Padagogische Monatshefte.

PEDAGOGICAL MONTHLY.

Zeitschrift fiir das deutschamerikanische Schulwesen. Organ des

Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes.

Redakteur:

Max Griebsch,

Lehrer am Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerserainar,

Milwaukee.

Leiter der Abteilung fur hoheres Schulwesen:

M. D. Learned, Ph. D.

Professor der deutschen Sprache und Litteratur

•n der Universitat von Pennsylvanien.

Philadelphia.

Dritter Jahrgang.

Dezember 1901

bis November 1902.

Verlag :

The Herold Co., 431 to 435 Broadway, Milwaukee, Wis.

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H)CC 3-abtgaUQ der Piidagogisehen Monatshefte beginnt im Dezember und besteht aus 10 Hefteii, welche regelmaseig in den ersten Tagen eines Monats (mit Ausnahme der Ferienmonate Juli und August) erscheinen.

Der BbOnnementSprefS betrSgt $1.50 pro Jahr, im voraus zahlbar.

Hbonnementsanmel&ungen wolle man gefalligst an die Verlagsfirma: The Herold Co., Milwaukee, Wis., richten.

JBcitriitlC, das Uuiyersitatswesen betreffend, sind an Professor M. D. Learned, Ph. D., (University of Pennsylvania, Philadelphia, Pa.);

solche, das Hochschulwesen betreffend, an H. M. Ferren, (High School, Allegheny, Pa.);

eiimtliche Eorrcspondenzen und Mitteilangen, sowie Beitriige, die allge- meine Piidagogik und das Volksschulwesen betreffend, an Max Griebsch, (Nat. G. A. Teachers' Seminary, Milwaukee, Wis.);

3U besptecbenfce aSUcber an die Verlagsfirma zu senden.

Die Beitrage fur eine bestimmte Monatsnummer miissen spiitestens am 20. des vorhergehenden Monates in den Handen der Redaktion sein.

Padagogische Monatshefte.

PEDAGOGICAL MONTHLY.

Zeitschrift fur das deutschamerikanische Sdralwesen. Organ des

Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes.

Jahrgang III. Dezember 1901. Heft 1

Der Deutschamerikanische Nationalbund.

(Fiir die Padagogischen Monatshefte.)

Von C. Grosse, University of Pennsylvania, Philadelphia, Pa.

Als im denkwurdigen Jahre 1870 der Traum der Deutschen sich erfullte und Deutschland aus dem glorreichen Kriege als geeinigte starke Nation hervorging, da begannen auch die deutschen Herzen in der Fremde hoher zu schlagen und jubelnd mit einzustimmen in die Freu- denklange, die von der teuren Heimat heriiber getragen wurden iiber das Meer. Auch hier in Amerika besann man sich wieder auf die Liebe zur teuren Mutter Germania, und jeder Deutsche fiihlte sich von neuem als Sohn dieser Mutter und auch seines Anteiles wert an dem Erbteil, das sie all ihren Kindern so reichlich spendet, das Erbe unverausserlicher idealer Guter, die jedoch nur dem zu teil werden, der sie zu ervverben und festzuhalten versteht.

,,Was du ererbt von deinen Vatern hast,

Erwirb es, um es zu besitzen."

Fiir das Deutschtum hier in Amerika begann eine neue Zeit mit jenen weltgeschichtlichen Ereignissen im alten Vaterlande. Es erwachte von neuem das Bewusstsein der Zusammengehorigkeit aller deutschen Stamme und des gemeinsamen Anrechtes an die geistigen Besitztiimer unseres Volkes, und es bereitete sich die grosse Bewegung vor, die, zwar langsam, endlich zu dem schonen Ziele fiihren sollte, zu einem einigen Deutschtum, zu einem Bunde aller Deutschen in Amerika.

2 P'ddagogiscbe Monatshefte.

Lang und miihselig war der Weg, der unser deutschamerikanisch.es Volk hinauffiihrte auf diese Hohe. Es sind nun mehr als zwei Jahrhun- derte vergangen seit dem ersten kummerlichen An fang, als die Vater in Philadelphia landeten, der eben angelegten Freistatt der neuen Welt, wo einem jeden, wes Glaubens er immer war, in Frieden zu wohnen und seinem Gott auf seine eigene Weise zu dienen verstattet war.

Elend und Drangsal hatte diese ersten Ankommlinge vertrieben aus dem armen zerrissenen, von Kriegen verwiisteten Heimatlande; wie musste Leib und Leben bedroht gewesen sein, ehe man den Mut fasste zu der schreckenvollen, monatelangen Seereisse ! Wie schwer der erste Anfang im neuen Lande fiir die ersten Ansiedler war, horen wir von Franz Daniel Pastorius, wie er mit seinem Hauflein von Einwanderern im Spatherbst 1683 zwei Meilen von Philadelphia die erste deutsche Stadt griindete the German town , die erste Heimstatte, die sich Deutsche in diesem Lande bereiteten. ,,Und mag weder genug beschrie- ben, noch von denen vermoglichern Nachkommen geglaubt werden, in was Mangel und Armuth, anbey mit welch einer christlichen Vergniig- lichkeit und unermudetem Fleiss diese Germantownship begonnen sey," schreibt er, und in einem lateinischen Gruss an die spateren Geschlech- ter, die er im Geiste an sich voriiber ziehen sieht, ruft er ahnungsvoll aus:

,,Sei gegriisst, Nachkommenschaft ! Nachkommenschaft in German- town ! Und erfahre zuvorderst , dass deine Eltern und Vorfahren Deutschland, das holde Land, das sie geboren und genahrt, in freiwilli- ger Verbannung verlassen haben o, ihr heimischen Herde ! , um in diesem waldreichen Pennsylvanien, in der oden Einsamkeit, minder sor- genvoll den Rest ihres Lebens in deutscher Weise, d. h. wie Briider, zu- zubringen.

Erfahre auch ferner, wie miihselig es war nach Uberschiffung des Atlantischen Meeres, in diesem Striche Nordamerikas den deutschen Stamm zu griinden. Und du, geliebte Reihe der Enkel, wo wir ein Muster des Rechten waren, ahme unser Beispiel nach ; wo wir aber von dem so schwierigen Pfade abgewichen sind, was reumiitig anerkannt wird, vergieb uns ; und mogen die Gefahren, die andere liefen, dich vor- sichtig machen. Heil dir, Nachkommenschaft ! Heil dir, deutsches Bru- dervolk! Heil dir auf immer!"*

Wie die ersten Einwanderer durch Not und Verfolgung heriiber getrieben waren, so folgte ein ganzes Jahrhundert hindurch ein immer wachsender Strom deutscher Auswanderer, die alle, dem gleichen Zwange gehorchend, die Heimat verliessen. Die Mehrzahl derselben waren An- gehorige der verschiedensten Sekten, die in Deutschland nicht geduldet wurden, wie die Mennoniten, Wiedertaufer, Junker, Schwenkfelder,

*) Eickhoff, In der neuen Heimat, p. 119 f.

IDer Deutscbamerikaniscbe Nationalbund. 3

Herrnhuter, Pietisten, und wie sie sonst alle heissen. Sie legten Dorfer und Stadte an in der Wildnis, rodeten den Urwald, machten das Land urbar und griindeten manche der ersten Industrieen im Lande.

Diesen Sektenleuten gait als Hochstes die Gewissensfreiheit, die sie hier in vollem Masse genossen. Ihre Biicher waren Bibel und Gesang- buch, dazu noch das Almanach, mehr brauchten sie nicht. Doch waren sie unternehmend genug, schon friih ihre eigenen Papiermuhlen und Druckereien zur Herstellung ihrer Biicher einzurichten. Auch grunde- ten sie Schulen, von denen einige jetzt noch bliihen. Sie bauten Kirchen in grosser Zahl, ja selbst Kloster, wie das zu Ephrata in Pennsylvanien. Fast sagenhaft muten uns die Erzahlungen an aus dieser fruhen Zeit, als die ,,Briider" und ,,Schwestern" ihre Psalmen sangen und ihre Hymnen dichteten und ein in ihrem Gott vergniigtes Stillleben fuhrten, tief im Busch, hart an der Indianergrenze. Wunderlich verschnorkelte Schrift- stiicke, schone alte Drucke, manch ehrwiirdige Familienbibel in grossem Format mit vergilbten Blattern, jetzt als Heiligtiimer geschatzt bei ,,denen vermoglichern Nachkommen", erzahlen uns von den frommen Pilgern jener fernen Tage, deren hochster Schatz das Wort Gottes und die deut- sche Muttersprache, die sie hatten mitbringen konnen in diese Wildnis.

Diese ersten Ansiedler waren keine eigentlichen Kulturtrager, doch bedeuteten sie fur das neue Land mehr als sie selbst wussten. Sie wur- den der Grundstock der kernigen pennsylvanisch-deutschen Bevolkerung, die sich noch heute, nicht allein durch ihren biederen Pfalzer Dialekt, von den angloamerikanischen Mitbiirgern unterscheidet. Von diesen vielfach missachtet und verkannt, wurden sie oft als roh und hoherer Kultur nicht zuganglich hingestellt. Die schlichte Einfalt der heimischen Sitten und Sprache haben sie sich bis auf den heutigen Tag zu bewahren ge- wusst und findet der Ethnologe wie der Sprachforscher bei ihnen rei- ches Material fur seine Studien. Eine kleinere wissenschaftliche Arbeit iiber die pennsylvanisch-deutsche Sprache schrieb (1872) Haldeman, Professor an der Universitat von Pennsylvanien, und Dr. M. D. Learned wahlte (1887) denselben Stoff zu seiner philologischen Doktordisserta- tion, ein Werk, das spateren Geschlechtern als Denkmal dieses alten, aus- sterbenden Dialektes dienen wird.*)

Das Band, welches diese fruhen Einwanderer an die alte Heimat kniipfte, lockerte sich meistens bald, der Kampf um das Dasein that das ubrige, und so wusste die nachste Generation nur noch wenig von der Heimat der Eltern. Man lebte in irgend einer religiosen Gemeinschaft, jede fiir sich abgesondert, und legte in stiller Arbeit und emsigem Fleiss den Grund zu spaterem Wohlstand.

*) Der Verfasser legt darin die linguistische Bedeutung dieser Sprachinsel des 18. Jahrhunderts in Amerika dar und klassifiziert dieselbe endgiltig als dem pfal- zischen Dialekte angehorend.

4 P'ddagogische Monatsbefte.

Zur Zeit des Revolutionskrieges tritt der Deutsche schon aus seiner Zuruckgezogenheit heraus und bildet ein starkes, selbstandiges Element, das Gut und Blut fiir die Sache der Unabhangigkeit einzusetzen weiss. Die Namen tiichtiger deutscher Manner leuchten uns entgegen auf dem Hintergrunde dieser bewegten Zeit, wie die der Miihlenbergs, Jacob Wei- ser, Gen. Herkimer, Christoph Ludwick u. a. Ganze Regimenter bestan- den aus Deutschen, und wenn religiose Skrupel sie verhinderte, selbst die Waffen zu tragen, so steuerten die Sektenleute reichlich bei aus ihren Mitteln und verhalfen auf ihre Weise der guten Sache mit zum Siege.

Der Deutsche hat wahrlich sein gutes Teil mitgethan an dem Auf- bau und der Gestaltung des amerikanischen Staatswesens. Auf alien Ge- bieten der Arbeit, geistiger wie industrieller, sehen wir von jener Zeit an deutsche Intelligent, deutsche Kraft, deutschen Fleiss in heissem Bemii- hen, es dem angloamerikanischen Mitbiirger gleich zu thun, wenn nicht gar ihm die Wege weisend und vorangehend.

Das erste Jahrhundert hindurch war durchaus eine Periode der Pio- nierarbeit, der Aussaat ; der Urwald wich der Axt des immer weiter west- warts dringenden Ansiedlers; bliihende Dorfer und Stadte, reiche Staa- ten entstanden unter der fleissigen Hand des Deutschen. ,,Was ware Amerika von Pennsylvanien bis zum Mississippi-Becken, der Kornkam- mer der Welt, ohne den deutschen Farmer mit seiner konservativen Sess- haftigkeit, der den jungfraulichen Boden nicht rasch und riicksichtslos ausniitzen und abwirtschaften will, sondern in liebevoller, verstandiger und ausdauernder Pflege ihn wirklich anzubauen, auszubauen und in bleibender, stets wachsender Nutzbarkeit zu erhalten beflissen ist!"*)

Das anbrechende 19. Jahrhundert hatte unserem teuren Vaterlande die tiefste Schmach und Erniedrigung gebracht, von der sich das deut- sche Volk erhob aus eigenster Kraft; es zerbrach die Ketten der Be- driicker und erhoffte eine neue Ara der Freiheit, der Verwirklichung aller getraumten Ideale. Leider erfullten sich nicht diese goldenen Dichtertraume, sondern es begann nach der Restauration der alten legiti- men Fiirstenhauser die triibe Zeit der Reaktion, der Demagogenhetzen. Die Unruhen nach der Julirevolution, 1830, und die misslungenen Auf- stande von '48 waren der Ausdruck der Emporung des in all seinen Hoffnungen getauschten Volkes. Ein nicht endender Strom von poli- tischen Fluchtlingen und heimatsmuden Deutschen ergoss sich nun in die Vereinigten Staaten, wo man hoffte, die hohen Ideale von edlem Menschentum und politischer Freiheit verwirklichen zu konnen. Im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts war diese Einwanderung am starksten und es gewann das amerikanische Deutschtum dadurch alles, was das Vaterland von sich gestossen hatte an edelstem Menschenma- terial, und es gewann die Republik dadurch die besten, tiichtigsten Burger.

Dr. A. Spaeth, Der deutsche Padagoge in Amerika.

IDer Deutschamerikaniscbe Nationalbund. 5

Der weite Westen mit seinen unendlichen Reichtiimern erschliesst sich, zum grossen Teile, dem Unternehmungsgeist und dem rastlosen Fleiss des deutschen Industriellen, sowie des deutschen Farmers. Als der Biirgerkrieg entbrennt, eilen deutsche Regimenter unter deutschen Offizieren der Union zu Hilfe und helfen der guten Sache zum Siege. Im neu geeinigten Staatenverband bilden die Deutschen nun ein Ele- ment geistiger und physischer Kraft und Gesundheit, dem das amerika- nische Volk in seiner kiinftigen Entwickelung das Beste zu verdanken haben wird.

Der Deutsche des 18. Jahrhunderts, meistens religioser Fluchtling, lebt abgesondert in kleinen Gemeinschaften, er beteiligt sich nicht an dem politischen Leben der Provinz, deren Sprache und Sitten ihm lange fremd sind. Der Einwanderer des 19. Jahrhunderts ist politischer Fluchtling, vielfach unpraktischer Schwarmer, der Unmogliches erstrebt, ein en Staat im Staate griinden mochte mit utopischen Regierungsfor- men. Viel tiichtige Kraft wird auf diese Weise zersplittert, die, wenn richtig verwendet, schon damals dem Deutschtum dieses Landes hatte zum bleibenden Nutzen gereichen konnen. Doch neben allerlei unprak- tischen sozialpolitischen Ideen hat uns der gebildete deutsche Einwan- derer von 1830 und '48 das Beste mitgebracht, das unserem Deutschtum die Unterlage gegeben, auf welcher alle fortschrittlichen Bestrebungen ruhen : die deutsche Musik, das deutsche Turnen und deutsche Erzie- hungsideale.

Das Vereinswesen trieb reiche Bliiten, man schloss sich landsman- nisch zusammen in zahllosen Vereinigungen, je nach Geschmack und Neigung. Dieser Zeit verdanken wir unsere Gesang- und unsere Turn- vereine; auch der Lehrerbund, wenn auch spater, ist eine Frucht dieser Bewegung. Ohne diese drei Hauptbewegungen ware das heutige Deutschtum noch lange nicht auf der Hohe, wo es sich jetzt befindet.

Dieses Vereinswesen hatte jedoch den grossen Nachteil, die Deut- schen ganz unter sich in ihre partikularistischen Kreise fest zu bannen. Viel Zank und Streit und kleinliche Eifersiichteleien waren die unver- meidlichen Folgen, wogegen man sich von den grosseren politischen, so- wie geistigen Bewegungen. unter den angloamerikanischen Mitburgern gleichgiltig fern hielt, so weit die Massen des deutschamerikanischen Volkes in betracht kamen. Deutsche Theater, deutsche Schulen, ja selbst Kirchen, in denen deutsch gepredigt wurden, fanden nicht die richtige Wiirdigung und finanzielle Unterstiitzung. Der Deutsche hier im Lande hatte die Fuhlung mit der fortschreitenden Volksbildung in der Heimat verloren und mit der englisch redenden Vevolkerung hatte die Masse des Deutschtums fast keine Beriihrung gewonnen ; aus die- sem Grunde wurde sie huben und driiben weder richtig gewiirdigt noch verstanden.

6 P'ddagogtscbe Monatshejtc.

Ganz ohne das Dazuthun, ja fast ohne Wissen der deutschen Be- volkerung dieses Landes, hatte die angloamerikanische Gelehrtenwelt geistige Beziehungen mit Deutschland angekniipft. Deutsche Philoso- phic, deutsche Wissenschaft, deutsche Lehrmethode, Litteratur und Mu- sik brachen sich Bahn und bewirkten eine formliche Revolution in alien bisherigen Anschauungen in den Kreisen der Angloamerikaner und be- reiteten deutschem Wesen eine Statte, wo sonst nur englische und andere nicht-deutsche Einflusse galten. Die hoheren Lehranstalten, besonders die ersten Universitaten dieses Landes, wurden nach deutschem Muster eingerichtet oder umgestaltet und deutsche wissenschaftliche Methoden verdrangten die alteren. Einzelne deutsche Manner errangen sich die Bewunderung und Achtung des ganzen Landes als Staatsmanner, Red- ner parlamentarische oder Kanzelredner , Soldaten, Philanthropen. Die grossten Bankhauser, Brauereien, Zuckerfabriken, Eisen- und Stahl- werke des Landes haben Manner von deutschem Stamme, wenn nicht Deutsche von Geburt, an ihrer Spitze: Carl Schurz, Gen. Sigel, Dr. Mann, Dr. A. Spaeth, John D. Lankenau; Drexel, Havemeyer, Frick, Schwab u. a. m. Oswald Seidensticker, der Vater der deutschamerika- nischen Geschichtschreibung, darf auch nicht vergessen werden. Ins Un- endliche miisste die Reihe ausgedehnt werden, wollten wir hier der Ver- dienste aller derer gedenken, die in all den verschiedenen Staaten des Landes unserm amerikanischen Deutschtum zum Stolz und zur Ehre ge- reichen.

Damit jedoch alle diese Faktoren dem gesamten Deutschtum hier im Lande zugute kommen, muss die Masse desselben aufgeriittelt und zu der Einsicht gebracht werden, dass nur durch einiges, geschlossenes Vorgehen dem deutschen Volkstum hier im Lande der Platz eingeraumt wird, den es einzunehmen befahigt und berechtigt ist. Ohne Kampf und heisses Bemiihen wird kein Sieg errungen, besonders kein intellektu- eller.

Nach den grossen Ereignissen von 1870 71 jedoch trat auch hier eine Besserung ein, und der neue Geist erwachte unter den Deutschen diesseits des Ozeans. Die Grosse und Herrlichkeit des Vaterlandes er- weckte die warmste Begeisterung fur die alte Heimat und all das Schone, Gute und Grosse, was jedem Deutschen von dort zustromt, wenn er es nur zu fassen versteht.

Kleinliche, partikularistische Unterschiede verschwinden von nun an allmahlich, und es entwickelt sich ein immer mehr und mehr zur Einig- keit in alien geistigen Bestrebungen drangendes Volkstum, das mitar- beiten will an der gemeinsamen Losung der grossen Kulturaufgaben des neuen Jahrhunderts, vor die sich das amerikanische Volk jetzt gestellt sieht, und die vor sich gehen muss mit Hilfe der hochsten Entwickelung der germanischen Kultur im amerikanischen Volkstum. Dieses wunder- liche und wundervolle Volkergemisch, das aus den verschiedensten Ele-

*Der Dcutschamerikanische Nationalbund. 1

menten zusammengesetzt ist, bedarf am meisten des germanischen Ele- mentes zur Vertiefung und Veredelung seiner geistigen und zur Ent- wickelung seiner physischen Krafte.

Der Geist ist lebendig, die Sehnsucht nach den hochsten Zielen hat sich langst machtig geregt in unserem deutschen Volkstum hier im Lande, das Eisen gliiht und muss geschmiedet werden! Nun mussten sich auch die rechten Manner finden, die den rechten Augenblick er- kannten, um gestaltend und fiihrend in die Bewegung einzugreifen und zur schonen Vollendung zu fiihren : zur Griindung des Deutschameri- kanischen Nationalbundes.

Gewiss sind in jedem Staate, in jeder Stadt, wo Deutsche leben, die Namen des Prasidenten und des Vizeprasidenten dieses neuen Bundes bekannt. Lange schon hat Dr. C. J. Hexamer mit feuriger Beredsam- keit, mit selbstloser Hingabe die grosse Sache vorbereitet, hat Professor Dr. Learned, der Leiter der deutschen Abteilung an der Universitat von Pennsvlvanien (selbst geborener Angloamerikaner) mit Wort und Schrift, weder Miihe noch Arbeit scheuend, an dieser grossen Aufgabe gearbeitet. Auch die deutsche Presse von Amerika hat sich in den Dienst dieser Sache gestellt und mit Geduld und Ausdauer fur das Ziel gewirkt, und ist auch der Sekretar des neuen Bundes, Herr Adolf Timm, selbst ein Mann der Zeitung.

Wenn es nur Zufall, dass Philadelphia, die Wiege des Deutschtums in Amerika, auch die Wiege des neuen deutschen Bundes werden musste, so war es einmal ein recht gliicklicher Zufall. Es war am 6. Oktober 1901, am Deutschen Tage, der wie alljahrlich eine Festversammlung in der Halle der Deutschen Gesellschaft vereinigte, als zugleich der Kon- vent abgehalten wurde zur Konstituierung des neuen Bundes. Uber diese Feier erfolgt ein eingehender Bericht an anderer Stelle dieser Zeit- schrift, sie sei deshalb iibergangen.

Der Deutschamerikanische Zentralbund von Pennsylvanien, im Jahre 1898 in Philadelphia gegriindet, war der erste Schritt zu diesem grosse- ren Nationalbunde. Ihm folgten schnell zahlreiche ahnliche Verbindungen in verschiedenen Staaten, wahrend sich die schon vorhandenen enthu- siastisch der Bewegung anschlossen und gemeinsam mit den ersteren vorgehend immer weitere Kreise heranzogen und in kurzer Zeit ein Netz von Zentralvereinen bildeten, das die ganzen Vereinigten Staaten um- fasst, und alle entsandten ihre Delegaten zu der am 6. Oktober stattge- fundenen Konvention zur Konstituierung des neuen Bundes.

Alle deutschen Vereinigungen, Angehorige aller verschiedenen Re- ligionsgemeinschaften, werden eingeladen, sich dem Bunde anzuschlie- ssen, da nach §2 der Statuten des Bundes ,,Fragen und Sachen der Re- ligion strengstens ausgeschlossen" sind. Die deutsche Sprache zu pfle- gen, dieselbe als Unterrichtszweig in alien offentlichen Schulen einge- fiihrt zu sehen, ebenso, die Einfiihrung eines systematischen und zweck-

8 P'ddagogische Monatshefte.

dienlichen Turnunterrichts, die Befreiung der Schule von politischem Einfluss, gehoren u. a. zu den Bestrebungen des neuen Bundes; ferner, die Griindung von Fortbildungsvereinen als Pflegestatten der deutschen Sprache und Litteratur, Abhaltung von Vorlesungen uber Kunst und Wissenschaft, und endlich nach §n,,,Eine systematische Forschung der deutschen Mithilfe an der Entwickelung des Adoptivvaterlandes in Krieg und Frieden auf alien Gebieten deutschamerikanischen Wirkens, von den friihesten Tagen an, zur Grundung und Weiterfiihrung einer deutschamerikanischen Geschichte".

Schon lange haben zahlreiche Geschichtsvereine die deutschameri- kanische Geschichte zum Gegenstand ihrer Forschung gemacht und nam- hafte Leistungen auf diesem Gebiete zu verzeichnen, unter diesen die Historische Gesellschaft von Maryland, die von Illinois, der leider langst eingegangene Pionierverein von Philadelphia u. a. Die "German- Amer- ican Historical Society", die historische Sektion des Nationalbundes, ent- stand aus dem vor zwei Jahren gegriindeten Deutschen Publikations- fonds von Amerika, welcher durch Herrn Direktor Heinrich Conrieds liberale Unterstiitzung in Form zweier Benefizvorstellungen seine erste Anregung erhielt, und wurde durch die Verwalter des Fonds und eini- ger Beamten des Nationalbundes kurzlich unter dem obigen Namen in- korporiert. Da der Deutschamerikanische Nationalbund dieselben Ziele verfolgt wie die bestehenden historischen Gesellschaften, will er nicht diese verdrangen, sondern vielmehr kooperative Anregung geben zur Grundung historischer Sektionen in all den verschiedenen Staaten, wo ein deutschamerikanischer Geschichtsverein bis jetzt noch nicht besteht. Das Studium der Lokalgeschichte jedes einzelnen Staates oder Coun- ties, dazu biographische Arbeiten, sollen die Aufgabe der historischen Sektionen jedes Zentralbundes bilden. Die Ergebnisse sind von d.en Be- amten der Sektion zu sichten und Wertvolles in dauernder Form aufzu- bewahren, wahrend Artikel und Biographien von allegemeinem nationa- lem Interesse dem Redakteur der "Americana Germanica", der Zeitschrift des Deutschamerikanischen Nationalbundes, einzusenden sind zur Ver- offentlichung in diesem Organe. Nur durch ein so systematisches Vor- gehen kann die deutschamerikanische Geschichtsforschung mit Erfolg arbeiten.

Um die Zeitschrift "Americana Germanica" weitesten Kreisen zu- ganglich zu machen, ist der Subskriptionspreis fur Mitglieder des Bun- des, Vereine oder einzelne Mitglieder auf $i das Jahr festgesetzt.

Nicht allein auf die Erforschung und etwaige Drucklegung soil sich die Thatigkeit der Historischen Sektion erstrecken. Es sollen durch ihre Bemiihungen die jungen Leute herangezogen werden und die heran- wachsende Jugend, denen die Kampfe und Leiden, die Thaten und Siege der Vater oft so unbekannt und leider so gleichgiltig sind. Geschichte sollen sie treiben ,deutsche Geschichte und deutschamerikanische! Sie

Editorielles. 9

sollen fiihlen lernen, welches Stamms sie sind, um mit Stolz und Dank- barkeit der Thaten ihrer Vater zu gedenken, und sie sollen ,,erfahren, wie miihselig es war, in diesem Striche Nordamerikas den deutschen Stamm zu griinden", und um mit Pastorius fortzufahren, soil die ,,ge- liebte Reihe der Enkel" dem Beispiel der Vater nachahmen, wo sie ein Muster des Rechten waren, und wo sie von dem so schwierigen Pfade abgewichen, soil sie ihnen vergeben, damit die Gefahren, die andere lie- fen, sie selbst vorsichtig machen mogen.

,,Sei gegriisst Nachkommenschaft !

Heil dir deutsches Brudervolk!

Heil dir auf immer!"

Editorielles.

Der Deutschamerikanische Nationalbund. Was meinest du, will aus dem Kindlein werden? Diese Frage wird wohl so mancher unserer Leser aufwerfen, wenn er die Philadelphiaer Verhandlungen, die zur Griindung eines Zentralbundes des Deutschamerikanertums fiihrten, liest. Schwer ist die Antwort. Nur zu oft sind Versuche eines gemeinsamen Vorgehens gemacht worden, und immer noch verliefen sie im Sande, nachdem sie vielleicht einen zeitweiligen Erfolg gehabt batten, und im- mer war die Ursache dafiir in der Lauheit und Gleichgiltigkeit, oder in den Sonderinteressen von Personen und Gesellschaften zu suchen. Der Pessimist wird auch diesem erneuten Versuche kein anderes Los bestim- men, wenn er ihm vielleicht auch die Berechtigung und Notwendigkeit nicht abspricht.

Wie unendlich viele aber giebt es leider noch unter den Deutsch- amerikanern, die auch die Berechtigung solcher Bestrebungen, wie sie der neugegriindete Bund vertritt, verneinen ! Gerade unter dem gebil- deten oder vielmehr gebildet sein wollenden Deutschamerikanertum hort man haufig die Phrase nachbeten, als deren Vater merkwiirdigerweise sowohl unser President, als auch der deutsche Kaiser gelten, dass das Wort ,,Deutschamerikaner" ein Unding bezeichnet, dass einer entweder ein Deutscher oder ein Amerikaner sein miisse, nie aber beides sein konne ; und die ,,Bindestrichamerikaner" sind darum bei den Hyperpatri- oten in iiblen Geruch gekommen. Nun, wir lassen sehr gem den Binde- strich zwischen ,,deutsch" und ,,amerikanisch" fallen, sintemalen die deut- sche Orthographic denselben nur in seltenen Fallen gestattet. In unserm zusammengesetzten Worte ,,deutschamerikanisch" ist ,,amerikanisch" das Grundwort, ,,deutsch" das Bestimmungswort, und die Zeit wird einmal kommen, wo das erstere, das Grundwort, allein stehen wird. Aber, wer will sagen, wann dies geschehen wird ?

10 P'ddagogiscbe Monatshefte.

Es giebt kaum ein Land der weiten Erde, das nicht einen Beitrag an Menschenmaterial zur Bildung unserer Nation gegeben hat. Gewiss ist es wahr, dass die Charaktereigentumlichkeiten eines Volkes durch die topographischen und klimatischen Verhaltnisse seines Landes umgestal- tet werden; inwieweit dies der Fall ist, wollen wir den Ethnologen fest- zustellen iiberlassen. Aber sollten denn die Menschen selbst nicht auch bestimmend in die Ausgestaltung eines Nationalcharakters eingreifen? Sollte das, was die Natur in uns durch Jahrhunderte, ja Jahrtausende geschaffen hat, spurlos verschwinden, urn ganz Neuem Platz zu machen? Das diirfte wohl auch der eingefleischteste Knownothing nicht behaupten wollen. Im Gegenteil, die in unser Land Eingewanderten, aus welchem Teile der Erde sie auch gekommen sein mogen, haben ihre Nationalei- gentiimlichkeiten mitgebracht, und diese machen sich bei ihnen und ihren Nachkommen geltend, mitunter auch trotz aller Bemiihungen, sie abzu- legen. Die Zeit, wo eine solche Verschmelzung der Bevolkerung unse- res Landes stattgefunden haben wird, dass wir ein Amerikanertum aus einem Gusse haben werden, liegt noch gar feme. So lange aber dieser Verschmelzungsprozess noch im Gange ist, ist es die Pflicht einer jeden hier vertretenen Nationalitat, soviel Edelmetall, als ihr zu Gebote steht, zum Gusse herbeizutragen. Oder soil die Form gefullt werden, ehe alles Metall Verwertung gefunden hat? Sollen wir inbezug auf die kulturelle Wertschatzung der verschiedenen Bevolkerungsteile zwei Klassen, etwa wie auf politischem Gebiet bei den Romern, Patrizier und Plebejer, ha- ben? Nein, so lange die Nationaleigentiimlichkeiten als solche hervor- treten, so lange haben die Anglo-, Irisch-, Polnisch-, etc., etc.-, ja sogar die Deutschamerikaner ein Recht, sich die beziiglichen Namen beizule- gen und ihre hervortretenden Eigentiimlichkeiten zur Geltung zu brin- gen. Wir leben ja gliicklicherweise in einer Republik, in welcher die Majoritat jederzeit iiber den Wert oder Unwert dieser Eigentiimlichkei- ten fur die Allgemeinheit bestimmen kann.

Aus solchen Gedanken heraus ist der Deutschamerikanische National- bund entstanden, und jeder Deutschamerikaner, der noch einen Funken von eigener Wertschatzung in sich tragt, sollte auch die Pflicht in sich fiihlen, dem Bunde beizutreten. Seine Griindung entspringt nicht Son- derinteressen, im Gegenteil, sie entspringt dem Verlangen, an der kul- turellen Entwickelung unseres Landes, dem Verschmelzungsprozess, sich zu beteiligen ; er hat sich zur Aufgabe gesetzt, die Vorziige und Errun- genschaften der Deutschen, im Vollbewusstsein ihres Wertes, frei von alien Schlacken, der sich bildenden amerikanischen Nation als bleibenden Kulturbestandteil mitzuteilen und ihnen auf dem neuen, jungfraulichen Boden zu neuer Bliite zu verhelfen.

In diesen Bestrebungen stellen wir uns nicht in Gegensatz zu dem jetzt herrschenden Amerikanertum; denn gerade innerhalb desselben fin-

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den wir Wiirdigung und Verstandnis fiir deutschen Geist und deutsches Wesen, und haufig genug wirksame Unterstiitzung. Der Name Learned ist nur ein Typus dieser Klasse von Mannern, die in unsern Universita- ten und anderen hoheren Lehranstalten zahlreich zu finden sind ; und jeder gebildete Amerikaner steht unsern Bestrebungen sympathisch ge- geniiber. Die Gegner im fremden Lager brauchen wir nicht zu fiirch- ten, wohl aber die in unserm eigenen, welche Indolenz, Hang zum Frem- den, vielleicht auch Bescheidenheit beiseite stehen lassen. Wenn diese doch wiissten, welcher Verachtung sie sich preisgeben, in elender Liebe- dienerei, wenn es nicht noch Schlimmeres ist, ihre naturlichen Bande zu verleugnen. Von diesen Leuten sind uns bisher die schwersten Schlage zugefiigt worden, und von ihrem Verhalten wird auch die Zukunft des neuen Bundes abhangen.

Das, wofiir wir als Deutschamerikaner mit Stolz eintreten konnen, hier aufzuzahlen, darf uns erspart werden.*) Wohl aber muss betont werden, dass der deutschamerikanischen Lehrerschaft und ihren Verbiin- deten auf ihrem Erziehungsfelde ein grosser Teil der Arbeit des Bundes auf die Schultern gelegt werden muss, denn sie wird auch in erster Linie in die Nutzniessung eines Erfolges gelangen.

Auch uns fehlt es leider nur zu haufig an dem stolzen Bewusstsein des eigenen Wertes, das uns den Mut geben wiirde, fiir unsere Sache mit Entschiedenheit einzustehen. Die Bildung des Deutschamerikanischen Nationalbundes ist ein Hephata fiir j eden Deutschamerikaner ; mochte es ebenfalls als ein Weckruf in die deutschamerikanische Lehrerschaft hin- einschallen und sie zur zielbewussten und thatkraftigen Mitarbeit an der vernunftigen Ausgestaltung des allzeit wichtigsten Faktors im nationalen Leben, der Schule, ermuntern ! Denn der Errungenschaften der Deut- schen auf dem Gebiete der Schule vom Kindergarten bis zur Universitat hinauf brauchen wir uns wahrlich nicht zu schamen !

*) Die Berichte iiber die Philadelphiaer Verhandlungen und die dort gehalte- nen Reden geben in begeisterten Worten Aufschluss dariiber; auch verweisen wir auf den vor dem Lehrertage zu Indianapolis gehaltenen Vortrag Prof. Starr W. Cuttings: ,,Deutschamerikanische Beitrage zum amerikanischen Geistesleben". (P. M. Sept. und Okt. 1901.)

Auf Pfaden des ,,Tell".

(Aus der Allg. Detttschen Lehrerzeitung.)

Von Karl Bottcher.

Tief in seiner Wolkenzipfelmiitze steckt der ,,Pilatus"; zerfetzte Nebelhemden umflattern die ,,Mythen"; der ,,Rigi" erglanzt im weissen Negligee, und auf hohen Matten hat die nachlassige Sonne den Schnee noch nicht von dannen gefegt.

In den Pensionen nichts von herumschwirrenden Reisegesellschaften, von schwadronierenden Berlinern, und bis zu den Miickenschwarmen der Ferienreisen- den ist es noch weit. An den Table d'hotes finden die breiten Kauwerkzeuge der Engliinder noch keinerlei Beschaftigung. ttber alien Servietten ist Ruh'.

In solch goldner Einsamkeit kann ich meinen poetischen Alluren nach Her- zenslust nachhangen, kann ich wie sonst etwa der Entstehung eines Gedichtes hier gleich dem ganzen fiinfaktigen ,,Tell" nachsteigen.

Freilich hat sich was heute mit dem Nachsteigen ! Vom Fohn erregt, plat- schert vor meinem Fenster der See in kraftigen Stossen ans Ufer. Matschiger Schnee rieselt aus vernebeltem Himmel in triibselige Gesichter.

Trotzdem meine Frb'hlichkeit, gut f undiert wie eine solide Aktiengesell- schaft, geht nicht flb'ten; denn stets betrachte ich unsere von gewissen Fachgelehr- ten als Jammerthal verlasterte schone Gotteswelt vom Standpunkte des Hei-Juch- hei. ttberall drum hore ich Lerchen tirillieren, wo anderen in ihrem verargerten Griesgram Frosche entgegenquaken.

Am Abend der Fohn ermiidet. Der See ,,liegt ruhig da wie ein ebener Spie- gel"....

Spat, in weicher, mondbeglanzter Friihlingsnacht, rudere ich im Kahn nach der Riitli-Wiese. Szenerie ganz wie im ,,Tell": ,,Der See und die weissen Gletscher leuchten im Mondlicht." Doch vom ,,Mondregenbogen" keine Spur; aber ,,es leben viele, die das nicht gesehen" ....

Aufrausehend murmelt die Flut am Kiel. Dicht geht's vorbei am .,Schiller- stein", von dem der Name des Dichters herabglanzt ins dunkle Gewoge. Dann, nach langer Fahrt, am ,,unwirtlichen Gestade" des ,,Riitli" gelandet ....

Jetzt mutterseelenallein auf der ziemlich steil aufsteigenden, waldumschlosse- nen Matte, dem schweizerischen Nationaleigentum und Nationalheiligtum. In alien Zweigen schwellendes Friihlingsleben. Quellendes Mondlicht. Jetzt das Schlagen einer Nachtigall; sonst zaubervolles Schweigen. Traumerisch die schwarzen Fich- ten ....

Erregung packt mein Herz. Mir ist, als hore ich in mutiger Feierlichkeit die Stimme des Walter Fiirst: ,,Abreissen wollen wir verhassten Zwang ", als sehe ich die wackern Eidegnossen schworend die Hande erheben: ,,Wir wollen frei sein, wie die Vater waren !"....

In weihevoller Erregung blicke ich um mich, muss aber immer und immer wie- der wie gebannt hiniiberstarren nach den Fichten. Mein Gott, dort thront eine glanzende Gestalt, die sich jetzt erhebt und wachst. . . . und wiichst in anmutiger Herrlichkeit. Gleich f unkelnden Sternen leuchten ihre Augen hin iiber den See ....

Ich starre und starre und sehe das Gotterbild der Freiheit, wie es auch hier in jener historischen Rutli-Nacht aufgliihte. Und ,,Freiheit! Freiheit!" das stolze berauschende Wort, zuckt mir durch die Seele ....

Wahrend mein Blick noch ruht auf diesem erhabenen Glanzen, schwirrt auf einmal fledermausartig allerhand Nachtgevogel herum, um die Freiheit zu entwei-

</luf Pfaden des Tell". 13

hen. Weiss Gott, wo es von weit, weit da draussen iiberall hergeflattert 1st! Da krachzt gleich einem Uhu die ,,Theaterzensur", schniiflfelt ,,Lakaientum", klaftert ,,Polizeiwirtschaf t" die Fliigel ....

Unentvveiht ist die Freiheit verschwunden.

Als ich heimwarts nach meinem Hotel in Brunnen gondele, stehen in der Ferae die beiden ,,Nasen", zwei Hohenriicken, welche sich einander gegeniiber in den See senken, in vollster Mondpracht, weithin erglanzend, wie sonst nur alkoholfreudige Kupfernasen. Besonders die eine vom Rigi vorgestreckte ,,grosse Nase" ein tlichtiger Zinken, der mit seiner Kriimmung an den Berg Sinai gemahnt nimmt geradezu gespenstische Dimensionen an. Ach, jetzt erscheint sie nur wie eine Ver- korperung jener ins Ungeheuerliche wachsenden Riesennase, welche sich das mora- lische Ansehen Englands im Burenkrieg vor der ganzen zivilisierten Welt holte! Ha, wenn ich mir unter diese Riesennase noch einen kiihn emporgestraubten Schnurrbart denke, Fagon ,,Es ist erreicht" oh, oh !

Die in meinem Feuilleton nur markierte Handlung des ,,Tell"entwickelt sich naturgemiiss in fieberhafterem Tempo, als in Schillers fiinf Akten. Aus dem ersten Aufzug fahre ich schleunigst in den dritten: vom feierlichen Riitli nach dem trau- lichen Altdorf ....

Schon inspiziere ich den kleinen Marktplatz, das Terrain des Apfelschusses. Wo sich am alten Turm das stimmungsvolle bronzene Telldenkmal erhebt, stand der Sage nach in der entscheidungsvollen Stunde der Schweizer Nationalheros mit der Armbrust. Driiben, wo jetzt ein Brunnen platschert, war der Knabe aufge- stellt. ,,Erzahlen wird man von dem Schiitzen Tell, solang die Berge stehn auf ihrem Grunde." Goldne Schilde verschiedener Restaurants und Hotels ringsum erfiillen getreulich diese Weissagung. O, eine poetische Situation!

Aber etwas von deutschem Wesen und deutscher Art flutet ein wenig verhee- rend auf diesen Weiheboden. Plakate von irgend einem ,,Munchner Brau" suchen in machtigen Schnorkelbuchstaben das Interesse der Strasse aufzufangen; die ,,Woche" angelt nach neuen Abonnenten; im Schaufenster eines Friseurs begegne ich sogar einer von Berlin importierten Schnurrbartbinde mit der stolzen Etikette: ,,Im personlichen Gebrauch Sr. Majestat des Kaisers und Konigs."

Die braven Altdorfer riisten gegenwartig zu den im Sommer stattfindenden wohlrenommierten ,,Tellspielen". Wie bei den Oberammergauern mimen auch hier nur Leute aus dem Orte selbst auf der Biihne des brettergegiebelten Festspielhau- ses. Der hochgewachsene, schwarzbartige Wirt meines Hotels giebt den ,,Gessler". Als ich die Rechnung verlange, bange ich, dass es schreckeinjagend fur mein Porte- monaie heissen wird: ,,Platz! Platz dem Landvogt!" Aber nein, er hat mich ausserst gnadig behandelt, ,,der Wiiterich", als hatt 'ich ,,seinem Hute Reverenz erwiesen".

Begliickt ziehe ich mit meinem Tintenfass weiter, die an steilste, oft iiberhan- gende Felskolosse geschmiegte Axenstrasse dahin, wo es nur so herumwimmelt von malerischen Motiven zu Ansichtspostkarten, wo hinter himmelaufragenden Felspar- tieen so schone Echos lauern, dienstbereit, jeden Augenblick hervorzukichern, wo die gewaltigste Natur durch das Rauschen der Sturzbache ihre ewigen Monologe halt..

Dann hinein in den vierten Akt des Schillerschen ,,Tell" zur ,,Tellsplatte" mit der stimmungsvollen ,,Tellskapelle".

Wer als galanter Ehemann auf der Hochzeitsreise seiner angebeteten Frau ein marchenschones Platzchen zeigen will, der trumpfe ihr die ,,Tellskapelle" mit dem ganzen Drum und Dran von See und Gebirge hin! Weiter habe ich dariiber nichts zu sagen.

Auf frohlicher Fahrt nach der ,,Hohlen Gasse" halte ich in Luzern kurze Rast. Ich will den ,,Luzerner Lowen" begriissen; stets thut es wohl, wenn man ininitten

14 PMagogiscbe Monatsbefte.

der Legionen unserer menschlichen Schwachen zuweilen einen Lb'wen sieht. Aber o weh, der gefeierte Lowe 1st in seiner winterlichen Umhiillung noch mit Brettern vernagelt, und mit meiner Erbauung Essig !

Auch bei der ,,Hohlen Gasse", von der ich in meiner Phantasie so grosse Vor- stellungen herumwalzte, muss ich mich sehr bescheiden. Eine schmale, von Ulmen eingefasste Fahrstrasse nichts weiter. Wo Tell den ,,Meisterschuss" that und der sterbende Gessler rief : ,,Das war Tells Geschoss!" erhebt sich jetzt eine kleine Kapelle. Die Inschrift iiber dem Portal berichtet: ,,Hier ist Gesslers Hochmut von Tell erschossen!" Wie? Bloss der Hochmut? Ich glaubte immer, gleich der ganze Gessler; aber diese Kapellinschrift an Ort und Stelle muss es ja wissen!

Bei Schiller ist die ,,Hohle Gasse" eine ausserst belebte Strasse. ,,Hier geht der sorgenvolle Kaufmann und der leichtgeschiirzte Pilger der andachtige Monch, der diist're Rauber und der heit're Spielmann, der Saumer mit dem schwerbelad'nen Ross "; sogar ,,der Klostermei'r von Morlischachen, der hier den Brautlauf halt", wird sichtbar ....

Von diesem lebhaften, an die Berliner Friedrichstrasse gemahnenden Verkehr hat jetzt die ,,Hohle Gasse" einiges eingebiisst. Heute zeigt sie mir eine etwas andere Physiognomic : zwei Metzgerburschen treiben einen fetten Ochsen vorbei; ein Radfahrer kilometert voriiber; eine kleine, rundliche Hebamme humpelt ihrem segenbringenden Amte nach; ein schmutziger Junge kutschiert in einem maladen Kinderwagen sein Schwesterchen dahin ,,sie alle ziehen ihres Weges fort an ihr Geschaft".

Ziehe auch ich von dannen! Addio denn, du Schweizer Juwel, Vierwaldstat- tersee !

Berichte und Notizen.

I. Die erste (Convention des Deutschamerikanischen Nationalbundes.

(Fiir die Padagogischen Monatshefte.)

Von C. O. Schonrich, Baltimore, Md.

Der Deutschamerikanische Nationalbund, "The National German-American Alli- ance," ist zur Thatsache geworden. Am 6. Oktober dieses Jahres ist er in der Halle der altehrwiirdigen Deutschen Gesellschaft von Pennsylvanien zu Philadelphia ins Leben getreten. Tag und Ort hatten nicht passender gewahlt werden konnen, war es doch am denkwiirdigen 6 .Oktober im Jahre 1683, als die ersten deutschen An- siedler unter ihrem wackeren Ftihrer Pastorius in der neuen Welt landeten und durch die Griindung von Germantown die Bahn brachen fiir Millionen, die hier ein zweites Vaterland gefunden haben.

Die erste Anregung ging von gemeinsinnigen deutschamerikanischen Burgern Philadelphias aus, an ihrer Spitze C. J. Hexamer ,der riihrige President der Deut- schen Gesellschaft. Jenen Mannern gelang es, als vor wenigen Jahren durch die Hetzpresse des In- und Auslandes eine Trilbung in den Beziehungen unseres Landes zum alten" Vaterlande zu befiirchten war, durch Wort und Schrift das Einheits- und Selbstgefiihl unter Amerikanern deutscher Abstammung zu wecken, und so ent- stand am 16. April 1899 der heute etwa 1000 Vereine umfassende ,,Deutschameri-

Konvention des Deutscbamerikaniscben Nationalbundes. 15

sche Zentralbund von Pennsylvanien". Dieser Verband wusste sich schnell Geltung im Staate zu verschaffen und entwickelte eine rege Thatigkeit, einzelne Mitglieder und ganze Vereine erfuhren seinen machtigen Schutz, nativistische An- und ttber- grifFe wurden erfolgreich bekampft, und in der jiingsten Staatslegislatur setzte er die Einfiihrung des Turnunterrichts in den grosseren Stadten des Staates durch; die Herren Politiker wussten und wissen es eben wohl, dass der Verband 190,000 Stimmgeber zahlt.

Wie nachdriicklich konnte sich nun das gesamte Deutschamerikanertum, dessen Zahl auf 12 Millionen geschatzt wird, die ihm gebiihrende Geltung verschaffen, wenn sich durch das ganze Land ahnliche Orts- und Staatsverbande zogen dieser Ge- danke erregte im Zentralbund die Bewegung zur Schaffung eines Nationalbundes. Mit opferwilliger Hingabe schafften die wackeren Manner, und am 5. und 6. Oktober dieses Jahres ward ihnen die Genugthuung, eine Anzahl treugesinnter Delegaten bei sich zu sehen, die aus 22 Staaten zu einer Nationalkonvention erschienen waren. Der Lehrerbund hatte zwei Delegaten geschickt: Dr. M. D. Learned und C. O. Schb'nrich.

Die bei der Vorversammlung am Samstag, dem 5. Oktober, gehaltene Begru- ssungsansprache des Dr. Hexamer, sowie die darauf folgende Rede des Prof. Dr. Spath gaben der Konvention die gebiihrende Weihe. In der Friihe des folgenden Tages trat diese zusammen. Die Wahl der Beamten ergab folgendes Resultat: Pra- sident, C. J. Hexamer, Philadelphia; 1. Vizeprasident, W. L. Elterich, Washing- ton, D. C.; 2. Vizeprasident, H. C. Blodel, Allegheny, Pa.; Sekretar, Adolph Timm, Philadelphia. Die Vorbereitungen fiir die Verhandlungen waren in so umsichtiger und umfassender Weise getroffen worden, die Geschaftsleitung war eine so treff- liche und die Stimmung unter den Delegaten trotz verschiedener Ansichten eine so harmonische, dass nach vierstiindiger ununterbrochener Arbeit die Organisation des Deutschamerikanischen Nationalbundes eine vollendete Thatsache geworden war.

Bei Besprechung der Verfassung* ) kam man zu dem Resultat, dass die Exe- kutive, ausser den Beamten, aus je einem Beisitzer der dem Bund angehorenden Staaten bestehen soil.

Die Konventionen sollen alle zwei Jahre am ersten Sonntag im Oktober in dem von der vorhergehenden Konvention zu bestimmenden Ort abgehalten werden. Die nachste Konvention wird im Jahre 1903 in Baltimore**) stattfinden.

Nachdem sich der Nationalbund, dessen Beamte die vom Vorort zu erwahlen- den Beamten sind, durch Annahme der Verfassung konstituiert hatte, folgte als erstes Geschaft die einstimmige Annahme eines Beileidsbeschlusses aus Anlass der Ermordung von President McKinley. Die Resolution hat folgenden Wortlaut:

,,Als hier versammelte Delegaten zur Konvention des Deutschamerika- nischen Nationalbundes geben wir hiermit den Gefiihlen des ganzen deutschen Amerikanertums Ausdruck, indem wir unsere hochste Entriistung tiber eine Schandthat wie die Ermordung des Pnisidenten McKinley aussprechen und alle zum Mord aufreizenden Lehren als dem wahren Menschentum zuwider verdammen. Mit tiefem Bedauern beklagen wir den Verlust eines pflicht- getreuen Beamten der Republik, eines guten Mitbiirgers und tapferen Sol- daten. Indem wir der schwer gepriiften Witwe unser innigstes Beileid aus-

*) Beziiglich der Verfassung verweisen wir auf einen andern Artikel dieses Heftes: der deutschamerikanische Nationalbund von C. Grosse, in welchem die we- sentlichsten Punkte der Verfassung gegeben sind. D. R.

**) Durch letztere Bestimmung ist dem Schreiber ein Strich durch die Rech- nung gemacht worden, denn er hatte gehofft, den Lehrertag in jenem Jahre in Baltimore sehen zu diirfen; jetzt hofft er aber um so mehr auf 1904.

16 P'ddagogische Monatsbefte.

sprechen, erkliiren wir, dass den Manen Wm. McKinleys neben denen der Martyrer-Prasidenten Lincoln und Garfield in dem Herzen eines jeden guten Deutschamerikaners ein bleibendes Andenken gesichert 1st.

Beschlossen, diese Resolution dem Protokoll einzuverleiben und eine Ab- schrift Frau McKinley zuzustellen."

Nach Annahme dieser Resolution wurde zur Beratung iiber den Antrag Penn- sylvanias, dass die englische Bezeichnung des Nationalbundes "American-German National Alliance" sein solle, (ibergegangen. Der Antrag ging von dem Gesichts- punkte aus, dass man in erster Linie Amerikaner und dann erst Deutscher sei, jedoch wurde von demselben Gesichtspunkte aus der Antrag aus grammatikalischen Grunden verworfen und die Bezeichnung "National German-American Alliance" ge- wahlt.

Das Rationale Deutschamerikanische Lehrer seminar. Delegat C. O. Schonrich berichtete der Konvention, wie sich auf dem Lehrertag zu Indianapolis ein so leb- haftes Interesse fiir das Zustandekommen des Nationalbundes bekundet habe, be- tonte Wesen und Ziele des Lehrerbundes, schilderte biindig die von ihm gewonnenen Eindriicke bei einem im vergangenen Sommer gemachten Besuch des Lehrersemi- nars, wobei er auf dessen Jubilaumsschrift hinwies, die er vor Beginn der Ver- sammlung an die einzelnen Delegaten verteilt hatte, und legte schliesslich der Kon- vention die kraftigste Unterstiitzung des Lehrerseminars ans Herz, wenn sie unter den Umstanden vorerst auch nur eine moralische sein sollte.

Dr. M. D. Learned erganzte eindriicklichst die Ausfiihrungen seines Mitdele- gaten vom Lehrerbund und sprach dabei die Hoffnung aus, dass der Nationalbund bald in der Lage sein werde, dem Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerseminar nicht nur eine moralische, sondern auch die thatkraftige Unterstiitzung zu teil werden zu lassen, die dasselbe so reichlich verdiene und brauche, um sich gemass seiner Bedeutung und seines Wertes auch ausserlich weiter zu entwickeln. Dass diese Hoffnung mit dem Ausbau des Nationalbundes mehr und mehr in Erfiillung gehen wird, das muss die ttberzeugung eines jeden geworden sein, der der Konven- tion beiwohnte.

Die Anwesenden folgten den Ausfiihrungen mit gespannter Auf merksamkeit ; es zeigte sich dabei, dass nur wenige derselben eine Ahnung von der Bedeutung des Lehrerseminars hatten, und viele nicht einmal von dessen Existenz wussten. Ihreni warmen Interesse verlieh die Konvention gebiihrenden Ausdruck durch einstim- mige Annahme folgender Beschliisse:

,,1. Die Konvention des Deutschamerikanischen Nationalbundes, versam- melt in der Halle der Deutschen Gesellschaft von Pennsylvanien zu Phila- delphia, hat mit grosser Genugthuung von dem segensreichen Wirken des Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerseminars zu Milwaukee Kenntnis genommen ,und von der Ehrung, mit der dasselbe jiingst auf der internatio- nalen Weltausstellung zu Paris vor aller Welt ausgezeichnet wurde, indem dieser Musteranstalt fiir ihren Beitrag von den Preisrichtern eine Ehrenme- daille und ein Diplom zuerkannt wurde.

2. Zu diesen Errungenschaften entbietet die Konvention dem thatkraf- tigen Seminardirektor, Herrn Emil Dapprich ,und seiner berufstreuen Fakul- tat, sowie den" opferwilligen Verwaltungsbeamten ihre herzlichsten Gliick- wiinsche.

3. Die Konvention richtet an samtliche deutsche Vereinigungen des Landes, an jedes einzelne Mitglied, sowie an alle Freunde unserer Bestre- bungen die dringende Bitte, in jeder Weise zu einer kraftigen finanziellen Unterstiitzung des Lehrerseminars beizutragen, der einzigen nationalen Schopfung des Deutschamerikanertums, die von weitgehendster Bedeutung

Konvention des Deutschamerikanischen Nationalbundes. 17

sein muss fiir die Weiterentwickelung unseres Schulwesens, und ein wich- tiger Faktor in dem Bildungsprozess unseres Volkes.

4. Der Sekretar 1st angewiesen, dem Prasidenten des Seminarvereins,

Herrn Dr. Louis F. Frank, eine Abschrift dieser Beschliisse zu ubermitteln."

Deutschamerikanische Geschichtsforschung. Pennsylvania legte der Konvention

nachfolgenden Antrag beziiglich der Etablierung und Weiterfiihrung einer systema-

tischen deutschamerikanischen Geschichtsforschung vor:

,,Der Deutschamerikanische Zentralbund von Pennsylvania empfiehlt zur Weiterfiihrung der Vierteljahresschrift ,,Americana Germanica" die Aufrecht- erhaltung des "German Publication Fund of America" und ferner die Inkor- porierung dieses Fonds unter dem Namen "German-American Historical So- ciety."

,,Die Griinde, welche uns zu dieser Empfehlung bewegen, sind, dass der Publikationsfonds ein bereits bestehendes Institut ist, an dessen Spitze fahige und bewahrte Manner stehen. Ferner, dass bei der Mitleitung des Fonds der Deutschamerikanische Nationalbund nicht zum Herausgeber wird, wah- rend sich doch die Bethatigung an der deutschamerikanischen Geschichtsfor- schung als ein dauerndes Bindemittel fiir den Nationalbund erweisen diirfte. ,,Als einzige Bedingung stellt der "German Publication Fund of Ame- rica" die Belassung des Sitzes der Herausgabe der ,,Americana-Germanica'' an der Wiege des Deutschtums in Amerika, in Philadelphia.

,,Die Separierung des Fonds und auch die Inkorporierung desselben, das Vorhandensein einer separaten Verwaltung, die alleinige Verwendung der fiir den Fonds bestimmten Gelder fiir den bestimmten Zweck wird demselben die Zusicherung von Subskriptionen, Erbschaften u. s. w. siehern.

,,Wir empfehlen einen gemeinsamen Verwaltungsrat, zusammengesetzt aus Mitgliedern des Publikationsfonds und des Nationalbundes.

,,Der Verwaltungsrat besteht aus einem Prasidenten, einem 1. und 2. Vizeprasidenten, einem Schatzmeister und einem Sekretar. Ferner aus zehn Direktoren, von denen fiinf auf zwei Jahre und fiinf auf ein Jahr erwahlt werden.

,,Folgende Komitees, aus je drei Mitgliedern bestehend, sind zu erwahlen: Finanzkomitee; Archivkomitee;

Komitee fiir historische Forschung; Komi tee fiir litterarische Leitung; Druckkomitee.

,,Das Komitee fiir historische Forschung kann sich in beliebiger Anzahl erganzen und hat daf iir zu sorgen, dass alle Staats- und Nationalzweige gleich- namige Komitees einsetzen und in Thatigkeit halten.

,,Der Prasident des Verwaltungsratea is ex officio Mitglied jedes Komi- tees und aktives Mitglied des Komitees fiir litterarische Leitung.

,,Der Verwaltungsrat hat jahrliche Berichte iiber den Stand des

Publikationsfonds in der ,,Americana-Germanica" zu veroffentlichen." Dr. Learned sprach als Referent in warmen Worten fiir den Antrag. Er fuhrte aus, dass die ,,Americana-Germanica" bisher sich mit der Ergriindung und Be- schreibung der Geschichte der Deutschen in Amerika befasst habe, dass man jetzt je- doch bestrebt sei, den Inhalt der Vierteljahrsschrif t auf breitere Basis zu stellen und zu zeigen, was der Deutsche auf jedem Gebiete in Amerika geleistet habe und noch leisten soil. Es werden deutsch sowohl wie englisch geschriebene Artikel angenom- men und werde besonders Wert auf die Griindlichkeit und Gediegenheit der Artikel gelegt. Jeder Mitarbeiter sei willkommen. Der Antrag wurde auch noch von ande- rer Seite warm befiirwortet und hierauf einstimmig angenommen.

18 Padagogische Monatsbefte.

Das Deutsche Theater. Ein Antrag von Philadelphia, die Anbahnung einer Konsolidierung der deutschen Buhne in Amerika betreffend, wurde ebenfalls ange- nommen, und einem Komitee von sieben, durch den Prasidenten zu ernennenden Herren iiberwiesen. Der Antrag lautet:

,,Da wir in der Forderung und Vervollkommnung der deutschen Biihne in Amerika einen machtigen Hebel zur Pflege der deutschen Sprache und zur Verbreitung von Bildung sehen, da ferner bereits in mehreren Stadten des Landes Theatervereine zur Pflege der deutschen Biihne bestehen, wiirden aus einer Konsolidierung dieser Theatervereine unter einer einheitlichen Leitung bedeutende geschaftliche wie kiinstlerische Vorteile entstehen, dem Publikum Vorstellungen ersten Ranges und Abwechselung geboten, und Stadte mit einem guten und grossen Deutschtum, welche aber infolge der zu iiberwindenden Schwierigkeiten kein deutsches Theater unterhalten kon- nen, wenigstens zeitweise guter deutscher Theatervorstellungen teilhaftig werden konnen.

,,Wir empfehlen daher der Nationalkonvention, geeignete Schritte zur Konsolidierung der deutschen Biihne unter einer einheitlichen Leitung zu thun und empfehlen ferner ausser den besten deutschen Biihnenerzeugnissen die Beriicksichtigung deutschamerikanischer Biihnenstiicke, fiir die das deutschamerikanische Volksleben reichen Stoff bietet."

Weitere Antrage und Geschafte. Herr Rudolf Cronau, Delegat der Litterari- schen Gesellschaft von New York, sprach den Wunsch aus, dass der Plan, an dem ehemaligen Hause des Franz Daniel Pastorius eine Gedenktafel zu errichten, wofiir $1000 vorhanden sind, erweitert werde, indem man in Germantown ein Pastorius- Denkmal errichte, denn dem Deutschamerikanertum sollte keine Statte heiliger sein, als Germantown, wo seine ersten Kulturerrungenschaften errungen wurden. Die Deutschamerikaner hatten schon Schiller, Goethe, Heine und anderen Denkmaler in Amerika errichtet, und sie wiirden auch sicherlich patriotisch genug sein, um Pastorius ein solches zu errichten. Herr Cronau gab eine Schilderung einer Skizze fiir das Denkmal, und er versprach, unter befreundeten Kiinstlern in New York eine Art Wettstreit fiir einen Entwurf zu einem Denkmal anzuregen, welcher dann der nachsten Konvention vorgelegt werden konnte. Die Anregung des bekannten Schriftstellers wurde von der Konvention sehr beifallig aufgenommen, und die eng- lische Presse Philadelphias bezeugte derselben ein ganz besonderes Interesse.

Ein langeres Schreiben mit folgenden Antragen des Deutschamerikanischen Zentralbundes von Idaho wurde von der Konvention entgegengenommen und dem Exekutivkomitee iiberwiesen :

„!. Schaffung eines Organisationsfonds fiir den Westen. Aus demselben sind zu bestreiten:

a) Mitteilungen und Anzeigen in der deutschamerikanischen Presse des Westens.

b) Gehalt und Reisekosten fiir Agitatoren unserer deutschamerikani- schen Bewegung.

c) Redaktionskosten einer spiiter zu griindenden, von idealen Gesichts- punkten zu leitenden deutschamerikanischen Zeitung fiir den Westen.

2. Schaffung eines Schulfonds fiir den Westen.

3. Fiihlungnahme mit den deutschamerikanischen Synoden durch miind- liche Verhandlungen, deren Zweck ware, die Synoden auf die Wichtigkeit der Bestrebungen des Nationalbundes auch fiir die Kirchen aufmerksam zu machen, da nach unseren Erf ahrungen viele streng kirchlich gesinnte Deutsch- amerikaner ohne Eintreten oder Befiirworten ihrer Geistlichen unseren Be- ptrebungen aktiven oder passiven Widerstand leisten werden. Wahres, prak-

Konvention des Deutschamerikaniscben Nationalbundes. 19

tisches Christentum kann sich nirgends besser entfalten, als auf dem Na.hr- boden echten Deutschtums ! Und es. ist dem Deutschtum ein Schlag ins Ge- sicht, wenn voriges Jahr auf einer Synode der Antrag diskutiert wurde, an Stelle der deutschen die englische Predigt zu setzen."

Verschiedene anderweitige Zuschriften konnten der vorgeriickten Zeit wegen nicht mehr zur Verlesung kommen; sie wurden, nachdem der Sekretar deren Inhalt kurz mitgeteilt hatte, ebenfalls dem Exekutivkomitee iiberwiesen. Eine Reihe von Gliickwunschbriefen und Depeschen waren auch eingelaufen, so von der Deutschen Gesellschaft von New Orleans, Louisiana; von der Deutschen Gesellschaft von Evansville, Indiana; von Richmond, Virginien; von dem aus 17 Vereinen bestehen- den Kriegerbund von Wisconsin, und anderen. Hon. Simon Wolf von Washington, D. C., der friihere amerikanische Generalkonsul in Egypten, Richter Bode von Cin- cinnati, Ohio, und Carl Boom von Egg Harbor City, New Jersey, hatten ihre Ab- wesenheit schriftlich entschuldigt.

Es sprachen dann noch mehrere Herren iiber die Zwecke des Bundes, das Inter- esse und Entgegenkommen, welches derselbe allenthalben findet, sowie das vor ihm liegende grosse, zu bewaltigende Arbeitsfeld. Auch der als Gast anwesende schwei- zerische Konsul, Heir Konradi, hielt eine kurze Ansprache, worin er den Bund zu dessen Unternehmen herzlich begluckwiinschte.

Nach den iiblichen Dankesbeschlussen, und nachdem Pennsylvanien als Vorort, sowie Baltimore als Ort der nachsten Konvention erwjihlt worden war, erklarte President Hexamer die erste Konvention des Deutschamerikanischen Nationalbun- des der Vereinigten Staaten von Amerika ofSziell filr vertagt.

Der nicht offizielle Teil der Konvention verlief gleichfalls in schoner und wiir- diger Weise. Dem gastlichen Zentralbund von Pennsylvanien gebiihrt hohes Lob dafiir; es ist ihm in reichem Masse gelungen, seinen geehrten Gasten den Aufent- halt ebenso angenehm als nutzbringend zu machen, sie alle genossen das kosige Ge- fiihl des Daheimseins in der schonen Stadt der Bruderliebe.

Am ersten Abend wurde ihnen ein festlicher Empfang seitens der Deiitschen Gesellschaft von Pennsylvanien, der altehrwiirdigen, die ein Dutzend Jahre alter ist, als die Vereinigten Staaten; von da ging's zu einem flotten Kommers in der Halle der Philadelphia Turngemeinde ; am Konventionstag waren die Delegaten vom Deutschen Klub zum Mittagessen eingeladen; am Nachmittag waren sie Gaste der Universitat von Pennsylvanien, auch altehrwiirdig, darf sie doch Benjamin Franklin zu ihren Griindern zahlen; abends endlich wurde ihnen in dem monumen- talen Heim des Jungen Mannerchors ein glanzendes Bankett gegeben, das durch ein herrliches Konzert einen wiirdigen Abschluss fand. Diejenigen Delegaten, die lan- ger weilen konnten, genossen auch noch am folgenden Tage die ungemein liebens- wtirdige Gastfreundschaft des Zentralbundes.

Den Besuchern des Philadelphier Lehrertages im vergangenen Jahre werden beim Lesen dieser Andeutungen schone Erinnerungen zuriickkommen ; was dem Schreiber damals so bedeutungsvoll erschien, das machte auch bei dieser Veranlas- sung wiederum einen tiefen Eindruck auf ihn: das freundliche Entgegenkommen der Universitat von Pennsylvanien. Obgleich es Sonntag war, der in der Quaker- stadt immer noch streng gehalten wird, liess die Universitatsbehorde ihre reichhal- tigen Museen fiir die Delegten offnen; am Eingang wurden sie von dem Vizeprovost der Universitat herzlich bewillkommt, und unter seiner Leitung begleitet von Dr. Learned und anderen Professoren wurden die vielen Sehenswiirdigkeiten jener grossartigen Lehranstalt eingenommen. Fiir eine solche Anerkennung des Deutschamerikanertums von Seiten der hochsten Vertreter unserer angloamerika- nischen Mitbiirger haben wir unserem verdienten Learned, unserem thatkraftigen Vorkampfer, ganz besonders zu danken; sie ist von unberechenbarem Wert fiir un-

20 P'ddagogiscbe Monatsbefte.

sere Bestrebungen. Das liessen schon diesbeziigliche Artikel der englischen Presse Philadelphias erkennen.

Der Schreiber ist tiberzeugt, dass nach eingehender Kenntnisnahme des hier Berichteten seine Kollegen in ihren Kreisen mit alien Kraften zum Ausbau des Nationalbundes hinwirken werden. Wenn so das Deutschamerikanertum die ihm gebiihrende Stellung in Stadt und Land zur Geltung bringt, dann gehen wir kiinftig bei unseren Bestrebungen geradewegs ,,zum Schmid, und nicht zum Schmidle", wie die Schwaben sagen; wir hangen dann nicht mehr oder weniger vom guten Willen von Lokalsuperintendenten oder Lokalpolitikern ab, wie das in Chicago und an anderen Orten der Fall zu sein scheint, sondern wir wenden uns, wo notig, direkt an die Staatslegislaturen, oder in Nationalsachen direkt an den Kongress. In der Bundeshauptstadt hat der Nationalbund iiberaus tuchtige und gewichtige Vertre- ter, ,,seht nur darauf, dass Ihr die rechten Leute in den Kongress schickt, wir werden dann schon dariiber wachen, dass sie ihr Versprechen auch ausfiihren," sag- ten uns die Washingtoner Delegaten.

Ehe ich schliesse, kann ich nicht umhin, meinen verehrten Kollegen unsere Bannertrager, die Bundesbeamten, naher zu bringen.

Dr. C. J. Hexamer, der President, bedarf keiner Einfiihrung, er ist uns schon durch die goldenen Worte, mit denen er 1900 den Lehrertag bewillkommte, ein gar lieber Freund geworden, und seine Begriissungsansprache vor der Nationalkonven- tion zeigt ihn uns als das Prototyp eines echten deutschen Mannes. Nur sei hier erwahnt, dass Dr. Hexamer nicht Mediziner, sondern Techniker und zwar ein viel- gesuchter Techniker Philadelphias ist, und dort geboren. In seinem ganzen Wesen erinnert er an den Prasidenten des Lehrerseminars, Dr. Frank. Seine Adresse ist: 419 Walnut St., Philadelphia, Pa.

Wm. L. Elterich, 1. Vizeprasident, ist ein bekannter Washingtoner Advokat. Derselbe hat viel Jihnlichkeit mit unserem Dr. Fick, besitzt auch eine eben so gliick- liche Rednergabe wie jener.

H. C. Blodel, 2. Vizeprasident, ist ein wohlhabender Kaufmann in Allegheny, Pennsylvanien. Er ist erster Sprecher des Allegheny Turnvereins und ein warmer Freund unseres wackeren Kollegen Ferren .

Adolph Timm, der Sekretar, ist Journalist. Als Sekretar des Zentralbundes von Pennsylvanien hat er seine Befiihigung fur den jetzigen Posten vollauf bekun- det, und durch die umsichtige Weise, mit der er neben der deutschen auch die ge- samte englische Presse Philadelphias in den Dienst der Konvention zu bringen ver- stand, hat er sich weitere Anerkennung erworben. An ihn wende man sich in Sa- chen der Agitation. Seine Adresse ist: 522 West Lehigh Ave., Philadelphia, Pa.

Ich wusste meinen Bericht kaum besser und bundiger zu Ende zu bringen, als mit den Schlussworten eines trefflichen Leitartikels, den der ,,Philadelphia Demo- krat" der Konvention widmete:

,,Es ist ein gesunder Junge, der gestern in der Halle der altehrwiirdigen deut- schen Gesellschaft aus der Taufe gehoben wurde, moge er erbliihen und gedeihen zum Wohle der Deutschen und ihrer neuen Heimat."

II. Jahresversammlung der National Educational Association.'

(Fur die Padagogischen Monatshefte.)

Von B, A. Abrams, Milwaukee, Wis.

(Schluss.)

Im Jahre 1898 hatte der Erziehungsrat, die leitende Abteilung der "National Educational Association", einen Ausschuss mit der wichtigen Aufgabe betraut, einen Bericht auszuarbeiten iiber die Frage: Soil in der Bundeshauptstadt eine Natio- naluniversitat ins Leben gerufen und unter Aufsicht der Bundesregierung geleitet werden? Durch seinen Vorsitzenden, den Prasidenten der Chicagoer Universitat, Herrn Dr. Harper, Hess der Ausschuss der Detroiter Versammlung des ,,National Council" seinen Bericht unterbreiten, der sich gegen die Griindung einer National- universitat ausspricht. Es sei, meint Dr. Harper, eine der vornehmsten Pflichten der Bundesregierung, die der Erziehung gewidmeten Anstalten und Organe zu ermutigen und zu unterstiitzen, aber nicht, leitend und ordnend einzugreifen. Keine der die Schaffung einer Nationaluniversitat anstrebenden Vorlagen, die im Kon- gresse ihrer Erledigung barren, konne von dem Ausschusse der Lehrerschaft dieses Landes als der Unterstiitzung wiirdig empfohlen werden.

Der Bericht erklart sich jedoch einverstanden mit dem Plane, am Sitze der Bundesregierung eine dem Einflusse und der Leitung der Bundesregierung ent- riickte Hochschule zu griinden. Die Nahe und leichte Zugangigkeit der wissen- schaftlichen Sammlungen und Anstalten der Bundeshauptstadt wiirde einer Wash- ingtoner Universitat besondere Vorteile gewilhren. Dem umfassenden Bericht des Chicagoer Universitatsprasidenten wurde seitens der Mehrheit des ,,Educational Council" keine sehr freundliche Aufnahme zu teil. Von denen, die mit den An- sichten des Berichterstatters fiber die Pflichten der Bundesregierung den Erzie- hungsanstalten gegeniiber nicht iibereinstimmten, wurde hervorgehoben, dass fast alle Prasidenten von Staatsuniversitaten sich zu gunsten einer Nationaluniversitat unter Regierungsaufsicht ausgesprochen hiitten. Ganz unverhohlen wurde dem Verdacht Ausdruck verliehen, die Furcht, eine Nationaluniversitat konne schadigend wirken auf das Wachstum der hoheren Lehranstalt, die ihr Dasein und Gedeihen der Freigebigkeit reicher Burger dieses Landes verdankte, sei nicht ohne Einfluss auf die Farbung des Ausschussberichtes gewesen. Dem Ausschusse wurde schliess- lich gedankt fiir seine griindliche Arbeit, und der Bericht gelangte zur Annahme mit dem merkwiirdigen Zusatze, der die Annahme nichtig machte: ,,Der ,,National Council" hillt nach wie vor an der Ansicht fest, dass die Griindung einer National- universitat ratsam und zweckmassig ist ! "

Auf der Tagesordnung der zweiten Hauptversammlung in der Armory Hall stand als wichtigster Punkt die Frage: "What constitutes a Fad?" Voile drei Stunden widmete man der beriickenden Truggestalt, der Verkorperung der Mode- launen und -Thorheiten auf dem Gebiete der Erziehung und des Unterrichts, der falschen Nixe, die mit ihrem triigerischen Lacheln und zaubervollem Blicke schon Tausende von der sicheren Bahn besonnenen Fortschrittes auf den abschiissigen Weg thorheitsvoller und verderblicher Experimente gelockt. Woran man diese grosse Tauscherin erkennt, wie man ihren Listen entgeht, wie man sich gegen ihre Verfiihrungskunst wappnet, ,,wie man die Wirbel meidet und mit der Brandung ncht," wurde von den verschiedenen Rednern in interessanter Weise erortert. Den Reigen eroffnete der alien alten Mitgliedern des Deutschamerikanischen Lehrerbun- des wohlbekannte Kollege, Superintendent der b'fTentlichen Schulen von St. Louis,

22 P'ddagogiscbe Monatsbefte.

Herr F. Louis Soldan. Des Einflusses seiner machtvollen Personlichkeit und seines thatkraftigen Wirkens ist der Lehrerbund seit dem Milwaukeer Lehrertage vom Jahre 1887 leider verlustig gegangen. Vielleicht ergreift ihn beim Lesen dieser Zeilen wenn sie ihm zu Gesicht kommen ein menschliches Riihren, die Erin- nerung an vergangene mit uns verlebte frohliche Stunden steigt vielleicht in ihm auf: vielleicht tritt er wieder in unseren Kreis und mit ihm mancher der wackeren Kampen aus der Stadt des heiligen Ludwig, die uns verliessen, als man in einer dunklen Stunde den deutschen Unterricht aus dem Lehrplane der Schulen von St. Louis strich! Doch hat seine von der grossen Versammlung in der Armory Hall so beifallig aufgenommene Abhandlung iiber die Frage: "What constitutes a Fad?" gezeigt, dass F .Louis Soldan noch fest und sicher auf dem Boden deutscher Pada- gogik steht und dass die trugerische Zauberin Fadda, der so viele seiner angloame- rikanischen Kollegen schon zum Opfer fielen, ihn nicht bestrickt hat.

Der Vortragende verlas die verschiedenen ihm zugegangenen Antworten auf seine an eine grossere Anzahl von Lehrern und Erziehern gerichtete Frage: "What is a Fad?" Seine treffenden Bemerkungen, die er an jede Antwort knupfte, die eine Erklarung des Wortes "Fad" anstrebte, oder in der Schulstube angestellte Beob- achtungen und Versuche zur Mitteilung brachte, bildeten den Kern des hochst in- teressanten Vortrages.

Von vielen Seiten wird gegen die moderne Volksschule der Vorwurf erhoben, sie tiberbiirde den Lehrplan auf Kosten der Facher, welche den eisernen Bestand der Schule bilden sollten. Musik und Zeichnen, Handfertigkeits-, Turn- und Fremd- sprachunterricht werden von vielen angefeindet und als Luxusgegenstande fiir die Volksschule angesehen, weil sie alles als "Fad" bezeichnen, was man nicht lehrte, als sie zur Schule gingen. Jeder Lehrgegenstand wird zum "Fad", sobald er sei- nem idealen Zwecke, dem harmonischen Zusammenwirken mit anderen Thatigkeiten, Verrichtungen und Studien entzogen wird, sobald sich beziiglich des Umfanges, der relativen Wertschatzung oder der Methode eine Neigung zum ttbertreiben zeigt. Es giebt Leute, die jeden neuen Gedanken, der dem Geiste eines Erziehers ent- stiegen, mit Begeisterung begriissen, bei denen die Liebe zum Neuen auf dem Ge- biete des Unterrichts so stark ist, wie die Liebe zum Neuen im Gesellschaftsleben oder in den Kleidertrachten. Es ist ein charakteristiscb.es Zeichen, dass die "Fads" nichts Bleibendes, nichts Greifbares schaffen, wenn auch die Begeisterung ihre Ver- kunderin und der Eifer ihr Diener ist.

Wenn ich noch erwahne, dass ich einer Sitzung der Abteilung fiir Korperpflege beigewohnt, einige Abhandlungen fiber Turnen in der Volksschule angehort, und einer der 2000 Besucher war, welche die turnerischen Leistungen der Zoglinge des Detroiter Turnvereins gebiihrend bewunderten, wenn ich noch zum Schlusse der trefflichen und reichhaltigen Ausstellung auf dem Gebiete des Handfertigkeitsunter- richtes, sowie der nicht minder trefflichen und interessanten Handfertigkeitspro- dukte der Indianerschiiler gedenke, glaube ich den Bericht iiber meine Detroiter Lehrertagseindriicke zum Abschlusse bringen zu diirfen.

III. Die Jahresversammlung der , , Modern Language Association

von Ohio.

(Fur die Padagogischen Monatshefte.)

Yon Anna Karger, Columbus, Ohio.

Die zwolfte jahrliche Versammlung der Modern. Language Association von Ohio fand am Freitag und Samstag, dem 29. und 30. Nov., in Columbus in den Raumen der Staatsuniversitat statt.

Eine Neuerung war die gemeinschaftliche Abendsitzung mit der Academy of Science. Es wurden drei Vortrage geboten:

Moderne Sprachen und Wissenschaft im Hochschulkursus, Wm. Werthner, Dayton.

tfber eine Reise nach Siidsibirien, Gerard Fowke, Chillicothe.

Botanisieren in den Gebirgen Colorados (illustriert), A. D. Selby, Worster.

Die erste Zusammenkunft am Freitag Morgen bot die Begriissungsrede des Hrn. Professor Joseph Denny von der Ohio Staatsuniversitat, in welcher er betonte, dass nicht nur der praktische Nutzen das Studium moderner Sprachen beeinflusse, son- dern dass dasselbe als Bildungsmittel zu betrachten sei. Die Lehrer der lebenden Sprachen, resp. die Professoren an Hochschulen und Universitiiten seien jetzt die Kulturtrager, wie es friiher die der alten Sprachen gewesen; denn wo heutzutage zehn Schiller Latein treiben, studieren 40 50 die lebenden Sprachen, und zwar wid- men sie ihnen eingehendes Studium.

Nach einer Ansprache des Prasidenten, Herrn Richard Hochdorfer, Wittenberg College, sprach Herr Chas. Dowd, ein junger Hochschullehrer aus Toledo, iiber : Was kann im Deutschen oder Franzosischen in der Hoch- oder Elementarschule er- lernt werden? Darauf folgte Herr George McKibben von der Denison Universitat mit einer gediegenen Forscherarbeit : Eructavit ein altes f ranzosisches Gedicht aus dem 12. Jahrhundert.

Am Freitag Nachmittag fanden drei Diskussionen statt iiber: Ziel und Me- thoden des Diktats, International Briefwechsel und Vereinfachung der franzosi- schen Orthographic und Syntax, vom franzosischen Unterrichtsminister unterbrei- tet. Ein interessanter Bericht des Herrn O. Emerson von der Western Reserve Universitat schilderte die Arbeit und Erfolge der amerikanischen Dialektgesell- sehaft. Herr W. Reeves vom Kenyon College sprach iiber Shakespeares ,,Queen Mab" und die letzte Nummer bildete der illustrierte Vortrag von Professor Ernst Eggers von der Ohio Staatsuniversitat iiber deutsche Illustration und Illustrato- ren, mit besonderer Beriicksichtigung Chodowieckis.

Am Samstag Morgen verlas Herr Graves Herrn Edwin Chubbs Vortrag iiber Shakespeares Einfluss auf Goethe; es war ein Vergleich beider Geisteshelden und deren Dramen, besonders Hamlet und Gotz von Berlichingen. Darauf folgte das einzige in deutscher Sprache gehaltene Referat des Herrn Joseph Krug aus Cleve- land: Warum lernen unsere angloamerikanischen Schiller nicht deutsch sprechen? eine psychologisch-philologisch behandelte Arbeit.

Herr Krug bewies aus der Praxis und durch Zitate beriihmter Sprachforscher, dass denjenigen Volkern, deren Muttersprache reich und schwer zu erlernen sei, das Studium einer fremden Zunge leicht falle, wie den Russen, Magyaren, den Deutschen. Da nun die englische Sprache eine mangelhafte Grammatik habe, wer- den die sprachlichen Anlagen der amerikanischen Kinder nicht genug ausgebildet; sie finden die behauenen Steine, die sogar schon zusammen passen, wahrend die

24 P'ddagogiscbe Monatsheftt.

deutsche Sprache inbezug auf Satzbau, Wortlehfe, Flexion, fast uniiberwindliche Schwierigkeiten fiir den Auslander bietet. Herr Krug meint, dass das Englische gerade seiner Einfachheit wegen einst die Weltsprache bilden werde, niemals aber das Volapiik. Er befiirwortete die Einfiihrung des deutschen Unterrichts in die Unterklassen, so bald die Schiller des englischen Lesens machtig seien, und ist ge- gen Teilung der Klassen in deutsche und englisch-deutsche, sowohl aus demokra- tischen Griinden, wie darum, weil die Kinder deutscher Eltern heutzutage doch nicht imstande sind, sich der deutschen Sprache mit irgend welcher Leichtigkeit zu bedienen.

Warum so viele Deutsche hier zu Lande ein so schlechtes Englisch sprechen, lage daran, dass dieselben aus Gegenden kommen, wo Dialekt gesprochen, welcher mindenstens eben so primitiv sei, wie die englische Sprache.

Ungiinstige Methoden, Lehrbiicher, Schulverhaltnisse und unfahige Lehrer trafe ein Teil der Schuld, dass unsere Schiller nicht Deutsch sprechen lernen, jedoch die Hauptschuld triige die Schwierigkeit der deutschen Sprache und die Unfahigkeit der Amerikaner, eine fremde Sprache griindlich zu erlernen.

Die Wahl der Beamten ergab folgendes Resultat:

President, Max Pohl, Cincinnati; Viceprasidenten, Leopold Fischer, Toledo, und Frl. Lizzie Bour, Canton; Sekretar, Ernst Eggers; Schatzmeister, W. Graves, Columbus.

Die Tagung schloss mit einer Vorfiihrung von Phonographen durch Herrn E. Brown, Columbus, zur Erlernung der modernen Sprachen auf diesem gewiss unge- wohnlichen Wege.

Die Versammlungen waren nur massig besucht, jedoch zeigten die Mitglieder anhaltendes Interesse an dem reichhaltigen Programm, und nahmen folgende Her- ren und Damen regen Anteil an den jedem Vortrage folgenden Debatten:

Die Herren Prof. Hochdorfer, Denny, Bowen, McKibben, Chamberlin, Bruce, Boyd, Bromel, Eggers welcher als Seele des ganzen Vereins betrachtet werden darf und die Damen Frl. Bour, Ober und Karger.

IV. Korrespondenzen.

Fur die Padagogischcn Monatshefte.)

Cincinnati. schaft verteilen. Mit der bereitwilligen

Das deutsche Schul- und Volkslied er- Hilfe der Musiklehrer werden diese Lie-

klingt wiederum im deutschen Departe- ^^S eingeubt und jetzt hort man

ment unserer offentlichen Schulen! Der W1feder d'e ew'? s,chon«n' Ohren und Herz

Amerikaner Aiken, der gegenwartige Su- erfl'euenden Lieder in den Schulzim-

pervisor der Musik, hat das Dornsros- ™rn ertonen, wie: ,,Schoner Fruhlmg

kennt auch Herr Walter H. Aiken den ™uhle "^de» du Jieber Tannenwald",

hohen Wert des deutschen Liedes zur et?I' etc; Herr Aiken wird sich dafur

Pflege des Gemutes und zur Belebung fltens der deutschen Lehrer und SchU-

der deutschen Sprache. Auf eigene Kc? [er' ^ ^ei -der ^nz^n de»tschen Bevol-

sten Hess er eine hiibsche Auswahl der ker,UnS i^gen Dank und Anerkennung

bekanntesten deutschen Schul- und S1(*ern "nd s^ch em bleibendes Denk-

Volkslieder, ein- und zweistimmige, m^1 $ '^nHe setzen, wie weiland

drucken und an die deutsche Lehrfr-' ^ -"- -n^b luer

Korresponden^en.

25

Fur die Oberlehrerversammlung vom 5. Dezember war Herrn Wienecke der obligatorische Vortrag zugefallen. Der Referent hatte sich dafiir das schon so oft behandelte Thema ,,Aufsatz" ge- wahlt, wobei er verschiedene gewagte Be- hauptungen aufstellte. So erblickte er in dem Mangel an logischem Denken die Hauptschuld an den oft karglichen Re- sultaten im deutschen Aufsatz. Wenn die Schiller erst logisch denken lernten, wie dies mittels der Dispositionslehre ( wahrscheinlich nach deutscher Gymna- sialmethode ! ) geiibt werden sollte, dann sei das Aufsatzschreiben filr unsere deutschamerikanische Jugend eine Leich- tigkeit, vorausgesetzt natiirlich, dass sie die notige Sprachgewandtheit besitzt ! Anstact der Erzahlungen, die der Herr Referent tote Gegenstande nannte, soil- ten mehr lebende Gegenstande, wie Lo- wen, Tiger, Elephanten etc. als Aufsatz- stoff beniitzt werden ; auch das Anschrei- ben von leitenden Fragen oder Punkten an die Wandtafel zur Aufsatzvorberei- tung halt er fur unzweckmassig und be- trachtet es als ,,Fackel im dicken Ne- bel". (Immerhin noch besser, mit einer Fackel, als mit einer Stange im Nebel herumf ahren ! ) Nun, wenn Herr Wie- necke erst noch einige Jahre an unseren Schulen praktisch unterrichtet hat, so wird er vielleicht ,,ausfinden", dass das Aufsatzmachen auf deutschen Gymna- sien und das Aufsatzmachen in deutsch- amerikanischen Volksschulen zweierlei Dinge sind. Bis dorthin diirfte er sich dann auch iiberzeugen, dass die fur den hiesigen deutschen Unterricht ausge- wahlten Aufsatzthemata unter den ob- waltenden Umstanden doch die zweck- massigsten sind.

In der zweimonatlichen Versammlung des Deutschen Lehrervereins am 7. De- zember hielt Herr Hilfssuperintendent Dr. H. H. Fick einen Vortrag iiber West Point, den er durch eine An- zahl trefflicher Lichtbilder in an- schaulicher Weise erliluterte. Mit ge- spannter Aufmerksamkeit folgten die zahlreich erschienenen Zuhorer den Aus- fiihrungen des bewahrten Redners. Bei Erledigung des geschaftlichen Teiles wurden sechs neue Mitglieder in den Verein aufgenommen. E. K.

Milwaukee.

Der Verein Deutscher Lehrer hielt seine zweite Versammlung am 11. Nov. ab. Herr Abrams machte zuerst seine amtlichen Mitteilungen. Er kiindigte an, dass die sogenannte Erganzungslek- tlire (supplementary reading) jetztvoll- standig sei und den Lehrern in einigen Tagen zugehen werde. Flir die untersten

beiden Grade seien Godius Marchen und das Buchlein ,,Allerlei", von Frl. M. Fah- sel hierselbst herausgegeben, bestimmt; fiir die 3. und 4. Grade die Marchen von Foerster; fiir die 5. und 6. Grade Grimms Marchen, und fiir die beiden oberen Grade der ,,gehornte Siegfried" und Hauffs Marchen. Fiir die beiden unteren Grade sei es besser, die Ge- schichten zu erzahlen3 als sie vorzule- sen. Bei dem Lesen der Kinder haben die Lehrer die notigen Sacherkliirungen zu geben, jedoch sollten sie sich vor zu vielem Erkliiren und Moralisieren hii- ten, dagegen aber den Schiiler fleissig zum Nacherziihlen anhalten und ermun- tern, da das ein gutes Mittel sei, Sprach- gewandtheit bei den Schiilern zu erzie- len.

Sodann wurde den Lehrern noch mit- geteilt, dass ihnen in einigen Wochen ein neuer Lehrplan zugehen wurde, und dass sie sich moglichst genau nach dem- selben richten mochten. Wenn sie es aber fiir notig hielten, von demselben abzuweichen, so ware es notig, den Su- perintendenten des Deutschen davon in Kenntnis zu setzen und die Griinde da- fiir anzugeben. Sodann betonte Herr Abrams die grosse Wichtigkeit, ja die absolute Notwendigkeit einer korrekten und mustergiltigen Sprache seitens des Lehrers im Unterricht wie auch ausser- halb desselben. Der Lehrer miisse in alien Stiicken ein Vorbild fur die Schil- ler sein, besonders aber in der Sprache. Manche Lehrer liessen sich oft gehen und giiben nicht gerng acht auf ihre Ausdriicke und Redewendungeu, die manchmal nicht allein unschb'n und un- gebrauchlich, sondern auch ungramma- tisch, auch zuweilen der englischen Spra- che entlehnt seien. Gerade weil die Kinder oft im Hause und auf der Stra- sse so viel schlechtes Deutsch horten, so solle der Lehrer in der Schule durch sein mustergiltiges Deutsch ein Korrek- tiv dagegen bilden.

Auch mochten die Lehrer sich nicht so leicht auf das etymologische Gebiet der Sprache wagen und Erklilrungen ge- ben iiber Abstammung der Worter, wenn sie sich nicht vorher iiber die Richtig- keit ihrer Angaben durch Nachschlagen iiberzeugt hutten. Der Schein triige oft sehr, z. B. bei den Wortern Maulwurf und Armbrust. Auch hieraus ergebe sich wieder die Wichtigkeit einer sorgfalti- gen Vorbereitung seitens des Lehrers auf den Unterricht. Sodann sagte Herr Abrams, wolle er noch einen Punkt be- riihren, den er fiir sehr wichtig halte und den er den Lehrern zu ihrer eige- nen Entscheidung iiberlassen wolle. Die Frage sei namlich die, ob es nicht bes-

Padagogiscbe Monatsbefte.

ser sei, auch ausserhalb der Klasse, also auf dem Spielplatze, in den Korridoren und auf der Strasse mit den Schiilern deutsch und nicht englisch zu sprechen. Ebenso ,ob nicht auch die deutschen Lehrer einer Schule unter einander in Horweite der Schiller lieber deutsch sprechen sollten. Er wolle doch den Lehrern zu bedenken geben, ob nicht bei den Schiilern sich die Meinung festsetze, dass die deutsche Sprache nur im Klas- senzimmer zu gebrauchen sei, aber nicht im Leben. Dieser Gegenstand ' wird nocli ausfiihrlicher in der nachsten Versamm- lung besprochen werden. Da der Aus- schuss fur Aufstellung der Tagesord- nung nichts vorzulegen hatte, so ver- tagte sich die Versammlung.

Der Schulrat hat in seiner letzen Sitzung eine Entscheidung abgegeben, die gewiss von der Mehrzahl der Eltern unserer Schiller und ebenso von den Leh- rern vollstandig gebilligt wird. Der hie- sige Ausschuss zur Sammlung von Bei- tragen fiir den ,,McKinley Monument Fund" hatte den Schulrat ersucht, ihm zu gestatten, auch in den hiesigen Schu- len eine solche Sammlung vorzunehmen. Der Schulrat hat das Gesuch abgelehnt, und zwar mit der Begrvindung, dass er schon vor langerer Zeit durch eine Re- solution den Lehrern verboten habe, Sammlungen oder Kollekten fiir irgend welche Zwecke in den Schulen vorzuneh- men; und er konne auch in diesem Falle keine Ausnahme von der Regel machen, obgleich der Zweck der Sammlung hier ein edler und patriotischer sei. Ausser- dem hatten ja auch die Kinder ausser- halb der Schule Gelegenheit genug, hie- zu beizusteuern. Das war recht! Nur immer konsequent handeln. Es fangt wirklich schon an, eine Unsitte zu wer- den, wofiir nicht alles in unseren Schu- len gesammelt wird . Das schlimmste dabei ist, dass die Kinder armer Eltern oft dabei gedemiitigt werden. Reiche Leute spenden grosse Gaben, und ihre Kinder prahlen damit. Die Kinder der Armen bringen wenig oder gar nichts, und in beiden Fallen werden sie oft bloss gestellt. Man hat ja sogar schon ange- fangen, ganze Schlacbtschiffe durch die Sammlungen der Schulkinder bauen zu lassen. Da konnten wir ja vielleicht auch den nachsten Krieg mit Deutsch- land, den wir nach den Hetzartikeln un- serer gelben Presse bald bekommen wer- den, ganz allein mit dem Gelde unserer Schulkinder fiihren; und was ftir ein prachtiges Mittel ware das, unseren Kindern Patriotismus beizubringen !

A. W.

New York.

Deutscher Lehrerverein von New York und Umgegend. Reform des neusprach- lichen Unterrichts. Dass sich die Mitglieder unseres Vereins zur Zeit lebhaft mit den Reformbestrebungen auf dem Gebiete der neueren Spra- chen beschaftigen, ist gewiss ein Zeichen von dem grossen Interesse, das sie an ihrer Berufsaufgabe nehmen. Allgemein giebt sich das Gefiihl zu er- kennen, den Ausserungen der leitenden Geister, wie sie diesseits und jenseits des Ozeans zum Ausdruck kommen, nachzuforschen, priifend zu sichten und sich das Beste anzueignen. Da aber die litterarische Produktion zum neusprach- lichen Unterricht in «len letzten Jahren zu einer wahren Hochflut anschwoll, so ist es dem Einzelnen kaum mehr mog- lich, sich zurechtzufinden, um so mehr als die Meinungen noch weit auseinan- der gehen und selbst in den Grundfra- gen noch keine i>bereinstimmung herrscht. Es war darum wiinschens- wert, dass ,,die Reform des neusprach- lichen Unterrichts und die diesbeziigli- che Litteratur" zur Besprechung auf die Tagesordnung unserer letzten Versamm- lung gesetzt wurde. Albert J. W. Kern war der Referent des Themas.

