Der Verticalabstand des Licht- D punktes für > = 0,2 berechnet sich für Leutstetten zu — 7774 m, während Kimmbeobachtungen am Starnberger See. 53 das Zweifache desjenigen für 5 = Uu etwas mehr, nämlich 2 x — 3,979 = ) e k d ; — 7,953 m beträgt, was einem Werthe von 5 = 0,206 entsprechen würde; bei der angewandten Vergleichungsmethode ergeben sich die Werthe des Refractions- coefficienten fiir positive Strahlenbrechung sonach bis zu 3 Procent zu klein. Für eine negative Refraction von 2 = — l2 berechnet sich gleichfalls für Leutstetten die Elevation des Lichtstrahles über den Horizont der wahren Kimm zu 8,3666 m, wogegen das Doppelte derjenigen bei 5 = — 01 nur 2 >< 44357 = 8,2714 m ergiebt, welche einem Refractionscoefficienten von nur 0,19772 entsprechen würde; in diesen Fällen negativer Strahlenbrechung wird der letztere demnach durch die bezeichnete Vergleichungsweise um 1,14 Procent zu gross beurtheilt. Nachdem eine Ermittelung des Refractionscoefficienten auf Tausentel genau aber überhaupt nicht erforderlich wird, muss diese Methode, dieselbe durch Vergleichung der beobachteten Verticalabstände der Lichtpunkte von dem Horizonte der wahren Kimm mit den berechneten für 5 = + 0, vor- zunehmen, umsomehr als völlig ausreichend genau erachtet werden, als die Beobachtung dieser Abstände selbst schon eine solchen Anforderungen ent- sprechende Genauigkeit nicht gewähren kann. 78) Dividirt man die aus der Taf. 3. Fig. II entnehmbaren, also be- obachteten Verticalabstände der scheinbaren Höhenlage der Kimm von dem Horizont der wahren Kimm durch die berechneten der Ausgangspunkte der Lichtstrahlen für i = + Uu von gleichem Vorzeichen, multiplicirt man dann diesen Quotienten mit 0,ı und wechselt man schliesslich das Vor- zeichen, so erhält man also genau genug den Werth von = welcher der be- treffenden Beobachtung an dem bezüglichen Objecte zukommt. 79) Um diese Werthe aus den Diagrammen selbst wenigstens an- nähernd ersehen oder schätzen zu können, sind darin diejenigen Niveaux durch auffällige Linien markirt, in welchen der Refractionscoefficient die Werthe ee lien, Ueberblickt man nun mit Rücksicht auf diese Verhältnisse die dreierlei Diagramme, so wird wohl ziemlich allgemein befremden, bis zu welchen er- staunlichen Beträgen die beobachteten Kimmbewegungen eine Variation der Refraction repräsentiren und bedingen. 54 Ferdinand Lingg. Ursachen der beobachteten auffälligen Schwankungen der Refraction. 80) Gegenüber diesem Ergebniss muss zunächst darauf hingewiesen werden, dass die Refractionscoefficienten, welche bei trigonometrischen Mess- ungen sich ergeben oder umgekehrt in Rechnung gebracht werden, die zur ürlangung möglichst genauer Resultate ausgeführt werden, im Allgemeinen darum nur wenig von mittleren Werthen abweichen, weil solche geodätische Arbeiten ihres Zweckes wegen nur bei Witterungsverhältnissen und zu Tages- wie Jahreszeiten vorgenommen werden, welche die möglichst kleinsten oder nach den bisherigen Erfahrungen thunlichst sicher zu beurtheilenden Coefficienten mit sich bringen; die auf solche Weise gewonnenen mittleren Werthe schliessen aber keineswegs aus, dass unter Verhältnissen, welche für derlei Zwecke um- gangen werden, so beträchtliche Extreme derselben zu Stande kommen können, wie sie aus den hier untersuchten Beobachtungen sich ergeben.!) 1) In den schon unter Bemerkung 8. 42 erwähnten „Beiträgen zum Studium der terrestri- schen Strahlenbrechung“ von Herrn Major Hartl führt derselbe ein Beispiel an, „wie rapid die Refractionsänderungen in den ersten Morgenstunden sein können, wenn der Weg des Licht- strahles nicht sehr hoch über dem Boden liegt.“ Am 16. Juli 1881 fand er auf dem trigonometrischen Punkte Iszäk (Kirchthurm, 30 km südwestlich von Kecskemét in Ungarn), das Heliotropenlicht auf der Spitze der nördlich davon gelegenen Pyramide Erdöhegg pointirend — bei einer Entfernung dieser beiden Punkte von 28260 m und deren Höhen über Boden von 16 m und 13 m — in der Zeit von 5 Uhr bis 6 Uhr Morgens eine Aenderung der Zenithdistanz von 90° 1’ 39” auf 900 3’ 48”, und bis 10 Uhr 3 Minuten noch bis zu 90° 4’ 24”. Daraus berechnete Hartl den Höhenunter- schied für die dreierlei Zeitpunkte zu — 13,5 m, dann -— 81,9 m, und schliesslich — 36,2 m. Für eine Seehöhe von etwa 124 m und die dortige geographische Breite von 46° 50’ ergiebt sich für das Niveau der Fernrohrachse der Krümmungsradius zu 6368860 m, die Niveaudepression auf die Entfernung des Lichtpunktes zu 62,33 m und die Lothconvergenz beider Punkte zu 915.4 SE ID Unter Höhenunterschied ist übrigens hier nicht der Niveauunterschied der beiderlei Punkte, sondern der mit der Refraction variable Unterschied der Höhenwinkel der scheinbaren Lage des Lichtpunktes, bezogen auf den scheinbaren Horizont verstanden, nämlich h =T x tang (R — 3). Der eigentliche Höhenunterschied, nämlich die Niveaudifferenz zwischen Augpunkt und Ga a N 1—k S Liehtpunkt, berechnet sich nach der Formel 4 = 7/ >< tang (R—z) Le 12, worin das 20 letzte Glied den Betrag der Reduction auf den wahren Horizont bildet, nämlich Depression des Niveaus minus Refraction, bei welchem jedoch von (20 ~- 4) das A gegen 20 vernachlässigt erscheint. Nachdem die Zenithdistanz mit der Zeit zugenommen, hat um eben diese Differenzen die Refraction abgenommen, was auch mit dem Umstande übereinstimmt, dass (bei heiterem or or Kimmbeobachtungen am Starnberger See. Eigenthümlichkeit der Beobachtungsmethode hinsichtlich der Refractionserscheinungen. 81) In dem Wesen der hier in Betracht kommenden Verhältnisse liegt zudem ein markanter Unterschied gegen diejenigen, unter welchen bei geodä- tischen Erhebungen der Betrag der Strahlenbrechung ermittelt oder eingeführt wird: bei solchen wird dieselbe nämlich für ein bestimmtes Object als Differenz zwischen wahrer und scheinbarer Zenithdistanz desselben festgestellt, während bei jenem Verfahren die Kimm als Tangirungspunkt des fraglichen Strahles benützt wird, um die Höhen- oder Tiefenlage bestimmter Punkte desselben an ausgewählten Objeeten in Bezug auf den Horizont dieser Kimm zu erheben, wobei also nichts Anderes beobachtet wird, als die Abweichung des dieselbe tangirenden Strahles von diesem Horizonte in den durch die Beobachtungs- objecte gegebenen Entfernungen derselben von dieser Kimm. Himmel) die Dichte der Luft um 5 Uhr Morgens rascher nach abwärts zunimmt als um 10 Uhr Morgens — zumal über Festland. RS Ge : S J OF. k Nimmt man an, dass um letztere Zeit die Refraction dem Coefficienten — — Das ent- k sprach, so ergiebt sich fiir 5 & = 0,05 >< 9154, der Werth = 45/762. Die wahre Zenith- distanz wäre darnach 90° A 24”-+ 45'e == 90° 5’ 10”. Daraus berechnet sich die wahre Lage des Lichtpunktes unter dem scheinbaren Horizonte des Fernrohres zu 42,354 m und über dem wahren Horizont desselben zu 62,833 — 42,354 == 20,479 m. Bei dieser Lage des Lichtpunktes findet man die Werthe des Coefficienten für die Refraction zu den Stunden 5 und 6 Uhr Morgens aus den gemessenen Zenithdistanzen einfach dadurch, dass man die Differenz zwischen diesen letzteren und jener um 10* beobachteten zur Refraction Az == A8 en addirt und die Summe durch die Loth- convergenz 91554 dividirt; auf diese Weise erhält man als Refractionscoefficient für 6 Uhr k Morgens = Un, Die Aenderung der Refraction von k Alain. 5 == op und für 5 Uhr Morgens 5 5 Uhr über 6 Uhr bis 10 Uhr Morgens bestand demnach in einer Abnahme einer positiven k j d Strahlenbrechung von > == 0,93 auf 0,09 und Dun, und betrug also in der ersten Beobachtungs- stunde 0,14 und im Ganzen Das, Die letzteren Differenzen der Werthe des Refractionscoefficienten würden natürlich für jeden anderen Anfangswerth die nämlichen bleiben. Mit diesen dreierlei Werthen von 2 ergiebt die letztbezeichnete Formel (in Folge der darin enthaltenen Abkürzung) für jeden Fall +-20,95 m. Aus diesem Beispiele ersieht man recht überzeugend, wie unsicher die Ergebnisse der Berechnung von relativen Höhenlagen auf Grund von Beobachtungen der Zenithdistanz bleiben, wenn man nur einen mittleren Werth für den Refractionscoefficienten in Rechnung zu bringen vermag, und weiter auch, wie unthunlich es überhaupt sein würde, zur trigonometrischen oder nivellitischen Ermittelung solcher relativen Höhen eine Zeit zu benützen, während welcher die scheinbare Zenithdistanz eines Objectes beträchtlich variirt. N i N 56 Ferdinand Lingg. In dem ersteren Falle wird also die variable Richtung der schein- baren Lage eines Objeetpunktes beobachtet, in dem letzteren dagegen die wahren Niveaux, in welchen der den Seespiegel tangirende Sehstrahl wirk- lich auf die Beobachtungslothe verschiedener Entfernungen trifft. 3ei jenem Verfahren kann die wahre Höhenlage des Lichtpunktes nur durch nivellitische Ermittelung gewonnen werden, um den Betrag der Strahlen- brechung festzustellen, oder die erstere durch Einführung eines gewissen Werthes der letzteren bestimmt werden; bei dieser Methode aber müsste um- gekehrt die scheinbare Höhenlage der beobachteten wahren Niveaux der Lichtpunkte erst durch Einführung eines Refractionscoefticienten aus den Ent- fernungen derselben abgeleitet werden, welcher übrigens in der ausführlich angedeuteten Vergleichsweise annähernd gefunden werden kann. Der einzige Umstand, welcher hierbei nicht ausser Acht bleiben darf, ist der, dass für die beobachteten wahren Niveaux verschiedene Berührungs- punkte des Seespiegels bestehen, wie das ja für jeden Lichtpunkt der Fall sein würde, wenn man unter dessen Strahlbogen einen mit der Krümmung der Wasserflächen concentrischen Bogen zur Berührung bringen wollte. Ich möchte glauben, dass gerade diese Eigenthümlichkeit des besagten Verfahrens, anstatt scheinbare Lageverhältnisse, wahre zu beobachten, demselben einen praktischen Vorzug verleiht, um die Beträge der Strahlen- brechung augenscheinlich kennen zu lernen; und dass dieses hiermit erreicht wird, findet den einfachsten Nachweis in dem Umstande: dass, wenn die Refraction zufällig Null ist, der Lichtweg des den Wasserspiegel tangirenden Strahles genau mit dem Horizont der wahren Kimm zusammenfällt, welcher die Nulllinie bildet. 82) In der Theorie der Verhältnisse, wie ich diese auffasse und dar- gelegt habe, vermag ich keinerlei Irrthümer oder Fehler zu entdecken; und eben- sowenig in der praktischen Anwendung derselben die Mitwirkung von optischen Täuschungen, die ich nicht selbst schon beobachtet bezw. in Rechnung ge- bracht, und welche die scheinbaren annormalen Ergebnisse hervorgerufen haben und einfach erklären würden. Ich bin deshalb auch der bestimmten Meinung, dass diese letzteren alle dureh die localen physikalischen Eigenthiimlichkeiten in den einzelnen Theilen der Strahlenwege wirklich erzeugt wurden, und darum auch durch diese allein missen erklärt werden können. j Or -i Kimmbeobachtungen am Starnberger See. Locale physikalische Verhältnisse. 83) Diese Unterschiede der physikalischen Verhältnisse in den einzelnen Wegstrecken bestehen einerseits in der örtlich wechselnden Beschaffenheit der Erdoberfläche, und andererseits in den zeitlich variirenden Zuständen der darüber liegenden Atmosphärenschichten in Folge der Aenderung, welche deren Temperatur und Feuchtigkeit im Vorschreiten der Tageszeit oder durch eine von dieser unabhängigen Aenderung der Bewölkung und des Wetters iber- haupt erleidet. 84) Hinsichtlich der Beschaffenheit der Oberfläche kommen, nachdem sowohl der Beobachtungspunkt in Bernried, wie die Beobachtungsobjecte in Starnberg sich unmittelbar am Ufer des Sees oder in nächster Nähe hinter demselben befinden, nur zweierlei Fälle in Betracht: zunächst die 15 km lange Strecke der offenen Seefläche von Bernried bis Starnberg und bezw. an den Wiirm-Auslauf und dann die 31/ km lange Strecke Geländes vom letzteren bis an das Schloss von Leutstetten. Lufischichten über der Seefläche. 85) Was die darüber Jagernden Luftschichten betrifft, so sind deren Zustände nur innerhalb jener Höhen hier von Belang, bis zu welchen die Beobachtungsobjecte aufragen, insofern deren freie Bilder und ihre Spiegel- genossen hierbei zu berücksichtigen sind. Die Luftschicht, welche von den die Kimm tangirenden Sehstrahlen durchzogen wird, erstreckt sich demnach bis in das höchste beobachtete Niveau der scheinbaren Höhenlage der Kimm, d. i. für das Nordufer des Sees rund 16 m und für das Schloss von Leutstetten 26 m; diejenige, welche die freien und damit auch die Spiegelbilder liefert, dehnt sich für das letztere noch um 13 m höher, d. i. bis zu 39 m über den Seespiegel aus. Diese maximalen Höhen reduciren sich aber mit Abnahme der negativen Refraction dann durch den Uebergang in positive Refraction und mit Zunahme dieser bis in das beobachtete Maximum derselben bis auf das entgegengesetzte Extrem, die minimalen Höhen von 2 m für das Nord- ufer und etwa 5 m für die Schlossfront. Diese beträchtliche Amplitude der Höhenschwankung der von den die Kimm tangirenden Sehstrahlen durchzogenen Luftschicht zeigt am auffälligsten die Verschiedenheit des Verlaufes der verticalen Dichteverhältnisse dieser Nova Acta LY. Nr. 1. 8 58 Ferdinand Lingg. unteren Luftschichten bei entgegengesetzten Refractionsbeträgen; man ersieht daraus, wie in dem Falle der grössten beobachteten positiven Strahlenbrechung die rascheste Abnahme der Luftdichte nach aufwärts sich bei 15 km Er- streckung des Sehstrahles auf die untersten 2 m beschränkt, während in dem Falle der grössten beobachteten negativen Strahlenbrechung die bedingte Zu- nahme der Luftdichte nach aufwärts bei der gleichen Distanz erst in 16 m Höhe, also, wie natürlich, sehr langsam oder allmählich stattfindet. In welcher Weise diese Zunahme der Dichte mit der Höhe vor sich geht, lassen die abnormen Proportionen der einzelnen Höhentheile der freien Bilder der Objecte erkennen. 86) Untersucht man nun die Beziehungen zwischen diesen Verhält- nissen und dem durch die Diagramme dargestellten zeitlichen Auftreten und Verlauf der verchiedenen scheinbaren Kimmhöhen, so ist bezüglich der letzteren zunächst hervorzuheben, was schon bei den Darlegungen der Beobachtungen selbst erwähnt wurde: dass dieselben durchgehends in den früheren Tages- stunden, also ausnahmslos damit anfangen, als Folge der nächtlichen Zustände der betreffenden Luftschichten einer relativ hohen Lage anzugehören und von einer Spiegelung begleitet zu sein. Die Diagramme lassen aber weiter er- sehen, dass diese hohen Kimmlagen durch negative Strahlenbrechung hervor- gerufen werden, und wie demnach eine solche zum grösseren Theile der Tages- stunden derjenigen Jahreszeit besteht, während welcher die bezüglichen Beobachtungen angestellt wurden. Diese anfänglichen hohen Lagen der Kimm erhielten sich um so länger, je feuchter die Luft in Folge vorausgegangener Regen oder eben erst verschwundener Nebel war, oder je mehr der Be- wölkungsgrad eine intensive Sonnenstrahlung verhinderte. Zeitliche Aenderung der Luftzustände über Wasser. 87) Man kann nun annehmen, dass während der vorausgegangenen Nacht, insbesondere wenn diese klar war, durch Ausstrahlung der Wärme in den Weltraum die Luft sich in der Art abgekühlt hat, dass, wenigstens inner- halb der hier in Betracht kommenden unteren Schichten, diese in einem Maasse nach abwärts sich wärmer erhalten haben, welches eine, wenn auch natürlich nur geringe Abnahme der Dichte nach unten zur Folge hat. Dieses Verhält- niss kann über der Seefläche sehr wohl eintreten, indem die Oberfläche der Kimmbeobachtungen am Starnberger See. 59 relativ grossen Wassermasse bei der beträchtlichen Wärmecapaeität des Wassers und darum auch die derselben unmittelbar aufliegenden Luftschichten sich jedenfalls weit langsamer und weniger abkühlen als die darüber befindliche Luft, während im Gegentheil das feste Land, je nach seiner Bodenbeschaffenheit sich mehr oder weniger beträchtlich unter das Maass der darüber lagernden Luft abkühlt und diese eine Abnahme der Temperatur in den unteren Schichten bis an den Boden erfährt, und damit eine Zunahme der Diehte in dieser Richtung bewahren wird. Zugleich dauert über der Seefliiche der Process der Verdunstung, wenn auch nur entsprechend der geringeren Oberflächentemperatur, fort, und erhöht die bereits bestehende Dichteabnahme der Luft nach unten. Diese Verhältnisse steigern sich bis zum Sonnenaufgange. Mit diesem beginnt die rasch zunehmende Wirkung der Insolation, welche zunächst, so weit die grosse Wärmeleitungsfähigkeit und Wärme- capacität der Wassermasse es zulässt, mit der Erwärmung der diese bedecken- den Luftschieht von unten durch Leitung und Strahlung nach oben beginnt, wobei also die unteren Luftschichten immer mehr an Wärme gewinnen, als die oberen: auf diese Weise kann sich das über Nacht zu Stande gekommene labile Dichteverhältniss am Tage Anfangs, also des Morgens, noch steigern. Die durch die rasche Zunahme der Insolation der Wasserfläche in den frühen Morgenstunden bewirkte Vermehrung der Verdunstung führt bei der raschen Abnahme der Temperatur nach oben leicht zur Bildung von Nebel, innerhalb welchem die Temperatur tiefer bleibt, als diese sich ausserhalb desselben heben kann. Dieser letztere Umstand bewirkt auch in der Richtung des diesen Wechsel in der Beschaffenheit des Mediums durchschreitenden Licht- strahles eine negative Brechung, und so vereinen sich die bezeichneten Ver- hältnisse zu einem Zustande der Luft in den früheren Stunden des Tages, welche eine negative Refraction der Sehstrahlen sehr begreiflich er- scheinen lassen. Indem aber der Tag vorrückt, die Sonne höher steigt und die Insolation an Dauer und Intensität wächst, nimmt die Erwärmung der Luft über dem Wasser in einem Maasse zu, dass die dasselbe bedeckenden untersten Schichten derselben durch den Entzug eines Theiles ihrer Wärme von Seite des nur EE? 60 Ferdinand Lingg. sehr langsam sich erwärmenden und an seiner Oberfläche immer intensiver verdunstenden Wassers in ihrer Temperatur zurückbleiben hinter derjenigen der höheren Schichten, welche diese Wärmeabgabe nicht erleiden und zugleich durch Reflex der Sonnenstrahlen und Zunahme des Wasserdampfes selbst immer mehr durchwärmt und leichter werden. Auf diese Weise ändert sich mit dem Fortschreiten und Höherdringen der Durchwiirmung der Luft das Dichteverhältniss derselben der Art, dass diese von oben nach unten immer mehr rasch zunimmt, wobei die anfänglich bestandene negative Strahlenbrechung allmählig bis auf Null abnimmt, in eine positive übergeht und als solche wieder zunimmt, so lange die Dichteänderung in dem besagten Sinne sich steigert. Hat die Temperatur der Luft ihr Maxi- mum erreicht, so tritt auch in der Zunahme der Refraction ein Stillstand ein, und wenn hierauf die erwärmte Luft wieder beginnt, sich abzukühlen, so tritt in den Abendstunden ein Rückgang in der Aenderung ihrer Dichteverhält- nisse und ein Uebergang zu den bereits geschilderten nächtlichen Vor- gängen ein. Ueber diesen unteren Luftschichten aber kann sich bei Windstille und zunehmender hoher Temperatur die Luft bis zu einem labilen Gleichgewicht durchwärmen, welches gewöhnlich nur durch einen verticalen Austausch der Luftschichten in Form eines Gewittersturmes in ein stabiles Gleichgewicht zurückkehrt. Ist die Witterung einer der bisher angenommenen entgegengesetzte, ist der Himmel bedeckt und die Temperatur nur mässig, so verlangsamt sich die Aenderung der Dichteverhältnisse der Luft räumlich und zeitlich, und ver- flachen sich damit die Abweichungen der Lichtstrahlen vom directen Wege, die Beträge der Refraction bleiben geringer und damit auch diejenigen der scheinbaren Bewegung der Kimm. Tritt noch ein erheblicher Grad von Luft- feuchtigkeit dazu, so steigert sich diese Verflachung der Verhältnisse und Verlangsamung ihrer Aenderung noch mehr. Aenderung dieser Verhältnisse über Land. 88) Diese physikalischen Verhältnisse über der Seefläche gestalten sich mit dem Uebergange auf das feste Land etwas anders, und so auch für die Kimmbeobachtungen am Starnberger See. 61 Strecke vom Nordufer des Sees bis an das Schloss von Leutstetten. Dieselbe besteht zwar nur aus niedrigem, feuchten Wiesenboden mit vereinzelten Bäumen und Buschwerk, aber immerhin besitzt dieser die Eigenschaft, sich durch In- solation leichter zu erwärmen und durch nächtliche Ausstrahlung mehr ab- zukühlen als die Oberfläche des Sees. Die Aenderung der Dichteverhältnisse der diesem Gelände auflagernden unteren Luftschichten muss darum mit der- jenigen über dem See einen Gegensatz bilden, welcher um so mehr wirksam wird, je mehr sich Insolation oder Ausstrahlung steigern. Indem diese ent- gegengesetzten Verhältnisse aber beiderseits von Nacht zu Tag wechseln, so müssen sie in den Uebergängen der Morgen- und Abendstunden sich kreuzen und zusammenfallen und der Gegensatz derselben zu diesen Tageszeiten so ziemlich verschwinden. Auf diese Weise erklärt sich der Umstand, dass ein Wechsel der Strahlenbrechung zwischen diesen zweierlei Strecken zu den früheren Tages- stunden, zu welchen die Kimm stets hoch erscheint, nie auffällig zu beobachten war, während die Zeit der abendlichen Kreuzung dieser Gegensätze, wenigstens in der Jahreszeit, zu welcher diese Verhältnisse beobachtet wurden, schon in die Dunkelheit fällt. Zu den wärmeren Tagesstunden, während welcher die Kimm sich senkt, wie überhaupt im Verlaufe des Tages zwischen den Morgen- und Abendstunden, mag der besagte Gegensatz, welcher ja nur im Frontbild des Schlosses von Leutstetten wahrgenommen werden kann, wohl durch die vielfach beobachteten abnormen Höhenverhältnisse der einzelnen Theile Theiles der- r desselben in Erscheinung treten, und so die Ursache eines selben sein. Wirkung von Nebeldünsten. 89) Eine besondere Besprechung erheischt der Fall, wenn anstatt un- sichtbaren Wasserdampfes als Feuchtigkeit in der Luft condensirtes Wasser in Form ` von Nebelkörperchen enthalten schwebt. Dass dieser Zustand der Luft auf die sie durchziehenden Lichtstrahlen eine starke negativ brechende Wirkung ausübt, das haben die zahlreichen Beobachtungen bei schwindendem Nebel genügend erwiesen; auf welche Weise aber dieser Einfluss hervorgerufen wird, hierfür scheint die Erklärung nicht nahe zu liegen, und da mir nicht = Se ao D Ferdinand Lingg. bekannt ist, dass eine solche schon irgendwo ausgesprochen und zu finden wäre, bleibt mir die Aufgabe, eine solche selbst zu versuchen. 1 Eine negative Refraction bedingt, dass in der Richtung der Zunahme dieser Abweichung von dem geradlinigen Lichtwege die von ihm durch- zogenen Luftschichten dichter werden und hierbei der Brechungsindex zunimmt; dieses Verhältniss kann für Lichtstrahlen, welche den Boden des Luftmeeres an der Kimm des Seespiegels berühren, in der Richtung von dieser weg hinaus in höher gelegene Schichten nur stattfinden bei einer sehr raschen Ab- nahme der Temperatur in dieser Richtung, so dass, ungeachtet der sonst be- stehenden Abnahme der Dichte der Schichten nach aufwärts, diese sich in eine Zunahme derselben umkehrt, wodurch ein labiles Gleichgewicht in dieser Schichtenfolge entsteht. Dass diese Umkehrung aber einen solchen Grad er- langt, wie es bedingt wäre, um die durch Nebel hervorgerufenen bedeutenden negativen Ablenkungen zu erklären, ist jedoch nicht wahrscheinlich. Denn nicht nur, dass eine solehe Umkehrung der natürlichen Aenderung der Dichte mit der Höhe innerhalb der mit Nebel erfüllten Luftschichten schon darum nicht mit dem Bestande des Nebels vereinbar ist, weil dieser in den unteren, in solchem Falle ungewöhnlich wärmeren Theilen nicht zu Stande kommen könnte, ist es im Gegentheil ein als normal erkanntes Verhältniss, dass Nebel auf dem Grunde des Luftmeeres ihre Existenz einem sehr stabilen Gleich- gewicht desselben verdanken, das eben durch den Mangel verticaler Aus- gleichsbewegungen und bei kaltem Boden am leichtesten eintritt.2) 1) In der rein optischen Wirkung der Wasserkügelchen, welche den Nebel bilden, für die Strahlen einer in oder hinter demselben befindlichen Lichtquelle, darf eine Erklärung nicht gesucht werden, denn diese Wirkung besteht einfach darin, dass mit Zunahme der Dichte des Nebels die Fortpflanzung des Lichtes in die Ferne abnimmt, indem zugleich in Folge der sich steigernden Anzahl und Nähe der Kügelchen die an diesen reflectirt und in denselben gebrochen- werdenden Lichtstrahlen sich derart zerstreuen, dass sie zu einem an Intensität zunehmenden diffusen Lichte zusammentreffen, dessen Ausdehnung gleichzeitig kleiner wird. Umgekehrt ver- liert das letztere bei Abnahme der Nebeldichte an Intensität, seine Ausdehnung wächst und damit auch die Erstreckung der Fortpflanzung der einzelnen Lichtstrahlen. Das Gleiche gilt natürlich für die Strahlen einzelner Lichtpunkte der Oberfläche greifbarer Objecte und landschaftlicher Bilder, um welche es sich hier nur handelt. Ein anderes Verhältniss besteht, wenn die Strahlen einer intensiven Lichtquelle einen Nebel durchdringen; dabei können, wenn die Kügelchen desselben sehr gleichmässig klein und vertheilt sind, Beugungsringe zur Erscheinung gelangen. 2) „Meteorologische Zeitschrift“ 1885, S. 30: W. Köppen» Ueber Bildung von Bodennebeln. Kimmbeobachtungen am Starnberger See. 63 90) In den verticalen dynamischen Verhältnissen der mit Nebel er- füllten Gebiete scheint demnach die Ursache der durch diesen bewirkten negativen Strahlenbrechung nicht zu liegen, und muss dieselbe mithin in der Aenderung der Dichte in Richtung der Längenerstreckung des Lichtweges gesucht werden, ; Auf dieser besteht auch in der That eine solche an sich schon in dem Uebergange des von den Lichtstrahlen durchzogenen Mediums aus Luft mit mehr oder weniger Wassergehalt in Dampfform in solche mit flüssigem in Form von Nebelkügelchen. Dieser flüssige Wassergehalt verleiht der damit gemengten Luft die in der vorliegenden Frage sehr belangreiche und darum beachtenswerthe Eigen- schaft einer dem Wasser eigenen grösseren Wärmecapacität und zugleich Wärmeleitungsfähigkeit. In Folge davon sinkt die Temperatur des mit Nebel erfüllten Raumes über Nacht ebenso, wie jene der trockenen Luft ausserhalb desselben: die Dichte der kalten, nassen Luft nimmt zu, diese senkt sich mehr zusammen, und so entsteht über erkaltetem, festen Boden, wie auch in Folge nächtlicher Condensation des Wasserdampfes über wärmerer Wasserfläche das oben betonte gesteigerte stabile Gleichgewicht. Wenn nun nach Sonnenaufgang die Insolation eine Erwärmung der die Nebelmassen umgebenden Luft bewirkt und zugleich jene selbst von Sonnen- strahlen beschienen wird, dann beginnt an deren Rande ein Verdunstungs- process, welcher alle an dieser Aussenfläche des Nebels neu auftretende Wärme absorbirt; hierdurch wird jede Steigerung der "Temperatur im Nebel selbst verhindert, welche bei der eben bezeichneten Eigenschaft desselben ohnehin nur äusserst langsam vor sich gehen könnte. Indem also der Nebel verdunstet und allmählich lichter wird, behalten die noch bestehenden Massen das über Nacht erreichte Temperaturminimum und Dichtemaximum bei, während die durch die Insolation der Erdoberfläche bewirkte Erwärmung der äusseren Luft diese auflockert und leichter macht. Dieser Gegensatz wird sich bei fortgesetzt ungehinderter Bestrahlung durch die Sonne so lange erhalten, bis der Nebel an der bestimmten Stelle verschwunden ist, worauf sich dann die Temperatur derselben mit jener der Umgebung allmählich ausgleicht und damit auch das Dichteverhältniss. Le 64 Ferdinand Linge. LK 91) Wenn demnach Beobachtungsobjecte, welche anfänglich für den Beobachter durch Nebel maskirt. sind, bei dessen Abnahme oder Rückzug allmählich in Erscheinung treten, werden die Lichtwege der einzelnen Bild- punkte beim Austritt aus demselben eine Abnahme der Dichte des durch- zogenen Mediums erfahren und dadurch eine nach abwärts convexe Krümmung erleiden, also eine negative Refraction aufweisen. Indem dann auf dieser Bahn die Luft immer mehr gleichmässig frei und trocken wird, gelangt wieder die verticale Dichteänderung zu herrschender Geltung, so dass die zuerst negative Strahlenbrechung allmählich abnimmt, bis sie Null wird, dann in positive übergeht und als solche im weiteren Vorschreiten des Tages sich bis zu jenem Maximum steigert, das entsprechend dem Verlaufe der Witterungs- verhältnisse erreicht wird. Hierbei muss der die Kimm tangirende Lichtstrahl seine nach abwärts convexe Krümmung verflachen, bis er geradlinig mit dem Horizont der wahren Kimm zusammenfällt, und dann — sich nun convex nach aufwärts krümmend — unter diesen sich senken bis in die Tiefe, welche dem erreichten Refractionsmaximum entspricht. Gleichzeitig ändert sich damit — wie später noch eingehend besprochen werden soll —, wenn die Wasserfläche spiegelt, sowohl die Lage, als auch die Länge der Spiegelbilder derart, dass diese letzteren bei der eingetretenen grössten positiven Refraction und damit erreichten tiefsten Senkung des tan- girenden Lichtstrahles die scheinbar geringste Länge zeigen. Aehnlich, wie eben aus einander gesetzt, wird es sich mit der gleichen Wirkung verhalten, welche sich auch an trüben Tagen bedeckten Himmels zeigt, wenn die leichten Nebeldünste zwischen dem Beobachter und den Beobachtungsobjeeten sich durch grössere Ausdehnung derselben zu den näm- lichen Erscheinungen steigern. Zur scheinbaren Bewegung der Kimm im Allgemeinen. 92) Zum Schlusse der Besprechung der beobachteten Bewegung der Kimm mag noch angeführt werden, wie es längst als eine Thatsache anerkannt wird, dass die Luftschichte an der Erdoberfläche, am Grunde der Atmosphäre, die grösste und rascheste Variation der Temperatur räumlich und zeitlich er- fährt, indem — nach den Beobachtungen von Wild 1872/74 und von Bec- querel 1875 — Teemperaturänderungen in 16, 20 und 26 m über Boden vor- | Kimmbeobachtungen am Starnberger See. 65 kommen, welche tägliche Variationen des Refractionscoefticienten in der Luft- | | schichte zwischen 2 m und 20 m Höhe im Betrage von — 0,1 Mittags bis + 0,5 Nachts zur Regel machen.') |l Bei der Methode, den die Kimm tangirenden Visirstrahl zur Beobach- | tung von Refractionsänderungen zu benützen, ist eben die Durchschneidung | der untersten Luftschichten bis an den Seespiegel durch diesen Strahl von | ganz besonderer und entscheidender Bedeutung für die Beobachtungs- ergebnisse. Indem in diesen untersten dichtesten Schichten die Aenderung der | | Dichte mit dem Wechsel der Schichten am raschesten ist, so ist auch der Betrag der Refraction beiderseits der Kimm am grössten und damit auch t die Senkung oder Erhebung des Strahles in diesen Theilen seines Weges am ausgiebigsten; so dass für alle Fälle bedeutender Refractionscoefficienten, bezw. rascher Aenderung der Luftdichte über Wasser, auch nicht mehr die unteren Refractionswinkel Az, den oberen äusseren Az, gleich gedacht werden dürfen, sondern Az, > AZ, angenommen werden muss. Da bei dem angewendeten Verfahren der Refractionswinkel des Lichtpunktes praktisch gar nicht in Erscheinung tritt und zur Beachtung gelangt, sondern nur die grössere Ab- weichung 4 Theil der Erklärung der beobachteten grossen Senkungen und Hebungen der I ‚ von der Kimm aus, so liegt auch in diesem Umstande ein | Strahlen unter und über dem Horizont der wahren Kimm, sowie der daraus | sich ergebenden bedeutenden Werthe des Retractionscoefficienten. d 93) Um Verwechselungen in der Vorstellung über die bezüglichen Ver- d hältnisse vorzubeugen, mag hier einschaltungsweise bemerkt werden, dass, wenn man einen Lichtstrahl nach seiner Richtung von oben nach unten, also | hier von dem Lichtpunkte oder von dem Augpunkte zur Kimm, verfolgt, um | das Verhältniss zwischen dessen Refraction und dem Dichtewechsel der von | ihm auf diesem Wege durchzogenen Luftschichten in Ueberlegung zu ziehen, ! man sich die Richtung der Einfallslothe natürlich gleichfalls von oben nach | 1) „Helmert: Die mathematischen und physikalischen Theorien der höheren Geo- däsie“. II. Theil. 1884, 8. 580. Man beachte auch die darin S. 578 gegebene Tabelle der | Aenderung des Refractionscoefficienten, bei Aenderung der Lufttemperatur nach oben für , 100 m um — 3° bis + 3° C., in den Höhen von 760, 660 und 560 mm Luftdruck. Nova Acta LY. Nr. 1. 9 Ferdinand Lingg. Ca Ca unten zu denken hat; im Gegensatz zu dem umgekehrten Verhältnisse, welches stattfindet, wenn man den tangirenden Strahl von der Kimm weg, also von unten nach oben verfolgt. Die nicht tangirenden Lichtstrahlen. 94) Bisher wurde nur der die Wasserfläche tangirende Sehstrahl in Betrachtung gezogen, um die beobachteten scheinbaren Höhenlagen der Kimm und die Bewegungen der letzteren hinsichtlich der diesen zu Grunde liegenden physikalischen Vorgänge und der Beträge der auf diese Weise in Erscheinung tretenden Strahlenbrechung zu untersuchen. Nachdem sich aber die geschilderten Beobachtungen ausserdem auch auf dasjenige ausgedehnt haben, was sowohl über oder jenseits der Kimm in den diese überragenden freien Bildern des Hintergrundes, als auch vor der- selben auf der diesseitigen übersehbaren Wasserfläche wahrnehmbar wurde, muss zur Erklärung dieser Erscheinungen auch der Gang derjenigen Seh- strahlen besprochen werden, durch welche einerseits oberhalb des die Wasser- fläche tangirenden Strahles die freien Bilder der Beobachtungsobjecte jenseits der Kimm und andererseits diejenigen der Wasserfläche diesseits und unter- halb derselben in das Auge des Beobachters, bezw. durch dessen Fernrohr gelangen, und dann bezüglich jener der Wasserfläche, insbesondere diejenigen, welche zugleich in den betreffenden Punkten aus dem Hintergrunde einfallende Lichtstrahlen reflectiren und mit einander Bilder spiegeln. 95) Immer und alle bezogen auf ein und den nämlichen fixen Aug- punkt — 2 m über dem Seespiegel — sind sonach dreierlei Sehstrahlen zu unterscheiden: jene über dem tangirenden, welche die Wasserfläche nicht be- rühren; solche, von dieser kommend, unter dem tangirenden Lichtstrahle, und noch derartige, welche, vom Wasserspiegel reflectirt, den freien Bildern darüber entstammen. Bei dieser Trennung ist zu beachten, dass die Sehstrahlen nach der Wasserfläche sämmtlich auf ihrem Wege vom Augpunkte an diese in tiefere Niveaux ziehen und alle aus dem nämlichen Niveau, dem des Seespiegels, in den gleichen Vereinigungspunkt, das Auge gelangen, während diejenigen vom letzteren zu den freien Bildern über der Seefläche und der Kimm, innerhalb der untersten 2 Meter über derselben, gleichfalls sich nach abwärts in tiefer gelegene | | | ei Kimmbeobachtungen am Starnberger See. 6 Schichten senken und über dem Niveau des Augpunktes dagegen in höher liegende Schichten sich heben — Unterschiede, welche mit Rücksicht auf die variirende verticale Diehteänderung der Luft natürlich von grossem Be- lang sind. Aenderungen der scheinbaren Niveaudifferenzen an Beobachtungs- objecten. 96) In den Fällen, in welchen in den unteren Luftschichten — um welche allein es sich hier handelt, also etwa bis zu 20 m oder höchstens bis in das Niveau des Firstes vom Schlosse zu Leutstetten, d. i. 38 m über dem Seespiegel — ein stabiles bis indifferentes Gleichgewicht besteht und demnach die herrschende Strahlenbrechung positiv ist, wird der Betrag der letzteren am grössten sein für die Lichtstrahlen nach der Wasserfläche, geringer für jene zwischen dieser und dem Niveau des Augpunktes, und noch mehr und fort- gesetzt abnehmend für diejenigen, welche sich über dieses Niveau erheben. Der Betrag der Strahlenbrechung ist aber nichts Anderes, als die Abweichung der- wirklichen Lage des Lichtpunktes von dessen scheinbarer Lage, nämlich die Refraction des Augpunktes, d. i. der Winkel zwischen der den letzteren mit dem ersteren verbindenden Sehne und der 'Tangente des letzten Bogen- stiickes des Lichtstrahles am Auge. Indem nun diese Refraction für die nach abwärts gerichteten Strahlen grösser ist, als diejenige für die sich über diese erhebenden, so erscheinen gleichzeitig die unteren Bildpunkte höher über ihrer wahren Lage, als die oberen und in Folge dessen selbstverständlich die verticalen Abstände der beiderlei Bildpunkte oder der Gesichtswinkel, unter welchem sie wahrgenommen werden, kleiner, als er in Wirklichkeit ist, und auf diese Weise erklärt sich das Verhältniss, wenn Bilder unter ihrer normalen Grösse, also „unternormal“ oder klein erscheinen. Herrscht momentan aber ein labiler Gleichgewichtszustand in den von den bezüglichen Sehstrahlen durchzogenen Luftschichten, so ist die Folge da- von eine negative Strahlenbrechung; ist dieselbe, ähnlich wie in den vorigen Fällen die positive, nach abwärts zunehmend, so werden die unteren Bild- punkte tiefer unter ihrer wahren Lage erscheinen, als die oberen, und darum die Verticalabstände der Bildpunkte länger und die Bilder höher erscheinen, als ohne Strahlenbrechung, sie werden „übernormal“ oder gross. Lee = — = 68 Ferdinand Lingg. 97) In der Unstetigkeit der Höhen der freien Bilder, d. h. in der wechselnden Höhe, in welcher bestimmte Niveau-Unterschiede dieser letzteren erscheinen, verrathen sich am besten die Aenderungen, welche in den verti- calen Dichteverhältnissen der von den bezüglichen Sehstrahlen durchzogenen Luftschichten vor sich gehen, sowie die Unterschiede dieser Verhältnisse bei ungleichem Aussehen der nämlichen Bilder zu verschiedenen Zeiten oder zu gleicher Zeit an verschiedenen Bildern. So erscheinen bekanntlich Kähne und Schiffe häufig, und zwar bei feuchter, trüber Witterung,‘ insbesondere nach Regenfällen, höher als sonst, selbst bei dem Anblicke des Gebirges in einer Entfernung, wie etwa zu München, aber auch näher, wird ein hierauf achtsames Auge nicht selten durch einen befremdend hohen Aufzug desselben überrascht und andernfalls durch einen verhältnissmässig oder ungewöhnlich geringen. 1 98) Besonders leicht wahrnehmbar werden solche Unregelmässigkeiten in den Höhenverhältnissen von Bildern bei Objecten, welche wie die zu meinen Beobachtungen ausgewählten Gebäudefronten — eine markante Gliede- rung in verschiedene Höhentheile bieten, was insbesondere bei dem Schlosse 1) Verschiedene Wirkungen der Strahlenbrechung in einem landschaftlichen Bilde. Aus den vorstehenden Untersuchungen ist schliesslich auch zu entnehmen, welcher Art die Wirkungen der Strahlenbrechung sind, die — ebensowohl wie bei Betrachtung der hier behandelten ,,Kimmbilder“ speciell — auch allgemein bei dem Anblicke landschaftlicher Bilder überhaupt in einer Weise zur Geltung kommen, wodurch die darin erscheinenden Höhen- verhältnisse mehr. oder weniger beträchtlich von den nicht wahrnehmbaren wirklichen ab- weichen. Diese Wirkungen lassen sich in nachbezeichneter Weise unterscheiden: Vor Allem die Krümmung des Lichtstrahles, durch welche nicht nur die Lage des Endpunktes desselben von der Richtung der geradlinigen Visur abweicht, sondern zugleich mit diesem alle von dem Lichtbogen durchschnittenen Punkte in der nämlichen scheinbaren Richtung zusammenfallend in Erscheinung treten, und zwar an Stelle derjenigen Punkte, welche in der letzteren wirklich liegen; hierdurch allein schon wird also offenbar eigentlich der ganze Raum, welcher bei dem Anblick eines Landschaftsbildes von den Lichtwegen aller Oberflächenpunkte desselben durch- fälscht darstellen. Ein Nächstes ist, dass zu- zogen wird, sich in seinen Höhenverhältnissen ¢ gleich alle diese Punkte überdies in einer anderen Höhenlage erscheinen, als die sie in Wirk- lichkeit einnehmen. Indem diese scheinbare Höhenlage aber von der Entfernung des bezüglichen Punktes vom Augpunkte abhängig ist, ändert sich dieselbe für die verschiedenen Bildpunkte je nach deren Abständen in ungleicher Weise, was eben dazu führt, dass — wie eben gesagt — Kimmbeobachtungen am Starnberger See. 69 von Leutstetten der Fall ist, dessen Südfront drei gleichartige Etagen über einander zeigt. Aus dem eben Dargelegten geht hervor, wie für die schon aufgeführte Wahrnehmung, dass bei hoher Kimmlage stets die Fenster der unteren Etagen höher, als die darüber befindlichen erschienen, die eigentliche Ursache hiervon einfach eine Zunahme der Dichte der Luft nach aufwärts in diesen unteren Atmosphärenschichten war, also ein labiles Gleichgewicht, dessen Zustande- kommen in den früheren Tagesstunden bereits erklärt wurde. Diese Abnahme der Bildhöhen nach aufwärts bedingt und verräth hiermit schon ebenso sicher die gleichzeitig herrschende negative Strahlenbrechung, wie diese sich un- abhängig hiervon nach dem Ergebnisse des Auftrages der beobachteten schein- baren Höhenlagen der Kimm in den Diagrammen für deren hohe Lage über allen Zweifel darthut. 99) In ähnlicher Weise lässt sich aus den am 24. September Abends beobachteten entgegengesetzten Höhenverhältnissen der riesigen Höhe des Hötelgebäudes auf der Rottmannshöhe oben gegen die fadendiinnen Streifen- bilder der Salondampfer unten auf dem See ein für diese Tageszeit sehr alle Punkte des Lichtbogens in der einzigen Richtung der Tangente desselben für den Augpunkt erscheinen. Weiter kommt dann, ausser der Art und der Stärke der an einer Stelle mo- mentan herrschenden Strahlenbreehung, noch in Wirkung und Betracht, sowohl die örtliche Aenderung dieses Verhältnisses mit der Höhe, wie mit der Längenerstreckung des von den Strahlen der Lichtpunkte des ganzen Bildes durchzogenen Raumes, als auch die zeitliche Aende- rung der Refraction während des Verlaufes der Beobachtung. Diese Vielseitigkeit der auf die Höhenverhältnisse eines landschaftlichen Bildes ent- scheidenden Einfluss übenden Wirkungen der Strahlenbrechung durch die Atmosphäre und deren ununterbrochen schwankenden Zustände lässt zur Genüge erkennen, dass die in solcher Weise entstehenden Bilder in ihren Niveauverhältnissen keineswegs mit den wahren übereinstimmen, und dass die Abweichungen von diesen sehr vielfältig variiren können. Folgen hiervon für photographische Aufnahmen solcher Bilder. Hieraus, wie aus anderen diesbezüglichen früheren Darlegungen geht klar hervor, dass photographische Aufnahmen landschaftlicher Bilder, deren Hintergrund in Gestalt von Höhen- zügen oder Bergen hoch aufragt, nicht geeignet sind, die Höhenverhältnisse des Bildes in seinen Bestandtheilen unter einander richtig zu beurtheilen oder abzuleiten, indem der Betrag der Strahlenbrechung je nach den bei der Aufnahme stattgehabten localen physikalischen Zuständen der Luft in den einzelnen Höhentheilen des Bildes gegenseitig sehr beträchtlich wechseln konnte, 70 Ferdinand Linge. charakteristisches Verhältniss der verticalen Dichtevertheiling der Luft ent- nehmen: oben auf der Höhe festen Landes, noch von den Strahlen der Sonne gestreift, eine, in den zu unterst darüber liegenden Schichten die grösste, bereits nach oben rasch abnehmende Durchwärmung der Luft, in Folge dessen eine nach aufwärts ungewöhnliche Zunahme der Dichte und deshalb eine ebenso ausserordentliche negative Refraction; unten, unmittelbar über der bereits in Schatten gerathenen Seefläche eine durch die Wärmeabsorption des Wassers nur mehr wenig und darüber aber von der Summe der Bestrahlung des ganzen Tages durch noch voll durchwärmte Luft, sonach eine aussergewöhnliche Abnahme der Dichte derselben nach oben und damit eine ebenso selten be- trächtliche positive Refraction und Steigerung der Reduction der Bildhöhen in umgekehrter Richtung. Zeitliche Aenderungen an Bildhöhen. 100) Hinsichtlich der von mir am 24. August d. J. beobachteten, be- reits geschilderten Bewegungen und Verwandlungen im Frontbilde des Schlosses zu Leutstetten lässt sich gleichfalls unter Berücksichtigung der bisher dar- gelegten Beziehungen zwischen den ursächlichen und wirklichen Verhältnissen und dasselbe dadurch in verschiedener Weise von den wirklichen Proportionen abweichend in Erscheinung treten musste. Wollte man beispielsweise aus einer der bestehenden Photographieen vom Ausbruche des Vesuy am 26. April 1872 aus der bekannten Höhe dieses Vulkans die Höhe ermitteln; bis in welche sich im Momente der Aufnahme die Wolkenballen von Aschen- und Dampf- massen über dessen Gipfelkrater erhoben haben, so würde man einen grossen Irrthum begehen, anzunehmen, dass diese beiderlei Höhen in Wirklichkeit in gleichem Verhältnisse proportional jener in der photographischen Aufnahme waren — und dies ganz besonders in dem hier ge- wählten Falle, bei welchem die Atmosphäre über dem Vulkan mindestens bis an die obere Grenze der sichtbaren Auswurfsmassen in eine ganz ausserordentlich und vielleicht nach auf- wärts zunehmend hohe Temperatur und in eine dieser und den mit ausgestossenen grossen Mengen Wasserdampfes entsprechend verhältnissmässig äusserst geringe Dichte versetzt worden sein muss. Die Strahlenbrechung wird in Folge dessen von oben nach abwärts in ganz un- gewöhnlichem Maasse zugenommen haben; die Lichtstrahlen müssen darum sehr beträchtlich convex nach aufwärts über die directe Verbindungslinie zwischen Object und Beobachtungspunkt gekrümmt in dem letzteren angelangt sein; die Tangenten des Augpunktes der aus den obersten Theilen des Bildes eintreffenden Strahlen werden sonach eine wesentlich grössere Ablenkung von jener Verbindungslinie nach aufwärts gehabt haben, als diejenigen aus den unteren Theilen des Bildes stammenden Strahlen, und so werden sich die Höhen der Bildpunkte in nach auf- wärts zunehmendem Grade zu gross darstellen. { z -z Kimmbeobachtungen am Starnberger See. oder Vorgängen und den dadurch zu Stande kommenden Erscheinungen, und insbesondere der hierbei entstehenden Abweichungen der scheinbaren von der wirklichen Lage von Bildpunkten, sowie des Abstandes oder der Niveau- differenz verschiedener solcher, eine befriedigende einfache Erklärung des Wahrgenommenen herleiten. Man braucht sich nur vorzustellen, dass oberhalb der unmittelbar über der Seefläche lagernden, in Folge Wärmeentzuges durch das Wasser weniger warmen Luftschichten die bis zu jener Mittagsstunde stattgefundene Durchwärmung der Luft rasch nach aufwärts zugenommen und oberhalb des erreichten Maximums derselben etwa ebenso rasch, vielleicht be- fördert durch leichte Luftströmung, wieder abgenommen hat; in Folge dieser verticalen Temperaturiinderung muss die Dichte der bezüglichen Luftschichten, abweichend von dem indifferenten Gleichgewichtszustande und im Vergleich zu diesem, unten und oben zu beträchtlich und in der Höhe dazwischen zu gering gewesen sein. Eine derartige verticale Dichteänderung bedingt eine verticale Aende- rung der Strahlenbrechung in dem Sinne, dass die unten herrschende mässige negative Refraction sich nach aufwärts zuerst steigert, dann abnimmt bis auf Null, von da eine positive Refraction beginnt und diese bis zu einem gewissen Betrage wächst. Hierbei muss die scheinbare Lage gleicher Niveaudifferenzen in dem mittleren Theile der Höhe sich am meisten aus einander ziehen und von da nach unten wie nach oben um so mehr und immer zunehmend sich zu- sammendrängen, und so eine entsprechende Streckung des Bildes in der Mitte, sowie ein mit dem Abstande davon sich steigerndes Drücken desselben nach ab- und aufwärts entstehen. Tritt nun, wie man sich weiter vorstellen kann, eine Aenderung der verticalen Diehteverhältnisse derart ein, dass die in der Höhe des Bildes im Vergleich zum indifferenten Gleichgewichtsverhältniss dichteste Luftschichte scheinbar niedersinkt, indem etwa durch gegenseitige Diffusion der ungleich ssere Dichte sich immer mehr nach abwärts erwärmten Luftschichten diese & verlegt, 80 verschieben sich naturgemäss damit auch die Unterschiede der scheinbaren Lagen der einzelnen Höhentheile in dem nämlichen ruckweisen Tempo der Dichteänderung nach abwärts, und es müssen wechselnde Ver- zerrungen der verschiedenen Bildtheile in Erscheinung treten, wie sie in der geschilderten Art von mir wahrgenommen wurden. 72 Ferdinand Lingg. Unterschiede in der scheinbaren Héhenlage verschieden entfernter Objecte. 101) Die bis jetzt beziiglich der Wirkung der Abweichung der schein- baren Lage von Bildpunkten von deren wahren, durch die Strahlenbrechung betrachteten Verhältnisse bezogen sich auf solche Fälle, in welchen die einzelnen Bildpunkte ein und der nämlichen Bildfläche angehören, dem näm- lichen Beobachtungsobjeete, und darum der nämlichen Entfernung vom Aug- punkte. Indem aber für die einzelnen Punkte eines gebrochenen Lichtweges mit dem Abstande vom Augpunkte auch die Abweichung der scheinbaren Lage dieser Lichtpunkte von deren wahren wächst, so treten bei Bildern, deren einzelne Theile oder Punkte verschiedenen Bildflächen von ungleichen Ent- fernungen angehören, Fälle und Verhältnisse ein, welche eine gesonderte Be- trachtung erfordern. Die übersehbare Wasserfläche als Object. 102) Den wesentlichsten dieser Fälle bildet für die hier verfolgten Untersuchungen die Wirkung der Strahlenbrechung auf die Art, in welcher die bis an die Kimm übersehbare Wasserfläche sich dem Auge präsentirt. In dieser Beziehung ist hierbei zunächst zu beachten, dass, indem alle Punkte derselben dem nämlichen Niveau angehören — denn der Seespiegel selbst bildet ja das Nullniveau — die Sehstrahlen vom Augpunkte zu jedem dieser Punkte zur nämlichen Zeit, der gleichen Ablenkung unterworfen sind, d. h. fiir alle diese Lichtstrahlen ist der Refractionscoefticient S der nämliche. Der Betrag der Abweichung der scheinbaren Lage von der wirklichen eines jeden Punktes der Wasserfläche von der Kimm bis an den Augpunkt ist also pro- portional dem Abstande jenes Punktes von dem letzteren, d. i. der Loth- convergenz beider Punkte; diese ist für den Augpunkt Null, und setzt man jene der wahren Kimm «— ı und die Abweichung der scheinbaren Lage der- selben von ihrer wahren, d. i. Ba deshalb gleichfalls 1, so lässt sich für eine Gesichtslinie vom Auge an die nach jeder Richtung gleich weit entfernte Kimm die Lage der einzelnen Punkte derjenigen Linie bestimmen, in welche sich der Bogen der Wasserfläche dieser Gesichtslinie bei einer bestimmten Strahlenbrechung scheinbar verlegt. Dieser scheinbare Wasserbogen wird Kimmbeobachtungen am Starnberger See. 43 nämlich in allen Fällen seinen Ursprung unter dem Augpunkte in der wahren y s e S e k i Richtung zeigen, in dem Abstande der Kimm aber sich um <, von deren | D a DH DH DÉI aj | Lage vertical entfernen, also bei einer positiven Strahlenbrechung von k ` Ei; S . . a 5 ə = -+ ûn sich um ze über diese erheben, bei einer negativen Refraction von ‘ k ` « rs 5 ~ — 0n sich umgekehrt um ;; unter den wahren Kimmpunkt senken und alle Punkte zwischen Kimm und Auge in ähnlicher Weise proportional ihrer | | Zwischenlage. | 105) In Folge dieser scheinbaren Aenderung der Neigung des Wasser- 1 bogens zum Auge ändert sich zugleich der Gesichtswinkel, unter welchem be- stimmte Theile desselben von diesem wahrgenommen werden, je nach der Aenderung der Refraction sehr beachtenswerth; ganz besonders gilt das für die der Kimm zunächst liegende Strecke. | Mit dieser Wirkung der Strahlenbrechung verbindet sich gleichzeitig | diejenige derselben, dass mit zunehmender positiver Refraction der Berührungs- punkt des tangirenden Sehstrahles, d. i. die scheinbare Kimm, sich von der | wahren Kimm fortgesetzt nach jenseits hinausschiebt, während bei wachsender negativer Refraction dieselbe immer mehr von der wahren nach diesseits her- rückt. Hierdurch wird im ersteren Falle der Rand des übersehbaren Wasser- bogens nahezu in der Richtung von dessen scheinbarer Lage selbst, und damit | der angrenzende Theil unter einen immer mehr verschwindenden Gesichts- | winkel hinausgerückt und dadurch unsichtbar; während im Gegensatze hierzu , | im letzteren Falle, der negativen Refraction, der jenseitige Rand und mit diesem der anschliessende Theil sich dem Auge immer mehr und tiefer gelegen nähert. I Spiegelung der Wasserfläche. 104) Das Ergebniss dieser Betrachtung gewinnt noch wesentlich an Bedeutung, wenn man unter diesem Gesichtspunkte untersucht, in welchen | Punkten des Wasserbogens sich bestimmte Punkte eines über der Kimm auf- ragenden Beobachtungsobjectes, oder umgekehrt, welche Punkte des letzteren sich in einem bestimmten Punkte des ersteren bei einer gewissen Refraction für das Auge spiegeln, und welcher Wechsel der Bildpunkte in diesem fixen Reflexpunkt durch eine eintretende Aenderung der Refraction vor sich geht. | Nova Acta LV. Nr. 1. 10 Vi Ferdinand Lingg. Denkt man sich zu Anfang den Fall, es herrsche momentan in den Schichten, welche innerhalb des Beobachtungsfeldes von dem die Wasserfläche tangirenden Strahl durchzogen wird, keine Strahlenbrechung, so trifft dieser Sehstrahl gemeinsam mit dem Horizont der Kimm an das Beobachtungsobject, und dieser Lichtpunkt desselben wird hierbei so zu sagen unter einem Einfall- und Reflexwinkel von 90° im Punkte der (wahren) Kimm gespiegelt; diesseits dieses Kimmpunktes wird das Auge das Spiegelbild eines Bildpunktes ge- wahren, der jedenfalls über jenem Durchschnittspunkt des Kimmhorizontes mit der Objeetbildfläche in derselben liegt. 105) Tritt nun eine positive Refraction ein, so wird sich der Sehstrahl vom Auge zum Kimmpunkt etwas convex nach aufwärts krümmen; denkt man sich diesen gebrochenen Strahl reflectirt nach jenseits fortgesetzt, so wird dieser sich symmetrisch zum diesseitigen erst über den Horizont der Kimm kriimmen und denselben, in der gleichen Entfernung von der Kimm, wie das Auge, durchschneiden und von da weg in der Richtung eines Kreisbogens sich unter diesen senken, bis er an jene Bildfläche des Objectes trifft; den hierbei getroffenen Bildpunkt wird das Auge im Kimmpunkt refleetirt sehen, — also einen Punkt unter dem des Kimmhorizontes. Der letztere Horizontpunkt, welcher zuvor mit der Kimm zusammenfiel, muss sich demgemäss nunmehr jenseits der wahren Kimm spiegeln. Mit Zunahme positiver Refraetion wandern also die Spiegelbilder der Bildpunkte des Beobachtungsobjectes nach diesseits. Zugleich aber verschiebt sich der Berührungspunkt des tangirenden Strahles, die scheinbare Kimm, nach jenseits, indem dieser Strahl sich an dem Beobachtungsobjeet senkt, und damit ein immer tiefer gelegener Punkt des- selben mit dieser zusammenfällt; die Spiegelbilder ändern sich demnach mit Zunahme positiver Refraction, indem sie sich nach jenseits vertiefen und nach diesseits strecken, also nach beiden Seiten ausdehnen. Ebenso einfach lässt sich herleiten, dass bei Eintritt und Zunahme negativer Refraction die Spiegelbilder der einzelnen Bildpunkte nach jenseits wandern; nachdem hierbei weites, wie schon früher dargethan, die schein- bare Kimm nach diesseits rückt und der diese tangirende Strahl an dem Objeete nach aufwärts, so kann man diese Aenderungen dahin zusammen- fassen, dass in diesen Fällen die Spiegelbilder sich nach jenseits zusammen- a or Kimmbeobachtungen am Starnberger See. schieben und gegen diesseits her an Tiefe verlieren, also in jedem Sinne kürzer werden.) 106) Diese Aenderungen in der Lage und Tiefe der Spiegelbilder auf dem Wasserbogen bei vor sich gehender Aenderung der Strahlenbrechung scheinen im geraden Widerspruch mit der so vielfältig gemachten Wahr- nehmung zu stehen, dass mit dem Sinken der Kimm, ungeachtet der hierbei nach unten wachsenden freien Bilder, deren Spiegelbilder allmählich an Tiefe abnehmen und bei einer gewissen Tiefenlage der Kimm, nicht weit unter ihren wahren Horizont, dem Auge ganz entschwinden. Dieser Widerspruch hebt sich aber einfach durch den Umstand, dass, indem die negative Refraction, welche gewöhnlich in den Morgenstunden über dem Seespiegel herrscht, mit der Zeit abnimmt bis auf Null, die scheinbare Lage des Wasserbogens aus der am meisten nach jenseits geneigten Richtung, sich um den fixen Anfangspunkt unter dem Auge bis in ihre wahre Lage herauf und dann iiber diese durch den Eintritt und die Zunahme der positiven 1) Diese Verhältnisse bieten auch einen Fingerzeig für die Beantwortung der Frage: durch welche Umstände wird dem nach der Kimm blickenden Beschauer die Wölbung der Wasserfläche besonders augenfällig erscheinen? Der folgende Gedankengang dürfte hierin zu einer Auskunft führen. Man denke sich zunächst die Wasserfläche, welche den Beobachter von den Beobachtungsobjecten trennt, als eine mathematische Ebene; dann stelle man sich vor dieselbe, wölbe sich in der Art, dass der Horizont der Kimm mit jener Ebene identisch bleibt und die Wasserfläche sich beiderseits dieser unter denselben entsprechend der idealen Krümmung der Erdoberfläche senkt. Indem dieses vor sich geht, wird, mit Zunahme der Wölbung bis zu diesem Maass, bei gleich bleibendem Niveau des Augpunktes und der Höhentheile der Objecte, sowie bei constanten Abständen der beiderseitigen Punkte von der Kimm, diese für das Auge an den Objecten in die Höhe rücken und umgekehrt von diesen letzteren immer mehr unter hwinden. Gleichzeitig werden bei diesem Vorgang die einzelnen Punkte der derselben vers freien Objectbilder in den Spiegelbildern an der sich wölbenden Wasserfläche immer mehr C nach jenseits wandern wnd die letzteren sich zusammendrängen und kürzer erscheinen. Die so zu Stande kommenden Verhältnisse sind es demnach, welche für das zu richtiger Deutung des Wahrgenommenen geschulte Auge den Eindruck der Wölbung der Wasserfläche erzeugen. Dieser Eindruck wird also durch solche Umstände erhöht, welche die gleiche Wirkung hervorrufen und damit die erstere noch steigern. In eben der nämlichen Weise wirksam ist nun der Bestand und die Zunahme negativer Strahlenbrechung; denn hierbei wird, wie dargethan, gleichzeitig die Kimm scheinbar gehoben, die freien Bilder nehmen von unten weg ab und die Spiegelbilder drängen sich nach jenseits zusammen. Man wird hiernach berechtigt sein, die obige Frage dahin zu beantworten, dass die Wölbung einer Wasserfläche um so mehr augenfällig wird, eine je beträchtlichere negative Refraction besteht. Tos ee TE 76 Ferdinand Lingg. Refraction sich fortgesetzt hebt, wobei die zwar an Tiefe zunehmenden Bild- strecken sich gleichzeitig immer mehr nach jenseits verlegen und unter immer kleinere Gesichtswinkel zum Auge gerathen, bis dieser dadurch Null wird, dass das Bogenstück, welches das freie Bild reflectirt, sich derart gegen das Auge gehoben hat, dass seine Sehne mit der Richtung der scheinbaren Lage zusammenfällt und darauf folgend noch von dieser nach jenseits abweicht. 10%) Mit dieser Consequenz der verschiedenen Wirkung entgegen- gesetzter Strahlenbrechung verbindet sich zur Steigerung dieses Ergebnisses noch diejenige des Gegensatzes, dass bei positiver Refraction die Krümmung des den Wasserbogen tangirenden oder von diesem reflectirten Lichthogens mit diesem in gleichem Sinne stattfindet, d. h. dass die Krümmungsradien der beiderlei Bogen nach der nämlichen Seite convergiren, während bei negativer Refraction die Krümmung derselben und die Convergenz ihrer Radien eine entgegengesetzte ist. In Folge dessen nähern sich im ersteren Falle die Lichtbégen mit Zunahme der positiven Refraction immer mehr dem Wasserbogen und scheinen darum mit diesem, wie unter sich, schon immer früher oder entlegener vom Berihrungspunkte beider, in Folge der immer mehr abnehmenden Gesichtswinkel ihrer Abweichungen zusammenzufallen, während im letzteren Falle bei Zunahme negativer Refraction dieses Ver- hältniss gerade umgekehrt ist. In anderer Weise wird sich der Rückzug der Spiegelbilder an der Kimm nach jenseits, bei dem Uebergang der negativen Refraction in eine positive und deren Steigerung, und damit der hervorgehobene scheinbare Widerspruch kaum erklären und bezw. widerlegen lassen. Spiegelung der gewellten Seefläche. 108) Im Uebrigen wurde bisher stillschweigend angenommen, dass wahrnehmbare Spiegelbilder an der Kimm eine glatte, ruhige Wasserfläche bedingen; nachdem meine Beobachtungen aber über jeden Zweifel sicher erwiesen haben, dass eine Kimmspiegelung ebenso häufig bei bewegter, ge- wellter Seefläche auftritt, wie bei glatter, so erübrigt noch, die Verhältnisse auch dieser Art Spiegelung klar zu legen. Hierbei muss zunächst auf den Umstand hingewiesen werden, dass die Spiegelung an der Kimm überhaupt nur bei solchen scheinbaren Höhen- Kimmbeobachtungen am Starnberger See. GT lagen der letzteren zu Stande kommt, oder wenigstens beobachtet wurde, i welche auf herrschende negative Strahlenbrechung schliessen lassen. | d Bei einer solchen werden die Lichtstrahlen convex nach abwärts ge- | krümmt; der tangirende Lichtstrahl erhebt sich beiderseits seines Berührungs- N punktes über dessen Tangente, und in ähnlicher Weise weicht bei jedem Punkt des Wasserbogens sowohl der einfallende wie der zurückgeworfene Strahl nach aufwärts über die in diesem Reflexpunkt unter gleichem Winkel zur Lothlinie aus einander gehenden Tangenten dieser gebrochenen Strahlen- zweige ab, welche Tangenten die Richtung der letzteren bezeichnen für den il Fall, dass die Refraction Null wäre. Indem nun der Sehstrahl sich vom l Spiegelpunkt über die gerade Richtung nach jenseits erhebt, ist die Möglich- [i keit gegeben und darum die Vorstellung gerechtfertigt, dass er, wenn etwa | unmittelbar jenseits des Reflexpunktes ein Wellenkamm sich erhebt, anstatt | auf dessen diesseitigen Bogen mehr oder weniger flach einzufallen und unter dem nämlichen Winkel steil aufwärts gegen das Firmament abgelenkt zu | werden und dessen Bildfarbe zu reflectiren, diesen Welenkamm einfach tangirt oder über demselben hinweggeht, während seine Tangente denselben durchschneidet. Auf diese Weise kann es kommen, dass die aus den ein- zelnen Punkten der übersehbaren Wasserfläche von der Kimm her bis zu einer gewissen diesseitigen Grenze zurückgeworfenen, in das Auge gelangenden Lichtstrahlen nur verschwindend ausnahmsweise durch Einfallen auf jenseits | des einen Spiegelpunktes sich wechselweise hebenden Wellenkämmen von der | ohne solchen verfolgten Richtung abgelenkt werden, und auf diese Weise ein ] . 5 5 K3 S ] durch dazwischen auftretende Bilder von Wellenkämmen nur wenig oder | vielleicht gar nicht gestörtes oder unterbrochenes Bild des Hintergrundes spiegeln. | 109) Im Falle positiver Refraction wiire das hier entscheidende Ver- hältniss natürlich gerade das entgegengesetzte: der Sehstrahl, welcher vom Auge nach einem bestimmten Punkt des Wasserbogens convex nach aufwärts kel 5 einfällt, weicht bei seiner Zuriickwerfung nach jenseits unter seine Tangente, | anstatt wie im ersteren Falle über dieselbe, von dieser ab und wird darum MN | noch weiter unten auf den nächsten Wellenkamm stossen als selbst ohne | Refraction. Bei positiver Strahlenbrechung kann mithin eine Spiegelung durch ? eine gewellte Seefläche nicht wohl eintreten. 18 Ferdinand Linge. oD Einfluss der Héhe der Wellen. 110) Selbstverstiindlich kommt es bei dieser Frage nach der Möglich- keit einer Spiegelung durch eine bewegte Wasserfläche, wie sich das gerade bei der hier angestellten Betrachtung ersehen lässt, abgesehen von dem Betrag der momentan herrschenden Strahlenbrechung, noch viel mehr auf die Art und die Höhe der Wellen an. Je mehr spitz der Einfallswinkel ist, unter welchem die Gesichtslinie auf die Wasserfläche trifft und von dieser oder dem getroffenen Wellenkamm an dieser Stelle zurückgeworfen wird, um so weniger hoch wird der Kamm der jenseits nächsten Welle über die Richtung des reflectirten Strahles sich erheben, oder um so tiefer unter diesem bleiben; je kleiner oder niedriger die Wellen sind, desto näher nach diesseits kann Spiegelung durch Wellen- kämme zu Stande kommen; die Spiegelbilder werden also um so länger oder tiefer sein, je kleiner die Wellen sind, und um so kürzer und unvollständiger, je grösser diese sind. Auf Wasserbecken oder Meeresflächen, welche sich in sehr grossen Wellen bewegen, wird wohl zunächst nur bei sehr bedeutender negativer Refraction, und selbst dann nur in den äussersten Theilen der iibersehbaren Fläche, kurz vor der Kimm eine Spiegelung in Art eines nur wenig tiefen Streifens entstehen. Deutung der Wellenkammlinie. 111) Bei wellenförmiger Bewegung einer Wasserfläche kann ein Spiegel- bild sich nur so weit ausdehnen, so weit die Kammflächen der hinter einander wechselweise sich hebenden Wellen für das beobachtende Auge sich zu einer scheinbar ununterbrochenen Spiegelfläche zusammenschieben, was natürlich nur unter und bis zu einer gewissen Neigung des gewellten. Wasserbogens gegen dieses zu Stande kommen kann. In jenem diesseitigen Rande desselben, wo für das Auge die Unter- brechung und Lücken in der scheinbaren Fläche des Spiegels wahrnehmbar zu werden beginnen, wird ein Wellenspiel sichtbar, das bei der Unstetigkeit der verschiedenen auftauchenden und ebenso rasch wieder verschwindenden, also momentanen Reflexe, den Eindruck eines nach Form und Beleuchtung oder Farbe unbestimmten, so zu sagen ,,bildlosen“ Streifens erzeugt, dem ich Kimmbeobachtungen am Starnberger See. éi | die Bezeichnung „Wellenkammlinie“ beilegte. Diese begrenzt also die jenseits i davon scheinbar glatte Spiegelfläche, und damit das von derselben reflectirte Bild, ohne Zusammenhang oder Beziehung mit dessen Inhalt; und diesseits dieser Grenze bietet sich der gewöhnliche Anblick einer in Wellen bewegten | Wasserfläche dar. i 112) Diese Wellenkammlinie ist daher, wie der von ihr gesäumte | Spiegelstreifen selbst, nur das Erzeugniss negativer Refraction; indem diese abnimmt, redueirt sich die Erstreckung des eine Spiegelung ermöglichenden Wasserbogens, und dessen diesseitiger Rand verschiebt sich nach jenseits, wobei die Bilder des Spiegels immer tiefer herab abgeschnitten werden, bis d: die sich der Kimm nähernde Wellenkammlinie endlich mit dieser zusammen- fällt und das Spiegelbild gänzlich Null wird. Dieses Stadium wird wahrscheinlich dann eintreten, wenn die Mitte des spiegelnden Wasserbogens etwa mit der wahren Kimm zusammenfällt, wobei dann dieser anfängt in eine scheinbare Lage zum Auge zu gerathen, | bei welcher derselbe so ziemlich sich auf den geringen Betrag seiner Höhe projieiren wird; also wohl bald, nachdem die Refraction aus ihrem negativen i Charakter durch den Werth Null in den positiven übergegangen ist — eine | Annahme, welche durch die Darstellung der bezüglichen Beobachtungen in den Diagrammen, Taf. 3. Fig. III, ihre hinlängliche Bestätigung findet. ij Man kann demnach allgemein sagen, dass die Erscheinung der Spiegelung an der Kimm in der Hauptsache der Existenz einer negativen d Strahlenbrechung angehört und eine solche bedingt, und darum auch mit j deren Betrag zu- oder abnimmt. 2 1) Man vergleiche den Artikel in der „Zeitschrift der Oesterreichischen Gesellschaft | | | für Meteorologie‘, XX. Band, 1885, S. 354: „Ueber eine Eigenthümlichkeit des Seehorizontes“. | Von E. Budde in Konstantinopel. Das Wesen der darin als ,,Spiegelkimmung D behandelten Erscheinung ist zweifellos richtig aufgefasst. Die dabei als „scheinbare Wasserlinie‘“ bezeichnete Grenze derselben ist offenbar nichts Anderes, als der von mir „Wellenkammlinie“ genannte Rand der Kimm- spiegelung bei gewellter Wasserfläche, während der sogenannte „scheinbare Horizont“ eben die Il Linie der (scheinbaren) „Kimm“ ist. In wie weit die Vermuthung gerechtfertigt sein wird, dass | der Bestand oder Eintritt einer Spiegelkimmung von gewisser Art des Wellenschlages in den verschiedenen Meeresbecken und an den Küsten der Oceane abhängig sei, bin ich — bei 80 Ferdinand Lingg. 113) Die im Vorigen dargelegte Vorstellung, wie eben nur durch die Wirkung negativer Refraction auf einer wellenförmig bewegten Wasserfläche zusammenhängende Spiegelbilder in Erscheinung treten können, macht es in ähnlicher Weise begreiflich, dass hinter der Wellenkammlinie dahinziehende Kähne nicht bis an die Wasserlinie hinab frei, sondern gewöhnlich bis an ihre Bordlinie durch eine bildlose Schicht verdeekt erscheinen. Diese letztere ist eben vermuthlich nichts Anderes, als der Reflex des Himmels auf der diesseitigen Wölbung der stetig in ihrer Lage hinter einander wechselnden momentan sich hebenden Wellen, also in ihren einzelnen Theilen der Reflex unausgesetzt wechselnder Bildpunkte, erzeugt durch Strahlen, welche sich in Folge der negativen Strahlenbrechune aus dem Reflexpunkt so weit über die Richtung eines ungebrochenen Strahles erheben, dass sie auch über die unteren Theile des hinter diesen spiegelnden Wellen befindlichen Gegenstandes hinweggehen, wodurch dieser unten durch jene verdeckt erscheint. Tritt der Fall ein, dass ein Kahn so nahe hinter dieser Wellenkammlinie passirt, dass ein Theil der erwähnten, Punkte des Firmaments spiegelnden Strahlen, z. B. auf Bildtheile von Insassen über dem Bord treffen, so würden diese Strahlen natürlich, an Stelle der Himmelspunkte, diese Bildpunkte spiegeln. Indem aber die letztere reflectirenden Spiegelflächen rasch nach ihrer Lage wechseln, wird diese Art Spiegelung eine ebenso momentane als stellenweise und somit äusserst unruhige und verrissene; und von solchen Spiegelblinken des obersten Theiles der bildlosen Schichte erscheint auch thatsächlich jedes dahinter ziehende Fahrzeug begleitet. allem Mangel eigener diesbezüglicher Wahrnehmungen — nicht in der Lage, zu beurtheilen. Ich denke jedoch, dass, nach der von mir dargelegten theoretischen Betrachtung des Zusammen- hanges zwischen der scheinbaren Bewegung der Kimm, der Verschiebung der Spiegelbilder an derselben und der stattfindenden Aenderung der Strahlenbrechung, kaum mehr wird bezweifelt werden können, dass sowohl die Erscheinung der „Spiegelkimmung“ an sich wie deren „quantitativer‘““ Betrag in der jeweils herrschenden Refraction ihre entscheidende Bedingung hat; indem, abgesehen von, den Distanzverhältnissen zwischen Kimm, Beobachtungspunkt und Beobachtungsobject, sowie den Höhen der beiden letzteren, die Lage und Tiefenerstreckung des spiegelnden Wasserbogens zum Auge des Beobachters allein durch die momentan bestehende Art der Strahlenbrechung modificirt wird, sowohl bei glatter wie auch bei bewegter Seefläche. Kimmbeobachtungen am Starnberger See. EN Folgen einer Aenderung der Abstände zwischen Beobachtungs- object, Kimm und Beobachtungspunkt. 114) Im ganzen Verlaufe der vorliegenden Untersuchung wurden nur jene beobachteten Verhältnisse in Betracht gezogen, wie sich diese aus den Abständen der Beobachtungsobjecte zu Starnberg und Leutstetten von der Kimm des Beobachtungspunktes in Bernried ergaben. Es darf aber nicht umgangen werden, noch darauf aufmerksam zu machen, dass sich manche der hier be- handelten Erscheinungen in etwas verschiedenen Verhältnissen präsentiren müssen für Objecte, welche näher oder gar sehr nahe der Kimm jenseits der- selben sich befinden. Ganz besonders würde sich das auffällig erweisen hinsichtlich der auf- tretenden Spiegelung; denn für Bildpunkte des nämlichen Niveaus, d. h. der gleichen Höhe über dem Seespiegel, rücken mit Annäherung der Bildfläche des Objectes gegen die Kimm auch deren Reflexpunkte nach diesseits gegen den Augpunkt vor, und die Spiegelbilder nehmen sowohl an Tiefe als an Länge des Spiegelbogens zu, d. h. sie erscheinen tiefer (oder — wenn man sich so ausdrücken will — länger). Die weitere Folge davon ist, dass sich diese Bilder mehr strecken, nicht in dem Maasse zusammenschieben, als bei grösserem Abstande der freien Bilder von der Kimm, und darum auch während der zeit- lichen Aenderung der Strahlenbrechung, insbesondere der Steigerung der posi- tiven Refraction, länger wahrnehmbar bleiben. Diese Erwägung führt zu der Folgerung, dass die Wahrnehmbarkeit der Spiegelbilder unter gleichen Refractionsbeträgen sehr beachtenswerth von dem Abstande der Kimm von den Beobachtungsobjecten abhängt. Der Ab- stand der Kimm vom Beobachtungs- oder Augpunkte bleibt für das nämliche Niveau (Höhe über dem Wasserspiegel) des letzteren constant; ändert sich aber dieses und damit jener Abstand auch, so tritt gleichfalls eine Modification der Spiegelung der Objecte jenseits der Kimm diesseits dieser ein. Aus diesen gegenseitigen Abhiingigkeitsbeziehungen zwischen den Ab- ständen der Kimm von Beobachtungspunkt und Beobachtungsobject lässt sich erkennen, dass die Wirkung gleicher dauernder oder sich ändernder Refractions- beträge auf die scheinbare Höhenlage der Kimm sowohl, wie auf die Aus- dehnung und Lage des spiegelnden Theiles des Wasserbogens, also auf die Nova Acta LY. Nr. 1. E H i i 82 Ferdinand Lingg. Verhältnisse der Spiegelung überhaupt, bei Verschiedenheit jener Abstände im Vergleich zu den hier bestandenen und diesen Erörterungen zu Grunde ge- legten, wenn auch nicht im Prineip, so doch nach diesen jeweilig bestehenden Bedingungen erheblich variiren kann. 115) Diese gegenseitigen Beziehungen lassen sich allgemein etwa in folgender Weise zusammenfassen: Je grösser die Entfernung des Objectes von der Kimm ist, wird eine um so beträchtlichere positive oder geringere negative Refraction eintreten missen, damit in den nämlichen Punkten des Wasserbogens sich die gleichen Niveaux der Objecte spiegeln. Auch dieses Verhältniss bringt mit sich, dass mit Zunahme der positiven Refraction, wie mit Abnahme der negativen die Reflexpunkte bestimmter Bildpunkte sich nach diesseits verschieben oder die Bildpunkte fixer Spiegelpunkte am Objecte nach abwärts rücken, also in allen beiderlei Fällen die Spiegelbilder wachsen. Dabei findet aber zugleich eine Zunahme der Hebung oder bezw. eine Abnahme der Senkung der scheinbaren Lage des spiegelnden Wasserbogens und damit die entsprechende Aenderung der Abweichung des ganzen Lichtweges von .dieser geraden scheinbaren Rich- tung statt. Bei gleich bleibender positiver, wie negativer Refraction wächst mit Zu- nahme der Entfernung des Objectes von der Kimm das Niveau des gespiegelten Lichtpunktes desselben für den nämlichen Reflexpunkt, sowohl für den tan- girenden wie für jeden reflectirten Lichtstrahl; es wandern also die Spiegel- bilder gleicher Niveaux oder der Abstände verschiedener Niveaux nach jen- seits, und die ganzen Spiegelbilder werden kürzer. Bei Abnahme der Entfernung, wenn die Kimm dem Objecte näher rückt, werden sie umgekehrt länger und ihre einzelnen Niveaupunkte wandern nach diesseits. Dieses Verhältniss ist wesentlich für jene Fälle von ent- scheidender Bedeutung, in welchen ein in constanter Höhe über Wasser bleibender Beobachter sich in einem Schiffe einem der Beobachtung unter- worfenen fixen Objecte an der Küste nähert oder sich von demselben entfernt. Für eine bestimmte Höhe des Hintergrundes der Kimm wird eine Spiegelung desselben jedenfalls, d. h. spätestens in jener Entfernung des Beob- achtungspunktes von demselben aufhören, von welcher aus der gleichviel wie CO E Kimmbeobachtungen am Starnberger See. gebrochene tangirende Strahl die Contour desselben überschreitet, resp. über diese \ wegzieht.!) | Die Eigenthümlichkeiten der Spiegelung an der Kimm im Allgemeinen. | 116) Im Allgemeinen und gewöhnlich werden Diejenigen, welche bei f | einem Blicke über die Wasserfläche die dahinter aufragenden Gebäulichkeiten | und sonstige auffällige Partieen des Hintergrundes am Rande derselben sich spiegeln sehen, eine Erscheinung darin finden, welche sie in Folge der schon | wiederholt gemachten Wahrnehmung als eine selbstverständliche Begleitung des freien Bildes erachten; und in jenen Fällen, in welchen eine solche Spiege- lung nicht in Erscheinung tritt und sich dem Auge der nämlichen Personen nicht aufdrängt, dieselbe nicht vermissen, deren Mangel einfach nicht beachten, oder sich mit oberflächlichen Vermuthungen über die Ursache, wie etwa zu- nächst bezüglich der Bewegtheit der Wasserfläche begnügen und darüber hin- weggehen. Wenige aber werden ahnen, dass in diesem Wechsel des Bestandes einer Spiegelung und deren zeitlichen allmählichen Aenderung gesetzliche | Unterschiede bestehen, welche einfach die augenfällige Wirkung der Aenderung q der Lichtwege durch die Variation der verticalen Dichteiinderung der Luft | sind. Ich glaube mit der vorliegenden Abhandlung in dieser Richtung einen Schleier gelüftet zu haben, durch welchen die wahren Verhältnisse dieser | Kimmspiegelung bisher wohl so ziemlich allgemein ebenso unbeachtet als un- erkannt geblieben sind.?) 117) Aus diesen erklärenden Erörterungen ersieht man, welche ausser- ordentlichen Modificationen die Gesetze der gewöhnlichen Spiegelung, sowohl gi durch die Wölbung der Wasserflächen, als noch mehr durch die Einwirkung der Strahlenbrechung und deren Wechsel bei den beträchtlichen Distanzen in der freien Natur erfahren, und wie dadurch Erscheinungen hervorgerufen werden, dass man die an der Kimm auftretende Spiegelung als eine eigene Art derselben aufzufassen geneigt werden könnte; aber die vorstehenden Ueber- 1) 8. Bemerkung auf S. 68. 2) §. Bemerkung auf S. 79 und den Nachtrag hierzu 8. 91. ET 84 Ferdinand Lingg. legungen lassen erkennen, wie alle die wahrgenommenen befremdenden und zum Theil selbst räthselhaften Erscheinungen sich demnach natürlich doch auf die immer gleichen einfachen Naturgesetze zurückführen lassen. Allgemeines Ergebniss der Erklärungsversuche. 118) Man wird im Ganzen zugeben, dass die geschilderten Wahr- nehmungen auf die versuchte Weise sich alle so ziemlich ungezwungen er- klären lassen, und darum die Ergebnisse der hier behandelten Beobachtungen, so wie sie in Taf. 3. Fig. III. dargestellt sind, wohl mehr Vertrauen bean- spruchen können, als sie bei deren Anblick zu verdienen scheinen. Gleichzeitige Beobachtung von Temperatur und Feuchtigkeit der Luft. 119) Aus dem Vorliegenden erhellt zur Genüge, dass eine eingehendere Prüfung solcher durch Vorgänge in der Atmosphäre modificirten Erscheinungen nur auf Grund von Temperaturbeobachtungen geschehen könnte, welche gleich- zeitig mit den optischen Beobachtungen mindestens an der Gegend der Kimm, etwa in einem dortselbst verankerten Schiffe unmittelbar über der Wasser- fläche, dann 1m und noch in 3 m über derselben, und zwar sowohl an einem trockenen, wie auch an einem feuchten Thermometer angestellt und durch aus- führliche Notirung der gleichzeitigen Verhältnisse bezüglich Bestrahlung, Be- wölkung, Winde, Nebel, Dunst oder Sichtigkeit, sowie des Zustandes der Wasseroberfläche und über die vorausgegangene Witterung oder jener der Nacht ergänzt werden. 3ei den von mir gemachten Beobachtungen hatte es sich zunächst nur darum gehandelt, Kenntniss hierüber zu erlangen, in welcher Weise sich die fraglichen Verhältnisse dem Auge in Wirklichkeit darstellen; erst die Ergeb- nisse dieser Versuche haben mich belehrt, von welcher Bedeutung eine gleich- zeitige Beobachtung und Notirung der modificirenden Witterungsverhältnisse für die Beurtheilung derselben wäre. Solche aber in der bedingten Ausführlich- keit vorzunehmen, war ich nicht in der Lage; und so musste ich mich bei der Aufgabe, das Beobachtete einer Erklärung zu unterwerfen, auf eine nur allgemeine Betrachtung der mitwirkenden physikalischen Verhältnisse be- E o DN schränken. Kimmbeobachtungen am Starnberger See. 85 | ii Schlussergebnisse. i 120) Immerhin aber dürften die erlangten Resultate der angestellten | Beobachtungen werth erscheinen, einem grösseren Kreise bekannt zu werden; | indem sie zeigen, wie mit dem angewendeten einfachen Verfahren unter Zuhilfenahme eines gewöhnlichen Fernrohres, einerseits die Wölbung des Seespiegels an sich und andererseits der modificirende beträchtliche Ein- fluss der strahlenbrechenden Wirkung der Atmosphäre in ihren untersten Schichten über einer ausgedehnten Wasserfläche, überzeugend wahrgenommen EE werden kann. 121) Sollte für anderweitige ähnliche Beobachtungen an irgend einer entsprechend grossen Wasserfläche mit den erforderlichen Hintergrundobjecten die Gelegenheit auch fehlen, die Niveauverhältnisse der letzteren genau fest- zustellen, so bleibt die Wahrnehmung der Variation der scheinbaren Höhen- lage der Kimm allein schon ein genügend dankbares Ergebniss. ne Wahl der Beobachtungs-Situation. è i 122) Hierfiir ist zu empfehlen, die Wahl des Beobachtungspunktes so zu treffen, dass jenseits der Kimm das Ufer, dessen Gebäude als Vergleichs- objecte ausersehen sind, noch entfernt genug von derselben ist, um durch die R 7 S Se j S SEN EE | Senkung der Wasserfläche unter den Kimmhorizont bis dorthin eine ausgiebige | Vertiefung dieser Objecte zu gewinnen; damit dieselben aber mit den gegebenen | Beobachtungsmitteln ihren Haupttheilen nach sicher genug wahrgenommen | | d werden können, soll ‘andererseits der Beobachtungspunkt nicht weiter von der Kimm abliegen, als nothwendig ist, um mit dieser Distanz eine ausreichende Visurbasis zu erlangen; ein günstiges Verhältniss scheint in dieser Beziehung zu sein, wenn die Kimm ziemlich halb so weit von dem Augpunkte entfernt ist wie von den Vergleichsobjecten, also im ersten Drittel der ganzen Distanz liegt. Durch diese Rücksicht ist die ungefähre Höhe bedingt, welche der | Augpunkt über Wasser einnehmen soll. Natürlich ist nach Möglichkeit die Richtung und bezw. die Zeit der Beobachtung so zu wählen, dass die Objecte "H der Sonne gegenüber liegen, und als solche nur Gegenstände, Gebäude aus- | zusuchen, welche wohl unterscheidbare Höhenmarken bieten. 86 Ferdinand Lingg. Photographische Aufnahmen von Kimmbildern. 123) Sehr wünschenswerth muss erscheinen, dass sich ein mit den ent- sprechend beschaffenen Apparaten versehener, geübter Photograph zur Aufgabe machte, die bei solchen Beobachtungen nur vorübergehend im Fernrohr wahr- nehmbaren Bilder in befriedigender Schärfe zu fixiren und zu. vervielfältigen. Aber auch für solcher Art zu gewinnende Ergebnisse wäre eine geo- dätische Behandlung der Gesammtverhältnisse eine nicht zu umgehende Aufgabe. Mathematische Behandlung der Verhältnisse. 124) Dass dieselbe nur durch die möglichst genaue mathematische Durchführung einen praktischen Werth gewinnen kann, ist aus dem Vorstehen- den leicht zu erkennen. Ich habe deshalb die mir hier gestellte Aufgabe mit thunlichster Gründlichkeit zu lösen mich bemüht, um zugleich ein Beispiel für andere Fälle zu bieten. Hierbei ergab sich als nothwendig, die Theorie der terrestrischen Hori- zontalrefraction selbstständig in ihrem ganzen Zusammenhange herzuleiten und darzulegen, und auch für Diejenigen, welche der Kenntniss derselben fern stehen, jede Lücke in dem verfolgten Ideengange zu vermeiden und denselben gleichmässig verständlich zu machen.!) 1) Hinsichtlich streng mathematischer Entwickelung verschiedener Theorieen der atmo- sphärischen Strahlenbrechung im Allgemeinen sind besonders zu beachten: „Die astronomische Strahlenbrechung in ihrer historischen Entwickelung, dargestellt von C. Bruhns. Eine ge- krönte Preisschrift. Leipzig 1861“. — „Astronomische Nachrichten“, Bd. 41. Nr. 980. Baeyer. — Bd. 62. Nr. 1478—1480. Die atmosphärische Strahlenbrechung auf Grund einer neuen Aufstellung über die physikalische Constitution der Atmosphäre von Carl Maximilian Bauern- feind. I. Abschnitt: Die astronomische Strahlenbrechung. — Bd. 67. Nr. 1587—90. II. Abschnitt: Die terrestrische Refraction und ihr Einfluss auf trigonometrische Höhen- messungen. — Bd. 71. Nr. 1695. Erman. — Bd. 88. Nr. 2095. Refractionstheorie von Jordan. — „Handbuch der Vermessungskunde von Jordan. Bd. I. Stuttgart 1877“. — „Elemente der Vermessungskunde von Bauernfeind. VI. Auflage. 1879. Band II“. — „Die mathematischen und physikalischen Theorien der höheren Geodäsie von F. R. Hel- mert II. Theil. Leipzig 1884.“ S. 553/592. — Als sehr belehrend ist auch noch zu be- achten: „Ueber den Zusammenhang der Refraction mit der Temperaturvertheilung in der Atmosphäre. Vortrag von Theodor v. O ppölzer“. (Maiheft 1884 der Zeitschrift der öster- reichischen Gesellschaft für Meteorologie.) ag Kimmbeobachtungen am Starnberger See. 87 Man wird wohl aus dem Dargelegten den Eindruck gewinnen, dass die d Verhältnisse der sogenannten „Kimmtiefe“ nicht so einfach sind, als sie sich | in den meisten einschlägigen Lehrbiichern behandelt finden, und noch vielmehr, | dass der Einfluss der Refraction in Wirklichkeit beträchtlicher variirt, als dies | gewöhnlich mit einer einfachen Correction in Rechnung gebracht erscheint. Schluss. 125) Für die Anwohner und die Besucher des Würmsees aber bieten meine Beobachtungen den befriedigenden Nachweis, dass diese liebliche Süss- | wasserfluth uns recht wohl die Möglichkeit gewährt, die Krümmung der idealen Erdoberfläche — gleich dem Seemann auf dem Meere — mit eigenen Augen | wahrzunehmen, und zugleich den wechselnden Einfluss der strahlenbrechenden | Wirkung der Atmosphäre kennen zu lernen; nur müssen wir uns begnügen, | hierzu bescheiden auf die Ruderbank eines Nachens zu steigen, anstatt — wie | jener — einen Mastkorb zu erklettern. | 38 Ferdinand Lingg. Nachtrag aus dem Jahre 1889. l. Zu Ziffer 9 auf Seite 12. Veranlasst durch die in Ziffer 38 erwähnte Erkenntniss liess ich in diesem Jahre das Ocular meines Fernrohres!) mit einer Theilung versehen, welche sich auch in völlig befriedigender Weise als ebenso zweckentsprechend wie allgemein anwendbar und empfehlenswerth bewährte. Auf einem diaphragma- ähnlichen Einsatz ist ein äusserst dünnes Glasblättchen aufgekittet, das die Durchsichtigkeit des Fernrohres in keinem merklichen Grad vermindert. Das- selbe ist mittelst einer Theilmaschine derart von entsprechend feinen Linien durchzogen, wie es die Figur IV auf Tafel 1 ersehen lässt. Diese schachbrettartig wechselnde Anordnung ermöglicht beim Durch- blicken den Abstand zweier Niveaux oder sonstiger Dimensionen des Fern- rohrhildes mittelst den dieselben einschliessenden Linien der Theilung un- schwer als Vielfaches oder bezw. Bruchtheile von deren Einheit abzuzählen: während die leeren Felder zur schärferen Beobachtung kleiner Objecte oder einzelner Theile von grösseren dienen. Zugleich erscheint das im Fernrohr auftretende Bild des Gesichtsfeldes nun in einer Weise netzartig gegliedert, dass sich dasselbe mit Leichtigkeit nachzeichnen lässt. Da das Ocular für sich auch während des Hindurchblickens durch das Fernrohr ringsum drehbar ist, kann dessen Theilung nach jedem Durchmesser Anwendung finden, und darum auch zu Beobachtungen bezüglich des Verhält- nisses oder der Aenderung von Dimensionen jeglicher Richtung, also auch ebenso gut für laterale wie für verticale Refraction benützt werden. Eine Umdrehung des zu dieser Theilung benützten Maschinchens ergiebt eine seitliche Verschiebung des Stiftes von gerade 1/ mm; es beträgt also die Theilungseinheit w eben so viel und die Höhe eines leeren Feldes genau 1 mm. 1) Durch das Reichenbach’sche mathematisch-mechanische Institut von T. Ertel & Sohn in München. ‚Kimmbeobachtungen am Starnberger See. 89 Meinem Auge erscheint, wenn diese Theilung zwischen dem Ocular-Linsenpaar fiir dasselbe eingestellt ist, der Abstand w in der Brennweite des Gesammt- oculars in der Grösse von 3 mm, sonach 9 fach vergrössert. Der Durchmesser der den Horizont festen Bodens tangirenden Sonnenscheibe nimmt horizontal 16 u und vertical 151/, « ein; der hoch stehende Mond nach den beiderlei Richtungen 16 w. 2. Zu Ziffer 38 auf Seite 30. Die Benützung der eben beschriebenen Vorrichtung des Fernrohres zur Beobachtung der relativen Aenderungen der Bildhöhen bei wechselndem Betrage der Refraction führte — kurz zusammengefasst — zu dem Ergebniss, dass der Abstand w, die Theilungseinheit von '/; mm, auf die Entfernung der Schlossfront zu Leutstetten, d. i. 18,8 km, eine Objectshöhe in sich schloss, welche unmittelbar über der Kimm zwischen 6 und 33 m variirte. Für die Vergleichsobjeete in Starnberg konnte eine ähnliche Amplitude nicht festgestellt werden, weil von diesen bei etwas beträchtlicher negativer Refraction zu wenig über die scheinbare Kimmlage aufragt; doch wechselte bei ausgiebiger positiver Refraction und dieser entsprechenden Tiefenlage der Kimm an dem Ruderelubhaus, bei dessen Entfernung von 15,16 km die von a eingenommene Höhe immerhin schon zwischen 10 und 20 m.!) 3. Zu Ziffer 87 auf Seite 58—60. Die in diesem Jahre fortgesetzten Beobachtungen bestätigten wiederholt alles im Vorstehenden Dargelegte zur zweifellosen Ueberzeugung, und sie boten überdies, in Folge der heuer ungewöhnlich frühzeitig eingetretenen herbstlichen Kälte, die Gelegenheit, die Consequenzen derselben für die über der Kimm auftretenden Refractionserscheinungen wahrzunehmen. In der Zeit vom 21. August bis 23. September kam es nur an den Tagen vom 29. August bis 2. September zu positiver Refraction über der Kimm, während welchen die Temperatur der Luft bei wolkenlosem oder nur wenig bewölktem Himmel sich einige Grad über diejenige des Wassers erhob. Die ganze übrige Zeit 1) Man ersieht hieraus, wie wenig die scheinbare Höhe von Objecten solch kleiner Gesichtswinkel geeignet wäre, die Entfernung derselben aus jener rein geometrisch abzuleiten ; was insbesondere hinsichtlich der auf dieses Princip basirten Distanzmesser sehr beachtenswerth sein diirfte. Nova Acta LY. Nr. 1. 12 90 Ferdinand Lingg. waltete — soweit dies die nicht von Nebel oder Regen verschleierten Ufer zu beobachten ermöglichten — durchgehends mehr oder weniger beträchtliche negative Refraction, mit all derem Gefolge befremdender Erscheinungen. Am meisten steigerte sich diese vom 16. September an, von welchem Tage an die Temperatur der unteren Luftschichten zwischen 9° und 1° C. schwankte, während der See an seiner Oberfläche eine solche von 13 bis 11° bewahrte; in Folge dieser Umkehrung der sommerlichen Verhältnisse zwischen Wasser und Luft erhob sich die Kimm am 20. und 21. scheinbar bis über die zweite Etage der Schlossfront von Leutstetten, d. i. wenigstens 14 m über ihren wahren Horizont, was einem Refractionscoefficienten von rund k ES wie ohne Nebel über Tag solch beträchtliche negative Refraetion unmittelbar = — 0,35 entspricht. Diese Verhältnisse bilden den einfachsten Nachweis, über der Wasserfläche zu Stande kommen und sogar sich eine Reihe von Tagen erhalten kann. Hieraus lässt sich zugleich mit ziemlicher Sicherheit folgern, dass im Winter, wenn der See von einer Eisschicht oder selbst auch darüber mit einer Schneelage bedeckt und von einer, weit unter den Gefrierpunkt erkalteten Luft überlagert ist, die Kimmbilder gleichfalls eine ebenso und oft noch mehr beträchtliche negative Refraction aufweisen werden. 4. Zur Bemerkung auf Seite 69/70. Aehnliche die wahren verticalen Verhältnisse von Gebirgsbildern, aber in umgekehrtem Sinne modificirende Umstände werden bei photographischen Aufnahmen von Bergen obwalten, welche in der Höhe mit bedeutenden Schneelagen überdeckt oder gar vergletschert sind. 5. Zur Bemerkung auf Seite 75. Ueber die Missgestaltung der von dem Genfer See gespiegelten Bilder seiner Ufer hat der Schweizer Professor Ch. Doufur schon 1874 in dem „Bulletin de la Société vaudoise des sciences naturelles, 2° S., Vol. XIII, No. 72, (Lausanne-Rouge & Dubois)“ eine Ab- handlung veröffentlicht, worin derselbe durch einfachen mathematischen Calcul zeigt, dass diese Verzerrungen ihren Grund in der idealen Wölbung der Erdoberfläche haben, welcher der Wasserspiegel folgt; doch ist hier nachdrücklich zu betonen, dass in dieser mathe- matischen Behandlung weder die Wirkung einer Strahlenbrechung überhaupt, und noch weniger deren Veriinderlichkeit mit irgend einem Worte Beachtung findet. In gleicher Weise umgeht diesen allüberall und immer spielenden Einfluss der von den Lichtstrahlen durchzogenen Atmosphärenschichten ein Bericht des Schweizer Professors M.F. A. Forel „Archives des sciences physic ues et naturelles. Troisieme yériode. Tome XXI D paysıq H t in den über die Genève 1889. P. 254. Séances de la Société vaudoise des sciences naturelles‘ Kimmbeobachtungen am Starnberger See. 91 H | Hi Deformation der von dem convexen Seespiegel zurückgeworfenen Bilder, insbesondere aus i geringer Entfernung, wenn der See von leichten Wellen gefurcht wird. Erscheinungen, welche f sehr an jene erinnern, die nach meinen diesbezüglichen Darlegungen durch eine zwischen der | sogenannten Wellenkammlinie und der Kimin aus Wellenkämmen zusammengeschobene Spiegel- | { fläche, und zwar nur als Folge negativer Refraction zu Stande kommen. H | o i 6. Zur Bemerkung auf Seite 79/80. ] In der ,,Meteorologischen Zeitschrift, Band IV, 1887“ S. 186 veröffentlicht auch Herr f W. Biermann in Berlin „Einige Beobachtungen über Spiegelkimmung“, in deren Besprechung | derselbe nachzuweisen versucht, dass die von ihm wahrgenommenen Erscheinungen — welche | mit den von mir zwischen Wellenkammlinie und Kimm beobachteten identisch sind — der j Effect von Luftspiegelung sei. Es würde zu weit führen, an dieser Stelle die vielen Ein- | wendungen aufzuzählen, welche sich gegen eine solche Auffassung vorbringen liessen, um die Irrthümlichkeit derselben darzuthun; im Uebrigen denke ich in dem Vorstehenden einer der- | artigen Deutung hinlänglich vorgebaut zu haben. Selbst Dr. Johann Müller, der so hochverdiente, nunmehr verstorbene Verfasser des „Lehrbuch der Kosmischen Physik“, giebt auf Seite 374 der 4. Auflage dieses 1883 bei Vieweg in Braunschweig erschienenen Buches in Figur 226 eine Darstellung der Spiegelung eines Dampfschiffes auf dem Bodensee, wovon er annimmt: das letztere befinde sich in | Wirklichkeit „in oder noch hinter dem normalen Wasserhorizonte“, während dasselbe „nicht | allein ziemlich hoch über dem Horizont gehoben erschien, sondern auch noch ein Spiegelbild i im Wasser sichtbar wurde.“ Auch in dieser Zeichnung ist die sogenannte Wellenkammlinie als Wasserhorizont und die eigentliche Wasserspiegelfläche als Luftspiegelfläche über dieser | dargestellt. | 92 Zusammenstellung der ‘ar H © H An Ferdinand Lingg. Beilage 1. berechneten Dimensionen für die Kimmbeobachtungen. Dai 9. 10.| 11.| 12 13. Falles in 3 3eobach- | [Al es in Metern ` | tungs- | bezw. in Bogensekunden] | CZ punkt | d | Abstand vom Boobs | achtungspunkt. . . 0 Abstand y. der wahren Be ae RR — 5048 Winkelabstand vonder wahren Kimm. . . | —163 443 Winkelabstand vom Beobachtungspunkt 0 Niveaucote des Kimm- let Cer des d Wasser- | Depression = . < spiegels (Senkung) piegi unter diesen 2.0 Abstand von der schein- barenKimm fiir posi- tive Refraction zu k = + 0a Bogenlänge dito... | Abstand v. dem Durch- | schneidungspunkte ana 5643,7 der beiderlei Hori- ZONE SE —5345,85| —297 85 in Centriwinkel . |—173%9 Senkung des Horizon- | tes der scheinbaren | Kimm unter jenen der wahren Senkung des Strahles unter d.scheinbaren Kimmhorizont . . . | Senkung unter den wahren... Kimm, wahre 5048 0 0 163,43 | Ha (586,4) | (584 4) | (592168) (592 | | | Ufer, | Gasthof ERTAN., Bahnhofs-| ` Schloss I Kan Seel Se Stations- | Ruder- | Leut- RUDI EE gebäude | Clubhaus stetten schiff Kot. |S : 15000 15050 15050 15160 18800 9952 | 10002 | 10002 | 10112 | 13752 32222 | 323%4 | 3234 | 3270 | 445/556 485.66 487s | 487/53 | 490/84 608 ou 247) (592,420) (599,243) 1 947 5,020 14,13 302% | 304% | 304% | 308% | 426% 9356 | 9406 | 9406 | 9516 | 13156 9654 9704. | 9704 9814 13454 | | | 31257 | 3145 | S149 | 317s | 435% | | | 0903 0,907 | 0,907 Oas | 1258 | 1 374 1388 1 38s 1 a21 2,720 2277 229% | 3,978 E + | H | Kimmbeobachtungen am Starnberger See. 93 | ei | | Ufer, | Gasthof | 3 | Beobach- | REN Bahnhofs-} | Schloss [Alles in Metern , | Kimm, | bezw. | zum | Ruder- ; Ey in Bowensels eae H Dampf- | Bayer. | slubhaus La k | bezw. in Bogensekunden] | punkt | wahre i UM PEE Ke gebäude | AU haus | San | | | | iSi Hof | | | L ) | kela ies ue SSS 14. er schein- | | | | j baren Kimm für | | | | \ 5 oe m: 2 (um, r14%q3 | 33665 | 3385 | 338%5 | 341% | 459% D . | e 15.) Bogenlänge dito . . . {—4602,ss| 445,12 10397 | 10447 | 10447 | 10557 | 14197 if 16. Abstand v. dem Durch- | | | | schneidungspunkte | der beiderlei Hori- | | | | zonte 2.2.2.2... | 48254 | 222s | 101745 [102245] 10224, | 10334, | 13974, | le in Centriwinkel. | 156% Ti | 3294: | 331% | 331%. | 334%: | 452% 18.) Hebung des Horizon- | | | | D tes der scheinbaren | | | | Kimm über (ae | | | | der wahren ne! PRA Oza |- eu |- (eg Ohé ] 19.) Hebung des Strahles | | | über den Horizont | | d.scheinbarenKimm Kee 1,694 1,713 ms | 1,20 3,160 i 20.| Hebungüberd.wahren | 2 404 2427 2427 2 a7 4,136 i 21.| Winkel Tangente — | | | r Sehne für | | | h | i Mr PEN | 5) = +051 | 163 48% | 49% 60% 223 Betrag der Täuschung | | +04 3,55 | 3,60 5,551 | 23.| Elevation über den | | | i Horizont der wahren | | | iq | Kimm [60% —43% | | | | | = ee REN bs ball Le | Lee las.” 1,96 1,57 d 24., Winkel Tangente — | | | | Sehne für | | | | | | D | | su S Ze | | | Se stand) : 16,3 | 48% —487 | | ze A il —60,9 d > | | | 25. | Betrag der Täuschung e Eege 5 | 3,60 | 5,551 26. | Depression unter d. H. | | | | | | | | | der wahren Kimm | | | | | pap | | | | | [= 15 l ad Län 17 egen Lantin. I Mi uie 27.| Giebelspitze Leutstetten Schloss (623) = 38's über Seespiegel auf 18800": 7’5%, 28.| Bayerischer Hof, Giebelspitze. Spiegellänge von 11,3. Bildhöhe = 5644 x 2 — 2258", 29.| Wasserstand 1887 — 1886 — 40; deshalb die 1887 beobachteten Niveaux um | Qu höher angesetzt. > 94 Ferdinand Lingg. Beilage Il. è Niveaux der Beobachtungsobjecte über dem Seespiegel zu (584,4) m für den Wasserstand vom 12. September 1886 zu 64 mm Hafenpegel = 84 "mm Brückenpegel. I. Dampfschiff Wittelsbach, me LOL TAU. a lead 1), herang e x. „1m Miktel 2/5/44) Pirstlinie -Amai moh. na 2) a. Hauptdeck (ohne Passagiere) 12) Planie des Eisenbahndammes aussen E gl ery EE OC 1.10 | b. Hauptdeck (ohne Passagiere) | IE. Bahnhofs-Stationshauptgebünde. m 5,0 1,5 2 2,95 IMAGO had SB hee kA, re Ee j Kee? S ” | 4) Perron (oberer)-Planie . 3,05 oldnderewr-. e eae E ORT 2 d d i | 2) Perrondach, Unterkante Den 3) Oberer Rand der Salonfenster . 3,00 Zi : | E Oberkante, aussen . 7,45 AN An Oberdeoks aussen... ie ths. e O40 1] > ny an 2 gp 3) Etagegurte, unten Ze ` EE z HE ER? 4) Fensterbank, oben 8a 5) a. Sonnenschutztuch, aussenunten 5,0 SE ’ 5) Fensterbogenscheitel . . . . 11o D. a „ oben ~ 5,30 re ES : 4 f g 6) Trauflinie 4. poutwertinediienucdoall 12% © % an der’ Mitte S Osoari n un e 3 SC : O Firstlinie Lee BOS. At 15 6) Kaminoberrandemen hte OSU 8) Dachunterkante des Thiirmchens 1 II. Gasthofgebiiude zum „Bayerischen Hof“, 1) Fuss der Terrasse — Strasse . Bi IV. Haus des Münchener Ruderclubs. 2) Berkasson Aussen ea Lore 1) Trottoir der Rampe zugl. Niveau a NEA Ee SE der Thorschwellen 1.00 3) Fenster d. Erdgeschossanbauesunten 4,9 2) Sockeloberkante Les Bee ci oben 59 3) Fensterbank, oben 2,0 4) OberkantedesErdgeschossanbaues Ge | 4) Widerlager der Thore . 345 5) Balkon der I. Etage, unten. . 7 5 | 5) Erdgeschossoberkante Dun u wi oe oben... . 855 | 6) Fusslinie der L Etage,. un 6) Sonnenschutztuch d.I.Etage,unten 9,0 Debrlstlinie tay Ale ily ren 6,00 2 „I „ oben 10,0 | 8) Unterkante der Verandakappe 8,07 7) Balkon der II. Etage, unten. . 119 9) Fusslinie der Il. Etage 8; Ce ar Us iogeeobéree? tte (OP Braselinte PATH, d 9, 8) Sonnenschutztuch d. II. Et., unten 13, 1 44) Thiirmchendach, Unterkante . . 12 A Soll Open 144 | 12) S Knie, sowie ML rn EE J Cé | he able a RE Sane S (AER | 13) Thürmchendach, Spitze . . . 14 i en Kimmbeobachtungen am Starnberger See. 95 | | V. Schloss von Leutstetten. S (o. 1 | 1) Planie der Anlagen unten Sa 12), Kontor GE 2128 | 2) Terrasse . 11,7 | 13) Gurte darüber Ee | 3) Berme ER ee [25,3 EE CH 14) Fenster der II. Etage . “(272 5) Verandaboden 15 | 15) Gurte darüber . 282 | he ri = | 16) Fenster der III. Etage Í = | 7) Stütz-Brustmauerkrone . ale, | N ie "Lët: 1 8) Veranda-Sonnenschutztuch,unten 18, | 17) Giebelgurte 32,2 N 9) Veranda-Dachtraufe 184 | 18) Uhr-Mitte 33,85 | 10) Veranda-Dachfirst 195 | 19) Glockenschallloch 37,95 ! 11) Untere Gurte 100208081320) bute. EE 38,8 | Fahrbahn der Würmbrücke bei Percha (1888): 242 m, also Niveaucote (586,8). | | | | | SEERA es UP. | | | | | | N | | | | H f [ | i z> i | I Nova Acta Acad. CL.C.G. Nat. Car: Vol.LV. Tab.T. \xe \ \ | \ >) | ee d der berresbrischen | | N I | i \ | ~ . aD) N / i | | SE dE lrefraction s / \ | \ ree I \ i à d \ 1 \ / \ ! $ j \ i 2 d \ ' \ j \ | | d \ A : | | | \ | \ | \ i i | \ ! E \ 1 Dr) | \ I 2 ! lee \ \ Hype te aot E i N | N eee HEER PN i | E Ed 2 i p \ Os. r fa ! H Sig we IV. SE i | | = \ H į \ i | S S ç d j X \ oe, A b ! ` ` | Sheibung Ces Gesichts] eldes. \ i uf \ \ D d ` / \ y / \ \ d \ i \ \ | \ H N H \ | \ ` $ \ | t N | $ | \ H \ H i S \ | | Ea | | EE \ \ d N H SN en OR | \ | Ow % dev scheinbaren Grösse i ` \ \ P ! \ j | i : \ E Lingg: Kimmbeobachtungen. Taf 1. PRESTR Ee I d o> | ` EI N 3 4 : : Te HE 5 SE Gi H 5 E 3 + pert d S 8 zi EE É 8 S SE E d 44 Uri sae Gei 3 et Et SE SECH E af os Be + b : 4 SSES H Et + = H E ten GR ER TE IE sense HUE: i H Paste cutee E £ i £ PATIT Fr == - _ - _—— Rer Ge a E i pee T were) i sin í EET 3 IE i GEN Ja m Sete ZEIT: S ; } SES 7 + E i : ER TH E: FEH j HH EE E 1 i HH E aces | T HET S AL + at 1. + ERC i Fr H : HH } P GC ES HHH ee H i ee Ze p GH sows | Ei THES HE Br H ` EE + | E i Bull aa H = Han HE si; H de DE | KS + 4 FH J HE 3 4 beab oa . DES be: N H FH p N Hp zi H ST I + + EEEE S HETH Š oe Bud SS LS EL Si + =] Ss e N + HH Ke i SES) H + + DS = TH A + ` p S i; HEEE ` $ FH 3 i Ft S ; } S TH Ber sa. X E je e TH HEH R Er ji I | } s| | 7 n HH S d HE H D - = ; = +S BEE N TH t H EE) Ry Ä | + un i N H Seet f Ss HEH ; a | a H e + $ FH H of ` 4 ` À AHHH R 5? S E Sanal S H EE sà SS EEH : an ERE È 3 È e tt i 2 s t : R i sans Pees TE | Kieser Gë Dë j ; f + $ Ei r = 2 Patt E GE SG : EH E SE SCH CH saag +t : | ace 5 $ $ H + HER Sb + = oi H ki i RE - ep SS HEE H the fe anes SH dy esi T a i H — ut ay } + HF es H E + F Boe a i HE E g e d : SE F I fs + H FH | i | at Jee ig Ces Bauen ae T e is + | Dn DE | N a ay k EE i Er GE = i x ir f NS d D 4 j; | H GE FET D | E st HER HEHHEE | : "HHC HH EEEH | S EE SE d BEREE 8 TH E pe ez F PURAAENANE | EE JE 8 = | X HH EEEE | S $ ATE EEEE nis i HEH S H : Ha R d bk H S z est = ti all 2 EE B 5 + et S TH HE X H: | pir f ct + > x H ; is Cd S Ss H d Zens H 3 N - + heh Kg E E EE En in S RS Seto aoa ve pie) | nn omer TTT. schier mente, Tab. M. Nova Acta Acad. CZ Ce Nat Cur Vol LV. vr P ERRE ër der egel TS SPN I See: pz Bewegung | de über Ho | d ten i i ~- H | ina mme ders: zeit, Or agra LIC ert -7 se Abseı Lith Anst. Julius Klinkhardt, Leipzig. F. Lingg Lin yt tmimobeobachtungen Lar 3. = il Seite 4 Zeile 1 Al) Bi cane kG) GE ORs (OM a8 19 = Sandel 30 ek Druckfehlerberichtigung. von unten soll es anstatt Fig. „VI“ heissen: [begins N? von oben soll es anstatt „(0.82)“ heissen: „(0.082)“. yon unten soll es anstatt „geocentrische“ heissen: „geographische“. von unten gehört zwischen die Worte „des Halbmessers“ das Wort „Krümmungs-“. von unten soll es anstatt „42 078“ heissen: „42 708“. von oben soll es anstatt „hat man“ heissen: „man hat“. von oben sind die Worte „und Berg“ zu streichen und vor „Leoni“ das Wort „und“ zu setzen. von unten lies: „Wahrnehmbarem‘“. von oben soll es anstatt „PBA“ heissen: „PEA“. von unten gehört das Komma am Schluss vor das Wort „dieselbe“. von oben soll es anstatt „und“ heissen: „um“. NOVA ACOTA der Ksl. Leop.-Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher Band LY. Nr. 2. Beiträge | Theorie der raumlichen Configurationen. Ueber die Klein’sche Configuration Cf. (6015, 306) und einige bemerkenswerthe aus dieser ableitbare räumliche n . Configurationen. Í $ Von ! Dr. Edmund Hess, M.A.N. Professor an der Universität Marburg. Eingegangen bei der Akademie den 24. September 1889. D | HALLE. 1890. Druck von E. Blochmann & Sohn in Dresden. P Für die Akademie in Commission bei Wilh. Engelmann in Leipzig. - Vorrede. Die vorliegende Abhandlung enthält, wie der Haupttitel angiebt, einen ersten Beitrag zu der Theorie der räumlichen Con- figurationen, welche in der neueren Zeit von verschiedenen Gesichts- punkten aus entwickelt und behandelt worden ist. Die von mir genauer betrachtete, zuerst von F. Klein untersuchte Configuration kann als eine der wichtigsten und fundamentalsten bezeichnet werden, aus welcher eine grosse Anzahl von besonderen Con- figurationen sich herleiten lässt. Indem ich in Betreff des wesentlichen Inhaltes dieser Ab- handlung auf die Einleitung und die Schlussbemerkungen verweise, erwähne ich noch, dass ich in einer zweiten Abhandlung insbesondere diejenigen — zum Theil neuen — Configurationen zu behandeln gedenke, deren Repräsentanten die durch die vollständig oder theilweise regelmässigen Gebilde des dreidimensionalen Raumes bestimmten Raumfiguren sind, während andererseits auch die Beziehungen gewisser Configurationen zu den vollständig oder theilweise regelmässigen Gebilden des vierdimensionalen Raumes entwickelt werden sollen. 100 Dr. Edmund Hess. (p. 4) Ich spreche schliesslich die Hoffnung aus, dass die durch meine Untersuchungen, bei welchen die Herleitung der geometrischen d Eigenschaften der Configurationen das Hauptziel bildet, gewonnenen Resultate auch für die Ausbildung der algebraischen Theorie der Configurationen verwerthbare Beiträge liefern möchten. Universität Marburg, im September 1889. Edmund Hess. Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 5) 101 Einleitung. In einer Abhandlung: „Zur Theorie der Liniencomplexe des ersten und zweiten Grades“ 1) hat Herr F. Klein zuerst ein System von sechs linearen Complexen betrachtet, welche er Fundamentalcomplexe genannt hat. Auf diese Fundamentaleomplexe wird man geführt, wenn man solche lineare Functionen der sechs homogenen Coordinaten einer geraden Linie sucht, für welche sich der linke Theil der zwischen diesen Coordinaten bestehenden Bedingungs- gleichung 2ten Grades als Summe von lauter positiven Quadraten der Ver- änderlichen schreiben lässt. F. Klein hat die Wichtigkeit dieser Gleichungs- form nicht nur für die Complexe 2ten Grades iiberhaupt, sondern auch für die mit diesen Complexen in enger Beziehung stehenden Kummer’schen Flächen nachgewiesen. Diese letzteren Anwendungen sind insbesondere von A. Weiler 2), K. Rohn’) und F. Klein‘) genauer ausgeführt und vervollständigt und von Letzterem für die Theorie der Gleichungen 6ten und Yten Grades?) und der hyperelliptischen Functionen®) verwerthet worden. 1) Math. Ann. II. p. 198—226. 2) Math. Ann. VII. p. 145—207: „Ueber die verschiedenen Gattungen der Complexe zweiten Grades“, 3) Math. Ann. XVIII. p. 99—159: „Verschiedene Gestalten der Kummerschen Fläche“. 4) Math. Ann. XXVII. p. 106—142: „Ueber Configurationen, welche der Kummer- schen Fläche zugleich ein- und umgeschrieben sind“. 5) Math. Ann. IV. p. 346—358: „Ueber eine geometrische Repräsentation der Resol- venten algebraischer Gleichungen“ insb. p. 355 ff. und Math. Ann. XXX. pn 499 — 532: „Zur Theorie der allgemeinen Gleichungen sechsten und siebenten Grades‘. 6) Math. Ann. XXX. p. 533 —560: „Zur geometrischen Deutung des Abel’schen Theorems der hyperelliptischen Integrale“. Vergl. auch H. Maschke. Math. Ann. XXX. p. 496 ff.: „Ueber die quaternäre, endliche, lineare Substitutionsgruppe der Borchardt’schen Moduln“. Pr. 102 Dr. Edmund Hess. (p. 6) Wiewohl die wichtigsten und fundamentalsten Eigenschaften der durch die sechs Fundamentaleomplexe bestimmten Raumfigur, insbesondere die aus- gezeichnete Gruppirung der Complexe zu einander bereits von F. Klein (l. c.) angegeben worden sind, so glaube ich doch keine ganz überflüssige Arbeit zu unternehmen, wenn ich diese merkwürdige Raumfigur im Folgenden nochmals einer eingehenden Untersuchung unterwerfe und Eigenschaften derselben vom Standpunkte der Configurationentheorie (im Sinne von Th. Reye) unter An- wendung der analytischen Methode zu entwickeln suche. Im $ 1 leite ich die durch die soe 15 Fundamentaltetraeder bestimmte Cf. (6015, 306) aus der Figur zweier conjugirten desmischen Systeme her, gebe sodann in $ 2 die tetraedrischen Coordinaten der Punkte ¢ und Ebenen ¢ der Configuration für den Typus I und in § 3 eine Zusammenstellung der incidenten Elemente. Sodann betrachte ich in § 4 die 30 Of.-Geraden e und die durch dieselben bestimmten Complexe und Congruenzen. Nachdem so die sechs Fundamentalcomplexe erhalten sind, werden auch die von F. Klein eingeführten Liniencoordinaten aufgestellt und benutzt. Feiner wird das Ent- sprechen der Geraden und Punkte in Beziehung auf die 15 durch je 2 Funda- mentalcomplexe bestimmten involutorischen Congruenzen behandelt. In $ 5 werden die 10 Fundamentalflächen und die durch je 6 der 15 Tetraeder bestimmten desmischen Systeme und die Beziehungen der Elemente der Cf. (6015, 306) zu diesen Flächen entwickelt. Die Untersuchung wendet sich alsdann in $6 zu der Bestimmung der übrigen (Diagonal-) Geraden der Configuration, nämlich der 320 Geraden f und der 360 Geraden g, deren Coordinaten aufgestellt und deren Lagenbeziehungen hauptsächlich in Rücksicht auf die durch sie bestimmten Liniencomplexe, Jongruenzen und Flächen betrachtet werden. Bei dieser Gelegenheit werden, wie bereits in $ 4, auch solche Configurationen betrachtet, welche durch ein System von Geraden und die zugehörigen speciellen Liniencomplexe, sowie durch die zugehörigen Congruenzen bestimmt sind. Im $ 7 habe ich die Kummer’sche Configuration Cf. (166, 1202) und einige aus derselben ableitbare neue Configurationen behandelt; ich glaube, dass in diesen Betrachtungen, trotz der zahlreichen über diesen Gegenstand erschienenen Arbeiten, noch einige neue Gesichtspunkte und einige neue Resultate sich finden dürften. Der $ 8 enthält die Untersuchung der Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 7) 103 tetraedroidischen Kummer’schen Configuration und die systematische | Entwickelung der sämmtlichen Unterfälle derselben, sowie auch des Grenz- falls, einer Cf. (167, 84). Von den in § 7 und § 8 gewonnenen Resultaten werden nun in § 9 und $ 10 Anwendungen gemacht, indem die durch die übrigen Schnittpunkte f, g (Verbindungsebenen g, z) der Ebenen « (Punkte e) bestimmten Configurationen untersucht und neue durch Vereinigung mehrerer dieser Configurationen gebildete Configurationen abgeleitet werden. In § 11 sind ebenso die durch Punkte (Be- rührungsebenen) der Fundamentalflächen gebildeten Configurationen, insbesondere die durch die Schnittpunkte der Geraden f, g (Berührungsebenen durch diese Geraden) mit bez. je einer und je zweien Fundamentalflächen bestimmten Con- figurationen untersucht und durch Vereinigung derselben mehrere, wie ich glaube, neue Configurationen hergeleitet worden. Der $ 12 endlich enthält | eine Zusammenfassung einiger Hauptresultate und Andeutungen über weitere Ausdehnung und Anwendung der angestellten Betrachtungen. Ich gebe mich der Hoffnung hin, mit der vorliegenden Arbeit zu der in neuerer Zeit mehrfach behandelten Lehre von den Configurationen einen kleinen Beitrag geliefert zu haben, welcher auch für die algebraische Ent- wickelung dieser Theorie verwerthbar sein dürfte, nachdem bereits durch | die Untersuchungen von Th. Reye, Kantor, Martinetti, Schönflies, de Vries u. A. die algebraische Behandlung der Configurationstheorie mit “rfolg begonnen worden ist. 104 Dr. Edmund Hess. (p. 8) Se Ableitung der Cf. (60,;, 30,) aus der Figur zweier conjugirten desmischen Systeme. Es seien zwei s. g. conjugirte desmische Systeme‘) gegeben. Jedes der beiden Systeme ist durch drei Tetraeder in einer solchen Lagenbeziehung gebildet, dass je zwei derselben vierfach perspectiv sind und jedesmal die Ecken und Flächen des dritten Tetraeders bezw. die Centra und Ebenen der Perspectivität darstellen. 2 Die erwähnte Raumfigur wird bekanntlich®) einfach dadurch erhalten, dass man die Kanten eines Tetraeders durch eine Ebene schneidet und auf jeder Kante zu dem Schnittpunkte den vierten harmonischen Punkt construirt, so dass die Eckpunkte der Kante durch diese beiden Punkte harmonisch ge- trennt sind: die sechs Schnittpunkte und die sechs vierten harmonischen Punkte bilden alsdann die Eckpunkte von drei Tetraedern in desmischer Lage, während andererseits die vier Ebenen des ursprünglichen Tetraeders, die Schnittebene und die sieben Ebenen, welche je sechs jener zwölf Punkte enthalten, die zwölf Seitenflächen der drei Tetraeder des conjugirten desmischen Systems bilden. Dieselbe Figur entsteht, wenn man einen beliebigen Punkt mit den Kanten eines Tetraeders durch Ebenen verbindet und zu jeder Verbindungsebene die vierte harmonische Ebene construirt, so dass diese beiden Ebenen durch 1) Cyparissos Stephanos. Sur les systèmes desmiques de trois tetra&dres. Bullet. de scienc. math. et astr. Ser. IL t. II. p. 424—456. 2) Vergl. hierüber meine Abhandlung: Beiträge zur Theorie der mehrfach perspectiven Dreiecke und Tetraeder (Math. Ann. XXVIII, p. 167—260) § 10, woselbst auch die wichtigsten Litteraturangaben gemacht sind. 5) Vergl. Th. Reye. Die Hexaeder- und die Oktaeder-Configurationen (12g, 163). Acta mathem. I. p. 97—108. Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 9) 105 die in der beziiglichen Kante sich schneidenden Tetraederflächen harmonisch getrennt sind: die sechs Verbindungsebenen und die sechs vierten harmonischen Ebenen bilden die Seitenflächen von drei Tetraedern in desmischer Lage, während der angenommene Punkt und die sieben Punkte, durch welche je sechs der zwölf Ebenen hindurch gehen, nebst den vier Eckpunkten des ur- sprünglichen Tetraeders die zwölf Eckpunkte der drei Tetraeder des conjugirten desmischen Systemes darstellen. Das bei dieser zweiten Art der Entstehung erhaltene desmische (das conjugirte desmische) System ist bezw. mit dem bei der ersten Art der Entstehung erhaltenen conjugirten desmischen (desmischen) Systeme identisch. Die 12 Eckpunkte des einen desmischen Systems und die 12 Ebenen des conjugirten Systems bilden je eine Cf. (126, 163),1) wobei die 16 Cf- Geraden je 3 Eckpunkte der 3 Tetraeder des einen Systems verbinden und zugleich Schnittgerade je dreier Seitenflächen der 3 Tetraeder des conjugirten Systems sind. Der Verein der 24 Eckpunkte und der 24 Ebenen beider Systeme bildet die von Vietor?) und Staigmiiller’) genauer untersuchte Cf. Tetraeder beider Systeme sind. Diese Configuration erhält ausserdem #) noch (245, 184), wobei die 18 Cf-Geraden die 18 gemeinsamen Kanten der 72, Gerade (Diagonalen); die 24 Ebenen schneiden sich. ausser in den 24, Cf-Punkten noch in 96, Punkten, ebenso wie durch die 24 Cf.-Punkte ausser den 24, Cf-Ebenen noch 96, Ebenen bestimmt sind. Diese 96 Elemente bilden ein System von 6 speciellen Kummer’schen Configurationen, welche in § 8 und $ 10 genauer betrachtet werden. Aus der durch die sechs — als reell vorausgesetzten — Tetraeder zweier conjugirten desmischen Systeme gebildeten Figur ergiebt sich nun leicht die durch die sechs linearen Fundamentalcomplexe bestimmte Raumfigur. Indem man nämlich auf jeder der 18 Kanten, von welchen je eine zweien Tetraedern der beiden conjugirten desmischen Systeme gemeinsam ist, dasjenige Punkt- paar bestimmt, welches zu den beiden einander harmonischen Punktpaaren 1) Th. Reye a.a. O. EE Vietor, Die harmonische Configuration (244). Ber. über die Verh. der naturf, zu Freiburg i. Br. VIII. 2. 1884. 3) H. Staigmiiller, Die harmonische Configuration. Inaug.-Dissert. Stuttgart 1886. 4) E. Hess a. a. O. 8. 244. Gesellsch Nova Acta LY. Nr: 2. 14 106 Dr. Edmund Hess. (p. 10) dieser Kante zugleich harmonisch ist, erhält man weitere 36 imaginäre Punkte. Diese 18 imaginären Punktpaare bilden die Eckpunkte von 9 imagi- nären Tetraedern, deren Ebenen zugleich die 36 Ebenen sind, von denen je zwei ein zu den beiden durch jede der 18 Kanten hindurch gehenden und einander harmonischen Ebenenpaaren zugleich harmonisches Ebenenpaar darstellen. Auf diese Weise sind auf jeder der 18 Kanten drei Punktpaare erhalten, von denen jedes zu den beiden anderen harmonisch ist, und ebenso drei durch jede dieser Kanten hindurch gehende Ebenenpaare, von welchen jedes zu den beiden anderen harmonisch ist. Dass in der That die 18 erhaltenen imaginären Punktpaare (Kbenen- paare) die Ecken (Seitenflächen) von 9 Tetraedern darstellen, wobei je drei dieser Tetraeder eine Kante gemein haben, welche drei der imaginären Punkt- paare und ebenso drei imaginäre Ebenenpaare enthält, von denen je zwei zu einander harmonisch liegen, geht aus der im $ 2 zu gebenden Aufstellung der tetraedrischen Coordinaten dieser Punkte und Ebenen in Beziehung auf eines der ursprünglich angenommenen sechs Tetraeder sofort hervor. Die an- geführte charakteristische Eigenschaft der Eckpunkte und Seitenflächen der 6+9=15 Tetraeder, dass jede der 13+12=30 Kanten drei Eckpunkt- paare und ebenso drei Seitenflächenpaare enthält, von denen zwei beliebige zu einander harmonisch liegen, lässt sofort erkennen, dass diese 15 Tetraeder mit den von F. Klein!) s. g. 15 Fundamentaltetraedern und die 30 Geraden mit den 15 Directricenpaaren der durch je zwei der Fundamentalcomplexe bestimmten Congruenzen identisch sind. Vom Standpunkte der Configurationentheorie ist die beschriebene Raum- figur als eine Cf. (60,5, 30) zu bezeichnen, indem jeder der 60 Eckpunkte (jede der 60 Seitenflächen) der 15 Tetraeder mit je 15 Seitenflächen (Eekpunkten) und jede der 30 Geraden mit je 6 Punkten und je 6 Ebenen incident ist. Es sollen nun die bereits erwähnten, sowie weitere wichtige Eigen- schaften dieser Configuration, welche ich Klein’sche Configuration zu nennen vorschlage, im Folgenden unter Benutzung der analytischen Methode nach- gewiesen werden. 1) Math. Ann, II. 8. 205. Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 11) 107 Tetraedrische Coordinaten der Punkte und Ebenen der Klein’schen Configuration fiir den Typus I. Wir wählen ein Tetraeder 7, der sechs ursprünglich betrachteten NC EE bilden, zum Coordinatentetraeder und setzen diese sechs Tetraeder als reell § 2. Tetraeder, welche zwei conjugirte desmische Systeme 7,, To, Ts; voraus, welche Annahme dem von F. Klein so genannten ersten Typus entspricht. 1) Die 6 Tetraeder T, .... 7, sind in Beziehung auf die Fläche zweiter Ordnung w? + v2 --y? + 22—0 (1) sich selbst conjugirte Polartetraeder, bei welchen jede Ecke Pol der gegenüber liegenden Seitenfläche und jede Seitenfläche Polarebene der gegenüber liegenden Ecke ist. Die 9 imaginären Tetraeder 77... Tı dagegen, deren Eckpunkte die Schnittpunkte der 18 reellen Geraden mit der Fläche (1) und deren Seiten- flächen die durch diese 18 Geraden hindurch gehenden Berührungsebenen mit der Fläche (1) sind, sind Polartetraeder besonderer Art in Beziehung auf diese Fläche, so dass den Ebenen « 8 y 0 bezw. die Punkte b a d c als Pole entsprechen und die Kanten ay GEREENT rn sich selbst conjugirte Polaren sind, während das dritte Paar Gegenkanten eß|=|cd| und |yd|—=|ab]| ein Paar einander conjugirter Polaren darstellt. In den Formeln (2 «) und (2 2) sind die Coordinaten der 60 Punkte ez... Gen und der 60 Ebenen & ... eso übersichtlich zusammengestellt. eet: 0 Orisa: oman iE ake Sam Hss T, lee a) Sa.) leer. AM ER lee E GIE a) E3 Ee E Le St Pie eis FR > (eat) te Sa Br: 11-1 he ee EA GE E Le ER Er €13 Cage: weet O1 £0 EE E T, E (Eë 1 E14 = Ore tes Mike €18 ell: ei 1 DE GT? BE RE E C19 bh 0:40 E19 pak E UO sa E ek UE E Ka U la) ele ME sn 1) Vergl. für das Folgende die Arbeit des Verf. „Beiträge zur Theorie der mehrfach perspectiven Dreiecke und Tetraeder“. Math. Ann. XXVILI S. 167—260. § 10. (Die 3, 23; 7, Zs, 7% sind dort durch 7, 7’, 7”; ZT, U, Z” bezeichnet), sowie die erwähnte Arbeit von K. Rohn. Math. Ann. Bd. XVIII. III. Abschnitt. 6 Tetraeder 77, 14, 108 Dr. Edmund Hess. (p. 12) Can 0 0 1-2 E26 TET E34 e26 07.05 1,5% €25 p, Jeso. E33 8 EM E28 E . €36 Cas. + €27 832... €35 e37. € 38 bes GK E48 38 - €37 m Jes Eti R Tii R Can E40 K E46 DÉI EE GE E39 C44 €45 C49 js Les Pes) €50 C53 €60 €s 1 1—i—i Eas C54 E59 50 49 Wea 5 59 egis E52 Ges Ess C52 + €51 C56 €57 8:3 Zusammenstellung der incidenten Elemente. Jedes der in (2) aufgeführten Elemente (Punkte, Ebenen) ist mit 15 Ele- menten (Ebenen, Punkten) incident, und zwar jedes der 24 reellen o... toy (ce, 2... 84) mit je 9 reellen und 6 imaginären Ebenen e (Punkten d: jedes der 36 imaginären tsy... Gen Less... eo) mit je 4 reellen und il imagi- nären Ebenen s (Punkten e). Aus der nachfolgenden Zusammenstellung (3) ist die Zusammengehörigkeit je eines Elementes (eines Eckpunktes bezw. einer Seitenfläche) eines der 15 Tetraeder mit je 15 Elementen (Ebenen, Punkten) leicht zu entnehmen. ist incident mit Je 1 Element von | je3 Ele- | d 4 | menten von | je 2 Elementen von D Rent ae ty E Te EE Ee e RE ll E Ee Taste Micke ical. | Wh Wye Text Thy Teas Ths T; | E s? s: a Eis L E cl TE TED i Th | E a Tas is; Ti Th = Tg Hit. Ina, Insatlys; La: 15 Ty ie ity drei; Tis ih Tro T igs uel Tii KE T; Tio Tr Ts Tis | % Ts E | 2 Th Tig Th Ti (28) Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 18) 109 Z. B. beim Tetraeder 7, ist: o incident mit & eo &; &s fix €17 &18, En 25 fan E26, Co D an & 8 € 3 Es €14, 89 €20, Gen €45 €25 €26, Ei & (23 ” ag a Eg €45 &5 Eies- Eug Eis, Egs Esda; €27 E28, Can Eso, Ges E36 C4 ” s D P Dr &5 De, fa fu, €21 €223 for Ga, Pai €32, Can E34 und entsprechend bei Vertauschung von e und e. Für die übrigen Tetraeder genüge es, nur für ein Element, welches durch den mit einer eckigen Klammer versehenen Index bezeichnet werde, die inci- denten Elemente, welche durch die mit runden Klammern versehenen Indices bezeichnet seien, anzugeben. 9), 21) 23); 39) 40), 42) 44), 46) 47) 5] ist incident mit 6) 7) 8); 13) 15), 17) 1 ; ) 20), 21) 24); 51) 52), 54) 56), 58) 59) ALTE Ny FATAL) Sehe ve 14) 15) 16); 1) 2), 5) 6), 9) 10); 27) 28), 37) 38), 49) 50) Ob ee e 49,08) 29120 1). 3), aa) 219 41)-43), 53) 55) SNE ea Se EE D EE E 12) 80): 45) 48), 097):00) E EEN „ 26) 27) 28); 41) 42), 47) 48), 53) 54), 59) 60); 1) 2), 15) 16) 29135 D » 30) 31) 32); 37) 39), 46) 48), 49) 51), 58) 60); 1) 3), 19) 20) (3.8) 23] 9 5 „ 34) 35) 36); 37) 40), 42) 43), 49) 52), 54) 55); 1) 4), 28) 24) i Sri; „» 88) 39) 40); 29) 31), 33) 35), 53) 56), 57) 59); 7) 8), 13) 15) la ait „r42),43) 44):,25) 27),.34) 35), 49) 52),,57) 58)5,.26), 8), 17),19) ei ear „ 46) 47) 48); 26) 27), 30) 31), 49) 51), 53) 54); 6) 7), 21) 23) OH RER 5, 50) 51) 52); 29) 32), 33) 36), 41) 44), 45) 47); 11) 12), 13) 16) | 54) 55) 56); 25) 28), 34) 36), 37) 40), 45) 46); 10) 12), 17) 20) 58) 59) 60); 26) 28), 30) 32), 37) 39), 41) 42); 10) 11), 21) 24) ER? Die 30 Configurationsgeraden e und die durch dieselben be- stimmten Liniencomplexe und Congruenzen. Von den 30 Cf.-Geraden e gehört jede dreien der 15 Tetraeder T, als gemeinschaftliche Kante an, so dass drei Eckpunktpaare auf jeder derselben liegen, von welchen jedes zu den beiden anderen harmonisch ist, und drei Seitenflächenpaare durch dieselbe hindurch gehen, von welchen ebenfalls jedes zu den beiden anderen harmonisch ist. In der Zusammenstellung (5) sind die mit jeder Geraden ineidenten Elemente nebst den zugehörigen drei Tetraedern aufgeführt, ebenso die (Decker schen) Coordinaten jeder Geraden in der An- ordnung Se & 3 Šia; Eau Sao Sa, wobei: 110 Dr. Edmund Hess. (p. 14) und ist. Die in (de) aufgeführten 18 reellen Geraden entsprechen sich zu je zweien polar, so dass für die polar entsprechende Gerade die mit runden (eckigen) Klammern versehenen incidenten Elemente, welche hier Punkte (Ebenen) darstellen, mit den mit eckigen (runden) Klammern versehenen Ele- menten und in den Coordinatenwerthen das erste Tripel mit dem zweiten zu ver- tauschen sind. In der Zusammenstellung (5) sind die 12 sich selbst conjugirten | Geraden, welche hier nebst allen incidenten Elementen imaginär sind, aufgeführt: | dieselben ordnen sich ebenfalls in 6 Paare, wobei jedes Paar zwei Gegenkanten der ihm zugehörigen Tetraeder darstellt. Von diesen 12 Geraden sind sechs erzeugende Gerade der einen Schaar, die sechs anderen erzeugende Gerade | der anderen Schaar für die Fläche (1). Die in der Zusammenstellung am Ende | angegebenen Symbole (12), (34), (56) u. s. w. charakterisiren jedes der 15 Linienpaare als ein Directricenpaar der durch je zwei der Fundamentalcomplexe bestimmten Congruenz. Auf diese letztere Beziehung wird gleich nachher eingegangen werden. ee ; ( | { r AE e BEE seat { d Ge K K ý; : 3 Jg | \ 3). 19) 31) 32 ab Ol, ga nl tte Sah bt es ` aa ¢ ar\ Op e EN Pr RE Ge SE (9 SES bee i e | East 20), - f 3] al Die | e E al CS oe) Bee EE EE teen eh N R =) ae 97] : A Le are ae we E EN Ty Go = A Za ee ef In x ist 53] 55)... | i : ` oe Sa Ee e Ee EE EE e Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 15) E 45) 46), 55) 56) 7 211,42] 481, Soden tege 0 gé 47) 48), 53) 54) ) NR SP ee OEY 43) 44), Hn = 28], 41] 42], 59] 60]... 0 1-5; 0-1 2) ie) 7 = 3 eat A n ( 11) 42), 59) 60) D743 | 44), 571588... 0 1 u Os 32), 37) 39), 58) 60) Em Dt tos a? Os on) Lous 31), 38) 40), 57) 59) | ° Be ee TEN 31), 46) 48), 49) 51) „ 50 Tele 20 Se SE La e l (96) ) 32), 45) 47), 50) 52) J KOHL tea ead 36), 41) 44), 50) 51) 1 7 gohad E Nr ap 9 3), At J T9 ] 5 (13 35), 42) 43), 49) 52) | 35), 38) 39), 53 a 1-20 i) en, en 36), 37) 40), 54) 55) er | Jedes dieser 15 Linienpaare wird von 6 der übrigen Linienpaare ge- schnitten!) oder — wie man auch sagen kann — jede der 15 Congruenzen, welche eines dieser Paare zu Directricen hat, enthält 6 der übrigen Paare. So enthält z.B. 42° _ 0 deren Directricen die beiden Geraden (12) sind, die 6 Paare (34), (56), (35), (46), (36), (45). Man kann hiernach die durch die 15 Geradenpaare e oder (ik) und die ihnen zugehörigen Congruenzen bestimmte Raumfigur auch als eine Confi- guration bezeichnen: jede der 15 Congruenzen, welche eins der Linienpaare Directricen hat, enthält 6 der Linienpaare als Geraden und jedes der 15 Linienpaare, welches das Directricenpaar einer der Congruenzen ist, gehört ausserdem 6 Congruenzen an. Ebenso kann das System der 15 Geradenpaare nebst den 30 durch sie bestimmten speciellen Liniencomplexen als eine solche Configuration auf- gefasst werden, bei welcher jeder der 30 Liniencomplexe, welcher eine Gerade zur Axe hat, 6 Linienpaare als Gerade enthält und jede der 30 Geraden, welche eine Axe eines speciellen Liniencomplexes bildet, ausserdem sechsen der Complexe: angehört. Die schon mehrfach erwähnten 6 Fundamentalcomplexe, von welchen Herr F. Klein bei seinen Betrachtungen ausgeht, ergeben sich hier ebenfalls sehr einfach als diejenigen (nicht speciellen) linearen Complexe, welche je fünf der 15 Linienpaare enthalten. Die Gleichungen dieser 6 Complexe: 1) Vergl. P Klein a. a. O. H 205. 112 Dr. Edmund Hess. (p. 16) KE: [2] [3] KÉ (6) [4] [5] =() [6] =) ergeben sich sofort, wenn man je zwei der Gleichungen der 15 Paare von speciellen Liniencomplexen, von welchen jeder eine der 30 Geraden (5) zur Axe hat, additiv und subtractiv mit einander verbindet. So ergiebt sich z. B. die Gleichung [1] durch Addition bezw. Subtraction je zweier Gleichungen: S12 = 0 12) {S12 ( (ES ll (15) [ifi + 814 SC i ZA i Eis +814 +7851 - Die Zugehörigkeit der 15 Linienpaare zu den 6 Fundamentaleomplexen ergiebt sich aus nachfolgender Zusammenstellung: EN il 0 enthält die Linienpaare (12), (13), (14), (15), (16) PAs Opa cara og a (21), (23), (24), (25), (26) [3]. DS a e (31), (32), (34), (35), (36) o la] ER S (41), (42), (43), (45), oer Ji [5 =O 7 5 m (51), (52), (53), (54), (56) [6] S DH: e ts (61), (62), (63), (64), (65) , Stellt man nun!) die linken Seiten dieser Complexgleichungen durch Li, Xo, Lz, Vy, Lx, Ze dar, zwischen welchen die Identität: +2?=0 (5) SA? Se m = r S19 H &54 H Eis L Eu : ESM EN 0 sur = 1 3 3 9 5 5 Sp £ (ol Ge 513 — 542 Sia — S23 X2 $ H Xu = D E e 27 27 2i und Zus zı iza Eu = as z Hite E d £ 27 (9) 534 Li — tZ, Sar xs £5 — 1i £e In diesen neuen Coordinaten werden z. B. die beiden Geraden (12) durch die Werthe: 1) Vergl. F. Klein und K. Rohn a. a. O. joke ne tn a. a. 0.8.7148 Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 1%) 113 1 41-0 20 0 0 (10) dargestellt; die Coordinaten æ; der sämmtlichen 15 Directricenpaare resultiren durch die Permutation der 6 Werthe 170000 unter Hinzusetzen der beiden Zeichencombinationen, wobei der Vertauschung von 1 mit © die Vertauschung der beiden Linien desselben Paares entspricht. Je zwei der sechs Fundamentalcomplexe liegen in Involution!), d. h. die simultane Invariante je zweier dieser Complexe verschwindet. Wir wollen die durch zwei derartige Complexe bestimmte Congruenz kurz eine involutorische Congruenz nennen. In Beziehung auf eine involutorische Congruenz entspricht jedem Punkte des Raumes ein bestimmter Punkt, welcher mit jenem ein zu den beiden Schnittpunkten der durch den Punkt hindurch gehenden Geraden mit den beiden Directricen der Congruenz harmonisches Paar bildet. So entspricht z. B. einem Punkte w x y z in Beziehung auf die 3 ; zı —0 involutorische Congruenz RE | kel E A jeder Ebene des Raumes eine bestimmte Ebene, welche mit jener ein der Punkt —w —x y z. Ebenso entspricht harmonisches Ebenenpaar zu den beiden Ebenen bildet, welche durch je eine Directrix und die Verbindungslinie der Schnittpunkte der Ebene mit den beiden D Directricen hindurchgehen. Z. B. der Ebene w & y ¢ entspricht in Beziehung en 5 SEA auf die. involutorische Congruenz (eem In Beziehung auf die 15 durch je zwei der Fundamentalcomplexe \ die Ebene: —2 —é 7 ¢. bestimmten involutorischen Congruenzen entsprechen daher jedem Punkte (jeder Ebene) des Raumes 15 Punkte (Ebenen). Sind die Coordinaten eines Punktes way, so sind demselben durch die bezüglichen Congruenzen folgende 15 Punkte zugeordnet 2): w z ya (45). .. Ye Wai (23)... Bayern (42) w x—y—z | (36). .y €-w-x| (13)...2 9—& SC 11) (13)... w a y— | (35) . ..y—2 wa | (24). 4 y (14)... w-w-y z| (46). y AEW EIDA), w 1) F. Klein a.a. 0. 8. 201—202. 2) Vergl. K. Rohn a. a. O. 8. 144. Nova Acta LY. Nr. 2. S 15 114 Dr. Edmund Hess. (p. 18) Diese 16 Punkte sind die Punkte einer Kummer’schen Configuration Cf. (166, 1202); durch jeden Punkt gehen 6 Ebenen der Configuration, nämlich die dem Punkte in den 6 Fundamentalcomplexen entsprechenden, welche einen Kegel der zweiten Klasse umhüllen; die Coordinaten der 16 Configurations- Ebenen sind bez. dieselben, wie die der 16 Punkte. So gehen durch den Punkt w v yz die 6 Ebenen: 2 —w z —y entsprechend in Beziehung auf den Fundamentalcomplex zı = 0 z-w-2 y % T Ls EIERN, D Z = 0 y-z-w a i 3 » ae) » (12) Y £-w—-@ e 9 » es D z yaw 5 o "a D Z-Y ET Ps i 2 az 3 Umgekehrt enthält jede Contigurations-Ebene 6 Punkte, welche auf einem Kegelschnitte liegen. Ist einer der 16 Punkte (eine der 16 Ebenen) gegeben, so erhält man die 16 Ebenen (Punkte) wenn man die dem Punkte (der Ebene) in den sechs Fundamentalcomplexen entsprechenden Ebenen (Punkte) und die dem Punkte (der Ebene) in Beziehung auf die durch je drei der Complexe bestimmten 10 Linienflächen zweiter Ordnung conjugirten Polar-Ebenen (Pole) construirt 2). E Dr =] Auf diese 10 Linienflächen zweiter Ordnung, die sogenannten Fundamental- flächen, werden wir im nächsten Paragraphen noch genauer eingehen. I EN EN E Einer Geraden des Raumes entspricht in Beziehung auf eine ] D involutorische Congruenz eine Gerade, welche sowohl durch die Gesammtheit der den Punkten der Geraden entsprechenden Punkte, als auch der den I ’ Ebenen, welche die Gerade enthalten, entsprechenden Ebenen bestimmt ist. Z. B. einer Geraden, deren v; Coordinaten og, da ga dy Us a, Sind, entspricht in Be- / i HEET Ce TORA ’ l O -of die Gerade — a, —dg z d4 U5 Ug. . NEE * Km ziehung auf die involutorische Congruenz r Eine Gerade, welche der Congruenz angehört, entspricht sich selbst. In Bezug auf die 15 involutorischen Congruenzen entsprechen daher einer Geraden 15 Gerade, für deren jede zwei der Coordinatenwerthe My Uy Ay Ay A, a, entgegengesetzte Zeichen haben, wie für die Gerade selbst. Diese 16 zusammengehörigen Geraden haben im Allgemeinen eine solche Lage, dass keine die andere schneidet. 1) Vergl. F. Klein a. a. 0. 8. 212. Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 19) 115 Jeder der 2.15 linearen Complexe: Qi, Li, + Ui, Vi, = 0 (13a) enthält 8 dieser 16 Geraden, so dass jede der Geraden auf 15 der Complexe liegt. Ferner gehören jeder der 4.20 Congruenzen: EEE Re | (138) Gi, Li, + A Vig = ul ; deren jeder auch ein Complex o, F 4, %, = 0 angehört, vier der 16 Geraden an, so dass jede derselben auf 20 der Congruenzen liegt; ebenso gehören auch jeder der 4.45 Congruenzen, deren beide Complexe in Involution liegen: li, Li, Mi, Vip = d (137) Ve Era Ed je vier der 16 Geraden an. Endlich gehören je vier der 16 Geraden 4.15 Mal einer der durch drei der zu je zweien involutorischen Complexe: (130) bestimmten Fläche an, so dass jede Gerade 15 der Flächen angehört. Hierbei sind aber nur diejenigen Combinationen zulässig, bei welchen in den linken Seiten der drei Gleichungen der Zeichenwechsel + — eine ungerade Anzahl Mal auftritt. Die vier einer solchen Fläche zugehörigen Geraden sind die- selben, wie die jeder der drei involutorischen Congruenzen, welche durch je zwei der Gleichungen (130) dargestellt sind, angehörigen. Eine zweite Gruppe von 16 Geraden, welche einer gegebenen Geraden entsprechen, ergiebt sich durch die 6 Geraden, welche die conjugirten Polaren derselben in Bezug auf die 6 Fundamentalcomplexe sind und die 10 Geraden, welche in Bezug auf die 10 Fundamentalflächen die conjugirten Polaren der- selben sind. Von den Coordinaten der ersteren 6 Geraden hat je einer der Coordinatenwerthe 2. 23 ... Xe, von denen der letzteren 10 Geraden haben je drei entgegengesetzte Zeichen, wie für die ursprünglich betrachtete Gerade. Zu einer Geraden giebt es also 15 zugehörige, welche sich durch eine gerade und 16, welche sich durch eine unge rade Zahl von Vorzeichen- wechseln unterscheiden. K. Rohn nennt die ersteren 15. der Geraden con- jungirte, die letzteren 16 derselben adju neirte Geraden. 116 Dr. Edmund Hess. (p. 20) Von diesen 32 zusammengehörigen Geraden gehören je 2.8 — 16 einem der 2.15 linearen Complexe (13a)... + di, vi, + ai, vi, =O an, ferner je2.4— 8 einer der 4.20 Congruenzen (138) und ebenso je 2.4 = 8 einer der 4.45 Con- gruenzen (13y) und endlich zwei Mal je 4 einer der 8.15 Flächen 2ten Grades (130) (für alle möglichen Zeichencombinationen) an, nämlich je 4 conjungirte Geraden einer der 4.15 Flächen, in deren Gleichungen die Combination + — eine ungerade Anzahl Mal auftritt, und je 4 adjungirte Geraden einer der 4.15 Flächen, in deren Gleichungen die Combination ++ eine ungerade Anzahl Mal auftritt. Ist die betrachtete Gerade speciell eine der 30 Directricen, so reduciren sich die 32 zusammengehörigen Geraden auf zwei, nämlich das entsprechende Directricenpaar, wie aus den speciellen Coordinatenwerthen sofort hervorgeht. Weitere besondere Fälle werden uns im Folgenden begegnen. § 5. Ueber die zehn Fundamentalflächen und die durch je sechs der 15 Tetraeder bestimmten desmischen Systeme. Durch je drei der Fundamentalcomplexe ist eine Linienfläche zweiten Grades bestimmt!), z. B. die bereits in § 2 erwähnte Fläche (1) durch die ba $ drei Complexe |z Da aber je zwei zusammengehörige Gruppen von je bo drei Fundamentalcomplexen dieselbe Fläche zweiten Grades vermöge ihrer verschiedenen Erzeugungen bestimmen — denn die Directricen der Congruenzen (3,5), (5,1), (1,3) z. B., welche Linien zweiter Erzeugung für die durch die Fundamentalcomplexe 1, 3, 5 bestimmte Linienfläche zweiten Grades sind, gehören den Complexen 2, 4, 6 an, die letzteren bestimmen also durch die Linien ihrer anderen Erzeugung dieselbe Fläche — so giebt es nur 10 solcher Flächen, die von F. Klein so genannten Fundamentalflächen. Ihre Gleichungen haben sowohl in tetraedrischen Punkt- als auch Ebenencoordinaten dieselbe Form (vergl. Formel (15) ); die Complexgleichungen derselben sind in der Form: =0 oder 4 +a, 1+ ses H (14) enthalten. 1) Vergl. F. Klein u. K. Rohn a. a. O. Fy ...(135,246)...w+ 229°: Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 21) 117 Jedes der 15 Fundamentaltetraeder (2) ist in Bezug auf vier dieser Flächen ein sich selbst conjugirtes Tetraeder, in Bezug auf die sechs übrigen ein Polartetraeder besonderer Art, dessen Ecken auf den Flächen liegen, dessen Seitenflächen Berührungsebenen sind, so dass vier Kanten eines solchen 'Tetraeders sich selbst conjugirte Polaren, die beiden Kanten des dritten Gegenkantenpaares einander conjugirte Polaren sind. Die beiden Geraden je eines Directricenpaares gehören vier Fundamentalflächen als Erzeugende an; z. B. das Paar (12) liegt auf den Flächen (123, 456), (124, 35 6), (125, 346), (126, 345). In Beziehung auf eine der zehn Fundamentalflächen gruppiren sich je sechs der 15 Tetraeder zu einem desmischen System und dem conju- girten desmischen System. Diese sechs Tetraeder sind in Bezug auf diese Fläche sich selbst conjugirt, während die übrigen neun Tetraeder derselben zugleich ein- und umgeschrieben sind. In der nachfolgenden Zusammenstel- lung (15) sind die zehn Systeme von desmischen Tetraedern nebst den con- jugirten Systemen mit der ihnen zugehörigen Linienfläche Fi, deren Gleichung in Punkt-Coordinaten w, æ, y, 2, wie in Ebenen-Coordinaten sr, & 7, ¢ angegeben ist, aufgeführt. In dem hier betrachteten Falle, dass die sechs Tetraeder T, ... Tọ reell sind (Typus D, ist die erste Fläche F, imaginär, die übrigen Fy...Fıo sind reell (einschaalige Hyperboloide'). A ls A Tu lol DIT —7ı Ts Ts EE EN : EE AN "fe Ts Fa ...(1,8:65245). 302 ne IT Tis — Tu Ts Ts Fs ...(156,234)...2 (wa — S Tr Ts—Tı Tr Tre Fe ...(123,456)..:2(wy — RT Trs— Tio Ts Tre Fy ...(126,3 45)... 2(we—s MIT, Tis — Tio T11 Ts Fg ...(134,256)...2 (wet MONE BT, Tio— Te Tias Tis Fy aad 2a go Oaa AU O r SO) Ss. le dendi AE EE Ee =(...2(~C+ EN) =l... Ts Ty Tis—T1s Tis Te Die drei Tetraeder je eines der beiden conjugirten Systeme sind nur für die Fläche F, sämmtlich reell, dagegen sind von den drei Tetraedern je eines der beiden Systeme für die 9 reellen Flächen Fs... Fio nur eins reell, die beiden anderen imaginär. 1) Vergl. K. Rohn a. a. O. 8. 143. (1: ) —— aN 118 Dr. Edmund Hess. (p, 22) Aus der Zusammenstellung (16« und 169) ist ersichtlich, dass die Eck- punkte (Ebenen) je eines der 15 Tetraeder auf 6 der Fundamentalflächen liegen (6 Flächen berühren) und dass jede Fläche die 36 Punkte (Ebenen) von je 9 'l'etraedern enthält. In e i pug uns Ra gh tn e RE TE hig ae ca al, e EE Te E) DN ELE Pe hay ee tO T «0. Pa Fs Fay P's be Fr Ty)... Eh Ba, Fs Fo, Fs bs DEV OOS a, LG et gee TO Tio... Ey Bs Fa, Fs, Dn Fito Teg ties Ta, Be Byte: Bro Tii 2... FAG Bs EPs pie lls Fio (16a) E Hythe „De, Hae lo T9206. Fy: Ha, Fs, Hr, Bo Hs Teva Bs Fu, Be As, Fs | Dia EE | de e O K e Ker PT0 EE eT un AEU as A elt Ts Ty Tr, De Da Dis Ts Ts Tio, Tre Tis Tis mm 7 m I m Ts Ts Tio, Lia Tis WÉI 64623 Ts, Tho Tie Lis | i Ke Hee mm om mp D Ts 7 Ty, Tii Tis Tis Tigh Lr “Leii alas Ina Fy... Ty Ty Ts, Ty Ts To, Trr Te Tis | Fy... Ty Tr Ts, To Ty To, Tro Tre Du | Deech, UE Li lg tl ley ATE EITE (168) Die zehn Fundamentalflächen schneiden sich in den 15 Directricen- paaren, so dass durch jedes Directricenpaar vier Flächen hindurch gehen und jede Fläche sechs Directricenpaare enthält, von welchen drei Paare der ersten, die drei anderen Paare der zweiten Regelschaar angehören: (12) ... Le Fr Fa Bu OD. Fı F; Fi Fy (34)... 26 Fr Fg Eio (46)... Fı Fa Fr Fro j (56) V orli e ER) (GIB) ee Fi F; F; Fio (86)... Bs ba By Fro (26)... Fi Bs Fy Bs (35)... Be RP, walle 9) sith Ria, (17) | (iat. ai FB BS (24)... Fy Fa Fs PN | (Re (16)... Fa Fs Fh COIE RES hs ies < | | Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 23) 119 Je zwei der Flächen haben zwei Directricenpaare als erzeugende Ge- rade gemein, und zwar giebt es (beim Typus I): 1) 18 Combinationen je zweier Flächen mit zwei reellen Directricenpaaren, 2) 18 A deet, P „ einem reellen, einem imaginären Directricenpaar, SE d E RE S „ zwei imaginären Directricen- paaren. Z. B. ad 1) Fy, F, haben die Paare (1 2), (45) gemein, die Gegenkanten von T,, welche ausserdem 7,, 7; und 73, Tis angehören, ad 2) Fs, Fio haben die Paare (1 2), (4 6) gemein, die Gegenkanten von T;, welche ausserdem 7,, T, und Du, Tig angehören, ad 8) F, F, haben die Paare (3 5), (4 6) gemein, die Gegenkanten von T,, welche ausserdem 7/5, 7,ı und Dun, Tis angehören. Von den sechs auf jeder Direetrix liegenden Punkten e gehört jeder sechsen der Flächen an, so dass drei Directricen durch ihn hindurchgehen; so gehen z. B. durch den Punkt (vergl. Formeln (5) ): a... Fs Fe Fi Fs Fo Fio die drei Directricen: (12) ...| e1 e2 C15 pe C27 C28 | = | Es E4 ës E14 E25 E26 |... Fs Fr Fy Fio (34y Fe | €1 ês C19 C20 C31 C32 | = | €2 €4 €17 E18 E29 Eso |...» F; Fy F; Fio (56)’ ... | eı €4 C23 esi C35 C36 | =| &2 €3 &21 €22 ënn €g4|... Fs Fe Fs Fo hindurch; analog gehen durch jede Directrix sechs Ebenen «, deren jede sechs Flächen berührt, so dass drei Directricen in jeder Ebene e liegen. Die drei durch einen Punkt e gehenden Teetraederflächen sind gemein- schaftliche Tangentenebenen an je zwei der sechs Fundamentalflächen; z. B. in e, berührt i Z / é die Flächen Fs? Lg, 7 H Za ” Fes DÉI Wé? €4 n ” Fr, Fio; analog gehören die drei Punkte e, welche einer Ebene als Tetraeder- eckpunkte angehören, je zweien der sechs Fundamentalflächen als gemein- schaftliche Punkte an. 120 Dr. Edmund Hess. (p. 24) Endlich sei noch darauf hingewiesen, dass von den 9.4 — 36 Punkten (Ebenen), welche auf je einer der neun reellen Linienflächen liegen (dieselbe berühren), 4.4 — 16 reell und 5.4 — 20 imaginär sind, während die 36 auf der imaginären Fläche F; liegenden Punkte (dieselben beriihrenden Ebenen) sämmtlich imaginär sind. (Ueber die durch solche 36 Punkte [Ebenen] ge- bildete Configurationen vergl. § 10). § 6. Bestimmung der übrigen (Diagonal-) Geraden der Cf. (6015, 306). Die Cf. (6015, 306) enthält ausser den 30 Contigurations-Geraden noch 320 Gerade f, auf welchen je drei der 60 Eckpunkte e liegen und durch welche je drei der 60 Ebenen ¢ hindurch gehen und ferner noch 360 Gerade g mit je zwei Configurations-Punkten und -Ebenen!). I. Die 320 Geraden f zerfallen in 10 Gruppen von je 32 zusammen- gehörigen Geraden, von welchen in dem von uns betrachteten Falle (Typus I) eine Gruppe reell, die übrigen 9 Gruppen imaginär sind. Was die 32 reellen Geraden f anlangt, so enthält jede drei reelle Punkte e und in jeder schneiden sich drei reelle Ebenen &; die beiden Systeme von je 16 conjungirten und adjungirten Geraden sind die in § 1 erwähnten Configurations-Geraden der beiden Cf. (126, 163) oder die Diagonal-Geraden 323 der harmonischen Cf. (249, 184). Dieses System von 32 zusammen- gehörigen Geraden besitzt specielle Lagenbeziehungen, welche im Wesentlichen auch jedem der neun übrigen Systeme von je 32 imaginären Geraden zu- kommen. In der folgenden Zusammenstellung (18) sind die &,,- und a-Coordi- naten der beiden Gruppen von je 16 Geraden f und f‘, welche sich in Be- ziehung auf die Fläche F, als conjugirte Polaren entsprechen, nebst den in- eidenten Elementen e und - angegeben; bei den polar entsprechenden f’ sind in den &,,-Coordinaten das erste und zweite Tripel mit einander zu ver- tauschen, in den «;-Coordinaten dem 7 das entgegengesetzte Zeichen zu er- theilen und die mit runden und eckigen Klammern versehenen Elemente mit einander zu vertauschen. 1) F. Klein a. a. O. H 207—208. Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 25) 12] | Eix | Ts | e | e | . : s f Osis iti aliie RAHA mbekta DT Morales |45] 099] Sy d 0.060: ER WE Ee ER AO) el |G ube its (Ja OE aes E EE) 14 4-1-4 1 i | 14) 17) 22) | 1] 7] 11] Gi fi GUT WE Ep g Eee dp f, | 0 1-4; ı 00 eige perae | 13) 20) 24) | 2] 6] ale Got airo A 307 0 1 © 1-4 1- | 14) 19) 24) | 2] 7] 12] | f de 0 EE DEE E GE KE ERR ER EE kT AU VE em Ce OO Ge Kn BC tee ff 43) 19) 93) | 8) 5) Ol fp, AN fea | 1,0315 20 31.0.) SR E EE 16) 17), 246) le ee 13,1 Apa 16).18). 23) Sl S| 10] 172, Fal Ur O—ts40-. 1.0 19.4 4p a 4 45) 17) 23) 93) ob) eller, felt At 700156108420 1~4-1-4 1-5 | 15) 18) 24) | 3] 6] 12] Jf le ASIC AO SONA. FEL RE EE E SIE E fog | SLAM OR OO 1 toys edasi ee] pdettak ver? ele Eer BE EECH dE HE e Pre las Elte | 1-4 1-5-1-3 | 16) 19) 22) | 4] 7] 10] | fi, Aus dieser Zusammenstellung ist sofort zu entnehmen, dass die 16 Ge- raden f (die 16 Geraden f’) sich 12 Mal zu vieren in den Eckpunkten te ders Tetraeder UT le, el, der Tetraeder 1, Ta, T5) schneiden und 12 Mal zu je vieren in den Seitenflächen s; ... es der Tetraeder T,, Te, Ts Leuna... eau der Tetraeder 7,, 75, 7,5) liegen. Ebenso erkennt man, dass jeder der 2.16 speciellen Liniencomplexe ausser der Geraden, welche seine Axe bildet, neun Geraden, und zwar aus derselben Gruppe von 16 Ge- raden enthält, welcher die Axe angehört. Die 16 Geraden jeder der beiden Gruppen, wie auch der Verein beider bilden also mit den zugehörigen speciellen Complexen solche Configurationen, bei welchen jeder Complex ausser der Axe neun der Geraden enthält und jede Gerade ausserdem neun Complexen angehört. Von den durch diese 2.16 speciellen Liniencomplexe bestimmten Con- gruenzen giebt es 2.72 — 144 solche, deren Directricen, welche derselben Gruppe von 16 Geraden angehören, sich schneiden: diese enthalten je vier Geraden f (f), von welchen zwei durch den Schnittpunkt e der Directricen gehen und zwei in der Ebene « derselben liegen (z. B. die Congruenz, deren Directricen die Geraden f, und f sind, enthält die zwei durch rs gehenden Geraden fs, fg und die zwei in en liegenden Geraden fs, f,). Da jedes der Nova Acta LV. Nr. 2. 16 122 Dr. Edmund Hess. (p. 26) 24 Elemente e GG) mit je 6 Elementen « (e) incident ist, so giebt es 144 der- artige Beziehungen. Ferner giebt es 2.48 — 96 Congruenzen, deren Directricen zwei derselben Gruppe von 16 Geraden angehörige, aber sich nicht schneidende Geraden sind. Jede derartige Congruenz enthält sechs Gerade derselben Gruppe, von denen je zwei durch einen der drei auf jeder der beiden Directricen liegen- den Punkte e hindurch gehen und ebenso je zwei auf einer der drei durch jede der beiden Directricen gehenden Ebenen liegen. Z. B. die Congruenz, deren Directricen die beiden Geraden fi und fe sind, enthält die Geraden 73, fi, fs, fs, fo, fia, So dass tis —= (fi fo fe )s ee — [ft fs fa || Gs = (fe fs fa ), & fo fs fo | ear = (fi fs fo ), & =A fe fia] | tro = (fe fs fis), & =[fe fs fo |) (19) ei = (i fais), © =[A fo fo] cos = (fo fo fo ), 12 = |f fa bal ist. Die sechs Punkte e und die sechs Ebenen e bilden eine Cf. (64, 23). Die 256 Congruenzen endlich, deren Directricen je eine Gerade der einen und je eine die erstere nicht schneidende Gerade der zweiten Gruppe sind, enthalten ausserdem keine der 32 Geraden. Auf die zum Theil zerfallenden Linienflächen zweiter Ordnung, welche durch je drei der 2.16 speciellen Liniencomplexe bestimmt sind, soll nicht näher eingegangen werden, dagegen mögen die besonderen Lagenbeziehungen der 2.16 Geraden zu den in $ 4 unter (13«) — (130) angegebenen linearen Complexen, Congruenzen und Flächen zweiter Ordnung kurz hervorgehoben werden. Von den 2.15 linearen Complexen (13a)... y %1 F 4,2% = 0 sind hier 2.9 — 18 specielle, nämlich diejenigen, deren Axen die 9 reellen Direetricen- paare (dc) in $ 4 sind und deren Gleichungen in der Form Aan F iz, — 0 (k= 1,2, 3) enthalten sind: jeder dieser Complexe enthält 8 Gerade der einen und die anderen 8, den ersteren nicht polar conjugirten der anderen Gruppe. Die übrigen 2.6 — 12 linearen Complexe sind nicht specielle; ihre Gleichungen sind in den beiden Formen: Oon E Zens H EE enthalten; jeder dieser Complexe enthält 8 Geraden der einen und die diesen polar conjugirten Geraden der anderen Gruppe. Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. SN 123 g ? D Die 4.20 Congruenzen (13) unterscheiden sich einmal in 4.18 Congruenzen, welchen je zwei der speciellen Complexe und je ein nicht specieller Complex angehören, z. B. deren Directricen die beiden Axen dieser speciellen Complexe 1-70 000 (z. B. 9 9 1-10 0) sind; von den 2.4 einer solchen Congruenz angehörigen Geraden f und f gehen 4 Mal je 2 durch je einen Punkt e einer der beiden Directricen und liegen 4 Mal je zwei in je einer die eine der beiden Directricen enthaltenden Ebene &; zweitens in 4.2 Congruenzen, welchen drei der nicht speciellen Complexe angehören, z. B. zı — T3 = 0 xi — z; = 0 s — 0 = 0; von den 8 einer solchen Congruenz angehörigen, zu je zweien polar con- jugirten Geraden f und f’ schneidet keine die andere; die Directricen sind zwei imaginär conjugirte Gerade. Die 4.45 involutorischen Congruenzen (13y) zerfallen in drei Gruppen. Der ersten Gruppe von 4.18 Congruenzen gehören. je zwei specielle Complexe, z. B. i gı — i t = 0 3 — X4 = l an, deren Directricen sich schneiden, so dass die durch je einen Eckpunkt der 6 Tetraeder hindurchgehenden und die in einer diesen enthaltenden Seitenfläche liegenden Geraden alle Strahlen der Congruenz darstellen; von den 2.4 Geraden f und f’ gehen vier durch einen solchen Eckpunkt, die anderen vier liegen in einer Seitenfläche. Da nun jedes Element eines Tetra- eders mit einem der drei incidenten Elemente combinirt wird, so erhält man in der That 6.12 — 4.18 derartige Congruenzen. Zu der zweiten Gruppe von 4.18 Congruenzen gehören je ein specieller und ein nicht specieller Complex, z. B. xı — i zs = 0 £3 — ms = Ü; 16* 124 Dr. Edmund Hess. (p. 28) diese Congruenzen haben zwei in der Axe des speciellen Complexes zusammen- fallende Directricen, z. B. 1—0000; die einer solchen Congruenz zuge- hörigen 2.4 Geraden f und f’ gehen zu je zweien durch einen Punkt der Directrix und liegen zu je zweien in einer diese enthaltenden Ebene. Die dritte Gruppe besteht aus 4.9 Congruenzen, deren jede durch zwei nicht specielle Complexe gebildet wird, z. B. durch m a = 0 to — = 03 die Directricen dieser Congruenzen sind je 2 polar conjugirte Gerade, welche den 360 unter II) zu betrachtenden Geraden g angehören, z. B. 1: 2.1.—.0.0 1-7-1 200; durch die beiden auf je einer Directrix liegenden Punkte © gehen je zwei Gerade f (bez. f’) hindurch, welche einer der beiden durch die andere Directrix gehenden Ebenen ¢ angehören. Die vier Geraden f sind den vier Geraden f’ polar conjugirt. Von den 8.15 — 120 Flächen (136) gehen 8.6— 48 in die doppelt zählenden Elemente (Punkte oder Ebenen) der 6 Tetraeder über, d. h. in die durch einen Eckpunkt gehenden oder in einer Seitenfläche enthaltenen Strahlen. Es sind dies die durch je drei der 18 speciellen Complexe, z. B. durch Zs — it, = 0 u — ixe = 0 bestimmten Strahlen (z. B. die durch den Punkt e, hindurchgehenden, zu welchen die vier Geraden f}, f,, CC gehören). Die übrigen 4.18 — 72 Flächen, welche durch je einen speciellen Complex und zwei nicht specielle Complexe bestimmt sind, z. B. durch zı — ix = 0 Larn Rel Ahy reduciren sich auf die durch je zwei mit der Axe des speciellen Complexes incidenten gleichartigen Elemente (2 Punkte oder 2 Ebenen) hindurchgehenden Strahlen (z. B. die in den beiden Ebenen s3 und s4, welche durch 1—:000 0 hindurch gehen, enthaltenen Strahlen). | i i | Gruppe von 2.16 | Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 29) 125 Jedes der iibrigen neun Systeme von je 32 Geraden, welche in Beziehung auf eine der neun Flächen F, ... Fio sich polarreciprok entsprechen oder den zugehörigen beiden Systemen desmischer Tetraeder in derselben Weise zugehören, wie das oben betrachtete System der Fläche F, und dem System 7,7, Ts; — Ty, T; Hig (vgl. Formel 15), bietet ganz analoge Lagen- beziehungen dar. Es möge daher genügen, für jedes System eine Gerade als Repräsentant dieser sämmtlich imaginären Linien, welche je einen reellen Punkt e und zwei imaginäre Punkte e verbinden, und durch welche je eine reelle und zwei imaginäre Ebenen e hindurchgehen, in der folgenden Zusammen- stellung (20) nebst den zugehörigen x;- und &,.- Coordinaten aufzuführen. | ai-Coordi- | e Fläche | € ik- Coordinaten Punkte e | Ebenen € : Geraden Bee VEH e ` ru | it (reell) |F, ...(135,246)|titi1é/0 oo pro LoL dal Loyet ay 2h! 116579) gte (imaginär)| 7% ...(146,235)/1¢i171/0 1 1; — 0 01] 14) 32) 35)| 2] 40] 51] get ` | Fs ...(145,236)/104117)/0 4 05 1 0 1| 3) 42) 56) | 18] 27] 36] 4e( 4, |En (136,245) 15166110 0 i; 41 1 0] 4) 47) 58)| 22] 28) 31] Siet `. Fe ...(156,234)l1ö5i11|0 A 43 14¢ Li 1) 6) 25) 52)| 15] 41] 48] gei, (Pe, (128,456) 111r] i 0-1; 114 Z| 7) 30) 54)| 19] 38] 45] Te Fy ...(126,345)|118801 [1 (si 2? 0 | 23) 37) 43)| 8] 33] 59] Stel, JR ..-(134,256)/1011¢2)0 i -15 14% 1 4/10) 26) 39) | 16] 55] 59] gel „JR ...(124,356)/11¢1¢7) 1146 isi; 0; 1/20) 49) 60)| 11] 29] 44] 10%( ,,.-)|-Fio---(125,346)|117217| ii 0; 1 74144] 12) 34) 46) | 24] 50] 53] Die Coordinaten x; der 32 zu einer Gruppe gehörigen Geraden ergeben sich durch die 25 — 32 Zeicheneombinationen der angeführten Werthe. Von 6! : te A 4 U den San 20 Permutationen der 6 Werthe 1/1717 kommt nur die Hälfte in Betracht, da z. B. die Permutation 717171 die Gerade 1-i 1—i 1—i darstellt. Für die durch die Gesammtheit der 320 Geraden f gebildete Raum- figur ergeben sich leicht aus den oben abgeleiteten Beziehungen interessante Eigenschaften, von denen nur einige angeführt werden mögen. Durch jeden der 60 Punkte e gehen 16 dieser Geraden hindurch und in jeder der 60 Ebenen « liegen 16 dieser Geraden. Von den 16 in einer Ebene « liegenden Geraden gehen je vier durch 12 Punkte e dieser Ebene (die 3 übrigen Punkte e sind die Eckpunkte des dieser Ebene zugehörigen (20) 126 Dr. Edmund Hess. (p. 30) Tetraederdreiecks): diese 16 Geraden schneiden sich zu zweien in 48 Punkten f, von denen je sechs auf einer der Geraden f liegen, während je vier dieser Punkte auf einer der 12 Geraden g liegen, welche unter II. betrachtet werden. Auf diese Schnittpunkte f, Gerade f hindurchgehen, wird in $ 9 noch näher eingegangen werden. — durch deren jeden sechs Ebenen s und vier Analoge Beziehungen bestehen für die 16 durch einen Punkt e hindurch gehenden Geraden f und die 12 je vier dieser Geraden enthaltenden Ebenen e bez. o. Jeder der 320 speciellen Liniencomplexe, deren Axe eine Gerade f ist, enthält hiernach 63 der 320 Geraden, nämlich 3.15 durch die 3 Punkte e und 6.3 durch die 6 Punkte f dieser Geraden hindurch gehenden Strahlen, welche ebenso 3 Mal zu je 15 in einer Ebene &, welche durch die Axe geht und 6 Mal zu je 3 in einer Ebene oe mit der Axe liegen. Jeder der 30 speciellen Liniencomplexe (13«), deren Axen eine der Geraden e (vergl. (dc) und (58)) ist, enthält 6.16 — 96 Gerade f, welche zu je 16 bez. mit den 6 Punkten e oder den 6 Ebenen - dieser Axe incident sind. Die ferneren Beziehungen der 320 Geraden f zu den durch jene Linieneomplexe bestimmten Congruenzen und Flächen ergeben sich ohne Schwierigkeit. II. Die 360 Geraden g, welche je zwei Punkte e enthalten, und durch welche je zwei Ebenen z hindurch gehen, unterscheiden sich in 45 Gruppen von je 2.4 Geraden. Von diesen 45 Gruppen enthalten neun je 2.4 reelle Gerade, welche je zwei reelle Eckpunkte zweier Tetraeder T verbinden (Schnitt- linien je zweier reeller Seitenflächen zweier Tetraeder T sind), achtzehn Gruppen enthalten je 2.4 imaginäre Gerade mit je einem reellen und je einem imaginären Punkte e (mit je einer reellen und je einer imaginären Ebene €) und endlich achtzehn Gruppen enthalten je 2.4 imaginäre Gerade mit je zwei imaginären Punkten è (mit je zwei imaginären Ebenen £). Die z,- Coordinaten der Geraden einer Gruppe entsprechen einer Permutation der sechs Werthe: 001i 4, (21) so dass die 23 Zeichencombinationen derselben Permutation die 2.4 zusammen- gehörigen Geraden ergeben, auf welche sich hier die 2.16 Geraden (s. § 4 am Ende) redueiren; zu jeder Geraden einer Gruppe gehören 3 conjungirte und 4 adjungirte Geraden. Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 31) 127 Von den 2.4 Geraden einer Gruppe bilden zwei Gerade g und die ihnen adjungirten g’ und ebenso das zweite Paar von Geraden g nebst dem Paar der adjungirten Geraden a die Gegenkanten-Paare zweier Tetraeder, deren gemeinsames drittes Gegenkanten-Paar ein Paar von Geraden e ist; diese beiden Tetraeder sind in Beziehung auf zwei der Flächen 7... Fio sich selbst conjungirte Polartetraeder. Die Eckpunkte (Seitenflächen) dieser Tetraeder sind zwei Paare von Eckpunkten (Seitenflächen) von zweien der 15 Tetraeder T. Durch jedes Paar der neun Paare reeller Geraden e (vergl. (5a) gehen ein Paar solche Tetraeder mit durchweg reellen Eckpunkten (Seiten- flächen) und zwei Paare Tetraeder mit je zwei reellen und je zwei imaginären Eckpunkten (Seitenflächen); durch jedes Paar der 6 Paare imaginärer Geraden e (vergl. 58) gehen drei Paare solcher Teetraeder mit durchweg imaginären Elementen. In den nachfolgenden Zusammenstellungen (22«) 8) y) sind aus jeder yi der drei Hauptgruppen für einige der Geraden g die beiden Tetraeder 7, mit welchen sie. zwei Elemente ¢ und e gemein haben, sodann die Coordinaten x, und ë; und die beiden Flächen F, in Bezug auf welche die beiden durch die zusammengehörigen 2.4 Geraden einer Gruppe bestimmten Tetraeder sich selbst conjugirt sind, nebst dem gemeinsamen Gegenkanten-Paar ¢;, oder (i, Æ) aufgeführt. (Vergl. die Zusammenstellung (3) in § 3.) Peake ehe s aay | Ein | Fi, J Spaeth 1] ul 2) 13)/o01414 i ee es me oe ae vey Tz Ty | 5] 15)} 6) 13) 1i0710) Dany a a Kg Pets ll ue Ts T. | 9} 16]|10)13)|17100%) 0 4-45 211) AB Tai Taal 3 31:28] |, 4) 27) \.0,0,4 iiit] Omih die A heto Oh Lard Ts Do S1 38i a To toiio] IH i; 14.1 i Fe Er | Ts Dis VTZA 46) Hätte P 1001 a9) 1 5 14¢ 1-2] Pal Ti Ty | 16] 25]| 15) 36) |00 irii 04445 lot ithe | Ts Ts | 19] 29]| 20) 30) | 1 10066 Aig Od 23. eil A Ts | T To | 24] 33]| 23) 34)|1 15500) EE EISE T Ths | 28] 48] | 25) 47) 170701) dE T Tia| 27] 55] 26) 56) 150108 0 7-1; 2a AR | Tre Tra | 45] 53] | 46) 54) 110505) 14¢-1-1; ta 1 1 | Fe Fio Durch jede der in (22«) und (22) angegebenen Geraden sind jedes Mal drei Gruppen von je 2.4 Geraden, durch jede der in (22,) angegebenen Geraden jedes Mal sechs Gruppen von je 2.4 Geraden charakterisirt. 128 Dr. Edmund Hess. (p. 32) Aus der Zusammenstellung (22) entnimmt man sofort, dass z. B. durch das Directricen-Paar (12) folgende drei Paare von 'Tetraedern: Qi C2 C13 C14- .. Et E2 E13 E14 DG C25 C26---&1 P €25 &26 j MTE KES C3 C4 C15 C16... & & Eis &16 D Ca C27 Cag... Eg E Eur E28 (220) )s C15 C16 C25 26 --- E15 Eis E25 E26 T, 4 47 C13 C14 C27 C28 .. fa E14 E27 E28 und dass z. B. durch das Directricen-Paar (35) folgende drei Paare von etr on. etraedern: €25 Cag C47 las . . fan E28 E47 E48 LT d 12 C26 Caz ue C45 .. + Exe E27 E46 E45 €25 Cos C53 C54 - . . E25 E28 E53 E54 Tr aT (228) 7 14 C26 C27 055 C56 .. . E26 E27 E55 E56 3 S Car Cag C55 C56. - » E47 Esg E55 E56 Tie T. 412 14 Cae C45 Gan foi, Eug E45 €53 E54 hindurch gehen. (Vergl. (5a) und (52) in § 4.) Von der durch die Gesammtheit der 360 Geraden g gebildeten Raumfigur mögen noch folgende Figenschaften hervorgehoben werden. Durch jeden der 60 Punkte e gehen (in jeder der 60 Ebenen « liegen) zwölf dieser Geraden. Von den 12 in einer Ebene & liegenden Geraden geht je eine durch einen Punkt e nebst 4 Geraden f und einer Geraden e hindurch, während durch jeden der drei Eckpunkte e des Tetraederdreiecks dieser Ebene 4 Gerade g nebst 2 Geraden e hindurch gehen. Durch jeden der 48 Punkte f, in welchen sich zwei Gerade f schneiden, (vergl. unter 1), geht eine Gerade g hindurch, so dass auf jeder Geraden g vier solcher Punkte liegen; ferner schneiden sich je eine Gerade f und eine Gerade g in 48 Punkten o. von welchen 3 auf einer Geraden f, 4 auf einer Geraden 9 liegen und endlich schneiden sich die Geraden g zu dreien in 16 Punkte g”, von welchen 4 auf jeder Geraden g liegen. Auf diese Schnittpunkte f und g, durch welche bez. 6 und 4 Ebenen & hindurch gehen, werden wir in § 9 noch näher ein- gehen. — Analoge Beziehungen bestehen für die 12 durch einen Punkt e hindurch gehenden Geraden y und die den Punkten f und g entsprechenden Ebenen o und y. Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 33) 129 Jeder der 360 speciellen Liniencomplexe, deren Axe eine Gerade g ist, enthält 2.15 +4.2+4.2+4.2— 54 Geraden g und 2.16 +4.4+8.1— 56 Geraden f, während die speciellen Liniencomplexe, deren Axe eine Gerade e ist, 6.12 — 72 Geraden g enthalten u. s. w. § 7. Ueber die Kummer’sche Configuration und einige aus derselben ableitbare neue Configurationen. Bevor wir die übrigen Schnittpunkte f und g (Verbindungs-Ebenen p und y) der 60 Ebenen (Punkte) der Cf. (6015, 306) bestimmen, wollen wir einige Eigenschaften einer Kummer’schen Configuration Cf. (166, 1202) mit besonderer Berücksichtigung derjenigen speciellen Fälle einer solchen, welche im Folgenden sich darbieten, im Zusammenhange ableiten. Von den zahl- reichen Arbeiten, in welchen Eigenschaften der Kummer’schen Configuration entwickelt sind, sei hier insbesondere auf diejenigen von F. Klein), K. Rohn?), H. Weber), sowie auf die rein geometrischen Untersuchungen von Th. Reye4) und H. Schröter?) hingewiesen. Die 16 Punkte > (16 Ebenen ð) einer Kum mer’schen Configuration Cf. (166, 1202) seien in folgender Weise (vgl. (11) und (12) in § 4) durch ihre tetraedrischen Coordinaten bestimmt: d wm eu S di Do y w x de De mp hië, 02 Dio Y 2 -—20 O10 D3 o Y —2 ... 03 Dit Y -E 20 di Du w -£ -Y d Dua CEET EE (23) Deis ee. OU ey 05 Diskiiee, Youre. 0. Org, De x w-2—y ds Dia sg yxw... da Dr rw 2—Y 07 Dis Z-Y «—w dis Ds £ =w -£ `Y 0s Die g -y =x w... 016 1) Math. Ann. Bd. 2. 8. 198 ff. und Bd. 18: S. 106 ff. 2) Diss. und Math. Ann. Bd. 18. S. 99 ff. 3) Borchardt’s Journal. Bd. 84. S. 332—355. 4) Ebenda. Bd. 86. S. 209—213. 5) Ebenda. Bd. 100. S. 231—257. Nova Acta LV. Nr. 2. 17 130 Dr. Edmund Hess. (p. 34) Die folgende Zusammenstellung (24), in welcher die mit eckigen und runden Klammern versehenen Ziffern als Indices von d, d oder d, D, sowohl Punkte und Ebenen, als auch Ebenen und Punkte der Configuration bezeichnen, lässt die mit je einem Elemente ineidenten Elemente erkennen. 12 2840, BA.) 97 2) 406) eeben 2]... 7) 8). 9) 11). 13) 16591210]... .1)3),5),8),15)710) 3]. - . 5) 6) 10), 12) 13) 16) | 4d). 9, 2) 4) 5),8),13) 14) 21% 275) 6) 9) 11) 14) to) | 12) -.-1) 3) 6)e7) 13) 14) op 5] ...3) 4) 10) 11) 14) 16) | 13]... 2)'3) 6) 8) 11) 12) an Gle 32291013) 19 Ps act: et) 7)... )2)9)-12)14)16)* 910] .1)4) 6) 8) 9) 10) 8]... 1) 2) 10) 11) 13) 15) 16]... 2)3)5) 7) 9) 10) In jeder der 16 Configurations-Ebenen ð liegen 15 Configurations- Gerade d. welche die 6 mit dieser Ebene incidenten Configurations-Punkte > (die Eckpunkte eines Pascal’schen Sechsecks) paarweise verbinden; diese 15 Geraden schneiden sich ausserdem zu zweien in 3.15 — 45 Punkten, so dass jede der Geraden d sechs dieser Schnittpunkte enthält und die Gesammt- zahl der übrigen Schnittpunkte der 16 Configurations-Ebenen 45.16 120.6 = 240 1) 3 3 beträgt. Analog gehen durch jeden Configurations-Punkt > 15 Configurations- Gerade d, welche die Schnittlinien je zweier der 6 mit diesem Configurations- Punkte incidenten Configurations-Ebenen d (welche einen Kegel zweiter Classe umhüllen) sind; diese 15 Geraden werden ausserdem zu zweien durch 3.15 — 45 Ebenen verbunden, so dass durch jede der Geraden d sechs dieser Ebenen gehen und die Gesammtzahl der übrigen Verbindungs-Ebenen ` à 45.16 120.6 S der 16 Configurations-Punkte EECH 240 1) beträgt. € A Die 240 Punkte, in welchen sich je 3 der 16 Configurations-Ebenen ð schneiden (die 240 Ebenen, welche je 3 der 16 Configurations-Punkte d ver- 1) Math. Ann. II. H. 213 steht aus Versehen 360 statt 240. Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 35) 131 binden) zerfallen in 15 Gruppen von je 16 Punkten (Ebenen), deren jede eine Kummer’sche Configuration bildet. | Von den 120 Configurations-Geraden jeder dieser 15 Configurationen | fallen je 24 mit 24 Configurations-Geraden d der zuerst betrachteten Con- figuration zusammen, so dass jede Gerade d dreien der 15 Configurationen zugehört. Die übrigen 96 Configurations-Geraden jeder der 15 Configurationen sind Verbindungslinien je eines der 240 Schnittpunkte mit je einem der 16 Configurations - Punkte > (Schnittgerade je einer der 240 Verbindungs- Ebenen mit je einer der 16 Configurations-Ebenen ð). Von diesen 1440 Ge- raden liegen in jeder Configurations-Ebene ð (gehen durch jeden Configurations- Punkt d) 15.12 = 180 Gerade. In der folgenden Zusammenstellung (25«) und (255) sind für je einen Configurations-Punkt (je eine Configurations-Ebene) dieser 15 Kummer’schen ; l Configurationen die incidenten Ebenen § (Punkte ò) und Geraden d. sowie die tetraedrischen Coordinaten angegeben; für 0” sind bez. die eckigen und runden Klammern der Indices mit einander zu vertauschen. 1) 80 ...(2] 3] An... (ae! 9) 11)| 113) 16)|)...0@ ... wid a yd) a | 3) DO ls DEREN EE Ee 3) sl d (5] 9] 13] ) Ee 2) 6) | 3) 11) 4) 16) |) SÉ 0 a. W). gl) y®) EA DEK. cl) aloe oe ee E EL Lett e e A E a EE le EE EE 6). DEN EAN A0 e e D S SOEN e e 7), DO yra IE MIS). 13) NO e e a e EC SIT Re ee TOE a oe O O a) 9) DE AEE 5 E E EDT E O AE E A gl eats) 10) DEO EST ST bk 49) Fie) TS) REIHE TUNER 11).0692.5,(8]18.]149 2-2 EE EE EI 12). DIR... (7110) £619) fe ck 335) 2) 9) Ii) AiG) 1) EE 13) DAES] 0] 1) FORTE) re Feo aes yon) 14) DP . Ok 9] 15] ) + Cl 46) DIN 1% 2):16), HER rue EIER AB ERDE TEEN OD) AR 2) geleet wes) aire) Gi elie) Vie „wD —=w wri—z?—y?—z ud == w (w —4*—y2— 2%) 2aye, 29 —=a(—w +22 — y2—29) + wye ‚ud = w (2? —y?) pe) EE „w. — w (02 — 2?) , &® —=x (w?—y?) mid = w (y?— 2 au (2202) ud = w (y? + 22) » AU —% (22 Lag .. we) == w (2? + 2?) , 209 =g (y? Lan a = w erla , al) = e Leg WA) = w (we— x? + y?+ 22) +2xyz, 10) — x (= wet a2+t y2+ 22) + 2wyz ud) = w (w2 +22 — y?+ 22) +229 ‚vd =w (wr? +y2—22)4+2¢y2, 7X7 ( wit v?—y?+ 22) +2 wye E 5 x ( -w08 — w (w-ar? — y? +e) — 2 ryz, dal way? — 2018 — w (w?+ r? + y? — ze zt 132 Dr. Edmund Hess. (p. 36) oy) Name a gg — 1 w g£ a) — g (— w? +22 — y? — 22) — 2 wyz al! wtar4yP—e2)+2wye H — w? +22 +y?+ 2%) — 2wy2 wd — w (we — a2 -pH y2 422) -2ayz, 209 — y — day, æd =g w? +02 — y? 22) — 2 E (25 2 1 1 ey) == eg) — 1)... S ; 3 2)... y =y (-w—a Hy —e)—2war, 29 =z (—w?— g? —y?+ 22) — wry 3)...y9 =y (—wt—a?+y2—22)+2wez, 29) =g (—w?— 22 Aë +29) +2way 4)...y9 =y (02 —w2) $ e (w2 — x?) 5)... y) =y (22 —x?) S (y? — w?) 6)...y = y (w2—2?) , sid = 2 (x —y?) 7)...y9 = y w+?) > ai =z (x? + w?) 8)... y9 = y (+2?) » 28) == g (wt y’) 9)...y) = y (2? +?) se ër DN 22) 10)... at =y ( wetarty?—2%)+2wae, 209-2 ( w+a2—y?+22) +2wey 11)... YOD —y(—w2+22+y?+22)-+2w: ai SU w2— a? + y?+22) +2 wey 12)...yO2 =y ( w2—at+y2+22)4+2we2e, 202 == g (—w?+ w+ y?4 2%) +2wey 13)...y2D =y ( w?tatty?—z2)—2wae, 229 —z( w?+a?—y?+ 2%) — wry 14)... 404 = y (—w2+x2-+y?-+22)—2wx2, ’( w2— 22 +y? +e?) —2waey 15). YD) äi ( wt—a?+y?+ 2?) _2wez, s; (— w? +22 eg — 2 wey Einer jeden dieser 15 Configurationen, welche wir durch AK”... bezeichnen wollen, ist je eins der 15 Fundamentaltetraeder T; ... Tis, nämlich der Configuration K® das Tetraeder T; in bestimmter Weise zugeordnet. In Beziehung auf ein Fundamentaltetraeder 7; entspricht nämlich je einem der 16 Punkte d (je einer der 16 Ebenen 6) der Configuration K je einer der 16 Punkte D! (je eine der 16 Ebenen 0) der Configuration K® in der Weise, Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 37) 133 dass in Beziehung auf T; als Coordinatentetraeder die Coordinaten je eines Punktes 0 (einer Ebene 6”) die reeiproken Werthe der Coordinaten je eines Punktes d (einer Ebene A) sind, sowie es für die Coordinaten der Elemente von K® und K in Beziehung auf das Tetraeder 7; der Fall ist. Diese Zugehörigkeit je einer Configuration Æ © gu einem Tetraeder T; wird bei dem in § 8 zu betrachtenden besonderen Falle, dass die Configuration K eine tetraedroidische wird, noch deutlicher hervortreten ; dieselbe ist analytisch aus den in (255) angegebenen Coordinatenwerthen und mit Benutzung der Tyansformationen, durch welche 7, in 7; übergeführt wird, leicht nachzuweisen. Jede der 15 Configurationen K® bildet mit der Configuration K zu- sammen eine neue Configuration Cf. (3%, 244), (26) indem durch jeden der 16 Punkte > (0) ausser den 6 Ebenen 6 (6°) noch 3 Ebenen am" (d) hindurch gehen und analog jede der 16 Ebenen ð (6°) ausser den sechs Punkten d (d®) noch 3 Punkte d® (d) enthält und die oben er- wähnten 24 gemeinsamen Geraden d mit 2 Punktpaaren >, H und mit 2 Ebenenpaaren ð, A" incident sind. Ferner bilden je drei der Configurationen A", z. B. AO E GP zusammen eine neue Configuration Cf. (4810, Bel, (27) bei welcher z. B. A" ausser den sechs Punkten d” noch je zwei Punkte DO p® enthält und die 8 gemeinsamen Geraden d mit je drei Punktpaaren DO pg DO (drei Ebenenpaaren 6” A" 6%) incident sind. Derartige Con- figurationen (27) lassen sich im Ganzen 15 bilden, wobei die 3 zusammen- gehörigen Configurationen KO K® K® genau den 15 Verbindungen je dreier Tetraeder T, T, T, entsprechen, welche ein Directricenpaar als Gegenkanten gemein haben (vgl. (5a) und (58) in § 4). Endlich bildet die Gesammtheit der 15 Configurationen KV eine Cf. (24018, 1206), (28) in welcher z. B. a ausser den sechs Punkten 5% noch je zwei Punkte ST, nn DO, dO DO dO enthält und die 120 Configurations-Geraden d mit je drei Punktpaaren (drei Ebenenpaaren) incident sind; z. B. 134 Dr. Edmund Hess. (p. 38) enthält au) si. dO do, dm pin, d,| enthält au diy, da Wi, ai pi, d, d,| enthält au) dm, DO Sr, do do), Die Zusammengehörigkeit von je sieben Am... K®, von denen z. B. 6 Elemente d und je ` zwet Elemente >...) mit §@ incident sind, ist genau dieselbe, wie die in (3) § 3 angegebene von je sieben "Tetraedern T,,...7;,, bei welchen je ein Element von T, mit 3 Elementen von T, und je zweien Elementen von 7, ... T, inċident ist. ès sei noch erwähnt, dass die 16 Punkte d® (die 16 Ebenen A) jeder A® die Eckpunkte (Seitenflächen). von je 4 der 60 Tetraeder bilden, welche je 4 Configurations- Ebenen J (je 4 Configurations- Punkte d) der Configuration A” zu Seitenflichen (Eekpunkten) haben.1) Auch möge darauf hingewiesen werden, dass die 80 Tetraeder, welche sich nach den von H. Weber !) und H. Schröter 2) angegebenen Anordnungen aus den 16 Configurations-Punkten ò und den 16 Configurations- Ebenen ð bilden lassen — dieselben sind von H. Schröter als Confieurations-. von 5 H F. Klein als ausgezeichnete Tetraeder bezeichnet worden — sich in 10 Gruppen von je 2.4 Tetraedern in der Weise anordnen lassen, dass die 2.4 Tetraeder jeder Gruppe in Beziehung auf eine der Fundamentalflächen F,... Fio sich selbst conjugirte Tetraeder sind. Mit Benutzung der obigen analytischen Ausdrücke lässt sich nicht nur dies Entsprechen in Bezug auf die Fundamentalflächen, sondern auch die von H. Schröter angegebene Lagenbeziehung leicht nachweisen, zufolge deren die vier Tetraeder jedes Quadrupels eine solche Lage zu einander haben, dass jedes den drei übrigen zugleich ein- und umbeschrieben ist. 8 8. Neo Ueber besondere Fälle der Kummer’schen Configuration. Die nunmehr zu betrachtenden besonderen Fälle der Kummer’schen Configuration sind einmal derjenige einer tetraedroidischen nebst den zugehörigen Unterfällen, sodann derjenige, in welchem ein Configurations- 1) Vgl. H. Weber a. a. O. 2) H Schröter aa O. Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 39) 135 Punkt (eine Contigurations-Ebene) und damit sämmtliche 16 Configurations- Punkte (Ebenen) auf einer der 10 Fundamentalflächen liegen (Tangenten- Ebenen einer dieser Flächen sind). Die entsprechenden Kummer’schen Flächen vierter Ordnung sind im ersten Falle sogenannte T’etraedroide!), im zweiten Falle die doppelt zählende Fundamentalfläche zweiten Grades. 2) I. Tetraedroidische Kummer’sche Configurationen. Diese besondere Configuration ist durch die Bedingung bestimmt, dass von den 15 Verbindungslinien (Schnittgeraden) d der 6 in einer Configurations- Ebene ð liegenden Punkte > (der 6 durch einen Configurations - Punkt d gehenden Ebenen ð) eins der 15 Tripel, welches drei zusammengehörige Punkte d® zu Schnittpunkten (drei zusammengehörige Ebenen A! zu Ver- bindungs-Ebenen) hat, sich in einem Punkte schneidet (in einer Ebene liegt), das Pascal’sche Sechseck also zugleich ein einfach Brianchon’ches (das Brianchon’sche Sechsflach zugleich ein einfach Pascal’sches) wird. Alsdann gehen die 16 Configurations-Ebenen ð zu je vieren durch die Eckpunkte eines der 15 Fundamental-Tetraeder T; hindurch und die 16 Configurations-Punkte d liegen zu je vieren in den Seitenflächen dieses selben Tetraeders T,;. Die ickpunkte und Seitenflächen dieses Tetraeders sind die zu je vieren zusammen- fallenden Punkte und Ebenen einer der 15 Configurationen Am... K® (§ 7). In jeder der 4 Seitenflächen eines solchen Tetraeders liegen 6 Gerade d, welche die 3 Seitenpaare eines vollständigen Vierecks mit 4 Eckpunkten > bilden, für welches das Tetraeder-Dreieck Diagonal-Dreieck ist; analog gehen durch jeden Tetraeder-Eckpunkt 6 Gerade d. welche die 3 Kantenpaare eines vollständigen Vierflachs mit 4 Ebenen d darstellen, dessen Diagonal- Ebenen die 3 durch den Tetraeder-Eckpunkt gehenden Seitenflächen sind. Von den 120 Configurations-Geraden d sind also 24 ausgezeichnet, von welchen 4 mal sechs mit einer Tetraederfläche (einem Tetraeder-Eckpunkt) incident sind. Man bestätigt diese Beziehungen analytisch mit grosser Leichtigkeit aus den in $ 7 in den Formeln (23) und (252) angegebenen Coordinaten- werthen. Z. B. die Bedingung, dass die 3 in ð, liegenden Geraden: 1) Vgl. Cayley. Liouville Journal XI., p. 291—296. 2) Vgl. K. Rohn. Math. Ann. XVIIL, p. 131. 136 Dr. Edmund Hess. (p. 40) | Dz be, | Be 01 02 | [Dio Dal == | da ds | Dia Dis| = 0 du sich in einem Punkte schneiden, ist identisch mit der Bedingung, dass die Ebenen di, de, de, d4 durch einen Punkt gehen. Aus der Bedingungs- gleichung a au 3 — 0 folgt, dass einer der 4 Coordinatenwerthe Null sein muss, und man erhält z. B. für w— 0 sofort aus (255) 1) die Relation w®—1, a — 0, y= 0, d'H D und damit das Tetraeder 7/. Für jedes andere der 15 Tripel (T) erhält man als Bedingungsgleichung, dass das Product der vier linken Theile der Gleichungen der Seitenflächen (oder Eckpunkte) eines der anderen 15 Fundamentaltetraeder T, verschwinden muss und somit eine der 15 Configurationen K®... KW sich auf ein Tetraeder reducirt. Es tritt damit die bereits in $ 7 hervorgehobene Beziehung je einer Configuration A“ zu je einem Tetraeder 7, deutlich hervor. In der Zusammenstellung (29) ist je eins der 15 Tripel (T) von Verbindungsgeraden d der Ebene ð mit dem zugehörigen Tetraeder T. und OE 1 D E i den vier durch einen Eekpunkt eines solchen Tetraeders hindurch gehenden Ebenen aufgeführt. Ti Ups Ds. | |D10 dia] Ia dis|)..- (di da 03 d4) ZU Dee | | O10 Dia] [Die Delt... (Oi de ds de) (1,2) Ty... (107 ds Dio Dis| | Dre Dial)... (di d2 ds y] Ty E O D DN De bel | Dia Dis|)-.. Cr Ora dis 04) Tar +. (bdr Dal | Ds Oral | Dio ball... Gr dra du Os) (1,3) Tis Up bai |Ds bal [Dro Dual)... (di dia dio da) Ta 2: (|dr Dio| | Ds. bal | Die bal... (di dis O11 dei Te ( | 4 ball... (di die dis da) [(1,4) (29) Tie ( Mal)... (Or dis dio 07) Ts D15| | Dio die|). . . (di die dio 9s) | Tio drof | Diz Dein... (di O12 dis ds) | (1,5) Tis dial | D10 bell... (di die dis bs) | T Die | Dio Dia!) ... (Oy 09 013 05) Te Dial [dro Delt... (di do dir ds) (1,6) Tis bel [Die Dial)... (Or do dis ail Die Zusammenfassung in die 5 durch (1,2), (1,3), (1,4), (1,5), (1, 6) bezeichneten Tripel entspricht der Zugehörigkeit der Directricenpaare (12)...(16) = Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 41 137 g Į | zu je dreien der Tetraeder 7; (vgl. § 4 Formel (5«) und (ail Die ent- | sprechenden 15 Tripel (T)! von Schnittgeraden d, welche durch den Punkt d, | gehen, werden durch Vertauschung von d mit d aus (29) erhalten. | | Der betrachtete allgemeinste Fall einer tetraedroidischen i Kummer’schen Configuration lässt sich auch dadurch charakterisiren, | dass eine Configurations-Ebene ö durch eine Ecke e eines der 15 Fundamental- | tetraeder 7; hindurch geht oder dass ein Configurations-Punkt d in einer Seiten- i fläche « eines der 15 Fundamentaltetraeder T, liegt.!) Wir gehen nunmehr zu der Untersuchung von Unterfällen der tetraedroidischen Configuration über. | Ja, Erster Unterfall einer tetraedroidischen kummer schen | Configuration. | Wenn zwei solche der 15 in einer Ebene 6 liegenden Tripel von | Verbindungsgeraden d (von 15 durch einen Punkt ò gehenden Schnittgeraden d), welche eine Gerade d gemein haben, sich je in einem Punkte schneiden (je eng A in einer Ebene liegen), so reduciren sich zwei der 15 Configurationen K®... Kin auf je ein Tetraeder. Jedes in einer Configurations-Ebene 0 | enthaltene Pascal’sche Sechseck wird zugleich ein zweifach Brianchon’sches f (jedes durch einen Configurations-Punkt d gehende Brianchon’sche Sechsflach ) wird zugleich ein zweifach Pascal’sches). Die siimmtlichen Paare zusammengehöriger Tripel lassen sich aus der Zusammenstellung (3) in $ 3 und der (29) (unter I dieses Paragraphen) | 1) Die durch die 16 Punkte ò (16 Ebenen ð) uud die 4 Tetraeder - Eckpunkte e (— Ebenen &) gebildete Raumfigur scheint zwar eine Configuration (207, 243) [als Grenzfall der in § 7 unter (26) betrachteten Configuration (325, 24,)] darzustellen, indem mit jedem | Punkte d (jeder Ebene 0) 7 Ebenen (Punkte), nämlich 6 Ebenen d (Punkte d) und eine Tetraeder-Ebene & (ein Tetraeder-Eckpunkt e) incident sind und mit jedem Tetraeder- Eckpunkte e (jeder Tetraeder-Ebene ¢) 7 Ebenen (Punkte), nämlich 4 Ebenen ð (Punkte Pi und drei Tetraeder-Ebenen & (drei Tetraeder-Eckpunkte e) incident sind. Aber die Verschieden- heit der Lagenbeziehung für die 16 Elemente d (0) einerseits und die Tetraeder-Eckpunkte e (— Ebenen &) andererseits zeigt sich deutlich darin, dass von den 24; Geraden mit jedem Elemente > (0) nur drei, mit jedem Tetraeder-Eckpunkte e (jeder Tetraeder-Ebene &) dagegen sechs incident sind; wie denn in der That die durch die 7 mit einer Ebene Ô incidenten Punkte bestimmte Figur eines zugleich Pascal’schen und einfach Brianchon’schen Sechsecks von der durch die 7 mit einer Tetraeder-Ebene & incidenten Punkte bestimmte Figur eines | vollständigen Vierecks mit seinen drei Diagonalpunkten wesentlich verschieden ist. ) Nova Acta LV. Nr. 2. 18 | p 138 Dr. Edmund Hess. (p. 42) entnehmen; jedes Tripel (T) lässt sich in jeder Ebene d mit sechs anderen Tripeln zu einem solchen Paare combiniren, z. B. das Tripel (7,) mit einem der 6 Tripel (Z), (T;), (Ts) (Tr), (Ts), (Ty), 80 dass im Ganzen © = = 45 derartige Configurationen gebildet werden können.') Die 16 Configurations-Ebenen ð dieser speciellen Configuration gehen also durch je einen Kckpunkt zweier Fundamentaltetraeder, z. B. von 7, und T,, d. h. dureh eine der 360 in § 6, II. betrachteten 360 Geraden g hin- durch; analog liegt jeder der 16 Configurations-Punkte d in je einer Seiten- fläche zweier Fundamentaltetraeder, d. h. auf einer der 360 Geraden g. Von den 120 Configurations-Geraden d fallen daher acht mit den acht zusammen- gehörigen Geraden g einer der 45 in § 6, II. betrachteten Gruppen zusammen, und zwar liegen auf jeder dieser acht Geraden die beiden Punktpaare e und d harmonisch, ebenso wie die beiden durch jede der 8 Geraden g gehenden beiden Ebenenpaare s und ð harmonisch liegen. Z. B. für die Combination (7,) (7,) erhält man folgende 8 Geraden g (vergl. (22«) in § 6, IL), wobei zu jeder Geraden 3 conjungirte und 4 adjungirte gehören: Di Sp dr DS & &14 01 Oz |... | ee DA D1 De IS Ei €13 07 Òs eedd Ds De |= pes a3 Js de |... feg eis Ds D4 |: & €14 05 de 30) es os Dis Dia| = | & ëe O11 Oro)... | Ca De Dir Die | \ | € &5 O13 O14 D Cie Dis Die | = | &4 &15 09 dal Soe, dë C15 Do Dio = jég &6 dis O16 | Von diesen 8 Geraden liegen in jeder der 8 Tetraeder-Kbenen zwei, welche mit den beiden anderen Seitenpaaren d, auf welchen je ein Punkt e liegt, die drei Seitenpaare des vollständigen Vierecks bilden, dessen Eckpunkte 4 Punkte > sind, und für welches das Tetraeder-Dreieck Diagonal-Dreieck ist; ebenso gehen von den 8 Geraden durch jeden Tetraeder-Eckpunkt zwei, welche mit den beiden anderen Kantenpaaren d, durch welche je eine Ebene e hindurch geht, die 3 Kantenpaare des vollständigen Vierflachs darstellen, dessen Ebenen 4 Ebenen d sind, und dessen Diagonal-Ebenen die drei durch den Tetraeder-Eckpunkt hindurch gehenden Seitenflächen sind. 1) Die Bedingung, dass zwei derartige Tripel z. B. (71), (74) sich in je einem Punkte schneiden, ist offenbar mit der Bedingung, dass die beiden Dreiecke De Do dis ds die Dia zweifach perspectiv liegen, identisch. | d Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 43) 139 Unter den 120 Configurations-Geraden d sind also ausser jenen 8, mit welchen je zwei Punkte e und zwei Punkte d (je zwei Ebenen ¢ und zwei Ebenen 9) incident sind, noch 32 weitere ausgezeichnet, welche ausser zwei Punkten > (zwei Ebenen 0) noch einen Punkt e (eine Ebene e) enthalten. Die Punkte d (Ebenen 0) der betrachteten speciellen Configuration haben der Bedingung zu genügen, dass sie auf einer der Geraden g liegen (durch eine der Geraden 9 hindurch gehen). Die Coordinaten w a y 2 sind also zweien der oben angegebenen Bedingungen unterworfen; z. B. für die Combi- 10 — nation (7,) (7,) muss zugleich sein, also sind die Coordinaten von (Oey coe 0% 11. Ib, Zweiter Unterfall einer tetraedroidischen Kummer’schen Configuration. r Wenn von den 15 in einer Ebene 6 liegenden Tripeln von Verbindungs- geraden d (durch einen Punkt d gehenden Tripeln von Schnittgeraden d) zwei solche Tripel sich in je einem Punkte schneiden (in je einer Ebene liegen), welche keine Gerade d gemein haben, so schneidet sich auch noch ein drittes Tripel in einem Punkte (so liegt auch noch ein drittes Tripel in einer Ebene). Diese drei dreifachen Schnittpunkte — z. B. die Schnittpunkte e. cp der drei Tripel (7), (To), (T) — (diese drei Verbindungs-Ebenen je dreier Geraden — z. B. die drei Verbindungs- Ebenen &, &, e der drei Tripel (OPT, (73), (23) —) liegen auf einer Geraden f— z. B. auf fı = |e ts ty — |e 5 pn &,|— (gehen durch eine Gerade f’ z.B. durch f’ = ja 5 & = Dua bus toy — hindurch). Es redueiren sich also drei der 15 Configurationen K® ... AT" aut je ein Teetraeder: jedes in einer Configurations-Ebene d enthaltene Pascal’sche Sechseck wird zugleich ein dreifach B rianchon’sches, dessen drei Brianchon’sche Punkte auf einer Geraden liegen (jedes durch einen Con- figurations-Punkt d hindurch gehende Brianchon’sche Sechsflach wird zugleich ein dreifach Pascal’sches, dessen drei Pascal’sche Ebenen sich in einer Geraden schneiden). 