Einleitend bemerkte er, dass die Zahl der theoretischen Untersuchungen auf dem neusprachlichen Gebiete in Deutsch- land allein schon im Jahre 1898 auf 739 gestiegen, dass darum ein bibliogra- phisch kritischer Fiibrer unentbehrlich geworden sei, und dass er den ersten Teil seiner Besprechung auf ,,Hermann Breymanns: die neusprachliche Reform- litteratur von 1894 bis 1899" basierte. Es sei diese Arbeit die Fortsetzung eines friiheren Werkes, in dem der gewissen- hafte Verfasser die Frscheinungen von 1876 bis 1893 veroffentlichte. Das Werk sei eingeteilt in vier Teile und behandle iibersichtlich und sachverstandig 1) theoretische Erorterungen, 2) praktische Versuche, 3) offizielle Verordnungen und 4) offentliche Verhandlungen. Nach- dem er die leitenden Gesichtspunkte her- vorgehoben, fasste er die wichtigsten Er- gebnisse, sowie den gegenwartigen Stand der Reformbewegung zusammen und glaubt eine Annaherung der friiher ent- gegenstehenden Ansichten erkennen zu konnen, wenn wir auch noch inmitten des Werdeprozesses stehen. Wer zu ho- ren versteht, wer w'e in kriegerischen Tagen sein Ohr zur Erde neigt, ver- nimmt den Schall des Kommenden. Ei- nes konnte ihm dabei nicht entgehen. Er fand in den Reihen der neusprachlichen Lehrerwelt manche Zarathustras, die nicht nur neue Religionsstifter auf die-

Korresponden^en .

27

sem Gebiet zu sein glauben, sondern die zugleich furchtbare Zerstorer und hoh- nende Verachter alles Alien sind, Zer- schmetterer, deren Zorn ,,Graber bricht, Grenzsteine riickt und alte Tafeln zer- brochen in steile Tiefen rollt".

Doch wenn auch tfberphilologen von den ftberbrettlern rede ich hier nicht in der Hochfiille der Begeisterung iiber das Ziel hinausschossen, so ist das ,,kein schwerwiegender Fehler, sondern 1000 mal besser, als wenn man immer nur in den alten und darum bequemen Geleisen bleiben will, 1000 mal besser, als wenn eine interesselose Indolenz und eine ode, jedes hoheren Schwunges und weiteren Blickes entbehrende Lebensauffassung den Lehrer zu rein mechanischer, hand- werksmassiger Berufsarbeit fiihrt". Ge- wiss ist jedenfalls, das uns alien aus der Bewegung eine reiche Anregung zu- geflossen, und dass der Unterricht ohne Frage frischer, anregender, lebendiger geworden ist.

In dem zweiten Teil besprach der Re- ferent ,,die Verhandlungen und Be- schltisse der letzten Berliner Schulkon- ferenz vom Juni 1900 in bezug auf das Englische auf den deutschen Gymnasi- en". Neben anderen Erorterungen hin- sichtlich des hoheren Unterrichts sollte die Konferenz iiber nachstehende Frage schliissig werden.

,,Erscheint es empfehlenswert oder doch unbedenklich, an Steile des Griechi- schen wahlweise Englisch zuzulassen?"

Da die Konferenz zum grb'ssten Teil aus klassischen Philologen bestand, so war eine bejahende Antwort auf die Frage von vornherein ausgeschlossen. Am ersten Tag der Verhandlungen hatte sich in der That nicht ein Mann gefun- den, der die Anspriiche des Englischen als eines neben dem Griechischen am Gymnasium einzustellenden Ersatzfa- ches vertreten hatte. Selbst der erste Redner, ein Professor an einer techni- schen Hochschule (Aachen) ging nur so weit, dass er eine Wahl zwischen Eng- lisch und Griechisch zur Zeit noch nicht als berechtigt und wunschenswert hin- stellte. Den klassi.«ch humanistischen Standpunkt vertrat mit grosster Ent- schiedenheit der in Sachen der Religion sonst so freie Theologe Prof. Harnack, indem er ausfiihrte, dass jeder Versuch, wahlfreies Englisch neben das Griechi- sche zu setzen, geradezu zur Auflosung des klassischen Gymnasiums fiihren mtisse ( ! ) . Zu einem vergleichenden Ab- wagen der zwei Facher nahm er sich gar nicht die MUhe, sondern er argumen- tierte lediglich vom klassischen Stand- punkt aus. Die Redner des Tages schlos- sen sich ihm an ; einer meinte sogar, ihm sei bei dem Vorschlag, das Englische

neben dem Griechischen wahlfrei zu ma- chen, zu Mute gewesen, als ,,kame je- mand und wolle ihm ein paar Ohrfeigen geben", er beantrage daher, dem preussi- schen Ministerium die folgende Antwort zu geben: ,,Es erscheint ausgeschlossen, an Steile des Griechischen das Englische wahlfrei zuzulassen, weil es das Gym- nasium zerstoren wiirde", ein Antrag, der mit alien gegen eine btimme ange- nommen wurde. Die zwei nachsten Tage erwiesen sich dem Englischen gilnstiger. Man gab zu, dass wenn das Englische auch nicht schon, nicht klassisch und zu leicht sei, es doch heute die Verkehrs- sprache der ganzen zivilisierten Welt bilde. (Man driickte sich sehr vorsich- tig aus, man nannte Englisch nicht etwa ,,die Weltsprache", was man hierzulande so haufig hort, auch nicht die Sprache der ,,gebildeten Welt", wohl aber die Verkehrssprache der zivilisierten Welt ! ) . Es ware daher wiinschenswert, dass der englische Unterricht auf dem humanisti- schen Gymnasium obligatorisch gestaltet werde. Vorlaufig diirfte dies im Gro- ssen und Ganzen ein frommer Wunsch bleiben. Doch wurde der folgende An- trag angenommen: ,,Es soil den einzel- nen Gymnasien gestattet sein, den Un- terricht in der englischen Sprache fur alle Schiller bestimmter Klassen obliga- torisch zu machen." A.ls Zusatzantrag zu diesem wurde gleichfalls und zwar einstimmig angenommen: ,,Soweit dies nicht geschieht, ist die bisherige Einrichtung des fakultativen Unter- richts im Englischen mit Nachdruck zu beleben und ihre Beniitzung durch den Schiller in jeder Weise zu fordern." Ein letzter Antrag lautete: ,,Um den eng- lischen Unterricht an den humanisti- schen Gymnasien zu fordern, erscheint es empfehlenswert, bei den Reifepriifun- gen den Schiilern freizulassen, ob sie sich im Franzosischen oder im Engli- schen priifen lassen wollen." Dieser An- trag, der mit iiberwaltigender Mehrheit angenommen wurde, ist unterdessen zum Gesetz erhoben worden.

Manche Betrachtungen liessen sich an diese Ausserungen, in denen sich das Ur- teil der Gebildeten Deutschlands iiber die heutige Stellung des Englischen fur Leben und Unterricht spiegelt, ankniip- fen, doch geniigt es, die Aufmerksam- keit darauf gelenkt zu haben.

Der Vorsitzende, Dr. C. F. Kayser, verlas sodann einen kurzen Auszug iiber die in der Zeit vom 24. bis 28. Juli v. J. gelegentlich der grossen Ausstellung in Paris stattgehabten Beratung des in- ternationalen Kongresses iiber den neu- sprach lichen Unterricht. Leider kann ich Raummangels halber heute nicht darauf eingehen.

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P'ddagogiscbe Monatshefte.

Als Nachtrag muss ich beifiigen, dass in der vorletzten Sitzung Herr Karl Her- zog einen begeisternden Bericht iiber die 31. Jahresversammlung des Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes in Indianapolis erstattete. Da muss es ja hoch her gegangen sein! Die deutsche Sprache schien zu arm, um seinen Su- perlativempfindungen entsprechenden Ausdruck zu verleihen. Mehr wie eine halbe Stunde sprach er iiber die scho- nen Tage, die er dort erlebt, die lieben Freunde, die er dort getroffen, den ma- gisch beleuchteten Hain, die schonen Frauen und den herrlichen Wein. Ho- lier und hoher trug ihn der Schwung der Begeisterung. Seine Worte bekamen Fliigel, seine Gesichtsziige spiegelten uberirdischen Glanz. Als er ge- endet, erklang es wie ein seraphiscb.es Echo von oben: Weit drinnen in Asien sucht ihr das Paradies, geht nach Indi- anapolis und ihr habt es gefunden.

A. K.

Newark.

Unsere Privatschulen. Wie iiberall, so fristen auch die hiesigen d. e. Privat- schulen nur kiimmerlich ihr Dasein. Sie leiden, selbst angesichts der Thatsache, dass der deutsche Unterricht in den stiidtischen Volksschulen nicht einge- fiihrt ist, durchaus nicht an ttberfiil- lung. Ausser 5 katholischen Parochial- schulen, die Dank der Riihrigkeit seitens der betreffenden Geistlichen allerdings recht bevolkert sind, bestehen hier noch 5 freie Privatschulen und eine protes- tantische Kirchenschule, bei denen durchweg die Schiilerzahl gegen friiher erheblich gesunken ist. Dass alien die- sen Schulen iiber kurz oder lang ein letztes Stiindlein schlagen wird, dariiber giebt man sich wohl keiner Tauschung mehr bin. Ganz unerwartet aber schien kiirzlich diesem Schicksale unsere Green- street-Schule verfallen zu sein. Diese liegt im Mittelpunkte der Stadt. Sie ist die alteste d. e. Schule hierselbst, hatte stets die meisten Klassen und be- reitete direkt fur die Hochschule vor. Durch den Umstand, dass die friiheren Bundesmitglieder Dr. Ad. Douai und Hermann Schuricht als Direktoren an derselben wirkten und Herr Hermann von der Heide, dessen Name im Lehrer- bunde ebenfalls einen bekannten Klang hat, ihr gegenwiirtiger Direktor ist,

diirfte das Schicksal der Schule auch weitere Kreise interessieren.

Worin bestand nun die der Greenstr.- Schule drohende Gefahr?

Newark liegt zwar in einem sehr klei- nen Staate, aber die Stadt reckt sich und streckt sich und hat es schon bis auf 300,000 Einwohner gebracht. Da erwies sich nun die alte Stadthalle langst als viel zu klein, und man ist im Begriff, eine dem Wachstum der Stadt entsprechende City Hall zu errichten, die, beilaufig bemerkt, 1 Million Dollars kosten soil. Zum Ungliik fiir die Green- street-Schule verfiel man bei der Aus- wahl des Bauplatzes auf das Hiiuserge- viert, in welchem diese seit beinahe 50 Jahren ihre ungestorte Thatigkeit ent- faltet hatte. Der Grund und Boden hatte vor 45 Jahren der Schulgemeinde 4 Tausend, die Einrichtung des 3stocki- gen Backsteiugebaudes 13 Tausend Dol- lars gekostet. Die Abschatzungskom- mission, darunter ein bekannter deut- scher Brauer, bot jedoch nur 18 Tausend als Entschadigung an, obwohl Bau- pliitze, besonders im Zentrum der Stadt, seit jener Zeit bedeutend an Wert zuge- nommen haben. Auf die Bemerkung eines Vertreters der Schule, dass man heute fiir 18 Tausend Dollars keine neue Schule in der Nilhe der alten bauen konne, wurde ihm von einem der Ab- schlitzungskommissare der Rat gegeben: ,.Dann schickt eure Kinder in die offent- liche Schule." Da man sich nicht eini- gen konnte, wurde das Schulgrundstiick von einer Spezialkommission noch ein- mal abgeschiitzt. Diese bot 24 Tausend Dollars an. Die Schulgemeinde hatte ursprunglich 40 Tausend beansprucht. Da man es nicht auf einen Prozess an- kommen lassen wollte, so nahm man die zuletzt gebotene Summe an.

Damit scheint nun der Fortbestand der Schule gesichert zu sein. Ein neuer Bauplatz ist bereits ins Auge gefasst und ein Plan fiir ein zu errichtendes anderes Schulgebiiude schon entworfen \vorden. Hoffen wir, dass die alte Green- street-Schule in kurzer Zeit auf einem andern Platze gleich einem Phonix neu erstehe.

Leider ist zu befiirchten, dass der Schule noch dadurch Verlegenheiten be- reitet werden, dass sie aus dem alten Gebaude ausziehen muss, ehe das neue vollendet ist. H. Q.

V. Umschau.

Amerika.

Chicago. Die Vereinigung der Lehrer Chicagos (Teachers' Federation of Chi- cago) errang unter der Fiihrung zweier

Lehrerinnen, Miss Margaret A. Haley und Miss Catherine Goggin, einen Sieg, der von der weittragendsten Bedeutung fiir die offentliche Wohlfahrt, und nicht

Umscbau.

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in letzter Linie auch fur das offentliche Erziehungswesen ist. Als im Jahre 1898 der Schulrat Chicagos erklarte, dass nicht genugend Geld zur Weiterfiihrung der Schulen vorhanden sei und dass er daher gezwungen sei, das laufende Schuljahr zwei Monate friiher zu schlie- ssen, da waren es die genannten Damen, die den Mut batten, die Aufmerksamkeit ihrer Amtsgenossen auf die grossenKor- porationen des Staates, die Eisenbahn-, Strassenbahn-, Gasgesellschaften u. a. zu lehken, die es auf eine von solchen In- stituten iibliche Weise verstanden, sich einer urspriinglich von der Abschat- zungskommission des Staates festge- setzten gerechten Besteuerung zu entzie- hen. Die genannten Lehrerinnen wur- den von der Lehrervereinigung, die ihren Gehalt bezahlte und eine geniigende Summe zur Bestreitung der Untersu- chungs- und Prozesskosten dieselben belaufen sich auf iiber $7000 bewil- ligte, beauftragt, die ganze Angelegen- heit zu verfolgen und zu klaren. Mit ebensoviel Mut als Entschlossenheit gin- gen die beiden ans Werk, und das, wozu hierzulande die offentliche Meinung sich leider nur hochst selten aufzuschwingen vermag, gelang ihnen, sie verfochten ihre Sache durch alle Instanzen, und trotz- dem von ihren Gegnern alles versucht wurde, sie zu schlagen, und was ver- mag der grosse Geldbeutel nicht ent- schied das Obergericht des Staates am 24. Oktober d. J. zu Gunsten der Kla- gerinnen ; die Korporationen wurden zur Zahlung der riickstandigen Steuern, die sich allein fiir Chicago auf nahezu $25,- 000,000 belaufen ,verurteilt, und diirfen einer jahrlichen gerechten Besteuerung ihres Eigentums von nun an entgegen- sehen. Das mutige Vorgehen dieser "school-ma'ams" sichert dem Staate Illi- nois eine Einnahmequelle, die alle Ver- waltungsausgaben der b'ffentlichen An- stalten, auch die der Schulen, zu decken imstande ist. Hoffentlich wacht die Biirgerschaft dariiber, dass der unge- heure Einfluss der Korporationen und deren Geldbeutel ihr nicht durch die Le- gislatur diesen Erfolg schmalert oder vernichtet.

Nachahmungswert. Auf Anregung von seiten des Richters Richard S. Tuthill vom Jugendgericht zu Chicago ist eine Bewegung im Gange, fiir verwahrloste Knaben, oder solche, die sich eines Ver- gehens schuldig gemacht haben, ein Heim auf dem Lande zu griinden. Es ist die Absicht einen Fonds von $250,000 zu griinden, und schon sind von den Ge- schaftsleuten der btadt, die das Heil- same dieses Unternehmens erkennen, Zeichnungen eingelaufen, die die Auf-

bringung der angegebenen Summe ausser Zweifel stellen.

New York. Schiilervorstellung. Am 16. November fand, dank dem Entgegen- kommen Herrn Direktor Conrieds, im Irving Place Theater eine Schiilervor- stellung von ,,Wilhelm Tell" zu bedeu- tend reduziertem Preise statt. Nichts ist geeigneter, die Liebe zur deutschen Sprache im Schiller zu wecken und zu fb'rdern, als wenn ihm die Meisterwerke unserer Litteratur, nachdem er sie gele- sen, auf der Biihne vorgefuhrt werden.

Die zahlreichen Freunde unseres frii- heren thatkraftigen Bundessekret&rs, Herrn H. M. Ferren von Allegheny, wer- den mit freudiger Teilnahme die Nach- richt entgegennehmen, dass die Behand- lung seiner Augen durch Professor Schroeter in Leipzig von solchem Erfolg begleitet ist, dass eine Wiedergewinnung der verlorenen Sehkraft nunmehr sicher zu erhoffen ist.

President Roosevelt ein Freund der allgemeinen Volksschule. Es ist Thatsache, dass President Roosevelt sei- nen Tjahrigen Sohn Archibald in eine of- fentliche Schule zu Washington schickt. Man zahlt sogar die Namen der Klassen- genossen des kleinen Roosevelt auf. Auf derselben Schulbank wie der Sohn des Prasidenten sitzen: Viktor Schulz, der Sohn eines Backers, Elsie MacNeely, Tochter eines Schankwirts, John Tyler, Sohn eines Kutschers, Elsie Ling, Toch- ter eines Konditors, Abraham Drainson- stock, Sohn eines Schneiders. Abraham Cohn, Sohn eines Kolonialwarenhand- lers, und Frank Morrison, Sohn eines Totengriibers.

Deutschland.

Am 28. und 29. Sept. fand in Dresden der I. Deutsche Kunsterziehungstag statt. Unter den 300 Teilnehmern wa- ren Vertreter von 13 Regierungen, 12 Stadteverwaltungen und 25 Lehrerver- banden. Die iiberreiche Geschaftsliste umfasste fiir den ersten Tag Vortrage von 1. R. Ross, Lehrer in Hamburg: iiber das Kinderzimmer. 2. Prof. Th. Fischer in Miinchen: iiber das Schul- haus. 3.- Dr. v. Seydlitz in Dresden: der kiinstlerische Wandschmuck. 4. Dr. Pauli, Direktor in Barmen: Das Bilder- buch. Fiir den zweiten Tag Vortrage von 5. Gotze in Hamburg: Das Zeichnen und Formen. 6. Dr. P. Jessen in Ber- lin: Die Handfertigkeit im Dienste der Kunsterziehung. 7. Dr. Lichtwark in Hamburg: iiber Anleitung zum Genuss der Kunstwerke (rationellen Museums- besuch). 8. Direktor Muthesius und Prof. Dr. K. Lange in Tubingen: iiber die Vorbildung der Lehrer auf den Se-

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P'ddagogiscbe Monatsbefte.

minarien und Universitiiten, und endlich in einer Festversammlung zwei Vortrage von Dr. Lange: Die Hauptprobleme der kiinstlerischen Erziehung und Dr. Licht- wark iiber den Deutschen in der Zukunft und endlich in einer Abend versammlung einen weiteren Vortrag von Dr. LichlT- wark: Einfiihrung in Holbeins Toten- tanz. In Verbindung mit der Tagung stand eine Ausstellung von Wandbil- dern, Bilderbiichern, Lehrmitteln des Zeichnens etc. Die interessanten Vor- triige werden demniichst in Voigtlanders V erlag in Leipzig erscheinen. In Ver- bindung mit der Firnia Teuoner in Leip- zig hat der genannte Verlag die Vereini- gung fiir Kiinstler-Steinzeichnungen be- griindet, deren Zweck ist: Kunstleri- schen Wandschmuck in Form von Ori- ginallithographien erster Meister her- auszugeben. Die Kunstblatter werden in einer Grosse von 100/70 und 75/55 cm zu 3 bis 6 Mk. veroffentlicht. Mit- gliedschaft erwirbt man sich durch we- nigstens 2 Jahresbeitrage von 9 oder 15 Mk., wofiir Blatter (nach Wahl) im Werte von 12 oder 20 Mk. geliefert wer- den.

In deutschen Buchverlagskreisen hat man sich neuerdings wieder mit der Frage besehaftigt, wann die neue ein- heitliche Rechtschreibung in den Schu- len eingefiihrt werden wird und wie lan- ge Schulbiicher, die in der bisherigen Rechtschreibung gedruckt sind, in deut- schen Schulen noch zugelassen werden durften. Nach eingezogenen Erkundi- gungen diirfte die Einfiihrung der neuen Rechtschreibung immerhin noch etwas auf sich warten lassen, da noch nicht alle beteiligten Regierungen ihre form- liche Zustimmung zur Einfiihrung gege- ben haben. Erst wenn diese Zustimmun- gen samtlich vorliegen, kann das in Aussicht genommene Regelbuch verof- fentlicht werden. Aber auch nach dem Erscheinen dieses Regelbuches wird noch in einer ausgiebigen ttbergangsfrist kein eingefiihrtes Schulbuch urn deswillen zuriickgewiesen werden, weil es in der bisherigen Rechtschreibung gedruckt ist. Der preussische Kultusminister Dr. Studt hat sich neuerdings dahin ausge- sprochen, dass in dieser Hinsicht den Verlegern der Schulbiicher, insbesondere auch der Fibeln, das weitgehende Ent- gegenkommen bewiesen werden solle. Es liegt deshalb kein Grund vor, der die verleger von Schulbiichern bestimmen konnte, den Druck neuer Auflagen auf- zuschieben. Es werden noch mindestens mehrere Jahre dariiber hingehen, bevor fiir die Schulen nur Schulbiicher in der neu einzufiihrenden Rechtschreibung zu- gelassen werden.

Magdeburg. Ungeteilte Schulzeit. In den hiesigen hoheren Lehranstalten ist die ungeteilte Schulzeit schon seit Jah- ren mit gutem Erfolg eingefiihrt. Der Rektorenverein hat sich nun kiirzlich wegen Fortfalles des Nachmittagsunter- richts in den Biirger- und Volksschulen an die Schuldeputation gewandt und da- bei hervorgehoben, dass der Nachmit- tagsunterricht sowohl in hygienischer wie piidagogischer Beziehung erhebliche Nachteile mit sich bringt. Daraufhin hat die Schuldeputation angeordnet, dass fiir das Winterhalbjahr ein Probe- plan angefertigt wird, bei dem der Ge- samtunterricht in der Zeit zwischen 8 und 1 Uhr liegt .

Osterreich.

Wien. 20,000 Schulbucher werden weggeworfen; warum ? Infolge des tfbertrittes eines katholischen Geistli- chen zur altkatholischen Kirche. ttber diese unerhorte Verschwendung von Wie- ner Steuergeldern zur Befriedigung kle- rikaler Rachsucht wird geschrieben: Unter den vielen religiosen Lehrbiichern, welche der seither zum Altkatholizismus iibergetretene katholische Religionspro- fessor Franz Josef Mach verfasst und mit Genehmigung der geistlichen, wie der staatlichen Kultusbehorden heraus- gegeben hat, befindet sich auch die an den Wiener Biirgerschulen als Lehrbuch eingefiihrte Kirchengeschichte. Dieselbe wurde vom Ministerium fiir Kultus und Unterricht am 17. Juni 1882 fur zulas- sig erkliirt und von den ,,hochwiirdig- sten Ordinariaten" von Briinn, Klagen- furt, Laibach, Leitmeritz, Marburg, St. Polten, Prag ,Trient, Wien u. a. fiir gut befunden. Ein Buch, das die Guthei- ssung so vieler frommer und weiser Manner erfahren, muss ja ganz ausge- zeichnet sein, und ganz gewiss fande das Werk, an dem inhaltlich keinerlei An- derung vorgenommen wurde, auch heute noch Gnade vor den Augen der Bischofe, wenn nicht sein gelehrt«r Verfasser in- zwischen zur ttberzeugung gelangt ware, dass man ein richtiger Katholik im Geiste Christi nur dann sein kann, wenn man aus der romischen Kirche austritt. Das sollte der ,,Apostat" biissen, und da ihm selbst die romische Kirche nichts anthun kann, miissen es seine Biicher entgelten . Sie kamen, obwohl mit kei- nem Worte gegen die katholische Lehre verstossend, plotzlich auf den Index. Nun waren fur den Bedarf der Wiener Burgerschulen 20,000 Stuck des Lehrbu- ches bereits gedruckt, diese Masse von Biichern ist jetzt auf einmal unbrauch- bar geworden.

Umschau.

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Japan.

Eine Schilderung des aufstrebenden Elementarschulwesens in Japan, die William Burnet in ,,Gentleman's Maga- zine" veroffentlicht, ist geeignet, die Aufmerksamkeit derjenigen zu erregen, die Japans zunehmenden Wettbewerb im Handel beobachten. Es sind seit der Einfiihrung einer Erziehungsbehorde im Jahre 1871 fast 30,000 Elementarschu- len erbaut und in diesen werden 4 Mil- lionen Schiller unterrichtet, von denen ein vollesViertel Madchen sind. Seit 1880 besteht der Schulzwang fiir alle Kinder zwischen 6 und 14 Jahren; aber bis jetzt wird noch Schulgeld erhoben. Im Jahre 1888 gab es 46 Seminare mit 4416 mann- lichen und 662 weiblichen Schiilern. W6- chentlich werden 28 Unterrichtsstunden erteilt; Sonntag ist der Ruhetag. Der Religionsunterricht fehlt vollstandig.

Russland.

Der Wert der Schulzeugnisse in Russ- land. Was aus einem Kutscher alles werden kann, davon weiss der ,,Peters- burgski Listok" ein Geschichtchen zu er- zilhlen 3das sich wie eine bitiere Satire auf den Formalismus in Russland liest. Der Kutscher J. K. verspiirte Lust, ebenso eine schone Carriere zu machen wie die Herren, welche hohe Schulen be- suchen. Den Weg zur Schule hatte J. K. allerdings auch eingeschlagen ; aber er erwies sich als zu bescnrankt fiir die Schulweisheit. Er versuchte es nachher mit einer Feldmesserschule, aber auch da reichte sein Gelehrtengenie nicht aus, den knifflichen Unterricht zu fassen. Er entschloss sich darum zum Beruf eines Rosselenkers. In Grodno bei einem Feldmesser fand er als solcher sein Tha- tigkeitsgebiet. Aber es ist nun mal dem Menschen gegeben, hoheren Zielen zuzu- streben, und so fiilschte J. K. sich ein Reifezeugnis der Ingenieurakademie des Verkehrsministeriums, sagte dem Stall und dem Kutscherbock Ade und zog in die weite Welt hinaus, sein Gliick zu versuchen. Jetzt sehen wir deri Aben- teurer die wunderbarste Carriere ma- chen. Im Kreise Bogorodsk wird er Friedensrichter, dann Geschaftsfiihrer bei der Verwaltung der Pinsker Eisen- bahn, weiter stellvertretender Sekretiir bei der kurlandischen Acciseverwaltung und darauf Bauern-Kommissar. Um die zwei letzteren Posten zu erhalten, dazu hatte er sich das Reifezeugnis eines klas- sischen Gymnasiums gefalscht. Eine so vielseitige Bethatigung und Begabung kein Mensch hatte je bemerkt, dass J. K. absolut ungebildet war musste na- turgemass dazu ftihren ,dass dem Manne der Hofratsrang verliehen wurde. End-

nch erklomm J. K. eine hehre Hohe, er wurde Kreischef auf der Insel Oesel. Zufallig kam man dahinter, dass in den Wiirden des Kreischefs ein Kutscher steckte. Ob man ihn vom Staatsdienst entfernte oder ihn zu noch hoheren Ran- gen beforderte, dariiber schweigt das russische Blatt.

Transvaal.

Die deutsche Schule in Johannesburg ist gef&hrdet! Sie ist eines von den Schmerzenskindern, welche die Eltern vielleicht gerade deshalb am meisten lie- ben, weil sie ihnen schon so viel Sorge bereitet haben. 17 Knaben und 14 Mad- chen offnete am 1. September 1897 der freundliche Schulsaal seine Pforten, und die deutschen Eltern waren angesichts der misslichen Schulverhtiltnisse in der ,,Siidafrikanischen Republik" ausseror- dentlich froh, ihre Kinder der Leitung eines deutschen Schulmannes und Patri- oten anvertrauen zu konnen, der die Liebe zum fernen Vaterlande in die jun- gen Herzen pflanzen und inmitten der internationalen Goldstadt dem deut- schen Nachwuchs eine deutsche Bil- dungsstritte geben sollte. Das verant- wortliche Amt des Schulleiters wurde Direktor Weidner aus Hamburg iiber- tragen, und unter schwierigsten Ver- hjiltnissen hat dieser Herr das Vertrau- en, das auf ihn gesetzt wurde, gerecht- fertigt. Vom ersten Tage ihres Beste- hens an hatte die Anstalt zu kampfen. Da die Privatmittel nicht ausreichten, wandte man sich an die Regierung, die aber als Gegenleistung fiir einen Zu- schuss der keineswegs reichlich be- messen sein sollte der offiziellen Lan- dessprache einen breiten Platz im Lehr- plan eingeriiumt wissen wollte. Die Engliinder waren der Schule von vorn- herein wenig hold: die "German boys" batten mit ihren britischen und hollan- dischen Altersgenossen manchen Strauss auszufechten. Ein Lichtblick fiir die Schule war die treue Unterstiitzung ihrer Begrtinder, vor allem des Herrn Rolfe, die sehr grosse materielle Opfer brachten und auch dann noch, als die Verhiiltnisse in Johannesburg sich schon sehr verschlechtert batten. Nun hat der Krieg viele dieser Manner aufs schwerste geschlidigt. Die Zuschiisse aus Deutschland waren nur ein ,,Tropfen auf den heissen Stein" ; die Schule, die im August 1899 bereits 300 Schiller ziihlte, hat augenblicklich bereits Schul- den in Hohe von $1500. Zwar ko'nnte sie nun zu einer gesicherten Stellung ge- langen, wenn sie auf den Vorschlag der englischen Regierung einginge und sich in den Schutz der Englander stellte.

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P'ddagogische Monatsbefte.

Dann miisste aber die deutsche Sprache aus dem Unterricht fast ganz ver- schwinden, und der Name ,,Deutsche

Schule" wiirde nicht mehr gerechtfertigt sein.

VI. Vermischtes

Korperliche Ziichtigung in Holland. Infolge des Verbotes des Amsterdamer Gemeinderates, den Schillern der Ge- meindeschulen korperliche Ziichtigungen zu erteilen, beschloss eine von fiinf hol- landischen Lehrervereinigungen be- suchte Versammlung folgende Erkla- rung: 1. Die korperliche Ziichtigung ist oftmals als Erziehungsmittel unter Zugrundelegung der padagogischen Wis- serischaft geboten; 2. In vielen Fallen ist die absolute Notwendigkeit einer korperlichen Bestrafung zwar nicht nachzuweisen, aber die Bestrafung doch entschuldbar ; 3. Aus diesem Grunde ist ein formliches Verbot zu bedauern; 4. Ein offizielles Verbot schadet dem Anse- hen des Lehrers und 5. widerspricht es den Interessen des Untemchts. So die bedachtigen Hollander!

Lerne fur das Leben! Ein franzosi- scher Schulinspektor erzahlt in seinem amtlichen Bericht an seine vorgesetzte Behorde einen bezeichnenden Zwischen- fall von einer seiner Inspektionsreisen. Es war in der hoheren Tochterschule ei- ner grossen Provinzstadt. Er richtete an eine Schiilerin die Frage, welche Art von Nahrstoff ein Ei enthalte. ,,Stick- stoffhaltigen Nahrstoff", antwortete die Gefragte ohne Zogern. Er fragte eine zweite nach der Farbe verschiedener Haus- und Wildvogel. Auch darauf er- hielt er fast durchweg zutretlende Ant- worten. Nun fragte er weiter: ,,Wie lange muss man ein Ei kochen lassen, um es pflaumenweich zu bekommen?" Eine Schiilerin wurde sehr rot, schwieg eine Weile und stotterte dann: ,,Eine halbe Stunde''. Der Schuldirektor blickte unzufrieden und wandte sich an die nachste. ,,Mindestens drei Viertel- stunden!" erwiderte diese zuversichtlich. Eine dritte meinte ungefahr eine Stunde

und eine vierte, pflaumenweiche Eier wiirden iiberhaupt nicht gekocht. Ge- lehrt waren alle diese Madchen und hat- ten sich mit moderner Bildung vollgeso- gen, aber ein Ei kochen konnte keines. (Bayr. Schulz.)

Correlation in England. An H. I. M. guarantees the following vera historia of a lesson he heard given by a pupil teacher in a Yorkshire board school. The youth had evidently been instructed not to plunge in medias res, but to lead up to the subject, proceeding from the known to the unknown; and this was how he applied the pedagogic theory:

P. T.— "What does the 'art do?"

Class.— "Beats," "Drives the blood," "Goes pit-a-pat."

P. T. "No, I mean the 'art without an e h-a-r-t." (Class is silent. P. T. explains that the hart means the stag.)

Class. "Butts you with its horns," "Is hunted," etc.

P. T. (getting desperate). "That's not what I mean. What does the 'art do after cooling streams."

Class (which has learnt the hymn, in chorus) . "Pants."

P. T. (radiant). "That's right! Now I'm going to give you a lesson this morning on trowsers."

(London Journal of Education.)

Die in Lausanne erscheinende Zeitung „!' Educateur" meldet den Tod der letz- ten Schiilerin Pestalozzis, Madame Hu- ber, einer ehemaligen Lehrerin, die dort im Alter von 87 Jahren verstorben ist. Geboren wurde sie zu Birr in Canton Aargau, hier besuchte sie auch die Schule und hatte das Gliick, an den Stunden des beriihmten Padagogen teil- nehmen zu konnen.

Padagogische Monatshefte.

PEDAGOGICAL MONTHLY.

Zeitschrift fur das deutschamerikanische Schulwesen. Organ des

Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes.

Jahrgang III. Jannar 1901. Heft 2

Zum Jahreswechsel.

Des Jahres letzter Hauch ermattet bebt

Durch Hain und Flur, und aus dem Zeitengrunde

Sacht sich und hehr und feierlich erhebt

Ein neues Jahr, begriisst vom Glockenmunde.

Ein Jahr, wie kurz, und doch, wie vieles, was Sein Arm zerstiickelt und ins Dasein fiihret! Wo war' ein Land, ein Herz, ein Leben, das Von seines Wirkens Spur blieb unberuhret!

So ist's und bleibt's, so lang die Erde steht; Was bliiht, muss welken, und was lebt, muss sterben. Wer weiss, wer weiss, ob nicht, eh's Jahr vergeht, Du selber, Freund, wirst sinken und verderben!

Indes vielleicht auch wirst du gliicklich sein: Die Hoffnung gilt, der Mut, nicht Furcht und Klage. Wer Hoffnung hegt und sich der Pflicht mag weih'n, Der lernet schicken sich in jede Lage.

D'rum zage nicht, stehst du in Kummers Haft, Weil du im Kampfe musstest unterliegen: Wohl oft noch wirst du finden Halt und Kraft, Auf Friedensfliigeln dir die Seel' zu wiegen!"

___ H. von Wahlde.

Im Anschluss an das vorstehende stimmungsvolle Gedicht entbieten wir unsern verehrten Lesern und Leserinnen, wenn auch verspiitet, so doch nicht minder herz- lich unsern aufrichtigsten Neujahrsgruss. Hoffnung und Mut sind auch fiir uns Lehrer in unserem ebenso verantwortungsvollen, als schweren Beruf von noten. Wenn sich mit der Hoffnung noch die Geduld, mit dem Mute die Begeisterung ver- einen, dann haben wir das Wichtigste, um unserer Arbeit Segen und Erfolg zu sichern. Die Redaktion.

Die berufliche und finanzielle Stellung des Elementarlehrers.

Vortrag, gehalten vor dem 31. Lehrertag zu Indianapolis.

Von S. Kuttner, New York.

Geehrte Damen und Herren!

Es ist seit dem Bestehen des Lehrerbundes das erste Mai, dass es mir, im Drange der Verhaltnisse, gegonnt ist, den Verhandlungen desselben beizuwohnen. Um so hoher schatze ich die vom Vorstande des Lehrer- bundes an mich ergangene Aufforderung, am diesjahrigen Lehrertage vor Ihnen als Vortragender aufzutreten, trotzdem mir, dem Fremden in Ihrer Mitte, damit die Rolle zugewiesen wird, gleichsam ,,mit der Thiir' ins Haus zu fallen". Das Fallen der Thiir' ins Haus ist nun ,,der Ubel grosstes nicht", wohl aber der Umstand, dass der erkorene Redner, selbst ohne Thiir, in die Gefahr geraten konnte, vor seinen Horern grundlich ,,durchzuf alien". Um einer solchen Eventualitat vorzubeugen, muss ich meine Darlegungen Ihrer geneigten Riicksicht anempfehlen und darauf bauen, dass bei Ihrem Urteil das ,,Strenge sich mit Mildem paaren" werde. Der Gegenstand, der meinen Erorterungen zu grunde liegt, beriihrt nicht das allgemeine Gebiet der Methoden und Lehrplane; mit andern Wor- ten, es ist nicht mein Zweck, den Nachweis zu fiihren, welches System der Lehrer zu beobachten, oder welchen Lehrgang er bei den verschiede- nen Disziplinen zii befolgen oder zu meiden habe, um sich in seinem Wir- ken den padagogischen Erfolg zu sichern, denn Sie werden mit mir die Ansicht teilen, dass es an Ratschlagen und Ermunterungen zur Befolgung gewisser Methoden so wenig mangelt, dass wir uns aus dem Chaos der auf uns einstiirzenden Lehrvorschriften kaum herauszuwinden vermogen, und bei der Mannigfaltigkeit der einander entsprechenden oder wider- sprechenden Ansichten ,,den Wald vor lauter Baumen nicht sehen" kon- nen. Der Gegenstand, der Ihrer freundlichen Aufmerksamkeit gewidmet ist, betritt ein Gebiet, welches haufig von uns iibersehen oder unterschatzt zu werden pflegt, weil es sich scheinbar mit den ethischen Zielen unseres Berufslebens nicht vereinen lasst, unser Augenmerk darauf zu richten, obgleich gerade dieses Gebiet die Selbstinteressen des Lehrers in hohem Grade beriihrt und das er, aus Riicksicht fur die Bedingungen seiner ma- teriellen Lebenslage, seiner Beachtung nicht entziehen darf. Ich meine damit: ,,Die berufliche und finanzielle Stellung des Elementarlehrers iiberhaupt."

Es giebt wohl kaum eine Berufsklasse unter den Gebildeten des Vol- kes, welche mehr Berechtigung zu haben glauben, mit ihrer Lebensstel- lung unzufrieden zu sein, als der iiberwiegende Teil in der Gesamtheit der Elementarlehrer. Der gesellschftliche Umgang mit Beiufsgenossen

Die beruflicbe und finan^ielle Stellung des Element arlebrers. 35

giebt uns oft Gelegenheit, Lehrern oder vielmehr ,,Nicht Lehrern" zu be- gegnen, denen der ergriffene Beruf keinerlei Befriedigung, keinerlei An- regung zu gewahren vermag, und die denselben zu verlassen gedenken, sobald eine gute Gelegenheit sich dazu bietet. Wir konnen, bei einiger Beobachtung, diese Wahrnehmung ganz besonders bei jungen, amerika- nischen Lehrern machen, hauptsachlich dann, wenn sie sich in den An- fangsstadien ihrer Laufbahn befinden. Ja, diese werden Ihnen sogar un- verhohlen sagen, dass sie, wenn sie noch lange im Amte blieben, fiirchten miissten, zu etwas ,,Besserem", wie sie sich ausdriicken, untauglich zu werden. Auf sie passt in Wirklichkeit das Dichterwort :

,,Sie reden und traumen viel Von bessern, kiinftigen Tagen, Nach einem gliicklichen, gold'nen Ziel Sieht man sie rennen und jagen."

Sie wahnen in der That fiir einen grosseren Wirkungskreis bestimmt, zu etwas ,,H6herem geboren zu sein", und die Lehrerstellung ist ihnen weiter nichts, als die bequeme Vermittlerin zu anderen Zielen; die Ver- bindungsbriicke, die sie einem andern, vielleicht bessern Thatigkeitsge- biete zufiihren soil. Die unmittelbaren Griinde dieser Anschauung lie- gen auf der Hand. Diese Leute ubernehmen ja das schwierige, verant- wortliche Amt des Lehrers nur unter dem Drucke zwingender Verhalt- nisse, mit der vorher bestimmten Absicht, sich der Biirde zu entledigen, sobald die Stunde der Befreiung von derselben eingetreten ist. In einem Lande wie diesem, welches dem Spekulations- und Unternehmungsgeiste Thiir' und Thore offnet, wird es auch dem Fahnenfliichtigen aus unseren Reihen oft gelingen, sich das ertraumte Gliicksgebaude zu errichten und sich gar nicht selten zu einer Hohe emporzuschwingen, die seine kiihnsten Hoffnungen und Erwartungen iiberragt, vorausgesetzt, dass Energie und Thatkraft und einflussreiche Freunde ihm auf seiner Jagd nach dem Gliicke helfend zur Seite stehen. Zur Bestatigung des Gesagten will ich Ihnen beispielsweise nur zwei Manner ins Gedachtnis rufen :

1. Den verstorbenen Handelsfiirsten A. T. Stewart, der seine Lauf- bahn als Lehrer begann, und

2. Den Prasidenten Garfield, der sich vom Lehrer zur hochsten Be- amtenstellung des Landes emporschwang. Dessen ungliickliches, tragi- sches Ende thut hier nichts zur Sache.

Aber nicht immer sind die Cotter dem Streber giinstig. Er kommt im Kampfgewuhl des feindlichen Lebens nicht selten zu der Erkenntnis, dass er bei seiner Fahnenflucht aus dem Regen in die Traufe gekommen ist, und in der Unterschatzung dessen, was er besass, die Wirklichkeit einem Phantom geopfert hatte. Folgerichtig ergreift ihn die Sehnsucht nach den Fleischtopfen Egyptens. Er sucht den Riickweg zu seinem frii- heren Wirkungskreise einzuschlagen, findet aber zu seinem Leidwesen gar

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inem Bekar1

ergangen. Den meisten gelingt aber de'r Ubertritt zu dem ertraumten ,,Bessern", trotz des Wiinschens und Harrens, gar nicht. Sie verblei- ben demzufolge, der eisernen Notwendigkeit gehorchend, in dem ihnen lastigen Amte, stetige Anklager des bittern Geschicks, das sie in eine Bahn gelenkt, die ihrer Geschmacksrichtung so wenig entspricht, wie etwa dem Sklaven die unfreiwillige Arbeit. Zur Hohe der Zeit sich em- porzuschwingen, ist ihre Sache nicht, denn ihnen fehlt das ethische Wol- len und der moralische Ehrgeiz, die wesentliche Triebfeder alles Gelin- gens auf dem Felde hoherer, menschlicher Thatigkeit. Fur den Pflicht- inhalt ihres Amtes haben sie keine andere Schatzung, als die materielle, ohne welche sie der Existenzmittel verlustig gehen wiirden, die die Stel- lung ihnen liefert. Im Laufe der Jahre entwickelt sich naturgemass bei solcher Denkweise im Lehrer eine verbitterte, norgelnde, dem Schicksal grollende Gemiitsart, die er mit dem vollen Umfang ihrer Abstossigkeit auf die Schuler einwirken lasst, die seiner Leitung anvertraut sind. Jede Neuerung auf padagogischem Gebiete gilt ihm als Erschwerung seiner Pflichten, und er entwickelt sich mit der Zeit zum verknocherten Pedan- ten, falls er sich nicht bald mit den Schattenseiten des Lehrfaches abzu- finden weiss.

Treten wir einmal aus unserem eigenen Berufskreise hinaus und fra- gen bei andern Erwerbsgebieten an, ob sich dort eine Geneigtheit zum Austritt aus der betretenen Lebensbahn wahrnehmen lasst. Wiinscht etwa der Arzt seinen miihevollen, verantwortlichen Beruf mit einem an- dern zu vertauschen? Will der Advokat seine Rechtspraxis aufgeben, um sich ein anderes Feld fur seine Thatigkeit zu suchen?? Oder strebt der praktische Geschaftsmann, seine kaufmannische Laufbahn zu verlas- sen, um sich einem andern Lebensberufe zuzuwenden? Oder gar, wiirde einer der Angehorigen der erwahnten Berufszweige, unter gewohnlichen Verhaltnissen und aus reiner Liebe zum Fache, auf den Gedanken kom- men, sich dem Lehrfach widmen zu wollen, selbst wenn bei vorhandener Befahigung sich dazu die Gelegenheit bote? Diejenigen, die das Miss- geschick und Ungliick, und der bittere Kampf des Lebens iiberhaupt, in die Arme des Lehrfachs treibt, konnen meinen Anschauungen nicht als Norm gelten. Ebensowenig konnen solche mir als Beispiel dienen, die sich, innerhalb des Amtes, zur Hohe emporgeschwungen haben, sei es vermoge ihrer hervorragenden Geistesgaben oder ihrer Fahigkeit, dieje- nigen demiitig zu umwerben, denen Macht und Einfluss zur Verfiigung stehen. Woher nun, fragt es sich, diese Apathie gegen das Lehramt, und der heisse Wunsch vieler, besonders junger Lehrer, andern Arbeitsgebie- ten den Vorzug zu geben, um etwas ,,Besseres" zu werden ? Ist die Klage iiber die Lebensstellung, die der Beruf ihnen bietet, gerechtfertigt oder

Die berufiicbe und finanyette Stelluttff dts Eltmert art -.biers. 37

nicht? 1st der Vorgang mir der Aasuuch- meiischiicher Ungenugsam- iv«_.t, ~~ci n^cii uciuaciu^ii OL^I ^ feiuHiic, uic ucscmgc werden kunn- ten? Werfen wir vorerst, ehe ich zur Beleuchtung dieser Frage iiber- gehe, unsern Blick auf die ausseren Umrisse unserer Amtspflichten und legen dabei den Massstab an, wie die Uneingeweihten im Volke sich die- selben vorstellen. Es sei mir dabei gestattet, die Stadt New York zum Vorbild zu nehmen. Der Lehrer beginnt sein Tagewerk erst um 9 Uhr morgens. Er ist, so meint man, um 3 Uhr nachmittags damit zu Ende. Er arbeitet somit, wenn wir die Mittagspause nicht mit einschliessen, nur 5 Stunden per Tag. Jeden Samstag in der Woche, wahrend der Schul- periode, ist er seiner Unterrichtspflichten entbunden. Man gewahrt ihm eine Ferienzeit von 10 Wochen wahrend der heissesten Zeit des Jahres, welche unbestreitbar fur sein korperliches und geistiges Wohl und fur seine intellektuellen Interessn von hochstem Werte ist. Dazu treten fer- ner : Die Weihnachtsferien, die Osterferien, als neueste Schopfung ; Lin- coins Geburtstag, gleichfalls neu ; Washingtons Geburtstag, der Karfrei- tag, der Wahltag, und endlich der Danksagungstag mit dem darauf fol- genden Freitag. Nach dieser Aufstellung ist der Lehrer der erwahnten Stadt im Jahre nur 182 Tage a 5 Stunden per Tag beschaftigt, wahrend das gewerblich arbeitende Publikum im allgemeinen durchschnittlich im Jahre 306 Tage a 8 9 Stunden per Tag arbeitet, ohne der Annehmlichkei- ten der langen Ferien teilhaftig zu werden. Es mogen wohl die Zeitein- teilungsverhaltnisse der Schulen in andern Stadten und Landesteilen an- ders liegen, aber wesentlich werden sie die aufgestellte Norm nicht an- dern konnen. Zudem, argumentiert man weiter, tritt noch der bedeu- tungsvolle Umstand hinzu, dass die materielle Lage anderer Arbeitskreise von den Schwankungen der geschaftlichen Zeitverhaltnisse und industri- ellen Konjunkturen abhangig ist, wahrend wir, wenigstens in den grosse- ren Stadten des Landes, wo geordnete Schulverhaltnisse herrschen, auf die Permanenz unseres Einkommens rechnen diirfen. Wenn wir nun auf die fast kindlichen Volksbegriffe eingingen und den Zeitaufwand, den unsere Pflichten erheischen, als einzigen Wertmesser unseres Wirkens gelten liessen, so befanden wir uns allerdings relativ im Vorteil vor an- dern Berufszweigen, und wir standen .dem Urteil der gedankenlosen Menge: ,,Der Lehrer habe keinen Grund zur Klage, er habe es besser als andere," verteidigungslos gegeniiber. Das tiefere Eingehen in das Wesen unserer Berufspflichten, vom Standpunkt der Erfahrung diktiert, entrollt uns aber ein ganz anderes Bild. Ist der messbare Zeitaufwand in der Ausiibung unserer Pflichten wirklich der einzige Gradmesser fur den Wert derselben ? Haben wir nicht hohere Aufgaben zu erfiillen, als diejenigen, deren Berufsthatigkeit nur den materiellen Bediirfnissen des Menschen dient? Giebt es fur unseren Stand keine edlere Schatzung, als uns den Lohndienern des Mammons beizuzahlen? Das eben ist die

38 Padagogische Monatsbefte.

dunkle Seite unseres erhabenen Berufes, dass man in der Gesellschaft un- sern Wert zu wenig schatzt und auf unser bescheidenes Wirken zu wenig achtet. Nur langsam und zogernd beginnt der intellektuelle Teil des Volkes unsere Bedeutung fur das allgemeine Menschenwohl zu wiirdi- gen, und neben dem nationalen Siege, durch den wir Frankreichs stolze Macht gebeugt, haben auch die Lehrer einen grossen sozialen Sieg er- rungen, indem man zugestand: ,,Der deutsche Schulmeister habe den Krieg von 1870 gewonnen".

Mit zahem Widerstreben nur gelangt man zur Erkenntnis, dass man auch unsern Stand den Gelehrten beizuzahlen habe, und wir ihnen eben- burtig zur Seite gestellt werden diirfen. Haben wir etwa geringern An- spruch auf diese Standesstufe, als andere Gelehrtenfacher ? Unnachgie- big und streng sind die Forderungen, die man an uns stellt. Der Lehrer soil nicht nur Lehrer im engeren Sinne, er soil der geistige und moralische Bildner seines Zoglings sein; mit andefn Worten, es ist nicht nur seine Aufgabe, ihm die verschiedenen Gebiete des menschlichen Wissens zu erschliessen, sondern er soil auch den ganzen Menschen fur seine zukiinf- tige Bestimmung vorbereiten. Die Erziehung ist eine Wissenschaft, eine Kunst. Will sie diese Bezeichnung verdienen, so muss sie auf das ganze Seelenleben, auf das Fuhlen und Denken, auf das Wollen und Handeln des Zoglings in solcher Weise einzuwirken suchen, dass dadurch sein Menschentum, d. h. die Keime der Vernunft und Sittlichkeit, die in ihm wohnen, sich entwickeln und gedeihen. Die wahre Erziehung will, in ihrem Streben nach harmonischer Ausbildung aller Krafte und Anlagen des Zoglings, den zu Erziehenden zu sittlichem Handelnt d. h. zur Betha- tigung des Guten fiihren. Der Aufbau und die Entwickelung des mora- lischen Charakters gelten ihr als hochstes Ziel. Diese Forderungen zu erfullen, muss das ganze Sein des Lehrers und Erziehers in seinem Be- rufe aufgehen. Die edlern Seiten seiner Individualitat muss er auf seine Zoglinge iibertragen. Erziehungsfahigkeit vor alien Dingen und Liebe zum Berufe sind die unerlasslichen Bedingungen zur Erreichung seiner Ziele. Es giebt fiir ihn kein lassiges Verweilen, kein Zogern, keinen

Stillstand :

,,Rastlos vorwarts musst du streben,

Nie ermiidet stille steh'n, Willst du die Vollendung seh'n."

sind hier des Dichters Worte.

Leicht und miihelos vollzoge sich der Bildungsgang des jungen Men- schen, wenn Empfanglichkeit und Ftigsamkeit fiir die erzieherischen Massnahmen bei jedem Individuum die gleichen waren.

Doch nein ! Dem Werke des Erziehers sind Schranken gezogen, die oft seine Ziele durchkreuzen. Der Einfluss des elterlichen Hauses, die Eindriicke und Erfahrungen der Aussenwelt wirken machtig auf die

Die berufliche und finan^ielle Stellung des Elementarlehrfrs. 39

Charakterbildung des jungen Menschen ein. Mit diesen Einwirkungen auf das jugendliche Gemiit hat der Erzieher stets zu kampfen, falls die- selben von aussen her in falsche Bahnen gelenkt worden sind; es ist der stete Kampf des Idealen und Guten mit den Gegenstromungen des Un- sittlichen und Rohen.

Zu den grossten Fehlern der Jugend gehort unstreitig der Wider- wille gegen jede ernste, geordnete Thatigkeit, ein Fehler im Zogling, wel- cher, gepaart mit mangelnder Einsicht in die erzieherischen Zwecke, fur seinen Entwickelungsgang von folgenschwerer Bedeutung ist, wenn es dem Erzieher nicht gelingt, diesem Hange zur Tragheit Einhalt zu ge- bieten. Die Tragheit im Zogling ist des Erziehers schlimmster Feind. Unpiinktlichkeit, Unaufmerksamkeit, uberhaupt die Gleichgiiltigkeit und der Leichtsinn, mit welchen der Schiller seinen Schulpflichten obliegt, sind Unterarten jenes Fehlers. Die Anordnungen des Lehrers befolgt er nicht mit jener freudigen Willfahrigkeit, weil der Nutzen sie erheischt, sondern weil er fiihlt, dass er sich den Zwangsmassregeln der sittlichen Ordnung innerhalb der Schule fiigen muss.

Dies ist das Land der Kinderverehrung. Es giebt Eltern, denen der Wille ihrer Kinder Gesetz ist, und es entsteht oft die Frage, wer von ihnen der Erzieher und wer der Erziehende ist. Dass diese verzartelten Mannlein und Fraulein das Amt des Lehrers ausserordentlich erschwe- ren, liegt auf der Hand. Diese kleinen Grossen sind gefeit und unan- tastbar gegen die geringsten korperlichen Strafen, eine Prozedur, die sich ja selbst die Eltern kaum erlauben wiirden. Wenn z. B. ein Lehrer in New York zu diesem, manchmal sehr notwendig werdenden Mittel griffe, es ware bald um ihn gescheh'n. Zudem ist noch der kleine Storenfried ein griindlicher Kenner des darauf beziiglichen Gesetzes, und enblodet sich nicht, falls notig, seine Rechte zu verfechten. Dieser miss verstan dene, oft bis zur Respektlosigkeit ausartende Freiheitssinn, der in der ameri- kanischen Schuljugend wurzelt, bildet eben das charakteristische Unter- scheidungsmerkmal zwischen ihr und derjenigen unseres Geburtslandes. Der deutsche Schiiler achtet und ehrt seinen Lehrer instinktiv. Dieser ist den Eltern desselben Freund und Berater. Er wird in den Familien- kreis gezogen, nimmt Teil an den Leiden und Freuden der Familie. Sein Zogling gedenkt seiner noch in spaten Tagen mit Ehrfurcht und Dank- barkeit. Der amerikanische Schuler dagegen erblickt in seinem Lehrer einen Menschen, der fur seine Dienstleistungen finanziell entschadigt wird. Es kommt weder ihm, noch dessen Eltern in den Sinn, ihn als Wohlthater anzuerkennen. Er ist dem Gedachtnis entriickt, sobald man seiner Dienste nicht mehr bedarf.

Schluss folgt.

Wie betrachten wir am besten die Werke der bildenden Kunst?*

Mit einem Kunstwerke, sagt Schopenhauer einmal, muss man es ma- chen wie mit einem grossen Herren : man muss sich davor hinstellen und warten, bis es etwas sagt. Manchmal aber geht es einem wie jenem Land- manne, der tiber einen Fluss wollte und wartete, bis der Fluss abgelau- fen sein wiirde; aber der Fluss lief und lief, und der Landmann kam nicht hiniiber, er musste sehen, wo er eine Briicke fand. Eine solche Briicke braucht man auch bei der Betrachtung von Kunstwerken, und sie zu schlagen, sind Sie im Begriffe. Wer aber eine Briicke schlagen will, muss sich zuvor mit dem Material vertraut machen, und wer einem Kinde die Betrachtung eines Kunstwerkes erleichtern will, muss sich dariiber klar werden, wie er selbst friiher dazu gekommen ist, ein Kunstwerk als solches aufzufassen, oder wie er zum Verstandnis des Kunstwerkes ge- langt ist. Dabei gebrauche ich freilich einen Ausdruck, der eigentlich nicht hierher gehort, denn das Verstandnis ist ein intellektueller Vorgang ; eine Idee kann man verstehen, fur ein Kunstwerk ist dieser Ausdruck nicht passend, man konnte hochstens vom Geniessen desselben sprechen. Fur das, was wir im Substantiv Geschmack nennen, fehlt uns betreffs der Kunst ein Wort, man kann nicht sagen : ein Kunstwerk schmecken, ob- gleich es die Sache richtig trafe. Dafiir aber, dass wir vom Verstehen der Kunstwerke wie vom Verstehen einer Idee sprechen, giebt es zwei Griinde : einmal hat der Deutsche von jeher die Neigung gehabt, sich den Dingen sinnend und verstehend gegeniiberzustellen, und dann ging im vorigen Jahrhunderte die Renaissance der deutschen Kunst und Asthetik von den poetischen und musikalischen Kreisen aus, und es lag daher nahe, dass uns Lessing, Goethe, Schiller, die uns tiber das Wesen der Kunst aufklarten, dabei von ihrer, der redenden Kunst ausgehend, von einer Idee in jedem Werke der Kunst sprachen. Das muss man selbst von Lessing sagen, dessen Laokoon in vieler Hinsicht bis heute uniibertroffen dasteht. Man kann nun nicht behaupten, dass die Asthetik diese Dinge wieder gut gemacht hat. Sie ist so himmelnd gewesen, dass sie den Faust fur das ewige, hochste Kunstwerk gehalten und alle andern nach ihm bemessen

*) Wie das Kunstverstandnis und der Kunstsinn in die breiteren Schichten des Volkes zu tragen sei, ist die Frage, welche gegenwartig Lehrer und Kiinstler in Deutschland beschaftigt. Die Anregung dazu ging von Hamburg aus und hatte zunachst den ,,Kunsterziehungstag" zu Dresden (siehe Umschau der P. M. II. 1.) im Gefolge. Nunmehr wird diese Frage in den verschiedenen Lehrervereinigungen besprochen und soil ebenfalls dem nachsten deutschen Lehrertage in Chemnitz zur Beratung vorgelegt werden. Das obige Thema wurde in einem Vortrage, dessen Referat wir der ,,Leipziger Lehrerzeitung" entnommen haben, von Herrn Dr. Brahn vor dem Leipziger Lehrerverein behandelt. D. R.

Wie betracbten wir am besten die Wtrhe der bildenden Kunst ? 41

hat. Aber die Kunst in den Dingen zu sehen, diese Kunst hat man dabei nicht gelernt. Diese philosophische Betrachtung lehrte die Asthetik bis vor einem Jahrzehnt, und erst auf die Ergebnisse dieser letzten Jahre stiitze ich meine Ausfiihrungen. Gliicklicherweise sind die Uutersuchun- gen von bildenden Kiinstlern selbst gefuhrt worden, von Adolf Hilde- brand (,,Das Problem der Form in der bildenden Kunst") und von Max Klinger (,,Malerei und Zeichnung"), erganzt werden sie durch die For- schungen des Kunsthistorikers Schmarsow. Daneben lauft noch eine zweite Stromung, begriindet von Lotze und Fechner, die versucht mit Hilfe der experimentellen Psychologic eine Asthetik zu schaffen, welche die Dinge nach ihrer rein sinnlichen Seite betrachtet und bschreibt, die einzige Asthetik, die iiberhaupt zu schaffen ist.

Wenn wir heute die bildende Kunst in Betracht ziehen, so kann nicht das Wesen derselben Gegenstand unserer Erorterungen sein, sondern dasjenige, was die bildende Kunst von den anderen Kiinsten unterschei- det. Gewisse Dinge stellen alle Kiinste dar, aber die Mittel fur die Art der Darstellung sind verschieden. Wenn wir diese Verschiedenheiten betrachten, werden wir das Wesen dieser Kiinste erkennen. Stellen wir uns z. B. eine Stimmungslandschaft vor, so miissen wir uns sagen, dass Musik und Lyrik den Vorwurf vielleicht in mehr zu Herzen gehender Weise darstellen konnen ; aber darin liegt der Unterschied, dass die dar- stellende Kunst uns etwas bietet fiir unseren Gesichtssinn, fur die Vor- stellung der Bewegungen, fiir das Korpergefiihl. Wenn aber die Vor- ziige der bildenden Kunst auf dieser Seite liegen, so ist es notig, nachzu- sehen, wie wir diese Erscheinungen zu betrachten haben, um ein Kunst- werk von seinem Standpunkte aus zu beurteilen. Die bildende Kunst stellt die Dinge im Raume dar. Dazu hat sie drei Mittel : Licht und Farbe und die Form, die daraus resultiert. Dies haben wir uns auch bei der Betrachtung eines Kunstwerkes zu vergegenwartigen. Von Licht, Farbe und Form hangt aber nicht nur die Darstellung der Raumbildung als solche ab, sondern auch der Ausdruck der Sache, also das, was wir Stimmung nennen. Es ist also nicht so, dass wir wie Hanslik alien Wert auf eins, auf die Form, legen, sondern Form, Licht und Farbe miissen den Eindruck der Einheit in uns hervorrufen. So muss in einem Kunst- werke eine grosse Einheit da sein, in einem Olgemalde z. B. die Einheit des Lichtes oder der Farbe. Dafiir giebt es in der ganzen Kunstge- schichte kein grosseres Beispiel als die Bilder Rembrandts. Betrachten Sie es von dem einen Ende an und folgen Sie dem Zittern des Lichtes, und Sie werden sehen, dass eine grosse Einheit darin ist, ein Strom des Lichtes, der die Korper im Raume vereinigt. Darin liegt aber das Ge- heimnis der Kunst, und wo das nicht der Fall ist, haben wir kein Kunst- werk vor uns, das rein zu geniessen ist. Daher machen die Bilder Anton von Werners einen so unbehaglichen, steifen Eindruck: Puppen, nichts

42 Padagogiscbe Monats'befte.

als Puppen, aber kein Bild. Auf Menzels Darstellung des Hofballes da- gegen geht alles Licht von den grossen Lichtern des Kronleuchters aus und vereint alle Gestalten zu einer grossen Einheit. Es miissen eben alle vom Kunstler als Einheit gesehen werden. Wenn wir das festhalten, werden wir uns vor jedem Bilde erkundigen: wo steht das Licht? Da- bei werden wir nicht verlangen, dass es immer so wie draussen ist. Das geht aus verschiedenen Griinden nicht. Wenn wir uns vergegenwartigen, dass die Palette alle Farben enthalten muss, vom hellsten Sonnenlichte bis zur dunkelsten Nacht, und diese Farben mit denen der Natur verglei- chen, so erkennen wir, dass die Palette zur reinen Wiedergabe der letz- teren gar nicht ausreicht. Der Maler dampft daher das Licht, und das darf er auf Grund eines allgemeinen psychologischen Gesetzes : Die Hel- ligkeiten hangen fur unsere Empfindung nicht von der absoluten Hellig- keit, sondern von den Beziehungen der Helligkeiten zu einander ab, Wenn der Maler also i/ioo von der einen Farbe auftragt, so soil er auch i/ioo von der anderen nehmen. Er darf also die Sonne i/ioo,ooomal weniger leuchtend darstellen, wenn er nur auch die Beleuchtung der Erde in demselben Verhaltnisse abdampft. Wir verlangen also nicht den Na- turalismus, dieser ist so gegen alle Regeln der Physiologic und der Psy- chologic, sondern Abstufungen des Lichtes nach seinen Valeurs, wodurch das Licht zur Einheit des Bildes verhilft. Betrachten Sie daraufhin Rem- brandts Hundertguldenblatt.

Ausser dem Lichte aber ist auch die Einheit der Farbe und der Form von Wichtigkeit. Bei Rembrandt sind die Gestalten aufgelost in einem Meer von Licht, ihre Form verschwindet fast. Anders bei Raffael. Bei ihm sind die Gestalten voll ausgebildet, aber nicht wie bei Werner, sondern sie sind zu einander in Beziehung gebracht durch die Einheit der Farbe. Denken Sie an die Sixtinische Madonna in Dresden. Da ist nichts von Licht wie bei Rembrandt, aber wir sehen, wie in den Farben alles aufwarts geht in bestimmten Farbenabstufungen, und verfolgen wir die Engel bis nach oben, so ahnen wir, was Raffael gewollt hat, und das Hess sich gar nicht durch blesses Licht wiedergeben. Es hat Leute gege- ben, die ihn deshalb nicht als Maler gelten lassen wollen, weil er nicht Farben malt, sondern Formen. Aber seine Farben haben ihre bestimm- ten kiinstlerischen Gesetze, die sich physikalisch sogar leicht definieren lassen. Er setzt nie zwei Farben nebeneinander, die im Spektrum nahe beisammen sind, er verwendet nie Komplementarfarben, weil sie ermii- den. In der That diirfen wir das Physiologische bei der Kunstbetrach- tung nicht vergessen : eine einzige physiologische Dummheit des Malers zerstort die ganze Wirkung des Bildes. Das ist auch von Bedeutung fiir die Beleuchtung der Bilder. Ein Bild von mittlerer Helligkeit darf nicht in hellem Sonnenlichte hangen ; man muss sich immer iiberlegen, wie der Maler sich die Farben gedacht hat. Ein falsches Reflexlicht schafft Har-

Wie betracbten wir am besten die Werke der bildenden Kunst ? 43

ten, die nicht gutzumachen sind. Die farbigen Bilder bieten gegeniiber den Lichtbildern noch eine grosse Schwierigkeit, der photographische Ap- parat giebt die Bilder ungleich wieder, auf der blauen Seite gut und kraf- tig, auf der roten Seite schwacher, sodass also direkt gefalschte Bilder entstehen. Die Bilder Klingers, der viel Grim verwendet, giebt der Ap- parat durchaus falsch wieder, im Gegensatz zu Raffaels Bildern mit ihren ausgepragten Gestalten. Wir erkennen in Rembrandt das germanische Element, das mehr zum Lichte und zur sinnenden Auslegung der Welt durch dasselbe drangt, und in dem andern den Charakter des Italieners, dem es darauf ankommt, die Gestalten zu sehen.

Aber es ist noch eine dritte Einheit zu beachten, die allein kaum her- vortreten kann, weil sie von Farbe und Licht abhangig ist, sie ist als Ein- heit der Linienfiihrung, der Komposition zu bezeichnen. Man kann Bil- der sehen, wo eine Person aus dem Bilde herausneigt, aber weniger mit ihm verkniipft ist, so dass man nicht imstande ist, dem Bilde zu folgen. Es ist kein Wunder, dass ein Amerikaner den Satz aufstellte, dass die Augenbewegungen der rechte Massstab seien fur die Betrachtung der Kunstwerke. Diese Einheit der Form sehen Sie gewahrt z. B. hier bei den apokalyptischen Reitern des Cornelius: in der wiisten Masse sich bewegender Glieder und Gelenke werden Sie doch in grossen Ziigen im ganzen Bilde herumgefuhrt ; man konnte sagen, das ist eine grossziigige Art des Malens.

Wir betrachteten die drei Einheiten von Licht, Farbe und Form bis- her fur sich, als Einzelfaktoren, sie sollen aber zusammen die Raumein- heit darstellen. Betrachten Sie Calames ,,Eichen im Sturm" in unserem Museum. Im Vordergrund stehen drei Eichen ; sie dienen als die wich- tigsten Trager des Raumgefuhls. Denken Sie sich eine Ebene und einen Baum darauf, so wird zweierlei gewonnen, eine Vertikale und eine Be- tonung der Horizontalen, wie der dritten Dimension, an beiden hangt das Bild, und beide geben die Anschauung des Raumes. Wo dies schwach durchgebildet ist, so kommt der Beschauer bald in Unsicherheit ; ist das Bild aber fest gruppiert, so dehnt sich der Raum in uns selbst; wo aber die Gruppierung schlecht, eng zusammengepfercht ist, so suchen wir, ohne zu finden ; es ist im Bilde etwas nicht richtig, der Kunstler hat nicht recht gesehen. Wenn wir von der Malerei gesehen haben, dass die Einheiten des Lichtes und der Farbe wesentliche Dinge sind, so sind sie andrerseits zugleich Schranken fur diese Kunst. Die Farbe verlangt, dass jeder Punkt des Bildes auch fest stofflich ausgebildet sei. Sie hangt am Stoffe, und wenn wir sie sehen, ergiinzen wir den Gegenstand, eine Welt, so real, wie diese hier, aber sie widerstrebt dem Stoffe, klebt nicht an der Farbe, sondern giebt sich gern frei. Die Farbe muss auch schon sein, das Leben ist aber nicht immer schon, es hat auch hassliche Seiten. So muss der Kunstler auch Mittel haben, das Hassliche darzustellen. Das

4-4 P'ddagogiscbe Monatsbefte.

geht im Bilde nicht ; positiv Hassliches stosst ab. Da giebt es ein anderes Mittel: der Kiinstler malt nicht, er zeichnet, und dadurch kann er sich frei machen von den scharfen Bedingimgen. Wo Sie Hassliches darge- stellt finden, 1st es gezeichnet; wo Klinger dazu greift, Hassliches darzu- stellen, da zeichnet er, es wird ihm nie einfallen, es zu malen oder gar in Stein auszuhauen. Das macht die Zeichnung fur die Schule sehr wich- tig. In der Zeichnung kommt es nicht darauf an, die Dinge wie in der Natur darzustellen, sie kann aber das Licht in geistreicher Weise ,,inter- pretieren". Kein Wunder, dass unser grosster Erzahler, Diirer, die Zeichnung so oft angewandt hat. Aber auch in der Zeichnung wird die Einheit nicht vernachlassigt, hier gilt die Einheit des Lichtes. Betrach- ten Sie eine gute Radierung, so finden Sie an jedem Grashalme das Licht; auch bei Diirer spielt das Licht iiberall, durch welches die Einheit des Bil- des geschaffen wird und welches gestattet, mehr zu fabulieren.

Daneben spielt die Plastik in der Schule eine geringere Rolle. Doch wird es gut sein, einen Blick auch auf sie zu werfen, zumal wir Fragen streifen werden, die auch ins Malerische hinubergehen. Die Plastik ist das Gebiet, wo es scheint, als ob nur die Natur nachgeahmt zu werden brauche, um das beste Kunstwerk zu schaffen. Doch ist es nicht so. Be- trachten wir die Pieta von Michelangelo ! Maria halt den Leichnam Jesu auf den Knieen, er ist gedacht als ein Jungling, mager und elend, die Glie- der eben noch in der Entwickelung. Der Kunstler hat dabei nicht daran gedacht, aus theoretischen Griinden den Heiland j linger darzustellen, das ware ganz unkiinstlerisch gedacht; nein, die beiden Gestalten, Mutter und Sohn, gehoren eben in solcher Weise zu einander, bilden ebenso sehr eine Einheit, eine Figur, und das zu erreichen war nur mit einer schmach- tigen Jiinglingsfigur moglich. Sehen wir dagegen eine andere Pieta an von Kopf in unserem Museum, da ragt ein Bein weit vor, dort ein Arm, das ist eine Gruppe von Mutter und Sohn, von welcher der Torso scho- ner ware als das Kunstwerk. Eine solche grosse Einheit konnen Sie in unserem Museum antreffen, wenn Sie Klingers ,,Badende" betrachten. Es ist eine sehr komplizierte Stellung, aber wo Sie sich auch hinstellen, haben Sie immer eine Bildeinheit. Dagegen finden Sie manche Portrat- biiste, jede ist ahnlich, aber kein Kunstwerk. Da ist das Ohr, zwar ahn- lich, aber zu gross, die Nase so, dass man versucht ist, mit Onkel Brasig zu rufen : ,,Dass Du die Nase ins Gesicht behaltst !" Und doch ist alles sehr genau, sehr gut getroffen, aber eben kein Kunstwerk. Und wenn wir uns nicht klar dariiber werden, dass ein plastisches Kunstwerk etwas anderes ist als eine Ubertragung der Natur, werden wir keinen einheitli- chen Eindruck von der Wirkung der Plastik gewinnen konnen. Wenn wir jetzt z. B. daran denken, wie Lessing die Darstellung des Schreiens verbietet,so verstehen wir das aus dem rein physiologisch gefassten Ge- setz der Einheit. Wir haben im Museum einen schreienden Kopf, die

Wie betracbten wir am besten die Werhe der bildenden Kunst ? 45

Verdammnis von Permoser; durch die grosse Mundoffnung des laut et- was ausschreienden Mannes zerfallt der Kopf in zwei Teile, die zu einer Einheit nicht zu bringen sind. Bei einem durch Licht und Farbe zur Ein- heit gebrachten Gemalde ist das anders. Bei dem Bilde des Zahnziehers ist der Mund eben soweit geoffnet, die Wirkung ist aber doch eine an- dere, denn das Licht geht dariiber hin. Ein anderes drangt sich uns hier- bei noch auf. Der Mensch ist so gebaut, dass der grosste Teil seiner Bewegungen von der Muskulatur des Beckens ausgeht. Daher ist es das grosste Vergehen, wenn ein Kiinstler durch Anwendung des Feigenblat- tes den Korper in zwei Teile zerlegt und so an sich jede einheitliche Wir- kung zerstort. Ich halte das Feigenblatt iiberhaupt fur iiberflussig und eine Barbarei, und es ist schlimm, wenn die Kinder so erzogen sind, dass sie immer an das Geschlechtliche denken.

Das Wesentliche bei der Betrachtung von Kunstwerken muss also die sinnliche Betrachtung, die sinnliche Einheit sein. Dariiber darf der Gegenstand nicht verloren gehen, aber der Gegenstand als solcher hat kei- nen Wert ; der Stoff muss durch die Form vernichtet werden. Der Land- schaftsmaler, der alles naturalistisch malt, hat noch keine Ahnung, was Kunst ist. Der Stoff muss so erfasst werden, dass er in die gereinigte Form iibergeht; dann wird umgekehrt aus der richtigen Form auch der richtige Stoff hervorwachsen ; denn Stoff und Form sind verbunden, der Stoff wird durch die Form, diese durch jenen gehoben. Wer die Asthe- tik so sinnlich erfasst hat, wird darin seine Erbauung finden und froh sein, wenn er den Stoff nebenher findet. Und wenn Sie jetzt Bilder von kiinstlerischem Werte fur die Schule erhalten, so benutzen Sie dieselben fleissig, selbst wenn Sie Reproduktionen haben, denn das wahrhaft kiinst- lerische werden Sie nur an farbigen Bildern bieten konnen, jene sind im- mer nur ein Notbehelf. Man soil sich freilich nicht anstellen, als ob die Kunst nun reformiert werden sollte. Ehren wir vielmehr unsere grossen Meister und lehren wir die Jugend das sehen, was die Hauptsache ist an einem Kunstwerke, den grossen Sinn fur das Asthetische. Lehre sie das Schone sehen, denn Kiinste treu und recht gelernt zu haben, erweicht den Sinn und lasst uns nicht roh werden. J.

Der Litteraturbetrieb in der Schule, mit besonderer

Riicksicht auf die gegenseitigen Beziehungen der

englischen und deutschen Litteratur.

Vortrag, gehalten vor dem 31. Lehrertag zu Indianapolis.

Von Prof. A. It. Hohlfeld, University of Wisconsin, Madison, Wis.

In einem seiner geistspriihenden Aufsatze greift Karl Hillebrand in der ihm eignen, im Paradoxen sich gefallenden Weise den litterarge- schichtlichen Unterricht der Schule als ungesund und, wenn mich mein Gedachtnis nicht triigt, als geradezu unsittlich an. Berechtigung fur diese augenscheinlich iibertriebene Behauptung glaubt Hillebrand in dem allerdings nicht zu leugnenden Umstand zu finden, dass beim Studium der geschichtlichen Entwickelung einer Nationallitteratur die Mehrzahl der Litteraturwerke selber, in denen diese Entwickelung ihren Ausdruck findet, dem Schiiler unbekannt und unzuganglich sind. Der Schiiler also wird nach Hillebrand bei der Vorbereitung einer litterargeschichtlichen Lektion angehalten, die Anschauungen des Lehrers oder des etwa benutz- ten Leitfadens blindlings zu den seinigen zu machen ; er wird genotigt, Ansichten vorzutragen und Urteile zu wiederholen, ohne in den Thatbe- stand, auf dem sie beruhen, Einsicht zu haben, ohne also auch im stande zu sein, sich irgend welche unabhangige Meinung iiber den Gegenstand zu bilden.

Dies aber fiihrt unserm Kritiker zufolge einerseits zum gedankenlo- sen, arbeitsfaulen Nachbeten fremder, ungepriifter Anschauungen, andrerseits zu bewusster Verstellung und Heuchelei, bei der Geist und Herz von dem Geplapper der Lippen nichts wissen beides allerdings durchaus ungesunde und unsittliche Tendenzen, gegen die ernste Fiihrer der offentlichen Meinung auf alien Gebieten des Lebens nur allzu unaus- gesetzt anzukampfen haben.

Dass also dem Hillebrand'schen Paradox, wie ja von vornherein zu erwarten war, ein gewiss beachtenswerter Kern Wahrheit zu Grunde liegt, wird wohl niemand ableugnen wollen. Dass andrerseits der geistreiche Publizist in diesem Falle das Kind mit dem Bade ausschiittet, dass ge- rade der litterargeschichtliche Unterricht in den Handen eines befahigten und begeisterten Lehrers zu einem Mittel tiefster und edelster Einwir- kung auf Geist und Gemiit der Jugend werden kann, bedarf wohl eben- falls keines weiteren Beweises.

Soviel ist aber sicher zuzugeben: echter, wahrhaft nutzbringender Unterricht, selbst in des Schiilers heimischer Litteratur, gehort zu den schwersten Aufgaben des Lehrers und ist bei unweiser Behandlung den angedeuteten Gefahren entschieden ausgesetzt, und diese Schwierigkeiten

Der Litteraturbetrieb in der Schulc. 47

und Gefahren vermehren sich ins ausserordentliche, wenn es sich um die Vorfiihrung einer Litteratur handelt, welcher der Schiiler in bezug auf Volk, Land und in gewisser Hinsicht selbst in bezug auf die Sprache fremd gegeniibersteht, wie das beim Lehren deutscher Litteraturge- schichte in amerikanischen Unterrichtsanstalten meistens der Fall sein muss.

Hier heisst es denn auf der Hut sein, sich aller berechtigten Mittel zu bedienen, die geist- und gemutlosem Nachbeten entgegenwirken, und andrerseits nichts unversucht zu lassen, was den Unterricht zu vertiefen und dem Schiiler menschlich naher zu bringen vermag.

Wenn es nun im Folgenden meine Absicht ist, einige Mittel, alte und neue, anzudeuten, die dem Lehrer seine schwierige Aufgabe erleich- tern konnen, so mochte ich von vornherein auf das entschiedenste beto- nen, dass sich meine Ausfiihrungen und Vorschlage ausschliesslich auf solche t)bersichtskurse erstrecken, wie sie etwa in den obersten Klassen gut entwickelter "high schools" oder in den "undergraduate" Klassen an "colleges" gegeben werden. Auf die Methoden, die in hoheren Unter- richtskursen angebracht sind, haben meine Bemerkungen jedenfalls keine unmittelbare Anwendung. Andrerseits mochte ich auch wieder darauf hinweisen, dass wenn die von mir vorgetragenen Ansichten fur den Un- terricht in deutscher Litteraturgeschichte annehmbar sind, sie mutatis mutandis auch fur die Behandlung andrer fremder Nationallitteraturen Giiltigkeit beanspruchen diirfen.

In den letzten Jahrzehnten ist bereits manches als berechtigt aner- kannt und geiibt worden, was zur Hebung und Belebung des Litteratur- betriebs in der Schule beigetragen hat; gar vieles harrt aber auch noch der Verbesserung und Neueinfuhrung. Ehe ich denn von letzterem rede, diirfte es nicht unangebracht sein, kurz auf das hinzudeuten, was als be- reits gesichert gelten diirfte.

Dieselbe Verinnerlichung und Vertiefung, die im Laufe des neun- zehnten Jahrhunderts die Geschichtswissenschaft durchdrungen und all- mahlich auch in Lehrplanen, Schulbuchern und Unterrichtsverfahren Ausdruck gefunden hat, diese selbe Verinnerlichung und Vertiefung ist in gleichem Masse auch dem wissenschaftlichen und unterrichtlichen Be- triebe der Litteraturgeschichte zu gute gekommen. Auch auf litterar- geschichtlichem Gebiete ist mechanisches Aufzahlen und Auswendigler- nen langer Reihen von Zahlen, Namen und Titeln in Missachtung ver- fallen. Man hat besser gelernt, zwischen Wichtigem und Nebensachli- chem zu scheiden und letzteres bei einer ersten einfiihrenden tlbersicht nach Kraften zu unterdriicken ; man hat besser gelernt, die tabellenma- ssige Schablone des alteren Verfahrens zu gunsten einer Einteilung des Stories in abgerundete, wohlgegliederte Kapitel aufzugeben, innerhalb deren man sich einer zusammenhangenden, anziehenden Darstellungs-

48 Padagogische Monatsbefte.

weise befleissigt. Neue Bucher nach der alten Methode sind leider noch nicht Dinge der Unmoglichkeit, aber sie sind doch selten geworden und muten-uns veraltet und kaum mehr existenzberechtigt an.

Hierdurch soil natiirlich nicht der etwaige Nachschlage- und Uber- sichtswert einer mehr oder minder tabellenmassigen Litteraturdarstellung in Frage gestellt werden ; nur gehort ein solches Verfahren nicht in eine erste Einfiihrung in den Gegenstand. Hier kommt es vor allem auf mog- lichst klares Erfassen der grossen Bewegungen, der fiihrenden Geister und der charakteristischsten Werke an. Was dariiber ist, ist in fast alien Fallen vom Ubel. Und die weitaus meisten Kurse in deutscher Littera- turgeschichte, selbst an unseren "colleges" und Universitaten, tragen der Natur der Sache nach den Charakter einer ersten allgemeinen Ubersicht und Einfiihrung.

Also eine zusammenhangende, anregende Darstellung, die das Ne- bensachliche nach Kraften unterdriickt, dagegen die Hauptsachen zu um so vollerer Wirkung herausarbeitet, darf dem Gesicherten und Anerkann- ten zugezahlt werden in der neueren Methode litterargeschichtlichen Un- terrichts.

Ebenso wichtig ist wohl die Erkenntnis, dass in den ersten Jahren fremdsprachlichen Unterrichts, wo der Schiiler noch mit den elementa- reren Erscheinungen der Sprache als solcher kampft, zusammenhangen- der litterargeschichtlicher Unterricht iiberhaupt nicht am Platze ist. Frii- her als mit dem dritten Jahre (oder allenfalls mit dem zweiten bei dem meist spat einsetzenden Unterricht im Italienischen und Spanischen) diirfte wohl kaum ein Lehrer einen historischen Uberblick iiber die ganze Litteraturentwicklung anraten oder vornehmen, und wenn es das Alter der Schiiler und die Ziele des Unterrichts gestatten, wird man wohl lie- ber noch ein weiteres Jahr warten. Bis dahin hat dann der Schiiler be- reits mehrere charakteristische Werke der fiihrenden Schriftsteller, we- nigstens der neueren Zeit kennen gelernt und besitzt also bereits eine ge- wisse, wenn auch noch so eng umgrenzte Basis eigner Anschauung, an welche nach riickwarts und vorwarts angekniipft werden kann.

Gerade da man aber wahrend der ersten Jahre der Beschaftigung mit einer fremden Sprache von einer zusammenhanger> Litteraturbe- trachtung absieht, gerade deshalb ist man mehr - .nehr zu der Uber- zeugung gekommen, dass das einzelne zur Lf' . gewahite Werk selbst zum Ausgangspunkt fur einen weiterreiche ,den litterarischen Ausblick dienen sollte. Selbst in den allerersten Jahren, jedenfalls sowie man Werke von bleibendem Litteraturwert vorzunehmen anfangt, sollte man sich nicht langer mit der blossen Wort- und Sacherklarung des gelesenen Textes begniigen, sondern, von demselben ausgehend, versuchen, dem Schiiler einen gewissen Einblick in das Leben des Verfassers und in die Entfaltung seiner dichterischen Thatigkeit zu geben und das gewahlte

Der Litteraturbetrieb in der Scbule. 49

Werk, wenn moglich, als typischen Vertreter einer grosseren litterari- schen Stromung zur Geltung zu bringen. Wo Alter und Reife der Schii- ler es berechtigt erscheinen lassen, benutzen wir, um nur einige meist friih vorgenommene Werke zu nennen, die Minna von Barnhelm z. B. zur ersten Einfiihrung in die personliche und litterarische Welt Lessings und die allmahliche Entwicklung des burgerlich-ruhrseligen Lustspiels aus der mehr possenhaften Komodie einer friiheren Zeit, oder den Gotz zur Einfiihrung in Leben und Geist des jungen Goethe und als charak- teristischen Vertreter der ganzen Sturm- und Drangbewegung, oder die Jungfrau von Orleans zur Einfiihrung in die Schiller'sche Dramenwelt und zur Klarlegung der fur den Anfang des 19. Jahrhunderts so inter- essanten Verschmelzung klassizistischer und romantischer Tendenzen in Form und Inhalt.

Dass jedoch iiber solchen litterargeschichtlichen Abschweifungen der Hauptzweck einer verstandnis- und gefiihlvollen Lektiire des Werkes selber nicht vergessen werden darf, braucht wohl nicht besonders betont zu werden. Jedenfalls aber kann ein geschickter Lehrer im Verein mit einem geschickten Herausgeber ohne viel Zeitaufwand auf diese Weise den begabteren Schulern manche wertvolle Anregung geben.

Als zweiten wohl allgemein zugestandenen Punkt bezeichne ich also die Verschiebung zusammenhangender Litteraturbetrachtung auf eine moglichst spatere Zeit, andrerseits aber auch die Berechtigung einer weise zu bemessenden Vertiefung in die biographische und litterarische Atmosphare der durchzunehmenden Einzelwerke.

Weiter hat gesunder Sinn, der aus der Erfahrung sich nie scheut Nutzen zu ziehen, uns gelehrt, nur das wirklich Durchfiihrbare anzustre- ben. Die Entwicklung der alteren Litteraturepochen, mit deren Schrift- tum die meisten Schiiler unbetraut bleiben miissen, und deren Behand- lung deshalb vor allem den Hillebrand'schen Angriffen ausgesetzt sein wiirde, wird deshalb nur rasch andeutend iiberflogen werden konnen,. wahrend das Hauptaugenmerk auf die Litteratur des achtzehnten und der ersten Halfte des neunzehnten Jahrhunderts gerichtet werden sollte. In dieser an sich entschieden berechtigten Richtung gehen einzelne Leit- faden sogar schon zu weit, nicht sowohl indem sie der alt-, mittel- und friihneuhochdeutschen Litteratur nur wenig Raum einraumen, sondern indem sie diese Perioden oft in so kritikloser Weise behandeln, dass dem Schiiler allerhand Schiefes und Falsches geboten wird. In solchem Falle ware natiirlich vollstandige Auslassung vorzuziehen, und Lehrern und Verfassern von Lehrbiichern, denen es fiir die alteren Perioden an Inter- esse oder an geniigenden Vorstudien fehlt, ist entschieden von jedem na- heren Eingehen auf dieselben abzuraten. Was dem Schiiler geboten wird, ist innerhalb gewisser Grenzen weniger wichtig als der Umstand, ob das ihm Gebotene durchaus zuverlassig sei. Goethes weiser Aus-

50 P'ddagogiscbe Monatsbefte.

spruch ,,Bedenkt das was, doch mehr bedenkt das wie" gilt eben auch hier. Ich kann mir jeden falls eine recht gute und brauchbare Einfiihrung in die deutsche Litteratur denken obschon dieselbe durchaus nicht mei- nem Ideal entsprache die etwa erst mit Opitz oder gar mit Gottsched und den Schweizern anhobe, wohingegen eine verstandnislose, von oben herab urteilende Behandlung der alteren Litteratur unertraglich ist und nur schadlich wirken kann.

Als dritten Punkt betone ich also eine mehr oder minder energische Einschrankung auf die im Deutschen vor allem wichtige Litteraturent- wicklung des 18. und der ersten Halfte des 19. Jahrhunderts mit nur rasch und in grossen Ziigen orientierender Behandlung der vorhergehenden und nachfolgenden Period en. Eine Abweichung von diesem Plane ware etwa nur zu gunsten der wichtigsten Erscheinungen der mittelalterlichen Bliitezeit zu machen, da dieselben nicht nur in mancher Hinsicht zum Besten gehoren, was auf dem Gebiete streng mittelalterlicher Litteratur iiberhaupt erzeugt worden ist, sondern da sie auch durch die Romantik des 19. Jahrhunderts eine weittragende Wirkung auf Form und Inhalt moderner Kunst und Litteratur ausgeiibt haben, mithin zu deren volle- rem Verstandnis unentbehrlich sind.

An nachster Stelle sei darauf hingewiesen, dass es entschieden rat- sam ist, wo es die Verhaltnisse gestatten, Hand in Hand mit dem Vor- dringen in der Litteraturgeschichte die Lekture einer gut angelegten Sammlung von Proben zu betreiben; denn hierdurch vor allem kann der "berechtigte Einwand Hillebrands gegen den landlaufigen Betrieb der Lit- teraturgeschichte entkraftet werden. Wenn auch nur in Ausziigen und Stilproben kann der Schiiler auf diese Weise die Materialien selber iiber- schauen und beurteilen lernen, iiber welche Lehrer und Leitfaden ihn unterrichten. Leider verlasse ich mit diesem Punkte eigentlich schon den Boden des wirklich Erreichten und begebe mich in den Kreis dessen, was in vieler Hinsicht noch ein frommer Wunsch ist. Denn es will wirk- lich scheinen, als ob wir mit der berechtigten Aufgabe des alten, langat- mig angelegten Lesebuchs fur Anfanger auch die Idee einer Anthologie aufgegeben hatten, die dem litterarhistorischen Leitfaden zur Erganzung dienen konnte. Und doch sind die beiden natiirlich durchaus nicht das- selbe, ja, sie dienen im Grunde nicht einmal verwandten Zwecken. Zwei- fellos werden die meisten meiner Leser, von Wackernagels ausgezeich- netem Werke ganz abgesehen, mir im Stillen Unkenntnis von Max Miil- lers "Classics of German Literature" vorwerfen. Doch gebe ich zu be- denken, dass dieses Werk aus verschiedenen Griinden dem angedeuteten Zwacke kaum entspricht. Fur "high school" Kurse machen schon Um- fang und Preis das Buch ganz ungeeignet; fiir alle Kurse elementarer Art ist ausserdem die umfangreiche Vertretung unwesentlicher Dichter mindestens unnotig. Der Hauptmangel des Buches aber besteht in dem

Der Litteraturbetrieb in der Schule. 51

Fehlen irgend welches die Benutzung erleichternden Apparats. Weder finden wir zweckentsprechende Vorbemerkungen fiir jede Nummer, noch geniigende Anmerkungen sprachlicher und stofflicher Art, noch riick- und vorwartsblickende Inhaltsangaben, durch die allein die mitgeteilten Proben Bedeutung und Zusammenhang gewinnen wiirden. Fur Vorge- schrittene ist das verdienstvolle Buch natiirlich wertvoll, wenn schon die angeregten Mangel auch unter diesem Gesichtspunkte eben Mangel be- deuten. Fiir eine erste Einfuhrung ist das Buch aber jedenfalls nur ein Notbehelf, gerade wie dafiir die ausgezeichnete Scherersche Litteratur- geschichte sich nicht eignet, der die Miillersche Anthologie sich ja an- schliesst.

Eine kiirzere Anthologie, die mit einfachem, aber geschicktem und zuverlassigem Apparat versehen ein gutes Begleitbuch zu einem tuchti- gen litterargeschichtlichen Leitfaden bilden wurde, ist also noch ein ,,tiefgefuhltes Bediirfnis", dessen Abhilfe wir nicht langer aus dem Wege gehen sollten.

Von weiteren Hilfsmitteln, die uns zur Verinnerlichung und Bele- bung des litterargeschichtlichen Unterrichts zu Gebote stehen und nach Kraften ausgenutzt werden sollten, nenne ich weiter den in manchen Kreisen arg verponten Bilderschmuck. Natiirlich meine ich sorgfaltig ausgewahlten und geschmackvoll ausgefuhrten Bilderschmuck. Am ersten denke ich dabei natiirlich an Illustrationen im Leitfaden oder in der Anthologie selber, wie neuerdings Prof. Moore es in seiner kleinen deutschen Litteraturgeschichte nicht ohne Erfolg versucht hat ; doch ne- benbei denke ich auch an die etwaige Moglichkeit, einen kleinen, ge- schickt angelegten eignen Bilderatlas zu schaffen, der sich zu Konnekes monumentalem Werke etwa so verhielte, wie ein gutes Schulworterbuch zum grossen Muret-Sanders, oder wie die mir vorschwebende Antholo- gie zu Wackernagels ausfuhrlichem ,,Lesebuch". Wie viel Tiichtiges und Wertvolles dieser Art selbst in engem Rahmen und zu billigem Preise geboten werden kann, ist erst vor kurzem auf dem Gebiet der poli- tischen Geschichte durch Knotels ebenso wohlfeilen als niitzlichen ,,Bil- deratlas zur deutschen Geschichte" bewiesen worden.

Weiter mochte ich rasch auf den Wert kurzer Inhaltsangaben derje- nigen hervorragenden Litteraturdenkmale verweisen, deren Inhalt solcher Behandlung nicht widerstrebt. Bei einem Kunstwerk, bei dem die Form dem Inhalt mindestens ebenbiirtig zur Seite steht, ist eine kurze Inhaltsangabe im besten Falle ein schwacher Notbehelf, und schon aus Raummangel kann in einem kiirzeren Buche nicht allzu ausgiebiger Ge- brauch davon gemacht werden. Ausserdem erfordert das Verfahren, um wirkungsvoll zu sein, die seltene Gabe kurzer, treffender Charakteristik in hohem Grade. Trotzdem sollte bei der Behandlung der wichtigsten Dramen, Epen und Romane eine knappe, aber moglichst stimmungsvolle

52 P'ddagogische Monatsbeftt.

Wiedergabe des Hauptinhalts meiner Ansicht nach nicht fehlen. Frag- lich bliebe es vielleicht nur, ob dieselbe im Leitfaden oder in der Antho- logie im Zusammenhang mit den mitgeteilten Proben besser am Platze sein wiirde.

Ein weiteres Mittel, durch welches dem elementaren litterargeschicht- lichen Unterricht mehr Leben und Inhalt verliehen und leerer Formel- kram vermieden werden kann, ist der stete Hinblick auf die enge Ver- bindung zwischen der Litteratur und dem gesamten Kultur- und Geistes- leben einer Nation, und hiermit komme ich endlich auf den Boden der mein Hauptthema bildenden vergleichenden Methode der Litteraturbe- trachtung. Wenn ein auf hohere Ziele hinstrebender fremdsprachlicher Unterricht nicht nur Einfuhrung in die fremde Sprache, sondern auch in das fremde Volkstum und Geistesleben bezweckt, so sollte diesem letz- teren Gesichtspunkte ganz besonders im Zusammenhang mit dem litte- rargeschichtlichen Unterricht Rechnung getragen werden. Ausblicke auf politische, religiose, soziale, asthetische Stromungen, insofern sie in der zeitgenossischen Litteratur wurzeln und sich spiegeln, sind nicht nur berechtigt, sondern in gewissem Masse unumganglich notwendig, wenn sie auch oft zu den schwersten Aufgaben des gewissenhaften Lehrers ge- horen. In einigen der grosseren wissenschaftlichen Werke uber deutsche Litteraturgeschichte ist dieser auf die allgemeinen Zusammenhange ge- richtete Gesichtspunkt sorgfaltig beachtet, ja in manchen Fallen sogar kraftig in den Vordergrund gestellt worden. Ich brauche nur z. B. an Hettners Behandlung des 18. Jahrhunderts zu erinnern oder an Richard M. Meyers Darstellung der Litteratur des 19. Jahrhunderts oder an Kuno Franckes "Social Forces in German Literature". Doch in Leit- faden, die fur die einfacheren Schulbediirfnisse berechnet sind, ist von diesem Geiste der Litteraturbetrachtung noch kaum ein Hauch zu spii- ren, obschon derselbe durch eben diese einfacheren Anforderungen mei- ner Meinung nach durchaus nicht ausgeschlossen sein sollte.