18* 140 Dr. Edmund Hess. (p. 44) Dass in der That, wenn zwei der bezeichneten Tripel — z. B. (7,) und (7,) sich je in einem Punkte schneiden, auch noch ein drittes Tripel — z. B. (73) — sich in einem Punkte schneiden muss, folgt einfach daraus, dass zufolge der beiden ersten Bedingungen die 6 Configurations-Punkte d einer Ebene eine solche Lage haben müssen, welche einer dreifachen Per- spectivität zweier Dreiecke, deren Eckpunkte diese 6 Punkte d sind, ent- spricht. Z. B. für die beiden in 0, liegenden Tripel (7,) und (73) müssen die beiden Dreiecke dy Dua dia und dg Dua ds nach den beiden Anordnungen dr Die Dia d Die Dia ds Dio Dis und dio dis ds Cy & perspectiv liegen, woraus bekanntlich auch die dritte perspective Lage nach der Anordnung be Di 2 Dy 4 D 5 Ds Dio êg als nothwendige Folge sich ergiebt.1) Und zwar liegt hier der besondere Fall einer dreifach perspectiven Lage der beiden Dreiecke vor, bei welchem die drei Perspectivitätscentra auf einer Geraden liegen, also auch die drei Perspectivitätsaxen sich in einem Punkte schneiden.?) Dieser Unterfall einer tetraedroidischen Configuration ist also dadurch ausgezeichnet, dass die 16 Configurations-Ebenen ò drei Mal zu je vieren durch die Eckpunkte dreier solcher Fundamentaltetraeder 7; hindurch gehen, welche ein desmisches System bilden, und dass die 16 Configurations-Punkte d drei Mal zu je vieren in den Seitenflächen dieser drei Tetraeder liegen. Unter den 120 Configurations-Geraden sind 72 ausgezeichnet, welche 12 Mal zu je sechs mit einer Seitenfläche (einem Eckpunkte) dieser drei Tetraeder incident sind. ‚Jede Configurations-Ebene ð geht durch eine Gerade f, auf welcher drei Vetraeder-Eckpunkte, nämlich die drei Schnittpunkte dreier Geradentripel liegen und durch jeden Configurations-Punkt d geht eine Gerade f’ als Schnittlinie 1) Vergl. z. B. die Abhandlung des Verf, Math. Ann. XXVIIL § 3. 2) Ebendaselbst $ 3 unter I. Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 45) 141 dreier Tetraeder- Ebenen, nämlich der drei Verbindungs-Ebenen je dreier Geraden d. Es sind also 16 Gerade f und die ihnen (vergl. § 6, I.) polar | entsprechenden 16 Geraden f” vorhanden, d. h. eine Gruppe von 2.16 zusammen- | gehörigen solcher Geraden. Diese 16 Geraden f und 16 Geraden f” sind als | Diagonal-Gerade fiir diese besondere Configuration charakteristisch, indem die | ersteren je drei Diagonal-Punkte e enthalten, durch die letzteren je drei Diagonal- Ebenen e hindurch gehen. Es sind im Ganzen ee — 20 derartige Combinationen dreier Tetra- eder T, oder entsprechender Geradentripel (T) oder (T) möglich; von den zugehörigen speciellen Configurationen entsprechen sich aber je zwei in der Art, dass ihnen dieselben 16 Geraden f und 16 Geraden f” als Diagonal- Gerade zukommen, dass aber der einen Configuration die 3 Tetraeder des einen, der anderen diejenigen des conjugirten desmischen Systems zugehören. Aus der folgenden Zusammenstellung (31) sind diese 2.10 Combinationen zu entnehmen; die Anordnung entspricht der in $ 6, II. in der Zusammenstellung | (20) gegebenen der 10 Gruppen von je 2.16 Geraden f und f’, aus welcher | auch die Realitätsverhältnisse der in den einzelnen Configurationen auftretenden ; Elemente entnommen werden können. His Hir: Tei Ke: Te, 16 2)... BD Tho Tis... Ta Ts Dy DB) ceeds da A Hot Aes: BEL GIE EE EE (31) 6)... Lb Tio Tig... Te Ts Ts i ÉTAT SE TEE, tte 10)... Te Tis tia... 75 19 Tis Für die der Combination 7, T, T, entsprechende Configuration er- geben sich z. B. die Coordinaten von dù (6)... 0 1+ Yo Yol, für die der Combination T, 7; Tẹ entsprechende d, (c1)... Wo 1 l E ELE 0 ” Ti Tio Tis ” D (1) Sl i(1+ yo) Yol, baal 2 IT, 43 Dy (OM ar 1, z und so weiter. 142 Dr. Edmund Hess. (p. 46) Ic. Dritter Unterfall einer tetraedroidischen Configuration. Dieser Fall entsteht durch Vereinigung der für die Unterfälle Ie. und Ib. geltenden Bedingungen. Driickt man die Bedingung aus, dass drei der unter IP. betrachteten Tripel und gleichzeitig ein weiteres Tripel, welches mit einem der drei ersten und daher mit jedem derselben eine Gerade d gemein hat, sich je in einem Punkte schneiden (je in einer Ebene liegen), so resultirt eine solche tetraedroidische Configuration, bei welcher jede der 16 Configurations- Ebenen ð durch je einen Eckpunkt von vier Fundamentaltetraedern geht, wobei drei dieser Eckpunkte auf einer Geraden f und drei Mal zwei Eck- punkte auf einer Geraden g liegen; analog liegt jeder der 16 Configurations- Punkte > in je einer Seitenfläche dieser vier Tetraeder, wobei sich drei Seiten- flächen in einer Geraden f und drei Mal zwei Seitenflächen in einer Geraden g schneiden. Es redueiren sich also hier vier der Configurationen KO... A auf je ein Tetraeder. ‘Man kann diese besondere Configuration also auch kurz durch die Bedingung charakterisiren, dass jede Contigurations-Ebene ð durch eine Gerade f und eine diese schneidende Gerade g (und damit auch durch drei diese schneidenden Geraden g) hindurch geht, oder dadurch, dass jeder Configurations- Punkt d auf einer Geraden f und zugleich auf einer diese schneidenden Ge- raden g liege, also der Schnittpunkt einer Geraden f mit einer Geraden g (und damit auch mit drei Geraden g) sei. Die Configurations-Punkte dò fallen hiernach mit den bereits in § 6, II. erwähnten Schnittpunkten g von je 4 Ebenen e zusammen, welche sich zu dreien in einer Geraden f und drei Mal zu zweien in einer Geraden g schneiden; die Configurations-Ebenen 6 sind mit den Verbindungs-Ebenen y von je 4 Punkten e identisch, von denen drei auf einer Geraden /, drei Mal zwei auf einer Geraden g liegen. Es ergeben sich im Ganzen 60 derartige Configurationen, da sich z. B. von den 20 Zusammenstellungen je dreier Tripel in der Ebene d, immer 2 ; AR BR h o? $ 20.12 i eine mit zwölfen der übrigen Tripel combiniren lässt, so dass ~~—~ DU Combinationen resultiren. Die Gesammtzahl der Schnittpunkte o (der Ebenen y) beträgt also 16.60 — 960. Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 47) 143 i Die Coordinaten der Punkte und Ebenen dieser 60 Configurationen | werden im § 10 aufgestellt und die durch Vereinigung mehrerer dieser | Configurationen zu erhaltenden neuen Configurationen betrachtet werden. Hier | sei noch darauf hingewiesen, dass von den 120 Configurations-Geraden jeder | derartigen Configuration 3.8 — 24 mit 3.8 Geraden g zusammenfallen (vergl. (30) | unter 12), und dass 4.16 — 64 Gerade d mit je einem Punkte e (einer Ebene e) incident sind, während 16 Gerade f und 16 Gerade f’ als Diagonal-Gerade auf- | treten (s. unter I), Es kommt also bei den 60 Configurationen jede der 320 Geraden f drei Mal, jede der 360 Geraden g vier Mal vor. | Die sechs in einer Configurations-Ebene ð liegenden Configurations- | Punkte > bilden bei einer Cf. Ic. zwei Dreiecke, welche vierfach perspectiv, | und zwar speciell so liegen, dass drei Perspectivitäts-Centra auf einer Geraden | | liegen und drei Perspectivitäts-Axen sich in einem Punkte schneiden 1). So | | sind z. B. die beiden Dreiecke dy Dua d4 und ds dio Dis in der Ebene d. I entsprechend der Combination 7, 73 73; T4, nach folgenden 4 Anordnungen in Wl perspectiver Lage: dr Diz Dia Dr dızdıs Dr Diz Dia D: Dua Dia | Ds Dro Dis Dua Dis ds Dis De dio : Ds Dis Dio : = C1 C5 €g C13 Das durch die 6 Configurations-Punkte d einer Ebene ð bestimmte | Pascal’sche Sechseck wird also zugleich ein vierfach Brianchon’sches, das durch die 6 mit einem Configurations-Punkte ò incidenten Ebenen 4 | bestimmte Brianchon’sche Sechsflach wird zugleich ein vierfach | Pascal’ sches. | S | Id, Vierter Unterfall einer tetraedroidischen Configuration. | | Wenn zwei solche Zusammenstellungen von je drei Tripeln, welche ein Tripel gemein haben (vergl. (31) unter IP.) zugleich bestehen, d. h. wenn zwei Mal je drei Tripel von Geraden d sich in drei Punkten schneiden, welche auf einer Geraden liegen, so muss dasselbe auch noch für zwei weitere derartige Zusammenstellungen dreier Tripel der Fall sein. Es entstehen als- v 1) Vergl. Math. Ann. XXVIII, S. 198, § 4, II. 144 Dr. Edmund Hess. (p. 48) dann in einer Ebene d sechs dreifache Schnittpunkte e, welche den Ecken- paaren eines vollständigen Vierseits entsprechen, dessen Seiten vier Gerade f sind, während die Diagonalen durch drei Gerade g gebildet werden. Man erhält z. B. für die beiden gleichzeitig bestehenden Zusammenstellungen T T; Ts E EEN Tı Tyo Tis ». . & C51 tess et Tea ae en die Bedingungen MN) w= 0 und . atyte=0 ie pe e aus denen sich für die Coordinaten: von d, (d) die Werthe ...0 — (1-44) 2 1 ergeben; daraus folgt aber, dass auch die beiden Zusammenstellungen Ts Tr Dap Ges 889 Ts Tr Tyo ... pos C51 bestehen, d. h. dass die drei Punktpaare 0; dg, Dio dia, Dre ds beziehungs- weise auf den Diagonalen LS, Cs C51 Do Con eines vollständigen Vierseits (harmonisch zu den Endpunkten der Diagonale) liegen. Das Pascal’sche Sechseck, dessen Eckpunkte die sechs Configurations- Punkte einer Configurations-Ebene sind, wird also zugleich ein sechsfach Brianchon’sches; die sechs Brian chon’schen Punkte sind bez. die Eckpunkte von sechs Fundamentaltetraedern 7;, auf welche sich sechs der Configurationen Jm... KI reducirt haben. Analog folgt, dass für eine derartige Configuration von den 15 Schnitt- geraden der 6 durch einen Configurations-Punkt > gehenden Ebenen sechs Mal je drei Schnittgerade in einer Ebene (einer Tetraeder-Ebene &) liegen, so dass diese sechs Ebenen den drei Ebenenpaaren eines vollständigen Vierkants entsprechen, dessen Kanten 4 Gerade f’ und dessen Diagonalen 3 Gerade g sind. Das durch die 6 Contigurations-Ebenen d bestimmte Brianchon sche Sechsflach wird also zugleich ein sechsfach Pascal’sches. Die Configurations-Punkte d einer derartigen Configuration fallen hier- nach mit den bereits in § 6, I. erwähnten Schnittpunkten f von je 6 Ebenen e ‚zusammen, welche sich vier Mal zu je dreien in einer Geraden f und drei Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 49) 145 Mal zu je zweien in einer Geraden g schneiden; die Configurations-Ebenen 6 sind mit den Verbindungs-Ebenen o von je 6 Punkten e identisch, welche den Eckenpaaren eines vollständigen Vierseits entsprechen. í anien T SEI iS ifo ie čs lassen sich im Ganzen ` Ce 15 Combinationen von je vier Zusammenstellungen dreier Tripel bilden; jedem einer solchen Combination entsprechenden Systeme von 6 Fundamentaltetraedern gehören aber zwei Systeme von speciellen tetraedroidischen Configurationen zu, so dass die Gesammtzahl der Schnittpunkte f (der Ebenen ol 2.15.16 = 480 beträgt. Diese Thatsache wird sich aus den im $ 9 aufzustellenden Coordinatenwerthen der Punkte f (Ebenen o) einer derartigen Configuration mit Leichtigkeit ergeben, ebenso wie die interessanten Lagenbeziehungen zwischen zweien oder mehreren derartigen Configurationen. Von den 120 Configurations-Geraden einer solchen Configuration fallen 24 mit 24 Geraden g zusammen (die Diagonalen der vollständigen Vierseite und vollständigen Vierflache), während die übrigen 96 Geraden d mit je einem Punkte e (einer Ebene «) incident sind.) Ie. Degenerationsfälle einer tetraedroidischen Configuration. Wenn speciell ein Configurations-Punkt >) auf einer Directrix e liegt (eine Configurations-Ebene 6 durch eine Directrix e hindurch geht), so fallen je 2 der 16 Configurations-Punkte (-Ebenen) zusammen und liegen zu je 4 auf den beiden Geraden eines Directricenpaares (gehen durch die beiden zusammengehörigen Directricen hindurch). 2) 1) Die unter Iè., Ib., I°. beschriebenen besonderen Fälle einer tetraedroidischen Configuration finden sich kurz bei F. Klein (Math. Ann, II., S. 211) erwähnt. Die Con- figuration Id. ist in einer Arbeit von Dr. W. Schjerning (Hoppe’s Archiv N. F. VIL, S. 113—142): „Ueber die Schaaren von Flächen Aen Grades mit 16 singulären Punkten, welche durch eine Lemniskate gehen“ durch Betrachtungen abgeleitet, welche von den im Obigen angestellten wesentlich verschieden sind. Die von Schjerning aufgestellten analytischen Ausdrücke für die Eckpunkte, Ebenen u. s. w. sind zufolge des angewendeten rechtwinkeligen Coordinatensystems sehr wenig übersichtlich und entbehren der Symmetrie. 2) Vergl. Fi Klein, Math. Ann. I., 8. 211. K. Rohn, Math. Ann. XVIL, S. 138 und 8. 156 ff. Nova Acta LV. Nr. 2. 19 146 Dr. Edmund Hess. (p. 50) Die sechs Configurations-Punkte d einer Ebene ð redueiren sich auf fünf, nämlich die 4 auf einer der beiden Directricen liegenden Punkte und den Schnittpunkt dieser Ebene ð mit der anderen Directrix; analog redueiren sich die sechs durch einen Punkt d gehenden Configurations-Ebenen ò auf fünf, nämlich die vier durch eine Directrix gehenden Ebenen und die Ver- bindungs-Ebene dieses Punktes d mit der anderen Direetrix. Die vier auf einer Directrix liegenden Punkte d (durch sie gehenden Ebenen 0) bilden drei zu den drei Eckpunktpaaren e (Seitenfliichenpaaren <), welche die gemeinsame Kante der drei durch diese Direetrix gehenden Fundamentaltetraeder T, be- grenzen (sich in ihr schneiden), harmonische Paare. So bildet z. B. der auf der Directrix (12) liegende Punkt wo £o 0 0 mit dem Punkte wy —x, 0 0 ein zu e, re (Tetraeder T) re m Ve am eee T,) ; harmonisches Paar. ” ” e 00 1,67 as ( ” EN Die 16 Verbindungsgeraden (Schnittlinien) der 8 Contigurations-Punkte (-Ebenen), welche zu je 4 durch einen Punkt gehen (in einer Ebene liegen), sind zu je vier Linien der anderen Erzeugung für die vier Fundamentalflächen, welche durch das Directricenpaar gehen (z. B. für die Flächen Fy Fy Fy Fo, welche durch das Directricenpaar (12) gehen (vergl. (17) in $ 5), während die beiden Directricen Linien der ersten Erzeugung sind. Die beschriebene Configuration ist als eine Cf. (85, 24) (32) zu bezeichnen. Die dieser speciellen Configuration zugehörige Kummer’sche Fläche ist die Ausartung derselben in eine Linienfläche vierter Ordnung mit acht Cuspidalpunkten und 2 Doppelgeraden !) oder vielmehr ein Büschel von Flächen mit den nämlichen Cuspidalpunkten; zu diesen Flächen gehören doppelt zählend die vier durch das Directricenpaar gehenden Fundamental- flächen E. Wenn endlich ein Punkt d (eine Ebene 0) mit einem Eckpunkte e (einer Seitenfläche A eines Fundamentaltetraeders zusammenfällt, so fallen die 1) Vergl. K. Rohn, a. a. O. S. 156. | Í "E Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 51) 147 sechs Punkte ò (die 6 Ebenen d) paarweise mit den drei Tetraeder-Eekpunkten (Tetraeder-Ebenen) zusammen, die Configuration reducirt sich auf die Tetraeder- Configuration Cf. (43, 62), die Kummer’sche Fläche degenerirt in die vier Ebenen (Eckpunkte) eines Fundamentaltetraeders. II. Grenzfall einer Kummer’schen Configuration: Cf. (16, 84). Wenn ein Configurations-Punkt d auf einer der Fundamentalflächen F, liegt (ohne speciell einer der 30 Directricen e anzugehören, vergl. I°.), so liegen alle 16 Configurations-Punkte d auf dieser Fläche, die 16 Configurations- Ebenen werden zu Tangenten-Ebenen der Fläche, welche doppelt zählend die ausgeartete Kummer’sche Fläche darstellt. Die 6 Configurations-Punkte einer Ebene liegen zu je dreien auf zwei Geraden — dem ausgearteten Kegel- schnitte —; der Schnittpunkt dieser beiden Geraden ist selbst ein Con- figurations-Punkt. Die 16 Configurations-Punkte sind also Schnittpunkte von vier erzeugenden Geraden der einen Schaar und von vieren der anderen Schaar, und zwar liegen sie paarweise zu den Direetricenpaaren, welche derselben Erzeugung angehören, harmonisch 1); jede der 16 Oonfigurations-Ebenen enthält ebenfalls je zwei dieser 8 Geraden, eine aus jeder Schaar, welche als Berührungs-Kegelschnitte der Grenzfläche aufzufassen sind. Die Configuration ist also als eine Cf (167, 8) (33) zu bezeichnen. Die angegebenen Beziehungen sind mit Leichtigkeit analytisch aus den aufgestellten Ausdrücken nachzuweisen. Z. B. für den Fall, dass die Configurations - Punkte d (die Configurations - Ebenen A) auf der Fläche F, liegen (dieselbe berühren) sollen, haben die Coordinaten Wo 2 Yo 20 der Gleichung w + ys zu genügen. Die 8 Configurations-Geraden, d. h. die vier Geraden der einen und die vier Geraden der anderen Erzeugung enthalten die in der folgenden 1) Vergl. K. Rohn, .a. a. O: S. 131. 19* 148 Dr. Edmund Hess. (p. 52) Zusammenstellung durch Ziffern — als Indices von ò; und d — angegebenen Elemente: Bd, AC 181015| e ge Sc Si l 351016 | |3 6 1213 enge 426 915 aller ar die drei Directricenpaare (24), (46), (62) (vergl. (58) in $ 4) gehören zu den ) zu den Geraden zweiter Geraden erster, die drei Paare (13), (35), (51 Erzeugung. Wir werden im $ 11 diejenigen besonderen Fälle dieser Configuration © betrachten, in welchen die Configurations-Punkte Schnittpunkte einer Geraden f mit einer Fläche F; oder Schnittpunkte einer Geraden g mit je einer von zwei Flächen F; sind. § 9. Ueber die durch die Schnittpunkte f und die Verbindungs-Ebenen o bestimmten Configurationen. Wie bereits im vorigen Paragraphen bei der Ableitung des mit Id, bezeichneten vierten Unterfalls einer tetraedroidischen Configuration bemerkt wurde, fallen die Configurations-Punkte d einer derartigen Configuration mit den bereits in $ 6, I. erwähnten Schnittpunkten f von je sechs Ebenen e, ebenso die Configurations-Ebenen 6 mit den Verbindungs-Ebenen o von je sechs Punkten e zusammen. Die sämmtlichen Schnittpunkte f von je 6 Ebenen « (die sämmtlichen Verbindungs-Ebenen o von je 6 Punkten d ordnen sich in 15 Gruppen von 2.16 Punkten (Ebenen); jedes der beiden Systeme von 16 Punkten (Ebenen) einer Gruppe bildet eine specielle tetraedroidische Configuration I4., welcher ein und dasselbe System von sechs zusammengehörigen Fundamentaltetraedern T, zugeordnet ist; beide Configurationen haben dieselben 24 Configurations- Geraden g; die Punkt- (Ebenen-) Coordinaten für die beiden Systeme sind imaginär conjugirt. Die 15 Gruppen von je 6 zusammengehörigen Tetraedern sind bereits in der Zusammenstellung (3) in $ 3 (letzte Columne) aufgeführt; | | | Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 53) 149 jede dieser Gruppen nebst den ihr entsprechenden beiden Systemen von | Configurationen Id. wird also einfach durch dasjenige Fundamentaltetraeder d charakterisirt, mit dessen Elementen (Ebenen, Punkten) je zwei Elemente (Punkte, Ebenen) der sechs Fundamentaltetraeder incident sind. In den Zusammenstellungen (34«) und (348) sind für jede dieser | 15 Gruppen das charakteristische Tetraeder, sowie die Coordinaten je eines | Punktes f (je einer Ebene oi der zugehörigen beiden Systeme von Con- | figurationen Id., welche wir einander conjugirt nennen wollen, nebst den | incidenten Elementen « (e) aufgeführt. Die Coordinaten sämmtlicher 480 LD Punkte f (Ebenen o) sind imaginär. Die den sechs reellen Tetraedern 7, ... Te | | zugehörigen 6.2.16 = 192 Punkte f (Ebenen o) sind Sehnittpunkte (V nes I Ebenen) je dreier reeller und dreier imaginärer Ebenen e (Punkte e), welche sich in einer reeden und drei imaginären Geraden f zu dreien und in drei He imaginiiren Geraden g (der Gruppe (228)) zu zweien schneiden (durch solche Geraden verbunden werden); die den 9 imaginären Tetraedern 77 ... Tig zu- gehörigen 9.2. 16 = 288 Punkte f (Ebenen g) sind Schnittpunkte (Verbindungs- d Ebenen) von je 2 reellen und 4 imaginären Ebenen e (Punkten e), welche sich vier Mal zu dreien in einer imaginären Geraden f und zu zweien je in einer reellen Geraden g und zwei imaginären Geraden g der Gruppe (227) schneiden (durch solche Geraden verbunden werden). r S 3] 171,21]; 27) 31] 35]... i Ee ele 29) a | EE E AER ce 27) 31)85) z J13] 17] 21]; 38] 43] 48)... 241 1 1 1... 18) 17) 210; 37) 41) d 2 +++ 143) 17] 21]; 37] 41] 45] ... —2iF+1 1 1 1... 18) 17) 21); 38) 43) 48) Ti aldi BT Pe EE a | 3 +++ 143] 17] 21]; 50] 55] 60]... — a4) 1 1 1 ...13) 17) 21); 49) 53) e | » (340) | T, { HPCE UIRY LST Sy 20, 2 120 0 ose!) 6) 10); 25) 40) 52) a Hl 4 ++) 4]. 6) 10]; 25] 40] 52]... 0 1d 1... 1) 6) 10)5 26) 39) 51) u T, { omar RL Pal Bl Oe ee 1) 7) 11); 29) 44) 56) e 1 : 1) 7) 11]; 29] 44) 56}... 0-5 mi 1-.- 1) 7) 119380) 42) 59 | T, EE EE o SEET eren) WË E E EE E 12); 34) 46) 58) | | 150 Dr. Edmund Hess. (p. 54) | F l 1] 13]; 42] 46] 54158] 2... 00 1+% bod 22.1) 18)5 44) 47) 56) 59) } E ER SCHEED WEE EREECHEN | T, fola A EA: oi Läit, 1) 17)3.40) 46) 52) 58) ) F ; CA A e Oo OS ue en An tre S e 1] 21]; 40] IE 0 1.1 1#8...1)21);39) 42) 51)54) ) "227 19213539] tu), bon 0, My mogi dees Helle 40) 44) 59) 56) J A l 5] 13]; 30] 34] 567597 ... +52 7 ı 1... 5) 13); 29) 33 559 | "216.9 (ib) 183129933) Ba)58] ‚anne -— E 4 as) Tam 84) 56) 59) zn f 5] 17]; 26) 33] 52].58)). .. 0 +2 1. 12.6. 5) 17)3 25). 34) 51) ES (348) Se SUDA: 251.84) 51,09) ur» it 2 1. 4 5) 17); 26) 33) 52) 58) a l 51121122510: 5A 4) Fo Deed E DEE D: 26) 3002) SCH EE EEN o l 9] 13]; 30] 34] 44] 47] TRD AL, 9) 18); 29) 38) 42) 46) 7 Hae CT 29195120461 a =e, 9) 18) 80) 4) AA] SS J 9] 17]; 26] 33] 40] 46]... —¢@+2) 1 i 1... 9) 17); 25) 34) 39) 47) ) ENO GMT; TEE ATS er A SINT) hg ee Are? P. S 9) 21}; 25] 29] 39] 42] etre 2). ee bared 2109121) Do) oO) AT 1322519721]; 26] 30] 40] 44] i—2 1 1-4... 9) 21); 25) 29) 39) 42) J Je zwei einander conjugirte tetraedroidische Configurationen H. welchen dieselben sechs Tetraeder 7, zugehören, haben zu einander die merkwürdige Lagenbeziehung, dass in einer Configurations-Ebene des einen Systems drei Configurations-Punkte des anderen Systems — die Diagonal-Punkte des durch vier Gerade f gebildeten Vierseits, dessen Eckpunktpaare drei Tetraeder-Eekpunkt- paare sind — legen, und dass durch einen Contigurations-Punkt des einen Systems drei Configurations-Ebenen des anderen Systems — die Ebenen des Diagonal-Dreikants des durch 4 Gerade f’ bestimmten Vierkants, dessen Seitenflächenpaare drei 'Tetraederflächenpaare sind — hindurch gehen. Auf jeder der 24 Geraden g, welche beiden Configurationen gemein sind, liegen von den drei Punktpaaren derselben — einem Punktpaare e und je einem Punktpaare der beiden Configurationen — je zwei zu einander harmonisch, und dasselbe gilt für die drei durch eine solche Gerade g hindurch gehenden drei Kbenenpaare — ein Kbenenpaar « und je ein Ebenenpaar der beiden Contigurationen —. | Daraus folgt, dass der Verein zweier einander conjugirten tetra- edroidischen Configurationen Id. eine neue Configuration = A Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 55) 151 Cf. (329, 244) (35) bildet, deren Configurations-Gerade durch 24 Gerade 9 dargestellt sind. Diese Configuration ist ein specieller Fall der in $ 7 unter (26) abgeleiteten Con- figuration Of. (829, 244). Da fernerhin jede Gerade f (f’) mit sechs Punkten f und sechs Ebenen o incident ist, so folgt, dass die Gesammtheit der 480 Punkte f und der 480 Ebenen o eine Cf. (48035, 3206) (36) bildet, deren Configurations-Gerade die 320 Geraden f und f’ sind, und für welche die 360 Geraden g Diagonal-Gerade 360, darstellen. Die 33 SN einer Configurations-Ebene o liegenden Punkte f sind 4 Mal je sechs auf einer Geraden f liegende Punkte, welche paarweise zu einem der drei Eck- punktpaare e harmonisch liegen und die 9 auf den Diagonalen des Vierseits in der angegebenen Lage befindlichen Punkte einer Configurations-Ebene der Configuration (35). Die 60 Diagonal-Ebenen & (die 60 Diagonal-Punkte ¢) sind mit je 48 Punkten f (Ebenen o) incident. (Vergl. $ 6, I. am Ende die Bemerkungen über die durch die Gesammtheit der 320 Geraden gebildete Raumfigur). Kehren wir noch einmal zu der Betrachtung der beiden conjugirten Configurationen 14. oder der durch Vereinigung beider entstehenden Con- figuration Cf. (329, 244) zurück. Als Beispiel diene die in (34«) zuerst auf- geführte Configuration Il. ù ... 211 1, welcher die Configuration K® (vergl. 5 7 Formeln (25a) und (25f)) 0? ...—41 1 1 conjugirt ist. Die sechs Configuration K®, K®, K®, KO, K®, K haben sich bez. auf die sechs Fundamentaltetraeder T,, 75, Tg, Tr, Zs, 7, redueirt, während 7, das charakteristische Tetraeder darstellt. Den übrigen acht der 15 Configurationen K® entsprechen in der früher angegebenen Weise die acht Fundamentaltetraeder 75, 73, Tyo, in, Lio, Tis, Tia, Jun, Diese 8 Fundamentaltetraeder bilden nun selbst, wie sich aus den früher aufgestellten Beziehungen leicht nachweisen lässt, ebenfalls zwei con- jugirte Configurationen Jà, oder eine Configuration Cf. (329, 244). Und zwar bilden bez. die 16 Eckpunkte (Seitenflächen) der vier Tetraeder 75, Dia, Tia, Tig mit den Seitenflächen (Eckpunkten) der vier Tetraeder 73, Tio, Ti, Tio eine der beiden conjugirten Contfigurationen Id, Die 24 Brianchon’schen Punkte 152 Dr. Edmund Hess. (p. 56) und die 24 Pascal’schen Ebenen der beiden Configurationen Id, sind dieselben, wie für die zuerst betrachteten beiden Configurationen Id., nämlich die Eck- punkte und Seitenflächen der sechs Tetraeder 7,, Ts, Te, Tr, Tg, Tg; die 6 Tetraeder aber, deren Seitenflächen (Eckpunkte) mit je 4 der Configurations- Punkte (-Ebenen) incident sind, sind andere Tetraeder Ty, T5, Ty, Ty, Ts, Ty. Diese Tetraeder sind aus den Tetraedern 7,... Ty in der Weise entstanden, dass auf den drei Paaren gemeinsamer Gegenkanten (den drei Directricen- paaren (12), (34), (56), welche die Gegenkantenpaare des unverändert bleibenden charakteristischen Tetraeders 7, bilden) sich je zwei Paare von Ecken (Ebenen) der Tetraeder T, und 7;, 7; und Ts, 7, und 7, mit einander vertauschen (vergl. § 6 die Zusammenstellung (225)). Die 24 Con- figurations-Geraden 244 dieser Configuration Cf. (329, 244) sind die übrigen 12 Directricenpaare. Man bemerkt sofort, dass. analytisch sich das. zweite System zweier conjugirten Configurationen Id. aus dem ersten System durch Anwendung der Substitution w = iw, Al Y = äi 8 =? (37) ergiebt, d. h. durch eine imaginäre Raumtransformation, welche das Fundamental- tetraeder 7, ungeändert lässt und die 6 Fundamentalcomplexe des von F. Klein sogenannten Typus I in diejenigen des Typus IV!) überführt. Bei jeder der 15 dieser 'I'ransformationen, welche man für jedes der in (34«) und (348) aufgeführten 15 Systeme vornehmen kann, gehen die 32 Punkte f (32 Ebenen o) desselben in die Eckpunkte und Ebenen von 8 der Fundamentaltetraeder über, während die 6 Tetraeder jedes Systems auf den drei Gegenkantenpaaren des fest bleibenden Tetraeders ihre Eckpunkte und Flächen paarweise vertauschen. Die 24 jedem System zugehörigen Con- figurations-Geraden g gehen in die 12 übrigen Directricenpaare über. In der That haben, wie bereits oben erwähnt wurde, die drei mit einer Geraden g incidenten Punkt- (Ebenen-) Paare, nämlich ein Punktpaar e und zwei Punkt- paare f (ein Ebenenpaar « und zwei Ebenenpaare o) dieselbe Lagenbeziehung, wie die drei mit einer Directrix e incidenten Punktpaare e (Ebenenpaare e). 1) Vergl. F. Klein und K. Rohn a. a. O. ee a EE ay ee unse EEN Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 5%) 153 if | Die Transformation der 6 Systeme in (34a) ergiebt solche Configura- | tionen I4., bei welchen je 4 Punkte (Ebenen) reell, die übrigen 12 Elemente Í | > imaginär sind; die Transformation der 9 Systeme (34) ergiebt solche Con- figurationen I4., bei welchen. 8 Elemente reell und 8 Elemente imaginär sind. u 1 S 10. | | | Ueber die durch die Schnittpunkte g und die Verbindungs- i] Ebenen z bestimmten Configurationen. p Die Configurations-Punkte d (Configurations-Ebenen 0) einer tetraedro- i idischen Configuration, welche dem in $ 8 durch I°. bezeichneten Unterfalle | P A 5 N entspricht, fallen, wie bereits bemerkt wurde, mit den Schnittpunkten g von | 4 Ebenen — (den Verbindungs-Ebenen y von 4 Punkten e zusammen. Die sämmtlichen 960 Schnittpunkte g (960 Verbindungs-Ebenen y) von je 4 Ebenen e (4 Punkten d ordnen sich in 10 Gruppen von je 96, welche 6 Systeme zusammengehöriger tetraedroidischer Configurationen I“ bilden. Diesen 6 zusammengehörigen Configurationen I“. sind der Reihe nach je 4 | j derselben 6 Tetraeder zweier conjugirten desmischen Systeme (z. B. 7, T, Ts | — T, T; Tę) zugeordnet, welche in Beziehung auf eine Fläche F, (z. B. | F,) sich selbst conjugirt sind. In der nachfolgenden Zusammenstellung (88) | sind die 6 derartigen Configurationen Ir. der ersten Gruppe, fiir welche I sämmtliche Elemente reell sind (vergl. (15) in $ 5) durch die Coordinaten | eines Punktes d, (einer Ebene d,) und die mit diesem Punkte g (mit dieser Ebene y) incidenten Ebenen (Punkte e angegeben. P? DES) P15) 52113) a7) A KEBE! 9); 13) 17) au e | ] 10] OQ A ceed B) seed 6) 0) | SEENEN Eent wë ] 12] 02, 12,22) Be www er ET E kä = = sw ou— et DE Rz WR ei Nee Das vorangestellte Tetraeder T, ist dasjenige der Configuration I°. zugehörige Vetraeder, dessen Eckpunkte (Seitenflächen) solche Brianchon sche Punkte (Pascal’sche Ebenen) sind, welche nicht in einer Configurations- Ebene mit zwei anderen Brianchon’schen Punkten auf einer Geraden f 1 Nova Acta LV. Nr. 2. 20 H | I f p 154 Dr. Edmund Hess. (p. 58) liegen ‘(nicht mit zwei anderen durch einen Configurations-Punkt gehenden Pascal’schen Ebenen sich in einer Geraden f’ schneiden). Die drei in der anderen Gruppe ([#] bez. [«]) voranstehenden Tetraeder, welche in desmischer Lage sind, sind dagegen diejenigen, deren Eckpunkte zu je dreien auf einer Geraden f liegen (deren Seitenflächen zu je dreien durch eine Gerade f” hindurch gehen). Die drei nach dem Semikolon stehenden Ebenen « (Punkte e) sind immer drei derartige mit einer Geraden f (f’) incidenten Elemente (vergl. (18) in § 6). Als Repräsentant einer der 6 Configurationen (38) lässt sich diejenige betrachten, deren 16 Configurations-Punkte durch die 12 Eckpunkte eines Kubo-Oktaeders und die vier unendlich fernen Punkte der dreizähligen Axen und deren 16 Configurations-Ebenen durch die 12 Ebenen eines Rhomben- dodekaeders und die vier durch den Mittelpunkt senkrecht zu den dreizähligen Axen gelegten Ebenen gebildet werden '). Die 6 Configurationen (38) haben dieselben 16 Geraden f und 16 Ge- raden f’, also 32 in Beziehung auf 7, zusammengehörige Gerade als Diagonal- Gerade gemein. Von den 24 Geraden g, welche jeder der 6 Configurationen als ausgezeichnete Configurations-Gerade zukommen, gehören je 8 einer der 3 Configurationen an, welche durch die in der anderen Gruppe (ales, [«|) in (38) ) stehenden Tetraeder charakterisirt sind. Es kommen also im Ganzen in den Di 6 Configurationen "e — 72 Gerade g vor, deren jede 2 zusammengehörige Configurations-Punkte g enthält, welche zu den ‚beiden Punkten e dieser Ge- raden harmonisch liegen; analog gehen durch jede Gerade 2 Paare von Con- fizurations-Ebenen y, welche zu den beiden diese Gerade enthaltenden Ebenen « harmonisch liegen. Jede der 24 Tetraeder-Ebenen e enthält 4 Configurations-Punkte der- jenigen Configuration, für welche das Tetraeder charakteristisch ist, als Eckpunkte eines vollständigen Vierecks mit drei Seitenpaaren g, während von den drei anderen Configurationen, welche durch die drei Tetraeder der anderen Gruppe in (38) charakterisirt sind, ebenfalls je 4 Punkte, und zwar je 2 auf einer der 6 Geraden g harmonisch zu den Eckpunkten e liegen. Diese letzteren 1) Vergl. E. Hess: Einleitung in die Lehre von der Kugeltheilung. Leipzig 1883. H 428—429. EE Et E a Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 59) 155 12 Punkte liegen zu je dreien auf den 4 Seiten f des vollständigen Vierseits, für welches je zwei Eckpunkte der drei bezeichneten Tetraeder Gegenecken sind. Analoge Beziehungen gelten fiir die durch einen Tetraeder-Eckpunkt ¢ hindurch gehenden Configurations-Ebenen z. Auch wird man leicht unter Benutzung der in $ 7 unter (25a), (25%) aufgestellten Relationen bestätigen, dass für jede der 6 Configurationen von den 15 Configurationen K® vier sich auf die zugehörigen Tetraeder redueiren, während drei derselben in die drei durch die Tetraeder der anderen Gruppe in (38) charakterisirten Configurationen übergehen. Der Verein je zweier in (88) in verschiedenen Gruppen (el, [8]) stehenden Configurationen bildet wieder einen besonderen Fall einer Cf. (329, 244), (39) welcher von dem in § 9 unter (35) erhaltenen besonderen Falle, der aus der Vereinigung zweier conjugirten Configurationen D. resultirte, wesentlich ver- schieden ist. Die 24 Configurations-Geraden zerfallen in 8 Gerade g und 16 andere, welche mit je 4 Configurations-Elementen incident sind. Solcher Con- figurationen lassen sich im Ganzen 9 bilden. Durch Vereinigung von je zweien in einer Gruppe (el, [3]) stehenden Configurationen mit zweien in der anderen Gruppe (al, Lal) stehenden Con- figurationen entsteht eine Cf. (641; 32¢ + 644), (40) bei welcher 32 Configurations-Gerade mit Geraden g zusammenfallen. e Endlich entsteht durch Vereinigung aller 6 Configurationen in (88) eine CE (96153 724+ 1444), (41) bei welcher 72 Configurations-Gerade mit Geraden g zusammenfallen. Diese Configuration enthält noch 323 + 1923 Diagonal-Gerade, von welchen 32 zu- sammengehörige Gerade f und f’ sind, ausserdem noch 14409 Diagonal-Gerade. Die Lagenbeziehungen für die in einer Contigurations-Ebene enthaltenen Configurations-Punkte der Configuration I. und der eben abgeleiteten Con- figurationen (39), (40), (41) lassen sich leicht durch den speciellen Fall ver- sinnlichen, in welchem die 6 Configurations - Punkte von Te. den Eckpunkten 20* 156 Dr. Edmund Hess. (p. 60) eines regulären Sechsecks entsprechen, zu welchen bez. 3, 6, 9 Schnitt- punkte von Diagonalen dieses Sechsecks hinzutreten. Für die 6 Configurationen I°. jeder der übrigen 9 Gruppen, welchen die übrigen 9 Systeme von 2.3 Tetraedern in desmischer Lage und damit eine der übrigen 9 Flächen F, zugeordnet sind (vergl. (15) in § 5), ergeben sich ganz analoge Lagenbeziehungen. In der Zusammenstellung (42) sind ebenso, wie in (38), drei dieser neun Gruppen, nämlich die 2te, 5te, Ste durch das zugehörige Tetraeder, durch die (sämmtlich imaginären) Coordinatenwerthe eines Punktes d, (einer Ebene A) und die mit diesem Punkte g (dieser Ebene 7) incidenten Elemente e (e) angegeben. Für die siimmtlichen Schnittpunkte g (Verbindungs-Ebenen y) ist die zugehörige Gerade f (f’) bez. eine der 9 in (20) ($ 6) aufgeführten Gruppen, also in (42) der 2ten, Dien, Sten Gruppe. Die in der ersten Horizontalreihe je zweier Gruppen (el, Joly aufgeführten Punkte g (Ebenen z) sind Schnittpunkte je zweier reellen und zweier imaginären Ebenen e (Verbindungs-Ebenen je zweier reellen und zweier imaginären Punkte e); von den drei zugehörigen Geraden g ist eine reell (Gruppe (22a) in $ 6), die beiden anderen sind imaginär (Gruppe 22). Die in der zweiten und dritten Horizontal- reihe je zweier Gruppen (el |2]) aufgeführten Schnittpunkte g (Verbindungs- Ebenen y) sind Schnittpunkte (Verbindungs-Ebenen) je einer reellen und dreier imaginären Ebenen e (Punkte e); von den drei zugehörigen imaginären Geraden g gehören eine der Gruppe (22), die beiden anderen der Gruppe (22,) an. 11350] Oi Sa toredad) Y 18),29),38) jaf ns ai 13] 30] 34]... SOOT AMON Re AS 29138) Fis, 2,0, 00213), 80),84] ..... -3 , %.1,1..:49); 18) 29),33) ES EE Oper 27 la) 38x‘) IEN Oe lk lt 52], © (e NEE Tironi 1] 3954): > - Oas ral Qi Eer ) 1)240),52) (42.a) (2 5]; 13] 42] 46]... 241 %-1 11... 5); 13) 44) 47) Belt +. 27]; 13] 42746]... 3-1 241 72 2 2. 98)3 13)44) 47) Tis... 50]; 13] 42] 46)... —@+2) 2-5 1 1...49); 13) 44) 47) | Tı La] cooler m; Dee le tress TOS OZ S0) [56] 4 Tıı ...42]5 5] 25] 51]... 42 2040-7 1...44); bi 26)'52) Tie... 46); 5]26] 52]... 2-1 7-2 II, Ais 5) 25) 51) BEE geen ~ > er nn EA, Fer en. Se, Se nn s ne Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 61) 157 9); 13) 56) 59) di 7); 13) 56) 59) | 37 | Ts ... 9]; 13] 54] 58]. . . -2i+1) 20-1 ; 5i 5 )s 13) 56) 59) eat der 8]... Ai #41 2 2.. TE e Dias did | (428) | IG 25] 39]... —G+2)2i+4 21. BEI 9) 26) 40) ] | 1; 1; vn lee ere ] | 837119] 20440] . 2. =(2t=1) 12) #1:%.)59)519):25):39) | Für die übrigen Gruppen 3) 4); 6) 7); 9) 10) ergeben sich die Werthe | ° für die Coordinaten der Punkte g (E benen z) durch Permutation der in (42) aufgeführten Werthe. Durch die Vereinigung sämmtlicher 60 Configurationen Ie. entsteht eine i Cf. (96027, 360s), (43) 1 fiir welche die 360s Geraden g nn die 3203 Geraden f (f) Diagonal-Gerade sind. (Vergl. $ 6 II. am Ende die Bemerkungen über die | durch die Gesammtheit der Ei Geraden g gebildete Raumfigur.) | | | 8 11. Ueber Configurationen, welche durch Punkte (Berührungs-Ebenen) | der Fundamentalflächen gebildet sind. | Im $ 5 sind bereits die wichtigsten Lagenbeziehungen der Punkte ` l (Ebenen «) und der 30 Directricen e zu den 10 Fundamentalflächen F, ent- | | wickelt worden. | Die 36 Punkte e (Ebenen ¿), welche einer Fundamentalfläche angehören, | bilden zu je 16 neun Mal den in $ 8 unter II. betrachteten Grenzfall einer Kummer’schen Configuration, nämlich eine Configuration (167, 84), während die 24 übrigen Punkte e (Ebenen e), welche nicht der Fläche angehören, die | bekannte sogenannte harmonische Configuration (249, 184) bilden. Jede der 9 einer Fläche F, zugehörigen Configurationen (167, 84) hat vier der 6 auf der Fläche liegenden Directricenpaare zu Configurations- Geraden (vergl. die Zusammenstellungen (el und (55) in § 4) Die der imaginären Fläche F, zugehörigen Configurationen haben durchweg imaginäre Jlemente; von den neun jeder der reellen Flächen Fs ... Fio zugehörigen Configurationen (167, 84) ist eine durchaus reell, vier derselben haben 8 reelle a $ 158 Dr. Edmund Hess. (p: 62) und 8 imaginiire Configurations-Punkte (Configurations-Ebenen), die übrigen vier 4 reelle und 12 imaginäre Configurations-Punkte (Configurations-Ebenen). Die Gesammtheit der 36 jeder Fläche F, angehörenden Punkte e (Ebenen e) bildet je eine CE (u, 126), (44) deren Configurations-Gerade die 6 auf der Fläche liegenden Directricenpaare sind; die der Fläche F, angehörige. derartige Configuration hat wieder durch- weg imaginäre Elemente, während jede einer der reellen Flächen Fs ... Fio angehörige Configuration (3611, 126) Je 16 reelle und 20 imaginäre Punkte (Ebenen) und 8 reelle und 4 imaginäre Configurations-Geraden hat. Wir wollen nunmehr auch noch die Schnittpunkte der 320 Geraden f (f’) und der 360 Geraden g mit den Fundamentalflächen in Betracht ziehen. I. Jede der 320 Geraden f (f’) schneidet eine der Fundamentalflächen in zwei Punkten fo (enthält zwei Berührungs-Ebenen gp an eine der Flächen), da die Schnittpunkte (Berührungs-Ebenen) mit den übrigen neun Flächen zu je sechs in einem der drei Punkte e (einer der drei Ebenen ¢) der Geraden zusammenfallen. Es entstehen hiernach auf jeder der 10 Fundamentalflächen 64 Schnittpunkte (64 Berührungs - Ebenen), nämlich die Schnittpunkte (die Berührungs - Ebenen) der 32 Geraden. f (f), welche sich in Beziehung auf diese Fläche polar-reciprok entsprechen. (Vergl. § 6, Zusammenstellung (20)). Diese 64 Schnittpunkte (Berührungs-Ebenen) zerfallen zunächst in 2 Gruppen von je 32, nämlich in die Schnittpunkte (Berührungs-Ebenen) von je 16 einander conjungirten Geraden f (f’) und von den 16 diesen adjungirten Geraden f’ (f); jede der beiden Gruppen zerfällt wieder in zwei von je 16 Punkten (Ebenen), deren jede eine Configuration (167, 84) darstellt. In der Zusammenstellung (46) sind für die Flächen F}, Fə, F5, Fs die Coordinaten je eines Punktes D (einer Ebene œ) für diese beiden Gruppen von je zweien Configurationen (167, 84) aufgeführt. Es bedeuten in derselben: ei, 1+oetot—0, ees -iV3 (45a) Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 63) 159 È | | | Fläche! Gruppe Ia. | Gruppe Ib. | Gruppe Ia. | Gruppe IIb. ` Joar? | E IER E E Eeer EE Kell. d a a Fr Varna FA —V3 i 1 1 0 RU PE | 0 A) d —1 $ 1 1 =i 1 al a ro ach 1, -1 Ca lr e 7.4 -t 1 C Ce i -1 | 177.02 | j J j j 1 | j 1 2 J Ht N 1 k Fs Ae ; C4 1 1 -j.a be, Re E | RE ent | | I Jedes Element einer dieser Gruppen enthält ausser den 7 der Con- figuration angehörigen noch je vier Elemente der beiden Configurationen der anderen Hauptgruppe Hiernach lässt sich durch Vereinigung je zweier dieser Gruppen, welche verschiedenen Hauptgruppen angehören, eine Con- figuration Cf. (3211, 48), (47) welche noch 84 Diagonal-Gerade enthält, sowie ferner durch Vereinigung sämmt- licher vier Gruppen eine Configuration Cf. (6415, 168 48 erhalten. GE ) (48) Die sämmtlichen Coordinatenwerthe der 640 Schnittpunkte fọ der Ge- raden f (Berührungs-Ebenen go durch die Geraden f) mit den Fundamental- flächen sind imaginär; man bemerkt aber sofort, dass durch Anwendung der Substitution (37) ($ 9), d. h. durch Transformation vom Typus I. auf den Typus IV., ebenso aber auch durch Anwendung einer der beiden Substitutionen: WW EE (49) und wie 0) y=jy ese, (50) welche bez. die Transformation vom Typus I. auf den Typus II. und den Typus II!) ausdrücken, ein Theil der Coordinatenwerthe in reelle Form übergeführt werden kann. Wir verzichten aber hier darauf, diese Beziehungen im Einzelnen zu verfolgen. 1) Vergl. K. Rohn, a. a. O. S. 147 und 8 151. (46) 160 Dr. Edmund Hess. (p. 64) U. Jede der 360 Geraden g schneidet zwei Flächen F,, F, in je zwei Punkten go (enthält je zwei Berührungs-Ebenen yọ an zwei Flächen). Denn von den Schnittpunkten der Geraden g mit den übrigen 8 Flächen fallen in den beiden Punkten e dieser Geraden je 4 der 8 Schnittpunkte mit vier Flächen, nämlich denjenigen, welche durch das den 2.4 zusammen- gehörigen Geraden g als gemeinsames Gegenkantenpaar der beiden 'letraeder zugehörige Directricenpaar hindurch gehen (vergl. (22) in § 6), und ferner in jedem der beiden Punkte e je zwei Berührungspunkte der Geraden mit zwei Flächen F, an welche dieselbe gemeinschaftliche Tangente ist, zusammen. Analoges gilt für diejenigen Berührungs-Ebenen der Flächen F, welche durch eine Gerade g hindurch gehen. Diejenigen beiden Fundamentalflächen H. F,, welche von einer Ge- raden g und somit von den 2.4 zusammengehörigen Geraden geschnitten werden (deren Berührungs-Ebenen durch die Gerade g und somit durch die 2.4 zusammen- gehörigen hindurch gehen), sind die beiden Flächen, in Bezug auf welche die beiden durch die zusammengehörigen 2.4 Geraden bestimmten Tetraeder sich selbst conjugirt sind. (Vergl. die Zusammenstellung (22a), (22), (227) in § 6.) b Jede Fundamentalfläche F, enthält hiernach 9. 16— 144 Schnittpunkte der Geraden g (Berührungs-Ebenen durch die Geraden g); die auf der imaginären Fläche 7, enthaltenen -Schnittpunkte (Berührungs - Ebenen) der 72 reellen Geraden g (Gruppe (22«) in § 6) sind durchweg imaginär, während auf jeder der übrigen neun reellen Flächen F je 16 reelle Schnittpunkte (Berührungs-Ebenen) der 9 Gruppen von je 2.4 reellen Geraden g vorhanden sind. Die Schnittpunkte (Berührungs-Ebenen) der Geraden g der Gruppen (22%) und (22,) mit diesen neun Flächen sind sämmtlich imaginär. Je 16 zusammengehörige Schnitt- punkte (Berührungs-Ebenen) einer Fläche bilden eine Configuration (167, 84). In der Zusammenstellung (51) sind die Coordinaten für ò (ð) der neun Configurationen (167, 84), welche durch die auf der Fläche F, liegenden Schnittpunkte ge (die Fläche F, berührenden Ebenen yo) der 72 reellen Ge- raden g der Gruppe (22«) gebildet werden, aufgeführt; (517%) enthält die Coordinaten d; (d,) für die Schnittpunkte (Berührungs-Ebenen) derselben Geraden mit je einer der 9 reellen Flächen Fs... Fo; endlich (51y) und (510) ent- Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 65 161 ¢ A H halten im Anschluss an die Tabelle (22) und (22,) in § 6 die Coordinaten | je eines Schnittpunktes (einer Berührungs - Ebene) einer Geraden g mit den | beiden zugehörigen Flächen 7, F,. Die Coordinaten des zweiten Schnitt- | punktes (der zweiten Beriihrungs-Ebene) unterscheiden sich von denen des der | ersten durch das entgegengesetzte Vorzeichen der auftretenden Quadratwurzel ni ‘ 1 oder der Grössen j und i Ri te l Riot lek eo Po Bret te eV A) EE yo 1 | Re ae Ee Eeer Ve ebe Leg | Certo Tf WV Kar ae ee ee EE J Fe ic EE Dik NEO I a E EE EEN AA EE Eed ee (512) ig VO) E Poy og aay) Gat, MN Paar 4 3281 12) 2 ee Hae ee a RE ie Ee GESITT OR E N) WE)... VEN F iV u ~ D 12] 49] | =| 11) 50)|.....- j= WF) i(VO44) 1; Fo... 42-1) SËCH e | d (517) 8 Ae | |16] 25] == f45) 26)|...Fs... 10 1 s oan E zone Side d 929112050) gar 7 1 a3 By -1 = TEJ [241831 ==123):34) Fore Hizee- 1 ` H Irre 1 E KEE 28] 48] | =] 25) 47)| 2 Fy... gë 1 Wady Feo GE E WEN EK alanll — |26)56)|...%... i 1 Voi iV2-1; Fe... i 1 -i(¥241) V2-1 2 (516) | DEET E E Vy WEN WEE E FY | RA 1 | Jedes Element einer der 9 Configurationen 8; ...8), welche der- selben Fläche F, (z. B. F,) angehören, enthält ausser den 7 Elementen noch je 4 Elemente von 4 der anderen Configurationen, z. B. von X, enthält jedes Nova Acta LV. Nr. 2. 21 162 Dr. Edmund Hess. (p. 66) Element noch je 4 Elemente von Ma, Me, 87, Rz (vergl. (61c)). Daraus folgt, dass sich durch die Vereinigung je zweier derartiger Configurationen auf 18 Arten eine Le CE (32a 45) (52) (vergl. (47)) erhalten lässt, welche 84 Diagonal-Gerade enthält, ferner durch Vereinigung je dreier derartiger Configurationen auf 6 Arten eine Ch (4815, 412) (53) entsteht, welche 124 Diagonal-Gerade. enthält, und endlich dass der Verein sämmtlicher 9 Configurationen 8, ...s eine Cf. (14498, 2412) (54) darstellt. Andererseits bilden die 9 Configurationen (167, 84), deren Elemente 9 verschiedenen Flächen F, angehören, und welche durch die 72 Geraden, welche die 10% Fläche schneiden (Berührungs-Ebenen der 10te Fiche enthalten), durch ihren Verein verschiedene neue Configurationen. Betrachten wir z. B. die Schnittpunkte (Tangenten-Ebenen) der 72 reellen Geraden g (Gruppe (22 a) mit den 9 Flächen F, ... Fio (vergl. (D) gi) und bezeichnen die entsprechenden Configurationen (167, 84) durch NM... Rio, so enthält jedes Element einer solchen Configuration 8; noch je zwei Elemente von 4 anderen derartigen Configurationen; z. B. &, enthält ausserdem je 2 Elemente der Configurationen SEK. Daraus folgt, dass sich aus dem Verein je zweier derartiger Con- figurationen auf 18 Arten eine Cf. (329, 244) (55 bilden lässt, ferner, dass durch Vereinigung je dreier derartiger Configurationen auf 6 Arten eine Cf. (4811 , 484) (56) entsteht, welche 643 Diagonal-Gerade enthält, endlich dass die Gesammtheit der 9 Configurationen eine Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 67) 163 if Cf. (14415, 2164) (57) | darstellt, welche 3843 Diagonal-Gerade enthält. | Analoges gilt für die übrigen 9 Gruppen von je 9 Configurationen | (167, 84); das betrachtete Beispiel bietet dadurch ein besonderes Interesse, d weil für diese Configurationen sämmtliche Elemente reell sind.') | Auch für diese 1440 Schnittpunkte go (Tangenten-Ebenen yo) gilt die dr. Bemerkung (S. I. am Ende), dass durch Anwendung der Substitutionen (37), (49), (50), welche die Transformationen vom Typus I. bez. auf den Typus IV., | IL, II. ausdrücken, ein Theil der Coordinatenwerthe aus der imaginären in die reelle Form und umgekehrt übergeführt wird. § 12. Schlussbemerkungen. | Durch die im Vorstehenden durchgeführten Betrachtungen sind zahl- f reiche Lagenbeziehungen zwischen den Elementen der vollständigen Raum- | figur, welche durch die 60 Punkte e (60 Ebenen e) der Klein’schen | Cf. (6015, 306) bestimmt ist, entwickelt worden. Die schon mehrfach er- N wähnten Transformationen von dem Typus I, welcher im Obigen ausschliess- | lich berücksichtigt wurde, auf die anderen Typen II, II, IV bedingen nur | eine Aenderung der Realitätsverhältnisse der Elemente; die Ausführung und | Discussion dieser Transformationen bietet unter Anwendung der von F. Klein | und K. Rohn gegebenen Formeln nicht die mindeste Schwierigkeit. Ueberblicken wir noch einmal die vollständige Raumfigur ohne Rücksicht auf die Realitätsverhältnisse der einzelnen Elemente, so enthält dieselbe : 60 Punkte e (Ebenen ei mit je 15 incidenten Elementen e (e), all en D e (E, 960 ” g E ” 2) » nn 4 ” ” é (e). 1) Auf die genauere Betrachtung der interessanten Configurationen (55), (56), (57) | gedenke ich bei anderer Gelegenheit genauer einzugehen. 21* | 164 Dr. Edmund Hess. (p. 68) Die Geraden der Figur sind: 30 Gerade e (Directricen der 15 Congruenzen) mit je 6 incidenten Elementen e (e), 320: 37, f mit je 3 incidenten Elementen e (e), 6 Elementen o (f), 3 Elementen z (o) “a SOOS EN 2 Ze i e (e), 4 e gf), 8 % x (q). Ziehen wir auch noch die 10 Fundamentalflächen F; in Betracht, so enthält jede derselben : 36 Punkte e (Berührungsebenen & ), 64 5 fo ( d Po), 144 s go e Zo); und 6 Directricenpaare e als Erzeugende. Die zahlreichen harmonischen Beziehungen der mit den Geraden e, f, g incidenten Elemente sind bereits grösstentheils im Obigen hervorgehoben worden. Hier finde noch die Bemerkung Platz, dass die 8 mit einer Ge- raden g incidenten Elemente g Gol sich in 2 Quadrupel ordnen, von welchen jedes mit dem Elementenpaare ¢ (e) dieser Geraden eine Involution bestimmt, deren Doppelpunkte die beiden Schnittpunktpaare der Geraden mit den zu- gehörigen Fundamentalflächen sind. Die in einer Ebene & gebildete Figur wird erhalten, wenn man die 3 Seiten e eines Dreiecks (Tetraeder-Dreiecks) mit den Eckpunkten e durch zwei Punktpaare e so theilt, dass jedes Punktpaar zu den beiden anderen har- monisch ist. Die 16 Verbindungsgeraden je dreier Theilpunkte e sind die 16 in der Ebene liegenden Geraden f, die 12 Verbindungsgeraden der Theilpunkte mit der gegenüber liegenden Ecke die 12 der Ebene angehörigen Geraden g. Die Schnittpunkte dieser Geraden sind 48 Punkte f (Sehnittpunkte zweier Ge- raden f und einer Geraden g), 48 Punkte a (Schnittpunkte einer Geraden f und einer Geraden g), und 16 Schnittpunkte g” (Schnittpunkte dreier Ge- raden g). — Analoge Lagenbeziehungen gelten für die durch einen Punkt ¢ hindurch gehenden Geraden und Ebenen. Von den zahlreichen Configurationen, welche aus der Raumfigur sich herleiten lassen, sind einmal die durch Gerade und die zugehörigen speciellen Complexe und Congruenzen bestimmten, sodann die besonderen Fälle der Kummer’schen tetraedroidischen Configuration, des Grenzfalls derselben, Beiträge zur Theorie der räumlichen Configurationen. (p. 69) 165 sowie die durch Vereinigung mehrerer dieser Configurationen entstehenden von Wichtigkeit. Es sei noch erwähnt, dass die durch Centralprojection der betrachteten Raumfigur auf einen concentrischen dreidimensionalen sphärischen Raum ent- stehende Figur weitere interessante Beziehungen darbietet, welche einmal für die Herleitung der vollständig oder theilweise regelmässigen Gebilde des vier- dimensionalen Raumes, andererseits bei Anwendung orthogonaler Substitutionen für die Theorie der Kinematik des dreidimensionalen sphärischen Raumes von grosser Bedeutung sind. Diese Beziehungen beabsichtige ich bei anderer Ge- legenheit genauer zu verfolgen. en 7 166 Dr. Edmund Hess. (p. 70) Inhalt. Vorrede . Einleitung $ un Un wr un m Sp I Ableitung der Cf. (6015, 305) aus der Figur zweier conjugirten desmischen Systeme . Tetraedrische Coordinaten der Punkte und Ebenen der Klein’schen Con- figuration für den Typus I Zusammenstellung der incidenten Elemente Die 30 Configurations- Geraden e und die durch dieselben bestimmten Liniencomplexe und Congruenzen . Ueber die 10 Fundamentalflächen und die durch je 6 der 15 Tetraeder bestimmten desmischen Systeme 3estimmung der übrigen (Diagonal-) Geraden der Cf. (6015, 306) Ueber die Kummer’sche Configuration und einige aus derselben ableitbare neue Configurationen Ueber besondere Fälle der Kummer’schen Configuration . I. Tetraedroidische Kummer’sche Configurationen Ie. Erster Unterfall einer tetraedroidischen Kummer’schen Configuration J», Zweiter Unterfall einer tetraedroidischen Kummer’schen Configuration Ie. Dritter Unterfall einer tetraedroidischen Kummer’schen Configuration Seite 99 (8) 101. (65) 104 (8) 107 (11) 108 (12) 109 (13) 116 (20) 120 (24) 129 (33) 134 (38) 135 (39) 137 (41) 139 (43) 142 (46) | Beiträge zur Theorie der räumlichen Oonfigurationen. (p. 71) 167 A | pi Seite i Ji. Vierter Unterfall einer tetraedroidischen Kummer’schen | OEO ager NE E AEE, el) N if ot a pes x sai 7 3 | | Ie. Degenerationsfälle einer tetraedroidischen Kummer’schen | | Conhigtirationcs,5 si age tae DEER \ I. Grenzfall einer Kummer’schen Configuration: Cf. (167, 84) . . 147 (51) i} $ 9. Ueber die durch die Schnittpunkte f und die Verbindungs-Ebenen o dr ee DEE EE E EE He $ 10. Ueber die durch die Schnittpunkte g und die Verbindungs-Ebenen x | bestimmten Conkiäurähonen aea A ...,.%.. 9,02. 24% 352.6 | $ 11. Ueber Configurationen, welche durch Punkte (Berührungs-Ebenen) der i | Kundamentwltiachen gebldetzeindes 2 fa eee ce Meo) Sold. 2öchlüssbemerkungen a nu. eu bier, tere ee eee iit te lek oe OS OM) H WW WW IN Nal un a nee > i | | | I} | | | | | d | | ee NOVA ACTA | | der Ksl. Leop.-Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher N Band Wen NE 8: | | Beschreibung | dreier Mikrocephalen-Gehirne nebst | Vorstudien zur Anatomie der Mikrocephalie, | | Abtheilung II. | D Von IN Dr. Felix Marchand, M. A. N., Prof. der patholog. Anatomie und allgem. Pathologie zu Marburg. Mit 4 Tafel Nr. IV. Eingegangen bei der Akademie am 9. März 1888. | | | | HALLE. | © 1890. | Druck von E. Blochmann & Sohn in Dresden. r Für die Akademie in Commission bei Wilh. Engelmann in Leipzig. | | -F } | | | T | A { iy f l | (a i Inhaltsangabe. | N IE Seite | Cap. U. Gewichts- und Volumverhältnisse des Mikrocephalen-Gehirnes . . . 1 f » Jil. Grössenverhältnisse der Lappen des Grosshirns eessen 26 | » IV. Wichtigste morphologische Verhältnisse der Oberfläche des Grosshirns 32 1 ». .¥. ‚Der innere des Mikrocephalen-Gebumes Ee ` », NL Bemerkungen zur Aetiologie der Mikrocephalie ........ «60 4 N ENEE EE OD | | ONIL “fiteratur des. Mikrocephalen-Gelammes a a E BD | | AlphabetischessAnitoreniverzerchniss hae “te, Arche EE | | Brklärungsider Frhbilduneene E en phen saa oper we A N r ee e ý Pres Anmerkung. Da die vorliegende Arbeit im Wesentlichen bereits im Jahre 1886 abgeschlossen iM war, konnten die später erschienenen, oder mir zugänglich gewordenen Publicationen nur l noch theilweise berücksichtigt werden. i | il | > 99% | A j Jd Cap. II. Gewichts- und Volumverhältnisse des Mikrocephalen-Gehirnes. Im Vergleich mit anderen Mikrocephalen-Gehirnen ist dasjenige des Karl Koch keineswegs durch besonders geringe Grösse ausgezeichnet. Leider besitzen wir noch zu wenig sichere Daten über das normale Wachsthum des Gehirnes in den ersten Entwickelungsjahren, so dass wir iiber das Maass der. pathologischen Abweichungen hier noch weniger sicher urtheilen können, als beim Erwachsenen. Nach Robert Boyd!) beträgt das Gehirngewicht für das Alter von 4 bis 7 Jahren, nach Wägungen an 27 Knaben?) und 19 Mädchen: Maximum: 1402,3 1367,9 Minimum: 694,5 985,16 Mittel: 1140,52 113750 Aus den Tabellen von Boyd geht aber leider nicht hervor, wie viel Fälle sich dem Maximum, wie viel dem Minimum nähern; sodann ist die Zahl der Wägungen noch keine sehr grosse, und endlich sind auch solche Fälle mit aufgenommen, welche zweifellos pathologisch sind und das Resultat bei der geringen Zahl der Fälle erheblich beeinflussen. Bischoff®) hat sodann eine Anzahl Gehirnwägungen von Kindern nach eigenen und fremden Beobachtungen zusammengestellt. Dieselben ergaben: 1) Table of the weights of the human body. Philos. Transact. You. 151, 1861. Lond. 1862. 2) In Schwalbe, Neurologie, p. 591, sind diese Zahlen zu 1403, 979, 1200 an- gegeben. 3) Das Hirngewicht des Menschen, Bonn 1880. p. 57—59. mere 174 Dr. Felix Marchand. (p. 6) bei 7 Knaben von 5—7 Jahren, bei 15 Mädchen von 4—8 Jahren, Maximum: 1470 Maximum: 1276 Minimum: 768 Minimum: 640 Mittel: 1221 Mittel: 1054,5 Doch sind auch hier die Minimalgewichte entschieden pathologisch; die Durch- & schnittszahl wird dadurch, besonders beim weiblichen Geschlechte, über die Gebühr herabgedrückt. Bei Knaben von 5—7 Jahren sind Gehirne von mehr als 1400 g Ge- wicht nicht so selten; ich fand bei einem Knaben von 5 Jahren 1430 g, bei einem von 6 Jahren 1460 g ohne pathologische Veränderungen. Als Durchschnittsgewicht des Gehirnes darf man wohl für Knaben dieses Alters 1200 g annehmen. Es bleibt somit das Gehirn des Karl Koch mit seinen 890 g noch immer um circa 300 g unter dem Durchschnitts- und um 500—580 unter dem Maximum, was einer Gewichtsverminderung um 1 bis fast 1/3 des Gesammtgewichtes gleichkommen würde. Die Schwankungen der Grösse und des Gewichtes sind innerhalb einer und derselben Altersklasse in der Entwickelungsperiode zweifellos grösser als bei Erwachsenen; daher ist es hier kaum möglich, eine absolute Grenz- linie zwischen normalem Gehirn und Mikrocephalie nach dem Gewicht allein zu ziehen. Auch für den Erwachsenen ist eine solche Grenze nach dem Gehirn- | gewicht kaum anzugeben, da dieses allein nicht das Entscheidende ist; ein Gehirn mit erworbener Atrophie kann beim Erwachsenen kleiner und leichter sein, als ein mikrocephales Gehirn. Das Wesentliche bei der Mikrocephalie ist ein zu kleines Gehirn in einem zu kleinen Schädel; wir können gleich hinzufügen: ein zu kleines und bis zu einem gewissen Grade ab- norm entwickeltes Gehirn. | Nach Broca’s Definition!) sind „Halb-Mikrocephalen“ alle er- wachsenen Europäer mit einer Schädel-Capacität unter 1050 ccm, einem Hori- zontalumfang von 480 mm bei Männern, von 475 bei Frauen; die Mikro- cephalie beginnt bei einem Gehirngewicht von 1049 & (Männern), respective | 907 & (Frauen). Als „eigentliche Mikrocephalen“ (M. proprement-dits) bezeichnet | Broca solche, deren Schädelinhalt 300 bis 600 cem bei einem Umfang von 320 bis 370 mm beträgt. l U 1) Broca, Sur le volume et la forme du cerveau. Bull. de la Soc. d’anthrop. II. 1861. | dE Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 7) 175 Thurnam!) gelangte auf anderem Wege zu der Annahme von 1062 g (Mann) respective 920 g (Frau) als Grenze der Mikrocephalie. Er rechnet aber zu der „beginnenden Mikrocephalie* Gehirne von 1062—1130 g beim männlichen, solche von 920—-990 & beim weiblichen Geschlecht. Ich halte es für zweckmässiger, von Mikrocephalie hohen, mitt- leren und geringen Grades zu sprechen, indem ich zu dem hohen Grade die Fälle mit einem Hirngewicht bis zu 500 g, zu dem mittleren die mit einem Gewicht von 5—800 & und zu dem geringen Grade die übrigen rechne. Als obere Grenze kann man mit Thurnam circa 1100 g für das männliche, 1000 & für das weibliche Geschlecht annehmen, jedoch lässt sich das nur für jeden einzelnen Fall entscheiden. Die Gehirngewichte mikrocephaler Kinder (etwa vom dritten oder vierten Lebensjahre an) lassen sich, wie aus dem oben Gesagten hervorgeht, sehr wohl mit denen erwachsener Mikrocephalen parallelisiren. Es ist dies um so mehr gerechtfertigt, als aus der längeren Beobachtung verschiedener lebender Mikrocephalen bekannt ist, dass der Schädelumfang und also auch das Gehirngewicht sich von den Kinderjahren an nur sehr wenig verändert. Leider sind die Beobachtungen über das Schädelwachsthum bei den Mikro- cephalen gerade in den ersten Lebensjahren noch sehr spärlich. Als besonders wichtig führe ich hier den von Lombroso?) und von Tamburini?) beobachteten Fall des mikrocephalen Knaben Battista an. Bei diesem fand Grösse horizontalen Längs- Quer- Kopfumfang durchmesser durchmesser Lombroso 1871 im Alter von 34/2 Jahren: 0,79 m 360 mm 128mm 100 mm Tamburini im Alter von 9 Jahren: 1,07 ze 385 p 130, avy Sechs und im 13. Jahre: 1,30 » AT ip 19345 at, Somit hatte vom 3. bis zum 13. Lebensjahre eine Zunahme des Horizontal- umfanges um 5, cm, des Liingsdurchmessers um l, cm, des Querdurchmessers um lı em stattgefunden, eine Zunahme, welche zum grossen Theil wohl auf stärkeres Wachsthum .der Knochen und Weichtheile zu beziehen ist. Die Körperlänge hatte um 51 cm zugenommen. 1) J. Thurnam ]. c. pag. 26 und Tabelle X. (1866.) 2) 1. c. Quarto caso di Microcefalia (1872). 3) Referat in Virchow-Hirsch, Jahresbericht 1881, 1. 176 Dr. Felix Marchand. (p. 8) Bei den sogenannten Azteken betrug nach Topinard}) 10 Jahre alt, die Grösse 0,37, der Kopfumfang 336 mm en ers J 396 „ Differenz + 60 mm, bei Maximo Be | 7 Jahre alt, die Grösse 0,73, der Kopfumfang 338 mm bei Bartola 4, 2 7 In, BES agta } 403 „ Differenz + 65 mm. Analoge Ergebnisse lieferten die Messungen an Margarethe Becker. Ich fand Körperlänge horizontalen Längsdurchmesser @uerdurchmesser Umfang Glab. Hinterh. oberh. Gehörg. 1877 im Alter von 734 Jahren 105 cm 36,0 cm 12,5 cm 9, cm 1882 inant ohor d2 y PT TEE Ët ZE 1884 „ ” le! So 140,53 38,0 55 Hoster; ren Aus den ersten Lebensjahren sind mir Messungen nicht bekannt geworden.?) Bei Bertha Rähmer giebt Friederich folgende Maasse an: Körperlänge Horizont. Umf. Längsdurchm. Querdurchm. im 4. Jahre 80,3 cm 350 cm 105 cm 97 cm a Y 94.0 5, 809. 5 IS aa DE A 1180 ,, Soe 4 129.3 90 ,, (Schädel). In der nachfolgenden Tabelle sind die Hirngewichte mikrocephaler Kinder und Erwachsener im Alter von 4 Monaten bis zu 70 Jahren auf- gezählt, deren Gehirne beschrieben oder deren Gehirngewichte wenigstens direct und in frischem Zustande bestimmt worden sind. Dagegen wurden die- jenigen nicht berücksichtigt, deren Schädel-Capaeität allein bekannt ist. Ferner wurden alle Fälle von schweren Gehirnmissbildungen ausgeschlossen, auch wenn dieselben mit starker Verkleinerung des Gehirnes und des Schädels verbunden waren, also namentlich Fälle von Verwachsung der Grosshirn- hemisphiren, von Hydromikrencephalie und ähnliche, welche nicht in das Gebiet der eigentlichen Mikrocephalie gehören. In dem von Barlow?) kurz beschriebenen Falle dieser Art von einem Knaben von 6 Wochen handelte es sich um einen hydrocephalischen Zustand mit Atrophie des 1) Bulletins de la Soc. d’anthropologie 1875, pag. 36. 2) Virchow fand 1877 - folgende Maasse: Us = 370, L. = 116, B. = 96; Riudinger (Le 1886, p. 207),im Jahre 1885 rU — 390, L == 132, B. = .102. 5) Barlow, Brain of a microcephalic child. Transact. of the patholog. Society of London, vol. 28, p. 8. 1877. r Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 9) 177 Gehirnes, ähnlich wie in den Fällen von Cruveilhier!) und Klebs2). Das Gesammt- gewicht des Gehirnes betrug nach Barlow nur 15, g. In dem von Rohon®) mit grosser Genauigkeit untersuchten Falle bestand totale Verschmelzung der Grosshirn- hemisphären unter einander und mit dem Zwischenhirn. Es war also ebenfalls keine Mikrocephalie im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Das Gehirn des dreiwöchentlichen Knaben wog nur 17,3 g. Besonders aufgezählt, weil nicht mit den übrigen Fällen zu parallelisiren, sind die wenigen Beispiele echter Mikrocephalie bei Kindern unter drei Jahren. Das kleinste Mikrocephalen-Gehirn, welches, abgesehen von jenen Fällen bei ganz Jungen Kindern, bekannt ist, ist das der neunjährigen Modesta Rubiolio (52) mit einem Gewicht von 171 g. Leider ist der Gewichtsangabe nichts über eine etwa schon statt- gehabte Behandlung hinzugefügt; da Delorenzi den Kopf des Kindes in frischem Zu- stande erhielt, und nebst dem Gehirn abbildete, war anzunehmen, dass die Wägung sich auf das frische Gehirn bezöge, die Abbildung entspricht indess eher den von Giacomini für das gehärtete Gehirn angegebenen Maassen. (S. auch p- 24.) Daran schliesst sich das Gehirn der Helene Becker (44) nach Bischoff. Das Gewicht steigt sodann in den Fällen von Mikrocephalie geringen Grades bis über 1000 g. Die Fälle der letzteren Art liessen sich wohl noch vermehren, indess kam es hierbei nicht auf besondere Vollständigkeit an. Tabelle I. | | Nr. 1 S | | Ge- | des | 8 | | hirn- Nr.i Autor Li x Name | ta Alter Grésse | ge- Bemerkungen | ar E: | wicht | | Verz © inaia a. Kinder unter 3 Jahren. 1| Calori 50 | Enrica | w.| 9M. | 0,8 | 69,5 | 2| Broca 58 | Marie Conrad (ne, | 4M. | Oas | 104 | 3| Rü dinger 4) 69 | Marie Becker 1% 115: Mad -— |. 452 dans 4| Sander | 34 | Pfefferle E: S M.e De |: 1708) 5| Broca-Guéniot) 55 = Im. 24, J.| — | 406 | 1) Cruveilhier, Anat. path. Liv. 34, Pl. 4. 2) Hydro- und Mikroanencephalie, öster. Jahrb. f. Pädiatrik 1876, 1. 3) S. Lit. 1879. 4) Die übrigen Kindergehirne von Rüdinger sind hier nicht aufgezählt, da die- selben nach Härtung in situ gewogen sind. Nova Acta "LV. “Nr. 3. 23 178 Dr. Felix Marchand. (p. 10) | P iid E | Bed | | | hirn- | Nr. Autor ` Name Be Alter Grösse ge- | Bemerkungen Lit.» | 2 | | wicht cp IV erz, | E m g b. Mikrocephalie hohen Grades. Gehirngewicht bis 500 g. 6| Delorenzi II 52 | Modesta Rubiolio |w.| ad 171 | Gehärtet? 7| Bischoff 44 | Helene Becker | w. Sie 219 8| Marshall | 27 = Im.| 12 J. | 241 | 9) Gore-Marshall 26 | — lw. | 42 J. 283 | 10| Adriani | 42 | Antonia Grandoni w. | 41°J. | 289 | | 11 | Theile-Wagner 23 | Mikrocephale v. Jena m.| 26 J | | 300 | | 2) Aeby I | 45 | Marie Sophie Wyss | W. | rd); | 5 | 317 | | 13| Delorenzi I | 51 | Bertolotti Biagio EE 323 | | 14| van Schouwen | 80 | = w. | 19 J. 345 | | 15| Joseph | 61 | — | m. | 22 J. | — | 351 | 16| Mierjeiewski | 41 | Mottey m. \ca.50J.| 1,5 | 369 | | 17| Catalog A. 123 | 14 | et mtag g, fie | 372 | | Di Sander | 35 | Friedrich Solm m. | ca. Gr) — | 414 | | 19| Langdon-Down II | 37 | = m.| 18 J. | = | 425 | 20 | Luschka-Klüpfel | 39 | Margarethe We AES | 468 A c. Mikrocephalie mittleren Grades. | Gehirngewicht von 5—800 g. 31| Chiari 66 — w. | 6 J. | Das | 51.7 22| Griesinger 22 — Wat A: ee | 526 | 23| Tiedemann Hl | T°} — rea es NE hunde ee |5450 24| Sneil-Vogt 33 | Ludwig Racke . | ms} 20 Bewer | 559 | 25| Giacomini 76. | Casalini Ké Gd — | 583 26 | Mierjeiewski 57 | Marie Josefine Dubois. w. 5 Ji | 0,75 593 27| Peacock 24" a m. 41 J. | — | 601 28| Shuttleworth 62 | Marie what Jri 1,60 | 609 29| Giacomini 56 | Maria Manolino We nd el SEE 30, Tiedemann II ee — EO OT |) 6170 31| Tuke-Bucknill 20 | — w| 70 J. | — | 644 32} Aeby Ill 47 | Marquis m. | 48 J. |.— |.705 33) Tiedemann I a, — ml 40 J. |. 1 707,8 34| Brunati 78 | Maria Magatti w. | 16 J. | 1,33 | 709 35 Rüdinger 74 | Jos. Seyfried m. 119.51 = 14019 | 36 | Parchappe II 12 — w. | 25 J. | — |720 ode 37| Sims 5 — w.| 12 J. |, — | 765 i & Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne (Baal) 179 | | SE EE EE E ot EE | | hirn- | | Nr. Autor des | Name Alter |Grösse, ge- | Bemerkungen d x Lit.- wicht | Verz CH eg | gl Ge EE | d. Mikrocephalie geringen Grades. Gehirngewicht tiber 800 g. | 38| Marchand II | 82 —- | m.|ca. 40J.| — 870 | i 39| Marchand I | 81 | Karl Koch (mW 10M.) 0,04 | 890) 40| Aeby IV | 48 Unbekannte Je. 130 40 J.) — | $99! 19 41) Langdon-Down I | 36 — | RAT 907 | | 42, Thurnam III | 31 — dä 52 J. | — |. 907 | 43| Bucknill | 16 _ | w: | Sted.” er | 921 | 44| Jensen | 65 | Wilhelmine Kolakowski| w. | 1116 J. iia | 924] | | | 45| Krause | 59 | Paul IC vedo Po | 950 | | 46| Parchappe I Ile — | Silke ai) ees | 970 | | 47| Thurnam II | 30 | — Pr Sak | 11006 | | | 48| Ecker | 64 = m.| 17.9; | 1,60 |1010 | | 49, Thurnam I | 29 | — m.| 29 — 11013 | | 50, Fischer 53 | Abraham Reiss ak Std. 124,18 | 1015 | Es ist eine oft hervorgehobene Thatsache, dass die Volumverminde- | rung bei- der Mikrocephalie im erster Linie nur das Grosshirn betrifft, iy während Kleinhirn, Pons und Medulla oblongata sehr viel weniger verkleinert zu sein pflegen. Das Missverhältniss zwischen diesen Theilen und dem | Grosshirn wird daher auch in den Fällen von Mikrocephalie hohen Grades | am stärksten hervortreten. Dies ist bereits an der ganzen Gestalt des Mikro- cephalen-Gehirnes deutlich genug; man kann sagen, dass in allen Fällen von Mikrocephalie hohen Grades das Kleinhirn theilweise unbedeckt vom Gross- hirn bleibt: das letztere liegt immer mehr vor dem Kleinhirn als über dem- selben, wodurch das Mikrocephalen-Gehirn hauptsächlich seine Thierähnliehkeit erhält. In den Fällen geringen Grades ist das Kleinhirn dagegen ganz oder grösstentheils bedeckt vom Grosshirn. Das Gewicht des kleinen und grossen Gehirnes ist in einer Reihe von Fällen von Mikrocephalie gesondert bestimmt. l | 3 Ein Blick auf die nachfolgende Tabelle, in welcher diese Fälle nach | $o dem Gewicht des Grosshirns geordnet sind, zeigt, dass die Reihenfolge im 23* { l b 180 Dr. Felix Marchand. (p. 12) Grossen und Ganzen dieselbe geblieben ist, mit anderen Worten, dass der Grad der Mikrocephalie sich nach dem Gewicht des Grosshirns allein eben- falls bestimmen lässt. Tabelle II. Grosshirngewicht' Normales Gewicht = 100 1. Fall von Bischoff (44) 156,7 g = 15,7 Proc. Donap L- Marshall (26) 1653 „ = 145 ,, girun » Joseph (61) 1990, = 167° ,, Ley lll ge u e E EN De SUE Di eae » Adriani (42) 2380 u = 226 _,, EE EFE 2584 5 = 232 — TEN » Broca (55) 3220, = 335 „ 8. Fall von Chiari (66) 405 g = 40, Proc. SE » Shuttleworth (62) 432 , = 889 | SE „beacock 21) 495 , = 483 „ I I gel ES) SiGe peel AB has 12. „II. „ Aeby (47) 576, = 48 - 13. Fall TV. von Aeby (48) 7597». = 710, Proc. IK „ Down (86) d Mun art GS sal nist E » Jensen (65) 805.0 728... Die Mikrocephalen hohen Grades hatten also ein Grosshirngewicht von 156,,—322 g, oder 14,;—33, Proc. des normalen Durchschnitts- 576, oder gewichtes, diejenigen mittleren Grades ein Gewicht von 405 38,9—48,3 Proc. des normalen; und die geringen Grades ein solches von 156—5805 g, oder 68,1—72,3 Proc. des normalen Durchschnittsgewichtes. Demnach erreicht bei dem (von uns angenommenen) hohen Grade der Mikrocephalie das Grosshirn höchstens ein Drittel, bei dem mittleren Grade die Hälfte, bei dem geringen Grade etwa drei Viertel des nor- malen Durehschnittsgewichtes. In der nachfolgenden Tabelle sind sowohl die absoluten Gewichte des Klein- und Grosshirns, als das Verhältniss des ersteren zum letzteren (Gross- hirn = 100) zusammengestellt. Bei dem Kleinhirn ist Brücke und Medulla Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 13) 181 | oblongata mit inbegriffen. Daneben sind die normalen Durchschnittszahlen d für die entsprechenden Altersklassen nach R. Boyd zum Vergleich beigefügt. | Tabelle III. i Verhältniss des Kleinhirngewichtes zu dem des Grosshirns. i] | | | | Normal | | | | | Jein- | Gross- Ten (er | Autor | Name Alter Sres pa Ce | % Fein | Se | a, | | | Bi: Le? GEN | | Brunati (78) | M. Magatti | m. | w. Basen 1,33 (ou | 626 | Ils] 1555 | 1112 | 14,0 | Jensen (65) Kolakowski | g.\w.| 16% | ter [114 | 805 | Ido] 155, | 1112 | 14,0 | Down (36) EON SERED AN nada Cas CL | 127,5 | 779,5/ 163] 1587 | 1144 | 13,87 Bucknill-Tuke (25) | — | — | wl 70 — | 92, | 5529] 16,7] 151, | 1008,6 | 15,0 Aeby (48) Unbekannt | g. | w.|30—40 | — | 139, | 759: | 18.3] 1601 |1076 | 14,9 Adriani (42) | Antonia Gr. | h. | w. | Ara | 51 238 | 21,0] 158 | 1051, | 15 | Aeby (46) | Peier Im a 30 | — | 112 | 517, | 2, 173,5 | 1190,7 | 14,5 | Aeby (47) | Marquis m. m.| 48 sy 29-1576 1.22.0 1.177, 90 1175,9 °°) 15,1 | Aeby (45) Wyss (blei 17 |1| 58: | 2584| 22, | 155, um | 14 Peacock (21) | — | m. | m. PL er a | 495,9 | 23,3| 158,7 | 1144 13,87 7 Broca (55) | i2 ENE A e 3291120 1 1826 |" 96475 18, | Chiari (66) | H |m] we} 6 MEN Os ED AHT | 138° | 992 | 13,9 d Theile-Wagner (28) | M. v. Jena | h. | m | 269501 Ae Jr @Bu 214,5 | 28,5 | 173,5 | 1190,7 | 14,0 | Marshall (26) Se Ihlw| 42 Lie | 654 2165| Blo} 158 | 10517 | 15, | Bischoff (44) H. Becker | lei 8 Lües | 535 | 156,7| 82] 138 | 992 | 13, Shuttleworth (62) | Marie eer le or! | tidy 166,5 | 432,7 | 37,2 | 155,8 | 1112 | 14,0 | Marshall (27) — | him 12 | 1,00 | 738 | 165,8 | 45,0] 1087 | 1144 13,87 Joseph (61) 1) | = (bh | a R eu Ea GG | 76,3 | 173,5 | 11907 | 14,0 Aus dieser Uebersicht lassen sich einige bemerkenswerthe Schlüsse ziehen, zu- nächst in Bezug des Gewichtes des Kleinhirns. Dasselbe zeigte nur in fünf Fällen eine sehr erhebliche Verminderung (unter 50 Proc. des normalen Durchschnittsgewichtes), und zwar in den Fällen von Adriani 32,5, Aeby I 37,6, Bischoff 38,, Marshall I 40,7, Brunati 41,, Marshall II 46,4. In den übrigen Fällen betrug das Kleinhirngewicht 63,; bis 87 Proc. des normalen Durchschnittsgewichtes (Broca 63,5, Aeby I 64», Peacock 72, Jensen 73.1, Aeby III 78:1, Down 80, Chiari 81,1, Joseph 87,6, 1) Hierzu noch: Giacomini (76) Casalini Grosshirn: 581 g; Kleinhirn: 65 g — 12,5 %. e Nachträglicher Zusatz. 182 Dr. Felix Marchand. (p. 14) Aeby IV $7.0) und nur in dem einen sehr bemerkenswerthen Falle von Shuttleworth war. das Gewicht des Kleinhirns um 11 g grösser als das normale (107,0 ‚Proc.). Die ungewöhnliche Grösse des Kleinhirns steht in diesem Falle vielleicht im Zusammenhang mit der sehr kräftigen Körperentwickelung. Das Mädchen von Shuttle- worth hat trotz ihres jugendlichen. Alters von 15 Jahren das grösste Körpermaass von allen Mikrocephalen. Wir finden auch bei anderen erwachsenen Mikrocephalen ein relativ grosses Kleinhirn, so z. B. bei dem von Joseph beschriebenen; auch an dem Gehirn von Fr. Sohn ist das Kleinhirn durch seine starke Entwickelung gegenüber dem Grosshirn auffallend; das Gewicht ist leider nicht bekannt. Bei dem Mikrocephalen Mottey hatte das Kleinhirn ebenfalls fast normale Dimensionen. Indess finden wir auch bei mehreren erwachsenen Mikrocephalen von 1,32 m bis 1,52 m Grösse sehr geringe Kleinhirngewichte (Fälle von Adriani und Marshall), ohne dass eine besondere Art von Störungen bei Lebzeiten auf diesen Defect hingedeutet hätte. Es fehlt aber noch an hinreichend zahlreichen Gewichtsbestimmungen, um diese Fragen zu entscheiden. Das Verhältniss des Kleinhirngewichtes zu dem des Grosshirns ist bei der Mikrocephalie ‘wegen der sehr ungleichartigen Entwickelung beider "Theile ganz enormen Schwankungen unterworfen. Während normaler Weise dieses Verhältniss mit ziemlicher Constanz 14—15:100 beträgt, finden wir bei der Mikrocephalie Schwankungen von 12 bis zu 76 Proc. Bei den geringen Graden der Mikrocephalie nähert sich das Verhält- niss’am meisten. der Norm, was ja leicht erklärlich ist (Fälle von Jensen, Down, Aeby IV mit einem Verhältniss von 14, 14,9 und 16,3 %o). Bei den Fällen mittleren Grades ist das Procent-Verbiiltniss des Kleinhirns zum Grosshirn etwas höher (21,7—27,6). Eine Ausnahme macht die Patientin von Shuttleworth mit 37,7, in Folge ihres ungewöhnlich grossen Kleinhirn- eewichtes. In den Fällen hohen Grades steigt das Procent-Verhältniss von 31, zu 76,3, indess finden wir einmal nur 21,0 (Antonia Grandoni) und ein- mal 22,5 (Sophie Wyss). In beiden Fällen handelt es sich um ungewöhnlich geringe Kleinhirngewichte. Wenn sich also keine ganz regelmässige Steigerung dieses Verhält- nisses je nach dem Grade der Mikrocephalie ergiebt, so kann man doch im Allgemeinen sagen, dass das Procentverhältniss des Kleinhirns zum Grosshirn zuzunehmen pflegt, je mehr das Hirngewicht im Ganzen abnimmt, je hochgradiger also die Mikrocephalie ist. Es ist dies nur dadurch zu erklären, dass das Kleinhirn bei der Mikro- Beschreibung dreier ` Mikrocephalen-Gehirne. (p. 15) 183 cephalie sich in der Wachsthumsperiode weiter zu entwickeln im Stande: ist, während das Grosshirn ganz: oder fast ganz auf derselben Stufe stehen bleibt. Es muss also auch das Kleinhirn von der die Mikrocephalie bedingenden Störung in der Regel in viel geringerem Grade betroffen sein, als das Gross- hirn. — Das Weiterwachsen des Kleinhirns erklärt: übrigens auch bis zu einem gewissen Grade die (geringe) "Grössenzunahme ` des -mikrocephalen Schädels, selbst wenn das Grosshirn unverändert bleibt. Damit ‚dürfte auch die Hinaufschiebung des Tentorium an. seinem Ansatzpunkt zusammenhängen, auf welche Rieger!) neuerdings aufmerksam gemacht hat. Eine bestimmte Beziehung zwischen Hirngewicht und Körpergrösse, welche bei dem normalen Gehirn zweifellos vorhanden ist, lässt sich bei der Mikrocephalie nicht nachweisen. ‘Die meisten Mikrocephalen sind klein: dass aber auch grosse, kräftig gebaute und genährte Individuen darunter vor- kommen, ist genugsam bekannt. “Selbstverständlich: ist die Mikrocephalie bei gleicher Grösse des Gehirnes relativ um so schwerer, je grösser das Indi- viduum ist. Das Körpergewicht lässt. noch weniger sichere. Vergleiche zu, als die Körpergrösse,. wie denn auch unter normalen Verhältnissen dieser Factor viel zu ‘grossen Schwankungen bei einem und demselben Individuum unter- worfen ist, um eine bestimmte Bedeutung für das Hirngewicht zu haben. Der Ernährungszustand, welcher das Körpergewicht so wesentlich beeinflusst, (gar nicht zu gedenken der Ödematösen und hydropischen Anschwellungen) lässt das Hirngewicht. so gut wie ganz unverändert. Man kann daher das Körpergewicht nur mit Zugrundelegung sehr grosser Zahlen und möglichster Ausschliessung der ganz abnormen Fälle, wo starke Veränderungen des Körpergewichtes von den jeweiligen Krankheitszuständen abhängen, zur Be- rechnung von Durchschnittswerthen benützen. Die Gegenüberstellung der Verhältnisszahlen normaler und mikrocephaler Individuen ist daher nur mit grosser Reserve zu verwerthen. Dies sei der nachfolgenden kleinen Tabelle vorausgeschickt. Im Allgemeinen sehen wir, dass bei den Fällen von Mikrocephalie geringen Grades das Verhältniss des Hirngewichtes zu dem 1) ©. Rieger, Eine exacte Methode der Craniographie. Jena 1885. S. 18. 184 Dr. Felix Marchand. (p. 16) Körpergewicht sich dem normalen am meisten nähert; thatsächlich ist dies aber nicht ganz richtig, da in diesen Fällen die mikrocephalen Individuen im höchsten Grade kachektisch, zum Theil in der Entwickelung zurück- geblieben, oder durch mangelhafte Ernährung, .phthisische Processe und der- gleichen abgemagert waren. Vergleicht man das Hirngewicht der mikro- cephalen Individuen mit dem normalen Durchschnittsgewicht derselben Altersklasse, so erhält man ganz andere Werthe. Immerhin kann der Ver- gleich des Gehirngewichtes mit dem Körpergewicht dazu dienen, das häufig enorme Missverhältniss beider zum deutlichen Ausdruck zu bringen. Tabelle IV. Verhältniss des Gehirngewichtes zum Körpergewichte. * Normales *) Gehirn- | Körper- Ver- wi |e RR ee = Für al gewicht | gewicht | hältniss | Gehirn- | Körper- Ver- Autor | 3 | Alter |> S ` 4 gewicht | gewicht | hältniss | das Alter Lä o h a:b |: | | | a b Ib von | 5 | Jahre g kg a ie 2151612150372 .195 | :16,2| 1303 | 19 | Langdon-Down (36) | m. | 13 | 907 | 12,5 in. Insel Peacock (21) | w. 1616| 924 | 21,9 Anr 7—14 J. :23, | 14—20 J. Jensen (65) : 22,7 | 1245,6] 28,9 Bischoff (44) Pa 8) 219 | Sa isea a oal a | | :47 | 1303 19a a E EE EE Giacomini (56) W. 7 223,2) 14—20 J. 1 | 1 | ) | 1 Delorenzi (51) | m | 329 21° 15.504 | 550 | 35,0 |1:57,6| 1245, 28,9 Shuttleworth (62) |w. 15 | 609 | 39,461) 1 Marshall (27) NASIDA Me e 1 1 1 | :67 | 1303 19,2 Adriani (42) jw. | 42 | 289 | | | 1051 1293,51 384 :140 | 1213,5| 38,4 :250 | 1353,56 | 46,2 Ek ie Ë kat: :31,6 | 40—50 J. :31,6 | 40—50 J. :34,1 | 40—50 J. KI E Marshall (26) w. | 42 1.288) | 39,92) Mierjeiewski (41) | m. 50 | 369 92% 1 1 1 1 1 1 :648|1245,6| 28,9 |1:23,2 | 14—20 J. 1 1 1 1 Die Tabelle V (p. 18—21) ist bestimmt, zur Uebersicht über die Maassverhältnisse des Schädels und Gehirnes derjenigen Fälle von Mikrocephalie zu dienen, von welchen solche Angaben vorhanden sind. Es sind im Ganzen 45, und zwar nur solche, von welchen wirklich Beschreibungen des Gehirnes oder wenigstens des Gehirnmodells nebst Maassbestimmungen am Schädel oder Gehirn, oder an beiden zugleich vorliegen. Nicht aufgenommen wurden alle Fälle, bei welchen jegliche Maassangabe fehlt, ferner alle 1) Drei Jahre vor dem Tode. 2) Muthmaasslich. 3) Nach Rob. Boyd. | Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 17) 185 solche, bei welchen die Gehirne nicht selbst untersucht sind, sondern nur die Schädel und Schädelausgüsse. Da es nicht möglich und auch wohl kaum zweckmässig wäre, alle Schädelmaass e zu reproduciren, habe ich mich auf die Angabe der Capacität, des Horizontalumfanges, des grössten Längsdurchmessers (von der Glabella bis zum vor- springendsten Punkte des Hinterhauptes) und der Höhe (vom vorderen Rande des For. magnum zum Vertex; in der Regel aussen) beschränkt. Die Capacitiit ist leider bei weitem nicht in allen Fällen bestimmt. Die Fälle sind nach dem Gehirngewicht ge- ordnet; war dies nicht bekannt, so musste die Capacität als Norm dienen, um dem Gehirn seinen Platz anzuweisen, fehlte auch die Capaeität, so mussten die Schädel- und Gehirnmaasse die Stelle bestimmen. Fehlten Maassbestimmungen des Gehirnes, so wurden die vorhandenen Maasse des Schädelausgusses benutzt, und zur Unterscheidung in Parenthese beigefügt; auch wurden dieselben, soweit als möglich, zur Ergänzung hinzu- gesetzt, wenn nur Messungen des gehärteten Gehirnes angegeben waren. Die letzteren können immerhin zur Bestimmung der relativen Verhältnisse der Länge, Breite und Höhe des Gross- und Kleinhirns dienen, wobei. allerdings die in einigen Fällen bei der Härtung eingetretene Gestaltveränderung, namentlich Abplattung berücksichtigt werden muss. Weitere Maassangaben des Gehirnes aufzunehmen, hielt ich nicht für zweck- mässig, da dieselben sich erstens nur in wenigen Fällen finden und ausserdem die Ueber- sicht erschweren würden. Auch die Indices habe ich nicht hinzugefügt. Es war meine Absicht, durch die Zusammenstellung einer möglichst grossen Reihe von Fällen gewisse Beziehungen zwischen den Maassverhält- nissen des Schädels einerseits und dem Maass und Gewicht des Gehirnes der Mikrocephalen andererseits aufzufinden. Ist dies nun schon für den Schädel und das Gehirn normaler Indi- viduen mit grossen Schwierigkeiten verbunden, so in noch viel höherem Grade bei der Mikrocephalie. Die wichtigste Beziehung, welche aufzusuchen ist, ist die zwischen der Grösse des Schädels und dem Gehirngewicht. Für die normalen Individuen haben Welcker), Bischoff, Davis und Weissbach?) eine jenem Verhältniss zu Grunde liegende Gesetzmässigkeit aufzufinden gesucht, doch können die Resultate noch keineswegs als abgeschlossen gelten. Nach Davis soll das Gehirngewicht aus der Capacität berechnet werden, indem 1) Untersuchungen über Wachsthum und Bau des menschlichen Schädels. Leipzig 1862. H 36. 2) Gehirngewicht, Capacitiit und Umfang des Schädels in ihren gegenseitigen Ver- hältnissen. Med. Jahrbücher d. Gesellsch. d. Aerzte zu Wien. 1869. Nova Acta LY. Nr. 3. 24 Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 19) Dr. Felix Marchand. (p. 18) Tabelle V. Tabelle V. l | Ip q R a if g Schädel Grosshirn Kleinhirn Hirngewicht Bemerkungen Länge Breite Breite Autor Name k r Alter Körpergrösse in Meter Capacität Horizontaler Umfang mm Calori Enrica 261 Broca Marie Conrad, 5 ZS 265 Sander Pfefferle 34 oe | 280 Delorenzi Modesta Rubiolio Së Tto) i 26 300 Bischoff Helene Becker Boa 2 d. 22: 285 Jaeger-Vogt Jacob Moegle i . 27: 330 Schröder- Vogt Marg. Machler : D 33 J. 296 | 361 | | | Schädelausguss k = 100, 7 — 81; k—p gehiirtet. Marshall wë g RE A — | d | | : j k— p Schädelausguss; gehärtetes Gehirn nach Gore k = 77. Marshall i 26 PARE RA Baillarger-Ducatte | Negerin 2 8 j J. 350 | = k gehärtet, nach Giacomini; q wahrscheinlich gehärtet. t—p nach der Abbildung. (Gehärtet.) k—o Maasse des Schädelausgusses (Vogt). Kopfumfang 430 (Schröder). k—m Gehirnmodell (Ducatte), Gew. kaum 300. q wahrscheinlich ohne Hiute. Adriani Antonia Grandoni 42 Ge Gd 332 k—m gehärtet (Katalog A. 121). Spurzheim LUES £ ` : FE 5 | 2 | g=188, h=94 (Theile); Schädelausguss = k 104, 1 95, m 76, o 74 The} r ` 2: $ ER 365 || 12 98 | | | | (Vogt). Theile-Vogt Mikrocephal. v. Jenae së i 365 | 9% | | (Vog | | | | (100) | | | f—h Gypsabguss des Kopfes (Giessen, M.), ikl Innenmaasse des Schädels Sonn 4 ni 365 || 130 | | | (Sandifort). | | 102 | 90] °65 | k rechts 99, gehärtet 93; m n o gehärtet: 57, 36, 75. Aeby Sophie Wyss 5 ell 57 | 338 22 | § ; 87 Delorenzi Bertolotti i H d 320 ; s 35( van Schouwen — : | DJ. | 350 k gehärtet (Giacomini); q wahrscheinlich ohne Haute. A | 249 Joseph = Ka j | 312 e Volumen des Gypsausgusses nach Müller 20 k. Zoll (396), g 139, Müller-Vogt Michael Kohn {51,780 d. 370 | 131 | ` | | h 94. (Müller), m Gypsausguss (Müller), k 116, 1 93, m 82 | | (Vogt), o Gypsausguss. | f gh Maasse am Kopfe; k—p gehirtet; g angeblich 230, vermuthlich 130; Mierjeiewski Mottey 3 » | ca, 50. | | | 5 | h Abstand der äusseren Gehörgänge. | | | Nach der Abbildung muss der Durchmesser g ungefähr 110 sein; Valenti G. Cioccio : . 19: de) ses | Bu R | | k—1 gehärtet; Innenmaasse des Schädels g = 107, h = 90. van Andel Marie Jelly 3 ae DA. (105) BER | | Pansch rat t 42 J. | | | | 100 j | e nach Aeby 451; k—m nach der geometrischen Zeichnung; Maasse Vogt-Sander Friedrich Sohn 3 . | ca. 18 J. des Schädelausgusses nach Vogt: k 116, 1 94, m 86, o 76. ae Dr. Felix Marchand. Tabelle V (Fortsetzung). (p. Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 21) Tabelle V (Fortsetzung). Autor a | o | Name Nummer Verzeichnisses Körpergrösse Schädel Grösste 0 gies Kleinhirn Hirngewicht Länge Breite Höhe Gehärtet | Bemerkungen L. Down Luschka-Klüpfel Chiari Chiari Snell-Vogt Mierjeiewski Shuttleworth Giacommi Ducatte Aeby Schiile-Ecker Flesch Brunati Marchand Marchand Marchand Aeby L. Down Jensen Krause Fischer Margarethe Ludwig Racke Jos. Dubois Marie M. Manolino Edern J. Peier Leopoldine Wenz Franz Becker Maria Magatti A, Heil M. v. Breslau Karl Koch Unbekannte W. Kolakowski Paul Abraham Reis ca. 40 J. 4J. 10M. 30—40 J. | 13.7. 16 J. 6 M. Teka FI 94 98 104 | 110 60 85 100 | (90) 90 | Su | 98 | d—f Kopfmaasse. Kopf: f= 400, h=115; l rechts 50, links 45; Gewicht 30 Loth Zollgew. Volumen des Gehirnes nach 14tiigiger Conservirung: 460; Gewicht dem- nach annähernd 500 g. k wie gemessen ? k nach der Abbildung in natürlicher Grösse. Hydrocephalus int. et ext. f Kopf. f—h Kopf. q ohne Correction, mit Chlorzink injicirt = 610; demnach dürfte das Gewicht mit den Häuten wohl mehr betragen haben; vonGiacomini berechnet zu 550. k—m Gehirnmodell; Umfang des ganzen Gehirnes 377. q aus e berechnet (Aeby): 630. Hydrocephalus. n, p gehärtet. k—p gehärtet. k—p gehärtet. 190 Dr. Felix Marchand. (p. 22) man 14 Procent derselben für die Häute und die Flüssigkeit abzieht, und den Rest mit dem specifischen Gewicht des Gehirnes 1040 multiplieirt. Weissbach zeigte indess bereits, dass für die verschiedenen Schädel- capacitäten diese Rechnung nicht die entsprechenden Resultate giebt, und dass Grösse der Schädelhöhle, Gehirngewicht und Schädelumfang durchaus nicht immer Hand in Hand gehen. Trotzdem nimmt im Allgemeinen mit der Grösse des Schädelinnenraumes auch der Umfang und das Gehirngewicht zu; das gegenseitige Verhalten zwischen Rauminhalt, Gehirngewicht und Umfang ist aber sowohl nach der Grösse des Schädels, als nach Alter, Ge- schlecht und höchst wahrscheinlich auch nach der Race veränderlich, und daher eine fiir alle Schädel ohne Unterschied gültige Berechnungsweise des wahrscheinlichen Gehirngewichtes aus dem Rauminhalt nicht ausführbar und noch viel weniger aus dem Umfange. Unter Berücksichtigung jener Momente kann nur der Rauminhalt mit einiger Verlässlichkeit und Annäherung an die Wahrheit verwendet werden, indem der horizontale Umfang zu weit von der Wirklichkeit abweichende Resultate giebt. (Weissbach, p. 33.) Dass diese Sätze noch viel mehr für die so ausserordentlich wechselnden Verhältnisse bei der Mikrocephalie gelten müssen, liegt auf der Hand. Leider liegt auch die gleichzeitige Bestimmung der Schädelcapaeität und des Gehirn- gewichtes nur in 15 Fällen vor, eine Zahl, die selbstverständlich bei Weitem nicht genügt, um gesetzmässige Beziehungen zwischen beiden aufzufinden. Besonders muss hervorgehoben werden, dass das Gehirngewicht sehr wesent- lich durch das Verhalten der Ventrikel beeinflusst wird, und gerade bei der Mikrocephalie sind diese nicht selten beträchtlich erweitert. In einer Reihe von Fällen ist dies ausdrücklich angegeben, in anderen Fällen vielleicht nicht besonders erwähnt, in wieder anderen ist das Gehirn nicht eröffnet, der Zu- stand der Ventrikel also gar nicht festzustellen. Immerhin können die vor- handenen Zahlenangaben doch in gewisser Weise verwerthet werden. Berechnet man das Volumen des Gehirnes aus dem absoluten und dem specifischen Gewicht, so erhält man leicht die procentische Differenz zwischen Gehirnvolumen und Schädeleapaeität. Diese Differenz entspricht, wenn die Gehirne mit den weichen Häuten gewogen wurden, dem von der Dura mater und der Flüssigkeit eingenommenen Raume, oder, mit einem geringen Unter- schiede, deren Gewicht. | Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 23) 191 | Tabelle VI. e | Verhältniss zwischen Schädel-Capacität und Hirngewicht. N | | | Volumen Differenz | | Schädel- | Gehirn- [des Gehirnes| zwischen | einen | | Capaeität | gewicht | Pei E | are Ap RK o | +. q q | | spec. Gew. | u. Volumen | der Capac. | entrike i | g | g | | | Delorenzi (52) 260 CAES EAGAN as | | S64 en | J ` ` ’ 8 | Bischoff (44) mm 919 210,5 14,5 | oe — | Delorenzi (51) 370 PR EE RE ef ? | | Adriani (42) an laan tiie 2774 1 gës 249 | ? | Theile (23) | 358130012884 | fie | 194 | Stark erweitert. | Aeby I (45) Pe AN TA EE teg ` SEN a 146 | desgl. Joseph (61) Reien eege a 397 Reg Bé") Ss | Sander II (35) pedo eel | 398, | 53,0 11,7 ? | Luschka (39) | 500 | 468 | A, ze ? | | Snell-Vogt (33) | 622 559 | 5375 | 845 | 13, | Stark erweitert. | Giacomini (56) | 660 610 asi) peohgitan| aib es | | Aeby DI (a) | 926) sm | 864i E gell? mb al = | } Jensen (65) EUR 888,4 Dle 6,4 — | 4 Krause (591) | 1022 | 950 | 9134, | 886 |. Be ? | | Aus dieser Uebersicht erhellt, dass in vier Fällen, in welchen jedenfalls keine } | Erweiterung der Ventrikel bestand, die Differenz zwischen Gehirnvolumen und Schädel- | | raum DA bis De Procent des letzteren betrug; in vier weiteren Fällen war dieselbe | | Sa bis 11,7 Procent. Darunter sind in drei Fällen die Ventrikel nicht untersucht, in | einem (Giacomini) ist eine Erweiterung nicht angegeben; es war sogar das Hinterhorn | | gar nicht vorhanden. In drei Fällen mit einer Differenz von 13.5 bis 19.4 ist aus- | drücklich die starke Erweiterung der Ventrikel erwähnt, wodurch also die hohe Differenz | | ihre genügende Erklärung findet. | Eine exceptionelle Stellung haben augenscheinlich die drei italienischen Gehirne, | (Delorenzi I und II und Adriani) mit ihren Gehirngewichten von 323, 171 und 289 | | gegenüber Capacitäten von 370, 260, 370. Adriani macht in seinem Falle selbst auf | | die grosse Differenz zwischen Schädelraum und Gehirn aufmerksam, ohne jedoch eine | Ursache dafür anzugeben. Das Verhalten der Ventrikel ist nicht erwähnt; das Gehirn scheint, den Maassangaben nach zu urtheilen, die Schädelhöhle ziemlich ausgefüllt zu haben; es bleibt also kaum etwas Anderes übrig als die Annahme einer ziemlich beträchtlichen Erweiterung der Ventrikel. Bei dem Gehirn der Modesta Rubiolio 1) Hierzu noch: van Schouwen (80), Capac. 375, Geh.-Gew. 345 g, Vol. 331, Diff. 44—12 0/0. 