Wie schon erwahnt, bin ich durch diesen letztgenannten Gesichts- punkt der allgemeineren Kulturzusammenhange, den ich hier nicht wei- ter verfolgen kann, eigentlich schon auf das Gebiet vergleichender Lit- teraturgeschichte im weiteren Sinne iibergegangen. Diese Methode und ihre Brauchbarkeit und Bedeutung fur das Studium deutscher Littera- turgeschichte seitens amerikanischer oder englischer Schuler soil nun im Folgendem einer genaueren Priifung unterzogen werden. Allerdings soil dabei der Begriff vergleichender Litteraturgeschichte in engerem Sinne auf die Wechselbeziehungen der beiden Nationallitteraturen einge- schrankt werden.

Es verlohnt sich wohl der Miihe, an diesem Punkte noch einmal aus- driicklich zu betonen, dass die folgenden Ausfuhrungen nur einen me- thodologischen Wert beanspruchen. Ich habe in diesem Falle durchaus

Fur die Schulpraxis. 53

nicht die Wissenschaft vergleichender Litteraturforschung als solche im Auge, weder in ihrer Arbeitsweise, noch in ihren Ergebnissen. Ich spreche diesmal ausschliesslich vom Standpunkte des Lehrers der Litte- raturgeschichte. Es ist also durchaus nicht meine Absicht, die organi- ;schen Wechselwirkungen beider Litteraturen in chronologisch zusam- menhangender Weise vorzufiihren, sondern nur insoweit andeutend auf dieselben hinzuweisen, als mein besonderes Ziel es notig macht.

Schluss folgt.

Fur die Schulpraxis.

Aufsatzproben.

(Aus ,, Deutsche Aufsatze" von P. Th, Hermann.)*

1. TJUas fcer Cbrfstbaum vom "CUctbnacbtsfestc ersablt.

Vom 17. Dezember an stand ich mit vielen meiner Briider auf dem Augustus- platze. Viele Leute gingen taglich an mir voriiber urid betrachteten mich von oben bis unten. Am 23. Dezember kaufte mich ein Mann. Er trug mich nach der Kohl- gartenstrasse in seine Wohnung. Hier stellte er mich in eine dunkle Kammer, da- mit seine Kinder mich nicht bemerkten. Am heiligen Abende wurde ich aus mei- nem Verstecke hervorgeholt und in eine schone Stube gebracht. Hier stellte man mich mitten auf einen grossen Tisch. Darnach schmuckte man mich mit Pfeffer- kuchen, Glasfiguren und vergoldeten Jtpfeln und Niissen. Von einem Aste zum an- dern zog man Gold- und Silberfaden. Zuletzt stellte man Tiillen mit schonen Lich- tern auf meine Zweige. Nachdem man mich so angeputzt hatte, liess man mich allein. Jetzt erblickte ich inich in einem grossen Spiegel. Wie prachtig sah ich aus! Als ich von meinen Briidern scheiden musste, war ich sehr traurig gewesen, jetzt aber fiihlte ich mich gliicklicher als alle meine Kameraden. Auf einmal wurde ieh in meiner Betrachtung gestort; denn die Eltern brachten allerhand Geschenke herein und legten sie unter meine Zweige. Nun ertonte eine Glocke, und durch die geoffnete Thiire sprangen vier frohliche Kinder. Wie ihre Gesichter glanzten, ;als sie mich erblickten! Sie konnten sich gar nicht satt an mir sehen. Das war <lie schonste Stunde meines Lebens. Rasch wurden nun auch die Geschenke be- -trachtet. Einige Stunden blieb die ganze Familie frohlich beisammen. Die neuen Spiele wurden eingeweiht; man sang hubsche Weihnachtslieder, und auch der Christ- stollen wurde gekostet. Erst spat wurden meine Lichter verloscht, und die Kinder mussten ins Bett. Bald gingen auch die Eltern zur Ruhe, und mich umgab tiefe Finsternis.

2. £in alter ftrfeger berfcbtet einem jungen von dem :fl8egra*bni6se Blaricbs.

Schon 15 Jahre ist unser herrlicher Heldenkonig Alarich tot. Ihn hattest du sehen sollen! Wenn er uns fiihrte, dann ging es zum Siege. Und docfi, wie rasch musste er sterben! Wir kamen von Rom mit ungeheuren Schatzen. Selbst die

*) Vergleiche Bucherbesprechungen.

54 P'ddagogiscbe Monatsbefte,

machtige Weltstadt hatte uns nicht widcrstehen konnen. Jetzt ging es nach Unter- italien. Von hier aus wollten wir nach Nordafrika, um uns hier Wohnpliitze zu suchen. Ganz plotzlich starb uns auf diesem Zuge unser geliebter Konig. Wir mussten ihn hier in fremder Erde begraben. Doch sollte es ein Grab werden, das seiner will-dig war. Die feigen Romer sollten nicht kommen konnen, um ihn noch im Grabe zu beleidigen. Wir waren gerade in der Nahe des Flusses Busento. Die grosse Menge Sklaven, die wir von Rom aus entfiihrten, mussten nun ein frisches Flussbett graben. Dann leiteten wir den Busento in dieses ab. Nun wurde ein tiefes Grab fur Alarich in das alte Bett gegraben. Hier hinein haben wir in dunk- ler Nacht unsern teuren Kb'nig hoch zu Ross mit alien seinen reichen Schatzen ein- gesenkt. Weh war es uns zu Mute, als wir den tapferen Helden in sein Grab bet- teten. Das ganze Heer stand am Ufer und sang ihm Totenlieder. Als sein Grab geschlossen war, wurde der Busento in sein altes Bett gelassen. Die Sklaven aber wurden getotet. Sie sollten den Ort nicht verraten konnen, wo unser Alarich mit seinen Schatzen ruht. Noch jetzt aber lebt das Andenken des siegreichen Konigs unter uns.

3. innterm 3Birnbaume.

(Im Anschlusse an Goethes ,,Hermann und Dorothea".)

In dem idyllischen Epos ,,Hermann und Dorothea" von Goethe ist die Stelle am Birnbaume ein wichtiger Schauplatz.

Auf einer Anhohe, an der Grenze des Besitztumes des Wirtes zum goldenen Lowen breitet der ehrwiirdige Baum seine Zweige aus. Wer ihn gepflanzt hat, man weiss es nicht. Er wird weit und breit gesehen und ist daher vielen ein Wahrzei- chen. Seine Friichte sind in der ganzen Gegend beriihmt. Unter seinen Zweigen pflegen die Schnitter am Mittage sich des Mahles zu freuen und die Hirten in sei- nem Schatten zu ruhen. In seiner naheren Umgebung dehnen sich weite Acker aus mit herrlich nickendem Korne. Weiterhin nach der Stadt zu erstreckt sich ein wohlumzaunter Weinberg. Auf Stufen von unbehauenen Flatten, iiber denen sich ein hoher Laubengang wolbt, gelangt man durch den Stadtgraben hinab in den gro- ssen Garten des Lowenwirtes. Sehen wir iiber die Stadtmauer hiniiber, so schauen wir den Markt, an dem das Haus des reichen Kaufmanns mit den grossen Spiegel- scheiben und den griinen Laden besonders hervorsticht. Hoch iiber die niedrigen Hauser erhebt sich der neugeweisste Kirchturm. Schweifen unsere Blicke weiter iiber die wogenden Felder, so schauen wir in der Feme den herrlichen Rheinstrom. Gleich einem silbernen Bande zieht er sich bald zwischen lachenden, sonnigen Auen, bald zwischen kahlen, schroffen Felsen hin. Weiter sieht man die Landstrasse, auf der heute die armen Vertriebenen wanderten, deren stilles Dorfchen die rauhen. Kriegshorden durchtobten. Schon durch diese herrliche Aussicht ist der Birnbaum ein wichtiges Fleckchen, doch hat er noch eine hohere Bedeutung.

Hier sitzt Hermann. Ihn erfiillt nicht die Freude iiber die herrliche Gegend, sondern er schaut triiben Blickes, seinen Arm auf die Bank gestiitzt, traumerisch hinaus auf die Landstrasse, auf der die Vertriebenen zogen. Unter diesen war ja jenes herrliche Madchen, dem sein Herz sofort in Liebe entgegenschlug. Wie weit ist sie vielleicht jetzt schon von ihm entfernt! Er glaubt, dass ohne sie sein Leben freudlos sei und verkiimmern miisse. Bei diesen Gedanken stiirzen unaufhaltsam Thranen aus seinen Augen. So ganz seinem Schmerze hingegeben, bemerkt er nicht das Nahen der suchenden Mutter, die sich sachte heranschleicht und ihm leise die Schulter beriihrt. Da erwacht er wie aus einem Traume und schaut in das besorgte Gesicht der lieben Mutter, die langst die verraterischen Spuren in seinen Augen bemerkt hat und nun nach der Ursache dieser Thranen forscht. Doch er gesteht ihr nicht gleich die Wahrheit, sondern schildert ihr mit begeisterten Worten die

Fiir die Scbulpraxis. 55

Not des Vaterlandes und seinen festen Entschluss, gleich von hier aus an die Grenze zu ziehen und sich den Scharen der Krieger anzureihen. Doch die Mutter hat ihn durchschaut und weiss nur zu gut, dass die zerstorte Hoffnung, die Vertriebene als Gattin heimzuftihren, Thriinen aus seinen Augen gepresst hat. Unverhohlen spricht sie es aus und bewirkt dadurch, dass ihr Hermann vertrauensvoll sein Herz er- schliesst. So wird der Birnbaum Zeuge liebevollen Vertrauens und hochherziger Entschliessungen und der Platz unter seinen Zweigen fiir Mutter und Sohn ein Ort geweihter Erinnerung.

Und noch einmal spielt sich unterm Birnbaume eine anmutende Szene ab. Den Bemiihungen der besorgten Mutter ist es gelungen, die Abneigung des Vaters gegen die Heirat mit der Fremden zu beseitigen. Und noch an demselben Abende durch- schreitet das herrliche Paar die weiten Felder und verweilt einige Zeit unterm Birnbaume. Schwarze Gewitterwolken ballen sich unheilverkiindend zusammen, doch im Osten scheint der Vollmond in herrlichem Glanze freundlich vom Himmel hernieder. Hier, unter Hermanns Lieblingsbaume, scheint fiir ihn die beste Gele- genheit zu sein, Dorotheas Irrtum, dass sie als Magd gedinget sei, aufzuklaren. Schon wollen sich die Worte iiber seine Zunge driingen, da erblickt er den goldenen Reif an ihrem Finger, und dieser schreckt ihn zuriick, und das Gestandnis unter- bleibt. Beide steigen bald die Stufen des Weinbergs hinab. Das Gewitter in der Natur riickt immer naher heran und mit ihm der Zwiespalt im Hause des Wirtes. Doch der Himmel in der Natur klart sich, und auch im Hause strahlt die Sonne des Gliicks auf das Paar.

4. JGaunuiartcn erjablt lUcrncr Stauffacbcr seine jf lucbt unD IRcttumi.

Wie sehr danke ich Euch, dass Ihr mich, den Obdachlosen, Geachteten aufge- nommen habt! Ihr seht mich erstaunt an. Doch die Erzahlung von meinem Schick- sal wird Euch alles erklaren. Ich fallte heute friih Holz in dem Waldchen nicht weit von unserem Hause. In frohlichster Stimmung jodelte ich mit den Vogeln um die Wette. Die Berge gaben ein vielfaches Echo der Lieder zuriick. Da kam plotzlich meine Frau atemlos zu mir gestiirzt. Ihr langes Haar hatte sich gelost. Ich erschrak, sie so unerwartet und verstort hier zu sehen. Sie erzahlte mir, der Landvogt sei in meinem Hause und habe Boses von ihr verlangt. Wiitend und mei- ner selbst nicht mehr machtig, nahm ich die Axt und stiirmte nach Hause. Ich stellte den Wolfenschiessen zur Rede, doch er gab mir kurze, hohnische Antworten. Da holte ich zu einem fiirchterlichen Schlage aus, und tot stiirzte der Schander meiner Ehre nieder. Die That war vollbracht, aber noch wusste niemand davon. Nun gait es kein Saumen mehr; ich lief, was ich konnte, damit mich des Landvogts Reiter nicht bemerkten. Jemand musste mich aber doch gesehen haben, denn zu meinem Schrecken vernahm ich hinter mir Pferdegetrappel. Immer naher kamen die erregten Stimmen. Sie waren kaum noch hundert Schritt hinter mir, und wenn mich die Verfolger in ihre Hande bekamen, ware ich vielleicht der erste Bewohner von Zwing Uri geworden. Da stiessen die Reiter einen triumphierenden Schrei aus; denn vor mir erhob sich ein steiler Felsen, den selten jemand bestieg. Kurz entschlossen kletterte ich auf diesem halsbrecherischen Wege in die Hohe. Es ge- lang mir, die Verfolger irre zu leiten, und sie mussten erst wieder meine Spur su- chen. Ich wurde jedoch immer wieder eingeholt. An den steilsten Stellen klomm ich empor, Pfade und Wege mied ich, durch den dichtesten Wald bahnte ich meinen Weg. Manchmal, wenn auf der einen Seite ein Felsen ragte und die andere an einen gahnenden Abgrund stiess, musste ich auf Handen und Fiissen kriechen, um nicht vom Schwindel erfasst zu werden. Die Reiter konnten mir mit ihren schwe- ren Stiefeln nicht folgen und mussten einen weiten Umweg machen. Auf diese Weise hatte ich einen grossen Vorsprung gewonnen. Meine Krafte liessen nach,

56 P'ddagogische Monatsbefte.

Hande und Ftisse waren wund, und so kam ich zu Ruodi. Ich bat ihn, ja, ich flehte auf meinen Knieen, er mochte mich ans andere Ufer bringen. Doch er wollte es nicht wagen, well ein Gewitter im Anzuge war. Der Jager und der Hirt baten ihu auch, er wollte es aber nicht thun. Verzweifelnd blieb ich auf den Knieen liegen. Ware jetzt eine Schneelawine vom Berge herabgestiirzt und hatte mich begraben, ich hatte Gott dafiir gedankt. Lieber ware ich in den See gesprungen, als mich den Reitern ergeben. In dieser Not kam Tell mit der Armbrust auf der Schulter vom Berge herab. In aller Kiirze erzahlten wir ihm alles, und er fragte den Fischer, ob er mich retten wolle. Ruodi aber sagte: ,,Nein, nicht ich. Hier ist der Kahn und dort der See, versucht's!" Und Tell versuchte es. Wir stiegen in die Naue und hatten kaum vom Ufer abgestossen, als des Wolfenschiessens Reiter auf der Anhohe erschienen. Sie bemerkten unser Boot. Wie mogen sie gewiitet haben! Die Hiitte des Ruodi sahen wir bald in Flammen. O, konnte ich ihm ersetzen, was er um meines Vergehens willen verloren hat! Der Fohn wiitete immer fiirchterli- cher, er wiihlte das Wasser in der Tiefe auf, unser Boot war bald auf einer haus- hohen Welle und dann wieder ganz in der Tiefe. Kochend spritzte uns der See den sehaumenden Gischt auf Gesicht und Kleidung. Mich erfasste ein Grauen, und immer, wenn das Schifflein auf der Seite lag, meinte ich, es miisse kentern. Aber Gott wollte es nicht! Furchtlos sass Tell mir gegeniiber und leitete mit sicherer Hand das Steuer. Er lenkte den Kahn an das jenseitige Ufer, und gliicklich lande- ten wir, nachdem wir eine Weile auf dem See umhergetrieben hatten. Ich war jetzt in Schwyz, und hier hatten die Reiter des Landvogts nicht das Recht, mich zu er- greifen. Wie kann ich Tell, meinem hochherzigen Retter, danken!

Berichte und Notizen.

I. Vom Nordamerikanischen Turnerbunde.

Litterarische Preisaufgtiben. Vom Vorort des Nordamerikanischen Turner- faundes, und zwar von dem Ausschuss f iir geistige Bestrebungen, sind folgende Preis- aufgaben zur Bearbeitung aufgestellt worden:

1. Wie konnte Par. 9 der Grundsatze und Forderungen des Turnerbundes prak- tisch verwirklicht werden?

2. Die Monroedoktrin im zwanzigsten Jahrhundert.

3. Die Zukunft der Philippines

4. Der Marxismus und die Bernstein-Richtung.

5. Das Referendum in der Schweiz.

6. Das ,,jiingste Deutschland" und die ,,Goethe-Pfaffen".

7. Das tfberbrettl.

8. Von welchem erziehlichen Einfluss ist die Musik?

9. Rousseaus Ansichten tiber weibliche Bildung.

10. Wie kommt es, .dass unter nahezu gleichen Lebensverhaltnissen die Bil- dungsresultate so sehr von einander abweichen?

11. Der Turnlehrer: a) Soil der Vereinsturnlehrer noch durch anderes als durch Reck, Barren, Schaukelring u. s. w. mit der Jugend verbunden sein? b) Welche Qualifikationen sollte der Turnlehrer an den offentlichen Schulen besitzen, nm dem Turnunterricht in deren Lehrplan einen dauernden Platz zu sichern?

Die Bestimmungen iiber Einreichung der Arbeiten und Preisverteilung lauten f olgendermassen :

1. Der Bundesausschuss fiir geistige Bestrebungen soil vor dem 15. Dezember eine Anzahl von Themata zu Preisaufsatzen veroffentlichen.

2. Die Preisbewerbung ist auf die Mitglieder des Nordamerikanischen Turner- bundes beschrankt.

3. Bei der Beurteilung der Aufsatze ist es gleichgiltig, ob dieselben in deut- scher oder in englischer Sprache abgefasst sind.

4. Das Manuskript muss druckfertig sein. Das Papier sollte nur auf einer Seite beschrieben sein. Deutliche Schrift ist unerlasslich.

5. Jeder Preisbewerber hat seine mit einem Motto versehene Arbeit vor dem 25. Marz unter der Adresse des Schriftfiihrers des Bundesausschusses fur geistige Bestrebungen: Peter Scherer, 215 East St. Clair-Str., Indianapolis, Ind., zur Post zu geben. Dem Aufsatz muss ein verschlossener Briefumschlag beiliegen, welcher das Motto, den Namen und die Adresse des Verfassers, sowie den Namen des Ver- eins, dem derselbe angehort, entha.lt.

6. Der Schriftftihrer des Ausschusses soil auf dem Manuskript, sowie auf dem verschlossenen Umschlag das Datum des Empfangs notieren. Der das Motto und den Namen enthaltende Umschlag darf erst nach Fallung des Urteils geoffnet werden.

7. Als Preisgericht fungiert der Bundesausschuss fiir geistige Bestrebungen.

8. Die Preisrichter haben die Aufsatze tiber jedes Thema nach Punkten zu werten, wobei 100 die hochste erreichbare Punktzahl sein soil.

9. Fur jedes Thema sind eine Anzahl Preise ausgesetzt, deren Rang durch die Punktzahl bestimmt wird, doch sollen fttr einen ersten Preis mindestens 90, ftir einen zweiten mindestens 80 und ftir einen dritten mindestens 70 Punkte erforder- lich sein. Aufsatze, deren Wertung weniger als 60 Punkte betragt, sind zu keinem Preise berechtigt.

58 Padagogiscbe Monatsbefte.

10. Arbeiten, die nach dem 1. April einlaufen, werden bis zum 1. Oktober zu- riickgelegt und dann gewertet. Erreicht die Wertung 90 Punkte, so wird ein Son- derpreis ohne Rangbezeichnung zuerkannt.

11. Die Preise bestehen in Diplomen nebst Biichern.

12. Die preisgekronten Arbeiten werden im Bundesorgan oder in ,,Mind & Body" veroffentlicht.

II. Die Versammlung der ,, Central Division of the Modern Language

Association".

(Fur die Padagogischen Monatshefte.)

Vom 26. bis 28. Dezember 1. J. tagte in Champaign, 111., die siebte Jahresver- sammlung der "Central Division of the Modern Language Association of America". Am 26., abends 8 Uhr, wurde die Gesellschaft von Dean Clark in Vertretung des abwesenden UniversitJitsprasidenten Draper im Lesesaale der Bibliothek begriisst. Hieran schloss sich die Festrede des Prasidenten der Gesellschaft, Professors James Taft Hatfield von Northwestern University. Die Rede enthielt eine solche Fiille anregender Gedanken und praktischer Vorschlage, dass ihr ein Versuch, den Inhalt kurz zu berichten, in keiner Weise gerecht werden konnte. Sie wird bald gedruckt erscheinen und sei hiermit aufs dringendste zum Lesen empfohlen. Nur ein Punkt soil hervorgehoben werden. Prof. Hatfield sprach den Wunsch aus, die Gesellschaft mochte auf das Ziel hinarbeiten, auf die Besetzung von Sprachlehrerstellen einen entscheidenden Einfluss auszuiiben und so nach und nach die Lehreragenturen ganz zu verdrangen. Der Rest des Abends war geselliger Unterhaltung in den Klub- zimmern der Elks gewidmet.

Die zweite Sitzung, Freitag Morgen 9 Uhr, eroffnete der Sekretar und Schatz- meister, Prof. Weeks von der Staatsuniversitat Missouri, mit einem Bericht fiber das abgelaufene Geschliftsjahr. Der President ernannte Komitees zur Beratung iiber den nachsten Versammlungsort und liber die Wahl der Beamten fiir das kom- mende Jahr. Es wurde der Antrag gestellt, zukiinftig die Versammlung in der ersten Januarwoche statt unmittelbar nach dem Weihnachtsfest abzuhalten. Als Ort der nachsten Versammlung wurde vom Komitee, in der Geschaftssitzung am Sonnabend Vormittag, Chicago bezeichnet. Als neuer Prasident war Professor Blackburn von Chicago ernannt worden; aus Gesundheitsrucksichten lehnte dieser jedoch die Wahl ab, sodass das Amt noch unbesetzt ist. Prof. Weeks wird sein Amt als Sekretar und Schatzmeister weiterfiihren.

Das Programm der zur Verlesung bestimmten Arbeiten bestand aus 25 Num- mern und verteilte sich auf vier Sitzungen, die an den Vor- und Nachmittagen des Freitags und Sonnabends abgehalten wurden. Zwolf der Vortrage beschaftigten sich mit Fragen aus der deutschen Philologie. Fiir die Leser der P. M. dlirften folgende von besonderem Interesse sein:

Prof. A. R. Hohlfeld hielt einen Vortrag liber den Eingangsmonolog von Goe- thes Faust, mit besonderer Berlicksichtigung der vielumstrittenen Stelle: ,,Flieh! Auf! Hinaus ins weite Land" u. s. w. (Zeile 418 429.) Nach einer einleitenden kritischen 'tfbersicht litier die friiheren Interpretationsversuche von Scherer (1886) bis Minor (1901) begrlindete der Redner eine selbstandige Erklarung des in Frage stehenden Gedankenganges. Danach behiilt die oben zitierte Zeile ihre natlirliche Bedeutung und ihren folgerechten Zusammenhang, ohne dass dadurch die Schereri- sche Annahme eines unvereinbaren Widerspruchs in die Szene hineingetragen wiirde. Auch fiir die Zeilen 428-9: ,,Ihr schwebt, ihr Geister, neben mir. Antwortet mir,.

Korresponden^en. 59

wenn ihr mich hort!" wurde eine von friiheren Auffassungen abweichende Erklii- rung aufgestellt.

Aus Prof. Jack's Vortrag sei der Hinweis auf die bemerkenswerte Thatsache hervorgehoben, dass keine europaische Litteratur, auch die deutsche nicht, soviele grosseren Elegieen hat, wie die englische.

Dr. Florer stellte die Forderung auf, man sollte die Werke Luthers den Schii- lern nicht in chronologischer Reihenfolge zum Lesen geben. Denn durch die Schwie- rigkeiten derjenigen Schriften, in denen Luther im Sprachgebrauch noch schwankte, wiirden die Schiller nur abgeschreckt. Als Ausgangspunkt wurden fiir das Studium Luthers die Werke empfohlen, worin die Sprache bereits fixiert ist. Die Lektiire von Abschnitten aus der Bibel habe insbesondere den Vorzug, dass der Lernende mit deni Inhalt bereits vertraut sei und so den neuen Wortschatz sich mit Leichtigkeit aneignen kb'nne. Dr. Florer will also das von Prof. Hempl in seinem Biichlein: "The Easiest German Reading" mit Gliick auf Kinderverschen angewandte Prinzip auf Biblische Geschichten ausdehnen.

Prof, von Klenze suchte an der Hand eines unendlichen Materials darzulegen, dass Goethes Urteil iiber Italien zwar von der Zeitauffassung bestimmt und gegen den Masstab unserer jetzigen Kenntnisse gehalten keineswegs fehlerfrei gewesen sei, aber doch den friiheren Reisebeschreibungen gegeniiber einen bedeutsamen Fort- schritt bilde.

Prof. Starr W. Cutting lieferte auf Grund umfassender Lektiire der bedeutend- sten Schriftsteller des 19. Jahrhunderts den iiberraschenden Beweis, dass die her- gebrachte Schulregel iiber den Gebrauch von ,,was" nach substantivierten Adjekti- ven durchaus nicht den Thatsachen entspricht. In den meisten Fallen wird viel- mehr ,,das" gebraucht.

Herr G. A. Rulfinger wies die Behauptung zuriick, dass Kiirnberger in seinem Roman ,,der Amerikamiide" die Schicksale Lenaus dargestellt habe. Nicht die wirklichen Erlebnisse des ungliicklichen Dichters, sondern einige Reisebeschreibun- gen und Reisenovellen bildeten die Quelle zu Kiirnbergers Werk. Daraus ist die ganzlich missratene Darstellung amerikanischer Verhiiltnisse zu erklaren. Der ver- dienstvolle Aufsatz, der sicher manche deutschen Vorurteile gegen Amerika zer- streuen wird, soil demnachst in der Americana Germanica verb'ffentlicht werden.

O. E. L.

HI. Korrespondenzen.

(Ftir die Padagogischen Monatshefte.)

Baltimore. Wie mannigfach die neuen Reformbe-

Wie in Cincinnati, so beschaftigt auch strebungen sind, lasst nachfolgend ange-

jetzt in der Monumental City der Re- fiihrtes Schreiben erkennen , das dieser

formlehrplan und die neue Schulbildung Tage der thatkraftige ,,Unabhangige

vor allem die Gemiiter, und was jiingst Biirgerverein von Maryland", ein Zweig

Ihr dortiger Korrespondent in seiner des Deutschamerikanischen National-

markigen Weise iiber die Verhaltnisse an bundes, an die hiesige Schulbehorde

jenen Schulen berichtete, gilt soweit richtete:

mehr oder weniger auch fur die hiesi- ,,Geehrte Herren! Wir lenken ach-

gen. Dieser Hinweis geniige einstwei- tungsvoll Ihre Aufmerksamkeit auf die

len; wir wollen den weiteren Verlauf zur Zeit vorherrschenden Zustande in

des Gahrungsprozesses ruhig abwarten der Grammarschule No. 47, die aus ei-

und werden uns dann zu geeigneter Zeit nem Experiment entstanden, von dem

iiber die in unser Tagebuch eingetrage- man augenscheinlich giinstige Resultate

nen Beobachtungen auslassen. Da wir inbezug auf Studium und Betragen er-

optimistisch angelegt sind, so glauben wartete, das sich in der Praxis aber als

wir gunstige Resultate berichten zu kon- ein Fehlschlag fiir dissen Zweck erwie-

nen. sen hat. Auf Beschwerden von Eltern,

60

Padagogische Monatsbejtt.

deren Tochter jene Schule besuchten, er- nannten wir ein Kotnitee, welches eine sorgfiiltige Priifung der Sachlage vor- nehmen sollte. Und dieses Komitee fand, dass Madchen sehr oft dutch die Knaben, die zwischen den grossen Mad- chen sitzen, chikaniert werden, dass die- selben gezwungen sind, vulgare und an- ziigliche Redensarten anzuhoren, und obscone Briefchen und Zeichnungen zu- gesteckt erhalten; dass deren Aufmerk- samkeit durch verschiedentliche kleine Neckereien, wie Kneifen, an den Haaren ziehen u. s. w., vom Unterricht abge- lenkt wird; und dass dieses Vermischen der Geschlechter ein sichtlicher Nach- teil fiir das Lehrerpersonal und demo- ralisierend fiir die Kinder ist. Da durch dieses Experiment die erhofften Resul- tate nicht erzielt worden sind, ersuchen wir Ihre ehrenwerte Korperschaft, sol- che Schritte zu ergreifen, welche zu 51- nem baldigen Aufheben dieses Planes in dieser und anderen Schulen, wo derselbe eingefiihrt wurde, fiihren."

Das Schreiben wurde dem Superinten- denten Van Sickle iiberwiesen.

S.

Chicago.

Weihnachtsfeier. In so munterer und frohlicher Weise wie am vergangenen 28. Dezember haben die Mitglieder des deut- schen Lehrervereins von Chicago das Weihnachtsfest gemeinschaftlich noch niemals gefeiert. Die Schiller-Halle, in welcher die Feier von 2 bis 6 Uhr nach- mittags stattfand, bot fiir die zahlreich erschienen Mitglieder und Ehrengaste kaum genugend Raum. Diejenigen, wel- che sich nicht eingefunden hatten, ha- ben jedenfalls sehr viel versaumt. Der Lehrerberuf ist ja ein ernster, und die deutschen Lehrer und Lehrerinnen Chi- cagos sind nicht immer auf Rosen gebet- tet. Da ist es denn leicht erklarlich und wohl berechtigt, dass sie sich bei einer so freudigen Gelegenheit im Kreise gleichgesinnter Freunde und Gonner moglichst gut zu amusieren versuchen. Da die Schatzmeisterin, Frau L. Slomer, dem Vorbereitungsausschuss mitgeteilt hatte, dass die Kasse des Vereins wohl gefiillt sei, so war denn fiir alle eine reichgedeckte Tafel da, an der sich samt- liche Teilnehmer giitlich thaten. Als der geschmiickte Christbaum im herrlichen Kerzenlicht strahlte, sangen alle Teil- nehmer gemeinschaf tfich : ,,O Tannen- baum" und ,,Stille Nacht". Spater wur- de noch viel gesungen, musiziert und deklamiert. Um die Unterhaltung ver- dient machten sich die Damen: Waller, Hedinger, Gebhardt, Biiltmann, Carol, Weigle und Schoneck und die Herren H. Krtiger, Walther Kriiger, Carrier und

L. Kugler. Die Schulrate Meyer und Gallagher hielten Ansprachen. Als Ehrengaste wohnten dem Feste bei Herr und Frau Meyer, Frau Clara Michaelis, Frau Dr. Wever, die Gattin des deut- schen Konsuls, Frl. Kopelke aus Crown Point, Ind., Frl. Martha Richter aus Hamburg, Deutschland, Herr Galagher u. a. Das Komitee, welches seine Auf- gabe in so trefflicher Weise gelost hatte, bestand aus den Damen: Frl. E. Er- furth, Frau L. Slomer, Frau Clara von Otterstedt, Frau E. Zander, Frl. H. Bo- de, Frl. M. von Kamptz, Frl. P. Zeller und E. A. Z.

Cincinnati.

Spezielles. ,,Wenn einer dauhn deiht, wat hei deiht, denn kann hei nich mihr dauhn, as hei deiht." Nicht obgleich, sondern weil Sie mit Korrespondenzen von Cincinnati hinlanglich versorgt wer- den, gebe ich mir gar keine besondere Miihe, einem gewissen Fingerzucken zu widerstehen, und zwar um so weniger, als ich glaube, dass es Kollegen und an- deren Lesern der ,,P. M." wahrschein- lich nicht unangenehm sein wird, una Hiesige auch wieder einmal durch eine andere Brille aufs Korn nehmen zu kon- nen. Hierauf mich stiitzend, will ich mir diesen frommen Glauben denn auch nicht rauben lassen und mit Reuter sa- gen : ,,Wenn einer" . . u. s. w., wie oben.

Wiirde dieser hochst verniinftige Spruch auf alle und von alien beim hie- sigen Passionsspiele in irgend einer Weise Beteiligten zu guter Stunde nur immer fromm angewandt Lungen, Nerven, Milzen, Tintenvorrate und Druckerschwarze wiirden sich unbedingt auch hier bald wieder in annahernd nor- malem Zustande befinden. So aber ka- men wir gar nicht zu Atem, wenigstens nicht zur Ruhe; das Kritteln und Nor- geln wurde uns zur zweiten Natur und ,,der Nachbar durfte nicht dem Nachbar trauen"; jeder glaubte ein Patent auf automatische Maulkorbe zu besitzen, entdeckte aber gar bald, dass ihm besser ware, wenn er sich zuweilen eigenhandig bemaulschellen wiirde nach der Melodie: ,,Hilft 's nicht, so schadet 's doch nicht".

Ganz allmahlich und augenscheinlich zum Leidwesen mancher Streitbaren, fangt der Sturm in unserem Theekessel an sich zu legen und das Schiff dem Steuer zu gehorchen. Ein klein wenig Nachgeben ,,hiiben und driiben" hat W under vollbracht. Man hat eingese- hen, dass das Papier noch nichts von seiner weltberuhmten Geduld und gar mancher gute alte Spruch noch nichts von seiner Wahrheit und ,,Schneid" ver- loren \\..~J So luii-en denn auch d'e meisten der Kollegen und innen, ge-

Korresponden^en .

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duldig und schneidig zugleich, endlich das rechte Fahrwasscr f?efunden, einge- denk des nicht minder wahren ,,Gott hilft dem, der sdch selbst hilff '. Darauf war es ja, wenigstens meiner Unmass- gebliclicn nach, vom Anfange an abge- sehcn.

Das hat wohl unser Ex-Kollege, Vize- Gouverneur Karl Nippert, auch gemeint, als er vor kurzem in einer Schulrats- sitzung es aussprach, dass es sich weni- ger um den seiner Ansicht nach guten Lehrplau handele, als um das Lehren, welchea 7U kOnuen das Wenigste, aber auch das Jlnuptsiichlichste sei, was man von LehrkrJiften beiderlei Geschlechter iiiiiuerhin erwnrten diirfe und miisse. Und ich, stiller Beobs»chter wie immer, erlaube mir nocli hitx/uzufiigen, dass cs mir vorkommt, als ob die kurze Ara dumpfen Verzweifelns, liissigen Abwar- tens, feurigen Draufgehens, klugen La- vierens, entschiedenen Eignenweggehens

je nachdem und wo immer angewandt

ganz ausgezeichnete Frilchte gezei- tigt habe. Ich sehe ?o manchen friiher Zaghaften heute schneidig auftreten, so manchen ehedem Naseweisen und tfber- gescheiten es jetzt wohlfeiler geben; ich sehe aber auch Ehen schliessen, die ohne unseren neuen Kurs, wenn auch nicht erst ,,im Himmel", so doch furs erste noch nicht so eilig geschlossen worden waren und Gut Heil! muss man da aus ganzem Herzen rufen, und Vivat sequens !

Uns Deutschen hat der Zwischenfall, weiter ist es ja nichts, nur genii tzt. Denn, wurden die iiberlebenden Englisch- lehrenden, zu ihrem eigenen Besten meis- tens, auf eine neue Bahn gedrangt, wo es ja zum Festenfussfassen nur des Aus- harrens und gesunden Menschenverstan- des bedarf, so wurde unser erprobter deutscher Pfad unbedingt noch mehr ge- ebnet und geweitet, sicherer. Der deutsche Unterricht hat an Ansehen, un- ser Stand an Zielbewusstsein, jeder Ein- zelne an Selbstvertrauen gewonnen, ein- fach weil wir gesehen haben, dass man uns vertraut und unserem Thun und Einflusse die gerechte Wurdigung nicht vorenthalt. Wer es sich sauer werden liess, den Englischen ins Handwerk zu pfuschen und nicht beim Leisten zu blei- ben, der hat zu seinem und seiner Klas- sen Nachteil wohl ausgefunden, dass man allemal erst ,,Valleri" singen muss, ehe man ,,Vallera" singt.

Das Singen aber und das Sagen ist uns nicht abhanden gekommen, trotz ,,Wettersturm und Graus". Zu den vie- len jetzt hierzulande erscheinenden deutschen Biichern tragen auch wir un- ser Scherflein bei. Wahrend von Dr. H.

H. Fick eine ,,Geschichte des deutscha- Mierikanischen Schrifttums" und voa Konstantin Grebner ,,Deutsche und deutschamerikanische Geschichten" in Aussicht stehen, hat Hermann von Wahlde den Stier bei den Hornern ge- packt und seine Gedichte in zweiter und sehr vermehrter Auflage unter dem Ti- tel ,,Natur und Heimat" vor kurzem im Selbstverlage veroffentlicht. Ich schreibe hier weder eine Rezension noch eine Re- klame. Der markige Stil unseres geach- teten Kollegen ist in weiten Kreisen aus seinen Vortragen und Schutz- und Trutzreden manniglich bekannt; viele seiner friiheren ebenso kernigen wie an- mutigen Originalgedichte sowohl wie deutsche Wiedergaben englischer Poesien wurden seit vielen Jahren hier und dort abgedruckt und erschienen bereits vor zwolf Jahren in Buchform. Wohl um sechzig bis siebzig neue Kinder seiner Muse hat der Dichter seitdem die jetzt iiber 200 Gedichte zahlende Sammlung vermehrt, die eingeleitet mit den Wor- ten:

. . . . Die Kraft der deutschen Muse Erschuf hier Werke schon von reiner'm

Glanz; Es will dies Werkchen nur ein Bliimlein

flechten

In unser'n blumenreichen Dichterkranz dem deutschen Schrifttume Amerikas, vor allem aber dem Anteile, den der deutschamerikanische Lehrstand an demselben beansprucht, zu hoher Ehre gereicht.

Weil wir nun gerade ins neue Jahr eingehen, moge statt meines Gluckwun- sches an die Leser der ,,P. M." just ein von Wahlde'sches Gedicht eine Stelle fin- den. (Das Gedicht findet sich an an- derer Stelle dieses Heftes. D. R.)

Milwaukee.

Lehrerverband des Staates Wisconsin. Vom 26. bis 28. Dezember tagte hier in Milwaukee der Staatslehrerverband von Wisconsin. Es hatten sich zu der Kon- vention wohl an 2500 Lehrer aus alien Teilen des Staates eingefunden, zu wel- cher Anzahl unsere Stadt allein etwa 1000 Lehrer stellte. Wie bei alien Ver- sammlungen der Lehrer in Amerika war auch hier das schone Geschlecht in iiber- wiegender Mehrzahl. Doch was den Mannern an Quantitat fehlt, ersetzen sie meistens durch Qualitat, und so sah und ho'rte man auch diesmal wie- der manche, deren Namen in der Pada- gogik einen guten Klang haben. Die meisten und die wertvollsten Vortrage wurden von Mannern gehalten. An Vor- tragen war auch wirklich kein Mangel, denn wohl an 75 davon standen auf dem

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P'ddagogische Monatshefte.

Programm, von denen natiirlich viele ausfallen mussten. Was nun diese Vor- trage anbetrifft, so litten die meisten von ihnen, wie so oft der Fall 1st, an einer erschrecklichen Liinge, zu grosser Ausfiihrlichkeit und Weitschweifigkeit, und wirkten daher ermiidend und lang- weilig und blieben ohne grossen reellen Nutzen. Die Anwesenden sitzen aller- dings ruhig und horen zu (wenigsteus scheinbar) , und wenn der Vortragende fertig ist, klatschen sie grossen Beifall; doch bedeutet das wohl meistens: ,,Es ist gut, dass du endlich aufhorst". Ware es nicht viel, viel besser fiir Ijehrer und Schule, wenn aus diesen langen und er- mudenden Vortragen die Hauptpunkte in kurze Leitsatze oder Thesen zusam- mengefasst und diese dann der Ver- sammlung zur Debatte vorgelegt wiir- den? Es wird zwar immer nach dem Vortrage zur Debatte aufgefordert, doch meldet sich gewohnlich niemand, weil der lange Vortrag gewohnlich keine An- kniipfungspunkte fiir die Debatte bietet, auch fehlt es oft an der notigen Zeit. Doch bezieht sich das hier gesagte mehr auf die Vortrage, welche in den Haupt- versammlungen am Vormittage abgehal- ten wurden. An den Nachmittagen teilte sich die Versammlung in einzelne Sektionen, welche in verschiedenen Lo- kalen und Salen tagten, und wo dann jeder seinen Neigungen folgen und sich die passenden Vortrage aussuchen konn- te. Hier wurde auch manchmal eine De- batte angekniipft. Ich werde nun ver suchen, aus einigen Vortragen das Inter- essanteste mitzuteilen.

Am ersten Tage wurden am Vormit- tage meistens nur Routinegeschafte erle- digt und Berichte verlesen. Am Nach- mittag wurde ein Vortrag gehalten von Prof. G. L. Bowmann von Superior iiber Lesen in den Schulen, der nach meiner Ansicht Erwahnung verdient. Das The- ma lautete: ,,Der beklagenswerte Riick- schritt des guten Lesens in den Schu- len". (Is there a decline in the art of good reading in our schools? Cause and remedy.) Der Referent behauptete, dass es nur sehr wenige Kinder in der Klasse gebe, die wirklich gut lesen konnten, d. h. mit Verstandnis und guter und rich- tiger Betonung. Die Lehrer konnten sich leicht davon iiberzeugen, wenn sie nach dem Inhalt des Gelesenen fragten. Dass dieses nicht oft genug geschahe, gab er als eine Ursache des schlechten Lesens an. Sodann sei das Viellesen der Schiller besonders schuld. Die Schiller gewohnten sich nach und nach daran, ungeheure Quantitaten von Lesestoff zu verschlingen, ohne auch nur im gering- sten iiber den Inhalt des Gelesenen nach- zudenken. Das sei zuerst bei der Un- terhaltungslektiire der Fall, fande aber

nach und nach bei alien Biichern statt, die ihnen unter die Hande fielen. Auf diese Weise wurden ihnen die Biicher aus der Bibliothek statt zum Segen und Nutzen nur zum Verderben. Die Reme- dur gegen dieses ttbel des Viellesens, des formlichen Verschlingens einer Masse Lesestoffs seitens der Kinder miisse ers- tens durch fleissiges Erklaren des Lese- stoffs seitens der Lehrer gegeben werden, sodann durch eine Beschrankung' des Le- sestoffs, besonders in der Unterhaltungs- lektiire, und durch eine gewissenhafte Kontrolle seitens der Eltern und Lehrer. VVer wollte wohl leugnen, dass der Mann vollstandig recht hat?

Fiir den zweiten Tag stand auch unser Superintendent, Herr H. O. R. Siefert, mit einem Vortrage auf dem Programm iiber Klasseneinteilung und halbjahrli- che Promotion. (Sectioning of Classes and Half-yearly Promotions.) Herr Sie- fert zeigte, dass die Wohlfahrt der Schil- ler immer und unter alien Umstanden in Schulgesetzgebungen und Einrichtun- gen der Klassen massgebend sein sollte. In unseren grossen und iiberfullten Klas- sen befinde sich auch immer eine ganze Anzahl schwacher Schiller, und diesen komme eine Einteilung der Klassen in Sektionen zu gute, da dieselben hier- durch imstande waren, das Pensum ihrer Gradarbeit leichter zu bewaltigen und zwar in der vorgeschriebenen Zeit. Dagegen konnte man wieder durch halb- jahrliche Promotion den fortgeschritte- nen Schiilern Gelegenheit geben, hinaufT zuriicken und anderen Schiilern Platz zu machen. Ebensowenig wie man von einem zusammen gespannten Pferde und Ochsen verlangen konne, dass sie glei- chen Schritt halten sollten, so wenig konne man dies auch von ungleich be- gabten und gradierten Schiilern thun. Die Klassen seien nicht da, um sich den Bequemlichkeiten der Klassenlehrer, der Prinzipale oder des Superintendenten anzupassen, sondern einzig und allein zum besten der Schiiler. Das Referat wurde beifallig aufgenommen. Dieser wichtige Gegenstand ware auch wohl ei- ner Debatte wiirdig gewesen.*

Die Hauptattraktion fiir diesen Tag bihlete Frl. M. Haley von Chicago. Sie war vom Vorsitzer des Lehrerverbandes eingeladen worden, einen Vortrag zu hal- ten und hatte auch zugesagt zu kommen. Alle Kollegen werden wohl schon von ihr gehort oder gelesen haben, was sie, ver- eint mit ihrer Kollegin, Frl. C. Goggin, ausgefiihrt hat, indem sie auf gesetzli- chem Wege die reichen Korporationen in Chicago, welche seit Jahren sich einer

*) Ein eingehendes Referat iiber diesen Vortrag ist uns vor geschatzter Seite fur das Februarheft in Aussicht gestellt. D. R.

Korresponden^en.

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Umgehung der Steuerzahlung schuldig gemacht hatten, zwang, ihren Steuer- raub wieder herauszugeben. Die ganze Versammlung sah mit grosser Spannung der Ankunft der Dame entgegen, da sie ja erzahlen wollte, wie sie das schwie- rige Kunststiick fertig gebracht hatte. Sie ist ja auch eine Heldin in ihrer Art, 1st in Wirklichkeit "the woman who dared to meet the lions in their den", und die Lb'wen zu zwingen, ihren Raub wieder heraus zu geben. Nun sie kam, sah und siegte! Sie machte von vorn herein einen guten Eindruck. Sie ist eine schlichte , einfache Dame, an- spruchslos und ohne Selbstiiberhebung. In ihrer Rede, die iiber eine Stunde dau- erte, erzahlte sie in schlichter, einfacher Weise und doch recht redegewandt und oft recht humoristisch, wie sie dies allesf gliicklich ausgefiihrt habe. Und dabei, wie schon gesagt, in ganz bescheidener Weise, ohne Selbstlob; nur zuweilen, durchdrungen von dem Ernst und Eifer filr die gute Sache, wurde ihre weiche, melodische Stimme etwas starker und ihre Gesten etwas lebendiger; vorztig- lich wenn sie schilderte, wie die betref- fenden Manner versucht hatten, sie durch verkehrte Antworten zu verbliif- fen, sie zu ermiiden oder ganz zu igno- rieren. Aber immer geduldig und be- harrlich hatte sie wieder fortgefahren, bis es ihr endlich gelungen sei, die Staatsabschatzungsbehorde ( State

Board of Equalization) dazu zu zwin- gen, die reichen Korporationen, die jetzt Eigentum (einschliesslich der Wegerech- te) im Werte von $265,000,000 besassen, nach ihrem wirklichen Vermogen einzu- schatzen. Von jetzt an wiirden also die Schulen in Chicago auch den ihnen zu- kommenden Teil an Steuern bekommen. Wohl noch nie hat im Davidsonthe- ater ein Auditorium mit mehr Interesse einem Redner gelauscht und am Schlusse der Rede mit solchem herzlichem und allseitigen Beifall formlich iiberschvittet. Kein ,,Star" in diesem Theater, gleich- viel ob auf dramatischem oder musika- lischem Gebiete, hat es auch wohl fertig gebracht, das Publikum von Anfang bis zu Ende so zu fesseln, zu inspirieren und mit sich fortzureissen, wie diese schlich- te "school-mam" mit ihrer einfachen Er- ziihlung. Mb'ge das Beispiel dieser bei- den Kolleginnen in andern grossen Stad- ten Nachahmung finden, wo es notig ist, damit die Schulen nicht in ihrer Existenz verkiimmert und bedroht werden durch diebische Steuerbetriigerei und Dieberei. Ja, wahrlich! Das Weib vermag hier in Amerika viel, viel mehr zu thun, als ein Mann, wenn es auf gesetzlichem Wege vorgeht, in ruhiger, leidenschaftsloser

Weise, unter Beihilfe der ordentlichen Behorde. Mochten doch die Frauen daa alle einsehen und ihre Macht dazu ge- brauchen, fiir die offentliche Wohlfahrt in reformatorischer Weise vorzugehen. Die leider auf alien Gebieten immer mehr zunehmende Korruption wird ih- nen noch viel Gelegenheit dazu bieten.

Gern mochte ich noch tiber einige sehr gute Vortrage berichten, aber ich fiirch- te, meinen mir zu Gebote stehenden Raum langst iiberschritten zu haben.

A. W. New York.

Deutscher Lehrerverein von New York und Umgegend. Der amerika- nische Lehrer. Ende gut, alles gut. Unser Vorstand, Dr. C. Kayser, schloss letzten Samstag die Ver- handlungen unseres Vereins fiir dieses Jahr mit einem wohldurchdachten Vor- trag: ,,Der amerikanische Lehrer" ab. Es war hochinteressant, wie er dies an- scheinend wenig versprechende Thema behandelte und mit welcher Aufmerk- samkeit die Anwesenden seinen anregen- den und gehaltvollen Auseinandersetzun- gen folgten. Eine Reihe von glanzenden Eigenschaften gehort dazu, um den ,,amerikanischen Lehrer" einer sachli- chen und unparteiischen Priifung zu un- terziehen und das ,,Unwesentliche vom Wesentlichen, das Zufallige und Ephe- mere vom Typischen und Bleibenden zu unterscheiden und zu trennen". Dr. Kay- ser verhehlte sich die Schwierigkeit der Aufgabe nicht und entschuldigte sich in seiner Einleitung, dass die voile Behand- lung seinerseits ultra posse liege. War diese Entschuldigung notig? Ist er sei- nem Gegenstand nicht voll und ganz ge- recht geworden? Hat er nicht gezeigt, dass er jene Eigenschaften in hohem Masse besitzt, und dass er um Mannes- lange iiber sein Thema empor- und hin- ausragte ? Welch psychologischer

Scharfsinn, welch vielseitige Beobach- tung, welch reiche Erfahrung, welch ge- reiftes Urteil, welch perspektivisches Sehen, welch feine Kritik trat in diesem Vortrage zu Tagt!

Gebe ich eine kleine Blumenlese: Der Lehrer im allgemeinen, wie namentlich der amerikanische Lehrer, ist eine Ver-

korperung des Nationalcharakters

Aber auch nach Analysierung des Nati- onalcharakters ist die Charakterisierung des amerikanischen Lehrers noch lange nicht gegeben. Denn der amerikanische Lehrer ist ein ziemlich schwer zu defi- nierender Begriff. Wo ist er? Giebt es iiberhaupt amerikanische Lehrer oder giebt es nur Lehrer? Liisst sich all das, was lehrt, iiberhaupt in einen Typus vereinigen? Wenn es moglich ist, so

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P'ddagogiscbe Monatsbefte.

muss er mindestens zu zwei Dritteln weiblich und nur zu einem Drittel mann- lich sein, denn das 1st das Verhaltnis der weiblichen und mannachen Lehr- krafte des Landes. Hat er das Aussehen des Lehrers von Boston, von New York, von Chicago, von San Francisco oder das des weit verbreiteten country school teacher vom flachen Lande oder der ent- legenen Gebirgsgegenden ? Tragt er den Stempel der Neuengland- und Mittel- staaten, des Westens oder des Siidens? Sie sehen, es ist nicht leicht, von einem Lehrer zu sprechen in einem Lande, wo es sozusagen noch keinen Lehrerstand giebt, wo die Zeit der durchschnittlichen Lehrthatigkeit weniger als fiinf Jahre betragt, wo zwei Drittel der Unterrich- tenden sich die Lehrthatigkeit erst dann zum Lebensberufe machen, wenn es zum Heiraten zu spat ist, und wo eine grosse Anzahl des andern Drittels das Erzie- hen nur als ein ttbergangsstadium zu ei- nem andern Berufe ansieht und that- sachlich so ausniitzt . . . Kann iiberhaupt durch Abstraktion ein Sammelbild des amerikanischen Lehrers gewonnen wer- den? Treten seine Merkmale und seine Eigenheiten scharf genug in die Per- spektive? Wie, wenn man ein anderes Priifungsverfahren einschlagen wiirde ? Wenn wir einen Kunstler beurteilen wol- len, so sehen wir uns gewohnlich das Produkt seiner Arbeit, seines Schaffens an, und wenn unser Befund daruber gunstig lautet, so glauben wir uns zu der Annahme berechtigt, dass der Kunstler in sich die notigen Eigenschaf- ten habe und sozusagen sein Ich, seine Wesenheit zum Ausdruck gebracht. Wollen wir also den amerikanischen Lehrer beurteilen, so brauchen wir nur zu untersuchen, wie das fertige Produkt ist, das er uns liefert. Zeigt es Mangel, so wird sie der Lehrer wohl auch be- sitzen, hat es Vorziige, so werden sie sich wohl auch in ihm vorfinden. Allerdings ist der Lehrer nicht der einzige Kunst- ler, der an diesem Werk arbeitet

Sehen wir uns nun das Produkt etwas naher an und wir werden finden, dass es trotz vieler Mangel doch Vorzvige ge- nug besitzt, um mit ahnlichen Produk- ten anderer Lander einen Vergleich aus- halten zu konnen. Ja, ich glaube, dass der Amerikaner im grossen und ganzen ich meine, der gewohnliche Mann, so wie er etwa der Volksschule entwachst, der Arbeiter oder Farmer, einen hoheren Grad der Intelligenz und Bildung be- sitzt als beispielsweise der gewohnliche Arbeiter oder Bauer Deutschlands. Der Horizont des Amerikaners ist ein brei- terer, seine Interessensphare ist eine ausgedehntere, er denkt und handelt

selbstandiger und freier und tritt siche- rer und bestimmter auf, als der ihm gleichgestellte Europaer .... Der Anteil des amerikanischen Lehrers an der Kul- turarbeit Amerikas ist ein betrachtli- cher. Der amerikanische Lehrer besitzt bedeutende Fahigkeiten nicht nur ala Lehrer im engeren Sinn, sondern auch als Disziplinar. Diese Fahigkeiten sind zwar bei ihm grosstenteils Sache des Instinkts und nicht das Resultat pada- gogischer und allgemeiner Vorbildung. Jedoch besitzt er einen praktischen Blick und padagogischen Takt, die ihn das Richtige treffen lassen. Er be- sitzt ein erstaunlich grosses Anpassungs- vermogen, das ihn befahigt, sich dem kindlichen Geiste zu nahern, in ihn ein- zudringen, das kindliche Gemiit zu er re- gen und zu begeistern. Der Durch- schnittslehrer isc eine offene, gerade Na- tur, frei von Selbstiiberhebung und Ei- gendiinkel. Er will nicht anders schei- nen und nicht fur mehr gelten, als er ist. Er macht kein Hehl daraus, dass er oft zusammen mit seinem Schiller lernt, aber er macht den Eindruck, dass er an sich glaubt und er fiib.lt, dass er, wenn er will, alles erreichen kann. Diese Harmlosigkeit und ehrliche Gesinnung auf der einen Seite und der frische Wa- gemut auf der andern verfehlen denn auch nicht, auf den Zoghng einen giin- stigen Einfluss auszuiiben. Das Gegen- teil tritt ein, wenn der Schiller fi'hlt, dass der Lehrer sich iiberhebt und dass er gegen ihn nicht ehrlich ist. In an- dern Worten, in keinem Lande der Welt spricht sich der Lehrer so leicht sein eigenes Urteil als hier.

Doch sind trotz instinktivem padago- gischem Takt und andern guten Charak- tereigenschaften manche tfbelstande auf Konto mangelnder Sach- und Fachkennt- nisse zu setzen. Ferner kann man ihm mit Recht zum Vorwurf machen, dass er zu wenig lehrt und entwickelt und oft das Geschaft des Abhorens zu sehr betreibt und dass er sich dabei ein- bildet, das Kind zu grosserer Selbsttha- tigkeit zu erziehen. Das Buch nimmt allzu oft die Stelle des Lehrers ein. Ein anderer Fehler des amerikanischen Lehrers oder eigentlich des ganzen ame- rikanischen Volkes ist das iibergrosse Verlangen nach sicht- und greifbaren Resultaten. "What can you show: how much is it worth", sind die Fragen, die ihm gestellt werden, und die natiirlich weit mehr auf das Kennen als auf das Konnen hinweisen. Darum sind die Vereinigten Staaten, neben England, das mit Priifungen gesegnetste Land der Welt.

Leicht ist der amerikanische Lehrer

Umschau.

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geneigt, sich mit Haut und Haaren ir- gend einem "fad" in die Arme zu wer- fen, von dem er alles Heil erwartet. Enttauscht verliert er keineswegs den Mut, sondern sucht in seinem Drange den rechten Weg nach einer andereu Seite hin. Auch aus seinem Verlan- gen, dem Kinde die Schule lieb zu ma- chen, erwachst allzuoft der Fehler, den Wiinschen der zu Lehrenden in unge- biihrlicher Weise Rechnung zu tragen. Das ausserste Extrem dieser Richtung gipfelt in dem Wunsche, das Wahlsy- stem, the elective system, sogar in den Volks- oder Elementarschulen einge- fiihrt zu sehen!

Nachdem der Herr Referent noch des Naheren auf die Schuldisziplin, auf den Umgang des Lehrers mit seinen Schii-

lern einging, eilte er zum Schluss und sagte: ,,Was ich beabsichtigte, war, zu untersuchen, wie der amerikanische Durchschnittslehrer aussieht. Die Un- tersuchung ist der Millie wert, und hoffe ich, so viel erwiesen zu haben, dass der amerikanische Lehrer, wenn auch bei weitem nicht vollkommen, doch viele nachahmungswerte Eigenschaften be- sitzt."

Eine lange, eingehende und anregende Debatte folgte. Die folgenden Herren beleuchteten die Ausfiihrungen des Red- ners von ihrem jeweiligen Standpunkt und ihren teilweise abweichenden Er- fahrungen: M. Bamberger, C. Kinkel- dey, H Zick, R. Metzger, S. Kauffmann, A. Remy, Albert J. W. Kern, F. Monte- ser. A. K.

IV. Umschau.

Amerika.

Dr. Oscar Faulhuber f. Zu Haverhill, Mass., verstarb am 6. Dez. vor. J. Dr. Oscar Faulhaber. Derselbe bekleidete seit zwanzig Jahren das Amt eines Pro- fessors der modernen Sprachen an ,,Phil- lips Exeter Academy" und am ,,Robinson Seminary". Er stammte aus Isny in Wiirttemberg und erhielt seine Ausbil- dung in Stuttgart und Tubingen. Nach- dem er drei Jahre in Frankreich zuge- bracht hatte, um sich im r ranzosischen zu vervollkommnen, kam er nach Ame- rika, wo er zuerst im Westen thatig war, spater aber sich im Osten dauernd nie- derliess. Auch an der Harvard-Univer- sitat wirkte er einige Jahre als "In- structor" fiir Franzb'siscii und Deutsch. Er war ein Mann von bedeutenden Ga- ben und ganz besonders als Sprachken- ner ausgezeichnet.

Christoph Friedrich Kopp t- Nach langem und schwerem Leiden verstarb zu Cincinnati Chr. Fr. Kopp. Derselbe bekleidete seit langen Jahren die Stelle eines deutschen Oberlehrers an den dor- tigen offentlichen Schulen. Im Jahre 1839 zu Zang in Wiirttemberg geboren, widmete er sich spater dem Schuldien- ste, 1875 wurde er Organist und Lehrer an der Paulusgemeinde zu Pittsburg und kam 1879 nach Cincinnati.

Dem hervorragenden Diplomaten und Oelehrten, dem chinesischen Gesandten in Washington, Wu-Ting-Fang, soil, dem ,,School Journal" zufolge, der neu ge- griindete Lehrstuhl fiir chinesische Lit- teratur an der Columbia-Universitat zu New York angeboten worden sein. Der Herr steht gegenwilrtig in hoher Gunst beim amerikanischen Publikum, und

kein patriotisches Ereignis bis zum Fussballspiel hinab oder hinauf? konnte heutzutage ohne seine Teilnahme wiirdig gefeiert werden, so dass sein Na- me den Ruf der Universitat zu erho'hen imstande ware, falls es ihm bald ge- lingt, seines gegenwartigen Postens ledig zu werden; denn das amerikanische Pu- blikum verbraucht seine Giinstlinge nur allzuschnell. Im Priuzip sollte man an- nehmen, dass Herr Wu vorziehen wiirde, sein Haupt einem amerikanischen Pro- fessoren-Lehrstuhl anzuvertrauen, als es im Dienste seiner eigenen Regierung ste- tig zu riskieren.

New York. Von einem gewaltigen Wachstum der Columbia-Universitat zu New York zeigt das soeben erschienene jahrliche Adressbuch der Beamten und Schiller. Dasselbe umfasst gegenwartig 4000 Namen, wobei die 579 Studenten der Sommerschule, die 420 Schiller des ,,Teacher's College" und die 950 Schiller in den verschiedenen Zweigschulen nicht eingeschlossen sind.

Chicago. Richter Neely hat durch ei- nen Erlass den Einhaltsbefehl gegen die f reie Verteilung von S^.hulbtichern an die Schiller der unteren vier Grade der of- fentlichen Schulen permanent erkliirt. Der grosste Teil der Biicher es waren $40,000 zu diesem Zwecke bewilligt wor- den — war bereits vor Erwirkung des Einhaltsbefehles abgeliefert worden ; nunmehr hat der Prasident des Schulra- tes die weitere Ablieferung untersagt.

Die Stadt Minneapolis ist vor kurzem von dem Vorstand der N. E. A. als Ta- gungsort filr das Jahr 1902 ausersehen worden.

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P'ddagogische Monatshefte.

Saginaw. Methode zur Erteilung des Unterrichts im Deutschen in den An- fangsklassen. In demselben Masse, in dem das Deutsch in den Familien schwindet, also auch das Vermogen deutsch zu sprechen bei den neueintre- tenden Kindern nicht mehr vorausge- setzt werden kann, drangt sich die Not- wendigkeit auf, diese Sprachfertigkeit den Kindern in der Schule beizubringen. Wenn vielleicht heutzutage dariiber kei- ne Meinungsverschiedenheit mehr herrscht, dass die Sprachfertigkeit ein erstrebenswertes Ziel im Unterricht ist, so ist man sich iiber die Zeit, wann die- selbe erstrebt werden soil, noch nicht einig. Das Richtige hat Prinzipal Huber von Saginaw gethan, der nach langjah- riger Erfahrung nunmehr angeordnet hat, mit der Konversationsmethode den deutschen Unterricht in der untersten Elementarklasse zu beginnen. Ehe das Kind zum Lesen, Schreiben oder gar 'ttbersetzen gebracht wird, soil es Spre- chen lernen. Daher soil unter den Ver- haltnissen, unter denen der deutsche Un- terricht zu Saginaw erteilt wird, erst nach dem dritten Schuljahre mit Lesen und Schreiben begonnen werden. Ob es ratsam sei, so lange diese Zweige des Unterrichts hinauszuschieben, bleibt noch zu entscheiden, jedenfalls aber ist in der Sprachfertigkeit bei kleinen Kin- dern viel zu erzielen, das von dauern- dem Werte fiir den Schiller ist und spa- ter nur mit grosser Mtihe erreicht werden kann. In einer Versammlung der deut- schen Lehrer fiihrte Frl. Rese, eine Leh- rerin des ersten Grades an der John Moore-Schule, eine Klasse von 25 Kin- dern angloamerikanischer Abkunft vor, die erst drei Monate den deutschen Un- terricht nach der Konversationsmethode erhalten batten, und es war staunens- wert, welche Erfolge die Dame in der verhaltnismassig kurzen Zeit zu ver- zeichnen hatte.

Deutschland.

fiber die einheitliche Rechtschreibung erhalt von einem Mltgliede des zur Be- ratung eingesetzten Ausschusses die ,,Schles. Ztg." folgende Mitteilungen, die wir zur Veranschaulichung der beschlos- senen Xnderungen in der neuen Recht- schreibung wiedergeben: Die wichtigste Neuerung ist die vollstandige Beseiti- gung des th aus alien deutschen Wor- tern. Man wird also schreiben: Tal, Ton, Tor, Tran, Trane, tun, Tiir, Mut u. s. w. Die Dehnungen sind im allge- meinen belassen worden. Man schreibt also Liebe, Sieg wie bisher. Ebenso wer- den die Zeitworter auf ieren und ihre Ableitungen mit dem e geschrieben, al-

so: regieren, Zernierung. Dagegen ist das e in den Wortern gib, gibst, gibt be- seitigt. Das Dehnungs-h ist in seiner Geltung belassen worden, also: Able, Mahl, Aufruhr u. s. w. Die doppelte Schreibung des Selbstlauters bleibt nur in folgenden Wortern: Aal, Aar, Aas, Haar, Paar, Saal, Staat, Beere, Beet, Geest, Heer, Klee, Krakeel, Lee, leer, Meer, Reede (Rhede), scheel, Schnee, See, Seele, Speer, Teer, Boot, Moor und Moos, tfber die Schreibung der Fremd- worter ist noch folgendes zu bemerken: Der K- und Z-Schreibung ist der Vorzug zu geben, also: Publikum, Kondukteur, Konzil, Konzert, Prozess, Partizipium. Dagegen kann das c beibehalten werden in Fremdwortern, die auch sonst undeut- sche Lautbezeichnungen besitzen, wie Coiffeur, Directrice. Das fremde ti bleibt endlich vor betontem Selbstlaute oder nach einem k, also: Patient, Quo- tient, Nation, Aktien; dagegen wird es vor unbetontem e durch zi ersetzt, also: Grazie, Ingredienzien, Reagenzien.

Der preussische Unterrichtsminister hat beziiglich der Verwendung deutscher Lehrer an Schulen im Auslande eine Verfiigung erlassen, aus der wir folgen- des entnehmen: Die Errichtung und Er- haltung deutscher Schulen im Auslande verdiene im nationalen Interesse nach- driickliche Forderung. Antragen und ttberweisung von Lehrern dahin sei da- her thunlichst entgegenzukommen. Da- bei sei jedoch darauf zu achten, dass zur Erhaltung des Ansehens, das das deut- sche Unterrichtswesen irn Auslande ge- niesse, nur tiichtige und zuverlassige Lehrkrafte mit einer solchen Auf gabe be- traut wiirden. Die betr. Lehrer seien fiir die Zeit ihrer auswartigen Verwen- dung zu beurlauben. Beim Riicktritt in den heimischen Schuldienst sei ihnen die Urlaubszeit ohne weiteres auf die Dienstzeit anzurechnen. Auch jenen Leh- rern, welche statt eines Urlaubs ihre Entlassung nehmen, wird unter der Vor- aussetzung der Dienstfahigkeit und ta- delloser Fiihrung die Wiederzulassung in den preussischen Volksschuldienst in Aussicht gestellt.

Berlin. Im Etatsjahr 1900-01 sind in Berlin auf stadtische Kosten 207,510 Kinder unentgeltlich unterrichtet wor- den. Das Gemeindeschulwesen hat an Ausgaben rund 13 Millionen Mark ver- ursacht. Die Ausgaben fiir ein Kind be- trugen 64 M., das sind 214 M. mehr als 1898. In den 12 stadtischen Realschu- len mit ihren 148 Klassen sind zu Ende 1899 5187 Schiller unterrichtet worden, d. h. 88 weniger als 1898, was wohl zum grossten Teil durch Eroffnung entspre-

Umscbau.

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chender Anstalten in den Vororten z\i erklaren 1st. Die Realschulen erforder- ten einen Zuschuss von 692,343 M. oder 133% M. auf den Kopf des Schiilers, d. h. lOVa M. mehr als 1898. Die Zahl der Schillerinnen der stadtischen hb'he- ren Madchenschulen betrug zu Beginn des Winterhalbjahres 1899 4327 in 6 Schulen und 169 Klassen, d. h. 23 mehr als im Jahre vorher. Der Zuschuss be- trug rund 180,000 M., fur jede Schiile- rin 41% M., gegen 39 M. im Jahre 1898.

Mommsen als FreiheitsJc&mpfer. The- odor Mommsen, welcher gebildete Deut- sche in der ganzen weiten Welt kennt nicht diesen herrlich strahlenden Stern am Gelehrtenhimmel und ware nicht stolz darauf, diesen weit und breit hoch- geehrten und bewunderten Geistesritter einen Landsmann zu nennen? An Alter langst ein Greis, hat er sich das Feuer der Jugend bewahrt, dessen Blitze jiingst die ganze deutsche Universitats- welt elektrisiert haben.

Vor kurzem hat das Kultusministeri- um den Dr. Spahn zum Professor der katlwlischen Geschichte an die Universi- tat Strassburg berufen. Darob ent- brannte Mommsen, der weder katholi- sche noch protestantische, sondern nur Geschichte kennt, in gerechtem Zorn und, wie er vor nahezu sechzig Jahren in Kiel und Randsburg als Dichter und Zeitungsredakteur fvir die Rechte seiner engeren Heimat Schleswig - Holstein scharf und wuchtig eintrat, so erschallt es jetzt wie frischer, frohlicher Schwer- tesklang, wenn er laut dem deutschen Volke zuruft, dass schier das Herrlich- ste, was es besitze, namlich die deutsche Universitat und ihre freie Forschung in ausserster Gefahr sei, wenn die Konfes- sion von staatswegen der Wissenschaft als Halfter angelegt werde. Lange zu- vor, ehe Deutschland eine nationale Weltmacht war, sei es eine Weltmacht gewesen durch seine Wissenschaft. Und diese Wissenschaft wolle man in die Zwangsjacke des Konfessionalismus stecken. ,,Schutz der voraussetzungslo- sen Forschung!" Darin gipfelt des alten Recken gliihender Mahnruf.

Nicht nur von der Universitat seiner

Heimatprovinz, Kiel, sondern von den Fakultaten aller deutschen und auch osterreichischer Universitaten erhielt der wackere Kampe ftir die Universi- tatsfreiheit ob seiner mutvollen Worte Anerkennung und Gltickwiinsche.

Spanien.

Eine Statistik der Stiergefechte zeigt, dass im Jahre 1901 allein 532 solche SchlJichtereien stattgefunden haben, bei denen 3058 Stiere und etwa 5000 Pferde getotet wurden. Die Kosten der Stier- gefechte schatzt man auf 12 Millionen Pesetas. Gerade so viel schuldet das Land den Lehrern fur Gehalter! Der be- kannte Stierfechter Antonio Fuentes be- zieht jahrlich 250,000 Pesetas Honorar, das ist mehr als das Fiinffache des Ge- haltes des Ministerprasidenten.

Chile.

Das Schulwesen von Chile lehnt sich in seinen Einrichtungen vorzugsweise an das der Vereinigten Staaten an, und dem hat es wohl auch zum grossen Teile seine Erfolge zu verdanken; sie war den Schulsystemen der anderen Staaten Siid- amerikas zuzuschreiben. Ausser der Staatsuniversitat, zu welcher auch Frauen Zutritt haben, hat das Land sechs grosse Normal schulen, zwei In- dustrieschulen fiir Madchen und zwei Regierungsschulen zur hoheren Erzie- hung der Frauen.

Der Erziehung der Frau ist, ganz im Gegensatz zu den Vorurteilen der roma- nischen Rassen, grosse Sorgfalt gewid- met. ,,Coeducation" allerdings findenwir nur bis zum 10. Jahre der Kinder. Weib- liche Lehrkrafte fixjden wir nicht in Knabenschulen, mannliche Lehrkrafte hochst selten in Madchenschulen. Den weiblichen Lehrkraften giebt man indes den Vorzug in den unteren Schulklassen. Die Frau in Chile zeigt grosse Regsam- keit; ein Zeichen derselben ist, dass Chile eine grosse Anzahl weiblicher Strassenbahnkondukteure hat, denen man wegen ihrer Hoflichkeit und Nilch- ternheit vor den Mannern den Vorzug giebt. Auch in den Staatsdienst haben die Frauen als ,,clerks" und Telegra- phistinnen Eingang gefunden.

V. Vermischtes.

Bin Mitt el gegen Seekrankheit em- pfiehlt in der ,,Miinchener medizinischen Wochenschrift" Privatdozent Dr. K. Heinz (Erlangen), welches von jeder- mann sehr leicht in Anwendung gebracht werden kann. Das hervorstechendste und auch lastigste Symptom der See- krankheit ist das Erbrechen. Durch die Schaukelbewegungen des Schiffes wird ein Reiz auf das Brechzentrum im Ge- hirn ausgeiibt, und vom Brechzentrum wird dann das Erbrechen ausgelost. Das Brechzentrum ist nun im Gehirn dem Atmungszentrum benachbart, und auch funktionell bestehen zwischen Atmungs- und Brechzentrum die engsten Beziehun- gen. Man kann einen irgendwie entstan- denen Brechreiz unterdriicken und das Zustandekommen des Brechaktes verhin- dern, wenn man rasch hintereinander ei- ne Anzahl tiefer Atemziige vollfiihrt. Was mag nun die Ursache dieses eigen- tiimlichen Verhaltens sein? Durch die vertief te und beschleunigte Atmung wird der Sauerstoffgehalt des Blutes erhb'ht und die Erregbarkeit des Brechzentrums wird so stark herabgesetzt, dass der kurz vorher unwiderstehlich scheinende Brechreiz iiberwunden werden kann. Fiir diese Annahme hat Dr. Heinz einen expe- rimentellen Beweis zu erbringen getrach- tet : Wir haben im Apomorphin ein Mit- tel, das durch Reizung des Brechzen- trums mit absoluter Sicherheit Erbre- chen hervorruft. Dr. Heinz hat nun bei einem Hunde die kiinstliche Atmung ein- geleitet, und auf diese Weise wurde das Blut des Hundes reich an Sauerstoff. Sodann spritzte er dem Hunde Apomor- phin ein, und da ergab sich ein interes- santes Resultat: Der Hund erbrach nicht. Wurde nunmehr die kunstliche Atmung unterbrochen, so zeigte der Hund Wiirgebewegungen und Erbrechen. Durch ein weiteres Experiment, auf das wir hier nicht naher eingehen wollen, hat Dr. Heinz sich vergewissert, dass die Untererregbarkeit des Brechzentrums und die Sistierung des Erbrechens that- sachlich durch die 'tfberfiillung des Brechzentrums herbeigefilhrt wird. Dr. Heinz hat sich iiberzeugt, dass auch der Brechreiz der Seekrankheit iiberwunden werden kann, wenn man in rascher Fol- ge tiefe Atemziige vollfiihrt. Er macht auch Falle namhaft, in denen es ihm ge- lang, auf Grund dieser Atmungsvor- schriften Seekranke zu kurieren.

15ber die Infektionsffihigkeit von ge- brauchten Biichern. Hieriiber stellte Dr. Kransz Versuche in der Weise an, dass er Papierstreifen aus neuen, sowie sol- che aus gebrauchten Biichern in die

Bauchwand oder Bauchhohle von Meer- schweinchen brachte. Dabei blieben die Tiere, denen reine Papierstreifen einge- setzt wurden, ganz gesund, wahrend die anderen an septischer Bauchfellentziin- dung zugrunde gingen. Dr. Krausz kommt auf Grund seiner Experimente zu dem Schluss, dass gebrauchte Schulbii- cher und namentlich Biicher aus Leih- bibliotheken leicht Infektionen vermit- teln konnen. Er verlangt deshalb obli- gatorische Desinfektion der Biicher der Leihbibliotheken, sowie der Biicher jener Schiller, welche eine Infektionskrankheit iiberstanden haben.

Eine Inspektionsgeschichte. Das Deutschmahrische Schulblatt erzahlt un- ter der 'tfberschrift ,,Enfant terrible" f olgende Inspektionsgeschichte :

Inspektor, die Oberklasse inspizie- rend: ,,Da sehe ich ein hiibsches Bild an der Wand. Da sind Menschenkopfe abgebildet mit verschiedener Hautfarbe. Da ist ein weisser, ein roter, ein gelber, ein brauner und ein schwarzer Kopf . Was soil denn dieses Bild vorstellen?"

Ein Schiller: ,,Das sind die Menschen- rassen."

Inspektor: ,,Schon. Was sind denn das fiir Menschen, die mit der weissen Hautfarbe ?"

Ein Schiller: ,,Das sind Europaer." Inspektor: ,,Und die mit der roten Hautfarbe?"

Ein Schiller: ,,Das sind Indianer." Inspektor: ,,Und die Gelben?" Ein Schiller: ,,Das sind Mongolen." Inspektor: ,,Und die Braunen?" Ein Schiller: ,,Das sind Malayen." Inspektor: ,,Und endlich die Schwar- zen ?"

Ein Schiller: ,,Das sind Neger." Inspektor: ,,Schon. Nun mochte ich aber wissen, zu welcher Menschenrasse ich gehore. Nun, wer kann mir das sagen?"

Alles schweigt.

Inspektor, argerlich: ,,Nun, so redet doch! Ihr werdet doch schon wissen, was ich fiir ein Mensch bin!" Alles stumm.

Inspektor, dem die Zornesrote ins Ge- sicht steigt, hochst entriistet: ,,Nun, so seht mich doch einmal an, was ich fiir eine Hautfarbe habe! Also, was fiir ein Mensch bin ich?"

Ein Schiller, zagend: ,,Sie sind ein Indianer."

Inspektor, verbliifft : ,,W a a s ? Ein Indianer? Ja, warum denn?"

Der Schiller: ,,Weil Sie ganz rot sind."

Biicherschau.

I. Erwiderung.*

Lawrence, Kas., Dec. 2nd, 1901. Editor Padagogische Monatshefte:

Anent Professor Heller's criticisms of Otis's Elementary German a few words of explanation and reply are called for. In the first place, it is due to both the gentlemen who are credited with revising the work to say that they were restricted by the necessity of maintaining the essential integrity of the plates as they were cast during the life of Professor Otis. While they were free to correct absolute mis statements, they were deterred from making what they regarded as merely improvements in the book as they found it, and if additions were thought neces- sary they could be made only at the expense of some matter already in the lessons, since the pagination could not be altered. Nevertheless, it is believed that there remain not more than the average number of errors in the book, though, of course, every individual teacher will wish that certain features were more according to his particular taste. Regarding the nature of the subject matter in the exercise, I agree with Professor Heller, that they lack naturalness and connectedness. Yet the excellencies of the little book are so many that it holds its own and will doubt- less be welcomed in a thoroughly revised edition.

It seems to me that Professor Heller has sought far for errors. His first point, for instance, an objection to the statement that ohne, um, and statt are the only prepositions governing the infinitive, is groundless, or he has failed to make him- self clear. If he knows of others, why not cite a few? And the illustrative sentence is entirely good. In the same paragraph, the inclusion of um dass among the con- junctions meaning 'in order that' is met with "horribile dictu!" This is severe on a phrase whose only offense is that of being archaic. The German sentences cited as not being "unimpeachable on the score of grammatic and idiomatic correctness" are most of them, I think, taken from good German authors, though I admit that they are not good models for modern colloquial German. 'Der Dogge' in a sentence is probably a misprint, since the feminine article is given in the vocabulary just preceding. But does Professor Heller reject der Dogge altogether? Professor Hel- ler's reference to 'P. 70' is probably an error for P. 270.

To declare that "Mogen Sie die Musikf" as an equivalent of the English "Are you fond of music?" is 'wrong', is quite too dogmatic, in view of the citations in Grimm's Dictionary, even if one's memory furnished no illustrations. It is true, however, that 'mogen'=?like', 'be fond of is more common in negative than in af- firmative uses. Professor Heller declares that the double accusative after 'lehren' is 'too uncommon to be quoted as a paradigm' ( i. e. a model ) . Surely not. Let one who is in doubt examine the 19th century examples in Grimm's Dictionary.

It would have been a kindness if Professor Heller had pointed out the typo- graphic errors alleged. A hasty examination has failed to reveal some of them, though they are doubtless there.

University of Kansas. W. H. Carruth.

*) Vergleiche : ,, Deutschamerikaiiische Schulgrammatiken " . 0. Heller. P.M. II. 10. Seite 373.

II. Biicherbesprechungen.

Sappho, Trauerspiel in fiinf Aufzugen von Franz Grillparzer. Edited with introduction and notes by C. C. Fer- rell, Ph. D., (Leipzig). Professor in the University of Mississippi. Ginn & Co., 1900.

Dass ein Bedilrfnis nach amerikani- schen Schulausgaben von Grillparzers Werken vorhanden ist, steht ausser Zweifel. Auch der bescheidenste Anfang zur Befriedigung dieses Bediirfnisses ist daher mit Freuden zu begriissen. Gro- ssere Ansprtiche darf man allerdings an Ferrells Ausgabe nicht stellen. Die Ein- leitung zeigt von keinem Verstandnis fur Grillparzers Wesen. Es ist schon ein iibles Zeicheh, dass W. Scherer, der aus seiner personlichen Abneigung gegen Gr. kein Hehl gemacht hat, als Hauptauto- ritat gilt. Man denke nur an die vb'llig missgliickte Charakterisierung Grs. in Scherers Litteraturgeschichte. So wird Gr. denn auch von Ferrell kurzweg als der Dichter hauslich-stiller Tugend und Gegner jedes hoheren Strebens hinge- stellt, wahrend er doch in seinem Rus- tan nicht den Ehrgeiz an sich, sondern den Ehrgeiz des Unfahigen verurteilt hat. Auch die von Scherer kritiklos iibernommene Einteilung der Dramen in 3 Typen ist durchaus verfehlt. Wie kann man ,,Ein Bruderzwist in Habsburg" mit ,,Ottokars Gliick und Ende" in eine Kategorie bringen? Wie kann man fer- ner Bancbanus kur/«rhand "almost a caricature", ,,Weh dem, der liigt" "an uninteresting comedy" nennen? Lieber doch von diesen Dramen ganz schweigen, als durch solche Schlagworte dem Stu- denten, der Gr. erst kennen lernen will, von vornherein ein schiefes Urteil auf- drangen. Das gilt auch von der Bemer- kung iiber Hero, p. XV. Den Aufsatz Sauers, A. f. d. A. 1893, p. 308 ff, kennt Ferrell nicht, sonst wiirde er nicht mit Schwering an den Einfluss des, Gr. so gut wie uns unbekannten, Franz v. Kleist auf die Sappho glauben. Die ,,kritische Analysis", p. XXVI ff, ist ganz von Lichtenheld abhangig und stel- lenweise hochst naiv "Our Sappho is a tragic figure."

Man vergl. jetzt Ehrhard, Grillp. p. 245 ff.

Die Anmerkungen sind ohne einheitli- chen Plan zusammengestellt; sie bringen z. T.-ganz ttberfltissiges, so die endlosen Hinweise auf zu erganzendes Hilfsverb, so die tfbersetzungen ganz gewohnlicher, oder doch leicht nachzuschlagender Aus- driicke wie 14, 33, 214, 239, 342, 515, 805 u. a. Die Erklarungen von Namen

aus der griechischen Mythologie sind un- verhaltnismassig lang geraten. Anderer- seits ist kein Versuch gemacht, Stellen, die filr den Dichter so bezeichnend sind wie die Rosenszene im 2. Akt, zu wiirdi- gen. Und wenn schon einmal Parallel- stellen aus andern Dichtern Tierbeigezo- gen werden, so hatte ein Hinweis auf Iphigenie 1, 25 ff., Tasso II, 263 ff., Schillers ,,Wiirde der Frauen" bei Gele- genheit von III, 20 ff., nicht fehlen diir- 'fen. Aus der Schulausgabe Lichtenhelds (Cotta) sind mehrere Anmerkungen ohne die notigen Anfiihrungszeichen ent- nommen; vgl. Anm. Vers 40; 63; 1427; 1470 (?), und die einleitende Bemer- kung zur 6. Szene des 3. Aktes, p. 134. Siehe Lichtenheld, p. 29, 30, 85, 87, 74. Madison, Wis. O. E. Lessing.

Dr. Joh. Christ. Aug. Heyses allgemeines verdeutschendes und erklarendes Fremdworterbuch mit Bezeichnung der Aussprache und Betonung der Worter nebst genauer Angabe ihrer Abstammung und Bildung. 17. Aus- gabe von Dr. Otto Lyon. Hannover und Leipzig, Hahnsche Buchhandlung,

1893. 907 S. $2.50.

Die sprachwissenschaftlichen Werke Heyses sind so bekannt, dass es unnotig wird, irgend ein Wort der Besprechung dem allgemeinen anerkennenden Urteile iiber die einzelnen Arbeiten beizufiigen. Von ganz besonderem Werte aber ist das vorliegende Fremdworterbuch, welches in der Neubearbeitung des riihmlichst bekannten Sprachforschers Lyon unter der stattlichen Reihe ahnlicher Erschei- nungen sich durch Griindlichkeit, Zu- verlassigkeit und Zweckmassigkeit aus- zeichnet. Es kann einem jeden Lehrer bestens empfohlen werden.

Materialien fur den Anschauungsunter- richt in den Elementarklassen. (Erste und zweite Unterstuf e. ) Mit Ruck- sicht auf die Holzelschen Anschau- ungsbilder zusamro«ngestellt von E. Jordan. 3. Aufl. Wien. Ed. Holzel.

1894. $1.25.

Neben den Anscbauungsbildern von Winkelmann, Kehr-Pfeifer und anderen haben vornehmlich die Holzelschen Bil- der in den Schulen Verbreitung gefun- den. Sie entsprechen den weitgehend- sten Anforderungen, welche an ahnliche Lehrmittel gestellt werden konnen und miissen. Um die Verwertung moglichst zu erleichtern, sind die ,,Materialien" von dem ttbungsschullehrer Jordan bear- beitet und herausgegeben. Sie bieten

Biicberbesprecbungen .

71

reichen, vielfach neum und gut geordne- ten Stoff, der dem Lehrer zu einer ge- deihlichen Fiihrung des Elementarunter- richtes wesentlich Hilfe leisten diirfte.

Geschichte der deutschen Nationallitte- ratur von Prof. Dr. Hermann Kluge. 28. Aufl. Altenburg. Oskar Bonde,

1897. 263 S. 85 cts.

Kluges Litteraturgeschichte ist das, was eine Arbeit solcher Art sein soil, eine Einfiihrung in das Studium der Werke unserer grossen Dichter und Den- ker und nicht eine Aufzahlung von Na- men und Jahreszahlen. Die Thatsache, dass das Werk in achtundzwanzigster Auflage erscheint, spricht fiir sich sel- ber.

Der miindliche Vortrag und die Geb&r- densprache von H. Allihn. Leipzig,

1898. E. Ungleich. 404 S., geb., $2.00. Ein treffliches aus der Erfahrung ge-

schopftes und mit griindlichster Sach- kenntnis geschriebenes Buch.

Werden und Wandern unserer Worter.

Etymologische Plaudereien von Dr.

Franz Herder. 2. Aufl. Berlin, 1871.

R. Gartners Verlagsbuchhandlung.

204 S., geb., $1.00.

Der Verfasser sagt in der Einleitung: ,,Ein ganz besonderes Vergniigen ge- wahrt die Beschaftigung mit diesen Din- gen, wenn man zwischen mehreren Wor- tern, die gewohnlich als ganz verschie- dene empfunden werden, plotzlich einen engen Zusammenhang entdeckt, oder wenn man von Wortern, die echt deutsch schienen, auslandischen, nicht selten entlegen orientalischen Ursprung er- fahrt; endlich umgekehrt, wenn fremd- artig klingende Bildungen sich als zu- rtickgekehrte ttberlaufer enthiillen, die urspriinglich deutsch, einst in die Frem- de zogen und spater, durch fremdes Ge- wand unkenntlich gemacht, wiederka- men." In der angedeuteten Richtung hat der Verfasser eine grosse Fiille von Stoff zusammengetragen und mit viel Geschick bearbeitet.

Die obigen 5 Biicher sind dem Unter- zeichneten von der Firma Jennings & Pye, Cincinnati, 0., zur Besprechung ein- gereicht worden und konnen von dersel- ben zu den angegebenen Preisen, bei de- nen der iibliche Rabatt bewilligt wird, bezogen werden. H. H. P.

Deutsche Aufs&tze von Paul Th. Her- mann. Bd. I, fiir die oberen Klassen der Volksschule und fiir Mittelschu- len. Dritte vermehrte und verbesserte Auflage, 1901. Bd. II, fiir die mittle- ren und unteren Klassen der Volks- schule. Zweite vermehrte und verbes- serte Auflage, 1901. Preis fiir jeden Band, brochiert, M. 2.80, fein gebun- den M. 3.40. Leipzig, \erlag von Ernst Wunderlich. Das in dem Aufsatzunterricht anzu-

strebende Ziel ist, den Schiller dahin zu bringen, dass er imstande sei, seinen ei- genen Gedanken in freier und selbstan- diger Weise Ausdruck zu geben. Der Verfasser der obigen Aufsatzsammlung stellt derselben den Goetheschen Aus- spruch als Motto an die Spitze: ,,Das Hochste, wozu der Mensch gelangen kann, ist das Bewusstsein eigener Gesin- nungen und Gedanken", und deutet da- mit an, dass auch ihm diese Selbstandig- keit des Schiilers als das wichtigste Ziel des Aufsatzunterrichtes erscheint. Soil dasselbe erreicht werden, dann ist es notwendig, dass vom ersten Unterricht an darauf hingearbeitet werde. Verfas- ser wendet sich darum in der Vorrede gegen die Praxis, dem Schiller die fer- ugen Gedanken, womb'glich schon in ih- rer Aufeinanderfolge zu geben, so dass ihm nur iibrig bleibt, die sprachliche Form zu finden, was ihm bei gutem Ge- dachtnis vielleicht auch noch erspart ist, da er sich nur der Ausdrucksweise des Lehrers zu erinnern braucht. Dage- gen verlangt er, dass sich in den Auf- satzen ,,das ganze Geistesleben des Kin- des, sein Denken und Fiihlen, seine Phantasie und sein Urteil widerspiegeln miisse, dass sie Geistesprodukte und nicht nur Reproduktionen seien und dass deshalb der Lehrer bei der Vorbespre- chung derselben dem Denken des Kindes nur die Richtung andeuten diirfe, in der es sich zu bewegen habe."

Gern batten wir gesehen, wenn uns der Verfasser einige Musterbeispiele fiir eine derartige Behandlung des Aufsatzes gegeben hatte. Dieses unterlasst er je- doch und bietet eine Sammlung von Auf- satzen, die allerdings ausserst reichhal- tig genannt werden muss, und darum noch von besonderem Werte ist, als die behandelten Aufsatze der Praxis ent- stammen, ja zum grossten Teile Schul- arbeiten sind, in denen nur dann Ande- rungen vorgenommen wurden, wenn es Stil und Inhalt notwendig erheischten. Die Themata fiir die Aufsatze sind den verschiedensten Gebieten entnommen. Der erste Band fiir die oberen Klassen der Volksschule und ftir Mittelklassen enthalt 171 Aufsatze, der zweite Band fiir die mittleren und unteren Klassen der Volksschule deren 6<,J.*) In der grossen Reichhaltigkeit neben der selb- standigen Behandlung der Themata liegt der Vorzug der Sammlung. Sie wird sich auch auf dieser Seite des Ozeans viele Freunde erwerben, denn die meisten The- mata eignen sich vortrefflich auch zur Bearbeitung in unsern Schulen.

M. Q.

*) Um unsern Lesern einen Einblick in die Art und Weise der Bearbeitung der Aufsatze dieser Sammlung zu geben, bringen wir an anderer Stelle einige Pro- ben.

III. Eingesandte Biicher.

In St. Jurgen von Theodor Storm. With introduction, notes and vocabu- lary by Arthur S. Wright, Professor of Modern Languages, Case School of Ap- plied Science. Boston, D C Heath & Co., 1901.

Gluck auf. A first German reader by Margareth Miiller and Carlo, Wencke- ttach, Professors of German in Wellesley College. Boston, Ginn & Co., 1901.

Aus dem Verlage von Hermann Beyer, Langensalza: Die medizinisch-padagogi- sche Behandlung gelahmter Kinder. Von Dr. A. Hoffa in Wiirzburg. Sonderab- druck aus der ,,Zeitschrift fiir Kinder- forschung". 1901. Preis 40 Pf.

Aus dem Padagogischen Universitats- Seminar zu Jena. Neuestes Heft. Her- ausgegeben von Professor Dr. W. Rein. 1901. Preis 3 M.

'tiber kiinstlerische Erziehung vom Standpunkt der Erriehungsschule. Mit 4 lithographischen Tafeln von Hermann Itschner. 1901. Preis M. 1.80.

Immanuel Kant, i^ber Padagogik. Mit Kants Biographic, herausgegeben von Prof. Theodor Vogt. Dritte Auflage. 1901. Preis 1 M.

Die Elemente der Psychologic. An- schaulich entwickelt und auf die Pada- gogik angewandt von H. de Raaf, Direk- tor des Konigl. Lehrerseminars zu Mid- delburg. Aus dem Hollandischen iiber- setzt von W. Rheiwe^ Hauptlehrer in Wickruthberg. Zweite, verbesserte Auf- lage. 1901. Preis M. 1.60.

Einleitung in die allgemeine Padago- gik. Von Tuikson Ziller, weiland Pro- fessor der Philosophie und der Padago- gik an der Universitat Leipzig. Zweite Auflage, nach des Verfassers Handexem- plar herausgegeben von Otto Ziller, Pfarrer a. D. 1901. Preis M. 1.80.

Aoriss der Logik und die Lehre von den Trugschliissen. Vierte Auflage, her- ausgegeben von 0. Flugel. 1901. Preis M. 1.60.

Sprach- und Rechtschreibelehre in Beispielen, Regeln und ttbungen fiir Volksschulen. Nach neueren Grund- siitzen bearbeitet von F. Tilger, Haupt- lehrer zu Dusseldorf. 1. Heft, 1. 4. Schuljahr, Preis 40 Pf.; 2. Heft, 5.— 7. Schuljahr, Preis 50 Pf. 1901.

Praparationen fiir den Religionsunter- richt in darstellender Form. Von Paul Staude, Lehrer an der Karolinenschule zu Altenburg. Unterstufe, 1. Heft. 3. Auflage. 1901. Preis 60 Pf.

Kurzes Worterbuch der Deutschen Sprache. Unter Beziehung der gebrauch- lichsten Fremdworter mit Angabe der Abstammung und Abwandlung, bearbei- tet von Friedrich Mann. 5. Auflage. 1901. Preis M. 2.50.

P&dagogisches Magazin. Abhandlun- gen vom Gebiete der Padagogik und ih- ren Hilfswissenschaften. Herausgegeben von Friedrich Mann. Hefte 157 168, 170—174. 1901.

Padagogische Monatshefte.,

PEDAGOGICAL MONTHLY.

Zeitschrift fur das deutschamerikanische Schulwesen. Organ des

Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes.

Jahrgang III. Februar 1902. Heft 3

«

Der Litteraturbetrieb in der Schule, mit besonderer

Riicksicht auf die gegenseitigen Beziehungen der

englischen und deutschen Litteratur.

Vortrag, gehalten vor dem 31. Lehrertag zu Indianapolis.

Von -Pro/. A. R. Hohlfeld, University of Wisconsin, Madison, Wis.

(Schluss.)

An und fur sich ware die geschichtliche Darstellung der gegensei- tigen Beziehungen beider Litteraturen allerdings ein lockendes und fur eine Vereinigung wie den deutschamerikanischen Lehrerbund passendes Vorhaben. Denn da wir alle, die wir hier versammelt sind, fur deutsche und englische Litteratur uns interessieren oder interessieren sollten, so musste eine vergleichende Behandlung der gegenseitigen Einflusse uns gewiss ganz besonders anziehen. Auch ist in den letzten Jahren unter Minder wertigem auch so viel Tiichtiges auf diesem Gebiete geleistet wor- den ich erinnere z. B. nur an mehrere verdienstvolle Untersuchungen dieser Art, die in ,,Americana Germanica" erschienen sind dass eine ubersichtlich zusammenfassende Darstellung des gegenwartigen Standes der Forschung nur von Nutzen sein konnte. Andrerseits ist es ebenso wahr, dass der empfindlichen Liicken noch recht viele sind, die nur durch sorgfaltige Einzeluntersuchungen allmahlich ausgefiillt werden konnen. Ich greife ganz auf gut Gliick einiges des uns Nachstliegenden heraus. Wie viel ist fiir Aufhellung des genaueren Verhaltnisses amerikanischer Dichter zur deutschen Litteratur geschehen? Longfellows Beziehungen zu ihr sind allerdings mehrfach in Einzeluntersuchungen behandelt wor-

74 Padagogische Monatsbefte.

den, aber an einer in hoherem Sinne abschliessenden Arbeit fehlt es uns noch immer.*) Wie aber steht es z. B. um Poe und Emerson, wo das Bestehen interessanter Beziehungen klar zu Tage liegt ? Ich kenne keine diesem Gegenstande gwidmte Arbeit, und Betz in seiner anerkennenswer- ten Bibliographic (La Litterature Comparee, Strassburg, 1900) giebt auch keine Auskunft. Und solcher Beispiele giebt es nur allzuviele. Das 1 6. Jahrhundert, welches an und fur sich betrachtet gewiss eine der interessantesten Perioden deutschen Geisteslebens ist, in einem einfuh- renden Kursus aber unverhaltnismassig knapp behandelt werden muss, kann sich wohl der besten zusammenhangenden Darstellung riihmen, die ihm in Herfords ausgezeichnetem Buche "Studies on the literary rela- tions of England and Germany in the i6th century" zu teil geworden ist. Dagegen fur das uns vor allem wichtige 18. Jahrhundert und auch fur das 19. Jahrhundert konnen wir soweit dem Herfordschen Buche nichts Gleichwertiges zur Seite stellen,*) wenn schon die Einzeluntersuchungen an Zahl und Wert in befriedigender Weise zunehmen.

Was nun die praktische Verwertung der vergleichenden Betrach- tung beider Litteraturen fur den Unterricht betrifft, so finde ich diesen Gesichtspunkt in alien mir bekannten Schulbiichern so gut wie ganz ver- nachlassigt. Dieser Umstand erklart sich mir weniger daraus, dass ein systematisch und wissenschaftlich vergleichendes Studium der deutschen und englischen Litteratur selbst noch jungen Ursprungs ist und noch vie- les zu wimschen iibrig lasst, als vielmehr daraus, dass die Verfasser sol- cher Leitfaden immer zu ausschliesslich nach deutschen Mustern gear- beitet haben. Man scheint sich nie recht klar gemacht zu haben, dass die Behandlung einer Litteratur, der die Schiiler fremd gegeniiber stehen, doch wohl ebensosehr von der Darstellung der eignen Nationallitteratur der Schiiler abweichen sollte, als im rein sprachlichen Unterricht eine ganzliche Verschiedenheit des Vorgehens anerkannt ist und geiibt wird, je nachdem es sich um des Schiilers eigne oder um eine fremde Sprache handelt.

Ankniipfung des Unbekannten an das Bekannte, des Fernerliegen- den an das Naherliegende, des noch Uninteressanten an das bereits In- teressierende ist doch wohl unter alien Umstanden ein gesundes und be- herzigenswertes Prinzip einer vernunftsgemassen Erziehungslehre. Da nun aber, wie oben gezeigt worden ist, gerade der Unterricht in der Lit- teraturgeschichte einer besonderen Vertiefung und Belebung bedarf, so

*) Die kurzlich erschienene Dissertation von J. Perry Worden ,,tfber Longfel- lows Beziehungen zur deutschen Litteratur" ist trotz ihres Titels doch eigentlich mehr eine Zusammenstellung von zwei oder drei Einzeluntersuchungen, als eine wirkliche Gesamtbetrachtung, die das Einzelne im Allgemeinen aufzulosen versteht.

*) Die wichtige zusammenfassende Darstellung Max Kochs (ttber die Beziehu^i- gen der englischen Litteratur zur deutschen im 18. Jahrhundert; Leipzig, 1883) dient doch nur Zwecken rascher andeutender Orientation.

Der Litteraturbetrieb in der Scbule. 75

kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, dass dieses Prinzip hier ganz besonders Beachtung und Anwendung verdient. Dass in jedem Punkte, wo es uns gelingt, die Betrachtung der deutschen Litteratur an eine dem Schiiler mehr oder minder bekannte Thatsache der englischamerikani- schen Litteratur anzuschliessen, dass in jedem solchen Punkte ein pada- gogisch wichtiger Gewinn fur den Lehrenden sowohl als fur den Ler- nenden herausspringt, diirfte niemand ernstlich bestreiten wollen. Die nachste Frage ware demnach: Ergeben sich ungezwungen zwischen den beiden Litteraturen genug Beriihrungspunkte, um Aussicht auf Erfolg in dieser Richtung zu versprechen? Und auch auf diese Frage wiirde wohl niemand, der mit dem intimen Werdegang beider Litteraturen eini- germassen betraut ist, mit einer bejahenden Antwort zogern.

Unter all den Beziehungen moderner Litteraturen unter einander ubertrifft wohl nur das Verhaltnis der deutschen Litteratur zur franzosi- schen dasjenige der englischen und deutschen Litteratur an Ausdehnung und Bedeutung. Obgleich nun manche Beriihrungspunkte zwischen dem deutschen und franzosischen Schrifttum auch in der kiirzesten Dar- stellung der deutschen Litteraturgeschichte aufmerksamste Beachtung er- fordern, so wird man doch, wenn die Darstellung fur amerikanische Schiiler berechnet ist, solche deutschfranzosischen Beziehungen nicht be- sonders in den Vordergrund schieben, ja man wird sich wohl bemuhen, sie nur insoweit zu Wort kommen zu lassen, als unumganglich notig ist. Denn es ist nicht anzunehmen, dass die Mehrzahl der in Frage kommen- den Schiiler mit franzosischer Litteratur und Litteraturgeschichte naher vertraut seien. Das Hervortreten franzosischer Beziehungen bedeutet also im Gegenteil die Einfiihrung eines zweiten fremden Elements, wah- rend bei jeder geschickten Beziehung auf englischamerikanische Ver- haltnisse die Aufmerksamkeit und das natiirliche Interesse des Schiilers aufs wirksamste hervorgerufen und vermehrt werden. Das unwidersteh- liche Interesse, das uns z. B. in fremdem Lande uberfallt, wenn wir in einer fremden Zeitung eine die Heimat betreffende Notiz finden, sei es auch nur ein wohlbekannter Name, ist meiner Meinung nach ohne allzu- grosse tibertreibung vergleichbar mit dem Aufblitzen von Interesse bei Schiilern, die beim Studium der Geschichte einer fremden Litteratur wie- der und wieder auf die lang vertrauten Namen und Thatsachen der eig- nen Litteratur gefiihrt werden. Ist es weise, ja ist es selbst erlaubt, frage ich, solche uns uberreich zu Gebote stehenden Sporn- und Reiz- mittel unbeachtet bei Seite liegen zu lassen?

Und doch, wenn Sie die bestehenden Verhaltnisse einmal rasch bei sich erwagen, in wie weit haben die Verfasser unserer Leitfaden der deutschen Litteraturgeschichte diesem wichtigen Umstande Rechnung ge- tragen? Ich kenne auch nicht ein einziges Werk, in dem der Autor die vielseitigen Beziehungen der deutschen zur englischen Litteratur unver-

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riickt im Auge behalten und nach Gebiihr zur Geltung gebracht hatte. Ja, ich kenne kein einziges derartiges Werk, in dem diese Beziehungen viel kraftiger herausgearbeitet waren, als es in einem ahnlichen, fur aus- schliesslich deutsche Schulen bestimmten Buche so wie so der Fall sein wiirde.

Erlauben Sie mir deshalb, einmal kurz des Naheren auszufiihren, wie und in welchem Masse meiner Ansicht nach dieses Prinzip verglei- chender Darstellung in Schulbiichern und im Unterricht verwertet wer- den konnte.

Am klarsten und einfachsten ist naturlich die Aufgabe, wo es sich nicht um die geschichtliche Behandlung der gesamten deutschen Littera- tur handelt, sondern nur um die Einfiihrung in die litterarische Stellung und Bedeutung eines einzelnen Werkes, d. h. also in den litterarhistori- schen Einleitungen, mit denen unsere besseren Ausgaben der wichtige- ren Texte versehen sind. Naturlich sollte man sich bei einem Werke, wo keine bedeutenderen Beziehungen zur englischen Litteratur vorliegen, nicht verfuhren lassen, auf gesucht kiinstliche Weise dieselben herzustel- len. Das Natiirliche ist auch hier das allein Richtige. Andrerseits ist es aber ebenso falsch, dieser Beziehungen mit keinem Wort zu geden- ken, wo sie klar zu Tage liegen. Ich nenne aufs Geradewohl einige Texte, die zu den am meisten gelesenen gehoren, und bei denen sich wichtige Beziehungen verschiedener Art geradezu aufdrangen : Gotz, Hermann und Dorothea, eine Anthologie deutscher Lyrik, Faust, eine Sammlung von Balladen, Wallenstein u. s. w. Gewisse Punkte lassen sich naturlich nicht umgehen, wie z. B. die Bedeutung von Marlowe's ,,Doctor Faustus'' und der englischen Schauspieler fur den Faust, der Einfluss von Schillers und Goethes Shakespearestudien auf Wallenstein und Gotz. Doch sollten amerikanische Schiiler Hermann und Do- rothea lesen, ohne nachdrucklich auf das Verhaltnis des Gedichtes zu Longfellows Evangeline hingewiesen zu werden?*) Sollte der Gotz ge- lesen werden, ohne dass einerseits Shakespeares allgemeinere Bedeutung fur den jungen Goethe und die Sturm- und Drangbewegung iibersicht- lich geschildert, andrerseits des Dramas Einfluss auf Scott und seine Dichtung wenigstens einigermassen behandelt wiirde? Sollte deutsche Lyrik erklart werden ohne den Versuch, die Schiiler nach Moglichkeit auf interessante Parallelen zwischen einzelnen deutschen und englischen Gedichten und Dichterpersonlichkeiten aufmerksam zu machen und ge- wisse allgemeinere Tendenzen, wie klassizistische, volkstiimliche, natura- listische, romantische u. a., durch Hinweis auf ahnliche Stromungen in der englischen Lyrik verstandlicher zu machen? Sollten deutsche Bal-

*) Dabei ist es prinzipiell ohne Bedeutung, ob wir direkte Beeinflussung an- nehmen oder (wie neuerdings Worden in der oben genannten Arbeit) dieselbe ab- lehnen.

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laden vorgenommen warden, ohne dass zum Beispiel der weitgehende Einfluss von Percy's "Reliques of Ancient English Poetry" auf die deut- sche Dichtung vorgefiihrt wiirde? 1st es unpadagogisch, dem Schiiler des Faust oder Wallenstein die Bedeutung einzelner klassischer Ubertra- gungen dieser Werke ins Englische klar zu machen oder etwa den vor- bildlichen Einfluss des Goetheschen Faust auf Longfellows Golden Le- gend oder Byrons Manfred zu betonen? Doch alles dies sind nur ein paar fluchtig angedeutete Einzelheiten, fur die kaum irgend welche all- gemeinen Regeln aufgestellt werden konnen. Nur sollte jeder Heraus- geber und jeder Lehrer dieser Seite des Gegenstandes sympathische Be- achtung schenken, soweit es in der Natur der Sache begriindet ist. In jedem Falle jedoch sollten die Schiiler durch geschickte bibliographische Verweise, auf die spater noch ausfiihrlicher eingegangen werden soil, auf englische Besprechungen und Essays, auf kiirzere Biographien, sowie auch auf die besten englischen Ubersetzungen hingewiesen werden. Dass die Schiiler durch Benutzung der Ubersetzungen sich die eigne Arbeit wesentlich erleichtern konnten, ist kein Einwand. Denn litterarisch wert- lose Ubersetzungen stehen ihnen leider jederzeit zu Gebote, wahrend die etwaige Benutzung einer wirklich meisterhaften Ubersetzung weniger Schaden als Nutzen bringen wiirde.

Weit schwieriger und verwickelter wird natiirlich die Aufgabe, wo es sich um eine Gesamtdarstellung der ganzen deutschen Litteraturge- schichte handelt. Um so ausgedehnter wird aber auch das Gebiet der Moglichkeiten, um so reicher und nutzbringender die Ausbeute. Auch auf diesem Gebiete kann es sich meinerseits hier natiirlich nur um allge- meinere Andeutungen handeln. Erst ein praktischer Versuch in der systematischen Durchfiihrung des angeregten Prinzips konnte entschei- den, welches in jedem Einzelfalle das beste Verfahren sein diirfte.

Soviel kann wohl zunachst als sicher angesehen werden, dass von den zwei entgegengesetzten Richtungen, in denen die beiden Litteratu- ren vorbildlich fur einander geworden sind, der Einfluss der englischen Litteratur auf die deutsche fur unsere Zwecke der wichtigere ist, womit durchaus nicht gesagt sein soil, dass die Anleihen der englischen Littera- tur bei der deutschen nicht ebenfalls nach Kraften berucksichtigt werden sollten.

Wenn wir allerdings, wie ofter geschieht, den Gang einer Littera- turentwicklung in bezug auf aussere Einflusse mit einem Strome ver- gleichen, dem aus Nachbargebieten grossere oder kleinere Wasserlaufe zustromen, wahrend wieder an andern Stellen Seitenkanale von dem Hauptstrome abzweigen, um ihre befruchtenden Gewasser in die frem- den Gebiete zuriickzufiihren, wenn wir ein solches Bild im Sinne haben, vlann scheinen freilich die nach aussen fiihrenden Abfliisse von ebenso grosser Bedeutung fur das Gesamtbild des Hauptstromes selbst wie die

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ihm zustromenden Nebenfliisse. Doch gleich den meisten Gleichnissen hinkt auch dieses. Das physikalischen Verhaltnissen entlehnte Bild passt nur ungenau auf geistige Erscheinungen. Im Reiche des Geistes macht Mitteilen nicht armer, das Abgeben von Wissen an andre vermindert nicht den eignen Besitz, wie das Abstromen eines Flusses seinen Wasser- stand verringert und seine Eigenschaften verandert. Wahrend also die Beschaffenheit des Hauptstromes einer Nationallitteratur ohne Beriick- sichtigung der fremden Zufliisse nicht geniigend erklart werden kann, so konnten doch die von ihm ausgehenden Verzweigungen in die Nachbar- gebiete meistens ungestraft iibergangen werden. Andrerseits aber sind von unserm Standpunkt aus Beziehungen der letzteren Art also, um zur Wirklichkeit zuruckzukehren, Einflusse der deutschen Litteratur auf die englische insofern den entgegengerichteten Einwirkungen gleich- wertig, als sie nicht minder als diese zur Belebung des Gegenstandes und zur Anlehnung an bereits Vertrautes dienen.

Beide Stromungen verdienen also Beriicksichtigung, wenn schon das Hauptgewicht auf den Einwirkungen der englischen Litteratur auf die deutsche ruhen sollte. Da trifft es sich denn gut, dass in dem vor allem in Frage kommenden 18. Jahrhundert der Einfluss der englischen Litte- ratur auf die deutsche von hochster Bedeutung und Mannigfaltigkeit war, wahrend von einem nennenswerten riickschlagigen Einwirken fur diesen Zeitraum kaum die Rede sein kann, jedenfalls nicht vor Beginn des letz- ten Jahrzehnts des 18. Jahrhunderts.

Sehen wir einmal rasch, wie sich im grossen ganzen die Ebbe und Flut der hin und herstromenden Einflusse auf einander folgt.

Von dem hier vertretenen, rein praktischen Standpunkt aus kann die mittelalterliche Periode nur verhaltnismassig wenig in Frage kommen. Denn, wie wir bereits gesehen haben, ist diese Periode mit Ausnahme der Bliitezeit des ausgehenden zwolften Jahrhunderts in einer ersten Ein- fiihrung in die deutsche Litteratur nur in allgemeinen Ziigen darzustel- len; ausserdem bestehen gerade fur diese Glanzepoche deutscher mittel- alterlicher Litteratur so gut wie keine nennenswerten Beziehungen zum englischen Schrifttum, wahrend die Einflusse seitens Frankreichs aller- dings von hochster Wichtigkeit sind. Zu jener Zeit standen eben beide Litteraturen, die englische wie die deutsche, unter dem Banne franzosi- scher Kultur und franzosischen Geschmacks, so dass sich zwar interes- sante Parallelen mancher Art aber kaum irgend welche direkten Beziige ergeben. Weiter ist natiirlich zu bedenken, dass die meisten der hier in Frage kommenden Schiiler nur recht geringe unmittelbare Kenntnis der mittelalterlichen Litteratur Englands besitzen konnen, dass also der wich- tige Vorteil der Ankniipfung des Fremden an Bekanntes in diesem Fall so wie so in Wegfall kommen wiirde. Auch ist meines Wissens fur et- waige Beziehungen der englischen und deutschen Litteratur von etwa

Der Litteraturbetrieb in der Scbule. 79

1000 bis 1500 selbst seitens der Forschung noch recht wenig geschehen. Das einzige, was sich etwa ungezwungen ergabe, ware bei Gelegenheit der Ritterepen Hartmanns von Aue und Wolframs von Eschenbach eine eingehendere Besprechung der Artussage, die, wenn auch nicht engli- schen Ursprungs, doch jedenfalls auf englischem Boden ihre volkstum- liche Entwicklung und erste litterarische Verwertung gefunden hat und sowohl fur die altere wie fur die neuere englische Litteratur von so gro- sser Bedeutung geworden ist.

Lassen wir also das Mittelalter als fur unsere Zwecke wenig bietend bei Seite, so treffen wir im sechzehnten und im Anfang des siebzehnten Jahrhunderts auf die erste Periode kraftigen und vielseitigen Einwirkens des deutschen Schrifttums auf das englische, welcher dann ganz gegen Ende des achtzehnten und im ersten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts eine ahnliche zweite Periode deutschen Einflusses folgt. Zwischen bei- den liegt ein gleichfalls doppelter Wellenschlag englischen Einflusses. Zunachst finden wir im 17. Jahrhundert die Einwirkung des englischen Dramas sowohl durch das Repertoire der herumreisenden Truppen eng- lischer Schauspieler, als auch auf mehr litterarischem Wege durch die Bedeutung Shakespeares fur den hervorragendsten deutschen Dramatiker des Jahrhunderts, fur Andreas Gryphius, den ,, deutschen Shakespeare". Doch bald wurden diese ersten wichtigen Ansatze englischen Einflusses unterbrochen und auf langere Zeit zu nichte gemacht durch die sich an Frankreich anlehnenden pseudo-klassischen Tendenzen, die in der ersten Halfte des achtzehnten Jahrhunderts den Hohepunkt beinahe unum- schrankter Herrschaft erreichten. Doch ehe noch dieser Hohepunkt iiberschritten ist, konnen wir schon die ersten sich leise regenden An- fange einer neuen Periode englischen Einflusses unterscheiden, der bald darauf aus dem Kampfe Gottscheds mit den Schweizern siegreich her- vorgeht und endlich in der Sturm- und Drangbewegung der siebziger Jahre seinen nachhaltigsten Ausdruck findet.

In Biichern, die fur ausschliesslich deutsche Schiller bestimmt sind, konnen all diese wichtigen Wechselwirkungen natiirlich nur andeutend verwandt werden, und viele davon werden sogar mit leicht erklarlichem Stillschweigen iibergangen. In Leitfaden dagegen, die fur englisch re- dende Schiller berechnet sind, sollten die Verhaltnisse anders liegen. Hier sollten die eben beriihrten Beziehungen nicht nur angedeutet, ge- schweige denn totgeschwiegen werden, sondern auf die in dieser Hin- sicht wichtigsten Dichter und Dichtwerke beider Litteraturen sollte na- her eingegangen werden, und eine vergleichende Behandlung der Kreu- zungspunkte beider Litteraturgebiete sollte sich gleich einem Faden der Ariadne durch die gesamte Darstellung ziehen und dem Schiiler als Weg- weiser dienen im Labyrinth der ihm noch fremden Litteratur.

Abgesehen jedoch von diesen durch das ganze Buch zerstreuten Hin- weisen auf englische Vorbilder und Nachahmungen gehoren meines Er-

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achtens in ein richtig angelegtes Buch der besprochenen Art noch zwei besondere, unserem Gegenstand gewidmete Kapitel. Das eine derselben sollte eine knappe, aber doch zusammenhangende Ubersicht iiber die lit- terarischen Beziehungen beider Lander bieten, in der weniger Gewicht auf Einzelheiten gelegt werden sollte als auf die grosseren Zusammen- hange und ihre litterarische und kulturelle Bedeutung. Der zweite die- ser besonderen Abschnitte sollte in ahnlicher Weise dem monumentalen Gegenstand ,,Shakespeare in Deutschland" gerecht zu werden versuchen. In welcher uns manchmal veriibelten Weise bezeichnen wir nicht mit ge- rechtem Stolz auf die sogenannte Schlegel-Tieck'sche Ubersetzung Shakespeare selbst als einen deutschen Dichter, wenngleich sein Einfluss vor dem Erscheinen dieser Ubersetzung ungleich tiefgehender und er- folgreicher war als je nachher. Und da sollte es nicht Recht und Pflicht sein, der Stellung dieses Dichters innerhalb unserer Litteratur einen be- sonderen Platz anzuweisen in Buchern,' die den Werdegang deutscher Lit- teratur Schiilern erklaren wollen, die alle mit Shakespeare mehr oder minder vertraut sind oder jedenfalls vertraut sein sollten?

Aber auch da, wo keine direkten organischen Zusammenhange be- stehen, kann meiner Ansicht nach noch viel gethan werden, was soweit meist unterlassen worden ist, um den Gegenstand unseren Schulern mehr ans Herz zu legen und ihrem eigensten Empfinden naher zu bringen. Ich meine, dass geschickte Parallelen zwischen deutschen und englischen Dichtern, Werken oder allgemeinen Richtungen uberall angebracht und niitzlich sind, wo sie sich ungezwungen ergeben, selbst wenn keine direk- ten Beeinflussungen vorliegen. Bei dieser Behauptung bin ich mir wohl bewusst, dass die zu weit gehende Vorliebe fur Parallelen und Kontrast- bilder selbst Meistern litterargeschichtlicher Darstellung nachteilig ge- worden ist, insofern als sie sich dadurch haben unbewusst verleiten las- sen, zu gunsten einer vorgefassten Idee vom einfachen Pfade geschicht- licher Treue und Unparteilichkeit abzuweichen. Dem gegeniiber ist aber zu bedenken, dass auch in diesem Falle vorkommender Missbrauch nicht gegen weisen und vorsichtigen Gebrauch ins Feld gefuhrt werden sollte, und dass ausserdem bei dem groberen Holzschnittstil eines Elementar- buchs die feineren Abtonungen rein wissenschaftlicher Darstellung so wie so nicht zur Geltung kommen konnen. Wann und in wieweit von diesem Prinzip, das meiner Ansicht nach fur unsere Zwecke durchaus nicht unbeachtet bleiben sollte, Gebrauch gemacht werden kann, das wiirde wohl die praktische Erfahrung zu lehren haben. Das Prinzip sel- ber aber sollte im Auge behalten werden.

Eine Art kiirzester Parallelenbildung ware es z. B., wenn wir, um gewisse Eigenheiten dichterischer Darstellung zu bezeichnen, unsere schildernden Beiworter zum Teil auch aus der dem Schiiler vertrauten heimischen Litteratur wahlten, wenn wir also z. B., um majestatischen

Der Litteraturbetrieb in der Schule. 81

Schwung zu charakterisieren, neben Klopstock auf Milton und Shelley verwiesen, oder um korrekteste Eleganz der Form zu bezeichnen, neben Platen Pope nennten. Nur eben erwahnte ich ja Andreas Gryphius mit dem nicht von mir gemunzten Namen eines deutschen Shakespeare ; Klop- stock 1st bekannt als der deutsche Milton, Longfellow als der englische Uhland. Parallelen ergeben sich leicht zwischen Poe und E. Th. A. Hoffmann, zwischen dem Hildebrands- und Walthariuslied einerseits und dem Beowulfslied andrerseits, zwischen Hermann und Dorothea und Evangeline, zwischen Hauffs Lichtenstein und Scotts Ivanhoe, zwischen Pope und Gottsched, u. s. w. Natiirlich ist mit blosser Miinzung eines Beinamens nichts gethan, aber ein treffender Hinweis auf das, worin eben die charakteristische tlbereinstimmung beruht, eventuell mit nachbessern- der Angabe der Hauptabweichungen, kann in jeder Hinsicht nur niitz- lich sein.

Hin und wider durften sogar mehr zufallige Notizen zulassig sein, obwohl in diesem Punkte sicher grosste Vorsicht zu uben ware. Solche Angaben wiirden jedenfalls nur dazu dienen, Interesse zu erregen und dem Gedachtnis zu Hilfe zu kommen. Ein praktisches Beispiel durfte am besten zeigen, was mir vorschwebt. Es ist bekannt, wie uberaus po- pular Wielands Oberon in England war, besonders durch Sothebys ge- schmackvolle Ubersetzung, die bereits 1798 erschien. Weniger bekannt dagegen ist es, dass John Quincy Adams, als er von 1797 1801 Gesand- ter in Berlin war, das ganze Gedicht in englische Verse iibersetzte und nur durch das Erscheinen von Sothebys Ubertragung an der Veroffent- lichung seiner eigenen t)bersetzung verhindert wurde.*) Diese Notiz wiirde ohne alles Interesse sein, wenn sie nicht eben den spateren sechsten Prasidenten der Union betrafe. So aber dient sie gewiss dazu, dem ame- rikanischen Schiiler ein leicht verstandliches Interesse fur das Gedicht zu erwecken und ihm dessen allgemeine Beliebtheit einzupragen.

Wahrend jedoch solche halb anekdotenhafte Ziige best en falls nur ganz vereinzelt und hochst vorsichtig Verwendung finden konnten, ist die geschickte Behandlung bibliographischer Nachweise ein durchgangig wichtiger Punkt, dem entweder iiberhaupt keine Beachtung geschenkt wird, oder gegen den durch zuviel ebenso sehr als durch zu wenig gesiin- digt wird.

Der Hauptgesichtspunkt in dieser Hinsicht sollte doch wohl der sein, dass bibliographische Nachweise in einem fur Schuler bestimmten Buche durchaus wertlos sind, wenn sie sich ausschliesslich auf Werke beziehen, die die meisten Schuler nie zu Gesicht bekommen, und die sie jedenfalls kaum wiirden benutzen konnen. Ob es richtig ist, einem Schulbuche Nachweise beizugeben, welche fur die der Nachhilfe bediirftigen Lehrer berechnet sind, ware eventuell eine Frage fur sich, die ich jedenfalls nicht

*) Vgl. F. H. Wilkens' Aufsatz in Americana Germanica 3, 144.

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im voraus verneinen mochte. Andrerseits aber sollte ein Lehrbuch, wenn es uberhaupt Nachweise enthalt und das ist meistens wiinschenswert nicht diejenigen aus dem Auge verlieren, an die es sich in erster Linie wendet. Dies bezieht sich meiner Meinung nach sowohl auf Ausgaben von Texten, die gewohnlich von Angaben falscher Art wimmeln, als auf Lehrbiicher der Litteraturgeschichte, in denen meistens alle bibliographi- schen Angaben fehlen. Und doch waren gewisse Litteraturnachweise, geschickt und umsichtig ausgewahlt, von dem von mir vertretenen Stand- punkt aus von grosser Wichtigkeit, und zwar fur Schiller und Lehrer zu- gleich. Die iiblichen, fast ausschliesslich deutsche Werke berucksichti- genden Nachweise, die wir in unseren besseren Textausgaben finden, kann der Lehrer oder 'graduate student' meistens ebenso leicht aus Goedeke oder einem anderen Nachschlagewerk entnehmen ; Nachweise dagegen, die sich auf englisch geschriebene Biicher und Aufsatze beziehen, sind bei dem jetzigen Stand unserer bibliographischen Hilfsmittel auch dem Fachmanne oft nur mit Miihe zuganglich.*) Das bibliographische Ma- terial, das wir amerikanischen Schiilern bieten sollten, und das natiirlich vorsichtig und mit intimster Sachkenntnis ausgewahlt werden mtisste, liesse sich etwa unter die folgenden Gesichtspunkte bringen: i) Ver- weise auf einige der bekanntesten grosseren Litteraturgeschichten, darun- ter die besseren englischen Werke; 2) Angaben biographisch-kritischer Arbeiten, die in englischer Sprache abgefasst, zuverlassig und doch im guten Sinne des Wortes popular sind, so dass die interessierten Schiiler miihelos und mit Genuss darin nachlesen konnten. Hierbei handelt es sich um kiirzere Einzelbiographieen (wie z. B. von Goethe, Schiller, Les- sing, Heine), um kritische Essays (wie z. B. von Carlyle, Matthew Ar- nold, Dowden u. a.) und um einige passende Artikel in den litterarischen Zeitschriften, die sich an ein allgemeineres Lesepublikum wenden (wie z. B. The Dial, The Atlantic Monthly u. a.) ; 3) Verweise auf besonders zu empfehlende Ausgaben, die durch Einleitungen, Anmerkungen und bei allzu langen Werken durch geschickte Verkiirzung sich besonders fur Schiiler eignen; 4) Nachweise von guten neuhochdeutschen oder engli- schen Ubertragungen der wichtigsten alteren Litteraturwerke (wie z. B. des Nibelungenlieds, Parzivals u. a.) und von beruhmten englischen Uber- setzungen j lingerer Werke (wie z. B. des Wallenstein, des Faust, des Wilhelm Meister u. a.) ; 5) Tabellenmassige Angaben dariiber, welche

*) Ich kann hier nicht umhin, im Vorbeigehen der dankenswerten bibliogra- phischen Listen (von Walter Rippman bearbeitet) in "The Modern Language Quar- terly" zu gedenken, wenn schon unter den angefiihrten Zeitschriften The Journal of Germanic Philology, Americana Germanica, The Nation u. a. fehlen. Gajiz be- sonders wiirde dieses gewissenhaft ausgefiihrte Unternehmen an Wert gewinnen, wenn es moglichst alle in Frage kommenden englischen und amerikanischen Zeit- schriften, auch die allgemeineren Inhalts, griindlich verwertete. Denn gerade in dieser Hinsicht lassen uns die meisten sonstigen Hilfsmittel im Stich.

Der Litter aturbetrieb in der Schule. 83

Werke und in etwa welcher Reihenfolge begabtere Schiiler lesen sollten, um sich einen guten Uberblick iiber die Hauptbewegungen und Haupter- zeugnisse der deutschen Litteratur zu verschaffen; und endlich 6) Ver- weise auf passende englische Biicher iiber Geschichte, Leben und Kunst der Deutschen.

Sie sehen, die von mir fur Elementarbiicher vorgeschlagenen biblio- graphischen Angaben beziehen sich zum weitaus grossten Teil auf eng- lische Arbeiten. Ein gewichtiger Grund dafiir ist gewiss der Umstand, dass die Schiiler, die ich in diesen Ausfuhrungen im Auge habe, deutsche kritisch-historische Werke, die zum grossten Teil in keinem allzu leich- ten Stil verfasst sind, in grosserem Umfang nicht lesen konnten, jeden- falls nicht lesen wiirden. Doch ist dies nicht mein einziger Grund. Denn auch aus ganz allgemeinen Erwagungen scheint es sich mir fast von selbst zu verstehen, dass wir in Biichern, die speziell fur amerikanische oder englische Schiiler bearbeitet werden, die Kritiker, Denker und Dichter englischer Zunge in weit hoherem Masse zu Wort sollten kommen lassen, als das selbst in den von Englandern oder Amerikanern verfassten Leit- faden bis jetzt der Fall ist. Sympathische, verstandnis voile, ebenso wie scharf kritische Urteile konnen wir genug finden. Ich brauche ja nur an Namen wie Carlyle, Matthew Arnold, DeQuincy, Longfellow zu er- innern, um Ihnen eine weit grossere Anzahl fast gleich bedeutender Na- men ins Gedachtnis zu rufen. Was solche Geister iiber die verschiede- nen Erscheinungen der deutschen Litteratur gedacht und gesagt haben, kann uns gewiss mcnt gleichgiiltig sein, wenn wir unsere Litteratur den- jenigen erklaren wollen, die in eben diesen Gedankenbahnen und Anschau- ungsweisen aufgewachsen sind. Fern sei dabei der Gedanke, dass ich wtinschte, ein deutscher Lehrer sollte deutsche Litteratur vom oft einsei- tig verstandnislosen Standpunkt fremden Urteils vortragen. Im Gegen- teil, der wahrhaft bildende und befreiende Wert seines Unterrichts muss zum grossen Teil davon abhangen, in wie weit es ihm gelingt, dem Ver- standnis seiner Schiiler das echt National-Charakteristische, das dem deut- schen Sinne nach Grosse und Erhebende deutscher Dichtung nahe zu bringen. ,,Wer den Dichter will verstehen, muss in Dichters Lande ge- hen", gilt wahrlich nicht nur im sozialgeographischen Sinne, sondern in noch weit hoherem Masse von den Geistesregionen, in denen dieser oder jener Dichter seine Heimat hat. Dieser Standpunkt steht aber durchaus nicht mit den vorher gestellten Forderungen in unlosbarem Gegensatz. Denn erstens finden wir, wie schon gesagt, auch bei vielen fremden Be- urteilern sympathische Auffassung und riickhaltlose Bewunderung des wahrhaft Grossen, andrerseits, wie z. B. im drastischen Falle De Quincey- Goethe, lehren uns engherzige und ungerechte Auffassungen, in welchen Richtungen es wiinschenswert ist, unsere eigenen tlberzeugungen krafti- ger zu betonen und griindlicher durch die Thatsachen zu stiitzen.

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Weitere Vorschlage dieser oder jener Art, die dazu fiihren wiirden, beide Litteraturen dem Schiiler in engerer Wechselwirkung- vorzufuhren und dadurch fiir des Schiilers Verhaltnis zu beiden Litteraturen wertvol- lere und in hoherem Sinne geist- und gemiitbildende Wirkungen zu er- zielen, solcher Vorschlage liessen sich sicher noch manche weiteren den schon gemachten anfiigen.

Das Wichtigste iiber den Gegenstand, der mir schon langere Zeit im Sinne gelegen hat, und der mir mit jedem neuen Jahre vermehrter Er- fahrung wichtiger erscheint, glaube ich jedoch beruhrt zu haben. Zu- nachst kommt es mir ja auch nur darauf an, dem Prinzip als solchem zur Anerkennung zu verhelfen, dass es i) unweise und unpadagogisch ist, einem Schiiler eine fremde Nationalliteratur ebenso vorzufuhren, wie man es mit Schiilern der fremden Nationalitat selbst thun wiirde; dass 2) Leit- faden der deutschen Litteraturgeschichte fiir amerikanische Schiiler nicht einfach den deutschen Lehrbiichern nachahmen, sondern in vielen Punk- ten ihre eignen Wege gehen sollten, und dass 3) eine der wichtigsten die- ser gebotenen Abweichungen in der gbiihrenden Riicksicht auf die Wech- selbeziehungen beider Litteraturen besteht. Das Weitere kann dann ru- hig der allmahlich zu sammelnden Erfahrung der Lehrerwelt iiberlassen ehrlich und voller Verstandnis in dem von mir bezeichneten Sinne ab- werden. Sobald uns nur erst einmal ein tiichtiges Lehrbuch vorliegt, das gefasst ist, so wird die allmahliche Verbesserung seiner Mangel und die weitere Ausbildung seiner Vorzuge sich bald von selbst ergeben.

Nur zwei Punkte mochte ich zum Schlusse noch kurz beriihren. Die von mir vorgefiihrten Verhaltnisse lehren uns auf eine besonders ein- dringliche und iiberzeugende Weise, wie wahr es ist, dass zu einem ge- segneten Erfolg auf alien Gebieten der Erziehung engstes Einvernehmen und Zusammenwirken von Universitat und Schule, von Forschung und padagogischer Verwertung unumganglich notig sind. Denn wenn es uns gelingen soil, in Zukunft die deutsche Litteratur unseren Schiilern in dem angedeuteten Sinne vorzufuhren, so muss die litterarhistorische For- schung uns noch manche ins Tiefe dringende Einzeluntersuchung und noch manchen zusammenfassenden Uberblick bringen. Der Liicken in unserer Kenntnis der Wechselbeziehungen der deutschen und englischen Litteratur sind, wie schon gesagt, noch zahlreiche und recht fiihlbare. Doch wird niemand leugnen, dass das Interesse fiir dieses Gebiet der Lit- teraturgeschichte in raschem Wachsen begrifren ist, und dass dasselbe, manchen erfreulichen Anzeichen nach zu urteilen, gerade hier in Ame- rika eine besonders vielversprechende Entwickelung vor sich hat. Und das sollte so sein. Denn nirgends sonst finden wir eine gleich ausgedehnte Beriihrung und Vermischung deutscher und englischer Kultur, und wie innig und tief wurzelt nicht jede wahre Geisteskultur eines Volkes in seiner Nationallitteratur ! Unsere hoheren amerikanischen Lehranstalten, an denen wir zweifellos weit mehr als irgend sonstwo Lernende und Leh-

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rende finden, die mit Sprache, Leben und Litteratur beider Nationen ver- traut sind, sollten deshalb ganz besonders befahigt und berufen sein, den Wechselbeziehungen im Geistesleben beider Kulturgebiete mit Liebe und Verstandnis nachzuspuren, wie es in verschiedenen Kreisen ja schon auf das anerkennenswerteste geschieht. Das Schone und Tiichtige, das uns soweit geboten worden ist, moge es uns ein vielversprechendes Pfand sein fur die weit reichere Ernte, die wir bei fleissiger Arbeit von der Zukunft zu erwarten berechtigt sind!

Doch Vorrechte, das wissen wir alle, fiihren erhohte Verantwortlich- keiten im Gefolge. Gerade da hier in Amerika wir Lehrer des Deutschen, ohne Unterschied unserer Geburtsheimat, als Vertreter unseres Faches ganz eigenartige Vorteile geniessen, gerade deswegen sind auch die an uns zu stellenden Anforderungen hohere. Es kann meiner Meinung nach von uns in weit hoherem Masse als von alien andern Vertretern einer ,,fremden" Sprache verlangt werden, dass wir selber mit beiden Litteratu- ren, der von uns gelehrten und der der Lernenden, aufs engste vertraut seien. Und besonders fur diejenigen von uns, die in Deutschland gebo- ren und erzogen worden sind, erwachst daraus die Verpflichtung, ernst- lich und unaufhorlich auf eine weitgehendere Kenntnis und ein tieferes Auffassung der englischen Litteratur hinzuarbeiten, wobei denn in aller- erster Linie diejenigen Schriftstucke und Werke in Frage kommen, die den engsten Zusammenhang der beiden grossen Litteraturen verkorpern. Mit Shakespeare und Milton, mit Pope und Addison, mit Thompson und Richardson, mit Ossion und der englischen Balladendichtung, mit Rich- ardson und Young, mit Coleridge und Carlyle, mit Emerson und Long- fellow, um nur einige der wichtigsten Namen aufs Geradewohl heraus- zugreifen, sollte sich jeder Lehrer deutscher Litteratur immer enger be- kannt zu machen versuchen, ohne doch auch andrerseits Fiihlung zu ver- lieren mit denjenigen neueren Dichtern, wie Tennyson und Browning, die ohne besondere Zusammenhange mit deutscher Litteratur den nachhal- tigsten Einfluss auf die hohere Gefuhls- und Gedankenwelt der jetzt le- benden Generation, also auch auf die meisten unserer Schiiler, ausiiben. Dass dariiber selbst seitens des Lehrers, der innerhalb bescheiden beschrankter Grenzen arbeitet, ein immer tieferes Eindringen in die Geistesschatze deutscher Litteratur nicht vergessen werden darf und nicht vergessen zu werden braucht, bedarf wohl keiner besonderen Ausfiihrung. In einem andern, bescheideneren, aber kaum minder edlen Sinne soil dann von den Vertretern und Lehrern deutscher Litteratur hierzulande das stolze Klopstocksche Wort gelten von dem Wettlauf der beiden Musen :

,,Ich seh, o sagt mir, seh ich, was jetzt geschieht?

,,Erblick ich Zukunft? Mit der britannischen

,,Seh ich' in Streitlauf Deutschlands Muse

,,Heiss zu den kronenden Zielen fliegen."

When should German Instruction begin in the Public Schools?

Address delivered by Prof. M. D. Learned before the German Teach- ers' Association of New York City and accepted by the Association as their recommendation to the Board of Education of New York City.

The question is a practical one and must be discussed from the prac- tical and not purely theoretical point of view. It is perhaps rather a question in all American schools, the colleges not excepted, of what can be done, than what, theoretically, should be done. This is particularly true of instruction in modern languages, which are, in the estimation of the people, less necessary than many other subjects.

It may be well to begin with a brief historical survey. For about two hundred years German has been taught in this country, both in private and quasi-public schools. These older schools were, for the most part, church or community schools, some of which have survived to our own time in the cities of Philadelphia and Baltimore.

In the place of this older experiment with community schools has been instituted a still more interesting and instructive experiment of teaching German in the public schools themselves. Either separate schools or separate classes or periods have been set apart in the public school system of various cities for exclusive German instruction, the German language being used as the medium of intercourse between teacher and pupil. To be sure, this instruction has now become restricted in the main to the German hours in which the pupil is expected to read, write and speak the German language.

Such schools, called German-English schools, still exist in the city of Baltimore, Md., although not without the opposition of the Anglo- American element, which seems to be gaining ground. In other cities also, notably Cincinnati, Cleveland, Chicago and Milwaukee, German is taught as the language of instruction in all or most of the lower grades of the public schools. The following reports have been received from the Superintendents of the five great German cities of the central West touching German in the elementary grades (reported Jan. 1901) :

Cleveland "German is taught in all classes below the High School and German is the language of instruction." L. H. Jones, Supt.

Cincinnati German is taught in all grades below the HighSchool ; one half day the first four years, one hour per day the next four. German is the language absolutely in the German hour." R. G. Boone, Supt.

Chicago "German is taught in the 5th, 6th, 7th and 8th grades of our Elementary schools, that is in the four years below the High

When should German Instruction begin in the Public Schools ? 87

School. Teachers use the German language in the classes as much as practicable." G. A. Zimmermann, Supt.

Milwaukee "German is taught in all grades below the High School and as far as circumstances permit, is the medium of communication between teacher and pupil." H. O. R. Siefert, Supt.

St. Louis "German is not taught in any of the classes in the public schools of the city below the High School." F. L. Soldan, Supt.

It is to be noted that in St. Louis German instruction was dropped from the course of study some fifteen years ago, because of a counter- movement in opposition to German interests. The effect of this nativ- istic action is noticeable in many departments of German activity in this strongly German city of the West.

It is thus possible in the large German populations of the West, which are centered in cities, to introduce German into the elementary grades and thus continue the use of German already begun in the home; but where the Anglo-American element preponderates, such a proceed- ure is of course difficult and, in most cases, out of the question. This is amply illustrated in the large cities of the Atlantic seaboard, where German is restricted, for the most part, to the High School and is taught more as a key to the literature or as a tool for practical commercial or scientific purposes than for the language itself as a means of intercourse. This is practically the condition of things with which we are confronted in most of our American schools.

THE SOLUTION.

What then can be attempted with a reasonable possibility of success in the way of German instruction in the Elementary schools of America?

Claims of German. At the outset the importance of German instruc- tion should be made clear to the School Boards and to the public. Much harm has been done the cause of German in America by wild and imprac- ticable, not to say impossible, demands on the part of those who base their arguments on sentiment alone. It is but natural that the German should defend his mother tongue on patriotic grounds and that the Anglo- American teacher of German, although not of German extraction, should defend the subject which gives him his bread and butter, but neither of these cases constitutes an argument for sound educational administration.

The actual claims of German as an essential element in popular edu- cation in America must be clearly understood and concessions must be made by the more radical exponents of the German cause.

It must be recognized that different local conditions require, in the beginning at least, some compromise plan of instruction. It may well be granted that, while German could be introduced at once with advan- tage in the public schools of our large cities, such as New York, Phila- delphia, Baltimore and St. Louis, it would be quite impossible to sud-

88 P'ddagogiscbe Monatsbffte.

denly introduce this subject into the curricula of the smaller towns, particularly those where there is a strongly un-German population.

The following may perhaps give a fair statement of the points upon which all may safely agree:

1) That all American public schools should recognize English as the official language of the school and of general instruction.

2) That no foreign language should be taught in the American public schools simply because the pupils and patrons of the school speak the foreign language in question. If this be not recognized we should have not only German schools, but Hungarian, Polish, Italian as well.

3 That only such foreign languages should be introduced as have a general cultural importance or commercial value for Americans.

4) That the selection of a foreign language for the curriculum of the public schools should be so made as to serve the best ends of the greatest number.

5) That either different classes of schools corresponding in a gen- eral way to the Realschule and Gymnasium of Germany, or different dis- tribution of classes in the same school allowing differentiation and election, as in the case of the Reformgymnasium, should be recognized in the American schools.

6) That all foreign languages, taught in classes ^below the High School, should be treated as living tongues.

7) That the precedence in the curriculum should be given to that language which the conditions seem to require, whether it be Latin, followed by German, or German followed by Latin or French or Spanish.

8) That of all the modern languages German at the present time deserves the first place, both for its cultural and commercial importance.

The cultural claims of German have been making themselves felt for nearly a century and have wrought a complete revolution in Ameri- can ideas and educational method. Our theology, philosophy, physical science, gymnastics, music, linguistic literature, educational systems and even our polite literature have all felt the touch of German thought and method. The result of this revolution was to place German before all other modern foreign tongues as a cultural discipline in our higher edu- cation. The colleges, and the universities all recognize the significance and value of the German language and literature in American education.

A new epoch in this German revolution of American education is now beginning. During the century just passed, the relations of Germany and America have been of a purely cultural nature and the two peoples have been brought into friendly relations by the study of German litera- ture, language and life. The time has now come when the relations of these two countries assume a more seriously practical form. These nations are now recognized rivals in the world of commerce. It thus becomes necessary that the young American should give closer atten-

Wben should German Instruction begin in the Public Schools ? 89

tion to German Geography, German History, German Letters, German Industry and Commerce. The organization of Commercial Departments in our High Schools will furnish the pupils with an opportunity to pre- pare for this new era and will demand a more thorough knowledge of the languages of those countries with which we have commercial rela- tions, particularly of the German, and perhaps to a less degree of the Spanish languages.

SPECIAL ARGUMENTS FOR GERMAN IN THE ELEMENTARY GRADES.

Among the reasons for introducing German into the elementary grades are the following:

i). That a foreign language, in order to be learned thoroughly, must be taught as a spoken and written language. The question of method will soon settle itself with the sensible teacher and the abuses connected with the so-called natural method will not need to be consid- ered. It is a well established fact in the experience of the best teachers that language must be taught and learned with systematic reference to rules of construction.

2). That the High Schools and Colleges have not the necessary time to teach both literature and language, and are obliged to neglect the practical acquisition of the living tongue for the literature.

3). That the acquisition of a speaking knowledge of a foreign tongue should begin while the pupil is still plastic and his imitative fac- ulties are most active. These are years of the elementary grades.

4) . That instead of being a hindrance, the study of a living foreign tongue serves to quicken the interest and inculcate a precision in the production of English sounds which is highly essential for English speak- ing pupils in America, particularly those who live outside of New England. This is a long overlooked but most cogent argument.

5). That German, if introduced before Latin (or Greek), would naturally lead the pupil to regard all foreign languages as living forms of speech and thereby give new interest and zest, even to the study of the classics.

The utterly false and perverse and time-wasting method of teaching Latin and Greek as book-languages has not only wasted the energy and time of whole generations of American pupils, but has to a large extent, defeated the ends of their education in the Classics, neither enabling them to read the great classic writers, with ease, nor to pronounce them with accuracy, but rather has demoralized Classical study in America.

6). That the grade in which German for example should begin, will depend at first upon the local conditions, but that the language should be introduced into the schools of our large cities early enough below the High School to give the pupils a simple speaking and writing knowledge of German, so that they may continue the advanced study either in the commercial or literary courses of the High School.

Die berufliche und finanzielle Stellung des Elementarlehrers.

Vortrag, gehalten vor dem 31. Lehrertag zu Indianapolis.

Von -B. Kuttner, New York.

(Schluss.)

Fasst nun der wahre Lehrer und Erzieher den ganzen Umfang seines Pflichtenkreises von dem hehren Standpunkte auf, wie ich ihnen densel- ben vorzufiihren versuchte, und ist er fahig und geneigt, die Hemmnisse und Widerwartigkeiten zu bekampfen und zu ertragen, die er von seiner erzieherischen Thatigkeit nicht trennen kann, so hat er ein moralisches Recht, fur seine ernste Miihewaltung, fur die gewissenhafte Ausfiihrung der ubernommenen Pflichten ein Equivalent zu verlangen, welches mit seiner Lebensstellung, als dem Bildner der Volksjugend, im Einklang steht. Er verlangt in erster Reihe die soziale Schatzung seines Wertes im Dienst der Erziehung, also die soziale Gleichstellung mit den iibrigen Klassen der Gelehrtenwelt, soil der Stand des Lehrers dem Triebe seiner Thatigkeit, seinem edlen Streben nach offentlicher Anerkennung Geniige leisten.

Dieses Feld findet der junge Streber, nach seiner Lebensauffassung, im Lehrfaoh nicht, und dieser Umstand wird fur ihn zum ersten be- stimmenden Motiv, dem Lehrfach schleunigst zu entsagen. Noch anders aber gestaltet sich das leitende Motiv, wenn wir die Frage in die weib- liche Lehrerwelt hiniiberleiten. Was bestimmt denn die Fran, noch mehr als den Mann, ihrer Thatigkeit als Lehrerin so haufig zu entfliehen? Trotz der hohen Achtung, die ich den weiblichen Fachgenossen hinsicht- lich ihres Wissens und Konnens und ihrer vorziiglichen Leistungen auf dem Gebiete der Padagogik zuerkenne, kann ich doch nicht annehmen, dass beim ersten Eintritt in das Amt der feste Vorsatz sie beseelt, fur die Dauer ihres Lebens sich dem Fache hinzugeben, es sei denn, dass aussere Umstande und Verhaltnisse auf ihre Beharrlichkeit im Amte Einfluss uben. Wohl ist die Frau die natiirliche Erzieherin des Kindes. Die Weichheit und Tiefe des weiblichen Gemiites ist auf die zarteren Re- gungen des kindlichen Empfindungslebens von segensreichem Einfluss. Wo der Mann befiehlt und herrscht, da geniigt sehr oft das milde Wort des Weibes. Aber eben diese schone Eigenart entzieht sie fur die Le- bensdauer dem Pflichtenkreis der Schule. Es kann, bei normalen Ver- haltnissen, nicht ihr Streben, nicht ihr Wollen sein, fur immer die Kinder Fremder zu erziehen. (Present company excepted.) Die Natur hat sie einem andern Wirkungskreise zugewiesen. Sie hat sie zur liebenden Gattin, zur Beraterin des Mannes, zur zartlichen Mutter und Erzieherin

Die berufliche und finan^ielle Stellung des Elemcntarlebrers. 91

ihrer eigcnen Kinder bestimmt. 1st ihr die Gelegenheit geboten, dem Manne ihrer Wahl zu folgen, so entflieht sie gern dem Ort der ihr unlieb- samen Thatigkeit, und findet in der neuen Lebenssphare, wenn die Har- monic der Herzen ihr Biindnis segnet, mehr Befriedigung, als der Krei- destaub-des Schulzimmers ihr je gewahren konnte.

Abstrahieren wir nun die Ihnen vorgefiihrten Griinde fiir den Ab- fall der beiden Geschlechter von der Schule, so tritt ein anderer Beweg- grund auf, der die Fahnenflucht bevvirkt. Er entwickelt sich bei beiden im Schulzimmer selbst. Dem Lehrer wird das Fach verleidet, denn : Nicht jeder Lehrer versteht zu lehren. Es fehlt ihm nicht an Wissen, aber oft das Talent, die natiirliche Begabung, die Empfanglichkeit des Schiilers fiir sein Wissen anzuregen. Wer in das Seelenleben des Kindes nicht hinabsteigen, wer die Herzen der Kinder nicht gewinnen kann ; wer sich in ihrer Gesellschaft nicht glucklich fiihlt, der ist zum Lehrer nicht geeignet. Alle Massnahmen des Lehrers miissen von Liebe und Anhang- lichkeit fiir seine Schiiler durchdrungen sein. Die auf Gegenseitigkeit be- ruhende Herzenszuneigung ist der Inbegriff seines Erfolges als Erzieher. Wo diese innige Beziehung nicht besteht, da fehlt die Disziplin, d. h. die Unterwiirfigkeit des Schiilers unter den Willen des Lehrers ; es fehlt die Seele der erzieherischen Thatigkeit. Mancher kenntnisvolle Lehrer musste der Schule entsagen, weil er die Kunst des Umganges mit Kin- dern nicht verstand.

Was aber ganz besonders den hoffnungsvollen, auf den Ausbau sei- ner Zukunft bedachten Streber dem Lehrfach oft entfremdet, das ist die finanzielle Frage : die stete Erwagung seiner Besoldung und die der Ver- sorgung fiir die dienstunfahigen Perioden seines Lebens, namlich : Alter und Krankheit. Der Mann der Wissenschaft im allgemeinen glaubt, diese, sein materielles Wohl bedingende Frage stoisch ignorieren zu diir- fen, weil sie seinem Gelehrtenstolze, der asthetischen Auffassung seiner Lebensziele widerspreche. Wohl hat der Stoiker Recht, wenn er sagt, dass materielle Giiter als solche das Gliick des Menschen nicht begrun- den ; aber der Weltmann hat nicht weniger Recht, wenn er sagt, dass der Besitz derselben Wohlsein, Behaglichkeit und inneren Seelenfrieden mit sich fuhrt. Sagt uns doch auch ein Geist wie Gothe :

,,Du tragst sehr leicht, wenn du nichts hast, Doch Reichtum ist eine leichtere Last."

In diesem prosaischen Lande besonders verleiht der materielle Be- sitz dem Besitzer Macht und Ansehen. ,,Der gelehrte Arme fordert zu- weilen den Respekt heraus ; der Reiche empfangt ihn ungesucht."

Mit Recht verachten wir den Mann, der den Mammon als Selbst- zweck sucht und ihm alles Hohe und Edle zum Opfer bringt ; aber nichts- destoweniger schatzen wir den Mann, der sich im Streben nach Geld und Gut Freiheit und Unabhangigkeit errungen und bei seinem Uberfluss

92 P'ddagogiscbe Monatsbefte.

die Armen nicht vergisst. Wenn es wahr ist, dass Wissen Macht 1st, so ist es der Geldbesitz nicht weniger, und schlecht stande es um die Wis- senschaft, wenn das Kapital ihr nicht hilfreich zur Seite stande.

Gesittung und Kultur verlangen ein menschenwiirdiges Dasein. Audi der Lehrer beansprucht eine seiner Bildung und der Wiirde seiner Stellung angemessenes Geld-Equivalent fiir seine Dienste. Oder soil der- jenige, der mit dem Inhalt seiner Geisteskrafte des Volkes Jugend ent- wickelt und erzieht, keiner hoheren Besoldung wiirdig sein, als z. B. der Handlungsdiener, das Ladenmadchen, der Hausknecht oder Kellner, die also nur den niederen Interessen des Menschen dienen? Die materiellen Bediirfnisse sind gestiegen mit dem Geist der Zeit. Die Lebensweise der primitiven Naturmenschen vertragt sich mit dem kulturellen Leben nicht. Eine Lebenslage also, die uns die bescheidenen Existenzbedingungen ver- sagt, ist fiir Geist und Seele ein beklagenswerter Zustand. Tief und schmerzlich empfinden wir den Dfuck der Armut und des Mangels in den Tagen der Stellenlosigkeit, der Krankheit, oder wenn das Alter unmerk- lich seinen Einzug bei uns halt, falls der Staat oder die Gemeinde dieses Damoklesschwert nicht von unsern Hauptern abwenden will.

Zur Begrundung dieser Frage entnehme ich dem letztjahrigen Be- richte des Pensionskomitees der N. Y. State Teachers' Association einige Satze : How many teachers, after spending years in the schoolroom can save a competency for old age? Very few. The reason for this is, the low salaries which are paid, particularly in the rural districts. Some trustees consider $300 per year an enormous salary. They think that a teacher, especially a woman, ought to save a considerable amount of that.

We all know, however, that after our necessary living expenses are deducted, there is very little left, unless we deny ourselves all social life, books relating to our profession, attendance on educational meetings and practice the most rigid economy. Then, if a teacher on account of illness, is obliged to relinquish teaching for a year, or even 6 months, the small amount, which they have been able to save, is swallowed up in the neces- sary expenses incident to illness. I firmly believe, that worry rather than work is the cause of much of the nervous strain, under which so many teachers labor.

Dass also der diensttreue Lehrer iiber seinen intellektuellen Inter- essen seine materiellen Selbstinteressen nicht riicksichtslos vergesse, dazu giebt Ihnen dieser Bericht eine geniigende Anregung. Diese Riicksichts- nahme ist von einer gesunden Lebensansicht nicht zu trennen. Den ma- teriellen Gutern als Wesenheit darf der Lehrer wohl entsagen, eine sor- genfreie Zukunft kann er nicht entbehren. Liberale Besoldung, eine vom Getriebe des politischen Lebens unabhangige Stellung, sowie eine den Verhaltnissen entsprechende Krankheits- und Altersversorgung darf er als unverausserlich.es Menschenrecht von der Gesellschaft fordern.

Editorielles. 93

Dass der Lehrerbund seine gemeinsame Thatigkeit auch nach dieser Rich- tung hin zu entfalten suche, ware gewiss im Interesse der Vorsicht und Selbsterhaltung dringend geboten. Es lasst sich allerdings nicht leug- nen, dass auch fur unser materielles Wohl der Himmel sich zu klaren beginne. Humanitat und Einsicht verbiirgen uns mit der Zeit eine bes- sere Wiirdigung unseres Wirkens und mit ihr eine bessere, materielle Lebensstellung. Mit Genugthuung diirfen z. B. die New Yorker Lehrer auf ihre neuesten legislativen Errungenschaften in dieser Beziehung hin- weisen. Nur darf der Lehrer selbst auf der betretenen Barm nicht stille stehen. Unaufhaltsam und emsig muss er sein Arbeitsfeld bebauen, da- mit die Friichte, die er zeitigen will, nicht durch seine Schuld verloren gehen. Von dem Allgemeincharakter seines Wirkens hangt es ab, ob er die soziale, fachliche und pekuniare Anerkennung, die er von der Gesell- schaft fordert, zu Rechtsanspriichen erheben darf. Und besonders wir, die deutschen Lehrer dieses Landes, sind noch nicht am Endpunkt unserer Ziele angelangt. Noch ist die Mission, die wir verfolgen, nicht erfiillt. Wohl zieht der deutsche Denker- und Forschergeist, deutsche Griindlich- keit und Lehrertreue in die Lehranstalten des Landes ein. Wohl diirfen wir mit Stolz auf unsere Schopfung, auf das deutsche Lehrerseminar des Westens deuten. Denn jene Statte soil der Boden sein, auf dem deut- scher Geist, deutsche Bildung und die deutsche Zunge sich zu neuer Fruchtbarkeit entfalten. Auf diesem Boden sollen Pestalozzis und Fro- bels herrliche Ideen von neuem bliihen und gedeihen, und ihre Jiinger sollen sie pflegend in weitere Kreise tragen. Aber soil das Werk ganz gelingen, so ist es unsere Pflicht, mit Einmiitigkeit und Treue an unserem Bunde festzuhalten, um mit vereinten Kraften, in harmonischem Zusam- menwirken den noch festen Bau des Nativismus umzustiirzen und die Vorurteile zu besiegen, die der guten Sache drohen. Beherzigen wir un- seres grossen Altmeisters Wort :

,,Lasst, o lasst uns nicht crmatten ! Nein, es sind nicht leere Traume; Jetzt nur Stangen, diese Baume Geben einst noch Frucht und Schatten."

Editorielles.

Der Besuch des Prinzen Heinrich. Das politische Gebiet ist fur uns terra incognita, und wir wollen uns darum auch nicht allzuweit heinein wagen. Aber, wenn auch auf die Gefahr hin, von Pseudopatrioten unde- mokratischer Gesinnungen geziehen zu werden, so bekennen wir dennoch, dass wir uns des deutschen Prinzenbesucb.es aufrichtig f reuen ; und wir

94 P'ddagogiscbe Monatsbefte.

wiinschen nur, dass Prinz Heinrich jenseits des Ozeans nach seiner Riick- kehr von recht vielen und nur angenehmen Eindriicken aus unserer gro- ssen Republik zu berichten haben moge. 1st die Entsendung des Prinzen auch nur ein Akt der Hoflichkeit, so sind derartige spontane Hoflichkeits- bezeugungen, welche weder durch Pflicht noch durch Zwang diktiert wer- den, so wie sie freundliche Gesinnungen zwischen einzelnen Person en befestigen, auch geeignet, Nationen einander naher zu riicken , besonders wenn kein Grund zur Feindschaft vorhanden ist, im Gegenteil aber zahl- reiche Ankniipfungspunkte ein freundschaftlich.es Verhaltnis nahe legen. Dass uns Deutschamerikanern daran liegen muss, das Freundschafts- verhaltnis zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland so fest als nur moglich gekniipft zu sehen, wer wollte uns deswegen tadeln? Wir sind mehr vielleicht, als die Amerikaner anderer Abstammung davon iiberzeugt, dass die kulturellen Errungenschaften des deutschen Stammes einen wertvollen Beitrag zur Entwickelung unseres Landes bilden, und dass andererseits die grosse Bedeutung der Vereinigten Staaten in Deutschland noch nicht zur Geniige anerkannt wird. Die gegenseitige Wiirdigung und Wertschatzung aber ist die sicherste Grundlage zu einem freundschaftlichen Verhaltnis. Wir fmden sie wohl bei den in Politik und Wissenschaft leitenden Personen beider Nationen, aber nicht in glei- chem Masse in den breiten Schichten der Volker ; denn die grosse Masse ist schwer beweglich und beharrt nur zu gern in einmal gefassten Vorur- teilen, von denen sie nur durch einen besonderen Anstoss befreit werden kann. Wir hoffen, dass der Besuch des Prinzen Heinrich diesen Anstoss geben wird, schon insofern, als durch denselben die Augen beider Natio- nen auf einander gerichtet werden. Wenn der Amerikaner und der Deut- sche sich nur erst gegenseitig mit wohlwollendem Auge zu betrachten ler- nen, werden sie beide erkennen, dass der andere doch nicht so schlimm ist, als er ihnen bisher von guten Freunden (?) geschildert worden ist. Ob fur uns deutschamerikanische Lehrer auch ein grosseres Scherflein von Anerkennung unserer Bestrebungen abf alien wird? Wir wollen we- nigstens das Beste hoffen!

Wann soil mit dem Unterricht der deutschen Sprache begonnen wer- den? Obgleich diese Frage von seiten der Lehrertage seit Jahren bereits mit Entschiedenheit dahin beantwortet worden ist: So friih, als es die Umstande gestatten ; womoglich im Kindergarten so fanden wir darin nicht immer die Zustimmung unserer Kollegen an Hochschulen und Uni- versitaten, wie diese auch uber die Ziele des deutschen Sprachunterrichts von unserer Ansicht abwichen. Nun ist die obige Frage von neuem auf- genommen worden, diesmal nicht von einem Lehrer der Volksschule und vor Volksschullehrern, denen man immer vorwerfen konnte, dass sie pro domo sprechen, sondern von einem der wiirdigsten Vertreter auf dem Ge-

Editor idles. 95

biete des fremdsprachlichen Unterrichts in unserem hoheren Schulwesen und vor einer gleich tonangebenden Versammlung. Professor Learned hat damit den Stier bei den Hornern gefasst, und, wenn je, so sollte die Frage nunmehr eine endgiltige, allgemein anzuerkennende Losung er- halten.

Es ist eine der wichtigsten, ja die wichtigste Frage fur den Erfolg und darum Bestand des deutschen Unterrichts. Wir empfehlen deshalb unseren Lesern den in diesem Hefte erscheinenden Artikel Prof. Learneds ihrer Aufmerksamkeit und bitten alle diejenigen Befiirworter und Geg- ner die sich zu demselben aussern wollen, dies zu thun. Die P. M. sind hiermit zu einer objektiven Diskussion dieser Frage zur Verfiigung ge- stellt.

Unser diesjdhriger Lehrertag. Mit dem Beginn des Monats Februar erreichten wir den Gipfel des Schuljahrsberges und gehen nunmehr berg- ab, dem lieblichen Ferienthale entgegen, in welchem wir die Erholung nach der anstrengenden Partie zu finden hoffen und, nach echter Berg- fexenart, neue Krafte sammeln wollen, um dann mit frischem Mute einen neuen Ausflug anzutreten. Wie nach einer, wenn auch anstrengenden, so doch Geist, Herz und Gemiit erfreuenden Gebirgswanderung sich die Wanderer zusammenfinden, ihre Erlebnisse und Erfahrungen austau- schen und neue Plane entwerfen, so ist auch uns nach unserer Wanderung iiber den Schuljahrsberg Gelegenheit geboten, solches zu thun, und zwar sind es die Lehrertage, welche diesem Zwecke dienen sollen.

Wir iiberlassen es unsern Lesern und Leserinnen, den Vergleich zwi- schen unsern Lehrertagen und dem Aufenthalte in der gastlichen Her- berge im Thale weiter auszuspinnen, und wollen nur noch darauf hinwei- sen, dass unsere Freunde in Detroit sich rusten, dem diesjahrigen Leh- rertage eine freundliche Herberge zu bereiten. Friihere Schiiler Herrn Feldners, eines der Griinder des Lehrerbundes, und andere hervorragende Vertreter der deutschamerikanischen Biirgerschaft Detroits haben sich or- ganisiert, um die Vorbereitungen zu treffen, und an uns ist es, nun auch das Unsere zum Erfolge beizutragen. Der President des Bundes, Herr Seminardirektor Dapprich (558 Broadway, Milwaukee, Wis.,) und sein Sekretar, Herr Emil Kramer (1334 Broadway, Cincinnati, O.,) sind ge- genwartig daran, das Programm fiir den Lehrertag zu entwerfen. Da heisst es : Freiwillige vor ! Mochten sich recht viele zu Vortragen mel- den, damit den Herren die Arbeit nicht zu schwer wird. An Fragen, die der Besprechung wert sind, fehlt es sicherlich nicht. Sollte aber jemand um ein Thema verlegen sein, dann werden die genannten Herren mit Vor- schlagen bereitwilligst aufwarten. M. O.

Allerlei.

Engere Verbindurtg der Freiubungen mit dem Sprachunterricht. Frl. Julia Paul gab in einer Versammlung der deutschen Lehrer Milwaukees iiber die Verbin- dung der Freiubungen mit dem Sprachunterricht folgende beachtenswerte Rat- schlage: ,,Gebt mir zu thun, das sind reiche Gaben, Das Herz will nicht ruh'n, will zu schaffen haben".

In diesen den Kindern zulieb geschriebenen Worten des Altmeisters Goethe liegt eine ernste Mahnung fiir alle Erzieher und Erzieherinnen.

Die Kinder wollen nicht immer still sitzen, sehen und horen, sie wollen auch betasten, riechen, schmecken, hiipfen, tanzen, laufen, springen. Dieses merkt man wohl im ersten Schuljahr; je mehr Abwechslung man ihnen giebt, je leichter er- scheint ihnen die Arbeit.

Unsere Aufgabe ist es, ihnen unbewusst und spielend die deutsche Sprache bei- zubringen. Wie gern nimmt das Kind den Zeigestock und zeigt auf die Gegen- stande, wonach gefragt wird.

Eine schone Abwechslung bieten die Freiiibungen und lassen sich ebenfalls mit dem Sprechen sehr gut verbiuden. Alles, was das Kind thut, soil es hier auch in kurzen Satzchen sagen; z. B., der erste Befehl ware: Hande auf den Riicken legt! Wo sind deine Hande? Meine Hande sind auf dem Riicken. Hande aufs Pult legt! Wo sind deine Hande? Meine Hande sind auf dem Pult. Wie viele Hiinde hast du? Hebt die rechte Hand! Hebt die linke Hand! Hebt beide Hande! Hande aufs Kopfchen legt! Hande auf Schultern legt! Hande auf Hiiften stiitzt! Hande in den Schoss legt! Schiittelt die Hande! Macht eine Faust! flffnet die Hande! Schliesst die Hande!

Wahrend die Kinder diese kleinen tfbungen ausfiihren, werden die Fragen von den Kindern beantwortet, erst von einzelnen, dann ab und zu im Chor ; z. B. : Meine Hande sind auf dem Pult. Ich habe zwei Hande. Ich hebe die rechte Hand. Ich hebe die linke Hand. Ich hebe beide Hande. Ich schuttle meine Hande. Ich mache eine Faust. Ich 6'ffne die Hande. Ich schliesse die Hande.

Dieselben 'tfbungen werden auch stehend ausgefiihrt, nur darf man nicht zu viel nehmen, da Kinder leicht ermiiden.

Sind wir miide, so falten wir die Arme und setzen den linken Fuss vor. Der Korper ruht auf dem rechten Fuss oder umgekehrt. Was thun wir jetzt? Wir ruhen uns aus. Warum? Wir sind miide.

Der nachste Befehl ware: Grade steht! Fersen geschlossen! Arme zur Seite! Wie sollen wir stehen? Wir sollen grade stehen. Wie sollen die Fersen sein? Die Fersen sollen geschlossen sein. Wie viele Fersen hast du? Ich habe zwei Fersen. Wo sollen die Arme sein? Die Arme solien an der Seite sein.

Der nachste Befehl ware: Arme zum Stoss beugt! Vorwarts stosst! Zuriick! Wie sollen wir stossen? Wir sollen kraftig stossen. Nun stossen wir kraftig acht mal vorwarts. Wir stossen dann seitwiirts, hoch und tief. Mit den Handen und Armen lassen sich noch andere tfbungen machen, z. B. schwimmen, hammern, nahen, waschen, u. s. w.

Die Kinder sagen ebenfalls, was sie thun. Wir schwimmen; wir niihen; wir hammern; wir waschen. Ich schwimme. Karl schwimmt. In derselben Weise werden die Bein- und Rumpfiibungen ausgefiihrt.

Die Kinder sollen nicht nur die ttbungen machen, sondern sie sollen hauptsach- lick sagen und verstehen, was sie thun, denn der Hauptzweck, den wir deutsche Lehrer durch die 'ttbungen verfolgen, ist weniger die korperliche Ausbildung als die yeistige Ausbildung durch Erweiterung ihres Wortschatzes. (Fiir die P. M.)

AUerlei. 97

isbcr das Chorsprechen. I. Wert. Als einem vorziiglichen Mittel zum Zwecke der Pflege eines schonen miindlichen Vortrages ist dem Chorsprechen eine sorgfal- tige Aufmerksamkeit zuzuwenden.

a) Es ist ein vorziigliches Mittel, um selbst ein stumpfes Ohr fiir den reinen Klang eines Lautes empfanglich und zum Unterscheiden desselben von verachwom- menen Lauten fahig zu machen.

b) Durch das Chorsprechen wird der Lehrer am ehesten auf eingeschlichene Fehler in der Aussprache aufmerksam, was beim Einzelsprechen oft unbedeutend erscheint, gewinnt eine ganz andere Gestalt, wenn es uns von einer ganzen Klasse entgegenschallt.

Das Chorsprechen und -Lesen weckt das Gefiihl fiir die Schonheit der Sprache, hebt den Sinn fur Rhytmus und feinere Messung; es erhoht die Freude der Schiller am Sprechen iiberhaupt. Der minder Tiichtige streckt sich unwillkiirlich nach dem Bessern und sucht es ihm gleichzuthun. Es gewohnt die Schiller an eine geordnete gemeinsame Thtitigkeit und fordert eine gewisse Herrschaft iiber die Sprachorgane und eine grosse Anspannung aller seelischen Kriifte. In den Zaghaften wird Zu- trauen zu der eigenen Kraft geweckt; die Triigen werden ermuntert, die Flatter- haften geziigelt.

d) Durch den grosseren Nachdruck, mit welchem das taktmassig Zusammen- gesprochene ins Ohr und durch dieses in die Seele dringt, wird dasselbe unauslosch- licher dem Gedachtnisse eingepragt, Spriiche, Liederverse und die gefundenen Haupt- wahrheiten in anderen Gegenstanden durch Chorsprechen leichter memoriert.

e) Das Chorsprechen ist in der Hand des Lehrers ein nicht zu unterschatzendes Mittel zur Aufrechterhaltung guter Disziplin: Die Regelung der Geschwindigkeit des Chorsprechens, der Tonhohe und Tonstarke durch das einheitliche Kommando gewohnt die Schiller daran, dem geringsten Wink des Lehrers Folge zu leisten.

f) -Es dient zur Beseitigung einer durch ungiinstige Temperaturverhaltnisse oder ermiidende Denkthiitigkeit eingetretenen Erschlaffung der Gemiiter; es ist ein Mittel zur Belebung der Lust und Freude am Unterricht, der erfrischenden Abwech- selung im Einzelsprechen.

//. Behandlung. Die Ausfiihrung des Chorsprechens erfordert eine sorgfaltige Vorbereitung. Die schone Wirkung des Chorsprechens ist durch Interesse und Ver- stiindnis der einzelnen Mitwirkenden bedingt. Daher miissen die Schiller zuerst im Einzelsprechen das Erforderliche leisten und sowohl in das Verstandnis des Inhalts als auch in dasjenige des edlen Vortrages des betreffenden Sprachstiickes eingeftihrt sein.

Damit die Gesamtaussprache eine tadellose sei, ist darauf besonderes Gewicht zu legen, dass die Einzelnen deutlich und rein aussprechen, die Satzzeichen gewis- senhaft beachten und richtig betonen.

Bei der Vereinigung vieler Stimmen ist Miissigung der Stiirke der einzelnen ein Haupterfordernis.

Das gleichmassige Einsetzen der Stimmen, Tempo und Takt, die Steigerung und Abnahme der Tonstarke, sind unter Anwendung einfacher und unaufflilliger Mittel bis zur vollkonmienen Sicherheit einzuiiben.

Die Auswahl des Stoffes fiir das Chorlesen geschehe mit grosser Vorsicht. (Fiir die P. M.)

Ein Druckfehler in der Mignon-Ballade. Im vorjiihrigen Goethe-Jahrbuch (Bd. 22, 8. 262) sucht Franz Kahn einen Druckfehler in der auch vielfach in Lesebiichern abgedruckten Mignon-Ballade nachzuweisen. Darnach ist der Vers:

,,Dahin! dahin Mocht ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn "

98 Padagogiscbe Monatshefte.

durch einen schweren, in die Gewohnheit iibergegangenen Druckfehler entstellt. Ss iniisste richtig heissen:

..!)ah in I dah in

Mocht ich mit dir, o mein Gebieter, ziehn."

Thatsachlich steht in den beiden einzigen von dem Gedicht existierenden Hamd- schriften nicht ,,Geliebter", sondern ,,Gebieter". Dass aber Goethe selbst die hier- nach zweifellos urspriingliche Fassung ,,Gebieter" nachtraglich in ,,Geliebter" umgc- andert haben sollte, ist aus inneren Griinden sehr unwahrscheinlich ; unwahrschein- licher, als die Annahme eines dauernd iibersehenen Druckfehlers. Wer jemals jene einzige, riihrende, von der hochsten Poesie verklarte Gestalt vor seinem geistigen Auge hat erstehen sehen, der wird das ,,Geliebter" auf Mignons Lippen man mag den Ausdruck noch so kindlich deuten als eine grelle Dissonanz empfinden. Es wird ihm wie eine Blasphemie erscheinen, dass jenes wunderbare tiefverschlossene Kind sein innerlichstes, schmerzlichstes Geheimnis offen preisgebe, dass es jene ,,leb- hafte und gewaltsame Leidenschaft", an der sein heisses und krankes Herz verblu- tet, in philinenhafter Deutlichkeit selbst ans Licht zerre; dass es vor Wilhelm Mei- sters Thiir in persb'nlichster, unzweideutiger Anrede singen soil: ,,o mein Gelieb- ter!" ( Osterreichischer Schulbote.)

Das Geschlecht der englischen Fremdworter im Deutschen. Dr. J. Ernst Wiil- fing (Bonn) bespricht in Nr. 12 des letzten Jahrganges der Zeitschrift des Allge- meinen Deutschen Sprachvereins einen von Charles Bundy Wilson, Professor an der Universitat des Staates Iowa, vor einer Versammlung der "Modern Language Asso- ciation" gehaltenen Vortrag iiber das obige Thema. Seinen Ausfiihrungen entneh- men wir folgendes:

In seiner Einleitung bespricht und erklart Wilson die verschiedenen Anschau- ungen und Annahmen iiber die Entstehung des sogenannten grammatischen Ge- schlechtes, d. h. also kurz: iiber die Frage, weshalb man z. B. ,,die Harfe", aber ,,das Horn" sagt, weshalb ,,die Eiche, aber ,,der Ginster" u. s. w. , wie sie Adelung und Grimm, anderseits Brugmann und drittens der Amerikaner Wheeler aufgestellt haben, ohne sich selbst aber fiir eine davon zu erklaren oder gar eine neue aufzu- stellen; ist doch auch gerade diese Frage eine der allerschwierigsten der ganzen Sprachwissenschaft.

Wilson hat das Geschlecht der englischen Fremdworter im Deutschen nach den Fremdworterbiichern von Heyse, Sanders und Sarrazin und nach einigen anderen Hilfsquellen untersucht (die mit natiirlichem Geschlechte ausgeschlossen ) und in einer Liste, die aber keinen unbedingten Anspruch auf Vollstandigkeit machen soil (so fehlen z. B. yeomanry, bunker, cheviot), 392 davon zusammengestellt. Dabei hat er die wertvolle Beobachtung gemacht, dass das im Deutschen angenommene ( gramma tische ) Geschlecht der Fremdworter durchaus nicht immer dasselbe ist, dass diese Worter im Altenglischen hatten, in dem bekanntlich im Gegensatz zum heutigen Englisch das Geschlecht noch erkennbar war und mannigfach ausgedriickt wurde; vielmehr richtet es sich, wie er weiter nachweist, nach den verschiedensten Grundsatzen. Zunachst geben wir englischen Wortern, die wir im Deutschen an- wenden, dasjenige Geschlecht, das bei uns stommverwandte Worter haben; so sagen wir ,,das home" wie ,,das Heim", ,,die coach" wie ,,die Kutsche". Anderseits geben wir ihnen dasjenige, das sirmverwandte deutsche Worter haben, also: ,,die yard" wie ,,die Elle", ,,das baby" wie ,,das Kind". Ferner bestimmt uns die Endung des englischen Wortes, es als mannlich, weiblich oder sachlich zu gebrauchen; so sagt man im Deutschen ,,der mob", ,,die office". Weiter kann uns die Zugehorigkeit des ausgedruckten Begriffes zu einer grosseren Gruppe die Geschlechtsbestimmung eines

Allerlei. 99

englischen Wortes beeinflussen, und wie wir ,,die Zwei", ,,die Drei" sagen, well es ,,die Zahl" heisst, so sagen wir auch ,,der rum", ,,der grog", ,,der sherry", well es ,,der Wein" heisst, ,,das ale", weil es ,,das Bier" heisst, ,,das cricket", ,,das ten- nis", weil wir ,,das Spiel" sagen, ,,der buckskin", ,,der shirting", weil es ,,der Stoff" heisst. Endlich aber so ftihrt Wilson aus spielt auch die Willkiir sehr haufig bei solcher Geschlechtsbestimmung eine Rolle, und so spricht man z. B. so- wohl von ,,der postage" wie von ,,dem postage". Der Verfasser beriihrt bei diesem Punkte auch die viel erorterte Beeinflussung des Deutschen durch das Englische bei der weiblichen Bezeichnung aller Schiffe, selbst wenn ihr wirklicher Name ein mann- licher ist.

Als Ergebnis seiner Untersuchung stellt Wilson schliesslich fest, dass sowohl die Form der englischen Worter wie ihre Bedeutung Einfluss auf die Bestimmung ihres Geschlechtes im Deutschen haben konnen, dass also die Anschauung Adelungs und Grimms so gut wie die Brugmannsche, und damit auch die des Amerikaners Wheeler, die jene beiden verquickt, zu ihrem Rechte kommen.

Sehen wir nun noch die Liste der von Wilson verzeichneten 392 im Deutschen vorkommenden Worter durch, so bemerken wir zu unserer grossen Genugthuung, dass die Mehrzahl dieser Worter ausgesprochene Fachworter sind, die der Durch- schnitts-Deutsche gliicklicherweise gar nicht zu kennen braucht. Ob nun bei die- sen, die ich zum grossten Teile im Deutschen bisher weder gelesen noch gehort habe, das Geschlecht von Wilson oder auch von seinen Gewahrsmannern immer richtig angegeben ist, wage ich nicht zu beurteilen. Bei manchen der anderen Worter bin ich anderer Ansicht iiber das bei ihnen gebrauchliche Geschlecht, und selbst wenn Heyse, Sanders, Sarrazin und Duden, die Wilson benutzt hat, es gerade so angeben, glaube ich doch meine abweichende Anschauung daruber mitteilen zu sollen; denn ich habe das Gefiihl, dass nirgendwo mehr ein Schwanken iiber die Geschlechtsbe- bestimmung herrscht als gerade hier, nirgendwo mehr das Sprachgefiihl des Ein- zelmenschen mitspricht. So sage ich nicht ,,der bicycle" und ,,der oder die ( ! ) tri- cycle" — wie Wilson will , sondern ,,das bicycle" und ,,das tricycle" ; so und nur so iibrigens auch Duden und Heyse, wahrend Sarrazin beide als ,,mannlich und sachlich" bezeichnet. W. sagt ,,das cab"; ich habe das Gefuhl, als miisste ich ,,der cab" sagen, und als hlitten wir auch so in meiner Jugendzeit in Elberfeld ge- sagt, als dort einige dieser englischen Droschken verkehrten. So wtirde ich umge- kehrt ,,das calico" sagen statt ,,der calico", wie W. will, und vielleicht im Gedan- ken an ,,die Urkunde" von ,,einer charter" sprechen statt von ,,einem charter" (sachlich). Neben ,,der check" verzeichnet W. ,,das check"; wird so wirklich ge- sagt? Wilson sagt ,,das cold-cream", ich und andere aber sagen ,,der cold-cream" im Hinblick auf das franzosische Fremdwort ,,der cr6me", das hinwiederum im Franzosischen selbst bekanntlich weiblich ist, von vielen allerdings auch im Deut- schen so gebraucht wird, und zwar immer in der iibertragenen Anwendung: ,,die cr6me der Gesellschaft. Ich sage, und habe oft gehb'rt und gelesen, ,,die cottage" wohl wegen : ,,die Hiitte" , W. will mit Heyse ,,das cottage" ; so sage ich f erner mit vielen anderen ,,die county" (Grafschaft), W. ,,das county", ,,das joint", W. ,,der joint", ,,der match", W. ,,das match", ,,der pie" (so auch im Davidisschen Kochbuche), W. ,,das pie", ,,der share" nicht ,,die" oder ,,das share", wie W. angiebt. Ich wtirde auch ,,die stamp" und ,,die view" sagen (wie ,,die Marke" und ,,die Ansicht" ) , nicht ,,das stamp" und ,,das view", wie W. will, wenn ich diese W6r- ter iiberhaupt im Deutschen anwendete.

(Fortsetzung folgt.)

Berichte und Notizen.

I. Versamtnlung der ostlichen Abteilung der ,, Modern Language Association of America".

(Fur die Padagogi^chen Monatshefte.)

Von Arthur F. 1*. Kemy, Columbia University, New York.

Die neunzebnte jiihrliche Versammlung der "Modern Language Association of America" wurde letztes Jahr am 26., 27. und 28. Dezember in der Harvard Univer- sitat abgehalten und erfreute sich eines recht zahlreichen Besuches. Die Versamm- lung wurde am 26. Dez. mit einer Begriissungsansprache des Prasidenten Eliot er- offnet, und nach Erledigung der Geschafte u. s. w. begannen die Vorlesungen, wovon fiir den deutschen Fachmann diejenige Dr. Walz's iiber die Schwiibischen Journa- listen und die amerikanische Revolution von besonderem Interesse war. In pada- gogischer Hinsicht war das Interessanteste der Bericht der padagogischen Abtei- lung, welcher von Professor Mead (Wesleyan Universitat) vorgelesen wurde. Die- ser Bericht legte die Antworten von vielen der besten Fachleute vor tiber die Frage, ob die Kunst des Schreibens, der Aufsatz, besser durch formellen Unterricht oder durch das Lesen guter Schriftsteller gefordert werde. Die Antworten waren, wie wohl zu erwarten ist, sehr verschieden. Ein allgemeines, greifbares Resultat liess sich nicht herausnehmen.

Am Abend dieses Tages hielt Professor Edward S. Sheldon von der Harvard Universitat eine Ansprache iiber praktische Philologie, worin er den Gruudsatz auf- stellte, dass es nicht die Aufgabe der Philologie sei, den Sprachgebrauch zu bestim- men oder zu regulieren, sondern vielmehr die sprachlichen Erscheinungen zu erkla- ren und zu beschreiben. Auch sollten unsere Worterbiicher dem guten Sprachge- brauch mehr Aufmerksamkeit schenken.

Nach dieser Ansprache verfiigten sich die anwesenden Mitglieder und Gaste zu dem Hause des Prasidenten Eliot, wo derselbe und seine Gemahlin der Gesell- schaft einen Empfang gaben.

Unter den Vorlesungen vom Freitag (27. Dezember) war von besonderem In- teresse diejenige von Professor Thomas von der Columbia Universitat iiber die Ver- besserung der englischen Rechtschreibung. Der Vortragende bestrebt keine piotz- liche, radikale Umwalzung, sondern vielmehr mochte er, dass darauf hiugewirkt wiirde, die Ansicht von der Unzertrennbarkeit der Orthographic von der Sprache zu erschiittern. Um dies zu erreichen, muss aber der Lehrer (oder die Lehrerin) des Englischen besser iiber die Geschichte der englischen Rechtschreibung unterrich*- tet sein. Gelehrte konnen helfen dadurch, dass von zwei konkurrierenden Schrei- bungen der verniinftigeren der Vorzug gegeben werde, z. B. program fiir pro- gramme. Von anderen Vortragen seien noch erwahnt der des Professors Wood (John Hopkins) : ,,Litterarische Anpassungen in Gerhart Hauptmanns Versunkene Glocke", und der des Herrn Dr. Haas (Bryn Mawr) : ,,Lessings Stellung zu den Quellen seiner Dramen".

Am Freitag Abend wurden die Mitglieder von dem Lokalkomitee zu einer Un- terhaltung im Colonial Club eingeladen. Dort war ein sogenannter "smoke-talk" von dem bekannten Herausgeber des ,,Atlantic Monthly", Bliss Perry, arrangiert worden. Das Thema war: ,,Der Collegeprofessor und das grosse Publikum". Die Sache verlief in flotter Weise. Besondere Erwahnung verdient die Thatsache, dass

Zur Klassenteilung. 101

President Eliot die Versammlung mit seiner Anwesenheit beehrte, und sich sogar dazu bewegen liess, dem Vortrage einige Bemerkungen hinzuzufiigen.

Das Lokalkomitee, dessen Vorsitzender Herr Prof, von Jagemann war, verdiente sich den wSirmsten Dank seitens der Gesellschaft fiir die umfassenden Vorbereitun- gen, welche dasselbe getroffen hatte, um den anwesenden Mitgliedern und Glisten ihren Aufenthalt so angenehm wie moglich zu machen. Sicherlich wird jeder, der in Cambridge der Versammlung beiwohnte, die angenehmsten Erinnerungen mitge- nommen haben und wiinschen, dass die klinftigen Zusammenkiinfte nicht minder erfolgreich sein mb'gen.

II. Zur Klassenteilung.

Nochtcag: zum Bericht ubor die Winterversatnmlung der ,, Wisconsin State Teachers' Assn."

(Fur die Padagogischen Monatshefte.)

Aus der Feder des standigen Milwaukeer Berichterstatters der ,,P. M." er- schien in der Januarnummer ein Referat iiber die Jahresversammlung des Verban- des der Wisconsiner Lehrerschaft. Des gediegenen Vortrages, den Herr H. 0. R. Siefert, Leiter des offentlichen Schuhvesens von Milwaukee, in der zweiten Haupt- versammlung hielt, hat der Referent gebiihrend erwahnt. Durch Mitteilung der wichtigsten Satze aus dem Vortrage unseres verehrten Kollegen glauben wir dem Wunsche vieler Leser der ,,P. M." zu entspiechen.

Der Vortragende bespricht die Teilung von Schulklassen in zwei Gruppen, welche in mehreren oder alien Unterrichtszweigen getrennt unterrichtet werden sollen. Die Befiirworter der Klassenteilung machen zu gunsten derselben geltend, dass die Erregung und Erhaltung der Aufmerksamkeit leichter erzielt, der Eigenart des einzelnen Schiilers besser Rechnung getragen werde und eine Abteilung imstande sei, sich fiir die nachste Unterrichtsstunde vorzubereiten.

Herr Siefert stiitzt sich in seinen Darlegungen auf den bekaimten Bericht des Fiinfzehnerausschusses des Nationalen Lehrerverbandes, welcher die Vorteile dieser Einrichtung ausfiihrlich behandelt. Er teilte mit, dass man vor acht Jahren in Milwaukee dem Plane der Klassenteilung niiher getreten'sei und in folgender Weise durchzufiihren versucht habe. Eine Lehrerin, die eine aus etwa fiinfzig Schulern bestehende neue Klasse ubernahm, deren einzelnen Gliedern sie ohne Kenntnis ihrer Veranlagung und Charaktereigenschaften fremd gegeniiberstand, bildete zwei Ab- teilungen von gleicher Grosse, welche in manchen Fachern, Rechnen, Grammatik, Lesen und Geographic, getrennt, in anderen, Schonschreiben, Zeichnen, Musik und Freiiibungen, gemeinschaftlich unterrichtet wurden. Bald machten sich der Lehre- rin Verschiedenheiten in der Veranlagung und im Wesen der Schiller bemerkbar, welches eine Versetzung der besseren und fieissigeren Schiller in die erste Abteilung zur Folge hatte. Nach einigen Monaten befanden sich infolge dieser Musterung alle f&higeren Schiller in der ersten, alle schlecht veranlagten und tragen in der zweiten Abteilung. Ungehindert durch ihre schwerfiilligen Klassengenosseu konn- ten die Schiller dor ersten Abteilung rascher voranschreiten und das Klassenziel einen oder zwei Monate friiher erreichen. Infolge der durch die strenge Musterung entstandenen numerischen Ungleichheit machte sich da, wo es unmb'glich war, die kleinere Abteilung mit einer anderen auf gleicher Stufe stehenden zu verbinden, aer 'ttbelstand fiihlbar, dass die Lehrerin bis zum Jahresschlusse zwei verschiedene Klassen zu unterrichten hatte. Auch machte sich ein gesunden piidagogischen

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Grundsiitzen unvereinbarer Wettbewerb geltend. War es einer Lehrerin gelungen, mit einer Abteilung das Klassenpensum in acht Monaten zu beendigen, so liess der Ehrgeiz, diese Leistung zu iibertreffen, manche Kollegin nicht ruhen, und ein Korps von Recordbrechern schien in der Bildung begriffen.

Manche Lehrerin konnte sich damals der allerdings zweifelhaften Leistung riih- men, innerhalb fiinf Monaten das Klassenziel erreicht zu haben. Von diesem Treib- hausunterricht will Herr Siefert nichts wissen. Dass viele Schiller dann in die Hochschulklasse eintraten ohne die geistige Reife, sich erfolgreich mit den Anfor- derungen der Hochschule zu messen, war unter den Umstanden selbstverstiindlich. Der Vortragende zeigte, wie dann der unausbleibliche Riickschlag eintrat. Der Plan wurde angefeindet von Lehrern, die ihn nicht verstanden, von Schulleitern, die der Neuerung vom Anfange an nicht hold waren, von Eltern, welche Mangel ent- deckten oder zu entdecken glaubten, von ungeduldigen Freunden des Planes, die gleich dem bekannten thorichten Knaben Friichte am Tage nach der Saat erwarte- ten; angefeindet als Fehlschlag und als Geistessprossling eines traumenden Theo- retikers, oder als das Werk eines Umstiirzlers, der darauf sinne, das Erziehungs- werk aus seinem schb'nen Gleichgewichte zu reissen. Diesem Neuerer, dem Bahn- brecher des Neuen und Besseren, singt Herr Siefert ein begeistertes Loblied. Er vergleicht ihn mit dem furchtlosen Jiingling, der sich kiihn den Weg durch die Dor- nenhecken bahnt und das schlafende Kb'nigskind weckt, das ohne seine Wagethat weitergetraumt, weitergeschlafen hatte; mit dem Sturme, der die stagnierenden Wasser der luftverpestenden Geistestragheit in ihren Tiefen aufriihrt, sie zu schnel- ler, schaumender, lebender und lebenspendender Thatigkeit fortreisst. ,,Hebe dich von dannen!" sagt der Anhiinger des Alten und Hergebrachten zu dem Neuerer. Hinweg von mir, du Charlatan! Haben unsere Kinder vor Jahren nicht besser ge- schrieben und buchstabiert? Haben nicht viele sich zu Ansehen und zur Bedeutung emporgeschwungen, als man von diesen Dingen noch nichts wusste? Hat man nicht den ,,Speller", das Geographiebuch und die Grammatik aus den Schulen entfernt? Hat man nicht die Schragschrift verbannt? Und kommen diese Verbannten nicht a lie wieder zu Ehren?

Allerdings sind die Textbiicher aus der Verbannung zuriickgekehrt, aber unend- lich viel besser und zweckentsprechender als sie vor Jahren waren. Die besseren Textbiicher der Gegenwart sind die Frucht der Bestrebungen, den Geist des Lernen- den unter den unmittelbaren Einfluss des Lehrers zu bringen. So tragt jede Re- formbestrebung den Keim des Besseren in ihrem Schosse, setzt heilsame Krafte in Bewegung, wenn auch nicht alle an die Bestrebungen gekniipften Hoffnungen sich verwirklichen. Sollen wir deshalb den Plan der Klassenteilung und rascherer Ver- setzung der Begabteren fallen lassen, weil er sich nicht voll bewahrt hat und nach dem alten System fiinfzig bis sechzig Kinder in ein Prokrustesbett zwiingen?

Nach Dr. W. T. Harris muss in der Leitung eines grossen stadtischen Schulwe- sens das Hauptaugenmerk darauf gerichtet werden, dass bei der Klassenbildung das Wohl eines Schulers dem eines anderen nicht geopfert werde. Der gemeinsame Unterricht von Schulern, die auf ungleicher Vorbereitungsstufe stehen, muss zur Folge haben, dass die Schwilcheren oder weniger gut Vorbereiteten zu einer ihrem geistigen und korperlichen Wohlbefinden schadlichen raschen Gangart gezwungen werden, und dass die reiferen oder der Durchschnittsintelligenz der Klasse iiberle- genen Schiller nicht geniigend beschaftigt werden.

Der Reifegrad und Vorbereitungswert einer Klasse ist haufigen Schwankungen unterworfen, die von Temperamentsverschiedenheit, Stetigkeit des Schulbesuches, dem Gesundheitszustande und hauslichen Verhaltnissen der Schiller beeinflusst wer- den. Eine absolute richtige Gradierung von Schulern ist daher undenkbar. Keine zwei Schiller zeigen den gleichen Grad des Fortschrittes, die gleiche Fahigkeit in

Zur Klassenteilung. 103

der taglichen Klassenarbeit. Eine haufige Neuklassifizierung ist daher unumgang- licli geboten.