192 Dr. Felix Marchand. (p. 24) werden aber die Ventrikel ausdrücklich als eng bezeichnet, das Hinterhorn fehlte; dem- nach kann sich das Gewicht wohl nur auf das gehärtete Gehirn beziehen. Ueber den Zustand der Ventrikel in dem zweiten Fall von Delorenzi findet sich keine Angabe. In den beiden ersten Reihen, in welcher jedenfalls ein irgendwie er- heblicher Hydrocephalus nicht bestand, betrug die Differenz zwischen Schädel- capacität und Hirnvolumen im Mittel 8,5 Procent. Handelt es sich also darum, das Gehirngewicht (mit Einschluss der weichen Häute) aus der Schidelcapacitiit zu berechnen, so wird man, unter der Voraussetzung, dass keine Erweiterung der Ventrikel oder sonstige Flüssigkeitsansammlung vorhanden ist, wohl annähernd das Richtige treffen, wenn man 8,5 Procent von der Schädelcapaeität abrechnet und den Rest mit 1040 (specif. Gew.) multiplieirt. Wie weit diese Zahlen brauchbar sind, miissen weitere Untersuchungen lehren. Von Interesse ist, dass wir an- nähernd dieselbe Differenz in Fällen von Mikrocephalie hohen und geringen Grades finden. Wenden wir die gefundene Durchschnittszahl zur Berechnung des Ge- hirngewichtes in den Fällen an, in welchen nur die Schiidelcapacitiit bekannt ist, so erhalten wir: für den Fall von Jäger-Vogt (Moegle) (8) ein Gehirngewicht von 240 & An om ew Sehréder-Vogt (Maehler) (24) ,, S EH an » an e a Müller-Vogt (M. Sohn) (6) - 3 EENS ” ” ” DE Andel (Jelly) (43) ” ” ” 433 ” NEN kl (ever, eck) à A ASi EE H e E KI en. Marchand (Hel) (83) x D e u08 5) Anmerkung. Was die Gewichtsbestimmung des Gehirnes, also auch des der Mikrocephalen anlangt, so wäre es wünschenswerth, darüber eine einheitliche Norm auf- zustellen. ‘Die Einen wägen das Gehirn mit den weichen Häuten, die Anderen ohne dieselben. Die erstere Art ist ohne Zweifel leichter ausführbar, und zweitens auch richtiger. Das vollständige Abziehen der weichen Häute am frischen Gehirn, besonders am Kleinhirn und der Medulla oblongata ist bekanntlich nicht leicht ohne Verletzungen ausführbar und wird daher in den meisten Fällen unterbleiben. Es ist aber auch richtiger, das Gehirn mit seinen Häuten zu wägen, denn dieselben gehören ebenso sut dazu, wie das Bindegewebe und die Gefässe im Innern. Man wünscht allerdings 1) Für das Gehirn der ZAubrolio würde sich ein Gewicht von 229,3 g ergeben. | | | Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 25) 193 wo möglich das Gewicht der Nervensubstanz zu kennen, indess soll man sich dabei doch seren oder keinen Illusionen hingeben, denn die zeitweiligen Schwankungen durch gri geringeren Blutgehalt, durch wechselnde Feuchtigkeit sind viel grösser, als das Gewicht der weichen Häute. Ueberdies kann in dem einen Gehirn die Bindesubstanz sehr viel reichlicher sein, als in einem anderen. Ich möchte daher empfehlen, stets das Hirn- gewicht vor dem Abziehen der Häute zu bestimmen, und zwar an dem noch nicht er- öffneten Gehirn, bei stiirkerem Oedem oder bei Hydrocephalus ausserdem nach Abfluss des Wassers. Wägungen der einzelnen Abschnitte des Gehirnes wird man in frischem Zustande besser unterlassen, um bei der nachfolgenden Härtung keine störenden Ver- änderungen der Schnittflächen zu erhalten; im Allgemeinen kann man wohl annehmen, dass das Gewichtsverhältniss der einzelnen Theile nach der Härtung noch dasselbe ist, wie vorher. Bei sehr ungleicher Grösse der einzelnen Abschnitte, z. B. des Grosshirns und des Kleinhirns, mag allerdings, besonders wenn die Härtung noch nicht ganz vollendet ist, eine kleine Differenz eintreten. Am zweckmässigsten ist es, die Trennung des Kleinhirns von dem Grosshirn dicht vor dem Pons vorzunehmen, wie das auch meist zu geschehen pflegt. Nova Acta LV. Nr. 3. 25 194 Dr. Felix Marchand. (p. 26) Cap. IH. Grössenverhältnisse der Lappen des Grosshirns. Die Entwickelungsstörung des Grosshirns bei der Mikrocephalie er- streckt sich keineswegs gleichmässig auf alle Theile desselben. Ueber das Verhältniss der einzelnen Lappen des Grosshirns zu einander bei der Mikrocephalie hat K. Vogt!) bei den von ihm beschriebenen Fällen eine Reihe von vergleichenden Untersuchungen angestellt, doch haben dieselben für das Gehirn selbst nur einen geringen Werth, da Vogt bekannt- lich nur die Schiidelausgiisse vor sich gehabt hat; hierbei sind aber Irrthümer unvermeidlich, denn es ist gar nicht möglich, am Schädelausgusse die einzenen Lappen des Gehirnes sicher von einander abzugrenzen. Im All- gemeinen ergab sich im Vergleich mit dem normalen Gehirn eine verhältniss- ig sehr bedeutende Oberflächen-Reduetion des Scheitellappens, eine etwas mäss geringere des Stirnlappens, bedeutende relative Vergrösserung des Schläfen- lappens und Gleichbleiben des Hinterhauptlappens, so dass sich die Verhält- nisse mehr dem des Affengehirnes nähern. Gleichzeitig folgert Vogt daraus, dass die dem Gewölbe angehörenden Theile des Gehirnes, ebenso wie die des Schädels, am meisten bei der Mikrocephalie leiden, während der mehr der Basis angehörige Schläfenlappen am wenigsten betroffen ist, diesem zunächst der Hinterlappen, dann der Stirnlappen, endlich am stärksten der Scheitellappen. Die Betrachtung einer grösseren Anzahl von Mikrocephalen-Gehirnen lehrt im Allgemeinen die Richtigkeit dieser Anschauung in Betreff der Reduction des ganzen Gewölbe- theils und der relativen Grösse des Schläfenlappens, während im Gebiete der drei übrigen Lappen stärkere Schwankungen vorkommen. Indessen ist auch das Uebergewicht des ersteren keineswegs constant. Genaue Messungen der Oberfläche von Mikrocephalen-Gehirnen (nicht blos der Schädelausgüsse) sind noch sehr wenig zahlreich, wie wir ja iber- el, ee (Lit. 1867.) $2221 us, Beschreibung dreier :Mikrocephalen-Gehirne. (p. 2%) 195 haupt bezüglich des Oberflächenmaasses des Gehirnes bis vor wenigen Jahren fast ausschliesslich auf die bekannten Untersuchungen von Rudolf und Hermann Wagner!) angewiesen waren. Erst Jensen?) hat den Gegen- stand wieder mit grosser Ausführlichkeit und Genauigkeit behandelt. Ihm verdanken wir die sorgfältige Ausmessung und Berechnung von sechs Ge- hirnen geisteskranker Individuen, darunter desjenigen des Mikrocephalen Gise. Das Gehirn eines zweiten weiblichen Individuums (Rockel, 38 Jahre) steht mit seinem Gewicht von 1065 noch auf der Grenze des Normalen und ist auch von Jensen nicht zur Mikrocephalie gerechnet worden. Ausserdem hat Jensen das Gehirn der Mikrocephalen Kowalewski (65) ausgemessen. R. Wagner hat die Oberfläche der rechten Hemisphäre des Mikrocephalen von Jena bestimmt, jedoch die einzelnen Lappen, abgesehen vom Stirnlappen, nicht besonders berechnet. Endlich besitzen wir das Maass der äusseren Oberfläche der linken Hemisphäre des Mottey von Mierjeiewski. Leider ist auch hier ein ganz genauer Vergleich nicht möglich, da Mierjeiewski nicht ganz bestimmt angiebt, wie weit er seine Messung ausgedehnt hat. Er selbst spricht nur von der „allgemeinen äusseren Oberfläche“ der 4 Lappen (l. e. p. 120). Es ist aber nicht ersichtlich, ob darin auch die Unterfläche des Stirn- und des Schläfenlappens mit inbegriffen war; dies ist wohl an- zunehmen); da aber Mierjeiewski seine Maasse mit denen K. Vogt’s nach den Schädelausgüssen vergleicht, bei welchen die Unterfliiche des Schläfen- und Hinterhauptlappens selbstverständlich nicht zugänglich war, so würde in jenem Falle ein solcher Vergleich nicht zutreffend sein. Ich habe die linke (ganz isolirte) Hemisphäre des Gehirnes des K. Koch ebenfalls nach der Methode von K. Vogt durch Belegen mit Stanniol möglichst genau aus- gemessen, musste mich aber, da ich zur Zeit nur den Gypsabguss vor mir hatte, selbstverständlich auf die freie, nicht versenkte Oberfläche beschränken. Diese Messung lässt aber den Vergleich mit den ebenfalls die freie Ober- 1) Maassbestimmungen der Oberfläche des grossen Gehirns; Göttinger Dissert. Cassel 1864. ‘2) Untersuchungen über die Beziehungen zwischen Grosshirn ete. Archiv f. Psychiatrie, Bd. V: 1875. 8. 587. 3) Jensen, welcher von der Annahme ausgeht, dass das Gehirn des Mottey nicht halbirt und das Kleinhirn nicht entfernt worden ist, befindet sich im Irrthum, wie aus den Abbildungen hervorgeht. 25* 196 Dr. Felix Marchand. (p. 28) fläche betreffenden Maassen von R. Wagner, Jensen und Mierjeiewski zu: dabei wurde die convexe, untere, und innere (mediale) Fläche gesondert bestimmt. Diese Maasse haben, trotzdem sie an sich genau genug sind, dennoch nur einen sehr bedingten Werth; was die Vergleichung mit anderen Gehirnen (besonders anderer Gë seit 3eobachter) anlangt, so ist dabei stets die mehrfach hervorgehobene Schwierig einer genauen Abgrenzung der Lappen, sodann auch die immer etwas willkürliche Ab- grenzung der convexen von der unteren Fläche, besonders am Schläfenlappen störend. Die erstere fällt bei einem nicht normal gestalteten Gehirn natürlich besonders ins Ge- wicht. Es wäre nun zum Mindesten wünschenswerth, dass Jeder, der eine solche Messung vornimmt, genau die angenommenen Grenzen angiebt. Ich nehme dieselben Grenzen zwischen Hinter-, Scheitel- und.Schläfenlappen an, welche auch Schwalbe!) angiebt. Die Fissura parieto-oceipitalis wird durch eine quer über die Hemisphäre ver- laufende Linie mit dem Punkte verbunden, an welchem die dritte Schläfenfurche den äusseren Rand der Hemisphäre trifft, und meist eine tiefe Einkerbung bildet; eine zweite Linie geht von dem oberen Ende der Fissura Sylvii parallel mit dem oberen Rande der Hemisphäre nach hinten, wo sie in geringer Entfernung vom Rande die erste Linie schneidet. An der unteren Fläche wird diese letztere quer über die Hemisphäre zur Spitze des Cuneus fortgesetzt. Bei dem Gehirn des Koch musste die in der Tiefe vor der Sylvi’schen Spalte herabsteigende hintere Centralwindung. selbst- verständlich noch zum Scheitellappen gerechnet werden. Als Grenze zwischen convexer und unterer Fläche wählte ich die Linie, welche bei der Seitenansicht der Hemisphäre den unteren Rand bildet. Die Vergleichung der freien Oberflächen der einzelnen Lappen desselben Gehirnes (des K. Koch) unter einander giebt ebenfalls keine ganz zutreffenden Resultate, da hier beispielsweise der Scheitellappen fast gar keine Furchen besitzt, und somit die freie Oberfläche auch beinahe die Gesammtoberfläche darstellt, während Stirn- und Schläfen- lappen reich gegliedert sind, und also auch eine beträchtliche versenkte Oberfläche haben. Die Verkleinerung der Oberfläche des Scheitellappens ist demnach im Vergleich zu der des Stirn- und Sc Nichts desto weniger giebt das Maass der freien Oberfläche, und zwar besonders läfenlappens thatsächlich noch viel bedeutender. der Convexität eine annähernd richtige Vorstellung der Grösse der einzelnen Lappen. In der Tabelle sind die Maasse der freien Oberfläche der Convexität der genannten Mikrocephalen-Gehirne, sodann auch die gesammten freien Oberflächen der einzelnen Lappen unter einander und mit denen des normalen Gehirnes verglichen. Die normalen Durchschnittsverhältnisse sind für die erste Reihe nach Jensen und R. Wagner (mit 1) Neurologie, S. 555. | | | Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 29) 197 Ausschluss des Mikrocephalen Gise und des Jenensers) berechnet (d.26158:::729 und Tab. IX). Das Mittel für die zweite Reihe ist nach den 4 Gehirnen von H. Wagner und 5 Gehirnen von Jensen berechnet. (Jensen, Tab. VII.) Tabelle VII. a. Freie convexe Oberfläche der linken Hemisphäre des Grosshirns. Mittel | fo | Koch | % | Kowalewski) % Gise | fo | Mottey | % [IL v. Jena % Stirnlappen. .. 2. . 7280 | 42,5] 6352 | 40| 4875 | 37,0| 4990 44,7] 3090 38,5] 2256 314 Scheitellappen ... . .| 4718 |26,| 3182 Ian. 4475 |33,0| 2545 |22,5) 1852 22, | Schlafenlappen.. . .|. 3092 |17,| 4245 Kë 2350 | 17,8] 2140 | 19,2] 2250-|31,6lr 4912 68,5 Hinterhauptlappen. .| 2805 | 15,6) 1854 al 1475 | 1152] 1460 1801 05 te | Ganze convexe Fläche | 17895 15633 13175 | 11135 | 8067 | 7168 Verhältniss zum nor- | malen Mittel `. ..| 100 87,3 73,0 63.5 45,0 10,0 b. Ganze freie Oberfläche (exclus. Insel). Stirnlappen. 2... 0. 13443 |42| 11617 |457| 9175 |39| 9790 t47, | Scheitellappen . . . .| 5840 189] 4652 18,5] 6100 26,2] 3345 16,6 Schläfenlappen . . . .| 6534 20,3] 5895 |23,2| 4550 |146| 4190 20,0 Hinterhauptlappen. .| 5433 17,4) 3225 12,7 3400 19,5] ;3210..| 15,7 Ganze freieOberfläche[ 31250 | 25389 | 23221 20535 Verhältniss zum nor- | malen Mittel ...] 100 Sl. 74,3 65,7 | | Für das Gehirn des K. Koch ergiebt sich aus der Tabelle a: 1) Sehr geringe relative Reduction des Stirnlappens, 2) ziemlich beträchtliche Reduction des Scheitellappens (abgesehen von dem oben erwähnten Umstande), 3) starke (sogar absolute) Zunahme des Schläfen- und 4) beträchtliche Reduction des Hinterhauptlappens. "Tabelle b ergiebt dagegen: Relative Ver- grösserung des ganzen Stirn- und Schläfenlappens, gleiches Verhältniss des Scheitellappens und relative Verkleinerung des Hinterhauptlappens.') Bei der Kowalewski ist der Stirnlappen, etwas mehr noch der Hinterhauptlappen veducirt, der Scheitellappen dagegen sehr gross; bei Gise ist der Stirnlappen ganz auffallend gross ((ise ist dadurch nach Jensen ein Unicum unter den 1) Das Procent-Verhältniss der einzelnen Lappen zur normalen Grösse ist folgendes: a. Convexe Fläche: Schläfenlappen 137,3; Stirml. 78,8; Scheitell. Gi: Hinterhauptl. 66,0. DH b. Ganze Oberfläche: 3 90.2; is) 868; 3 79565 59,9. 9 198 Dr. Felix Marchand. (p. 30) Mikrocephalen, was jedoch nieht mehr zutrifft), die übrigen Lappen sind ziem- lich gleichmässig verkleinert; bei Mottey ist die Reduction des Stirnlappens relativ gering, die des Hinterlappens sehr bedeutend, wogegen der Schläfen- lappen im Verhältniss stark entwickelt ist. In einer Reihe von Fällen besitzen wir Messungen der Länge der Lappen, und zwar erstens Messungen des Horizontalabstandes des oberen Endes der Centralfurche und der Occipitalspalte von einander und von den beiden Enden der Hemisphäre, so dass die Längen der Lappen als Bruch- theile des Längsdurchmessers der Hemisphäre erscheinen, zweitens Messungen der Hemisphären-Krümmung am oberen Rande. Die ersteren entsprechen also den Verhältnissen der geometrischen Projection bei der Ansicht von oben, sie Jassen aber natürlich nur dann genaue Vergleiche zu, wenn die Lage der Gehirne stets die gleiche war, was nicht immer der Fall gewesen sein dürfte. Und selbst dann gewähren die Maasse keinen sicheren Anhalt für die Ab- schätzung der Grösse der Lappen; beim Stirn- und Scheitellappen fällt z. B. der Verlauf der Centralfurche sehr ins Gewicht; hat dieselbe eine sehr schräge Richtung, so wird der Stirnlappen selbstverständlich sehr viel kleiner ausfallen, als bei senkrechtem Verlauf zur Mittellinie, wie bei dem Gehirn des K. Koch. Ferner kommt die starke Verschmälerung des Stirnlappens nach vorn in Betracht, ausserdem die sehr verschiedene Krümmung der Oberfläche, und namentlich Verunstaltung bei der Härtung. Etwas bessere Anhaltspunkte geben die Messungen der Krümmung der Hemisphäre, wofern dieselben übereinstimmend von dem am meisten her- vorragenden Punkte der Stirnlappen am Sagittalrande der Hemisphäre bis zur Äussersten Spitze des Hinterhauptlappens gemacht sind. Ich verzichte darauf, eine tabellarische Zusammenstellung der vor- handenen Messungen nach beiden Methoden zu geben, da mir der Werth der erhaltenen Resultate zu geringfügig erscheint. In den meisten Fällen von Mikrocephalie hohen Grades war der Stirnlappen im Verhältniss zu den übrigen Lappen stark verkleinert, und zwar nicht blos in der Längsrichtung, sondern ganz besonders auch in der Breite. Diese Gehirne sind daher nach vorn ungewöhnlich zugespitzt und erhalten eine ganz besondere Achnlichkeit mit Affengehirnen. Dazu kommt, dass bei starker Verkleinerung der Stirnlappen die Orbitalfläche derselben eine H | Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 31) 199 mehr schräg nach aussen gerichtete Lage erhält und dass der mediale Theil derselben in Form eines sogenannten Siebbeinschnabels nach unten vorspringt. Das Gehirn macht dadurch den Eindruck, als wenn der Stirntheil von beiden Seiten und von vorn zusammengepresst wäre. Dem entsprechend zeichnet sich auch der Schädel dieser. Mikrocephalen am meisten durch die stark nach hinten zurückfliehende schmale Stirn aus. Am deutlichsten ist dies Verhalten des Gehirnes ausgesprochen in dem Falle von Sandifort (4), den beiden von Marshall (26, 27), dem von Bischoff (44), den beiden von Delorenzi (51, 52), in den beiden Fällen von Gratiolet (18, 19), dem einen von Broca (58), in etwas geringerem Grade auch in dem ersten Falle von Aeby (45), dem von Theile (23) und anderen, so dass man wohl berechtigt ist, diese Form als fast typisch für das Mikrocephalen-Gehirn hohen Grades zu erklären. Einigermaassen abweichend ist das Gehirn des Mottey (41) durch seine verhältnissmässig breitere Form des mittleren 'Theiles, doch ist auch hier der Stirnlappen erheblich verschmälert und kleiner. In den Fällen mittleren Grades finden wir bereits ein ziemlich starkes Ueberwiegen des Stirnhirns, wenn dasselbe auch nach vorn verschmälert und abgeflacht zu sein pflegt, wie bei Chiari (66), Giacomini (56), Shuttle- ‘worth (62), Aeby Il. (46). Der Fall Schüle-Ecker (40) nähert sich be- reits sehr dem normalen Verhalten, während sich das Gehirn der Dubois (5%) durch seinen ganz besonders langen, wenn auch schmalen Stirnlappen vor allen anderen auszeichnet. Bei den Mikrocephalen geringen Grades ist der Stirntheil des Gehirnes relativ am wenigsten verkleinert. In Betreff der übrigen Lappen ist ein constantes Grössenverhältniss noch viel weniger deutlich; es kommen eben die allergrössten Schwankungen vor, welche sich auch durch einfache Messung der Länge der Lappen nicht entscheiden lassen, da das Mikrocephalen-Gehirn ‘keine einfache (congruente) Verkleinerung des normalen Gehirnes darstellt. Was in dem einen Falle an Länge abgeht, kann durch Breite ersetzt werden. Jene Messungen können daher nur als Beihülfe zur Beschreibung, zur genaueren Bestimmung der Lage gewisser Punkte an der Oberfläche der Hemisphäre dienen, aber nicht als Maassstab der Grösse der Lappen. 200 Dr. Felix Marchand. (p. 32) Cap. IV. Wichtigste morphologische Verhältnisse der Oberfläche des Grosshirns. Bei der Mikrocephalie handelt es sich niemals um ein einfaches Kleinbleiben des Gehirnes, sondern stets um tiefer greifende Störungen, welche mit mehr oder weniger schweren morphologischen V eränderungen verbunden sind. Ein Zwergwuchs des Gehirmes bei einem nicht zwerghaften Körper ist bis jetzt noch nicht bekannt geworden. Andererseits fehlt es bis jetzt auch, wie es scheint, ganz an Gehirnbefunden von echten (nicht rachitischen) Zwergen, so dass wir nicht wissen, ob die bei solchen vorhandene Zwerg- bildung des Gehirnes sich etwa auch durch gewisse morphologische Eigen- thiimlichkeiten, z. B. Vereinfachung der Windungen auszeichnet. Wenn also einige ältere Beobachter mikrocephaler Gehirne von diesen als „Miniatur-Gehirnen“, von der Verkleinerung des Gehirnes ohne sonstige Abweichung von der normalen Form sprechen, so beruht das auf unvoll- kommener Kenntniss oder mangelhafter Untersuchung. Dass die Abnormität des morphologischen Baues, und somit auch der inneren Structur in den Fällen von Mikrocephalie hohen Grades in der Regel am stärksten sein wird, liegt auf der Hand. Derartige Individuen stehen daher auch stets auf einer sehr niedrigen Stufe psychischer Thätigkeit. Keineswegs lässt sich aber -ejne parallele Reihe der psychischen Leistungsfähigkeit einerseits, der Gestalt- veränderung und dem Gehirngewicht andererseits bei der Mikrocephalie auf- stellen. Es ist in hohem Grade lehrreich und zugleich überraschend, dass einige Mikrocephalen mit Hirngewichten von kaum 3—400 g auf einer weit höheren Stufe psychischer Thätigkeit standen, als andere mit viel grösseren Gehirnen. Einige dieser Individuen lernten sprechen, sprachen sogar mit Lebhaftigkeit, wie von der Antonia Grandoni (42) berichtet wird; der Mikrocephale von Down (37) mit einem Hirngewichte von 425 g lernte ein- i f i |} Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 33) 201 fache Zeichnungen copiren, Kleider ausbessern u. s. w., während andererseits der Knabe K. Koch mit seinem Gehirn von 890 œ im höchsten Grade idiotisch war. Wieder andere, wie z. B. der Mikrocephale von Breslau, sowie der Mikrocephale Marquis von Aeby sollen bei erheblicher Verkleinerung des Gehirnes keine auffallenden Störungen der Hirnfunctionen dargeboten haben (jedenfalls bestand keine Idiotie im gewöhnlichen Sinne); — dagegen giebt es bekanntlich zahlreiche Idioten ohne irgend welche Gewichtsverminderung des Gehirnes, aber mit gewissen Anomalien des Baues. Pozzi!) bemerkt nicht mit Unrecht, dass das Gewicht des Gehirnes nur einen sehr relativen Werth bei der Bestimmung der Intelligenz hat, während im Gegentheil die Morphologie der Windungen einer der wichtigsten Factoren ist. Indess darf auch der letztere Satz nicht übertrieben ausgedehnt werden. Bei der Untersuchung der morphologischen Verhältnisse des Mikro- cephalen-Gehirnes wird es sich zunächst darum handeln, festzustellen, ob die- selben einem bestimmten Typus entsprechen oder nicht, ob überhaupt gewisse Veränderungen dem Mikrocephalen-Gehirn als solchem zukommen, oder ob in jedem einzelnen Falle lediglich individuelle Abweichungen von der Norm vorliegen. Es ist hier nicht die Absicht, diese Analyse auf jede einzelne Windung, jeden einzelnen Gehirntheil auszudehnen; vielmehr sollen nur die wichtigsten Verhältnisse berücksichtigt werden. 1. Fissura Sylvii und Insel. Unter den Primärspalten des Gehirnes verdient die Fissura Sylvii mit der Fossa Sylvii in erster Linie unsere Aufmerksamkeit, da das Verhalten derselben für das Gehirn der Menschen und Affen ein so charakteristisches ist, und Abweichungen von der Norm auf sehr frühzeitige tiefgreifende Ent- wickelungsstörungen hinweisen. Bekanntlich entsteht die Fossa Sylvii bereits im dritten Fötalmonat durch das allmähliche Wachsthum des Schläfenlappens nach unten; indem nun durch fortschreitende Vergrösserung des letzteren von der einen Seite, und der Convexität des Scheitel- und Stirnlappens von der anderen Seite sich die Ränder dieser Theile einander nähern, bildet sich der hintere und der eine, t) Lit. 1875. ‘8. 204. Nova Acta LV. Nr. 3. 26 202 Dr. Felix Marchand. (p. 34) respective die beiden vorderen Schenkel der Fissura Sylvii, während die Fossa Sylvii als solche in der Tiefe verschwindet. Das Offenbleiben der Fossa Sylvii bedeutet also mangelhaftes Wachsthum der Convexität des Scheitel- und Stirnlappens nach unten. Entwickeln sich in solchem Fall die Centralwindungen zu beiden Seiten der Centralfurche, so gehen dieselben direet in die Oberfläche des Stammlappens über, ebenso wie andererseits die untere Stirnwindung unmittelbar aus letzterem hervorgeht. Zuweilen ist die Trennung zwischen den drei die Fossa Sylvii begrenzenden Lappen und dem Stammlappen nur durch flache Furchen angedeutet. In dem Fall von Sandifort (4) ist die Fissura Sylvii kaum angedeutet, obwohl der Schläfenlappen an der Basis stark vorspringt; bei dem Theile’schen Gehirn (23) ist eine eigentliche Fissura Sylvii ebenfalls nicht vorhanden, eine von der Basis (dem Stammlappen) aufsteigende Windung theilt sich in die beiden Centralwindungen. An dem Gehirn des Mottey (Mierjeiewski 41) ist die ganze Fossa Sylvii often; die Fissura Sylvii hatte einen etwas kurzen vorderen und einen etwas längeren hinteren Schenkel, welche vom oberen Rande der Fossa Sylvii abgehen. Zwischen die beiden Schenkel schieben sich die beiden Centralwindungen ein, welche nach ab- wärts ziemlich unmittelbar in die wenig ausgeprägte Gyri breves der Insel übergehen. Die Beschreibung, welche Ducatte nach dem Modell dieses Gehirnes liefert, ist ziemlich übereinstimmend, nur ausführlicher; er macht besonders auf das weite Offensein der Fossa Sylvii und den grossen Abstand der Stirn- und Schläfenlappen aufmerksam, welcher stärker ist, als beim viermonatlichen Fötus, während die Ausbildung der Fissura Sylvii ungefähr dem sechsten Monat entsprechen soll. An dem Gehirn der S. Wyss (Aeby 45) ist die Insel ebenfalls beiderseits un- bedeckt, aber schmal; die Fissura Sylvii steigt ziemlich kurz und steil an. Nach der Abbildung des Gehirnes verhält sich die Sache so, dass auf beiden Seiten, am deutlichsten rechts, die Insel nach hinten und oben direct mit der ersten Schläfenwindung zusammen- hängt, während sie nach vorn von der dritten Stirnwindung, und nach aufwärts von der hinteren Centralwindung durch eine Furche getrennt ist, welche als Fissura Sylvü bezeichnet wird. Somit ist also die Fossa Sylvii oder die Insel nach hinten nicht ab- gegrenzt, ein ganz ungewöhnliches Verhalten. Streng genommen kann man die obere Begrenzung nicht dem hinteren Schenkel der Fissura Sylvii des normalen Gehirnes gleich- setzen, denn dieser kommt eben durch Zusammenstossen des Schläfen- und Scheitel- lappens zusammen. Bei dem Gehirn der Wyss ist eigentlich nur der obere Rand dieses Schenkels vorhanden; ein Theil des unteren, zwischen Schläfenlappen und Insel ist nur in der Nähe der Basis sichtbar und von dem ersteren durch die ganze Breite der Insel getrennt. | | i ` Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 35) 203 In dem ersten Fall von Gratiolet (Taf. XXIV) (18) haben wir einen aus- gebildeten vorderen und einen hinteren Ast, zwischen beiden die Centralwindungen, also ähnlich wie in dem Theile’schen Gehirn, Mangel des Operculum; in dem zweiten Falle ist ein stark ausgeprägter hinterer Schenkel und ein stark überragendes Operculum vorhanden, dagegen eine mangelhafte Abgrenzung zwischen Stirnlappen und Insel. In den beiden Fällen von Marshall sind zwei getrennte Schenkel vorhanden, welche nach oben divergiren; in Fall 1 (26) ist der hintere Schenkei nur sehr kurz und, wie ge- wöhnlich bei diesem Verhalten, sehr steil aufsteigend, in Fall 2 (27) etwas länger und mehr geneigt. Im ersteren Falle ist ein Operculum nur wenig angedeutet, im zweiten gar nicht. In dem Gehirn von Joseph (61) war die Fossa Sylvii breit, mit geringer Andeutung eines vorderen Schenkels, die Insel wenig bedeckt. Bei Shuttleworth (62) war die Insel unbedeckt, beide Schenkel der Fossa Sylvii sind unter 4/2” von einander entfernt. Nach der Abbildung gehen beide Centralwindungen ohne Grenze in die Insel über. Das sehr verschiedene Verhältniss der Fossa und Fissura Sylvii geht am besten aus der Betrachtung folgender schematischer Abbildungen hervor. A B C D E Vordere Hälfte der linken Hemisphäre beim Fötus, schematisch. A normales Verhalten; allseitig begrenzte Fossa Sylvii; e = S. centralis; I = Insel. B mangelnde obere Begrenzung. C mangelnde vordere Begrenzung. D mangelnde hintere Begrenzung. E Andeutung einer hinteren Begrenzung bei ganz rudimentärer Ausbildung der Fossa Sylvii. Normaler Weise hat die Fossa Sylvii, wie sie sich beim Fötus von 5—6 Monaten darstellt, drei Begrenzungen, eine vordere, obere und hintere, welche durch allmählich tiefer werdende Furchen gebildet werden, die man als vordere, obere, hintere Randfurche bezeichnen kann. Zusammen bilden dieselben den Sulcus circularis Reilii (Schwalbe). Durch das Aneinander- riicken des oberen und hinteren Randes entsteht der hintere oder horizontale Schenkél, durch das Aneinanderriicken des vorderen und oberen Randes der vordere aufsteigende Schenkel. Beim Menschen, sowie höheren Affen kann 26” 204 Dr. Felix Marchand. (p. 36) sich durch nochmaliges Einknicken des vorderen Randes noch ein Schenkel, der vordere horizontale, bilden. Bei fehlender Ausbildung des oberen Randes bleibt die Fossa Sylvii nach oben offen, d. h. die beiden Centralwindungen gehen direct in die Insel über (B). Dies Verhalten finden wir bei den Gehirnen von Theile, Mierjeiewski (Mottey), Shuttleworth, van Schouwen. Bei fehlender Ausbildung des vorderen Randes ist ein vollständiges Operculum vorhanden, aber die Stirn- windungen gehen seitlich und unten unmittelbar zur Insel, so in dem zweiten Fall von Gratiolet. Kommt die hintere Begrenzung nicht zu Stande, so geht die Insel nach hinten in die erste Schläfenwindung über, so in dem Ge- hirn der Wyss, dabei kann sich aber der vordere Rand mit dem oberen ver- binden (Fig. D), die so entstandene Furche verläuft dann selbstverständlich im Bogen vor und oberhalb der Insel, und kann demnach nicht dem hinteren Schenkel gleichgesetzt werden. Endlich kann die Abgrenzung der Fossa Sylvii so mangelhaft sein, dass nur der untere Theil der hinteren Begrenzung vorhanden ist, wie in dem Fall von Sandifort. Es geht daraus hervor, dass es nicht zweckmässig ist, bei Gehirnen mit freiliegender Insel die einzelnen Schenkel der Fossa Sylvii des aus- gebildeten Gehirnes aufzusuchen, wie es in der Regel geschieht; man muss vielmehr von dem embryonalen Zustand ausgehen, in welchem diese Schenkel überhaupt noch nicht vorhanden sind. Zweitens geht aus dem verschiedenen Verhalten der Fossa Sylvii mit Deutlichkeit hervor, dass die Ausbildung der- selben bei den höheren Graden der Mikrocephalie keinen bestimmten Typus einhält, sondern sich in dem einen Fall so, in einem anderen anders gestaltet, wenn man auch selbstverständlich in den verschiedenen Formen die ursprüng- lichen normalen Elemente herausfinden kann. In den meisten Fällen von Mikrocephalie, besonders in denen mittleren und geringen Grades sind die Schenkel der Fissura Sylvii ausgebildet, besonders der hintere. Aber derselbe ist häufig kurz und sehr steil ansteigend, wie beim Fötus vom siebenten bis achten Monat. (So bei den Gehirnen von Bischoff (44), Valenti (49), in meinem Fall I besonders rechts, ähnlich auch in dem Gehirn des Fr. Sohn (35); über das zweite Sander’sche Gehirn lässt sich nach der mangelhaften Abbildung ein bestimmtes Urtheil nicht abgeben, ferner bei Giacomini (56), Chiari Fall II (66), Aeby Fall II (46). Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 3%) 205 Bei K. Koch sind rechts annähernd normale Verhältnisse vorhanden, ein hinterer, wenn auch steiler und etwas kurzer, und ein vorderer aufsteigender Schenkel; links ist der hintere Schenkel stark geknickt, ein vorderer aufsteigender Schenkel fehlt, dagegen ist ein horizontaler vorhanden. In einer Anzahl von Fällen ist bei sonst guter Ausbildung der Fossa Sylvii die Insel zum kleinen Theil unbedeckt (Giacomini; im Fall II von Aeby ist rechts der untere Theil frei, links kommt, wahrscheinlich in Folge von Schrumpfung der Hirnsubstanz im oberen Theil ein Stück der Insel zum Vorschein). An dem Breslauer Gehirn fanden wir die Insel beiderseits in Form eines kleinen Dreiecks freiliegend und nur unvollkommen von den Centralwindungen abgesetzt, be- sonders rechts. Immerhin ist ein deutlicher hinterer und ein vorderer Schenkel ausgebildet. Auch in dem Marburger Gehirn (Heil) ist die Insel beiderseits nicht scharf von den Centralwindungen abgesetzt und liegt theilweise frei. Die Windungen der Insel sind in den meisten Fällen von Mikrocephalie ver- einfacht, zuweilen ganz verstrichen, so dass die Insel eine flache Erhebung darstellt. 2. Centralfurche. Die Centralfurche dürfte wohl in fast keinem Fall von reiner Mikro- cephalie ganz fehlen, wenn sie auch in vielen hochgradigen Fällen nur sehr rudimentär und ausserdem in älteren Beschreibungen und Abbildungen unvoll- kommen dargestellt ist. Die einzige Ausnahme scheint das von Retzius beschriebene Gehirn zu machen, bei welchem die Abwesenheit der Central- furche ausdrücklich angegeben, und auf der Abbildung ersichtlich ist. Leider war das Gehirn so mangelhaft erhalten, dass eine genauere Untersuchung nicht möglich war und Retzius sich damit begnügen musste, eine Zeich- nung in situ anzufertigen. Es fanden sich in diesem Falle jederseits 3 bis 4 parallel von vorn nach hinten verlaufende Windungszüge, welche durch mehr oder weniger tiefe Furchen von einander getrennt und mit zahlreichen seichten Einkerbungen versehen waren (Mikrogyrie). (Eine gewisse Analogie zeigen die von Steinlechner und von Mingazzini und Ferraresi beschrie- benen Gehirne, namentlich das letztere, indess handelt es sich hier um einen durch Schrumpfung entstandenen Schwund des Scheitellappens mit secundären Veränderungen der übrigen Gehirnoberfläche, nicht aber um reine Mikrocephalie.) Gleichzeitig mit der rudimentären Ausbildung der Centralfurche finden wir bei hochgradiger Mikrocephalie nicht selten auch ihre Lage und Richtung 206 Dr. Felix Marchand. (p. 38) sehr verändert, indem dieselbe, entsprechend der Verkleinerung des Stirn- lappens in der Regel weit nach vorn gerückt und sehr geneigt ist, wo- durch sich ihr Verhalten dem bei den niederen Affen nähert. Je mangel- hafter die Furche ist, desto weniger deutlich kreuzt sie die horizontalen Windungszüge, und desto mehr treten die sogenannten Urwindungen Leuret’s hervor, so namentlich an dem von Calori beschriebenen sehr rudimentären Gehirn (50), am stärksten natürlich bei vollständigem Fehlen der Furche (Retzius). Einen ganz entgegengesetzten Typus zeigt die Centralfurche in dem Jehirn des K. Koch, bei welchem dieselbe fast senkrecht zur Mittelspalte verläuft, von der ihr oberes Ende ungewöhnlich weit entfernt bleibt. Sie bildet mit der letzteren bei der Ansicht von oben ein rechtwinkeliges Kreuz. Ausserdem tritt ihr unteres Ende auf der linken Seite mit dem hinteren Ast der Fissura Sylvii in Verbindung. Nur in dem auch in anderer Beziehung verwandten Gehirn von Krause (59) wird dasselbe oder ein ähnliches Lagenverhältniss der Central- furche angegeben. 3. Scheitellappen. Die Configuration des Scheitellappens zeigt beträchtliche Verschieden- heiten, sowohl im Verlaufe und der Ausbildung der Interparietalfurche, als in der Entwickelung der Windungen. Indem ich auf Einzelheiten hier verzichte, sei nur bemerkt, dass die Interparietalfurche sich in allen Fällen von Mikro- cephalie auffinden lässt, wenn auch nicht selten in mehrere Furchen aufgelöst, zuweilen nur als Rudiment. Jedenfalls ist diese Furche eine der constantesten, gleich der Centralfurche. Sehr abweichend von dem gewöhnlichen Verhalten ist ihre äusserst geringe Ausbildung in unserem Fall I. Die hintere Centralwindung ist als besonderer Windungszug häufig nicht abzugrenzen; die beiden Bogenwindungen um das obere Ende der Fissura Sylvii und des Sulcus parallelus sind in den meisten Fällen vor- handen, zuweilen sehr stark hervortretend. Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 39) 207 4. Schläfenlappen. Die Bildung desselben ist in der Regel am wenigsten gestört; die Windungen sind mehr oder weniger vereinfacht. Mierjeiewski beobachtete in dem Gehirn der Dubois (57) eine Cystenbildung im vorderen Theil beider Schläfenlappen, deren Entstehung nicht klar ist. 5. Windungen des Stirnlappens. Die Entwickelung der Windungen geht meist parallel der Grösse des Gehirnes und der einzelnen Lappen. Je umfangreicher die letzteren, desto mehr sind die Windungen den normalen ähnlich, wenn auch im Allgemeinen vereinfacht. In allen Fällen mittleren und geringen Grades sind drei gut aus- gebildete horizontale Stirnwindungen vorhanden, aber dieselben sind meist sehr einfach. So finden wir sie bei dem Gehirn des K. Koch. Die Windungen sind durch verhältnissmässig tiefe Furchen getrennt; ihre Tiefe beträgt auf dem Durchschnitt A ungefähr 1,5 cm. Secundäre Furchen sind so gut wie gar nicht vorhanden, oder die- selben sind sehr oberflächlich, so dass die Windungen ziemlich glatte, breite und gestreckt verlaufende Wülste bilden. Die erste Stirnwindung zeigt einige flache Eindrücke, welche als Andeutung der normalen (wenn auch nicht stets vorhandenen) Längstheilung gelten können. Ein Sulcus praecentralis ist nur im oberen Theile schwach angedeutet, so dass die vordere Centralwindung nach vorn nur sehr unvollkommen abgegrenzt ist. Ganz ähnliche Formen finden wir in den Fällen von Chiari (66), Giacomini (56), Shuttle- worth (62), während die Windungen in dem einen Fall von Aeby (Peier 46) etwas unregelmässig und beiderseits ungleich sind. In dem durch besondere Grösse des Stirn- lappens ausgezeichneten Gehirn der J. Dubois (57) kommen die Stirnwindungen fast ganz der Norm gleich; (die Bezeichnung der Windungen an der Abbildung des Gehirnes von oben ist allem Anschein nach irrthümlich; die erste Stirnwindung ist beiderseits durch eine Längsfurche getheilt, breit, beide Hälften sind als erste und zweite Windung bezeichnet, die zweite aber als dritte; in Wirklichkeit erscheint die letztere mehr nach aussen und unten gerückt, wo sie die Grenze der Insel bildet). Die Fälle von Jensen (65), Schüle (40), Fischer (53), sowie das Breslauer Gehirn schliessen sich ganz an die normalen Verhältnisse an. Bei der Mikrocephalie hohen Grades ist der Charakter der Stirn- windungen noch mehr vereinfacht, aber im Ganzen ziemlich übereinstimmend. 208 Dr. Felix Marchand. (p. 40) Fast in allen Fällen sind, soweit Abbildungen und Beschreibungen es erkennen lassen, alle drei Stirnwindungen nachweisbar, und zwar ist die erste in der Regel am stärksten, die dritte am schwächsten entwickelt, aber doch vorhanden. Man hat gerade auf das Verhalten der dritten Stirnwindung bei Mikro- cephalen (und Affen) besonderen Werth gelegt; Bischoff suchte den Nach- weis zu führen, dass diese Windung bei Mikrocephalen stets sehr rudimentär sei, indem er gleichzeitig die Existenz dieser Windung von dem Vorhanden- sein eines vorderen aufsteigenden Schenkels der Fissura Sylvii abhängig zu machen sucht. Rüdinger trat neuerdings dieser Auffassung bei, während Aeby u. A. jenes Criterium für den Nachweis der dritten Stirnwindung nicht als gültig anerkannten. Anmerkung. Auch bei den niederen Affen ist die Windung nach Bischoff (Ueber das Gehirn des Gorilla und die untere oder dritte Stirnwindung der Aften, Sitzungsber. d. math.-phys. Kl. der Kgl. bayer. Akademie d. Wissensch. 1877. S. 96.) ganz rudimentär, während sie bei den Anthropomorphen, beim Orang und Chimpanse frei hervortritt. Beim Gorilla dagegen deutete Bischoff gegen Pansch als dritte Stirnwindung eine kleine in der Tiefe versteckte Windung. Rüdinger konnte diese Verhältnisse an nicht weniger als 17 Gehirnen von Anthropomorphen untersuchen, und namentlich auch die Bischoff’sche Annahme bezüglich des Gorilla- Gehirnes an sieben Exemplaren bestätigen, wenn auch das Verhalten der Windung sowohl beim Gorilla als beim Chimpanse g gewissen individuellen V erschiedenheiten unterworfen ist. (Cf. Rüdinger, Sprachcentrum, 1882.) — An einem mir vorliegenden Chimpanse-Gehirn, dessen Be- nutzung ich Herrn Professor Gre eeff verdanke, ist die dritte Stirmwindung beiderseits sehr deutlich, und zwar bildet sie einen ziemlich einfachen Bogen um den vorderen Schenkel der Fissura Sylvii. In der That lässt auch die Vergleichung einer grösseren Anzahl von Mikrocephalen-Gehirnen, besonders mit Rücksicht der besser ausgebildeten, er- kennen, dass die Auffassung Bischoff’s nicht richtig sein kann. Die dritte Stirnwindung ist nichts als der untere Randtheil des Stirnlappens, welcher sich mehr oder weniger deutlich von der zweiten Windung abgrenzt; die Bildung eines vorderen Schenkels der Fissura Sylvii hängt allerdings von der stärkeren Entwickelung des Operculum und des vorderen Randes der Fissura Sylvii respective des unteren Theils des Stirnlappens ab, indem dieser sich mehr über die Insel nach hinten wölbt; tritt dies nicht ein, so verläuft die dritte Stirnwindung gestreckt, aber ist doch vorhanden. Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. £1) 209 Lehrreich ist in dieser Beziehung ein Vergleich der beiden Seiten des Gehirnes von K. Koch. Während rechts die dritte Stirnwindung wie gewöhn- lich einen Bogen um den aufsteigenden Schenkel der Fissura Sylvii beschreibt, verläuft dieselbe links ganz gestreckt, und wendet sich erst nach der Basis zu im Bogen um eine Furche, welche eigentlich als eine flache Fortsetzung der oberen Randfurche der Insel erscheint; die letztere ist somit nach vorn offen. Die geringe Entwickelung der dritten Stirnwindung steht im Einklang mit der starken Verschmälerung des Stirnlappens und der gleichzeitigen Ver- kürzung des Seitenrandes, so dass das untere Ende der vorderen Central- windung sich sehr dem vorderen Ende des Stirnlappens nähert. In Folge dessen stellt die dritte Stirnwindung meist nur einen kurzen und einfachen Windungszug dar, welcher das untere Ende der vorderen Centralwindung mit der zweiten Stimwindung nach vorn verbindet. Eine solche einfache gerade nach vorn verlaufende dritte Stirnwindung ist z. B. in den beiden Fällen von Marshall (26, 27) vorhanden, ferner in denen von Valenti (49), Aeby I (45), Mierjeiewski (Mottey 41), Spurzheim Il (3), Katalog A 123 (14), Gratiolet (18, 19), auch bei der M. Rubiolio (52), obwohl diese Windung hier nur schwer aufzufinden war. (Cf. Giacomini.) Eine deutliche Bogenwindung ist bei Fr. Sohn (Sander 35) vorhanden. In dem Gehirn von Theile (23) wird die dritte Stirnwindung klein und einfach, aber geschlängelt genannt; Adriani erwähnt in seinem Falle (42) drei Stirnwindungen, ebenso Joseph (61); m dem Gehirn des Bertolotti (51) nähern sich die Verhältnisse nach Giacomini den normalen. Klüpfel bemerkt, dass in seinem Falle (39) die äussere untere Windung zu fehlen scheint, oder wenigstens nur eine Abzweigung des mittleren Wulstes darstellt. Sehr vereinfacht, aber doch deutlich vorhanden ist die dritte Stirnwindung an dem Marburger Gehirn. Bei der H. Becker (44) ist nach Bischoff’s Beschreibung die dritte Stirn- windung nur klein und rudimentär: Rüdinger, welcher die linke Hemisphäre der H. Becker abbildet, schliesst sich dem an, während Aeby in diesem Falle eine grössere breitere Windung, die Fortsetzung der vorderen Centralwindung für die dritte Stirn- windung hält. Ich kann diese Auffassung nach der Abbildung von Rüdinger und der Vergleichung mit den übrigen zahlreichen Fällen nur für richtig halten. - Die vordere Centralwindung ist in allen Fällen mit 5. centralis vor- handen, indess in vielen nach vorn nur sehr unvollkommen abgegrenzt, so dass sie kaum als eigentliche selbstständige Windung erscheint. Am unvoll- kommensten erscheint sie an den Gehirnen der Rubiolio (51) und Enrica (50). Nova Acta LV. Nr. 3. 27 210 Dr. Felix Marchand. (p. 42) Die Orbitalfläche bietet bei der Mikrocephalie, so viel ich sehen kann, keine besonders charakteristischen Verhältnisse, abgesehen von dem häufig, besonders in Fällen hohen Grades, sehr ausgeprägten sogenannten Siebbein- Schnabel, welcher besonders durch die stark geneigte Lage des oberen Orbitaldaches und gleichzeitiger Verschmälerung des Stirntheils nach vorn bedingt ist. Stärker als am Gehirn selbst tritt der scharf nach unten vor- springende mediale Rand der Stirnlappen am Schädelausguss hervor. — Die Furchen der Orbitalfläche sind häufig vereinfacht, diese selbst oft sehr klein. 6. Fissura occipitalis und Oceipitalwindungen. Von besonderer Bedeutung ist in der Anatomie des Mikrocephalen- Gehirnes das Verhalten der das Hinterhaupt von dem Scheitellappen trennenden Spalte (Fissura oceipitalis) geworden, seitdem durch Gratiolet die Bildungs- weise dieser Spalte und der sie überbrückenden Windungen als charakteristisch für die Unterscheidung des menschlichen Gehirnes von dem der Affen hin- gestellt worden ist. (Der Ausdruck Fissura oceipitalis ist hier in allgemeinem Sinne für die Fissura perpendieularis interna oder parieto-oceipitalis und die Fissura perpendicularis externa oder transversa gebraucht.) Die Fissura perpendicularis interna wird wohl an keinem Mikrocephalen-Gehirn vermisst, während eine ausgeprägte Fissura perpendicularis externa nicht immer vor- kommt, ebenso wie sie auch am normalen Gehirn nicht constant ist. Während dieser Furche daher im Allgemeinen keine grosse Wichtigkeit zu- kommt, hat dieselbe in dem von Fischer beschriebenen Gehirn eine bemerkenswerthe Ausbildung erreicht; an der rechten Hemisphäre bildet diese Furche einen tiefen Ein- schnitt, welcher vom unteren Rande der Hemisphäre quer über die convexe Fläche bis in die Nähe des oberen Randes verläuft; an der linken Seite geht dieselbe, ebenfalls von der Nähe des oberen Randes aus, mit schräger Richtung in die erste Schläfenfurche über, ein Verhalten, welches nach Fischer sonst weder bei Menschen noch bei Affen beobachtet worden ist. Ein Uebergang der Furche in die Fissura parieto-oceipitalis war hier nicht vorhanden; es war demnach die erste Hinterhauptswindung in ihrer normalen Anordnung erhalten. Bekanntlich hat Gratiolet an der convexen Oberfläche des mensch- lichen Gehirnes vier sogenannte äussere Uebergangswindungen kennen gelehrt, welche die Verbindung zwischen dem Scheitel- und Schläfenlappen einerseits Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 43) 211 und dem Hinterhauptlappen andererseits darstellen, und er hat gerade die oberflächliche Lage dieser Windungen als einen durchgreifenden Charakter des menschlichen Gehirnes gegenüber dem der Affen hervorgehoben. Bei den beiden von Gratiolet beschriebenen und abgebildeten Mikrocephalen-Gehirnen hatte sich dies in der That bestätigt, worauf Gratiolet besonders aufmerk- sam macht. Es ist jedoch seitdem eine ganze Reihe Gehirne bekannt ge- worden, bei welchen jener Charakter nicht vorhanden ist, so dass derselbe seiner absoluten Gültigkeit schon lange beraubt ist. Die directe Fortsetzung der Parieto-Occipitalspalte in die Fissura perpendicularis externa und damit zugleich auch die Herabdrängung der Uebergangswindungen in die Tiefe der - Furche, wie bei den Affen, findet sich bei einer ganzen Anzahl von Mikro- cephalen-Gehirnen. Ist die Spalte ausgebildet, so kann sich der Hinterhaupt- lappen deckelartig an den hinteren Rand des Scheitellappens anlegen, so dass ein vollkommen affenähnliches Operculum occipitale entsteht. Dies ist jedoch nicht immer in gleichem Grade der Fall, denn meist klafft die Spalte doch noch derartig, dass die in der Tiefe gelegenen Windungen noch zum grossen Theil zu übersehen sind. Ein ähnliches Verhalten finden wir auch am Gehirn des Orang und Gorilla vor. Die Fortsetzung der Fissura perpendicularis interna über die Convexität ist in den Fällen von Sandifort (4), Marshall (26, 27), Bischoff (44), Mierjeiewski I (Mottey 41), Aeby (Peier 46), Giacomini (56), Mierjeiewski II (Dubois 57), Ducatte I und II (20, 67), Krause (59) und in dem meinigen vorhanden, allerdings nicht immer in gleichem Grade ausgebildet. An dem Gehirn von Sandifort findet sich, der Abbildung nach, rechts ein tiefer Einschnitt, welcher von der Fissura parieto- occipitalis schräg über die Hemisphäre zieht, etwa in der Richtung nach der ersten Schläfenfurche ; etwas sicheres lässt sich darüber indess nicht angeben, da eine Profil- ansicht des Gehirnes fehlt; links ist die Furche weniger ausgeprägt. Das Verhalten der Windungen ist nicht bestimmbar. Bei der Helene Becker (Bischoff 44) setzt sich die Fissura parieto-occipitalis ziemlich weit auf die convexe Fläche fort; nach Bischoff fehlt die erste Schädelbogen- windung (G. oceip. primus) ganz, doch ist der Abbildung nach wahrscheinlich, dass die- selbe in die Tiefe versenkt ist, was auch Aeby annimmt. Die zweite ist beiderseits oberflächlich. Bei dem Gehirn des Mottey geht beiderseits ein tiefer S. occip. transversus über die Hemisphäre hin und der Hinterhauptlappen bildet ein unvollkommenes Oper- culum. Die erste Occipitalwindung ist rechts in die Tiefe gerückt, links fast ober- 27% | 212 Dr. Felix Marchand. (p. 44) flächlich, die zweite beiderseits tief. Damit stimmt die von Ducatte gegebene Be- schreibung des Modells. In Aeby’s Fall II (Peier 46) erstreckt sich beiderseits eine tiefe Spalte über die Convexität, mit deckelartiger Bildung des Hinterhauptlappens. Die erste Occipital- windung ist beiderseits (mit ihrem hinteren Ende) in die Tiefe versenkt, von der zweiten ist dies nicht sicher erkennbar. Aeby macht auf die vollständige Uebereinstimmung der einen Hemisphäre des Peier mit der Gratiolet’schen Abbildung des Orang-Gehirns aufmerksam. An dem Gehirn der Manolino (Giacomini 56) setzt sich die Parieto-Occipital- Furche beiderseits in den Sulcus parallelus fort, also ganz analog dem Verhalten des Sulcus occipitalis perpendicularis externus bei Fischer. Giacomini hebt ebenfalls das Aussergewöhnliche dieses Vorkommens sowohl beim Menschen- als beim Affengehirn hervor. Beide Occipitalwindungen sind wenig entwickelt und in die Tiefe versenkt, die erste aber, besonders rechts, grösstentheils sichtbar. Der Hinterhauptlappen bildet ein Operculum. Auch bei der Dubois (Mierjeiewski Il 57) ist beiderseits ein tiefer Einschnitt zwischen Hinterhaupt- und Scheitellappen vorhanden, besonders links. Leider ist über das Verhalten der Windungen nichts angegeben und es fehlt eine Profilansicht des Gehirnes; es scheinen aber mindestens die beiden ersten Uebergangswindungen in die Tiefe versenkt zu sein. Die beiden Gehirne von Marshall (26, 27) schliessen sich am nächsten wohl an das der Becker an. Im Fall I ist rechts eine deutliche Fortsetzung der Fissura parieto-occipitalis nach aussen vorhanden, links weniger; die erste Occipitalwindung ist beiderseits in die Tiefe gerückt, besonders rechts, die zweite oberflächlich. Im Fall II ist eine deutliche Fortsetzung der Parieto-Occipitalspalte nach aussen zwar nicht vor- handen, indess ist die erste Oceipitalwindung beiderseits in die Tiefe derselben versenkt, die zweite dagegen oberflächlich. Bei der Negerin von Baillarger (20) beschreibt Ducatte eine Fortsetzung der senkrechten Hinterhauptspalte, besonders rechts mit Bildung eines Operculum. Die beiden ersten Uebergangswindungen sind links in die Tiefe versenkt, die erste auch rechts tief, die zweite oberflächlich. Es ist auffallend, dass Gratiolet, welchem doch dies Gehirn ebenfalls vorgelegen hat, dieses Verhalten der Windungen nicht hervorhebt. In dem zweiten Fall von Ducatte (Edern 67) war beiderseits die Querspalte mit Operculum vorhanden. Auf der rechten Seite waren die drei ersten Uebergangs- windungen siimmtlich in die Tiefe versenkt, links die beiden ersten fast oberflächlich; die dritte vollständig. Linkerseits war dem entsprechend die Querspalte nicht sehr ausgebildet. Bei dem von Krause beschriebenen Gehirn war beiderseits eine tiefe Spalte mit ausgebildetem Operculum vorhanden, so dass Krause die grosse Affenähnlichkeit des Hinterhauptlappens hervorhebt; die erste Uebergangswindung ist versenkt. Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 45) 213 Am meisten dem Affentypus entsprechend ist die Bildung des Hinterhaupt- lappens und besonders der Hinterhauptspalte bei dem oben beschriebenen Gehirn des K. Koch. Wir sehen an der Oberfläche weder eine erste, noch eine zweite Hinterhaupts- windung die Verbindung zwischen Scheitel- und Hinterhauptlappen darstellen; beide sind vollständig in die Tiefe der Spalte versenkt, welche sich von dem Sulcus parieto- oceipitalis quer über die Convexität in die zweite Schläfenfurche fortsetzt; der Hinter- hauptlappen legt sich so genau deckelartig an den hinteren Rand des Scheitellappens an, dass beide gegenüberliegende Flächen genau übereinstimmend modellirt sind. Dies ist somit fast genau dasselbe Verhalten, wie es an dem Gehirn eines Macacus oder Inuus sich findet; bei den anthropomorphen Affen nähert sich die Bildung des Hinter- hauptlappens bereits mehr der menschlichen Form, besonders beim Orang und beim Gorilla, während beim Chimpanse die sogenannte Affenspalte noch relativ am stärksten ausgebildet ist. Bei dem ersteren findet sich zwar, wie aus den Abbildungen von Gratiolet und Bischoff u. A. ziemlich übereinstimmend hervorgeht, eine tief ein- schneidende Parieto-Occipitalfurche, aber dieselbe ist nach aussen von der grösstentheils oberflächlich verlaufenden ersten Occipitalwindung umgeben, welche sich bereits ziemlich stark zwischen jener Furche und dem Sulcus occipitalis transversus vordrängt. Die Interparietalfurche geht daher ganz in die letztere über, wie das auch beim Menschen vorkommt. Beim Gorilla stimmt die Configuration des Hinterhauptlappens noch mehr mit der menschlichen Form überein, indem die erste Occipitalwindung, welche die nicht besonders tief einschneidende Parieto-Occipitalspalte umgiebt, ganz an der Ober- fläche liegt. Auch an dem Breslauer Gehirn ist eine operculumartige Bildung des Hinter- hauptlappens deutlich vorhanden, indem beiderseits die erste, rechts auch noch die zweite Hinterhauptswindung in die Tiefe versenkt ist, so dass das Gehirn in dieser, wie in einigen anderen Beziehungen eine nicht geringe Affenähnlichkeit besitzt. 1) 1) Anmerkung. Bei Gelegenheit dieses Gehirnes möge die Bemerkung gestattet sein, dass es nicht ganz leicht ist, die Verhältnisse der Hinterhauptswindungen mit den normalen zu vergleichen, weil auch bei diesen nicht geringe Abweichungen vorkommen. An wohl aus- gebildeten Gehirnen kann man vier Occipitalwindungen an der Convexität deutlich unter- scheiden, sehr häufig ist dies jedoch nicht möglich, denn die dritte und vierte sind nicht selten zu einer gemeinschaftlichen Windung am Rande der Hemisphiire, als directe Fortsetzung der dritten Schläfenwindung, mit einander verschmolzen. Nicht selten geht die dritte Schliifen- furche an der Grenze des Hinterhauptlappens auf die Convexität der Hemisphäre über und bildet auf- diese Weise eine tiefe Unterbrechung zwischen der dritten Schläfenwindung und der unteren Oceipitalwindung. Ferner kommt zuweilen ein Verborgensein der zweiten Hinter- hauptswindung vor, so dass die dritte Windung unmittelbar auf die erste zu folgen scheint. Beide Hälften des Gehirnes können sich sehr verschieden dabei verhalten, wie das auch an dem vorliegenden Gehirn der Fall ist. Rechts könnte man die sehr deutlich ausgesprochene 4 u 214 Dr. Felix Marchand. (p. 46) 7. Die mediale Fläche der Hemisphäre. Die Aushildung der medialen Fläche des Grosshirns ist, abgesehen von ihrem hinteren Theile, wesentlich von der Entwickelung des Balkens abhängige. In allen Fällen von Balkenmangel sehen wir an Stelle des nor- malen bogenförmigen Windungszuges (Gyrus cinguli) ein abweichendes System von Windungen und Furchen auftreten, welche im Ganzen radiär ver- laufen und augenscheinlich auf die ursprünglichen Faltungen der Hemisphären- wand zurückzuführen sind (Anton, Onufrowiez, H. Virchow u. A.) Bei der einfachen Mikrocephalie zeigt die mediale Fläche des Stirn- und Scheitellappens, abgesehen von der Vereinfachung der Windungen, nur un- bedeutende Abweichungen, welche keine besondere Berücksichtigung erfordern dürften. Dagegen mögen einige Bemerkungen bezüglich der Bildung des Gyrus hippocampi hier noch Platz finden. Von Gratiolet ist eine ähnliche Bedeutung wie den „oberen Ueber- gangswindungen“ auch der Verbindung zwischen dem Gyrus cinguli, dem Cuneus und dem Gyrus hippocampi beigelegt worden. Beim Menschen ist es bekanntlich die Regel, dass der erstere sich direct in den Gyrus hippocampi durch einen oberflächlich gelegenen Windungszug fortsetzt. Zwischen diesem und dem Lobulus lingualis, welcher ebenfalls in den Gyrus hippocampi über- geht, liegt die Fortsetzung der Fissura calcarina, in deren Grunde die so- genannte Zwiekelwindung Ecker’s (cuneo-limbique) die Verbindung zwischen Hippocampus und Cuneus vermittelt. Bei den Affen geht dagegen die Fissura calearina direet in die Fissura hippocampi über, so dass der Gyrus gleichen Namens durch jene von dem Gyrus einguli getrennt und lediglich als Fort- setzung des Lobulus lingualis erscheint. Grätiolet erblickte hierin einen durchgreifenden Unterschied zwischen dem Menschen- und dem Affengehirn. Windung, welche von der Supramarginalwindung um die Occipitalspalte herum sich nach der Spitze erstreckt, für die zweite Oceipitalwindung halten, indess tritt medianwärts von der- selben neben der ersten noch eine deutliche Windung aus der Tiefe hervor, welche doch nur als zweite Occipitalwindung gedeutet werden kann. Links ist dagegen eine solche zweite tiefe Windung nicht deutlich; hier würde also die oberflächliche bogenförmige Windung der zweiten entsprechen, aber nach aussen von derselben folgt nur noch eine Windung, welche demnach die dritte und zweite zusammen darstellen müsste. | | | bau Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 47) 21 Huxley!) zeigte indess, dass auch dieser Unterschied nicht ganz constant ist, da bei Ateles paniscus die Fissura calcarina ebenfalls nicht in die Fissura hippocampi übergeht, und nach Bischoff ist bei einem Gibbon dasselbe der Fall. Jedenfalls scheint ersteres Verhalten für das Affengehirn (auch für das der Anthropomorphen) die Regel, letzteres eine seltene Ausnahme zu sein. Allerdings handelt es sich auch hier, wie bei der ersten Hinterhaupts- windung, um eine ziemlich unbedeutende Verschiedenheit, indem auch bei der Unterbrechung des Gyrus cinguli durch eine Furche die Verbindung that- sächlich in der Tiefe vorhanden ist. Immerhin sind wir berechtigt, wenn wir dieses Verhältniss am menschlichen Gehirn finden, von einer Affenähnlichkeit zu reden. Dies ist der Fall bei dem Gehirn des K. Koch; von der Medianfläche aus ist ein Uebergang des Gyrus cinguli in den Gyrus hippocampi nicht sichtbar; der Lobulus lingualis ist gewissermaassen gegen das Splenium vorgeschoben, während der absteigende Theil des Gyrus cinguli lateralwärts umgebogen und in die Tiefe gerückt ist, worauf er aber ebenfalls in den Gyrus hippocampi übergeht. Die Fortsetzung der Fissura calcarina (und parieto-oceipitalis) erstreckt sich demnach direct in die Fissura hippocampi. — Bei dem Breslauer Gehirn waren diese Verhältnisse nicht sicher zu entscheiden, da das- selbe nicht zerlegt werden durfte, bei dem Marburger (Fall III) war eine Unterbrechung der Windung nicht vorhanden. Ueber das Vorkommen jener Anomalie bei anderen Mikrocephalen -Gehirnen vermag ich keine bestimmten Angaben zu machen. Die Abbildungen der Medianfläche sind zur Entscheidung nicht immer hinreichend, und die Beschreibungen erwähnen diesen Punkt in der Regel nicht besonders.?2) In den meisten Fällen scheint aber das gewöhnliche menschliche Verhalten vorzuliegen. Abweichungen der Fascia dentata und der Fimbria sind an Mikrocephalen- Gehirnen in einzelnen Fällen beschrieben worden, so bei Mottey von Mierjeiewski, wo die erstere fast ganz fehlte. 1) Huxley, Proceedings of the scientific meetings of the Zoolog. Society of London 1861, Pl. 29, p. 247. (H. sagt: „But, so far as I haye examined into the matter it (i. e. Gyrus cinguli) is similarly continued into the uncinate gyrus in Apes“, p. 255.) 2) yan Schouwen (80) fand in seinem Fall den Gyrus fornic. ohne Verbindung mit dem Gyrus hippocampi. 216 Dr. Felix Marchand. (p. 48) Cap. V. Innerer Bau des Mikrocephalen-Gehirnes. 1. Die Commissuren. Das Verhalten der Commissuren, vorzüglich des Balkens im Gehirn der Mikrocephalen, ist von grossem Interesse; wir finden bei einer ganzen Reihe von Fällen, und zwar besonders bei solchen hohen Grades, Angaben über eine abnorme Bildung des Balkens, und zwar ist dieselbe so überein- stimmend, dass an ein zufälliges Zusammentreffen mit der Mikrocephalie nicht gedacht werden kann. Im Allgemeinen ist der Balken bei der Mikrocephalie verkürzt und nähert sich dadurch mehr dem Verhältnisse beim Fötus, wie bereits Aeby durch Zusammenstellung der Balkenlängen bei einer Reihe von Fällen nach- gewiesen hat, doch gilt dies nur von den Fällen hohen Grades und selbst bei diesen kann der Balken die normale Länge erreichen und sogar übertreffen. Im normalen Gehirn des Erwachsenen beträgt die Länge des Balkens (nach Aeby) 43,8 Procent der ganzen Hemisphärenlänge, doch kommen dabei ziemlich erhebliche Schwankungen vor.!) Bei den Affen wechselt die Balkenlänge je nach der Art ebenfalls nicht unerheblich (37—45 Procent nach Aeby). Bei Mikrocephalen betrug dieselbe: Bei Metten (41) u, wurde Procent, im Fall von Sandifort (4) E FO.) aS) bes Hel EE DEE Ee ee 1) Vergl. auch Schröter, Tageblatt der Gesellschaft der Naturforscher und Aerzte in Köln 1888. (Nachträglicher Zusatz.) *) Nach der Abbildung. | ! Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 49) 217 bei M. von Jena (23) «1 80,6 Procent, M. von Breslau (82) 38,4 ü bei J. Dubois (57) 40,0 ” im Fall II von Marshall (27) RER 00 ss Dei Kis KOCK" (UI) rg tee il, Ps ooa a Heil. (83) 413» im Fall I von Aeby (45) 41, = bei Pfefferle (34) 43,0 m im Fall II von Aeby (46) iit seed atl - 2 iin illo Giacomin AE tte 4 o "2 mate Maghreb a Ausserdem wurde eine starke Verkürzung des Balkens.beobachtet in den Fällen von Gratiolet (18, 19), A driani (42), Broca (58), Sapolini (38), van Schouwen (80), geringe Verkürzung bei Fr. Sohn (35). i In den übrigen Fällen wurde der Balken entweder nicht gemessen oder nicht besonders erwähnt oder als normal angegeben, so besonders in den Fällen geringeren Grades. Die Verkürzung betraf stets den hinteren Theil des Balkens; daneben ist be- sonders die beträchtliche Verdünnung desselben hervorzuheben, welche meist mit der Verkürzung Hand in Hand ging. In den Fällen von Fischer (53) und Mierjeiewski II (Dubois 57) war der Balken in seiner ganzen Ausdehnung so verdünnt, dass er nur ein 2—3 mm dickes Querband darstellte. i In den Fällen von Sandifort, Theile, Gratiolet, Sander I, Mier- jeiewski I (Mottey) war ganz besonders der hintere Theil nebst dem Splenium ver- dünnt, so dass derselbe anstatt der gewöhnlichen Anschwellung allmählich in eine kaum 2—3 mm dicke Lamelle überging. An dem Sandifort’schen Gehirn reichte der Balken nur über die vordere Hälfte des Sehhügels (Länge nach der Abbildung 2,8 c); sein hinterer Rand war in der Mitte ausgeschnitten, so dass die seitlichen Theile länger waren. In anderen Fällen besass dagegen der Balken eine beträchtliche Dicke, so z. B. in den beiden von. Marshall; bei Helene Becker war die Bildung des Balkens, ab- gesehen von der Verkürzung, nicht abnorm, ebenso auch in meinen Fällen. Das Septum pellucidum war selbst bei starker Veränderung des Balkens meist vorhanden, fehlte aber bei dem Mikrocephalen von Jena, so dass hier der Fornix *) Nach der Abbildung. Nova Acta LV. Nr. 3. 28 EE at ia nee ac wow eine RR nn anne a 218 Dr. Felix Marchand. (p. 50) dem Körper des Balkens anlag; es war verhältnissmässig schmal in dem Gehim des Pfefferle und in den beiden Fällen von Marshall. Die unregelmässige Bildung des Septum pellueidum in dem Marburger Gehirn (Heil) (mangelhafter Schluss der Commissura baseos alba) ist wahrscheinlich artificieller Natur. Die starke Verdiinnung des Balkens in dem Gehirn des Franz Becker (Flesch 68), sowie das Vorhandensein einer weiten Oeffnung an Stelle des Septum pellu- cidum, durch welche beide Ventrikel mit einander communicirten, erklärt sich hier durch den hohen Grad von Hydrocephalus internus, als regelmässige Folge desselben. Bestimmte Beziehungen zwischen der Verkürzung und Verschmälerung des hinteren Endes des Balkens und der Gestaltveränderung der Grosshirn- hemisphäre lassen sich kaum aufstellen. Es ist zwar verlockend und nahe- liegend, anzunehmen, dass die mangelhafte Entwickelung des hinteren Balken- theiles auch der geringen Grösse des Scheitel- und Hinterhauptlappens entspricht, aber es ist dies. jedenfalls kein nothwendiges Zusammentreffen, denn wir sehen in einigen Fällen mit sehr mangelhafter Entwickelung des hinteren Theiles der Hemisphären einen relativ starken und langen Balken (Fälle von Marshall), während in anderen Fällen mit verhältnissmässig grossem Scheitel- und Hinterhauptlappen, besonders ersterem, der Balken kurz und verschmälert ist (Mottey, Fall von Sandifort). Auch in manchen Fällen von totalem Balkenmangel war gleichzeitig ein mehr oder weniger hoher Grad von Mikrocephalie vorhanden (Cramer, Gaddi, Anton, Onufrowiez, H. Virchow u. A.). Indem ich von einer näheren Betrachtung dieser Fälle aus oben angegebenen Gründen hier absehe, hoffe ich, bei einer anderen Gelegenheit auf dieselben zurückzukommen. Mangelhafte Ausbildung des Fornix fand sich nur bei gleichzeitiger Verkürzung und Verdünnung des Balkens. Von den übrigen Commissuren wurde die vordere mehrmals sehr klein und schmal gefunden, so in dem einen Falle von Gratiolet (19), dem von Fischer (53) und in meinen Fällen 1 und 3; in dem Gehirn der Dubois (57) und der Wyss (45) wurde sie ganz vermisst. Die graue Commissur fehlte ebenfalls in mehreren Fällen: Vrolik (15), Gra- tiolet (19), Mierjeiewski II Dubois (57), Delorenzi (52), Fischer (53), L. Down I (36) und in meinem Fall I. In anderen war sie dagegen ungewöhnlich dick: MarshallI und I, Aeby I (45), Jäger (9), wenigstens scheint mir die Angabe des letzteren, dass die Wände des dritten Ventrikels fast ganz mit einander verwachsen waren, nicht anders zu verstehen zu sein. Die graue Commissur fehlt bekanntlich auch an normalen Gehirnen zuweilen. | | | Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 51) 219 2. Die Ventrikel. Was die Ventrikel anlangt, so wurde in einer Reihe von Fällen ein mehr oder weniger hochgradiger hydrocephalischer Zustand derselben be- obachtet. Erweiterung der Ventrikel, besonders in hinteren Theilen, fand sich in den Fällen von Peacock (21), Mierjeiewski Il (57), sowie in meinem Fall I; starke Er- weiterung wurde von Theile-Wagner (23), Sapolini (38) und in dem Gehirn des Rake (Vogt 33) beobachtet; stärkerer Hydrocephalus mit beträchtlicher Verschmälerung der Hemisphärenwandung von Vrolik (15) und von Flesch (68), so dass namentlich in diesen letzteren Fällen das ursprüngliche Grössenverhältniss der Mikrocephalie wesent- lich verdeckt wurde. Abgesehen von der Grösse des Gehirnes und des Schädels werden aber selbstverständlich auch die morphologischen Einzelheiten wesentlich alterirt, so dass diese Fälle nur mit Vorsicht für das Studium der speeifischen Eigen- thümlichkeiten des Mikrocephalen - Gehirnes verwendet werden können. Die Abplattung der Oberfläche, das Verstreichen der Furchen, die mehr oder weniger starke Verschmälerung der grauen und weissen Substanz, die Ver- dünnung des Balkens, die fortschreitende Ausdehnung des Septum pellucidum mit Bildung von Durehbriichen oder selbst vollständigem Detect, Veränderung des Ependyms im Innern der Ventrikel, Abflachung der grossen Ganglien, Alles dies kann im Gefolge des hydrocephalischen Zustandes eintreten, ebenso wie es auch bei einem nicht mikrocephalen Gehirn der Fall ist. Damit gehen natürlich auch functionelle Störungen Hand in Hand, die nicht eigentlich durch die Mikrocephalie bedingt sind, namentlich schwere Mo- tilitätsstörungen, Contracturen der Extremitäten, welche auf das Vorhandensein seeundärer Degeneration im Rückenmark und der Medulla oblongata schliessen lassen, wie solche auch thatsächlich bei dem Fr. Becker (Flesch und Alexandra Steinleehner-Greschischnikoff (68) nachgewiesen werden konnte. Während wir in den erwähnten Fällen die Hydrocephalie als Accidens zu der eigentlichen Mikrocephalie hinzutreten sehen — das deutlichste Bei- spiel dürfte dasjenige des Fr. Becker sein, welcher allein unter seinen zahl- reichen mikrocephalen Geschwistern zugleich hydrocephal war —- entwickelt sich in anderen Fällen ein ähnlicher Zustand so frühzeitig, dass derselbe die mangelhafte Ausbildung des Gehirnes erst nach sich zu ziehen scheint. Daraus 28% 220 Dr. Felix Marchand. (p. 52) entstehen die Fälle von sogenannter Hydromikrencephalie (Cruveilhier, Klebs, Barlow u. A.), sowie bei mehr circumscripter Flüssigkeitsansammlung die porencephalischen Defecte, welche indess zum Theil möglicher Weise noch anders zu beurtheilen sein dürften. Jedenfalls sind beide von der eigentlichen Mikrocephalie zu trennen und sollen daher hier ebenfalls nicht weiter berücksichtigt werden." Die grossen Ganglien an der Basis des Grosshirns scheinen im Ganzen wenig Veränderungen darzubieten, abgesehen von secundären Formverände- rungen durch Hydrocephalie und der Betheiligung an der allgemeinen Ver- kleinerung. 3. Verhalten der grauen Rinde. Eine genaue Kenntniss des Verhältnisses der grauen zu der weissen Substanz des Gehirnes würde für die Beurtheilung pathologischer Hirnbefunde von grossem Werthe sein, indess sind wir noch ziemlich weit von einer solchen entfernt. A. Wagner hat von einer Bestimmung der Menge der grauen Substanz als aussichtslos Abstand genommen.: Jensen hat zuerst Be- rechnungen der grauen Rinde des Gehirnes angestellt, indem er die gefundene Gesammtoberfläche der einzelnen Lappen mit der durchschnittlichen Rinden- decke multiplicirte. Er hat dieselben Berechnungen auch an seinen beiden Mikrocephalen-Gehirnen ausgeführt und dabei eine ziemlich beträchtliche, nicht blos absolute, sondern auch relative Verminderung der grauen Substanz gefunden. Die durchschnittliche Dicke der Rinde betrug bei der Kolakowski (65) 2.17, bei Gise (54) 2,33 mm im Vergleich zu einer Dicke von Za: mm an dem normalen Gehirn (Mittel aus drei Fällen) im gehärteten Zustande. Im Allgemeinen scheint die Dicke der grauen Substanz bei der Mikrocephalie überhaupt eher herabgesetzt, als vermehrt zu sein. Joseph fand dieselbe in seinem Falle sogar stark verschmälert, ebenso Mier- jeiewski RU (57), wo dieselbe im Stirn- und Scheitellappen 1,.—1,4 mm, im Hinter- hauptlappen nur 1 mm betrug. In anderen war dieselbe von gewöhnlicher Dicke (Shuttleworth, Peacock u. A.). 1) Vergl. hierüber: R. Schattenberg, Ueber einen umfangreichen porencephalischen Defect des Gehirns bei einem Erwachsenen. Arbeiten aus dem pathologischen Institute zu Marburg, Heft 2 — Beiträge zur pathologischen Anatomie etc. von Ziegler und Nauwerk, Bd. V, 1889. (Nachträglicher Zusatz.) H | i ` Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 53) 22] Eine allzu grosse Bedeutung darf man geringen Differenzen der Dicke der Rinde meines Erachtens überhaupt nicht beilegen, da dieselbe auch am normalen Gehirn in ziemlich weiten Grenzen schwanken kann; am kindlichen Gehirn ist die Rinde im Allgemeinen dicker als am Gehirn des Erwachsenen, im mittleren Lebensalter dieker als in späteren ‚Jahren. Dabei haben andere, zum Theil sogar vorübergehende Bedingungen einen nicht unbedeutenden Ein- fluss auf die Dicke der Rinde, wie z. B. üdematöse Durchtränkung u. s. w. Auch genaue Messungen der Rindendicke nach der Härtung haben, wenn die Differenzen nicht ganz in die Augen fallend sind, aus diesen und anderen Gründen keinen allzu grossen Werth. Die Verschmälerung der Rinde bei der Mikrocephalie würde bedeuten, dass die beiden Substanzen sich an der mangelhaften Entwickelung des Grosshirns in ziemlich gleicher Weise betheiligen, dass also der geringeren Masse der Leitungsbahnen auch ein geringerer Antheil an Ganglienzellen ent- spricht. Dies ist wohl das Gewöhnlichste. Dem gegenüber muss um so mehr die colossale Anhäufung von grauer Substanz in dem Gehirn des K. Koch auffallen, und zwar ist dieselbe augen- scheinlich — wie ein Blick auf die Durchschnitte lehrt — um so mächtiger, je weniger gegliedert die Oberfläche ist, während die Marksubstanz sich gerade umgekehrt verhält. Am stärksten ist die Anhäufung im hinteren Theile der ersten Stirn- windung, ferner im Bereiche der vorderen Centralwindung, und ganz besonders gleichmässig im Bereiche des ganzen Scheitellappens, während in dem tiefer gefurchten Stirnlappen, besonders seitlich und unten, sich die Dicke der Rinde mehr dem normalen Verhalten nähert. (s. Abth. I, Fig. 6.) Nimmt man mit Jensen die durchschnittliche Dicke der grauen Substanz des Scheitellappens zu 2,43 mm an und die Gesammtoberfläche zu 20000 qmm (nach Wagner und Jensen), so ergiebt sich als Volumen der grauen Rinde dieses Lappens 48, ccm, für die convexe Fläche allein mit einer approximativen Grösse von 17000 qmm aber 41,3 ccm. Rechnen wir in unserem Falle die durchschnittliche Dicke der grauen Rinde zu 1 cm, was gewiss noch hinter der Wahrheit zurückbleibt, so erhalten wir bei einer Oberfläche von 3100 mmm den ansehnlichen Werth von 31 ccm, bei einer durch- schnittlichen Dicke von 1,25 cm sogar 38,75 ccm. Es ist also annähernd dieselbe Menge grauer Substanz an der Oberfläche angehäuft, wie in der Rinde eines normal entwickelten Scheitellappens. Die Verkleinerung ist also lediglich der mangelhaften Entwickelung | 222 Dr. Felix Marchand. (p. 54) der Marksubstanz zuzuschreiben. Für die anderen Lappen liegen die Verhältnisse wahr- scheinlich ebenso, doch lässt sich hier wegen der stärkeren Furchung der Oberfläche eine auch nur annähernd genaue Berechnung kaum ausführen. Ein ähnliches, wenn auch nicht ganz so stark hervortretendes Miss- verhältniss zwischen den beiden Substanzen findet sich in einigen wenigen Fällen von Mikrocephalie, welche mit sogenannter Mikrogyrie (Heschl) verbunden waren. Namentlich hebt Chiari in seinem Fall (63) von Mikrogyrie mit nur geringer Verkleinerung des Gehirnes im Ganzen die auffallend geringe Entwickelung der weissen Substanz hervor, so dass von dem Centrum semiovale nur eine ganz schmale Schicht zwischen Ependym der Seitenventrikel und der Rinde vorhanden war. „Das Rindengrau des Grosshirns war an der lateralen Fläche desselben ungemein mächtig und stark ge- wunden und enthielt nur schmale verästigte Blätter von weisser Substanz in sich.“ (120492283) Heschl erwähnte in seiner ersten kurzen Mittheilung‘) über die Mikrogyrie bereits die geringe Entwickelung der weissen Substanz gegenüber der Dicke der grauen tinde. Aehnlich scheint es sich in dem von Foerster leider nur sehr unvollständig mitgetheilten Falle (28) verhalten zu haben. Auch Binswanger erwähnt in seinem Falle von Mikrogyrie und Porencephalie ohne wesentliche Verkleinerung des Gehirnes (Gehirngewicht ohne Pia mater 1040, Mädchen von 10 Jahren) die verhältnissmässig grosse Dicke der Rinde. Das von Peacock beschriebene Gehirn (21) war, nach der Abbildung zu urtheilen, zweifellos mit Mikrogyrie behaftet; die Dicke der Rinde wird hier allerdings als gewöhnlich bezeichnet, sie scheint aber eher etwas stärker gewesen zu sein, als normal, während die weisse Substanz bei der ziemlich starken Erweiterung der Ventrikel stark verschmälert erscheint. Das von Retzius beschriebene Gehirn war ebenfalls durch Mikrogyrie ausgezeichnet. Bemerkenswerth. ist, dass auch in einem Falle von cretinistischer Mikrocephalie von Maffei und Rösch (13) die graue Substanz als „eigentlich hypertrophisch“ be- zeichnet wird. Stahl?) sagt sogar, dass ihm fast bei allen von ihm angestellten Sectionen von Cretins die Corticalsubstanz auf Kosten der medullären vorherrschend erschienen sei (S. 75). In seiner 3eobachtung 16 (Zuckerhutform des Kopfes, *) Ueber die vordere quere Schläfenwindung, Festschrift zum 25jährigen Jubiläum der Landes-Irrenanstalt zu Wien. 1878. 2) Neue Beiträge zur Physiognomik und pathologischen Anatomie der Idiotia endemica (gen. Cretinismus). Erlangen 1848. Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 55) 223 M. v. 33 J.) fand er die graue Substanz in hohem Grade vorherrschend, die Marksubstanz quantitativ verdrängt; in Beobachtung 18 (M. v. 66 J., Cretin mit grossem, platt gedrücktem Kopfe) „die graue Substanz die weisse überwiegend“. Auch Wetzler fand bei einer 34jährigen Cretine, dass die Rindensubstanz des grossen Ge- hirnes das gewöhnliche Verhältniss zur Marksubstanz weit überschritt (ef. Stahl 1, 31). Giacomini fand in einem der von ihm untersuchten Gehirne ebenfalls un- gleichmässige Dicke der grauen Substanz und höckerige Oberfläche (Assale 75), in einem zweiten war die Rinde im Verhältniss zu der sehr reducirten Marksubstanz vermehrt (Bernardi 77). Bei dem dritten Gehirn (Casalini 76) soll nach Giacomini das Ver- hältniss der grauen und weissen Substanz annähernd das normale gewesen sein, an der Abbildung (Taf. VII, 3) tritt indess eher eine beträchtliche Anhäufung der grauen Sub- stanz an der Convexität, bei gleichzeitiger starker Vereinfachung der Windungen, hervor, wodurch das Gehirn einigermaassen an das des Koch erinnert. Jedenfalls darf man wohl behaupten, dass die Mikrocephalen- Gehirne sich nach dem Verhalten der grauen Rinde in zwei ziemlich scharf geschiedene Gruppen sondern lassen; bei der grossen Mehrzahl der Fälle, und zwar gerade bei den am meisten aus- gesprochenen und hochgradigen, ist das gegenseitige Verhältniss der beiden Substanzen kaum verändert, während bei einer kleinen Reihe von Fällen tiefere Störungen dieses Verhältnisses vorliegen. Gleichzeitig sind gerade diese Fälle durch besonders einfache plumpe Windungen ausgezeichnet, und die kleinen Unebenheiten der Oberfläche, welche sich bei einigen dieser Gehirne finden und den Charakter der Mikrogyrie bedingen, machen geradezu den Eindruck einer allseitigen Wucherung der grauen Substanz bei verkleinerter Oberfläche und mangelhafter Ausbildung der Marksubstanz. Zwischen den Ge- hirnen mit ausgesprochener Mikrogyrie und dem des K. Koch mit seiner glatten Oberfläche scheint mir nur ein gradueller Unterschied zu bestehen. Dass bei einem so beschaffenen Gehirn viel erheblichere Functionsstérungen zu erwarten sind, als bei einem gleich grossen, mit normalem Verhältniss der beiden Substanzen, liegt auf der Hand, gleichzeitig aber auch, dass die Mor- phologie der Oberfläche allein noch keinen sicheren Rückschluss zulässt auf den inneren Bau, und dass ferner die Beurtheilung der Bildungsanomalien lediglich nach vergleichend morphologischen Gesichtspunkten eine sehr ein- seitige ist. 224 Dr. Felix Marchand. (p. 56) 4. Mikroskopische Befunde. Eine tiefere Einsicht in die bei der Mikrocephalie zu Grunde liegenden Störungen des Gehirnbaues lässt sich selbstverständlich erst durch die ge- naueste histologische Untersuchung gewinnen, zu welcher bisher noch fast alle Vorarbeiten fehlen. Allerdings wurden in einer Reihe von Mikrocephalen-Gehirnen mikro- skopische Untersuchungen vorgenommen, doch beschränkte sich diese fast ausschliesslich auf den Nachweis der normalen Elemente der grauen Rinde und die Abwesenheit eigentlicher krankhafter Veränderungen (Adriani (42), v. Andel (43), v. Mierjeiewski (Fall Motte 41, Fall Dubois 57), Shuttleworth (62), Chiari Fall I und H (63, 66), Joseph (61), Flesch (68). Erhebliches haben diese Untersuchungen kaum zu Tage ge- fördert. . Eingehende Beobachtungen hat erst Giacomini angestellt. In dem Fall I von Mierjeiewski (41) zeigten. nach der Untersuchung von Betz die Ganglienzellen, die Neuroglia etc. der Rinde des Stirn-, Schläfen- und Hinter- hauptlappens normalen Bau und normale Anordnung. Auch in dem Gehirn der Dubois (57), bei welchem die Rinde stark verschmälert war, zeigten sich die nervösen Elemente des Stirn- und Scheitellappens gut entwickelt, wenn auch „weniger umfang- reich“, als normale. Die sehr mangelhaften Inselwindungen waren mit den normalen Schichten ausgestattet. In der vorderen rechten Centralwindung fand sich ein Gliom. In den beiden Fällen yon Chiari wurden keine Abweichungen von normalen Gehirnen bei mikroskopischer Untersuchung gefunden. In dem Fall von Shuttleworth (62) waren nach der Untersuchung von Fletscher-Beach die Elemente der Rindenschicht nicht so gut gesondert, als in normalen Gehirnen; vorwiegend waren die runden Zellen, wie gewöhnlich in der zweiten Schicht, doch kleiner als gewöhnlich; die Pyramiden- zellen waren spärlicher als normal, mehr rundlich, mit wenig entwickelten Fortsätzen. Einige Schnitte zeigten ein wabenartiges Aussehen, welches Fletscher auf die „so ge- wöhnlich bei Idioten vorkommende Degeneration der grossen Zellen“ zurückführt. In dem Gehirn der Grandoni (42) fand Luigi Severini keine Differenz der Ganglienzellen in den hinteren, mehr verkümmerten, und den vorderen, besser ent- wickelten Partieen. Bemerkenswerth war eine Vermehrung der feinkörnigen Grundmasse im Vergleich zu den Nervenzellen; nach längerer Maceration in verdünnter Essigsäure traten zahlreiche Kerne und feine Fäserchen auf, entsprechend den Neurogliazellen. Die Nervenzellen waren hauptsächlich dreieckig mit rundlichen Kernen, wenige pyramiden- formic. Die Gefässe zeigten, abgesehen von weiten Lymphräumen der kleineren, keine H 3 $ Veränderung. Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 5%) 225 v. Andel giebt in seinem Falle (43) nur an, dass she Unter- suchung der grauen Substanz der Stirnwindungen kurze Zeit nach dem Tode keine die krankhafte Veränderung an den Ganglienzellen erkennen liess. Joseph (61) fand nach dreitägigem Härten in 0,03 Procent Osmiumsäure die Formelemente der Grosshirnrinde in normaler Gestalt; die pyramidenförmigen Zellen sparsam, das Rete der Neuroglia überall ausgedehnter als gewöhnlich; die Untersuchung der übrigen Hirntheile ergab keine abweichenden Resultate. Flesch (68) constatirt im medialen Theil der Centralwindungen (Paracentralläppchen) die Anwesenheit grosser Pyramidenzellen in den tieferen Schichten, einzeln und in Haufen; die Schichten der Rinde schienen sämmtlich vorhanden, doch nicht scharf abgegrenzt, die Neuroglia ziemlich dicht und reich an Kernen, so auch in der Marksubstanz. Der hintere blasenförmige Theil des Hirnmantels bestand aus zwei Schichten, von denen die äussere, der Rinde entsprechende spongiös, mit zahl- reichen sternförmigen und polygonalen Zellen versehen war. Die innere Schicht bestand aus Stützsubstanz mit eingelagerten kleinen Zellen und Faserzügen in verschiedenen tichtungen ; die perivasculären Räume waren erweitert. (Folgen der Hydrocephalie.) Giacomini untersuchte Theile des Grosshirns seiner drei Mikrocephalen mit Hülfe verschiedener Methoden (Argent. nitr. — Sublimat nach Golgi — Alcohol und Carmin). Bei der Mikrocephalen Casalini (76) fand er die Structur der Rinde der vorderen Centralwindung im Ganzen der normalen Anordnung entsprechend; unter der oberflächlichen zellarmen Schicht von gleichmässiger Dicke traten die kleinen Pyramiden- zellen auf, welche nach der Tiefe hin an Grösse zunahmen, um hier die Schicht der grossen Pyramide (Golgi’s dritte Schicht) zu bilden; darunter folgte noch eine Schicht von Zellen unbestimmter Form, welche noch einzelne grosse Pyramiden einschloss, Diese letzteren waren im Ganzen sparsam und verstreut, fast auf den hinteren Abhang der Windung beschränkt, ganz vereinzelt auf der Höhe und am vorderen Abhang, spär- licher im unteren Theil, zahlreicher im oberen, in der Nähe des Paracentralläppchens, sie hatten also im Ganzen dieselbe Verbreitung, wie sie von Betz angegeben wurde. D: ovo An der ersten Hinterhauptswindung konnte Giacomini sechs Schichten unter- scheiden; unter der oberflächlichen Molecularschicht eine Lage kleiner Ganglienzellen, eine dritte zellarme Schicht, eine vierte schmälere mit dicht gedrängten Zellen, sodann eine fünfte hellere mit spärlichen Zellen und eine sechste zellenreiche mit kugeligen und spindelförmigen Elementen. Die Schichten 1 und 3 entsprachen den beiden Striae pallidae Meynert’s. An zahlreichen Schnitten aus dem Paracentralläppchen des Mikrocephalen Assale fand Giacomini kleine und grosse Pyramidenzellen in der gewöhnlichen Weise an- geordnet, letztere nicht. sehr zahlreich, von mittlerer Grösse, eine sehr deutliche Schicht bildend. In den besser erhaltenen Theilen der dritten Stirnwindung fand Giacomini eine stärkere Molecularschicht, die Zellschichten nicht sehr scharf abgegrenzt; die Schicht Nova Acta LV. Nr. 3. 29 226 Dr. Felix Marchand. (p. 58) der grossen Pyramiden schien zu fehlen. An Stellen, wo die Oberfläche deutliche Zeichen von Alteration darbot, fehlte die regelmässige Anordnung der grauen Substanz; es waren hier inselformige Stellen aus sehr gefässreicher körniger Substanz eingelagert, in welcher die nervösen Elemente fehlten. Aehnliche Stellen fanden sich, noch stärker entwickelt, in der ersten Schläfenwindung, obgleich hier und da noch Pyramidenzellen erkennbar waren, doch ohne Schichtenbildung. (Es handelte sich augenscheinlich hier um secun- däre pathologische Veränderungen.) An dem Gehirn des Bernardi (77) zeigten Schnitte aus dem Paracentralläppchen die drei obersten Schichten ohne erhebliche Abweichung von der Norm; die Pyramiden- zellen vergrösserten sich nach der Tiefe zu, waren aber weniger zahlreich, in der vierten Schicht fanden sich keine grösseren Zellen mehr. Die Marksubstanz war im Para- centralläppehen ganz geschwunden und bildete nur eine dünne Lage mit zahlreichen Gefässchen mit erweiterten Lymphscheiden; die Radiärfasern waren nicht erkennbar; nur an einigen Stellen fanden sich noch Achsencylinder mit feinen Markscheiden ; dennoch war die graue Substanz verhältnissmässig wenig verändert. Aus der Beschreibung geht offenbar hervor, dass es sich in diesem Falle um eine ausgedehnte Sklerose der Marksubstanz handelte, worauf auch bereits das makro- skopische Verhalten hindeutete; keineswegs kann also dieser Befund, ebenso wie der in dem vorigen Falle auf die Mikrocephalie als solche bezogen werden. Giacomini untersuchte ausserdem noch Hirnschenkel, Pons, Kleinhirn und ver- längertes Mark der Mikrocephalen Casalini, ferner das Rückenmark von vier Mikro- cephalen. An den Hirnschenkeln fand sich Fuss und Haube gleichmässig reducirt, auch die übrigen Theile zeigten, abgesehen von der Verkleinerung, keine besonderen Eigen- thümlichkeiten; die linke Pyramide erschien, entsprechend dem geringeren Gewichte der linken Hemisphäre, von etwas geringerem Umfang. Das Rückenmark war in allen Fällen erheblich verkleinert, sonst ohne besondere Anomalien. Bezüglich der mikroskopischen Untersuchung des Gehirnes des K. Koch verweise ich auf meine oben gegebene Beschreibung. Es sei hier indess nochmals die regellose Anordnung der zelligen Elemente der Rinde und das Fehlen deutlicher grosser Pyramidenzellen hervorgehoben. Die Beschaffenheit der grauen Substanz erinnert an die des fötalen Gehirnes. Bei nochmaliger Durchsicht der vorhandenen Schnitte unterhalb der Pyra- midenkreuzung finde ich eine auffallend dichte Beschaffenheit der weissen Substanz der Seitenstränge, von der grauen Substanz nach der Oberfläche hin abnehmend; und zwar hauptsächlich nach vorn vom Processus reticularis und seitlich von den Vorder- hörnern. In diesem Bereiche sind die Nervenfasern durch reichliche Zwischensubstanz aus einander gedrängt und spärlich. Ausserdem zeigt sich jederseits ein kleines rund- liches Gebiet von derselben Beschaffenheit in der Höhe der Vorderhörner in der Nähe Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 59) 227 | | des äusseren Umfanges. Die Ganglienzellen der Vorderhörner erscheinen an Zahl und | Grösse verringert. Die Sklerose der Seitenstränge, welche wohl nur als secundäre De- generation aufgefasst werden kann, ist, bei Abwesenheit anderer Ursachen, mit grösster Wahrscheinlichkeit auf mangelhafte Innervation von Seiten der zwar abnorm mächtigen aber unvollkommen entwickelten grauen, Substanz in der motorischen Zone zu beziehen. Aus den vorhandenen Befunden scheint hervorzugehen, dass in den Fällen von reiner Mikrocephalie die normalen Nervenelemente im Wesentlichen | auch in der normalen Anordnung, wenn auch an Zahl vermindert, vorhanden waren. Veränderungen, wie sie von Giacomini theils in der grauen, theils in der weissen Substanz bei zweien seiner Gehirne gefunden wurden, sind jedenfalls als secundäre aufzufassen. Jenen Fällen gegenüber repräsentirt das Gehirn des K. Koch auch in Bezug auf das mikroskopische Verhalten der grauen Rinde einen eigenartigen Typus, der durch die Anhäufung einer un- | vollkommen differenzirten, mangelhaft entwickelten grauen Substanz aus- | gezeichnet ist. 29* q | | if 228 Dr. Felix Marchand. (p. 60) Cap. VI. Bemerkungen zur Aetiologie der Mikrocephalie. Die Mikrocephalie wird von der Mehrzahl der Autoren als eine Bildungshemmung des Gehirnes angesehen, d. h. als Resultat einer Störung, welche das Organ in einer gewissen Zeit seiner Entwickelung betroffen hat. Eine solche Störung kann nachhaltige Folgen haben, ohne einen dauernden Stillstand des Wachsthums herbeizuführen; es kommt zu einer Fortentwicke- lung auf veränderter Grundlage, wie bei den meisten Missbildungen. Waren zu der Zeit der Störung die Hauptfurchen bereits ausgebildet, so werden die- selben auch später nicht leicht wieder verschwinden; trat die Störung bereits vor jener Zeit ein, so kann die Bildung der Hauptfurchen ausbleiben oder in unregelmässiger Weise erfolgen. Aus diesen Umständen kann man die Ent- stehung der Mikrocephalie in der Mehrzahl der Fälle mit Wahrscheinlichkeit auf die Zeit zwischen den dritten und fünften Fötalmonat verlegen. Die Ver- kleinerung des grossen oder auch des ganzen Gehirnes lässt sich indess schwerlich auf eine einmal einwirkende Störung zurückführen; sie deutet mindestens auf eine länger dauernde, nachhaltige Einwirkung. Auf eine verhältnissmässig frühzeitige Störung weist ganz besonders die unregelmässige Entwickelung der Fissura Sylvii hin, deren Bildung be- kanntlich bereits in dem dritten Fötalmonat beginnt und im fünften soweit ab- geschlossen ist, dass die bleibende Form sich bereits wohl erkennen lässt. Bei vollkommen normal ausgebildeter Fissura Sylvii ist die Störung entweder später eingetreten, oder sie hat jenen Theil des Gehirnes überhaupt nicht getroffen, oder sie ist nicht sehr intensiv gewesen. Auf einen ebenfalls frühen Zeitpunkt deutet die mangelhafte Ent- wickelung des Balkens nach hinten, ferner die Bildung einer sogenannten Affenspalte (s. unten). Vereinfachung der Windungen allein würde dagegen auch durch eine in einer späteren Entwickelungszeit eintretenden Störung er- klärlich sein. Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 61) 229 Es ist aber eine schwer zu entscheidende Frage, ob die Hemmung der Entwickelung des Gehirnes durch eine von aussen auf dasselbe einwirkende oder durch eine in der ersten Anlage begründete innere Ursache bedingt wird. Lange Zeit ist es streitig gewesen, ob die Missbildung des Gehirnes das Primäre und die Kleinheit des Schädels die Folge derselben ist, oder ob umgekehrt das Gehirn in Folge der Verengerung der Schädelkapsel durch frühzeitige Verwachsung der Nähte sich nicht hinreichend entwickeln konnte. Unter den älteren Autoren fand besonders die letztere Ansicht Anklang; man fand es natürlich, dass das Gehirn in dem kleinen Schädel ebenfalls zu klein blieb, ja sogar, dass es ungewöhnlich feste Consistenz, gewissermaassen durch Compression annehmen müsse (cf. Jaeger). Als Folge einer frühzeitigen Synostose der Nähte betrachteten auch Sandifort, Baillarger und Andere die Mikrocephalie, während die Mehrzahl der Neueren sich dagegen aussprach. Der hochwichtige Nachweis Virchow’s von der Abhängigkeit des Schädel- und Gehirnwachsthums von der frühzeitigen partiellen Synostose der Nähte diente der ersteren Ansicht zur Stütze, doch ist thatsächlich eine wirkliche Synostose bei ganz jungen Mikrocephalen nie beobachtet worden, und auch bei den Schädeln älterer Individuen mit Mikrocephalie, selbst hohen Grades, werden die Nähte in den meisten Fällen unverknöchert gefunden.) In gewissen Fällen fanden sich partielle Synostosen, welche aber wohl sicher als nach- träglich entstanden aufzufassen sind. Irrthümer sind übrigens dadurch verbreitet worden, dass manche Autoren früh- zeitigen Verschluss des Schädels, d. h. ungewöhnliche Festigkeit der Nähte, Verschluss der Fontanellen, einfach mit Synostose identificirt haben, was selbstverständlich nicht richtig ist. So z. B. spricht Cruveillier, welchen man ebenfalls fälschlich zum Ver- theidiger der Synostosen-Theorie gestempelt hat, ausdrücklich nur von Festigkeit der Nähte des Schädels der Neugeborenen, wie bei einem Individuum von 13—14 Jahren, aber nicht von Verknöcherung. Dieselbe Festigkeit des Schädels durch Engigkeit der Nähte, Verschluss der Fontanellen, welche man bei jungen Mikrocephalen beobachtet, findet sich aber genau in derselben Weise bei allen Formen von Kleinheit des Schädels bei anderweitigen Verkleinerungen des Schädelinhaltes, bei Cyclopie, Hydromikrencephalie, 1) Bei einzelnen selbst die Stirnnaht, so bei dem M. Heil (83) und in einem Falle von Down (36). 230 Dr. Felix Marchand. (p. 62) Encephalocele u. s. w.!) Ueberdies haben wir gesehen, dass die Mikrocephalie in einer Zeit auftritt, in welcher ein vollständig knöchernes Schädeldach noch gar nicht aus- gebildet ist. Endlich beweist ein von Lucae und später von Welcker beschriebener mikrocephaler Fötus, dessen Schädelgewölbe zum grossen Theile unverknöchert geblieben war, dass diese Verkleinerung des Schädelinhaltes ganz unabhängig von der Ausbildung des Schiidgldaches zu Stande kommen kann. Es kann also nur möglich sein, dass der Schädel nicht hinreichend wächst, weil das Gehirn sich nicht vergrössert, oder dass beide, Schädel und Gehirn, gleichzeitig unter der hemmenden Ursache leiden. Das Erstere ist bei Weitem das Wahrscheinlichere. Eine Reihe von Autoren: sieht die Ursache der Bildungshemmung des Gehirnes in einer mangelhaften Blutzufuhr in Folge von abnormer Engigkeit der Carotiden. Der Erste, welcher dies nachzuweisen suchte, war meines Wissens Sapolini (38), sodann hat sich, unabhängig von diesem, Joseph (61) für die gleiche Ansicht ausgesprochen. Jensen (65) schliesst sich derselben aus Mangel einer anderen greifbaren Ursache an, sogar in dem Falle von Rohon (totale Verschmelzung des sehr kleinen. Grosshirns) betrachtet er die grosse Engigkeit der Carotiden als Ursache der Missbildung. Joseph suchte besonders zu beweisen, dass bei der Mikrocephalie die Carotiden ungewöhnlich eng sind, so dass der Hauptstrom des Blutes durch die Vertebralarterien zum Gehirn geht. Da der erwachsene Microcephale Joseph’s eine grosse Struma vas- culosa und der von demselben beschriebene Fötus zwar keine Struma, aber doch eine unverhältnissmässig grosse Thymusdrüse besass, so glaubte Joseph, dass die Ablenkung des Blutstromes vom Kopfe durch Vermehrung der Blutzufuhr zu den grossen Blut- drüsen wahrscheinlich zu jener Verengerung der Carotiden in ursächlicher Beziehung stehe. Dass diese Annahme eine durchaus willkürliche ist, geht schon daraus hervor, dass bei der grossen Mehrzahl der Mikrocephalen von einer solchen Vergrösserung der Schild- oder Thymusdrüse nicht die Rede war und dass eine solche bekanntlich häufig genug ohne Mikrocephalie vorkommt. Nun wird aber bekanntlich die Circulation des hinteren Abschnittes der Grosshirnhemisphären zum grossen Theile durch die Vertebral- arterien übernommen, und gerade diese Theile sind bei vielen Mikrocephalen ganz be- 1) Namentlich bei letzterer lässt sich deutlich genug zeigen, dass die Festigkeit der verkleinerten Schädelkapsel erst die unmittelbare Folge der Verminderung des Inhaltes durch Austritt eines Theiles des Gehirnes ist (s. u. A. Salgendorff, intrauterin geheilte Abschnürung einer Encephalocele nasofrontalis. Diss. Marburg 1889. (Nachträgl. Zusatz.) Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 63) 231 sonders in der Entwickelung zuriickgeblieben; sodann lässt sich nicht einsehen, warum bei mangelhafter Entwickelung der Carotiden der Circulus arteriosus und die Vertebral- arterien sich nicht alsbald so weit vergrössern sollten, um dem Gehirn die nöthige Menge Blut zuzuführen. Die Entwickelungsgeschichte zeigt hinreichend, dass die Entwickelung der Ge- füsse Hand in Hand geht mit der Entwickelung der Organe; wächst das Organ, so wachsen die Gefässe ebenfalls. 1) Anders liegt die Sache, wenn gewisse mechanische Momente plötzlich die Blut- zufuhr beeinträchtigen oder unterbrechen, dann müssen auch beim Fötus dieselben Ge- setze zur Geltung kommen, wie beim Erwachsenen, d. h. wenn die verengte oder ver- schlossene Arterie die einzige ist, welche das Organ versorgt, so tritt ebenso, wie im späteren Leben, Verkümmerung, Atrophie, selbst totale Nekrose ein. Derartige Zustände liegen aber bei der Mikrocephalie nicht vor. Auch muss man berücksichtigen, dass beim Fötus eine Veranlassung für solche Gefässläsionen, wie Embolie, Endarterütis u. s. w. sehr selten sein dürfte und dass ausserdem die Möglichkeit der Entwickelung einer collateralen Circulation bei der weit geringeren Selbstständigkeit und Constanz der Theile beim Fötus sehr viel grösser ist, als beim Erwachsenen. Als Beispiel für die Abhängigkeit des Wachsthums von der Art der Blutzufuhr im Allgemeinen nimmt man in der Regel an, dass der Kopf des Fötus sich deshalb normalerweise stärker entwickele, als die übrigen Theile, weil er ein sauerstoffreicheres Blut erhalte, als diese. Dass auch diese Annahme nicht richtig ist, geht schon aus der einfachen Thatsache hervor, dass bei der Transposition der grossen Gefässe, wo die Ver- theilung des Blutes gerade die umgekehrte ist, die Wachsthumsverhältnisse des Kopfes ganz dieselben sind, wie normal. Eine primäre Engigkeit der Carotiden als Ursache der Microcephalie würde übrigens der Erklärung ebenso grosse Schwierigkeit entgegensetzen, als diese selbst, denn es würde dann doch immer noch die Frage sein, wodurch die erstere bedingt ist. Sapolini hat sich die Sache so zurecht gelegt, dass er die enorme Dicken- zunahme der Schädelknochen in seinem Falle (38) auf eine abnorme Weite der Carotis externa zurückführte; durch die Knochenwucherung wurde nun der Canalis caroticus ein- geengt und in Folge dessen blieb das Gehirn im Wachsthum zurück! Warum aber bei jener Erweiterung die Schädelknochen allein wachsen sollen und woher überhaupt die Erweiterung stammt, das sind Dinge, die ganz unerklärt bleiben. Der Fall von Sapolini macht vielmehr den Eindruck, als habe eine ganz abnorme pathologische 1) S. auch Flesch, welcher dieselbe Ansicht hat, l. c. p. 27. Anm. $ i 3 232 Dr. Felix Marchand. (p. 64) Entwickelung des Schiidels vorgelegen, iiber deren Natur sich nicht bestimmt urtheilen lässt (Rachitis? Cretinismus? das übrige Skelett soll, normal entwickelt gewesen sein) ; der Kopf war von vorn nach hinten zusammengedrückt und die abnorme Schädelbildung scheint das Gehirn beeinflusst zu haben; es lag aber auch nach der Beschreibung keine eigentliche Mikrocephalie, sondern eine einfache Deformirung des Gehirnes vor. Der Fall ist also für die vorliegende Frage so gut wie gar nicht verwerthbar. Wie endlich in dem Falle von Rohon nach Jensen’s Meinung die geringe Entwickelung der Carotiden die enorme Verkleinerung des Grosshirns mit totaler Ver_ schmelzung der Hemisphären bedingen sollte, ist noch weniger verständlich. Genau die- selbe Missbildung des Grosshirns kommt bei der Cyclopie stets vor, und es wird kaum Jemand auf den Gedanken kommen, hier die Engigkeit der Carotiden als Ursache an- zuschuldigen. Bei der gewöhnlichen einfachen Mikrocephalie ist übrigens nach dem, was ich davon an den mir vorliegenden Gehirnen gesehen habe, keineswegs eine auffällige Engigkeit der Carotiden vorhanden. Ein gewisser Grad derselben erklärt sich dadurch, dass ein kleines Gehirn weniger Blutzufuhr bedarf, als ein grosses. Wenn man übrigens bedenkt, wie sehr auch beim normalen Gehirn die Weite der Arterien schwankt, wird man auf solche geringe Differenzen auch beim Mikrocephalen-Gehirn nur wenig Werth legen können. Die bekannte Streitfrage, ob die Mikrocephalie als eine „Rückschlag- ‘ aufzufassen sei oder nicht, braucht hier kaum berührt zu werden, da bildung‘ dieselbe schon häufig genug erörtert worden ist. Karl Vogt, der Urheber jener Ansicht, unterscheidet übrigens selbst zweierlei; erstens die Ursache der Hemmung, zweitens den Atavismus. Das in seiner normalen Entwickelung gehemmte Gehirn soll sich atavistisch weiter entwickeln.) Das ist schon etwas wesentlich Anderes, als reiner Atavismus. Das Bedürfniss, einen Atavismus anzunehmen, liegt hier meines Er- achtens indess nicht vor. Es zweifelt Niemand daran, dass das Gehirn des Menschen und der Affen nach demselben Typus gebaut ist. Dass diese mor- phologische Verwandtschaft durch den Nachweis einer wirklichen Verwandt- schaft (gemeinsamer Abstammung) ihre befriedigendste Erklärung finden würde, wird Jeder zugeben, der nicht gerade das persönliche Bedürfniss hat, besondere Schöpfungstypen anzunehmen. 1) Arch. f. Anthropologie, Bd. V., Bericht über die Verhandlungen der allgem. Gesell- schaft für Anthropologie. 1) Cf. Virchow, Descendenz und Pathologie, Virchow’s Arch. Bd. 103, S. 211. Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 65) 233 Handelt es sich bei der Mikrocephalie um eine Hemmung durch eine äussere, mechanisch wirkende Ursache, so kann von einem Rückschlage schon aus dem Grunde nicht die Rede sein, da ein solcher doch seiner Natur nach nur aus Ursachen, welche in der ererbten Eigenthümlichkeit des Organismus begründet sind, zu Stande kommen kann. Im ersten Falle würden. nur äusser- liche morphologische Aehnlichkeiten zu Stande kommen können. Andererseits müsste man aber bei einer spontanen Entstehung der Mikrocephalie durch Atavismus gewisse typische Formen zu erwarten haben. Die Betrachtung einer grösseren Reihe von Mikrocephalen-Gehirnen zeigt aber, dass hier keineswegs so übereinstimmende Verhältnisse vorliegen, als man zuweilen angenommen hat. Die Ausbildung der Furchen und Windungen lässt vielmehr alle möglichen Abstufungen von den rudimentären Anfängen bis zu der entwickelten menschlichen Form erkennen. Derjenige Theil des Gehirnes, welcher am meisten Affenähnlichkeit be- sitzt, ist der Hinterhauptlappen bei vorhandener Affenspalte und in die Tiefe versenkten Uebergangswindungen. In dieser Beziehung dürfte gerade das Gehirn des K. Koch den Anhängern der Rückschlagtheorie sehr willkommen sein, denn es giebt kaum einen Fall, in welchem eine so typisch affen- ähnliche Bildung des Hinterhauptlappens vorläge. Indess nöthigt auch diese nicht zur Annahme eines Rückschlages. Eine ausgebildete Affenspalte findet sich bekanntlich zuweilen bei sonst ganz normalen Gehirnen.!) Von besonderem Interesse ist aber das Vorkommen derselben beim Fötus. Ich besitze ein Gehirn von einem etwa siebenmonatlichen Fötus, welches an der sonst ganz normalen rechten Hemisphäre einen tiefen von der Fissura parieto- oceipitalis über die Convexität verlaufenden Einschnitt zeigt.?) Ein Vergleich mit früheren Fötalstadien lässt erkennen, dass der Sulcus occipitalis transversus, welcher sich bekanntlich nicht selten beim Fötus und auch am Gehirn des Erwachsenen findet, das Residuum einer der vorübergehenden Furchen oder richtiger Falten des Gehirnes ist, denn dieselben stellen in der That wirkliche Faltungen des in diesem Stadium noch dünnen Gehirnmantels dar. Die Furche verläuft in der 1) Sander, Arch. f..Psychiatrie, Bd. V. 1875. H 942. 2) Die Abbildung, welche Reubold, Zur Entwi Gehirns, in der Festschrift zur dritten Säcularfeier der Unive celungsgeschichte des menschlichen tät Würzburg, Taf. VII, Fig. 1, von einem Gehirn aus dem achten Monat giebt, lässt beiderseits eine Anordnung der Fissura parieto-occipitalis erkennen, welche sehr an die bei höheren Affen vorkommende erinnert. Nova Acta LV. Nr. 3. 30 234 Dr. Felix Marchand. (p. 66) Regel von dem oberen Rande der Hemisphäre und geht auf den Schläfenlappen über. Meist schwindet sie im Laufe des sechsten oder siebenten Monats in derselben Weise, wie die übrigen vorübergehenden Furchen (welche indess schon früher zu verschwinden pflegen), indem sie bei allmählicher Dickenzunahme der Hemisphäre verstreicht; häufig bleibt ein Theil an der convexen Fläche der Hemisphäre erhalten, und in seltenen Fällen, wo die Faltung besonders tief war, bleibt dieselbe mit der Fissura parieto-occipitalis vereinigt. Einerseits ist es nun wohl klar, dass mangelhaftes Wachsthum der Hirn- substanz auf das Bestehenbleiben der vorübergehenden Falten von Einfluss sein wird, dasselbe könnte der Fall sein bei einer von hinten her auf das Gehirn einwirkenden Behinderung seines normalen Wachsthums, z. B. durch einen gegen das Hinterhaupt stattfindenden Druck. Ist die Falte einmal bleibend geworden, so können dann auch die später ent- stehenden Hinterhauptswindungen nicht oberflächlich verlaufen, sondern sie werden sich in die Tiefe der Furche begeben müssen. Dies kann entweder bei der ersten allein der Fall sein, oder bei den beiden ersten, selten bei der dritten Uebergangswindung, da die Furche in der Regel nicht so weit hinüberreicht. Ferner sind die beiden Hälften des Gehirnes hierin häufig verschieden, wie aus der obigen Zusammenstellung hervorgeht. Auch bei sonst normalen Gehirnen kommt gelegentlich eine Versenkung einer der Ueber- gangswindungen vor; ich besitze ein sehr windungsarmes Gehirn einer Frau (welche beiläufig durchaus nicht geistig beschränkt gewesen sein soll), welches beiderseits eine deutlich in die Tiefe versenkte zweite Hinterhauptswindung zeigt, also gerade diejenige, deren oberflächliche Lage nach Gratiolet so besonders charakteristisch für das mensch- liche Gehirn sein sollte. — Es ist übrigens wahrscheinlich, da auch der allgemeine Bau des Schädels, die Lang- oder Kurzköpfigkeit auf die Ausbildung der Furchen und Windungen von einigem Einfluss ist (Rüdinger, Zuckerkandl), dass ein hoher Grad von Brachycephalie in ähnlicher Weise auf das Bestehenbleiben des Sulcus occipitalis transversus einwirkt, wie eine Behinderung des Gehirnwachsthums nach hinten. Auch die abweichende Bildung der Fissura und des Gyrus hippocampi, welche wir an dem Gehirn des Koch fanden, würde sich in ähnlicher Weise durch ein behindertes Wachsthum nach hinten, eine mangelhafte „Streckung“ der Hemisphäre erklären, wie sie normaler Weise im späteren Fötalleben eintritt. Gewisse Formen des mikrocephalen Gehirns (ebenso wie des Schädels) scheinen also auf eine mechanische Einwirkung von aussen, etwa einen den zarten Kopf des drei- bis viermonatlichen Fötus treffenden .abnormen Druck hinzuweisen. Dazu kommt, dass auch andere Umstände vorhanden sind, welche darauf hindeuten, dass wir die Ursache der Bildungshemmung ausser- halb des fötalen Organismus, also vielleicht in seiner nächsten Umgebung, im Körper der Mutter, zu suchen haben. | $ Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 6%) 235 Die Fälle, in welchen Schmerzen oder andere Störungen seitens der Mutter während der Schwangerschaft angegeben werden, sind so zahlreich, die Angaben zu- weilen so bestimmt, dass man sie nicht einfach bei Seite schieben kann. Dazu kommt die seit lange bekannte, oft hervorgehobene Thatsache, dass keineswegs selten mehrere mikrocephale Kinder in einer und derselben Familie vorkommen; ohne dass Erblichkeit im gewöhnlichen Sinne nachzuweisen wäre. Dahin gehören die beiden sogenannten Azteken, der Knabe von Marshall mit einem ebenfalls mikrocephalen Bruder, die beiden Sohn (6), die Geschwister Moegle (8), die noch lebenden Geschwister Wittich (Scheel), die mikrocephalen Kinder Jelly, Becker u. A.*) In dem bekannten Falle der Familie Becker waren lediglich die Kinder der zweiten Frau abnorm; vier®) waren mikrocephal, indess sollen nach Flesch auch die übrigen nicht ganz normale Schädel- bildung darbieten und zum Theil psychisch defect sein. Die Kinder der ersten Frau des Becker waren sämmtlich normal. Ferner werden von der Mutter der mikrocephalen Kinder bestimmte Beschwerden während der Gravidität angegeben. Von der Mutter der noch lebenden mikrocephalen Geschwister Wittich berichtet Scheel, dass dieselbe, nach Aussage einer früher geborenen Tochter, in Folge eines Falles während ihrer Schwangerschaft mit dem ältesten mikrocephalen Kinde erkrankt sei; ein Arzt habe erklärt, dass die Frau kein gesundes Kind wieder gebären könne; das später geborene Kind war ebenfalls mikrocephal.*) Was für eine Störung hier vorlag, ist leider nicht bekannt, ebenso wenig wie wir in anderen Fällen zuverlässige Nachrichten über etwaige Fehler Seitens der Mutter besitzen. Dass das sogenannte Versehen auch bei der Mikro- cephalie oft angeschuldigt wurde, ist selbstverständlich. So wenig begründet dies nun an sich ist, so ist doch nicht zu bestreiten, dass plötzlicher Schreck in einem frühen Stadium der Schwangerschaft krankhafte Zustände im Uterus hervorrufen kann, welche auf den Fötus einwirken. So wird in dem Fall von Peacock angegeben, dass nach einem heftigen Schreck anhaltendes Unwohlsein der Mutter mit schmerzhaften Em- pfindungen im Leib zurückgeblieben war. Derartige Angaben finden sich ziemlich häufig, nicht blos bei dieser, sondern auch bei anderen Missbildungen. Indess ist es doch immer sehr schwer, zu sagen, was 1) Drei Fälle von Mikrocephalie. Inaug.-Dissert. Marburg 1875. 2) Andererseits erwähnt Virchow (Verhandl. der Berl. Gesellsch. f. Anthropologie 1878, p. 28) ein Zwillingspaar, von welchem der eine Knabe mikrocephal, der andere normal war. 3) Nach Rüdinger: fünf. 4) Bekanntlich werden häufig genug nachträglich alle möglichen Gründe hervor- gesucht. Dass man auf derartige Angaben seitens dritter Personen aus nahe liegenden Gründen nicht allzu viel Gewicht legen darf, ist immer zu berücksichtigen. In den Akten der Mikro- cephalen Wittich aus der Pflegeanstalt Merxhausen fehlt die betreffende Angabe ganz. 30* 236 Dr.-Felix Marchand. (p. 68) für eine Art von Einwirkung denn eigentlich stattgefunden habe. So glaubt Klebs (1) krampfhafte Contractionen des Uterus annehmen zu sollen, Lewentaner?) chronische Metritis, Gerhartz®), welcher die mechanische Entstehung der Mikrocephalie gegen- über der atavistischen besonders lebhaft vertheidigt, greift: sogar auf die Retroflexio uteri gravidi zurück, indem er annimmt, dass dieselbe, nachdem sie einige Zeit be- standen, wieder zurückgehen könne. Er selbst beobachtete zwei mikrocephale Kinder derselben Mutter (Nett), welche in Folge eines schweren Falles an Schmerzen im Kreuz litt, und während der Schwangerschaft mit den mikrocephalen Kindern grössere Be- schwerden hatte, als in der: ersten normalen Schwangerschaft. Ein abnormes Verhalten des Uterus ist aber hier ebenso wenig, wie in anderen Fällen constatirt worden. Bis jetzt müssen daher alle jene Annahmen von Störungen Seitens des Uterus der Mutter als rein hypothetisch bezeichnet werden.) Auf eine abnorme Bildung der Eihäute zurückzugehen, dürfte bei der Mikrocephalie nicht gerechtfertigt sein, da gar keine An- haltspunkte hierfür vorliegen. In einigen Fällen werden Traumen, welche den schwangeren Uterus getroffen hatten, als Ursache der Mikrocephalie angeschuldigt, doch ebenfalls ohne bestimmte Beweise. Falkenheim) giebt an, dass die Mutter eines von ihm lebend beobachteten Mikrocephalen im sechsten Monat der Schwangerschaft mit dem Leib gegen den Tisch gefallen sei und seitdem Schmerzen gehabt habe. Von grösserem Werth ist die 3eobachtung von Anton 6), welche ein mikrocephales Kind mit totalem Balkenmangel betraf. Die Mutter des Knaben sollte in Folge eines Falles auf der Strasse etwa im vierten Monat der Schwangerschaft Schmerzen gehabt haben; als Beweis, dass der Fötus von dem Trauma betroffen worden war, fand sich eine intrauterin verheilte Fractur des Femur. Aber hier handelt es sich nicht um reine Mikrocephalie, sondern um eine complicirtere Bildungsstörung. Fassen wir die bisherigen Ergebnisse zusammen, so müssen wir zu dem Schluss kommen, dass, so Manches auch für die Entstehung der Mikrocephalie in Folge einer mechanischen Behinderung des Gehirnwachsthums zu sprechen scheint, der Beweis, dass eine solche stattgehabt hat, noch für keinen Fall erbracht ist. Auch 1) Verhandl. d. med. phys. Gesellsch. zu Würzburg. 1873. 2) Patholog. Studien über Mikrocephalie. Zürich. Diss. 1876. 3) H. Gerhartz, Die Mikrocephalie und ihre Ursachen. Diss. Bonn 1874. 4) Ich selbst war Anfangs zu deren Annahme geneigt, s. Art. Missbildungen in s Real-Encyclopädie, S. 48. 5) S. Berliner klin. Wochenschrift. 1882. N. 19. 6) Anton, Zur Kenntniss der Störungen des Oberfliichen-Wachsthums des mensch). Gehirns. Zeitschr. f. Heilk.. Bd. VII. . 1886. Eulenbur Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 69) 237 ist es in der That schwer, sich den Vorgang in befriedigender Weise vor- zustellen, besonders wenn man bedenkt, dass das diinnwandige fötale Gehirn einem gleichmässig wirkenden Druck kaum zugänglich ist. Durch welchen Vorgang sollte ausserdem der Kopftheil des Embryo allein einem solchen gleichmässigen Druck ausgesetzt werden? Und wie sollte ein vorübergehender Druck das Gehirnwachsthum dauernd in so hohem Grade beeinflussen? Das sind Fragen, welche wir nicht zu beantworten im Stande sind. Andererseits ist festzuhalten, dass nicht alle Fälle von Mikrocephalie ihren Ursprung der gleichen Ursache zu verdanken brauchen. Die Entstehung der Mikrocephalie durch ein spontanes Stehenbleiben auf einer frühen Stufe der Entwickelung aus sogenannten „inneren Ursachen“ ist uns natürlich ihrer Natur nach ebenso wenig verständlich. Immer muss man bedenken, dass es sich nicht um einen einfachen Stillstand in einem gewissen Stadium der Entwickelung handelt, sondern das Gehirn. wächst weiter, aber in verringertem Maasse und — wahrscheinlich nur in Folge davon — in veränderter Gestalt, indem sich die einmal angelegten Formen in unvollkommener Weise. weiter ausbilden. Es kann sich dabei um eine Mangelhaftigkeit der ersten Anlage handeln, welche ihrerseits vererbt sein kann, wenn auch eine directe Vererbung der Mikrocephalie bisher noch nicht sicher nachgewiesen ist.!) Eine schwierige, noch nicht ganz aufzuklärende Frage bildet die Be- ziehung der Mikrocephalie zum Cretinismus. Früher hat eine Trennung beider überhaupt nicht stattgefunden, indem man vielfach das Wort Cretinis- mus fast gleichbedeutend mit Idiotie gebrauchte. Die Zulassung einer sporadischen Form des ersteren neben der endemischen war besonders geeignet, die Ab- grenzung zu erschweren, während auf der anderen Seite die immer sicherer erkannte Combination des Cretinismus mit endemischer Struma von grosser Bedeutung geworden ist. A. Hirsch geht bei seiner umfassenden Dar- stellung der Verbreitung des Cretinismus und des Kropfes von der Voraus- setzung aus, dass beide nur als verschiedene Aeusserungen eines Krankheits- 1) Von dem Vater der M. Rubioo (52) wird indess angegeben, dass er einen sehr kleinen Kopf gehabt habe und sehr wenig intelligent gewesen sei; sein Bruder war epileptisch und Halb-Idiot. Eine Schwester der Modesta war ebenfalls mikrocephal. S. auch p. 71 u. Gall p. 85. 238 Dr. Felix Marchand. (p. 70) processes aufzufassen sind, welchen er den chronischen Infectionskrank- heiten zurechnet.') Dagegen kann man nicht sagen, dass es eine bestimmte morphologische Kigenthiimlichkeit des Schädels und Gehirnes giebt, welche für den Cretinismus charakteristisch ist. Auch die Synostose der Schädelbasis kann als solche nicht bezeichnet werden. Bei den ausgebildeten schweren Fällen von Cretinismus ist bekanntlich nicht der Kopf allein, sondern auch das ganze ührige Skelett mehr oder weniger betroffen; der Kopf ist in der Regel gross, missgestaltet. Aber es giebt zweifellos auch eine mikrocephale Form des Cretinenschädels (Virchow2); und es giebt Fälle von reiner Mikrocephalie, welche auf creti- nistischem Boden und wahrscheinlich durch die gleiche Ursache entstanden sind, wie die gewöhnlichen Formen des Cretinismus. Virchow (Gesammelte Abh., S. 925--975) hat bekanntlich ein von ihm als „neugeborener Cretin“ bezeichnetes Kind aus der Würzburger Sammlung beschrieben, welches angeblich von einer cretinistischen Mutter stammte. Die Abbildung des Kindes entspricht ganz der sogenannten fötalen Rachitis. Es muss aber hervorgehoben werden, dass der neugeborene Cretin keineswegs das Bild der fötalen Rachitis zu zeigen pflegt.>) Die mit dieser letzteren behafteten Kinder gehen stets bald nach der Geburt zu Grunde. Maffei giebt sogar an, dass man in der ersten Lebenszeit nicht erkennen kann, ob sich Cretinismus entwickeln wird, dass meistens erst nach fünf bis acht Monaten die ersten Anzeichen auftreten (l. c. S. 118). Dies scheint jedoch nicht allgemein gültig zu sein; von einer Form des Cretinismus wird mit Bestimmtheit angegeben, dass dieselbe bereits bei der Geburt erkennbar ist, und zwar gerade von der mikrocephalen (s. Rösch). In dieser Beziehung ist ein in der Sammlung des patholegischen Instituts in Giessen befindliches Präparat, welches von Soemmerring herrührt, von Bedeutung. Dasselbe, der vollständige Körper eines neugeborenen Kindes, ist bezeichnet als „neu- geborener Cretin aus Salzburg“. Dieser zeigt nicht im Entferntesten die Formen der 1) Handbuch der historisch-geographischen Pathologie. 2. Aufl. Abth. 2. 8.137. 1883. Die Annahme einer ,,Infection“ hat nicht viel Wahrscheinliches; Hirsch selbst supponirt übrigens nur einen unbekannten schädlichen Stoff; die von Klebs angeschuldigten Diatomeen werden wohl von diesem selbst nicht mehr aufrecht erhalten. 2) Später (Berl. klin. Wochenschr. 1877, Nr. 48) hat sich Virchow gegen diese Annahme ausgesprochen, wenn er auch die Möglichkeit zulässt, dass dieselben Ursachen beide Abnormitäten erzeugen. 3) In Bezug auf das Verhältniss der fötalen Rachitis zum Cretinismus verweise ich auf A. Kirchberg und F. Marchand, Ueber die sogenannte fötale Rachitis (Mikromelia chondro- malacica) in Ziegler’s Beiträgen zur pathologischen Anatomie, Bd. V. 1889. (Nachträgl. Zusatz.) 24 Min. Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 71) 239 fötalen Rachitis; der Körper ist vielmehr wohlgebildet, der Kopf aber klein, augen- scheinlich mikrocephal; das Gehirn ist nicht mehr erhalten. Auch unter den von mir zusammengestellten Fällen, von welchen Gehirnbefunde vorliegen, stammt eine Anzahl aus dem Gebiete des endemischen Cretinismus, dahin gehören die Fälle von Vrolik (15), Theile (23), Förster (28), Rösch (13), Aeby (45—48) und Andere, Auch die Mikrocephale Margarethe Machler (24) wurde von Virchow unter den Cretinen Unterfrankens aufgezählt, und von Schröder eben- falls als solche bezeichnet. Sie hatte eine cretinistische Schwester, über welche nichts Genaueres bekannt ist. Virchow gab an, dass die Eltern der Maehler gesund, nament- lich die Mutter gut gebildet, ohne Kropf gewesen sei, während Schröder irrthümlich beiden Eltern immense Kröpfe zuschrieb (s. Virchow’s Archiv, 40, S. 295.) Die Zahl der zum Cretinismus gehörigen Fälle von Mikrocephalie ist wahrschein- lich sehr viel grösser, als man im Allgemeinen glaubt. Man hat neuerdings dies Moment viel zu wenig berücksichtigt. Auch die Fälle von Jäger, die Mikrocephalen aus dem Dorfe Plattenhardt bei Stuttgart, also aus einer Gegend, welche an das Gebiet des Cretinismus mindestens angrenzt, sind mit Wahrscheinlichkeit dahin zu rechnen. Nach dem Bericht von Klein kamen daselbst im Anfang des Jahrhunderts nicht weniger als sieben „affenähnliche“ Kinder in vier Familien, in einer allein vier vor. Eins derselben war der Jacob Moegle (8), dessen Gehirnbefund vorliegt. (Die Väter von zweien jener Familien waren Brüder, von den übrigen war nichts be- kannt.) Ich gedenke hier noch eines sehr analogen Falles, welcher weniger bekannt geworden, aber von besonderem Interesse ist, namentlich auch mit Rücksicht auf die Frage der Erblichkeit. Rösch berichtet darüber nach seiner eigenen Beobachtung: Der Spiel- mann L. J. in dem Orte Schwenningen (Schwarzwaldkreis) erzeugte mit einer gesunden aber sehr reizbaren Frau 14 Kinder, darunter 4 „Hirnarme“, (Mikrocephale, welche von Geburt an einen auffallend kleinen, spitzen Kopf hatten): 1) Das vierte Kind, ein Knabe, welcher 17 Jahre alt wurde und über gewöhnliche Mannsgrösse erreichte; 2) das fünfte Kind, Mädchen, klein, elend, mit verkrümmten Gliedern, gestorben 8 Jahre alt; 3) das 10. Kind, Mädchen, starb 19 Jahre alt in einem elenden Zustande nach an- haltenden epileptiformen Krämpfen, Contracturen der Beine und Arme; 4) das 14. Kind, Mädchen, starb 13 Jahre alt, ähnlich wie vorige. Dieses Kind ist dasjenige, dessen Gehirnbefund mitgetheilt ist (13). — In demselben Orte hatte der gesunde Ch. J., welcher mit dem Vorigen nur entfernt verwandt war, mit seiner ebenfalls gesunden Frau unter acht Kindern zwei Mikrocephale, welche früh starben. Eine Schwester des Vaters hatte einen kleinen spitzen Kopf gehabt und war blödsinnig gewesen. Der Tagelöhner C. L., gut gebildet, gesund, hatte mit seiner gesunden Frau (welche die Schwester der Frau des Ch. J. und verwandt mit der Frau des L. J. war), unter drei Kindern zwei Mikrocephale, ganz ähnlich denen der beiden übrigen Familien. Wir haben hier also acht mikrocephale Kinder in drei Familien, welche unter einander ver- 240 Dr. Felix Marchand. (p. 72) wandt waren. Die Schwester des Ch. J. war, soweit sich die Leute erinnern, die erste Blödsinnige mit dem kleinen spitzigen Kopfe, dann folgten die Kinder des L. J., hierauf die des Ch. J., dann die des C. L., nebst mehreren anderen in anderen Familien ES p- 167). — Diese Beobachtung erinnert an die fünf mikrocephalen Kinder der Familie Becker in Bürgeln bei Offenbach, einem Orte, in welchem nach Flesch’s Zeugniss auch noch andere Fälle von Idiotie vorhanden sein sollen, wenn derselbe auch nach Virchow einem von Cretinismus freien Gebiete angehört. Jedenfalls ist es eine auffallende, in ihrer Bedeutung nicht zu unter- schätzende Thatsache, dass nicht wenige Fälle von Mikrocephalie aus Gegenden stammen, welche als exquisite Kropf- und Cretinismus-Gebiete bekannt sind, oder wenigstens noch innerhalb der Zone liegen.) Es sei hier daran erinnert, dass nach Klebs auch nach Abnahme der „eretinogenen Ursache“ ein dauernder Einfluss auf den Typus der Bevölkerung zuriickbleibt, welchen man mit Recht als Folge der erblichen Uebertragung erworbener Krank- heitszustände ansehen diirfte.2) Es ist nicht undenkbar, dass auch die Mikrocephalen, besonders die mikrocephalen Geschwister einer und derselben Familie, einem solchen ererbten (also im engeren Sinne atavistischen) Einfluss ihre Entstehung verdanken. Jedenfalls scheint mir dies eine Erwägung zu sein, welche nach dem oben angeführten berechtigt genug ist, um einige Zweifel an der primären Entstehung des Uebels durch intrauterine Druck- wirkung aufkommen zu lassen. Spätere Untersuchungen werden über diese wichtige Frage wohl noch Aufklärung verschaffen. 1) Es sei hier bemerkt, dass auch in unserer Provinz Hessen-Nassau endemischer Kropf sehr verbreitet vorkommt und dass cretinistische Schädelbildungen nicht fehlen. Auch der Mikrocephale Zeil (83), sowie die in den Anstalten Hayna und Merxhausen noch lebenden Mikrocephalen Caspar und Elisabeth Wittich und Georp Fölp stammen aus notorischen Kropfgegenden, jener aus dem Kreise Schlüchtern, diese aus Nentershausen, Kreis Rotenburg, und Gross-Anheim, Kreis Hanau (cf. Falck, de thyreophymate endemico etc., Marburg 1843). 2) Klebs; Allgem. Pathologie. Th. 1, S. 41. 1887. Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 73) 241 Cap. VII. Schlussbetrachtung. Dasjenige Ziel, welches Rudolph Wagner im Auge hatte, als er die Untersuchung des Mikrocephalen - Gehirnes nach möglichst genauer Er- forschung der Erscheinungen während des Lebens als eines der wichtigsten Mittel bezeichnete, um auch über die Functionen des normalen Gehirnes Auf- schlüsse zu erhalten, erscheint uns jetzt eher in die Ferne gerückt, als genähert. Obwohl nun bereits eine recht ansehnliche Reihe von Mikrocephalen- Gehirnen beschrieben worden ist, so müssen wir doch gestehen, dass das Hauptergebniss einer Vergleichung der Funetionsstörungen mit dem ana- tomischen Verhalten ein wesentlich negatives ist. Ich habe es mir nicht zur Aufgabe gemacht, hier eine ins Einzelne gehende Analyse jener Störungen vorzunehmen, ich wüsste aber auch kaum eine Function, welche einen so charakteristischen Defect aufwiese, und andererseits mit einem so bestimmten anatomischen Mangel zusammenfiele, dass man beide nothwendiger Weise in Uebereinstimmung bringen müsste. Das Einzige, was hier anzuführen wäre, ist der Mangel der articulirten Sprache, welcher bekanntlich bei fast allen Mikrocephalen hohen Grades gefunden wird, und daher auch von so vielen Seiten als besonders bedeutsam hervorgehoben und mit der mangelhaften Ent- wickelung der dritten Stirnwindung in Verbindung gebracht worden ist. Dennoch ist auch dieser Mangel einerseits nicht constant und absolut, andererseits geht aber aus der obigen Zusammenstellung hervor, dass der Defeet der dritten Stirnwindung keineswegs ein so totaler ist, wie man früher vielfach annahm. Die dritte Stirnwindung ist im Ganzen und Grossen nicht mehr defect, als andere Theile des Grosshirns. Das Unvermögen, zu sprechen, ist ebenso als Folge der mangelhaften Entwickelung des Grosshirns im 9 Nova Acta LV. Nr. 3. 31 242 Dr. Felix Marchand. (p. 74) Allgemeinen aufzufassen, wie die Mangelhaftigkeit der übrigen psychischen Thatigkeit. Die Mikrocephalen sind keineswegs aphasisch, wie solche Individuen, welchen die dritte Stirnwindung durch eine Heerderkrankung zerstört ist. Die Antonia Grandoni sprach und sang sogar geläufig trotz ihres Hirn- gewichtes von nur 289 g, andere Mikrocephalen verfügten über einzelne Worte und Satzbildungen, wieder andere hatten gelernt, sich durch die Zeichensprache der Taubstummen zu äussern. Die Sinne funetioniren bei den meisten Mikrocephalen ausgezeichnet; Gesicht und Gehör wird namentlich nicht selten als sehr scharf bezeichnet: nur in einzelnen Fällen fehlte der Gesichtssinn (wie in dem Fall von Peacock, wo eine Unterbrechung des Tractus opticus bestanden haben soll), in einzelnen das Gehör (der Mikrocephale Cioccio von Valenti soll taubstumm gewesen sein), in einigen Fällen soll das Gefühl sehr herabgesetzt gewesen sein, aber dies sind entschiedene Ausnahmen und eine bestimmte Beziehung zwischen solchen Mängeln und besonderen Eigenthümlichkeiten des Gehirnes lässt sich nicht aufdecken; die motorische 'Thätigkeit war in den meisten Fällen unbe- hindert; einige Mikrocephalen waren sogar durch besondere Körperkräfte aus- gezeichnet, in sehr vielen Fällen wird die lebhafte Beweglichkeit der Extre- mitäten, grosse Ruhelosigkeit und Behendigkeit hervorgehoben; bei einigen war der Gang aber strauchelnd, unsicher, noch andere lernten spät, oder überhaupt gar nicht gehen, indess handelt es sich hier meist um Complicationen mit Hydro- cephalie oder anderen Processen. Die höhere psychische Thätigkeit fehlt den Mikrocephalen keineswegs ganz vollständig, wenn sie auch in den meisten Fällen hohen Grades und auch in einer Reihe von Fällen geringeren Grades minimal war. Die meisten Mikrocephalen bilden aber Vorstellungen, sie haben Ge- dächtniss, sie machen Schlüsse, einige können zweifellos auch zu allgemeinen Begriffen gelangen und sind ausbildungsfähig. Aber Alles dies ist in mehr oder weniger unvollkommener Weise der Fall. Dass eine constante Beziehung zwischen der Gewichtsverminderung des Gehirnes und der Störung der Gehirnfunetion nicht vorhanden ist, ist bereits hervorgehoben. Der Knabe K. Koch stand mit seinem Gehimgewicht von 890 g augenscheinlich auf einer viel tieferen Stufe, als so mancher Mikro- cephale mit viel niedrigerem Gehirngewicht. ta Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. %5) 243 Die abnorme Configuration hat in diesem Falle augenscheinlich eine viel grössere Bedeutung für die Funetionsstörung, als die Verringerung der Grösse, aber offenbar auch nur deshalb, weil sie gleichzeitig durch wesent- liche Veränderungen der ganzen Structur bedingt wird. Wir können noch einen Schritt weiter gehen und hinzufügen, dass die Störung der Function an denjenigen Theilen des Gehirnes im Allgemeinen am stärksten gewesen sein muss, an welchen das Missverhältniss der grauen und weissen Substanz am stärksten hervortritt, also ganz besonders an beiden Jentralwindungen, am ganzen Scheitel- und am Hinterhauptlappen, während Schläfen- und Stirnlappen sich relativ günstiger verhalten. Da die motorische Zone mit in den Bereich der stärksten Veränderung fällt, so erklärt sich hieraus am wahrscheinlichsten das Unvermögen, zu gehen, zu stehen und andere zweckmässige Bewegungen zu machen. Leider fehlt es in diesem, wie in so manchen anderen Fällen, an hinreichend genauer Beobachtung bei Lebzeiten. Aber das Gehirn des A. Koch nimmt unter den übrigen Mikrocephalen- Gehirnen eine fast exceptionelle Stellung ein und nähert sich, wie wir ge- sehen haben, noch am meisten den Fällen von sogenannter Mikrogyrie. Bei Weitem in den meisten Fällen stehen beide Substanzen zu ein- ander ziemlich in demselben Verhältniss, wie am normalen Gehirn; ja es scheinen sogar bemerkenswerthe Abweichungen in der Zusammensetzung der grauen Rinde in der Regel nicht vorzukommen. Keineswegs folgt aber aus den unabweisbaren schweren Functions- störungen, welche mit einer ganz abnormen Configuration des Grosshirns ein- hergehen, die Berechtigung, relativ geringfügige Form-Anomalien der Gehirn- oberfläche mit der Qualität bestimmter Gehirnfunctionen in Beziehung zu setzen, wie dies von manchen Seiten versucht wird. An den Verbrecher- gehirnen werden gewisse, an sich geringfügige Unregelmässigkeiten der Windungen und Furchen so zu sagen mit den Abweichungen der Handlungs- weise ihrer Träger von den gesetzlichen Bahnen parallelisirt, während von anderer Seite die Art des Verlaufes der Haupt- und Nebenfurchen, die grössere oder geringere Ausbildung einzelner Windungen in bestimmte Be- ziehungen zu der geistigen Thitigkeit, ja sogar zu dem Bildungsgrad und der Berufsthätigkeit der Individuen gebracht wird. SI fi 244 Dr. Felix Marchand. (p. 76) Dabei drängt sich unwillkürlich die Frage auf: Was hat die Con- figuration der Oberfläche als solche mit der Function des Gehirnes zu thun? Was kann es für eine Bedeutung für die letztere haben, ob diese oder jene Windung etwas mehr geschlängelt ist, als gewöhnlich, ob diese oder jene Furche in ungewöhnlicher Weise unterbrochen ist, oder ob eine gewisse Menge grauer Substanz, welche am Boden oder an der Neigungsfläche einer Furche zu liegen pflegt, in einem anderen Gehirn in das Niveau der Ober- fläche gerückt ist? Die Versuche, derartigen leichteren Anomalien eine besondere Bedeutung beizulegen, sind meines Erachtens verfehlt, weil sie von falschen oder mangel- haft bewiesenen Voraussetzungen ausgehen. In neuerer Zeit ist besonders durch Rüdinger!) der Versuch gemacht worden, eine allmählich gesteigerte Entwickelung der Gehirnoberfläche an dem Verhalten der dritten Stirnwindung und sodann an der Gestaltung der Interparietalfurche und der Affenspalte nachzuweisen und die vollkommnere Entwickelung auf die Zunahme der geistigen Thätigkeit zurückzuführen. Rüdinger geht von der Auffassung aus, dass die Gehirnwindungen besondere Organe darstellen, und er glaubt sich auf Grund seiner Untersuchungsergebnisse zu dem Ausspruche berechtigt, „dass ein Hirnorgan eine dem Grade seiner Thitigkeit pro- portionale Ausbildung erfährt“ (p. 11). In seiner ersten Arbeit sucht Rüdinger den Beweis zu führen, dass die dritte Stirnwindung, welche bei den Affen ganz rudimentär, und auch bei den Primaten sehr unvollkommen entwickelt ist, bei den Menschen sowohl nach Race und Geschlecht, als auch ganz besonders nach der geistigen Entwickelung der einzelnen Individuen eine er- hebliche Zunahme der Grösse und Gliederung durch secundäre Furchen erkennen lässt. Die stärkste Ausbildung soll sie bei geistig hochstehenden, besonders auch rhetorisch begabten Männern zeigen. Wenn Rüdinger dem gegenüber die erheblich reichere Entwickelung der dritten Stirnwindung der rechten Seite bei dem verstorbenen Buhl durch dessen grosse Virtuosität im Violoncell-Spiel und die dabei erforderliche Fingerfertigkeit der linken Hand zu erklären sucht, so ist das wohl ein etwas will- kürlich herbeigezogenes Beweismittel. In der zweiten Arbeit zeigt Rüdinger zunächst, dass bei niederen Affen die Interparietalfurche einfach ist, und in schräger Richtung nach hinten in die Affenspalte 1) Rüdinger, Ein Beitrag zur Anatomie des Sprachcentrums. München 1882. — Derselbe. Ein Beitrag zur Anatomie der Affenspalte. Bonn 1882. Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 77) 245 übergeht, während sie bei den höheren Affen nach hinten in zwei Schenkel zer- fällt, welche die Fissura parieto-oceipitalis gabelförmig umfassen, am deutlichsten beim Gorilla. Es hängt dies damit zusammen, dass die erste obere Uebergangswindung hier an die Oberfläche getreten ist und eine wirkliche Oberflächenwindung darstellt. Beim Menschen betrachtet Rüdinger als homolog der Interparietalfurche der Affen den Sulcus postcentralis und den S. occipitalis transversus als die beiden frontalen Schenkel, welche unter einander durch eine verschieden ausgebildete Sagittalfurche verbunden sind. Nun sollen beim weiblichen Geschlecht jene Furchen so mit einander vereinigt sein, dass sie in der Hauptrichtung schräg nach hinten verlaufen, ähnlich wie bei den Affen, so dass der ganze mediale Windungszug und die erste obere Uebergangswindung in der Entwickelung bedeutend zurücktreten, während beim Manne der Scheitellappen an Breite zunimmt, so dass die Interparietalfurche in der Hauptrichtung mehr sagittal ver- läuft, und ihre beiden hinteren Schenkel der frontalen Richtung sich nähern, oder wenigstens einen Bogen um die stärker ausgebildete Parieto-occipitalfurche bilden. Bei geistig hoch- stehenden Männern überwiegt die Entwickelung des Scheitellappens in frontaler Richtung noch mehr; wesentlich durch die stärkere Entwickelung der ersten Uebergangswindung wird die Hauptrichtung der Interparietalfurche mehr lateralwärts gedrängt, so dass die- selbe bei Justus v. Liebig sogar hinten über die Sagittalebene nach aussen gerückt erscheint. Eine Bestätigung der von ihm an den Gehirnen von 18 Gelehrten gewonnenen Anschauungen erblickt Rüdinger in der Beschaffenheit der vonR. Wagner beschriebenen Gehirne. Der Werth dieser Beobachtungen, so weit sie lediglich die Morphologie der Oberfläche betreffen, soll keineswegs in Zweifel gezogen werden. Es muss aber noch sehr viel Material gesammelt werden, um darüber Klarheit zu schaffen, wie viel von diesen Verschiedenheiten auf Eigenthümlichkeiten des Geschlechts, der Race, des Schädelbaues zu beziehen ist, ehe sich Schlüsse auf die Beziehung jener Eigenthümlichkeiten zu der Gehirnfunction machen lassen. Wie grossen Verschieden- heiten in der Configuration der Gehirnoberfläche begegnet man bei aufmerksamer Be- trachtung zahlreicher Gehirne von Individuen, welche bei Lebzeiten sich in keiner Weise von dem durchschnittlichen Niveau ihrer Standesgenossen unterschieden. Uebrigens möchte ich mir die Bemerkung erlauben, dass die Bestimmung der „Hauptrichtung“ der Interparietalfurche doch häufig eine sehr willkürliche ist. Mit einem grösseren Schein von Berechtigung könnte man wohl den eitirten Satz umdrehen: „Dass dem Grade der Ausbildung eines Gehirnorganes auch dessen Function entspricht.“ Es ist schwer zu verstehen, dass im Laufe des extrauterinen, sogar noch des späteren Lebens durch eine in bestimmter Richtung besonders entwickelte geistige Thätigkeit die morphologischen Bestandtheile des Gehirnes eine so 246 Dr. Felix Marchand. (p. 78) bedeutende Ausbildung erfahren sollen, dass dadurch eine Aenderung in der Richtung der Furchen, in dem Verlaufe und der Masse der Windungen, erfolgen könne. Ueberdies ist dies schwer zu beweisen, da es ganz an Vergleichsmomenten fehlt. Auch der Beweis e contrario, die Ver- minderung des Umfanges der Windungen bei Ausfall bestimmter Functionen, selbst bei congenitalen Defecten, hat bis jetzt noch zu keinen positiven Resultaten geführt, denn auch die Fälle von vermeintlicher Verschmälerung einzelner Windungen bei fötalen oder frühzeitigen Amputationen, oder gar bei Taubstummen zeichnen sich meines Erachtens durch nichts vor den rein zufälligen Verschiedenheiten der Windungen beider Hemisphären aus. Der Nachweis einer wirklichen Atrophie, durch Zugrundegehen von Nerven- elementen, fehlt in jenen Fällen. Und selbst derartige Befunde würden doch nur einen sehr indireeten Schluss auf den entgegengesetzten Fall, die stärkere Ausbildung durch ge- steigerte Function, gestatten. Es mag zugegeben werden, dass durch zweck- mässig gesteigerte Thitigkeit, Uebung, auch die Elemente des Centralnerven- systems besser genährt, gekräftigt werden, sowie umgekehrt durch vollständigen Wegfall der ,,functionellen Erregung“ Schwund, Atrophie eintritt. Dass es aber auch zur Bildung neuer Theile unter diesem Einfluss kommt, ist schwer anzunehmen und jedenfalls nicht zu beweisen. Der ganzen von Riidin ger entwickelten Anschauung liegt ausserdem, wie mir scheint, eine zu schema- tische Auffassung der Lokalisation der höheren physischen Functionen im Grosshirn zu Grunde, für welche auch das Studium der Mikrocephalen- Gehirne keinen sicheren Anhaltspunkt bietet. Eine mosaikartige Abgrenzung der einzelnen Centren an der Oberfi. + des Gehirnes, welche unstreitig einen gewissen, selbst hohen Werth hat, ist doch immer etwas Künstliches; die Lokalisation im Grosshirn, soweit sie dem Experiment und der anatomischen Untersuchung zugänglich ist, beschränkt sich auf den Nachweis bestimmter Leitungsbahnen, mit denen gewisse Gruppen der Ganglienzellen der Rinde in directer Verbindung stehen; aber sowohl der Bau der Gehirnrinde als die Function weist darauf hin, dass ausserdem zahllose Elemente der Rinde unter einander und mit anderen Rindenbezirken zusammenhängen. Da die Windungen jedenfalls nicht abgeschlossene Gebiete von Hirnsubstanz dar- stellen, kann man dieselben auch nicht als Hirnorgane auffassen, deren Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 79) 247 jedes eines besondere Function ausschliesslich besitzt. (Auch Giacomini kommt auf Grund des histologischen Verhaltens zu der Anschauung, dass die Windungen des Gehirnes nicht als abgeschlossene Einheiten aufzufassen sind.) Es ist hier nicht der Ort, auf die weitschichtige Frage der Bedeutung der Hirnfurchen und Windungen überhaupt einzugehen. Wie sehr dieselbe für die Funetion aber noch streitig ist, geht am besten daraus hervor, dass einer der neuesten Autoren über diesen Gegenstand, Joh. Seitz), nach eingehender Prüfung zu dem Resultat gelangt, dass die Hirn- furchen nichts Anderes als sogenannte „Nährschlitze“ sind, d. h. dass sie das allseitige Eindringen der Gefässe ermöglichen — eine Ansicht, welche bekanntlich nicht neu, sondern u. A. schon von Reichert ausgesprochen worden ist. Ich kann mich auch dieser Ansicht nicht anschliessen, denn wenn auch Niemand daran zweifeln kann, dass die Verbreitung der Arterien in inniger Beziehung zu den Furchen steht, so scheint mir ebenso unzweifel- haft, dass die Arterien ganz ebenso wirksam für die Ernährung auch ohne die Furchen in die Substanz eindringen würden. Die Arterien folgen in ihrer Verbreitung der Ausbildung der Oberfläche; ist diese glatt, so dringen sie direet in die Tiefe ein; ist sie reich an Furchen, so müssen sie noth- wendiger Weise in diese eintreten. Das Wesentliche ist also nicht die Ver- theilung der Arterien, sondern die Vergrösserung der Oberfläche, mit welcher die erstere gleichen Schritt hält. Sehen wir doch beispielsweise, dass so wichtige und gefässreiche Theile des Gehirnes, wie die grossen Ganglien- massen in der Tiefe, durch einige ohne Vermittelung von Furchen in die Substanz eindringende Arterienstimmchen versorgt werden! Die Vermehrung der Oberfläche kann aber meines Erachtens kaum einen anderen Sinn haben, als den, eine möglichst grosse Menge grauer Rindensubstanz in relativ kleinstem Raume mit der Masse der Leitungsbahnen in Verbindung zu bringen. Denken wir uns die erstere — die graue Rinde eines normalen menschlichen Gehirnes — in Form einer Kugelschale von gleicher Dicke angeordnet, so würde diese Kugel einen relativ colossalen Umfang haben müssen, vorausgesetzt, dass die Anordnung der Elemente und 1) Jahrbücher f. Psychiatrie, Bd. VII, Heft 3. 1887. 248 Dr. Felix Marchand. (p. 80) ihre Verbindung mit den Leitungsbahnen ‚dieselbe bliebe. Die Masse der Leitungsbahnen, und zwar die Länge der Fasern müsste dem entsprechend colossal vermehrt sein. Nun ist wohl nicht zu bezweifeln, dass die graue Rinde das Wesentliche, gewissermaassen das constante Element, die weisse Substanz das Variable, weniger Wesentliche ist. Die Anordnung der grauen Rinde in Furchen und Windungen entspricht demnach einem allgemeinen Ge- setz, welches uns überall in dem Organismus entgegentritt, dem des „ge- ringsten Stoffverbrauches“. Dass dies keine willkürliche Speculation ist, geht aus dem bekannten Verhalten der Gehirnoberfläche bei Thieren ver- schiedener Art und Grösse hervor. Das Gehirn von Thieren mit reichlicher grauer Rinde hat einen verhältnissmässig sehr viel weniger grossen Umfang, als ein Gehirn eines annähernd gleich grossen Thieres mit wenig grauer Rinde, aber die Oberfläche des ersteren ist zugleich stärker gefurcht; man vergleiche das Gehirn eines Chimpanse mit dem eines Pavians von annähernd gleicher Grösse; mit anderen Worten, die weisse Substanz wird bei höherer Organisation des Gehirnes nicht in gleichem Grade vermehrt, wie die graue Substanz. Dies ist nur möglich durch stärkere Ausbildung der Furchen und Windungen. Die Menge der grauen Rinde und dem entsprechend auch die Ausbildung der letzteren, ist nun offenbar von verschiedenen Umständen ab- hängig, in erster Linie aber von der Eigenthümlichkeit der Thierart. Die Momente, welche innerhalb einer Art die grössere oder geringere Aus- bildung der grauen Rinde, die Faltung der Oberfläche bedingen, entziehen sich noch zu sehr unserer Beurtheilung. Die zuweilen sehr auffälligen Differenzen des Windungsreichthums, welche bekanntlich beim Menschen vor- kommen — und zwar ohne erkennbare Beziehungen zur Körpergrösse und zu den physischen Funetionen sind wahrscheinlich bereits intrauterin angelegt, denn wir finden solche Differenzen auch bei Neugeborenen (selbst bei Föten aus früheren Stadien, z. B. bei ungleich entwickelten Zwillings-Föten). Wir wissen aber noch nicht, wann die Entwickelung der Windungen ihre definitive Ausbildung erreicht; immerhin ist es denkbar, dass bei der sehr erheblichen Grössenzunahme des Gehirnes innerhalb der ersten Lebensjahre auch eine grössere Vervielfältigung der Windungen stattfindet. Es mag aber auch sein, dass das Gehirn von Kindern, welche zu früh zur Welt kommen, deren Gehirn also noch windungsärmer ist, als das ausgetragener Kinder, auch = Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 81) 249 später nicht denselben Grad der Ausbildung erreicht; darüber ist nichts be- kannt. Indess wäre diese Frage wohl der Untersuchung werth. Hat das Gehirn einmal seine definitive Wachsthumsgrenze erreicht, was wahrscheinlich schon nach Ablauf der ersten 5—6 Lebensjahre durch- schnittlich der Fall ist, so ist auch eine weitere Differenzirung der Oberfläche nicht gut denkbar. Die Grösse, das Gewicht kann sich ändern, denn diese hängen auch noch von anderen Umständen ab, von der Beschaffenheit des Gewebes, der Zwischensubstanz, dem Gehalt an flüssigen Bestandtheilen; dass aber auch neue Formen entstehen, dafür fehlt jeder Beweis und sogar jede Analogie. Es scheint übrigens, dass auch Rüdinger seine früher ausgesprochene An- sicht etwas bedenklich gefunden hat, wenigstens sagt er in einer neueren Arbeit+): „Ob das normale Hirn des Menschen zur Zeit der Geburt formell vollendet ist, und die einzelnen Gebilde post partum nur ein Grössenwachsthum erfahren, oder ob später noch in Folge gesteigerter Hirnthätigkeit eine weitergehende Veränderung der Furchen und Windungen erfolgt, ist eine sehr bedeutungsvolle, aber schwer zu entscheidende Frage.“ Diese Frage zerfällt in zwei wesentlich verschiedene Theile: 1. Findet überhaupt eine morphologische Veränderung der Oberfläche statt? und 2. Findet dieselbe in Folge gesteigerter Hirnthätigkeit statt? Die Antwort auf die erste Frage ist in dem Obigen enthalten; die zweite Frage mussten wir für das erwachsene Gehirn ent- schieden verneinen. Es könnte aber noch der Fall sein, dass in dem kindlichen Alter, dem Wachsthumsstadium, das Gehirn sich anders verhielte, als später. Doch ist auch hierfür kein Grund vorhanden; es hiesse Wirkung und Ursache verwechseln, wenn man die Veränderung des Gehirnes als Folge gesteigerter Thätigkeit ansehen wollte. Jeden- falls steigert sich auch die Hirnthätigkeit entsprechend der grösseren Ausbildung des Gehirnes und in Folge derselben. Beim Neugeborenen functionirt das Grosshirn noch äusserst wenig; es ist ein noch ganz unfertiges Organ. Während des ersten Lebens- jahres, in welchem die Bildung des weissen Markes sich vollendet und die graue Substanz sich vervollkommnet, entwickeln sich allmählich die psychischen Functionen. Bei der Mikrocephalie handelt es sich um eine absolut und relativ zu geringe Masse von Gehirnsubstanz, graue und weisse Substanz scheinen aber in den meisten Fällen in ihrem Verhältniss zu einander nicht wesentlich verändert zu sein. Der geringen Menge grauer Rinde entspricht auch eine geringere Menge Marksubstanz, andererseits auch die windungs- 1) Münch. med. Wochenschr. 1886, Nr. 10. E to Nova Acta LY. Nr. 3. 250 Dr. Felix Marchand. (p. 82) arme Oberfläche. Wenn die Form des Mikrocephalen-Gehirnes auf eine Störung hinzudeuten scheint, welche das Gehirn erst in einem relativ späten Entwickelungsstadium, d. d. nach Ablauf der ersten Fötalmonate, betroffen hat, so müssen wir gestehen, dass die Art und Weise einer solchen Ein- wirkung auf die sich entwickelnde Gehirnsubstanz uns noch ganz unver- ständlich ist. Auch ist keineswegs ausgeschlossen, dass es sich um eine primäre Mangelhaftigkeit der ersten Anlage handelt, welche eine Verzögerung, einen vorzeitigen Stillstand und abnormen Verlauf der inneren und äusseren Entwickelung nach sich zieht, und dadurch den Anschein erweckt, als habe eine bestimmte Störung oder Hemmung erst in einem späteren Zeitpunkt eine vorher normale Anlage betroffen. Gewisse Fälle von Mikrocephalie unterscheiden sich wesentlich von den übrigen durch ein entschiedenes Missverhältniss zwischen grauer und weisser Substanz. Während die letztere nur ungefähr so weit entwickelt ist, wie in einem Mikrocephalen-Gehirn hohen Grades, erreicht die erstere an- nähernd die normale Menge, muss aber in Folge dessen ganz abnorm an der Oberfläche angehäuft und abnorm angeordnet sein, und in sehr unvoll- kommener Weise mit den Leitungsbahnen in Verbindung treten. Ein Theil dieser Gehirne war zugleich durch Mikrogyrie ausgezeichnet. Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 83) 251 D Cap. VIII. Litteratur des Mikrocephalen -Gehirnes. In der folgenden chronologischen Uebersicht sind hauptsächlich diejenigen Autoren erwähnt, welche Gehirne von Mikrocephalen beschrieben oder wenigstens das Gehirn- | gewicht bestimmt haben; ausserdem sind noch einige Arbeiten aufgezählt, welche dem | Titel nach zur Mikrocephalie gehören. Nur diejenigen Fälle von einfacher Mikrocephalie,. | welche in der vorstehenden Arbeit als solche berücksichtigt wurden, sind mit fort- | laufenden Nummern bezeichnet, welche den Citaten im Text beigefügt sind. 1) Von den weniger leicht zugänglichen wichtigeren Fällen habe ich einen kurzen i Auszug mitgetheilt. Alphabetisches Autoren -Verzeichniss. Adriani 1872. | Brunati 1885. Aeby 1873—1879. | Bucknill 1855. van Andel 1873. | Bucknill and Tuke 1862. Anton 1886. | Calori 1880. Baillarger 1856. | Catalogue of St. Barthol. 1846. Barlow 1877. Chiari 1879, 1880. v. Bischoff 1873. “Cramer 1874. Broca 1875, 1876. | Cruveilhier 1835—1842. A 1) Einige Nummern sind leider in Folge nachträglicher Einschaltung ausser der Reihe. Zur leichteren Auffindung der Autoren ist ein alphabetisches Verzeichniss vorausgeschickt. 32* rm un mn 252 Dr. Felix Marchand. (p. S4) Delorenzi 1874. Down, Langdon 1869. Ducatte 1880. Ecker 1879. Fr. Fischer 1875. Flesch 1882. A. Foerster 1865. Friederich 1883. Gaddi 1867. Gall und Spurzheim 1812 — 1818. Giacomini 1876, 1584. Gore 1863. Gratiolet 1860. Griesinger 1861. Grohe 1878. G. Jäger 1839. Janusch 1880. J. Jensen 1875, 1880, 1883. G. Joseph 1877. Klebs 1876. Klüpfel 1871. Krause 1877. Leuret et Gratiolet 1839 — 1857. Lombroso 1872. Luschka 1872. Maffei und Rösch 1844. Marshall 1865. Mierjeiewski 1872, 1876. Mingazzini und Ferraresi 1889. J. Miiller 1836. Onufrowicz 1886. Pansch 1878. Parchappe 1841. Peacock 1859. H. Pozzi 1875. Retzius 1878. Rohon 1879. Riidinger 1882, 1886. J. Sander 1868. Sandifort 1835. Sapolini 1870. van Schouwen 1876. Schröder 1861. Schiile 1872. Shuttleworth 1878. Sims 1835. Spurzheim 1826—1830. Stark 1875. Steinlechner-Greschischnikoff 1886. Theile 1861. Thurnam 1866. Tiedemann 1836. Tüngel 1861. Valenti 1873. H. Virchow 1887. R. Virchow 1856. C. Vogt 1867. Vrolik 1854. R. Wagner 1861. Willis 1664. Wolff 1885. Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 85) 253 Th. Willis, Gerebri anatome, cui accessit nervorum descriptio et 1664 usus. Londini 1664. Fig. 4, p. 27. Abbildung des Gehirnes eines mikrocephalen Jünglings, (1) der von Geburt an blödsinnig war. Das Gehim soll nur zur besseren Erläuterung normaler Verhältnisse dienen, Ueber die Grösse des Gehirnes ist nichts angegeben, nach der Zeichnung scheint dasselbe kaum die Grösse des Gehirnes eines neugeborenen Kindes gehabt zu haben. Das Gehirn ist von hinten gesehen, mit aufgehobenem Grosshirn, so dass man die Unterfläche des Balkens und Fornix, sowie die Streifenhügel, Sehhügel und Vierhügel über- sieht. Das wenig umfangreiche Cerebellum ist in der Mitte gespalten, so dass der Boden des vierten Ventrikels vorliegt. („Effigies cerebri humani, quod cujusdam adolescentis, ab ipsa nativitate Fatui, et ex eorum numero qui vulgo Lemurum subdititii perhibentur, fent) — Es ist dies wohl die älteste Abbildung eines Mikrocephalen-Gehirnes. Gall et Spurzheim, Anatomie et physiologie du système nerveux. 1812—18 Paris 1812 — 1818. Gall giebt auf Taf. XVII, Fig. 2 eine wenig deutliche Umriss- zeichnung des Willis’schen Gehirns, dessen Grösse er auf 1/ der normalen taxirt. Taf. XIX, Fig. 1 findet sich die Abbildung des Kopfes eines voll- ständig imbecillen Jiinglings von 25 Jahren nach dem Gypsabguss, den Gall von Bonn erhalten. Dies war derselbe Mikrocephale, dessen Schädel und Gehirn Sandifort abbildet, obgleich er dort 20 jährig genannt ist. Gall erwähnt von demselben, dass er, obgleich in Amsterdam gebürtig, wegen seiner Stupidität als afrikanischer Wilder für Geld gezeigt wurde. (T. II, p. 12.) Taf. XX, Fig. 1, 2 Kopf und Schädel eines 20 jährigen (an einer anderen Stelle 22 jährigen) Mädchens. (Gypsabgüsse beider Köpfe finden sich in der ursprünglich Soemmering’schen Sammlung zu Giessen, nebst dem Schädel eines zweijährigen mikrocephalen Kindes.) Gall erwähnt noch mehrere andere Mikrocephalen (Vater mit ziemlich kleinem Kopf, und 2 Söhne von 2 und 4 Jahren). J. G. Spurzheim, The anatomy of the Brain. London 1826. Appendix 1830. 1826 (Dasselbe herausgegeben von Stedmann. Boston 1834.) Gehirn eines idiotischen Mädchens von 17 Jahren aus dem (2) Asyl zu Cork. Spurzheim erhielt den Schädel und Gypsabguss des Gehirnes von Dr. Abell und Dr. Cheyne. Abbildung des Gehims Taf. V, Fig. 5 in der Ansicht von unten, 6 von der Seite, in Y/, natürlicher Grösse. Spurzheim 1830 (3) 254 Dr. Felix Marchand. (p. 86) s Gehirnes mit einem sagt darüber p. 107 (amerik. Ausg.): „Ein Vergleich diese von einem gesunden und normalen Individuum zeigt ausserordentliche Ver- kleinerung der vorderen Lappen und Mangel der Windungen, welche für gewöhnlich an der Oberfläche des Stirntheiles vorhanden sind. Es ist selbst einfacher und weniger entwickelt, als das Gehirn des Orang-Utang, besonders vorn.“ Nach Gore befindet sich ein Abguss desselben Gehirnes im College of Surgeons. Appendix to the anat. of the brain (Paper read before the royal society on the 14. May 1829). Gehirn eines weiblichen Individuums, im Besitze des Dr. Stanley in London; Abbildung desselben von oben Taf. II, von der rechten Seite Taf. III, von der Basis Taf. IV; angeblich in natürlicher Grösse (des Spiritus- Präparates). Spurzheim giebt p. 230 u. f. eine kurze Beschreibung und Vergleichung mit der Oberfläche eines normalen Gehirnes, dessen Windungen er im Wesent- lichen richtig darstellt. Darnach ist der Hinterlappen und Scheitellappen ausserordentlich in der Entwickelung zurückgeblieben, noch mehr die unmittelbar davor gelegene Parthie. Die Gegend der ersten Stirnwindung ist sehr einfach, die medialen Theile des Scheitellappens besser entwickelt, weniger regelmässig die lateralen. Die Seitenansicht zeigt einen Mangel in allen seitlichen Theilen, besonders in dem vorderen Theile des mittleren und dem ganzen vorderen Lappen. Die Abbildungen sind gut, sie zeigen starke Verschmälerung des Stirnlappens nach vorn, grosse Vereinfachung der Windungen; die Centralfurche ist in der Ansicht von oben rechts nicht deutlich, in der Seitenansicht aber erkennbar, wenn auch kurz. Zwischen Scheitel- und Hinterlappen findet sich ein ziemlich tiefer Einschnitt; die Fissura Sylvii ist kurz und steil verlaufend; die Schläfenlappen ‚breit und einfach. Die Centralwindungen gehen ohne Operculum zu bilden in die Insel über. Das Chiasma opt. ist auffallend in die Breite gezogen. Das Gehirn entspricht in der Seitenansicht am meisten dem der S. Wyss von Aeby. Nach Gore ist das Gehirn identisch mit dem im St. Bartholomews- Hospital unter N. A. 121 befindlichen. Der Katalog sagt darüber (Bd. II, p. 205): „Gehirn eines Mädchens von 22 Jahren, welches von Geburt an voll- ständig idiotisch war. Das Gehirn ist ausserordentlich klein, indem es nur 4” (10,1 cl in der grössten Länge, 31/,” (8,9) in der grössten Breite und 31/;” (8,5) in der grössten Höhe misst. Bei dieser Kleinheit bewahrt es die gewöhn- lichen Verhältnisse. seiner einzelnen "Theile; das Wachsthum allein ` scheint bo OA on Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 87) mangelhaft. Die Windungen sind wenig an Zahl, aber von normaler Breite. Der dazu gehörige Schädel findet sich unter N. A. 122. Marshall (l. ec. p. 552) giebt von diesem Gehirn ebenfalls eine kurze Beschreibung, laut welcher die Frontalwindungen breit und einfach sind. Beide Centralwindungen vorhanden, aber flach und schmal; die Scheitellappen breit; die Submarginal- und. krumme Windung stark entwickelt, ähnlich wie beim Orang. Schläfenlappen sehr gross und besonders lang; die äusseren Ueber- gangswindungen kurz und einfach. Das Gehirn ist nicht ganz symmetrisch. Das Kleinhirn im Vergleich zum Grosshirn sehr stark entwickelt; es reicht nach hinten genau ebenso weit wie die Spitze des Hinterlappens. Die Blätter des Kleinhirns sind spärlich an Zahl (an der unteren Fläche 20). Gerh. Sandifort, Museum anatom. academiae Lugd.-Batavae. Vol. IV. 1835. Tab. 190, 191. Explicat. tab. Nr. 86. Vol. III, p. 365, 395. Nr. 443. Schädel und Gehirn eines 20 jährigen Jünglings, aus der Bonn’schen Sammlung. Hochgradige Mikrocephalie, ohne Gewichtsangabe (cf. Gall). Abbildung des Gehirnes von oben, von unten und auf dem Durchschnitte. Aus der Beschreibung sei Folgendes hier angeführt: Die Stirnlappen sind kaum entwickelt, sehr zugespitzt; die Windungen ziemlich breit, die Furchen flach, und sehr viel weniger zahlreich als normal. Die Hinterhauptlappen weichen auseinander, so sehr ein grösserer Theil des Kleinhirns zur Anschauung kommt. Die Schläfenlappen stark vorragend; dennoch sind von der Fossa Silvii kaum Spuren vorhanden; auch-auf der unteren Fläche breite flache Windungen. Beiderseits neben dem vorderen Rande des Kleinhirns findet sich eine ziemlich lange spaltförmige Oeffnung des Seitenventrikels, in welcher nach vorn das Cornu Ammonis zum Vorschein kommt. Die Hirnschenkel sind einander sehr genähert, so dass die Corpora candicantia verschmolzen sind. An der Medianfläche der Hemisphäre sehr wenig Windungen. Der Balken ist in seinem mittleren Theile stark verkürzt, nach hinten wie aus- geschnitten, so dass der Rand länger ist, als die Mitte, welche nach hinten nur das vordere Drittel des Sehhiigels bedeckt. Septum lucidum vorhanden. Corpora quadrigemina mit wellenförmiger Oberfläche, so dass sechs Erhaben- heiten anstatt vier vorhanden sind. Das Cerebellum hat seine normale Gestalt. Auf den Abbildungen sind die Windungen und Furchen nur schwach angegeben, so dass sich ein bestimmtes Urtheil darüber nicht gewinnen lässt. Von der Centralfurche ist weit nach vorn eine schwache Andeutung erkennbar. (4) (Taf. VI, Fig. 1) 1836 (6) (35) 1839 (8) 256 Dr. Felix Marchand. (p. 88) Schräg über die hintere Hälfte der rechten Hemisphäre verläuft ein tiefer Einschnitt nach vorn, welcher anscheinend an der Fissura parieto-occip. beginnt, und sich dann in den Schläfenlappen hinein fortsetzt; links ist diese Furche viel weniger ausgebildet. Die Interparietalfurche ist besonders links stark angedeutet. Die geringe Entwickelung des fast schnabelförmig zugespitzten Stirnlappens ist besonders auffallend. — Das Individuum war bösartig, gefrässig, hatte sehr scharfe Sinne, konnte nicht sprechen. Ausleerungen scheinbar unwillkürlich. Die Körperlänge war Lac, J. Sims, On hypertrophy and atrophy of the Brain. Med. chir. Transact. Vol. XIX. P. 353: Uebersicht über die Hirngewichte von 253 Fällen, darunter Nr. 45, Mädchen von 12 Jahren, idiot, apoplexy. Gehirngewicht 1 Lib. 11 oz. (765 g) (high congestion, fluid). Joh. Müller, Nachrichten über die beiden Mikrocephalen von Kiwitsblott bei Bromberg. Medicin. Zeitung des Vereins für Heilkunde in Preussen. Berlin ob: ; a. Michael Sohn, 20 Jahre. Kurze Beschreibung des sehr mangelhaft conservirten Gehirnes. Vergl. Schädel und Gypsausguss bei K. Vogt. b. Friedrich Sohn, im Jahre 1835 13 Jahre alt, lebend. Schädel und Gypsausguss bei K. Vogt. Ueber das Gehirn vergl. Sander. Fr. Tiedemann, On the Brain of the Negro, compared with that of the European and the Orang-Outang. Philosoph. Transact. for 1836, P. I. London 1836. Dasselbe deutsch (das Hirn des Negers etc.), Heidelberg 1837. a. 50jähriger Idiot aus der Anstalt Eberbach, Hirngewicht 1 Pfund 8 Unsen 4 dr. Nürnb. Med. Gew. (617,06 g): b. 40 jähriger Idiot aus der Anstalt Pforzheim, Hirngewicht 1 Pfund 11 Unsen + dr. (707,38 8). c. 16jährige Idiotin ebendaher, Hirngewicht 1 Pfund 6 Unsen 1 dr. (545,66 g). Ohne nähere Beschreibung. Diese Angaben sind ohne Umrechnung in die engl. Ausgabe übergegangen und daraus vielfach falsch citirt worden. G. Jäger, Beitrag zu der Geschichte hirnarmer Kinder. Medicin. Correspondenzbl. des Wiirttemb. ärztl. Ver. Bd. IX, Nr. 28, p. 217. Bericht über die Mikrocephalen (Affenköpfe) in Plattenhardt bei Stuttgart. Darin Sectionsbefund des 10 Jahre alten Jacob Moegle, ohne + sf a Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehürne. (p. 89) 2 Gewichtsangabe des Gehirns; der Gehirnbefund etwas unvollständig. Derselbe ist reproducirt bei K. Vogt, 1. ec. p. 176. Cruveilhier, Anatomie pathologique. Livr. 39. 1835—42 Cruveilhier berichtet über zwei Fälle eigentlicher Mikrocephalie: | a. Gehirn eines Kindes von 8 Monaten, ein Gehirn en miniature, aber (9) | ohne bemerkenswerthe Bildungsfehler. Die Kopfhaut in der Oceipitalgegend mehrfach gefaltet: die Knochen des Schädeldaches sehr dick und fest, fest mit einander verbunden, wie im Alter von 15—18 Jahren. Der obere Theil der Hinterhauptschuppe winkelig geknickt, leistenformig vorspringend. b. Mikrocephales Kind. Das Gehirn sehr klein, die Atrophie betraf (10) hauptsächlich die Stirnwindungen. „Scheitelwindungen“ an ihrer ausgesprochen queren Richtung erkennbar. R Ein dritter Fall von Barbie du Bocage, von einem dreijährigen Kinde, war, wie Cruveilhier selbst angiebt, als Atrophie mit Induration und nach- | träglicher Flüssigkeitsansammlung aufzufassen. Die Abbildungen auf Tafel IV betreffen Hydromikrencephalie. Parchappe, Traité de la folie. 1841 Gehirn eines männlichen Idioten von 45 Jahren von 970 œ. (11) Gehirn eines weiblichen Idioten von 25 Jahren von 720 œ (ert (12) nach Thurnam). | Maffei und Rösch, Neue Untersuchungen über den Cretinismus. 1844 Erlangen. Enthält Section eines hirnarmen Mädchens von 13 Jahren (p. 65) und Section eines zweiten hirnarmen Mädchens von 4 Jahren, von Prof. Valentin | nnd Dr. Guggenbiihl (p. 188). | Fall 1. Schädelgewölbe klein, Kopf gegen den Scheitel zugespitzt. (13) Zwischen Arachnoidea und Pia viel Wasser; Häute nicht verdickt. Die graue Substanz des Gehirnes im Verhältniss zur weissen bedeutend über die Norm entwickelt, die erstere an mehreren Stellen erweicht (cadaverös? M.). Das grosse Gehirn viel zu klein, Windungen viel weniger zahlreich und flacher. Seitenventrikel grösser, ebenso wie der dritte und vierte mit einer mässigen Menge Wasser gefüllt. Das kleine Gehirn im Verhältniss zum grossen mehr entwickelt, die graue Substanz eigentlich hypertrophisch, Marksubstanz in | geringer Menge vorhanden. | Fall 2. Mädchen von 4 Jahren. Höchster Grad des Blödsinns von | Geburt an. Die Ansicht des Gehirns von oben und von der Seite, die Con- Nova Acta LY. Nr. 3. 33 | 1846—51 (3) 04) 1854 258 Dr. Felix Marchand. (p. 90) sistenz und die Verhältnisse. der verschiedenen Gehirnsubstanzen zu einander bot nichts Auffallendes. Die Gehirnhemisphären etwas ungleich, die rechte Hälfte grösser (6” 3” und 6” 2” vermuthlich württ. M.), Seitenventrikel stark erweitert. - Corp. striat. flach und niedrig; die Sehhügel ebenfalls, jedoch weniger. Vierhügel normal; die Oliven asymmetrisch, die rechte normal, links ging nach oben und innen von dem Hauptkörper der Olive noch eine starke Nebenwulst aus. In jedem Corpus ciliare des Kleinhirns. ein kleiner Ventriculus ciliaris, der nach hinten und aussen blind endet. — Dieser Fall, welchen Vogt ebenfalls eitirt, gehört nach den angegebenen. Maassen keines- wegs zur Mikrocephalie. A descriptive Catalogue of the anatom. Museum of St. Bartho- lomew’s-Hospital, 2. vol. London. 1) A. 121 (vol. II, p. 205). Gehirn eines 22 jährigen Mädchens (ef. Spurzheim). 2) A. 123 (ebenda). Gehirn eines Mannes von 22 Jahren, von Geburt idiotisch. In seiner Gesammtgrösse noch kleiner als das vorige; Gewicht im frischen Zustande 13 oz. 2 dr, avoir du pois (372 g), verschieden vom vorigen durch die unvollkommene Entwickelung, wie durch das unvollkommene Wachsthum des Grosshirns, welches im Vergleich mit dem Kleinhirn klein ist; die hinteren Lappen sind so sehr verkleinert, dass sie das letztere nur zum dritten Theile bedecken. Der dazu gehörige Schädel (A. 124) ist von Owen (Osteology of the Chimpanzee, Transactions of the Zool. Soc., vol. I.) beschrieben und abgebildet. Marshall (l. c. p. 552) giebt ebenfalls eine kurze Beschreibung dieses Gehirnes. Die Orbitalwindungen ganz rudimentär; der Sulcus triradiatus bildet nur einen linearen Eindruck, die Frontalwindungen sind ebenfalls sehr einfach; beide Centralwindungen sind rechts vorhanden, links nur die hintere; Scheitellappen eben, kurz und breit; Supramarginal- und krumme Windung einfach entwickelt, kein deutliches Supramarginal-Läppchen. Schläfenlappen kurz und dick; der Hinterhauptlappen einfach; die äusseren Uebergangs- windungen sehr kurz. Kleinhirn verhältnissmässig sehr gross. Gore (l. e.) erwähnt dies Gehirn ebenfalls, giebt aber das Gewicht in Grammen irrthiimlich zu 332 an, woher auch die unrichtige Angabe bei Bischoff stammt. W. Vrolik, Beschrijving van Gebrekkigen Hersen- en Schedel-Vorm. Verhandelingen der Koninklijke Akademie van Wetenschappen. I. Amsterdam. Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 91) 259 Gehirn und Schädel eines 9jährigen mikrocephalen Knaben (Cretin vom Abendberge), von Dr. Guggenbühl herrührend. Sehr starker Hydro- cephalus int. Gekreuzte Asymmetrie; linke Hälfte des Grosshirns und rechte des Kleinhirns kleiner; Gewicht des Gehirnes nicht bestimmt; zum Vergleich sind die Abbildungen des Gehirnes eines normalen Mädchens von 9 Jahren beigefügt, dessen Grosshirnhemisphären 15,; em messen, während die des anderen 12,; cm lang sind. Die Windungen einfach und glatt, Furchen flach; Fissura Sylvii stark ausgeprägt. Die eine Abbildung stellt die rechte Hälfte des Gehirnes, von der Medianfläche aus eröffnet, dar, so dass man in den weiten Ventrikel hineinblickt. Die Wanddicke beträgt nur S—9 mm; eine Stelle der oberen Stirngegend ist blasenartig verdünnt. Der Schädel ist stark skoliotisch. J. Ch. Bucknill, The Pathology of insanity: Brit. and for. med. chir. Review, vol. XV, p. 216. (Nr. 155) Gehirn eines idiotischen Weibes von 37 Jahren, gestorben an Herzkrankheit; Gewicht 921 œ (2 Lib. ix oz.); Grösse 1,39 m. Umfang des Schädels nach Entfernung der Kopfschwarte 508 mm. 'Transvers. Umfang 330 mm. Sagitt. Umfang von der Nasenwurzel zur Protuber. oceip. 348,7 mm, Dicke der Hirnrinde 1,73 mm. Das Gehirn verdrängt 373/, Unzen — 1057 cem aq. Capacität des Schädels mit Wasser gemessen 401/; fl. oz. = 1134: Differenz 77 com. Es ist nicht recht ersichtlich, wie das Gehirn von 921 g Gewicht 1057 cem Wasser verdrängen konnte. Baillarger, Ueber frühzeitige Verknöcherung des Schädels bei Mikrocephalen. Bull. de Y’Acad. de med. XXI, pn 950, 1856. Ref. in Schmidt's GIE ET Eet Loo. R. Virchow, Gesammelte Abhandlungen zur wissenschaftlichen Medicin. Frankfurt. 1) Schädel und Gehirn einer 66 jährigen, von Jugend auf epileptischen Frau, mit Atrophie und Hemiplegie der rechten Seite. Mikrocephaler Schädel mit Synostose der Lambda-, z. Th. auch der linken Kranz- und der Pfeilnaht. Gehirn klein, sehr unsymmetrisch, linke Hälfte weit kleiner. Hirnhöhlen stark erweitert (p. 924). Abbildung des Gehirnes auf Taf. II. (Präparat aus der Würzburger Sammlung, allem Anscheme nach zum Cretinismus gehörig, Gehirndeformität abhängig von dem abnormen Schädelwachsthume.) 1855 (16) 1856 (17) 1857 (18) (Taf.1V,Fig.2) (19) Taf. IV, Fig. 3, 4) (20) 1860 260 Dr. Felix Marchand. (p. 92) 2) Margarethe Maehler von Rieneck, damals 24 Jahre alt, von Virchow ebenfalls als Cretine bezeichnet. Leuret et Gratiolet, Anatomie comparée du système nerveux avec Atlas. 1839—57. Gehirn eines vierjährigen mikrocephalen Mädchens. Taf. XXIV. Gehirn eines vierjährigen Mikrocephalen. Taf. XXXII, Fig. 1—4. (Beide von Giraldés herrührend.) Bd. II, p. 262 erwähnt Gratiolet die Negerin von Baillarger; das Gehirn war klein, vollständig symmetrisch; die Gehirnwindungen denen eines siebenmonatlichen Fötus entsprechend. Das Kleinhirn relativ sehr gross. Peacock, Brain of an idiotic boy nearly eleven years of age. Transactions of the Pathological society of London, vol. X, p. 15, PIETEI; Gewicht des Gehirnes 21 oz. 34 dr. (— 601,5 g). Grosshirn besonders klein; Kleinhirn etwas hervorragend; die Windungen sehr schmal, Furchen flach, anscheinend zum Theil obliterirt. Beide Seitenventrikel, besonders hinten, stark erweitert. Rechte Hemisphäre etwas kleiner als die linke. Tract. opticus fehlt an der Stelle, wo er um die Hirnschenkel geht. — Aus der etwas undeutlichen Abbildung zu schliessen, war Mikrogyrie vorhanden; die Haupt- furchen und Windungen sind nur schwer erkennbar; beide Centralfurchen sind vorhanden, und haben eine sehr gerade aufsteigende Richtung; tiefe Fiss. parieto-occip., welche nach aussen in den S. occip. transvers. übergeht. Bei der Eröffnung der Dura entleerte sich viel Flüssigkeit; die Schädelnähte waren angeblich total verknöchert. — Die grosse Fontanelle war bei der Geburt verschlossen, der Kopf sehr klein. Das Kind war anfangs gesund, aber blind; nach 6 Monaten Convulsionen; es lernte nicht gehen. Im Alter von 5 Jahren Lähmung des linken Armes und Beines. P. Gratiolet, Observations sur la microcéphalie, considérée dans ses rapports avec la question des caractéres du genre humain et du paralléle des races. Bulletin de la société d’anthropologie, vol. V, p. 34. Erwähnt die anatomische Untersuchung von drei Mikrocephalen- Gehirnen, das älteste von etwa 14 Jahren von Baillarger (Negresse); die beiden anderen von Giraldes sind identisch mit den im Atlas von Leuret und Gratiolet abgebildeten. Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 93) 261 P. Gratiolet, Mémoire sur la microcéphalie, considérée dans ses rapports avec la question des caractéres du genre humain. Mémoires de la société d'anthropologie de Paris. P. I, p. 61. 1860 bis 1863. Dieselben Fälle. W. Griesinger, Pathologie und Therapie der psychischen Krank- heiten. (4. Aufl. vom Jahre 1876, p. 359), 2. Aufl. 1861. Fall 1. Mädchen von 19 Jahren von Mariaberg in Württemberg. Schädel asymmetrisch, sehr klein. Anomalien der Oliven und der Brücke, Fall 2. Mädchen von 21 Jahren aus Winterbach. Schädel klein, asymmetrisch. Linke Hirnhemisphäre kürzer. Gehirngewicht 36 Loth wiirtt. = 526,2 (1 Loth = 14,616). Fr. W. Theile, Ueber Mikrocephalie. Zeitschrift für rationelle Mediein von Henle und Pfeufer, 3. R., Bd. XI, Bas 2105051861. »Mikrocephale von Jena“, Mann von 26 Jahren. Gehirngewicht 300 g (101/1 Unzen preuss. Medic.-Gewicht). Schröder, Beschreibung eines Cretinen-Schädels. Virchow’s Archiv. Bd. XX. 1861. S. 358. Margarethe Maehler, 33 Jahre alt, ef. Vogt. d Tüngel, Klin. Mittheilungen aus der medicinischen Abtheilung des allgemeinen Krankenhauses in Hamburg aus dem Jahre 1859. Hamburg ISO ee „Mangelhafte Entwickelung des Gehirnes ohne Sklerose“ bei einem Knaben von zwei Jahren. Schädel klein und ganz rund, trat gegen das Gesicht zurück; Augen nach innen convergirend; Mund gross, offen. Von Zeit zu Zeit heftige epileptische Krämpfe. „Die Windungen der Hemisphären erschienen breit und wenig zahlreich, die hinteren Lappen des grossen Gehirns wenig entwickelt, so dass man das kleine Gehirn theilweise unbedeckt sah. In den Ventrikeln war wenig Wasser; der mittlere Theil des Gehirnes schien wohlgebildet. Am kleinen Gehirn war sowohl der obere als der untere Wurm sehr kurz. Die Hirnsubstanz zeigte sich nirgends verändert.“ R. Wagner, Studien über den Hirnbau der Mikrocephalen mit vergleichender Rücksicht auf den Bau des Gehirnes der normalen Menschen und der Quadrumanen. 1861 (24) (79) 1862 1863 (26) (Taf. IV, Fig. 7, 8) 262 Dr. Felix Marchand. (p. 94) Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Bd. X. 1862. Mikrocephale von Jena, mit Abbildung des Gehirnes. J. C. Bucknill and F. H Tuke, A manual of psychological medecine. (3 ed., London 1874, p. 166.) Frau von 70 Jahren; ausgezeichnet durch grosse Reinlichkeit, wahr- scheinlich in Folge sehr sorgfältiger Pflege in der Jugend; lernte weder schreiben noch lesen, glaubte beständig in Geburtsarbeit zu sein, und war meist beschäftigt, ihre eingebildeten Kinder zu schelten. Starb an Eierstocks-Er- krankung. Gehirn sehr klein, 223/, oz. av. d. p. (644,9); Grosshirn 191/, oz. (551,9), Cerebellum mit Pons und Med. obl. 31/, oz. (92,1). Die Häute waren, abgesehen von leichten Trübungen der Arachnoidea, gesund, nicht adhärent, etwas ddematis. Gefässe leer. Die Dicke der grauen Substanz schien der weissen proportional zu sein; die Windungen klein, die Furchen seicht, besonders oben am Gehim. Es fand sich eine ungewöhnlich weite und tiefe Abtheilung zwischen Hinter- und Mittellappen. Corp. striat. und Thal. opt. klein, aber gesund. Ventrikel normal, enthalten wenig Flüssigkeit. Glandula pinealis gross, cystisch, wie eine Weinbeere. Commissuren und Sept. pelluc. vollständig. Schädelmaasse: Umfang 18,37 in (479,5 mm). Von der Nasenwurzel zum Occipitalstachel 11,10 in (282,1 mm). Diam. antero-post. 6,62 in. (168 mm). D. transv. 4,75 in (120,7), Summe 41,34 in (1050 mm). (Höchstes Lebensalter bei Mikrocephalie!) Angeblich erwähnt Solly, on the Brain, zwei Gehirne von 19%/, oz. und 221/, oz. S. citirt aber nur die beiden Fälle a. u. b. n. Tiedemann. (24 ed. 1847, p. 162.) R. T. Gore, Notice of a case of microcephaly. The anthropological Review, vol. I, p. 168. 1863. London. Weib von 42 Jahren. Genaue Beschreibung des Gehirnes bei Mar- shall. Intelligenz ungefähr auf der Stufe eines Kindes von 2—3 Jahren; konnte einige Worte sprechen, aber ohne Verständniss, anständig und reinlich. Gang unsicher, wankend. Keine geschlechtlichen Neigungen hervortretend ; spielte mit Puppen. Gehirngewicht 10 oz. 5 dr. avoir du pois = 283 g (nach Entfernung der Häute). Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 95) 263 J. Marshall, On the Brain of a Bushwoman and on the Brains of two Idiots of European descent. Philos. Transact. vol. 154 f. 1864. Pl. 21, 22. London 1865. Fall 1. Weib von 42 Jahren, ef. Gore. Fall 2. Knabe von 12 Jahren. Gehirngewicht frisch mit den Häuten 81/, oz. = 241 g. Sehr ausführliche Beschreibung und gute Abbildungen. Marshall erwähnt ausser den beiden oben eitirten Fällen noch ein Wachsmodell und Zeichnungen eines Idiotengehirnes in Guy’s Hospital, ohne nähere Angabe. Er citirt feıner ein Gehirn von Todd von 20.25 oz. vermuth- lich identisch mit dem einen von Tiedemann. A. Foerster, Die Missbildungen des Menschen. Jena 1865. Taf. XVII. L. Rothe aus Jena, 42 Jahre alt. Kurze Angaben über das Gehirn. (Kurze Beschreibung desselben Cretins bei Thieme, d. Creti- nismus. Weimar 1842.) J. Thurnam, On the weight of the Brain, and on the circum- stances affecting it. Journal of mental science. April 1866. Vol. XI. Nr. 5%. (Bei Mierjeiewski und Jensen filschlich als „Ternems“ eitirt.) Darin Zusammenstellung einer Reihe mikrocephaler Gehirne, ohne nähere Angabe, darunter: Fall 1 von Thurnam: Mikrocephale von 29 Jahren, Gehirngewicht 1013 Dé 99 d ” 2 ” ” ” Beer ” ” 1006 ” e, Zen $ 5 yaw 2 907 „ C. Paolo Gaddi, Cranio ed encefalo di un idiota (c. 6 tav.). Memorie della regia Accademia di science lettere ed arti in Modena. Tomo VIII. Idiotisches Individuum von 39 Jahren, + den 20. April 1864. Ge- wicht des Gehirns 985 g. Es bestand Hydrocephalus internus und voll- ständiger Balkenmangel, also keine einfache Mikrocephalie. Schädel-Capaeität 1220 ccm (Wasser); Horizontalumfang 403 mm. €. Vogt, Ueber die Mikrocephalen oder Affenmenschen. Archiv für Anthropologie. Bd. II, p. 129. 1867. Sectionsbefund und kurze Beschreibung des Gehirnes des Ludwig Racke von Dr. Snell in Eberbach (Eichberg) vom 25. April 1849. Gehirngewicht 1 Pfund 6 Loth. Nach altem nassauischen Gewicht würde dies 558,9 g entsprechen; die Schädel-Capaeität war nach Vogt 622, 1866 (29) (30) (31) 1867 (33) nn 264 Dr. Felix Marchand. (p. 96) doch würde die Differenz zwischen dieser und der ersteren Zahl nicht auf- fallen, da starkes Oedem der Häute und Hydrocephalus int. vorhanden war. „Die Arachnoidea zwischen beiden Hemisphären blasenartig durch Wasser, ur welches mit der dritten Hirnhöhle correspondirt, aufgetrieben, die Substanz des Gehirns ödematös, aber sonst normal, die Ventrikel stark erweitert und mit Serum gefüllt.‘ (6) Ausserdem Michael Sohn, cf. Müller. (35) Friedrich Sohn, cf. Sander. (23) Mikrocephale von Jena, ct. Theile und Wagner. (24) Margarethe Maehler, cf. Schröder. (8) ‚Jacob Moegle, cf. Jaeger. 1868 J. Sander, Beschreibung zweier Mikrocephalen-Gehirne. Archiv für Psychiatrie I., 5. 299. 1868/69. (34) Fall 1. Gehirn des Adolph Pfefferle, 5 Monate alt. Gewicht 170 g. (35) Fall 2. Gehirn des Friedrich Sohn, vom anatomischen Museum zu (Taf. Iv, Berlin. a Sander hat die Beschreibung dieses Mikrocephalen-Gehirnes auf kaum einer Seite abgefertigt; Bischoff nennt die Beschreibung der Windungen mit Recht „sehr kurz und unvollständig“. In Betreff des Gewichtes giebt Sander kurz an: „das Gehirn wiegt 29 Loth“. Diese Angabe kann man in 4—5 fach L verschiedener Weise umrechnen. Bischoff giebt das Gewicht des Gehirnes zu 452 e an, doch ist nicht ersichtlich, woher gerade diese Zahl stammt; van Andel rechnet 290 & (= 29 Neuloth). Herr Geh. Rath Waldeyer war so freundlich, mir auf meine Anfrage mitzutheilen, dass in dem Katalog sich von J. Miiller’s Hand die Bemerkung findet: ,Cerebrum microcephali secundi ex Ki- witsblott (29 Loth)“; demnach kann es sich wohl nur um das Gewicht des frischen Gehirnes, und zwar um preussisches Gewicht (1 Pf. = 32 Loth = UA kg) gehandelt haben, was also 414,0 g ergeben würde. Es ist dies nur eines von den vielen Beispielen, wie sehr die ungenauen Gewichtsangaben bei dem so vielfach wechselnden Werthe der Bezeichnungen die Verständigung erschweren. Eine nochmalige genauere Beschreibung dieses Gehirns, welches sich jetzt im Berliner pathologischen Institut befindet, wäre wünschenswerth. 1869 Langdon Down, Case of mierocephalie skull. Transact. of the pathol. Society, vol. XX, p. 284 u. 285. (36) Fall 1. Knabe von 13 Jahren. Gehirngewicht 21% Pf. = 907 g. 4 Siimmtliche Schädelnähte unverknöchert, auch die Frontalnaht, welche kiel- y förmig vorspringt. Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 97) 265 Fall 2. Mann von 18 Jahren. Hoher Grad von Mikrocephalie, ohne Verknöcherung der Nähte. Schädelumfang 38, em (15”). D.ant. post. 12,7 cm, bilateraler D. = 9,9 cm. Innerer D. ant. post. = 11,9 em, bilateraler D. = Hu em. Gehirngewicht ist nicht angegeben, doch bezieht sich jedenfalls das Citat von Thurnam (en 25 u. 27), welcher das kleinste von Down ihm mitgetheilte Hirngewicht eines 18jährigen Idioten auf 425 & angiebt, auf dasselbe Individuum. — Sehr bemerkenswerth ist die Angabe Down’s, dass dieser Mikrocephale mit einigem Erfolg erzogen wurde, er lernte sprechen, Kleider ausbessern, rechnen und einfache Zeichnungen nachahmen. Sapolini, Caso di microcefalia parziale. Annali universali di medicina. Vol. 213. Ser. Quarta. Vol. 77. Milano. Lattuarda, Andrea, 18 Monate alt. Schädel von hinten nach vorn zusammengedriickt, das Gesicht stark vorspringend. Das Kind sah und hörte nicht; stridulöse Schreie. Fontanellen verwachsen, Hirnschädel erstaunlich dick (14 mm), und zwar durch Verdickung der Diploe.; Tabula interna und externa dünn. Gehirn mit einer geringeren Anzahl von Windungen als nor- mal, diese nur undeutlich gesondert. Hemisphären nach hinten gedrückt, be- deckten aber nicht ganz das Kleinhirn. Ventrikel weit, Gehirnsubstanz schwach entwickelt, Kleinhirn normal. Balken von geringer Dicke, bedeckt nicht voll- ständig die Vierhügel. Die Gefässe wurden injieirt und Sapolini constatirte eine grosse Engigkeit der Carotis interna, welche sich zur Carotis externa rechts wie 1:2, links wie 2,8:4,3 verhielt. Die geringe Entwickelung der Hirntheile führt Sapolini auf die Kleinheit der Carotis interna zurück, hält dieselbe aber nicht für primär, sondern bedingt durch Engigkeit des Canalis caroticus in Folge der Diekenzunahme des Schädels, welche ihrerseits von der reichlichen Ernährung durch die starke Carotis externa bedingt war. — Alles in Allem scheint der Fall nicht zu der eigentlichen Mikrocephalie zu gehören. Gehirngewicht nicht angegeben. R. Klüpfel, Beitrag zur Lehre von der Mikrocephalie. (Fall von Luschka; Margarethe.) Dissert. Tübingen 1871. H. Luschka, Ueber ein Mikrocephalen-Gehirn. Versammlung der deutschen Gesellschaft für Anthropologie zu Stutt- gart Archiv für Anthropologie. Bd. V, S. 483. 1872. Margarethe N., 15 Jahre. Das Gehirn wog frisch 30 Loth Zoll- gewicht (Klüpfel) = 468 g. Luschka rechnete 450 g, indem er das Loth zu 15 g annahm, was aber nicht stimmt. Die Schidel-Capacitiit wurde zu 500 cem bestimmt (mit Hirse). (1 Loth württ. = 15,695.) Nova Acta LY. Nr. 3. 34 (37) 1871 (39) 1872 (39) (40) (41) (Taf. VI, Fig. 13, 14) (42) 1873 (48) (iene Fig. 15, 16 266 Dr. Felix Marchand. (p. 98) H. Sehüle, Morphologische Erläuterung eines Mikrocephalen- Gehirnes. Archiv für Anthropologie. Bd. V, S. 437. T. VI. 1872. Leopoldine Wenz, 40 Jahre alt. Gehirngewicht nicht angegeben. Schädel-Capacität 704 cem, ersteres auf 650 (etwas niedrig) berechnet. Das- selbe Gehirn von Ecker, Archiv für Anthropologie Bd. V, pag. 503 kurz erwähnt. Joh. v. Mierjeiewsky, Berliner anthropologische Gesellschaft, 9. März 1872. Zeitschrift für Ethnologie. Bd. IV, p. 100. Taf. VII, IX. 1872. Mottey, Mann von ungefähr 50 Jahren. Gehirngewicht 369 g. (Die Gewichtsangabe bezieht sich allem Anschein nach auf das frische Gehirn; Mierjeiewsky hat erst nachträglich die Härtung vorgenommen.) Cesare Lombroso, Tre casi di mierocefalia. Rendiconti d. Reale Istituto Lombardo. Ser. IL, vol. IV. Milano 1871. p. 739. Quarto caso di mierocefalia. Daselbst Ser. II, vol. IV, p. 23. 1872. Fall 1. Unbekannter Mann von 35 Jahren (genannt l'uomo uccello). Schädel 38 cm Umfang, 390 emm Capacitiit. Nähte offen. Abguss des Ge- hirnes. Stirnlappen mit schnabelförmigem Fortsatz nach unten, keine Spur einer Fossa Sylvii; der linke Stirnlappen links nur mit 2 Windungen, rechts 3. Hinterlappen rechts kleiner als links, erhebt sich nach der Mitte pyramiden- förmig. Kleinhirn, kleiner als normal, ist nicht ganz bedeckt. Fall 2. Lebender Mikrocephale von 19 Jahren (L'uomo coniglio). 3. R f ‘oS ray (Robolino P.). 4. A “ IBAR (Battista). Roberto Adriani, Caso singolore di microcefalia. Lo Specimentale. T. XXX. Fasc. 10. p. 413. Firenze 1872. Antonia Grandoni, gen. la Bertuccia, 4141/2 Jahre alt. Gehirngewicht 289 g. Ausfiihrliches Referat über diesen Fall findet sich im Jahresbericht von Virchow-Hirsch 1872. A. H. van Andel, Ken microcephaal of zoogenaamd aapmensch. Nederl. Tijdschr. v. Geneesk. 1873. 2e Afd. Maria Johanna Jelly, im Alter von 21 Jahren in die Anstalt zu Zutfen aufgenommen, wo sie drei Jahre später (1865) an Lungentuberkulose Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 99) 267 starb. Ihre Eltern hatten 14 Kinder, von welchen 4 mikrocephal waren; von diesen lebten noch zwei, eine Tochter und ein Sohn. Maria hatte zuweilen Anfälle von Raserei; die artieulirte Sprache fehlte ganz, von Verstand war nichts zu entdecken. Das Gehirn wog nach Entfernung der Häute 288 g, doch ist nicht ausdrücklich gesagt, ob in frischem oder gehärtetem Zustande. van Andel bemerkt indess, dass das Gewicht demnach etwa 1/4 des normalen betrug; Arachnoidea und Pia werden als nicht verdickt angegeben. Hydro- cephalus war ziemlich sicher auszuschliessen. Der Beschreibung des Schädels und Gehirnes (letztere sehr kurz) ist Abbildung des ersteren in natürlicher Grösse in der Seitenansicht und auf dem Sagittalschnitt, und drei stark ver- kleinerte, ziemlich deutliche Abbildungen des Gehirnes beigefügt. Th. v. Bischoff, Anatomische Beschreibung eines mikrocephalen Sjährigen Mädchens, Helene Becker aus Offenbach. Abhandl. d. k. bayr. Akademie der W. II. Cl. XI. Bd. I. Abth, München 1873. Helene Becker, 8 Jahre. Gehirngewicht 219 g. Chr. Aeby, Beiträge zur Kenntniss der Mikrocephalie. Archiv für Anthropologie. Bd. VI, p. 263. 1873. Bd. VO, 8. 1 und 199. Fall 1. Marie Sophie Wyss, nicht ganz 17 Jahre alt. Gehirngewicht Fall 2. Jos. Peier, etwa 30 Jahre alt. Schiidel-Capacitiit 660, das Gehirngewicht darnach zu 630 g bestimmt. Fall 3. J. G. Marquis, 48 Jahre. Hirngewicht 705 g. (Dr. Herzog.) Fall 4. Unbekannte Frau aus der „Insel“ in Bern, 40—50 Jahre alt. Hirngewicht frisch 899 o. Antonio Valenti, Cranio e cervello di un idiota microcefalo ventenne. Rivista clinica di Bologna. Fasz. 1873. Giuseppi Cioccio, 19 Jahre alt. Der Schädel wurde von G. Bastia- nelli in Bulletino delle scienze med. di Bologna Februar 1859 beschrieben und abgebildet. Das Individuum war taubstumm und idiotisch von Geburt. Er starb 1853. Valenti beschreibt das conservirte Gehirn, von welchem er zwei gute, aber stark und nicht gleichmässig verkleinerte Abbildungen giebt. Cramer, Entstehung von Mikrocephalie in Folge von Gehirn- Defecten. Allgem. Zeitschr. f. Psychiatrie. Bd. 31, 8. 594. 1874. 34* (44) (Taf. VI, Fig. 17, 18) (45) (Tat VI, Fig. 19, 20) (46) 1874 E 268 Dr. Felix Marchand. (p. 100) Demonstration eines Mikrocephalen-Gehirnes mit vollständigem Balken- mangel, defectem Commissuren-System. Die rechte Hemisphäre hochgradig verkiimmert, das kleine Gehirn normal — ohne nähere Angabe. Gio. Delorenzi, Osservazioni- intorno al cervello e al cranio di due microcefali. Giornale della R. Accademia di medicina di Torino. Ser. 3 p. 567, 612. 1874. Fall 1. Bertolotti Biagio, t Jahre alt. Gehirngewicht 323 g. Fall 2. Modesta Rubiolio, 9 Jahre alt. Gehirngewicht 171 g. Beschreibung des Gehirnes der letzteren, mit Abbildung des Kopfes und Gehirnes, leider ohne genaue Grössenangahe, und nur in einer Ansicht, schräg von oben. Die Windungen sind äusserst einfach; man erkennt beiderseits die Centralfurchen, davor auf dem sehr kleinen Stirnlappen einen kleinen Eindruck, einen Suleus post-centralis und eine tiefe Interparietalfurche, welche in der Sule. parieto-oceip. linkerseits übergeht, rechts von demselben durch eine Windung getrennt ist. Das Kleinhirn ist grösstentheils unbedeckt. Genaue Schädelmaasse beider Fälle. Die Abbildungen der Schädel, sowie mehrfache Notizen iber die Gehirne finden sich bei Giacomini. e x , vol Ld, Fr. Fischer, Beschreibung einer Hemmungsbildung des Gehirns. Archiv für Psychiatrie. Bd. V, S. 850. 