An der Hand der von ihui gemachten Erfahrungen empfiehlt Herr Siefert eine Teilung in alien Klassen der Unterstufe der Volksschulen. Auf der Oberstufe ist, falls die Klassen kleiner und zwei oder drei Parallelklassen in einer Schule sind, die Klassenteilung nicht absolut nb'tig, sollte jedoch vorgenommen werden, wenn die Umstande es verlangen.

Wo eine Teilung nicht ratsam ist, sollten die verschiedenen Klassen eines Gra- des als Teile einer Klasse betrachtet und Neueinteilungen sollten nach Bediirfnis vorgenommen werden. Von jedem Hundert werden zwanzig oder fiinfundzwanzig Schiller imstande sein, die auf acht Jahre verteilte Schularbeit in kiirzerer Zeit zu bewaltigen.

Eine raschere Bef orderung von einer Abteilung in die nachste sollte diesen Schiilem den Weg ebnen. Doch selbst den Begabtesten etwa drei oder vier vom Hundert sollte es nur selten gestattet werden, ,,einen ganzen Grad zu iibersprin- gen," um sie vor empfindlicher Schadigung ihrer spateren Entwickelungsstufe durch liickenhafte Vorbereitung zu bewahren. Der schwerfallige Schiller wird heute gltick- licherweise nicht mehr gezwungen, Schritt zu halten mit seinem begabten Mitschii- ler; den letzteren zwingt man nicht mehr, sich der langsamen Gangart des ersteren anzubequemen. Hiiten wir uns vor dem anderen Extrem : Treibhausunterricht auf der einen Seite, und Kolonieen von Schwachkopfen auf der anderen.

Bei der Abfassung eines Lehrplanes soil der Gedanke massgebend sein, ilnss der Durchschnittschiiler mit Ausnahme des ersten Grades das Klassenziel in zehn Monaten erreichen kann.

Manche Klassen oder Abteilungen werden das Pensum in kiirzerer Zeit bewal- tigen konnen, andere miissen langer auf Versetzung warten. Unter alien Umstan- den sollten die Klassen unter dem sechsten Grade zu irgend einer Zeit im Jahre versetzt werden, wenn sie reif dafiir sind. Auf der Oberstufe sollten halbjahrliche Versetzungen angestrebt und im achten Grade durchgefiihrt werden. Der ttbergang zur Hochschule muss sich dann ohne Zeitverlust fiir den Schiller vollziehen. Von besonderem Vorteile ist diese Einrichtung halbjahrlicher Versetzung fiir Schiller, die kurz vor Absolvierung der Klassenarbeit durch langere Krankheit oder andere Ursache ihrer Schulthatigkeit entzogen worden sind oder nur einer wenige Monate in Anspruch nehmenden Wiederholung bediirfen, um sie versetzungsreif zu machen. Werden diese Kinder nach dem Plane einmaliger Versetzung gezwungen, ein ganzes Jahr zu warten, verlieren sie das Interesse an ihrer Arbeit und verlassen vorzeitig die Schule. Die Schule muss sich den Bediirfnissen des Lernenden anpassen, und finden wir, dass unsere Einrichtungen und Lehrplane nicht im Einklange sind mit den Bediirfnissen und Rechten der Kinder, so miissen wir unsere Lehrplane und Me- thoden andern, selbst auf die Gefahr hin, Klassenlehrer, Schulleiter und Superin- tendenten in ihrem Bequemlichkeitsgefiihl zu storen.

III. Korrespondenzen.

(Fiir die Padagogischen Monatsheftc.)

Baltimore.

Der Jahresbericht des Pr&sidenten der sladtischen Schulbehorde liegt for. Der- selbe behandelt im Anfang das im Fe- bruar 1891 eingefiihrte Gruppensystem, das sich vorteilhaft erweise, und zwar besonders dadurch, dass es eine einheit- liche Unterrichtsweise herbeifiihre.

Des weiteren bezieht sich der Bericht auf die Griindung von 16 Kindergiirten in verschiedenen Stadtteilen, denen noch vier weitere hinzugefiigt werden wiir- den, sowie auf die Anlage von vier Hand- fertigkeitsschulen in Ost-, West-, Nord- und Siid-Baltimore,

Die Herabsetzung der Studienzeit in dem City College von 5 auf 4 Jahre, wie in den hoheren Tochterschulen, und die Gleichstellung dieser Lehranstalten wird als ein weiser Schritt hingestellt. Lobend erwahnt wird auch die Hinzu- ftigung des Unterrichts in Stenographic und im Gebrauch der Schreibmaschine zum Lehrplane.

Dem Bau von neuen Schulen wird ein liingerer Paragraph gewidmet; in die- sem Jahre, heisst es, sollen fiinf neue Schulen erbaut werden, und der jetzige Schulrat zeige sich geneigt, fur fiinf weitere Schulen im Jahre 1903 zu sor- gen, wodurch dem Mangel an Raum ziemlich abgeholfen werde und die Miete fur schlecht erleuchtete und ventilierte Privathauser erspart wiirde.

In Bezug auf den Schulbesuch und die Kosten des Unterrichts sagt der Bericht, dass die Gesamtzahl der Schiller im letz- ten Jahre 83,532 betragen habe. Am 31. Dezember besuchten 64,918 Schiller die verschiedenen Schulen, der Durch- schnittsbesuch war 52,640 pro Tag. Die- se Schiilerzahl wurde in 108 verschiede- nen Schulen (124 Gebiiuden) unterge- bracht und von 1647 Lehrern und Leh- rerinnen unterrichtet. Von den 124 Ge- bauden gehoren 98 der Stadt, 26 werden gemietet und kosten jiihrlich $12,000. Die Gehalter der Lehrer und Lehrerin- nen betrugen im Durchschnitt $606 pro Jahr. Der Biirgermeister und Stadtrat hatten fiir das Schuldepartement im ganzen $1,226,146.28 verwilligt, aber nur $1,217,237.88 wurden verbraucht. Diese Summe wurde in der folgenden Weise ausgegeben: Verwaltungsgehiilter $9,638.18, Verwaltungsausgaben $1007.- 90, Gehalter fiir die Tagschulen $1,109,- 004.94, Ausgaben fiir die Tagschulen $89,360.62, Gehiilter fiir die Abendschu-

len $4412, Ausgaben fiir die Abendsehu- len $60.66, Einrichtung ues City College $3753.58.

Durch die Einrichtung einer Koch- schule wird unser offentliches Schulwe- sen demnachst eine neue Erweiterung erfahren.

Unter der Leitung von Fraulein Luise Thalwitzer, die in Fraulein Emilie Rein- hard eine ebenburtige Gehilfin gefunden tat, ist der deutsche Unterricht an der Westlichen hoheren Tochterschule in kurzer Zeit zu einer ganz ungeahnten Bliite gelangt. Es gewahrt dem Schrei- ber ein ganz besonderes v ergniigen, den beiden hochbegabten Lehrerinnen, die es so gut verstehen, den sie belebenden En- thusiasmus fiir das Deutsche auch ihren Schiilerinnen einzuhauchen, hier diese Anerkennung zu zollen. Mogen sich doch viele ein Beispiel an ihnen nehmen.

Californien.

S.

Die Weihnachtsferien wurden von den Erziehern Californiens zu reger Thatig- keit ausgeniitzt. Voin 2c. bis 28. De- zember fand im Mark Hopkins Institute of Art in San Francisco die Sitzung der "Philological Association of the Pacific Coast" statt. Dieselbe besteht seit drei Jahren und ist ein Zweig der "Amer- ican Philological Association". Dr. Ewald Fliigel war im vergangenen Jahre President und Prof. John E. Matzke Sekretar. Das vorziigliche Programm bestand aus 27 Vortragen, wobei die al- ten und modernen Sprachen ziemlich gleichmiissig vertreten waren. Zu den besten Nummern gehorten unter andern die Ansprache des Priisidenten: "The History of English Philology and its Problems", und ein Vortrag von Prof. H. K. Schilling: O. H. G. skenkan, skank; A.-S. scencan, scene. Letzterer behandelte in anregender Weise die Ver- wandtschaft von schenken mit Schenkel, Schinken, engl. shank. Zum grossen Bedauern der Anwesenden wurde Prof. Julius Goebel durch Unwohlsein verhin- dert, seinen Vortrag iiber "Faust as a Document of Goethe's inner Life" zu ge- ben.

Als Beamten fiirs ntlchste Jahr wur- den gewahlt: Prof. C. M. Gailsy von der Staatsuniversitat als Prasident und Prof. John E. Matzke von Stanford wie- der als Sekretar. Die Sitzung war ausserst lehrreich und zeugte von dem Vorziiglichen, was hier im fernen We-

Korresponden^en.

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sten auf dem Gebiete der Philologie ge- leistet wird.

Die b'ffentlichen Schulen waren vertre- ten in den Sitzungen der "Southern Ca- lifornia Teachers' Association" in Los Angeles und der "California Teachers' Association" in Pacific Grove. In bei- den war eine der wichtigsten Fragen das Verhaltnis der High Schools zur Staatsuniversitat. Letztere hat kiirz- lich neue Aufnahmebedingungen aufge- stellt, die zwar einen grossen Fortschritt gegen die friiheren bedeuten, die aber doch noch einiges zu wiinschen iibrig las- sen. Friiher waren sie in drei Gruppen geteilt, jetzt sind sie einheitlich ge- niacht, wie folgt: English 2 units, Ma- thematics 2, Latin 3, History 2, Greek or Modern Language 2, Physics 1, Elect- ive 3, im ganzen 15 units. (Ein "unit" ist ein Jahr Studium an der High School, mit fiinf Perioden die Woche.)

Der wunde Punkt sind die drei units Latein, indem diese den Schiller notigen, schon nach dem ersten Jahre sich zu entscheiden, ob er auf die Universitat geht oder nicht. Auch sto'rt diese Be- dingung die Symetrie des Schulplans, wenn man zwei Jahre als Einheit im vierjahrigen Kursus annimmt. Diese Neuerung hat einen allgemeinen und scharfen Protest von seiten der High Schools hervorgerufen, und es scheint, dass unsere Freunde, die Herren Alt- sprachler, ihr Ziel iiberschossen haben. Das Resultat wird wonl sein, dass man sie zum Riickzug zwingen wird, und dass sie diesen antreten werden, sobald es sich mit ihrer Wtirde vertragt. In Pacific Grove wurde eine lebensfahige Vereinigung von "High School" -Lehrern gebildet, die sich sofort mit dieser und ahnlichen Fragen beschaftigen wird.

Die Hauptredner in Pacific Grove wa- ren Dr. E. Benjamin Andrews von Ne- braska und Prof. M. V. O'Shea von Wis- consin. Besonders der letztere erwarb sich durch seine gediegenen Vortrage allgemeine Anerkennung. Die nachste Versammlung der Staatsvereinigung findet in Los Angeles statt.

Der Verein von Lehrern der deutschen Sprache hielt am Samstag, den 18. Ja- nuar, seine regelmassige Versammlung im Mark Hopkins Institute in San Francisco ab. Herr V. Buehner von San Jos§ hielt einen Vortrag ,,ttber den deutschen Unterricht", worin er einem Unterricht das Wort redete, der prakti- sche Resultate mit erzieherischem Werte verbinde. Dann hielt Prof. Julius Goe- bel von der Stanford Universitat eine Ansprache iiber ,,Die neuen Eintrittsbe- dingungen an der Staats-Universitat", worin er energische Agitation besonders

gegen das ttbergewicht des Lateins empfahl. Nach einer lebhaften Diskus- sion wurde ein Komitee ernannt, beste- hend aus Prof. Goebel, Prof. Schilling und Herrn Buehner, das sich mit dem Zehnerkomitee der California High School Association in Verbindung setzen soil, um eine Herabsetzung der Ein- trittsbedingungen von drei Jahren auf zwei herbeizufiihren. Als Beamten fur das kommende Jahr wurden ge- wahlt: Prof. H. K. Schilling, Prasident; Prof. Julius Goebel, Vizeprasident ; Hr. Martin Centner, Sekretar, und Fraulein Emma M. Garretson, Schatzmeisterin.

V. B.

Cincinnati.

Endlich erlost! Seitdem ich im Ja- nuarhefte der ,,P. M." den bei der Wis- consiner Lehrerversammlung gemachten schb'nen Vergleich zwischen Schulkin- dern und Zugvieh gelesen, sehnte ich mich mehr als je nach einer Entschei- dung in Sachen der Schiilerversetzungen. Mir wurde nachgerade ganz unheimlich zumute, denn ich befiirchtete wahrhaf- tig, meine guten Schiller mochten unver- sehens einmal wiehern, die schlechten brilllen, anstatt zu sprechen. Warum auch nicht? ,,Pferde und Ochsen" pfle- gen sich dergestalt zu expektorieren, ob sie nun zusammen ,,am Pfluge ziehen", oder nicht.

Vor wenigen Tagen nun kam hier die Sache zum Schlusse:

,,Alles Vergangliche

Ist nur ein Gleichnis;

Das Unzulangliche

Hier wird's Ereignis;

Das Unbeschreibliche

Hier ist es gethan." Will sagen: Die endlos scheinenden Zweifel iiber die Durchfiihrbarkeit der halbjahrlichen Versetzungen und die Un- klarheit iiber Ziel, Zweck und Weise die- ser Reform im Schulhaushalte werden allhier am 10. Februar beseitigt sein; einige Tausende von Schiilern werden an diesem Tage hinaufriicken und viele Tau- sende ihrer bisherigen Mitstreber wer- den sitzen bleiben. Ob nun, wenn nach einigen weiteren Jahren Pardon! Halbjahren das Fazit gezogen wird, die letzteren, die ,,Ochsen", oder die er- steren, die ,,Pferde", sich gliicklich zu preisen Ursache haben werden, das liegt verhiillet in der Zukunft dunkelem Schosse. So viel ist sicher, die Sache wurde nicht ilbereilt, sondern griindlich iiberlegt, allzu griindlich vielleicht, wenn solches iiberhaupt moglich ist. Das 'tfbergangsstadium war fiir die meisten Lehrer sicherlich nicht eben angenehm; ich habe bittere Klagen gehort, heisse Thranen fliessen sehen, bin dagegen auch

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Padagogische Monatshefte.

Zeuge unbandiger Freude und feurigen Hoffens gewesen ,,je nach Anlage und Temperament". Unsere ,,Bidassoabrii- cke" ist jetzt hinter uns abgebrochen; aber noch gilt das ahnungsvolle ,,zauber- haft Gesicht" Uhlands:

,,Wo der eine Schatten siehet, Sieht der andre goldnes Licht; Wo dem einen Rosen lachen, Sieht der andre diirren Sand." Es wird eben fur alle ohne Ausnahme heissen : Zugreifen !

Auch in der am Donnerstag, 30. Ja- nuar, stattgefundenen Monatsversamm- lung der deutschcn Oberlehrer geschah der Angelegenheit nochmals Erwiih- nung, indem der dort anwesende Supe- rintendent auf eine Interpellation be- treffs der Thatsache, dass eben wegen der halbjahrlichen Versetzungen manehc Schiller den Besuch des deutschen Un- terrichtes einstellen, antwortete, es sei wahrend des Jahres keinem Schulkinde gestattet, den deutschen Unterricht fal- len zu lassen, ohne die Erlaubnis des be- treffenden Prinzipals oder des Superin- tendenten einzuholen. Es kann nicht ge- leugnet werden, dass seit einer Reihe von Jahren nicht wenige Prinzipale von dieser Dispensierungsgewalt einen etwas zu ausgiebigen Gebrauch gemacht ha- ben; andererseits aber sind auch dieje- nigen deutschen Oberlehrer fiir diesen Missbrauch verantwortach, die sich nicht auf die Hinterbeine stellen, wenn das Dispensieren, statt Ausnahme, Regel zu werden droht. Der Superintendent ist fiir jeden zu sprechen, und ausserdem haben wir einen deutschen Hilfssuperin- tendenten, der in diesen Dingen keine ttbergriffe dulden wird. Oberlehrer Christian Zimmermann hielt sodann ei- nen Vortrag iiber das Thema: ,,Das Antworten der Schiller in ganzen Sat- zen" ; und Hilfssuperintendent Dr. Fick machte einige Mitteilungen beziiglich der deutschen Erganzungslektiire, wel- che neben dem iiblichen Lesen betrieben werden soil. Fiir die Intermediatgrade (6., 7. und 8. Schuljahr) ist Grebners soeben erschienenes Buch ,,Die Deut- schen und die Deutschamerikaner", fiir die 4. und 5. Elementarklassen das ,, Deutsche Hiawatha-Lesebuch" ausge- wahlt worden. Gegen das fiir die 2. und 3. Klasse vorgeschlagene Buch ,,Aller- lei" von A. Fahsel wurde der Einwand geltend gemacht, dasselbe sei in lateini- schen Typen gedruckt und sein Gebrauch miisse Verwirrung verursachen, so lange die anderen hier gebrauchten deutschen Biicher den deutschen Druck beibehalten. Diese Angelegenheit wurde an ein Ko- mitee verwiesen. Zum Schlusse erwahnte der Superintendent des langst gefiihlten

bedauerlichen ttbelstandes, dass so we- nige junge Leute sich hierorts zur deut- schen Lehrerprufung melden. Es betra- gen diese kaum noch ein Zwolftel der ganzen Kandidatenzahl, und jetzt schon bestehe ein fiihlbarer Mangel an zur Be- setzung vakanter deutscher Lehrerstel- len Befahigten. Die Anwesenden sollten es sich angelegen sein lassen, geeignete junge Leute zur deutschen Priifung her- anzuziehen. Unter so bewandten Um- standen ist es recht sehr zu bedauern, dass das ausgezeichnete deutschamerika- nische Lehrerseminar sich keiner grosse- ren Schiilerzahl erfreut, denn alle, die jetzt, und wohl auf Jahre hinaus, diese Anstalt mit demReifezeugnisse versehen, verlassen, werden hier leicht Verwen- dung als deutsche Lehrer finden, es sei denn, dass die jetzige Mode, nicht Deutsch reden zu wollen und also auch nicht Deutsch lehren zu konnen, baldigst in Abgang komme.

In der am 1. Februar abgehaltenen Versammlung des Deutschen Lehrerver- eins von Cincinnati hielt Richter A. H. Bode, ein friiherer Kollege und zur Zeit allgemein beliebter Redner und hoch an- gesehener Kiimpe fiir das amerikanische Deutschtum, einen sehr beifallig aufge- nommenen Vortrag, in dem er Erinne- rungen aus seiner einstmaligen, sehr er- folgreichen Lehrerlaufbahn zum besten gab. Zum Schlusse ermahnte er die An- wesenden, in getreuer Pflichterfiillung und dadurch gewiss gerechtfertigtem Berufsstolze und Unabhangigkeitsge- fiihle auszuharren; denn ,,Superinten- denten kamen und gingen, gute, echte Lehrer aber blieben".

Der Lehrergesangverein gab einige hiibsche Lieder zum besten.

Unsere letztjahrigen litterarischen Lehrerkinder haben entschieden Gliick gehabt. Von Wahldes ,,Natur und Hei- mat" hat sich sehr giinstiger Beurteilun- gen seitens der Presse, Grebners ,,Die Deutschen und die Deutschamerikaner'' sofortiger Einfiihrung in den offentli- chen Schulen, und die Zeitschrift ,,Jung- Amerika" eines unerwartet grossen Le- serkreises zu erfreuen. Das thut aller- seits wohl und spornt gewiss auch son- stige Kollegen an, es sich selbst und an- deren klar zu machen, dass auch sie in Arkadien geboren sind. Bereits haben denn auch einige junge Kolleginnen in ,,Jung-Amerika" recht hiibsche .Proben eines nicht gewohnlichen Erzahlertalen- tes abgelegt. Je mehr ihnen auf dieser Bahn folgen, desto besser fiir unseren Stand. Das altehrwiirdige ,,St! st!" bei- leibe nicht reden, nicht schreiben, nicht schnaufen! Je weniger die deutschen Lehrer sich hor-, sicht- und fiihlbar ma-

Korresponden^en .

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chen, desto.besser fur sie selbst und fur den deutschen Unterricht!", es zielit heutzutage nicht mehr, und das Walten im Dunkeln hat, spat aber doch, sein langst verdientes Ende erreicht. ,,Nur frisch, nur frisch gesungen!" und nie- mand wird es uns veriibeln, oder gar ver- sagen wollen.

Rauchen in der ATa/ie von Schulh'au- sern und Tabakkauen in denselben, diese beiden allerdings nicht eben schonen Ge- wohnheiten, sollen die damit Behafteten laut letztem Befehl des Erziehungsrates bei Strafe der Entlassung aus dem hie- sigen Schulverbande ablegen. Das wird doch wohl nicht gar zu schwer fiir die Betretfenden sein, massen es ja sonstige stille Orte genug giebt, wo man in aller Ruhe seine Havanna (unter solchen thut's ja kein Schulmeister ! ) geniessen kann. Es handelt sich bei dieser Mass- regel denn auch weniger um dem Ta- baksgenusse frohnende Lehrer, als um die Zigaretten raucbenden Schulbuben, denen, wie angenommen wird, ein selbst- rauchender Lehrer das Lasterhafte und Schadliche ihres Thuns nicht nachdriick- lich genug vor die Augen halten konnte. Hoffentlich hilft's.

Auf dass es auch anderweitig an Auf- regung nicht mangele, haben die hiesi- gen Turnvereine neuerdings eine lebhafte Agitation, wie behauptet wird, nur im Interesse des Turnunterrichts in den Schulen in Szene gesetzt. Der Schulsu- perintendent weigert sich entschieden, eine durch den Austritt des Turnlehrers Poos entstandene Vakanz zu fiillen, und halt mit seiner Absicht, uberhaupt keine neuen Speziallehrer Turn-, Zeichen-, Schreib- und Gesanglehrer mehr an- zustellen, keineswegs hinter dem Berge. Er ist der Ansicht, jeder Lehrer sollte imstande sein, unter der Leitung von Assisstent- und Spezial-Superintenden- ten in den genannten Fachern Unter- richt zu erteilen, und er wird in dieser Meinung durch einflussreiche Mitglieder des Erziehungsrates unterstiitzt. Andere wieder stehen fiirs erste noch fest zu den Turnern und treten uberhaupt fiir die Beibehaltung der Speziallehrer im allgemeinen ein. Wer im Rechte ist, mtissen Zeit und Praxis entscheiden.

quidam. Cleveland.

P'&dagogische Gesellschaft. In der Januarversammlung der Padagogischen Gesellschaft wurden siimtliche Beamten des vorigen Jahres wiedererwahlt. Ilerr Adolph Kromer, Prasident; Frl. Marie Walz, Sekretarin und Schatzmeisterin. Herr Woldmann wurde als Komitee er- nannt, um Propaganda fiir den Besnch des Lehrertages in Detroit zu machen.

Die Padagogischen Monatshefte wurden den Lehrern warm empfohlen; ebenso wurden die Lehrer ermachtigt, den Schii- lern das Abonnement auf ,,Jung Ameri- ka" zu empfehlen. Supervisor H. Wold- mann hielt einen kurzen Vortrag uber das Thema ,,Irrtiimer der Lehrer". Be- sonders hob er hervor, dass viele Lehrer geneigt sind, die ausseren Formen einer Methode nachzuahmen, wahrend der Zweck der Methode vollstandig ausser Acht gelassen wird. Er illustrierte dies mit einigen Anekdoten. Einen weiteren Irrtum bekampfte er, welcher oft ge- macht wird, indem der Lehrer die feh- lerhafte Antwort des Schiilers wieder- holt und sie so dem Ohre der Schiller noch deutlicher einpragt, als es ohnehin geschehen wiirde. Schliesslich wies er noch darauf hin, dass es doch ein un- billiges Verlangen sei, wenn man einen zehnjahrigen Schiller auffordert, ein ihm unbekanntes Lesestiicfc vor der Klasse laut vorzulesen. Wiirde man an einen Lehrer oder eine Lehrerin das Verlangen stellen, unvorbereitet ein Gedicht oder eine Abhandlung vor einer Lehrerver- sammlung vorzulesen, so wurden die Lehrer sich weigern, dies zu thun, und doch verlangen sie Ahnliches von ihreu Schiilern. H. W.

Milwaukee.

Die Januarversammlung des Vereins deutscher Lehrer wurde am 13. ds. Mo- nats abge,halten. Eroffnet wurde die Versammlung durch eine Vorlesung von Frl. E. Bauer iiber ,,Die Sprache". Der Verfasser des Artikels wies darin auf den grossen Wert und die Wichtigkeit der menschlichen Sprache hin, wie die- selbe erst recht eigentlich den Menschen zum Menschen mache, da er in seiner Sprache seinen Gedanken Ausdruck ver- leihe. Sodann betonte er, wie die Lehrer vor alien Dingen in der Schule die Spra- che fleissig pflegen und dadurch die Schiller befahigen sollten, sich miindlich und schriftlich korrekt in ihrer Sprache ausdriicken zu konnen. Erreiche er die- ses Ziel, so habe er einen grossen und wichtigen Teil seiner Aufgabe erfiillt. Der Ausschuss ftir Aufstellung der Ta- gesordnung hatte als Thema die Vorbe- reitung und Vorfiihrung eines Lese- stiicks beschreibenden Inhalts fiir die Unterstufe (1. 3. Grad) festgestellt, und zwar erstens fiir Schulen mit iiber- wiegend angloamerikanischen Schiilern, und sodann fiir solche mit deutschame- rikanischen Schiilern. Fiir die ersteren Schulen referierten die Frl. E. Rieger und J. Stern. Frl. Rieger hatte das Le- sestiick ,,Der Esstisch" fiir den ersten Grad ausgewahlt. Sie fiihrte zuerst aus, welche Vorbereitung sie mit der Klasse

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Padagogiscbe Monatshefte.

vornehme, um das Lesestiick den Kin- dern verstandlich zu machen. Sie spra- che vom Tisch im allgemeinen, zeigte, wozu die Tische dienten und liesse sich dann verschiedene Arten von Tischen nennen, als Schreibtisch, Lesetisch, Kii- chentisch etc. Dann beschreibe sie den Esstisch, zeigte seineii Zweck oder Be- stimmung, wie er hergerichtet sei etc. Dann nehme sie die schwierigen Worter des Stiickes durch, die vorher an die Ta- fel geschrieben seien, lasse sie lesen und erklare sie. Nachdem sie das Lesestiick deutlich und langsam vorgelesen habe, lasse sie dasselbe satzweise von den Kin- dern wieder lesen. Durch Fragen suche sie sich von dem Verstandnis der Kin- der zu iiberzeugen. Frl. Stern hatte fur den 2. Grad das Lesestiick ,,Der Schnee" gewahlt, und ihre Ausfiihrungen waren im allgemeinen dieselben wie vorhin. Beide Lehrerinnen legten viel Gewicht auf die sprachliche Durcharbeitung des Lesestiicks, was bei den angloamerikani- schen Schiilern um so notwendiger sei, da denselben so viele Worter und Aus- driicke fremd und ganz unbekannt seien. Man diirfe bei ihnen fast nichts als be- kannt voraussetzen. Fiir die Schulen mit deutschamerikanischen Schiilern re- ferierte Herr Jul. Rathmann iiber das Lesestiick fiir den 3. Grad, ,,Der Biber". Er zeigte in Umrissen die ganze Arbeit, welche auf dieser Stufe mit einem Le- sestiicke vorgenommen werden sollte, wenn dasselbe methodisch richtig und zugleich fruchtbringend fiir die Klasse verwertet wird; namlich die Vorberei- tung, Darbietung, Vertiefung und An- wendung oder Vergleichung. Bei der Vorbereitung leiste ein grosseres Bild, wie das im Lesebuch, wertvolle Dienste, um den Biber den Kindern anschaulich vorzufiihren, und zwar am besten bei seiner Arbeit als Maurer und Baumei- ster. Dabei werde dann in die Beschrei- bung das Lesestiick und zugleich die schwierigsten Worter und Ausdriicke mit hinein gezogen und erklart. Diese Worter seien schon vorher an die Wand- tafel geschrieben. Bei der Vorfiihrung des Lesestiickes werde dasselbe erst vom Lehrer lautrichtig und mit guter Beto- nung vorgelesen. Dann werde von der ganzen Klasse dasselbe elementiert oder silbenweise im Chor und zwar nach dem Takte des Lehrers langsam gelesen. Darauf einzeln oder auch von der gan- zen Klasse einzelne lange \V6rter wie- der gelesen, bis sie fliessend gelesen wer- den konnten. Natiirlich erfolgen dabei auch Wort- und Sacherklarung. Wenn die Lesefertigkeit und das Verstandnis ziemlich gut erreicht sei, bereite er die Schreibung der Worter vor, welches bei

einer grossen Klasse schon von einer Ab- teilung wahrend des Lesens geschehen kSnne. Um sich zu vergewissern, ob die Schiller das Wortbild richtig aufgefasst hatten, lasse er einzelne Worter aus dem Gedachtnis buchstabieren und dann schreiben. Durch An/vragen endlich wer- de dann die miindliche und schriftliche Wiedergabe des Lesestiickes vorbereitet. Die Ausfiihrungen zeigten den erfah- renen Lehrer und tiichtigen Methodiker. Der Schulrat hat in seiner letzten Sitzung eine Sache zum Abschluss ge- bracht, die langere Debatten verursach- te, weil iiber den Gegenstand verschie- dene Ansichten herrschten. Es handelte sich namlich um eine sogenannte Zen- sur, Abschatzung oder Fahigkeitsnach- weis der Lehrer und Prinzipale, of- ficial record of standing of teachers and principals welche durch die Prinzi- pale und den Superintendenten angefer- tigt und als Basis der Wertschatzung bei Anstellungen, Wiederanstellungen und Beforderungen dienen sollten. Ei- nige Schulrate schienen der Ansicht zu sein, dass sich vielleicht die Lehrer durch diese Massregel beengt oder be- driickt fiihlen wiirden. Ich glaube, dies ist nicht der Fall. Es ist ja auch nicht etwas Neues, sondern wir haben es schon Jahre lang gehabt. Sodann ist die Sa- che auch nach meiner Ansicht ganz na- tiirlich und andrerseits zugleich notwen- dig. Jeder Arbeitsgeber und Geschafts- mann bildet sich tiber seine Arbeiter und Angestellten ein gewisses Urteil, was und wieviel sie ihm wohl wert sind. Warum sollten wir Lehrer darin eine Ausnahme machen? Warum sollen wir uns nicht auf die padagogische Wage stellen lassen, um unser padagogisches Gewicht ermitteln zu lassen? Oder wie der Kaiser zum Abt sagt, abschatzen zu lassen, ,,wie viel jeder (und jede) wohl wert bis zum Heller mag sein". Es wird ja wohl keiner unter uns sein, der ,,kei- nen Heller wert" ist; oder von dem das ominose ,,tekel" gilt, d. h. ,,du bist ge- wogen und zu leicht erfunden worden". Wir zensieren ja auch unsere Schiller; und, ach, wie genau verstehen manche von uns diese Kunst! Ja es haben man- che es hierin zu einer ganz erstaunli- chen Virtuositat gebracht! Sie sind im stande, nicht bloss nach ganzen, sondern sogar nach halben Punkten abzuschat- zen. Hatte doch vor mehreren Jahren eine Lehrerin an einer hiesigen Hoch- schule den Fleiss und die Fahigkeiten eines Schiilers ganz genau auf 69% ab- zuschiitzen verstanden, und sie weigerte sich ganz entschieden, auf das Ersuchen des Prinzipals, den fehlenden halben Punkt dem Schiller gut zu schreiben,

Korresponden^en.

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damit er passieren oder in eine hohere Klasse versetzt werden konne. 1st sol- che' Abschatzungsfahigkeit nicht er- staunlich? Oder besser, 1st sie nicht ko- lossal lacherlich? Richtet nicnt (leicht- sinnig), dass ihr nicht gerichtet werdet! Mit dem Mass, damit ihr messet, wird man euch wieder messen! Lasset uns vor alien Dingen gerecht sein gegen un- sere Schiller. Ich hasse das ganze Zah- lensystem beim Markieren. Warum nicht lieber die Rangstufen in Worten oder Nummern ausdriicken. Da hat unser Schulrat (wohl auf Vorschlag des Sup.) kurz und verniinftig angeordnet, die Ab- schatzung der Lehrer in vier Rubriken vorzunehmen, namlich: 1. ausgezeichnet, 2. gut, 3. mittelmassig, 4. ungeniigend. Nun sehe jeder, ,,wie er's treibe, und wo er bleibe", d. h. in welcher Rangstufe er hinein klassifiziert wird. Jeder wird nach seinen Leistungen beurteilt werden, denn ,,die Werke zeigen an, was jeder leisten kann". Die Erfolge in der Klasse sind der Massstab, an dem wir gemes- sen werden, dann natiirlich auch die Lehrfahigkeit, das padagogische Ge- schick, und vor allem auch wohl das dis- ziplinarische Geschick; denn davon hangt doch wohl zum grossen Teil der Erfolg des Lehrers in der Klasse ab, ob er die Schiller zur Aufmerksamkeit und zur regelmassigen Arbeit anzuhalten im stande ist. Wir Lehrer hegen die Hoff- nung und sind gewiss, dass unsere Vor- gesetzten uns gerecht beurteilen und zensieren werden; das ist, was wir ver- langen konnen. Diese "records" werden in der Office des Superintendenten auf- bewahrt und konnen nur von den be- treffenden Personen selbst, sodann von den Vorgesetzten nachgesehen werden. Es sind also keine geheimen ,,Condui- ten-Listen", wie sie in Deutschland in den sechziger Jahren iiber Beamten und Lehrer gefiihrt wurden, und die grosse Unzufriedenheit hervorriefen, well den betreffenden Personen nicht erlaubt war, Einsicht in diesclben zu nehmen.

A. W. New York.

Durch ein Missverstandnis unterblieb die herkommliche Einladung zur diesma- ligen Monatsversammlung des deutschen Lehrervereins von New York und Um- gegend. Daher fanden sich auch nur wenige um genau zu sein, nur drei Mitglieder im Vereinslokal ein. Doch da aller guten Dinge drei sind und da nach dem alten lateinlschen Sprichwort ,,tres faciunt collegium" drei eine juris- tische Person bilden und einen Verein reprasentieren, so wurde nach langerem behaglichem Zuwarten der Antrag ge- atellt und unterstiitzt, sich bis zum er-

stefl Samstag des Februars zu vertagen. Beschlossen wurde ferner, dass man in Anbetracht der bedeutsamen Anregun- gen, die in dem kleinen Kreise gemacht und die zum Wachsen und Gedeihen des Vereins ausschlagen diirften, von einer kriminellenVerfolgung des korrespondie- renden Sekretars abseiien und iiber seine Schuld, ob Absicht oder nur Vergess- lichkeit, den Mantel christlicher Liebe breiten wolle.

Noch glaube ich Ihren Lesern nicht vorenthalten zu sollen, obgleich es ei- gentlich nicht in den Rahmen meiner Berichterstattung geliOrt, dass uns ge- stern Vormittag Prof. M. D. Learned von der Universitat von Pennsylvanien einen hochinteressanten Vortrag hielt. Er sprach vor dem ,',Verein der New Yorker Hochschullehrer des Deutschen" iiber das Thema: ,,Wann soil der Un- terricht einer fremden Sprache begin- nen?" (Lesart des Prasidenten des Ver- eins, Dr. F. Monteser) oder vielmehr: ,,Wann soil der deutsche Unterricht in den b'ffentlichen Schulen beginnen?" (Titel, den Prof. Learned wahlte). Da der Vortrag auf Wunsch des Vereins in den Padagog. Monatsheften zum Ab- druck kommen wird, so brauche ich kei- nen Auszug daraus zu geben. Nur so viel sei hier angefiihrt, dass wir unter dem Eindruck der vorgebraehten Griinde fiihlten, dass wir am Vorabend eines be- deutsamen Wendepunktes stehen, und dass dieser Vortrag ein Ereignis von nicht absehbarer Tragweite fiir das Deutschtum und die Kulturmission des Deutschen bilde. Die dem Vortrag folgende Debatte, die iiber l^j Stunde wahrte, zeigte denn auch, wie "the learned Professor Learned" die Anwe- senden zu elektrisieren vermochte. Lan- ger wie je sprachen die Herren und im- mer noch wollten andere das Wort ha- ben. Die folgenden sind die wenigen, die so gliicklich waren, von dem Prasidenten anerkannt zu werden: Prof. Louth von der Universitat of the City of N. Y., Dr. L. Bernstein, Dr. C. F. Kayser, Dr. B. Weineck, S. Kauffmann, Karl Her- zog, Heinrich Lick, Albert J. W. Kern. Da unterdessen der Zeiger der Uhr auf eins vorriickte, betonte der letzgenannte, dass die Zeit bereits zu sehr vorge- schritten sei, um langere Reden zu hal- ten. Er werde darum die Sache kury, machen, und, um zu greifbaren prakti- schen Resultaten zu kommen, wiinsche er vom Sprechen zum Handeln iiberzu- gehen; er stelle daher den Antrag, die Ausfiihrungen des Hrn. Prof. Learned als Ausdruck unserer Gesinnung der zu- standigen lokalen Schulbeho'rde zur Kenntnisnahme und Berticksichtigung

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Padagogiscbe Monatshefte.

zu unterbreiten, ein Antrag, der mit ei- nem Amendement des Dr. C. F. Kayser, mit alien Stimmen angenommen wurdc. Wird man an massgebender Stelle den Schall des Kommenden vernehmen oder wird man weiterhin versuchen, sich dem Werdenden entgegenzustemmen ?

A. K. Philadelphia.

Das neue Schulzwanggesetz ist zum grossten Leidwesen der Schulschwiinzer in Thiitigkeit getreten. Die Zahl der Spezialpolizisten betragt fiinfzehn, soil jedoch in nachster Zeit auf dreissig er- hoht werden, vorausgesetzt, dass die Stadtvater die dazu erforderliche Sum- me bewilligen. Es ist die Pflicht der Spezialpolizisten, samtliche Kinder im Alter von 8 bis 16 Jahren, die ohne trif- tige Griinde die Schulen verlassen und Arbeit in Fabriken und anderswo ange- nornmen, sowie solche Kinder, die die Schule schwanzen, ausfindig zu machen und sie der Unterrichtsbehorde zur An- zeige zu bringen. Auch sind die Spezi- alpolizisten angehalten, die Eltern der Kinder, die die Schule haufig versaumen, schwanzen oder nie besucht haben, auf- zusuchen und sie mit dem Schulzwang- gesetz bekannt zu machen.

In Fallen, wo die Spezialpolizisten im Zweifel sind, ob die Kinder infolge kor- perlicher Gebrechen oder durch Geistes- schwache am Schulbesuch verhindert sind, ist es die Pflicht der Hiiter des Schulzwanggesetzes, ein arztliches Zeug- nis zu verlangen. Die Fabriken sind ebenfalls von diesen Spezialpolizisten zu besuchen und die Entlassung samtlicher

Kinder unter 13 Jahren, sowie Kinder im Alter von 13 bis 16 Jahren, die nicht im stande sind, Englisch fliessend zu le- sen und gut zu schreiben, durchzusetzen.

Die Hiiter des Schulzwanggesetzes sind vom Departement der offentlichen Sicherheit als Spezialpolizisten vereidigt worden und haben das Recht, jede Per- son, die dem Gesetz zuwider handelt, zu verhaften, doch werden sie bei der Aus- iibung ihrer Pflicht von ihrer Machtbe- fugnis nur in den allerdringendsten Fal- len Gebrauch machen, da sonst die Be- wohnerschaft sehr leicht gegen das Schulzwanggesetz eingenommen werden konnte.

Die Zahl der verhaftungen im vorigen Jahre belief sich auf 21, und in jedem Falle wurden die Verhafteten zu Geld- strafen verurteilt. Natiirlich konnten in einigen Fallen die Verurteilten zur Zahlung der Strafe nicht angehalten und auch nicht eingesperrt werden, da das fruhere Gesetz keine derartige Bestim- mung enthielt. Unter dem neuen, ver- scharften Gesetz wird jedoch kein 'ttber- treter unbestraft davon kommen.

Eltern, Fabrikbesitzer und andere Personen, die dem Schulgesetz zuwider handeln, konnen in Ermangelung der Geldsummen fur jed*s Vergehen mit zwei Tagen Gefangnis bestraft werden. Eine strikte Durchfiihrung des Schul- zwanggesetzes ist indessen nur moglich, wenn die Zahl der Spezialpolizisten ganz wesentlich vergrossert wird. Man be- fiirwortet auch fur chronische Schul- schwanzer und unverDesserliche Kinder die Errichtung besonderer Schulen.

B.

IV. Umschau.

Amerika.

Milwaukee. Bildnis Peter Engel- manns von Karl Marr. Unter den Auspizien der Engelmann-Alumnen fand am 24. Januar, als dem Geburtstage Pe- ter Engelmanns, des Griinders der Deutsch-Englischen Akademie, in den Raumen dieser Anstalt eine Festlichkeit statt, welche friihere Schiller und Freunde der Schule vereinigte. Es gait den Geburtstag Peter Engelmanns zu feiern, der vor nunmehr 51 Jahren durch die Griindung der Deutsch-Englischen Akademie das Volkserziehungswesen Milwaukees zunachst, dann aber auch das des ganzen Staates in rationelle Bahnen gelenkt hatte. Wie bedeutend er als Lehrer gewesen sein muss, davon

zeugt die Liebe und Verehrung, welche seine friiheren Schiller heute noch fiir den langst Dahingesohiedenen im Herzen tragen. Unter denselben linden wir man- che Namen, die gegenwartig zu den ein- flussreichsten und geachtetsten Milwau- kees gehoren; jedoch der bedeutendste und genialste seiner Schiller ist der be- riihmte Kiinstler Professor Karl Marr in Milnchen. In Milwaukee geboren, absol- vierte er als Schiller Engelmanns die Deutsch-Englische Akademie und erhielt in derselben seinen ersten Zeichenunter- richt, heute hat er seinen Weltruhm durch seine Kunstwerke wir erinnern nur an sein Gemalde ,,die Flagellanten", welches in der Chicagoer Weltausstel- lung allgemeine Bewunderung hervor-

Umschau.

Ill

rief begriindet. In seiner Grossever- gass er seine ,,alma mater" und seinen Lehrer nicht. Als die Anstalt im Mai vorigen Jahres ihr 50jiihriges Jubilaum feierte, versprach auch er, seine An- hanglichkeit an den Tag zu legen, und er hatte dies nicht in pietatvollerer Wei- se thun konnen, als dadurch, dass er der Schule ein Bild seines Lehrers, von seiner Hand gemalt, iibersandte. Am oben genannten Tage wurde das Bild enthiillt und der Schule iibergeben. Das- selbe ist ein Kunstwerk allerersten Ran- ges, in welches der Ktinstler sein bestes Konnen eingesetzt hat. Es stellt Peter Engelmann dozierend in der ihm eigen- tumlichen Haltung, so wie sie sich dem Kiinstler in seiner Kindheit eingepragt hatte, dar, wahrend zwei anmutige Kin- dergestalten zu beiden Seiten des Por- trats, das von einem Lorbeerkranz um- geben ist, den Worten des Lehrers zu lauschen scheinen. Die Portraitahnlich- keit ist nach den Aussagen aller, die Engelmann gekannt haben, eine erstaun- liche; als Kunstwerk aber wird das stimmungsvolle Gemalde dauernd den wertvollsten Schmuck des Anstaltgebau- des bilden. Karl Marr hat sich selbst, seinen Lehrer und die Schule durch sein Werk geehrt!

F. L. Soldan, Superintendent des 6f- fentlichen Schulwewns zu St. Louis, ausserte sich kiirzlich zu gunsten einer jetzt als altmodisch angesehenen Schul- disziplin. Die Launen der Eltern sollen keinen Einfluss im Schulzimmer haben. Eine gute Tracht Schlage ist of das beste Mittel fur Widerspenstigkeit. Es giebt Zeiten, in welchen Moralpredigten ihren Zweck verfehlen und die Rute machtiger ist als die Zunge. Schiller sollten nie aus der Schule gewiesen wer- den. Auch das storrigste Kind hat ein Recht auf Erziehung, und der Lehrer hat kein Recht, einer Arbeit, welche ihm ob- liegt, auszuweichen.

Chicago. Ein vielfacher Millionar in Frankreich, Robert Lebaudy, hat Prasi- dent Harper die' Summe von $1,000,000 zur Griindung einer franzosischen Ab- teilung der Gewerbeschule an der Uni- versitat zu Chicago zur Verfiigung ge- stellt. Dadurch soil in jedem Jahre 200 franzosischen Studenten die Gelegenheit geboten werden, nach Absolvierung ihrer Studien in Frankreich dieselben hier zu vervollstiindigen.

Cincinnati. Der deutsche Unterricht in den offentlichen Schulen von Ohio ist bekanntlich durch ein Staatsgesetz ge- schtitzt, welches bestimmt, dass die deut- sche Sprache gelehrt werden muss, wenn es verlangt wird von filnfundsiebzig Steuerzahlern, welche vierzig Schiller

vertreten, die sowohl Deutsch wie Eng- lisch zu lernen wiinschen. Dr. R. G. Boone, der Superintendent der offentli- chen Schulen von Cincinnati, betont nun in seinem soeben veroffentlichten Jah- resbericht, dass dort der deutsche Un- terricht mit ausserordentlich erfreuli- chem Erfplge gehandhabt wird. Er wurde bereits im Jahre 1840 in Cincin- nati eingefiihrt. Damals umfasste das deutsche Departement fiinf Lehrer und zweihundert Schiller. Heute zahlt es hundertundneunundneunzig Lehrer, und Deutsch wird in all«>n Klassen der Ele- mentar- und Mittelschulen, sowie in den oberen Klassen der Hochschulen gelehrt. Superintendent hebt besonders hervor, dass die Erfahrung beweise, wie weise es sei, mit dem deutschen Unterricht be- reits beim Eintritt des Kindes in die Schule zu beginnen und wie wichtig> dass diesem Unterrichtszweige von An- fang an die Zeit reichlich zugemessen werde. Dr. Boone war von jeher ein warmer Freund des deutschen Unter- richtes, und auch jetzt tritt er wieder vom allgemeinen Niitzlichkeitsstand- punkt aufs energischste ein fiir den Wert, ja fiir die absolute Unentbehrlich- keit des zweisprachigen Unterrichtes.

New York. Reform des Lehrplanes. Ein gemeinsames Komitee der beiden Vereinigungen, "the Male Principals' Association" und "the New York City Teachers' Association", war damit be- auftragt worden, Empfehlungen beziig- lich eines neu aufzustellenden Lehrpla- nes fiir die Schulen New Yorks zu ma- chen. Nach eingehenden Rundfragen hat das Komitee nunmehr einen Bericht unterbreitet, in welchem es zuniichst die Beibehaltung des bestehenden Lehrpla- nes als Ganzes befiirwortet, den Stoff jedoch in einzelnen Fachern: Handar- beit, Naturwissenschaften, Geschichte, Geographic und Rechnen beschnitten wissen will. Beziiglich des Unterrichts in den fremden Sprachen, Deutsch und Franzosisch, lautet der Bericht, den wir dem ,,School Journal" entnehmen, fol- gendermassen : "Your committee has dis- covered a very strong sentiment, among the teaching body, against the compul- sory teaching of foreign languages in the elementary schools. One principal writes that eighty-seven per cent, of his register is made up of foreigners com- prising twenty-five nationalities. Under such conditions all the usual theoretic arguments in favor of foreign languages

- the validity of which we admit - lose their force. To these children Eng- lish is itself a foreign language; and to require them to master German or French along with English leads to a

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Padagogtscbe Monatshefte.

confusion of tongues and consumes time that had better be devoted to English. In neighborhoods where the study of a foreign language is an aid to the study of English, or where the parents of children desire such study, it should be pursued. The time devoted to the sub- ject should be divided into not less than three recitation periods a week."

Professor Nicholas Murray Butler, welcher nach der Amtsniederlegung Seth Low's die Geschafte des Prasideu- ten der Columbia-Universitat zu New York gefiihrt hatte, ist nunmehr durch einstimmigen Beschluss der Curatoren zum Prasidenten dieses Institutes er- nannt worden. Seine Verbindung mit der Universitat zuerst als Schiller dann als Lehrer besteht seit dem Jahre 1878, mit Ausnahme einiger Studienjahre in Paris und Berlin; seit 1890 hatte er den Lehrstuhl fur Philosophic und Padago- gik inne.

Neben dieser seiner Lehrthatigkeit entwickelte er eine rege Thatigkeit auf dem Gebiete der Erziehung als Profes- sor an dem New Yorker Institut zur Ausbildung von Lehrern, als President des Staatsschulrates von New Jersey und als Spezialvertreter desselben Staa- tes auf der Weltausstellung zu Paris. Durch seine zahlreichen litterarischen Arbeiten, besonders als Redakteur der ,,Educational Review" und der ,,Great Educator" Serie hat er viel zur Verbrei- tung verniinftiger padagogischer Ideen beigetragen und ist dadurch dem gesam- ten Schulwesen unseres Landes dienstbar gewesen. Dass er Gelehrter nicht nur,

sondern auch Schulmann von Bedeutung ist, verspricht der Columbia-Universitat unter seiner Fiihrung eine glanzende Zu- kunft.

Ein gemeinsames Alphabet fur alle Sprachcn. Kiirzlich wurde in dem Kon- gress zu Washington vom Kongressmit- gliede Francis W. Cushman ein Gesetz- entwurf eingereicht, durch welchen der President angewiesen werden soil, eine internationale Konferenz von hervorra- genden Gelehrten fur den 1. Jan. 1903 einzuberufen, um ein fiir alle Sprachen giltiges Druckalphabet zu beraten. Ge- genwartig seien von einander so ver- schiedene Alphabete im Gebrauch, dass es unmoglich ist, das Alphabet der einen Sprache in der andern zu verwerten, da jede Sprache fiir die ihr eigentiimlichen Laute besondere Zeichen hat. Der An- tragsteller erwartet von der Aufstellung eines gemeinsamen Alphabets die Vortei- le, dass 1. ein solches Alphabet im in- ternationalen Verkehr gebraucht werden konnte und den Handel mit dem Aus- lande fordern wiirde. Es wiirde 2. die Erlernung der fremden Sprachen, an- drerseits 3. auch die Erlernung der eng- lischen Sprache fiir die Fremdgebornen unseres Landes erleichtern, sowie auch dazu im Auslande ermutigen; es wiirde 4. eine gleichmassige Aussprache der ge- ographischen Namen herbeifiihren und 5. zu einer mehr phonologischen Orthogra- phie im Englischen beitragen, was 6. wiederum dazu fiihren konnte, eine all- gemeine Orthographiereform zu erstre- ben, so dass die gleiche Orthographic fiir alle Sprachen in Gebrauch treten konnte.

Eingesandte Bucher.

Das jiingste Deutschland. Zwei Jahr- zehnte miterlebter Litteraturgeschichte. Dargestellt von Adalbert von Hanstein, Dr. phil. Privatdozent an der Kgl. Tech- nischen Hochschule zu Hannover. Zwei- ter unveranderter Abdruck. Leipzig, R. Voigtlanders Verlag, 1901. Preis geh. M. 6.50, geb. 8 M.

Minna von Barnhelm ( Lessing ) . With Introduction and Notes by Sylvester Primer, Ph. D., Professor of Teutonic Languages in the University of Texas. Boston, D. C. Heath & Co., 1902. Price 75 cts.

Zriny (Korner). With Introduction and Notes by Franklin J. Holtzwarth,

Ph. D. Boston, D. C. Heath & Co., 1902. Price 35 cts.

Niels mit der offenen Hand (Heyse) . Edited with Notes, Vocabulary and Pa- raphrases for Translation into German by Edward 8. Joynes, Professor of Modern Languages in South Carolina College. Boston, D. C. Heath & Co., 1902. Price 30 cts.

Herbarium and Plant Description, with Directions for Collecting, Pressing, and Mounting Specimens, by W. H. D. Meier, Superintendent Griggsville Pub- lic Schools, Griggsville, 111. Boston, Ginn & Co. Price 70 cts.

Die eingegangenen Bilcherbesprechungen mussten wcgen Raummangels fiir das Marzheft zuruckgelegt werden. D. R.

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Padagogische Monatshefta

PEDAGOGICAL MONTHLY.

Zeitschrift fur das deutschamerikanische Schulwesen. Organ des

Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes.

Jahrgang III. Marz 1902. Heft 4

Col. Francis Wayland Parker, f. Kurz vor Schluss der Redaktion erreicht uns die Nachricht von dem Tode Col. Parkers. Um seine durch Arbeit und Schmerz iiber den Verlust seiner Gattin zerriittete Gesund- heit wiederherzustellen, hatte er sich nach Pass Christian, im Staate Mis- sissippi, begeben; dort ereilte ihn der Tod am 2. d. M. Mit Wenigen Worten berichten die Tageszeitungen, wenn sie es iiberhaupt thun, das Hinscheiden des Mannes; und doch ist er einer der Besten unserer Na- tion gewesen, der sich und sein Alles in ihren Dienst gestellt und ihre Wohlfahrt gefordert hat, mehr als Generale, Staatsmanner und die Grossen der Industrie.

Es wiirde unmoglich sein, die Wirksamkeit des Verstorbenen als Er- zieher und Lehrer mit kurzen Worten zu schildern.*) Wohin wir unsere Blicke heutzutage auch in unsern Schulen lenken mogen, iiberall werden wir Spuren seines Einflusses finden, den er durch Wort, Schrift und Bei- spiel auf alle die, die es ernst mit der Erziehungsarbeit meinen, ausiibte. Ein Anhanger Herbarts und Schuler Prof. Reins in Jena, wandte er sich mit aller Macht gegen den alles beherrschenden didaktischen Materialis- mus und Mechanismus und verlangte eine Beriicksichtigung der Indivi- dualitat des Schiilers. Was Horace Mann fur die Organisation unseres Schulwesens gewesen ist, das war Col. Parker fur eine im Sinne wahrer Humanitat erfolgreiche Arbeit im Schulzimmer.

Freilich wird es noch lange Zeit wahren, bis die Reformen durchge- fiihrt sein werden, die ihm im Geiste vorschwebten und die er in seinem Institut durchzufiihren versuchte ; aber der Same, den er ausgestreut hat, wird iiber kurz oder lang doch seine Friichte zeitigen. M. Q.

* ) Ein diesbezilglicher Artikel ist uns fiir das niichste Heft in Aussicht ge- stellt. D. R.

Das Qleichgewicht in der Erziehung.*

Von Jtenj. Wittich, Public Schools, Cincinnati, O.

Zur Erlauterung meiner Worte mochte ich denselben vorausschicken, dass ich nicht den Standpunkt des Klassenpadagogen, sondern den des Volkserziehers eingenommen habe; denn es treibt den Erzieher von der Klasse in das Haus, ins Leben, zu forschen nach den Tiefen der Seele, nach den Erscheinungen im Familien-, Volks- und Staatsleben, nach Ur- sache und Wirkung derselben. Man mochte den Finger anlegen an die grosse Pulsader des offentlichen Lebens, um an seinem Schlag den Ge- :sundheitszustand des Volkskorpers zu ermitteln. Es ist der Standpunkt <des Ethikers, den ich einzunehmen suchte.

* * *

Die Erziehung, die prinzipielle und systematische Anleitung Erwach- isener zur moralischen und sozialen Selbstandigkeit Minder jahriger, ist eine konstruktive Wissenschaft und eine Kunst. Ihre Stiitzen sind die Ethik (Sittenlehre), die Anthropologie, Psychologic, Geschichte und Re- ligion. Sie ist eine Kunst, viel Takt und Erfahrung heischend vom Er- zieher, dem sie den Erfolg oder Misserfolg ihres Wirkens verdankt. Staff und Form, Wissen und Zucht im richtigen Verhaltnis dem Zogling angedeihen zu lassen, ist ihre Aufgabe.

Wissen ist Macht, Konnen angewandte Macht.

Der Zweck der Erziehung ist, das Kind zum Menschen im vollsten Sinne des Wortes zu machen, also ein moralisch-geistig selbstandiges Wesen, eine Personlichkeit heranzubilden. Ihr Ziel, der Idealmensch, ist und bleibt, wie alle unsere Ideale, unerreichbar, und dennoch streben wir alle nach Idealen.

Wer ohne dieselben dahinlebt, vegetiert wie ein Tier. Sie, die hochsten, sittlichen Guter heben uns iiber die Tierwelt empor und verlei- hen uns Menschenwiirde, indem sie uns hinanfuhren, zur sittlichen Frei- heit.

Erziehung, nach Beneke angewandte Psychologic, soil die im Uner- zogenen schlummernden Krafte und Anlagen entwickeln, kann aber nicht geben und fordern, was nicht in der Uranlage des Zoglings vorhanden ist. Mit seiner Miindigkeit tritt das Leben in all seinen Forderungen an ihn heran, und er muss seinen moralischen Wert und den seiner genos- senen Erziehung bekunden.

Dressur hat das Tier, Erziehung der Mensch.

Das Tier hat Leib und Seele; es hat Empfindungen, Vorstellungen, Willensakte, auch soziale Affekte: Liebe, Mass, Neid, Furcht, Eifer-

*) Als Quellen meiner Arbeit nenne ich die Werke von Kirchner, Dr. Schurtz, Dittes, Josef Beck, Tobias Beck, Kellner, Beneke, Honecker und Dr. Karl Schmidt.

Das Gleichgewicbt in der Erziehung. 115

sucht, Stolz, Mitleid, Schlauheit, Tucke u. s. w. Ihm fehlt aber, abge- sehen von den grossen somatischen (korperlichen) Unterschieden, das, was den homo sapiens, den mennisco iiber die ubrige Schopfung weit hinaushebt: Bewusstsein, Vernunft, asthetischer Sinn, Sprache, Wissen- schaft, Kunst, Religion, Moral, Familie, Staat, endlich die Personlichkeit, das Ich, der Hauch aus Gott! Dies trennt es ewig von der Krone der Schopfung, dem Menschen. Seine Erziehung muss sich gleichmassig nach alien Wesensteilen erbreiten und ausdehnen, wenn das Gleichge- wicht in der Erziehung gewahrt bleiben soil. Ob wir nun diese Wesens- teile als drei : Geist, Seele und Leib, nach der biblisch-theologischen Auf- fassung annehmen, oder ob wir nur zwei : Leib und Seele, zugeben wol- len, bleibt sich im Grunde gleich und hat in der praktischen Erziehung wenig Bedeutung.

Dem Materialisten ist das Leben und auch die Seelenthatigkeit das Produkt der Stoffkombination, der Effekt vieler Storfe, das Resultat einer eigentumlichen Zusammensetzung der Materie, der zur Einheit verwach- sene Komplex vieler Krafte.

Dem Psychologen ist die Seele, nach Kirchner, eine gottliche Sub- stanz, welche sich nach Durchschreitung der niedern Stufen ihrer Selbst- darstellung in der anorganischen und organischen Welt als Mensch indi- vidualisiert.

Die menschliche Seele ist das Bewusstsein des Menschenleibes.

Ihre Funktionen sind, neben der Lebenskraft und Subjektivitat, die Personlichkeit d. h. Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung.

Nach biblisch-theologischer Auffassung besteht der Mensch aus Geist, Seele und Leib. Der Geist aus Gottes Geist, ein Hauch aus sei- nem Munde, die Seele in ihrer Mittelstellung belebt nach aussen den Leib und hat als Vermittler und Trager das Gehirn, das Nervensystem, die Sinne, nach innen reift sie in der Vernunft und im Selbstbewusstsein aus zum Geiste, zur geistig-sittlichen Personlichkeit.

Ewig ist Stoff, Kraft, Raum und Zeit, die vier Urratsel des Alls, so muss auch der Mensch, der zur Personlichkeit ausgebildete Teil der Ma- terie ewig sein. Ist nun die Seele des Menschen, als Lebensprinzip ein integrierender Teil desselben, so muss auch sie ewig sein, sie die Ur- und Triebkraft des bewussten Ichs.

Das Wort Geist (die Summe unserer intellektuellen Krafte) ist in Theologie, Psychologic und Padagogik, in Sprache und Litteratur zum feststehenden Begrifif geworden und unlosbar mit ihnen verbunden.

Ja selbst Dr. Brehm spricht vom Geiste der Tiere, mithin werden wir wohl nicht so geistlos sein wollen, unsern eigenen Geist zu leugnen.

Diese Wesensdreiheit des Menschen findet im Leibe den Grundton, in der Seele die Terz und im Geiste seine den Dreiklang schliessende Quinte, und, wenn durch Religion, Ethik, Wissen und Kunst dieser Wun-

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derakkord in Schwingung versetzt wird, so ergiebt sich im Vereine Gleichgesinnter die schonste Harmonic zum Lobe des Schopfers und zum Segen der Menschheit.

Auch in der Familie zeigt sich diese Dreiteilung. Im Manne herrscht, oder soil das Geistige, die Vernunft vorherrschen, im Weibe (ich denke aber nicht an das "new woman" !) ist das Seelenleben, das Gemiit, iiberwiegend, wahrend im Kinde, der Erganzung beider, das

Leibliche vorwaltet.

* * *

Die Erziehung hat nun die Aufgabe, dieses lebende Ratsel zu erzie- hen, zu entwickeln, zu gestalten.

Wo aber keine, jeden dieser Wesensteile beriicksichtigende, ihnen entsprechende, gleichmassige Entwickelung stattfindet, da, wo der eine Teil, oder zwei derselben auf Kosten des oder der anderen einseitig ent- wickelt wird, erscheint als Folge eine Gleichgewichtsstorung, und notge- drungen muss die Einheit, das Ganze leiden. Diese Gleichgewichtssto- rung zeigt sich nicht allein in den einzelnen Individuen, sondern in gan- zen Volkern, Generationen und Zeiten.

Um Ihnen dies sofort klar zu machen, stellen Sie sich drei Menschen als Typen einseitiger Erziehung der Wesensteile des Menschen vor: den irischen Klopffechter, einen Monch und einen modernen Gelehrten. Der erste ist das Bild strotzender Kraft und Gesundheit ; die Korperentwicke- lung ist einseitig auf die Spitze getrieben. Seine Physiognomic streift ans Tierische; der Korper mit seinem hochentwickelten Muskelspiel er- innert an die brutale Starke des Stieres. Sein Dichten und Trachten ist lediglich auf Entwickelung der Korperkrafte und deren Erhaltung ge- richtet. Hier hat der Leib das \3bergeuricht, Seele und Geist verkiim- mern. Eine auffallende Gleichgewichtsstorung!

Wo finden wir unter seinen Genossen Seelengrosse oder in seinen Reihen einen Geistesmenschen ? !

Der zweite,' ein Monch, blass, hager, mit grossen, seelenvollen Augen, schweigsam, in sich gekehrt, entriickt dem Menschen- und Weltverkehr, seinen Leib kasteiend, in ausserster Askese lebend, weiht er sein Dasein seinem Gotte. Sein Denken ist auf abstrakte Dinge gerichtet, seine Seele gegeisselt von dem Widerstreit der Gefiihle. Er zwingt seinen Leib und dessen berechtigte Triebe zur bedingungslosen Unterwerfung ; so kampft er Seelenkampfe, von denen die lichtumflutete Aussenwelt in ihrem Schmetterlingsdasein keine Ahnung hat. Auch sein Geist dient der Seele in sklavischer Unterwerfung. Er lebt schon hienieden in einer andern Welt, entriickt den grossen Lebensaufgaben der Erdbewohner. Das See- lenleben hat in ihm eine IJberentwickelung erfahren, der Leib in seinen Trieben wird ertotet, der Geist ist gefangen.

Wieder eine Gleichgewichtsstorung!

Das Gleicbgewicht in der Er^iebung. 117

Der dritte ist ein Mann, dem man den Gelehrten sofort ansehen kann. Der grosse, wohlgeformte Kopf ist vergeistigt, das Antlitz, der Spiegel seines Geistes, leuchtet im Vollbesitz hochentwickelter Intelligenz. Aber die Zuge sind schlaff, die Muskeln welk, der Korper, vorniibergebeugt, hat seine Spannkraft verloren; er weicht dem Ubergewicht der Intelli- genz. Dem Gelehrten imponiert nur die Gewalt der nackten Thatsachen. Forschen, Denken, Konstruieren, Experimentieren, das ist sein Leben. Kalt, mit iiberlegener Verachtung blickt er auf die schonsten Seelener- giisse, die in die Facher seiner ,,facta" nicht hineinpassen. Der Mann der exakten Wissenschaften hat seine Seelenwarme verloren. Das Ge- miit findet keine Nahrung, die Ideale erblassen, der Korper wird vernach- lassigt.

Hier liegt die Stoning des Gleichgewichtes auf Seiten des Geistes.

* * *

Aber auch die Weltgeschichte zeigt, wenn auch nur in grossen Zugen und nicht so markant, weil in jahrhundertelanger Entwickelung verlau- fend, diese Gleichgewichtsstorung in der Erziehung.

Im Altertum war naturgemass Korperentwickelung vorherrschend. Das entspricht schon der Entwickelung der Menschen selbst. Zuvorderst waren die leiblichen Bediirfnisse zu befriedigen; Jagd, Krieg, Nomaden- leben, Viehzucht, Ackerbau, Stadtebau; die verschiedenen Stufen der Kultur, die die Volker des Altertums durchliefen, zeigen deutlich das Ubergewicht korperlicher Erziehung. Abgesehen von den bevorzugten Kasten der alten Kulturvolker, der Chinesen, Inder, Chaldaer und Agyp- ter, war die Erziehung zu korperlicher, technischer und kriegerischer Tiichtigkeit bei der Mehrheit der Menschen die Hauptsache. An dieser Thatsache andert auch nichts die Sonderstellung der Hellenen, der beru- fenen Propheten klassischer Schonheit, bei denen auch 2V)ei Drittel der Einwohner Sklaven waren, also auch bei ihnen war nur eine bevorzugte Minderheit freie Burger. Und wie das eiserne Kriegshandwerk bei den Romern die Korperentwickelung bevorzugte, davon legt jede Seite der Geschichte Roms Zeugnis ab. Auch ihre Schulen, wie die der Agypter und Griechen hatten nicht den Einfluss auf die Bevolkerung, wie das sich immer hoher entwickelnde Schulwesen der christlichen Kulturperiode. Das Volk, die Armen, die Sklaven, kurz die Mehrheit, war verachtet, ver- nachlassigt, um ihre Erziehung kummerte man sich nur insofern, als sie den Bevorzugten, ihren Herren, pekuniaren Nutzen brachte.

Mit dem Christentum entwickelten sich allmahlich religios-ethische Begriffe, das Seelenleben bekam Nahrung und Pflege. Die Erziehung ward in Priesterhand gelegt. Die allgemeine giltige Stellung des Men- schen zum Menschen und zu seinem Gotte war geschaffen. Neue Ide- ale, neue ethische Werte traten in den Ideenkreis der Volker. Die Leere der religiosen Ideen wurde ausgefiillt. Das Christentum, als arisches

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Reis auf semitischem Stamme, wie Dr. Sohurtz so schon sagt, trat seinen Siegeszug an und entwickelte und brachte das Seelenleben zur vollsten Blute.

Die Erziehung des Mittelalters war vorwiegend religios-ethisch und war keineswegs eine Volkserziehung im heutigen Sinne. Bald entartete sie durch hierarchischen Despotismus zur Einseitigkeit, zur geistigen Knechtschaft und Gewissensqualerei ; Aberglaube, Verfinsterung und Verdummung war en ihre Folgen.

Erst mit der Reformation brach fur die Menschheit die Morgenrote humaner Erziehung an, einer wirklichen Volkserziehung mit einem sich in seiner Entwickelung und im Laufe der Jahrhunderte stets steigernden Schulwesen. Und von der Reformation an bis auf den heutigen Tag ha- ben wir in der Erziehung der Menschheit das Ubergewicht auf intellektu- eller Seite. Allgemeine Volkserziehung in den Kulturstaaten nach ethi- schen Begriffen. Dr. Karl Schmidt nennt es die Weltepoche humaner Erziehung.

Wie aber jedes Ubergewicht das Gleichgewicht des Ganzen stort, so sehen wir dies auch in der heutigen Erziehung, die den Intellektualismus zum Extrem fiihrt.

Die Entwickelungsphasen der Padagogik sind Ihnen zu bekannt, als dass ich noch darauf hinzuweisen hatte. Mit der Einrichtung der Volks- schulen begann die intellektuelle Erziehung des Volkes. Von der Theo- logie sich allmahlich loslosend trat die Erziehungskunst bei der Philoso- phic in die Lehre, und heute, da wir im Bannkreise der Naturwissenschaf- ten stehen, ist sie deren eifrigste Schitlerin und Verbreiterin im Volke ge- worden.

Im Altertum war Korperentwickelung, wie bei unsern heutigen Na- turvolkern, vorherrschend, im Mittelalter war durch die kirchliche Erzie- hung das Seelenleben iiberwiegend, und in der Neuzeit hat die intellektu- elle Erziehung das Ubergewicht, somit finden wir in jedem Zeitalter eine Storung des Gleichgewichts.

Summieren wir Obiges, so ergiebt sich folgendes Resultat :

Altertum'. Grosstmoglichste Korperausbildung, Abhartung, Spiel, Kampf, Jagd, Leibesiibung aller Art.

Folgen : Mut, Kampfeslust, Todesverachtung, Mannlichkeit.

Extreme : Grausamkeit gegen die Besiegten, Rohheit, Sittenverwil- derung.

Mittelalter: Seelenpflege, religios-ethische Ideale, neue, ethische Werte.

Folgen : Milderung der Sitten, Glauben, Zucht, Ritterlichkeit.

Extreme: Unterordnung der Geistesfreiheit, Gewissenszwang, Ver- dummung.

The Teaching of Literature in the Secondary Schools. 119

Neuseit: Geisteskultus, Gewissens- und Glaubensfreiheit, Volkser- ziehung, Humanitat, Wissenschaft.

Folgen : Aufklarung, gesteigerte Intelligenz des Volkslebens, geistige Freiheit.

Extreme: Uberbiirden des Kopfes mit Wissenskram, Halbwissen, Aufklarungsdiinkel, Glaubenslosigkeit, Charakterschwache,

Nervenleiden.

* * *

(Fortsetzung folgt.)

The Teaching of Literature in the Secondary Schools.

Address delivered before the Association of New York High School

Teachers of German.

By Prof. Lawrence A. McLouth, New York University.

An intelligent love of the beautiful is one of the sweetest and most lasting fruits of a well rounded education. Next to the ability to provide for one's bodily wants this appreciative love of the beautiful in nature and art conduces to man's happiness perhaps most, of all the human bundle of abilities latent or patent. Nearly all of the eloquent things which Cicero said of friendship may be predicated of it. Here Laelius is made to say :

Denique ceterae res, quae expetuntur, opportunae stint singular rebus fere singulis: divitiae, ut utare; opes, ut colare; honores, ut laudere; voluptates, ut gaudeas; valetudo, ut dolore careas et muneribus fun gar e corporis; amicitia res plurimas continet ; quoque te verteris praesto est, nitllo loco excluditur, numquam intempestiva, numquam rnolesta est; ita- que non aqua, non igni, ut aiunt, locis pluribus utimur quam amicitia.

And what is this friendship after all but a true love and appreciation of the good and beautiful in one's fellowmen ?

We try to teach our pupils to earn their bread, to take care of their bodies, to be good citizens, and in a few cases to add their modicum to the sum of human knowledge, feeling that these are the main things, and that with them we are undertaking enough. This is certainly a compli- cated problem by itself. Still going beyond this, most teachers believe in cultivating the esthetic sense in boys and girls, a less number make definite efforts toward that end, and still fewer of us succeed in this good purpose. But next to bread-winning and right-living what better gift can the teacher give to his pupil than a life-long view of the ennobling world of nature and art beauty? A kingdom would be less, for it could be lost. But as long as the eye can see the far hills in their autumn splendor or the glowing canvasses of the great masters, as long as the ear can hear the

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spring song of the birds or the sublime melodies of a Beethoven, as long as the intellect though curtained by blindness and hushed by the quiet of deafness can follow with trembling finger or faltering memory the eternal thoughts of the master thinkers, so long are the noblest pleasures his, and live worth living and suffering. Shall we then endeavor to teach our pupils "to take thought for the morrow, what they shall eat and where- withal they shall be clothed," and let their esthetic sense go hungry and bare, with only a chance development ? Of course not. All teachers believe that education should develop the human being symmetrically; but here in this bustling New World, where opportunities for wealth come and go so rapidly, where parents think often of a son's career as a successful wage-earner, sometimes of his religious inclinations, and only seldom of his well-rounded development, it is not strange that teachers sometimes forget the culture study for the bread-and-butter study. If many parents expect the schools to make earning-machines instead of men and women out of their children, then the schoolmaster must gradually educate the parent through the pupil to a higher view of parental duty. The modern condition of the division of labor, or specialization in work, is another element that militates against culture as culture : the young lawyer feels that he must spend every minute at his profession, if he is not to be out- stripped by his rivals. Reflecting this feeling the modern American teacher is very likely to use the practical value of a study as an incentive to careful work. The young man looking forward to medical study, if careless in writing his German exercises, can be touched upon a sensitive point by reference to careless prescription writing. But the teacher must "hitch his wagon to a star."

The purpose of this paper is not to argue for culture studies we all agree that culture studies are very essential but it is to protest vig- orously against putting native or foreign literature in the course of the high schools as a culture study and then teaching it as a bread-and- butter study.

Twenty-five years ago the teacher of English literature in the high schools usually taught by holding recitations previously assigned in a brief history of English literature and in hearing readings by the pupils from a book of selections from the great authors. The examinations generally required a knowledge of the membership of various literary schools or groups of authors, of dates, of brief biographies, and of the estimates condensed by the author of the manual from the opinions of critics. This examination is a measure of the method of instruction. Most of the girls and some of the boys made good recitations upon a lesson planned in this way: it was largely a matter of verbal memory. The marks in the record book were good. When the principal or the superintendent made his perfunctory visits, he would question some- thing after this fashion: When was Edmund Spenser born? What

The Teaching of Literature in the Secondary Schools. 121

was his most important work? What is the "Fairie Queene" about? How does it rank ? Who was Bacon ? What was his first name ? What are his dates? (Each author has, you see, two dates like tacks to fasten him upon the wall of our literary memory!) What do you understand by the "lake school" of English authors ? Give Shakespeare's dates. Name three of his tragedies, three comedies. And so on. As the students usually answered these questions pretty well, the method seemed to be satisfactory. The same results could be obtained with a history of German or of French literature, if they were a part of the secondary school course. Are these the results desired?

It is not very difficult to assign to a class a poem of Schiller's to be studied, and to secure results. Young people, having no instructions or suggestions, do some strange things indeed. Once I tried that method with a high school class with the following results : four girls trans- lated the poem into tolerable English prose, and commented upon some difficult points, one or two tried verse, two boys counted the words and punctuation marks, I suspect, simply for mischief, two worked out the metrical plan pretty well and noted a few impure rhymes, another looked into the syntax of a few poetical constructions giving references to the grammar, and four said that they didn't know what to do beyond translating. The class had been asked to study the poem carefully from some particular point of view.

If the efforts of pupils in studying a piece of literature are guided somewhat by questions and other means of suggestion, the results will of course be better, or at least more in line with what older students do. Many will be able to put the poem into its proper category and give the reasons. A fairly bright pupil will be able to tell whether it is subjective or objective, she can speak of the meter, of its relation to the content, of the rhetorical figures, how many cases of simile, meton- ymy, synechdoche, and what not. She can perhaps give the logical divisions of the poem, and, if she has time, references and reference books, she may be able to make a short study of the genesis of the poem, placing it in a little closer relation to its author. This would certainly have its advantages. Many teachers would think that a girl or boy, who could stand the fire of the superintendent's questions as to who? when? what?, who could sit down and write a neat little essay on a certain piece of literature as, for instance, to quote from the Eng- lish College requirements of this year, The Merchant of Venice, Pope's Iliad, I, VI, XXII, and XXIV, the Sir Roger de Coverley Papers, etc., etc., or, going into German, Lessings Minna von Barnhelm, Goethe's Hermann und Dorothea, or Schiller's Tell, a pupil, who could do this, had been well taught, should be marked "passed" at a good grade, and might enter college if he chose. Here the colleges are on about the same plane as the high schools: sometimes also master's and doctor's

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degrees are given in this country and in Europe for work of the same character but of greater quantity. With a particular end in view it is perfectly proper. Some of us were taught in that way and naturally pass the method on to the next generation by using it ourselves. Ladies and gentlemen I do not call you by your professional title of teachers, because I want you to divest yourselves of your professional opinions and biases as fully as may be, I want to address you as men and women intensely interested in increasing the culture of the human race Is that teaching literature ? Is geometry taught in the same way? The lives of the mathematicians, definitions of all kinds of terms, theorems, corol- laries, demonstrations, quod est demonstrandum' s,reductio ad absurdum's, and no more? Doesn't the pupil get farther than that into the subject? I imagine he does with a good teacher. For years we teachers have taken our pupils out and showed them the literature pond all beautifully frozen over, we have tried faithfully to teach them the geography, geology, physics, chemistry, botany, entomology and what not of that pond. And goodly numbers of our pupils passed many of them from a con- sideration of literature for ever and ever, and thankfully too. Then a passion for laboratory methods spread through the country like an epidemic. We were not to be outdone: we shod our pupils with the steel of investigation and criticism and have now sent them out to skate on that literature pond, and while some are awkward, many there are who soon learn to cut wonderfully beautiful quirly-cues on the smooth surface and not hurt themselves or the ice. It sometimes arouses my open-mouthed admiration, but I can't say that it is much more than doing "stunts" on the surface of literature. About its strengthening the muscles, oxydizing the blood, expanding the lungs we will not talk: I admit all that at the start. Perhaps some of you teach literature some- what in that way. I teach literature somewhat in that way. Our own guilt ought not to embarrass us. But let us stop right here and look into the reasons, not why literature is taught, but rather why it SHOULD BE TAUGHT. For it is only after we have determined for what end a thing should be done, that we can rationally decide upon the best way to do it. Why are you teaching literature? Because it is in the course of study and you are paid to carry out the plan? That is a good bread and butter reason. You teach German literature, as far as you can, because you like it and think your pupils ought to know it. That makes it better for you and for your pupils, for you will put more life and interest into it. But again, in another way : why do we teach any literature? So that those who have enjoyed an education at our hands may know when Shakespeare, Goethe, Walter von der Vogelweide, Cor- neille, Ibsen, Lope de Vega Carpio, Vergil, Anacreon, Hafis and Ger- hardt Hauptmann lived and wrought? Is that why? What good does that alone do them? How much consolation and spirit-help in solving

The Teaching of Literature in the Secondary Schools. 123

the problems of your life do you get out. of your knowledge that Goethe and Herder first met on the steps of the inn "Zum Geist" at Strassburg in the autumn of 1770, or that some of the first ideas of the musical drama "Der Fliegende Hollander" occurred to Richard Wagner when he was storm-tossed in the miserable little tub that took him and his wife from Pillau to London ? How much help does the mathematician derive from saying the multiplication table or choice selections from the tables of logarithms, when his spirit is weary and seeks rest from solving the unsolvable in life? And yet knowledge of this kind is of great value. But when the Wanderers Nachtlied comes to you :

uber alien Gipfeln

1st Ruh,

In alien Wipfeln

Sparest Du

Kaum einen Hauch;

Die Vogelein schweigen im Walde.

W carte nur, balde

Ruhest Du auch. then you feel the spirit of the great master and find rest.

Ought our pupils to know these things, so that, when literary topics are discussed in good respectable educated society, they may ransack their memories and chirp forth their opinions too, and not sit like dummies? Do they not often learn literature for the same reason as they learn to dance, that they may be able to waltz and two-step, as other people do and not be wall-flowers? I am sorry to say that many young people do not learn literature for so good a reason as they learn to dance ; for almost all young folks take great pleasure in dancing after the lessons have ceased : when literature is "passed," it is passed. Do we teach our pupils literature so that later they may qualify and teach it to others? Yes, all these factors enter into the problem of why literature is taught, and they have their grounds. But is there any sound reason for teaching literature except that a genuine taste and love for the beautiful in liter- ature be instilled into the hearts of the young? Of course the preparation of the teacher of literature forms an exception: for these the subject is a professional study, just as much as mastering Blackstone is profes- sional work to the young law student. Some may say that pupils should love learning for its own sake, and that, if pupils have mastered certain facts about the world's great thinkers and writers and taken to them- selves some of their beautiful thoughts beautifully expressed, they must be all the better for it. And they are. But is that all? I for one pro- test against teaching pupils to assume the heavy and dignified cloak of learning in order to smooth and pat it with pride, and, as a young miss does with her pretty new coat, with seeming carelessness to turn one

]24 P'ddagogiscbe Monatsbefte.

corner that less fortunate friends may view the gay lining with envy. This is not culture, neither is it truly learning for its own sake. Genuine enjoyment and pride in the accumulation of learning are among the strongest inducements to scholarship and should certainly be encouraged, only not to the point of excluding other things. But are we teaching literature mainly for this purpose?

If I can sit down by my fireside of a winter night and taking up Goethe's youthful drama "G'otz von Berlichingen" and reading myself into it can hear and see the sturdy fearless honest knight of the iron hand, his faithful wife, his prattling son, his brave squire, his trusty men, as they lived their lives in those stirring times, till my blood courses more rapidly with excitement at their struggles, till my eyes grow dim with sympathy for poor Gots and the forsaken Maria, I would not give up that ability for all the power in the world to write analyses of char- acter, theories of dramatic art, or to string together lists of figures, or to sift out peculiar constructions, or to compare in detail the forms of this drama as it came into being. The one means literary appreciation, the other may be a means to it, but is never more than that. If I can take Goethe's "Iphigenie" or Grillparzer's "Sappho" and reading on and on enjoy to the full these beautiful gardens of language, in which human speech seems to blossom out into perfection in art, I would not give it up for any amount of ability to work out a metrical or philosophical study of the poems. It is these qualities of the world's best literature of ap- pealing to the human soul and heart through the mind, and not 'the fact that it can be disemboweled, dissected, examined under the microscope, analyzed in the laboratory, burned, ground, triturated and dissolved, like a beautiful human body on the dissecting table or in the chemists' test- tubes it is because it can be loved, that it has lived and shall live. What are the theories and systems of the past? For the most part lumber on the book-shelves ! Who feeds his soul on the works of the Alexandrine scholars? Few. But when the beautiful little lyric of Catullus breathes up to us out of the stench and foulness of the Roman life at the time of Christ's birth

Passer, deliciae meae puellae Quicum ludere, quern in sinu tenere

Her sparrow, delight of my sweetheart,

With which she oft played on her lap,

To whose playful pecks she held her fair finger

we feel the throb of the poet's hand stretched across the ages to us, and are glad to know how he lived and loved and suffered and sang. Pedantry is dead dry husks, love of the beautiful is a seed that sprouts and sends forth blossoms in all time and for all men.

(To be continued.)

Allerlei.

(Schluss.)

Leseabende in der Schule. Dariiber aussert ein ungenannter Kollege in Nr. 50 der ,,Deutschen Schulpraxis" sich folgendermassen :

,,Als ich mit mir seiner Zeit dariiber im Reinen war, habe ich den Knaben und Madchen der 1. Klassen mitgeteilt, dass ich im Winterhalbjahr jeden Dienstag Abend %8 Uhr in meiner Klasse ihnen etwas Gutes vorlesen wtirde; wer sich das anhQren mochte, der solle kommen. Und siehe fast alle kamen! Da die Sache eine durchaus freiwillige ist, habe ich mit der Disziplin durchaus nichts zu thun gehabt; wer sich nicht angemessen betragen wiirde, der wiirde ohne weiteres dau- emd ausgeschlossen werden. Ich las gewohnlich eine Stunde, natiirlich mit Unter- brechungen und kleinen Pausen, die dann zu Erlauterungen, Zusammenfassungen, Spekulationsfragen u. s. w. benutzt wurden. Ab und zu liess ich auch eine Erzah- lung als Klassenaufsatz niederschreiben, ja, um das rechte Verstandnis herbeizu- ftihren und Bedeutung und Zweck der Leseabende den Kindern und in zweiter Lanie den Eltern klar zu machen, liess ich auch iiber Zweck und Nutzen der Lese- abende einen Aufsatz machen. Dass ich in den Unterrichtsstunden, so oft es geht, Bezug auf die gehorten Geschichten nehme, ist selbstverstandlich. Die ganze Ein- richtung hat den Kindern noch in jedem Jahre viel Vergniigen gemacht; stets sind sie punktlich zur Stelle, betragen sich anstandig und sind mit ganzer Seele bei der Sache. Ja, einige der Schule entwachsene Knaben und Madchen erbitten sich noch immer die Erlaubnis, an den Leseabenden ferner teilnehmen zu diirfen.

,,Diese letztere Erfahrung, sowie die mir noch unbekannte Existenz von Volks- leseabenden in Dresden reizen mich, es hier auch einmal mit Erwachsenen zu ver- suchen !

,,Nach dem Wie? auch noch einige Worte iiber das Was? in den vier Wintern habe ich verschiedene Plane verfolgt. 1898 habe ich einen Gang durch unsere Lit- teratur eingeschlagen, indem ich mit Grimmschen und Andersenschen Marchen an- fing, dann Robinson und das Nibelungenlied im Auszuge folgen liess. Spater kam Pole Poppenspaler an die Reihe (ein Lieblingsstuck ! ) ; ferner Erzahlungen aus Hebels Schatzkastlein, Minna v. Barnhelm, Hermann und Dorothea, Arnim und Thusnelda (v. Rohrscheids ) , Tell.

,,Ein andermal wahlte ich nur einige Schriftsteller, z. B. Rosegger, Storm, v. Lilionknm. Dann haben die Kinder auch mit Vorliebe einzelne Bilder aus Masius Naturstudien gehort und, je alter je mehr, den hohen Wert dieses Autors schatzen gelernt.

,,Im folgenden Jahre sind Sohnrey, Wildenbruch, Spyri beriicksichtigt worden. Auf diese Art lernen die Kinder neben dem lehrplanmassigen Stoffe die besten Schriftsteller der Neuzeit kennen, bereichern ihr Wissen und erquicken sich am Schonen und Edlen ist das nicht hinreichender Lohn fiir die aufgewandte Miihe? Wer es noch nicht versuchte, dem mochte ich zurufen: Gehe hin und thue des- gleichen ! "

Gef&hrlichkeit der Schultinte. Einen beachtenswerten Erlass (iber die Gefahr- lichkeit der Schultinte hat die Regierung in Minden kiirzlich ergehen lassen : ,,Durch bakteriologische Untersuchungen ist festgestellt, dass sich in den meisten Tinten Schimmelpilze und andere gesundheitsschiidliche Bakterien massenhaft vorfinden, namentlich in solchen, die nach jedesmaligem Gebrauch nicht sogleich wieder zuge- deckt werden. Kleine Tiere, wie Meerschweinchen, Mause und Ratten u. s. w., denen solche Bakterien eingeimpft wurden, gingen schon nach wenigen Tagen zu Grunde.

126 P'ddagogiscbe Monatsbefte.

Hieraus erklaren sieh die traurigen Vorkommnisse, wo unbedeutende Stiche mit einer in Tinte getauchten Feder Blutvergiftungen und den Tod der betreffenden Per- son zur Folge batten. Viele Kinder haben nun die tible Gewohnheit, die Tinten- feder in den Mund zu nehmen und sogar abzulecken, wodurch die Pilze und Bak- terien durch den Speichel in den Magen gelangen und dort, wenn auch direkt keine Blutvergiftung, so doch den Keim zu Erkrankungen verursachen. Andere denken, wenn sie in der Schule oder zu Hause einen Tintenklecks ins Heft gemacht haben, die Sache dadurch in Ordnung zu bringen, dass sie ihn sogleich ablecken." In dem Erlass wird schliesslich vor solcher der Gesundheit nachteiliger Verwendung der Tinte dringend gewarnt. (Pr. Lztg.)

Das Ged'bchtnis des Menschen bietet zuweilen wunderbare Erscheinungen und Thatsachen. Der franzosische Professor Ribot erzahlt in seinem Werke iiber das Gedachtnis von einern alten Forstmanne, der in seiner Jugend an der polnischen Grenze gelebt und dort fast nur polnisch gesprochen babe. Spater lebte er in Deutschland, und seine Kinder versicherten, dass er wahrend 30 oder 40 Jahren kein einziges polnisches Wort gehort oder gesprochen hatte. In einem bewusstlosen Zustande, welcher etwa ZAvei Stunden dauerte, sprach, betete und sang dieser Mann nur polnisch. Ein lutherischer Geistlicher deutschen Ursprungs, der in Amerika lebte und in seiner Gemeinde eine betrachtliche Anzahl Deutsche und Schweden hatte, erzahlt, dass sie fast alle kurz vor ihrem Tode in ihrer Muttersprache beten, obwohl sie sicherlich seit 50 oder 60 Jahren nicht deutsch oder schwedisch gespro- chen batten. Noch merkwiirdiger sind die Falle, von denen Hudson in seinem viel besprochenen Buche: ,,Die physischen Erscheinungen" berichtet. ,,Eine Fran- zosin, Grafin Laval," so erzahlt er z. B., ,,erkrankte schwer und redete im Schlafe in einer Sprache, die keine der um sie beschaftigten Dienerinnen verstand. Nach einigen Tagen wurde noch eine fremde Warterin angenommen, die zufallig aus der Bretagne stammte. Als sie die Kranke reden horte, verstand sie, was sie sagte; es war die keltische Sprache der Bretagner. Man forschte nach, und es ergab sich die merkwiirdige Thatsache, dass die Grafin in der Bretagne geboren war und ihre fruheste Kindheit in einer keltisch sprechenden Familie verlebt, seit dieser Zeit aber nie ein Wort dieser Sprache vernommen oder gesprochen und sie vollstandig ver- gessen hatte. Auch nach ihrer Genesung war jede Erinnerung daran wieder ge- schwunden." Ebenso wunderbar ist ein zweiter Fall, von dem er berichtet. ,,Eine junge Frau, die weder schreiben noch lesen konnte, erkrankte schwer am Nerven- fieber und sprach in ihren Phantasien klar und deutlich griechische, lateinische und hebraische Satze. Der sie behandelnde Arzt schrieb die Satze auf, um die ihn aufs hochste iiberraschende Erscheinung zu ergriinden. Er stellte Nachforschungen tiber die Vergangenheit der Fran an, und es ergab sich, dass sie als Kind im Hause eines alten, sehr gelehrten Pfarrers gelebt hatte, der die Gewohnheit besessen, Stellen aus alten Klassikern und Kirchenvatern laut vorzulesen. In den LieblingsbUchern des Pfarrers, die man dem Arzte vorlegte, fand er eine Anzahl der Satze, die die Kranke gesprochen, angestrichen." (Allg. Deutsche Lehrerzeitung. )

Die Hausaufgaben ein alter Zopf. ttber die Hausaufgaben hielt kurzlich im Dresdener Lehrerverein Lehrer Schanze einen Vortrag. Der Redner bezeichnete die Hausaufgaben als einen alten Zopf, gegen den schon vielfach geeifert worden sei und der von der heutigen Methodik entfernt werden miisste. Hierauf beantwor- tete er die Frage: Hat die Schule ein Recht, die Arbeitskraft der Kinder zu Hause in Anspruch zu nehmen? dahin, dass der gesetzlich bestehende Schulzwang nicht auch auf die Hausaufgaben ausgedehnt werden konne, obwohl die Behorden dieser

Unttrwegs %ur Scbule. 127

Meinung seien, da man den Hausaufgaben einen erziehlichen, willensbildenden und die Lernarbeit unterstiitzenden Wert beilege. Weil es nun aber unmoglich ist, die Schularbeiten jedem einzelnen Kinde individuell zuzumessen, ware es besser, fiir die Kinder gemeinsame Arbeits- oder Nachhilfestunden in der Schule einzurichten und die Hausaufgaben ganz aufzuheben, umsomehr, als dadurch ein storender Faktor des Familienlebens beseitigt und in sozialer und hygienischer Hinsicht viel gewon- nen wiirde. Die Aufhebung der Schularbeiten ware eine Erlosung fiir viele; die Schule wiirde nichts verlieren und Eltern, Kindern und Lehrern wiirde viel Leid erspart. Reicher Beifall lohnte den Redner. Schliesslich wurde folgende Erklarung angenommen: ,,Der Dresdener Lehrerverein erkliirt sich aus padagogischen, sozi- alen und hygienischen Griinden fiir moglichste Beschriinkung der Hausaufgaben in den Oberklassen und fiir ihre Beseitigung in den Unterklassen unserer Volksschu- len." Hierzu bemerkt die Allg. D. Lehrerzeitung : ,,Alle Hausaufgaben zu besei- tigen, ist nach unserer Ansicht unmoglich, wenn nicht die Lehrziele herabgedriickt werden sollen. Wieviel Zeit wiirde z. B. allein das Einiiben des Memorierstoffes in der Schule erfordern!" ( tfsterreichischer Schulbote.)

Unterwegs zur Schule.

Der Winterwind, mit Deinem armen Kleide

Treibt wohl ein grausam hohnisch Spiel;

Dein kleiner Korper f rostelnd zittert, zittert,

Zerriss'ne Schiihchen tragen Dich ans Ziel.

Doch Deine Zopf chen von verblich'ner Seide,

Von Schwarz zu Blond, umschlungen halt ein Band.

Du armes Kind, wie ich in Deinem Leide,

Dich doch urn diese schlichte Zier beneide!

Du armes Kind, wie bist Du reich begliickt!

Denn Mutterliebe hat Dich so geschmiickt.

Aleph.

Fur die Schulpraxis.

I. Das Antworten der Schiiler in ganzen Satzen.

Von Christian Zimmermann, Cincinnati, O.

Motto: ,,Gebt dem Kinde vor allem die Sprache, denn das Wort weckt den Gedanken."

Antwort oder Gegenwort, Gegenrede heisst der Begriff oder Gedanke, welchen die Frage verlangt. Daraus ergiebt sich, dass Frage und Antwort zusammenge- horige Dinge, Teile desselben Gedankens sind. Zum Zweck der Belehrung treten hiebei Personen zu einander in wechselseitiges Redeverhaltnis. Die Belehrung ist nicht selten eine gegenseitige ; wo aber wie beim Schulunterricht zwei auf ganz verschiedener Bildungsstufe stehende Personlichkeiten in dieses Verhaltnis treten, dienen Frage und Antwort zumeist der Belehrung des einen Teils, weswegen fast ausschliesslich die Frage dem Lehrer, die Antwort dem Schiller zufallt. Alle Un- terrichtsfragen stellen die Anforderung an den Schiiler, durch die Antwort Zeugnis abzulegen vom Erkennen und Konnen. Das erste hiebei ist, dass der Schiller den Zweck der Frage erkenne, also die Frage verstehe. An dem Lehrer ist es zunachst, durch richtige Fragebildung die Antwort nahe zu legen. Dazu gehort vor allem, dass die Frage bestimmt sei, d. h. dass sie durch Hinzunahme aller wesentlichen Momente die notige Vollstandigkeit und Deutlichkeit erlange. So wird sie fiir den Schiiler der Fiihrer, der auf den verlangten Begriff sicher hinleitet. Da die Frage immer nur eine Begriffsbestimmung offen lasst, so ist durch Angabe derselben das Verlangen des Fragenden eigentlich befriedigt. Es ist also die Antwort als ,,Wort", als Begriff an sich eine richtige, weshalb diese Form der Antwort beim Schulunter- richt keineswegs ausgeschlossen bleibt. Die Irage ist nur die, ob solche lakonische Antworten dem Unterricht forderlich und dienstlich sind.