1875. > Abraham Reiss, Mann von 31 Jahren. Gehirngewicht 1015. J. Jensen, Untersuchungen über die Beziehungen zwischen Gross- hirn und Geistesstörung. Archiv für Psychiatrie. Bd. V, S. 587. 1875. Carl Gise., 35 Jahre alt; Gewicht des gehärteten Gehirns 554 g. $i Pozzi, Note sur le cerveau d'une imbécile. Revue anthropologie de P. Broca. T. IV, Nr. 2, p. 193. Paris 1875. Maria Martel, 18 Jahre. Gehirngewicht 1139, daher nicht mehr eigentlich zur Mikrocephalie zu rechnen. Idiotengehirn mit bemerkenswerthen Anomalien. P. Broca, (Guéniot). Sur un crâne microcephale. Bulletins de la société d'anthropologie de Paris. T.X, p.275. 1875. Knabe von 2 Jahren 3 Monaten. Gehirn unsymmetrisch. Rechte Hälfte 135 g, linke 187. Gewicht des ganzen Gehirnes 406. Abflachung in der rechten Scheitelgegend. | Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 101) 269 C. Stark, Mikrocephalie, foetale Encephalitis und amyloide Gehirndegeneration. Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie, Bd. 32, p. 261. Berlin 1875. Mädchen von 21 Jahren. Gehirngewicht 730 g. Der Fall ist durch nachträgliche pathologische Veränderung und die dadurch bedingte starke Verkleinerung der linken Hemisphäre complieirt, kann daher nicht mit den übrigen Fällen auf eine Stufe gestellt werden. Die Beobachtung erinnert am meisten an die von Peacock und einen ähnlichen Fall von Cruveilhier. C. Giacomini, Una microcefala, osservazioni anatomiche ed anthropologiche. Torino. 1876. Maria Manolino, 17 Jahre. Gehirngewicht 550 œ (nach der Schädel- Capacität von 660 cem berechnet). Genaue Beschreibung des Gehirnes mit guter Abbildung, Vergleichung mit den beiden Fällen von Delorenzi. J. Mierzeiewski, Note sur les cerveaux d’idiots en general avec la description d'un nouveaux cas d’idiotie. Revue d’anthropologie de D Broca. T.V, N. 1, p. 21. Paris 1876. Marie Josefine Dubois, 5 Jahre. Gehirngewicht 593. Gehirn auf- fallend Jang, schmal und niedrig; Stirnlappen sehr gross, Scheitel- und Hinter- hauptlappen klein. Vorderer Theil beider Schläfenlappen in eine diinnwandige Cyste umgewandelt, welche nicht mit dem Ventrikel zusammenhängt; letztere weit, Balken äusserst dünn. Kleinhirn ganz freiliegend. Klebs, Ueber Hydro- und Mikro-Anencephalie. Oesterreichische Jahrbücher für Pädiatrik. 1876. 1. P. Broca, Sur un cas excessif de microcephalie (encéphale de 104 g). Bulletins de la société d’anthropologie de Paris. T. XI, p. 81. 1876. Marie Auguste Conrad, 4 Monate alt. Gehirngewicht 104 g. Hemi- sphären sehr kurz, asymmetrisch, zahlreiche Windungen mit ziemlich tiefen Furchen. Fissura Sylvii links senkrecht, 1 cm lang, rechts länger, etwas geneigt. Centralfurche dem vorderen Ende sehr genähert; Stirnlappen sehr kurz, aber Windungen vollständig. Hintere Hälfte des Balkens fehlt. — Es bestand Anus imperforatus, Communication des Reetum mit der Scheide, Hufeisen-Niere. (67) (Taf. VI, Fig. 23) (58) 1876 270 Dr. Felix Marchand. (p. 102) C. van Sehouwen, Over microcephalie. Mit 1 Taf. Acad. Proefschrift. Leiden. Weibliche Mikrocephale, ohne Namenangabe (Nr. 2537), in der Anstalt Meerenburg, ungefähr 19 Jahre alt, an Peritonitis durch Perforation eines Magengeschwiires gestorben. Schwester des Vaters geisteskrank; ein Bruder und eine Schwester ebenfalls mikrocephal, todt, zwei Geschwister mit normalen Köpfen. Die Kranke hatte früher zeitweise epileptische Anfälle, sie war im höchsten Grade idiotisch, konnte nur einige unverständliche Laute äussern. Körperlänge: 1,45 m, Schädel dolichocephal, stark prognath, Horizontal- Umfang: 350 mm, Länge 121 mm, Breite 95 mm, Höhe 92 mm, Capacitat 375 cem. Rechte Hälfte stärker gewölbt als linke; Sagittalnaht im hinteren Theile und die ganze linke Schuppennaht verstrichen. Gehirn frisch: 345 g. Windungen und Furchen sparsam und einfach, letztere weniger tief. Kleinhirn verhältnissmässig gross, zum grossen Theile unbedeekt. Fissura Sylvii zerfällt in zwei Schenkel, Y-förmig. ` 8. centralis beinahe vertical, sehr kurz. Lateraler Schenkel des S. parieto-oceip. sehr tief, trennt sehr deutlich den Hinterhauptlappen vom Scheitellappen; die erste Hinterhauptswindung verläuft in der Tiefe; das untere Ende des medialen Theiles kommt mit der Fiss. calearina nicht zusammen. Stirnlappen sehr kurz, Andeutung eines S. praecentralis, drei Stirnwindungen vorhanden, aber sehr einfach und: kurz, die untere umgiebt bogenförmig den vorderen Schenkel der F. S. Scheitellappen mit tiefer Interparietalfurche, welche nach vorn über das obere Ende der S. centralis hinausreicht. Hyr. supermarginalis und angularis deutlich; in der Fortsetzung des S. temp. I. nach aufwärts eine tiefe Furche bis nahe zur Mittelspalte. Balken sehr kurz, reicht kaum über die vordere Hälfte des Sehhügels; Sept. pelluc. sichelförmig. Vordere und mittlere Commissur fehlt. Gyr. fornicatus nach hinten ohne Verbindung mit dem Gyr. Hippocampi. Krause, Ueber Schädel und Gehirn eines mikrocephalen Knaben. Bericht über die achte allgemeine Versammlung der deutschen anthro- pologischen Gesellschaft zu Constanz vom 24. bis 26. September 1877 im Correspondenzblatte der deutschen anthropologischen Gesellschaft, Nr. 11, 187%. Thos. Barlow, Brain of a microcephalic child. Transactions of the pathological society of London, vol. 28, p. S. London 1877. Knabe von 7 Wochen; Gewicht des Gehimes 9 drms (15,9 g). Es handelt sich um Mikrohydrocephalie, mit Atrophie des Gehirnes und vielfachen Verkalkungen. Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 103) 271 Gustav Retzius, Ett fall af mikrocefali. Svenska sällskapet für antropologi och geografi antroplogiska sectionens tidskrift. Bd. I, Nr. 1. 1878. (2 Taf.) Carlsson, Knabe von 2 Jahren 2 Monaten, in Stockholm gestorben 1870. Keine Spur der Fiss. Rolando; die Windungen vollständig von dem normalen Typus abweichend, ausserdem mit einer feinen Fältelung versehen (Mikrogyrie). Das Gehirn schlecht erhalten. An der convexen Fläche der Grosshirn- hemisphären verlaufen, durch mehr oder weniger tiefe Furchen getrennt, drei bis vier Windungszüge parallel von vorn nach hinten. Schädelmaasse: Grösste Länge 127, grösste Breite 96, Höhe 90, Horizontal-Umfang 355, Capacitit 480 cem. Pansch, Ueber Mikrocephalie. 3ericht iiber die neunte allgemeine Versammlung der deutschen anthro- pologischen Gesellschaft zu Kiel vom 12. bis 14. August 1878. Correspondenz- blatt der deutschen anthropologischen Gesellschaft, Nr. 10, October 1878. Männlicher Mikrocephale von 42 Jahren. Körperlänge 51/, F. Herr Prof. Pansch hatte die Güte, mir einige Angaben über diesen noch nicht näher beschriebenen, sehr interessanten Fall, nebst geometrischen Zeichnungen des Schädels im Profil und im Sagittaldurchschnitt, sowie des Schädel-Ausgusses mitzutheilen. Der Längsdurchmesser des Schädels (Glabella- Hinterhaupt) ist nach der Zeichnung circa 14 cm; die Höhe, vom vorderen Rande des For. magnum zum Scheitel, 10 cm. Die Länge des Gypsausgusses (vor Entfernung der Dura, also ziemlich genau dem Maasse des Gehirnes entsprechend) ist nach der Zeichnung 12,3 em, die grösste Breite 10,5 cm, die Höhe des Grosshirnes 7,5 cm. Das Gewicht des frischen Gehirnes wurde leider nicht bestimmt, da dasselbe im Schädel gehärtet wurde; im gehärteten Zustande wog das Gehirn 359 g. Das Grosshirn allein 289. Das Gewicht des Kleinhirnes (mit Pons und Medulla) würde demnach 24 Procent betragen. Das Gehim entspricht in seinen Grössenverhältnissen ungefähr dem des Friedrich Sohn, jedoch ist der Schädel sehr viel länger, als dessen Schädel; die Knochen sind sehr dick, die Stirnhöhlen gross. Am Gypsausguss bedeckt das Grosshirn vollständig das Kleinhirn, der Hinterhauptlappen ragt sogar beträchtlich nach hinten über dasselbe hinaus, was mit der grossen Länge des Schädels im Einklange ist. Der Stirnlappen ist vorn stark abgeflacht und zugespitzt, der Schläfenlappen klein; die Fissura Sylvii verläuft auf- fallend horizontal. Am Schädel ist die exquisite "Trichterform der hinteren Schädelgrube auf dem Durchschnitte sehr charakteristisch. 1878 (32) (60) (61) (62) (Taf. VI, Fig. 24) 1879 (63) 272 Dr. Felix Marchand. (p. 104) Grohe, Medicinische Gesellschaft zu Greifswald. Deutsche medieinische Wochenschrift 1878, Nr. 22. Der Fall wird nicht als eigentliche Mikrocephalie, sondern höchstens als partielle oder frontale Mikrocephalie bezeichnet; das Gehirn wird dabei das Muster eines normalen Gehirnes, und sogar „hypertrophisch“ genannt. Das einzig sichere Mittel der Entscheidung, die Wägung, ist leider unterblieben (cf. Janusch). H. Joseph, Ueber Mikrocephalie. 55. Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für Vaterländische Cultur für das Jahr 1877, p. 235. Breslau 1878. Fall 1. Lebendes mikrocephales Mädchen von 15 Jahren. Fall 2. Mann von 22 Jahren, Bauernsohn aus der Umgegend von Breslau. Gehirngewicht 351. Umfangreiche Struma aneurysmatica. Fall 3. Mikrocephaler Fötus aus der 11. Woche. E. Shuttleworth, A case of microcephalic imbeeillity, with Remarks. Journal of mental science, vol. XXIV, October, Nr. 24, p. 438. 1878. Maria X (Royal Albert Asylum Lankester), 15 Jahre alt. Gehirn- gewicht 211/ oz. (609,5 g) Kleinhirn gross, ganz unbedeckt; Insel frei- liegend; beide Schenkel der Fissura Sylvii fast Us Zoll von einander entfernt. Hinterhauptlappen unvollkommen. Die Person konnte beobachten und nach- ahmen, Gedanken in kurzen Sätzen ausdrücken und sich mit einiger Hülfe selbst kleiden, hatte angeblich gutes Personengedächtniss. J. V. Rohon, Untersuchungen über den Bau eines Mikrocephalen- Gehirnes. Wien 1879. Chr. Aeby, Ein vierjähriger mikrocephaler Knabe mit theil- weiser Verschmelzung der Grosshirn -Hemisphären. Virchow’s Archiv, Bd. 77, p. 554. 1879. (Beide Fälle nicht zur eigentlichen Mikrocephalie zu rechnen.) H. Chiari, Ueber einen Fall von Mikrogyrie bei einem 13-monat- lichen Knaben. Jahrbuch für Kinderkeilkunde, Neue Folge, Bd. 14, 8. 215. 1879. Geringe Mikrocephalie mit Mikrogyrie. Volumen des Gehirnes 460 ccm. Grosshirn zwei Mal 190 cem, Kleinhirn 80 cem. EEE RE LOT ET CR WERE Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 105) 273 | Ecker, Demonstration eines Gehirnes von 1017 g, Mann von (64) 17 Jahren. iL. Tagebl. d. Gesellsch. d. Naturf. u. Aerzte zu Baden-Baden, S. 319. 1879. J. Jensen, Schädel und Hirn einer Mikrocephalin. 1880 Archiv für Psychiatrie, Bd. X, S; 735. 1880. Wilhelmine Kolakowski, 161/, Jahre. Gehirngewicht 924 g. (65) | Luigi Calori, Di una bambina microcefala e specialmente del suo cervello. Memoria dell’ accademia delle scienze dell’ Istituto di Bologna. Ser): Quanta dy ody Enrica, im 8. Monat in Bologna geboren, nicht ganz 9 Monate alt (50) | gestorben. Kopf bei der Geburt klein, Stirn zurückgeneigt, grosse Fontanelle nicht fühlbar; seit dem 3. Monat Krampfanfälle, welche später zunahmen. Körperlänge 53 em, Gewicht 2910 g. Schädelknochen dick; Fontanelle geschlossen, Nähte sichtbar, wenig | zackig (keine Stirnnaht): Schädelmaasse: Länge 91 mm, Breite 75 mm, | Höhe 60 mm; Horizontalumfang 261 mm; Innenmaasse 82, 68, 53 mm. | Gehirn sehr klein, füllt die Schädelhöhle nicht ganz aus, besonders vorn, Pia | hier stark ödematös. Gewicht des frischen Gehirnes 69,3 œ (mit den Häuten). d Länge des Gehirnes 65 mm, Breite 58 mm. Die Hinterhauptlappen bedecken kaum das Kleinhirn, Vorderlappen sehr abgekürzt, so dass die Nervi olfactorii stark hervorragen. Fossa Sylvii weit offen, Insel wie beim viermonatlichen Fötus freiliegend, glatt. Die Windungen äusserst einfach. Corpora candicantia fehlen, Kleinhirn-Schenkel und Brücke sehr klein, Medulla oblongata normal. Balken am hinteren Ende schmal, ohne Splenium. Centrum semiovale im Verhältniss zur Grösse der Hemisphären, die Ventrikel etwas erweitert. Septum pelluc. etwas verdickt, opak. Die Plexus laterales dick und kérnig. Carotis cerebralis 1 mm dick, ziemlich ebenso die Vertehralis. A. Janusch, drei Fälle von Mikrocephalie. Dissert. Greifswald 1880. Zwei Fälle betreffen lebende mikrocephale Kinder. Fall 3: Mädchen von 3 Jahren. Geringe Mikrocephalie; Verschmälerung des Stirnhirns, ohne Gewichtsangabe (cf. Grohe). H Chiari, Mikrocephalie bei einem 6jährieen Mädchen. Jahrbuch für Kinderkrankheiten Bd. XV, S. 323. 1880. (Auch Wiener peer medicinische Wochenschrift Nr. 17. Gehirngewicht 517 g. (66) (Taf. VI, Nova Acta LY. Nr. 3. 35 Fig. 25) (20) (67) (41) 1882 (68) (69) (70) 1883 (72) 274 Dr. Felix Marchand. (p. 106) E. Dueatte, La microcephalie au point de vue de l’atavisme. These de Paris 1880. Beschreibt drei Abgiisse von mikrocephalen Gehirnen aus der Sammlung des anthropologischen Laboratoriums zu Paris. Fall 1. Gehirn der Negerin von Baillarger, angeblich 16 Jahre. Gewicht nicht bekannt, anscheinend weniger als 300 g. Fall 2. Edern, Mann von 2% Jahren, unbekannter Herkunft. Länge der Hemisphiire 128 mm. Fall 3. Mann von 50 Jahren, unbekannter Herkunft. Länge der Hemisphären 106 mm, Breite 103 mm, Höhe 58 mm, Umfang 336 mm. Dieses dritte Gehirn ist der Beschreibung nach augenscheinlich identisch mit dem Gehirn des Mottey von Mierjeiewski; auch die Maasse stimmen, abgesehen von einer geringen Verkleinerung des Modells, ganz damit überein. M. Flesch, anatomische Untersuchung eines mikrocephalen Knaben (Franz Becker). Festschrift der medieinischen Facultät zur Feier des 300jährigen Be- stehens der Universität zu Würzburg. Leipzig 1882. Franz Becker (Bruder der Helene Becker), 9 Jahre alt. Hoher Grad von Hydrocephalus internus. Gehirngewicht nicht bestimmt. Rüdinger, Ein Beitrag zur Anatomie des Sprach-Centrums. Separat-Abdruck aus der Jubiläumsschrift für Geheimrath v. Bischoff. Stuttgart 1882. Erwähnt fünf Hirne von mikrocephalen Kindern aus der Münchener anatomischen Anstalt. Eins derselben ist das der Helene Becker, eins ist als hochgradig pathologisch verändert bezeichnet, gehört also wohl nicht hierher. Ausserdem: Fall 1. Mädchen von 3 Monaten (soll heissen „Tagen“) (Schwester der H. Becker). Abbildung der linken Grosshirnhemisphäre. Taf. II, Fig. 5. Fall 2. Kind Becker. Von der Existenz dieses Kindes des Becker ist bisher nichts bekannt geworden (s. unter 1886). Fall 3. Ohne nähere Angaben. A. Friederich, Ein Beitrag zur Mikrocephalie. Mit 9 Taf. Wernigerode 1883. Bertha Rähmer, 17 Jahre alt (Erziehungshaus „zum guten Hirten“ zu Hassenrode). Horizontalumfang des Schädels 333 mm, grösste Länge 123 mm, grösste Breite 90 mm, Capacitiit 370 cem. Gehirngewicht nicht bestimmt. Ganz kurze Beschreibung und drei etwas unvollkommene Abbildungen des nicht sehr gut conservirten Gehirnes. Die Windungen sind sehr einfach: die Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 107) 275 Hauptfurchen und Windungen vorhanden; beiderseits scheint eine tiefe Affen- spalte zu existiren. Das Mädchen war geistig nicht vollständig verwahrlost, konnte auch etwas sprechen. Giacomini, Contribut. allo studio della microcephalia. Atti della R. accademia di medicina di Torino. Berichtet über die Ergebnisse der mikroskopischen Untersuchung dreier Mikrocephalen-Gehirne, über welche sonstige genauere Angaben noch nicht mitgetheilt worden sind. 1} 1) Assale. Unregelmässige Anordnung der grauen Substanz, von ver- schiedener Dicke und in Folge dessen sehr unregelmässiger höckeriger Ober- fläche, welche die Windungen nicht deutlich erkennen lässt; die Centralfurche kaum erkennbar. Marksubstanz verhältnissmässig reichlich, Furchen seicht. (Tataia): 2) Casalini. Gleichmässige Verkleinerung des ganzen Gehirns mit Ver- einfachung der Windungen. Gewicht des Gehirnes (frisch?) 573 g. Das der rechten Hemisphäre 270, der linken 248. Kleinhirn, Pons und Med. oblong. 64 œ (11,5%, des ganzen Gehirns). 3) Bernardi. Die Dicke der grauen Substanz ist vermehrt; dieselbe ist in einer ziemlich gleichmässigen Schicht angeordnet, die Marksubstanz ausserordentlich redueirt; nach der Abbildung (Fig. 1) bildet dieselbe ganz dünne Blätter in der Mitte der Windungen und eine diinne Lage in der Um- gebung des erweiterten Ventrikels; Furchen sehr tief. Es macht den Eindruck, dass es sich hier um eine nachträgliche Sklerose der Marksubstanz handelt. Giacomini erwähnt ausserdem noch die Mikrocephalen Cambiagi und Delconte, deren Rückenmark er untersuchte, ohne nähere Angaben. Agostino Brunati, Una microcefala. Archivio ital. per le mal. nervose, fase. II. Maria Magatti, 16 Jahre (v. Perledo, Lago di Como) plötzlich, nach vorhergegangenem Nasenbluten gestorben (1882). War in hohem Grade idiotisch, mit blödsinnigem Ausdruck, beständigem Speichelfluss, konnte aber eine Anzahl Worte gebrauchen, und kannte viele Buchstaben des Alphabets. Sehr schwaches Gedächtniss, keine Anhänglichkeit, aber etwas Schamgefühl. Schädel: Umfang 420 mm, Länge 142 mm, Breite 123 mm, Höhe 122 mm, Stirn flach, in der Mitte Jeicht kielförmig, keine Spur der Schuppen- nähte und der linken Hälfte der Lambda-Naht: an der Basis, am vorderen Drittel des Clivus ein spitzer Knochenvorsprung. Schädelknochen sehr dick (3,3—6 mm). RI be 1554 1885 a ene (73) 1886 (74) 276 Dr. Felix Marchand. (p. 108) Gehirn mit Häuten 709 g, ohne Häute 700 g. Rechte Hemisphiire 323 g, linke 303 g. Kleinhirn und Brücke 74 g. Gehirn und Häute stark ödematös. Windungen zwar klein, aber nicht atrophisch, durch seichte Furchen getrennt, stark gewunden und geschlängelt wie in Folge von Raumbeengung. Insel bedeckt. Beide Hemisphären sehr verschieden entwickelt. Furche vor dem Schläfenlappen rechts flach, links tief; vorderer Schenkel der Fiss. Sylvii rechts rudimentär, links tief. Sulcus praecentr. und postcentr. gehen in die Fiss. Sylvii über. Fiss. parieto-occip. ohne Verbindung mit anderen, die inneren Uebergangswindungen tief, die 3 äusseren oberflächlich. 3 Stirn- windungen ohne Communication. Uebergang des Gyr. calloso-marg. in den Gyr. Hippocampi oberflächlich, 1 cm breit. Als wichtigste Anomalien be- zeichnet Brunati allgemeine Entwickelungshemmung des Schädels und Gehirns, ungleiche Entwickelung beider Hälften. Einerseits glaubt Verfasser die Anomalie des Schädels, Verwachsung der Nähte, abnorme Verknöcherung und Verdickung als das Primäre ansehen zu müssen, andererseits fülle aber das Gehirn die Schädelhöhle nicht ganz aus, so dass noch eine innere Ursache auf dasselbe eingewirkt zu haben scheine. Jacob Wolff, Morphologische Beschreibung eines Idioten- und eines Mikrocephalen-Gehirnes. Abhandl. d. Senkenberg’schen naturf. Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1885. Gehirn der 19jihrigen Catharine Hinkel, aus dem Senkenberg’schen Museum. Dieselbe war von Kindheit an idiotisch. Angaben iber Grössen- und Gewichtsverhältnisse fehlen, dagegen sind der Beschreibung Abbildungen des Gehirnes in natürlicher Grösse (leider ziem- lich mangelhaft) beigegeben. Das Gehirn war schlecht conservirt, windungs- arm, asymmetrisch, die rechte Hemisphäre kleiner, doch scheint die starke Verschiebung der Basis Folge der schlechten Härtung zu sein. Rüdinger, Mittheilungen über einige mikrocephale Gehirne. Münch. med. Wochenschr. 1886, Nr. 10. Fall 1. Gehirn des 19 Jahre alten Jos. Seyfried aus Haunswies. Gewicht 719 g. Einfachheit der Windungen, besonders des Stirn- und Occipitallappens. Parietalgebiet ziemlich gross, dritte Stirnwindung besonders links wenig ausgebildet. Die beiden Schenkel der Interparietalfurche scharf markirt. Das Gehirn macht den Eindruck, als habe es sich bis zum achten Monat normal entwickelt. Fall 2. Gehirn eines neugeborenen Mädchens (von Hecker). Gewicht 47 œ (wohl nicht frisch, da in situ gehärtet). Grosshirn sehr einfach, kaum Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 109) 277 in Lappen zerfallen. Fossa Sylvii kaum vorhanden. Keine Furchen und Windungen, nur kleine Einsenkungen der Oberfläche. Balken fehlt. Fall 3. Gehirn eines neugeborenen Kindes (v. Ranke). Gewicht 168 g. Grosser Windungsreichthum; die Hemisphäre in der ganzen Aus- dehnung des Stirnhirns mit einander verwachsen. Gehört also nicht zur reinen Mikrocephalie. Fall 4. Gehirn der Catharina Becker, 8 (3?) Tage alt. Gewicht 107 g (in situ gehärtet). Fall 5. Gehirn der Maria Becker, 15 Monate alt, gest. Januar 1879. Gewicht 152 g, ähnlich, aber noch windungsärmer. G. Anton, Zur Kenntniss der Störungen im Oberflächenwachsthum des mensch- lichen Gehirnes. Prager Zeitschr. f. Heilk. Bd. VII. (Knabe von 1/4 Jahr mit totalem Balkenmangel). Alexandra Steinlechner-Gretschischnikoff, Ueber den Bau des Riickenmarkes bei Mikrocephalen. Archiv f. Psych. Bd. XVI, S. 648. Fall 1. Rückenmark des Mikrocephalen Fr. Becker (68). Fall 2. Mikrocephale Albert Post, 6 Jahre alt, aus Würzburg; kein Fall von reiner Mikrocephalie. W. Onufrowiez, Das balkenlose Mikrocephalen-Gehirn Hofmann. Archiv f, Psych. Bd. XVII, 8. 2. (Fall von vollständigem Balkenmangel). Hans Virchow, Ein Fall von angeborenem Hydrocephalus internus, zugleich ein Beitrag zur Mikrocephalen - Frage. Festschrift für Albert v. Kölliker, Leipzig. (Fall von vollständigem Balkenmangel). J. Mingazzini und 0. Ferraresi, Encephalus und Schädel einer Mikro- cephalin. Moleschott, Untersuchungen zur Naturlehre des Menschen und der Thiere. Bd AIVI He Regina Riccardi aus Rom, 16 Jahre. Seit dem siebenten Lebens- monate von Eklampsie befallen. Grösse 1,65 em. (69) (70) 1887 1889 278 Dr. Felix Marchand. (p. 110) Schädel: Grösste Länge 157, grösste Breite 108, Höhe 119, Horizontal- Umfang 425, Capaeität 790 cem. Gehirngewicht: frisch 708; in Alkohol gehärtet 397, rechte Hemisphäre 125, linke 183: Kleinhirn und Med. obl. 89. Das (nicht sehr genau beschriebene) Gehirn stellt keine reine Mikrocephalie dar, indem beiderseits eine starke, wie es scheint, durch Schrumpfung ent- standene Atrophie vorhanden ist, welche rechts anscheinend den ganzen Scheitellappen und angrenzenden Theil des Schläfenlappens, links dieselben Theile, doch nicht in gleicher Ausdehnung, einnimmt. Die Stirnlappen haben sich augenscheinlich auf Kosten dieser Theile abnorm stark entwickelt; links ist indess nach Ansicht des Verfassers der Stirnlappen unvollkommen von den Scheitellappen abzugrenzen, indem die Centralfurche nicht ausgebildet ist. Das Gehirn erinnert am meisten an das des Knaben Post (siehe oben). Nachträglich: J. Jensen, Ein Fall von Entwickelungshemmung in der motorischen Sphäre des Grosshirns. Archiv für Psychiatrie, Bd. XII, S. 753, 1883. Mathilde Fischer, epileptische Idiotin, 34 Jahre alt. Gehirngewicht frisch 989 œ; Grosshirn 827, Kleinhirn 187 (Differenz durch Abfluss von Wasser, welches sich auch vorher reichlich entleert hatte). Durch Hydro- cephalus bedingte Schiidel-Capacitiit 1140 eem. Obwohl Jensen das (Gehirn wegen des Schädelumfanges nicht zur Mikrocephalie rechnet, so steht dasselbe doch gewissen Mikrocephalen-Gehirnen, besonders dem des K. Koch, durch die grosse Windungsarmuth, Bildung eines Operculum occipitale u. s. w. sehr nahe. Von besonderem Interesse ist die höchst seltene rudimentäre Ausbildung der Centralfurche, die fehlende obere Begrenzung der Insel, Verschmelzung der zweiten und dritten Stirnwindung. Die Abgrenzung von Rinde und Mark am gehärteten Gehirn ganz verwaschen. Auch die Ausmessung der freien Ober- fläche ergab ganz ähnliche Verhältnisse wie bei Koch: Linke Hemisphäre, Stirnlappen — 11200, Scheitellappen 4800, Schläfenlappen 5725, Hinterhaupt- lappen 4525, Summa 26 250. Eigene Fälle: Gehirn des Karl Koch aus Halle. Gehirn aus dem Breslauer pathologischen Institute. Gehirn des Heil (Marburg). | e Beschreibung dreier Mikrocephalen-Gehirne. (p. 111) 279 Erklärung der Abbildungen. Uebersicht der wichtigsten Mikrocephalen-Gehirne. Die Figuren sind grösstentheils se der Original-Abbildung, welche in der Regel der natürlichen Grösse DR auf ein Drittel der ( der Gehirne entspricht, redueirt. Nur in einigen Fällen musste ein anderer Maassstab gewählt werden, welcher besonders angegeben wurde. (Die Ausführung der Figuren in verkleinertem Maassstabe verdanke ich der litho- graphischen Anstalt von Werner und Winter in Frankfurt a. M.) Zur leichteren Orientierung ist die Centralfurche überall bezeichnet (€). Gehirn von Bonn-Sandifort (4). Gehirn von Gratiolet, Fall 1 (18). Gehirn von Gratiolet, Fall 2 (19), Ansicht von oben. Dasselbe, Ansicht von der Seite. Gehirn von Theile-Wagner (23), nach Wagner, Ansicht von oben. Dasselbe, Ansicht von der Seite. Gehirn von Marshall, Fall 1 (26), Ansicht von oben. Dasselbe, Ansicht von der Seite. Gehirn von Marshall, Fall 2 (27), Ansicht von oben. Dasselbe, Ansicht von der Seite. Gehirn des Eriedrich Sohn, nach Sander (35). Dasselbe, Ansicht von der Seite. Gehirn des Mottey, nach Mierjeiewski (41), Ansicht von oben. Dasselbe, Ansicht von der Seite. Gehirn der Marie Jelly, nach van Andel (43), Ansicht von oben, Grösse ? des Originals. Fig. 16. Dasselbe, Ansicht von der Seite. Fig. 17. Gehirn der Helene Becker, nach Bischoff (44), Ansicht von oben. 1/2 der Grösse des Originals, welches selbst um ein Geringes verkleinert ist. Fig. 18. Dasselbe, Ansicht von der Seite. Dr. Felix Marchand. (p. 112) Gehirn der Sophie Wyss, nach Aeby (45), Ansicht von oben. Dasselbe, Ansicht von der Seite. Gehirn des Cioccio, nach Valenti (49), Ansicht von der Seite; %/; der Grösse des Originals, dessen Maassstab nicht angegeben ist. Gehirn der Rubiolio, nach Delorenzi (52), 1: der Grösse des Originals. Gehirn der Marie Dubois, nach Mierjeiewski (57), 1 der Grösse des Originals. Gehirn von Shuttleworth (62). Gehirn von Chiari, Fall 2 (66), Ansicht von der Seite. Nova Acta Acad. CL.CG. Nat. Cur Vol. IV. E Marchand: Microcenhalen Gehirne. A Tab. IV. NOVA NEAR der Ksl. Leop.-Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher BAN e Ueber die Polarisation der strahlenden Wärme durch totale Reflexion. Von Dr. Hermann Knoblauch in Halle a/S. Mit 6 Tafeln Nr. V—X und 6 in den Text eingedruckten Zinkographieen. Eingegangen bei der Akademie den 4. August 1890. HALLE, 1890. Druck von E. Blochmann & Sohn in Dresden, Für die Akademie in Commission bei Wilh, Engelmann in Leipzig. Der Zweck der vorliegenden Arbeit war, die Polarisationserscheinungen zu ermitteln, welche die strahlende Wärme nach totaler Reflexion unter den verschiedenen dabei in Betracht kommenden Bedingungen zeigt. Versuche nach dieser Richtung sind bisher nicht angestellt worden. Wegen ihrer Intensität und ihres Parallelismus wurden die Wärme- strahlen der Sonne gewählt, welche durch einen. Heliostat in constanter horizontaler Richtung erhalten wurden. Die Strahlen wurden zunächst linear polarisirt durch ein Nicol’sches Prisma, welches in dem Fensterladen eines verfinsterten Zimmers eingeschaltet war und um eine horizontale Axe gedreht werden konnte. Sodann erfolgte in dem dunklen Raume die totale Reflexion an der Innenfläche eines Glasprimas. Die Analyse der zurückgeworfenen Strahlen geschah durch ein zweites Nicol’sches Prisma mit horizontaler Drehungsaxe, hinter welchem die hindurchgegangene Wärme durch eine Thermosiule nebst Multiplicator mit Doppelnadel gemessen wurde. Die weiteren Vorgänge werden sich am besten an einem Beispiel er- läutern lassen. I. Jede Versuchsreihe einer gegebenen totalen Reflexion begann mit einer Einstellung des ersten polarisirenden Nicol so, dass dessen (durch die stumpfen Ecken des Kalkspaths gehender) Hauptschnitt auf + 45°, d. h. vom Zimmer aus betrachtet von rechts oben nach links unten gerichtet war, ebenso also auch die lineare Schwingung der in das finstere Zimmer ein- tretenden Wärmestrahlen. In dem gegenwärtigen Falle erfolgte die totale Reflexion an der Hypotenusen-Fläche eines verticalen rechtwinkeligen Glasprismas,!) in welches 1) Die bei dieser Untersuchung benutzten vorzüglichen Glasprismen sind aus der optischen Werkstätte der Herren F. Schmidt & Hänsch in Berlin hervorgegangen. 36* 284 Dr. Hermann Knoblauch. (p. 4) die Strahlen (begrenzt durch eine runde Oeffnung von 9 mm Durchmesser) unter 90° gegen die Eintrittsfläche eintraten, sodann im Innern unter 45 ° zurückgeworfen wurden und wieder unter 90° gegen die Austrittstläche des Prismas austraten. Die Reflexionsebene blieb bei der ganzen Versuchsreihe horizontal. Der analysirende Nicol wurde so gedreht, dass sein Hauptschnitt der Reihe nach durch die Stellungen 0°; 225; 45°; 675; 90°; 112%; 135°; 157% hindurchging. Bei der Ablesung dieser Winkel an einer Theilung, deren 0 oben stand und welche von hier aus rechts herum zählt, war das Auge auf derselben Seite wie vorher gedacht, d. h. es sah auch jetzt den Strahlen entgegen: + 45° für den polarisirenden Nicol war daher gleich ge- richtet mit + 45 ° des analysirenden. Für jede der bezeichneten Stellungen des zweiten Nicol wurde die hindurehgehende Wärme am Thermomultiplicator gemessen. Um aus dieser Intensität die entsprechende Schwingungsexcursion zu erhalten, welche sich in dem vorliegenden Falle in der Ebene des Nicol-Hauptschnitts vollzieht, wurde aus den beobachteten Zahlen die Quadratwurzel genommen, nachdem dieselben zur Beseitigung der Brüche zuvor mit 100 multiplieirt worden waren. Auf diese Weise ergaben sich folgende Werthe: Stellung des Hauptschnitts des ana- | | | | | lysirenden Nicol auf: 0° 2 45° | 67% | 90° | 112% | 135° | 157 o Quadratwurzel aus der mit 100 multi- | | | | | | | plicirten Beobachtungszahl: 16 1120246 | 20 | 16° | 10% | 6 | 10,5 Um durch eine graphische Darstellung ein deutlicheres Bild der Er- scheinung zu gewinnen, wurden diese Zahlen auf 8 Durchmesser bei HE 2253945, 0753) 90% A 157% eines Kreises derart nach beiden Seiten von dem gemeinsamen Mittelpunkt aus aufgetragen, dass 16 Punkte entstanden. Die folgende Fig. 1 enthält diese 16 Punkte; in Fig. 2 sind sie durch eine Curve verbunden. Ueber die Polarisation der strahlenden Wärme durch totale Reflexion. (p.5) 285 ER Fig. 1. 286 Dr. Hermann Knoblauch. (p. 6) Vergleicht man diese Verhältnisse, so ergiebt sich ein Maximum von 21,5 bei 45°. Dann folgt ein gleicher Werth 20 auf 22% und 67%; weiter 16 sowohl für 0° wie für 90°; 10,75 wieder in gleichem Winkelabstande nach beiden Seiten bei 1125 und 157%; endlich ein Minimum 6 bei 135°. Die lange Axe der Curve findet sich demnach auf 45°; um diesen Durchmesser ist die Curve symmetrisch gebildet, ihre kurze Axe fällt auf 135°. Aus diesem durch die Beobachtung und Construction gewonnenen Resultate kommt es nun darauf an, die Form zu bestimmen, in welche die ursprünglich lineare Schwingung (zunächst in dem vorliegenden Falle) durch die totale Reflexion übergeht. Es wird gestattet sein, von der Voraussetzung auszugehen, dass die Wärmestrahlen in Aetherschwingungen bestehen, welche im natürlichen Zustande in geraden Linien senkrecht zur Fortpflanzungs- richtung sich vollziehen, dass aus dem ersten Nicol nur lineare Schwingungen in der Ebene des Hauptschnitts dieses Nicol hervorgehen und dass es sich nach der totalen Reflexion nur um lineare, elliptische oder circulare Schwin- gungen handeln kann. É Gelangt eine elliptische Schwingung zu dem zweiten Nicol, so wird sie bei dem Durchgange durch denselben auf die Ebene seines Hauptschnitts angewiesen und man erhält ihre lineare Excursion in dieser Ebene durch rechtwinkelige Projection jener Ellipse auf dem Hauptschnitt des analysirenden Nicol. Ein Bild dieser Excursionen, resp. Projectionen bei den verschiedenen Stellungen des Hauptschnitts dieses zweiten Nicol liefern die Abschnitte auf den 8 Durchmessern, Fig. 1 in ihrer, durch die je zwei markirten Punkte gegebenen Begrenzung. Man erhält diese Punkte durch Construction aus der Schwingungsellipse um denselben Mittelpunkt, wenn man Tangenten an diese Ellipse senkrecht auf den jedesmaligen Nicol- hauptschnitt zieht. Die Durchschnittspunkte von Tangente und Hauptschnitt fallen alsdann mit jenen Endpunkten der Excursionen zusammen und die Curve, welche sie mit einander verbindet (Fig. 2) oder der Ort aller dieser der Ellipse.) Da beide Linien gemeinsame Axen haben, so ist mit jener auch diese gegeben: Durchschnitte ist die sogenannte „Fusspunktsceurve“ 1) Unter einem „Fusspunkt“ versteht man bekanntlich einen Punkt, in welchem ein von der Mitte einer Ellipse gezogener Radius vector rechtwinkelig von einer Tangente der Ellipse getroffen wird. Die continuirliche Reihenfolge dieser Punkte ist die Fusspunktscurve der Ellipse. Ueber die Polarisation der strahlenden Wärme durch totale Reflexion. (p. T) 28% Die gesuchte Schwingungsellipse nach der totalen Reflexion der strahlenden Wärme. Um möglichst zuverlässige Werthe zu erhalten, reichte es nicht aus, bei der Analyse durch den zweiten Nicol nur das Maximum und Minimum der Wärmewirkung zu bestimmen. Denn fielen diese auch mit den betreffenden Stellungen des analysirenden Nicol, für welche die Messung ausgeführt wurde, zusammen, so hatten sie doch nur den Werth einzelner Beobachtungen. War aber die Fusspunktscurve aus allen Beobachtungen der verschiedenen Punkte und wiederholter Controle zur Herbeiführung einer Uebereinstimmung der Be- obachtung mit dem Gesetz der Curve hervorgegangen, so war damit die möglichste Sicherheit für die Stellung und das Axenverhältniss der Fuss- punktscurve und hiermit zugleich die Grundlage für die zugehörige Ellipse gefunden. Fig. 3 stellt diese so gewonnene Schwingungsellipse dar. Fig. 3. SEE RE Ter it | Wie vorherzusehen war, gestalteten sich die Verhältnisse nicht immer wie in dem eben durchgeführten Beispiel, sondern es hing dies von der ur- sprünglichen, der totalen Reflexion vorausgehenden Polarisation ab. 288 Dr. Hermann Knoblauch. (p. 8) Befand sich der Hauptschnitt des ersten Nicol auf 0° seiner Theilung, d. h. waren die aus dem Polarisator hervorgehenden linearen Schwingungen vertical, erfolgte dabei die totale Reflexion an der Hypotenusen - Fläche des- selben rechtwinkeligen Prismas in horizontaler Ebene genau wie in dem vorigen Falle, so zeigte sich Folgendes: Nachdem für die acht Stellungen des zweiten Nicol: 0°; 225; 45°; 67% u. s. w. die betreffenden Wärmemengen bestimmt und aus ihren Werthen (nach Multiplication mit 100) die Wurzeln gezogen waren, ergaben sich nach- stehende Zahlen: lysirenden Nicol auf: 0° | 22% | 45° | 673% | E ETO 135° | 1575 Quadratwurzel aus der mit 100 multi- | | | | plicirten Beobachtungszahl: dck | HG TEE | Misc Veit e 21 ’ Die Eintragung der letzten Werthe (wie in dem vorigen Beispiel) auf Stellung des Hauptschnitts des ana- | | | | | | | | den 8 Durchmessern, je nach 2 entgegengesetzten Seiten vom Mittelpunkt aus, liefert wieder 16 Punkte, von denen 2 in der Mitte zusammenfallen. Fig. 1 stellt diese Punkte; Fig. 2 die sie verbindenden Linien dar. Fig. 1. g Ueber die Polarisation der strahlenden Wärme durch totale Reflexion. (p.9) 289 0° Fig. 2. ee RÉI De, j 45° aa Si, N 7 / vs ee oe Jetzt findet sich das Maximum auf dem Durchmesser 0°, die Zeichnung gruppirt sich um diesen; das Minimum fällt auf 90° und ist gleich Null. Die Verbindung dieser Punkte giebt zwei geschlossene Kreise und hat dieselbe Bedeutung, wie die in dem vorigen Falle. Denn tritt an die Stelle der Ellipse eine gerade Linie und zieht man von den Endpunkten dieser Senkrechte auf die 8 Durchmesser, so erhält man die nämlichen 16 (hier wegen des Zusammenfallens zweier: 15) Punkte, welche sowohl Grenzpunkte der Projectionen dieser linearen Schwingung auf den Durchmessern (d. h. den jedesmaligen Hauptschnitten des analysirenden Nicol) sind wie Fusspunkte der anstatt der Ellipse aufgetretenen geraden Linie. Die beiden gleichen sich berührenden Kreise bilden den Grenzfall, in welchen die Fusspunktscurve übergeht, wenn die Ellipse zur geraden Linie wird.') 1) Vergleiche Hermann Knoblauch: Ueber die elliptische Polarisation der Wärme- strahlen bei der Reflexion von Metallen 1887. Nova Acta der Kaiserlich. Leopoldinisch- Carolinischen Akademie Bd. L, S. 496. Nova Acta LV. Nr. 4. 37 290 Dr. Hermann Knoblauch. (p. 10) Vollstindigkeitshalber ist in Fig. 3 die nach dem Maasse der Be- obachtung sich ergebende lineare Schwingung angegeben, welche bei linearer ursprünglicher Polarisation (durch den ersten Nicol) senkrecht gegen die Ebene der totalen Reflexion auftritt. Fig. 3. \ | \ Pe | 570, Te OR ee In derselben Art, wie in den beiden vollständig durchgeführten Bei- 7 me spielen, von denen das eine (S. 3 bis 7) von einer linearen Polarisation unter + 45° ausging und nach der totalen Reflexion mit einer elliptischen endete und das andere (S. 8 bis 10) mit linearer Polarisation unter 0° beginnend, durch die totale Reflexion keine Aenderung dieser linearen Polarisation zeigt, sind zur Gewinnung einer vollständigen Uebersicht noch folgende Fälle unter- sucht worden: Auf die Einstellung des Hauptschnitts des polarisirenden Nicol unter + 45° folgte in der Reihe 2) die unter 22%; sodann 3) die bereits erwähnte unter 0°; 4) die Einstellung des Nicol-Hauptschnitts auf — 22% (von links oben nach rechts unten); 5) auf — 45°; 6) auf — 67%; 7) auf 90°; 8) auf Se Ueber die Polarisation der strahlenden Wärme durch totale Reflexion. (p.11) 291 Die durch diesen ersten Nicol herbeigeführte ursprüngliche lineare Polarisation, bei welcher die geradlinige Schwingung mit dessen Hauptschnitt zusammenfiel, wurde also der Reihe nach um je 22% — links herum fort- schreitend — geändert, bevor die so vorbereiteten Wärmestrahlen total reflectirt, endlich durch den zweiten Nicol in seinen 8 Stellungen durch Messung an dem Thermomultiplicator analysirt wurden. In mannigfacher Stellung und Excentrieität der Ellipse oder Ueber- gang derselben in die gerade Linie trat unter diesen Umständen die Schwin- gung der total reflectirten Wärmestrahlen auf. Nach der gegebenen Erläuterung der extremen Fälle wird eine Einzel- beschreibung unnöthig sein. Die graphische Darstellung, welche das Ergeb- niss der Beobachtung ist, beantwortet alle, auf die Gesetzmässigkeit der Er- scheinung beziiglichen Fragen und liefert schliesslich das Bild der Wärme- schwingung, welche das Ziel der Untersuchung war. Im Anschluss an die beiden beschriebenen Beispiele für die totale Reflexion an dem rechtwinkeligen Prisma folgt zunächst eine Uebersicht der an diesem Prisma weiter erhaltenen Resultate. Für die Zusammenstellung dieser war zu berücksichtigen, dass bei verschiedenen Stellungen des polarisirenden Nicol ungleiche Wärmemengen zur totalen Reflexion gelangten. Die für den Vergleich zweckmässige Zurück- führung auf eine stets gleiche einfallende Wärme war jedoch leicht herbei- zuführen. Innerhalb eines und desselben Falles giebt nämlich die Summe der Wärme-Intensitäten bei zwei, um 90° von einander abstehenden, Stellungen des analysirenden Nicol stets den nämlichen Werth. 1) 7. B. für den Hauptschnitt des polarisirenden Nicol auf 0° ergab die Beobachtung folgende Intensitäten: Für den Hauptschnitt des analysirenden Nicol auf ` 0°: 4,50 90°: 0,00 Summe 4,50. ” ” ” ” ” ” ” Für den Hauptschnitt des analysirenden Nicol auf 22%: 4,00 1125 :0,50_ Summe 4,50. ” ” ” ” WI ” ” 1) Vergleiche Hermann Knoblauch: Ueber die elliptische Polarisation der Wärme- strahlen bei der Reflexion von Metallen 1887. Nova Acta der Kaiserlich. Leopoldinisch- Carolinischen Akademie Bd. L, S. 490 ff. 37* 292 Dr. Hermann Knoblauch. (p. 12) Für den Hauptschnitt des analysirenden Nicol auf 45°:2,95 1992: Summe 4,50. ” ” ” ” ” ” ” wo Für den Hauptschnitt des analysirenden Nicol auf 6%% : 0,75 157° 57. ” ” ” ” ” ” ” 3,75 Summe 4,50. Construirt man also aus den Wurzeln der beiden zusammengestellten beobachteten Zahlen 4,00 und 0,50 oder 0,75 und 3,75 etc. als Katheten ein rechtwinkeliges Dreieck, so wird stets die Hypotenuse die nämliche, ihr Quadrat jene constante Summe: die Summe 4,00 + 0,50 = 0,75 + 3,75 ... sein. Diese Summe stellt gleichzeitig die gesammte einfallende Wärme dar, aus der die Intensitäten für die auf einander senkrechten Ebenen hervorgegangen sind. Setzt man nun die constanten Summen der verschiedenen Fälle unter sich gleich (wozu man willkührlich das arithmetische Mittel aller oder etwa die grösste gefundene Summe wählen kann) und erhält dadurch als ihre Quadratwurzel jene Hypotenuse (auf der Tafel 1 je 22,),1) so braucht man nur auf diese die absoluten Werthe der in ihrem Verhältniss schon bekannten Katheten zu beziehen. Jene Katheten sind aber die Excursionen der Schwin- gungen oder die Projectionen der Gesammtschwingung ganz in dem beobachteten Verhältniss, nunmehr aber bezogen auf eine für alle Fälle (wie sie durch die 8 Einstellungen des ersten Nicol, Seite 10 und 11, unterschieden sind) gleiche einfallende Wärme. Die so durch Beobachtung und Reduction gewonnenen Zahlen sind den Constructionen auf Tafel 1 zu Grunde gelegt, welche sich auf die totale Reflexion der Wärmestrahlen an der Hypotenusenfläche des Glasprismas von 90° beziehen. Der Grundriss des mit 90° bezeichneten Prismas ist in natür- licher Grösse ausgeführt. Die bei A normal einfallenden Strahlen werden bei r unter dem Winkel von 45° total reflectirt und treten bei B wieder normal aus. Ihre Reflexionsebene bleibt stets horizontal, der Einfallswinkel der Reflexion: 45°. Eine kreisförmige Blendung von 9 mm, durch deren Oeffnung die eintretenden Strahlen hindurehgingen, begrenzte sie derart, dass ihr Querschnitt bis zum Austritt bei B unverändert blieb. 1) Vergleiche Seite 8. Ueber die Polarisation der strahlenden Wärme durch totale Reflexion. (p. 13) 293 Ro, Die in oberster Reihe stehenden 8 Winkel: 45°; 22%; 0° etc. sind diejenigen, welche der Hauptschnitt des Nicol I mit der Verticalen bildet und welche Winkel demnach auch die Richtung der ursprünglichen geradlinigen Schwingung bezeichnen. In die so gebildeten Rubriken sind die Resultate eingetragen, welche sich nach der totalen Reflexion der Wärmestrahlen bei der Drehung des Nicol II vor der Thermosiule ergeben haben. Die jedes- malige Stellung des Hauptschnitts dieses Analysators findet sich unter 0°; 22%; 45°; 67%; 90°; 112%; 135°; 157% der Kreistheilung. Die an diesen Stellen vom Mittelpunkt aus im Radius eingetragene Linie ist die Quadrat- wurzel aus der betreffenden beobachteten Wärme-Intensität, die Verbindung der erhaltenen Endpunkte jener Linien: die Fusspunktscurve. Um diese Curve, welche durch die Beobachtung nur in 16 Punkten bestimmt werden konnte, continuirlich ausgeführt zu erhalten, construirte ich ein eigens dazu bestimmtes Instrument, welches darauf beruht, dass ein rechter Winkel, dessen einer Schenkel durch einen Brennpunkt einer Ellipse geht und dessen Scheitel in einem, mit der grossen Halbaxe der Ellipse be- schriebenen, Kreise fortrückt, mit seinem anderen Schenkel die Ellipse tangirt. Befindet sich in diesem Schenkel ein verschiebbarer Stift, welcher gleichzeitig in einem rechtwinkelig dagegen gerichteten, vom Mittelpunkt der Ellipse aus gezogenen Radius geführt wird, so beschreibt dieser Stift eine Fusspunkts- curve. Das Instrument ist in den Nova Acta L, S. 496 bis 500 abgebildet, genau beschrieben und in seiner Anwendung erläutert worden. Es hat dazu beigetragen, die Untersuchungen der elliptischen Polarisation der Wärme mit grösserer Sicherheit ausführen zu können, zumal wenn selbst die Lage der Ellipse sich nicht vorhersehen liess. Aus den Fusspunktscurven für die verschiedenen Fälle der Beobach- tung, welche die erste Reihe Fig. 1 der Tafel 1 zusammenstellt, ist die zweite Reihe Fig. 2 entnommen, welche die Schwingungen selbst (elliptisch oder geradlinig) nach der totalen Reflexion der Wärme, worauf die Untersuchung gerichtet war, darstellt. Die zugehörigen, aus der Identität der Axen sich ergebenden Curven sind in der Tafel an entsprechender Stelle gleich darunter gesetzt worden. Die Construction der Ellipsen aus ihren Axen, resp. ihren Brennpunkten geschah unter besonderen Sicherungseinrich- tungen nach dem Princip der bekannten Anwendung des Fadens und der Nadeln. Ein Blick auf die Uebersicht lässt das Gesetz der Erscheinung deut- lich erkennen. 294 Dr. Hermann Knoblauch. (p. 14) Werden parallele Wärmestrahlen der Reihe nach unter verschiedenem Azimuth polarisirt, indem ein Nicol’sches Prisma von der Stellung seines Haupt- ` g I schnitts auf 45° aus, um je 22% links herum, d. h. auf 225; 0°; —225; —45°; —- 67%; 90° bis 67% gedreht wird, so entsteht durch totale Reflexion unter einem Incidenzwinkel von 45°, deren Ebene in allen diesen Fällen unverändert horizontal bleibt, eine neue: elliptische oder lineare Schwin- gung, deren Längsrichtung der ursprünglichen (durch den Hauptschnitt des Polarisators angezeigten linearen) Schwingung vor der Reflexion gleich- gerichtet ist. 3ei der Neigung der gegebenen Schwingung unter 45° oder — 45° gegen die Verticale entstehen zwei gleiche, nur in ihrer Stellung unterschiedene, Ellipsen, deren Axen-Verhältniss 1:3,5 ist. Bei dem Azimuth der ersten Schwingung von 22%; — 225; —675; 675 treten entsprechend gerichtete, im Uebrigen unter sich identische vier Ellipsen mit dem Verhiiltniss ihrer Axen 1: Aa auf. Endlich bei der ursprünglichen Schwingung auf 0° (vertical) oder 90° (horizontal) ist die nach der totalen Reflexion erscheinende Schwingung geradlinig und gleich der ursprünglichen ebenfalls vertical, resp. horizontal. Die Excentricitit der Schwingungsellipse nach der Reflexion geht demnach von einem Minimum (1: 3,5) für + 45° und — 45° der gegebenen Schwingung aus, für die nun folgenden Azimuthe der ersten Schwingung auf eine grössere Excentrieität (1: 4,34) über und erreicht für die ursprünglich verticale und horizontale Schwingung ihr Maximum bei dem Uebergange der Ellipse in die gerade Linie. Il. Nach Ermittelung der Grund-Erscheinungen, welche die Wärme bei totaler Reflexion zu erkennen giebt, lag der weiteren Prüfung der Ein- fluss des Reflexionswinkels vor. Während bei dem ersten Prisma (von 90°) dem rechten Winkel gegen- über unter einem Einfallswinkel von 45° die Reflexion erfolgte, wurde jetzt ein Prisma derselben Glassorte gewählt, dessen Winkel 71° und an der gegenüber liegenden Seite je 54° 30’ sind. Die Zeichnung Tafel 2 erläutert, wie die Strahlen senkrecht zur Eintrittsfläche gelangen, also ungebrochen die Fläche gegenüber dem Winkel 71° erreichen, wo sie unter 54° 30’ total refleetirt werden. Die zurückgeworfenen Strahlen treffen wieder senkrecht auf die Austrittsfliche. Ueber die Polarisation der strahlenden Wärme durch totale Reflexion. (p.15) 295 Dieses Prisma trat an die Stelle des ersten. Im Uebrigen wurde die Untersuchung in der vorigen Weise geführt. Die durch das Nicol’sche Prisma I in das finstere Zimmer eintretenden Wärmestrahlen der Sonne wurden durch Einstellen des Nicol- Hauptschnitts auf 45° (gegen die Verticale); 22%; 0°; — 225; ee re der Reihe nach in lineare Schwingungen, dem jedesmaligen Stande jenes Hauptschnitts parallel, versetzt. So heschaffen wurden sie total reflectirt, stets unter dem Einfalls- winkel: 54° 30° und bei unveränderter horizontaler Reflexionsebene. Nach dem Austritt aus dem Glasprisma nahm der analysirende Nicol II die Strahlen auf. Bei jeder Drehung desselben (um eine horizontale Drehungs- axe) um 22%, welche an der Stellung seines Hauptschnitts abgelesen wurde, erfolgte eine Wärmemessung an dem Multiplicator der hinter dem Nicol II aufgestellten 'T’hermosäule. Die Zahlen der auf solche Weise erhaltenen Beobachtungen wurden (zur Beseitigung der Brüche) mit 100 multiplieirt, sodann (um aus den Intensitäten die Exeursionen der Schwingung in ihrer jedesmaligen Ebene zu gewinnen) die Quadratwurzel aus jenen Werthen gezogen. Die 8 für die ursprüngliche Polarisation der Wärmestrahlen be- stimmenden Stellungen des Nicol I liessen 8 Beobachtungsreihen entstehen, welche an verschiedenen Tagen angestellt, oder ungleichen einfallenden Wärme- mengen entsprechend, in ihren absoluten Werthen nicht unmittelbar vergleich- bar waren. Jeder dieser Reihen, welche die Wärmemessung bei der Drehung des Nicol II liefert, gehört aber eine constante Summe an, die sich bei der Addition zweier Wärme-Intensitäten ergiebt, deren Nicolstellungen um 90° von einander abstehen. (S. 11 bis 12.) Diese constante Summe bedeutet auch die Gesammtheit der ein- fallenden Wärme. Setzt man daher die, bei den 8 Beobachtungsgruppen im Allgemeinen verschiedenen, Summen unter sich gleich (S. 11 bis 12) und reducirt auf diese einheitliche Grösse die beobachteten Zahlen, so erhält man die zum Vergleich geeigneten Werthe für den Fall, in welchem bei den 8 Gruppen eine gleiche gesammte Wärme einstrahlte. Die Reduction der hauptsächlichsten Werthe der Beobachtung: des Maximums und Minimums, welche bei der graphischen Darstellung die grosse und kleine Axe liefern, ergiebt sich (gemäss Seite 12) am einfachsten, wenn man zunächst ein rechtwinkeliges Dreieck aus den Wurzeln der beobachteten 296 Dr. Hermann Knoblauch. (p. 16) Zahlen für Maximum und Minimum und der Wurzel aus ihrer Summe construirt: aus den ersten beiden als Katheten, der letzteren als Hypotenuse; sodann die Wurzel aus der festgesetzten einheitlichen, gleichsam normalen constanten Summe, parallel jener Hypotenuse zwischen die Schenkel des rechten Winkels einträgt und bis zu ihr die ursprünglichen Katheten ver- längert oder verkürzt. Ihr auch in die Zeichnungen der Tafel 2 auf- genommener Werth beträgt 25,50. Der Maassstab dieser Grössen ist, da es sich nur um Verhältnisszahlen handelt, gleichgültig. Da die Längen aller vorkommenden Linien (wie oben, z. B. Seite 4 und 8, erläutert) unmittelbar aus den Beobachtungen hervorgegangen sind, so hätte auch die Anführung der einzelnen Ablesungen nichts Neues oder Zuverlässigeres geliefert. Die Ablenkungen der Doppelnadel des mit der Thermosäule ver- bundenen Multiplicators waren den zu messenden Kräften als proportional zu betrachten. Die aus den beobachteten Zahlen entnommenen Quadratwurzeln wurden auf den Durchmessern der Kreise, Fig. 1, eingetragen. Aus diesem discontinuirlichen Entwurf ging mit Hülfe des erfundenen Zeichenapparates (Seite 13) die continuirliche Curve hervor, welche mit den, bei mangelnder Ueber- einstimmung immer wiederholten Experimenten verglichen und controlirt wurde. Entweder ergaben sich geschlossene Fusspunktseurven der Ellipse oder zwei sich berührende identische Kreise: der Fall der geraden Linie, wie sie in der Reihe Tafel 2, Fig. 1 dargestellt sind. Sie bilden (entsprechend Seite 14) die Grundlage für die Schwingungen selbst (elliptisch oder linear), welche Tafel 2, Fig. 2 veranschaulicht, und die in Folge der totalen Reflexion in der strahlenden Wärme stattfinden. Vergleicht man die Ergebnisse der Tafel 1, Fig. 2 (am Prisma 90°) mit denen der Tafel 2, Fig. 2 (am Prisma 71°), so ergiebt sich: 1) Dass bei beiden die Richtung der langen Axe der Ellipse, sowie der geraden Linie nach der totalen Reflexion der Richtung der geradlinigen Schwingung vor der Reflexion (in der Tafel durch die Stellung des Haupt- schnitts von Nicol I in der ersten horizontalen Zeile der Winkel-Angaben bezeichnet) gleich ist. 2) Bei dem Azimuth von 45° und —- 45° der ursprünglichen Schwin- gung treten Ellipsen auf, deren Axen -Verhältniss bei dem Reflexionswinkel 45° (Tafel 1) 1:3,50 Hort I 54° 30’ (Tafel 2) 1:2,34 beträgt, bei dem grösseren Einfallswinkel also geringer ist. Ueber die Polarisation der strahlenden Wärme durch totale Reflexion. (p. 17) 297 3) Bei einer Neigung der gegebenen linearen Schwingung von 225; — 22%: — 675; 675 gegen die Verticale ist dieselbe nach der totalen Reflexion elliptisch. In allen diesen Fällen verhält sich die kurze Axe zu der langen bei dem Einfallswinkel von 45° (Tafel 1) wie 1:4,34 54° 30’ (Tafel 2) 1: Bes, arts ae if Es bestätigte sich, dass, wenn die totale Reflexion unter verschiedener Incidenz- erfolgte, die dadurch hervorgebrachte Schwingungsellipse bei dem kleineren Einfallswinkel mehr gestreckt war als bei dem grösseren. Bei jeder der beiden Reflexionen sind die je vier letztbezeichneten ‘lipsen länger gestreckt als die je zwei vorhergegangenen, aber der Excentricititsunterschied ist bei den Gruppen des Einfallswinkels 54° 30’ grösser als bei der Incidenz 45°.1) Für den Fall einer ursprüng- lich in verticaler oder horizontaler Ebene erfolgenden Schwingung (Haupt- schnitt des Nicol I auf 0° oder 90°) hatte die totale Reflexion (in horizontaler Ebene) keinen Einfluss. Jene behielt ihre anfängliche Schwingungsform und Schwingungsrichtung bei. Um den Zusammenhang zwischen der Grösse des Einfallswinkels der total reflectirten Wärmestrahlen und der Schwingungsform dieser allgemeiner festzustellen, wurden Versuchsreihen mit noch zwei anderen Prismen angestellt, von denen das eine einen kleineren, das andere einen grösseren Reflexionswinkel als die bisherigen (45° und 54° 30’) lieferten. Eine Zeichnung (wieder in natürlicher Grösse) des einen (dritten) Prismas findet sich am Anfang der ‘Tafel 3. Die Strahlen fallen auch jetzt normal gegen die erste Prismenfläche ein und treten, wieder normal gegen die letzte gerichtet, aus. Die drei Winkel des Prismas sind: 96° 22’ und an der Gegenseite je 41° 49. Die totale Reflexion erfolgt unter dem Winkel: 41°49’ an der Fläche, welcher diese Seite angehört, dem Prismenwinkel 96° 22’ gegenüber. Der Reflexionswinkel ist also kleiner als in den beiden vorigen Fällen. Tafel 4 stellt das andere (vierte) Prisma dar. Dasselbe hat einen brechenden Winkel von 50° an der Spitze, an jeder Seite der Grundlinie 1) Vergleiche auch weiter unten Seite 18 bis 19, namentlich hinsichtlich 54° 30’ und 41° 49, 3 Nova Acta LY. Nr. 4. 38 298 Dr. Hermann Knoblauch. (p. 18) einen Winkel von 65°. An der zugehörigen, total reflectirenden Fläche erfolgt diese Reflexion unter 65°, also unter einem Winkel, welcher grösser als in den beiden ersten Prismen ist. Mit der Eintritts- und Austrittsfläche bilden die Strahlen einen Winkel von 90°. Nachdem in dem Bisherigen zuerst die Gesichtspunkte der Unter- suchung (besonders an dem Prisma 90°), sodann das Verfahren möglichst übersichtlich (beim Prisma 71°) dargestellt worden, wird es sich jetzt empfehlen, nur die neuen Ergebnisse mitzutheilen, wie sie sich bei dem alleinigen Wechsel der Prismen resp. der ihnen zugehörigen Reflexionswinkel ergeben haben. Tafel 3 enthält diese Resultate für die totale Reflexion unter 41° 49'; Tafel 4 für die unter 65°. Fig. 1 dieser Tafeln zeigt in acht Rubriken, welche durch die ver- schiedenen Stellungen des polarisirenden Nicol I bedingt sind, dessen Haupt- schnitt zugleich die jedesmalige ursprüngliche lineare Schwingung zu erkennen giebt, die betreffende Fusspunktscurve der neuen Schwingung, wie sie aus der totalen Reflexion hervorgeht. (Ihre identische Hypotenusen-Bezeichnung : 23 auf Tafel 3; 22,5 auf Tafel 4 deuten — nach Seite 15 und 16 — ihre Vergleichbarkeit in den acht Fällen an.) Fig. 2 giebt, auf diese Curven gestützt, ihnen gleich in der Stellung und im Axen-Verhältniss, unmittelbar darunter das Bild der Schwingungen selbst. Der Vergleich der vier Versuchsreihen mit den Einfallswinkeln 65° (Seite 18, Tafel 4); 54° 30’ (Seite 14, Tafel 2); 45° (Seite 12, Tafel 1) und 41° 49’ (Seite 17, Tafel 3) ergiebt demnach: 1) die Gleichheit der Schwingungsrichtung resp. der langen Axe der Ellipse vor und nach der totalen Reflexion für jedes Azimuth der ursprüng- lichen linearen Polarisation ; 2) folgende Unterschiede der Axen-Verhältnisse der elliptischen Schwingungen nach der Reflexion bei dem Azimuth 45° und — 45° der ge- gebenen Polarisation: für 65° 0’ das Verhältniss der kurzen zur langen Axe 1:3,50 SG An oam ee 54" 30 ” ” ” ” ” ” ” ig 2,34 ro H EE ” erc ” ” ” ” ” ” ” IP 3,50 Al; 49’ ai a H ” D ” D kb `. 4,00; Ueber die Polarisation der strahlenden Wärme durch totale Reflexion. (p.19) 299 bei den Azimuthen 225; —22'; —675; 67% desgleichen: für 65° 0’ das Verhältniss der kurzen zur langen Axe 1:4,30 54° 30 ” ” ” ” ” ” ” 1 : 3,08 zu 45° 0 ” ” ” ” ” ” ” 1 4,34 ” Aisi Oise: ” OI ” ” ” Halle 4.38. Das Charakteristische dieser Beobachtung ist, dass, bei gleicher ur- sprünglicher Polarisation, die Ellipse der Schwingung ihre geringsten Axen- Unterschiede 1:2,34 (bei dem Azimuth + 45°); 1:3,0s (bei den Azimuthen + 22%, +67%) zeigt, wenn die totale Reflexion unter 54° 30’ erfolgt. Diese Unterschiede nehmen zu, d. h. die Ellipsen werden gestreckter, sowohl wenn der Reflexionswinkel zu-, als wenn derselbe ab- nimmt. So ist das Axen-Verhiiltniss 1:3,50 (fiir + 45°) und 1:4,30 bis 4,34 (für + 225; + 67%) sowohl bei dem Reflexionswinkel 65° als bei 45°. Die Fortsetzung dieser Excentricititszunahme, welche nach zwei Seiten einem linearen Grenzfall zustrebt, bestätigt sich an dem Wachsen des Axen-Unterschiedes bei dem Reflexionswinkel 41° 49’ (1:4 bei + 45°), Die angeführten Zahlen weisen ausserdem nach, dass die Schwingungs- ellipse nach der totalen Reflexion gestreckter ist, wenn die ursprüngliche lineare Schwingung unter + 225, + 675 gegen die Verticale gerichtet, als wenn dies unter + 45° der Fall ist. Bei den Azimuthen der linearen Schwingung 0° und 90° vor der totalen Reflexion wird nach derselben die kurze Axe der Ellipse gleich Null, d. h. die Ellipse geht in die gerade Linie über. II. Eine wichtige Frage war noch die nach den Grenzen der Er- scheinung, welche die vier bisher besprochenen Prismen gezeigt hatten, die von der ursprünglichen linearen Schwingung und dem Einfallswinkel abhängige, bald ungleich excentrische elliptische, bald geradlinige Schwingung nach der totalen Reflexion. Ein eigenthiimliches Prisma!) führte auf die experimentelle Beant- wortung dieser Frage. Dasselbe ist auf Tafel 5 abgebildet. Es hat die 1) Wie das Prisma 50° (mit dem Reflexionswinkel 65°, Seite 17 bis 18), auf das Sorg- fältigste ausgeführt von Herrn’ C. Zeiss in Jena. = 300 Dr. Hermann Knoblauch. (p. 20) Grundfläche eines Paralleltrapezes mit zwei stumpfen Winkeln von 125° und zwei spitzen von 55°. Die Wärmestrahlen, durch eine runde Oeffnung von 7 mm begrenzt, treten parallel den Seiten, an welchen diese Winkel liegen, also unter einem Winkel von 35° in die erste Prismenfläche ein, werden nach dem Brechungsverhältnisse des Glases (n= 1,5) gebrochen und sodann von der Fläche, an welcher die Winkel von 55° liegen, unter 77° 31’ total reflectirt. Denselben Weg nehmen sie sodann nach der anderen Seite des Prismas, so dass sie aus der letzten Prismenfläche wieder unter 35°, ihrer Anfangsrichtung parallel, austreten. Wurden hier, wie stets, die in das finstere Zimmer eintretenden Strahlen durch den in dem Fensterladen angebrachten Nicol linear, der Reihe nach, gemäss den acht mehr genannten Einstellungen des Nicol-Hauptschnitts, polarisirt, so führte die nach der Reflexion vorgenommene Analyse vermittelst des gedrehten zweiten Nicol, in der genau wie bisher befolgten Weise, zu solchen Eintragungen in die 16 Radien der Zeichenkreise Tafel 5, Fig. 1, dass die Verbindung der so gewonnenen 16 Punkte ausnahmslos 2 identische, sich berührende Kreise lieferte. Diese Grenzform der Fusspunktseurve gehört nur der geraden Linie an, jede andere Form, welche in den bisherigen Fällen zur Ellipse führte, war ausgeschlossen. Erfolgt also die totale Reflexion unter einem Winkel von 77° 31’, so ist nach derselben keine elliptische Polarisation mehr erkennbar. In der ganzen Reihe der Tafel 5, Fig. 2 erscheinen demnach als Schwingungsformen nur gerade Linien für jedes Azimuth der ursprünglichen Polarisation. Diese geradlinige Schwingung hat dieselbe Richtung wie Anfangs (jedesmal parallel dem Hauptschnitt des Nicol I). Die totale Reflexion, welche bei anderen Reflexionswinkeln so charakteristische Schwingungsformen entstehen liess, ist hier ohne merkbaren Einfluss geblieben. Wenn aber die elliptische Polarisation der strahlenden Wärme bei 77° 31’ für die Beobachtung verschwindet, so deutet dies auf die gesuchte Grenze der Erscheinung hin. Ist der Einfallswinkel = 90°, so streift der Strahl nur an der ihm parallelen Prismenfläche hin und eine Reflexion findet nicht mehr statt. Nun ist aber 77° 31’ dem Winkel 90° so nahe, dass .auch ihre Sinus fast gleich sind; denn sin 77° 31’ = 0,976 und sin 90° = 1. Die in Rede stehende eine Grenze der elliptischen Polarisation bei totaler Reflexion ist also da zu bezeichnen, wo der Einfalls- winkel in 90° übergeht. EN Ueber die Polarisation der strahlenden Wärme durch totale Reflexion. (p. 21) 301 Das eigenthiimliche Verhalten des vorliegenden Prismas gab zu einem Zwischenversuch Anlass, welchen die experimentelle Anordnung bei den übrigen Prismen nicht füglich zuliess. Während nämlich in allen bisherigen Fällen die Reflexionsebene fest- stand, und die Polarisationsverhältnisse der Strahlen, der Reflexionsebene gegenüber, durch die jedesmalige Einstellung des Nicol I geregelt wurde, erhielt der polarisirende Nicol jetzt eine feste Stellung mit seinem Hauptschnitt auf — 45° (von links oben nach rechts unten), die Reflexions- ebene aber wurde durch Drehung des Prismas verändert. Bei allen diesen Winkelbezeichnungen ist stets die Stellung des Auges als fest, d. h. so ge- dacht, dass dasselbe den Strahlen entgegensieht. Die Drehung des Prismas, dessen Zeichnung sich auf Tafel 5 und Tafel 6 findet, erfolgte und damit die seiner Reflexionsebene nach rechts, um je 22%, von 0° auf 22%: 45°; 67,5; 90°; 112) gegen die Verticale. gemessen wurden. Ebenso viele Stationen durchlief der 135°; 1575, welche Winkel analysirende Nicol; ebenso viele Ablesungen fanden an dem Thermomultiplicator hinter demselben statt. Wurden die Quadratwurzeln der beobachteten Zahlen auf die 16, dem Hauptschnitt des Nicol II je entsprechenden, Radien auf- getragen, so lieferte die Verbindung der so markirten Grenzpunkte in allen acht (der jedesmaligen Stellung der Reflexionsebene des total reflectirenden Prismas angehörigen) Rubriken zwei identische sich berührende Kreise, deren D gemeinsamer Durchmesser stets auf —45° gerichtet war (Tafel 6, Fig. 1). Diese Kreise sind die Fusspunktscurve der geraden Linie, welche (Tafel 6, Fig. 2) die Schwingung selbst darstellt. In dem vorliegenden Prisma, dessen Reflexionswinkel 77° 31’ betrug, hatte also die totale Reflexion nicht den geringsten wahrnehm- baren Einfluss auf die Wärmestrahlen ausgeübt. Ihre lineare Schwin- gung unter —45° war nach der totalen Reflexion genau dieselbe wie vorher. Dasselbe ist der Fall bei jeder beliebigen anderen ursprüng- lichen Schwingung der einfallenden Strahlen. ` Ce blieb noch übrig, zu der einen (Seite 20 gefundenen) Grenze der ellip- tischen Polarisation durch totale Reflexion die andere Grenze aufzusuchen. s standen zwei Prismen zum Nachweise des sogenannten „Grenzwinkels“!) 1) Unter dem die, aus dem optisch dünneren Medium unter 90° einfallenden, Strahlen in dem dichteren gebrochen werden oder bei dem in dem dichteren Medium die totale Reflexion an der Trennungsfläche des dünneren Mediums beginnt. 302 Dr. Hermann Knoblauch. (p. 22) zur Verfügung. An einem von diesen wurde der Einfallswinkel der totalen Reflexion auf 40° 49’ eingestellt, welcher nach dem Brechungs- verhältniss des betreffenden Glases zugleich der Grenzwinkel desselben war. Sodann wurden mit diesem Prisma ganz dieselben Versuche angestellt wie mit demjenigen, welchem der Einfallswinkel 77° 31’ angehörte, welche Seite 20 beschrieben und deren Resultate auf Tafel 5 graphisch dar- gestellt sind. Der polarisirende Nicol I ertheilte wieder den Strahlen vor der Reflexion eine bestimmte, seinem Hauptschnitt gleichgerichtete lineare Schwin- gung. Während er demgemäss die bekannten (auf Tafel 5 verzeichneten) Stellungen einnahm, behielt die Reflexionsebene ihre horizontale Lage. Die durch den analysirenden Nicol II, die Messungen am Thermomultiplicator und die durch Wurzelausziehung aus diesen hervorgegangenen Eintragungen auf den 16 Radien lieferten jetzt wieder zwei gleiche sich tangirende Kreise (wie Tafel 5, Fig. 1). Hieraus ergab sich (wie auf Tafel 5, Fig. 2) für jede Stellung des Nicol I eine lineare, seinem Hauptschnitt parallele Schwingung. Die Ellipse war ausgeschlossen. Das Ergebniss war bei dem gegenwärtigen Reflexions- winkel 40° 49’ dem für 77" 31° so vollkommen gleich, dass dieselbe Tafel 5 diese beiden gleichen Ergebnisse graphisch darstellt. Der Umstand aber, dass jetzt die totale Reflexion unter dem be- zeichneten Grenzwinkel wieder keinen Einfluss auf die ursprüngliche Schwin- gung ausübt, charakterisirt diesen „Grenzwinkel“ der Brechung als die andere Grenze der elliptischen Polarisation durch totale Reflexion. Dieses Ende schliesst sich gleichsam an die Seite 18 ımd 19 nachge- wiesene Streckung der elliptischen Schwingung bei Abnahme des Reflexions- winkels an. Unter allen bisher vorgekommenen Incidenzen ist die von 40° 49’ die kleinste und bei ihr geht die Ellipse in die gerade Linie über. Zum Schluss folgt eine Uebersicht der Resultate, welche die vor- liegende Untersuchung ergeben hat. 1) Erfährt die linear polarisirte strahlende Wärme eine totale Reflexion, so wird sie, den Umständen gemäss, entweder elliptisch oder linear polarisirt. Ueber die Polarisation der strahlenden Wärme durch totale Reflexion. (p.23) 303 2) Um die maassgebenden Bedingungen herbeizuführen, die Allgemein- heit der Erscheinungen zu sichern und die auftretenden Schwingungen zu eonstruiren, wurde folgendes Verfahren gewählt: Durch ein polarisirendes Nicol’sches Prisma wurde den eintretenden Wärmestrahlen eine geradlinige Schwingung ertheilt, welche mit der Drehung jenes Prismas um je.22% (an einem verticalen Theilkreise gemessen) fort- schritt und stets dem Hauptschnitt des Nicol gleichgerichtet war. So nach einander unter verschiedenen Azimuthen schwingend, wurden die Strahlen der totalen Reflexion unterworfen. Dies geschah der Reihe nach unter ver- schiedenen Einfallswinkeln, wozu verschiedene total reflectirende Glas-Prismen angewandt werden mussten, deren Reflexionsebene immer horizontal war. Die zurückgeworfenen Strahlen fielen auf ein analysirendes Nicol’sches Prisma, das acht Stationen einer Kreistheilung: 0°; 225; 45°; 675; 90°; 112%; 135°; 157% durchlief und hinter dem ein Thermomultiplicator sie aufnahm. Dieser maass die Wärme-Intensität an den acht Stationen und die Quadratwurzel daraus ergab die jedesmalige Excursion der betreffenden Schwingung. Die Wurzelgrössen wurden auf acht, jener Eintheilung entsprechende Durchmesser eines Kreises von der Mitte aus, je zwei Mal nach entgegengesetzten Seiten, eingetragen. Verbindet man die sechszehn so gewonnenen Punkte durch eine Linie, so erhält man die „Fusspunktscurve“!) der gesuchten Schwingung. Dieselbe hat entweder die Form der Fusspunktscurve einer Ellipse oder die von zwei identischen sich berührenden Kreisen, die Fusspunkts- curve der geraden Linie. Man bekommt also — da die Axen der Ellipse mit denen ihrer Fusspunktscurve identisch sind — auf dem be- schriebenen Wege das Bild der elliptischen oder linearen Schwin- gung nach der totalen Reflexion. 3) a. Findet die lineare Schwingung vor der totalen Reflexion unter den Winkeln 45° oder —45° gegen die Verticale statt, so treten nach der Reflexion Ellipsen mit unter sich gleichem Verhältniss ihrer Axen auf (S. 14). h. Aehnliches ist der Fall, wenn die ursprüngliche Schwingung unter den Winkeln 22%; — 22%; — 67%; oder 675 erfolgt, nur ist der Axenunter- schied dieser, ebenfalls unter sich identischen Ellipsen ein grösserer als bei den Azimuthen 45° und — 45° (S. 14). 1) Durch ein eigens dazu construirtes Instrument genauer ausgefiihrt. 304 Dr. Hermann Knoblauch. (p. 24) c. Hat die gegebene Schwingung die Richtung 0° oder 90°, so ist die nach der totalen Reflexion auftretende geradlinig (S. 14). 4) Bei einem zwischen 50° und 60° gelegenen Winkel der totalen Reflexion ist das Axen-Verhältniss der durch die Reflexion entstehenden elliptischen Schwingungen ein Minimum. Sowohl bei wachsendem wie bei ab- nehmendem Reflexionswinkel nimmt dieses Verhältniss zu. Die sich immer mehr streckenden Ellipsen gehen bei den Grenzen der Erscheinung in gerade Linien über. Zwar bleiben dabei die den Azimuthen 45° und —45° ange- hörigen Ellipsen weniger gestreckt, als die bei den Azimuthen 223; —225; — 675; 6T% nach der Reflexion gebildeten, doch werden ihre Axen-Verhält- nisse um so ähnlicher, je mehr sie jenen Grenzen sich nähern (S. 19). 5) In allen bisher besprochenen Fällen ist stets die lange Axe der aus der totalen Reflexion hervorgehenden Schwingungsellipse oder die sonst sich ergebende geradlinige Schwingung der linearen Anfangsschwingung vor der totalen Reflexion, wie sie durch den polarisirenden Nicol bestimmt und durch dessen Hauptschnitt angezeigt ist, gleichgerichtet (S. 14, 16, 18). 6) Die eine Grenze der elliptischen Polarisation deutet sich an, wenn der Reflexionswinkel 90° sich nähert, um in diesen Winkel überzu- gehen, bei welchem die eigentliche Reflexion aufhört (S. 20). Die andere Grenze wird an dem sogenannten „Grenzwinkel“ der Brechung (in dem vorliegenden Glase 40° 49’) erreicht, bei welchem die totale Reflexion in dem dichteren Medium an der T'rennungsfläche des dünneren be- ginnt (S. 22). Beide Grenzen sind dadurch charakterisirt, dass an die Stelle der elliptischen die lineare Polarisation tritt bei jedem Azimuth der ursprüng- lichen Schwingung vor der Reflexion. Die totale Reflexion erscheint alsdann vollkommen wirkungslos (S. 20, 21, 22). Nova Acta dcad.C1.C6.Nat.CurVol.LV. Tab.V. | 1889 Winkel, welchen der Hauptschnitt des Nicol I mit der Verticalen bildet: 3 Sr + 45° + 2225 oi — 2895 45 6105 90° e | + eng Prisma : 90°? en : EES ER B 90° x / A i : A a A ae S / Be 489397, \ S g \ / 2 / e / | \ \ / 45° A Se er a | e ee dech \ ae 6752945 [2202 | g D bee i / Ge S | o a RN 22,5 45° IN 90° ` 44 / / e ft \ \ 7 / d N / \ \ A —90?270° 0° WA x ¥ Na, U Aus den Stellungen des Hauptschnitts des Nicoll. MENT M1205 Fig.. j 2785 72) 1352 2 i e 2 Wa N SH Fulspunktscurve. 76.89. í Lp Jle o, o yo; of EEE BUYS 13,60. 66.89. 1:4 35. Zem 66:89. Br! 1:4,352 4089, i DEE 6.6.89, 1499 7807 26.89. Einfallswinkel der 2 a, RR totalen Reflexion: Y S 45° S Fig.. Schwingung. A H. Knoblauch del. Lith. Anst Julius Klinkhardt ‚Leipzig. A. Knoblauch: Polarisation der Wärme durch totale Reflexion. Taf: 1. | i wem BEE we mmm Le WE, . aaa — - nn | | Nova ActaAcad. CLC GNat Cur Vol. LV. : — we Tab.VI. 1889, Winkel,welchen der Hauptschnitt des Nicol I mit der Verticalen bildet: 5 hi 3 SE + 22°95 0 — 2225 450 — 61% pe Prisma: M. ee © sen GE E 452.308, Br : an A 05.9980. 2 8 Kë E e orks $ ye A 90° / = see E A BR SS S Ba 90° 270 90° Ste ` G VH Aus den Stellungen des Se 3 Les Hauptschnitts des Nicoll, E Fig. — 1359295 1350 Fußnunktscurve. à F S Cal a 5 an 15795, 2022 1572 ` 189. 3,03 : | 5 55.89. aye UL IP 2,9,89. 1:3,08. 55.89. 5.89. 1.3.08. G 5.89. DE 93.589. E EE GE = Br: EN Einfallswinkel der totalen Me 4 N GE J4 A0. \ ‘ ” Fig. ; Se Schwingung. t + SE H.Knoblauch del. H Knoblauch: Polarisation der Wärme durch totale Reflexion. Taf! 2. | Lith. Anst. Julius Klinkhardt, Leipzig SE bie en | Nova Actadead.C.1.0.6.Nat.CurVol. IV. Tab. VIL | 1889. Winkel; welchen der Hauptschnitt des Nicol I mit der Verticalen bildet: 5 = $ | Prisma:96 22. Gë | on w ia TISMA: : stat — ý 2205 SE | N: E- 4 } N | e SE / = S i _45° \ wi 2 \ J A > j / EN Se f / SS A S : \ | — 6725298, \ / 2 Ge > ~ V" SCC > — 90?290° ER $ 23 ES Ge j A ER 2 Se - = BER = E GE 11295. 247 1 ee 7 Aus den Stellungen: des \ ve Hauptschnitts des Nicoll. Se SE y A 133° / 2 Fig1. e SEN P d Es j Fulspunkt. eo eee 780° wre oe Zap 29.89. zí 14,33 29.89. x Zon S Dë ctscurve. Einfallswinkel der Ke SC Re © 2 totalen Reflescion: J xe S 4149! SC ne = / ER, / e N s A ag d e / 2 Wh S iS \ he \ / / 4 ose Fig 2. = = + Schwingung. > x N 7 / S E ; j X Z i E | N BE x A = en | a 2 | : ~ aE Se GE >> H Knoblauch del s Lith. Anst.Julius Klinkhardt Leipzig e A ` H EE de Me eer TaR A) = e ZS = = re En SS Si EEN RETTET, G e r i x Ee GER | A | | Nova Acta Acad. CL.CGNat.CurVol. LV. i | Tab. Vil | 1890. x Winkel welchen der Houpbsehnitt des Nicol I mit der Verticalen bildet: E 2 oe Er | = = | Prisma: 30 S — 2225. 337 d 2205 a E SES = | ES 45° Sh KR í ; : | ; : é | / | er 3 Sch | | H ; 3 $ | \ va S 2 d N > A j j | = 22,5 E 0 2902 270° 90° 11295, 495 Aus den Stellungen des va we Gr Gei e Hauptschnitts des Nicol I. ig. 1. ae a 3 ar Ze: í | Fig.1. Be = e Se | ee 640. — 151.205 ae 15775 Së 6,490. 1:8 5,490. i 5.4.90. th, | 54.90. SES £35 | (454.90. 1:43 54.90. SS 5.4.90. Einfallswinkel der > | | ' ; è ; Se | = RW totalen Reflexion: oe be SE SC | ye ée 65° ; ie j d E O | \ > / | | A \ j a N ER $ L | d T T Fig.. ; X IN | Lith Anst. Julius Klinkhardt, Leipzig = H. Knoblauch del A Knoblauch: Polarisation der Wärme durch totale Reflexion. Taf: 4. Nova Actadcad.C 2.6.6. Nat.CurVol. IV. 1889 Winkel welchen der Houptschnitt des Nicol I mit der Verticalen bildet: + 22°5 0° 4205 Prisma A. ` 286.5512 a ES 675.022 x eiis EN | (22°31) ee: \ N Aus den Stellungen des 9902700 90° Hauptschnitts des Nicol A DEE, Bot . | — 11295. 2495 - MBS Fulspunktscurve. Einfallswinkel der Ka | | D O, age totalen Reflexion: rt = | | 171031. Bi Agen — 15175.20275 af 15125 579.89. by 9.89. E 4.989, aS 1 oO Prisma B. (analog Taf 3). Ge S Einfallswinkel der totalen Reflexion: eo ZEN Fig.2. | = ee Schwingung. ; 4 H Knoblauch del Lith. Anst. Julius Klinkhardt, Leipzig H Knoblauch: Polarisation der Wärme durch totale Reflexion. Taf. 5. | | | Nova Actadcad. CLCGNat.Cur Vol. LV. IN 45° 2 225 7,30 1888. Asor. ny à 3 ß / A : Së Va PERLE Winkel, welchen F, S die Ebene der totalen Reflexion mit der r| Verticalen bildet: R Er 2275 D \ Prisma A. G Ny, 4, > 3 A CS Zeg Si Eë 6175 DE a gl ` RE ij 90° 90° 4 E Aus den Stellungen des Be a + ; Hauptschnitts des Nicol Il. u as / Aug: S / | A g Fig. x A / a 4, 1 d f ; g Fußnunktscurve. \ a 19,9.88. 877 e " 7807 ; | Einfallswinkel der g! totalen Reflexion: x VF 3H! ee S / S E \ a Schwingung. d | a > EA f ES Ve N i | ve / A Ca / \ / H Knoblauch del Lith.Anst. Julius Klinkhardt Leipzig A Knoblauch: Polarisation der Wärme durch totale Reflexion. Taf. 6. NOVA ACTA der Ksl. Leop.-Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher Band LV. Nr. 5. Ueber Erscheinungen des normalen Haarverlustes an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. Von R. Keller. Mit 5 Tafeln Nr. XJ—XIII. Eingegangen bei der Akademie am 28. Juli 1890. HALLE. "1890. D k von E. Blochmann & h D d I die Akademie LC mi nb Wilh. Engelmann Leipzig. ] d IB CR HE) den | H A Pre eme DE EE Einleitung. Dass eine Reihe von Pflanzen an einzelnen Organen unter normalen Verhältnissen kahl wird, hat im allgemeinsten physiologischen Sinne in der ausgedehnten Litteratur über Pflanzenhaare häufig genug Berücksichtigung ge- funden. Man benutzte diese Thatsache in der Frage nach den Functionen der Behaarung, ohne ihr weiter nachzugehen. In der ausfiihrlichen Arbeit von Weiss!) findet sich bei der Citirung zahlreicher älterer Autoren, bereits bei Grew und Malpighi, die in Rede stehende Erscheinung erwähnt, und Weiss selbst bemerkt hier und da in seiner Beschreibung der Haarformen, =. dass diese oder jene Zelle verloren gehe. Mit einer gewissen Verallgemeinerung ] constatirt er dies Verhalten für „die obere, lange Zelle von zweispitzigen, T-förmigen“, sowie die Endzelle von sternförmigen Haaren. Der nächste Untersucher von „Irichomgebilden“, Rauter?), beschreibt den Haarabfall für Correa virens und rufa und für Shepherdia ferruginea, jedoch nur beiläufig. Nach einer auch nur einigermaassen gründlichen anatomischen Prüfung des ass Haarverlustes, welche erst eine erfolgreiche physiologische Verwendung des- selben ermöglichen würde, sucht man vergeblich. Eine solche bringt uns auch nicht eine in neuester Zeit erschienene Arbeit von Kärner), welche den Titel führt: „Ueber den Abbruch und Abfall pflanzlicher Behaarung und den Nachweis von Kieselsäure in Pflanzenhaaren“. Ihre Resultate sind nicht eigentlich anatomischer Natur, und Befunde mikroskopischer Untersuchung 1) A. Weiss. Die Pflanzenhaare, in Karstens Bot. Untersuchungen 1867. 2, J. Rauter. Zur Entwickelung einiger Trichomgebilde. Denkschrift der K. Akademie zu Wien. Bd. 31. 1871. A 3) Nova Acta der Kaiserlichen Leopoldinisch-Carolinischen Akademie. Bd. LIV. 39* 308 R. Keller. (p. 4) beispielsweise sind in ihr nicht angegeben. Dagegen hat eine grosse Zahl von Gesichtspunkten zur Erklärung des Haarverlustes darin eine Stelle ge- funden, sind alle nur denkbaren Veranlassungen desselben in Erwägung gezogen worden. Dabei aber behandelt Kärner gleicher Weise und durch einander allerlei Enthaarungsvorgänge heterogener Art. Wenn nach der Versetzung von Pflanzen aus einem feuchten an einen trockenen Standort und umgekehrt die Bekleidung schwindet, wenn an verdorrtem und vertrocknetem Laube leicht die spréden Härchen abbrechen, und wenn bei Urticeen und anderen die Spitzen der Brennhaare in der Haut von Menschen und Thieren bleiben, so werden diese theils anormalen, theils vereinzelten Erscheinungen unter derselben Kategorie und nach denselben Gesichtspunkten abgehandelt wie diejenigen, welche ich mit dem Ausdrucke „normaler Haarverlust“ bezeichne, wo bestimmte Theile unter normalen Lebensbedingungen ihre Haarbedeckung in toto verlieren. So zielen auch die angestellten Betrachtungen nicht auf die Frage hin, wie die Abfallvorgänge aus dem Wesen und den Lebensäusserungen der betreffenden Pflanzen zu verstehen seien, sondern auf diejenige nach der Bedeutung, welche ein Haarwurf mit Rücksicht auf seine Schädlichkeit für den Menschen ge- winnen kann. Dieser Eigenart der Kärnerschen Arbeit verdanke ich es, dass, obgleich sie mir erst kurz vor dem Abschlusse des Vorliegenden zu Gesicht gekommen ist, sie mich doch nicht zu grösseren Aenderungen veranlasst hat. Im allgemeinen Theile werde ich einige Male auf sie zurück- zukommen haben. Die anatomisch-physiologische Betrachtungsweise, welche mich bei der Untersuchung geleitet hat, brachte eine Beschränkung der zu wählenden Objecte mit sich. Wo erst an vertrockneten Organen Haarwurf eintritt, hat er auf die Function derselben und für das Gedeihen der Pflanze keinen Einfluss und ist physiologisch bedeutungslos. Ein ferner liegendes Interesse bietet der Haar- schwund in Folge pathologischer Ursachen, darum bleibt derselbe ebenfalls von mir unberiicksichtigt, indem ich zugleich hierher auch die erwähnten Er- scheinungen an Pflanzen, welche künstlich an unnatürliche Standorte versetzt worden, rechnen möchte. Eine weitere Begrenzung erfährt mein Thema dadurch, dass ich die Reproductionsorgane von der Behandlung ausschliesse. Ihre Behaarung scheint mir so sehr speciellen Aufgaben im Fortpflanzungsgeschäft angepasst zu sein, Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. (p. 5) 309 dass zu einer Wiirdigung ihres Abfalles in jedem Falle ein eigenes Studium der Verbreitungs- und Vermehrungsweise gehören würde, vorausgesetzt, dass man nicht vage Speculationen auf vagen Grundlagen aufbauen will. Die Sinheit der Gesichtspunkte würde leicht gestört, die Untersuchung ausserdem zersplittert werden. So hat sich die Wahl der Objecte, dem Wortlaut des Themas entsprechend, nur auf diejenigen zu erstrecken, die an Vegetations- organen ihre Behaarung in grösserem Umfange unter normalen Verhältnissen verlieren. Da eine die Pflanzen mit Haarverlust registrirende Litteratur offenbar fehlt, die Angabe der Floren aber in diesem Punkte unvollständig, theilweise ungenau sind, so hat bei der Auswahl meines Materials der Zufall eine ziemliche Rolle spielen müssen. Er hat mir viel Brauchbares in den Weg geführt, aber vielleicht auch manchen recht eclatanten Fall verborgen. Den Hinweis auf mehrere Pflanzen verdanke ich der Liebenswürdigkeit der Herren Professoren DDr. Schwendener und Engler, andere fand ich in Schriften mehr oder weniger gelegentlich angegeben, den grössten Theil jedoch habe ich, indem ich eine Anzahl freiwachsender und Treibhauspflanzen durchmusterte, zusammengesucht. Dabei war es mein Bestreben, aus möglichst vielen Ver- wandtschaftskreisen Vertreter zu erhalten. Immer aber bin ich mir der natur- gemässen Liickenhaftigkeit des Materials bewusst. Bei der Bearbeitung fiel mein Hauptaugenmerk erklärlicher Weise auf die Beschaffenheit und Stärke der Zellwände. Angaben über Plasmavertheilung, Inhaltskörper etc., welche für andere Fragen leichtlich interessant sein können, habe ich durchweg nicht gemacht. Die Methode der Beobachtung war folgende. Nachdem über den Bau der Haare völlige Klarheit erlangt worden, wozu das Studium ihrer Entwickelung unerlässlich ist, wurde die Prüfung an Querschnitten der be- treffenden Organe in verschiedenen Stadien vorgenommen. Flächenansichten vervollständigten jedesmal das Bild, doch habe ich sie nur selten in Text oder Figuren zum Ausdrucke gebracht. Sehr instruetiv war in vielen Fällen die Untersuchung der abfallenden Theile für sich. Ich streifte dieselben mit einem weichen Pinsel sanft ab und glaube so naturgemässer zu Werke ge- gangen zu sein, als es durch Ausreissen eines Haarbiischels mit der Pincette geschehen kann, ein Verfahren, mit dem Schleiden bei Nuphar, wie wir sehen werden, die sonderbarsten Resultate erlangt hat. Verkorkung habe ich í 310 R. Keller pel durch concentrirte Schwefelsäure, sowie durch Chlorzinkjod constatirt, nach- dem ich die Ueberzeugung gewonnen, dass gegeniiber der Combination dieser Reagentien andere, umständlichere bei Epidermiselementen entbehrlich sind. Die Bezeichnungen, welche ich im Folgenden angewandt habe, bedürfen einer Erklärung, da ich sie zum Theil schärfer fassen möchte als frühere Beobachter von Pflanzenhaaren. Seit Weiss!) den Nachweis geliefert hat, „dass alle Haarformen, die einfachsten wie die zusammengesetztesten, aus einer einzigen Oberhautzelle entstehen“, erfordert es die wissenschaftliche Consequenz, zum „Haar“ alles Das zu rechnen, dessen Ursprung sich aus der betreffenden Protodermzelle herleitet. Ich habe dies in allen Fällen gethan, in denen das mikroskopische Bild später noch die genetische Zusammengehörigkeit erkennen liess. Oftmals dagegen erfährt nach Abtrennung des eigentlichen Haarkörpers von einem epidermalen Theile dieser letztere eine weitere Veränderung, macht secundäre Theilungen der Epidermis mit oder erleidet Verschiebungen durch weiteres Wachsthum. In diesen Fällen habe ich das Haar als morphologisch Zusammengehöriges angesehen und von den epidermalen Abschnitten in der Bezeichnung geschieden. Ich zähle die Pflanzen, bei denen dies geschehen ist, auf: Ficus pertusa und australis, Thibaudia acuminata, Begonia incana, sowie alle untersuchten Compositen und Pittosporeen Bei Medinilla und Nuphar er- giebt sich die Bezeichnung aus dem Texte. „Fuss“ ist mir überall der Theil des Haares, welcher unter der Ober- fläche des Organes liegt, „Haarkörper“ derjenige, welcher sich darüber erhebt und „Insertion“ die Grenze zwischen Fuss und Körper. Von „Endzellen“ spreche ich da, wo bei ein- oder mehrreihigen Trichomen bezüglich eine oder mehrere nach Aussen abschliessende Zellen sich durch besondere Gestaltung auszeichnen, von ihnen unterscheide ich die „Basalzellen“, welche, soweit sie die Oberhaut überragen, den „Stiel“ bilden. Durch correcten Gebrauch dieser Benennungen lässt sich das unabweisliche Beschreiben kürzer und klarer gestalten. Von rein anatomischen Gesichtspunkten gewährt es ein mehr als ober- flächliches Interesse und trägt mit zur Geschlossenheit der Anschauung bei, den Abfall einer Emergenz kennen zu lernen, wie ihn Strasburger?) er- 4) lives P:V620. 2) Botanisches Practicum. Jena 1887, S. 103. Haarverlust an Vegetationsorgamen der Gefässpflanzen. (p. 7) 311 wähnt: den des Stachels von Rosa-Arten. An ihm zeigt sich nämlich nach diesem Autor ein dem herbstlichen Blattabwurfe unserer Bäume durchaus analoges Verhalten, unterschieden nur dadurch, dass bei dem Fehlen von Gefässen die Bildung von Wundgummi unterbleibt. Eine abschliessende, in der Höhe der Stengeloberhaut durch phellogene Neubildung entstandene Kork- zellenschicht, „nächst deren Aussenfläche, durch Vermittelung einer Trennungs- schicht, an älteren Stengeltheilen die Ablösung des Stachels erfolgt“, dies ist das Wesentliche der hier beobachteten Einrichtung. 312 Reis eller aps) Specieller Theil. Chrysodium crinitum Mett. Fig. 1. An dieser den Antillen angehörenden Farnspecies finden sich neben kleinen, einzellreihigen, unverzweigten oder dichotomisch gegabelten und in einer Drüsenzelle endigenden Haaren andere, weit stärkere, bis 1 cm lange, schwarz erscheinende Trichome, deren in eine lange Spitze auslaufender Zell- körper dicht über der Insertion zu einer luftgefüllten Blase aufgetrieben ist. Dieselbe, stellenweise mit Auswüchsen, welche obigen Drüsenhaaren gleich gebildet sind, verschmälert sich ziemlich plötzlich zu dem wenigzelligen, in einer Einsenkung der Oberhaut steckenden Fusse hin. Der Abbruch des Haares erfolgt, und zwar nur auf Berührung hin, an.seiner schwächsten Stelle, dicht über dem Fusse, durch Zerreissen des hier befindlichen, vergleichsweise zartwandigen Gewebes. Die Wände des Haarfusses sind unregelmässig ver- diekt, im Gegensatze zu den stark gebräunten des Haarkörpers farblos und werden durch ein dünnes Korkhäutchen, eine Fortsetzung der Cuticula, von dem Gewebe des Blattes oder Blattstieles abgegrenzt. Die angedeuteten kleineren Drüsenhaare sind nicht abfällig. Acrostichum viscosum. Fig. 2. Dasselbe hat flache, gebräunte, auf der Epidermis ausgebreitete Schuppen, deren der Mehrzahl nach spitz auswachsende Randzellen ihnen ein sternformiges Aussehen verleihen und hier und da wohl ein einzelliges Drüsenköpfehen ab- zweigen. Die Schuppe entspringt einem Fusse derselben Beschaffenheit wie bei voriger Pflanze, mit der auch der Abbruchsvorgang übereinstimmend ist. Hier wie dort keine scharfe Grenze, sondern in unregelmiissiger Weise collabirende und der Zerstörung durch Pilze anheimfallende Gewebe- überreste. | | | | | | $ | Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. (p. 9) 313 Lomaria Gibba. Fig. 3. Abweichend von den beschriebenen Haarformen ist die hier auftretende hauptsächlich dadurch, dass keine Einsenkung der Oberhaut vorhanden ist und dass Schuppe und Blattstielgewebe ohne Grenze in einander übergehen. Die subepidermalen Schichten nehmen an der Bildung der Basis insofern Theil, als sie das protodermal entstandene Trichom durch Bildung eines Zellhiigels emporheben. Die eigentliche Schuppe ist flach, einschichtig, zugespitzt, dunkel- braun und starkwandig, die Basis breit, farblos, mit schwachen Membranen. Allmählich macht sich in ungefährer Höhe der Epidermis eine schwache Ver- korkung des Basisgewebes bemerkbar, jedoch ohne phellogenen Charakter, wie bei Rosa, indem Neubildungen unterbleiben. An ihrer Aussenseite, wo dinn- wandige, unverkorkte Zellen dem Abbruche durch mechanische Einwirkung wenig Widerstand entgegensetzen, erfolgt die Loslösung ohne eine activ wirkende Trennungsschicht. Das Rudiment erhält stärkere Verkorkung. Correa Backhousiana Hook. Der Bau der Trichome dieser Correa-Art entspricht ganz dem von Rauter!) für C. virens und C. rufa beschriebenen, und was er über den Ab- fall derselben bemerkt, trifft ebenfalls zu. Auch hier behält die Unterseite ihre Behaarung, die Oberseite verliert sie frühzeitig, auch hier gehen nur die zu einem Büschel gedrängten Endzellen gemeinsam verloren, während der Stiel erhalten bleibt. Ich habe hinzuzufügen, dass der letztere in fast seiner ganzen Ausdehnung verkorkt ist, die Endzellen nur von einer zarten Cuticula umgeben werden, und dass der Abfall ohne mechanischen Einfluss von Aussen erfolgt, nachdem der Inhalt der Endzellen durch Luft ersetzt ist. Elaeagnus umbellata und Elaeagnus angustifolia L. Fig. 4. Die Haare beider Elaeagnus-Species stimmen unter sich genau überein und schliessen sich eng an die der Correen an. Ein verkorkter Stiel trägt ein Biischel von unverkorkten, aber schon frühe stark verdickten Endzellen, 1) a. a. 0. Nova Acta LY. Nr. 5. 40 314 R. Keller. (p. 10) welche an ihren Berührungswänden reichlich von Poren durchsetzt sind. Gegen den Rand der Blätter hin geht diese Büschelform allmählich in eine sternähnliche Schuppenform über, wie sie Rauter!) für die verwandte Shepherdia ferruginea beschreibt: Die nach allen Richtungen strahlenden Endzellen stellen sich mehr in eine der Hautfläche parallele Ebene und bleiben in grösserem Umfange im Zusammenhange mit einander. Die Ablösung des Endbiischels wie bei Correa, der Stiel mit scharfer Grenze erhalten. Quercus Ilex L. Fig. 5a, b. Hier interessiren uns nur die biischelformigen, Ober- wie Unterseite der Blätter und die Blattstiele dicht bedeckenden Haare, deren Bau von den vorhergehenden insofern abweicht, als der nur wenig über die Epidermis er- habene Stiel eine Vertiefung in seiner Mitte besitzt, in welche die Endzellen mit basalen Fortsätzen hineinragen. Die starken Wände der zum Endzell- büschel hin radial convergirenden Basalzellen erweisen sich als verkorkt, die umfangreichen Verdickungsschichten jenes sind unverkorkt. Die Ablösung geht an der Grenzstelle beider glatt vor sich, nur bleiben kleine Zipfelchen zurück, welche der zarten, die Endzellen umgebenden Cuticularlamelle an- gehören. Die Unterseite des Blattes bleibt von dem Haarabfall verschont, auf der zu jener hin umgebogenen Oberseite tritt der Vorgang ein, wenn die matt- farbigen Blätter nahezu die definitive Grösse erlangt. haben, Hand in Hand gehend mit der Erstarkung der Epidermis. Nach erfolgtem Abwurfe wird die Oberseite glänzend und dunkelgrün. Das analoge Verhalten constatirte ich im Grossen und Ganzen bei der nahe verwandten Quercus pubescens Willd., jedoch ohne alle Einzelheiten des Genaueren untersucht zu haben. Vitis Thunbergii Eckl. u. Zey. Fig. 6a, b. Die Form der Haare, und ähnlich die Art des Haarverlustes, fügt sich den zuletzt behandelten insofern an, als auch hier eine mehrzellige Basis FA an Os Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. (p. 11) 315 erscheint, der ein als solcher charakterisirter Endtheil aufsitzt. Hier ist der letztere eine einzige, lang gestreckte, der Oberhaut anliegende, zu ihr hin flachgedrückte und die Ansatzstelle in ihrer Mitte tragende Zelle, die Basis besteht aus zwei Stockwerken von je 4—6 Zellen, welche, entsprechend zum Kreise geordnet, mit ihren Wänden, von oben betrachtet, ein radförmiges Aus- sehen gewinnen. (Siehe Fig. 6b.) Derartige Haare, aus der Protodermzelle durch Abschnürung der Endzelle und nachherige successive Längs- und Quer- theilungen des basalen Abschnittes hervorgegangen, bedecken die jungen Blätter reichlich. Sie beginnen ihre collabirte und luftführende Endzelle erst abzuwerfen, wenn der mittlere Abschnitt des handförmig getheilten Blattes die Durchschnittsgrösse von 31/. em erlangt hat. Im Verlaufe des weiteren Wachsthums der Oberhaut erleidet die Basis, deren Wände, wie theilweise die der Nachbarzellen, cutisirt sind, eine Zerrung, so dass ihr regelmässiger Bau und der Eindruck ihres gemeinsamen Ursprungs verloren geht. Medinilla farinosa hort. Fig. 7a, b. Ein interessantes Vorkommen von Uebergangsformen liegt bei den Haaren von Medinilla farinosa insofern vor, als sie bei derselben Grundform theils mehrreihige, theils einreihige Basis besitzen, und zwar ist dieses Ver- halten verschieden je nach der Stellung auf Ober- oder Unterseite des Blattes. Der Endkörper ist bei beiden gleichmässig, der Fig. 7a entsprechend, aus einem Complex von dünnwandigen, mit porösen Membranen an einander stossen- den Zellen gebildet, die an ihrer Aussenseite sämmtlich zu einem spitzen Schlauche auswachsen, vereinzelt auch wohl auf einreihigem Aste eine drüsige Köpfechenzelle tragen. Gleichartige Drüsenhaare kommen hier und da auf der Unterseite des Blattes selbstständig vor. Die untersten Strahlen jenes, einem Morgenstern nicht unähnlichen Gebildes legen sich der Oberhaut an, die oberen divergiren nach verschiedenen Richtungen des Raumes. Dieser Körper sitzt auf einer Basis, welche blattoberseits einreihig ist und von der eigentlichen Epidermis abgrenzbar, bis zu deren innerster grosszelliger Schicht reicht. Sie besteht aus 4—6 flachen Zellen. Die oberste derselben erscheint von den übrigen durch eine halsartige Verengung abgeschnürt und möchte dem Gesammteindrucke nach zum Endkörper zu rechnen sein. Nur die anderen 40* 316 Re Keeller«»(p.