Wenn beim Beginn des Schuljahres neue Pflegebefohlene die Schulschwelle ilberschreiten und du machst den ersten Versuch, dich mit ihnen ins Einvernehmen zu setzen, du richtest die kindlichsten und zartlichsten Fragen an sie: keine Ant- wort. Warum? Sie verstehen dich nicht. Also denkst du sofort daran, dass du ,,Sprachunmiindige" vor dir hast und redest sie in ihrer Sprache an. Ihr Mund geht auf, aber nur fiir ein Wort, ein andermal wieder eines. Warum so wenig? Sie besitzen nicht mehr, ihre Spracharmut ist gross. Wenn auch je und je Anlage, Temperament und Herkunft zu einer bescheidenen oder unbescheidenen Mundfer- tigkeit bereits verholfen haben, die grosse Masse verfiigt iiber einen geringen Schatz von Wortern, meist Begriffsworter, wahrend der Bestand an Formwortern so man- gelhaft sich erweist, dass an eine ordentliche Form der Rede zunachst nicht zu denken ist. Also Kultur der Sprache heisst die Losung. Der Schiiler erwerbe sich Verstandnis der Sprache durch Horen des gesprochenen, dann durch Lesen des ge- schriebenen Gedankens, sofort aber auch Fertigkeit im Gebrauch derselben beim Sprechen und Schreiben. So wird die Sprache Mittel des Gedankenaustausches. Und zwar sind Horen und Sprechen die zunilchstliegenden Thatigkeiten, durch welche jenes Ziel erreicht werden kann, da der miindliche Verkehr zwischen Lehrer und Schiiler dadurch bedingt wird.

Also erstens: der Schiiler hore! Er bore aber nur Mustergiltiges. ,,Auf lau- tes, richtiges Sprechen" hat darum der Lehrer vor allem bei sich selbst zu halten. Laute Stimmen sind freilich bei den Lehrern nichts Seltenes; im Gegenteil hort man sagen, dass in manchen Schulen Stunde fiir Stunde nur die Stentorstimme des Lehrers drohne, wahrend die Schiiler bescheiden verstummen. Wie mancher hat

Fur die Scbulpraxis. 129

es schon bereut, dass er nicht an die Wahrheit des Wortes geglaubt: ,,Wenn die Schiller reden sollen, muss der Lehrer schweigen konnen." ,,Richtiges" Sprechen hingegen stellt schon Anforderungen an den Lehrer. Seine Sprache sei lautrich- tig, scharf artikuliert, die Satzbildung rich tig. Nur wo das Sprechen des Lehrers den padagogischen Anforderungen entspricht, kann das Horen des Schulers einen wirklichen, bleibenden Gewinn haben.

Zweitens: der Schiller spreche! 1st das Auffassen der vom Lehrer zu Geh6r gebrachten Gedanken der erste Schritt in der Sprachiibung des Schiilers, so schliesst sich daran als zweiter die mit Konsequenz und Genauigkeit durchzufiihrende Nach- ahmung und Gewohnung. Namentlich was das laute Sprechen anbelangt, so fiihrt nur eiserne Strenge vom ersten Schultage an zum Ziel. Peinlichste Genauigkeit aber verlangt das richtige Sprechen des Schiilers. Er hat es hier ganz und gar dem Lehrer nachzuthun vor allem in Lautrichtigkeit, dar.n aber insbesondere in Darstellung vollstandiger Gedanken, sei es, dass es sich bloss um Wiedergabe eines Satzes handelt, sei es die Erganzung eines durch die Frage angeregten Gedankens. In diesem Fall hat er zum Zweck der Vollstandigkeit die Frage des Lehrers in die Antwort mit aufzunehmen. Der Schiller soil also die schriftdeutsche Rede des Lehrers auffassen lernen, es soil die Scheu vor dem Gebrauch derselben bei ihm iiberwunden werden, es sollen ihre Formen ihm durch Ohr und Mund gehen. Dea- halb ist das Antworten ,,in ganzen Satzen" namentlich auf der unteren Stufe durch- aus notwendig und allein richtig. Wir mochten dasselbe die ,,Schulform" der Ant- wort nennen, nicht weil sie der Schule spezifisch eigen, sondern well sie ein vor- treffliches Mittel zur Schulung in der Sprache abgiebt. Darum als erster Grund- satz: Auf Antworten in ganzen Satzen muss beim Unterricht gedrungen werden.

Zur speziellen Einiibung aber bedlirfen wir im Lehrbetrieb der Unterstufe eines besonderen Stoffes, ilber den die Kinder reden konnen und iiber den sie gerne reden. Wes das Herz voll ist, des gehet der Mund iiber. Darum soil der Stoff solcher Sprachiibung weder schwierig noch den Kindern fremd, vor allem aber interessant sein. tiber bekannte und interessante Dinge milssen sie aussprechen, was zu sagen ihnen Freude macht. Zu dem Ende betrachten wir mit ihnen die Dinge aus ihrein Anschauungskreis nach Art, Teilen, Thatigkeiten, Eigenschaften, Stoff, Gebrauch, Verfertiger u. s. w. Es werden V orstellungen gesammelt, Begriffe gebildet, ge- klart und gemehrt. Der Schdler erwirbt sich vor allem einen Vorrat lautrichtiger Begriffsworter. Nachdem er also die Hauptbestandteile der Satze besitzt, werden auf Anregen zweckmassig an einander gereihter Fragen Urteile gebildet und diese in sprachrichtigen Satzen ausgesprochen. Dabei beschrankt man sich langere Zeit auf den einfachen Satz. Auf die Frage: Was ist das Ding? werden Gattungs- und ArtbegrifT zusammengestellt und die Antwort erfolgt in einem einfachen Aus- sagesatz ohne schwierige Rektion. Zu weiterer Einiibung solcher Art von Satzen konnen verwandte Begriffe zusammengestellt werden z. B. auf die Fragen: Welche Dinge sind Schulgerate? Welches sind Haustiere? Die Beschreibung wendet sich dann zu den Teilen des Dinges. Zunachst wird der Teil zum Ganzen in Bezug ge- setzt, um die Flexionsendung des Wessenfalles einzuiiben. Auf die Frage: Was ist ein Teil des Tisches? Wie heissen die Teile des menschlichen Korpers u. s. w. werden die Antworten in mannigfacher Form gestaltet. Die Teile werden ferner aufgesucht nach den Fragen: Was hat aas Ding? Wieviele Fenster hat das Schul- zimmer? wodurch als neuer Redeteil das Zahlwort erscheint, oder aus welchen Teilen besteht das Ding? womit der Gebrauch des Hauptworts im Wemfall mit einem Verhiiltniswort verbunden ist. Die Bildung der Satze iiber die Eigenschaf- ten der Dinge geschieht nach den Fragen: Wie ist das Ding? Wie kann, darf, muss die Person sein? Die Thatigkeiten der Dinge werden aufgesucht durch die Fragen: Was uhut das Ding? Was wird mit ihm gemacht? Wer verfertigt es?

130 Padagogische Monatshefte.

Woraus wird es verfertigt? Was kann, darf, mag, soil die Person, das 'lier thun? Was time ich, du? Was ist geschehen? Was geschieht im Friihling? Die Fragen zur Gewinnung der .angaben iiber Gebrauch, Zweck, Nutzen oder Schaden der Dinge sind: Wozu dient es, wird es gebraucht? Es versteht sich von selbst, dass diese mannigfaltigen tfuungen in der Satzbildung sich auf wenigstens ebenso viele Be- sprechungen verteilen, dass also nicht die ersehopfende Beschreioung eines Gegen- standes, sondern Sprachbildung der Hauptzweck sei. . Erst nachdem im Bilden von vollstandigen, grammatisch richtigen Satzen einige Gewandtheit erreicht ist, geht man an die Totalbeschreibung lebloser Dinge zur Befestigung und praktischen Au- wendung des Gelernten. Dabei werden alle Antworten, die Wesentliches enthalten, im Chor nachgesprochen. Je grossere Fertigkeit und Geschicklichkeit der Lehrer in der Fragestellung entwickelt, desto schoner wird sich das Sprachvermogen seiner Schiller entfalten. Der ,,erzahlende" Anschauungsunterricht an der Hand der ge- «chichtlichen Stiicke im ersten Schulbuch darf nicht vernachlassigt werden. Er- ^lihlungen, Fabeln, Riitsel eignen sich fur die Anregung des Gemiits der Kinder und dienen zugleich als Muster schriftdeutscher Rede. Diese 'ttbungen finden ihre Fort- setzung in den nachsten Schuljahren. Da die Schiller nunmehr fahig sind, laut- richtig, bald auch sinnrichtig zu lesen, so vermogen sie die Sprachstotfe vermittelst des Auges aufzunehmen und so unmittelbar ihre Spracnkenntnisse zu vervollkomm- nen. Da ist eine vorherige Besprechung zum Zweck des verstandigen Auffassens geboten. Dabei wird das Aniworten in ganzen Satzen noch weiter heraufgebildet, damit der Gedankenausdruck inimer sprachrichtiger, piinktlicher, gefalliger, man- nigfaltiger werde. Auch das Naeherzahlen tritt in den Dienst der Sprachbildung. Beim Lesen ist immer darauf zu halten: Verstehest du auch, was du liesest? Er- zahle, was du gelesen hast! Je mehr der Schiller Veranlassung hat zu lebendiger Aktivitat, desto seltener die Ermiidung des Lehrers. Auf solche Weise meincn wir, konnte man durch Schweigen Sprechen lehren.

Immerhin kostet ernstliches Streben nach besagtem Ziele hin in den ersten Schuljahren viel Miihe. Doch geniessen Lehrer und Schiller gar baia die Frucht davon. Jeder Versuch, den Schiller zu einer miindlichen Wiedergaoe zu bewegen, miisste misslingen ohne vorangegangene tibung in der Satzbildung. Und doch sind jene miindlichen '(Jbungen nur die Vorbereitung zur schriftlichen Gedankendarstel- lung. Was aus der Besprechung der Lesestiicke als Resultat ergeben hat und in einfachen Satzen zusammengefasst ist, das wird nun auch schriftlich reproduziert, auf der ersten Stufe im engen Anschluss an den Wortlaut der eingeiibten Satze, auf der zweiten in etwas freierer Weise. Da wird sich dann zeigen, dass nur dort einigermassen Befriedigendes geleistet wird, wo die Schiller mit der Satzform ver- traut sind. Der Hauptgewinn von den elementaren ttbungen fallt schliesslich dem Aufsatz in der Oberstufe zu, ja dieser wurzelt geradezu in ihnen und gedeiht nur auf diesem Grunde, Gewandtheit im Gedankenausdruck kann nur bei einem ISchulunterricht erreicht werden, der in alien seinen Teilen Sprachunterricht ist, aer also insbesondere auf ,,Verstandnis des Gehorten und Gelesenen, auf Fahigkeit, das Verstandene in vvort und Schrift sprachrichtig wiederzugeben", bestandig ab- zielt. Wenn dies geschieht, wird der Aufsatz mehr und mehr aufhoren Schulkreuz zu sein und mehr Befriedigendes leisten.

Das Antworten in ganzen Satzen ist demnach das wirksamste Mittel zur Vor- bereitung und Unterstiitzung des schriftlichen Gedankenausdrucks. Nicht minder ist es dazu angethan, die Aufmerksamkeit in heilsame Zucht zu nehmen. Zer- streutheit und Gedankenlosigkeit, Nachlassigkeit und Triigheit entfliehen, wo der Schiller in die Zucht der Rede genommen wird. Ist einer im Verdacht der Unacht- samkeit, so soil er sofort Rede und Antwort stehen. Und da am allerwenigsten -darf man sich an der Halbheit genugen lassen, denn hinter die halbe Antwort hat

Fur die Scbulpraxis. 131

sich schon manche Faulbeit gesteckt. Aus demselben Grunde sind Chorantworten verwerflich. Es kommen dabei gewohnlich nur wenige, fast immer dieselben, gar manche Schiller nie zum Antworten, und als weiterer ttbelstand hangt damit zu- sammen, dass nur selten die Antworten vollstandig werden. Aufmerksamkeit und Strebsamkeit schwinden, wenn nicht die Tnaugkcit der ganzen Klasse dadurch im Gang erhalten wird, dass die Frage stets an die Gesamtheit gerichtet ist, wahrend nur der Aufgerufene im Namen der Klasse die Antwort ausspricht.

So bleibt denn das Antworten der bchiiler in ganzen Satzen in Verbindung mit der zielbewussten Fragfertigkeit des Lenrers eines der forderndsten Mittel in unse- rem Unterricht. Wenn es auch Millie und £eit kostet, es ist gewinnreich. Es ist und bleibt eines der sichersten Kennzeichen einer guten Schule.

II. Wie kann man den deutschen Unterricht lebendig und praktisch

machen ?

Vortrag, gehalten vor dem Californischen Verein von Lehrern der deutschen

Sprache.

Von Vol. Suehner, San Jose.

Die Frage, die uns vorliegt: Wie kann man den deutschen Unterricht lebendig und praktisch machen? ist eine ausserst wichtige, besonders an unseren High Schools oder Mittelschulen. Die Universitaten sind sich mehr oder weniger selbst ein Gesetz, und konnen unterrichten, wie sie wollen, ohne dass jemand sich unter- fangen wiirde, ihnen Vorschriften machen zu wollen. Doch ware es gut, wenn auch sie sich mit der Frage beschaftigten, denn die Thatsache, dass man ihnen nach- sagen kann, dass nach vierjahrigem Studium ihre Studenten oft nicht imstande sind, sich in der fremden Sprache einigermassen gelaufig auszudriicken, wird als Beweis angefiihrt, dass der schulmassige Unterricht den Schiller doch nicht befa- higt, die Sprache praktisch gebrauchen zu lernen, und dadurch wird der Sprach- unterricht in den Schulen im allgemeinen diskreditiert. Der Einwand, dass es unter der Wiirde der Universitat sei, sich mit Sprechiibungen abzugeben, da sie keine •'Boarding-school" sei, ist nicht stichhaltig. Besser ware es, zu sagen, dass der elementare Unterricht iiberhaupt nicht in die Universitat gehort, aber wenn er ein- mal da gegeben wird, so sollten auch praktische Resultate erzielt werden.

Ich wiederhole aber, dass die irage an den Mittelschulen wichtiger ist, denn diese stehen mit dem wirklichen Leben in engerer Beriihrung, ja, man kann sagen, dass die Stelle eines Lehrers der modernen Sprachen an der High School oft davon abhangt, wie erfolgreich er hierin in seinem Unterricht ist. Wir konnen von dem erziehlichen Wert der Spracherlernung sprechen, so viel wir wollen, der gemeine Mann hat kein Verstandnis dafiir, sondern wenn er seinen Sohn oder seine Tochter in die Sprachstunde schickt, so thut er es, weil er glaubt, dass ihnen ein kommer- zieller Nutzen aus der praktischen Kenntnis der Sprache entspringen werde. Das Erziehliche des Unterrichts miissen wir so im Stillen hineinlegen.

Wir konnen zuniichst die Frage dadurch vereinfachen, indem wir sagen: Ma- chen wir den Sprachunterricht praktisch, und er wird auch lebendig sein! Wer das nicht glaubt, der richte nur an die Schiller ein paar Fragen oder mache einige Be- merkungen in der fremden Sprache, wie sie nicht im Buche stehen, und er wird sehen, wie ihre Augen aufleuchten, und wie sie begierig sind, ihm zu folgen und ihn zu verstehen.

132 P'ddagogische Monatsbefte.

In wie weit kann und sollte die fremde Sprache in der Klasse gebraucht wer- den? Manche Leute, und besonders solche, die am wenigsten davon verstehen, be- haupten, dass der Lehrer vom ersten Tage an nur die fremde Sprache gebrauchen sollte. Das verstosst aber ganzlich gegen unser padagogisches Gefiihl. Was ntitzt es, die Schiller in einer Sprache anzureden, von der sie nur ein Wort aus zehn ver- stehen? Da ist es doch besser, vom Bekannten zum Unbekann^en fortzuschreiten, und vom Englischen ausgehend, den Schiilern nach und nach einen Wortschatz bei- zubringen, der dann durch haufige Anwendung und 'tfbung gelaufig gemacht wird. Sie aber in einer Sprache anzureden, von der sie so wenig verstehen wie vom Chi- nesischen, ist eine Versiindigung gegen den gesunden Menschenverstand, und ausser- dem eine nutzlose Energievergeudung aes Lehrers, der seine Krafte wahrlich fiir Besseres notwendiger braucht.

Die Anhanger der sogenannten natiirlichen Methode behaupten ferner, dass es gar nicht notig sei, Gramma tik zu lehren, ja dass es sogar schaulich sei, indem dadurch die Schiller mehr an die Grammatik dachten, als an die Sprache selbst. Ihr grosses Argument ist, dass das Kind seine Muttersprache lerne, ohne von der Grammatik eine Ahnung zu haben, eirizig durch Nachahmung und ttbung. Aber fragen wir diese Leute: Wie lange brauchen die Kinder, um ihre eigene Sprache unter giinstigsten Verhaltnissen richtig sprechen zu lernen? Und konnen sie sie sogar dann richtig sprechen, ohne Grammatik zu studieren? Sicher nicht! Difr schauderhafte Sprechweise von ungebildeten Leuten beweist dies zur Geniige. Auch ziehen diese Herren nicht in Betracht, dass die Kindheit die .feriode der Nach- ahmung ist, auf welche die Periode der Reflexion folgt, in welcher der junge Mensch das Wie und Warum wissen will, tfbrigens wollen wir unsere Schiller nicht zu gedankenlos nachplappernden Papageien, sondern zu denkenden Menschen erziehen.

Wir konnen also kurz den Satz aufstellen, dass das vorgesteckte Ziel im Sprachunterricht am schnellsten und sichersten erreicht wird, wenn Grammatik und praktische 'ttbung Hand in Hand gehen.

Verkehrt ist es aber andrerseits, in der Grammatik allein das Heil zu suchen. Es steht fest, dass mit blosser Grammatik und ttbersetzen von einer Sprache in die andere keine befriedigenden Resultate erzielt werden. Sie mb'gen wohl selbst die Erfahrung gemacht haben, dass der Schiller imstande ist, die grammatische Regel aufs schb'nste anzufiihren, aber gleich im darauffolgenden Beispielssatze aufs grobste gegen dieselbe Regel verstosst. Nein, die Grammatik erreicht nur dann ihren Zweck, wenn sie durch fleissige Anwendung und tibung in Fleisch und Blut iiber- geht.

Wie ist nun die Sprache auf Grund der Grammatik zu lehren? Indem der Bau des Satzes systematisch von einem Teile zum andern fortschreitend gelehrt wird, und eine jede Regel durch wiederholte Anwendung in einfachen Satzen, die sich auf das tagliche Leben beziehen, gelaufig gemacht wird, so aass die Schiller zuletzt richtig sprechen, ohne sich lange besinnen zu brauchen. Dabei ist nicht der Gang einer Grammatik zu verfolgen, die wie Whitney und andere die verschie- denen Satzteile mit alien Regeln und Ausnahmen auf einmal vorfiihrt, sondern es ist em 'ttbungsbuch zu Grunde zu xegen, das vom Leichten zum Schweren, vom Notwendigen zum Seltneren langsam aber sicher fortschreitet.

Wir miissen stets beachten, dass die lebendige Rede keine Papiersprache ist, die wir nur mit dem Auge erfassen, sondern dass sie eine Lautsprache ist, beste- hend aus Lautgebilden, und dass das Ohr vorwiegend das Aufnahmeorgan sein muss. Das Auge kann allerdings dem Ohre dienstbar gemacht werden, aber es sollte in der Sprachklasse nicht dahin kommen, dass die Schiller einen Satz sehr leicht verstehen, wenn sie ihn geschrieben oder gedruckt vor sich sehen, dass sie aber Mund und Augen verwundert aufreissen, wenn sie denselben Satz nur horen und

Fur die Schulpraxis. 133

unfahig sind, ihn zu verstehen. Das Ohr sollte bestandig geiibt werden, indem die Schiller mit geschlossenem Buche die ttbungssatze nach dem Gehor iibersetzen, una dass dann aieselben Satze als Material zu freien Sprachiibungen benutzt werden.

Die Aussprache muss vom ersten Tage an griindlich und gewissenhaft gelehrt werden. Der Lehrer muss streng sein in seiner Kritik und darf nicht erlauben, dass die Schiller in schlechte Angewohnheiten verfallen, die dann schwer oder gar nicht mehr auszurotten sind. Er muss alle moglichen Mittel anwenden, um die fremden Laute fasslich zu erklaren und hervorbringen zu lassen. iJie Hauptschwie- rigkeiten im Deutschen machen die Umlaute 6 und ii und die Konsonanten z und cti. Bei dem 6 kann man von solchen englischen Wortern wie bird oder urge aus- gehen, nur muss man vor dem folgenden r-Laut warnen. Das ii kann nur durca Nachahmung erlernt werden, hb'chs,tens kann man auf die Mundstellung wie beim Pfeifen verweisen.

Bei dem z ist jede Anniiherung an den summenden oder vokalisierten s-Laut des englischen z zu vermeiden. Am besten stellt man den Laut durch ts dar, also dass die Schiller sagen tsimmer (Zimmer) und nicht dzimmer.

Beim ch gilt die einfache Regel, dass es nach a, o und u stets den gutturalen Reibelaut eines aspirierten k hat, wie in ach; in alien iibrigen Fallen hat es den palatalen Laut wie in ich, durch, Tochter. Es ist zum Verwundern, wie viele ame- rikanische und sogar deutsche Lehrer diese Regeln nicht zu beachten scheinen, und ihre Schiller ruhig ikh, welkhe sagen lassen, eine ausserst hassliche Aussprache, die dem Deutschen noch viel mehr den unverdienten Is amen einer gutturalen Sprache giebt.

Ich kann nicht umhin, auch die Aussprache von sp und st zu beriihren. Die deutsche Biihne, die einzige Authoritat fiir korrekte Aussprache des Deutschen, verwirft die scharfe Aussprache uieser Laute am Anfange einer Silbe. Das Wort Spitze wie Sspitze auszusprechen, ist plattdeutscher Dialekt. Das Argument, ein Wort auszusprechen, wie es geschrieben wird, ist verkehrt, denn die Schrift ist nur ein Versuch, das gesprochene Wort bildlich darzustellen, und dieses war zuerst da und hat den Vorrang. Es ist aber bei dem kraftigen Charakter der deutschen Sprache angemessener, zu sagen Schtadt, und nicht Sstadt. Man versuche, Stellen aus unseren Klassikern auf beide Weisen auszusprechen, und man wird den Unter- schied bemerken; z. B. aus ,,Wallenstein" : ,,Nacht muss es sein, wo Friedlanda Sterne sfrahlen." Ein Schauspieler, der sagen wollte: ,,Nacht muss es sein, wo Friedlands Ssterne ssirahlen, wiirde mit Recht von uer tflihne gezischt werden (ausser vielleicht in Hannover).

Im iibrigen muss sich der Lehrer immer einer reinen und deutlichen Aussprache befleissigen, und er wird sich wundern, wie treu ihm die Schiller nachahmen, be- sonders wenn sie voilkommenes Zutrauen in ihn haben. Wir konnen bestandig beobachten, dass amerikanische Schiller schon nach einigen Monaten das Deutsche so rein und richtig aussprechen, dass man ihre Aussprache von der eines deutschen Kindes nicht unterscheiden kann, und dass man kaum glauben kann, dass sie nicht Kinder deutscher Eltern sind. Dies widerlegt auch die Behauptung, dass es einem Auslander nicht moglich sei, das Deutsche richtig und ohne Accent sprechen zu lernen.

(Schluss folgt.)

Berichte und Notizen.

I. Jungamerika auf einem deutschen Kriegsschiff zu Gast.

,,S. M. S. ,Moltke'

den 30. Januar 1902.

Ich habe den Auftrag, Euer Hochwohlgeboren im Namen des Komman- danten mitzuteilen, dass Ihrem Wunsche entsprochen werden kann. Es wer- den infolge dessen am Sonnabend, dem 1. Febniar, nachmittags drei Uhr, drei Boote zur Aufnahme von je 35 Jfersonen am Fusse des Broadway bereit liegen und Sie an Bord bringen.

Biichsel,

Leutnant zur See und Adjutant. An Herrn Professor C. O. Schonrich Hochwohlgeboren, Baltimore."

Obiges JScnreiben war am Freitag Vormittag dem Adressaten in seiner 35klas- sigen Schule iiberliefert worden, derselbe hatte es den beiden Oberklassen zunachst als Diktat und 'tibersetzungsiibung gegeben und dann mit denselben die entsprechen- den Abmachungen fiir den folgenden Tag getroffen. Die Auserwahlten waren natiir- lich in freudiger Erwartung. Die Kreuzerfregatte Moltke, ein deutsches Schul- schiff, war auf der Heimreise von Venezuela zu einem dreiwochentlichen Aufent- halt im Hafen von Baltimore und auf der Rhede von Annapolis eingetroffen, das erste deutsche Kriegsschiff in diesen Gewassern, mit 450 Mann an Bord, worunter 59 Kadetten und 210 Schiffsjungen, und noch nie ward einem fremden Kriegsschiff hier ein so allseitiges, ausgezeichnetes und anhaltendes Willkommen von Behorden und Biirgern zuteil, wie diesem. Ailes sprach von der schmucken Fregatte, die im ausseren Hafen vor Anker lag, die Zeitungen waren voll davon, die geehrten Gaste genossen eine anhaltende Ovation durch eine Reihe ausgesuchter Unterhaltungen, die sich auch auf Washington ausdehnten, woselbst sie durch einen Empfang beim Prasidenten und einem darauf folgenden gliinzenden Ball in der kaiserlichen Lega- tion geehrt wurden, und Tausende liessen sich wahrend der freundlich angesetzten taglichen Besuchstunden auf das scnone Schitf iibersetzen, trotzdem die ttberfahrt auf den iiberfullten Mietsbooten bei der annaltend stiirmischen Witterung zum min- desten nicht angenehm war.

Darum freute sich jetzt Jungamerika ganz besonders, dass ihm die seltene Be- vorzugung werden sollte, unter der deutschen Kriegsflagge an Bord gebracht zu werden, und das auch noch von der angegebenen bequemen Landungsstelle aus, was eine Fahrt von einer Meile in sich schloss; und wenn auch am Sonnabend das Wet- ter kalter und stiirmischer geworden war, so fanden sich doch 60 der Zoglinge, Knaben und Madchen im Alter von 14 17 Jahren, am Fusse des Broadway ein. Schonrich brachte ausserdem noch weitere Begleiter, darunter verschiedene Porto- rikaner, mit, so dass die drei bereit liegenden Boote gut besetzt waren.

Des Kapitans Fiirsorge fiir seine jugendlichen Gaste hatte ihnen besondere Schutzvorrichtungen gegen die zeitweiligen heftigen Regengiisse vorgesehen, und die stattlichen Blaujacken steuerten so geschickt durch die erregten Wellen, dass die Gaste selbst beim starksten Schwanken nicht bespritzt wurden. So storte nichts die Heiterkeit derselben, die in jubelnde Bewunderung ausbrach, als Q^e stolze Fre- gatte ihnen voll zu Gesicht kam und deren poetische Erscheinung auf sie einwirkte.

Am oberen Ende der hohen Schiffstreppe wurden sie von dem Wachtoffizier in herzlicher Weise bewillkommt und nach dem Quarterdeck geleitet; dort erfolgte die tiberreichung eines Strausses pracntiger Blumen, als Gruss Jungamerikas an Deutschland, wie die Betreffende betonte, dann wurde die junge Gesellschaft in

Jungamerika auf einem deutscben Kriegsschiff %u Cast. 135

kleine Gruppen eingeteilt, deren jede durch eiaen Kadetten durch das ganze Schiff gefiihrt wurde, wobei die schmucken Fiihrer nicht miide wurden, den jungen Geistern alles Sehens- und Wissenswerte zu zeigen und zu erklaren. Schliesslich fand sich die ganze Gesellschaft im mittleren Schiffsraum zusammen, wo die Fidelitas be- gann. Das aus Schiffsjungen zusammengesetzte Musikkorps spielte die deutschen Lieder, die den jungen Gasten aus den Rosenstengel-Dapprich'schen Lesebiichern bekannt waren, und die sie daher mitsingen konnten, sie sangen ihren Gastgebern auf deren Ersuchen auch amerikanische Lieder vor "Home, sweet Home" mussten sie ihnen dreimal vorsingen , auch hierbei begleitete sie das junge Musikkorps, und kurz vor dem Abschied kam es noch zum Tanz.

Der Kanonenschuss vom gegeniiberliegenden Fort McHenry zeigte den Sonnen- untergang an, als die Boote von dem gastlichen Schiffe abstiessen, der Regen hatte aufgehort, der Sturm aber zugenommen. Unter dem Singen der Lieder ,,Die Wacht am Rhein", "Home, sweet Home" und des in dieser historischen Umgebung beson- ders passenden "Star spangled Banner" verliess die junge Gesellschaft die Fregatte. Fast alle, und besonders die Madchen, hatten sich Andenken zu verschaffen ge- wusst, Bilder, Ansichtspostkarten, Uniformknopfe und schwarzseidene Hutbander mit der in Goldbuchstaben aufgedruckten Bezeichnung ,,S. M. S. Moltke". Dieser Tag hat ihr deutsches Gefiihl ungemein gehoben und gestarkt, es wird ihnen zeit- lebens in lieber Erinnerung bleiben.

Ehe das Schulschiff auf seiner Heimfahrt nach Annapolis absegelte, woselbst ihm wahrend des viertagigen Aufenthalts ebenfalls allseitige und anhaltende Ehrun- gen zu teil wiirden, erhielt der Kapitan noch nachfolgendes Schreiben: ,,Pubhc School No. 93.

Baltimore, 5. Februar 1902.

Die beiden Oberklassen der obigen stadtischen Schule haben in einer heute gehaltenen Versammlung beschlossen, Ihnen unsern innigen Dank aus- zudrucken fiir den reichen Genuss, der uns am vergangenen Samstag zu teil wurde durch die freundliche Aufnahme auf S. M. S. ,Moltke', wie auch fiir die sichere und angenehme Beforderung zu und von dem schonen Schiffe.

Wir bitten Sie, bei Ihrer Heimfahrt unsern bleibenden Dank mitzuneh- men, soicie herzliche Griisse an Jungdeutschiand von Jungamerika.

Mit der grossten Hochachtung,

Das Klassen-Komitee..

(Folgen die Namen.) An Herrn Kapitan Karl Franz,

Kommandant S. M. S. ,Moltke'." S..

II. Korrespondenzen.

(Fiir die Padagogischen Monatshefte.)

Cincinnati.

Im Zeichen des Prinzen Heinrich be- wegte sich am Abende des 28. Februar auch, zusammen mit einem halben Hun- derte anderer deutscher und irischer Ge- sellschaften, der deutsche Lehrerverein von Cincinnati, indem er sich durch so 'n Dutzend strammer Kollegen bei dem \virklich grossartigen Empfange dea deutschen Gastes unseres Landes und Volkes vertreten Hess. Es freut mich innig, von diesem hochst erfreulichen Zeichen loblichen Aussichherausgehens der deutschen Lehrer, das gar nicht energisch genug betrieben werden kann. hiermit berichten zu diirfen. Die Frage der Schularzte wird augenblicklich iin Schulrate ernstlich in Erwagung gezo- gen. Vorauszusehen ist, dass die Sache im Sande verlaufen wird, da, wenn die Herren Askulape mit je $75 monatlich honoriert werden, wohl eine nicht ge- ringe Ausgabe den Steuerzahlern aufge- bilrdet wiirde. Ausserdem glaube ich nicht fehlzuschiessen mit der Behaup- tung, dass diese Neuerung, nach kurzzei- tiger Probe nur, mit den Schul-Kinder- garten, -Handfertigkeitsiibungen, -Mili- tarspielereien, -Steilschrift und dgl. zu- sammen rubriziert werden wird, wie das in denjenigen europaischen Landern be- reits geschehen ist, nach denen wir quand meme immer noch so 'n bisschen hinschielen, wenn uns in Sachen ,,Valia- tio delectat" zuweilen das Trumm aus- geht. Womit keineswegs gesagt werden soil, dass eine arztliche 'Oberwachung der Gesundheitspflege in den offentlichen Schulen in gewissen Grenzen nicht wiin- schenswert ware, nur wird das virgili- sche Wort im Auge zu halten sein: ,,Ti- meo Danaos et dona ferentes". Der Impfzwang fiir Schulkinder sollte, trotz der hierzulande sichtlichen Abnahme des Vertrauens in das Impfen iiberhaupt, in keinem wrohlgeordneten Staatswesen un- serer Zeit einen Gegenstand offizieller Diskussion bilden konnen, ware es auch nur wegen des immerhin bei der iiber- grossen Mehrheit der Biirger noch herr- schenden Glaubens an seinen wohlthati- gen Einfluss. Nichtsdestoweniger wir- belt diese Frage auch hier jetzt wieder viel Staub auf und wird eventuell der Frequenz der offentlichen Schulen unbe- dingt Abbruch thun, falls der Zwang in- sofern durchgefiihrt wird, dass Schiller, die seit Jahren die Schulen besucht ha- ben, bei jedem Auftreten der Slattern langst verlorene Spat-Impfscheine bei-

bringen oder aber sich aufs neue dieser hier im allgemeinen nicht eben muster- giltig inszenierten Prozedur unterwerfen miissen. Das ware nun erst recht ein Punkt, in betreff dessen ein Hiniiber- schielen auf die jenseitige Seite des Weltmeeres wirklich recht sehr am Platze sein diirfte. Man wiirde vicl- leicht zu der Einsicht gelangen, dass ?.u den keinem Menschenwesen entbehrli- chen, ihm gewisserinassen angewachse- nen Dokumenten auch der Impfschein ge- hort. und dass, ohne einen solchen zu be- sitzen, kein schulpflichtiges sechsjahriges Kind eine offentliche Schule iiberhaupt betreten sollte. Statt dessen werden sie aber meist anstandslos zugelassen und ungeimpft mitgeschleift bis eine Blat- ternepidemie ausbricht; und dann heisst es: Hinaus und ungeimpft nicht wieder herein! Die Eltern aber wissen und be- stehen darauf, dass, je alter die Kinder geworden sind, desto mehr Nachwehen das Impfen mit sich bringt, und sind dann sehr oft recht wlderhaarig ein Verhaltnis, das den Lehrern unsaglich viel Scherereien bereitet und schliesslich doch jedesmal ausgeht wie das Hornber- ger Schiessen. Auch heute stehen wir wieder einmal dieser Frage gegenuber, und ist bereits ein formlicher Kriegszu- stand zwischen den Pro- und Kontra- impfern eingetreten. Ein Staats-Impf- zwangsgesetz fiir alle Schulen ohne Aus- nahme ware wohl das allein Richtige, wenn man nicht unbedingt je langer desto mehr sich einem meiner rechtsbe- flissenen Freunde anschliessen miisste mit der Meinung, dass Staatsgesetze ein- zig dazu geschmiedet werden, um vielen Advokaten ein beinahe sicheres Einkom- men zu verschaffen durch die Priifung ihrer Konstitutionalitat, oder durch das Auffinden von Mitteln und Wegen, wie sie leicht und straflos umgangen werden konnten.

Das bringt mich auf unser speziell fiir das Cincinnatier Klima verfertigte Pen- sionsgesetz ,,so gut, so schon, so wohl- thatig und segensreich". Jahrelang ha- ben wir nunmehr unser Scherflein zu die- sem Pensionsfonds beigetragen, und neuerdings haben die Rechtskundigen, so im Schulrate Sitz und Stimme haben, be- antragt, aie Konstitutionalitat auch die- ses Gesetzes priifen und festzustellen zu lassen. Wenn nun das Letztere fehl- schliigt, was dann? ,,Pour le roi de Prusse!" Das hat iibrigens ein angese- hener Rechtskundiger und hochstehender

Korresponden^en.

137

Politiker in unserer Stadt unmittelbar nach der Inkrafttretung des damals in alien Tonarten besungenen Pensionsge- setzes prophezeit und halt an dieser Meinung heute noch fest.

Die Geburtstage Franklins, Lincolns, Washingtons und Longfellows wurden, soweit mir bekannt ist, in unseren Schu- len nahezu kriminell farb- und klanglos begangen. Mich diinkt, man kb'nne in dieser Richtung des Guten gar nicht zu viel thun; ich will jedoch meine Mei- nung anderen nicht aufdrangen. Nur schade ist es, dass bei sothaniger, in manchen mir bekannten Fallen, ostentiv zur Schau getragenen Gleichgiltigkeit diesen grossen Toten gegeniiber es auch uns deutschen Lehrern recht schwierig gemacht wird, die Schiller in dieser Hin- sicht auf dem rechten Pfade zu halten.

Die Wiedercinfiihrung alter volkstum- hcher Lieder, auch in englischer Spra- che, bei unserem Gesangsunterricht kann dem Avackeren Leiter dieses Unterrichts- zweiges, Herrn Walther Aiken, der in dieser Hinsicht in die Fusstapfen seines verdienstvollen Vaters tritt, nicht hooh genug angerechnet werden, und dem Er- ziehungsrate gebiihrt Anerkennung und Dank fur den Ankauf von Tausenden von Exemplaren einer vorlaufig noch kleinen Sammlung solcher Lieder fiir den Gebrauch in den verschiedenen Schulklassen. Kopf und xiand sind ja fiirs erste besorgt und gut aufgehoben; nun freut es desto mehr, dass auch Ge- miit und Herz anfangen mb'gen zu ihrem Rechte zu gelangen. Einer solchen ,,...ologie" das herzlichste willkommen!

quidam. Milwaukee.

fiber Schulreform. Man hurt und liest jetzt so viel von Reform. Die Leute wol- len alles reformieren oder besser machen. Eigentlich heisst ja das Wort andern oder umformen; aber es hat doch ge- wb'hnlich den Begriff des Verbesserns in sich. Es wird ja auch so lange etwas zu reformieren oder verbessern geben, so lange die Welt steht, denn alles Mensch- liche ist unvollkommen. Doch sollten wir uns dabei selbst nicht vergessen zu reformieren, wie der Dichter sagt: ,,Lasst uns besser werden, gleich wird's besser sein." Da hb'rt man denn auch in letzter Zeit viel liber Schulreform. Sind denn unsere Schulen hier im Lande noch der Verbesserung fiihig? Sind sie nicht schon vollkommen? Wenn man un- sere Chauvinisten und Nativisten spre- chen hort, sollte man glauben, es sei wirklich so. Sie rufen es laut in die Welt hinein: ,,Wir haben die besten Schulen in der ganzen Welt!" Da fiel mir neulich ein Artikel oder besser eine

Anzahl Zuschriften an die Zeitschrift ,,The Ladies' Home Journal" in die Au- gen ( Januarheft) , in denen ganz gewal- tige und schwere Anklagen gegen die Schulen, resp. Lehrer und Schulbehor- den enthalten waren. Mehrere Eltern be- klagen sich bitter darin, dass ihre Kin- der so unmenschlich iiberangestrengt wurden in der Schule, und dann noch eine solche Menge fiir das Haus bekii- men, dass sie bis in die spate Nacht auf- sitzen miissten; da von seien sie nun geistig und korperlich zusammen gebro- chen. Die Jirzte hatten ihnen den Schul- besuch streng untersagt, unu sie wurden sie iiberhaupt nicht wieder hinschicken. Fast alle klagen iiber den ganzlichen Zu- sammenbruch des Nervensystems (nerv- ous prostration ) . Dann erklaren meh- rere junge Madchen, die mehr als zehn Jahre lang die Schule besucht und sich ernstlich bemiiht hatten, ihre Aufgaben zu machen und sich fiir den Lehrerberuf vorzubereiten, dass ihnen dies nicht mb'g- lich gewesen, sie seien bei der Arbeit zu- sammengebrochen. Aber ganz schreck- lich und herzbrechend ist die dritte Co- lumne zu lesen, wo in mehr als zwanzig Fallen die Eltern mit Schmerz und Gram und Verzweiflung berichten, dass sie ihre hoffnungsvollen Kinder hatten ins Grab legen miissen wegen ttberanstrengung und 'ttberarbeitung in der Schule.

Also da ist ja die Schule ein moderner Moloch, dem die armen unschuldigen Kinder geopfert werden, und wir Lehrer sind die grausamen Baals- und Molochs- priester! Ist dieser Vorwurf gegen uns und die Schule gerecht? Nein, nur teil- weise. Ich behaupte ganz entschieden, dass die Eltern die Hauptschuld trifft. Es ist die heiligste Pflicht der Eltern, den Unterricht ihrer Kinder zu iiberwa- chen, sich zu iiberzeugen, ob ihre Kin- der die verlangte Arbeit leisten konnen; ob sie geistig und korperlich dazu im- stande sind, fiir einen wissenschaftlichen Beruf, z. B. als Lehrer vorbereitet zu werden. Wird in der betreffenden Schule wirklich zu viel verlangt, so sollten sie mit den Lehrern Riicksprache nehmen oder ihre Kinder aus der Schule neh- men; aber in den meisten Fallen kiim- mern sich die Eltern gar nicht um die Schule. Aber da ist noch ein anderer sehr wunder Punkt zu beruhren in der Familie. Die ganze jetzige Erziehungs- weise ist dazu angelegt, die Kinder schon im friihesten Alter geistig und physisch zu verkrtippeln und fiir angestrengte geistige Arbeit ganz unfahig zu machen. Die Eltern halten namlich nicht sorgfal- tig genug alle geistige Aufregung und iibergrosse Einwirkung auf die Vorstel- lungs- und Einbildungskraft von ihren

138

Padagogiscbe Monatsbefte.

Kindern fern, im Gegenteil fiihren sie dies recht geflissentlich herbei. Da mils- sen ihre kleinen Kinder schon Parties geben und besuchen, miissen Theater und Matinees besuchen, miissen in Gesell- schaften ihrer Eltern bis spat in die Nacht aufbleiben und den fiir sie so no- tigen Vormitternachtsschlaf entbehren. Dann sehen die Eltern ruhig zu, wie die Kinder ganze Arme voll Bilcher von der Bibliothek heimschleppen und mit die- sem Stoff (oft der reine Schund) sich das kleine Gehirn und Vorstellungsver- mb'gen vollstopfen und bis zurn Siede- punkte erhitzen. Die Folgen sind dann schlaflose Nachte oder unruhiger Schlaf, aufgeregte Phantasie, Angstlichkeit und i<urcht im Dunkeln, aufgeregte Traume, Gereiztheit, Schwachezustand, Nervosi- tat und allerlei korperliche Gebrechen. Solches Material bekommen wir dann in die Schule; was sollen wir damit anfan- gen? Dann noch ein wich tiger Punkt. Die Eltern sind so versessen darauf, sie recht friih in die Schule hineinzubekom- men, um sie nur aus dem Hause los ?.u werden, am liebsten schon mit dem 4. Jahre. Die Eltern begehen wirklich ein Verbrechen an ihren Kindern, wenn sie sie vor dem 6. Jahre in die Schule schik- ken. Das kleine Gehirn ist noch zu we- nig entwickelt, um geistig angestrengt zu werden, und das geschieht, und muss geschehen, in jeder Schule, aucn im Kin- dergarten. Auch tragt der Staat hier Schuld, da er ja den Beginn des Schul- alters mit vier Jahren festgesetzt hat. Californien fangt es mit 6 Jahren an, und ich glaube noch andere Staaten.

Aber sind denn wir Lehrer und die Schule nun ganz ohne Schuld? Konnen wir uns ganzlich rechtfertigen von der oben gemachten Anschuldigung ? Nein, durchaus nicht ; deswegen babe ich schon oben gesagt, dass uns die Schuld nur teilweise treffe. Und da mtissen wir wohl alle zugeben, dass die Schuld grb'sstenteils in der fluchwiirdigen, grundverkehrten, hirnverbrannten und aller Logik und Padagogik Hohn spre- chenden Methode des Drillens, Einpau- kens, Vollstopfens, Auswendiglernens ohne Erklarung und Verstandnis be- steht, welche noch mehr oder weniger in alien Schulen, sowohl niederen wie ho- heren, getrieben wird. Ja leider, von der niedrigsten Dorfschule bis zur Normal- schule hinauf. So lernen es die Kinder unten und die Miss lernt es oben (in der Normalschule ) , und so treibt sie es selbst wieder, wenn sie auf dem Kathe- der sitzt. Jung gewohnt, alt gethan. Woher wohl diese infame Methode stam- men mag? Von Deutschland kommt sie nicht, da ist sie ganzlich unbekannt.

Also dann jedenfalls von dem ,,Mutter- lande", von England; daher kommt ja meistens alles Schlechte, was wir hier haben. Englands Schulen stehen ja iiber- haupt, so viel ich weiss, alien andern in Europa weit nach. England hat ja auch wichtigeres zu thun und braucht sein Geld dazu, Krieg zu fiihren und Volker zu unterjochen und Lander zu er- obern. Aber warum rottet man denn diese Einpauke-Methode (craming, rote system) nicht aus? Ja, sie ist halt so bequem und leicht, und wir haben noch keinen tiichtig vorgebildeten Leh- rerstand, besonders nicht auf dem Lan- de. Ich darf wohl behaupten, dass diese Methode in unserer Stadt Milwaukee sehr wenig Anwendung finuet, aber doch wird auch bei uns noch immer viel zu viel auswendig gelernt. Dann mochte ich noch eine andere Unsitte riigen, wo- mit den Kindern viel Schaden und zu- gleich grosses Unrecht zugefiigt wird, namlich die unsinnigen und iibertriebe- nen hauslichen Aufgaben. Ist es nicht grausam von einer Lehrerin, einem Schiller, der fleissig und gewissenhaft seine Arbeit wahrend 6 Stunden gethan hat, nun noch 25 schwere Rechenaufga- ben zu geben, von denen einige wahre Probleme sind, die das Kind gar nicht versteht? Heisst das nicht, ein Kind sys- tematisch zum Liigen, Betriigen und Abschreiben zu erziehen? Fort mit alien Hausaufgaben. Ich gebe schon seit 25 Jahren gar keine mehr und stehe mich viel besser dabei, da ich alle Arbeiten, auch Aufsatze und Memorieren, auch die Strafaufgaben, in der Schule machen lasse unter meiner Aufsicht, wo sie gut und richtig gemacht werden. Lasst un- sere Schiller nach der Schule sich drau- ssen in der frischen Luft fleissig herum tummeln und sich Geist und Korper wie- der kraftigen und starken und wieder in das rechte Gleichgewicht bringen.

Nun mochte ich noch etwas iiber Re- formen im Schulunterricht berichten, die in der Februarausgabe des ,,Ladiesr Home Journal" von Eltern vorgeschla- gen worden sind. Die Redaktion dieses Blattes des "L. H. J." hat eine Seite zur Besprechung von Erziehungs- fragen unter dem Namen ,,New Depart- ment, Mothers' Meetings", reserviert, wo- solche Zuschriften dann von Zeit zu Zeit verottentlicht werden. Die meisten der- selben sind von Frauen verfasst, wohlr weil sie mehr Zeit und auch mehr In- teresse daran haben. Eine solche Zu- schrift ist mit A. R. F., Virginia, unter- zeichnet, und der Verfasser iiber schreibt sie mit den Worten: Keine Schule un- ter dem Alter von 8 Jahren. Er berich- tet dann, dass er bei seinen fiinf Kin-

Kor responden^en .

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dern schon seit 12 Jahren folgende Re- geln bei ihrem Schulunterricht beobach- tet hat: Kein Kind darf unter 8 Jahren ein Schulzimmer betreten; von 8 12 Jahren werden sie taglich 3 Stunden un- terrichtet und vom 12. 15. Jahre tag- lich 4 Stunden. Keine Schulaufgaben werden zu Hause vorbereitet. Unter kei- nen Umstanden darf ein Schulbuch zum buidium heim gebracht werden. Alle Aufgaben, welche nicht in 3 4 Stunden (in der Schule) gelernt werden konnen, bleiben ungelernt. Dann giebt er die Fa- cher anj die seine 13jahrige Tochter in 4 Stunden taglich im letzten Schuljahre gut bewaltigt hat, namlich: Geographic, Orthographic, Rechnen, Schreiben, La- tein, Franzosisch, Grammatik und Ge- schichte. (Lesen?) Dazu kommen noch zweimal wochentlich eine Musikstunde. ^.Is Resultat giebt er an: Gute Schul- zeugnisse, Freude am Schulbesuch, ste- tiger Fortschritt, die hochste Zufrieden- heit der Lehrer, gegenseitiges gutes Ein- vernehmen, und keine DoKtorrechnun- gen. Ob das nun eine Staatsschule oder eine Privatschule ist, wohin seine Kin- der geschickt werden, sagt er nicht. Nun, jedenfalls hat der Mann einen ziemlich weiten Reformsprung auf ein- mal gemacht. Es fallt mir sicherlich nicht ein, denselben empfehlen zu wol- len in alien Stiicken. Aber ich behaupte auch, dass wir Lehrer mit Sjahrigen Xindern mehr anfangen konnen, als mit 5- und Gjahrigen. Auch ist die Gesund- heit der Kinder etwas wert, und fiir die Eltern jedenfalls noch viel mehr als fiir manchen der Lehrer. Priifet alles, und uas Beste behaltet. Dann sind noch ei- nige andere lesenswerte Ansichten und v orschllige unter den Zuschriften, die* auch der Beachtung wohl wert sind.

A. W. New York.

Deutscher Lehrerverein von New York und Umgegend. Beamtcnicahl. Die Verhandlungen unseres Vereins fiir das laufende Jahr wurden mit der Wahl des neuen Vorstandes eroffnet. Nach einem im vergangenen Jahre beschlossenen Ro- tationsplane legten samtliche Beamte des Vereins ihre Amter nieder. Der Vor- stand fiir das laufende Jahr setzt sich zusammen aus den Herren : Dr. H. Zick, Vorsitzender; H. von der Heide, stellver- tretender Vorsitzender; Dr. P. Stollho- fen, korrespondierender Sekretar; E. Mueller, protokollierender Sekretar und Schatzmeister ; H. Kauffmann, Dr. A. Remy, M. Bamberger, Vortragsaus- schuss. Es wurde als erster Geschafts- akt beschlossen, dass der Vorsitzende als Vertreter des Vereins die dem Prinzen Heinrich von den deutschen Vereinen

New Yorks zu iiberreichende Addresse mitunterzeichnen solle. In Anbetracht der Bedeutung des Deutschtums in New York und der grossen Anzahl deutschcr Lehrer in Gross-New York und Umge- gend steht zu hoffen, dass der Verein wachse an Jahren nicht allein, sondern auch an Mitgliederzahl und in Bedeu- tung fiir das geistige und gesellige Le- ben seiner Mitglieder: \ivat, floreat, crescat ! X.

Deutscher Lehrerverein von New York und Umgegend. Existenzberechtigung des deutschen Lehrervereins. Unser neu- er Vorsitzende, Dr. Zick, eroffnete die Versammlung vom 1. Marz mit der freu- dig aufgenommenen Ankiindigung, dass er in aller Stille vor zwei Wochen sich seine schonere Hiilfte am Altare zuge- eignet, und wurden lei der von ihm we- gen dieses unvorhergesehenen Ereignis- ses gestifteten Bierrunde dem gliickli- chen Paare von Herrn Dr. Monteser in seiner stets launigen Weise die Gliick- wiinsche des Vereins in einem kraftigen \ivat, floreat, crescat ausgedriickt, ,,be- sonders aber dem crescat".

Obwohl die Schonheit weiblicher Tu- gend von unserer miinnlich ernsten Ta- felrunde verbannt ist, machte sich die- selbe diesmal auch noch in anderer Weise geltend einfach nach dem Na- turgesetze des Magnetismus. Naturwis- senschaft war zwar nie meine starke Seite und habe ich die in der Schule ge- lernte formula iiber magnetische Krafte ja auch schon langst verschwitzt, immer- hin, das Resultat war, dass unser hoch- geschiitzter friihere korrespondierende Sekretar, Dr. A. Kern, heute durch seine Abwesenheit glanzte. Grund: ,,Geburts- tag meiner Frau". So bleibt uns halt nichts anderes iibrig, als unseren lieben Kollegen via Milwaukee zu bitten, sei- ner verehrten Frau Gemahlin die herz- lichsten Gliickwiinsche des Vereins zu iibermitteln.

Auf die Anfrage des Westlichen Leh- rervereins, ob den New /orkern fiir die diesjiihrige Tagung in Detroit die Zeit vom 1. 3. Juli passend sei, wurde keine abschliigige Stimme laut. Fiir diese Ver- sammlung wurde unter allgemeiner Be- geisterung als der beste representative Redner der New Yorker Herr Dr. K. ivayser vorgeschlagen, und hat derselbe, da er nicht ablehnte, den ehrenvollen Auftrag angenommen.

Darauf legte Herr Dr. Zick als Tr&- ger seiner neuen Amtswiirde seine, wenn auch nicht paragraphierten, doch wohl- durchdachten Ansichten iiber die Ex- istenzberechtigung und den Zweck des deutschen Lehrervereins dar und schloss mit praktischen Winken ftir die Hebung

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Padagogiscbe Monatsbefte.

unseres Vereinslebens. Da dieselben von allgemeinem Interesse erscheinen, mbgen wenigstens die folgenden Auslassungen hier Platz finden:

,,Man kann ohne tJbertreibung be- haupten, dass einer der hervorragendsten und unschbnsten Ziige im deutschen Cha- rakter derjenige der persbnlichen Recht- haberei ist, meistenteils verbunden niit einer uberkritischen Tadelsucht. Daher diirften a lie deutschen Vereine, der nnsrige nicht ausgenommen, die Worte Attinghausens zur Beherzigung iiber ihre Versammlungsraume schreiben : Seid Einig, Einig, Einig!

Auch diirften sie das Wort des heili- gen Augustinus beherzigen: In necessariis unitas, in dubiis libertas, In omnibus caritas!

Die erste Frage ist: Hat unser Ver- ein eine Existenzberechtigung ? Mit der Bejahung oder der Verneinung dieser Frage entscheidet sich auch 'die, ob wir in optimistischer oder pessimistischer btimmung in die Zukunft zu schauen be- rechtigt sind.

Unser Verein hat eine Existenzberech- tigung, wenn seine Zwecke und Ziele nicht schon von andern Vereinen, denen die meisten von uns angehb'ren, erfiillt werden. Werden diese von andern Ver- einen erfiillt, dann halten wir am besten so bald a Is mbglich die Begrabnisfeier- lichkeiten ab und driicken uns iiber dem Grabe des Dahingeschiedenen, der ja dann nie eigentlich gelebt hat, die Hande zum Abschied.

Nun scheint mir die Existenzberechti- gung iiber allem Zweifel klar; sie ist schon im offiziellen Namen aes Vereins ausgesprochen : ,,Verein deutscher Leh- rer von New York und Umgegend". Die andern Vereine, denen viele von uns an- gehb'ren, sind Vereine von Lehrern der deutschen S p r ache. Unser Verein schliesst offenbar alle Lehrer deutscher Abkunft in sich. Der ausgesprochene Zweck des Vereins ist: Geselligen Ver- kehr unter ihnen zu ermoglichen, freund- schaftliche Beziehungen anzubahnen und zu befestigen, und fernerhin durch Vor- trage und Besprechungen padagogischer Fragen Ihre Berufsinteressen zu fbrdern. Gedankenaustausch wissenschaftlicher und allgemein-bildender Art und Pflege des freundschaftlichen Verkehrs als Deutsche ist offenbar der programm- massige Zweck unseres Vereins, und wie der erreicht wird, wissen Sie im allge- meinen so gut wie ich, ja ohne fal- sche Bescheidenheit meinersei^s wahr- scheinlich besser als ich. Von einer Wir- kung des Vereins nach aussen steht, nach meiner Meinung, nichts im Programm des Vereins. Und doch, sollte der Ver-

ein nicht in einem gewissen Sinne auch sich nach aussen fiihlbar machen? Diese .r'rage drangte sich mir unwillkiirlich auf infolge der Diskussion, die anltiss- lich der Adresse an den Prinzen Hein- rich hier vor 4 Wochen stattfand. Sol- len wir bloss einen Verein darstellen, in dem man sich als Deutsche in deutscher Gemutlichkeit trifi't und piidagogische A ragen erb'rtert? Das kbnnte man schliesslich auch zu Zweien oder Vieren am runden Tisch.

Oder sollen wir es versuchen, wie die Spezialvereine an den bffentlichen Schu- len aie Interessen der deutschen Lehrer zu wahren und eventuell aucn zu ver- fecaten? Das geschieht ia scuon in die- sen Vereinen.

Nach meiner unmassgeblichen Ansicht diirften wir mit Vorteil einen Mittelweg einschlagen. Vor allem: Gedankenaus- tausch beziiglich aller Gegenstande, die tins als deutsche und deutschsprechende xierufslehrer der deutsc^en Sprache oder anderer Gegenstande interessieren ; dann, oder besser zu gleicher Zeit, ge- miitlicher Verkehr bei einer Tasse Mokka oder einem Glase Gerstensaft unter fleissiger Anwendung des edlen Tabakes, und zuletzt, aber nicht in zu s tief- miitterlicher Weise, Besprechung und Meinungsaustausch beziiglich der Dinge, die in der Welt der Erziehung vor sich gehen, und welche die Berufsstellung des deutschen Lehrers als Deutschen beriih- ren. In dieser Hinsicht konnen sich die einzelnen Mitglieder als Hochwachtpos- ten betrachten und durch zeitigen Be- richt des Beobachteten auf mbgliche Ge- fahren hinweisen, die sich dann vielleicht vermittelst des personlichen Einflusses einzelner Mitglieder, oder durch den J^influss von anderen Vereinen, denen die einzelnen angehoren nib'gen, abwenden oder wenigstens vermeiden lassen. Da- bei soil der Verein als Verein keine scharfe Stellung in irgend welcher Frage in offentlicher Weise nehmen. Denn die deutschen Lehrer als Deutsche bilden kei- nen Stand wie die Lehrer der deutschen Sprache an den bffentlichen Schulen, die ja mitunter auch Nichtdeutsche sind. Aber es giebt gewisse Strbmungen, wie die nativistischen Tendenzen in gewissen Universitaten, Stadten und School- boards, welche den deutschen Lehrer als Deutschen schadigen, und deren Erb'rte- rung wohl in den Rahmen des Vereins- zwecks zu gehb'ren scheint, sowie auch das Bestreben, diesen Tendenzen, wenn auch nicht als Verein, entgegenzuarbei- ten durch den Einfluss der einzelnen Mit- glieder als Individuen, z. B. journalis- tisch, oder als Mitglieder streng berufs- massig geschlossener Vereine, in deren

Umschau.

141

Interesse ein solches Entgegenarbeiten liegt."

Unter die Mittel zur Hebung des Ver- einslebens rechnete der Redner:

1. Geselligkeit, gehoben durch Musi- zieren, Singen, Deklamation unter Her- anziehung selbst schauspielerischen Ta- lentes ;

2. regelmassiges Rrscheinen der Mit- glieder ;

3. Zunahme des Vereins durch ,,Paa- rung", d. h. jedes Mitglied solle ein neues Mitglied anwerben (siehe Einlei- tung des Berichtes) ;

4. gute Vortrage der Mitglieder oder auswartiger Redner;

5. Vero'ffentlichung der letzteren in den Padagogischen Monatsheften ;

6. Trommelriihren fiir das Abonne- ment auf die Padagogischen.

Die Ausfiihrungen fanden allgemeinen Beifall und regten zu weiteren Vor- schlagen an.

Der musikalische Teil unseres Pro- gramms musste aus dem oben angefiihr- ten magnetischen Grunde ausfallen, denn ohne Riicksicht auf die Wahrheitsliebe des Chronikenschreibers, der von seinem Helden sagt: Er blus die Flot' und sung dazu", erklarte sich unser werter Herr Vize-Vorsitzende H. von der Heide rund- weg fiir unfahig, Violine und Klavier zu gleicher Zeit zu spielen.

P. S.

III. Umschau.

Amerlka.

Prinz Heinrich ist von seiner Tour nach den siidlichen und mittleren Staa- ten unseres Landes nach New York zu- riickgekehrt, und er wird, ehe diese Zei- len unseren Lesern zu Gesicht kommen, seine Heimreise angetreten haben. Die Empfangsfeierlichkeiten *n den einzelnen Stadten und Staaten sind dank unserer vorziiglichen Berichterstattung auf das minutioseste in den Tageszeitungen ver- offentlicht worden, und wir brauchen hier kaum zu wiederholen, dass der wahrhaft vornehmen, dabei iiberaus ge- winnenden Erscheinung des Prinzen sich alle Herzen offneten, und dass die ihm vielleicht anfangs nur anstandshalber zu- gedachten Ehrungen dann wirklich als von iierzen kommend ervviesen wurden.

Zwei Besuche verdienen jedoch unsere besondere Beach tung: der in Milwaukee, das die schmeichelhafte Bezeichnung ,,Deutsch-Athen" tragt, und der in Boston, das wir mit gleichem Rechte ,,Yankee-Athen" nennen konnen. Gern mochten wir iiber den ersteren Besuch stillschweigend hinweggehen, wenn wir nicht auf verschiedene Anfragen unserer Leser Antwort schuldig waren. Milwau- kee hat sich dem Prinzen gegenuber nicht als die deutscheste Stadt der Union gezeigt. Die Staatsraison unserer Poli- tiker verbot schon von vornherein ein Hervortreten des deutschen Elements, und diese hatten wohl verstanden, in der Aufstellung des Programmes fiir den 6- stiindigen Aufenthalt des Prinzen das Heft in den Handen zu behalten. Die Uneinigkeit der deutschen Presse, die Ei- fersucht der einzelnen deutschen Vereine,

der Eigensinn besonders beteiligter Per- sonen thaten das iibrige ; sie brachten es zuwege, dass der Prinz das vorziigliche deutsche Theater Milwaukees nicht ken- nen lernte, dass ein Besuca eines gross- artigen Oratoriumkonzertes des Musik- vereins, des Pioniers der deutschen Kunst, das zufalligerweise fiir den 4. Marz, dem Tage des Prinzenbesuchs, fest- gesetzt war und in dem Bruchs ,,Odys- seus", fiir diesen Besuch wie geschaffen, zur Auffiihrung gelangte, dem Programm nicht einverleibt wurde, und dass auch ein Besuch der ein/igen nationalen deutschamerikanischen Anstalt des Lan- des, des Lehrerseminars, unterblieb. Dass letzteres uns besonders leid thut, wer wollte uns darum tadeln?

Sonst verlief der Aufenthalt des Prin- zen in Milwaukee glatt; er sah und horte und ass nichts anderes als an den andern Orten, an denen er sich aufhielt. Wie ganz anders in Boston. Wahrlich, die am wenigsten deutsche Stadt unter unseren Grossstadten bereitete dem Gast einen Willkomm, auf den die deutscheste derselben hatten stolz sein konnen. Und wir als Deutschamerikaner miissen mit besonderem Stolze auf die Stunden in Cambridge blicken; denn wenn der deut- sche Einfluss auf die Entwickelung unse- res Landes an solcher Stelle, der geistig hochsten des Landes, anerkannt wird, dann brauchen wir an dem Fortbestehen und der Ausbreitung unserer deutschen Ideen zum besten unseres Landes nicht mehr zu zweifeln; der Same, der an den Stiitten der Wissenschaft gesfiet wird, wird seine Frucht bringen.

Obgleich die Rede des Priisidenten

142

P'ddagogiscbe Monatsbefte.

Eliot bei der Verleihung des Ehrentitel eines Doktors der Rechte an den Prinzen in den Tagesblattern ersehien, so soil ihr doch auch in den Spalten unseres Blat- tes Raum geboten werden. President Eliot sprach wie folgt:

,,Diese Feier hat einen eigenartigen Charakter. Zweimal wahrend des Beste- hens der Universitat fand eine ausseror- dentliche akademische Versammlung statt, beide male urn einen Prasidenten der Ver. Staaten zu ehren, der auf eintr Rnndreise durch das Land begriff en war ; aber noch nie vorher wurde diese demo- kratische Universitat zu dem Zwecke zu- sammenberufen, einen fremden Prinzen zu ehren. Gewichtige Griinde mussen eine solche, ohne Prazedenzfall daste- hende Handlung von seiten dieser Gesell- schaft von Gelehrten veranlasst haben.

Diese Griinde sind: Unsere Geschichts- kundigen kennen den teutonischen Ur- sprung vieler Institutionen und Gebrau- che aus weit entfernter Zeit, die iil)er England nach diesem Neuengland kamen. Der puritanische Ursprung der Univer- sitat veranlasst uns, die Namen der Helden des Protestantismus, Luther, Me- lanchthon und Erasmus, die ihnen ver- wandten Geistesheroen und die der deut- schen Fiirsten, welche diese edle Saehe durch lange Jahre einer stiirmischen Zeit und grausamer Kriege verteidigten, in dankbarer Erinnerung zu halten. Die puritanische Regierung von Massuchu- setts folgte mit banger Besorgnis den wechselnden Erfolgen des dreissigjahri- gen Krieges und pflegte offentliche Dank- sagungen zu Gott fur ,,Gute Nachrichten aus Deutschland" anzuordnen. Bei Be- trachtung der grossen sozialen und eth- nologischen Fragen unserer eigenen Zeit haben wir gesehen, dass Deutschland im 19. Jahrhundert zu der Bevolkerung de)- Ver. Staaten den grossten Teil beigesteu- ert, und dass das ihr gelieferte deutsche Element nicht nur das zahlreichste, son- dern auch das gebildetste war.

Als akademisch gebildete Manner fiih- len wir die grosse Verpflichtung, welche Amerika den technischen Lehranstalten und Universitaten Deutschlands schul- det. Von diesen haben Tausende lernbe- gieriger amerikanischer Studenten ihre Lehren empfangen, sich ihre Inspiratio- nen geholt und den aort gesehenen Bei- spielen nachgeahmt. In diesem Augen- blicke sind Hunderte von amerikani- schen Lehrern, die eine deutsche Univer- sitat ihre ,,Alma Mater*' nennen, in Schulen, Colleges und Universitaten die- ses Landes thatig, von der eisigen Nord- kiiste bis zu den heissen Philippinen. Unsere Gelehrten wissen sehr wohl, wel- che unvergleichlichen Schatze Deutsch-

land seit der Mitte des 19. Jahrhunderts der exakten Wissenschaft zugefiihrt hat, sowie auch der Wissenschaft, die auf dem Gebiete der Kunst una der Indus- trie in den letzten 50 Jahren so wunder- bare Veranderungen in dem Verhaltnisse des Menschen zur Natur hervorgebracht hat. Unser ganzes Volk bringt der Ei- nigung Deutschlands die tiefs^e Sympa- thie entgegen. Wir alle glauben an ci- nen grossen Bund von Staaten, die durch eine gemeinsame Sprache, durch unbe- hinderten gegenseitigen geschaftlichen Verkehr, durch gleiche Wahrungsmittel, Post, Verkehrswege, Gerichte und Fi- nanzinstitute verbunden und durch ei- nen hehren Patriotismus vereinigt sind. Das ist die ehrwiirdige amerikanische Isation, das ist auch das junge deutsche Reich.

Wir begriissen heute einen wiirdigen Reprasentanten deutscher Grosse, wiir- dig im Range, wlirdig im Charakter. Wir sehen in ihm aber noch etwas mehr als den Vertreter einer ausgezeichneten Nation und eines Kaisers. Universita- ten haben ein gutes Gedachtnis. Vor vierzig Jahren war die amerikanische Nation in grosser Gefahr und Tausende von jungen Mannern bluteten und star- ben fur sie. Von glaubwiirdiger Seite wird berichtet, dass die Konigin von England in einem kritischen Momente zu ihrem Premierminister sagte: ,,Mein Lord, Sie mussen verstehen, dass ich kein Aktenstiick unterzeichnen werde, das ei- nen Krieg mit den Ver. Staaten bedeu- tet." Der Enkel dieser vortrefflichen Frau sitzt jetzt bei uns. In Ausiibung der mir verliehenen Autoritat kreiere ich nun Albert Wilhelm Heinrich, Prinz von Preussen und Vize- Admiral, zum Ehren- doktor der Rechte und erklare, dass er zu alien Rechten und Privilegien, die mit dieser Wiirde in Verbindung stehen, be- rechtigt ist."

Zum, diesjahrigen Lehrertage. Die Vorbereitungen fiir den diesjahrigen deutschamerikanischen Lehrertag schrei- ten riistig vorwarts, und schon beginnt das Progranim feste Gestalt anzuneh- men.

Als Zeit der Versammlungen sind die Tage vom 30. Juni bis 3. Juli bestimmt worden, und es ist dadurch den Besu- chern ermoglicht, sich ohne grosse Schwierigkeiten an beiden Tagungen, an der unseren, sowie an der der N. E. A. (Minneapolis, 7. 10. Juli,) zu beteili- gen; denn von Detroit aus werden vor- aussichtlich billige Fahrraten iiber die Seen nach Minneapolis bewilligt werden.

Wahrend der Vorstand noch mit der Aufstellung des Vortragsprogramms be- schaftigt ist, dem besondere Aufmerk-

Umscbau.

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samkeit gewidmet wird, um die Arbeit so erspriesslich wie moglich zu gestalten, hat auch der Ortsausschuss Detroits sich konstitutiert und folgende Herren zu Be- amten gewahlt: Erster Prasident: Carl E. Schmidt; zweiter Prasident: Henry Pfeiffer; Schatzmeister : 0. L. Marx; Sekretar: H. Steichmann.

Zu Vorsitzern der verschiedenen Ko- mitees wurden folgende Herren ernannt: -Linanzen: Alderman O. L. Marx; Hal- len: Curt Hoffmann, Redakteur der Abendpost; Hotels: Henry Pfeiffer; Programm: Prof. J. Hermann; Vergnii- gungen: Ed. Marschner, Prasident des bchulrates; Empfang: Dr. Herm. Kreit; Redner: Max Kohen, Redakteur des Volksblattes. Diese Komitees konnen von ihren Vorsitzern nach Belieben er- giinzt werden.

Einem Schreiben des Sekretars des Ortsausschusses, Herrn H. Steichmann, an den Priisidenten des Lehrerbundes, Herrn Dir. Dapprich, entnehmen wir fol- gende Einzelheiten beziiglich der bisher dort gethanen Arbeit. Als Versamm- lungshalle ist die Harmonie-Halle, das Gebaude des grossten deutschen Vereins Detroits, gewahlt worden, die von dem Verein zuvorkommenderweise zur Verfii- gung gestellt wurde. Die Auswahl der Hotels muss im letzten Grunde den Be- suchern iiberlassen werden, doch werden die Preise der einzelnen Hotels spater- hin veroffentlicht werden. Ein Souve- nier-Programm ist in Aussicht genoni- men, das eine kurze Geschichte Detroits mit Abbildungen, eine solche der Har- monie und des sozialen Turnvereins nebst einem Streifzuge auf das Gebiet des deutschen Schulwesens in Detroit, so- wie eine Schrift iiber den deutscham. Lehrerbund enthalten soil. Als Redner fur den Eroffnungsabend sind die Her- ren August Marxhausen, Prasident der Harmonie, und Biirgermeister Magde- burg in Aussicht genommen. Als Hauptteile des Unterhaltungsprogramms werden ein Ausflug nach ,,Belle Isle", eine Bootfahrt mit Kommers und ein Konzert in Pfeiffers Garten genannt. Fiir den Empfang der Gilste an den Lan- dungspliitzen und Bahnhofen wird in ausgiebigster Weise Sorge getragen wer- den.

Peutsch'and.

Berlin. Auf der letzten Schulkonfe- renz hat Professor Mommsen folgenden denkwiirdigen Ausspruch tiber die Not- wendigkeit des Grieohischen und des La- teinischen fiir die Juristen gethan, der nicht vergessen werden sollte: ,,Flir ihre spezielle Wissenschaft kommt das Grie- chische so gut wie gar nicht in betracht ; das Lateinische ist nicht gerade iiber-

"fliissig (Heiterkeit), aber viel wich tiger wiirde es fiir den Juristen sein, wenn er in die inodernen Sprachen vollstiindiger eingefiihrt wiirde."

Die deutschen Verehrer Shakespeares, ein Komitee, an dessen Spitze Prof. Dr. W. v. Oechelhauser, Karlsruhe, steht, er- lasst einen Aufruf zur Errichtung eines Shakespeare-Denkmals in Weimar, um damit eine Adoption zu bestiitigen, ,,wel- che die deutsche Nation, so wie sie denkt und fiihlt, schon langst vollzogen hat. Es ist ein Vorgang ohnegleichen in der Kulturgeschichte aller Volker, dass dem Dichterheros einer fremden Nation von einem andern, allerdings stammverwand- ten Volke das geistige Ehrenbiirgerrecht erteilt, dass sein Kultus unloslich und neidlos mit dem der eigenen Geisteshe- roen verkniipft wird, wie dies in der Ver- ehrung des Dreigestirns Goethe- Schiller- Shakespeare durch das deutsche Volk in die Erscheinung tritt." Die Kosten des Denkmals sind auf 50,000 Mark berech- net. Beitriige sind an Hrn. Kommerzi- enrat Dr. Moritz in Weimar zu richten.

Der Widerstand der polnischen Kinder in Wreschen gegen den Religionsunter- richt in deutscher Sprache und die des- wegen vorgenommene Zuchtigung der Kinder hat in den Ratsiilen Berlins zu grossen Redeschlachten gefiihrt und das Bestehen einer Polenfrage fiir Preussen klar gelegt. Mit der Griindung von drei neuen Seminarien will man der ,,Bil- dungspolitik" im Osten gerecht werden. Die ,,Pad. Ztg." halt dieses Mittel fur ungeniigend, da die deutschen Lehrer in der Provinz Posen in imrner schwierigere Lage kommen. ,,Besonders schlimm steht's in Wreschen. Ein Lehrer darf sich offentlich kaum mehr zeigen; iiberall wird er verfolgt. In der eigenen Woh- nung werden ihm die Fenster eingeschla- gen. Zwei Lehrer wurden in den offent- lichen Lokalen beschimpft und misshan- delt. In Stiidten und Dorfern hat man von polnischer Seite Spione aufgestellt, welche die Lehrer auf Schritt und Tritt bewrachen. Die Schulkinder werden iiber ihre Lehrer ausgefragt, Aufsiitze werdpw aus den Schulheften herausgerissen und an die polnische Zentrale in Posen ein- geschickt. In Theatervorstellungen wer- den nur solche Stiicke aufgefiihrt, in de- nen Lehrer auftreten und der Lehrer- stand lacherlich gemacht wird."

In Berlin starb am 25. Dezember v. J. Prof. Dr. Eugen Pappenheim im 71. Le- bensjahre. Die padagogische Welt schatzt den Verstorbenen als Comenius-Forscher und Frobel-Kenner. Seit langem stand er an der Spitze der Kindergartenbewe- gung in Deutschland. Die zahlreichen Kindergarten Berlins, sowie das dortige

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P'ddagogiscbe Monatshefte.

Kindergartnerinnenseminar und eine Schule zur Ausbildung von Kinderpflege- rinnen sind auf seine Anregung oder doch wenigstens unter seiner wesentli- chen Mitwirkung ins Leben gerufen wor- den. Seit Jahren war er auch Redak- teur des Frobel-Organs ,,Kindergarten".

Preussen. Man ist in Preussen mit der gegenwartigen Lage des Schulan- fangs und der Versetzungspriifungen, so- wie mit der Ferienverteilung vielfach unzufrieden und strebt eine Anderung zum Bessern an. Die Vereinigung fiir Schulgesundheitspflege hat deshalb be- schlossen, in diesem Betreffe eine Um- frage an die Schulmanner der Schweiz, fisterreichs, Russlands, Frankreichs und der nordischen Lander zu veranstalten. Das eingehende Material soil dann be- niitzt werden bei Beantwortung der Fra- ge, ob und eventuell in welcher Weise der Schulanfang und die Ferien zu ver- legen sind.

Verwendung der Kinder zu Treibjag- den. Dieser Unfug besteht in Preussen noch allenthalben. So schreiben die ,,Pommerschen Blatter" von der Insel Riigen: ,,Die Zeit der Treibjagden hat begonnen, und die Schulstuben sind an den Tagen zum grossen Verdruss der Lehrer und trotz aller Strafen leer. Die Gutspachter miissen kontraktlich die Treiber stellen und die A.inder sind billig und am leichtesten erhaltlich. Da wRre es doch wohl am Platze, wenn Mi- nister und Regierung eine recht energi- sche Verfiigung gegen diesen Missbrauch der Kinder richteten."

Der Kampf urn das K ist nunmehr endgiltig entschieden und Koln und Kre- feld miissen in ZuKunft im C geschrie- ben werden. So entschied vor einigen Tagen das Oberverwaltungsgericht un- ter Verwerfung einer Beschwerde der beiden genannten Stadte, welche das K beibehalten wollten.

Quedlinburg. Hier hat sich ein Orts- ausschuss zur Errichtung eines Denk- mals fiir Guts-Muths gebildet. Die an der Spitze der deutschen Turnerschaft stehenden Manner fordern in einem Auf- rufe die Turner auf, die Denkmalssache eifrig zu fordern.

Amber g. Seminarprafekt Dr. Beck hat in der hiesigen Provinzialbibliothek einen kleinen Teil des Manuskripts des Epos ,,Parzival" Wolframs von Eschen- bach gefunden. Das Manuskript diente seither als Buchumschlag und ent- stammt wahrscheinlich dem zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts.

Munchen. Lehre, Lehrer, rede nicht! Der liberate Lehrer Weber in Munchen hat seiner liberalen Vorge- setzten Zorn erregt durch eine etwas

freimiitige, vulgo liberale Rede, iiber die illiberale Behandlung seiner Standes- und Berufsgenossen. Er wurde ,,diszi- pliniert". Der Mann hat Berufung an die Konigl. Kreisregierung ergriffen, diese hat den Verweis bestatigt. Er wird nun an den Kultusminister gehen, und dieser wird zu befinden haben, ob den Lehrern erlaubt oder nicht erlaubt ist, als freie deutsche Manner den Mund aufzuthun, wenn sie der Schuh driickt. Es ware doch abscheulich, wenn von den liberalisierenden Ratsherren unserer aufgekliirten Zeit dereinst gesagt wer- den miisste, was Otto Seeck in seiner ,,Geschichte des Untergangs der antiken Welt (II. S. 454) von aer Tyrannei der romischen Kaiser sagt: ,,Wer sich durch Kiihnheit, Freimut und seiustiindige Ge- sinnung auszeichnete, war sehr im Nachteil gegeniiber den Kriechern und Schleichern und musste in den meisten Fallen zu Grunde gehen."

Danemark.

Gegen den Schulabsolutismus. Der danische Kultusminister bekanntlich ein gewesener Dorfschullehrer hat eine Verftigung erlassen, wonach an den ho- heren Schulen des Staates ,,Schulrate" gebildet werden. Der ,,Schulrat" setzt sich zusammen aus samtlichen Lehrern und dem Rektor der Schule und tritt in der Regel eimnal monatlich zusammen. Jedes Mitglied des Schulrates kann An- trage stellen; deren endgiltige Annahme ist jedoch von der Zustimmung des Rek- tors abhangig. Wird diese versagt, so- entscheidet das Ministerium. Bisher iibten die Rektoren eine Art Alleinherr- schaft innerhalb der Schulen aus, und alle Reformversuche, die in dieser Bezie- hung von den in ihrer Mehrheit freige- sinnten Lehrern gemacht wurden, sind bisher and dem Widerstand der konser- vativen Herren gescheitert. Durch diese Neuordnung wird das konstitutionelle System an Stelle der Rektorenherrschaft im hoheren Schulwesen eingefiihrt.

Frankreich.

Lehrergehalter. Jammerlich geht es den hoheren Lehrern, wie auch den Volksschullehrern. Der Gehalt eines ,,professeur de college" schwankt zwi- schen 2000 und SOOOFrcs., das eines ,,pro- fesseur de Iyc6e" zwischen 3500 und 5000 Frcs. ; die sogenannten ,,maitres rfipetiteurs" sind in dieser Hinsicht mit den College-Professoren gleichgestellt. Zum Unterhalt einer Familie miissen sich also die meisten Lehrer ohne Gnade Nebenverdienste zu verschaffen suchen, wenn sie kein Privatvermogen haben. Die im stiidtischen Dienst sind darauf

Umschau.

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noch mehr angewiesen, als die im Staats- dienst angestellten. In einer kleinen Stadt in der Nahe von Paris beziehen die Lehrer einer hoheren stadtischen Unterrichtsanstalt ein so niedriges Ge- halt (nicht iiber 1900 rrcs.), dass sie, um mit den Ihrigen wenigstens vor wirk- licher Not geschiitzt zu sein, abends mehrere Stunden in einer grossen Druk- kerei arbeiten, wobei sie 1 Frcs. 50 ftir den Tag verdienen. Die meisten Privat- lehrer leben thatslichlich nur von der Hand in den Mund. Die Volksschulleh- rer, die bis zu 2800 Frcs. steigen konnen, leiden vielfach gleichfalls Mangel. Die Gesuche um Gehaltserhohungen scheinen wenig Aussicht auf Erfolg zu haben.

Der fremdsprachliche Unterricht. M. G. Leygues, der ausdauerndste Unter- richtsminister Frankreichs seit 1870, beschaftigt sich lebhaft mit dem Unter- richt der Fremdsprachen in den franzo- sischen Mittelschulen. Er ist mit dem bisherigen Resultat nicht zufrieden und hat die Programme von 1890 umgearbei- tet. In dem begleitenden Zirkular heisst es unter anderem: Diejenige Methode ist die empfehlenswerteste, die den Schiller am schnellsten und sichersten in den Besitz der Fremdsprache bringt. Man wiihle daher die einfachsten Gram- matiken, solche, die am wenigsten mit Regeln und Ausnahmen iiberladen sind. Die Aufgabe des Lehrers ist, den Schii- lern eine gute Aussprache beizubringen. Das gesprochene Wort soil aem geschrie- benen vorangehen. Das naturliche Mit- tel, um diese Sprachmethode ins Werk zu setzen, ist die Anschauung, bei wel- cher das Wort sich direkt dem gezeigten Gegenstand anschliesst. Im ganzen Un- terrichtskursus soil der Lehrer sich der fremden Sprache bedienen und muss die franzosische Sprache vollkommen bei- seite setzen, ausser in solchen Fallen, wo der Gebrauch derselben unbedingt not- wendig ist, um seine Erklarungen kla- rer, kiirzer und vollkommener zu gestal- ten.

England.

Ein englisches Urteil iiber die deut- sche Volksschule. Im Juliheft der eng- lischen ,,Con temporary Review" 1901 ver-

offentlicht R. S. Hughes auf Grund ei- ner nach Deutschland unternommenen padagogischen Reise einen Aufsatz "The English School and its German . Rival", dem wir nur folgendes entnehmen wol- len: ,,Der Vorzug des Deutschen {vor dem Englander) liegt in der philosophi- schen Basis des Erziehungssystems ; pri- mare und hb'here Schulen stehen als gei- stige ,,training grounds" weit iiber den englischen. Und dann das deutsche Schullesebuch, der Geographie- und Ge- schichtsunterricht, der Unterricht in fremden Sprachen: darauf sieht der Englander mit Neid." Zum Schluss sagt der Verfasser, ,,noch ein Wort von dem Manne, von dem man sagt, dass er die deutschen Schlachten geschlagen, der aber leider in gewissen Kreisen, oberen und unteren, nicht mehr der hohen Schatzung begegnet, wie er es noch im- mer verdient, dem deutschen Lehrer. Dieser steht auf hoher Stufe; seine Bil- dung ist weniger umfassend, als tief; seine Kenntnisse in Geschichte und Phi- losophic der Erziehung sind durchaus gediegene. Deutsche Lehrer sind Philo- sophen und viele von ihnen enthusiasti- sche Herbartianer, die mit seinen Be- griffen umgehen konnen. Niemals be- ginnt der deutsche Lehrer eine Unter- richtsstunde, ohne das Vorhergegangene zu rekapitulieren und das vorliegende Thema mit anderen Lehrgegenstanden zu verkniipfen. Ich glaube, dass in kei- nem anderen Lande der Welt das Leh- ren auf so ernst philosophischer Grund- lage beruht wie in Deutschland und mochte hinzufiigen, dass der Lehrer- stand nirgends von der Biirgerschaft so geachtet wird und sich selbst so hoch stellt, wie in Deutschland. Er ist stolz auf seinen Beruf, und das Land ist stolz aux ihn, und da ran thut es gut. Ich freue mich, dass man beginnt, diesen Standpunkt auch in England einzuneh- men; denn so lange der Beruf eines Leh- rers nicht auch bei uns als ebenso schwierig wie ehrenvoll angesehen wird, muss der Vergleich unseres Schulwesens mit dem deutschen in gewissen Punkten zu unserem Nachteile ausfallen."

IV. Vermischtes.

Schiilerzahl der Klassen. In Schwe- den hatte Stockholm 1893 pro Volks- schulklasse die mittlere Frequenz von 36. In Diineniark bestimmt das Schul- gesetz von 1899 fur die Orte mit stadti- schen Privilegien die Maximalschuler- zahl in den Volksschulklassen auf 35, fill- die Landgemeinden auf 37. Zur Her- stellung der Gebaude wurden die noti- gen Geldmittel bewilligt. Die Londo- ner Schulbehorde hat 1898 beschlossen, in alien neu anzulegenden Schulhausern die Zimmer fiir die obersten Klassen der Volksschulhauser auf die Maximalzahl von 40 einzurichten, fiir die mittleren auf 45, die untersten auf 50.

Der ,,trockene" Schaumicein. Die Mo- natsschrift ,,Der Weinkenner", Ratgeber fiir Keller, Kiiche und Haus, veroffent- licht (4. Jahrg., Oktober 1901, Nr. 1) folgende Zuschrift, die ihr aus Paris zu- gegangen ist: ,,Ein kleines Beispiel des mangelnden Verstandnisses fremder und auch der eigenen Sprache in Deutsch- land. Deutsche Schaumweine werden taglich mit der Bezeichnung ,,trocken" angepriesen, was doch der helle Blod- sinn ist. Denn eine Fliissigkeit ist stets das Gegenteil von trocken. Diese Be- zeichnung ist einfach eine von einem Schuljungen verbrochene tJbersetzung des Wortes sec. Dies heisst freilich an erster Stelle trocken, hat aber mehrere Nebenbedeutungen. Bei Fliissigkeiten hat es die Bedeutung unseres Wortes herb, im Gegensatz zu suss, anderweitig kann es grob, kurz, endgiiltig bedeuten, je nach dem Inhalt des Satzes."

So erklart sich wohl auch die Anwen- dung das englischen ,,dry" in gleichem Siniie.

Verbreitung der Sprachen. Die chine- sische Sprache ist nach der Zahl der Menschen, die sich ihrer bedienen, die am weitesten verbreitete Sprache, da sie von 300 bis 400 Millionen Menschen ge- sprochen wird. Alle europaischen Spra- chen treten dagegen weit zuriick, denn selbst das Englische wird nur von etwa 100 Millionen Menschen beniitzt. An dritter Stelle steht die deutsche Sprache, fiir die der Statistiker des Mouv. Geo- graph. 69 Millionen mobil macht, wiih- rend sich nach der Berechnung von Paul Langhans unter Einbeziehung des Nie- derdeutschen die Summe von 85 Millio- nen ergiebt. Dann folgt das Russische mit 67 Millionen. Die beiden friiheren Weltsprachen, das Franzosische und das Spanische, miissen sich jetzt mit je 41 Millionen begniigen. Italienisch wird von 30, Portugiesisch von 13 Millionen Men- schen gesprochen.

Mehr als die Halfte aller Zeitungen der Welt werden in englischer Sprache veroffentlicht. In den Ver. Staaten herrscht ein grosses Gemisch von Spra- chen, denn es giebt dort Zeitungen in 24 verschiedenen Idiomen. Die italienische Sprache ist ausserhalb des Stammlandes hauptsachlich in Jtgypten und in beiden Amerika verbreitet. Das Spanische ist sehr zuriickgegangen, bildet aber im Handelsverkehr noch immer eine Spra- cue von grosster Wichtigkeit.

Besonders interessant ist eine Zusam- menstellung iiber den Fortschritt der einzelnen Sprachen im Laufe der Jahr- hunderte. Am Ende des 15. Jahrhun- derts sprachen erst vier Millionen Men- schen englisch, und am Ende des 16. Jahrhunderts auch erst 20. Vom 15. bis zum Ende des 17. Jahrhunderts war die deutsche Sprache nur bei 10 Millionen Menschen vertreten und vor 100 Jahren erst bei 31. Das Russische gar war vor 400 Jahren die Muttersprache von nur 3 Millionen und vor 100 Jahren von nur 30 Millionen. Selbst das Franzosische wurde am Ende des 15. Jahrhunderts erst von 10 Millionen Menschen gespro- chen und hat seitdem eine zwar stetige, aber doch nicht sehr starke Ausbreitung gefunden. Ebenso ist die Entwickelung des Italienischen und Spanischen in den letzten 400 Jahren verhaltnismassig un- bedeutend gewesen. Immerhin haben alle genannten Sprachen im Laufe des 19. Jahrhunderts einen Fortschritt er- fahren, wie er vorher noch niemals vor- gekommen war, und Carnac rechnet aus, dass Ende des 20. Jahrhunderts die Ver- teilung der Sprachen folgende sein wer- de: Englisch 640, Deutsch 210, Russisch 233, Franzosisch 85, Italienisch 77, Spa- nisch 74 Millionen.

Als Abkiirzung des Ausdruckes ,,drahtlose Telegraphic" ("wireless tele- graphy") schliigt ein Leser des ,,Stan- dard" ein neues Wort: ,,Xrographie" mit den Ableitungen ,,Jtrogramm" und ..Arograph" vor, wodurch auch die Ver- stfindigung im internationalen Verkehr erleichtert werden wiirde.

Der Logiker. Einem Professor geht die Brille verloren. Da er nicht weiss, ob sie ihru gestohlen wurde oder ob er sie verlegt hat, halt er in seiner Ver- zweiflung folgendes Raisonnement : .,Wer stiehlt? Ein Dieb stiehlt. Wenn ein Dieb eine Brille stiehlt, dann ist er entweder kurzsichtig oder nicht. Ist er kurzsichtig, dann hat er eine Brille oder hat er keine. Hat er eine Brille, wozu braucht er meine?' Hat er aber keine, dann findet er doch meine nicht. Also

Biicherbesprecbungen .

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kurzsichtig 1st er nicht. Wenn er aber nicht kurzsichtig ist, wozu braucht er meine Brille? Also, ein Dieb hat meine Brille nicht. Ich muss sie also verlegt haben. Wenn man aber eine Sache ver- legt hat, muss man sehen, wo sie ist.

Ich sehe, dass sie nicht da ist. Wenn ich aber etwas sehe, dann muss ich doch eine Brille auf der Nase haben; also hab' ich die Brille auf der Nase!" (Pr. L.-Ztg.)

Biicherschau.

I. Bucherbesprechungen.

kiinstlerische Erziehung vom Standpunkt -er Erziehungsschule, zu- gleich Versuch ernes Lehrplans, ange- wandt auf die tfbungsschule des Padago- gischen Universitatsseminars zu Jena. Mit 4 lithographierten Tafeln von Her- mann Itschner. Langensalza, H. Beyer & Sohne, 1901; Preis 1 M. 80 Pf.

Das Buch Itschners ist noch vor dem Erscheinen der Berichte iiber den Dres- dener Kunsterziehungstag abgeschlossen worden. Es ist aber mit soviel Sach- kenntnis und praktischer Erfahrung ge- schrieben, dass ihm trotzdem eingehende Betrachtung gebuhrt. Der Verfasser sucht die Frage zu beantworten: ,,Was kSnnen wir fiir eine kiinstlerische Er- ziehung der Jugend in der Volksschule thun?" Es setzt sich zunachst mit drei alteren Schriften, die sich mit derselben Frage beschaftigen, auseinander: Dr. K. Lange, ,,Die kiinstlerische Erziehung der deutschen Jugend, 1893; G. Hirt, Die Volksschule im Dienste der kiinstleri- schen Erziehung des deutschen Volkes, 1897; A. Lichtwark, Kunst und Schule, 1887. Alle drei haben die volkswirt- schaftliche Wirkung der Sache im Auge: die Heranbildung eines grosseren kunstliebenden Publikuni?, die Demo- kratisierung des Kunstverstandnisses, die Hebung von Kunst und Kunsthand- werk an und fiir sich. Im Gegensatz dazu ist fur Itschner der Kunstunter- richt nur padagogisches Mittel zum Zweck der Bildung des sittlich-religio- sen Charakters. ,,Der Verwirklichung dieses Zieles hat der Kunstunterricht zu dienen durch Bildung fiir das Schone, das wir kurzweg als ,,Geschmacksbil- dung" bezeichnen wollen. Geschmacks- bildung ist aber, sofern die bildende Kunst in Frage kommt, nur moglich durch vieles und bewusstes behen. Vor- aussetzung der Geschmacksbildung ist also Bildung des Auges. Kein Mittel aber ist wertvoller fur Erziehung des Auges als das Zeichnen des betreffenden

Objekts. Zeichnen bedeutet in dieser Hinsicht also Vertiefung der Anschau- ung. Zeichnen ist uns also nur Mittel zum Zweck, nicht Selbstzweck," (p. 6 ) . Ai3 Unterrichtsform kann demnach, ne- ben der Anschauung, nur der entvvik- kelnd darstellende Unterricht in Be- tracht kommen, weil er wie kein zweites Verfahren alle Krafte der Seele aufruft, und weil der Schiller dabei das Gefiihl hat, schopferisch thatig zu sein. Da- durch gelangt er am ehesten zur Fahig- keit des Nachempfindens. Denn nicht sowohl der Verstand, sondern Herz und Gemiit ,,das Gebiet, wo die Zentralfeuer des Lebens brennen", sollen gebildet wer- den. So miissen auch wahre Kunstwerke, nicht ,,maskierte stereometrische Ivor- per, Naturbliitter, Kannen, Teller, und Fiisser und Karren", wie sie Lange als Vorlagen gebraucht, als Unterrichtsge- genstiinde dienen. Der Kunstunterricht in der Volksschule kann sich, wie der Geschichtsunterricht, nur mit der natio- nalen Entwickelung befassen; jener ist die notwendige Ergiinzung zu diesem, da die Kenntnis der politischen Geschichte nur ein hochst einseitiges Bild von dem Kulturleben der Vergangenheit gewiihrt. - Vor alien Kiinsten muss die Archi- tektur im Lehrplan die Fiihrung iiber- nehmen, denn sie schafft im allgemeinen fiir alle anderen die Voraussetzungen. Sie ist die alteste, wiirdigste, auch so- zialste aller Kiinste. Und da sie ausser- dem mit der grossten Einfachheit der Verhaltnisse arbeitet, so kann an ihr am leichtesten der Geschmack gebildet wer- den. An ihr vereinigen sich alle die Ei- genschaften, welche durchgreifende An- schauungen geben: Wucht und Grosse, Einfachheit in Linienfiihrung und glie- dernder Gesetzgebung. An der Archi- tektur soil rechtes Schauen gelernt wer- den, nicht an der Natur; denn nur er- zogenen Augen offenbart die Natur ihre Schonheit. Noch weitere Vorziige kom- men der Architektur zu: bei ihr wird

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P'ddagogiscbe Monatsbefte.

am deutlichsten, was sie will; auch der gewohnliche Mann sieht ihre Zweckma- ssigkeit ein; und gerade well sie nicht aus dem Boden kiinstlerischer Illusion erwachst, sondern aus dem Boden der Zwecksetzung, muss ihr Eingang in die Schulen verschafft werden. Und zuletzt sind die Werke der Architektur auch die lebendigsten Zeugen der Vergangenheit ; sie sind entweder gewaltige Mahner, den verflossenen Epochen hoher Kunstbliite eine neue an die Spitze zu stellen, oder predigen sie von den Zeiten innerer Zer- rissenheit des Vaterlandes, und sind ebenso gewaltige Mahner fur das Gewis- sen der Nation, festzuhalten an der Frei- heit, ihrem hochsten Gut" (p. 32 ). Die Kronen aber ganzer Entwicklungsgange konnen wegen des verwirrenden Reich- turns ihrer Gestaltung (Kolner Dom, Heidelberger Schloss) nicht sofort zur Besprechung gelangen. Vielmehr sind zur Einfiihrung Objekte zu fordern, die folgende Vorziige haben: ,,a) eine ge- wisse Einfachheit, so dass die wesentli- chen Ziige scharf genug hervortreten ; b) Gegenwart, sinnliche Frische; c) ein ge- wisses Vertrautsein mit dem Objekt von seiten des Schiilers, so dass sympathi- sche Gefiihlstone an ihnen haften. Das konnen wir aber nur in der Heimat ha- ben. Eine kunstgeschichtliche Heimats- kunde auszubilden ist deshalb ein drin- gendes und das allererste Erfordernis fiir unseren Unterricht" (p. 33f).

Im Unterricht selbst muss die An- schauung stets mit der Darstellung Hand in Hand gehen. Den Stoff liefern in den ersten Jahren Marchen, Robinson und (fiir Jenaer Verhaltnisse ) Thiirin- ger Sagen. ,,Wir entwickeln den Gegen- stand aus einer Szene heraus, vertiefen uns nach zeichnerischen Gesichtspunkten in denselben, lassen ihn dann zuerst von einem Schiller aufzeichnen, veranlassen die iibrigen zur Korrektur und stellen dann selber durch Zeichnung den gerei- nigten Entwurf fest" (p. 42). So wird z. B. zu dem Marchen von den 7 Geiss- lein der Tragkorb der Geissenmutter, Thiire, Fenster, Bank, Stuhl etc. gezeich- net, natiirlich in Umrissen, wobei im- mer darauf zu sehen ist, dass der Schil- ler den einzelnen Gegenstand im Zu- sammenhang des Ganzen fiihlt. Im 4. Jahre wird die Nibelungensage erzahlt; da werden dann Siegfrieds Schwert und Schild, oder der Kelch, aus dem Etzel Krimhilde zutrinkt, etc. gezeichnet. Im- mer muss die Vorlage Symbol sein fiir eine ganze Szene. Das 5. Schuljahr wird ganz dem Studium der romanischen Baukunst gewidmet. Eine benachbarte Kirche dient als Muster. Die Bilder oder Modelle auswiirtiger beriihmter Kirchen

werden im Anschauungsunterricht zur Vergleichung herbeigezogen. Einzelne Teile des Bauwerkes werden gezeichnet: Grundriss, Querschnitt eines Pfeilers, eine Rosette, Ornamente etc. Dem Schil- ler tritt so das Ornament, dessen pada- gogische Bedeutung Itschner sehr hoch stellt, von Anfang an nicht als tote Ab- straktion, sondern als wesentliches Glied eines lebendigen Organismus entgegen. Im 6. Schuljahr wird der gotische, im 7. der Renaissance-Stil durchgenommen. Eine Hauptforderung ist es, den Schil- ler immer darauf hinzuweisen, dass hochste Zweckmassigkeit auch hochste Schonheit ist; durch die Vergleichung mit Hasslichem wird der kritische Blick gescharft. Wahrend bisher nur Flach- zeichnungen gemacht wurden, wendet sich der Unterricht im 8. Jahre endlich dem technischen Hauptziel zu, dem Zeichnen nach der Wirklichkeit. An ein- fachen Beispielen ( Eisenbahngeleise etc.) werden die Grundgesetze der Per- spektive erlautert, und dann, zugleich als Wiederholung des ganzen Kurses, die Denkmaler der verschiedenen Kunstepo- chen in ihrem malerischen Totalein- druck zu Papier gebracht. Nach diesem Durchwandern der klassischen Perioden (der Verfasser rechnet auch noch den Barockstil dazu) ist der Schiller bis an die Schwelle der Neuzeit gelangt. Und nun soil er auch etwas von dem Ringeii unserer Zeit nach einem originalen Stil verspilren. Wo keine Galerien und keine ..modernen" Gebaude zur Verfiigung ste- hen, kann wenigstens an der Kleinkunst oder mit Hilfe von Zeitschriften der neue Stil gezeigt werden.

Mit dem hier skizzierten Lehrplan glaubt Itschner in technischer Hinsicht ebensoviel zu bieten als die friiher iib- lichen Methoden, von denen er sich durch den alles beherrschenden Gesichts- punkt der Geschmacksbildung unter- scheidet. Er hat dem Schiller ,,zugleich einen Einblick gewahrt in die Entwick- lung der bildenden Kiinste. Dabei kann dem Schiller auch klar geworden sein, wie der deutsche Geist alle Einfliisse von aussen zwar willkommen geheissen, aber nach seinem eigenen Ernpfinden umge- dichtet hat. Mit diesem Bewusstsein und einem gebildeten Anschauungsver- mogen verlasst der Zogling die Schule" (p. 64f). Zum Schluss seiner Erorte- rung spricht der Verfasser die Hoffnung aus, dass es gelingen moge, das Volk in seinen Breiten kiinstlerisch zu interes- sieren. ,,Je mehr dort kiinstlerisches Verstehen anwachst, desto machtiger vrird auch das kiinstlerische Bewusstsein des Nationalgeistes sich regen. Vielleicht wird uns dann noch einmal eine neue

Bucherbesprechungen .

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Kunstperiode geschenkt, vielleicht eine, die von Eisen tiirmt und wb'lbt, was frii- here Generationen aus Stein geformt" (p. 66.) Man sieht Itschner ist selber warm geworden, und trotz seiner eige- nen Theorie, die er anfangs verfochten, wird ihm die Kunst schliesslich met.r als nur die Dienerin der Moral. Diese Inkonsequenz thut aber dem Wert seines Buches nicht Abbruch; sie beweist nur, dass er nicht bloss ein geschulter Pada- gog, sondern auch ein durch und durch gesund denkender und gesund fiihlender Mensch ist. Er versteht es, das gent auch aus dem Hauptteil des Buches bei- gefiigten Probelektionen hervor, seine Schiller zu begeistern, ihnen seine Ge- fiihle mitzuteilen. Er hatte es wagen kb'nnen und wagen sollen, einen Schritt weiter zu thun. Verwendet er nicht all- zu viel Zeit auf die verschieuenen Bau- stile? Ich meine, das Auge von Schiilern, die einen solchen Unterricht, wie den Itschners, fiinf und sechs Jahre langge- nossen haben, ist sehr wohl fahig, die Schb'nheiten der Natur zu sehen. Die wesentlichen Merkmale des romanischen, gotischen, Renaissance- und Barockstils, kb'nnen sich solche Schiller auch inner- halb zweier Schuljahre einpragen; und nachdem sie gelernt haben, die Umrisse von gotischen Blattornamenten, Fialen und Fassaden zu zeichnen, werden sie auch die Umrisse von Hausern, Biischen und Baumen, zuerst nach Vorlagen, bald direkt nach der Natur zustande bringen. Mit ganz einfachen Landschaftszeich- nungen nach der Natur konnte das sie- bente Schuljahr wohl ausgefiillt werden. Fiir den Anschauungsunterricht dieses Jahres empfiehlt ja Itschner selbst so- gar schon Figurenbilder wie Schongau- ers Bauernfamilie, Diirers Anbetung der 3 Kb'nige u. a. Warum sollte nicht in diesem Jahre das Hauptgewicht auf das Studium der Landschaft gelegt werden? Dann ware noch ein Jahr iibrig fiir das iStudium des menschlichen Korpers. Dies erst kann den Abschluss eines Kurses bilden, der die von Itschner aufgestell- ten Forderungen erfiillen soil. Es ist nicht nur mb'glich, sondern auch not- wendig, dass es der Schiller lerne, den menschlichen Korper asthetisch zu be- trachten. Jeder wahrhaft gebildete Mensch beklagt die Prtiderie der Durch- schnittsleute, die sich beim Anblick plas- tischer oder malerischer Darstellungen von nackten Figuren entsetzen; jeder- mann ist emport iiber die Gemeinheit von Leuten, die vor Meisterwerken wie Giorgionis schlafender Venus nichts Bes- seres zu thun wissen, als Zoten zu rei- ssen. Dass solche Priiderie und solche Gemeinheit beide ihren Grund in einem

Mangel an Sittlichkeit haben, dass an diesem Mangel die Erziehung schuld ist, wird niemand bestreiten wollen. Warum also das 'tfbel nicht mit der Wurzel aus- rotten? Die Schule muss es thun. Ein Lehrer, der seinen Schiilern den Sinn erschlossen hat fiir die strenge Gesetz- massigkeit architektonischer Gebilde, wird es auch vermogen, sie die schb'ne Harmonie der menschlichen Proportio- nen verstehen und bewundern zu leh- ren. Der Kampf gegen die Prtiderie muss als wesentlicher Bestandteil des Kunstunterrichts in den Volksschulen anerkannt werden.

Noch eine Einzelheit. Fiir den An- schauungskurs empfiehlt Itschner ,,Mo- derne Kunst", ,,Kunst fiir Alle" und in dritter Linie ,,Kunstwart". Die Wich- tigkeit der Sache erfordert eine Bemer- kung. tfber die Gediegenheit und Vor- trefflichkeit des Kunstwart herrscht nur eine Stimme. Mit ,,Kunst fiir Alle" ist es schon anders; unter den Bildern ist sehr viel Wertvolles, aber auch sehr viel Wertloses; der Text ist oft nur leeres Phrasengedresch . ,,Moderne Kunst" aber ist unter Sachverstiindigen schon langst gerichtet, namlich als rein ge- schaftliches Unternehmen eines gewis- senlosen Geldmannes (Bong). Freilich die ,,Zeitschrift des Vereins deutscher Zeichenlehrer" hat es auch schon iiber sich gebracht, die ,,Moderne Kunst" zu empfehlen; und vielleicht entschuldigt oder erklart das die Empfehlung Itsch- ners. Carl Meissner schreibt im Kunst- wart, der iiber Konkurrenzneid selbstver- stiindlich erhaben ist, iiber diese ,,Mo- derne Kunst" : ,,Irgend etwas von ernst- hafter ,,moderner Kunst" bekommen wir weder zu sehen noch zu lesen. '(Jberall ein bewusstes Spekulieren auf das Plat- teste oder auch das Gemeinste, eine schlechtweg ekelerregende Geschiiftsma- cherei" ; und ,,Die deutsche Familie zum mindesten sollte den Bongschen Verlag endlich aus ihrem Hause weisen, so gut wie jede Dime, auch wenn sie seidene Roben tragt" (K. W. 15, 7; p. 346).

tfber die Bewegung fiir kiinstlerische Erziehung des Volkes findet man Auf- schluss im Kunstwart 13, 6; 13, 5; 14, 10; 14, 13; 15, 2, 3, 4, 7.

O. E. Lessing.

Kiinstlerischer Wandschmuck fiir Schule und Haus. Die amerikanische Schule hat in den letzten zehn Jahren fiir die Geschmacksbildung ihrer Schiller Grosses gethan. Die leeren Wande der Volksschule in Stadten und auf dem Lande ftillen sich mit Bildern aller Art; vor den Fenstern stehen Topfpflanzen und Aquarien; Illustrationen aus der Hand der Schiller erlautern und verscho-

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P'ddagogiscbe Monatshejte.

nern die Aufsatze iiber botanische und zoologische Themata, und uer Zeichen- unterricht hat neue Bahnen beschritten und sich zu einem Bildungsmittel erster Klassc im Bereich des Schonen aufge- schwungen. In fast alien grosseren fetadten dieses Landes haben sich Ver- eine gebildet, welche die kiinstlerische Ausstattung der Scbulen zu ihrer spezi- ellen Aufgabe gemacht haben. Wir wiin- schen ihre Aufmerksamkeit auf eine Se- rie von Bildern zu richten, welche im Verlag von B. G. Teubner, Poststrasse 3, Leipzig, erschienen sind. Die in Farben ausgefiihrten Originalarbeiten haben vor den hier bevorzugten Nachbildungen be- deutender Kunstwerke vieles voraus: sie tragen den btempel aer Urspriing- lichkeit; sie sind fiir den Zweck speziell hergestellt; ihre Grosse erlaubt auch ein klares Erkennen der Details aus der Feme; sie behandeln interessante Ge- genstande aus Natur- und \olksleben; ihr Preis (3 6 Mark) ist so beschei- den, dass auch bei geringen Mitteln die Anschaffung im Bereich der Moglichkeit liegt. Wir wiinschen uem Unternehmen den verdienten Erfolg und hoffen, dass auch die amerikanische Volksschule recht viele dieser Arbeiten in Gebrauch stellen mb'ge. X.

Paul Heyse, Hochzeit auf Capri. With introduction, notes, vocabulary, and ma- terial for conversational exercises in German, by Dr. Wilhelm Bernhardt. Boston (D. C. Heath & Oo.), 1901. 30 cents.

Die Ausgabe dieses um heysisch zu reden nicht unhiibschen Geschicht- chens ist mit dem Geschick und der Sorgfalt hergestellt, die man bei dem ruhrigen Herausgeber gewohnt ist; ei- gentlich mit viel mehr, als die Kleinig- keit verdiente. Der editorielle Apparat 9 Seiten Einleitung, 17 Seiten An- merkungen, 58 Seiten Vokabular ist neben den 36 Seiten Text unverhaltnis- massig breit geraten. Von den Anmer- kungen konnten eine ganze Anzahl (1,1 und 10; 8, 6; 17, 3, 4, 6; i9, 4; 35, 3) ganz ausfallen, da ihr Inhalt fast wb'rt- lich in der Einleitung gegeben ist, oder durch Verweise auf die Einleitung er- setzt werden ; diese Verweise waren dann am besten unter den betreffenden Stich- worten im Vokabular eingetragen wor- den. Auch die auf des Verfassers L'Ar- rabbiata beziiglichefiAnmerVungen konn- ten wegbleiben; tiberhaupt ist nach der Lektiire letztgenannter Novelle das Le- sen der ,,Hochzeit" hochstens als ein biss- chen Zeitvertreib zu empfehlen. Druck- und sonstige Fehler sind mir nicht be- gegnet. ,,Seelenverkaufer" (S. 11, 10) nennt man in Siiddeutschland ein lan-

ges, sehr schmales Boot. ,,Range'' 'S. 13, 4) ist suddeutsch Maskulinum. - Dankenswert zur Schulung im Fragestel- len sind fiir einen jungen Lehrer die zwolf Seiten Stoff zu Gesprachen iiber den Text; der erfahrene bildet sich seine Fragen immer am besten selbst, aber auch er wird bei schriftlichen Aufgaben iiber den Text vorgedrucktes Material, wenn es wie das vorliegende gut ausge- arbeitet ist, gerne zeitraubenden Dikta- ten vorziehen.

Friedrich Mann, Kurzes Worterbuch de>- deutschen Sprache. Unter Beiziehung der gebrauchlichsten Fremdwb'rter mit Angabe der Abstammung und Abwand- lung. Fiinfte Auflage. Langensalza, 1901. VI und 332 Seiten in 8. 2 M. 50 Pf.

Als Ziel seiner Arbeit, dem er in der neueren Auflage treu gebheben ist, be- zeichnet der Verfasser im Vorwort zur ersten Auflage ein Worterbuch von mli- ssigem Umfange mit mb'gnchst kurzen, genauen Bedeutungsangaben, die Wur- zel- und Stammworter mit ihren wich- tigsten Ableitungen unter Angabe von Abstammung, Abwandlung und Bedeu- tung enthaltend; und zwar fiir weitere Kreise, denen grossere wissenschaftliche Werke nicht zuganglich sind. Von Fremdwortern sind die gebrauchlichsten in ahnlicher Weise behandelt; leicht er- klarliche Zusammensetzungen sind nur sparsam aufgenommen ; landschaftliche Ausdriicke nur insoweit, als sie bei den Klassikern auftreten. Bei den deutschen Stamm- und Wurzelwortern ist dann je- weils auch die mittel- und althochdeut- sche, gelegentlich auch bei genauerer t!rbereinstimmung die alt- und neuengli- sche Form verzeichnet; ebenso die noti- gen grammatischen Angaben iiber Fle- xion.

Innerhalb der Grenzen, die sich der Verfasser gezogen hat, ist sein Buch eine sehr achtbare Leistung. Es enthalt auf engem Raume eine ungeahnte Fiille von Material ; die Angaben, soweit ich mich durch Stichproben iiberzeugt habe, sind durchweg zuverlassig; die Anordnung des Zusammengehorigen unter dem Stammworte wird bei manchen ein leb- haftes Verlangen wachrufen, sich weiter in der Werkstatt der Sprache umzuse- hen. Dass es dem Buche an ausserer Anerkennung nicht fehlt, zeigt sein Er- scheinen in fiinfter Auflage seit 1881.

Was kann nun ein Werk wie das vor- liegende dem deutschlernenden Auslan- der und dem Lehrer des Deutschen im Auslande bieten? Fiir den Auslander selbst ist das Buch nicht berechnet. Was sollte er mit einer Begriffsbestimmung wie z. B. der von Neid : ,,das aus Man-

Bucberbesprechungen .

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gel an Wohlwollen hervorgehende Miss- vergniigen uber die Vorziige ernes an- dern oder uber ihm zu teil gewordenes Gute"? oder Netz: ,,Das Gestrick zum Fangen von Tieren ; dem Jthnliches" ? Ei wird in alien Fallen lieber zum zwei- sprachigen Worterbuch greifen, und "envy", "net" werden ihm mehr sagen als alle deutsche Definitionen. tfber- haupt diese Definitionen: sie sind ja mit anerkennenswertem Fleiss und scharfem Denken ausgearbeitet und miis- sen dem deutschen Oberprimaner bei der hauslichen Vorbereitung in einem ge- fiirchteten Kapitel der Logik ein Gegen- stand der Verehrung und des Entziik- kens sein wem aber dienen sie sonst, abgesehen von der Anregung zu gelegent- lichem Widerspruche und desto scharfe- rem Nachdenken? Dagegen wird der vor- geschrittene Auslander aus der Zusam- menstellung verwandter Worter unter einer Sippe mehr oder weniger Nutzen ziehen konnen; und eben dieser Eigen- schaft kann auch der Lehrer des Deut- schen, gleichviel ob er seine Mutter- oder die Fremdsprache im Unterricht verwen- det, manch schatzenswerten Wink ent- nehmen; vgl. z. B. den Artikel Glauben. Auch die Definitionen weniger gebrauch- licher Worter mochte ich hierher rech- nen; die obengenannten Ausstellungen beziehen sich mehr auf alltagliche Be- griffe, die einem Deutschen auch ohne Definition klar sind.

Das Buch will als Worterverzeichnis betrachtet sein und beschaftigt sich nicht mit der Auffiihrung idiomatischer Redewendungen, was auch auf so engem Raume, selbst mit Aufopferung der Ab- leitungen und der Definitionen, so gut wie unmoglich ware. Diesem Zweck die- nen besser die grossen und die zweispra- chigen Worterbuch er, sowie auch Sammlungen wie Hetzels .,Wie der Deutsche spricht" (Leipzig 1896).

Lehrreich diirfte ein Vergleich des Mannschen Worterbuchs mit der jiingst erschienenen Neuauflage des Kalt- schmidt-Lehnertschen Werkes sein, daa sich ahnliche Ziele wie das vorliegende mit Einschluss eingehenderer Behand- lung sinnverwandter Worter und Aus- drilcke gesteckt zu haben scheint; das- selbe ist mir jedoch nur aus einer kur- zen Anzeige bekannt.

Univ. of Wis. E. C. Roedder.

Deutsche Aufs&tze zur Belebung und Vertiefung des Gesamtunterrichts. Fllr Oberklassen der Volksschulen, sowie fur die Mittelklassen hoherer Lehranstalten bearbeitet von A. Kleinschmidt. Das Werk ist im Verlage von Friedrich Brandstetter in Leipzig erschienen und besteht aus zwei Banden. Der erste Band

enthait 64 Aufsiitze aus der Religion, 64 aus der Litteratur, 70 aus der Welt- geschichte und 112 aus der Geographic ; der zweite Band bringt 80 Aufsatze iiber Menschenleben und Menschenarbeit, 55 aus der Hauswirtschafts- und Gesund- heitslehre, 103 aus der Naturgeschichte, 50 aus der Naturlehre und 20 fiber Jah- reszeiten und Witterung. Der Inhalt des Werkes ist also, wie man sieht, reich- haltig und mannigfaltig! Von den Stil- arten sind im wesentlichen die Erziih- lung, die Beschreibung, die Schilderung und die Abhandlung (mit konkretem In- halte) beriicksichtigt worden. Jedem Aufsatze geht eine kurze Inhaltsangabe in der Form von Stichwortern voraus, die indessen meist gar keinen Aufschluss iiber den Inhalt des Aufsatzes gewahren.

Die geringen Erfolge im Stilunter- richte schreibt der Verfasser dem Um- stande zu, dass die Aufsatzubungen sehr haufig nichts weiter sind als Auf- scftrei&ubungen. Falls ein Lehrstoff rich- tig behandelt worden ist, miissen die Schiller der Oberklassen auch imstande sein, etwas dariiber ziemlich fehlerfrei niederschreiben zu konnen, ohne dass der Lehrer die Sache zu diesem Zwecke noch- mals weitlaufig mit ihnen durchkaut. Konnen sie dies nicht. so ist damit be- wiesen, dass betreffs der formalen Schu- lung ein bedenklicher Fehler gemacht wurde. ,,Man sollte daher nicht solche Gegenstande zu Aufsatziibungen be- nutzen, die bereits sachlich und sprach- lich im Unterrichte erschopft sind, son- dern andere, neue, die in lebensvoller Be- ziehung zu ihm stehen." Mit diesen Worten ist die Verwendbarkeit des Kleinschmidtschen Werkes trefflich ge- kennzeichnet. Lehrern an Schulen in diesem Lande, die sich in ihrem Aufsatz- unterricht von dem geisttotenden Banne der Schreibleseiibungen befreien wollen, sind diese ,,Deutschen Aufsatze" ganz besonders zu empfehlen. P. Q.

Jung-Amerika. Redakteur : Dr. H. H. Pick, unter Mitwirkung von C. Orebner, E. Kramer und Anderen. Verlag von Gus. Muehler, 1328 und 1330 Main St., Cincinnati, O. Preis fiir das Jahr (10 Hefte) : 30 cts. Einzelne Nummer: Sets.

In dem Novemberhefte des letzten Jahrganges der P. M. machten wir un- sere Leser bereits auf das angekiindigte Erscheinen der neuen Zeitschrift fiir die Jugend aufmerksam. Seit Dezember ist dieselbe unter obigem Titel regelmassig zu Beginn eines jeden Aionats erschie- nen, es befinden sich also nunmehr drei Hefte in unsern Handen, und wir dttr- fen es daher wohl wagen, ein Urteil iiber die Zeitschrift auszueprechen. Fiir un- sere amerikanische Jugcna, die bei be-

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Pddagogische Monatshefte.

schrankter Kenutnis der deutschea Spra- che in vieler Hinsicht noch einen andern Denkungs- und Interessenkreis als z. B. die deutsche Jugend hat, unterhaltenden Lesestoff zu finden und dabei die rich- tige Mitte zwischen ,,Kunstwert und Kindertiimlichkeit" inne zu halten, ist unendlich schwer. Umsomehr ist es anzuerkennen, dass die Verf asset den richtigen Ton getroffen habe-i und den Kindern einen Lesestoff bio- ten, den dieselben mit Vergniigen lc- sen werden. Ein jedes Heft hat Abtei- lungen fiir die oberen, die mittleren und unteren Grade; Scherzfragen und Rat- sel, sowie die Briefe von Tante Clemen- tine werden viel dazu beitragen, das In- teresse der Kinder an dem Blatte fest- zuhalten.

Wir wiinschen der Zeitschrift im In- teresse unserer Sache eine recht weite Verbreitung. Sie ist unseres Wissens seit dem Eingehen der friiner von der Herold Co. zu Milwaukee herausgegebe- nen ,,Jugendpost", soweit die Mittel- und Oberstufen in Betracht kommen. die ein- zige derartige Veroffentlichung* ) , und wir raten unsern Kollegen und Kolle- ginnen, sich mit ihr bekannt zu machen und wenn moglich ihre Schuier zum Le- sen des Blattes zu bewegen. M. O.

*) Fiir die Kleinen (6. 10. Jahr) erscheint nach wie vor die friiher mit der obengenannten ,,Jugendpost" in Ver-

bindung herausgegebene ,,Kinderpost" (Herold Co., Milwaukee, Wis. ). Die- selbe erscheint wochentlich, vier Seiten stark ( Quartf ormat ) , und steht seit Ian- gen Jahren unter der vorziiglichen Lei- tung von Herrn Leo Stern. Ihr jahrh- eher Abonnementspreis betragt als Err- zelexemplar 50 cts. D. R.

Das Jahrbuch iiber den Volksschulun- terricht, das durch den auch in Ame- rika bestens bekannten Generalschulin- spektor G. Jost begriindet wurde, ist diesmal, fiir das Jahr 1902, unter Lei- tung des Generalschulinspektors Felix Mortel erschienen (Verlag der Buch- handlung vonArmand Colin in Paris, rue de M6zieres, Preis 3 Frcs. ) . Es enthalt in seinem ersten Teile das Verzeichnis der Schulaufsichtsbeamten Frankreichs und seiner Kolonien, sowie der bestehen- den padagogischen Vereinigungen und der Auszeichnungen und Preise, die im Laufe des letzten Jahres den Lehrern des Landes gewahrt wurden. Im zweiten Teile finden sich mehrere interessante Artikel, z. B. iiber soziale Erziehung, iiber die Beziehungen zwischen Volks- schule und Demokratie, iiber die Lehre der Pflichten gegen Gott, Experimente im physikalischen Unterrichte und iiber Hauswirtschaftslehre. Besonders inter- essant ist die von Herrn Jost zusammen- gestellte 'Obersicht iiber wichtige Vor- gange im Unterrichtswesen f rernder Lan- der .

II. Eingesandte Bticher.

Die Deutschen, Erzahlungen, Schilde- rungen, Sagen und Gedichte aus Deutsch- lands Vergangenheit und Gegenwart. Mit einem Anhange: Die Deutsch-Ame- rikaner. Fiir deutsch-amerikanische Schulen und Familien gesammelt und bearbeitet von Constantin Grebner. Mil- waukee, Wis., Geo. Brumder. 1902.

Tierqu&lerei und Sittlichkeit. Von Philipp Klenk, Verfasser der Preisschrift des Berliner Tierschutzvereins. Langen- salza, Hermann Beyer & Sohne, 1902. Preis 50 Pf.

J. G. Herders Padagogische Schriften und Ausserungen. Mit Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Dr. Horst Keferstein, Seminaroberlehrer a. D. Langensalza, Hermann Beyer & Sohne, 1902. Preis 2 M., eleg. geb. 3 M.

Biblische Geschichten und Kapitel aus Weizsackers und Luthers Bibeliiber- setzungen by Warren Washburn Florer, Ph. D., University of Michigan. George Wahr, Ann Arbor, Mich., 1901.

Padagogische Monatshefte

PEDAGOGICAL MONTHLY.

Zeitschrift fur das deutschamerikanische Schulwesen. Organ des

Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbtmdes.

Jahrgang III. April 1902. Heft 5

Aufruf zur Beteiligung an der 32 Jahresversammlung

des Nationalen Deutschamerikanischen Lehrer-

bundes in Detroit, Mich., vom 30.

Juni bis 3. Juli 1902.

(Offiziell.)

Es ist schon mehr als ein Vierteljahrhundert verflossen, seit wir die Gastfreundschaft der schonen Stadt Detroit zum letzten mal genossen. Der Ort, wo der Vater des Lehrerbundes und sein erster President, Papa Feldner, wirkte, der Ort, an welchem die Griindung unseres Lehrersemi- nars beschlossen wurde, hat unseren Bestrebungen seit lange fern gestan- den. Dort durch unsere Verhandlungen neues Leben unter den Freun- den unserer Arbeit zu erwecken, ist unsere Aufgabe. Die ehemaligen Schiiler Feldners und andere liberal gesinnte Deutschamerikaner haben mit grosster Bereitwilligkeit umfassende Vorbereitungen zu unserem Empfange getroffen, und wir alle hoffen auf eine recht zahlreiche Betei- ligung an der nachsten Tagsatzung. Die Zeit ist so gewahlt, dass unsere Besucher leicht und billig zur Tagsatzung des Turnerbundes sowohl,als auch zur Versammlung der N. E. A. kommen konnen. Die schone Stadt, ihre herrliche Umgebung und ihr mildes Klima sollten Hunderte unserer Freunde zum Kommen bewegen. Interessante Vortrage, anregende De- batten und nach der Arbeit frohliche Feste sind in sichere Aussicht ge- stellt. Alle Bedingungen zu einem erfolgreichen Verlauf der 32. Sitzung unseres Bundes sind somit gegeben, und wir hoffen mit Recht, dass die- selbe sich wiirdig den friiheren anschliessen moge.

154 Padagogiscbe Monatsbefte.

Wir verweisen unsere Mitglieder ganz speziell auf die liebenswiir- dige Einladung des Ortsausschusses und das vorlaufig entworfene Pro- gramm und zeichnen

mit kollegialischem Grusse

Emil Dapprich, President. Louis Hahn, Schatzmeister, Emil Kramer, Sekretar.

An die deutschamerikanische Lehrerschaft.

Mit Freuden begriissen die deutschen Burger dieser Stadt die 32. Jahresversammlung des deutschamerikanischen Lehrerbundes, die fiir den 30. Juni, den i., 2. und 3. Juli angekiindigt ist. Die Stadt Detroit, in der Eduard Feldner den Grundstein eines deutschen Schulwesens legte, wird es sich zur Ehre anrechnen, .die deutschen Lehrer des Landes in ihren Mauern zu empfangen. Auf ein herzliches Willkommen diirfen die Mitglieder des Lehrerbundes gefasst sein, und der Ortsausschuss wird alles aufbieten, den Besuchern den Aufenthalt angenehm zu machen und ihnen den besten Eindruck der schonen ,,City of the Straits" zu geben.

Carl E. Schmidt, Vorsitzer des Ortsausschusses.

H. Steichmann, Sekretar.

Program m.

Montag, den 30. Juni. Empfang der Gaste.

Abends 8 Uhr: Erb'ffnungsversammlung in der Harmonie-Halle ; Begriissung durch den Vorsitzer des Ortsausschusses, den Biirgermeister Maybury und den Prasidenten des Schulrats, Eduard Marschner; Eroffmmg des Lehrer- tages durch den Prasidenten des Lehrerbundes.

Dienstag, den 1. Juli.

Vormittags: Erste Hauptversammlung.

1. Geschaftliches : Berichte der Beamten; Erneuerung und Ergan- zung von Ausschiissen.

2. Vortrag: Mlindliche Erteilung des deutschen Unterrichts in den Anfangsklassen unserer offentlichen Schulen. Sup. Phil. Huber, Saginaw, W. S., Mich.

3. Vortrag: Der erste Unterricht im Deutschen an angloamerikani- sche Schiller. Herr Eduard Prokosch, Chicago University, Chicago, 111.

4. Vortrag: Der erste Sprachunterricht auf anschaulicher Grund- lage. Oberlehrer W. H. Weick, Cincinnati, O.

Nachmittags und abends : Besuch einiger Schulen unter der Fiihrung des Sehul- ratspriisidenten Ed. Marschner; Ausflug nach Pfeiffers Garten; Konzert.

Mittwoch, den 2. Juli.

Vormittags: Zweite Hauptversammlung.

1. Vortrag: Entwickelung und Stand des deutschen Unterrichts in den Schulen von Erie, Pa. Prof. G. G. von der Groben, Erie, Pa.

2. Bericht des Komitees zur Pflege des Deutschen.

Colonel Francis W. Parker. 155

3. Vortrag: Der Leseunterricht. Sup't. Hermann Woldmann, Cleve- land, O.

4. Vortrag: Das Riistzeug eines Lehrers des Deutschen. Prof. H. C. G. von Jagemann, Harvard University, Cambridge, Mass.

5. Bericht der Prufungskommission des Lehrerseminars. Nachmittags: Besuch von Belle Isle und Besichtigung der Stadt.

Donnerstag, den 3. Juli.

Vormittags: Dritte Hauptversammlung.

1. Vortrag: Idealismus, behandelt von einem deutschen Lehrer in Amerika. Prof. C. F. Weiser, High School, Detroit, Mich.

2. Revision der Vereinsstatuten.

3. Berichte der Ausschiisse.

4. Vorstandswahl. Vertagung.

Nachmittags und abends: Wasserpartie nach St. Clair-Flats, dem amerikani- schen Venedig, und Abschiedskommers.

Einquartierung.

Folgende Hotels werden vom Ortsausschusse empfohlen:

,,Griswold" (american plan), $2.00.

,,Oriental" (am. plan nur fiir Herren), $2.00.

,,Wayne" (am. plan), $2.00—2.50.

,,Normandie" (am. plan), $2.00.

,,St. Clair" (am. plan), $2.50—3.50. Einzelne Zimmer im ,,Griswold" und ,,Oriental" zu 75 cts. bis $1.50 a Person.

Eisenbahnraten.

Die Eisenbahnen erklaren sich bereit, die Rundreise fiir die Besucher des Leh- rertages auf 1 1/3 des gewohnlichen Preises der Einzelfahrt festzusetzen, voraus- gesetzt, dass mindestens 100 Personen von solchen Fahrkarten (certificate plan) Gebrauch machen. Die Besucher haben ihre Absicht, zum Lehrertage nach Detroit zu fahren, dem Agenten mitzuteilen, von dem sie die Fahrkarte kaufen, und diese nach Ankunft in Detroit vom Sekretiir des Ortsausschusses unterschreiben zu lassen.

Colonel Francis W. Parker.

(Fiir die Padagogischen Monatshefte.)

Von Eduard Frokosch, Chicago Uuiversity, Chicago, 111.

Sie haben einen guten Mann begraben.

Francis Wayland Parker, zweifellos der bekannteste amerikanische Padagog der Gegenwart, starb am 2. Marz 1902 in Pass Christian, Miss., wo er Linderung fiir ein chronisches Leiden gesucht hatte. Die ameri- kanische Volksschule verliert in ihm einen kiihnen Vorkampfer fiir den

Fortschritt, einen erbitterten Feind des Schulschlendrians.

* * *

,,Colonel", wie Freund und Feind ihn zu nennen pflegten, war am 9. Oktober 1837 in dem Stadtchen Bedford (jetzt Manchester) in New

156 P'ddagogiscbe Monatsbefte.

Hampshire geboren. Schon von Geburt aus schien er zum Lehrberufe pradestiniert : Sein Urgrossvater mutterlicherseits war ein Gelehrter von Ruf gewesen, seine Mutter eine ausgezeichnete Lehrerin. Der Lehrbe- ruf stak dem Knaben im Blute, und es war ihm eine bittere Enttauschung, als er mit acht Jahren (zwei Jahre nach dem Tode seines Vaters) bei einem Farmer in die Lehre gegeben wurde. Fiinf Jahre hielt er es trotz- dem im Joche der ihm verhassten Bauernarbeit aus. Mit dreizehn Jah- ren aber legte er trotz des Unwillens seiner Verwandten Harke und Spa- ten endgiltig nieder und nahm den Kampf mit dem Leben auf eigene Faust auf. Ohne jede Hilfe von aussen schlug er sich vier Jahre lang bald lemend, bald furs Brot arbeitend durch, bis er endlich eine Lehrer- stelle in Corser Hill, Boscawen (jetzt Webster), zu dem fiirstlichen Ge- halt von fiinfzehn Dollars per Monat bekam.

Von jetzt an aber ging es stetig auf warts. Jedes Jahr brachte eine Besserung seiner Lage und eine Vermehrung seiner Schulkenntnisse (die er sich grossenteils autodidaktisch erwarb). Als der Biirgerkrieg aus- brach, war er Prinzipal in Carrollton, 111. Er trat als Gemeiner in die Unionsarmee (4. New Hampshire-Regiment) ein und avanzierte wah- rend des Krieges bis zum Brevet-Colonel. In der Schlacht bei Deep Bot- tom (16. August 1864) wurde er am Halse verwundet, was fur sein gan- zes Leben eine gewisse Unsicherheit und Rauhheit seiner Stimme verur- sachte.

Ausgezeichnete Chancen, die sich ihm nach dem Kriege in anderen Berufen boten, schlug Col. Parker aus, um zu dem geliebten Lehrberufe zuriickzukehren. Nachdem er drei Jahre Prinzipal der Grammar School in Manchester, N. H., gewesen war, iibernahm er eine Supervisor-Stelle in Dayton, O. Dort begann er zuerst seine padagogischen Anschauun- gen in der Offentlichkeit zu entwickeln und durchzufiihren und sich auch zahlreiche Feinde zu schaffen.

Im Herbst 1872 ging er nach Deutschland und studierte zwei Jahre lang an der Berliner Universitat Philosophic, Geschichte und Padagogik. Vieles, was er bisher unklar gefiihlt hatte, nahm unter dem Einflusse der deutschen Padagogik, namentlich der Herbartischen Doktrinen, nun feste Form an. Und als er nach Amerika zuriickkam und zum Superinten- denten der offentlichen Schulen von Quincy, Mass., berufen wurde, begann er ein en erbitterten Kampf gegen die jammervolle Verfassung der damaligen Schulen. Das als ,,Quincy Methods" beriihmt gewordene System nahm damals seinen Anfang. Als er nach fiinf Jahren seine Stelle niederlegte, um eine hohere in Boston anzunehmen, gab ihm der Schulrat folgendes Zeugnis : ,,Fiinf Jahre lang hat er der Stadt durch seine treuen und begeisterten Bemiihungen geniitzt. In diesen Jahren hat er unsere offentlichen Schulen vollig umgestaltet. Als Maschinen hatte er sie gefunden, als lebende Organismen lasst er sie zuriick. Aus Drill wurde Wachstum, aus Gefangniszellen Platze der Freude. Er hauchte

Colonel Francis W '. Parker. 157

unseren Schulen Leben, Gedeihen und GKick ein. Der Erfolg seiner Ar- beit liegt klar vor aller Augen, fest, sicher, unzweideutig."

1883 ging Col. Parker als Direktor der Cook County Normal School nach Chicago. Nicht weniger segensreich als in Quincy wirkte er hier, doch politische Intriguen verdrangten ihn. Das Chicago Institute, dessen Fortsetzung die School of Education der Universitat Chicago ist, war die nachste und letzte Schule, an der er wirkte und kampfte.

* * *

In seinem Charakter, seiner Kampfkraft liegt seine Bedeutung. Seine Ideen sind gewiss nicht alle neu, vielleicht nicht alle richtig. Aber er trat, Kriegernatur durch und durch, fur das einmal fur recht Erkannte mit unbeugsamer Energie, ja Riicksichtslosigkeit ein. Wo er ein scho- nes Ziel vor Augen sah, mass er nicht angstlich die Lange des Wegs, son- dern schritt ihm durch Dick und Dunn zu.

Er war ein grosser Feind seiner Feinde, aber auch der treueste Freund seiner Freunde. Und seine Freunde waren vor allem die Kin- der. Aus dieser Liebe ging all der Kampf und Hass seines Lebens her- vor. Und nicht die Begabtesten, nein, die geistig oder korperlich Zu- riickgebliebenen waren es, denen er die meiste Sorgfalt schenkte. Die Kinderseele zu beobachten, ihren leisesten Regungen nachzugehen, war ihm die vornehmste Aufgabe des Lehrers. Die Seele des Kindes wollte er bilden, urn tiichtige Staatsbiirger zu erziehen. Das war ihm wichti- ger, als die Gewinnung eines bestimmten Masses von Wissen. Erziehen, nicht unterrichten soil die Schule. Ein Hauptmittel zur Erreichung die- ses Zieles sah er in dem Herbart'schen Ideal von der Verbindung des ge- samten Lehrstoffes zu einem organischen Ganzen der ,,correlation of subjects".

Vieles von dem, was Col. Parker anstrebte, hat er erreicht. Es giebt kaum eine bessere amerikanische Volksschule, die nicht heute bewusst oder unbewusst seinem starken Einfluss mehr oder weniger nachgegeben hat. Aber der grossere Teil seiner Ideale harrt noch der Erfiillung. Er hat das Land der Verheissung gesehen, aber nicht betreten.

Darin liegt tiefe Tragik. Er schien dem Ziel so nahe ! Die gross- herzige Unterstiitzung der Chicagoer Millionarin Emma McCormick Blaine schuf ihm eine Elementar- und Normalschule, das Chicago Insti- tute, in der er seinen Ideen vollste Geltung verschaffen konnte. Die Ver- einigung dieser Schule mit der Universitat von Chicago, die im vorigen Jahre erfolgte, schien ihr eine gewisse autoritative Kraft und weiterrei- chenden Einfluss zu verheissen. Aber er, der die Anstalt schuf, darf ihr Aufbliihen nicht mehr erleben.

Doch seine Anregungen werden nicht untergehen. Charaktere wie er driicken unausloschliche Spuren in das Metall der Kulturgeschichte. Sein funfundzwanzigjahriger Kampf war nicht fruchtlos: mit Helden- kraft hat er die Bahn gebrochen andere werden darauf weiterwandern.

Exegit monumentum acre perennius.

The Teaching of Literature in the Secondary Schools.

Address delivered before the Association of New York High School

Teachers of German.

By Prof. Lawrence A. McLouth, New York University. (Conclusion).

But it must not be forgotten, that the way to this love of good lit- erature lies through intellectual effort, through learning, through thought. Though I am championing the cause of beauty for beauty's sake, I am not one of those who believe in the study of literature as the occu- pation of an otherwise empty mind or as intellectual confectionery for young ladies' finishing schools (sometimes well named), or as the passive absorbtion of something pleasant. But I wish to protest against the pedagogical error of treating literature in the secondary schools, or in any other schools, where men with red blood labor, simply and only as an intellectual grind-stone, lest our little sickles half-tem- pered be wholly ground away, and the beautiful harvest be not cut and garnered in. Beginning with the first name that has come down to us from the mist-hung cradle of the human race, if we consider all those great minds and hearts that have travailed and borne messages for man- kind, be they philosophers, poets, or historians, not one has sat down to write a drill book ; and yet what are we teachers doing with this heritage of beauty? We cut it up into convenient bars, like sapolio, and polish the rusty pots and kettles of our pupils, washing it all off to admire the brightness while the means of culture and highest delight is thrown away.

Literature has no other purpose than that it be read with apprecia- tion and love. For this, study and thought are necessary. But a course consisting of masticating a history of literature, of the laboratory work of patiently hacking away at the dissection of some masterpiece, and of the forced reading, sometimes penal in its effects, of so and so many books, is no literary education and usually bears no sweeter fruits than regents' pass cards or a teacher's license and empty glibness. The farmer's boy who slily took an extra candle into his bed-room in order to read Shake- speare till the late hours of the night contrary to maternal command not to read in bed, may not have known much about the folio editions, or the figures of rhetoric, or even the parts of speech, but he was on the right road to literary appreciation and learning. The information as to who? and when? and what? he would surely get later, not because he had to, to pass, but because he sincerely wished the knowledge. How many of us remember being cudgelled through Milton's "// Pcnseroso" and "L' 'Allegro," passing them with a sigh of relief, and carefully avoiding them for years ?

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How are we to teach literature, especially foreign literature, so that the unfailing result will be the pupils' liking it instead of disliking it? I sincerely wish I could tell you. In the first place we may as well be frank and admit that a taste for good literature cannot be aroused at all in some, and only spasmodically in many others. The butcher, the baker, the candlestickmaker and many others of higher hats and pretensions, read the newspapers, look at the pictures in a ten-cent magazine sometimes better than the text read a new novel now and then, but do not often get far into what you and I call good literature. However lamentable, this is undobutedly in harmony with human devel- opment; at any rate the schoolmaster need not shoulder more than his share of the responsibility. I do not interpret the flood of cheap reading as a mark so much of decline in popular taste as of an increase in the number of those who read anything at all. When the year's reading of the farmer's family consisted of the Bible, Pilgrim's Progress, Fox's Book of Martyrs and a history of the United States, it might be assumed that the literary taste of a part of the multitude rested upon pretty good ground. But as a matter of fact outside of family worship these books were little read, the weekly newspaper forming the literary staple. Not few look upon a literary study of the Bible as little short of sacrilege, having no appreciation or love of its simple grandeur and beauty. Now these people are reading all they did before and in some cases more, while others that did not read at all, are devouring cheap and sometimes "yellow" journals.

The schoolteacher is expected to take the sons and daughters of these honest folk and in a few years of not too many days to send them home with a love and longing for the truly beautiful. Sometimes he succeeds. Would that he always could ! How the world would brighten in a generation ! But the schoolmaster is only one of the powers in the elevation of the human race out of the great slough. On the material side the people are much above mediaeval conditions ; but any tolerable acquaintance with the examination papers of district schoolteachers or with any other fairly reliable gauge of the intellectual conditions of the masses shows no sudden and surprising rise in the curve of mental development since mediaeval conditions. Most of them can read : that is the test of literacy or illiteracy in many statistics. But between literacy and illiteracy there is only the etymological relation. Do not think I am pessimistic ; on the contrary, I am optimistic ; but in the last fifteen years the great difference between what we schoolteachers want to do and what we have done and really are doing, has forced itself on my atten- tion. I have not thought of giving up: I've just set my watch back. "The world does move," only not so fast as you and I would like.

But as we have considered what we ought to do, let us consider further what material we have to do with. The report of the Committee

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Padagogische Monatsbefte.

on Modern Languages is one of the best things that have occurred for modern language teaching, since German and French came to be recog- nized as a possible means of training and culture ; and there is no clearer mark of the high ideals, toward which the committee aimed, than the frequent mention of culture and esthetic taste as among the ends to be secured by modern literature study; but it was indeed sad to contrast with reality the beautiful ideal of literary enjoyment which these scholarly men plucked out of their own downy breasts, to make soft the nests for beginners in modern languages. How much of that literary appreciation do you find among your students of the first year? of the second year? of the third year? I shall not ask you to answer these questions, for I am going to confess myself. Among students that have studied Ger- man in high school and college for less than five years I have found very small evidences of literary appreciation. Upper classmen in college elect German, either because they have some liking for it as literature or because the courses are considered snaps. But among the sophomores and freshmen with two or three years' preparation there is very little liking of German as literature. It is yet a task. This condition of things proves neither the total depravity of the students nor the total incapacity of the teacher. Let us study ourselves as human beings. There is hardly one thing about which people of moderate culture tell so many white lies even to themselves as about what they really like in literature, music, painting and sculpture. So often we ask ourselves what ought we to like, and then we think we like it. Let us be frank. Are there here present among these teachers of language and literature any, who from a sense of duty have taken up a volume of Goethe or Schiller or any of the other literary gods whom we all worship, and after a few pages been dreadfully bored, only to sigh, lay the book away, to take up a good old pipe or a favorite piece of fancy work? Or am I the only sinner among you? What is the use of putting on? The fact is: literary enjoyment depends upon the mood. Good poetry or fiction or argument is not so much hay that one can stuff into one's mow or maw, whenever one likes. I shall not mention the Strassburg geese. When your mood was right for Fritz Reuter, your commendable desire to finish Goethe drove you to the Wahlverwandtschaften, and there you stuck. If then the ability to get genuine enjoyment from literature, music, paint- ing and sculpture is not at all times within the grasp of most people of moderate culture, why should we expect our pupils, whose mother tongue is English, always to experience an artistic pleasure in reading Heine's spicy prose, or Lenau's exquisite lyrics, or Platen's polished lines. Yes, I know ; they will all look pleased, when you have cut up some literary deli- cacy in the lesson, and say that they like it. But just assign an extra five pages of this delightful reading, and their faces will show their real feel-

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ings. They are made of the same human stuff as we are, and learn very young that it is sometimes just as well not to say just what they think. Now, they probably did really experience some pleasure in the beautiful things pointed out by the teachers ; but the study is a study, and there's no use denying it.

If the study of literature should produce a love for good reading, and pupils view this study as a task, how is the teacher of literature native or foreign to proceed? How shall he know when he is suc- ceeding ?

First. In the first place the teacher himself must have a love for literature as well as an education in literature. It is not possible to secure genuine education in literature without a love for the beautiful in letters. Almost all men that have accomplished worthy things in intellectual fields of labor whether self taught or educated in the schools, have some taste for good literature. But it is possible to have a one-sided half- education in forms and facts with very little love of the beautiful. But how shall the blind lead the blind? It is not meant that the teacher should rave about Browning or Ibsen or Wagner, believe the same were demi-gods, and hang on every word that escaped their lips or pens, find cyclopaedias of general and technical knowledge in the most ordinary statement. Most of these wild-eyed enthusiasts are victims of a fad, and will rave about something else next year. If the unusual enthusiasm lasts, it may produce good results in scholarship, when the chaff has blown away. Very few of these over-enthusiasts are good teachers, for they almost always shoot over the heads of their pupils, and very often make themselves ridiculous before their classes. Balance in ability is what boys and girls admire and respect. It is the calm lasting appreciation, the growing appreciation of the truly beautiful in letters and the other fine arts, that qualifies the teacher of literature.

Second. The pupil must see this appreciation in his teacher, if he is to develop it in himself. He must be led to see the beautiful, helped to see the beautiful in the piece of literature under consideration. It will do little good to push him into it. Points worthy of careful remark must be indicated and well explained. This is a very delicate task; for it is so easy to explain away the beauty : the bright pebbles in the brook are pretty only when in the running water. And it is easy to go too far with this. I remember that a bright pupil of years ago, upon whom I had strongly impressed the necessity of proving every step in geomet- rical demonstrations, promptly requested of me proof that the whole is greater than any one of its parts, as soon as that axiom was used before the class. If you do too little pointing out and admiring, the class will not warm; if you do too much, you will tire and bore your pupils. In practice we doubtlessly all do both ; for pupils always present different

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individualities. Here an ability to read pupils' faces and to distinguish real interest from feigned is of importance.

Third. Encourage them to look for beauty; and, when they have found it, praise their discrimination. But never forget that you are training an individual different from youself, and one whom you wish to have opinions and tastes of his own. If you demand that pupils like all that you like, you will make some dislike what you admire, and from others you will seldom get a genuine opinion.

Fourth. By all means cultivate the entire confidence of your pupils, so that they will tell you exactly how they think and feel about the matter under consideration. Of course it is often very hard to suppress a smile at the naive efforts of a young student at criticism ; but, if she is sensitive and most finer natures are , your laughter will close her growing mind to you perhaps forever, and your ability to help her is largely impaired. As far as possible admit and respect the opinions of your pupils : they are their best. The greater danger is that you will restrain them too much.

Fifth. For some time there has been a varying amount of outside reading required by teachers of literature. It has been thought that the amount of outside work measured the width of the instruction imparted. Let us not be so sure of it. Outside reading can work either good or bad. Did you ever hear a bright pupil say, as she left the tennis court : "O dear, I've got to go in and read that old Shakespeare!"? It is not Shakespeare's fault, or the girl's, or the tennis court's ; it is our own. When reading in literature is assigned to pupils, as sewing and mending, cutting the lawn and trimming the hedge, because it is necessary and because you want it done, then it is no wonder that young people do not like to do it. Very likely one always gets some benefit even from the forced reading of a good book, but he will get incomparably more out of it, if his appetite for it is whetted till he wants to read it. What is far more important than the reading of any one book is the taste and desire for good books. Under the latter influence the pupil will not come to view Shakespeare, Goethe, and Schiller as horrible task masters. You all know how that boy loves to read the Bible, whose pious mother not believing in the lash as a means of civilisation, punishes him by making him commit to memory so many verses of the Holy Writ. I doubt if he found much literary beauty in it, as he sat there scowling and muttering the words over to himself, while his comrades in crime had had their whippings and were out again playing in the street. Outside reading can easily develop into punishment. It requires great skill to introduce it so that pupils do not feel it as too arduous a task. The line between the task that stimulates and the burden that oppresses is a wavering one, depending upon a great many things. The

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teacher should know about where it lies. And yet on the other hand pupils must learn to do well also those things which seem difficult and troublesome: that is human life and should be a part of education as a preparation for life. But I maintain that this is not largely the func- tion of instruction in literature. In the life beyond the school, who looks at fine pictures, because he must? Who reads Tennyson because he has to? Who looks at the Venus de Milo, because someone makes him? Who listens under compulsion to Walther's prize song? In physics and chemistry and mathematics it is different : there the feelings and sentiments play a very small role. People do work in engineers' and architects' offices, in sugar and oil refining laboratories also when they find no especial enjoyment there: that is bread-winning. And so the study of literature must not be burdened with the training for duty.

Sixth. The teacher of literature must learn to read well. A beau- tiful poem read by a great scholar but a poor reader makes a bad im- pression. It is but natural and proper that the ear do its part in con- veying to the mind. It seems to me that many of us neglect that part of our training. The colleges have not paid enough attention to that. Is it not true that some teachers, who appreciate the importance of excellent reading and try to practice what they preach, are labeled "elocutionists" and sometimes considered lacking in what we are pleased to call real attainments, while other teachers who know the content of literature well enough but who could not read Schiller's "Das Lied von der Glocke" without making it and themselves ridiculous, escape all criticism? This is certainly inconsistent. I care not how scholarly a man is, if he reads Tennyson's "Brook" through his nose in a droning monotonous voice with legs twisted around his tilted chair, he cannot interest boys and girls in poetry. It is probably the affectation and "staginess" of some readers, that have brought into rather bad repute many who often practice reading aloud. It is very unfortunate, because the ability to read well before a class in literature will help pupils to gain an insight into its beauties more than hours of explantion will. If there is any prejudice, we should rise above it.

Seventh. Few things can contribute more to making the lesson in foreign literature unprofitable and decidedly harmful than poor transla- tions. We all know how likely pupils are to use the English cognate with which to translate the foreign word, either in order to save them- selves the trouble of thinking, or in order to cover up ignorance. Of course this should not be tolerated. Farther, even when the correct words are used, the foreign word-order is followed more or less closely, the resulting conglomeration being neither English nor German, and hence no literature at all. The cure for this trouble is everlasting, patient, goodnatured watchfulness on the part of the teacher. Here we must remember that not the severity of the punishment but rather the cer-

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tainty of it makes it efficacious. I know how easy it is, when one is a little tired and has had an especially good luncheon, to sit back in a comfortable chair and let a piece of bad English go by without comment, because the student apparently has the idea. Holding a book and saying "Next!" every twenty-five lines is npt very much higher work intellectu- ally than the barber's occupation. The road to a proper appreciation of foreign literature lies through good, not bad, or even tolerable, English. But the point of genuine feeling for and sympathy with the foreign tongue lies not in English, but in that tongue itself. This brings in the eighth point.

Eighth. A real understanding, knowing of and feeling for the beauty of a piece of foreign literature are not to be gotten in any other tongue than that in which it was produced. One might as well assert that steel engravings of paintings are the same as the original, or that a Laokoon in charcoal is the same as the marble. It has not the same character. Translation is at best a good make-shift. As long as one must translate in order to understand, just so long does the foreign literature remain a closed book. The human brain is capable of producing so much mental energy: if a large part of that force must be spent in peeling off the husk of a foreign idiom, then only a small amount of power is left, with which to enjoy the fruit within. The argument for clear expression in art rests on no other basis than this. Consequently, as long as pupils are expending considerable mental energy upon the phonetic values of let- ters, upon the meanings, forms, arrangement and construction of words, there can be but small literary enjoyment.

In this paper the following points have been attempted :

ist. It is a part of the teacher's duty to develop in her pupils a love of the beautiful.

2nd. Literature ought to be taught principally with that in view.

3rd. The human material placed in the teacher's hands is very often discouraging, so that, while we ought always to expect something, we are still not to expect too much.

4th. Attention has been called to a few general suggestions as to methods of teaching both native and foreign literature in the secondary schools :

I. The teacher's love of good literature. II. The drawing out of the pupil's esthetic feeling.

III. The encouragement of intelligent independence in the pupil.

IV. The securing of the pupil's confidence.

V. Skill and care in requiring outside reading.

VI. The ability of the teacher to read well.

VII. The use of idiomatic English in translations.

VIII. The necessity of going into the original to get the literary

effect.

Das Schulaquarium. 165

Considerable time has now been taken in telling you what you un- doubtedly all knew before; but it was the thought of the writer that an interesting and helpful discussion might be called forth by this rather uninteresting threshing of old straw. For we all know many more good pedagogical principles than we can always apply in our work ; and it is sometimes well to stop and lay the yardstick of theory upon what we are actually doing, not that we may become discouraged at the smallness of the results, but rather that we may be aroused to more earnest efforts, and may teach our pupils of literature

"Was du ererbt von deinen Vztern hast,

"Erwirb es, um es zu besitzen." —Faust.

(Ottendorfer Germanic Library,)

October 18, 1901.

Das Schulaquarium.

(Aus dem ..Osterreichischen Sctmlboten" Okt. 1901.)

Von R. Serndl, in Lindach bei Gmunden.

Comenius hat schon vor mehreren hundert Jahren ausgesprochen, dass der wahrhaft bildende Unterricht natiirliche Objekte notig hat, nicht bloss Worte und Bilder. In diesem Sinne sollte eigentlich der Unterricht in die freie Natur verlegt werden, damit die Schiller die Lebensthatigkeiten der Tiere und Pflanzen, sowie deren wunderbare Anpassung an die Umgebung mit alien Sinnen wahrnehmen konnten.

Vorziigliche Anregung zur Beobachtung des mannigfachen Tierlebens giebt das Schul-Aquarium, das man sich natiirlich auf die einfachste Art hergestellt zu den- ken hat. Ein grosses Gurkenglas reicht ja hin, eine kleine Tierkolonie darin zu griinden. Auf den Boden des Gefasses stellt man einen kleinen, mit Teichschlamm gefiillten Blumentopf, in welchem vorher einige in der Umgebung einheimische Was- serpflanzen eingesetzt wurden. Der noch frei bleibende Teil des Bodens wird mit Tuffsteinen und Sand bedeckt. Die Wasserpflanzen haben den Zweck, die durch Atmung der ini Gefasse lebenden Tiere erzeugte Kohlensaure (C02) zu zerlegen und dadurch dem Wasser stets von neuem Sauerstoff (O2) zuzufiihren; der aus- geschiedene Kohlenstoff (C) wird von den Pflanzen selbst zum Auf ban ihres Korpers verwendet. Das Aquarium veranschaulicht demnach im kleinen die Wechselbezie- hungen zwischen Tieren und Pflanzen. Im Aquarium diirfen aber nicht zu viele Pflanzen enthalten sein, weil dadurch einerseits die Tiere in ihren Bewegungen ge- hindert, andererseits genauere Beobachtungen erschwert waren. Ich setze ins Aqua- rium gewohnlich zwei bis drei Stuck flutenden Hahnenfuss ( Batrachium ) , der in Teichen und Bachen haufig vorkommt, und gebe uberdies auf die Wasseroberflache die kleine Wasserlinse (Lemna minor), die uberall geinein ist. 1st das Gurken- glas mit Pflanzen besetzt, so wird es mit Teichwasser gefiillt und allmahlich bevol- kert. Das Entlehren des Gefasses behufs Erneuern des Wassers erfolgt mittels eines Gummischlauches, den man als ungleicharmigen Schenkelheber bentitzt.

Schon im ersten Friihlinge, in den Monaten Marz, April, werden von den Schtt- lern in Teichen und unter Steinen in feuchter Erde Molche gefangen, die als erste

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Bewohner das Aquarium beleben und mit Wiirmern gefiittert werden. Die Riihrig- keit und grosse Beweglichkeit dieser Tiere macht der Schuljugend grosse Freude. Die schonste Zierde des Aquariums bilden die Mannchen zur Fortpflanzungszeit, in welcher sie prachtig gefarbt und mit hohem Kamm versehen sind. In dieser Zeit kann man die Weibchen beobachten, wie sie mit den Hinterbeinen die als passend befundenen Blatter der Wasserpflanzen zusammendrehen und, wahrend sie noch das Blatt mit den Fiissen halten, das Ei in die Blatthulse hineinschieben. Aus den Eiern entwickeln sich nach etwa 3 Wochen die Larven, welche nach 4 5 Wochen die Vorderbeine und nach weiteren 2 Wochen die Hinterbeine erhalten.

Ausser Molchen bringen die Schtiler im Friihjahre aus Teichen Froschlaich, und zwar klumpenformigen (von Frb'schen) und schurartigen (von Kroten), welcher ebenfalls ins Aquarium gebracht wird. Nach ungefahr 14 Tagen schliipfen aus den Eihiillen Kaulquappen mit langem, schmalem Ruderschwanze, den aber die Larven anfangs nicht benutzen, sondern sich mittels zweier an der Kehle befindlicher Saug- napfe am Laich anhaften. Hierauf schwiirmen sie 9 10 Wochen umher, wahrend welcher Zeit sie vo'llig auswachsen. Zahlreiche Kaulquappen fallen den Molchen zum Opfer, weshalb letztere nicht in zu grosser Zahl vertreten sein diirfen. Die vollstandig entwickelten Kaulquappen erhalten zuerst die Vorderbeine, und nach 2 3 Wochen beginnen auch die Hinterbeine zu wachsen, wahrend sich die Kiemen- spalten schliessen und der Schwanz kiirzer wird. Mit grosster Spannung wird nun der Moment erwartet, in welchem das Wassertier als lungenatmendes Geschopf dem Wasser entnommen und ins Freie gesetzt wird.

Von Schwimmkafern konnen kleinere Arten eingefangen werden; man hiite sich aber, grosse Schwimmkafer oder deren Larven, Wasserskorpione und Libellenlarven ins Aquarium zu geben; mit ihren kraftigen Kieferzangen wiirden diese Riiuber die meisten Froschlarven und Molche tb'ten. Solche Rauber unter den Wasserinsekten erhalten in separaten Glasern ihren Platz angewiesen.

Manches Wunderbare zeigt die stufenweise Entwicklung der Stechmucken (Culex). Schb'pft man im Juni oder Juli aus stehendem griinlichen Wasser einige Glaser voll, so findet man darin gewiss ausgekrochene, junge MUckenlarven, die man dann dem Aquarium einverleibt. Ein Teil derselben wird anderen Tieren zur Nahrung dienen, ein anderer Teil aber wird zur Ausbildung gelangen. Die Larven sind stets mit dem Kopfe nach abwarts gewendet, wahrend ihr Kb'rperende mit dem daran befindlichen Atemrohr fast immer etwas iiber dem Wasserrohr her\rorragt. Wohl taucht die Larve oft unter und bewegt sich sehr schnell durch abwechselnde Windungen auf und ab; immer aber kommt sie wiederum an die Oberflache, weil sie die Luft nicht entbehren kann. Hochinteressant ist es, die Larven zu beobach- ten, wenn ihnen in die Luftrohre Wasser gedrungen ist; dann nehmen sie das Ende der Luftrohre in den Mund, um das Wasser auszusaugen und mit 61 zu befeuchten. Die Larven hauten sich mehrmals und verwandeln sich nach 10 12 Tagen in eine Art Puppen, die aber keineswegs ruhen, wenngleich sie nicht mehr untertauchen. Die Puppe besitzt nun zwei Luftrbhren, die aber am Kopfende sich befinden; diese Rohren ragen stets aus dem Wasser, weshalb das Tier jetzt eine aufrechte Haltung einnimmt. Nahrung nimmt die Puppe nicht zu sich. Nach 6 8 Tagen platzt die Riickenhaut der Puppe, und das vollendete Insekt entfliegt. Ein wunderbares Na- turschauspiel ist es, wenn man gerade bemerkt, wie die ausgebildete Mucke mit den Hinterfiissen die Puppenhaut abstreift, sich aus der Hulle mit Anstrengung her- ausarbeitet und endlich munter und frohlich davonfliegt.

Grosse Bewunderung von Seite der Kinder erregen auch die Larven der Kocher- jungfern, welche sich aus Rohrstengeln, winzigen Schneckenschalen, Sand, Stroh- halmen etc. ein kocherartiges Gehause verfertigen und dieses wahrend ihres ganzen Larvenlebens mit sich herumschlpepen. Man sieht diese Tiere im Friihlinge fast

Das Scbulaquarium. 167

in jedem Bache und Teiche am Grunde umherkriechen. Welches Erstaunen erfasst die Schuljugend, wenn sie aus dieser trage kriechenden Larve die leichtbeschwingt* Kocherfliege entsthen sieht!

Nicht minder bewunderungswiirdig ist dia Entwicklung der Libeller*,, deren Lar- ven im Schlamme jedes Teiches entdeckt werden. Freilich diirfen nicht zu viel Lar- ven im Aquarium Aufnahme finden, weil diese bald verheerende Wirkungen anrich- ten wiirden. Das Eigentumlichste an den ungemein rauberischen Larven ist die in einen gefahrlichen Fangapparat umgewandelte Unterlippe. In der Ruhelage ist dieses Fangwerkzeug messerartig zusammengeklappt und bedeckt gleichsam als Maske das Gesicht. Sobald eine Beute in die Nahe des Tieres kommt, streckt sich der Apparat plotzlich aus, die scharfe Zunge desselben ergreift die Beute und filhrt sie, die Glieder wieder zusamnienklappend, zum Munde, wo der Bissen von den kraf- tigen Oberkiefern sofort zermalmt wird.

Zu den interessantesten Bewohnern des Aquariums gehorfc die Wasserspinne ( Argyronecta aquatica ) , welche in unseren Teichen lebt und sich von den dort leben- den Wasserinsekten nahrt; sie hat ungefa.hr die Grosse der Kreuzspinne. Sobald eine Wasserspinne ins Aquarium gebracht wird, beginnt sie unter Wasser an den Wasserpflanzen ein sehr dichtes und ausserst feines, nach unten offenes Gewebe zu bauen, welches die Form einer Taucherglocke erhalt. Diese Glocke ist aber nicht mit Wasser, sondern mit Luft gefiillt, welche von der Spinne selbst gesammelt wird. Von Zeit zu Zeit geht sie namlich an die Wasseroberflache, streckt ihren Hinterleib hinaus und bewirkt durch plotzliches Untertauchen, dass atmospharische Luft als silbrig gliinzende Blase an den Haaren des Kb'rpers festhaftet, von der Spinne mit unter Wasser genommen und in der Taucherglocke mit den Beinen abgestreift wird. In dem kokonartigen Gespinnst lebt die Spinne ahnlich wie in einer Taucherglocke und lauert auf ihre Beute; auch die Eier werden dahin abgelegt. Die Wasserspinne ist aber keineswegs auf ihr mit Luft gefiilltes Gespinst angewiesen, sondern kann auch stundenlang im Wasser herumschwimmen. Ist das Aquarium zu klein, so erscheint es angezeigt, die Spinne fur sich allein in einem zweiten Glase, das einige Wasserpflanzen enthalt, unterzubringen und hie und da kleine Wasserinsekten als Nahrung beizusetzen.

Ein oder zwei junge Flusskrebse sind umso mehr empfehlenswert, weil sie sofort an die Wegschaffung etwaiger Tierleichen des Aquariums gehen.

Flohkrebse (Gammarus pulex), die in Wassergriiben und Bachen mit reichli- chem Pflanzenwuchs leben, werden allenthalben gefunden und eignen sich ganz be- sonders als Nahrung fur grossere Aquariumbewohner.

Die verschiedenen Egelarten [medizin. Blutegel (Hirundo medicinalis) Rossegel (Haemopis vorax)], welche man hinter Wasserpflanzen, Binsen, oder unter schlam- migem Gestein und Moos antrifft, sind gefahrliche Feinde der Tierkolonie im Aqua- rium und miissen daher in einem eigenen Gefasse gehalten werden, in welches man nur die als Nahrung bestimmten Tiere giebt.

Von Wasserschnecken eignen sich fiirs Aquarium die Teichhornschnecke (Lim- naeus stagnalis) mit durchscheinendem Gehause, dessen Gewinde kurz und spitz ist. die Tellerschnecke (Planorbis corneus) mit flachem, tellerformigem Gehause und die Sumpfschnecke (Paludina vivipara) mit kegel- oder turmformigem Gehause, welche lebende Junge zur Welt bringt. Man findet die Wasserschnecken auf schlam- migen, sumpfigen Wiesen, sowie uberall in Graben und Teichen; sie miissen zum Atmen an die Oberflache des Wassers gehen, woselbst die Atemlocher fiber der Ober- flache gestreckt werden.

Aus der Klasse der Muscheln eignen sich fiirs Aquarium die kleinen Kugel- (Cyclas) und Erbsenmuscheln (Pisidium), welche in unseren Teichen und Tiimpeln (iberall zu finden sind und namentlich gern in den Spalten und Ritzen von unter

168 Padagogiscbe Monatshefte.

dem Wasser liegendem Holze sich aufhalten, wahrend die grosseren Fluss- (Unio) und Teichmuscheln (Anadonta) weniger zu empfehlen sind, well diese den Boden des Aquariums zu stark durchwiihlen und dadurch die eingesetzten Pflanzen bescha- digen. Sehr darauf zu achten ist, daas abgestorbene Muscheln sofort entfernt wer- den; denn tote Muscheln vergiften das Wasser derart, dass nicht selten die ganze Tierkolonie in kurzer Zeit zugrunde geht.

Grosses Interesse erregen im Aquarium die in unseren Teichen lebenden Qual- lenpolypen (Hydren) ; ihr Korper ist fadenformig, oben in mehrere Aste geteilt und fast immer an Wasserlinsen und Weichtierschalen festgeheftet. Diese Siisswasser- hydren sind sehr gefrassig und nahren sich von kleinen Insektenlarven, Wiirmern und Krebsen, welche Tiere sie zuerst durch ihre Nesselorgane lahmen.

Ein derartiges Aquarium kann gewiss in jeder Schule angelegt werden und hat einen ungemein bildenden Wert fur die Schuljugend, denn es bringt die organischen Stufen der Entwicklung zur klaren Anschauung, es erschliesst dem Geiste der Kin- der das Werden, Entstehen und Verwandeln des Naturlebens und erhoht entschieden die bildenden Momente fiir Denken, Phantasie, Gemilt und Liebe zur Natur.

Wie kann man den deutschen Unterricht lebendig und praktisch machen?

Vortrag, gehalten vor dem Californischen Verein von Lehrern der

deutschen Sprache.

Von Val. Buehner, San Jose, Cal.

(Schluss.)

Einer der wichtigsten Zweige des Sprachunterrichts ist das Lesen. Ja, unsere amerikanischen Herren Kollegen gehen in der Regel so weit, zu erklaren, dass die Schule sich darauf beschranken miisse, den Schulern ein "reading knowledge" bei- zubringen, da man es unter den gegebenen Verhaltnissen doch nicht dahin bringen konnte, sie zum Sprechen anzuleiten. (S. "Methods of Teaching Modern Lan- guages," Heath & Co.)

Meine Herren und Damen, wenn wir dieser Meinung beipflichten, so stellen wir uns ein bedauernswertes Armutszeugnis aus, und der Unterricht in den moder- nen Sprachen verdient, vernachlassigt zu werden, wie er es vordem gewesen ist. Nein, eines unserer Hauptargumente unseren Freunden, den Lehrern der klassischen Sprachen, gegeniiber muss sein und bleiben, dass wir eine fcjprache lehren, die wirk- lich lebt und von den Schulern praktisch gebraucht werden kann. Ausserdem wiir- den wir unseren Schulern gegeniiber einen Betrug begehen, wenn wir ihnen weiter nichts als ein "reading knowledge" bieten wollten, denn sie kommen in unsere Klas- sen mit dem Glauben, dass sie die Sprache sprechen lernen, und wenn wir ihneii sagten, dass hierzu keine Hoffnung sei, so wiirden die meisten von vornherein weg- bleiben.

Es ist wahr, eines der Ziele des Sprachunterrichts ist die Erolinung einer neuen Welt, die Einfiihrung in eine grosse Nationallitteratur, aber dieses Ziel kann um so sicherer erreicht werden, wenn wir die Sprache als lebende lehren, und wenn wir durch das gesprochene Wort den Wohlklang und die Schonheit der poetischen Werke vennitteln und darstellen. Auch das Auswendiglernen von schonen Gedichten, woran die deutsche Litteratur reicher ist, als irgend eine andere, ist eines der besten

Wie kann man den deutschen Unterricbt lebendig undpraktiscb macben ? 169

Mittel, eine gute Aussprache und den richtigen Accent einzuiiben und den Wort- schatz der Schiller zu vermehren. Ein schones Gedicht, vom Lehrer erklart und vorgetragen und dann von den Schulern wiederholt, ist eine der Weihestunden im Schulleben. Wenn der Lehrer es dann auch noch vermag, die Schiller einige dieser Gedichte, die Volkslieder geworden sind, singen zu lehren, so tragt er damit nicht wenig zur Belehrung des Unterrichts bei, und findet dafiir bei den Schulern und deren Eltern die grosste Anerkennung.

Das Lesebuch kann schon gleich nach ein paar Wochen eingefiihrt werden, um Abwechselung in den Unterricht zu bringen. Ich richte es gewohnlich so ein, dass ich im ersten Semester wochentlich zwei Lesestunden habe, am Dienstag und Don- nerstag, und aie iibrigen drei Tage Grammatik, so dass Lesen und Grammatik mit einander abwechseln. Spater habe ich dann wochentlich drei Lesestunden und zwei Stunden Grammatik und Aufsatz.

Im Anfang ist es notwendig, dass der Lehrer die Leselektion in der vorherge- henden Stunde selbst iibersetzt, damit die Schiller wissen, worum es sich handelt, und nicht von vornherein durch allzu grosse Schwierigkeiten entmutigt werden. Nachdem dann das fensum iibersetzt und erklart worden ist, wird es in Deutsch gelesen und als Grundlage zu Sprachubungen benutzt, indem der Lehrer Fragen stellt, die teilweise aus dem Texte zu beantworten sind. Ich kann nicht mit einem Lehrer an einer Universitat iibereinstimmen, den ich fragte, ob er auch Deutsch lesen lasse, und der erwiderte: ,,Fiir solchen Luxus haben wir keine Zeit." Das laute Lesen ist eines der besten Mittel, sich die deutschen Wendungen einzupragen und tfbung im gelaufigen Sprechen zu erlangen, und man sollte die Gelegenheit hierfiir nicht unbenutzt voriibergehen lassen.

Bei den Sprechiibungen sollte sich der Lehrer nicht auf den Text beschranken, sondern auch andere Gebiete hereinziehen, auf die der Text hinuberleiten mag. Hierbei muss ein freier, ungezwungener Ton herrschen, und der Lehrer kann sich sogar bisweilen einen Witz erlauben, wenn derselbe nicht ,,dumm" ist, und wenn die Disziplin es erlaubt.

Rudolph, ein Schiller Diesterwegs, erzahlt. er habe einmal zu einem theolo- gisch gebildeten Lehrer gesagt, er gebe selten eine Stunde, in der er nicht irgend einen Witz mache, worauf dieser mit einer Art von Geheimratsmiene die Antwort gab: ,,Mach' ich grundsatzlich nie!" Was wohl Luther hierzu gesagt hatte! Ein freundliches und heiteres Wesen von seiten des Lehrers spiegelt sich in der Klasse wieder, und macht fiir Lehrer und Schiller die Arbeit leichter und das Leben ange- nehmer.

Wie weit sollten grammatische Bemerkungen an das Lesestiick angeschlossen sein? Ein namhafter Lehrer der klassischen Sprachen (W. G. Hale, University of Chicago), geht so weit, zu sagen, dass beim Lesen sogar dieser Sprachen die Grammatik nur in soweit herangezogen werden sollte, als zum Verstandnis des Textes notwendig sei. Von manchen Lehrern wird hierin schwer gesiindigt. Gram- matische Bemerkungen mitten im tfbersetzen storen den Gedankengang des Litte- raturwerkes und verhindern, dass dessen Schonheiten im Aufbau zur Geltung kom- men. ttber dieses iibertriebene Zerpfliicken und Zerstilckeln der Schriftsteller in der Klasse driickte sich der jetzige deutsche Kaiser schon im Jahre 1885 wie folgt in einem Briefe an einen Schulmann aus:

,,Homer, der herrliche Mann, fiir den ich sehr geschwarmt, Horas, Demosthe- nes, dessen Reden ja jeden begeistern miissen, wie wurden die gelesen . Etwa mit Enthusiasmus fiir den Kampf oder die Waff en oder ft aturbeschreibungen ? Be- wahre! Unter dem Seziermesser des grammatikalischen, fanatisierten Philologen wurde jedes Satzchen geteilt, gevierteilt, bis das Skelett mit Behagen gefunden und der allgemeinen Bewunderung gezeigt ward, in wie viel verschiedener Weise

170 P'ddagogiscbe Monatsbefte.

an oder epi oder sonst so ein Ding vor oder nac.* gestellt war ! Es war zum Weinen !"

Wenn man dem Lesen, oder vielmehr dem '(Jbersetzen, in manchen Klassen zu- hort, so konnte man zu dem Glauben kommen, als sei die Litteratur nur dazu da, um die Grammatik zu iilustrieren, und als bestande die deutsche Sprache aus nichts als Subjunktiven, wie sie ,,Professor Whitney" richtig etiquettiert und in Dutzen- den verschiedener Sorten in seiner famosen Grammatik aufgezahlt hat. Dabei wird man an die Worte Goethes erinnert:

,,Wer will was Lebendiges erkennen und beschreiben, | ,: ;' : ^ ^ bucht erst den Geist heraus zu treiben, Dann hat er Teile in seiner Hand, Fehlt, leider! nur das geistige Band."

Bei einem solchen Unterricht sieht der Schiller bald den Wald vor Baumen nicht, und der Zweck des Leseunterrichts, Einfiihrung in den Geist der deutschen Sprache und Litteratur, wird verfehlt. Wenn irgendwo im Sprachunterricht, so ist hier die alte Mahnung am Platze: Alles mit Mass! Treiben wir Grammatik in den Grammatikstunden und Lesen in den ijesestunden ! Eine kurze Bemerkung hier und da iiber ein besonders interessantes grammatisches Phanomen sollte ge- Biigen.

Auch die historische Entwickelung der Sprache und besonders die Verwandt- schaft, die zwiscnen dem Englischen und Deutschen besteht, sollte in den Unterricht herangezogen werden. Dem Schiller geht eine neue Welt auf, wenn er begreifen lernt, dass die Sprache nichts Fertiges, Versteinertes ist, sondern dass sie sich in bestandigem Wachsen und Entwickeln befindet. Inwieweit die Lautgesetze zu leh- ren sind, muss dem Ermessen des Lehrers iiberlassen bleiben. Es kommt hierbei ganz auf die Befahigung seiner Schiller hierfiir an. Doch sollte er bestandig auf die urspriingliche Identitat verwandter Worter hinweisen, denn es ist fur die Schil- ler von hohem Interesse zu lernen, dass Herbst und harvest, Stube und stove, Knabe und knave, Knecht und knight, u. a. m., zuerst ein und dieselbe Bedeutung hatten, unu allmahlich in der Bedeutung auseinandergingen. Es ist erstaunlich, wie bald manche Schiller einen Sinn fiir derartige ttbungen bekommen und ihre eigenen Schliisse zu ziehen suchen.

Eine wichtige Frage ist: Welche Biicher eignen sich am besten zur Erteilung eines Unterrichts, der alien Anforderungen geniigt, die jetzt an einen vernunftge- massen Sprachunterricht gestellt werden. Denn wir mogen sagen, so viel wir wol- len, dass der Lehrer unabhangig vom Buche sein sollte, und dass ein guter Lehrer auch mit einem mangelhaften Buche gute Resultate erzielt, es kommt doch sehr viel auf das Textbuch an, und dieses muss den Leitfaden und das Riickgrat des Unter- richts bilden. Leider miissen wir sagen, dass die Lehrbiicher fiir den deutschen Unterricht immer hinter denen fiir den franzosischen zuriickstehen. Das beste Buch, das nach meiner Meinung bis jetzt fiir den elementaren deutschen Unterricht an Hochschulen besteht, ist Spanhoofds Lehrbuch der deutschen Sprache.

Als Lesebuch habe ich bisher Hewetts German Reader gebraucht, doch ist trotz seiner Vorziige manches an diesem Buche auszusetzen, besonders dass er den Spruch Goethes zu hoch halt: ,,Liebe sei vor alien Dingen unser Thema, wenn wir singen." Zu viel Liebesgeschichten und -Gedichte. So habe ich mich fleissig nach einem anderen Buche umgesehen, und dieses neulich entdeckt in einem von Appletons Twentieth Century Textbooks, Jones' German Reader. Dieses Buch ist nach dein Muster der altbewahrten deutschen Lesebiicher gemacht und enthalt lauter gedie- gene Sachen gut ausgewahlt und annotiert, und vom Leichten zum Schweren fort- schreitend. Allerdings scheint es, dass es unmoglich ist, alle zu befriedigen, denn ,,De gustibus non est disputandum", und ,,eines schickt sich mcht fiir alle".

Internationaler Schulerbriefwechsel. 171

Fiir das zweite Jahr mochte ich "Bernhardts German Composition" empfeh- len, weil es Aufsatz, Sprechiibungen und systematische Wiederholung und Vertie- fung der Grammatik verbindet. Die landlaufigen Aufsatzbucner sind fiir diese Stufe zu schwer und unpraktisch. Die Auswa^l des Lesematerials muss dem ein- zelnen Lehrer iiberlassen bleiben, mit Riicksicht auf die eben angefiihrten Spriiche. Ich will nur erwahnen, dass ich mit einer Geschichte von Heyse, Freytags Journa- listen und Scheffels Trompeter von Sakkingen einen ausserst interessanten und schonen Kursus erzielt habe. Ausserdem sind Hatfields "German Lyrics and Bal- lads" und Schrakamps "Exercises in German Conversation" zu empfehlen. Im drit- ten Jahre konnen dann Schiller und Gothe gelesen werden.

Ich habe gewagt, Ihnen vorzulegen, wie nach meiner Ansicht ein deutscher Kur- sus lebendig und fruchtbringend gemacht werden kann. Ich mag Ihnen wenig Neues geboten haben, den ,,wer kann was Dummes, wer was Kluges denken, das nicht ein anderer schon gedacht?" Viele von Ihnen erzielen vielleicht auf eine andere Weise viel bessere Resultate. Aber in einem werden Sie mir beistimmen: dass nur der erfolgreich Deutsch unterrichten und den Schiilern Liebe zur Sprache beibringen kann, der sie selbst im Herzen tragt. Wer nur unterrichtet, um am Ende des Monats seinen Gehalt zu beziehen, der ist ein Mietling und erniedrigt sei- nen Beruf zu einem gewohnlichen Handwerk. Ohne Liebe zur Sache sind wir ,,to- nendes Erz und klingende Schelle". Wir kennen nur Eindruck auf unsere Schuler machen, wenn wir selbst von der Grosse und der Heiligkeit unseres Gegenstandes durchdrungen sinu. Ein guter Lehrer unterrichtet nicht nur sein spezielles Fach, sondern iibt durch sein Wirken einen wohlthatigen Einfluss auf das gesamte Geistes- und Gemiitsleben der Schuler aus, so dass sie zu guten Menschen heranwachsen, und das ist nach meiner Meinung das Wichiigste von allem.

Internationaler Schiilerbriefwechsel.

Von Ernst Wolf, High School, Saginaw, E. S., Michigan.

Seit der Veroffentlichung unseres Lehrplanes in diesen Heften bin ich von meh- reren Kollegen und Kolleginnen um naheren Aufschluss iiber die Einrichtung des Schiilerbriefwechsels angegangen worden.

Ich glaube, hieraus schliessen zu dtirfen, dass noch andere Leser dieser Hefte Naheres dariiber erfahren mochten, und ich will versuchen, in Nachstehendem das Wissenswerteste iiber diese Einrichtung zusammenzustellen. Vorausschicken will ich, dass ich selbst anfanglich die Sache als ein neues ,,fad", als eine Spielerei an- sah, die sich kaum je als dauernde Einrichtung zur Aufnahme in unseren Lehr- plan empfehlen wiirde. Wie sehr ich diese Ansicht geandert habe, geht aus den nachstehenden Zeilen hervor, die ich vor einigen Monaten an die Zentralstelle in Leipzig gerichtet habe, und die der Vorsteher derselben, Herr Professor Dr. M. Hart- mann, eines Abdrucks in den ,,Padagogischen Studien", Jahrgang XXIII, Heft 1, wurdigte.

Sie lauten: ,,Die dank dem internationalen Schiilerbriefwechsel in unserer An- stalt thatsachlich erzielten Erfolge haben mich, der ich der Sache anfangs sehr skeptisch gegeniiberstand, zu einem begeisterten Anhanger der Einrichtung gemacht.

Das Haupterfordernis bei allem Unterricht, das Interesse, wird durch sie in hohem Masse, und wie durch nichts anderes, gestarkt.

Die Deutschen und das Deutsche sind meinen Schiilern unzweifelhaft dadurch menschlich, ja persb'nlich, naher geriickt worden. Meine Schuler kommen jetzt nach

172 Padagogiscbe Monatshefte.

und nach zur Oberzeugung, dass die deutsche Sprache nicht bloss eine Schulsprache ist, die nur zum Lehren und Lernen taugt, sondern dass sie den ihnen gleichaltri- gen und geistesverwandten jungen Leu ten im fernen Deutschland zum Ausdruck von Gefiihlen und Gedanken dient, die ihren eigenen merkwiirdig ahnlich sind. Bis- lang liess sich das Verhaltnis meiner Schiller zur deutschen Sprache pragnant cha- rakterisieren durch das Zitat: ,,Doch eine Wiirde, eine Hohe entfernet die Ver- traulichkeit". Das Biicherdeutsch muss ja naturgemass eine derartige Wirkung bei Anfangern haben. Es ist also nach meiner Ansicht das Personliche, das in der Ein- richtung liegt, was sie wertvoll macht. Und sagt nicht der grosse Padagoge Goethe: ,,Personliches muss herrschen!"

Bei weitem wertvollere Zeugnisse habe ich aus mehreren Quellen zusammen- getragen, und zwar:

Aus dem Jahrbuch fiir den internationalen Schiilerbriefwechsel: Direktor Dr. Lohmann in Hannover:

,,Eine besondere Anregung und Forderung erhielt der Unterricht in den fremden Sprachen in der Selekta durch die Beteiligung der Schiilerinnen an dem internati- onalen Briefwechsel. Die Anregung war nicht nur in sprachlicher Hinsicht sehr erfreulich, sondern gewahrte den Schiilerinnen auch Einblicke in das Leben und Treiben ihrer Altersgenossinnen in Frankreich und England."

Dr. Block, Oberlehrer an der Oberrealschule in Elbing, sagt in den ,,Neueren Sprachen" :

,,Dass der Internationale Schiilerbriefwechsel nicht ohne Nutzen ist, wird, so hoffe ich, auch der Zweifler zugeben, wenn er meine Ausfiihrungen gelesen hat. Wie diese Korrespondenz sich in Zukunft gestalten wird, muss eine langere Erfahrung lehren, doch bin ich fiir meine Person schon jetzt von der hohen Wichtigkeit dieses brieflichen Verkehrs iiberzeugt, und ich freue mich, Gelegenheit gefunden zu haben, meinen Schiilern die Vorteile bieten zu konnen."

Zeugnisse dieser Art enthalt das Heft eine grosse Anzahl.

Aus den Jahresberichten iiber das hohere Schulwesen, XV. Jahrgang, 1900: Sch\\lerb riefwechsel.

Beachtenswerte Mitteilungen verdanken wir F. Baumann, der seine ,,Erfahrun- gen im internationalen Briefwechsel" veroffentlicht hat. Sie beziehen sich auf das Torgauer Gymnasium. B. spricht von der nicht selten, besonders bei jungen Fran- zosen, hervortretenden Neigung, mit Umgehung der Zentralstelle sich Korrespon- denten zu verschaffen, von den Klagen iiber lastige tfberwachung in den franzosi- schen Internaten, iiber die Verschiedenheit des Wertes der Briefe, wie sie durch das Alter und die Interessen der Briefschreiber bedingt sind. Auch er erblickt einen vornehmlichen Gewinn der Veranstaltung in der gegenseitigen Annaherung der bei- den Nationen. Der Ausruf der Klassengenossen beim EintcefFen eines Briefes aus Deutschland ist beweiskraf tig : ,,Oh! Qu' il a de la chance! 11 a un correspondant allemand ! "

Seit dem Schlusse des Berichtsjahres ist dem Briefwechsel eine eigene, in drei Spraehen redende Zeitschrift gewidmet: Comrades All. Annuaire de la Correspon- dance interscolaire. Internationaler Schiilerbriefwechsel, herausgegeben von W. F. Stead, Mieille und Martin Hartmann. Das zierliche, hiibsch ausgestattete und mit Bildern geschmiickte Heft bringt zahlreiche Nachrichten iiber den Schulbriefwech- sel, Briefe und einzelne Jtusserungen aus dem Kreise der Beteiligten. Mehrere Briefe verdienen unsere Aufmerksamkeit, sie enthalten nicht selten anschaulich, zuweilen sogar geschickt geschriebene Schilderungen heimischer Landschaften, Zu- stande, Einrichtungen und tragen dadurch wesentlich dazu bei, in der Seele des Empfangers Interesse fur das fremde Land und seine Bevolkerung zu erwecken und niitzliche Puealienkenntnis zu verbreiten.

Internationaler Schiilerbriefwecbsel. 173

Die Regeln (sehr gekiirzt) :

1. Der Brief wechsel unterliegt der Aufsieht des Lehrers.

2. Nur den besten Schiilern wird die Erlaubnis zur Teilnahme erteilt.

3. Die Anmeldung bei der Zentralstelle darf nur durch den Lehrer nie durch den Schiller erfolgen.

4. Bei unzureichender Bekanntschaft mit der Fremdsprache kann anfangs aus- schliesslich die Muttersprache von beiden Seiten benutzt werden.

5. Vorgeschrittene Schiller schreiben in der Regel ein mal um das andere in ihrer eigenen und in der fremden Sprache, oder sie schreiben jeden Brief teilweise in der eigenen, teilweise in der fremden Sprache.

6. Die Briefe konnen wenn wertvoll genug zum Gegenstand der Behand- lung in der Klasse gemacht werden.

7. Die Fehler werden gegenseitig berichtigt und gleichzeitig mit der Antwort zuriickgeschickt.

8. Der Schiller sollte wenigstens einmal im Monat schreiben.

9. Die Benutzung von Postkarten mit komischen Illustrationen, die gegensei- tige Zusendung von Witzblattern und Karikaturen ist nicht zu empfehlen.

Auszug aus einem Schiilerbriefe: Das Leben und Treiben im Hafen. Lieber Freund!

Di^ Ferien sind voriiber und auf Beschluss der Volksversammlung wird Herr Federhalter nebst Frau Tintenfass aus der Verbannung zuriickgerufen. Ersterer macht noch immer denselben hb'lzernen Eindruck, wahrend seine beliebtere, gallige Ehehalfte einen etwas eingetrockneteren Eindruck macht als vor 4 Wochen. Ich opfere aber grossmiitig einige Lb'ffel meines Nachmittagskaffees, um der armen Dame wieder etwas auf die Striimpfe zu helfen, putze ihren spitzigen Gemahl den Schnabel und schicke mich an, die erste Unthat zu begehen und mein noch neuge- waschenes Gewissen mit Tinte zu beflecken.

Kaum hatte uns das Fahrboot der Geeste ans andere Ufer gebracht, als auch schon das ganze, rege Treiben und Larmen einer echten Seestadt uns entgegenwogte. Alles arbeitet, schliipft und rannte in geschaftiger Eile durcheinander. Wir gingen den Hafen entlang. Schiff reiht sich an Schiff, und ein wahrer Wald von Masten und Rahen dehnt sich vor dem erstaunten Auge aus. In langen Reihen liegen die Schiffe, deren Mastspitzen Wimpel und Flaggen der verschiedensten Nationen schmiicken, an Pfahlen und an starken, in den Kaimauern eingemauerten Ringen wohl vertaut da. Doch alle verschieden an Grosse, Farbe und Bauart. U. s. w.

Ich glaube, in Vorstehendem alle Punkte von allgemeinem Interesse beriihrt zu haben und hoffe, in vielen meiner Kollegen und Kolleginnen den Wunsch erweckt zu haben, einen Versuch mit der Einrichtung zu machen.

Zu diesem Zwecke wende man sich an Herrn Professor Dr. M. Hartmann, Leip- zig, Techerstr. 2.

Man sende die Namen der Schiller ein in deren Auswahl grosse Vorsicht an- zuempfehlen ist , unter Angabe des Alters, der genauen Adresse, der Klasse, des Standes des Vaters, des Namens der Schule und unter Beifiigung von 5 Cents fur jeden Namen. Dies sind die einzigen Ausgaben, verkniipft mit der Einrichtung. Nach Verlauf von ungefahr 6 Wochen werden dann die ersten Briefe aus Deutsch- land eintreffen. In unserer Anstalt sind 500 Schiller, von denen 360 deutsch lernen; von diesen nehmen 84 am Briefwechsel teil.

German in American Public Schools.*

(Fur die Padagogischen Monatshefte.)

I.

In the Public Schools of Cincinnati instruction in the German language and by means of the German language is given under the provisions of Sec. 4021, Ohio School Laws, reading as follows:

The Board of any district shall cause the German language to be taught in any school under its control, during any school year, when a demand there- for is made, in writing, by seventy-five free-holders, resident in the district, representing not less than forty pupils who are entitled to attend such school, and who, in good faith, desire and intend to study the German and English languages together; but such demand shall be made at a regular meeting of the Board, and prior to the beginning of such school year; and any Board may cause the German or other language to be taught in any school under its control without such demand.

The passage of the enactment in 1840 had been vigorously contested, and for some time after there was considerable of open as well as secret opposition to the effective carrying out of the concession, mainly upon the ground taken by a noted educator in 1836, who said, "The proposition has been made that you shall apply a part of the already too small provision for education to instruction in a foreign language. As well might you be asked to establish common schools for Latin and Greek before the alphabet is learned." All attempts to circumvent or at least to impair the introduction and maintenance of the study failing, there came finally a partial and later on a signal endorsement of the plan pursued. As early as 1847 the President of the Cincinnati School Board, Hooper, said in his official report: "It has been remarked that the children acquire both languages with equal facility as the English alone, at least no difference is observable in the acquisition of youth of the same age where the English alone is studied, and where both engage the attention at the same time."

Quite frankly the first city Superintendent of Cincinnati Schools, Nathan Guil- ford, affirms that "the experiment of teaching German and English at the same time has been found to succeed admirably well. Having generally both English and Ger- man teachers in the same room, the classes pass alternately from one to the other. The novelty arising from these frequent interchanges keeps up a constant interest and spirit of active industry among the pupils, favorable to their progress in each." Before the expiration of the first 20 years after the introduction of German, 25% of the pupils enrolled availed themselves of the opportunity to study the lan- guage ; the percentage during the next decade rose to 38 % and subsequently exceeded one-half of the entire enrollment.

There seems to be a consensus of opinion that the satisfactory results of the German in the Cincinnati Schools are largely attributable to the peculiarly fortunate arrangement under which teaching is done. The teachers of German are mainly class teachers, there is a liberal allowance of time especially in the lower grades, the expense attaching to the study is reduced to a minimum, or to the cost of the supervision and of the teaching in the upper grades, with that of the instruction

*) Prof. M. D. Learned's Artikel im Februarhefte der P. M. dieses Jahrganges: ,,When should German Instruction begin in the Public Schools?" hat, wie vorauszusehen war, von neuem die Aufmerksamkeit der Lehrerschaft und zwar auf beiden Seiten des Ozeans auf den wichtigsten Faktor fur eine erf olgreiche Erteilung des Fremdsprachunterrichts gelenkt. Der obigre Bericht diene als Erganzung bezw. Beweis einer praktischen Durchfiihrbarkeit von Prof. Learned's Planen. Wir hoffen, dass wir in der Lage sein werden, unseren Leseren in den folgenden Heften mehr Kom- mentare zu dieser wichtigen Frage bieten zu konnen. D. R.

Das deutsche ^olkslied. 175

in some suburban or smaller schools, where full classes cannot be formed. In the four primary grades one-half of the school time (less two hours a week devoted to music and drawing, as in the German-English classes, the German teachers teach these subjects), is given to German, or in all about 10 hours a week. For every two classes studying German and English there are provided two teachers, one in charge of the German, the other in charge of the English. The two alternate, each having a class for the time of one afternoon and the following morning, and then assuming charge of the class previously taught by the other teacher.

The first German assistant or German principal teaches commonly the higher grades, besides supervising the work in general.

In regard to the question of when the study of German should be commenced in the Public Schools, there is here but one answer, an answer given by Ex-Sup't Peaslee in his address on "German Instruction in Public Schools", namely: "The true place to begin the study of the German language is in the lowest primary grade, the first school year." The same position is taken by the National German- American Teachers' Associations, which, by an overwhelming majority adopted, 1892, and reaffirmed, 1895, a resolution favoring the taking up of German by those desirous of studying it, on the first day of school.