-12) Basalzellen sind mit Ausschluss der innersten Wand. eutinisirt, besonders nimmt die an der Einschnürungsstelle befindliche Wand an Stärke und Ver- korkung zu, rundet sich ab und wird, da hier die Ablösung des Endtheiles erfolgt, zur Aussenwand des Rudiments. Dasselbe hat, von der Fläche ge- sehen, das Aussehen von Fig. 7b. Der Haarfall geht vor sich, wenn das Blatt eine beträchtliche Grösse (von ungefähr 5 cm) erreicht hat; dann lassen sich die Flöckchen mehlartig durch Anblasen oder durch Erschiitterung ab- stäuben. Auf der Unterseite des Blattes ist die Basis meist zwei- oder mehrreihig und ohne jede Einschnürung. Die Haare fallen hier nicht ab. An einer der Medinilla verwandten. amerikanischen Pflanze, der Tococa cinnamomea Hook fil., konnte ich einen nach Zeit und äusserer Erscheinung analogen Haarverlust nur makroskopisch constatiren. Acacia suaveolens W. Fig. 8a, b. Acacia longifolia W. Fig. 8c. Die Phyllodien von Acacia suaveolens, longifolia und verwandten Arten zeigen im Abfall ihrer 'Trichome ein sehr bemerkenswerthes und von dem aller anderen untersuchten Pflanzen unterschiedenes Verhalten. Strasburger!) deutet dasselbe bei der Beschreibung der Anatomie der Phyllodien mit folgen- den Worten (für A. longifolia) an: „Stellenweise ist auch die äussere Pa- lissadenschicht unterbrochen durch ein kleinzelliges Gewebe, dessen Scheide- wände concentrisch um einen an der Epidermis gelegenen Punkt gruppirt sind. Dieser Punkt entspricht der Basis des schon erwähnten abgestorbenen, meist völlig abgeworfenen Haares. Die concentrischen Schichten flacher Zellen haben die Aufgabe, diese abgestorbene Stelle abzuschliessen und sind dem entsprechend verkorkt.“ Ich nahm auch jüngere Phyllodiumstadien zur Unter- suchung und fand ihre Bekleidung aus zwei Haarformen bestehend, welche Fig. 8a veranschaulicht, nämlich erstens einzelligen, angedrückten,, mit Knötchen besetzten Trichomen, welche ihren eingesenkt erscheinenden Fuss frühzeitig verdieken, und zweitens Drüsenhaaren mit vielzelligem Köpfchen Daa 0. 8. 223. Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. (p. 13) 317 und einzelligem, ebenfalls eingelassenen Fusse. Bei beiden Formen ist der eingesenkte Theil mit einer verkorkten Lamelle umkleidet, während eine schwache Cuticula die Aussenfläche des Haares überzieht. Bei den Driisen- haaren sind auch die Scheidewände mit einer Korklamelle versehen, welche an der basalen Scheidewand besonders stark ist. An Phyllodien, welche die Grösse von 6—7 mm’ erlangt haben, treten die ersten Wände des Verschluss- gewebes auf, und zwar zunächst in den unter dem Haare gelegenen, noch kaum gestreckten Palissadenzellen, welche ihr Chlorophyll verlieren, und fast gleichzeitig damit in den benachbarten Epidermiszellen. Bald folgen hier wie dort mehr Wände, concentrisch um die Haarinsertion gruppirt. Sie erweisen sich, wie auch die ersten, gleich nach ihrem Entstehen als verkorkt. Mittler- weile sind die Wände der einzelligen Haare stärker verdickt und die Drüsen- haare zusammengeschrumpft; beide sind an etwas älteren, ca. 2 cm langen Phyllodien mit unbestimmter Grenze, doch so abgeworfen, dass in dem einen Falle die Basalzelle, im anderen der durch Verdickung gefüllte Fuss übrig bleibt. Das Verschlussgewebe gewinnt später an Mächtigkeit, ich habe bis zwölf Schichten gezählt, und reicht an die zweite Palissadenschicht oder die Bastbelege der Gefässbündel. Wo zwei Haare nahe neben einander gestanden, gehen die Verschlussgewebe beider in einander über. Da es auffallend erscheinen muss, eine so umfangreiche Gewebe- Umwandlung und -Neubildung zum Verschluss der Bruchfläche eintreten zu sehen, möchte ich die Beobachtung nicht unerwähnt lassen, dass auch an Stellen, wo kein Haar gesessen hat, ausnahmsweise, vielleicht zur Abwehr lo- caler schädlicher Einwirkungen, ein gleicher Verschlusswall gebildet wird. Es ist dies natürlich nur in frühen Stadien der Fall, in denen die Gewebe noch wenig differeneirt und die Epidermis-Aussenwandungen noch vergleichsweise schwach sind. Mit Sicherheit festgestellt habe ich es an bis 4 mm grossen Phyllodialanlagen, also bevor noch die Haare ihren Verschluss erhalten. Ficus pertusa L. fil. Ficus australis. Fig. 9a, b. Indem ich Ficus-Arten, welche in ihrer Erscheinung der F. elastica nahe stehen, auf den Schwund ihrer Haare untersuchte, drängten sich mir $ a 318 R. Keller. (p. 14) einige Thatsachen auf, welche, von allen sonst gemachten Beobachtungen ab- weichend, unter einander grosse Uebereinstimmung zeigen. Von den beiden vorgefundenen Haarformen, kürzeren einzelligen und längeren, aus einer Reihe gleichgearteter Zellen ‚bestehenden, betrachte ich hier, einer gewissen Ordnung meiner Darstellung gemäss, nur die letzteren, um auf jene dann später zurück- zukommen. Da die Haare zu einer Zeit entstehen, in welcher die Oberhaut noch einschichtig ist und die basale Zelle dann Theil nimmt an den Zeli- theilungen, welche die Epidermis zu einer mehrschichtigen machen, so lässt sich das Haar nicht bis auf das Assimilationsgewebe verfolgen. Vielmehr können wir hier die genetisch den äusseren Schichten der Epidermis gleich- werthige, über das Niveau der letzteren hinausgehende und auch nach Innen weiter reichende Zelle des Haares als unterste betrachten. Dieselbe wird, und das ist das Unerwartete, durch Verengung ihres Lumens in der Höhe der Hautfläche, durch hier eintretende Wandverdickung bis zum Schwinden des Lumens in ein unteres und ein oberes Glied getrennt. Dieses letztere unter- scheidet sich von den anderen Zellen des Haares nur durch etwas stärkere und cutisirte Membran. Die Form der Glieder ist übrigens eine sehr wechselnde, das Verhältniss ihrer Länge zur Breite variirt von 7:1 bis 1:1. In jugendlichem Zustande, noch bei einer Länge der Blätter von etwa 2 cm, fand ich die meisten Glieder der Haare von einem stark lichtbrechen- den Körper erfüllt, den auch zahlreiche Mesophylizellen, sowie mit grosser Regelmässigkeit die Parenchymscheiden der Gefiissbiindelverzweigungen, von den Kpidermiszellen nur die der äusseren Schicht reichlicher, führten. Die Reactionen erwiesen diese Substanz als Gerbsäure. In späteren Stadien sind die. oberen Glieder des Haares mehr oder weniger abgestorben und zusammen- gefallen, ihr Gerbstoffgehalt zum Theil verschwunden. Sie gehen theils durch Abbruch an unbestimmter Stelle, theils durch Desorganisation verloren. Von diesem destructiven Processe, der eingeleitet wird durch die (unechte) Theilung der Haarbasis vermittelst der verschmelzenden cuticularisirten Wand- verdickungen, bleibt der obere Theil der ersteren verschont, den man stets an älteren Blättern als Rudiment vorfindet. Anmerkung. Eine weitere auffallende Erscheinung, deren Fest- stellung ich viel Zeit gewidmet habe, ist die, dass im Verlaufe der Seiten- nerven die Schichten des Assimilationsgewebes durch chlorophyllfreie, dünn- Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. (p. 15) 319 wandige Zellenzüge unterbrochen sind, welche als Verbindungen der Parenchym- scheiden der Bündelverzweigungen mit der Epidermis erscheinen und wohl die directe Leitung des Wassers vom Gefässbündel nach dem Oberhautlager, dem Organ der Wasserspeicherung, besorgen möchten. Eine mechanische Deutung scheint mir nicht angängig, da die Wandungen, selbst im ausgebildeten Zu- stande der Blätter, keine nennenswerthe Stärke besitzen. Fast ausschliesslich diesen farblosen Zellenzügen folgen oberseits die Haare. Später werde ich Anlass haben, diese Erscheinung zu recapituliren. Nuphar luteum Smith. Fig. 10. Nuphar advena Ait. Fig. 11. Nymphaea tuberosa. Die einzigen submersen Pflanzen, welche mir als Objecte meiner Frage begegnet sind, sind die Nymphaeaceen; ich untersuchte von ihnen die drei ge- nannten. Die Stiele und Unterseiten ihrer Blätter zeigen in der Jugend in grosser Zahl die Haare, welche Schleiden!) (für Nuphar luteum) als „in Grübchen befestigt“ beschreibt. Da er deren Ausfall aus dieser Einsenkung mit daranhängenden wurzelartigen Fasern beobachtet zu haben glaubt und dies Verhalten durch einige Figuren erläutert, welche sich mit meinen ander- weit gewonnenen Erfahrungen nicht vereinbaren liessen, nahm ich diese Ver- hältnisse in genaueren Augenschein und kam bald zu sehr abweichenden Re- sultaten. Das Haar, wie es als solches in Erscheinung tritt, wobei ich die auf Fig. 10 mit a bezeichnete Zelle, die als innerer Abschnitt der ursprüng- lichen Protodermzelle genetisch zum Haare zu rechnen sein wiirde, nach ihrer Ausbildung von demselben trennen möchte, besteht aus einer wechselnden Zahl von Gliedern, deren Länge nach der Spitze hin zunimmt. Die beiden untersten flachen Zellen bilden mit der folgenden inhaltreichsten und fast iso- diametrischen den basalen Theil des Trichoms, sie haben in ihren Wandungen ringsum verlaufende Verkorkungsschichten, welche, wie Fig. 11 angiebt, mit 1) Schleiden. Beiträge zur Botanik I. Ueber die Grübchen in der Epidermis einiger Blätter. 320 R: Keller. (p. 16) der Korkhaut der Epidermis in Zusammenhang stehen. Es kann so durch das verschiedene Lichtbrechungsvermögen in den scharf gesonderten verkorkten und cutinfreien Partieen der Membranen bei unzureichender Vergrösserung die Schleiden’sche Vorstellung zu Stande kommen, als sei das Trichom in ein ge- ripptes Grübchen eingepflanzt. Der Abwurf der gestreckteren äusseren Glieder erfolgt durch Abrundung der Zelle 3 und es entsteht eine glatte "rennungsfläche. Manchmal wird bei N. luteum, jedoch niemals bei N. ad- vena, die Aussenzelle des Rudiments noch nachträglich abgestossen, stets bleiben dann aber die beiden ersten flachen Zellen bestehen. Dies Verhalten ist bei Nymphaea tuberosa das regelmässige. Anmerkung. Alle über die Oberhaut hervorragenden Zellen der Haare führen Oeltröpfehen. Dies steht höchst wahrscheinlich mit der Function dieser Haare, der jungen, sonst gegen Pilze oder Wasserthiere wehrlosen Epi- dermis Schutz zu gewähren, in Zusammenhang. Berkleya lanceolata Willd. Fig. 12. Die Blätter der südafrikanischen Composite Berkleya tragen beiderseits einen Filz aus gleichartigen Haaren, welcher auf der convex umgebogenen Oberseite abfällt, unterseits jedoch von Dauer ist. Vom typischen Baue der zur Wasseraufnahme geeigneten bestehen diese Haare aus einer oder wenigen diinnwandigen Basalzellen und aus mehreren langen, sehr dickwandigen End- zellen. Die letzteren hängen mit schiefen Wänden zusammen, sind stark ge- wunden und bilden durch Verschlingung einen dichten Knäuel. Oberseits lösen sich die Endzellen, frühzeitig abgestorben und luftgefüllt, indem sie unter einander verbunden bleiben, von der Basis ab, deren Wandung verkorkt und deren Inhalt lebend ist. Tarchonanthus camphoratus L. Das Blatt zeigt einen eigenartigen, an älteren Exemplaren schon bei unbewaffnetem Auge auffallenden Bau. Die Oberseite ist den netzformig anastomosirenden und im Blattinnern niemals frei endigenden Nerven genau entsprechend mit tiefen Rinnen versehen und erlangt dadurch ein runzelig- gefeldertes Aussehen. Die Unterseite ist an diesen Stellen vorgewölbt. Im Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. (p. 17) 321 Blattquerschnitte entsteht auf diese Weise ein ganz charakteristisches Bild, indem der Schnitt bald die Einschnitte quer getroffen hat, bald ihrem Laufe folgt. Junge, dicht vor der Aufrollung stehende Blätter, die beiderseits weiss- filzig erscheinen, gestatten leicht festzustellen, dass die Haare oberseits nur in den Furchen stehen, wo kein Assimilationsgewebe vorhanden und die sonst sehr diekwandige Epidermis nur schwach ist, unterseits bedecken sie jedoch ausserordentlich dicht die ganze Fläche. Es treten uns nun durch einander gemengt zwei Haarformen entgegen, Drüsenhaare mit zweizelligem Köpfchen und zweireihigem Stiel und einreihige, unverästelte, vielfach durch einander geringelte Filzhaare. Letztere haben den Typus der wasseraufnehmenden Haare, sie entsprechen denen von Berkleya, doch ihre viel plumperen End- zellen haben senkrechte, poröse Scheidewände. Das entfaltete Blatt zeigt bald an den Haaren der Oberseite die Eigenschaft der Abfälligkeit. Ein leichtes Ueberstreichen mit einem weichen Pinsel liess zahlreiche Haarspitzen daran haften, die sich in der Mehrzahl unter dem Mikroskop als die stark verdickten und plötzlich oder allmählich zugespitzten, spiralig gefaserten äussersten Zellen erwiesen, in der Regel scharf an der Scheidewand ab- gebrochen. Oft aber fanden sich auch mehrere der Endzellen gemeinsam abgelöst. Auf einer etwas späteren Stufe waren die Endzellen, soweit sie die Furchen überragten, sämmtlich verloren gegangen, dagegen waren die Wände der Rudimente verdickt und grösstentheils verkorkt, einige der äusseren schwächer geblieben und collabirt. Die etwas eingetrockneten Drüsenhaare bleiben wie die ganze Bekleidung der Unterseite erhalten. Letztere wird allerdings, wie in allen ähnlichen Fällen, durch die Grössenzunahme der Blattfläche beträchtlich lockerer, da nachträgliche Haare nicht entstehen. Begonia incana. Der vielschichtigen Epidermis des Blattes sitzen in grosser Menge zu einem Filz verschlungene Haare auf; ein einreihig mehrzelliger Stiel trägt einen lang gewundenen, fadenförmigen Endtheil, welcher aus zwei neben einander herlaufenden Zellreihen mit meist schrägen Seitenwänden besteht. Seine Wandungen sind nicht verdickt, und sein wässeriger Inhalt geht nicht verloren, bevor er sich von der Basis ablöst; dieselbe persistirt mit ver- Nova Acta LV. Nr.5. 41 322 Is Ih el ats {Cagle} korkten, aber schwachen, und darum meistentheils eingefallenen Wänden. Dazwischen stehen zerstreut bleibende Drüsenhaare. Platanus orientalis L. Fig. 14a, be Die schon in kleinen Winterknospen sehr ausgebildeten Haare haben eine beträchtliche Grösse und sind zum Theil verzweigt. Die 1—2 unteren Zellen sind Anfangs dünnwandig und nicht oder wenig länger als breit, die äusseren Zellen, in verschiedener Anzahl vorhanden, sind sehr in die Länge gestreckt und haben dicke, verholzte Wände; nur an den Scheidewänden be- finden sich durchgehends diinnere Stellen, oft porenartig. Kärner!) sagt von diesen Haaren: „Nobbe u. A. haben bereits darauf aufmerksam gemacht, dass die an den ‚Blättern und jungen Stengeln von Platanus orientalis sich findenden 0,25—0,83 mm langen geästelten Haare häufig Augenentzündungen hervorrufen, indem sie in den Augen sich festsetzen, wobei ihre Verästelungen als Widerhaken wirken.“ Die Ablösung des Haares mit Zurücklassung einer der Oberhaut aufsitzenden Zelle als Rudiment konnte ich an einigen Präparaten in auf einander folgenden Zuständen sehr schön verfolgen. Die hier zusammen- stossenden Wände rundeten sich gegen einander ab, wobei die Cuticula ge- dehnt wurde, bis sie riss, und sowohl am bleibenden als am sich ablösenden Theile ein zipfelförmig erscheinender Fetzen übrig blieb. Ob die Abrundung durch den Turgor der Zellen, ob durch Wachsthum der Membranen verursacht worden, dafür liess sich aus dem Bilde kein Anhalt gewinnen. Die ab- fallenden Zellen haben noch ihren wässerigen Inhalt und- Plasmaschlauch. Fig. g. 14c soll die Ansicht nach erfolgter Ablösung veranschaulichen. Marsilea elata A. Br. Fig. 13. Die Blattstiel und beide Blattseiten von Marsilea elata bedeckenden Haare haben eine beträchtliche Grösse und bestehen aus einer Basis von zwei Zellen und einem den Leitbiindeln parallel gerichteten, eine Reihe von drei bis mehreren Zellen repräsentirenden Endkörper. Die unterste epidermale 112°. pag. T202 Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. (p. 19) 323 Basalzelle ist durch den Druck der Nachbarzellen seitlich eingeschnürt, sie führt reichen körnigen Inhalt und Chlorophyll. Auch die Basalzelle 2 ist inhaltreich und grenzt sich mit schwacher vorgewölbter Aussenwand vom Endkörper ab, und zwar nur undeutlich. . Deutlicher jedoch wird diese Ab- grenzung durch Safranin, Chlorzinkjod und andere Reagentien. Der End- körper, dessen erste Zelle blasig aufgetrieben und zur unteren Seite des Organes hin in eine Spitze ausgewachsen ist, zeigt wellig gebogene Wandung, die an der inneren Seite verstärkt, übrigens nicht gerade bedeutend verdickt, an der Anheftungsstelle sogar sehr schwach ist. Plasmaschlauch und wässeriger Inhalt schwinden nicht. Die Verkorkung erstreckt sich, abgesehen von dem zarten Cuticula-Ueberzug, welcher sich in die Anheftungswand als dünnes Korkhäutchen fortsetzt, nur auf die Basalzelle 1. Die Ablösung erfolgt hier durch eine Trennung des Endkörpers von der Basis, jedoch, wie mir scheint, nur in Folge äusserer Einwirkung. Ein sehr leichter Strich mit weichem Pinsel genügt, um viele der Endtheile abzustreifen, die sich dann sehr gut untersuchen lassen. Anmerkung. Das merkwürdige Bild, welches die Querwände des Endkörpers in der Profilansicht darbieten, rührt davon her, dass sie in der Mitte eben, ringsherum aber gewellt sind, so dass ihre Ansatzlinie an den Seitenwänden mäandrinisch gebogen ist. Bei der Einstellung auf den optischen Durchschnitt verursachen die Wellenlinien der höheren’ und tieferen Einstellung den Anschein, als sei die Wand durchbrochen. Bakhusia myrtifolia. Fig. 15 a, bo Mit dieser beginne ich eine Reihe von australischen Myrthengewächsen, deren Haare übereinstimmend durch charakteristische Merkmale gekennzeichnet sind und in ihrer Abwurfsweise unter einander mehr als Aehnlichkeit zeigen. Das Haar von Bakhusia erscheint in frühen Entwickelungsstadien als eine zum Schlauche ausgewachsene Protodermzelle, welche durch eine oberhalb der Oberhaut entstehende Scheidewand in eine Basal- und eine Endzelle ge- theilt wird. Diese zweizellige Natur behält das Haar fernerhin. Während nun die Endzelle bald beträchtliche Celluloseschichten ansetzt, nimmt die 41* í 324 RK REIRE Basalzellwand nur wenig an Stärke zu, zeigt aber frühzeitig eine ringsum verlaufende Verkorkung und wölbt sich gegen die Endzelle vor, ja wächst sogar stellenweise sehr weit in deren verengtes Lumen hinein (Fig. 15b). Ist dann die Endzelle fast bis zum Schwunde des Lumens verdickt, so sehen wir, dass auch eine bedeutende Zunahme der Wandung in der basalen Zelle, verbunden mit Verkorkung, eingetreten ist. In diesem Zustande löst sich — der Moment ist in Fig. 15c dargestellt — die Endzelle kappenförmig ab, wobei ihre Cuticula an der Stelle reisst, an welcher die Wandverdickung am schwächsten ist. Die durch verschiedene Lichtbrechung scharf markirte Grenze zwischen verkorkten und reinen Cellulosepartieen ruft bei dem Fusse des Haares den Eindruck eines „Eingesenktseins“ hervor. Rhodamnia trinervia. Fig. 16a, b, c. Der bei voriger Pflanze ausgesprochene Myrtaceenbau ist in den wesentlichen Zügen hier wiederzufinden. Wir haben an den durch zahlreiche Oelbehälter und grossen Gerbstoffreichthum ausgezeichneten jungen Blättern eine frühzeitige Trennung des Haares in Basal- und Endzelle, eine baldige Verdickung der letzteren und ein Hineinstülpen der ersteren, welche in ihrem ganzen Umfange mehr oder weniger stark verkorkt ist, wir sehen endlich die Endzelle schnell bis zum annähernden Schwinden des Lumens durch Celluloseschichten verstärkt. Nun ist aber eine Verschiedenheit im Verhalten der Basalzelle zu constatiren. Niemals verdickt sich ihr der Endzelle zu- gekehrter Theil, sondern bleibt hier auffallend schwach; ihre Seitenwände dagegen und ihre Basis erfahren eine die Epidermis bedeutend überholende Cuticularverstärkung. Diese springt gleich den Cutieularschichten der Ober- hautzellen (auf dem Querschnitte) zäpfchenförmig an der Stelle vor, wo die Seitenwandungen der darunter liegenden Zellen ansetzen, welche die collen- chymatischen Belege der Nerven darstellen. Denn nur im Verlaufe dieser finden sich die Haare, Der Verlust der Endzelle geht auf dieselbe Weise vor sich, wie bei Bakhusia. Zu bemerken ist das fast constante Vorkommen eines braungelben Inhalts in der Basalzelle, vermuthlich aus Zersetzungsproducten des Plasma bestehend. Dass in diesem und ähnlichen Fällen der Inhaltsbestandtheil zur Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. (p. 21) 325 Erhöhung der Festigkeit gegen das Zerdriicktwerden diene, dem die ver- hältnissmässig dünnwandige Zelle sonst leicht ausgesetzt wäre, dürfte eine gewisse Wahrscheinlichkeit haben. Calothamnus clavatus. Fig. 18. Diese neuholländische Pflanze zeigt auf ihren fast drehrunden, sehr r starren Blättern kräftige Trichome von typischem Bau. Die Basalzelle mit sehr starken Seitenwandungen ist fast in ihrer ganzen Ausdehnung verkorkt und von einem bräunlichen Körper erfüllt. Ihrer mehr oder weniger vor- gewolbten Aussenwand sitzt eine lange Endzelle auf, dicht über der Insertions- stelle umgebogen und mit überaus starker Celluloseverdickung ihrer Wand versehen. Der Abfall erfolgt, wie bei den vorhergehenden Formen, durch Ablösung der schon lange vorher deutlich abgegrenzten Wände, doch ist auffallend, wie spät dies hier eintritt. Die Blätter des jüngsten Sprosses erscheinen noch alle behaart, und von der vorhergehenden Wachsthumsperiode sind auch nur die ältesten wirklich ganz kahl. Ist die Endzelle abgeworfen, so können nachträgliche Wachsthumserscheinungen den Eindruck der Hervor- wölbung verwischen. Agonis flexuosa Schauer. Die Behaarung hat grosse Aehnlichkeit mit der zuletzt beschriebenen. Die Mitte der Scheidewand wächst meist weit in das Lumen der Endzelle hinein und verdickt sich in diesem Theile fast gänzlich. Der Abwurf- vorgang bietet nichts Neues, Melaleuca squamea Labill. Fig. 17a, b. Das Anliegen der Haare wird bei den besprochenen Calothamnus und Agonis durch Umbiegen der Endzelle oberhalb ihrer Anheftungsstelle bewirkt. Anders bei M. squamea. Hier zeigt ein Schnitt, welcher die Profilansicht des ganzen, zur Spitze des Blattes hin gerichteten Haares gestattet, dass hauptsächlich durch schiefe Stellung der auffallend kleinen Basalzelle und tiefere Lage des oberhalb befindlichen Oberhautabschnittes. die angedrückte Stellung hervorgerufen wird. Die Krümmung der Endzelle ist nur sehr gering, stellenweise gar nicht vorhanden. Die Seitenwandungen sind auch 326 H Keller. (p. 22) hier die am stärksten verdickten. Sehr lange Cutieularfortsätze ragen von den Epidermisaussenwänden und der Haarbasis in die zu ihnen senkrecht gestellten Wände. Sonst wie vorige. Anmerkung. Das Blatt kann man als Uebergangsform zwischen den bifacialen und den centrisch gebauten (nach der Definition von De Bary) an- sehen. Das Palissadengewebe besitzt ein eigenthümliches Durchlüftungssystem, dem der Restiaceen sehr ähnlich. Die Zellen berühren sich nur in kreis- förmigen Stellen, die in ihrer Mitte einen Porus zeigen. Das chlorophyll- ärmere innere Blattgewebe hat unregelmässig rundliche Berührungsflächen mit mehreren Tüpfeln. Callistemon rigidus R. Br. Figad 9. Der vorangehenden Melaleuca im anatomischen Bau der Blätter nahe stehend zeigt Callistemon auch in den hier speciell interessirenden Erschei- nungen grosse Verwandtschaft mit ihr. Die Basalzelle ragt mit ihrem oberen Theile, der auch hier abgeschrägt ist, etwas über die Oberhaut hervor, ihre Aussenwand wölbt ihre Mitte zu einem sich verdickenden Hügel vor, wie aus der Fig. 19 ersichtlich. An älteren Blättern ist meist durch stärkeres Wachsthum der Nachbarzellen das Haarrudiment etwas nach Aussen gedrängt worden. Metrosideros tomentosa. Fig. 20a, b. Ober- und Unterseite des Blattes sind als Licht- und Schattenseite hier verschieden, und dem entspricht es, dass eine Verschiedenheit der Behaarungsverhältnisse vorhanden ist. Die Haare sind zwar beiderseits fast gleich gebaut, jedoch verlieren sie sich nur oberseits. Und dieser Verlust ist, wie ich zeigen werde, ein wesentlich anderer, wie an den übrigen austra- lischen Myrtaceen, die ich in Untersuchung genommen. Die Haare haben das Aussehen der Fig. 20a, und es muss Jedem auffallen, wie weit die untere Zelle in die obere hineinragt. Die hier ausgetriebene Wand erhält auch späterhin keine Verdickungen, die basale dagegen wird — Fig. 20b möge dies veranschaulichen —, den recht bedeutenden Aussenwandungen der Epidermis gleich, durch Cuticularschichten verstärkt, welche in die hypo- Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. (p. 23) 321 dermalen Zellwände Fortsätze aussenden. Schon der Anblick dieser Basal- zelle muss es sehr unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass sie, analog den voraufgehenden Myrtaceen, ganz erhalten bliebe. In der That ist dies auch nicht der Fall, vielmehr tritt hier, mehr oder weniger dicht über der Epidermis, ein Bruch durch beiderlei Wandungen gemeinsam ein. Für die Stelle des Bruches giebt das mikroskopische Bild vorher nicht den geringsten Anhaltspunkt. Cytisus ramosissimus Poir. Fig. 24a, he Eine ganz ähnliche Gruppe verwandter Arten mit verwandten Er- scheinungen der Behaarung und Enthaarung, wie die, australischen Myrtaceen, fand ich in den untersuchten Papilionaceen. Sie alle haben gleiche, ganz bestimmte Eigenthümlichkeiten, ob sie nun, wie C. ramosissimus, die Cana- rischen Inseln, oder, wie @. paniculata, Nordafrika, oder endlich, wie Kennedya, Brachysema, Clianthus, Oxylobium und die Chorizemen Neuholland zur Heimath haben. Mit dem Cytisus möchte ich ihre Besprechung eröffnen, da mir sein Verhalten typisch zu sein scheint. Wie. bei den folgenden finden sich hier Haare an jungen Stamm- und Blatttheilen reichlich vor, bei jenen angedrückt, bei letzteren abstehend, im Uebrigen aber von analogem Bau. Während wir sahen, dass bei Bakhusia und Verwandten die Ursprungszelle des Haares eine einmalige Theilung in Basal- und Endstück erfährt, beob- achten wir hier eine zweite (parallele) Theilungswand der Basis, welche ebenfalls höher liegt, als das Niveau der Oberhaut. Die Basalzelle 1 wird im Verlaufe des Wachsthums den übrigen Epidermiszellen gleich gestaltet, von denen sie nur mehr durch ihr grösseres Volumen differirt, Basalzelle 2 erscheint späterhin als Stielzelle des Haares. Der lang ausgezogene End- und Haupttheil erleidet eine Verdickung, die schnell zu beträchtlicher Stärke anwächst, und zwar, wie aus Fig. 24b ersichtlich, in ungleichmässiger Weise. Verkorkt ist schon frühzeitig die Stielzelle und die Wandtheile, welche sie mit der Verkorkung der Nachbarzellen verbinden. Die eigentliche Cuticula ist von den Cuticularschichten deutlich unterscheidbar; an der Grenze von Stiel und Endzelle fand ich die äusserste Lamelle der Verkorkung ebenfalls von den übrigen abgegrenzt und mit der Cuticula in seitlichem Zusammen- 328 R. Keller. (p. 24) hange, was ich in Fig. 24b anzudeuten versucht habe. Richtig ist auf dieser Zeichnung auch die durch Reagentien nachgewiesene Knötchenbildung durch das Korkhäutchen der Endzelle, was, nach De Bary, selten sein soll. Wenn die Epidermis eine bedeutende Stärke erlangt hat, lösen sich die Endtheile der Haare, deren Lumen in der Verdickung oft nur schwer aufzufinden ist, von der Basis ab, an dieser nur Zipfelchen der Cuticula zurücklassend. Es entsteht dann, da die Höhe der Basalzelle 1 mit der ihrer Nachbarzellen durch Wachsthumsvorgänge ausgeglichen wird, das Bild der Fig. 24e, welches vom Blatte hergenommen ist. Die Stammorgane zeigen eine weit mächtigere Ausbildung der Cutieularschichten, verhalten sich aber sonst ebenso. Genista paniculata R. Br. et Asch. Fig. 21. Differirt von der vorangehenden nur wenig. In frühen Entwickelungs- stadien habe ich den Fortschritt der Verkorkung studirt und Folgendes gefunden. Sehr bald nach Anlage der beiden Scheidewände des Haares erscheinen sie und die Seitenwände der Basis cutisirt. Die letzteren nehmen rasch an Dicke zu und die Verkorkung schreitet in demselben Verhältniss fort. Die innere, stets unverkorkte Lamelle der Wandung ist hier wie in vielen nahe stehenden Fällen nur ausserordentlich schwach und schwer sichtbar. Die Scheidewandungen, durch welche der Stoff- und Säfteaustausch stattfindet, participiren nicht in gleicher Weise an der Verstärkung, vielmehr sind sie, so lange die Endzelle noch bemerkenswerthe Schichtenzunahme erfährt, in ihrem mittleren Theile dünn. Erst nachdem das Lumen jener bis zum an- nähernden Schwunde verengt worden ist, kommt auch diesen Wänden eine bemerkenswerthe Verstärkung durch Cuticularschichten zu. Besonders die Aussenwand der Basis wird beträchtlich und, wie bei Cytisus, macht sich an ihr eine äusserste Lamelle besonders geltend. Sie tritt bei der Einwirkung von Chlorzinkjod besonders scharf hervor. Chorizema cordatum Lindl. Chorizema Chantleri. Fig. 25 c. Im engen Anschluss an die vorbehandelten Formen möchte ich die beiden australischen Chorizemen erwähnen. Frühzeitig ist die Verkorkung der Haar- Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. (p. 25) 329 basis stärker als die der Oberhautaussenwandungen, und dieses Verhältniss bleibt auch später bestehen. Bei Ch. cordatum sah ich die Anheftungsstelle der Endzellwand von Poren durchsetzt (Fig. 25 c), später jedoch habe ich die- selben nicht mehr auffinden können. Die Haare beschränken sich auf die über den starken Basthelegen der Gefässbündel: befindlichen Stellen der Ober- haut, vgl. Tarchonanthus, Ficus, sowie folgende Pflanze. Brachysema undulatum. Fig. 25a, bh Auch die Blätter von Brachysema zeigen die Stellen der Oberhaut, welche über assimilirenden Zellen liegen, von Haaren frei, während die Nervatur reichlich von ihnen begleitet wird. Die Endzellen sind angedrückt und, wie ihre Lumina, abgeflacht, besitzen nicht, wie bei den Vorigen, Knötchenbildungen, grenzen sich aber, wie dort, deutlich von der Basis ab. An letzterer ist es mir nicht gelungen, eine äussere, unterschiedliche Korklamelle aufzufinden, wie sie bei Cytisus so schön sichtbar war. Basalzelle 2, welche am ausgebildeten Haare dem Stiele entspricht, hat eine schiefe Form und steht an Ausbildung ihrer Verdickung hinter der Fusszelle zurück. Die Ablösung, in Fig. 25 b zum Ausdruck gebracht, bietet nichts Neues. Oxylobium retusum R. Br. Die einzige Abweichung von der letztbesprochenen ist folgende. An jungen Haaren lässt die Wand der Endzelle an der Insertionsstelle zahlreiche Poren erkennen. Auch an älteren, bereits abgestreiften Haaren treten sie noch, wenn auch weniger scharf, hervor. i Clianthus australis. Fig. 23a, b. Was ich schon bei Brachysema bemerkte, dass nämlich die Hauptver- stärkung der Basalzelle 1 zu Theil wird, kommt bei Clianthus in stärkerer Weise- zur Erscheinung. Zelle 2 ist und bleibt relativ schwach, ja, nach dem Abwurfe der Endzelle fällt auch sie manchmal dem nachträglichen Untergange anheim, so dass von dem einstigen Haare nur noch eine Zelle mit fast tiber- triebener Verdickung ausdauert. Die Endzellen der Zweige und Blätter sind Nova Acta LY. Nr. 5. 42 330 R. Keller. (p. 26) meist senkrecht zur Hauptfläche orientirt, doch kommen an letzteren neben vielen Uebergangsformen auch anliegende vor. Stets sind sie zur Spitze hin mit Höckern besetzt. Kennedya oblongata. Fig. 22. Als letzte der untersuchten Papilionaceen erwähne ich Kennedya. Hatten wir bei Voriger bisweilen eine Variation des regelmässigen Verhaltens inso- fern, als die schwächere Stielzelle. untergehen kann, tritt uns hier als Aus- nahmefall eine Abänderung in einem gegensätzlichen Sinne entgegen. Die typische Zweizahl der Basis ist nicht selten überschritten, und sie besteht dann aus drei Zellen, deren innere Scheidewände auffallend schwach bleiben. Die Basis ragt innen weit hervor und ihre äusserste Zelle ist durchgehends mit bräunlichem Inhalt dicht erfüllt (vgl. Rhodamnia). ,,Grenzlamelle“ ist, wie bei Cytisus, vorhanden. Die Endzellen sind stets abstehend, starr, mit Knötchen besetzt, Spitze verkieselt. Die Ansatzstelle bleibt unverdickt. Leucadendron tortum R. Br. Leucadendron corymbosum Berg. Fig. 26a, b. Vieles Uebereinstimmende lässt sich zwischen den untersuchten Protea- ceen, zwei Arten von Leucadendron und zwei von Hakea, erstere vom Cap, letztere australischer Herkunft, nicht verkennen. Die Leucadendren schliessen sich den Papilionaceen recht gut an. Bei Bau und Entwickelung der.Haare kehren alle Grundzüge wieder, welche wir dort kennen gelernt haben. Zwei Basalzellen, von denen die unterste erst im Verlaufe des Wachsthums in ihrer Höhe mit den Nachbarzellen ausgeglichen wird, und welche denselben Umfang der Verkorkung zeigen, eine gerade ab- stehende Endzelle, durch Uelluloseschichten früh so stark verdickt, dass ihr Lumen nur noch als ein dünnes Fädchen erscheint, alle diese Züge sind hier wie dort wesentlich. Ja selbst die Grenzlamelle, wie ich sie nennen möchte, tritt bei beiden Leucadendren, hauptsächlich nach Anwendung von Chlorzink- jodlösung oder Anilinfarben, stark hervor. Kigenthümlich sind hier zwei Merkmale: die Basalzelle der Epidermis hat eine ungewöhnliche Grösse und Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. (p. 27) 331 die Verkorkung der Stielzelle lässt regelmässig eine innere, verschiedene Schicht erkennen. Dem letzteren Momente habe ich meine Aufmerksamkeit zugewandt und habe festgestellt, dass diese innere Zone verholzt ist. Der Vorgang des Abwurfes, spielt sich ganz im Sinne der bisher gemachten Er- fahrungen ab. Hakea rosmarinifolia. Hakea suaveolens R. Br. Fiese de Die anliegenden Spindelhaare der Hakea-Arten bestehen aus drei Zellen, welche sich im ausgewachsenen Zustande als Fuss-, Stiel- und Endzelle dar- stellen. Die erste, Anfangs über die Oberhautzellen hervorragend, bleibt im Wachsthum derart zurück, dass sie später unter dem Niveau derselben liegt, sie hat, jenen analog, eine stark verkorkte Aussenwandung. Dieser sitzt die Stielzelle an, welche ebenfalls verkorkt ist, aber dünnwandiger bleibt. Sie ist in der Richtung des langgestreckten Assimilationsorganes seitlich zusammen- gedrückt und verbreitert sich in dieser Richtung bei H. rosmarinifolia weit bè- deutender als bei der swaveolens, da, wo sie an die Endzelle stösst. Diese ist in ihrer Mitte angeheftet, parallel der Hautoberfläche abgeplattet und an der ihr zugewandten Seite stärker von Celluloseschichten verdickt als an der äusseren; beides, Abplattung und Dickenunterschied, ist bei H. rosmarinifolia weniger augenfällig. Beim Abwurf löst sich die Endzelle mit glatter Grenze vom Stiele ab, der an älteren Blättern Luft führt. Ich brauche nur kurz darauf hinzuweisen, dass dieser Hakea-T'ypus, so verschieden immerhin sein erster Eindruck von dem der Leucadendren ist, doch mit diesem wesentlich übereinstimmt. Arctostaphylos officinalis Wimm. Die Behaarung ist auf die Randregion der jungen Blätter beschränkt. Die Haare bestehen der Mehrzahl nach aus einer sehr schmalen, die Ober- haut weit überragenden Basal- und einer deren Fortsetzung bildenden langen Endzelle. Die Basis nimmt im oberen Theile an der umfangreichen Ver- korkung der Oberhautaussenwände Theil, eine zarte Cuticula zieht sich auch hier über die starken Celluloseschichten der Endzelle mit ihren zahlreichen Höckern hin. Ab und zu wird der Bau der Haare dem bei Ckanthus er- 42* 332 R. Keller. (p. 28) kannten ähnlich, indem :eine zweite, aber bedeutend dünnwandigere Basalzelle zur Entwickelung gelangt. Auch hier löst sich die Endzelle von der Basis ab; es bleiben nur Zipfel der Cuticula zurück. Nachher sieht man, dass die anfängliche Hervorragung des Rudimentes durch nivellirende Wachsthums- erscheinungen geschwunden ist. Relhania trinervia. Fig. 30a, b. Diese und die beiden folgenden Compositen haben als gemeinsames Merkmal, welches auch den oben besprochenen Vertretern dieser Familie zu- kommt, dass ihre Haare der Oberhaut aufgesetzt erscheinen. Denn bald nach der Theilung der Haarmutterzelle verliert der untere Abschnitt jede Beziehung zu dem Trichome. E Die hier behandelten und folgenden Haare stimmen noch darin über- ein, dass ihre Basis von wechselnder Zellenzahl ist und eine einzige Endzelle als solche deutlich ausgeprägt zu Tage tritt. Im Uebrigen weisen beide Theile augenfällige Unterschiede auf. Die Haare von Relhania haben lang-conische Form. Ihre Basis ist 2—3zellig. Die Verkorkung, von den nicht verkorkten Membranpartieen auch ohne Einwirkung von Reagentien durch die verschiedene Lichtbrechung scharf gesondert, zieht sich von den Oberhautzellen auf die Seiten- und Aussentheile der Basis herüber, frühzeitig in schneller Zunahme begriffen. Die obere Scheidewand innerhalb der Basis erfährt eine vom Rande zur Mitte fortschreitende Cutisirung, wo sie jedoch nicht immer zum vollständigen Schlusse gelangt. Die Endzelle ist nur an ihrer Sohle unverdickt, corre- spondirend mit einer dünneren Stelle in der Basiswand. Ihre Ablösung geht glatt vor sich. Brachyglottis repanda Forst. Fig. 29a, b. Der dichte Filz, welcher beide Seiten jüngerer Blätter überzieht, besteht aus gleichförmigen, jedoch verschieden hohen Haaren von der Form der Fig. 29a. Die 1—6 Basalzellen dünnwandig, inhaltreich, Endzelle stark verdickt, abgestorben und lufterfüllt, so stellt es sich dem Beschauer an einem etwa Di: em langen Blatte dar und verräth sofort den typischen Bau der Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. (p. 29) 333 Wasser aufnehmenden Haare. Etwas ältere Blätter beginnen oberseits kahl zu werden. Die zweispitzigen Endzellen, welche sich mit ihren langen, mannigfach gewundenen, oft wurmförmigen Schenkeln dicht verflechten, lösen sich, in grösserer Zahl verbunden bleibend, von den verkorkten Basen ab. An diesen erhält sich meist nur die untere Zelle in collabirtem Zustande. Unter ihrem Ansatz auf der zugehörigen Oberhautzelle bekommt diese eine wulstige Verstärkung (Fig. 29b), welche an haarlosen Oberhautzellen nur ver- einzelt auftritt. Ich halte sie für verkieselt, wie es in ähnlicher Weise durch von Mohl!) bei mehreren Compositen beschrieben worden. Die Blattunterseite zeigt dieselben Wiilste unter den Haaren. Abwurf findet hier nicht statt. Eurybia lyrata. Fig. 31a, b. Hier ist die Endzelle von ganz anderer Form wie vorhin. Sie wächst nach verschiedenen Richtungen zu Spitzen aus und erscheint dadurch stern- förmig, ihre Verdickung ist unbeträchtlich. Die Basis, 2—4zellig, bleibt ganz erhalten, wenn die lufterfüllte Endzelle abfällt. Das geschieht nur auf der Innenseite der Blätter; die Unterseite, welche ihr unentwirrbares Haargeflecht behält, hat, wie bei voriger, eine nur schwache Epidermis, und weit hervor- stehende Spaltöffnungen. Pittosporum crassifolium Sol. Pittosporum Ralphii. Fig. 28a, b. Beide nahezu völlig übereinstimmend. Die T-formigen Haare besitzen die grösste Aehnlichkeit mit denen von Brachyglottis, wenn auch ihre End- zellen nicht so lang und gewunden sind. Basis 2—4 zellig, verkorkt. Zwei- spitzige Endzelle stark verdickt, mittelst einer stielföormigen Ausstülpung befestigt, an der Anheftungsstelle diinnwandig. Sie fällt durch glatte Trennung ab. Die Basis wird im unteren Theile verstärkt, ihre oberen Zellen sind oft zusammengefallen. Auch bei .den Pittosporen wird nur die Lichtseite vom Haarverluste betroffen. 1) Botanische Zeitung 1861, p. 229. 334 R. Keller. (p.80) Callicoma serratifolia Andr. Fig. 35a, -b. Der junge Spross verdankt seinen. röthlich braunen Schimmer der Wandfärbung zahlreicher einzelliger Haare von ziemlicher Grösse. Dieselben sind, unter sich nahezu parallel, dicht über der Oberhaut umgebogen und mit vielen kleinen Knötchen überstreut. Ihr Fuss zeigt jene Wand von Poren durchsetzt. Er ist: von einer Korkhaut in der Stärke der epidermalen Cuticula umgeben, was den Eindruck hervorbringt, als sei das Haar in die Oberhaut „eingelassen“. Der Hauptkörper des Haares ist fast cylindrisch, die beträchtliche Verdickung in der lang ausgezogenen Spitze stärker, übrigens nahezu gleichmässig. rst an älteren Blättern und nur oberseits findet der Haarverlust statt, nachdem die Korkschichten der Epidermis und des Haar- fusses bedeutend stärker geworden sind. Es brieht dann, unmittelbar über der Insertion, also in der Höhe der Oberhaut, die Wandung des Haares durch, ohne dass vorher ein anatomisches Merkmal diese Stelle bezeichnete. Unterseits wird die bleibende Behaarung, ausser von den beschriebenen, noch von einer grossen Zahl kleinerer, lockig gedrehter und zu einem Filze ver- flochtener einzelliger Haare gebildet, die Jufterfüllt sind und an älteren Blättern die weissliche Färbung der Unterseite verursachen. Fagus silvatica L. Fig. 36. Figur 36 thut die grosse Uebereinstimmung der Haare auf den Blatt- nerven von Fagus mit den vorher beschriebenen dar. Die Unterschiede sind eigentlich nur quantitative, wenn man von der recht unwesentlichen Thatsache absieht, dass hier die Poren des Fusses und die Knötchen des Haarkörpers fehlen. Die Verdickungszunahme gegen die Spitze hin ist noch ausgeprägter wie dort, das ganze Haar gestreckter. Der Abbruch erfolgt in gleicher Weise, auch hier nur blattoberseits. Juglans regia L. Neben bleibenden Driisenhaaren besitzen die Blätter auf den Nerven einzellige conische Haare, welche selten einzeln, meist zu Biischeln von 3—5 vereinigt sind und an ihren Berührungsstellen Poren in der Wand zeigen. Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. (p. 31) 335 Die Wandverdickung ist nach der Spitze zu eine unverhältnissmässig starke; hier treten Schichten verschiedener Lichtbrechung lang ausgekeilt hervor. Das Biischel erscheint eingelassen, denn sein Fuss ist von einer Cuticula umzogen ; es bricht, nachdem diese eine starke Dickenzunahme erfahren hat, in der Höhe der Epidermis, analog den Vorigen, ab. Thibaudia acuminata D. C. In der äusseren Zelllage der zweischichtigen Epidermis liegt oberseits der innen verschmälerte Fuss des einzelligen, fast parallelwandigen Haares. Die Insertionsstelle ist nicht unmerklich verdickt und zum grössten Theil ver- korkt. Die Verkorkung zieht sich erst später über den ganzen Fuss hinab, und wenn sie ihren Schluss erreicht hat, beobachten wir die ziemlich häufige Erscheinung, dass in Folge von Wachsthumsverschiebungen das Haar etwas nach Aussen gerückt ist. Es bricht unmittelbar über seiner Insertion ab. Die Blattunterseite trägt spärliche Drüsenhaare, verliert sie aber nicht. Banisteria chrysophylla. Aeltere Blätter dieser Malpighiacee gleichen denen von Chrysophyllum auch insofern, als ihre Oberseite kahl, ihre Unterseite dagegen durch ihre Behaarung goldig glänzend erscheint. Während aber Chrysophyllum von An- fang an nur hier Haare ausbildet, auf der Innenseite dagegen nicht, ist die letztere bei Banisteria durch Haarverlust kahl geworden. Die Haare gleichen ihrer Form nach denen von Hakea, sie sind, wie diese, zweispitzig, T-förmig. Bei mikroskopischer Betrachtung jedoch erweisen sie sich als von grund- verschiedenem anatomischen Bau. Jene bestanden, wie wir sahen, aus drei Zellen, deren Lage sie als Fuss, Stiel und Querbalken charakterisirte; hier r ist und bleibt das ganze Trichom einzellig. Durch Membranverkieselung ist es starr, jedoch nur an der Stelle der Insertion wesentlich verdickt. Diese Beschaffenheit mit gleichzeitiger Verkorkung nimmt zur Sohle hin allmählich zu, und bei einem Blatte von einigen Centimetern Grösse ist bereits der ganze Fuss, der, wie bei voriger Pflanze, nach Aussen gedrängt erscheint, durch eine starke Cuticularschicht von der Epidermis abgeschlossen. Dicht über dem Fusse lässt die bräunliche Wand eine Finschnürung resp. Ver- dünnung erkennen, und hier erfolgt der Abbruch des Haares, n. b. nur 336 R. Keller. (p. 32) oberseits. Der verdickte Fuss bleibt zurück und ist besonders auf Flächen- schnitten der Epidermis leicht auffindbar, da die sonst gewellten Wände der Oberhautzellen um das knotenförmige Haarrudiment gerade und radial an- geordnet sind. Banisteria fulgens. Die Haare schliessen sich den letztbeschriebenen aufs Engste an. Der Fuss ist sehr schmal und schon frühzeitig ganz von der Verkorkung erfasst. Höckerbildungen, welche bei jener hie und da auftreten, sind hier durch- gehends vorhanden. Alles Uebrige wie dort. Ganz ähnliche Haare, nur in mächtigerem Maassstabe und mit stets glatter Aussenseite, sind die bekannten rigiden Stechhaare von Malpighia urens L. Wenn deren verkieselte Spitze in die thierische Haut eindringt, so bricht das Haar an seiner Basis ab. Ohne die hierzu erforderliche relativ bedeutende Kraft tritt jedoch diese Erscheinung nicht ein und bleibt daher vereinzelt. Von einem Haarverlust im hier gehandhabten Sinne kann somit bei M. urens und Verwandten nicht die Rede sein. Ficus pertusa L. fil. Ficus australis. 102338, oO ZEIG 34, be Hier möchte ich den einzelligen, borstenförmigen Haaren der schon oben besprochenen Ficus-Arten eine Stelle gönnen. Von dem bisher erkannten Abbruchsmodus einzelliger Haare ist der hier zur Erscheinung kommende wesentlich verschieden. Ein bemerkenswerther Unterschied macht sich schon geltend, bevor der Abfall eingeleitet wird: der Haarfuss bleibt unverkorkt, wogegen der Haarkörper, Fig. 34a soll dies veranschaulichen, in bedeutender Ausdehnung verkorkt ist. Seine Verdickung nimmt, wie bei den viel- gliederigen Haaren, an der Insertionsstelle bis zur vollständigen Verschmelzung zu, und wenn man auf eine derartige „falsche“ Scheidewand concentrirte Schwefelsäure einwirken lässt, so kann man feststellen, dass ein gänzlicher Abschluss durch Verkorkung eingetreten ist. Die schwächste Region des Haares ersieht man leicht aus dem Bilde desselben; sie liegt, nicht scharf localisirt, nahe oberhalb der Verschmelzung. Hier erfolgt der Bruch. * | | | | | Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. (p. 33) 337 Während bei F. australis das Rudiment keine nachträglichen Verände- rungen mehr erleidet, beobachtete ich bei F. pertusa, dass es später durch- gängig eine mehr oder weniger scharf bestimmte Kegelform annimmt. Diese entsteht, wie ich mich an einigen Präparaten überzeugen konnte, durch Ab- blättern oder Abschülfern äusserer Membranschichten, vergl. Fig. 33a. Tilia grandifolia Ehrh. Fig. 32. Es ist eigentlich kein einzelliges Haar, dessen Verlust ich an Zweigen unserer Winterlinde beobachtete. Dennoch habe ich ihm seinen Platz hinter der Besprechung der einzelligen angewiesen, weil es sich diesen durchaus an- schliesst. Die Scheidewände des cylindrischen Haarkörpers sind nämlich so schwach und so wenig in ihrem Auftreten einer Regel unterworfen, dass sie weniger zur Trennung distineter Glieder, als zur Kammerung des Haares dienen. Sie bleiben dem entsprechend auch beim Abfalle unberücksichtigt und dieser schliesst sich eng an Fagus und Juglans an. Der Haarfuss wird von einer zu immer grösserer Dicke anwachsenden Verkorkung umgeben, an welcher das Haar selbst nicht Theil nimmt. An der Insertionsstelle bricht der Haarkörper ab, sein Fuss bleibt in dem starken Schuh stecken. Nova Acta LY. Nr. 5. 43 338 R. Keller. (p. 34) Allgemeiner Theil. 1. Vorkommen abfallender Behaarung im Pflanzenreiche. Organe von so geringer Grösse, wie die meisten Pflanzenhaare, Or- gane, zu deren Bildung es nicht grossen Aufwandes von Material noch von Lebensenergie — wie immer diese zu denken sei — bedarf, Organe endlich, deren Dasein oder Fehlen keine tiefer gehenden Veränderungen in anderen wichtigen Functionen hervorruft, die von den Erscheinungen der „Correlation“ wenig berührt werden: so geartete Organe sind befähigt zu einer grossen Mannigfaltigkeit der Function, ihr Auftreten und Verschwinden entzieht sich aber auch naturgemäss der genaueren Erkenntniss und der Aufstellung all- gemeinerer Regeln. Darum lassen sich auch aus den vorliegenden Beobach- tungen keine Gesetze des Vorkommens von Enthaarungserscheinungen ableiten. Und leicht ist einzusehen, dass auch eine weniger unvollständige Aufzählung der die quästionirte Eigenschaft zeigenden Pflanzen uns darin derzeit nicht viel weiter bringen würde. In der Systematik hat die Behaarung, so charak- teristisch sie als Merkmal der Unterscheidung in einzelnen kleinen Gruppen erscheint, in Fragen grösserer Tragweite zu keiner Zeit eine Rolle gespielt; jeder Botaniker weiss, wie vollständig der vor anderthalb Jahrhunderten von Guettard gemachte Versuch, mit ihrer Hilfe verwandtschaftliche Gruppen zu construiren, missglückt ist. So kann in systematischer Beziehung auch meine Arbeit keine neuen Gesichtspunkte geben. Nur kann ich die negative Seite dieser Fragen, nämlich eben die Regellosigkeit der Vertheilung im Allgemeinen mit Hinweis auf das Vorhergegangene hervorheben. Die in Untersuchung genommenen 47 Gattungen gehören 22 Familien der verschiedensten Verwandtschaftskreise, Kryptogamen und Phanerogamen ziemlich gleichmässig, an, | r er Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. (p.35) 339 Dennoch lassen sich auch einige wenige Bemerkungen positiver Art wohl machen. Zunächst giebt es viele kleinere Familien von meist engen Verbreitungsbezirken, deren einander sehr nahe stehende Formen vielleicht sämmtlich hierher gehören, so die Pittosporeen, Elaeagnaceen, Melastomeen (2), Nymphaeaceen. Dann aber lässt sich auch bei einigen grösseren, sogar sehr grossen Familien nicht verkennen, das ungewöhnlich viele ihrer Angehörigen die Behaarung verlieren; ich denke an die Myrtaceen, Proteaceen, Papilio- naceen, Cupuliferen und auch die Compositen. ‚Jedoch möchte ich das weniger für einen Ausdruck, ich meine directen Ausdruck, phylogenetischer Verwandt- schaft halten, als vielmehr physiologisch ‚begreifen, indem die betreffenden Formen unter ähnlichen Bedingungen von Klima und Standort leben und dem entsprechend in vorliegender Frage functionell ähnliche Eigenschaften besitzen. So ist es auch keineswegs selten, dass sehr nahe Verwandte sich darin ent- gegengesetzt verhalten. Als Beispiele erwähne ich, dass Melaleuca arachno- idea Baensch und andere Melaleucen keine Spur von Kahlwerden zeigen, bei M. squamea sahen wir den Vorgang sich sehr regelmässig abspielen, Marsilea elata hat abfällige, die meisten anderen Marsilea-Arten bleibende Haare: ähnlich Begonia incana, platanifolia, vitifolia gegenüber den meisten Begonien. Nach Meyen verlieren die „Seeretionsorgane“ von Chenopodium album, Ch. Quinoa, Atriplex hortensis und Anderen ihre Endzelle, diejenige von A. rosea und A. nummularia löst sich nicht ab. Die angeführten Beispiele mögen ge- nügen, man könnte sie häufen. Auffallen wird es Jedem, dass unter den behandelten Pflanzen keine Monocotylen vorhanden sind. In der That führt Kärner, der, wie Eingangs bemerkt, sein Thema viel weiter fasst, eine ganze Reihe Gräser an, bei denen Haar-Abfall resp. Abbruch zu beobachten sei. Diejenigen, welche ich in Untersuchung nahm, Bambusa und einige einheimische Gramineen, zeigten einen normalen Haarverlust nicht, wohl aber brachen an vertrockneten Blättern und Scheiden manchmal die verkieselten Haarspitzen leicht ab, und es ist wohl denkbar, was uns Kärner ausmalt, dass „beim Sausen und Krachen im windbewegten Bambusgebüsch, bei dem Wogen sturmgepeitschter Gras- flächen“ viele Tausende von Haarsplittern in’ der Luft mit fortgeführt werden. Für die Pflanze und ihr Gedeihen hat ein solcher Enthaarungsprocess keine Bedeutung und ich kann ihn nicht in mein Thema ziehen. Uebrigens 43% 340 R. Keller. (p. 36) fehlt am Fusse dieser einzelligen Trichome jeder Abschluss und jede Ver- korkung. Auf eine Erweiterung meiner Resultate auf pflanzengeographische Fragen möchte ich nicht näher eingehen, sondern nur constatiren, dass fast alle Zonen und Gebiete unter meinen Objeeten vertreten sind und dass aller- dings eine auffallend grosse Zahl von ihnen dem australischen Verbreitungs- kreise angehören. Dies steht vielleicht im Zusammenhange mit der später zu erwähnenden Häufigkeit des Haarverlustes gerade an immergrünen Blättern. 3. Abwurfs- und Abbruchsvorgang in seinen Formen. Im speciellen Theile habe ich eine gewisse Reihenfolge beobachtet, die hier zu recapituliren am Platze sein dürfte, Ich erinnerte an den Abwurf einer Emergenz, welche, streng genommen ausserhalb meines Themas stehend, sich eng an den herbstlichen Blätterabfall unserer Laubbäume anschloss. Ich betrachtete dann einige Fälle von abfallenden Haaren, die einem körper- lichen Complex von Zellen entsprechen , ging stufenweise zu Formen über, deren Stiel aus einer einzigen Zellreihe besteht, und gelangte zu den am häufigsten abfallenden, gänzlich einzellreihigen, unter welchen die mit einer markirten Endzelle einen bedeutenden Raum einnahmen. Schliesslich konnte ich Fälle des Verlustes einzelliger Trichome aufführen. Es sei mir gestattet, die auf diesem Wege gefundenen Resultate im Grossen und Ganzen der Reihenfolge entsprechend aufzuzählen. Die zell- körperlichen Haare, wenn ich diesen kaum missverständlichen Ausdruck ge- brauchen darf, stimmten darin überein, dass sich ein basal gelegener Theil ihres Gewebes verkorkte, über welchem zartwandige Regionen dem Abbruche, ein solcher war es hier immer, keinen merklichen Widerstand entgegenzusetzen im Stande waren. Sobald sich jedoch bei diesen ein von einer Basis abgrenzbarer Endkörper vorfand, nahm die verkorkte Partie umschreibbare Grenzen an, sie betraf allein die Basis, und die Grenze der Cutisirung erschien als Ablösungsgrenze; der Vorgang charakterisirt sich als Abwurf. Dieses Verhalten blieb das maassgebende, wenn die Basis einreihig wurde und wenn‘ das ganze Trichom eine Zellreihe darstellte. Besonders scharf ge- Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. (p. 3%) 341 staltete sich die Ablösung, Falls ein wohl abgesetzter Haupttheil des Haares, war er nun einzellig oder mehrzellig, dem Verfalle anheimfiel. Eine Aus- nahme hatten wir bei einem aus einer Basal- und einer Endzelle bestehenden Haare, das einen Abbruch erlitt, wie er Regel wurde bei allen betrachteten einzelligen Haaren, ob sie nun ihre einzellige Natur beibehielten, so lange sie bestanden, oder ob sie „‚pseudozweizellig“ wurden, wovon wir nur einen Fall kennen lernten. Eine ganz ausserhalb dieser Reihe stehende Bildung, bei Acacia, war merkwürdig durch eine umfangreiche Zellwucherung um die Basis der Haare. Auf Grund des Vorstehenden möchte ich eine nahe liegende Gruppirung der hinfälligen Haare in 4 Typen vornehmen, wobei Form des Baues und und Form des Abfalles unter gemeinsame Gesichtspunkte gestellt werden, und zwar werde ich die umgekehrte Reihenfolge wie bisher innehalten, den letzterwähnten Ausnahmefall jedoch unberücksichtigt lassen. Typus I. Einzellige Haare, welche nahe der Epidermis abbrechen, den von Verkorkung umgebenen Fuss zurücklassend. Juglans, Fagus, Callicoma, Thibaudia, Banisteria — abweichend Ficus. Diesem Typus schliessen sich Tilia und Metrosideros an. Typus II. Einreihige Haare mit ausgesprochener Endzelle, welche entweder in der Richtung der Basis oder der Oberhaut gestreckt oder stern- förmig ist. Die Endzelle löst sich von der Basis ab, welche im oberen Theile oder, Falls einzellig, auch im Fussstück, verkorkt ist. Die Myrtaceen, Papilionaceen, Proteaceen, Pittosporen, Brachyglottis, Relhania, Eurybia, Arctostaphylos. j Typus III. Einreihige oder einreihig verzweigte Haare, bei welchen eine wechselnde Zahl basaler Zellen verkorkt, die übrigen abgeworfen werden. Letztere sind: a. als Endtheil von der Basis deutlich verschieden. Berkleya, Tarcho- nanthus, Marsilea. b. von der Basis ohne Reagentien nicht oder wenig unterscheidbar. Platanus, Nuphar, Nymphaea. — Ficus. Typus IV. Mehrreihige Haare: a. eine Endzelle oder ein Büschel von solchen wird von der verkorkten Basis abgelöst. Vitis, — Quercus, Correa, Elaeagnus. 342 R. Keller. (p. 38) b. ein deutlicher Endkörper von der einreihigen, verkorkten Basis sich trennend. Medinilla, Begonia. c. Haarkörper oder Schuppe ohne Grenze in die verkorkte Basis über- gehend, Ablösung durch Bruch. Lomaria, Acrostichum, Chrysodium. Ich bin mir bewusst, dass die aufgestellen T'ypen die Bezeichnung „künstlich“ verdienen. In der Natur giebt es ja keine Ausbildung in festen Typen, da sind nur Entwickelungsreihen, in denen freilich wohl an vielen Punkten ein längeres Verweilen, eine charakteristische und reichere Gestaltung stattfindet, während andere als „Zwischenformen“ erhalten bleiben oder unter- gegangen sind, Der registrirende menschliche Geist ist es, der Typen schafft, und eben an jenen Ruhepunkten muss er einsetzen, wenn seine Gruppirung nicht naturwidrig sein soll, natürlich ist sie nie. Daher die mannigfachen Verwischungen der gezogenen Grenzen und die zahlreichen Verlegenheiten, wenn es gilt, bestimmte Formen bestimmten Rubriken zuzutheilen, Verlegen- heiten, die nur der Oberflächlichkeit nicht zum Bewusstsein kommen. Inner- halb der oben aufgestellten Typen sind Uebergänge an allen Punkten vor- handen, Zwischenformen zwischen dem einen und dem anderen liessen sich dar- thun; ich will dieses nicht weiter verfolgen, sondern nur auf einiges Zusätzliche zu dem Gegebenen eingehen. Ein Analogon zu dem Abstossen der Laubblätter im Herbst kennen wir bei eigentlichen Haaren nicht. Für die wesentlichsten Momente des- selben, nämlich das Auftreten eines Trennungsgewebes, dessen lebende, un- verkorkte Zellen durch gegenseitige Abrundung die Loslösung bewirken, und den Abschluss der entstandenen Bruchfläche durch Korkgewebe, welches durch Theilung neu gebildet wird, hierfür fehlen bei Haaren correspondirende Er- scheinungen, solche wenigstens, welche ihrem vollen Begriffe nach mit ihnen übereinstimmten. Nahe verwandt ist jenem Korkgewebe allerdings dasjenige, welches die Phyllodien der Acacien bilden, jedoch ist dieses ein so allein- stehender Fall, dass ich ihm eine allgemeinere Bedeutung nicht beimessen möchte. Dem „Trennungsphelloid“ vollends fehlt jedes Correspondirende beim Haarverlust, wenn man ihm nicht die auch bei Haaren sich findende Trennung durch Abrundung an die Seite setzen will. Einen Punkt jedoch darf ich als prineipiell und überall vorhanden, wo ein normaler Abfall vorliegt, hinstellen, nämlich den, dass vor der Trennung | Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefdsspflanzen. (p. 39) 343 und innerhalb der Lösungsstelle ein Abschluss durch Verkorkung hergestellt wird. Auch ist es begreiflicher Weise Regel hierbei, dass diese abschliessenden cutisirten Partieen mit denen des Hauptgewebes in ununterbrochener Ver- bindung stehen. Die Modificationen innerhalb dieses Princips sind bei Haaren recht mannigfaltig. Sehen wir von Acacia ab, so wird die Verkorkung stets schon vorhandenen Zellwänden zu Theil, meist Hand in Hand gehend mit einer bedeutenden Dickenzunahme derselben. Wo im Bild des fertigen Haares ein basaler und ein Endtheil sich aufdrängt, wird regelmässig die Grenze scharf bis zu dem letzteren eingehalten. Hier, an der Grenze, kommt es nicht selten — ich erinnere an Cytisus und folgende — zur Bildung einer besonderen, der Cuticula im engeren Sinne vergleichbaren Lamelle. Nach Innen zu kann die Verkorkung allmählich verlaufen, wie es Quercus, Elaeagnus, Correa zeigen. Meist jedoch hat sie auch nach dieser Seite ihre mehr minder genaue Bestimmung. Entweder reicht sie nämlich nur so weit, dass die Verbindung mit der epidermalen Cuticula hergestellt ist, oder aber sie umfasst den Fuss des Haares mit. Zur Illustration des ersteren Falles können die sämmtlichen aufgeführten Papilionaceen, Proteaceen und Compositen dienen; es kann dabei, wenn bei aufgesetzt erscheinendem Haare der Stiel einzellig ist, der Verschluss ein einfacher sein, beispielsweise liegt dies bei Fig. 12 und 30a vor. Der zweite Fall trifft bei den Myrtaceen zu, welche sonach, Metrosideros ausgenommen, bei einzelliger Basis einen doppelten Korkverschluss haben, wie die Papilionaceen und Proteaceen bei ihrer zwei- zelligen Basis. Die Verkorkung des Fusses bildet den einzigen Verschluss des Rudi- mentes bei den einzelligen Haaren ausser Ficus, bei Metrosideros und Tilia. Was nun den Vorgang des Abfalles selbst betrifft, so tritt derselbe am regelmässigsten bei dem Typus II, III, IVa und b in Erscheinung, wo das Haar mehrzellig ist und durch die Verkorkung ein bleibender Theil unter einer scharfen Grenze nach Aussen markirt wird. Wir haben im Vorstehenden diesen Vorgang stets mit Abwurf bezeichnet, mit Abbruch dagegen die unter Typus I und IVe zusammengefassten Erscheinungen. Dort geht die Los- lösung glatt vor sich, das Rudiment besitzt eine bestimmte Gestalt und schliesst mit einer Aussenwand oder einer mehrwandigen Aussenfläche ab. 344 R. Keller. (p. 40) Hier ist die Trennung unregelmässig, hinterlässt ein Stück ohne bestimmbare Form und schliesst mit splitterigem Contour, ohne Aussenwandung, ab. Bei den vielzelligen Haaren sub IVe ist der ungefähre Ort des Abbruches dadurch gegeben, dass sich entweder das Haar bedeutend zur Basis hin verschmälert oder dass hier eine schwachwandige Zellenregion sich befindet. Bei ein- zelligen Haaren ist die Sache etwas anders. Kärner!) behauptet hier mit voller Allgemeinheit das Vorhandensein von „in Bezug auf die Beförderung des Haarabbruches in dem Bane und der Anheftungsweise gewissen, oft zweckmässigen Einrichtungen, welche die normale Abbruchsart und Abbruchs- stelle vorzeichnen“. Ich kann ihm in dieser Form nach meinen Beobach- tungen nicht beipflichten. Derartige locale Merkmale, wie er weiter unten durch „Einschnürung, Absatz und dergleichen“ näher präcisirt, habe ich im Allgemeinen nicht gefunden. Nur Banisteria zeigte eine Wandverdünnung an der späteren Bruchstelle; die dicht unter der Spitze bei Brennhaaren vor- handene Membraneinschnürung, welche das Abbrechen dieser Spitze befördert, ist das einzige mir sonst bekannte Beispiel dieser Art, welches aber in keiner Weise unter mein Thema fällt. Ich erkläre mir das innerhalb gewisser Grenzen gleichmässig stattfindende Abbrechen aus rein mechanischen Gründen. Da alle Haare derselben Pflanze in Form und Membranverdickung annähernd iibereinstimmend gebaut sind, so haben sie auch den Ort ihres geringsten Widerstandes an annähernd derselben Stelle, ohne dass diese durch localisirte „Einrichtungen“ vorbezeichnet wäre. Diese Behauptung gilt allgemein, sofern nicht ein „Träger von gleichem Widerstande“ vorliegt. Das ist bei den beob- achteten Haaren nicht der Fall. So verschmälert sich die Wand der meisten hierhergehörigen Trichome ganz beträchtlich von der Spitze zur Insertion hin; sie brechen sämmtlich dicht über der letzteren ab. Andere Haare, deren Wandung im Haupttheil ziemlich gleichmässig dick und fast parallel, eylindrisch ist, wie bei Callicoma, Thibaudia, Tilia, müssen an der Insertion abbrechen; denn nach leicht erweislichen mechanischen Sätzen steht bei solchen die Grösse der in den verschiedenen Querschnitten wirkenden Kraft in geradem Verhältnisse zur Entfernung von ihrem Ansatzpunkte, während der Widerstand gegen das Abbrechen, da wir die Querschnittsflächen gleich 1) Lc. p. 249. a TR. I Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. (p. 41) 345 gedacht haben, überall derselbe ist. In der That erfolgt, wie wir im besonderen Theile sahen, der Abbruch bei den Genannten an der Insertion. Die Spitze des Haares hat hier freilich eine nahezu kegelförmige Gestalt und und würde dem Abbruche leichter ausgesetzt sein, wenn hier nicht in allen Fällen der Beobachtung eine Verstärkung der Wand vorhanden wäre. Bei den Haaren von Ficus befindet sich der schwächste Theil zwischen der aus- füllten Spitze und der basalen Verschmelzung, ohne definirbare Lage. Dem entsprechend sind die Rudimente von wechselnder Grösse, wenigstens inner- halb gewisser Grenzen. Fast überall, wo wir die Form des Abbruches haben, können wir eine Anhäufung von Pilzen beobachten, welche die Reste der Haare zu zer- stören beginnen. Es wird dadurch wohl erklärlich, dass oftmals die ver- korkten Theile hier grössere Dimensionen annehmen, als an anderen Stellen der Oberhaut. Ob der abgeworfene Theil seinen Inhalt einbüsst und Luft führt, oder ob Zellsaft und lebender Plasmaschlauch erhalten bleiben, scheint für den Ab- wurf wenig von Belang zu sein; denn Beides kommt fast gleich häufig vor. Der bleibende Theil behält seine Lebensfähigkeit in weitaus den meisten Fällen; bei Hakea jedoch und einigen Compositen, wo bleibende Theile zart- wandig und vom inneren Gewebe abgeschlossen erscheinen, sind sie abgestorben und führen Luft. 3. Ursachen des Abfalles. Dieser Punkt hat durch Kärner in seiner mehrfach eitirten Arbeit eine eingehende Berücksichtigung gefunden. Dies insofern, als er eine grosse Reihe von Möglichkeiten, nicht immer Wahrscheinlichkeiten, mit grossem Auf- wande von Phantasie anführt, ohne jedoch durch Thatsiichliches die Wirkungs- weise der betreffenden Agentien näher zu begrenzen. Es wäre wiinschens- werth, wenn die Ausdehnung derselben durch Experimente in grösserem Maassstabe und durch umfangreichere Beobachtungen in freier Natur fest- gestellt würde, dadurch könnte vielleicht auch ein tieferer Einblick in das ursächliche Verhältniss so mancher verwandten Erscheinungen eröffnet werden. Freilich geht dies über den Umfang und die verwendbare Zeit einer Arbeit Nova Acta LY. Nr. 5. 44 346 Br Kee Lie tay. wie der vorliegenden weit hinaus, und ich kann nur mit sehr losem Anschluss an die Kärner’schen Bemerkungen einiges Allgemeine vorbringen. Der Ursachen des normalen Haarverlustes giebt es zweierlei Art, innere und äussere, oder mechanische. Die letzteren sind zweifellos das. alleinige Agens beim Abbruche, während jene dem specifischen Abwurfe reservirt werden müssen. Hierüber einige Worte. Die innersten Vorgänge, welche, intramicellarer Natur, jeder Beobachtung spotten, entziehen sich derzeit der Erklärung ohne das problematische Hiilfsmittel von Vermuthungen und Hypothesen vollständig. Wir constatiren nur die Erscheinung, dass eine Spaltung der Lamellen, eine Aufhebung des Zusammenhanges zwischen den Theilen der betreffenden Membran vorliegt, daraus ersichtlich, dass eben der geringste Anstoss, ein mässiger Lufthauch und dergleichen genügt, um die vollständige Trennung herbeizuführen. Von den inneren Kräften, welche da mitwirken, legen mir mehrfache Beobachtungen diejenigen nahe, welche sich als verschiedenes Wachsthum der an einander stossenden Membranen darstellen. Besonders, Falls der Endtheil abgestorben und selbstständiger Vergrösserung unfähig geworden, ist es begreiflich, dass eine zunehmende Ausdehnung der Basis einen Zustand der Spannung herbeiführen muss, der an sich oder durch den geringsten äusseren Einfluss zur Trennung führt. Je nachdem das Wachsthum der Basis dieselbe in die Breite zieht oder ihre Wölbung ver- stärkt, würden die dadurch entstehenden Kräfte der Oberhaut parallel oder senkrecht zu ihr gerichtet sein. Eine andere, wahrscheinlich nicht sehr bedeutende Rolle spielen die Einflüsse des Witterungswechsels. Kärner betont die „Sprünge der Temperatur“ sehr stark, ohne jedoch anzugeben, auf welche Weise nach seiner Vorstellung sich ihre Wirkung geltend macht. Ein merklicher directer Einfluss der Wärmeänderung durch bezügliche Verlängerung oder Verkürzung von Membran- theilen ist nieht wohl anzunehmen; eine Berechnung würde Ziffern von ver- schwindender Kleinheit ergeben. So können wir uns die Einwirkung der Temperatur nur als eine indirecte denken, etwa so, dass sie in Beziehung zu Wachsthumserscheinungen oder Turgoränderungen stände. Mit der letzteren Bemerkung kommen wir zu einer dritten Möglich- keit, dass nämlich der zunehmende Turgor der Basalzelle oder auch gleich- zeitig der abzulösenden, wenn diese noch lebend ist, eine Abrundung herbei- a Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. (p. 43) 347 führte und durch diese die Trennung veranlasste, und in der That liegt diese Anschauung nicht fern, wenn man z. B. das Bild der abstossenden und der abgestossenen Haarsegmente bei Nuphar betrachtet; beide haben reichlichen lebenden Inhalt und kehren einander nach der Lösung kugelrunde Flächen zu. Denkbar ist dieser Vorgang aber eigentlich nur, wo, wie hier, relativ dünne Wandungen vorliegen. Was die äusseren Ursachen betrifft, so kann ich mich kurz fassen, um so mehr, da eigene Beobachtungen von Bedeutung hierüber nieht vorhanden sind. Eigenthümlich ist ihnen, dass sie unregelmässig und intermittirend sind und nur in einigen Fällen mit etwas mehr Pünktlichkeit und Accuratesse zur Wirkung kommen. Die nächstliegenden sind: Auffallen und Anstossen benachbarter Pflanzentheile, directe Wirkung des Windes, Regen, Insecten und andere Thiere. Die gegenseitige Stellung und die Beweglichkeit der Organe ist sicherlich nicht ohne Bedeutung für die grössere Wahrscheinlichkeit einer Reibung an einander auch bei leichterer Einwirkung durch die Luft- strömungen. 4. Bedeutung des Haarverlustes für die Pflanze. So lange in der Frage nach der Bedeutung der Behaarung überhaupt noch so manche Unklarheit herrscht und noch so viele widersprechende An- sichten existiren, mache ich mich nicht anheischig, über die Bedeutung des Haarverlustes, physiologisch als Lebensprocess aufgefasst, ein irgendwie ab- schliessendes Urtheil zu fällen. Einige Anhaltspunkte jedoch zur Beurtheilung beider Momente dürften meine Resultate wohl liefern. Es ist mir nicht zweifelhaft, dass die Erklärung nicht allein von dem Gesichtspunkte ausgehen darf, dass die Function der betreffenden 'Trichome ihren Abschluss erreicht hat, so dass der Enthaarungsvorgang nur einem Preisgeben werthlos gewordener Organe gleichzusetzen wäre. Allerdings ist diese Seite eine nothwendige Bedingung zum Eintreten unserer Erscheinungen und in diesem Sinne möchte ich sie die negative Seite der Frage nennen. Welchen Dienst die Haare auch geleistet haben mögen, ob sie nun, wie es wohl meist anzunehmen, die jungen zarten Organe vor unvermeidlichem 44% 348 R. Keller. (p. 44) Druck und Reibung zu schützen, ob sie ihre Vertheidigung gegen irgend welche fremden Organismen zu führen hatten, ob sie eine schützende Decke gegen den Temperatur- und Feuchtigkeitswechsel zu bilden, oder ob sie den directen Contact mit feuchten Niederschlägen zu verhindern, andererseits aber eine Wasseraufnahme aus denselben zu besorgen, oder endlich, ob sie die Intensität der Beleuchtung zu mildern hatten: in allen diesen Fällen, welche sich im Einzelnen nicht immer leicht nachweisen lassen, haben sie ausgedient, ehe sie der Vernichtung anheimfallen. Dieser Satz liesse sich wohl aus natürlichen Principien, die anderwärts erfahrungsmässig gewonnen worden, a priori ableiten, wir können ihm aber auch in Beobachtungen eine Grundlage geben. War die Function der Haare offenbar eine die Schutzleistungen der Oberhaut unterstützende, richtiger ersetzende, so tritt kein Haarschwund ein, bevor die Oberhaut eine entsprechende Stärke erlangt hat. Die Theile der Pflanze, welche noch eine starke Oberflächenvergrösserung vor sich haben, vertragen keinen Ueberzug von sehr verstärkten Membranen, die einem be- deutenderen Flächenwachsthum im Wege stehen würden. Hiermit, d, h. mit der naturgemässen Schutzlosigkeit der unentwickelten Organe, steht, meiner Ansicht nach, bei vorhandenem Schutzbedürfniss in weitaus den meisten Fällen das Auftreten der Haarbekleidung in Verbindung, hiermit stimmt es auch überein, dass, wenn bei weiterer Flächenvergrösserung der Organe und gleichzeitiger Stärkung ihres Hautsystemes die Haare aus einander rücken und der Ueberzug sich lockert, mit wenigen Ausnahmen eine Neubildung von Haaren unterbleibt. Nicht immer jedoch hat die Behaarung die Aufgabe, der Epidermis ergänzend zur Seite zu gehen, manchmal sind ihr besondere Leistungen vor- behalten. Ich habe an den hier untersuchten Pflanzen vor Allem in der Wasseraufnahme aus den Niederschlägen eine häufig vorkommende Funetion später abfallenden Haarfilzes gefunden und auch hier die Bemerkung gemacht, dass er, wenn er verloren geht, was nur oberseits eintritt, nicht mehr den Werth für die Pflanze besitzt wie vordem. Dann sind nämlich epidermale oder hypodermale Schichten als „Wassergewebe“ zur Ausbildung gelangt, geschützt durch eine stark entwickelte Oberhaut, die Wasseraufnahme durch die Blätter ist unnöthig geworden. Als Beispiele nenne ich Berkleya, a Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. (p. 45) 349 Brachyglottis, Pittosporum; bei ersterer erreicht das wasserspeichernde Gewebe einen solchen Umfang, dass es einen fast dreifach so grossen Theil des Querschnittes einnimmt, als die übrigen Gewebesysteme. Eine positive Bedeutung des Haarverlustes dürfte von vornherein durch die Betrachtung nahegelegt werden, dass zu seiner Herbeiführung ziemlich umfangreiche Einrichtungen getroffen werden, wie sie zur blossen Entfernung nutzloser, nicht auch schädlicher oder irgendwie hinderlicher Glieder in der Natur fast niemals beobachtet werden. Aber ich möchte doch auf ein paar Punkte aufmerksam machen, die durch ihr Zusammenwirken zur Erklärung der quästionirten Erscheinungen beitragen könnten. Die Frage liegt da zunächst am Wege, welche der uns bekannten Einflüsse der Behaarung, die der Pflanze an jungen Theilen vielleicht nützlich sind, ihr später zum Nachtheil gereichen können. Die Schutzleistung gegen Druck, die Verminderung von Temperatur-Einfliissen, Abwehr feindlicher Organismen und verwandte Be- stimmungen lassen sich schwerlich in schädliche umgewandelt denken. Anders jedoch verhält es sich mit der Abschwächung der Beleuchtung. Es ist sehr wohl vorstellbar, ja wahrscheinlich, dass eine stärkere Lichtwirkung jungen empfindlichen Organen schadet, und hier werden Einrichtungen zu ihrer Ver- ringerung am Platze sein. Für ältere Blätter jedoch, deren Assimilations- thätigkeit auf der Höhe steht, können diese Einrichtungen leichtlich recht un- günstige werden. Es ist ein verschiedener Anspruch an Belichtung hei ver- schiedenen Pflanzen anzunehmen; nur logisch ist daher der Schluss, dass Pflanzen von grösserem Lichtbedürfniss durch einen wie. ein Lichtschirm wirkenden Ueberzug in ihrer Entwickelung gehindert werden. Nun ist es auffallend, wie viele der von mir als haarverlierend gefundenen Pflanzen immergrüne, lederartige Blätter besitzen, deren Assimilationsthätigkeit also eine sehr andauernde und ergiebige ist, und bei welchen das dazu bestimmte Gewebe vielschichtig ist. Ich will mich nur mit der Andeutung des Ge- dankens begnügen, wie das Innere solcher Blätter durch die darüber liegenden Schichten schon abgedämpftes Licht empfängt. Zudem stehen viele von ihnen ‘mehr oder weniger senkrecht. Es sei mir gestattet, noch eine andere Reihe von 'Thatsachen hier zu verwerthen, welche darthun, dass die assimilirende Seite der Blätter in ausser- ordentlich vielen Fällen jeder Bekleidung entbehrt, wenn auch die Unterseite | 350 R. Keller. (p. 46) dicht behaart ist. Dieses Verhältniss findet nicht etwa darin seine aus- reichende Erklärung, dass die Unterseite als Aussenseite Anfangs allerhand Einflüssen am meisten ausgesetzt ist, vielmehr wo auf die morphologische = Unterseite des Blattes die Hauptthätigkeit der Assimilation fällt, wie bei den angedrückten und einwärts gebogenen Blättchen mehrerer Passerina-Arten, so P. hirsuta, filiformis, ericoides, da sind nicht nur die Spaltöffnungen , sondern | auch die Haare auf die „Oberseite“ beschränkt.!) Bei anderen folgt die Be- haarung gern den farblosen Geweben, welche die Gefässbündelverzweigungen als Elemente des mechanischen Systemes oder in irgend einer anderen Auf- gabe begleiten und verschont die chlorophyllreichen assimilirehden Partieen der Oberseite. In der floristischen Litteratur ist dies häufig genug unter dem Ausdruck ,,Blattnerven oberseits behaart“ und ähnlich zu finden. Die Unterseite ist dann häufig ohne Rücksicht auf die Nervatur zerstreut bekleidet. Das | wichtigste Argument jedoch der oben vertretenen Anschauung ist folgendes | Resultat meiner Beobachtungen. Alle diejenigen Blätter, bei welchen der | Unterschied zwischen Licht- und Schattenseite durch Stellung und anatomischen Bau deutlich ausgeprägt ist, erleiden einen Haarverlust nur auf jener, der | belichteten Seite, während er bei den centrisch gebauten Blättern beiderseitig | resp. allseitig auftritt. i Eine Ausnahme machen die schwimmenden Blätter von Nuphar und | Nymphaea. Diese nehmen ja eine éxceptionelle Stellung in diesen Fragen ein, und bei ihnen muss ein anderes Erklärungsprineip des Haarverlustes Anwendung finden. Sollte es hier vielleicht die starke Oberflächenvergrösserung mit der unerlässlichen Folge einer iübermässigen Anhäufung von Algen und j anderen Organismen sein, was durch Abwurf der Haare vermieden wird? Doch, ich gestehe es lieber offen, eine befriedigende Deutung ist mir hier nicht eingefallen. l 5. Der Zeitpunkt des Haarverlustes. Das wann? des Haarverlustes steht, wie oben ausgefiihrt, im engsten } r ` 7 Party, 2 rn. ig j Zusammenhange mit dem Ueberflüssiggewordensein der Trichome, d. h. mit der Ausbildung der betreffenden Gewebe, deren Function sie vertreten hatten, | 1) Vergleiche Carnel, Nuovo giornale bot. Italiano. I. p. 194. 7 Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. (p. 47) 351 der Epidermis oder des Hypoderma. Dieses Stadium ist aber bei ver- schiedenen Gewächsen ein so verschiedenes und lässt sich so wenig präeis angeben, dass es unmöglich ist, allgemeine Angaben darüber zu machen. Bei manchen Pflanzen, z. B. Ficus, Hakea suaveolens u. a, werden die Theile gleich nach der Knospenentfaltung kahl, bei den das andere Extrem repräsentirenden, wie Quercus, Tarchonanthus, Callicoma ete., sehen wir bereits neue Sprosse entwickelt, wenn die alten beginnen, ihr Haarkleid abzulegen. Dazwischen sind alle denkbaren Uebergänge vorhanden. In sehr vielen Fällen lässt sich ein Zeitpunkt schon darum nicht bestimmen, weil der Haarverlust hier von allerlei Einflüssen abhängig ist, deren mehr oder weniger gelegentliche Wirkung sich der näheren Verfolgung entzieht. So liegt die Sache z. B. bei den meisten abbrechenden Haaren. Verschiedenheiten in der Zeit des Haarabfalles machen sich nicht selten bei nahen Verwandten geltend. Als Belag führe ich die Chenopodium- Arten an, von deren Haaren Weiss!) sagt: „Merkwürdig ist...., dass sie bei einigen früher abfallen, bei anderen dagegen lange Zeit erhalten bleiben“: nach meinen Beobachtungen gehen die Blätter von Hakea suaveolens sehr vor- zeitig, die von H. rosmarinifolia bedeutend später ihrer Behaarung verlustig. Eine andere Frage ist die, wann die Vorbereitungen zum Abfall zuerst auftreten, vor Allem die Verkorkungserscheinungen, als die bedeutsamsten und regelmässigsten. Im Allgemeinen zeigen sich dieselben unmittelbar nach der Anlage des Haares, wenn auch Anfangs in geringem Maasse. Die Seitenwände, durch welche keine Diffusion von Nähr- oder Baustoffen statt- findet, sind gewöhnlich viel beträchtlicher angelegt, als die eigentlichen Scheidewände; an diesen ist fast immer bis zum Stadium der definitiven Dicke der äusseren Theile eine weniger verstärkte mittlere Partie vorhanden, die später bald ausgefüllt wird. Uebrigens bin ich zu der Ansicht gekommen, welche ich auch anderwärts vertreten gefunden habe, dass nämlich Kork- lamellen lebender Zellen durchaus nicht für den nothwendigen Stofftransport undurchdringlich oder schwach permeabel sind. 2) 1) le. pag. 559. 2) Vgl. Koeppen. Ueber das Verhalten der Rinde unserer Laubblätter während der Thätigkeit des Verdickungsringes. Nova Acta der Kaiserlichen Leopoldinisch - Carolinischen Akademie. Bd. LIII. I | | DG on bo R. Keller. (p. 48) Acacia beginnt die Zelltheilungen zur Bildung des Korkgewebes erst an Phyllodien von 6—7 mm Länge; sogleich, nachdem sie in Erscheinung getreten, reagiren die Wände als cutisirt. 6. Der Haarverlust in phylogenetischer Hinsicht. Ohne mich in Speeulationen einlassen zu wollen, bei denen dogmatische Sätze an die Stelle einer soliden Grundlage der Erfahrung treten, möchte ich gern einen Blick auf die Stellung meiner Frage in der Descendenzlehre werfen. Einen ganz flüchtigen Blick; kann doch eine so wenig erschöpfende Behandlung, wie die vorliegende, keine Antwort auf die Frage geben: wie mögen sich die betreffenden Organismen die Fähigkeit, ihre Behaarung oder einen Theil derselben abzustossen, erworben haben? Es erweitert sich nun der Gesichtskreis, wenn man Folgendes erwägt: War es auch meine eigentliche Aufgabe, nur den normalen Haarverlust zu prüfen, so bestätigten mir doch zahlreiche Beobachtungen, dass auch hier von Natur keine Norm besteht, dass, wo eine solche geschaffen wird, menschliche Auffassung und —- Willkür im Spiele ist. Ich habe eine ganze Reihe von Enthaarungsvorgängen gefunden, die unter die normalen zu rechnen ich mich nicht entschliessen konnte, weil ihr Eintreten mir zu wenig allgemein schien. Entweder traten hier die äusseren Ursachen zu unpünktlich auf oder das Abbrechen war erst bei stärkeren Eingriffen möglich, durch Grösse, Membran- beschaffenheit, Stellung oder Anheftungsweise erschwert. Derartige vergleich- weise widerstandsfähigeren Haare habe ich nicht mitbehandelt; ich ‚erkannte sie daran, dass sie bei Berührung mit einem weichen benetzten Pinsel -an ihrer Unterlage haften blieben. Einige hierher gehörige Gewächse, so Trichilia spondioides, Gnidia denudata Lindl., Brachychilon populneum, Myrica Gale L., Hibbertia volubilis u. a. m. boten durch theils schwächere, theils umfassendere Verkorkung ähnliche Vorkehrungen für die Eventualität eines Abbruches dar, wie die beschriebenen. Mit Berücksichtigung dieser Fälle lässt sich eine aufsteigende Reihe von der einfachen Abschlussvorrichtung beim unregelmässigen Abbruche bis zu relativ complieirten, sorgfältig vorbereiteten und der exacten Durchführung Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. (p. 49) 3583 fähigen Abwurfseinrichtungen übergänglich verfolgen. Die Vorstellung von der Möglichkeit einer solchen stufenweisen Entwickelung dürfte nicht un- wesentlich für das Verständniss aller angeführten Erscheinungen sein. Damit mag zugleich ausgesprochen sein, dass die Reihenfolge, in welcher ich die Einzeldarstellung gegeben habe, und ebenso die meiner Typenaufstellung keineswegs ein Bild der natürlichen Entwickelungsfolge giebt. Sie ist nach Riicksichten der Zweckmässigkeit gewählt. Schluss und Rückblick. Ein Rückblick auf die gewonnenen Resultate kann uns nicht darüber in Zweifel lassen, dass- wir auch von der zur Zeit erreichbaren Einsicht in das Wesen der Behaarungsverhältnisse und ihrer mit so einfachen Mitteln so wichtige Aufgaben erfüllenden Functionen noch sehr weit entfernt sind. Vielleicht wird noch einmal einer der Meister unserer Wissenschaft zu einer erneuten Beschäftigung mit den T'richomen angeregt, welche, in ihrer Ge- sammtheit, seit der Arbeit von Weiss, 1867, nur durch Anfänger eine Bearbeitung gefunden haben, und zwar eine zu sehr in Einzelheiten sich zersplitternde. Meine Untersuchung des Haarverlustes könnte etwa zu der Ansicht führen, dass man die Sache auch von dieser negativen Seite her betrachten und dadurch einen Schritt weiter kommen kann. Die Ergebnisse zusammen zu fassen halte ich hier nieht für dienlich, einerseits, weil zu viele Details mit berücksichtigt werden müssten, und andererseits, weil ich betonen will, dass sie noch des Abschlusses bedürfen. Nur Einiges, was vielleicht zu wenig hervorgetreten ist, möchte ich dadurch, dass ich es hier wiederhole, mehr hervorheben. Nova Acta LV. Nr. 5. 45 ae nn a nn nn 354 R. Keller. (p. 50) Der Verlust der Behaarung steht im engsten Zusammenhange mit der Ausbildung der Gewebe, deren Function sie übernommen hatte. Zu seiner Herbeiführung sind äussere und innere Ursachen thätig, innere mit mehr Regelmässigkeit, äussere mit mehr Zufälligkeit. Assimilationsorgane von längerer Dauer verlieren die Behaarung weit öfter als solche, die nach jeder Vegetationsperiode abgeworfen werden. Bifaciale Blätter werden nur auf der dem Lichte zugekehrten Seite kahl; die Belichtungsfrage scheint von der grössten Bedeutung bei der Erklärung des Haarausfalles zu sein. Ein scharfer Abstand zwischen Abfall und Persistenz von Haaren besteht nicht. Der anatomische Bau spielt eine grosse Rolle beim Modus des Haarverlustes, doch lässt sich daraus nicht mit Sicherheit auf ihren Verlust oder Verbleib schliessen. Nahe Verwandte verhalten sich in diesen Dingen oft verschieden. Bei einzelligen Haaren haben wir immer einen Abbruch. Das Haar in seiner Totalität, als genetische Einheit, geht nie verloren, stets bleibt ein Theil als Rudiment. Die Rudimente sind nie offene, d. h. der Verdunstung oder dem Eindringen feindlicher Organismen freie Bahn lassende Stellen, sondern sie zeigen Verkorkungsverschlüsse, deren Anlage vor dem Abtrennungsprocess stattfindet. Vorstehende Arbeit wurde in der Zeit vom Herbste 1888 bis zum Frühjahr 1890 unter der Leitung des Herrn Professors Dr. S. Schwendener angefertigt, welchem auch an dieser Stelle aufrichtigen Dank sagen zu dürfen dem Verfasser eine Genugthuung ist. Auch Herrn Professor Dr. Engler und Herrn Privatdocenten Dr. Westermaier fühlt derselbe sich wegen mancher Winke und mancher Unterstützung verpflichtet. St Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. (p. 51) 35 Figuren -Erklärung. Die meisten Figuren sind bei einer Vergrösserung von 230, Objectiv D Zeiss, gezeichnet. Ausgenommen sind folgende: Fig. 1 hat eine Vergrösserung von 30. Fig. 2 und 3 haben eine Vergrösserung von 100. Fig. 27c, d und 32 haben eine Vergrösserung von 150. Fig. 8c, 14a, b, 17b, 23a, 26a, bh, 27a, b, 28a, b, 30a, b-und-35a, b haben eine Vergrösserung von 170. Fig. 11, 15a und 20a eine solche von 290. R. Keller. (p. 52) Tafel 1. Chrysodium crinitum Mett. Untere Partie eines der grossen Trichome vom Blattstiel. Acrostichum viscosum. Haarrudiment des Blattstieles. Lomaria Gibba. Haarrudiment des Blattstieles. Elaeagnus umbellata. Unterer Theil des Haarbüschels an einem jüngeren Blatte. Haarrudiment im Durchschnitt. . Quercus Ilex. . Quercus Ilex. Haarrudiment im Aufriss. Vitis Thunbergi. Rudiment von der Blattoberseite bald nach dem Abwerfen der Endzelle. . Mittlerer Theil des Haares derselben Pflanze von oben gesehen. . Medinilla farinosa. Haar der Blattoberseite im Durchschnitt. . Medinilla farinosa. Rudiment derselben von oben gesehen. . Acacia suaveolens. Haarformen des jungen Phyllodiums (von 3,3 mm Länge). . Erstes Auftreten von Zelltheilungen in der Umgebung des Haarfusses derselben "r Pflanze (Phyll. von 7 mm). Acacia longifolia. Haarrudiment mit Korkwall vom älteren Phyllodium. . Ficus australis. Unterer Theil des Gliederhaares. . Ficus australis. Rudiment desselben. Nuphar luteum. Haar des jungen Blattes (Unterseite). Nuphar advena. Haarrudiment des Blattstieles. Berkleya lanceolata. Haar der Oberseite des jungen Blattes. Marsilea elata wie bei voriger. Nova Acta Acad. CLOG: Tab. XT Saal ger ee ER Fig. 6.b. MALY | en on = LAS Pig. 10. Lith buet Julius Klir R. Keller: Haarverlust an Vegelationsorganen der Gefälspflanzen. Taf: 1. F Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. (p. 58 Tabula II. 358 18. 19. 20a. b. 21k 22, 232. bi 24a. R. Keller. (p. 54) Tafel 2. . Platanus orientalis. Asthaar des jungen Stengeltheiles. . Platanus orientalis. Ein anderes im unteren Theil. . Platanus orientalis. Unterer Theil eines älteren Haares nach erfolgter Ab- lösung. . Bakhusia myrtifolia. Unterer Theil eines jungen Haares der Blattoberseite. . Dasselbe in etwas weiterer Entwickelung. . Entwickeltes Haar im Moment der Ablösung bei derselben. Rhodamnia trinervia.: Wie 15a. Rhodamnia trinervia. Ausgebildetes Haar unter einem Nerven des Blattes. . Desselben Rudiment. Melaleuca squamea. Wie 15a. . Melaleuca squamea. Haarrudiment. Calothamnus clavatus. Wie 15a. Callistemon rigidus. Wie 15a. Metrosideros tomentosa. Fertiges Haar des Blattes. Metrosideros tomentosa. Desselben Rudiment. Genista paniculata. Haar des jungen Stengels. Kennedya oblongata. Unterer Theil eines solchen. Olianthus australis. Haarrudiment der Blattoberseite. Clianthus australis. Dasselbe des Blattstieles. Cytisus ramosissimus. Unterer Theil des Haares einer sehr frühen Blattanlage (von 1,5 mm Länge). m . Derselben Pflanze eben ausgewachsenes Haar an einem Blatte von ca. 7 mm Länge. . Rudiment von älterer Blattoberseite derselben Pflanze. . Brachysema undulatum. Wie 24a. . Brachysema undulatum. Sich ablösendes Trichom des Blattes. Chorizema cordatum. Wie 24a. Nova Acta Acad. CL.C.G Nat. Car. Vol LY. Fig.16 a. Fig. teb. e | Fig tte. | | Fig. e | ple) | GEI re | ii / dh N / / d | if | MEN ae A JK Fu ral || WS / rh TT N if Eg. | WAGs I\/ D SE | | Il \ SG DEM 4 Fig Ge, | Ai fil] q è | HE EEN Fig.Ila | WW S S g Mig: 110, YN II) - 4 | } H | | | (II | | | HH | | | | EH bk Fig.16b. | Il / BER | {WU | Eer? | | | | | | | | | | (UH REB II | | | | | | | | | tel. | ELSE | j 1 / HAY lees acy, | BADZ | | Lé / || |y/ 4 > | | | | | | | \ | | 1 | | Vezch | | \ | | \ \ \ | | \ \ | \\ Il | | g | | | | | | | | | LAO == | | V = | Fig. 25 b. R. Keller: Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefälspflanzen. Tak 2. Haarverlust an Vegetationsorganen der Gefässpflanzen. (p. 55) 359 Tabala ALL 360 R. Keller (p. 56) Tafel 3. Leucadendron corymbosum. Unterer Theil des Haares von einem jungen Blatte nebst Queransicht der Endzelle. tudiment von der Blattoberseite derselben Pflanze. . Hakea suaveolens. Haar der jungen Blattanlage. . Hakea suaveolens. Rudiment am älteren Blatte auf dem Längsschnitte. Dasselbe auf dem Querschnitte. . Hakea suaveolens. Haar in Flächenansicht am ausgewachsenen Blatte. a. Pittosporum erassifolium. Haar des fertigen Blattes. . Pittosporum crassifolium. Abgestreifte Endzelle (körperlich). . Brachyglottis repanda. Haar des ausgebildeten Blattes. . Rudiment vom älteren Blatte derselben Pflanze. . Relhania trinervia. Untere Partie des Haares an der Blattanlage. . Desselben Rudiment an älterer Blattoberseite. Eurybia lyrata. Haarsti l mit Ansatz der Endzelle an jugendlicher Blatt- unterseite. . Von derselben Pflanze blattoberseits abgelöste Endzelle von unten gesehen. (J. = Insertionsste le.) Tilia grandifolia. Ur erer Theil des Haares von einem diesjährigen Zweige. a. Ficus pertusa. Bors! nhaar der Blattoberseite. . Ficus pertusa. Aelteres Rudiment desselben. . Ficus australis. Unterer Theil des Borstenhaares. . Ficus australis. Abbruchsrudiment desselben. a. Callicoma serratifolia. Haar des jungen Blattes. . Callicoma serratifolia. Rudiment an einem älteren. Fagus silvatica. Unterer Theil des Haares auf den Blattnerven. Nova Acta Acad.C1.0.6.Nat.Cur. Vol LV. hig. 260. EG GIE SÉ ve || SS Ku) ES Hy Pa | | Sa | - ag | | fog \\\y deg = fi 7 x | u / | / | FH Ka Lee Fig. 32. Fol Fig.34b.| | | | | i | j e Fig: 21 c. TER f \ Fig.278. \ K ` R. Keller: Haarverlust an Vegelatvonsorgamen der Gefälspflanzen. Taf: 3. NOVA ACTA der Ksl. Leop.-Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher Band LV. Nr. 6. Neue Gallmilben. Prof. Dr. Alfred Nalepa in Linz an der Donau. Mit 4 Tafeln Nr. XIV—XVII. Eingegangen bei der Akademie am 13. December 1890. HALLE. Sm | 1891. Druck von E. Blochmann & Sohn in Dresden. Für die Akademie in Commission bei Wilh. Engelmann in Leipzig. Meine fortgesetzten Arbeiten auf dem Gebiete der Systematik der Gall- milben haben nicht allein einen früher kaum geahnten Artenreichthum der Familie Phytoptida dargethan, sondern auch den Nachweis erbracht, dass eine und dieselbe Nährpflanze, ja sogar eine und dieselbe Gallbildung von mehreren Arten einer oder verschiedener Gattungen bewohnt sein kann. Es sind mir bereits Pflanzen bekannt, von denen bisher nur eine Gallenform nachgewiesen ist, die aber trotzdem von zwei oder mehreren verschiedenen Species bewohnt werden, z. B. Teucrium Chamaedrys L. von Phyllocoptes Teucrii und Phyll. octocinctus, Corylus Avellana L. von Phytoptus avellanae, Ph. vermiformis und Phyll. loricatus. Insbesondere sind es die Erineen, Blüthendeformationen, Blattrandrollungen ete. etc., kurz, alle offenen Gall- bildungen, in denen man fast regelmässig zwei oder mehrere Arten antrifft. Habe ich doch auf einem Sämling von Acer campestre L., .dessen Blätter von einem dichten Haarfilz fast vollständig überzogen waren, nicht weniger als 5 verschiedene Arten gefunden! Ich habe schon a. a. O.!) darauf hingewiesen, wie schwierig es in solchen Fällen ist, den Gallenerzeuger von den Inquilinen zu unterscheiden. Man sollte erwarten, dass die Untersuchung von Gallen, die ohne Begleitung von anderen Cecidien auf isolirt stehenden Pflanzenindividuen angetroffen werden, zur Lösung dieser Frage führen; allein auch diese Annahme ist eine irrige. Ich habe bei Besprechung von Ph. tiliae die Vermuthung aus- gesprochen, dass die kugeligen Nervenwinkelgallen wahrscheinlich auch von !) Beiträge zur Syst. d. Phytopten. Sitzungsber. d. Kais. Akademie d. Wissensch. in Wien, Bd. XCVIII. Abth. I. 1889. p. 6. 46* d \ $ 364 Dr. Alfred Nalepa. (p. 4) der genannten Species wie das Ceratoneon erzeugt werden. !) Dazu wurde ich durch den Umstand veranlasst, dass in den kugeligen Nervenwinkelgallen Phytoptus tiliae stets in grosser Menge vorgefunden wird. Durch die Freundlichkeit des Herrn Dr. von Schlechtendal gelangte ich kürzlich in den Besitz von Untersuchungsmaterial, das von einem isolirt stehenden Linden- strauche stammt, auf dessen Blättern sich keine andere Gallbildung als Nerven- winkelgallen fanden. Ich traf in denselben abermals die genannte Species in grosser Zahl, aber auch den Phyll. Ballei Nal. in vereinzelten Exemplaren. Wir sind also der Beantwortung der Frage nach dem Erzeuger der Nervenwinkelgallen im Grunde genommen keinen Schritt näher gekommen. In diesem, sowie in ähnlichen Fällen sind wir gezwungen, diejenige Art als den Gallenerzeuger anzusprechen, welche in den Cecidien relativ am häufigsten auftritt. Wenngleich die Nagelgallen sich äusserlich wohl von den kugeligen Nervenwinkelgallen unterscheiden, so müssen wir nach dem eben aus- gesprochenen Grundsatze dennoch den Phytoptus tiliae insolange für den Er- zeuger beider Gallenformen halten, als nicht eine andere Art in den Nerven- winkelgallen in grösserer Anzahl angetroffen wird. Den Phyll. Ballei, welcher nur sehr vereinzelt in diesen Gallen anzutreffen ist, dagegen sich sehr häufig auf gebriiuntem Lindenlaube findet, halte ich für diejenige Gallmilbenform, welche die Bräunung der Lindenblätter hervorruft. In jenen Fällen aber, wo ich mehrere Phytoptenarten auf einer Pflanze fand, von welcher bisher nur eine Cecidienform beschrieben wurde, wird es sich darum handeln, zu entscheiden, ob die beiden Arten constant auf dieser Pflanze vorkommen, oder die eine der beiden Arten einer anderen Nährpflanze angehört und nur zufällig auf jener Pflanze angetroffen wurde. Im ersteren Falle wird man nach den Missbildungen zu suchen haben, welche diese Form hervorruft. Die Erfahrung hat gelehrt, dass Gallmilben, welche unter gewissen Verhältnissen, wahrscheinlich, wenn sie in genügender Anzahl vorhanden sind, Gallbildungen erzeugen, nicht selten freilebend auf der Nährpflanze angetroffen werden oder noch häufiger in den von anderen Gallmilben erzeugten Cecidien 1) Zur Syst. der Gallmilben. Sitzungsber. d. Kais. Akad. d. Wissensch. in Wien, Bd. XCIX. Abth. I. 1890. p. 47. Neue Gallmilben. (p. 5) 365 angetroffen werden, ohne selbst Gallen zu erzeugen. So fand ich, um nur ein Beispiel anzuführen, auf den Blättern eines isolirt stehenden Birken- strauches alljährlich Blattknötchen, welche von dem Phytoptus betulae erzeugt werden. In demselben traf ich regelmässig einige Exemplare eines zweiten Phytoptus, den ich erst später als den Knospenverbildner von Betula, den Ph. calycophthirus kennen lernte; in der ganzen Gegend suchte ich aber ver- geblich nach Knospendeformationen. Ich kann nicht umhin, auf eine von mir schon vielfach beobachtete Erscheinung von biologischem Interesse hinzuweisen. Sie betrifft die Be- ziehungen der Gallmilben zu einem Pilze, dessen braune Hyphen und mehr- zellige, keulenförmige Sporen man nicht selten auf den Blättern antrifft. Dieser Pilz befällt, wie es scheint, am häufigsten Gallmilben, welche sich vor der Häutung in einem unbeweglichen Zustande befinden. So sah ich bereits einige Male Milben, welche von den Pilzhyphen wie mit Seilen um- schlungen und an die Unterlage gefesselt waren. Die matten Bewegungen der Milbe, welche man deutlich unter der Lupe beobachten konnte, waren nicht im Stande, die zahlreichen Hyphen, welche sich von ihrem Körper zur Unterlage spannten, zu zerreissen. Man kann dann nicht selten Hyphen im Inneren des Körpers wahrnehmen, welche kleine seitliche, haustorienähnliche Fortsätze treiben. In einigen Fällen beobachtete ich auch Gallmilben, welche in einer aus dicht verfilzten Hyphen gebildeten, röhrenartigen Scheide staken. Daneben findet man ziemlich häufig das Chitinskelet von Gallmilben, das wie ein Sack mit grossen runden, schwarzbraunen Sporen — ich zählte deren 18—20 — gefüllt war. Ob nun diese Sporen zu demselben Pilze gehören, wage ich nicht zu entscheiden. 366 Dr. Alfred Nalepa. (p. 6) ao Verzeichniss der von mir bisher untersuchten Cecidien. 1) Acer campestre L. a. Cephaloneon myriadeum Bremi — Phytoptus macrorhynchus. b. ©. solitarium Bremi — Ph. macrochelus. c. Rindengallen — Ph. heteronyx. d. Gebräunte Blätter — Tegonotus serratus und T. fastigatus. e. — ? Phyllocoptes aceris (freilebend). 2) Acer platanoides L. Rindengallen wie 1c. 3) Acer pseudoplatanus L. ~~ Ceratoneon vulgare Bremi wie 1b. Freilebend 1e. 4) Achillea Millefolium L. Versrünung der Blüthen — Phytoptus Kiefferi. | 5) Aesculus Hippocastanum L. | Gebräunte Blätter — Tegonotus carinatus. Í 6) Aesculus rubicunda Lois. wie 5. | 7) Alnus glutinosa L. / a. Cephaloneon pustulatum Bremi — Ph. laevis. b. Gebräunte Blätter — Teg. heptacanthus. — T. Trouessarti. 8) Alnus incana L. Ceph. pustulatum Bremi wie 7a. 9) Anchusa officinalis L. Vergrünung — Phyll. aspidophorus. 10) Asperula cynanchica L. Vergrünung der Blüthen — Phyll. minutus. rA „A = Fa Le SR Neue Gallmilben. (p. 7) 367 Asperula galioides Bieberst. wie 10. Avena pratensis L. Bliithendeformation — Ph. tenuis. Betula alba L. a. Knospendeformation — Ph. calycophthirus. b. Blattknötchen — Ph. Betulae. — Ph. leionotus — Phyll. acromius. Bromus mollis L. wie 12. Bromus sterilis L. wie 12. Buxus sempervirens L. Knospendeformation — Ph. Canestrinii. Camelina sativa Crtz. . Vergrünung — Ph. longior. Campanula rapunculoides L. Vergrünung — Cecidophyes Schmardai. Campanula rotundifolia L. wie 18. Capsella bursa pastoris Mönch. wie 17. Carpinus betulus L. Faltung der Blätter — Phytoptus macrotrichus. — (?) Phyll. carpini. Centaurea maculosa Jacq. Pocken — Ph. Centaureae. Clematis recta L. Blattfalten — Cec. heterogaster. Convolvolus arvensis L. Blattdeformation — Phyll. Convolvoli. Corylus Avellana L. Knospendeformation — Ph. avellanae und Ph. vermiformis. — (?) Phyll. loricatus. Crataegus oxyacantha L. a. Randrollung — Ph. goniothorac. b. Knospendeformation — Ph. calycobius. Erodium cicutarium L. Verkürzung der Blüthenstiele etc. — Cecidoph. Schlechtendali. 368 Dr. Alfred Nalepa. (p. 8) 28 Euphorbia Cyparissias L. Blattrandrollung — Cecidophyes Euphorbiae. 29) Euphrasia sp. Triebspitzendeformation — Ph. Euphrasiae. 30) Evonymus europaeus L. Blattrandrollung — C. convolvens. 31) Fragaria collina. Blattgallen — Phyllocoptes setiger. 82) Fraxinus excelsior L. a. Klunker — Ph. fraximi. b. Blattgallen — Ph. fraxinicola. c. Bräunung der Blätter — Phyll. epiphyllus. 33) Galium aparine L. Blattrandrollung — Cecidophyes galii. 34) Galium Mollugo L. wie 33. 35) Galium verum L. Vergrünung — Phyll. anthobius. 36) Geum urbanum L. Erineum — Cecidophyes nudus. 37) Helianthemum hirsutum 'Thuill. Vergrünung mit Zweigsucht — Ph. Rosalia. 38) Hieracium murorum L. Blattrandrollung — C. longisetus. 39) Hippophaë rhamnoides L. Blattausstülpung — Ph. Nalepai 'Trouess. 40) Juglans regia L. Pocken -— Ph. tristriatus. 41) Lepidium Draba L. Vergrünung etc. — Ph. longior v. Drabae Nal. 42) Medicago falcata L. Faltung der Blättchen — Ph. plicator. 43) Origanum vulgare L. Vergrünung — Ph. Origami. Neue Gallmilben. (p. 9) 369 44) Pinus silvestris L. Knotenartige Verdickung der Zweige — Ph. pini. 45) Populus alba L. Freilebend — Phyllocoptes retieulatus. 46) Populus nigra L. Knospendeformation — Ph. populi. 47) Populus tremula L. a. Knospendeformation — Ph. populi — Phyll. reticulatus. b. Blattstielgallen — Ph. diversipunctatus. c. Kräuselung und Randwiilste der Blätter — Ph. dispar. 48) Prunus domestica L. a. Cephaloneon hypocrateriforme Bremi — Ph. similis. b. Rindengallen — Ph. phloeocoptes. c. Bräunung der Blätter — Phyll. Fockewi Nal. et Trouess. 49) Prunus padus L. Ceratoneon attenuatum Bremi — Ph. padi. 50) Prumus spinosa L. Ceph. hypocrateriforme Bremi wie 48a. 51) Pirus communis L. a. Blattpocken — Ph. piri. ‘b) Bleichen der Blätter — Phyll.. Schlechtendali. 52) P. Malus L. wie 51b. 53) Rubus Idaeus L. Bleichen der Blätter — Cecidophyes gracilis. 54) Salix babylonica L. Wirrzopf — Phyll. phytoptoides. 55) S. fragilis L. Blattgallen — Cec. tetanothrix. 56) S. purpurea L. a. Wirrzopf — Ph. phyllocoptoides — Phyli. salicis. b. Randrollung der Blätter — C. truncatus. 57) Sambucus nigra L. Blattrandrollung — C. trilobus. Nova Acta LV. Nr. 6. 47 370 Dr. Alfred Nalepa. (p. 10) 58) Sedum reflecum L. Triebspitzendeformation — Ph. destructor. 59) Sisymbrium Sophia L. ba Vergrünung ete. — Ph. longior. 60) Syringa vulgaris L. Knospendeformation — Ph. Loewi. 61) Tanacetum vulgare L. Randrollungen — Ph. tuberculatus. 62) Teucrium Chamaedrys L. Blattrandausstülpungen — Phyl. Teuerü. — Phyll. Thymi. 63) Thymus Serpyllum L. Blatt- und Blüthendeformationen — Ph. Thomasi — Phyll. Thyma. 64) Tilia grandifolia Ehrh. a. Nervenwinkelgallen — Ph. tiliae. b. Nagelgallen — Ph. tiliae. c. Blattrandrollung — Ph. tetratrichus. d. Biäunung der Blätter — Phyllocoptes Ballei Nal. 65) Ulmus campestris L. a. Cephaloneonartige Blattgallen — Ph. ulmi. P b. Pocken — Ph. filiformis. c. Freilebend? — Phyll. mastigophorus. 66) Ulmus effusa Willd. Beutelförmige Blattgallen — Ph. brevipunctatus — Ph. multi- striatus. — (?) Phyll. heteroproctus. 67) Viburnum Lantana L. Cephaloneonartige Blattgallen — Ph. Viburni. 68) Vitis vinifera L. Erineum Vitis — Ph. vitis Land. Nachtrag. 69) Salvia pratensis L. und S. silvestris L. Ausstiilpungen der Blattspreite nach oben — Ph. Salviae. 1 | { V Neue Gallmilben. (p. 11) 371 Phytoptus longior n. sp. | (Ph. longior var. drabae et var. Capsellae m.) (Gd ermas Daa roait bry uit bas?) Die Untersuchung frischen Materials von Phytoptus drabae, welcher bekanntlich die Vergrünung der Blüthen von Lepidium Draba L. hervorruft!), hat mich zur Ueberzeugung geführt, dass diese Species mit der in den > Blüthendeformationen von Capsella Bursa pastoris Mönch. lebenden Art, die ich vorläufig Ph. Capsellae nannte), identisch ist und höchstens als eine Varietät der letzteren Art gelten kann. Durch das freundliche Entgegen- kommen des ausgezeichneten Gallenkenners, Herrn Dr. D. v. Schlechtendal, war es mir möglich, auch die Vergrünungen anderer Cruciferen untersuchen zu können, und zwar jene von Camelina sativa Crantz und Sisymbrium Sophia L. — Die Untersuchung ergab die interessante Thatsache, dass auch die Vergrünungen der beiden letztgenannten Kreuzblüther von derselben Gall- milbenart erzeugt werden, welche die Blüthen von Lepidium und Capsella de- formirt, und die ich deshalb allgemein Phytoptus longior nenne. | Die auf Camelina und Capsella lebenden Exemplare sind kaum von einander zu unterscheiden, hingegen weichen sie ziemlich auffällig von jenen Gallmilben ab, die die Blüthendeformation an Lepidium und Sisymbrium her- vorrufen, und die wieder untereinander am meisten übereinstimmen. Die Schmarotzer der beiden letzten Pflanzen sind im Allgemeinen kleiner und schwächer entwickelt. Die Punktirung ist viel feiner, die Zeich- nung des Rückenschildes häufig undeutlich. | 1) System. der Gallmilben. Sitzungsber. d. Kais. Akad. d. Wissensch. in Wien, | Bd. XCIX, p. 58. \ 2) Neue Gallmilben. Anzeiger der Kais. Akad. d. Wissensch. in Wien, 9. Jänner J D 1890, Nr. 1. 372 Dr. Alfred Nalepa. (p. 12) Es ziemt sich, nicht unerwähnt zu lassen, dass schon Löw die Ver- muthung aussprach, dass die Acarocecidien von Lepidium und Camelina von derselben Gallmilbenart herzurühren scheinen. 11 Freilich war für Löw nicht das Ergebniss der zoologischen Untersuchung bestimmend, sondern der Um- stand, dass beide Ceeidien gleichzeitig an ein und derselben Stelle vorkommen. Dass Löw auch für die beiden anderen Pflanzen denselben Urheber ver- muthete, kann ich aus seinen Berichten über die genannten Cecidien nicht an- nehmen. Im Nachstehenden gebe ich eine genauere Beschreibung und auf Taf. 1. Fig. 12 auch eine bessere Abbildung von Ph. longior aus den Vergriinungen von Capsella. Körper auffallend gross, walzenfürmig, bei vollreifen Weibchen nicht selten spindelförmig, 4—41/, Mal so lang als breit, mit dreieckigem Thoracal- schild. Die Zeichnung ist sehr deutlich und auf das Mittelfeld beschränkt. Sie besteht aus einer Medianleiste, welche vom Hinterrande nach vorn ver- läuft, ohne jedoch den Vorderrand zu erreichen. Zu beiden Seiten derselben ziehen je zwei wellige Leisten, von denen die äusseren den Hinterrand nicht erreichen. Die Seitenfelder sind grob gekörnt. Die Borstenhöcker der Rücken- borsten sitzen am Hinterrande des Schildes und tragen sehr steife, nach hinten gerichtete Borsten von etwa doppelter Schildlänge. Der Rüssel ist kurz, kaum 0,022 mm lang, gerade und schief nach vorn und unten gerichtet, Die Beine sind kräftig, deutlich gegliedert, die beiden Tarsalglieder bedeutend schwächer, als Femur und Tibia. Letztes Tarsalglied nur wenig kürzer, als das erste. Kralle fein, sanft gebogen, kaum länger, als die deut- lich fünfstrahlige Haftklaue. Tihialborste lang und steif. Das zweite Brust- borstenpaar sitzt ziemlich weit von den inneren Epimerenecken entfernt. Das lange, walzenförmige Abdomen ist deutlich geringelt (ca. 80 Ringe) und mehr oder minder grob punktirt. Die letzten 5—8 Ringe sind auf der Dorsalseite häufig glatt oder doch nur undeutlich punktirt. Der Anallappen ist gross und trägt relativ kurze, geisselformige Schwanzborsten 1) Löw, Ueber Milbengallen (Acarocecidien) der Wiener Gegend. Zool.-botan. Ges. Bd. XXIV. Abh. 1874. ` j | | Neue Gallmilben. (p. 13) 373 mit steifen, geraden Nebenborsten. Die ersten Bauchborsten sind etwa so lang, als die Riickenborsten und steif. Der äussere weibliche Geschlechtsapparat ist gross (0,036 mm) und reicht seitlich über die unteren Epimerenecken hinaus. Die untere Klappe ist beckenfürmig, die obere längsgestreift. Die Genitalborsten sind lang, steif und seitenständig. Kier rund, ca. 0,04 mm. Länge des Weibcehens durchschnittlich 0,24 mm, Breite 0,056 mm. Länge des Männchens durchschnittlich 0,15 mm, Breite 0,05 mm, Geschlechtsspalte 0,22 mm. Phytoptus longior ruft eine Vergrünung der Blüthen im Vereine mit ab- normer Behaarung und Verkriimmung der Laubblätter von Capsella bursa pastoris L., Camelina sativa Crtz., Lepidium Draba L. und Sisymbrium Sophia L. Genaue Beschreibungen der genannten Cecidien finden sich bei Thomas, v. Schlechtendal und Löw. Phytoptus tetratrichus n. sp. (Tait? Big. 3’und 4.) Körper walzenförmig, bei vollreifen Weibchen spindelförmig, etwa 5—6 Mal so lang als breit. Thoracalschild fast dreieckig, nach hinten scharf abgegrenzt. Das Mittelfeld tritt in Form eines hohen, gleichschenkeligen Dreiecks aus der Ebene des Schildes hervor. An der Basis desselben, nahe am Hinterrande, sitzen die feinen, nach vorn gerichteten Riickenborsten. Der Rand des Schildes wird von einer bogenförmigen Leiste umzogen, in deren vorderer winkeliger Einbuchtung eine kurze Borste sitzt. Der Schild dieser Species trägt daher, wie ich dies für den Phyt. avellanae!) gezeigt habe, neben dem normalen Rückenborstenpaar noch ein Paar kürzere an der Vorder- seite des Schildes. Die Beine sind ziemlich schlank, deutlich gegliedert. Das Endglied ist nur wenig kürzer, als das vorletzte. Die Borsten sind allgemein sehr zart. Die federförmige Haftklaue ist sehr deutlich dreistrahlig; das letzte 1) Nalepa, Beiträge zur Systematik der Phytopten. Sitzungsber. d. Kais. Akad. d. Wissensch. in Wien. Bd. XCVIII. Abth. I. 1889, p. 126. 374 Dr. Alfred Nalepa. (p. 14) Strahlenpaar steht vom mittleren weiter ab, als dieses vom ersten. Die Kralle ist klein und sanft gebogen. Die Epimeren sind etwas gestreckt, das Sternum ist lang, ohne jedoch A den inneren Epimerenwinkel zu erreichen. An demselben sitzen die Brust- borsten des zweiten Paares nicht selten in einer Vertiefung. Das erste Brust- borstenpaar steht über dem oberen Sternalende. Der Rüssel ist kräftig, 0,02 mm lang und schief nach vorn gerichtet. Das walzenförmige Abdomen endigt in einen deutlichen Schwanz- lappen, welcher oberseits sehr feine, lange Schwanzborsten und die sehr kurzen und feinen Nebenborsten trägt. Die Ringelung ist eine sehr deutliche, man zählt auf der Rückseite ca. 65—70 Ringe, die entweder feine Punkt- reihen tragen oder glatt sind. Die Abdominalborsten sind im Allgemeinen kurz und fein. Auf der Rückseite des Abdomens findet sich, etwa zwischen den Seitenborsten und dem ersten Bauchborstenpaare noch ein Paar ziemlich langer, steifer Borsten, ähnlich wie bei Phytoptus avellanae m. Eine ähnliche Beborstung wie Ph. tetratrichus weist unter den Phyllocoptiden Ph. setiger aus den Blattgallen von Fragaria collina L. aut. Der äussere weibliche Geschlechtsapparat ist sehr klein, 4 liegt unterhalb der Epimerenenden und erreicht kaum die äusseren Epimeren- ecken. Die untere Klappe ist flach, halbkugelförmig, die obere glatt. Die Genitalborsten sind kurz, fein und fast unterständig. Eier rund. Länge des Weibchens durchschnittlich 0,18 mm, Breite 0,036 mm, 3reite der Vulva 0,018 mm. Länge des Männchens 0,14 mm, Breite 0,032 mm. Phytoptus tetratrichus erzeugt Rollungen und Verkrümmungen des Blattrandes bei Tilia grandifolia Ehrh.; ich fand ihn zugleich mit Phyllocoptes Ballei Nal. Phytoptus filiformis n. sp. (Taf. 1, Fig. 5 und 6.) Körper auffallend dünn, wurmförmig, beim 5 6 bis 7 Mal, beim Q 10 bis 12 Mal so lang als breit. Thoracalschild klein, dreieckig, das Mittelschild von neun deutlichen Längsleisten, die beiden Seitenfelder von E m all ke? Neue Gallmilben. (p. 15) 375 zahlreichen unregelmässigen Bogenleisten durchzogen. Borstenhöcker am Hinterrande, denselben meist überragend. Rückenborsten fein, steif. Der Rüssel ist ziemlich lang (0,015), schwach gekrümmt und nach vorn gerichtet. Die Beine sind verhältnissmässig kurz, die beiden Endglieder von nahe gleicher Länge und Stärke. Kralle schwach gebogen, sehr fein, Haft- klaue sehr zart, dreistrahlig. Die Epimeren sehr gestreckt, Medianleiste lang. Das zweite Brustborstenpaar sitzt über dem inneren Epimerenwinkel. Das Abdomen ist auffallend lang, wurmförmig, durchwegs gleich ge- ringelt und fein punktirt. Der Schwanzlappen ist deutlich, die Schwanzborsten geisselförmig und von steifen Nebenborsten begleitet. Die Seitenborsten sind lang, & sind klein, ungemein zart und schwer sichtbar. Die Borsten des zweiten Bauch- borstenpaares sitzen ziemlich in der Mitte des Abdomens und sind sehr kurz. Die auffallende Streckung des Körpers bedingt eine bedeutende und für die vorliegende Art charakteristische Verschiebung der äusseren Ge- schlechtsöffnung nach hinten, so dass zwischen den Epimerenenden und der weiblichen Geschlechtsöffnung ca. 10 Körperringel eingeschoben sind. Die weibliche Geschlechtsöffnung ist klein (0,01 mm), die Deck- klappe deutlich und sparsam längs gestreift. Die Genitalborsten sind seiten- ständig und kurz. Eier rund. Die Länge des Weibchens beträgt ca. 0,17 mm, die Breite 0,015 mm. Die Länge des Männchens ca. 0,12 mm, die Breite ca. 0,02 mm. Vorliegende Phytoptusart erzeugt Pocken auf den Blättern von Ulmus campestris L. und findet sich in den Intercellularräumen des Mesophylls an den inficirten Stellen in bedeutender Anzahl. Freilebend auf den mit Pocken behafteten Ulmenblättern fand ich eine durch lange, peitschenförmige und nach vorne gerichteten Rückenborsten aus- gezeichnete Phyllocoptesart, den Phyll. mastigophorus. Phytoptus Rosalia n. sp. (Taf. 1. Fig. 7 und 8, Taf. 3. Fig. 7.) Körper walzenförmig, Thoracalschild fast halbkreisförmig mit abgestutztem oder ausgerandetem Vorderrande. Das Medianfeld zeigt fünf stark vortretende Längsleisten, von denen die seitlichen im Bogen zu den 376 Dr. Alfred Nalepa. (p. 16) Borstenhéckern verlaufen; die Seitenfelder sind im unteren Theile kräftig punktirt. Die Borstenhöcker stehen vom Rande etwas entfernt und tragen ziemlich steife Borsten von etwa doppelter Schildlänge. Der Rüssel ist beiläufie 0,014 mm lang, sanft gebogen und nach vorne gerichtet. Die Beine sind deutlich gegliedert, schlank und tragen lange, feine Borsten. Die Kralle ist wenig gebogen, die Haftklaue sehr zart, vierstrahlig. Sternalleiste vorhanden. Zweites Brustborstenpaar über der Epimerenbiegung sitzend. Das Abdomen ist walzenförmig, fein geringelt (80 bis 90 Ringe) und punktirt und verjüngt sich erst im letzten Viertel. Die von Nebenborsten begleiteten Schwanzborsten sind sehr lang und fein. Auffallend ist die be- deutende Länge der Bauchborsten des ersten Paares, welche fast das hintere Körperende erreichen. Die Seitenborsten sind gleichfalls von bedeutender Länge und sitzen etwas unterhalb der Geschlechtsöffnung. Die Bauchborsten des dritten Paares sind hingegen ungemein zart und kurz, so dass sie oft schwer aufzufinden sind. Sie sind nicht wie gewöhnlich einander stark geniihert, sondern sie stehen von einander fast ebenso weit entfernt als die Borsten des ersten Paares. Der äussere weibliche Geschlechtsapparat ist verhältnissmässig klein (0,018 mm); die vordere Klappe ist feingestreift, die hintere flach, beekenförmig. Die Genitalborsten sind ziemlich lang, fast grundständig. Kier rundlich. Die Länge des Weibchens beträgt im Mittel 0,17 mm, die Breite 0,03 mm. Die Länge des Männchens ca. 0,14 mm, die Breite ca. 0,031. Phytoptus Rosalia erzeugt Vergrünung der Blüthen des Sonnen- röschens (Helianthemum) mit Zweigsucht und abnormer Behaarung. (Siehe Taf. 3. Fig. 7.) Die vorliegende Helianthemumart soll nach Kerners Schedae ad floram exsiccatam austro-hungaricam II, 1883, p. 71, nicht Helianthemum vulgare Gart., wie ich Anfangs annahm, sein, sondern H. hisurtum Thuill. (= H. obscurum Pers.) Ich fand das genannte Phytopto- cecidium in vereinzelten Exemplaren auf dem westlichen Abhange des Schloss- berges von Thernberg bei Aspang in Nieder-Oesterreich im Monate August. w Neue Gallmilben. (p. 1%) Phytoptus Origani n. sp. > (Taf. 2. Fig. 1 und 2.) Körper walzenförmig, Vhoracalschild halbkreisförmig, nach: hinten scharf begrenzt. Zeichnung desselben deutlich, meist aus fünf, mehrfach ge- brochenen Längslinien gebildet, welche das Mittelfeld durchziehen; zwischen denselben nicht selten kürzere, unregelmässig vertheilte Linien eingeschaltet. Die Seitentheile haben von zahlreichen, dicht stehenden, strichförmigen Höckern ein gekörntes Aussehen. Die Höcker der Riickenborsten überragen den Hinterrand und tragen feine, steife Riickenborsten, welche etwa 11/, Mal so Jang sind als der Schild. Der Rüssel ist kurz (0,022 mm) und sehr schräg nach vom gerichtet. Die Beine sind kurz, deutlich gegliedert; die beiden Tarsalglieder sind von annähernd gleicher Länge. Kralle stumpf, schwach gebogen, Haft- klaue zart, fünfstrahlig. Sternalleiste vorhanden. Die Brustborsten des ersten Paares sind verhältnissmässig lang und sitzen ziemlich tief, etwa in der Höhe des oberen Endes des Sternums. | Das walzenförmige Abdomen endigt in einen schmalen, langen Anal- lappen, welcher lange, geisselfürmige Analborsten und kurze, stiftfürmige Nebenborsten trägt. Die Bauchborsten sind sehr lang und fein. Das Ab- domen ist fein geringelt und sehr fein punktirt. Der weibliche Geschlechtsapparat ist auffallend gross (0,03 mm) und reicht seitlich über die Epimerenecken hinaus. Die untere Klappe ist trichterförmig, die obere halbkreisférmig und fein gestreift; die Eier sind rund. Länge des Weibchens 0,18 mm, Breite 0,04 mm. Länge des Männchens 0,14 mm, Breite 0,44 mm. Phytoptus Origani lebt in den vergrünten Blüthen und in den zu weisshaarigen Köpfchen umgestalteten Blüthenständen von Origanum vul- gare L. An Stelle der Blüthen finden sich zahlreiche ovale, weissfilzige, Noya Acta LV. Nr. 6. 48 =? ~? 378 Dr. Alfred Nalepa. (p. 18) schuppenartig über einander liegende Blättchen. Da auch die Blüthenstiele und Internodien verkürzt sind, so erscheinen die deformirten Blüthen als mehr oder minder grössere, kopfförmige Anhäufungen an den Enden der Zweige. Ich fand dieses Phytoptocecidium am Wege nach Buchenau bei Linz a. D. und bei der St. Wolfgangskirche bei Kirchberg a. W. in Nieder -Oesterreich. Phytoptus heteronyx n. sp. (Taf. 2. Fig. 5 und 6, Taf. 3. Fig. 8 und 9.) Körper spindel- bis walzenförmig, Thoracalschild dreieckig bis halb- kreisförmig, zur Körperachse stark geneigt, daher in der Rückenansicht sehr verkürzt erscheinend. Die Seitenränder des Schildes decken die Hüftglieder des ersten Beinpaares gar nicht, die des zweiten nur unvollständig. Die Borstenhöcker stehen einander ziemlich genähert und sind randständig. Riickenborsten etwa doppelt so lang als der Schild und steif. Der Rüssel ist kurz, wenig gebogen, schräg nach vorn gerichtet und 0,016 mm: lang. Die Beine sind kurz, undeutlich gegliedert, die beiden Endglieder von ziemlich gleicher Länge und Stärke. Die Haftklaue ist sehr klein, vierstrahlig; auffällig ist die verschiedene Länge der Krallen an den Beinpaaren: Das erste Beinpaar trägt eine Kralle, die nur wenig länger als die federförmige Haftklaue ist, doppelt so lang ist als die Haftklaue. Sternalleiste Jang. Abweichend ist die Stellung der Brustborsten, da das zweite Borstenpaar nicht am das zweite Beinpaar hingegen besitzt eine Kralle, die fast Epimerenwinkel, sondern ziemlich hoch oben sitzt und weiter von einander absteht als die Borsten des ersten Paares, welche unterhalb des oberen Endes der Sternalleiste sitzen. Das spindel- oder walzenförmige Abdomen zeichnet sich durch seine grobe Ringelung aus. Die Anzahl der Körperringel ist demgemäss eine ver- hältnissmässig kleine, ca. 48. Die Punktirung ist eine sehr deutliche, sie fehlt jedoch auf der Dorsalseite der letzten 12 bis 15 Körperringel und ist auf der Ventralseite meist etwas enger. Von den Bauchborsten fallen die des | | e ET Ge Neue Gallmilben. (p. 19) 379 ersten Paares durch ihre Länge auf. Schwanzlappen deutlich, Schwanzborsten ziemlich lang, geisselfürmig; Nebenborsten vorhanden. Der weibliche äussere Geschlechtsapparat ist klein (0,0168 mm), die untere Klappe fast halbkugelig, die obere ziemlich flach und mit stark vortretenden Längsstreifen versehen. Genitalborsten ziemlich kurz, grundständig. Mittlere Länge des Weibchens 0,13 mm, Breite 0,03 mm. Mittlere Länge des Männchens 0,11 mm, Breite 0,025 mm. Die beschriebene Gallmilbe erzeugt an der Rinde der Zweige, ins- besondere an den unteren Enden der Jahrestriebe von Acer campestre L. unregelmiissige, warzenförmige Rindengallen von der Grösse eines Mohn- kornes bis zu der eines Hanfkornes. Auch in den Rindengallen von Acer platanoides 1. fand ich dieselbe Species. Phytoptus phyllocoptoides n. sp. (Tat. 3. rig, 1 und 2.) Körper walzenförmig, Thoracalschild dreieckig, mit nur wenig vor- gezogenem Vorderrande. Borstenhöcker cylindrisch, randständig, Rücken- borsten von etwa doppelter Schildlänge, steif. Mediantheil etwas erhöht und durch zwei bogenförmig verlaufende Furchen begrenzt. Die Oberfläche er- scheint zumeist glatt, zeigt jedoch bei einzelnen Exemplaren mehrere unregel- mässige [iingsleisten. Der Seitenrand des Schildes deckt die Coxalglieder nur unvollkommen. Der Rüssel ist lang (0,022 mm), kräftig und stark winkelig gebogen, vom Schilde nur unvollkommen bedeckt. Die Beine sind deutlich gegliedert, schlank, die beiden Endglieder fast um die Hälfte schwächer als der Femur. Haftklaue vierstrahlig, Kralle schwach gebogen, stumpf. Sternalleiste lang. Die Borsten des ersten Brust- borstenpaares sitzen fast in gleicher Höhe mit dem oberen Ende der Sternal- leiste, die des zweiten Paares hart an dem Epimerenwinkel, die des dritten Paares nur wenig unterhalb der letzteren an der äusseren Epimerenleiste des 48* tu 380 Dr. Alfred Nalepa. (p. 20) zweiten Beinpaares. Die Borsten dieses Paares fallen durch ihre Länge be- sonders auf. Das Abdomen ist walzenförmig. und endigt in einen deutlichen Schwanzlappen, welcher die ziemlich steifen und langen Schwanzborsten und die sehr zarten, kurzen Nebenborsten trägt. Auffallend und von den echten Phytopten abweichend ist die Ringelung des Abdomens, sie ist keine gleich- artige, indem die Chitindecke der Dorsalseite in etwa 48 bis 50 0,0022 mm breite Halbringe zerfällt, während die Ventralseite feine Furchen zeigt, die fein punktirt sind, und von denen etwa je zwei auf einen dorsalen Halbring entfallen. Durch diese Differenzirung zwischen Dorsal- und Ventralseite nähert sich vorliegende Phytoptenspecies sehr den Phyllocopten, und wir haben es hier mit einer Zwischenform der beiden genannten Gattungen zu thun. Bei der Entscheidung der Frage, zu welcher Gattung die beschriebene Gall- milbe zu stellen sein wird, waren die mit den echten Phytopten vollkommen iibereinstimmende Körperform, sowie auch die noch sehr schmalen dorsalen Halbringe maassgebend. Ein ganz ähnliches Verhältniss werden wir bei der später zu besprechenden Phyllocoptenspecies, Phyllocoptes phytoptoides, kennen lernen. Auch hier stimmt im Grossen und Ganzen die äussere Körpergestalt mit jener der echten Phytopten überein, allein die Dorsalseite ist bereits in breite Halbringe getheilt, wodurch, eine nähere Verwandtschaft mit den echten Phyllocopten angebahnt erscheint. Die Seitenborsten, sowie die Bauchborsten des ersten Paares sind un- gemein Jang. Auch die des dritten Paares reichen über den Schwanz- lappen hinaus. Die durchschnittliche Länge des Weibchens beträgt 0,16 mm, die durchschnittliche Breite 0,04 mm. Die Vulva ist klein, kaum 0,02 mm breit und besitzt eine fein ge- streifte Deckklappe. Die Genitalborsten sind lang, fein und fast grund- ständig. Die Länge des Männchens beträgt ca. 0,12 mm, die Breite 0,028 mm. Ich fand diese merkwürdige Phytoptenart in Gesellschaft mit Phyllo- coptes salicis in den Wirrzöpfen von Salix purpurea L. > > Y Neue Gallmilben. (p. 21) ; 381 Phytoptus plicator n. sp. (Taf. 3. Fig. 3 und 4.) Der Körper ist walzenförmig, der Thoracalschild fast dreieckig. Seine Oberfläche trägt die auf Taf. 3 Fig. 4. dargestellte Zeichnung. Zwischen den Borstenhöckern ziehen zur Seite einer medianen Leiste je zwei unregel- mässig nach aussen gebogene Leisten. -Die Seitentheile des Schildes sind grob punktirt und von undeutlichen Linien durchzogen. Die Höcker der Rücken- borsten stehen am Hinterrande des Schildes. Die Rückenborsten sind länger als der Schild und fein. Der Rüssel ist 0,025 mm lang, kräftig und schräg nach abwärts gerichtet. Die Stützleisten der Beine sind lang. Sternalleiste vorhanden. Das zweite Brustborstenpaar über dem inneren Winkel der Epimeren. Die Beine sind deutlich gegliedert. Die Kralle ist stumpf, die Haft- klaue fünfstrahlig. Das Abdomen ist gleichartig fein geringelt (ca. 80 Ringe), jeder Ring trägt eine Reihe feiner Punkte. Der Schwanzlappen ist gross, die Schwanzborsten sind lang, geisselförmig, von feinen, ziemlich Jangen Neben- borsten begleitet. Auffallend sind die sehr langen und feinen Seitenborsten, sowie die Borsten des ersten Abdominalborstenpaares. Der weibliche Geschlechtsapparat ist auffallend gross (0,028 mm), fast herzförmig und von einer von starken Längsleisten durchzogenen Klappe geschlossen. Die Genitalborsten sind lang und sitzen seitlich. Die Länge des Weibchens beträgt durchschnittlich ca. 0,19 mm, die Breite ca. 0,044 mm. Länge des Männchens ca. 0,15 mm, Breite ca. 0,038 mm. Vorliegende Milbe besitzt eine grosse Aehnlichkeit mit dem Phytoptus longior, unterscheidet sich aber von diesem leicht durch die abweichende Länge der Abdominalborsten und die verschiedene Zeichnung des Schildes. nie 382 Dr. Alfred Nalepa. (p. 22) Phytoptus plicator verursacht die Faltung der Blättchen von Medicago falcata L. Die Blättchen sind nach oben gefaltet und purpurviolett iber- diekung des Gewebes. Löw beschrieb dieses Phytoptoceeidium zuerst 1); er laufen; sie zeigen weder eine abnorme Behaarung, noch eine merkliche Ver- a fand in demselben zahlreiche, sehr grosse, weisse Phytopten. Phytoptus macrochelus n. sp. (Bat, Segen) Gailan 2) 804,17.) Körper walzenförmig, beim 6 kaum 4 Mal, beim Q etwa 41/,—5 Mal | so lang als breit. 'Thoracalschild auffallend klein, fast dreieckig; die Hüften- | glieder des ersten und zweiten Beinpaares werden von den Seitenrändern | nicht bedeckt. Die Zeichnung des Schildes ist ziemlich undeutlich : Im Mittel- felde sind eine unvollständige Mittel- und je eine seitliche Bogenleiste zu er- kennen; auch die Seitenfelder werden von je einer (?) Bogenleiste durchzogen. Die Borstenhöcker stehen nahe am Hinterrande und tragen die steifen Rücken- borsten, welche etwa die 13/,-fache Schildlänge haben. Der Rüssel ist 0,012 mm lang, wenig gebogen und schräg nach abwärts gerichtet. Die Beine sind schlank und deutlich gegliedert. Auffallend und sehr charakteristisch sind die langen, nur schwach gebogenen Krallen, welche die deutlich vierstrahlige Haftklaue um fast mehr als das Doppelte überragen. borsten: Das dritte Paar ist sehr seitlich gestellt, das zweite Paar sitzt hoch oben, fast senkrecht unter dem ersten Paare. Das Abdomen ist walzenförmig, sehr deutlich geringelt (60-—70 Ringe) und punktirt. Die Seitenborsten sind kurz, sehr zart und sitzen etwas unterhalb der Geschlechtsöffnung. Die Borsten des ersten Bauchborstenpaares sind lang und fein, die des zweiten Paares sehr kurz. Die Schwanzborsten 1) Löw, Fr., Ueber Milbengallen (Acaroceeidien) der Wiener Gegend. . Verhandl. der k. k. zool.-bot. Gesellsch. Bd. XXIV. 1874, p. 501. | | | | | | | | | | | Eine Sternalleiste ist vorhanden. Abweichend ist auch die Stellung der Brust- | | | | | | | | | | | | | | | Neue Gallmilben. (p. 23) 383 sind mittellang, geisselförmig und von ungemein kleinen, kaum sichtbaren Nebenborsten begleitet. Die weibliche Geschlechtsöffnung (0,019 mm) besitzt eine sehr flache untere und eine längsgestreifte obere Klappe. Die Genitalborsten sind grundständig und kurz,.die Eier rund. Durchschnittliche Länge und Breite des Weibchens: 0,14 mm, 0,03 mm. Durchschnittliche Länge und Breite des Männchens: 0,11 mm, 0,03 mm. Breite des männlichen Geschlechtsapparates 0,016 mm. Phytoptus macrochelus erzeugt die auf Taf. 2. Fig. 7 abgebildeten Nervenwinkelgallen von Acer campestre L. Phytoptus laevis n. sp. (Taf. 4. Fig. 1 und 2. Taf.3. Fig. 11.) Körper walzenförmig, beim Männchen tonnenförmig, 4—5 Mal so lang als breit. Thoracalschild halbkreisförmig, glatt. Borstenhöcker einander genähert, nahe dem Hinterrande, doch diesen nicht erreichend. Riickenborsten kurz, kaum so lang als der Schild und nach aufwärts gerichtet. Rüssel kurz (0,014 mm), schräg nach vorn gestellt. Die Beine sind kräftig, deutlich gegliedert und ziemlich lang. Kralle fein, sanft gebogen, Haftklaue federförmig, vierstrahlig. Sternalleiste vor- handen. Zweites Brustborstenpaar über dem Epimerenwinkel, der Sternalleiste genähert. Abdomen walzenförmig, sich allmählich nach hinten verjüngend und in einen ziemlich grossen Schwanzlappen ausgehend. Schwanzborsten mittel- lang, geisselförmig, mit Nebenborsten. Auffallend und für die Species sehr charakteristisch ist die breite Ringelung. Man zählt ca. 45 Ringe von ziem- licher Breite. Diese sind meist glatt, doch findet man vereinzelte Exemplare, welche an den Ringen äusserst feine Punktreihen oder an der Bauchseite drei bis vier Längsreihen von grösseren Höckern erkennen lassen. 384 Dr. Alfred Nalepa. (p. 24) Die Seitenborsten haben ziemlich die gleiche Länge, wie die Borsten des ersten Bauchborstenpaares. Die weibliche Geschlechtsöffnung weist eine flach gewölbte obere und eine fast halbkugelige untere Deckklappe auf. Die Genitalborsten sind seitenständig. Eier rund. Länge des Weibchens ca. 0,16 mm, Breite ca. 0,042 mm. Länge des Männchens ca. 0,14 mm, Breite ca. 0,04 mm. Phytoptus laevis erzeugt das Cephaloneon pustulatum Bremi auf den Blättern von Alnus glutinosa L. (Kirchberg a. W., Thernberg) und Alnus in- cana L, (Thernberg). Phytoptus leionotus n. sp. In den Blattknétchen von Betula alba L. fand ich vor längerer Zeit einen Phytoptus, der grosse Aehnlichkeit mit dem Ph. laevis besitzt, nebst einer zweiten Species, welche sehr an den Ph. vermiformis erinnert, in ver- einzelten Exemplaren. Die erstere Species halte ich für den Erzeuger der Blattknötchen, die zweite Species, Phytoptus calycophthirus, deren Gallenbildung ich bisher nicht feststellen konnte, erwies sich als der Erzeuger der Knospendeformationen. Ich gebe im Nachstehenden eine kurze Beschreibung beider Species, die ich später, sobald ich frisches Material erhalte, auch abbilden werde. Phytoptus leionotus besitzt einen walzenförmigen Körper mit ziemlich kleinem, halbkreisförmigem, glattem Thoracalschild. Vom Hinterrande etwas entfernt und einander genähert, stehen die Borstenhöcker der kurzen nach auf- wärts gerichteten Riickenborsten. Die Beine sind kräftig, ziemlich lang; die beiden Tarsalglieder wenig scharf gesondert, gleich lang. Der Umriss der federförmigen, vierstrahligen Haftklaue ist rundlich, dié Kralle kurz, stark gebogen. Das Abdomen ist breit geringelt (ca. 50 Ringe), glatt, nur an der Bauchseite bemerkt man vereinzelte kleine Höcker. Die Abdominalborsten .—— roo Neue Gallmilben. (p. 25) 385 sind von mittlerer Länge. Der Schwanzlappen ist gross. Auffallend sind die langen, steifen Nebenborsten. Die vordere Klappe des weiblichen Geschlechtsapparates ist glatt. Die mittlere Länge des Weibchens beträgt ca. 0,18 mm, die mittlere Breite 0,048 mm. Phytoptus calycophthirus. Die genannte Species fand ich in den deformirten Knospen der Birke, welche Herr Kieffer die Freundlichkeit hatte mir einzusenden. Der Körper ist wurmförmig bis walzenformig, der ‘horacalschild halbelliptisch mit etwa fünf deutlichen Längsleisten, von denen drei auf das Mittelfeld entfallen. Die Borstenhöcker sind gross und sitzen nahe am Hinterrande, von einander ziemlich entfernt. Die Riickenborsten sind länger als der Schild. Die Beine sind kurz, undeutlich gegliedert. Die Haftklaue ist feder- förmig, vierstrahlig, die Kralle lang, schwach gebogen, öfters schwach ge- knöpft. Auffallend ist die Stellung des zweiten Brustborstenpaares, welches weit nach vorn gerückt erscheint. Das Abdomen ist breit geringelt und weitschichtig punktirt. Die Borsten des ersten Paares sind sehr lang und fein. Der Anallappen ist deutlich und trägt lange, fädliche Schwanzborsten und keine Neben- borsten. Die vordere Klappe des weiblichen Geschlechtsapparates ist glatt. Die mittlere Länge des Weibchens beträgt 0,19 mm, die mittlere Breite 0,032 mm. Cecidophyes gracilis n. sp. (Taf. 1. Fig. 9 und 10.) Der Körper ist spindelförmig, hinter dem Thoracalschilde am breitesten und verschmälert sich dann nach hinten allmählich. Der Schild Nova Acta LV. Nr. 6. 49 386 Dr. Alfred Nalepa. (p. 26) ist halbkreisförmig und besitzt stark nach einwärts gebogene Seitenränder. Der Vorderrand ist etwas über den Rüssel vorgezogen, der Hinterrand gegen das Abdomen scharf abgegrenzt. Die Zeichnung ist sehr deutlich. Im Mittelfelde sind drei von vorn nach hinten verlaufende Leisten sichtbar; zu beiden Seiten derselben zieht je eine bogenfirmige Leiste, die sich frühzeitig gabelt und nach hinten allmählich verläuft. Die Seitenfelder, zum Theil auch der Hintertheil des Mediantheiles, sind fein granulirt. Die Höcker der Riickenborsten sind ziemlich weit aus einander gerückt und stehen vom Hinter- rande entfernt; sie tragen die feinen Riickenborsten, welche etwa so lang sind als der Schild. Der Rüssel ist schwach gebogen, lang (0,019 mm) und schief nach vorn gerichtet. Die Beine sind deutlich gegliedert, die beiden Tarsalia von nahezu gleicher Länge. Kralle gebogen, stumpf, Haftklaue fünfstrahlig. Die Epimeren sind langgestreckt. Das erste Brustborstenpaar sitzt etwas über dem oberen Ende des Sternums, das zweite hart über dem inneren Epimeren- winkel. Das spindelförmige Abdomen endigt in einen deutlichen Schwanz- Jappen und trägt die langen, geisselförmigen Schwanzborsten und kurze, steife Nebenborsten. Die Ringelung (ca. 80 Ringe) und die Punktirung sind sehr fein. Die Abdominalborsten zeichnen sich durch ihre Länge und Feinheit aus. Die Borsten des letzten Paares überragen den Anallappen. Die weibliche Geschlechtsöffnung sitzt etwas unter den Epimeren und ist etwa 0,017 mm breit. Die untere Klappe ist halbkugelförmig, die obere langgestreift. Die Eier sind rund. Die Länge des Weibchens beträgt ca. 0,12 mm, die Breite ca. 0,038 mm. Die Länge des Männchens ca. 0,1 mm, die Breite 0,03 mm. v. Schlechtendal fand diese Milbe auf den Blättern von Rubus Idaeus L.; sie erzeugt „bleiche Flecken mit Constriction und Zerstörung der | | Neue Gallmilben. (p. 2%) 387 Nerven bei Verminderung oder Unterdrückung der Haarfilzbildung auf der unteren Blattspreite, infolge dessen die Unterseite der infieirten Blätter ge- fleckt erscheint“. Cecidophyes longisetus n. sp. (Taf. 2. Fig. 3. und 4, Taf. 3._Fig. 10.) Körper schlank, spindelförmig, hinter dem Schilde am breitesten, sich dann allmählich verschmälernd. "Thoracalschild fast dreieckig, nach hinten deutlich abgegrenzt. Das Medianfeld ist von drei nach hinten etwas diver- girenden Längsleisten durchzogen; die Seitenfelder sind fein gekörnt, ebenso ein schmaler Streifen längs des Hinterrandes. Die halbkugeligen Borsten- höcker sitzen hart am Hinterrande und tragen die sehr langen, feinen Riickenborsten. Der Rüssel ist kräftig, 0,025 mm lang, etwas schräg nach abwärts gerichtet und an der Basis vom Schildrande bedeckt. Die Beine sind sehr schlank und deutlich gegliedert, die beiden Tarsalia sind weit dünner als der Femur und von fast gleicher Länge... Die federförmige Haftklaue ist breit und deutlich vierstrahlig; die Kralle lang, fein und sanft gebogen. Die Epimeren sind verkürzt, ebenso die Sternalleiste. Die Brust- borsten des zweiten Paares sitzen von dem inneren Epimerenwinkel etwas entfernt. Das Abdomen ist spindelförmig und endigt in einen sehr grossen Schwanzlappen, welcher die sehr langen, fädlichen Schwanzborsten und sehr feine, steife Nebenborsten trägt. Die Seitenborsten und die Bauchborsten sind auffallend lang und fein. Die Vulva ist etwas nach hinten gerückt und misst etwa 0,026 mm in der Breite. Ihre Vorderklappe ist fein gestreift, die hintere ist trichter- förmig. Die Genitalborsten sind lang und fein. 49* 388 Dr. Alfred Nalepa. (p. 28) Die mittlere Länge des Weibchens beträgt 0,18 mm, die mittlere Breite 0,045 mm. Die mittlere Länge des Männchens 0,15 mm, die mittlere Breite 0,04 mm. Diese durch ihre abnorm langen Rücken-, Seiten- und Bauchborsten sehr gut charakterisirte Species erzeugt involutive Blattrandrollungen bei Hieracium murorum L. Ich fand dieses Cecidium in grosser Menge auf dem Schlossberge von Thernberg in Nieder-Oesterreich. Siehe Taf. 3. Fig. 10. Cecidophyes trilobus n. sp. (Taf. 4. Fig. 3, 4 und 7.) Körper vorn ziemlich stark verbreitert, nach hinten sich allmählich verjiingend, dorsal- und ventralwärts etwas abgeflacht. Das Abdomen ist durch zwei seichte Längsfurchen in einen gewölbten, etwas erhöhten Mitteltheil und in die etwas steil nach aussen abfallenden Seitentheile zerlegt. Der äussere Umriss des Rückenschildes ist halbkreisförmig, mit sanft ausgebuchteten Seitenrändern. Der Hinterrand ist in der Mitte etwas nach hinten ausgebogen, der Vorderrand ziemlich vorgezogen und häufig in eine deutliche Spitze zu- laufend. Die Zeichnung des Schildes ist sehr deutlich; zu beiden Seiten des schmalen Mittelfeldes lassen sich zwei langgezogene, achteckige Felder erkennen. Die kurzen, nach oben gerichteten Rückenborsten sind einander sehr genähert und sitzen auf breiten, grossen Höckern in ziemlicher Entfernung vom Hinterrande. Der Rüssel ist lang (0,024 mm), kräftig, steil nach abwärts gerichtet. Die Beine sind verhältnissmässig kurz, doch deutlich gegliedert; die beiden letzten Tarsalia sind fast von gleicher Länge. Die Epimeren sind kurz und ziemlich weit aus einander gestellt. Die Sternalleiste ist aus diesem Grunde gleichfalls verkürzt. Die Brustborsten des ersten Paares stehen über Gs - Neue Gallmilben. (p. 29) 389 dem Sternum und sind kurz, die des zweiten Paares nahe an dem inneren Epimerenwinkel. Das Abdomen endet in einen deutlichen, ziemlich grossen Schwanz- lappen mit fädlichen Schwanzborsten und sehr kurzen, steifen Nebenborsten. Seitenborsten sitzen etwas unterhalb der Geschlechtsöffnung und sind wenig kürzer als die Abdominalborsten des ersten Paares. Die Borsten des dritten Paares sind auffallend lang. Durch die Zerlegung der Rückseite des Abdomens in einen erhöhten Mitteltheil und zwei Seitentheile nähert sich die vorliegende Form der Gattung Tegonotus; allein die Rückseite ist nur ausnahmsweise glatt, und die Ringelung (ca. 65 Ringe) grosstentheils eine gleichförmige, wenngleich auch die dorsalen Ringe-Abschnitte durchgehend eine grössere Breite aufweisen als die abdominalen. Letztere sind immer gleichmässig fein punktirt, während die Dorsalseite mannigfache Verschiedenheit aufweist. Bereits wurde erwähnt, dass bei manchen Individuen die Rückseite vollkommen glatt ist, also keine Punktreihen aufweist; höchstens dass der Hinterrand der Ringel schwach unregelmässig ausgezähnelt erscheint. Andere Individuen zeigen auf jedem dorsalen Halbringe eine Reihe entfernt stehender, sehr feiner Punkte. Endlich trifft man, wenn auch weit seltener, Individuen, welche auf der Rückseite drei schmale Längsstreifen aufweisen, die wieder aus kurzen, von grossen, eng an einander stehenden Höckern gebildeten Querreihen formirt sind. Diese Längsreihen ziehen an den beiden Seiten und auf dem erhöhten Mittel- theile des Abdomens vom Schildrande nach hinten, wo sie sich knapp vor dem Schwanzlappen mit einander vereinigen. Die zwei in den Längs- furchen liegenden Streifen zwischen den Punktreihen sind dann immer glatt. Die zweite Larvenform weist fast immer eine sehr unregelmässige, von groben Höckern gebildete Punktirung auf. Die weibliche Geschlechtsöffnung liegt unterhalb der Epimeren- enden, dieselben seitlich nicht überragend. Die untere Klappe ist becken- förmig, die obere fein längsgestreift. Die Genitalborsten sind sehr lang und noch seitenständig. Die Eier sind rund. 390 Dr. Alfred Nalepa. (p. 30) Länge des Weibchens ca. 0,16 mm, Breite ca. 0,046 mm, Breite der Geschlechtsöffnung 0,024 mm. Länge des Männchens ca. 0,12 mm, Breite ca. 0,05 mm. Cecidophyes trilobus erzeugt eine ungemein häufige Missbildung der Fiederblättchen von Sambucus nigra L. Der Rand der Fiederblättchen (siehe Taf. 4. Fig. 7) ist im ganzen Umfange nach aufwärts gerollt, so dass diese nach und nach ein kahnförmiges, runzeliges Aussehen annehmen. Amerling schreibt diese Missbildung einer Milbe (Oraspedoneus Sambuci Am.) zu, für deren Larven er die darin gefundenen Gallmilben hält.!) Cecidophyes (Phyllocoptes) heterogaster n. sp. (Taf. 4. Fig. 5 und 6.) Der Körper ist an der Grenze von Cephalothorax und Abdomen am breitesten, verjüngt sich dann allmählich nach hinten. Der Schild ist nach hinten scharf abgegrenzt und besitzt eine fast dreieckige Form. Seine Zeichnung ist sehr deutlich. Im Mittelfelde sind zwei mehrfach gebogene Linien zu erkennen, welche sich an ihrem hinteren Ende, kurz bevor sie den Schildrand erreichen, gabeln und mit ihren inneren Gabelhaltten unter einander verschmelzen. In den Seitenfeldern verlaufen zahlreiche unregel- mä ige Leisten, welehe sich zu einem unregelmässigen Netzwerke vereinigen. Die Hicker der sehr kurzen Riickenborsten sind sehr gross, seitlich zusammengedriickt und stehen einander sehr genähert, etwas vom Hinter- rande entfernt. Der Rüssel ist kräftig, 0,025 mm lang, steil zur Körperachse gestellt und von dem stark vorgezogenen Schilde vollständig bedeckt. Die Beine sind kräftig und deutlich gegliedert. Das letzte Tarsal- glied ist um Weniges kürzer als das erste. Kralle stumpf, wenig gebogen, Haftklaue zart, fünfstrahlig. Die Epimeren sind verhältnissmässig kurz und 1) Amerling, Ges. Aufsätze, p. 168. | | | at Wis ` $ A + Neue Gallmilben. (p. 31) 391 weit aus einander gestellt. Die Sternalleiste ist an ihrem hinteren Ende gegabelt und erreicht fast die Höhe der inneren Epimerenwinkel, iiber welche in einiger Entfernung die Brustborsten des zweiten Paares sitzen. Das. Abdomen ist ober- und unterseits etwas abgeflacht und endet in einen deutlichen Anallappen, welcher ziemlich lange, dünne Analborsten und kurze, steife Nebenborsten trägt. Die Ringelung, ist eine von den übrigen Cecidophyiden sehr abweichende. Der Hinterleib ist nämlich nicht gleichförmig geringelt; während man an der Rückseite etwa 55 Ringe zählt, ist die Bauchseite wie bei Phyllocoptes viel feiner gestreift, so dass fast auf jeden Dorsalhalbring zwei Ventralfurchen fallen. Bei allen Individuen ist regelmässig die Bauchseite fein punktirt: hinsichtlich der Punktirung der Rückenseite ergeben sich aber merkwürdige, höchst interessante Abweichungen. Während nämlich bei der Mehrzahl der Individuen auch die dorsalen Halbringe Reihen von sehr kleinen, weitschichtig stehenden Punkten tragen, finden sich Individuen, die sich in keinem der oben angeführten Charaktere von den punktirten Formen unterscheiden, aber vollkommen glatte dorsale Halbringe besitzen und sich dadurch als echte Phyllocopten charakterisiren. In Cecidophyes heterogaster liegt mithin eine interessante Zwischenform vor, welche den Uebergang von den cecidophyesartigen Phytopten zu den echten Phyllocopten bildet. Die weibliche Geschlechtsöffnung liegt ziemlich tief unter den Epimerenenden und misst etwa 0,025 mm. Die untere Klappe ist fast trichter- förmig, unten manchmal ausgebuchtet, die obere Klappe fein gestreift. Die Genitalborsten sind seitenständig, ziemlich Jang, die Eier rund und messen 0,04 mm im Durchmesser. Länge des Weibehens ca. 0,18 mm, Breite ca. 0,05 mm. Länge des Männchens ca. 0,12 mm, Breite ca. 0,044 mm, Breite der Geschlechtsspalte 0,022 mm. Die Larven sind an der Rückseite grob punktirt. Vorstehende Gallmilbe erzeugt eine Verdickung und Faltung der Blatt- spreite zumeist längs der Blattnerven bei Clematis recta L. 392 Dr. Alfred Nalepa. (p. 32) Tegonotus n. gen. (inel. Acanthonotus m.). Im Sommer 1888 fand ich in dem Ocphaloneon pustulatum Bremi von Alnus glutinosa L. eine sehr interessante Gallmilbenart, die sich sofort durch den Besitz langer Stacheln von den übrigen bekannten Phytoptengattungen unterschied. Leider konnte ich ausser dem einen Exemplare kein anderes finden, und dieses eine Exemplar lag so ungünstig und war schon so be- schädigt, dass ich von einer genaueren Beschreibung Umgang nehmen musste, Ich stellte für diese Art provisorisch die Gattung Acanthonotus auf und nannte die Art A. heptacanthus.') Seitdem hatte ich trotz wiederholten Suchens keine Gelegenheit, diese Art wieder zu finden. rst in diesem Jahre traf ich sie wieder auf stark gebräunten Erlenblättern, welche mir Dr. Trouessart aus Paris zu senden, die Freundlichkeit hatte. Ich erkannte sofort, dass die von mir ge- wählte provisorische Bezeichnung der Gattung wenig passend ist, da die breiten Schienen, welche das Abdomen dorsalwärts decken, an den beiden Seiten desselben in mehr oder minder lange, etwas nach aufwärts gerichtete Stacheln auslaufen. Die Stacheln stehen also nicht auf dem Rücken, wie es in der Seitenlage den Anschein hatte. Im Laufe des diesjährigen Sommers traf ich auf gebräunten Blättern verschiedener Bäume Gallmilben, die der Gattung Phyllocoptes nahe verwandt sind, sich aber von dieser durch den gekielten Rücken und die dachformig abfallenden Seiten deutlich unterscheiden. Eine dieser Formen — Tegonotus fastigatus — erinnert noch sehr an die echten Phyllocoptiden, da die dorsalen Halbringe an den Pleuren nur als stumpfe Zacken vorspringen. T. serratus zeigt hingegen schon sägeartig vorspringende dreieckige Zähne. Bei T. hepta- canthus sind endlich diese Zacken schon in rundliche Stacheln umgeformt. 1) Beitr. z. Syst. v. Phyt. Sitzungsber. d. Kais. Akad. d. Wissensch. in Wien, Bd. XOVIM, p. 116. [5.] Neue Gallmilben. (p. 33) 393 Für diese phyllocoptidenartigen Gallmilben habe ich die Gattung Tegonotus aufgestellt und mit dieser die Gattung —_ en Neue Gallmilben. (p. 35) 395 Phytoptus macrochelus n. sp. Bauchseite. Phytoptus macrochelus n. sp. Thoracalschild. Helianthemum hirsutum Thuill. mit vergrünten Blüthen etc. Nat. Gr. Acer platanoides L. Rindengallen. Nat. Gr. Acer campestre L. Zweigstiick mit Rindengallen. Nat. Gr. Hieracium -murorum L. Blattrandrollungen der Blätter. Nat. Gr. Alnus incana L. Blatt mit Cephaloneon pustulatum Bremi. Nat. Gr. Tafel IV. Phytoptus laevis n. sp. Bauchseite. Phytoptus laevis n. sp. Thoracalschild. Cecidophyes trilobus n. sp. Rückseite. Cecidophyes trilobus n. sp. Bauchseite. Cecidophyes heterogaster n. sp. Rückseite. Cecidophyes heterogaster n. sp. Bauchseite. Sambucus nigra L. . Blatt mit Randrollungen. 4/2 nat. Gr. Tab, XIV. Nova Acta Acad CZ CG Nat. Cur Tol LV. Fig. 4. Fig 2. Fig. 5. CEA Fig.3. Ai H ig. 6. X Hait. Nalepa: Neue Gallmilben. Tat. Į | Tab XV: Nova Acta Acad. CZ CG Nat. Cur Vol. LV. 9 Fig. Fig.1 2 Nalepa: Neue Gallmiloen. Tat Nova Acta Acad.(.1.0.@ Nat. Cur Vol LV. S Tab. XVI. Fig. 4. | Fig.6. | Lig. 1. Nalepa: Neue Gallmilben. Taf 3. | | | Tab. XVI. d Nat. Cur: Vol. LV. Nova Acta Acad. CL.C.6 Nalepa: Neue Gallmilben. Taf’ +. N p Pr. j fF i NOVA AOTA | der Ksl. Leop.-Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher Band ER: "BET Zur Kenntniss der = = = | Fettfarbstoff-Production bei Spaltpilzen q 4 von N i Medicinalrath Dr. A. Overbeck PB’ = in Merseburg. i | Mit 1 Tafel Nr. XVII. i Becta Eingegangen bei der Akademie am 29. Januar 1891. 1 H A LLE. peor. a Druck von E. Blochmann & Sohn in Dresden. : Für die Akademie in Commission bei Wilh. Engelmann in Leipzig. | 5 un Vorbemerkung. In Nummer 5 und 6 der botanischen Zeitung 1889 ist von W. Zopf der Nachweis geführt worden, dass Fettfarbstoffe (Lipochrome), die man bis dahin nur bei Thieren, höheren Pflanzen und echten Pilzen aufgefunden hatte, auch bei Spaltpilzen vorkommen. Seine Untersuchungen bezogen sich zunächst auf Bacterium egregium, sodann auch auf eine andere goldgelbe Bacteriacee und eine rothe Coccacee, über welche letztere aber nur kurze An- gaben gemacht wurden. Bei Bacterium egregium erwies sich das Lipochrom als ein gelbes Pigment, für welches Zopf den Namen Bacterioxanthin vor- geschlagen hat, zum Unterschiede von dem in höheren Pilzen vorkommenden Mycoxanthin und dem Anthoxanthin. Bei dem wissenschaftlichen Interesse, welches die Frage über die Verbreitung. der Lipochrome beansprucht, lag es nahe, nachzuforschen, ob nicht auch noch andere Spaltpilze Lipochrome erzeugen. Da es nun von vornherein nicht ganz unwahrscheinlich war, dass Spaltpilze mit intensiv rothen, orangenen oder gelben Tönen ein positives Resultat liefern würden, so habe ich auf Veranlassung von Professor Zopf solche Arten auf Lipochrombildung hin untersucht, und zwar zunächst den Micrococcus rhodochrous Zopf, einen wunderschön rothen, aus einem Gänse- magen isolirten Spaltpilz, den Herr Dr. P. Gräfenhan in Wahlstadt dem kryptogamischen Laboratorium überwiesen hatte; sodann einen anderen eben- falls prächtig rothen Spaltpilz, den Professor Zopf aus einem Wasser isolirte und Micrococcus Erythromyxa benannte. An diesen Objecten habe ich con- statiren können, dass dieselben in der That in die Reihe der Lipochrom- bildner gehören. oa” 400 Dr. A. Overbeck. (p. 4) Das Ergebniss der Untersuchung will ich in dem Folgenden näher begründen. Da es nun von Wichtigkeit ist, die Pilze soweit zu charakterisiren, dass sie jwieder erkennbar sind, so habe ich auch die Morphologie und gewisse andere physiologische Momente einem Studium unterworfen. Zur Kenntniss der Fettfarbstoff-Production bei Spaltpilzen. (p. 5) 401 1. Micrococcus rhodochrous Zopf. I. Morphologisches. Was zunächst den Habitus der Colonien anbetrifft, so stellt sich derselbe auf den festen Substraten folgendermaassen dar: Auf der Gelatine- platte entwickeln sich aus den einzelnen zur Aussaat gekommenen. Zellen an der Oberfläche des Substrates kleine rothe Pünktchen, die allmählich grösser werden und dann halbkugelig, später mehr linsenförmig erscheinen und glänzendes Ansehen, sowie schwache concentrische Schichtung zeigen. Auch die im Innern der Gelatine sich entwickelnden Colonieen nehmen linsen- förmige Gestalt an, wie man bei etwa 100facher Vergrösserung daran erkennt, dass dieselben von der Fläche her kreisrund, im Profil elliptisch bis breit spindelförmig erscheinen (Fig. 4a, b, cl, Am besten eignet sich für die Cultur 10 procentige Gelatine, welche 2—3 Procent Fleischextract, 2 Procent Zucker und 0,2 Procent Kochsalz enthält. Stellt man sich von solcher Gelatine im Reagirglas eine schräge Fläche her und impft diese durch oberflächlichen Impfstrich, so entsteht in demselben eine breite, glänzende Colonie (Fig. 1), welche scharfe und mit Crenulirungen versehene Ränder, sowie schwache concentrische Schichtung zeigt. In der Mitte am dicksten, flacht sie sich nach den Rändern hin ab und den Crenulirungseinschnitten entsprechen thalartige Vertiefungen, die von dem Rücken der Colonie nach dem Rande zu gehen, so dass das Ganze sehr passend einem flachen Gebirgsrücken zu vergleichen sein würde. Impft man die Gelatine mittelst Impfstichs, so entwickeln sich nur in dem oberen Theile des Stichkanals zahlreiche kleine halbkugelige Colonieen, während nach den tieferen Stellen zu die Entwiekelung und Rothfärbung 402 Dr. A. Overbeck. (p. 6) allmählich abnimmt, was offenbar damit zusammenhängt, dass der Pilz ein grosses Sauerstoffbedürfniss besitzt. Auf der schrägen Agarfläche entwickelt er ähnliche Colonieen, wie auf Gelatine, nur mit dem Unterschiede, dass die vorhin beschriebene Con- figuration derselben nicht so deutlich ausgesprochen und die Färbung eine blassere ist. Sehr tippige Entwickelung findet auch auf gekochten und im Dampf- sterilisator keimfrei gemachten Kartoffeln statt, wenigstens auf gewissen weniger mehligen Sorten. Verreibt man mit der Impfnadel zahlreiche Keime auf die Kartoffeloberfläche, so entwickelt sich aus jedem derselben eine stark erhabene knöpfehenförmige Colonie; bei dichter Lagerung treten sie dann zu einem gemeinsamen Ueberzuge zusammen, der dunkelrothe, aber dabei nicht glänzende Färbung zeigt und schliesslich eine trockene, endlich sogar bröck- liche Kruste darstellt (Fig. 2, 3a, 3b). Nimmt man diese Krusten ab, so überzieht sich binnen kurzer Zeit die Kartoffelfläche wiederum mit neuen Colonieen. Zur Gewinnung des Farbstoffes in grösserer Menge ist daher neben der Gelatinecultur die Kartoffelcultur die geeignetste. Doch ist zu beachten, dass auf sämmtlichen Substraten die Entwiekelung im Vergleich zu manchen anderen Spaltpilzen relativ langsam von statten geht. Auf Stücken von gekochtem und sorgfältig sterilisirtem Hiihnereiweiss fand ebenfalls eine gute Entwickelung statt. Auch hier entwickelten sich die einzelnen Keime zu kleinen, erhabenen, rothen Colonieen, die aber mehr glänzendes, statt mattes Aussehen hatten und schliesslich die ganze Ober- fläche überzogen. Auf der Oberfläche von sterilisirter Milch tritt allmählich eine schwache, aber deutliche Entwickelung ein, wobei die Rahmschicht roth gefärbt wird. Was sodann die mikroskopischen Eigenschaften des Pilzes betrifft, so würde zunächst die Zellform in Betracht kommen. Dieselbe entspricht, da niemals eylindrische, sondern stets nur etwa kugelige Formen auftreten, dem Charakter der Coceaceenzelle, welcher sich auch in dem Mangel von Schwärm- zuständen ausprägt. Die Grösse der einzelnen Zellen ist ziemlich gering, da der Durch- messer noch nicht ein « beträgt, nämlich etwa 0,95 u. Zur Kenntniss der Fettfarbstoff-Production bei Spaltpilzen. (p. 7) 403 Es frug sich nun, in welchen Verbänden diese Zellen auftreten können, ob sie zur Fadenform oder zur Zellflächenform oder endlich zur körperlichen Form (gleich Sarcina) verbunden sind. Die Untersuchungen in dieser Richtung, welche mit Material von den verschiedenen Substraten vorgenommen wurden und auch jüngere und ältere Colonieen beriicksichtigten, ergaben nun, dass keine der obigen drei Gewebeverbände in ausgesprochen typischer Weise vorhanden waren. Allerdings werden bei der Cultur auf gewissen Substraten ganz kleine kettenförmige Verbände gebildet; allein ich habe dieselben höchstens aus vier Zellen bestehend gefunden und auch solche Formen nur spärlich, weil die Zellchen ausserordentlich leicht aus dem Verbande treten. Es kann sich demnach weder um einen Streptococcus, noch um eine Merismopedia, noch um eine Sarcina handeln. Mithin bliebe nur noch die Wahl (Ascococeus würde sowieso nicht in Betracht kommen können wegen des eigenthiimlichen Baues seiner stark vergallertenden Colonieen) zwischen Staphylococcus und Micrococcus. Nun ist der Habitus der Colonieen meines Pilzes entschieden ein staphylococcusartiger, speciell dem Staphylococcus pyogenes aureus ähnlich, auf welchen Rosenbach die Gattung Staphylococcus gegründet hat. Ferner wurde auch das fast gänzliche Zurücktreten der Fadenform, sowie die traubige Zusammenlagerung der Zellen dem Staphylococcus pyogenes aureus Aehnliches darbieten. Diese Merkmale passen aber schliesslich auch auf die alte Gattung Micrococcus. Es dürfte daher berechtigt sein, den Pilz zu diesem Genus zu stellen. II. Physiologisches. A. Pigmentbildung. Wie wir bereits sahen, bewegen sich die Farbtöne der Colonieen in verschiedenen Nuancen von Roth, und zwar nehmen die Kartoffelcolonieen zinnoberrothe bis blutrothe Pigmentirung an, während die Färbung der Gelatine- eolonieen etwa chromroth oder wie ein Gemisch von Zinnober mit Indischgelb, später dagegen mehr intensiv korallenroth erscheint. Zum Zwecke der näheren Untersuchung des diese Färbung bedingenden Pigmentes ist es selbstverständlich nothwendig, den Spaltpilz in grösserem 404 Dr. A. Overbeck. (p. 8) Maassstabe zu cultiviren und bei der bereits erwähnten relativ langsamen Entwickelung dieser Culturen mindestens 11/,—2 Monate stehen zu lassen. Ich habe daher im vorigen Jahre Dutzende von oberflächlichen Gelatineculturen in Reagirgläser eingestellt und ebenso eine Anzahl Kartoffelscheibenculturen, ausserdem auch eine Partie Agar-Stricheulturen, welche letztere aber keine so gute Ausbeute lieferten, wie die beiden anderen. Ich kann nicht unterlassen, hervorzuheben, dass sämmtliche Gelatine- und Agarculturen absolut rein blieben, während in wenigen der Kartoffel- culturen Verunreinigungen auftraten, die es nothwendig machten, dieselben zu kassiren. So stand mir denn ein völlig reines Material in ausreichender Menge zu Gebote. Um nun die erzogenen Colonieen möglichst frei von Substrattheilen zu bekommen, genügt es bei Gelatine und Agar, dieselben mit einer gekrümmten Glasnadel abzuschülfern, was hier sehr leicht von statten ging. Die grossen Pilzeomplexe auf den Kartoffelscheiben liessen sich am besten durch vor- sichtiges Abschaben mittels eines Messerchens entfernen. Aus dem so gewonnenen Material kann man nun die färbende Substanz durch verschiedene Lösungsmittel extrahiren. Es eignen sich dazu z. B. Schwefelkohlenstoff, mit welchem man ein rosenrothes Extract bekommt, so- dann Petroläther, der einen mehr orangerothen Auszug liefert; ähnlich ver- halten sich Chloroform, Benzol, Methylalkohol und Aethylalkohol. Es wurde schliesslich nur absoluter Alkohol zur Extraction benutzt, der den Farbstoft, wenigstens in der Wärme, sehr leicht. mit leuchtend röthlich-gelber Farbe aufnimmt. Beim vorsichtigen Eindampfen der Lösung hinterbleibt eine rothgelbe schmierige Substanz von Fettgeruch. Auf Papier erzeugt dieselbe einen bleibenden, beim Erwärmen sich ausbreitenden Fettfleck. Auf Platinblech er- hitzt, entzündet sie sich und verbrennt vollständig mit leuchtender Flamme. Verdampft man die ätherische Lösung der Substanz im Reagirröhrchen und erhitzt hierauf stark, so entwickeln sich die so charakteristischen stechenden Dämpfe des Acroleins. Schüttelt man nun mit Wasser aus und. versetzt die wässerige Lösung nach Hinzufügung einer Spur von Ammoniak mit Silber- Zur Kenntniss der Fettfarbstoff-Production bei Spaltpilzen. (p. 9) 405 nitrat, so erhält man beim Erwärmen eine deutliche Bräunung und später einen Silberspiegel. Aus vorstehenden Reactionen geht unzweifelhaft hervor, dass wir es hier mit einem fettartigen Körper zu thun haben. Nach diesen Ergebnissen lag die Vermuthung nahe, dass ein Fettfarb- stoff vorliege. Nun ist durch die Untersuchungen von Kühne, Krukenberg, Hansen, Bachmann und Zopf gezeigt worden, dass sich Lipochrome von den Fetten durch Verseifung mittels Natronlauge trennen lassen und Petrol- äther aus der mit Kochsalz abgeschiedenen Seife den betreffenden Fettfarbstoff aufnimmt. So wurde denn der rohe alkoholische Extract in passendem, vorher ausgeprobtem Verhältniss mit 30 procentiger Natronlauge versetzt und hierauf längere Zeit im Wasserbade gekocht, sodann durch concentrirte heisse Kochsalzlösung die gebildete Seife abgeschieden, nach dem Abkühlen das Ganze in den Scheidetrichter gebracht und mit Petroläther übergossen. Letzterer nahm nach Hinzufügen von Wasser das Pigment sofort mit gelber bis orangegelber Farbe auf. Diese Lösung wurde dann abgetrennt und zur Reinigung mit Wasser gewaschen, darauf spectroskopisch in der bekannten Weise mittels des Mikrospectral-Oculars von Zeiss bei Sonnen- licht geprüft. Hierbei ergab sich, dass bei einer Schichtenhöhe der ziemlich con- centrirten Lösung von 33 mm ein deutliches, ziemlich dunkles Absorptions- band auftrat, welches zu beiden Seiten der Frauenhofer’schen Linie F lag. In seinem dunkelsten Theile reichte dasselbe etwa von 2 500 bis 475 und zeigte sich nach der Linie G hin ziemlich breit, nach b zu weniger breit abgeschattet. Ein ganz Ähnliches Resultat erhält man übrigens auch, wenn man den gereinigten Farbstoff in alkoholischer Lösung in gewisser Schichtenhöhe verwendet; ja selbst der rohe alkoholische Auszug der Pilzmasse liefert das- selbe Resultat. Die spectroskopischen Eigenschaften des gereinigten Farbstoffs deuten darauf hin, dass das Pigment mehr der rothen Reihe angehört, nicht aber der gelben, denn die gelben Lipochrome besitzen zwei Absorptionsbänder, von denen das eine bei F, das andere zwischen F und G liegt; von W. Zopf ist neuer- dings sogar ein gelber Fettfarbstoff mit 4 Bändern nachgewiesen worden. Nova Acta LV. Nr. 7. 52 406 Dr. A. Overbeck. (p. 10) Fluorescenz geht dagegen der gereinigten Lösung, wie auch dem rohen Extracte ab. Was nun die chemischen Reactionen anbetrifft, so wurde zunächst das mikrochemische Verhalten der rohen Spaltpilzmasse geprüft. Es ist nämlich neuerdings von Zopf (Ueber ein eigenthümliches microchemisches Verhalten der Fettfarbstoffe — Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie 1889) gezeigt worden, dass durch die Einwirkung concentrirter Schwefelsäure auf gewisse rothe oder gelbe Spaltpilze tiefblaue Krystalle erzeugt werden, die bei den ersteren stets in auffälliger Gruppenbildung, bei letzteren nur ver- einzelt auftreten, und dass diese Krystalle eine Verbindung von Lipochromen mit Schwefelsäure sind, da man sie auch erhält, wenn man gereinigte Fett- farbstoffe mit concentrirter Schwefelsäure zusammenbringt.!) Diese Prüfung habe ich nun auch bei dem vorliegenden Spaltpilz vorgenommen und hierbei die Bildung der blauen Krystalle in auffälligen charakteristischen Gruppen auftreten sehen, so dass die Lipochromnatur des Farbstoffs sich auch nach dieser Seite hin völlig sicher stellen lässt. Dieser Nachweis gelingt selbst mit den minimalsten Mengen der trockenen Spaltpilzmasse. Wenn man die Schwefelsäure langsam einwirken lässt, so sieht man deutlich, wie die anfangs rothen oder rothbraunen Krystalle, die auf dem dunkelen Felde des Polarisationsmikroskops in prachtvoll rother Farbe leuchten, allmählich durch violett in tiefblau übergehen und nun im Polarisationsmikroskop mit ganz heller oder bläulicher Farbe leuchten. Im weiteren Verfolg der mikrochemischen Prüfung ergab sich, dass auch bei Einwirkung concentrirter Salpetersäure auf ganz trockene Spaltpilz- masse ebenfalls Krystalle sich bilden; jedoch traten dieselben nieht in aus- geprägten Gruppen auf und hatten auch nicht die reine tiefblaue, sondern eine mehr düstere Färbung. — 1) Vorliegende Abhandlung war bereits eingereicht, als von Seiten W. Zopt’s die Thatsache ermittelt wurde, dass die Fettfarbstoffe des vorliegenden und auch des folgenden Micrococeus zur Ausscheidung gebracht werden, also nicht erst durch die Schwefelsäurewirkung entstehen. Diese Thatsache habe ich durch Beobachtung an meinen eigenen Culturen nach- träglich vollauf bestätigen können. Man vergleiche W. Zopf: Ueber Ausscheidung von Fett- farbstoffen bei Spaltpilzen (Ber. der deutschen botan. Gesellschaft 1891). Zur Kenntniss der Fettfarbstoff-Production bei Spaltpilzen. (p. 11) 40% Ganz anders verhält sich die Spaltpilzmasse bei makrochemischer Prüfung. Statt der Blaufärbung durch concentrirte Schwefelsäure und Salpeter- säure, die man nach den bisherigen Erfahrungen erwarten sollte, trat bei ersterer nur eine schmutziggrünliche, bei letzterer nur eine reingelbe Färbung auf. Man sieht also; dass bei dem vorliegenden Spaltpilze die mikro- chemische Schwefelsäure- und Salpetersäure-Reaction, richtig angewandt, einen ganz sicheren Anhalt für die Gegenwart von Fettfarbstoff bietet, während die makrochemische Blaufärbung für sich allein vielfach ziemlich undeutlich und daher unsicher ist. čin rother Fettfarbstoff vom Charakter des in Rede stehenden ist bei anderen Spaltpilzen bisher nicht gefunden worden. — Zur Prüfung kam ferner die Frage, ob die Farbstoffbildung an den Lichtzutritt gebunden sei, oder ob die Sache sich ähnlich verhalte, wie bei Bacterium egregium Zopf, wo zur Bildung des Lipochroms (hier eines gelben) Licht nicht nöthig ist. Es wurde folgender Versuch angestellt: am 13. November wurden zwei Gelatinestricheulturen in einen mit schwarzem Papier verklebten Cylinder eingesetzt und dieser wieder in einen mit schwarzem Papier überzogenen Pappkasten eingeschlossen. In gleicher Weise angesetzte Controll-Culturen blieben im Licht. Am 30. November war der rothe Farbstoff in beiden Glasröhrchen ebenso gut entwickelt wie in den im Licht gestandenen. — Sodann stellte ich Versuche mit monochromatischem Licht an unter Zuhilfenahme eines ähnlichen Apparates, wie ihn J. Sachs in seinen Vor- lesungen über Pflanzenphysiologie empfiehlt. Aber es trat an den oberflächlichen Gelatineculturen hinter Kaliumbichromat sowie hinter Kupferoxydammoniak innerhalb 8 Tagen ebenso rothe Färbung auf, wie an den im Tageslicht ge- haltenen Controllgefässen. Ferner wurde geprüft, ob die Pigmentbildung auch in saurem und in stärker alkalischem Substrat erfolg. Am 15. November wurden drei Glasröhrchen mit einer Lösung von Fleischextract in destillirtem Wasser ge- füllt und sodann mehrere Tage nach einander sterilisirt; desgleichen drei Glasröhrehen mit einer durch 2 Procent kohlensaures Natron stark alkalisch gemachten Fleischextractlösung. 52* ANS - Dr. A. Overbeck. (p. 12) Am 20. November wurden alle sechs geimpft und in den Brutapparat gestellt. Am 18. December in allen sechs Fällen negatives Resultat. Am 8. Januar ebenfalls negativ bei dem sauren Substrat, desgleichen am 6. März. Dagegen war in dem alkalischen Substrat am 8. Januar eine schwache Ent- wiekelung eingetreten, am 6. März aber nur wenig mehr fortgeschritten. — Schliesslich wurden noch Versuche angestellt, um zu ermitteln, ob und in welcher Weise die Pigmentbildung auf Kohlehydraten und auf eiweiss- haltigem Substrat erfolgt. Am 15. November wurden mehrere Gläser mit Kleister von Weizen- stärke (Nährsalze in Form von Fleischextract) gefüllt und mehrere Tage sterilisirt; am 20. November geimpft und in den Brutapparat gestellt. Am 8. Januar noch keine Entwickelung. Dagegen findet die Bildung des Pigments auf sterilisirtem Eiweiss sehr gut statt und verhältnissmässig rasch: in den am 13. November ge- impften Gläsern war am 18. November das Pigment schon gut entwickelt und schritt dann mit jedem Tage weiter fort. Der Farbenton war in der Mitte zwischen Chromroth und Zinnober, eine Art Korallenroth. B. Prüfung auf Säureproduction. Am 18. December wurden einige Glasröhrchen 10 procentiger durch Lakmus gebläuter Rohrzucker-Nährlösung geimpft und in den Brutapparat estellt. Am 8. Januar keine Röthung, aber reichliche Pilzentwickelung. Am or E 22, Januar noch ebenso. Der vorliegende Mikroorganismus ist also kein Säurebildner. C. Peptonisirungsvermögen. a. Gelatine. Dieselbe wird nieht verflüssigt. b. Eiweiss: Mehrere Gläschen sterilisirtes Eiweiss wurden am 8. November ge- impft und in den Brutapparat gestellt. Bis zum 5. December war von Peptonisirung noch nichts zu bemerken. Zur Kenntniss der Fettfarbstoff-Production bei Spaltpilzen. (p. 13) 409 D. Sauerstoffbedürfniss. Micrococcus rhodochrous wächst in der Gelatine-Sticheultur nur in der oberen Zone, zeigt also ziemlich grosses Sauerstoffbediirfniss. E. Verhalten zur Temperatur. Am Besten entwickelt sich der Pilz bei Zimmertemperatur; bei 30° C. erfolgt nur noch schwache Entwickelung. Dagegen wuchs er noch recht gut auf Nährgelatine sowohl wie auf Nähragar bei 6—7° C., wenn auch nicht ganz so ausgiebig, wie bei Zimmertemperatur. F. Pathogene Eigenschaften. In dem Haushalt des Herrn Dr. Gräfenhan wurde im Herbst 1888 eine Gans geschlachtet, welche bei Oeffnung des Magens einen Abscess in der Magenwand zeigte. Auf Plattenculturen, die von Herrn Dr. Gräfenhan mit Material aus diesem Geschwiir angestellt wurden, wuchsen die rothen Colonieen des in Rede stehenden Pilzes hervor. Als im Herbst nächsten Jahres wieder Gänse geschlachtet wurden, untersuchte Herr Gräfenhan dieselben abermals und fand in dem Magen eines Individuums wiederum einen solchen Abscess, aus welchem der Pilz von ihm gleichfalls rein gezüchtet wurde. Beide Gänse waren aus derselben Wirthschaft bezogen. Wahrscheinlich hatten die Thiere den Pilz mit stachligem Futter aufgenommen und es war durch dasselbe eine Verletzung der Magenmuskeln eingetreten. 410 Dr. A. Overbeck. (p. 14) 2. Micrococcus Erythromyxa Zopf. Dieser Pilz wurde von Professor Zopf aus dem Halleschen Leitungs- wasser isolirt. I. Morphologie. Was die äussere Gestaltung der Colonieen und ihr Verhalten auf ver- schiedenen Substraten betrifft, so bildet der Pilz zunächst in der Gelatine- Schaleneultur rundliche, wenig erhabene, ziemlich scharf umschriebene rothe Schleimeolonieen von der für Micrococcus rhodochrous angegebenen Form (Fig. 4). In der Gelatine-Sticheultur findet die Entwickelung nur in der oberen Zone statt, nach unten höchstens 1 cm weit; die Oberfläche ist vollständig mit einem rothen Schleimüberzuge versehen. Die Agar-Sticheultur verhält sich ähnlich, wie die vorhergehende; nur ist die Entwickelung nicht so stark, auch die Färbung matter. Auf Nährgelatine, welche enthielt 7 Procent Gelatine, 2 Procent Fleisch- extract und 2 Procent Zucker, bildet sich im Impfstrich ein sehr stark ent- wickelter schleimiger Belag. In Folge der schleimigen Beschaffenheit sammelt sich oft unten eine grössere Masse der Pilzcolonieen. Im Impfstrich einer etwas anders zusammengesetzten Nährgelatine (Gelatine 10 Procent, Fleischextract 2—3 Procent, Pepton 1 Procent, Zucker 2 3 Procent) entsteht eine flach gebirgsrückenartige mit crenulirten Rändern versehene Colonie, die hierin sowie auch in ihrer schliesslich korallen- bis blutroth werdenden Farbe gewisse Aehnlichkeiten mit Micrococcus rhodochrous zeigt. Die Agar-Sticheultur verhält sich ähnlich, wie die vorhergehende; nur ist die Entwickelung nicht so stark und die Färbung auch nicht so intensiv. Auf gekochten Kartoffelscheiben findet je nach der Kartoffelsorte und je nachdem die Scheiben trockener oder feuchter gehalten werden, geringere oder auch stärkere Entwickelung statt in Form schleimiger zusammenfliessender Tröpfchen oder halbtrockener Colonieen. Auf gekochtem Hühnereiweiss entwickelt sich der Pilz schon bei ge- wöhnlicher Zimmertemperatur ziemlich stark in Form von schleimigen Ueber- zügen und mit lebhafter Farbe. Zur Kenntniss der Fettfarbstoff-Production bei Spaltpilzen. (p. 15) 411 Auf Milch gedeiht er ziemlich gut mit einem gleichmässigen rothen schleimigen Ueberzuge. Was nun die mikroskopischen Eigenschaften des Pilzes anbetrifft, so ist die Form der Zellen kugelig, in der Sammelform etwas abgeplattet an der Bertihrungsstelle. Die Grösse der Zellen beträgt bei lebendem Material 1,184 u Breite, 1,052 „ Länge; nach der Färbung mit Methylviolett 1,151 „ Breite, 1,132 u Länge. Die Art des Zellverbandes betreffend, so entwickelt der Pilz, auf Nährgelatine von folgender Zusammensetzung: Gelatine 10, Fleischextract 4, Zucker 4, Chlornatrium 0,4, Wasser 200, cultivirt, keine ausgesprochene Fadenbildungen (höchstens Kettchen von 4 Zellen); vielmehr bilden die Zellchen der Regel nach unregelmässige Häufchen, bisweilen bemerkt man einige Tetraden oder achtzellige Packetchen. In Fleischextraetlösung (2 Procent), Milch und anderen Nährflüssigkeiten dagegen kommt die Packetchenform öfter zur Entwickelung. II. Physiologie. A. Pigmentbildung. In der Färbung der Colonieen spricht sich eine grosse Aehnlichkeit mit Micrococcus rhodochrous aus. Am intensivsten, und zwar ziegel-, korallen- bis etwa blutroth erscheint sie auf peptonhaltiger Nährgelatine 3 Procent, Pepton 1 Procent, (Gelatine 7—10 Procent, Fleischextract 2 Zucker 2—83 Procent). Um ausreichendes Material für die Untersuchung der Färbungs- ursachen gewinnen zu können, habe ich im Laufe des letzten Jahres viele Dutzende von Reinculturen auf Gelatine hergestellt und jede 2—3 Monate wachsen lassen, Die Colonieen wurden dann von der Oberfläche des Sub- 412 Dr. A. Overbeck. (p. 16) strates in Schollen abgeschülfert, was bei einiger Vorsicht leicht so zu be- werkstelligen ist, dass man auch nicht eine Spur vom Substrate mitbekommt. Die rothen Massen wurden nun mit Alcohol absolutus in der Wärme extrahirt. Es resultirte ein schön rothgelber Auszug, der filtrirt und auf der Porzellanschale eingedampft wurde, wobei man einen intensiv rothgelben Ueber- zug erhielt. Es liess sich nun feststellen, dass derselbe aus. zwei farbigen Sub- stanzen besteht, die sich von einander trennen liessen, indem man mit Petrol- äther auswusch. Was zunächst den petrolätherlöslichen Theil anbetrifft, so stellt derselbe ein Fett dar; denn auf Filtrirpapier macht er deutliche Fettflecke, verbrennt mit russender Flamme und giebt die Akroleinreaction. Mit 30 Procent Natron- lauge liess es sich leicht verseifen. Die durch concentrirte heisse Kochsalz- lösung ausgesalzene gelbrothe Seife gab an Petroläther sofort reichlich Farb- stoff ab, so dass ersterer sich intensiv orangeroth färbte. Hierdurch wird schon angezeigt, dass der Farbstoff Lipochromnatur hat. Das. zeigte sich auch durch den Eintritt der Lipocyanreaction: wurde auf eine kleine Scholle der trockenen Spaltpilzmasse concentrirte Schwefel- säure vorsichtig einwirken gelassen, so bildeten sich Gruppen von erst roth, dann blau werdenden Krystallen, was bei 600facher Vergrösserung sehr deutlich wahrgenommen werden konnte. t) Nach dieser Gruppenbildung der Krystalle, sowie nach der rothen Färbung des Verdampfungsrückstandes dieses Fettfarbstoffes schien derselbe der rothen Reihe anzugehören. Die spectroskopische Untersuchung, bei Sonnen- licht mit dem Zeiss’schen Spectralocular ausgeführt, bestätigte dies. Denn man erhielt in gewisser Schichtenhöhe der Petrolätherlösung die nämlichen Spectrenbilder, wie sie bereits für Micrococcus rhodochrous dargestellt wurden (Fig. 6). Professor Zopf machte mich auf seine Erfahrung aufmerksam, dass gewisse rothe Fettfarbstoffe ausserordentlich empfindlich gegen Licht und Luft sind. Diese Eigenschaft zeigt auch der rothe Fettfarbstoff des Micrococcus Erythromysa und des Micrococcus rhodochrous. Hängt man nämlich in eine 1) Hier gilt ebenfalls die pag. 10 gemachte Anmerkung. Zur Kenntniss der Fettfarbstoff- Production bei Spaltpilzen. (p. 17) 418 Lösung des Farbstoffes schwedisches Filtrirpapier, so bilden sich rothe Zonen, welche, dem Licht und der Luft ausgesetzt, schon nach 2—3 Tagen voll- ständig verschwinden oder doch schon sehr abgeblasst sind. Uebrigens wurde auch bei der makrochemischen Reaction deutliche Blaufärbung mit concentrirter Schwefelsäure und concentrirter Salpetersäure an der festen Farbstoffmasse beobachtet. Wenden wir uns nun zu dem zweiten, in Petroläther nicht löslichen Farbstoffe, so ist zu bemerken, dass er sich von dem Lipochrom schon durch seine rein gelbe Färbung, sowie durch seine Löslichkeit in Wasser unter- scheidet. Seine wässerige Lösung fluorescirt im Sonnenlichtkegel, wie man ihn mit der Sammellinse erhält, stark bläulich-grünlich, was bei dem Fett farbstoff nicht der Fall ist. Nachdem er durch Petroläther von etwaigen Spuren des Fettfarbstoffes gereinigt war, wurde er spectroskopisch bei Sonnen- licht untersucht. Es zeigte sich aber, wie bei fast allen gelben wasserlöslichen und amorphen Farbstoffen, kein Absorptionsband, sondern nur eine diffuse Endabsorption der blauen Spectrumhiilfte. Leider reichte zur Ausführung weiterer Reactionen das nur in geringer Menge erhaltene Material nicht aus. Immerhin ist hier der Nachweis geführt, dass ein und derselbe Spaltpilz innerhalb seiner Zellen zwei verschiedene Pigmente er- zeugen kann: ein wasserlösliches und ein nicht wasserlösliches (einen Fett farbstoff). Um zu erfahren, ob die Farbstoffbildung auch im Dunkeln vor sich geht, impfte ich am 27. Februar ein Gelatine- und ein Agargläschen und stellte beide in derselben Weise, wie bereits oben angegeben, in den Dunkel- behälter, während in gleicher Weise angestellte Impfungen im Licht ver- blieben. Am 1. Mai wurden die Dunkelculturen herausgenommen. Sie waren von derselben Intensität, wie die im Licht gewachsenen. B. Gährtüchtigkeit. Es wurde die Frage geprüft, ob der Organismus im Stande sei, Milchsäuregährung zu erregen. Als Nährlösung wurde verwandt eine 10 procentige Rohrzuckerlösung, zu der die Nährsalze in Form von 0,5 Procent Fleischextract gegeben wurden. Nova Acta LY. Nr. 7. 53 414 Dr. A. Overbeck... (p. 18) Nach der Neutralisation mit kohlensaurem Natron, Färbung durch Lakmus- tinctur und Filtration wurden 200 cem der Lösung auf vier Erlenmeyer'sche Kölbehen vertheilt, ein jedes Kélbchen mit einem Theeldffel voll Cale. carb. pur. versehen, dann 3 Tage lang jedes Mal eine halbe Stunde im Wasserbade sterilisirt. Am 20. Februar wurden die vier Gefässe, welche zur grösseren Sicher- heit der Impfung ‘mit einem seitlichen Ansatzrohre versehen waren, in der Weise inficirt, dass je eine Capillare, mit welcher das Reinmaterial entnommen war, in das Ansatzrohr hineingeführt und dann die Spitze abgebrochen wurde, so dass dieselbe mit der Spaltpilzmasse in die Flüssigkeit fiel. Bei der Cultur im Brutapparat bei etwa 26° C. trat nach einigen Tagen Rothfärbung ein. Nach mehreren Wochen wurden die Kölbchen auf Reinheit geprüft mittels der Gelatinecultur in flachen Schalen, sodann sofort durch mehrmaliges Kochen sterilisirt und zur Untersuchung auf Milchsäure auf- gehoben. Da sich bei jener Schalencultur herausstellte, dass alle vier Gefisse den Pilz in völliger Reinheit enthielten, so durfte diese Untersuchung vor- genommen werden. Dieselbe ergab ziemlich reichliche Milcehsäure-Produetion. Zur Prüfung auf diese Säure (welche von Herrn Privatdocent Dr. G. Baumert ausgeführt wurde, wofür ich demselben hiermit meinen verbindlichsten Dank sage) wurde die syrupöse schwachsaure Masse, nachdem sie mit’ etwas Wasser verdünnt war, mit Kalkmilch alkalisch gemacht und mit dem gleichen Volum Alkohol vermischt. Nach etwa 24 Stunden wurde die Flüssigkeit von dem viel Caleiumcarbonat enthaltenden Bodensatze getrennt, mit so viel Schwefelsäure versetzt, bis kein Niederschlag von Gyps mehr erfolgte und nach dessen Absetzen wieder filtrit. Das durch Eindampfen vom Alkohol befreite und wieder mit Wasser verdünnte Filtrat wurde dann im sauren: Zustande mit Aether und letzterer nach dem Abheben von der wässerigen Schicht mit Kalkwasser ausgeschüttelt, bis die sauere Reaction der ätherischen Flüssigkeit verschwunden war. Schliesslich wurden die vereinigten Kalkwasserauszüge concentrirt, mit Alkohol versetzt, nach einigen Stunden filtrirt und das Filtrat zur Krystallisation über Schwefelsäure auf- gestellt. Dabei hinterblieb ein anfänglich syrupiser Rückstand, welcher allmählich krystallinische Structur annahm und nach wiederholter Behandlung mit warmem Alkohol — Auflösen, Filtriren, Verdunsten — die charakteristischen Formen: biischelförmie angeordnete feine Nadeln des milchsauren Calciums bildete. m + Ke | ii ae d TF pe Zur Kenntniss der Fettfarbstoff-Production bei Spaltpilzen. (p. 19) 415 C. Peptonisirungsvermögen. Gelatine wird nicht peptonisirt; ebensowenig Eiweiss. D. Sauerstoffbedürfniss. Auf vier Objectträger wurde je ein Tropfen Gelatine gebracht, in der Mitte ein Impfstrich gemacht und dann mit einem Deckgläschen bedeckt. In allen vier Culturen trat nur sehr schwache Entwickelung ein. In der Gelatine- Stichcultur war. der Pilz oben stark entwickelt, nach unten nur sehr wenig, ebenso in der Agar-Sticheultur. Also ziemlich grosses Sauerstoffbedürfniss. E. Verhalten zur Temperatur. 1) Wächst er bei gewöhnlicher Temperatur ? Ziemlich rasch, namentlich auf Gelatine. 2) Bei höherer Temperatur im Brutapparat? Auf Agar und Eiweiss bei 25—26 ° C. kein erheblicher Unterschied, sowohl hinsichtlich der Intensität der Farbe, wie der starken und raschen Entwickelung. Endlich wurde noch folgender Parallelversuch gemacht: Je zwei Gläser Agar-Gelatine (®/, Agar und "/, Gelatine) wurden geimpft und einer- seits bei gewöhnlicher Temperatur, andererseits in den Brutapparat bei 25—26° C. hingestellt. Letztere entwickelten sich nicht besser, wie die bei gewöhnlicher Temperatur gehaltenen. Schliesslich verfehle ich nicht, Herrn Professor Zopf für die freundliche Unterstützung, welche er mir bei Ausführung der Arbeit im kryptogamischen Laboratorium der Universität Halle a./S. zu Theil werden liess, hiermit meinen verbindlichsten Dank zu sagen. . 416 Dr. A. Overbeck. (p. 20) Figuren-Erklärung der Tafel. (Die Figuren 1, 3 und 4 sind von Herrn Universitätszeichenlehrer Schenck gemalt.) Fig. 1. Fig. 2. Eine Impfstricheultur auf der Oberfläche von Fleischextract-Gelatine in natürlicher Grösse. Eine zwei Monate alte Cultur auf einer ziemlich trocken gehaltenen Kartoffel- scheibe in natürlicher Grösse, Fig. 3a und 3b. Aeltere Culturen auf weniger trocken gehaltenen Kartoffelscheiben. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. 150fach. Micrococcus Erythromyxa. Stück eines Gelatinefragmentchens von oben gesehen, bei a. eine oberflächliche Colonie, bei b. in der Tiefe liegende Colonieen, bei c. solche im Profil gesehen. Giebt eine Darstellung der allmählichen Einwirkung von concentrirter Schwefel- (ben AA, BB, CC bezeichnen dieZonen, welche den succesiven Einwirkungs- säure auf ein rothes Schöllchen der Spaltpilzmasse. Die Buchst: graden der Schwefelsäure entsprechen. Bei AA hat dieselbe am längsten und stärksten gewirkt; demzufolge ist die ursprünglich röthliche Spaltpilzmasse bereits ganz entfärbt, und die Färbung der Lipochrom- Krystallgruppen eine dunkelblaue (ndigoblaue). Bei BB hat die Ein- wirkung noch nicht so lange gedauert, daher zeigen die Krystalle erst etwa die Farbe von Berliner Blau. In CC ist die Spaltpilzmasse noch ein wenig gefärbt und die Krystallgruppen zeigen violette bis rothe Färbung. Weiterhin sind die Krystallgruppen noch sämmtlich roth, wie auch die Spaltpilzmasse selbst noch deutlich roth erscheint. (Zeiss, homog. Imm. 1,30. Ocular 8.) Spectrogramme der ziemlich verdiinnten Petrolätherlösung des durch Ver- seifung gereinigten rothen Fettfarbstoffes von Micrococcus rhodochrous Zopf, bei Sonnenlicht mittels des Zeiss’schen Spectraloculars erhalten. Die Zahlen zur Rechten geben die Schichtenhöhe der Lösung in Millimetern an. = let er Nova Acta Acad CLOG Nat. Car Vol. LV. Tab THAI Fig. 3 @ © ect pre a eee o h S WIR || | 5 | @ a T l = IL gL CC CCS, © TT At TT © Lith.Anst, Julius Klinkhardt Leipzig. Overbeck. Fettfarbstolf-Production bei Spaltpilzen. UDO Folgende von der Akademie herausgegebene Bände der NOVA ACTA sind durch die Buchhandlung von Wilh. Engelmann in Leipzig zu beziehen: Benders E EE, EE ss Halle atu: bin) EE, EE 5 1889. 1887. 1887. 1887. 1886. 1885. 1884, 40. 1884. ` 1883. 1882. 1881. 1880. 1879. 1878. CEET RA N oie Ee 1877. De OU NARUC at EE, Sonera ioe. Salus Sk 8 1876. NN Vill Arsh RE E E EH : 1875. DEREK Viger E a ihe Noth Mee i eal are ag 1873. BXOKENEV sei ee ae EE ; 1870. EE a O EE ` 1868. XXXII cht? ENEE arte Ger 1867. XXXII PI VE ADN Dia. Se 1867. XXXII DL ( XXIV Abth. E ER 1865. ` XXXI Py SBE rn Ee 1864. XXX ER hare Ps | 1864, XXIX e Bee E Ee e XXVIII ( d GEIER EE XXVII REN EN. EEN 5.1800, XVII Abth. 2) Breslau und Bonn 1858. RAVE E ; XVII Abth. > 1857. XXV P L Abth. 1856. XXV PB ; MeD © © 14855. XXIV. Sp © JI Spl.) oie. 1808 XXIV. P. JI Abth. 1854. 49. Wert. VI. Abth. 5 : 1854. 40, XXII Spl. s Spl.) SE 1856. XXI P. A N 1852. XXI P S | Abth. 1 1851. FAX: Ä { Spl.) 1852. eet E ; Abt, , 1850. XXU SB; ( Abth. , Seen XXI Spl. ei XII ` Spl.) : 1846. XXL : TI. Abth. : BEZ 1845. Abth. 1845. Abth. 1844. Abth. A 1843. Spl. 2) BAT. Spl. 1) 1843. 1842. 1839. 1841. 1841. 1838. 1836. 1836. 1835. 1835. 40. 1834. 4° [vergriffen] 1833. i d 1832. 40. ; 1831. . [vergriffen.] 1831. 49, 1831. ee SE 1829. 49. [vergriffen] 1829.. 4°. : Se 1828. 1827. 1826. 1825. 1824. ` 1823. 1823. a ee ado Bet Erlangen 1818. 4°. [vergriffen] SS