Let it be said in conclusion that a great many of the teachers of German in the Cincinnati Schools have received their entire training in those schools, that a great number of them are counted among tho very best instructors and that more- over not a few of the English teachers have availed themselves of the opportunity to send their relatives through the German-English grades, fully realizing the ben- efits accruing. H. H. Tick,

Ass't Sup't Cincinnati Schools.

Das deutsche Volksliedv

Von Rex. A. W. Hildebrandt, Constableville, N. Y.

Motto: Aut prodesse volunt aut dfclectare poetae.

Du hast mit Deiner schlichten Weise Mein Herz gebracht in Deinen Bann, Dass ich aus Deinem Zauberkreise, Der mich umschlingt so lieb und leise, Mich nimmermehr befreien kann.

Es sang mit Deinem siissen Klange Die Mutterliebe mich zur Ruh; War noch so thranennass die Wange, Die Mutter sang! und beim Gesange Schloss mir der Schlaf die Augen zu.

Beim frohen Reigen um die Linde

Erklangst Du in der Sommernacht.

Der Liebste singt's dem schmucken Kinde,

Der Wanderbursch im Morgenwinde

Und der Soldat auf stiller Wacht.

Da ich nun fand auf fremder Erde Nach langem Wandern Ruh und Rast, Bliebst Du in Treue mein Gefahrte, Und bist an meinem neuen Herde, Du, deutsches Lied, mein liebster Gast.

*) Vergleiche Korrespondenz aus Baltimore.

Korrespondenzen.

(Fur die Padagogischen Monatshefte.)

Baltimore.

Die Johns Hopkins Universit&t hat Ende Februar ihr silbernes Jubilaum in grossartiger Weise gefeiert. Streng ge- rechnet hatte es bereits am 22. Februar vorigen Jahres abgehalten werden kon- nen, indem 25 Jahre vor jenem Datum Prof. Dr. Daniel C. Gilman, damals Pra- sident der Universitat von Californien, erwahlt wurde, um die Universitat zu organisieren. Ehe Prof. Gilman jedoch sein neues Amt antrat, besuchte er die hauptsachlichsten europaischen Univer- sitaten, um deren Einrichtungen und Lehrmethoden zu studieren, und ausge- riistet mit ausserordentlich vielseitigen Erfahrungen, kam er nach Baltimore und verwendete die in Europa gemach- ten Beobachtungen zum besten der ,,Johns Hopkins-Universitat". Prof. Gil- mans Neuerungen bedeuteten zugleich eine radikale Umwalzung der alt-ameri- kanischen akademischen Methoden. Die formelle Eroffnung der Johns Hopkins- Universitat und die Inauguration von Prof. Gilman fanden am 22. Februar 1876 statt. Mit gerechtem Stolz konnte Prof. Gilman bei seiner Abschiedsrede am ersten Tage der schonen Feier auf die weitgehenden Errungenschaften hiu- weisen, welche die Univerfiitat bereits ge- wirkt hat.

Am folgenden Tag i'and die Einfiih- rung des neuen Prasidenten, Prof. Dr. Ira Remsen, statt. In seiner Antritts- rede sagte er unter anderem:

,,Es wird gesagt, dass alte Leute er- zahlen, was sie gesehen und gehort ha- ben, Kinder davon sprechen, was sie thun, und Narren, was sie thun wollen. Fiirchtend, dass Sie mich zu einer von dieser Klasse zahlen werden, werde icli nur von Angelegenheiten sprechen, die unabhaugig von Zeitabschnitten sind.

Die amerikanische Universitat isteine verMltnismassig jungen Datums, und da sie Jung ist, hat sich auch ihr Charak- ter noch nicht herausgebildet, und be- *iiglich der Zukunft konnen wir nur Ver- mutungen anstellen. Jedermann, der mit Bildungsinstituten bekannt ist, weiss, dass die Unterscheidung zwischen Universitat und College in Amerika eine charakteristische Thatsache in der Ge- schichte der hb'heren Bildung im letzten Vierteljahrhundert ist.

Die Idee, dass ein Student nach Ab- solvierung des Colleges noch etwas zu lernen hat, scheint erst in den letzten

Jahren allgemeiner geworden zu sein. Dem College fallt die wichtige Arbeit zu, den Studenten fur seine Pflichten als Biirger vorzubereiten und nicht haupt- sachlich fur die Gelehrtheit. Aber die Zeiten kommen schnell, wo das College als eine Vorsyhule der Universitat be- trachtet werden wird. Viele medizinische Schulen verlangen heute schon, dass der Student ein College absolviert haben muss, ehe- er aufgenommen werden kann. Unser System ist nicht das rechte; die Graduierten des Colleges sind 22 bis 23 Jahre alt, wenn sie ihre Studien been- det haben, und wollen sie sich dann noch fiir eine Profession auf der Universitat vorbereiten, so gehen viele Jahre des besten Teiles ihres Lebens verloren durch Studien. Auch fur den jungen Mann, der sich fiir das Geschaftsleben auf dem College vorbereitet, dauert es unter un- serem gegenwartigen System zu lange, bis er thatsachlich ins geschaftliche Le- ben treten kann.

In unserem Lande wird die Bezeich- nung Universitat oft nur fiir die philo- sophische Fakultat angewandt, welche das Studium der Philologie, Philosophie, Geschichte, Mathematik, Physik, Geolo- gic, Chemie, Volkswirtschaft u. s. w. umschliesst, kurz, alle Lehrzweige, mit Ausnahme der Medizin, Rechtswissen- schaft und Theologie. Eine rechte Uni- versitat umschliesst aber auch diese drei Zweige. Die Einfiihrung der philosophi- schen Fakultat in unseren Universitaten ist verhaltnismassig jiingeren Datums, und eine bemerkenswerte Thatsache ist die iiberraschend schnelle Zunahme der Zahl derer, welche die Vorlesungen der philosophischen Fakultat besuchen. Wo ich im folgenden den Namen Graduier- ter brauche, meine ich nur solche, die von der philosophischen Fakultat gradu- iert haben, Medizin, die Rechte und The- ologie sind ausgeschlossen. Im Jahre 1850 graduierten von alien Colleges des Landes 8 Studenten, und zwar 3 zu Har- vard, 3 zu Yale, 1 in der Universitat von Virginien und 1 im Trinity-College. Im Jahre 1875 graduierten 399, 1900 5668 und in diesem Jahre werden es wohl 6000 sein.

Diese Thatsachen richtig zu verstehen und aufzufassen, sollten wir wissen, wie viele Amerikaner in auslandischen Uni- versitaten studieren oder studierten. Im Jahre 1835 studierten 4 Amerikaner Phi- losophie in deutschen Universitaten,

Korresponden^en.

177

I860 waren es 77, 1880 173, 1891 betrug die Zahl 446, 1892 sank dieselbe herab auf 383, 1895 stieg sie wieder auf 422, und 1898 waren es 397. Diese Zahlen zeigen, dass trotz der grossen Zunahme der Studierenden an amerikanischen Universitaten die Zahl der amerikani- schen Studenten in Deutschland nicht abgenommen hat, wenigstens nicht viel.

Heute betragt die Zahl der Studieren- den an unseren Universitaten 6000, wahrend sich ihre Zahl 1875 nur auf 500 belief. Zur selben Zeit muss nicht vergessen werden, dass auch die Colleges es den Studenten nicht leichter gemacht haben, im Gegenteil, sie verlangen heute vielleicht noch mehr von denen, welche graduieren wollen, als 1875.

Ich bin gewiss, dass es zugegeben wer- den muss, dass die Fakultaten aus den besten Lehrkraften zusammengesetzt werden sollten, und wenn die Universi- taten solche Manner liefern, thun sie eine Arbeit, die vom hb'chsten Werte fur unser Land ist. Aber noch eine andere wichtige Arbeit vollziehen die Universi- taten: die Untersuchungen in ihren La- boratorien. Der Wert derselben fur die Welt kann nicht genug gewiirdigt wer- den. Es wird allgemein zugegeben, dass Deutschland deshalb in verschiedenen Industriezweigen, namentlich solchen, welche auf Chemie basieren, an der Spitze der Nationen schreitet, weil in uen deutschen Universitaten die Arbei- ten im Laboratorium mehr gepflagt wer- den, als in irgend einem anderen Lande. In Deutschland haben die chemischen In- dustrien sich zu schier immensen, fast unfassbaren Proportionen entwickelt. Wahrend derselben Zeit haben die glei- chen Industrien Englands unaufhaltsam abgenommen. Hr. Arthur C. Green sagte kiirzlich in einem Vortrage vor der ,,British Association" : ,,Es ist kein Zweifel daran, dass Deutschlands grosse auf die Wissenschat't basierte Industrie den Wissenschaften zu gute kommt, und eine Vorliebe fur die Wissenschaft im ganzen Lande regt. Durch die Demon- strierung der Theorie in der Praxis hat die Wissenschaft einen weitgreifenden Einfluss auf das intellektuelle Lebender Nation gehabt."

Was ich hierdurch klar machen will, ist, dass Universitaten keine Luxusan- stalten sind; sie sind notwendig; auf ihren Arbeiten ruht das Fundament na- tionaler Wohlfahrt."

Die Johns Hopkins Universitat hat, indem sie Dr. Ira Remsen an Stelle des Prasidenten Daniel C. Gilman erwahlte, nicht nur einen Spezialisten und wissen- schaftlich durch und durch gebildeten Prasidenten erlangt, sondern auch einen

Mann, der seit Grundung der Universi- tat mit derselben identifiziert war und dem das Wohlergehen der jetzt beruhmt gewordenen Erziehungsanstalt stets am Herzen gelegen. Voile 25 Jahre lang war er der Ratgeber des Prasidenten Gilman, und er legte Beweise vorziigli- cher exekutiver Fahigkeit ab.

Er ist am 10. Februar 1846 in New York geboren und graduierte 1865 vom ,,College of New York City". Er wid- mete sich dem Studium der Medizin und machte im ,,College of Physicians and Surgeons" in New York sein Doktorex- amen. Hierauf widmete er sich dem Studium der Chemie und errang auf der Universitat zu Gottingen den Doktorti- tel. Dann wurde er Assistent des Prof. Fittig zu Tubingen und 1872 Professor der Chemie im ,,Williams - College" (Mass.). Vier Jahre spater wurde er von Dr. Gilman nach Baltimore berufen.

Dos Preisrichter-Kollegium, welches beauftragt war, aus 108 eingelaufenen Gedichten fiir das Kaiserpreislied des im nachsten Jahre hier stattfindenden San- gerfestes das beste zu erwahlen, hat ein- stimmig den Fiinfzigdollarpreis dem Pastor A. W. Hildebrandt in Constable- ville, New York, zuerkannt. Die Ent- scheidung wurde am 15. Marz bekannt gegeben und der gliickliche Gewinner durch den Sangerfestprasidenten telegra- phisch davon benachrichtigt.*)

Die ,,Sangerfestgesellschaft" hat be- reits das Verlagsrecht fiir das Preisge- dicht gesichert und setzt nun einen wei- teren Fiinfzigdollarpreis fiir die besle Komposition dazu aus. S.

*) Das preisgekronte Gedicht *r- scheint an anderer Stelle.

Cincinnati.

Lehrerfoderation stolzes, vielsagen- des Wort! Und im Hintergrunde, wie ein warnendes Wahrzeichen, ein anderes Wort, ,,Arbeiter"; man setze es nur ein- mal hin, an die Stelle der ,,Lehrer" - wie dann? Wohl behaupten die Anstif- ter des Planes, Schulprinzipale zumeist, die von ihnen geplante und teilweise schon in Angriff genommene Foderie- rung der tausend Lehrer unserer Schu- len, bezw. Verbiindung der acht hier be- stehenden Lehrervereine zu einer gro- ssen, starken Federation behufs Wah- rung und Forderung der beruflichen und gesellschaftlichen Interessen des hiesigen Lehrerstandes sei sozusagen eine Not- wendigkeit und ausserdem ein unschuldi- ges Vergniigen; wohl wird hingewiesen auf das Wohlwollen, mit dem tonange- bende Mitglieder des Erziehungsrates dem iiberdies reiflich erwogenen Plane

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Pddagogische Monatshefte.

gegeniiberstehen ich, der ich an die- ser Stelle keine Meinung, sondern nur ein Ami habe, kann mich mit demselben noch nicht befreunden. Es mag mir dies als Marotte angekreidet werden, c'est plus fort que moi, ich sehe in der Feme die Gespenster des ,,Union label", eines ,,sympathischen Strike" u. s. w. ; ich sehe uns mit Gewalt eingereiht in die grosse Armee der Arbeiter, welche zu verachten ich gewiss der allerletzte bin, aber von der Verwirklichung des besag- ten Foderationsplanes zu aktiver Teil- nahme an alien diesen Dingen und zum Herunterzerren in den Staub der Alltag- lichkeit unseres, ohne hb'nere Ideale nicht lebensfahigen Standesbewusstseins ist nur ein kleiner Schritt, vor dem ein giitiges Geschick uns gnadiglich bewah- ren moge. Die Sache hat, dank lehrer- hafter Zweifelsucht und Zuruckhaltung, denn auch nicht so schnell die gewunsch- te Form gewonnen. Es sind unter den acht Vereinen Principals' Associa- tion, Deutscher Oberlehrerverein, Teach- ers' Club, Deutscher Lehrerverein, Ma- thesis, Teachers' Association, Deutscher Lehrerunterstutzungsverein, Teachers' Annuity and Aid Association ver- schiedene, so viel ich weiss der deutsche Oberlehrerverein an der Spitze, die sich UiC Sache erst noch ein paarmal beschla- fen mochten, und sie thun wohl daran, vom Standpunkte deutscher Lehrer erst recht; denn wie es schliesslich mit der gewahrten Selbstandigkeit der fb'derier- ten Einzelvereine werden wird, das kann man sich, im Hinolicke auf die ,,selb- standigen" Arbeiter - Einzelunionen, leicht an den Fingern abzahlen. Da die Sache andererseits auch ihr Gutes hat, so wird der Plan schliesslich wohl ir- gendwie verwirklicht werden. Dichter und Komponisten mogen sich inzwischen bereit halten, um der eventuell ins Le- ben forcierten Federation Schlafliedchen und den Grabgesang zu singen.

Wenn ich mich seiner Zeit dariiber ge- wundert habe, dass Ihr hiesiger Korre- spondent des Teachers' Institute vom letzten September mit keinem Worte Er- wahnung that, so ist es mir um so an- genehmer, in einer jiingst erschienenen Broschure des Dr. H. H. Pick Anlass zu finden, mich wenigstens iiber das von diesem und anderen deutschen Kollegen zu jener Lehrerverproviantierung Beige- tragene an dieser Stelle zu aussern. Denn, wie das Kameel vor der Wiisten- reise und wie der indianische Spaher vor dem Antritt eines fernen Dauerlaufes, innerem Triebe gehorchend, sich den Ma- gen mit Wasser fallen, so lasst sich der amerikanische Lehrer, gleichfalls gehor-

chend, den Kopf mit Weisueit verram- meln. Meist wird diese von auswiirts importiert. Nicht so das letzte Mai, wo, wie es hiess, Mangel an Kleingeld die Schulbehorde veranlasste, samtliche Vor- trage von Einheimischen halten, die Ver- proviantierung also ganz aus einheimi- schen Produkten bestehen zu lassen. Der ^superintendent und seine Assistenten nebst einigen deutschen Oberlehrern tru- gen die Biirde jener Tage. Und es war wohlgethan. Eine der hervorragenden, lar uns Deutsche jedenfalls die hervorra- gendste unter den Arbeiten dieser sich buchstablich im Schweisse ihres Ange- sichts aufopfernden herren, war unstrei- tig der, wie bereits gesagt, nunmehr im Drucke erschienene Vortrag des Herrn Fick, ,,German Contributions to Amer- ican Progress", gleich ausgezeichnet dem Inhalt sowohl, wie dem Stil und der Diktion nach. Vom Anfang der deut- sehen Einwanderung in Amer Jca bis auf unsere Tage fiihrt uns der belesene Kol- lege an der Hand der Geschichte und der angloamerikanischen Litteratur in ausserst fesselnder Weise durch das wei- te fruchtbare Feld deutschen Wollens, Thuns und Vollendens in dem kosmopo- litischen Getriebe dieser Nation, um ihm schliesslich mit dem Edwards'schen Aus- spruche (,,History of the Great West") sein unantastbares Recht angedeihen zu lassen: "Wherever they are found, the Germans are remarkable for the posses- sion of those elements of character which always contributes to their worldly pros- perity. They are not as fast in their ideas as Young America, but they have more solidity of character, and are more constant and untiring in their pursuits and are generally more sure of gaining the race in life and arriving at the goal of fortune." Es ist recht sehr zu wiin- schen, dass Herrn Ficks Broschiire die weiteste Verbreitung finde, denn in ihr trifft der Leser nicht nur die bekannte landlaufige Aufzahlung deutschamerika- nischer Ziige und Tugenden, sondern auch die auf authentische Ausspruche und Thatsachen sich stiitzenden Belege dafiir: eine selbst- und zielbewusste Ar- beit, angesichts welcher man sich nur wundern muss, wie es noch Deutschame- rikaner geben konne, die bereit waren, auch nur ein Ttittelchen von dem uns wohl anstehenden Stolze abzulassen.

Es wird die Leser interessieren zu ver- nehmen, dass unser Schulsuperintendent, Dr. Boone, vor kurzem sich als passives Mitglied in den Nord-Cincinnati Turn- verein hat aufnehmen lassen, allerdings kaum der einzige Angloamerikaner, je- denfalls aber der einzige nicht-deutsch-

Korresponden^en .

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amerikanische Schulsuperintendent iin Lande, der einer derartigen rein deut- schen Gesellsehaft beigetreten ist.

Eine Auszeichnung besonderer Art ist dem deutschen Oberlehrer H. E. Kock zu teil geworden. Der strebsame jugend- liche Kollege, der nebenher Medizin stu- diert, war vor einiger Zeit im Laborato- rium der Cincinnatier Universitat mit Versuchen auf chemischem Gebiete be- schaftigt, wobei es ihm gelang, auf bis- lang unbekanntem Wege farbige Augen- blick-Photographien herzustellen. Er veroffentlicht seine Entdeckung (echt deutsch ! ) in einer Zeitschrift fiir Pho- tographic und empfing darauf aus Lon- don das Diplom als Ehrenmitglied der ,,Royal Photographic Society of Great Britain", eine Ehre, die nur hochst sel- ten Auslandern erwiesen wird. Meines bescheidenen Dafiirhaltens hatte Herr Kock den Weg zum Ruhme durch die Patent-Office antreten sollen. Besitzt er vielleicht die ,,auri sacra fames" nicht?

quidatn. Milwaukee.

Der Schulrat hat in der letzten Sit- zung beschlossen, in drei Schulen der Stadt je eine Klasse fiir ungradierte Schiller, classes for ungraded scholars, einzurichten. Das sind solche Schiller, die in mehreren Fachern zuriickgeblieben sind und iiberhaupt nicht gut mit der ivlasse niitkommen konnen, wenn sie auch gerade nicht briillen und zu der species pecus campi gehoren, wie mein Kollege von C. meint. Die Ursachen fur das ,,Sitzenbleiben" sind wohl teils Man- gel an Begabung, vielleicht im Rechnen oder in der Sprache; dann Mangel an Fleiss und unregelmassiger Schulbesuch. Die eigentliche Ursache kann auch wohl sein, dass einige wirklich schwachsinnig sind. Dieser geistige Defekt ist ja iiberhaupt so abgestuft und tritt in so mancherlei Formen und verschiedenen Graden auf, dass oft selbst die Eltern solcher Kinder nichts davon merken. In Deutschland hat man lange schon solche Schulen, und wurde die erste, wenn ich nicht irre, in Dresden anfangs der sieb- ziger Jahre errichtet.

Doch noch notiger ware wohl eine an- dere Schule, iiber deren Errichtung auch schon im Schulrat verhandelt wurde und die von dem Superintendenten wiederholt dringend gefordert wurde. Das ist die sogenannte ,,parental school or school for incorrigibles", eine Art Reformschule, wohin die wirklich bb'sartigen, unlenksa- men, storrigen und verdorbenen Schiller gesandt werden sollten. Das sind Schii- ler, die durch ihren bosen Charakter und durch ihr boses Beispiel sehr nachteilig

auf die andern Schiller einwirken; sie verpesten moralisch die Klasse und soil- ten daher auf jeden Fall von den guten Schiilern abgesondert werden, wie man Pestkranke von Gesunden absondert. Der ,,bad boy" ist nun einmal da, und seine richtige Behandlung ist ein Problem, des- sen Losung sich der Staat und die Kom- mune nun einmal nicht entziehen kann. Und der erste Schritt zu dieser Losung ist gewiss die Trennung der Boseu und Guten. Wir Lehrer wissen alle nur zu gut, wie ein wirklich boser Knabe eine ganze Klasse verderben kann. Nun ha- ben wir ja solche Reformscnulen schon, die vom Staate eingerichtet sind, aber dahin konnen nur die Strafrichter die Kinder schicken, wenn sie mit dem Ge- setz in Konflikt kommen. Freilich sind die Eltern oft selbst schuld daran, wenn ihre Kinder verdorben werden, weil sie es an der nb'tigen Aufsicht und Kontrolle fehleii lassen, und sich oft wenig darum kiimmern, ob ihre Kinder in die Schule gehen oder nicht. Da hatte ein Schul- direktor recht, als er neulich bemerkte, es ware schade, dass die Stadt nicht die Macht hatte, solche Eltern 6'ffentlich auspeitschen zu lassen, Ja wahrlich, solche Eltern ziehen Verbrecher heran. Da ware nun ein strammes Schulzwangs- gesetz die beste Abhilfe, welches summa- risch verlangt, dass schulpflichtige Kin- der zehn Monate lang (nicht nur zwei) im Jahre eine Schule besuchen miissen. Der Schulzwang wird immer popularer, sogar im Osten. Vor 30 Jahren durfte man kaum das Wort aussprechen, wenn man nicht verlacht oder gar angefeindet werden wollte. Die Zeiten haben sich geandert, und hierin zum Bessern. Un- sere grossen Stildte mit ihrem sich so schnell vermehrenden Proletariat bilden fiir die Erziehung der Jugend eine ernste Gefahr. und der Staat und die Gemeinde konnen nicht ernstlich genug ihre Pflicht thun, damit das Verbrecher- tum sich nicht noch erschrecklich mehr vergrossert; es ist wahrlich schon gross genug. Fiir das Geld, was den Staat seine Zuchthjiuser, Gefiingnisse und Bes- serungsanstalten kosten, konnten zehn mal mehr und bessere una grossere Schulhauser gebaut werden.

Der Verein der hiesigen Prinzipale an den offentlichen Schulen hat sich un- streitig ein Verdienst erworben durch die Veranstaltung einer Serie von Vor- tragen iiber wissenschaftliche und pa- dagogische Fragen. Der letzte dieser Vortriige wurde von Herrn William Hawley Smith iiber das Thema: ,,Die ofTentliche Schule und Litteratur" ge- halten. Herr Smith ist als f riiherer Leh-

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Padagogiscbe Monatsbeftt,.

rer und Verfasser mehrerer padagogi- scher Schriften in der Lehrerwelt gut bekannt. Ebenso hat er sich seit eini- gen Jahren als Vorleser einen guten Na- men gemacht. Sein Buch: ,,The Evolu- tion of Dodd" sollte von jedem Lehrer gelesen werden; wenn man auch nicht in allem mit ihm ubereinstimmt, z. B. dass die offentliche Schule das Versuchs- feld zur Reform fur einen wirklichen ,,bad boy", wie es Dodd war, sein sollte. Die Chaa. Brights, die dieses schwere Stuck Arbeit fertig bringen, sind nicht so dick gesat unter den Lehrern. Doch enthalt das Buch manche wahre Gold- korner der Padagogik, und es hat mich beim Lesen an ,,Leiden und Freuden ei- nes Schulmeisters" von Jeremias Gott- helf (Alb. Butzius) erinnert. Dieses Buch sollte ein jeder Lehrer lesen. Doch nun zu dem Vortrage. Herr Smith 1st von Mutter Natur mit einer guten Por- tion gesunden Humors begabt; er weiss jeder Sache die komische Seite abzuge- winnen. Gliickliche Naturen sind das, auch unter den Lehrern, und traurige Gestalten sind die griesgramigen und verbitterten. Ein Vortrag von Herrn Smith ist also ebenso unterhaltend wie belehrend, und das war auch diesesmal der Fall. Er ging von der Schule im allgemeinen aus, und betonte hier beson- ders, dass die Schule nicht fur das Col- lege oder die Hochschule vorbereiten sol- le, sondern fiir das Leben. Dann ging er zu dem wichtigsten Lehrfach, dem Le- sen iiber, indem er zeigte, wie die Schil- ler angehalten werden sollten, den ei- gentlichen Inhalt des Wortes zu erfassen und zu verstehen. Sodann sollten die Schiller angehalten werden, das stille oder Selbstlesen zu iiben. In urkomischer Weise persiflierte er die ,,Elocution", die manche Lehrer als die hohe Kunst und das Ziel jedes Schiilers im Lesen ansehen und die deswegen als Stecken- pferd taglich geritten wird. Er erklarte dies fiir Unsinn und von keinerlei Nut- zen fiir die Schule. Dann ging er zu der Litteratur iiber und zeigte zuniichst, wie man sie nicht behandeln solle. Als ganz- lich iiberfliissig erklarte er das Auswen- diglernen aller Geburts- und Sterbedaten der Autoren, auch ebenso die zu er- schopfende Behandlung iiber die Entste- hung der litterarischen Werke, mit ei- nem Worte, alles iiber das Wie? Wo? und Wann? geben zu wollen. Nur das notigste solle man geben, und zwar so viel als zum Verstandnis unbedingt not- wendig sei. Die Hauptsache aber sei, den Schiilern Liebe zu den unsterblichen Werken unserer grossen Dichter und Denker einzuflossen. Diese Perlen der

Litteratur sollten, nachdem sie gut ein- gelesen und erklart seien, von den Schii- lern womoglich auswendig gelernt und so zum bleibenden Eigentum derselben ge- macht werden. Ein gutes Gedicht, von den Kindern gut verstanden und gut vorgetragen, sei zehn mal mehr wert, als alles tote Wissen iiber Litteratur. Das ist dieselbe Methode, die auch Prof. L. A. McLouth von New York in seinem ausgezeichneten Artikel iiber Litteratur in der letzten Nr. der P. M. empfiehlt. Auch Prof. Clark von Chicago empfahl dieselbe in seiner Vorlesung hier vor ei- nigen Monaten.

A. W. Newark.

Es war Sonntags Nachmittag, am 23. Februar. Trotz meines Ischiasleidens, das mir das Gehen sehr beschwerlich macht, begab ich mich in den meiner Wohnung nahe gelegenen Park, um mich im Freien etwas zu erholen. Mutter Erde war noch mit einer Schneedecke iiberzo- gen. Da ertb'nten machtige Kanonen- schlage von der New Yorker Bay her- iiber. Es waren die Ehrenbezeugungen, mit denen Prinz Heinrich von Preussen, der Bruder des deutschen Kaisers und Reprasentant unseres alten deutschen Vaterlandes, von seiten der Vereinigten Staaten Regierung begriisst wurde, oder, um in der Sprache der Witzblatter zu reden, es waren die Freudenausbriiche Onkel Sams dariiber, dass ihm der alte biedere deutsche Michel die Hand iibers Meer entgegenstreckte.

Lange war der Prinz erwartet worden; das stiirmische Wetter hatte die An- kunft des Dampfers ,,Kronprinz Wil- helm" um einen ganzen Tag verzogert. Jetzt war der hohe Gast angekommen. Der drohnende Kanonendonner verkiin- dete es der Umgegend. Welch ein erha- benes Gefiihl fiir einen Deutschamerika- ner! Kein feindliches Bombardement war es, was da heriiber donnerte. Es war die festliche Begriissung eines deut- schen Prinzen, der nicht die New Yor- ker Hafenbefestigungen, sondern sich die Herzen der Amerikaner erobern woll- te. Obgleich das Besuchsprogramm im grossen und ganzen bekannt war, so tauchten doch in mir verschiedene Fra- gen auf: },Was werden uns die Zeitun- gen alles mitzuteilen haben?" ,,Werden die Prinzentage ohne jeden Zwischenfall ablaufen?" ,,Wie werden sich die mo- narchischen Formen mit den republika- nischen vertragen?" ,,Wird iiberhaupt das ganze Reiseprogramm des Prinzen voll und ganz abgewickelt werden?"

Am Nachmittage des 11. Marz ging ich zufallig wieder in demselben Park

Korresponden^en .

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spazieren. Die Schneedecke war ver- schwunden. Es wehte Friihlingsluft. Da ertonte abermals Kanonendonner von der New Yorker Bay heriiber. Diesmal waren es die Abschiedsgriisse fur den davon eilenden hohen Gast, der auf dem Dampfer ,,Deutschland" die Ruckreise angetreten.

Wieder drangten sich mir Betrachtun- gen und Fragen auf : ,,Vorbei ist alles, worauf man vor wenigen Wochen noch so gespannt war!" ,,Werden sich die Hoffnungen, die sich an die jiingsten Er- eignisse kniipften, erfiillen, oder werden die Prin/entage ohne nachhaltige Wir- kung ins Meer der Vergessenheit sin- ken?" Mir fielen die Worte ein, mit de- nen der geschatzte Herr Redakteur der ,,Pad. Monatshefte" im Februarhefte seine Betrachtung iiber den Prinzenbe- such schloss: ,,Ob fur uns deutschame- rikanische Lehrer auch ein grosseres Scherflein von Anerkennung unserer Be- strebungen abf alien wird?" Die eine Wirkung auf padagogischem Gebiete, sollte man meinen, miisste der Prinzen- besuch haben, namlich: das grossere In- teresse am Studium der deutschen Spra- che in hoheren und niederen Schulen. Sollte nicht /. B. in den New Yorker Public Schools aus Sympathie fur den ritterlichen Prinzen schon jetzt ein un- geheurer Andrang zu deutschen Klassen seitens der Knaben und Magdelein zu bemerken sein, so dass die Zahl der deut- schen Speziallehrer verdoppelt und ver- dreifacht werden miisste und dem Leh- rerbunde ein kolossaler Zuwachs an Mit- gliedern in Aussicht stiinde? Sollte sich nicht besonders unter den Kommunen ein wahrer Wetteifer inbezug auf die Pflege des Deutschen entwickeln, so dass dem vom Lehrerbunde ernannten ,,Komi- tee fiir die Pflege des Deutschen" abso- lut nichts mehr zu thun iibrig bliebe? Ich schliesse auch hier mit den Worten des Herrn Redakteurs der Pad. Monats- hefte: ,,Wir wollen das Beste hoffen!"

M. a.

Philadelphia.

Prinz Heinrich von Preussen hat, wie Uberall hierzulande, so auch in hiesiger Stadt Aller Herzen in Sturm erobert. Ein so grossartiger Empfang ist noch Keinem in der Stadt der Bruderliebe zu teil geworden. Die Bahnhofshalle, die Empfangsraume des Rathauses und die Prachtriiume des Union League Gebau- des waren in einer Weise mit Flaggen, Wappenschildern, den kostbarsten Pflan- zen und tiberraschenden elektrischen Lichteffekten geschmiickt worden, die al- ler Beschreibung spottet. Dazu noch das schonste Friihlingswetter. Die Fahrt

des Prinzen durch die dichtgedrangten, beflaggten Strassen der Stadt glich auch hier, wie in den iibrigen von ihm besuch- ten Stadten des Landes, einem Triumph- zug; hatten das ein Richter, Bebel oder andere ,,Vorwartsler" mit angesehen, sie wiirden sich griin und gelb geargert ha- ben. Unserem gesunden deutschen Her- zen hat es aber recht wohl gethan, und die dem deutschen Volke damit gethane Ehrung wird hiiben und driiben segens- reich wirken. Angloamerikaner und Deutschamerikaner wetteiferten darin miteinander.

Gleich nach der Begriissungsrede des Mayors wurde dem Prinzen der Prasi- dent des Deutschamerikanischen Natio- nalbundes, Dr. C. J. Hexamer, vorge- stellt, in dessen Begleitung sich Prof. Dr. Learned und andere Vereinsbeamte befanden. Dr. Hexamer hielt folgende Ansprache an den Prinzen: Konigliche Hoheit!

Im Namen der Deutschen Philadel- phias heisse ich Sie herzlich willkom- men!

Hier war es, wo vor 219 Jahren die ersten deutschen Einwanderer sich ansie- delten, hier wurde von Deutschen der erste Protest gegen die Sklaverei erlas- sen, hier wurde von Deutschen die erste Bibel in diesem Lande gedruckt, hier wurde die erste deutsche Gesellschaft ge- griindet, und hier auch wurde ein Natio- nalbund aller deutschen Vereinigungen geplant und ins Leben gerufen.

Seien Konigliche Hoheit versichert, dass die Deutschen der Si-adt der Bru- derliebe wohl zu wiirdigen wissen, was sie dem Lande ihrer Vater zu verdanken haben, und sie werden stets bereit sein, jedes Opfer zu bringen, um die heiligsten Giiter unseres Stammes deutsche Kul- tur, das deutsche Gemtit und deutsche Ideale zu erhalten und zu pflegen.

Mit Hirer giitigen Erlaubnis habe ich die Ehre, Ihnen im Namen der deutschen Vereine Philadelphias diese Adresse, eine Geschichte der Deutschen der Stadt und des Staates enthaltend, zu iiberrei- chen.

Dr. Hexamer iiberreichte dem Prinzen eine fein und geschmackvoll ausgestat- tete Begrussungsadresse in kunstreich verziertem Ledereinband. Die vordere Lederdecke triigt kiinstlerisch ausge- fiihrte Blumenverzierungen und die In- scnrift: ,,Sr. Kgl. Hoheit Prinz Hein- rich von Preussen, Philadelphia, 10. Miirz 1902", die hintere Decke zeigte den preussischen Adler. Inwendig ist die Le- derdecke mit goldener Seide gefiittert. Die einzelnen Blatter bestehen aus schwerem Pergament mit kostbarem

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P'ddagogische Monatshefte.

Goldschnitt. Auf dem in Schwarz, Gold und Silber gehaltenen ersten Blatt steht: ,,Ein herzliches Willkommen unserem lieben Gaste." und ,,Die Deutschen der Stadt der Bruderliebe." Die zweite Seite bringt die Widmung, ebenfalls in ausgezeichneter Arbeit.

Es folgt das Titelblatt, auf welchem in roter und schwarzer Sehrift auf Goldgrund steht: ,,Die Geschichte der Deutschen Philadelphias."

Auf dem nachsten Blatte beginnt die Geschichte mit grossen, wundervoll aus- gearbeiteten, dem alten Bibeldruck nacli- geahmten Buchstaben, welche mit schwe- ren, schwungvollen Arabesken versehen sind.

Prinz Heinrich dankte dem Dr. Hex- amer mit verbindlichen Worten und driickte ihm die Hand. Admiral von Tirpitz kam spater auf Dr. Hexamer zu, reichte ihm die Hand und sagte: ,,Ich muss Ihnen die Hand schiitteln und dan- ken fur die freundlichen, von Herzen kommenden Worte. Das thut wohl, in einem fremden Lande so herzlich in der Muttersprache begriisst zu werden."

Eine weitere deutsche Adresse wurde dem Prinzen vom Zentralbund der Ve-

teranen und Krieger der deutschen Ar- mee", und eine dritte vom ,,Deutschen Veteranenbund der Stadt Philadelphia" iiberreicht, beide ebenfalls in prachtigen Einbanden. Der Prinz wird sich wohl ergotzen, wenn er die letztere durch- sieht. Der Veteranenbund wollte namlich dabei noch was Besonderes leisten und seine Adresse in gebundene Rede setzen, aber, aber was niitzt das beste Wol- len, wenn es ganz und gar am Konnen fehlt? O, diese ,,Verse"! Himmel, hast du keine Flinte? Ware doch der Reim- schuster bei seinem Leisten geblieben ! So hat er den Veteranenbund unendlich la- cherlich gemacht, so treu auch die aus- gedriickten Gesinnungen sind. Dieser ungliickselige Reimdichversuch wird dem Prinzen zeigen, dass das Deutschtum in Amerika sehr gemischt ist. Es ist zu bedauern, dass die deutsche Presse die- ser Stadt den Betreffenden nicht etwas Selbsterkenntnis beizubringen versucht hat. Das reichhaltige englische Pro- gramm des Prinzenbesuchs ist von der Tagespresse mehr oder weniger ausfuhr- lich gebracht worden, gehort auch kaum in den Rahmen dieser Korrespondenz.

B.

Biicherbesprechungen.

1. Immensee by Theodor Storm. Edited with Notes and Vocabulary by Richard Alexander von Minckwitz and Anne Crombie Wilder, B. A. Boston, Ginn & Co., 1902.

2. A'teZs mit der offenen Hand von Paul Heyse. Edited with Notes, Voca- bulary and Paraphrases for Translation into German by Edward 8. Joynes, Pro- fessor of Modern Languages in South Carolina College. Boston, D. C. Heath & Co., 1902.

3. Zriny. Ein Trauerspiel in fiinf Auf- ziigen von Theodor Korner. With an In- troduction and Notes by Franklin J. Holzwarth, Ph. D., Professor of the Ger- man Language and Literature in Syra- cuse University. Boston, D. C. Heath & Co., 1902.

4. In St. Jiirgen, von Theodor Storm. With Introduction, Notes and Vocabu- lary by Arthur S. Wright, Professor of Modern Languages, Case School of Ap- plied Science. Boston, D. C. Heath & Co., 1901.

5. Legenden von Gottfried Keller. Edited with Introduction, Notes and Vocabulary by Margarete Miiller and Carla Wenckebach, Professors of German in Wellesley College. New York, Henry Holt & Co., 1902.

Die vorliegende Immenseeausgabe hal- te ich fur ganz iiberfliissig. Eine Ex- istenzberechtigung hatte sie nur dann, wenn sie ihrem Dutzend Vorgangerinnen gegeniiber wesentliche Vorziige bieten wurde. Das ist jedoch, abgesehen von der ausseren Ausstattung, nicht der Fall. Die Einleitung unterscheidet sich in keinem wichtigen Punkte von dem jJurchschnitt derjenigen Schulausgaben, die ihre Entstehung lediglich dem Ge- schaftsinteresse der Verleger und Her- ausgeber verdanken. Statt einer wirkli- chen Charakteristik des Dichters be- kommt man ein paar hilbsche Phrasen und zum Schluss eine sentimentale Anek- dote zu horen, die weiter nichts besagt, als dass der greise Storm ein sehr lie- benswiirdiger Mensch war. Davon, dass bcorm nicht bloss die verschwommene Resignationsnovelle Immensee, sondern auch Carsten Curator^ Pole Poppenspa- ler, Viola tricolor, verfasst hat, horen wir nichts. Und doch ist es ein Unrecht, wenn der Schiller in dem Glauben gelas- sen wird, als ob er nach der Lektiire von Immensee sich auch nur annahernd einen Begriff von Storms Novellistik machen konne. Schon vom rein padago- gischen Standpunkte aus ware ein Hin- weis darauf notig gewesen, dass sich

BUcberbesprecbungen .

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Storm von weicher Resignation auch zur Darstellung gesunder Lebensfreude, oder unerbittlicher Tragik ( ,,W aldwinkel" ) erheben konnte. Die Anmerkungen enthalten wohl manche Erklarungen deutscher Briiuche, die sonst nicht, oder doch nicht so ausfiihrlich gegeben wer- den, z. B. Ratskeller 13, 2; Weihnachts- stube 15, 27; Kaffee 20, 21; das grosse Los 27, 4 andererseits ist aber auch da manches auszusetzen. Ich sehe nicht ein, wozu man den Schiller zur Erkla- rung des Wortes ,,Laubgewolbe" mit der Erwahnung eines besonders dichten Laubgewolbes bei ,,Koesen" in Thiirin- gen plagen soil. Ganz merkwiirdig be- riihrt die Anmerkung zu ,,wir wollen weiter suchen", p. 9, 29: "The indef. of the first person pi. used in consequence of a woman's prerogative to dictate." Eine Bemerkung wie 35, 2, ,,Atmender Sommernacht: personification," ist gera- dezu eine Siinde. Ebenso die trostlos niichterne Glosse liber die Wasserlilie 36, 14. Ich habe noch keinen Schiller ge- habt, der zu diesen beiden Stellen eine Erklarung gebraucht hatte. Aber frei- lich, ,,erklart" muss unter alien Um- standen sein, sonst wird das Buch nicht dick genug. ,,Stiinde" ist so wenig ausser Gebrauch wie ,,stiirbe" oder ,,hiil- fe" (34, 3) ; vgl. Blatz, Nhd. Grammatik 3 I, §201. Diese ganze Ausgabe zeigt wieder einmal so recht, dass es den Ver- legern gar nicht urn die Sache, sondern um den Profit zu thun ist, und dass die Herausgeber, nur um iiberhaupt etwas sagen zu konnen, sich in Diifteleien er- gehen, statt den gesunden Menschenver- stand walten zu lassen.

2. Die Ausgabe des Heyseschen Mar- chens ist zwar sehr sorgfaltig und nach verniinftigen Prinzipien gemacht, im iib- rigen aber auch unnotig. Solange Kel- ler, K. T. Meyer, Storm, Hoffmann, Eb- ner-Eschenbach hierzulande noch so gut wie unbekannt sind, hat der manierierte Heyse, zumal mit einem so unbedeuten- den Ding, in unseren Schulen nichts ver- loren.

3. Und was soil uns vollends Korners Zriny? Es ist wirklich schade, dass sich Prof. Holzwarth durch die sympathische Personlichkeit des L»ichters verfiihren liess, Zeit und Miihe zu verschwenden. Diesen schwulstigen Deklamationsstil, diese unvergorene Jiinglingspoesie sollte man heute, da man die Dramatik eines Hebbel zu wiirdigen beginnt, doch wahr- haftig nicht mehr ernst nehmen wollen. Goethe war in seinem Urten gewiss mil- de genug, wenn er Korners Dramen ein- fach als Nachkliinge einer vergangenen Periode bezeichnete (Weimarer Ausgabe I, 36 p. 74). Der Herausgeber geht so

weit, Zriny zu einem Meisterwerk der deutschen Litteratur zu erheben und zu behaupten, Korner ware an die Seite Goethes und Schillers getreten, wenn er langer gelebt hatte (p. VII und V). Man lese doch nur einmal den liicherli- chen vierten Akt des Zriny, und verglei- che damit eine beliebige Szene aus dem Gotz oder den Raubern, dann wird man den richtigen Massstab bekommen. Am Zriny kann der Schiller im besten Falle lernen, wie ein Drama nicht sein soil (p. VII) ; denn BiihnenaffeKte beweisen doch fiir den poetischen Gehalt eines Stuckes nichts. Wozu, frage ich noch einmal, diese Ausgabe, wahrend dieMei- sterwerke Grillparzers, Hebbels, Ludwigs unsern Schiilern vorenthalten werden?

4. Prof. Wright bietet in seiner Ein- leitung zu ,,St. Jiirgen" eine kurze, gut abgerundete Charakteristik von dem Na- tur- und Entsagungspoeten Storm. Die andern Seiten von Storms Kunst kom- men auch hier nicht zur Geltung, ob- gleich wenigstens darauf hingewiesen wird (p. V und VIII). Die Anmerkuu- gen sind gut gewahlt, nur greifen sie dem Lehrer oder der Grammatik zu oft ins Handwerk; so z. B. 5, 5; 9, 2; 12, 2; 17, 2. Alles in allem ist das Biichlein sehr zu empfehlen.

5. Das Gleiche gilt von der Ausgabe der Kellerschen Legenden. Die beiden Damen von Wellesley haben damit einen gliicklichen Griff gethan. Es ist nur zu bedauern, dass weiblicher Zimperlichkeit das Beste der ganzen Reihe, die famose Geschichte vom schlimm-heiligen Vitalis, zum Opfer gefallen ist.

Univ. of Wis. O. E. Lessing.

Einleitung in die allgemeine Padago- gik von Tuiscon Ziller. Zweite Auflage, nach des Verfassers Handexemplar her- ausgegeben von Otto Ziller, Pfarrer a. D. Langensalza, 1901. (1 M. 80 Pf., eleg. geb. 2 M. 80 Pf.)

Der Herausgeber dieser zweiten Auf- lage ist der Sohn des am 20. April 1882 verewigten Verfassers. Es war ein G«- fiihl der Ehrfurcht und Dankbarkeit, das mich erfiillte, als ich das Buch wieder zur Hand nahm, um wiederum zu lesen, was ich vor beinahe vierzig Jahren mit der vollen Begeisterung eines jungen Lehrers gelesen hatte. Ehrfurcht vor dem Meister, der uns damals den Schlei- er liiftete, hinter welchem eine neue und schone Welt von Gedanken und Ideen lag, jene Welt moderner Padagogik, die uns iiber so manche Zweifel der alten Schule hinweghob. Dankbarkeit gegen den Sohn, der das Werk des Vatera in seiner urspriinglichen Schonheit und Klassizitat der Nachwelt tlberlieferte.

Ziller nennt sein Werk, das er zum

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Padagogische Monatsbefte.

Vorlaufer seiner ,,Allgemeinen Padago- gik" bestimmte, eine Einleitung. Es 1st dies ein sehr bescheidener Titel, wenn man den Umfang des Buches in betracht zieht, noch mehr aber, wenn wir auf den Inhalt eingehen. Auf 148 Seiten, wozu noch 21 Seiten hochst wertvoller Anmer- kungen und Referenzen kommen, werden die Fundamentalschatze der Wissen- schaft eines Erziehers nicht nur in klas- sisch schoner Sprache behandelt, sondern auch in erschopfender Weise erklart und begriindet. Vom ,,Begriff der Erzie- hung" ausgehend, bespricht der Verfas- ser zunachst die verschiedenen Richtun- gen in der Padagogik, wobei allerdings der Fatalismus und die Lehre von der transzendentalen Freiheit in unbarmher- ziger Weise abgethan werden. Dann geht er tiber auf die Erziehungsf aktoren : die Erfahrung, den Takt, die erworbenen Naturlagen, den Einfluss des Erziehers auf den Zogling u. s. w. In diesem Teile des Buches liegt, unserer Ansicht ge- mass, seine eigentliche Grosse, sein hSchster Wert. Man lese das Kapitel fiber ,,Die Erfahrung", und man wird dem Meister dankbar sein dafiir, dass er uns in so klarer und iiberzeugender Weise von jenen Vorurteilen befreit, wel- che bei fast jedem Lehrer durch die ttbersehatzung dieses Erziehungsf akto^s entstehen.

Im sechzehnten Kapitel werden die verschiedenen Vorstellungsmassen behan- delt. Hier tritt der Herbartsche Cha- rakter des Buches am entschiedendsten in den Vordergrund, thatsachlich so, dass man den Inhalt dieses Abschnittes als eine wohl gelungene Synopsis der Pa- dagogik Herbarts ansehen kann. Wir zitieren nicht gerne aus Werken, die uns zur Besprechung vorliegen. Aber wir konnen nicht umhin, einige Stellen aus diesem Abschnitte anzufiihren. Nach- dem er die verschiedenen Vorstellungs- massen untersucht und in relativer Be- ziehung erlautert hat, sagt Ziller (Seite 90:

,,Man sieht jetzt auch ein, in was fur einer grossen Tauschung diejenigen be- fangen sind, welch e nach Aristotelisch- WolfFscher Psychologic glauben, dass im Innern des Zoglings eine einzige Kraft als Verstand, Gef iihl, Gedachtnis u. s. w. wirksam sei. Sie sehen sich ohnehin ge- notigt, um den Thatsachen nur einiger- massen gerecht zu werden, die eine Kraft in viele Arten und Unterarten zu spal- ten, z. B. das Gedachtnis in ein Namen- gedachtnis, Ortsgedachtnis. Sie miissen da, wo dieselbe Kraft anscheinend mit sehr ungleicher Stilrke wirkt, wo sie an- scheinend hochst einseitig ist und sich auf gewisse streng abgegrenzte Kreise oder auf gewisse Klassen von Objekten beschrankt, zu der Behauptung ihre Zu- flucht nehmen, die Kraft sei nicht im-

mer oder nicht vollstandig in wachem Zustande oder aktuell, sie sei, obwohl fertig vorhanden, doch noch nicht voll- kommen entfaltet, u. s. w. Aber alles das sind Erscheinungen, und die Wahr- heit ist einfach die, dass in den versehie- denen Vorstellungsmassen verschiedene feste Produkte von ungleicher Beschaf- fenheit und Starke sich ausbilden, die an sich einander gar nichts angehen. Es ist namlich sehr verkehrt, wenn man die formelle Geistesbildung des Zoglings im Sinne einer Geistesgymnastik, exercita- tio mentis (Cic. Brut.), als das Ziel des Unterrichtes ansieht, und wenn man meint, gewisse Bildungsmittel und na- mentlich Hauptbildungsmittel wie Spra- chen und Mathematik seien so allge- meine Bildungsmittel, dass durch sie der Verstand und der Geist iiberhaupt auf jedem Gebiete tuchtig gemacht und eine allgemeine Befahigung erlangt werde."

Ein anderes hochinteressantes Kapitel ist der 22. Abschnitt ,,Anschliessung an den Einzelnen". Ziller meint damit die Anpassung des Erziehungsverfahrens an die individuelle Beschaffenheit des Zog- lings. Er weist in klarer und iiberzeu- gender Weise nach, wie die s. g. Indivi- dualisierung auch in grossen Klassen moglich ist. Es freut uns, ihn hinsicht- lich der Fiihrung von Tageblichern iiber die einzelnen Zoglinge auf demselben Standpunkte zu finden, den auch wir seit vielen Jahren zu vertreten versucht haben.

Das ganze Buch liest sich wie eine Reihe prachtiger Vortrage. Jeder von den vierundzwanzig Paragraphen bildet einen solchen Vortrag, jeder steht in streng logischem und genetischem Zu- sammenhang mit den vorhergehenden, und doch kann wiederum jeder fur sich in AngrifF genommen und zum Gegen- stand besonderen Studiums gemacht wer- den. Aus diesem Grunde empfiehlt sich Zillers Einfiihrung in die allgemeine Pa- dagogik ganz besonders als Lektiire in Lehrervereinen, Leseklubs, padagogi- schen Debattierklubs, u. dgl. Aber auch jedem einzelnen Lehrer sei das Buch hiermit aufs warmste empfohlen. Man beurteile seinen Wert und seine Bedeu- tung nicht nach der Zahl seiner Aufla- gen. Wahrend des vergangenen Halb- jahrhunderts hatte die Herbart-Littera- tur einen derartigen Aufschwung erfah- ren und eine solche Verbreitung gewon- nen, dass die niichternen und bescheide- nen Werke der ersten Jtinger Herbarts in den Hintergrund traten. Allmahlich nun kommt man zur Einsicht, man sei in manchen Punkten doch zu einseitig verfahren oder auch zu weit gegangen, und so finden wir es ganz natiirlich, wenn man jetzt zu den reinen Quellen der ersten Meister zuriickkehrt.

Pencil Vania.

Padagogische Monatshefte.

PEDAGOGICAL MONTHLY.

Zeitschrift fur das deutschamerikanische Schulwesen. Organ des

Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbtmdes,

Jahrgang III. Mai 1902. Heft 6

Aufruf zur Beteiligung an der 32 Jahresversammlung

des Nationalen Deutschamerikanischen Lehrer-

bundes in Detroit, Mich., vom 30.

Juni bis 3. Juli 1902.

(Offiziell.)

Es ist schon mehr als ein Vierteljahrhundert verflossen, seit wir die Gastfreundschaft der schonen Stadt Detroit zum letzten mal genossen. Der Ort, wo der Vater des Lehrerbundes und sein erster President, Papa Feldner, wirkte, der Ort, an welchern die Griindung unseres Lehrersemi- nars beschlossen wurde, hat unseren Bestrebungen seit lange fern gestan- den. Dort durch unsere Verhandlungen neues Leben unter den Freun- den unserer Arbeit zu erwecken, ist unsere Aufgabe. Die ehemaligen Schiller Feldners und andere liberal gesinnte Deutschamerikaner haben mit grosster Bereitwilligkeit umfassende Vorbereitungen zu unserem Empfange getroffen, und wir alle hoffen auf eine recht zahlreiche Betei- ligung an der nachsten Tagsatzung. Die Zeit ist so gewahlt, dass unsere Besucher leicht und billig zur Tagsatzung des Turnerbundes sowohl,als auch zur Versammlung der N. E. A. kommen konnen. Die schone Stadt, ihre herrliche Umgebung und ihr mildes Klima sollten Hunderte unserer Freunde zum Kommen bewegen. Interessante Vortrage, anregende De- batten und nach der Arbeit frohliche Feste sind in sichere Aussicht ge- stellt. Alle Bedingungen zu einem erfolgreichen Verlauf der 32. Sitzung unseres Bundes sind somit gegeben, und wir hoffen mit Recht, dass die- selbe sich wiirdig den friiheren anschliessen moge.

186 P'ddagogiscbe Monatsbefte.

Wir verweisen unsere Mitglieder ganz speziell auf die liebenswur- dige Einladung des Ortsausschusses und das vorlaufig entworfene Pro- gramm und zeichnen

mit kollegialischem Grusse

Emil Dapprich, Prasident. Louis Hahn, Schatzmeister, Emil Kramer, Sekretar.

An die deutschamerikanische Lehrerschaft.

Mit Freuden begriissen die deutschen Burger dieser Stadt die 32. Jahresversammlung des deutschamerikanischen Lehrerbundes, die fur den 30. Juni, den I., 2. und 3. Juli angekiindigt ist. Die Stadt Detroit, in der Eduard Feldner den Grundstein eines deutschen Schulwesens legte, wird es sich zur Ehre anrechnen, die deutschen Lehrer des Landes in ihren Mauern zu empfangen. Auf ein herzliches Willkommen diirfen die Mitglieder des Lehrerbundes gefasst sein, und der Ortsausschuss wird alles aufbieten, den Besuchern den Aufenthalt angenehm zu machen und ihnen den besten Eindruck der schonen ,,City of the Straits" zu geben.

Carl E. Schmidt, Vorsitzer des Ortsausschusses.

H. Steichmann, Sekretar.

Program m.

Montag, den 80. Juni. Empfang der Gaste.

Abends 8 Uhr: Erb'ffnungsversammlung in der Harmonie-Halle; Begriissung durch den Vorsitzer des Ortsausschusses, den Biirgermeister Maybury und den Prasidenten des Schulrats, Eduard Marschner; Eroffnung des Lehrer- tages durch den Prasidenten des Lehrerbundes.

Dienstag, den 1. Juli.

Vormittags: Erste Hauptversammlung.

1. Geschaf tliches : Berichte der Beamten; Erneuerung und Ergan- zung von Ausschiissen.

2. Vortrag: Miindliche Erteilung des deutschen Unterrichts in den Anfangsklassen unserer offentlichen Schulen. Sup. Phil. Huber, Saginaw, W. S., Mich.

3. Vortrag: Der erste Unterricht im Deutschen an angloamerikani- sche Schiller. Herr Eduard Prokosch, Chicago University, Chicago, 111.

4. Vortrag: Der erste Sprachunterricht auf anschaulicher Grund- lage. Oberlehrer W. H. Weick, Cincinnati, O.

Nachmittags und abends : Besuch einiger Schulen unter der Fiihrung des Schul- ratsprasidenten Ed. Marschner; Ausflug nach Pfeiffers Garten; Konzert.

Mittwoch, den 2. Juli.

Vormittags: Zweite Hauptversammlung.

1. Vortrag: Entwickelung und Stand des deutschen Unterrichts in den Schulen von Erie, Pa. Prof. G. G. von der Groben, Erie, Pa.

2. Bericht des Komitees zur Pflege des Deutschen.

Nationales Deutscbamerikaniscbes Lehrer seminar. 187

3. Vortrag: Der Leseunterricht. Sup't. Hermann Woldmann, Cleve- land, O.

4. Vortrag: Das Riistzeug eines Lehrers des Deutschen. Prof. H. C. G. von Jagemann, Harvard University, Cambridge, Mass.

5. Bericht der Priifungskommission des Lehrerseminars. Nachmittags: Besuch von Belle Isle und Besichtigung der Stadt.

Donnerstag, den 3. Juli.

Vormittags: Dritte Hauptversammlung.

1. Vortrag: Idealismus, behandelt von einem deutschen Lehrer in Amerika. Prof. C. F. Weiser, High School, Detroit, Mich.

2. Revision der Vereinsstatuten.

3. Berichte der Ausschiisse.

4. Vorstandswahl. Vertagung.

Nachmittags und abends: Wasserpartie nach St. Clair- Flats, dem amerikani- schen Venedig, und Abschiedskommers.

Einquartierung.

Folgende Hotels werden vom Ortsausschusse empfohlen:

,,Griswold" (american plan), $2.00.

,,Oriental" (am. plan nur fiir Herren), $2.00.

,,Wayne" (am. plan), $2.00—2.50.

,,Normandie" (am. plan), $2.00.

,,St. Clair" (am. plan), $2.50—3.50. Einzelne Zimmer im ,,Griswold" und ,,0riental" zu 75 cts. bis $1.50 a Person.

Eisenbahnraten.

Die Eisenbahnen erklaren sich bereit, die Rundreise fiir die Besucher des Leh- rertages auf 1 1/3 des gewohnlichen Preises der Einzelfahrt festzusetzen, voraus- gesetzt, dass mindestens 100 Personen von solchen Fahrkarten (certificate plan) Gebrauch machen. Die Besucher haben ihre Absicht, zum Lehrertage nach Detroit zu fahren, dem Agenten mitzuteilen, von dem sie die Fahrkarte kaufen, und diese nach Ankunft in Detroit vom Sekretar des Ortsausschusses unterschreiben zu lassen.

Nationales Deutschamerikanisches Lehrerseminar zu Milwaukee, Wis., 558-568 Broadway.

Das Nationale Deutschamerikanische Lehrerseminar eroffnet am achten September dieses Jahres seinen vierundzwanzigsten Kursus. Seit ihrer Griindung im Jahre 1878 hat diese Pflegestatte deutscher Sprache, deutscher Padagogik und deutscher Sitten Hunderten von jungen Lehrern und Lehrerinnen ihre berufliche Vorbildung gegeben und sie instand ge- setzt, an offentlichen und privaten Lehranstalten mit Begeisterung und treuer Hingabe an dem grossen Erziehungswerke mitzuhelfen.

Das Nationale Deutschamerikanische Lehrerseminar bildet seine Zoglinge im Sinne der modernen Padagogik fiir die amerikanische Volks- schule aus und befahigt sie, sowohl in englischer als in deutscher Sprache

188 Padagogische Monatshefte.

zu unterrichten. Glaubensbekenntnis, Religionsanschauung und Natio- nalitat kommen bei der Aufnahme der Zoglinge nicht in Betracht.

Der Seminarkursus umfasst drei Jahre bei vollstdndig kostenfreiem Unterricht. Die Lehrbiicher stehen den Zoglingen gegen ein sehr gerin- ges Entgelt leihweise zur Verfugung. Mittellosen Zoglingen wird auf Empfehlung des Direktors der Anstalt aus der Seminarkasse ein in Mo- natsraten zur Auszahlung gelangender Stipendienvorschuss gewahrt.

Das Lehrerseminar verfiigt iiber tiichtige und erprobte Lehrkrafte, die Schulraume sind modern, alien sanitaren Anforderungen Rechnung tragend; die Klassenarbeit wird erganzt und unterstiitzt durch reichhal- tige Sammlungen und eine gute Biicherei ; es erfreut sich einer Muster- schule, der Dentsch-Englischen Akademie, die erfolgreich die hochste Stufe der Leistungsfahigkeit anstrebt und den Zoglingen des Seminars die erwunschte Gelegenheit giebt, sich fur ihren Beruf als Lehrer prak- tisch auszubilden.

Durch das in innigster Verbindung mit dem Lehrerseminar und des- sen Musterschule stehende Turnlehrer seminar, einer Schopfung des Nord- amerikanischen Turnerbundes, wird den Seminaristen eine griindliche turnerische Ausbildung gewahrleistet. Ein einjahriger Kursus fur Turn- lehrer wird im kommenden September eroffnet.

An die Freunde unserer Anstalt und an Erziehungsfreunde im allge- meinen, an alle, denen die Pflege der deutschen Sprache an den Lehran- stalten dieses Landes und die Verbreitung gesunder Erziehungsgrundsatze und Unterrichtsmethoden am Herzen liegt, richten wir die dringende Bitte, in ihren Kreisen unsere Bestrebungen durch die Zuweisung passen- der Schiiler zu unterstiitzen.

Strebsame junge Leute, welche die Neigung in sich fiihlen, sich dem schweren aber schonen Lehrerberufe zu widmen und der begrundeten Ansicht sind, dass ihre sprachliche und wissenschaftliche Vorbildung sie befahigt, den untenstehenden Aufnahmebedingungen zu entsprechen, wer- den freundlichst ersucht, sich mit dem unterzeichneten Direktor des Leh- rerseminars baldigst schriftlich oder personlich in Verbindung zu setzen.

Aufnahmebedingungen.

A) Deutsche und englische Sprache. 1. Mechanisch-gelaufiges und logisch- richtiges Lesen; 2. Kenntnis der Hauptregeln der Wort- und Satzlehre; 3. Rich- tige (miindliche und schriftliche) Wiedergabe der Gedanken in beiden Sprachen.

B) Mathematik. Sicherheit und Gewandtheit in ganzen Zahlen, in gemeinen und Dezimalbriichen, in benannten und unbenannten Zahlen, Zins- und Diskonto- Rechnungen.

C) Geographic. Bekanntschaft mit den fiinf Erdteilen und Weltmeeren, der Geographic Amerikas und den Hauptbegriffen der mathematischen Geographic.

D) Geschichte. Kenntnis der Geschichte der Vereinigten Staaten.

Das Gleichgewicbt in der Er^iebung.

189

E ) Naturgeschichte und ~Naturlehre. Beschreibung einiger einheimischen Pflanzen, Tiere und Steine; die einfachsten Lehren der Chemie und Physik; eine elementare Kenntnis des menschlichen Korpers.

F) Turnen. Alle korperlich befahigten Zoglinge des Lehrerseminars sind ver- pflichtet, behufs Ausbildung als Turnlehrer am Turnunterricht der Anstalt teil zu nehmen. Zeitweilige sowohl als permanente Entschuldigung von diesem Fach kann nur durch das Zeugnis des von der Anstalt angestellten Arztes erlangt werden.

Kursus fur Kindergartnerinnen.

Da der Kindergarten ein wesentlicher Teil des Volksschulsystems ist, so ist von der Seminarbehorde ein Kursus zur Ausbildung von Lehrerinnen fur seiche Anstal- ten eingerichtet worden. Die Aufnahmebedingungen fur diesen Kursus sind die gleichen wie fur die anderen Zoglinge des Seminars.

Emil Dapprich, Direktor.

Milwaukee, Wis., 5. Mai 1902.

Das Gleichgewicht in der Erziehung.

Von Benj. Wittich, Public Schools, Cincinnati, O.

(Schluss.)

Dass auch in der neueren Padagogik bedeutende Gleichgewichts- schwankungen stattgefunden haben und bis dato stattfinden, beweisen die in derselben sich bekampfenden Gegensatze, die mehr oder minder ver- deckt und gemischt zu Tage treten.

Diese Gegensatze sind :

1. Der Libertinismus, dem von vielen Vatern aus purer Ignoranz gehuldigt wird und hierzulande in manchen Kreisen an Boden gewonnen hat, sein Gegensatz, der Pedantismus, ist mehr und mehr im Schwinden begriffen.

2. Die Weichlichkeit, der Krebsschaden unserer modernen hausli- chen Erziehung, ihr Gegensatz, der Rigorismus, lasst dem Kinde keinen Raum zur Selbstbethatigung ; er tritt nur sporadisch auf .

3. Der Naturalismus spricht mit J. J. Rousseau : ,,Alles ist gut, wie es aus den Handen des Schopfers kommt, alles artet aus unter den Handen der Menschen!" Sein Gegenstiick, der Positivismus will unge- achtet der Natur des Zoglings diesen mit dem iiblichen Wissensquantum vollpfropfen.

4. Der Pietismus. Die Grundwahrheit des Christentums von der Erlosungsbediirftigkeit des Menschen wird von ihm iibertrieben und zur Knechtung der Menschennatur entartet. Auf der andern Seite liegt der Intellektualismus mit seiner einseitigen Verstandesaufklarung. Fehler sind nur Irrtiimer, die Strafe sollte verbannt sein. Fremd ist ihm, dass durch Ernst und Strenge der Zogling zum sittlichen Fiihlen und Wollen

190 P'ddagogiscbe Monatsbfjte.

gebracht werden muss, dass Sittlichkeit eine Macht in ihm werden muss, vor deren Heiligkeit er sich schon in der Kindheit zu beugen hat.

5. Der Individualismus fiihrt zum Subjektivismus und zur Selbst- sucht. Ihm entgegen steht der pddagogische Sozialismus, der im Einzel- nen nur einen Teil des Ganzen erblickt.

6. Der Idealismus schafft fiir das Leben unbrauchbare Menschen und findet im Utilitarismus, dessen Schlagwort Nutslichkeit ist, seine Ausgleichung.

7. Der Konservatismus oder das Beharrungsvermogen beim Alten aus Angstlichkeit, oder Tragheit, findet in der Neuerungssucht eine mo- derne, gefahrliche Feindin. Diese betrachtet die Schule als Versuchsob- jekt und experimentiert d'rauf los, ganz ungeachtet der entstehenden Ver- irrungen und Verwirrungen. In Europa tritt sie nur sporadisch auf, ist hierzulande aber heimisch und grassiert, gleich der Grippe, fast auf dem ganzen Kontinente. Ihre Bazillen finden einen fetten Boden im roma- nisch-gallischen Teil der Yankeenatur mit ihrer nervosen Ruhelosigkeit und Veranderungssucht, wahrend sie im dicken Blute der Germanen nur ein kummerliches Dasein fristen und ganz ersticken wiirden, wenn der- selbe nicht zuweilen von seinem amerikanischen Kollegen angesteckt wiirde. Diese Neuerungssucht ist eine gefahrliche Pest, gegen die von seiten der Padagogik eine strenge Quarantine errichtet werden sollte. Ja, es ist bitterer Ernst! Mit Hintansetzung jeder wissenschaftlichen, sachgemassen Priifung werden Neuerungen, Biicher, Methoden, Lehr- kurse und Lehrkrafte eingefiihrt, oder plotzlich aus den Schulen gewor- fen, die naturgemass unter diesen Schwankungen leiden. Ruhe ist fiir die Schule, fiir eine erfolgreiche Erziehung eine conditio sine qua non. Gebt uns Ruhe!

Dies fiihrt uns auf die Gleichgewichtsstellung der Gegenwart.

Nicht allein Haus und Schule, nein noch andere Faktoren nehmen daran Teil: die Presse, die Litteratur und das offentliche Leben, kurz es ist der Zeitgeist, der neben schonen, vielfarbigen Lichtseiten tiefe, tiefe Schatten wirft.

Bei einsichtsvollen Erziehern hiiben und driiben ist ja langst die Klage laut von der tJberburdung des Kopfes mit Wissenskram, von einer' Uberflutung von Detailkenntnissen, die unsern guten Altvorderen ganz- lich unbekannt waren. Dies fiihrt notgedrungen zu einer verderblichen Vielwisserei und Halbwisserei, die auf den Charakter einen schadlichen Einfluss haben muss.

Alles soil man heutzutage wissen, alles muss auch gleich unterrichtet werden. Es mag als scherzhafte Ubertreibung klingen, aber es ist nichts- destoweniger logisch, dass bald fiir Knaben Haushaltungsschulen gegrun- det werden (das Kochen lernen sie ja schon), und fiir das zarte Geschlecht eine stramme Militarschule mit Fecht- und Balloniibungen.

Das Gletcbgewicbt in der Erziehung. 191

Bei dieser Uberentwickelung unserer geistigen Krafte muss der Cha- rakter, das Gemut und der Korper leiden. Der ethischen Seite der Er- ziehung muss gegeniiber der Geistesiiberburdung zu ihrem Rechte verhol- fen werden. Der Wissenskultus wird so weit getrieben, dass das Aus- schlaggebende in der Erziehung die Charaktererziehung arg vernachlas- sigt wird. Und doch ist der Charakter das Bestimmende in der Person- lichkeit. Er, nicht das Wissen, das Herz, nicht der Kopf, fiihren zur Gliickseligkeit.

Der Charakter, die durch eigenste Anlage, Temperament, Gemiit, Wille, Abkunft und Erziehung durchgebildete, sittliche Personlichkeit, ist unser Schaffensziel. Grosse Charaktere schaffen die Epochen der Weltgeschichte. Das Wissen schmiedet die Waffen des Geistes, der Cha- rakter aber gebraucht sie und siegt mit ihnen kraft seiner ethischen Ener- gie und Grosse. Wie die Gipfel der Gebirgsmassen, so ragen die Cha- raktere empor, weit uber die Gebirgsketten denkender Geister.

Augenblicklich fallen mir vier der grossten Charaktere ein: Moses, Christum, Luther, Bismarck.

Wenn wir, statt einen kiinstlichen Patriotismus zu ziichten, uns auf

Charakter- und Gemiitsbildung werfen wollten, so wiirden wir damit un-

serem schonen, gottgesegneten Lande den grossten Liebesdienst erweisen.

Das Gemiit, die Summe aller Seelenstimmungen, aus dem Tugenden

sowohl als Laster entspringen, sollte grossere Beachtung finden.

Gerade hier kommt die Wichtigkeit und Tiichtigkeit des Lehrers in Frage. Seine Personlichkeit, sein eigenes Beispiel, sein ganzes Auftre- ten, der Magnetismus seiner Individuality iiben einen grossen Einfluss auf den Charakter des Zoglings. Auf ihn passen Schillers Worte im Wallenstein :

,,Und eine Lust ist's, wie er alles weckt Und starkt und neu belebt um sich herum, Wie jede Kraft sich ausspricht, jede Gabe Gleich deutlicher sich wird in seiner Nahe ! Jedwedem zieht er seine Kraft hervor, Die eigentiimliche, und zieht sie gross, Lasst jeden ganz das bleiben, was er ist, Er wacht nur driiber, dass er's immer sei Am rechten Ort"

* * *

Haus und Schule, Eltern und Lehrer miissen Hand in Hand arbei- ten. Ist doch die Schule des Hauses Erganzung, der Lehrer der Eltern Stellvertreter !

Doch wie sieht es aus in bezug auf die hausliche Erziehung ? ! Fast hatte ich gesagt: )}Dass Gott erbarme!"

Wie viele Eltern sind thatsachlich erzogen ? Wie haufig machen wir

192 PUdagogiscbe Monatsbefte.

die Erfahrung, dass wir indirekt die Eltern durch deren Kinder erziehen miissen ! ?

Mit welch irrigen Ansichten, ja mit welch feindseliger Voreingenom- menheit treten manche Eltern in die Schule, um ihre angeblich misshan- delten Sprosslinge zu verteidigen, als ob der Lehrer ihr Feind und nicht ihr bester Freund ware?!

Das Haus muss sich der Schule nahern ; beider Ziele sind identisch. Ganz bin ich fiir die sogenannten Parents' days, aber nur in dem Sinne, dass den Eltern in knapper, popularer Form die Grundprinzipien der Er- ziehung beigebracht werden. Viele Eltern lassen ihren Kindern schon im Kindesalter eine Erziehung angedeihen, die nur fiir altere, heranwach- sende Kinder passt; sie sind Kameraden und Freunde derselben, aber die Heiligkeit der Elternwiirde geht dabei verloren. Ebenso verlieren die Kinder den Reiz der holden Kindheit, die Kindlichkeit, sie werden vor der Zeit alt, altklug, naseweise, frech; deswegen haben wir so viele alte Kinder und kindische Erwachsene!

Ein anderer Fehler ist die Weichlichkeit, sie ist ein Zeitiibel. ,,Nur von dem Kinde nicht zu viel verlangen, es will seine Freiheit!" heisst es unbeachtet dessen, dass auch die Freiheit ihre Grenzen hat, und dass das Ubermass der Freiheit bei den Unmundigen in Ungezogenheit und Ver- wilderung ausartet.

Too much liberty is license.

Strenge, geregelte Liebe, Zucht, sittlicher Ernst sind heutzutage ver- pont und strenge Eltern werden als Tyrannen gebrandmarkt. Dieser Mangel an sittlichem Ernst zieht aber durch alle Schichten unserer Be- volkerung. Das Traurigste jedoch ist der Ungehorsam unserer Jugend! Hier liegt der Krebsschaden der hauslichen Erziehung. Das gottliche Gebot : ,,Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren !" wird schnode mit Fiissen getreten. Statt dass es mit goldenen Lettern in jedem Fa- milien- und Schulzimmer hangt, statt dass es den Kindern mit heiligem Ernst eingepragt wird, weiss eine grosse Anzahl derselben nichts mehr davon. Das ist Schuld der Eltern, die sich bitter rachen wird. Wer nicht geradezu blind ist gegen die Gefahren, die der heutigen Gesellschaft von dieser Zuchtlosigkeit drohen, dem muss es im Ausblick auf die Zukunft bange werden.

Dieser geduldete Ungehorsam gegen die Eltern fiihrt selbstredend zur Missachtung der Lehrer, ja zu offener Auflehnung. In alien 24 Ton- arten, in Dur und Moll konnen wir ein Lied singen von dieser Missach- tung, die unsern Pfad mit Dornen grenzt. Der Schluss ist die Ubertre- tung der Gesetze. Auf Haus und Schule ruht der Staat. Werden diese wurmstichig, so stiirzt der stolze Bau in sich zusammen.

O, dass die strafscheuen Frauen, die Mutter mit den butterweichen Herzen erkenneten, wie gross ihre Verantwortung und wie nahe die Ge- fahr fiir ihre verhatschelten Lieblinge ist!

X

Das Gleichgewicbt in der Er^iebung. 193

,,Zu gut sein ist ein Stuck der Luderlichkeit !" sagte mir einst eine kerndeutsche Mutter, und ihr Wort blieb mir unvergessen.

Wie weit haben wir uns von dem Ideal einer Hauserziehung ent- fernt, wie es dem grossen, edeln Erziehungskampen Pestalozzi vor- schwebte ? !

Der Mangel an Respekt fiihrt zur Zugellosigkeit, wie sie eine schla- gende Illustration der 4. Juli bietet. Auf den durchsichtigen Freibrief der Vaterlandsliebe wird darauf losgesundigt. Unbekiimmert des eige- nen Auges und des Nachbars Nase wird geknallt und geschossen; ver- gessen sind die Kleinen, die Schwachen, die Kranken und Sterbenden!

Das ist Verwilderung!

* * *

Ein weiteres Symptom ist die Abnahme der Religiositat in den Fa- milien. Diese Frage hat direkt mit der Schule nichts zu thun, der Schul- mann aber, der auf dem Boden der Ethik steht, muss mit Schmerzen sehen, wie die Religion wie ein iiberwundener Standpunkt abgethan wird. Was dem Gebildeten Ethik, ist dem Volke die Religion ; sie ist Volksmo- ral. Dabei will ich keineswegs gesagt haben, dass der Gebildete keine Religion gebrauche. Sie ist es, die dem Volke das Gewissen scharft. Dieses, unser Seelenthermometer, das zur Siedehitze gebracht, aber auch auf und unter den Gefrierpunkt herabgedruckt werden kann, bedarf der Pflege, und diese wurde ihm von jeher durch die Religion zu teil. Zahlt sie doch zu unsern hochsten, sittlichen Giitern, und nur wem das See- lenleben selbst schon verkummert ist, wird ihre ethische Macht leugnen wollen. Allerdings ist die Geistlichkeit von Schuld nicht freizusprechen ; ihr fehlt in unserer Zeit so sehr der weltiiberwindende Glaube, jene gott- liche Seelenenergie, ohne welche Religion zum Zeremoniendienst und zum Handwerk herabsinkt. Ja, wem sie die Milchkuh ist, braucht nicht zu glauben, der weiss schon, was er hat. ,,Wenn das Salz dumm wird, wo- mit soil man salzen?" fragt ihr Herr und Meister. Religion steht nicht der Wissenschaft gegeniiber, eine widerspricht nicht der andern. Diese ist im Wesen des Menschen begriindet, ein Beweis seiner Gottahnlichkeit, jene ist das Resultat seiner Intelligenz. Die Wissenschaft steht nur im Konflikt mit engherzigen Dogmatikern. Der Schulmann erkennt und wiirdigt den hohen Wert beider und braucht beide in ihren Kreisen.

Ferner ist es die moderne Frau, besser gesagt the new woman, die unserer Erziehung Gefahr bringt.

Es ist wahr, alle hauslichen, burgerlichen und sozialen Stellungen haben sich in der Gegenwart verschoben, vieles zum guten, manches nicht. Die Frau hat im Wettbewerb mit dem Manne Gebiete erobert, die vordem dessen ausschliessliche Domane waren, und der Beweis der Eben- biirtigkeit der Frauenintelligenz gegeniiber der des Mannes ist vom Weibe geliefert worden und wird es noch mehr werden.

]94 P'ddagogiscbe Monatsbefte.

Wogegen nur gewarnt werden muss, ist, dass die Frau nicht ihre Domane, ihre Pflichten, ihre Grenzen in der Familie preisgiebt. Ihr Ge- biet ist das Haus, die Familie! Die ihr von der Natur gezogenen Gren- zen kann sie unbeschadet der kunftigen Geschlechter nicht iiberschreiten. Was sie zur Besinnung und Massigung in ihrem Lauf bringen muss, das ist das Gliick der Kindheit, die Bestimmung des Weibes, es ist das siisse, traute Wortchen: ,,M utter!"

Napoleon I. sagte: ,,Das ist das beste Erziehungssystem, das Mut- ter zu bilden weiss."

* * *

Dass die zur Zeit immer brennender werdende Dienstbotenfrage mit den Beweis liefert, dass in der hauslichen Erziehung das Gleichgewicht verloren gegangen ist, wird kein aufmerksamer Beobachter leugnen

wollen.

* * *

Doch auch die moderne Litteratur tragt ihren Teil der Schuld an der Stoning des Gleichgewichtes in der Erziehung. Das Aufgeben der Ideale des Schonen, das Wiiten gegen unsere ethischen Giiter muss ver- derblich wirken und hat schon gewirkt. Unsere heiligsten Begriffe wer- den mit einer bitteren Feindseligkeit und galligem Hohn uberschiittet, der Ubermensch, sagen wir es deutlich, das Hebe Fleisch, wird auf den Altar gesetzt und als goldenes Kalb umtanzt und angebetet. Der Titanensturm der Modernen gegen die altruistischen Ideale des Christentums sind der Paroxismus der Decadence und der tJbermensch eine krankhafte Wu- cherung am gesunden Leibe unserer Litteratur. Unsere christlichen Ide- ale decken sich vollstandig mit den hochsten Begriffen der Ethik und sind die Quintessenz der mosaischen Gebote. Haben wir sie etwa erreicht, sind sie erfullt worden, und hat man daher ein Recht, sie anzutasten oder zu besudeln. Ja, wer sie erreicht, erfullt und gelebt hat, der nehme den Hammer Thors und zertrummere sie, falls er etwas Besseres zu bieten imstande ist.

In Sprache und Ausdrucksweise in Gesinnung und Mass weichen unsere modernen Litteraten von der edeln Schonheit unserer Klassiker. Die Sprache wird derb, burschikos, das Weib ist nicht das Ideal des Man- nes, nein, sein Kamerad, die Sinnesgeniisse verlangen ungescheut ihr Recht und mit grassen Farben wird das sittliche und soziale Elend des Volkes gepinselt, das ist Realismus. Im Eifer mit photographischer Treue das ganze Elend der Menschheit zu zeichnen, verlassen sie den Boden der Ethik und damit den Fundamentalgrundsatz, dass Kunst und Litteratur auf dem Boden der Ethik stehen miissen, sonst haben sie ihre Daseinsberechtigung eingebiisst. Mit der Ideeverwilderung geht die Sprachverwilderung Hand in Hand. Es sollen keineswegs die grossen Verdienste und Vorziige unserer Modernen geleugnet werden, die See- lenmalerei, die psychologische Tiefe im Beschreiben wichtiger Seelenvor-

Das Glficbgewicbt in der Er^iehung. 195

0< gange und das Bestreben, die Litteratur in Einklang mit modernen An-

schauungen zu bringen ; nein, wir protestieren nur gegen den Sturm gegen unsere Ideale und verweisen Nietsches Umwertung aller Werte als eine Fata Morgana in die Wuste der Begriffsverwirrungen.

Wie so ganz anders weiss doch Altmeister Goethe seinem Seelen- kampfe Ausdruck zu verleihen, indem er im himmlischen Heimweh singt :

Der du von dem Himmel bist,

Alles Leid und Schmerzen stillest,

Den, der doppelt elend ist,

Doppelt mit Erquickung fullest.

Ach, ich bin des Treibens miide,

Was soil all der Schmerz und Lust?

Siisser Friede,

Komm, ach komm' in meine Brust! * * *

Ein Hauptfaktor in der Gleichgewichtsstorung bildet die angloame- rikanische Tagespresse, die auch alles Mogliche leistet, um eine Begriffs- verwirrung in den Kopfen ihrer sensationsliisternen Leser hervorzurufen. Hier haben wir eine schlagende Illustration der Umwertung aller Werte in ihrer traurigsten Verwirklichung.

Und diese Presse will Volkswille, Volksstimme, Volksmeinung etc. sein! Ihre Sprache ist weder sprachlich noch ethisch rein. Ganz abge- sehen von politischen Ubertreibungen, Entstellungen, Anschwarzungen und boswilligen Verdachtigungen, ist es unmoglich, die englischgeschrie- benen Blatter einem Kinde in die Hand zu geben. Nehmt den Massstab der Ethik, legt ihn an einen solchen Wisch, wie schrumpft er zusammen ! !

Skandal, Sensationswut und Sinneskitzel sind die grossen Triebfe- dern. Jeder Klatsch, jedes Gerucht, ja leere Mutmassungen in dem zer- riitteten Hirn eines hungrigen Reporters werden aufgebauscht, vergro- ssert, womoglich noch mit Illustrationen und Karrikaturen versehen. Wie manche Familie wurde durch ihre giftige Feder vernichtet? Das Laster wird ausgemalt in den saftigsten Farben und unsere friihreife Ju- gend wird taglich auf eine Sinnesweide gefuhrt, wie sie iippiger nicht ge- dacht werden kann. Recht wird Unrecht, Siinde eine reizende Schwache, der Galgenvogel wird zum Zellenmartyrer, die Megare zum Tugend- lamme umgestempelt ! Wehe dem Reaktionar und Finsterling, der es wagt, etwas gegen diese schwarze Weltmacht zu sagen !

Eine ruhmliche Ausnahme machen unsere leitenden, deutschen Zei- tungen, die ethisch weit iiber ihren dekolletierten, englischen Schwestern stehen, aber leider von ihren lieben Landsleuten nicht gebiihrend unter- stiitzt werden. ,,The English paper has more news!" hort man sagen. Der Schaden, der durch diese Presse der Jugend, an ihrem Charakter und ihrer Moral zugefugt wird, ist ganz unberechenbar ! Es ist Pflicht des Erziehers, auf diese eminente Gefahr mit allem Nachdruck hinzuweisen!

196 P'ddagogische Monatshefte.

Die Schaden moderner Erziehung in der Schule habe ich schon an- gefiihrt, indem ich von der Uberbiirdung des Zoglings mit Wissenskram und einer Unmasse von Detailkenntnissen sprach, die das Kind der Ge- genwart sich anzueignen hat. Zu dieser Uberladung des Kopfes kommt noch der Umstand, dass die Strafmittel des Lehrers auf ein Mindestmass zuriickgesetzt werden und die Autoritat des Lehrers gegeniiber dem rup- pigen Elemente vieler Grossstadte und der mannlichen Jugend iiberhaupt nur mit Muhe behauptet werden kann. Allerdings ist es fiir die Schul- leitung viel bequemer, einen widerborstigen Schlingel nach dem Korrek- tionshause abzuschieben, als zweifelhafte Kraftproben mit ihm anzustel- len. Eine Dosis ungebrannter Asche ist in meinen Augen menschlicher, als ihm das Brandmal der Strafanstalt aufzudriicken. Dass korperliche Ziichtigung nur ultima ratio sein soil, brauche ich doch kaum zu er-

wahnen.

* * *

Die korperlichen Schaden des Intellektualismus, die durch Uberbiir- dung des Schiilers an Unterrichtsstoffen hervorgerufen werden, sind teil- weise und langsame Verkiimmerung des Korpers, Erschlaffung der Mus- keln, Blutarmut, Lungenschwindsucht, Augenleiden, namentlich Kurz- sichtigkeit und eine Kette Nervenleiden.

Auch hier miissen wir das schwergestorte Gleichgewicht wiederher- zustellen suchen und zwar durch Spiele, Ausfliige und hauptsachlich durch systematisches Turnen, als dessen Pioniere unsere braven, deut- schen Turner nicht nur uneingeschranktes Lob, sondern auch die voile Unterstiitzung eines jeden Schulmannes verdienen.

Dass aber auch den Lehrern und alien denen, die ein Berufsstudium treiben, ja alien Gebildeten geistig zuviel zugemutet wird, beweist die er- schreckende Zunahme der Nervenleiden und Geisteskrankheiten, beweist namentlich die Zunahme des Wahnsinns unter dem weiblichen Geschlecht. Die Nerven, die zarten Trager der Seele und die Vermittler ihrer Ausse- rungen sind nicht mehr imstande, die gewaltige Spannung, den intensi- ven Druck, die Hast und Aufregung des modernen Lebens auszuhalten.

Wahrlich, das Gleichgewicht in Erziehung und Volksleben ist ernst-

lich gefahrdet!

* * *

Werte Amtsgenossen !

Appellieren mochte ich an Sie, deren Herzen deutsch sind und schla- gen, alles aufzubieten zur Hebung und Wahrung einer Gemiits- und Cha- raktererziehung unserer Jugend, um das gestorte Gleichgewicht wieder- herzustellen.

Wir sind die Missionare unserer herrlichen, vielangefochtenen Sprache und die Hiiter einer zielbewussten Erziehung, deren Ziel die voile Entwickelung des Menschen nach seinen Wesensteilen ist. Deut- sches Denken, Fiihlen und Wollen miissen wir dem amerikanischen Volke

Das Gleicbgewicbt in der Er^iebung. 197

beibringen, wir miissen ein ethischer Faktor sein im Volksleben. Des- halb ist die Wahrung der deutschen Sprache eine Kulturfrage beim Auf- bau des amerikanischen Volkscharakters. Dem Angelsachsischen und Keltischen muss das Deutsche die Wage halten. Deutsche Charakterbil- dung muss mithelfen und mitbestimmen in der Charaktererziehung un- serer Jugend.

Und die Kraft hierzu finden wir in der Liebe, sie des Gesetzes Er- fiillung; denn es bedarf der Anspannung aller sittlichen Krafte unseres Volkes, um das Gleichgewicht zu gewinnen. Wir miissen uns in die Bre- sche werfen, die das Bose in unserem Volksleben gerissen hat. Es ist da, ob wir es als metaphysische Unvollkommenheit oder als positive Ener- gie bezeichnen, es ist eine damonische Macht, mit der der Erzieher und Ethiker zu rechnen hat. Wer wollte im Angesichte der tobenden Lei- denschaften, die allerorts ihre blutigen Opfer fordern, wer beim Geden- ken der Zuchthauser, Gefangnisse und Irrenhauser diese diabolische Macht leugnen?!

Wer ist nicht schon iiber seinen eigenen Gedanken zur Erkenntnis des Bosen gelangt? Welche Gedankendramen spielen sich nicht ab hin- ter dem Marmor unserer Stirnen ? !

Und das Bose soil lediglich eine Gehirnstorung sein, die Folge einer morphologischen Stoning des Gehirns? Ist nicht so manche Gehirnsto- rung nur die Folge seelischer und moralischer Entartung, der die leib- liche naturgemass auf dem Fusse folgen muss?

Die Weltgeschichte lehrt, dass die grossen Ideen sich in der Men- schengeschichte verkorpern. Die blutigen Katastrophen derselben sind ihr Facit oder Deficit. Aber diesen geschichtlichen Vorgangen und Ex- plosion en gehen langjahrige, psychologische Prozesse im Volkerleben voran, und es ist meine feste Uberzeugung, dass eine anhaltende, ein- schneidende Gleichgewichtsstorung in Erziehung und Volksleben iiber kurz oder lang soziale Katastrophen zeitigen wird, daher meine nochma- lige, eindringliche Bitte an meine Berufsgenossen beiderlei Geschlechts :

,,Werfet Euer Hauptaugenmerk auf eine zielbewusste Charakterer- ziehung unserer Jugend zur Ausgleichung des Gleichgewichtes."

Und willst du lehren,

So laut're dich in stillen Sammelstunden,

Dann lass dich horen

Und Wahrheit deinen Mund bekunden.

Sei du ein Mann im Leben, in der Lehre, Wenn du erziehst, erziehe Charaktere!

(Umgearbeitet im Juni 1901.)

Die Wetterwarte der Vereinigten Staaten.

Von Ubald Willenborg, Public Schools, Cincinnati, O.

Am 9. Februar 1870 wurde vom Reprasentantenhaus und Senat der Vereinigten Staaten folgender gemeinschaftliche Beschluss gefasst: ,,Sei es beschlossen, dass der Kriegsminister hiermit autorisiert und aufgefor- dert sei, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen zur meteorologischen Beobachtung in den verschiedenen Militarstationen im Innern des Kon- tinents und anderer Punkte in den Staaten und Territorien der Vereinig- ten Staaten, um an den Seekusten durch den elektrischen Telegraphen und durch Marinesignale Warnung von dem Annahern und der Starke der Stiirme zu geben."

Durch diesen weisen Beschluss wurde unsere amtliche Wetterwarte ins Leben gerufen. Bevor wir jedoch die Tragweite dieser Resolution und die weitere Entwickelung des meteorologischen Dienstes ins Auge fassen, mochte es angezeigt sein, einen kurzen Riickblick auf die Ge- schichte der Meteorologie zu werfen.

Bei dem grossen Einflusse, welchen Wind und Wetter auf das Wohl- befinden und die Gemutsstimmung des Menschen, auf Handel und Ge- werbe, auf Ackerbau und Schifffahrt ausiiben, ist es nicht zu verwun- dern, wenn denselben von jeher die grosste Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Gliicklich waren bei der Losung der Wetterprobleme die alten Volker, welche in ihrer naiven Naturauffassung das gute oder bose Wet- ter, Sturm und Regen, und ganz besonders den Donner der milden oder iiblen Laune einer ganz bestimmten Gottheit, gewohnlich dem obersten der Cotter, zuschrieben.

Bei den Griechen war es vor allem Zeus, der Vater des Olymps, wel- cher alle Witterungserscheinungen lenkte und regierte. Das Werkzeug seiner die ganze Welt beherrschenden Macht war der Blitz. Seine Stelle vertrat bei den Romern bekanntlich Jupiter. Die altnordischen Volker teilten dem obersten Gotte Thor die Macht zu, Blitz und Donner auf die Erde zu schleudern. Hierzu besass er ein furchtbares Werkzeug, den Donnerhammer (Miolnis), der nie sein Ziel verfehlte und stets wieder von selbst zur Hand des Gottes zuriickkehrte. Bei den Germanen er- drohnte das Himmelsgewolbe unter der Last des dariiber hinrollenden Wagens Thors, Blitze spriihten unter dem Aufschlag der Hufe und dem Rollen der Rader. Mit einigen Unannehmlichkeiten verbunden war die sonst so einfache Losung dennoch; gait es doch, den betreffenden Gott womoglich bei guter Laune zu erhalten und, wenn der Regengott die Him- melsschleusen nicht offnen wollte oder zu lange oder zu weit geoffnet Hess, oder wenn der Donnergott die gezackten Blitze mit zu grosser Wucht auf die zitternde Menschheit herunterschleuderte, denselben durch reichliche Opfer zu besanftigen.

Die Wetterwarte der Vereinigten Staaten. 199

Als man nach der Verbreitung des Qiristentums eine einzelne Gott- heit nicht mehr fiir die Launen des Wetters verantwortlich machen konnte, und als im 13. Jahrhundert der Hexenglaube allgemeine Verbreitung ge- funden hatte, wusste man sich auf andere Weise zu helfen. Da waren es die bosen Hexen, welche dieses und bekanntlich noch manches andere verschuldet batten.

Etwa zur selben Zeit, besonders im 14. und 15. Jahrhundert, er- reichte die Astrologie, die ihren Ursprung wahrscheinlich von den Chal- daern herleitet, ihre hochste Stufe. Wenn auch die Anwendung der Sterndeutekunst auf die Geschicke des Menschen immer im Vordergrunde gestanden hat, so wurden doch zu dieser Zeit Wettervorhersagen fast aus- schliesslich aus den astrologischen Lehren geschopft. Das Wetter hangt ja bekanntlich im wesentlichen von dem Einflusse der Sonne auf die At- mosphare ab, warum sollten denn nicht die anderen Planeten eine ahn- liche Wirkung ausuben. Die sieben Wandelsterne des Altertums waren : Sonne, Mond, Saturn, Jupiter, Mars, Venus und Merkur. Jupiter gait als feucht und warm, Mars als heiss und trocken, Venus, Merkur und Mond als kalt, letzterer ausserdem noch als windig, Saturn als bosartig. Das Wetter wurde von dem Planeten bestimmt, welcher zur Zeit gerade die Herrschaft fiihrte.

Ein Ausfluss der astrologischen Bestrebungen war der hundertjah- rige Kalender, welcher in der zweiten Halfte des 17. Jahrhunderts von Dr. Mauricius Knauer, Abt im Kloster Lauchheim, veroffentlicht wurde. Da unter den vielen Vorhersagen einige naturgemass eintreffen mussten, und da Ausnahmen bekanntlich den Wert einer Regel beweisen, so braucht man nicht zu erstaunen, dass sich dieses Wunderbuch selbst bis in die Jetztzeit erhalten hat, und noch heute mancher biedere Landmann auf sei- nen hundertjahrigen Kalender schwort.

Es ist einleuchtend, dass eine genauere Wetterbeobachtung erst er- moglicht wurde, nachdem es gelungen war, die Temperatur der Luft und den Luftdruck genau zu messen, also nach der Erfindung des Thermo- meters und Barometers. Und selbst dann noch sollte es bis zum Beginn des neunzehnten Jahrhunderts dauern, als noch andere, zu einer exakten Beobachtung notwendige Apparate, wie Windmesser, Feuchtigkeitsmes- ser etc. in Gebrauch gekommen und vervollkommnet waren, bis die Mete- orologie auf eine wissenschaftliche Grundlage gestellt werden konnte.

Das Hauptverdienst gebiihrt dem Heroen des Geistes, Alexander von Humboldt, und Heinrich Wilhelm Dove ; ersterem wegen seiner im Jahre 1817 veroffentlichten Schrift iiber ,,Isothermen", letzterem wegen seines Werkes: ,,Verbreitung der Warme auf der Oberflache der Erde" (1852). Wenngleich viele, ja die meisten der von Dove in seinen ersten Schriften aufgestellten Theorien sich spater als unrichtig erwiesen, so ist er doch wegen der gewaltigen Anregung, welche er dieser neuen Wissenschaft

200 Pddagogiscbe Monatsheftt.

gab und wegen der langen erfolgreichen Thatigkeit auf diesem Gebiete als der ,,Altmeister" der Witterungskunde zu betrachten. Ihnen reiht sich wiirdig an der Franzose Lavoisier und der Hollander Ballot, letzte- rer durch sein im Jahre 1857 aufgestelltes und nach ihm benanntes Ge- setz, welches lautet : ,,Der kommende Wind wird das Zentrum der Depres- sion zur Linken haben, ungefahr unter einem Winkel von 90 Grad."

Die Vereinigten Staaten waren nicht zuruckgeblieben. Es mogen nur die Namen Redfield, Espy, Coffin, Loomis und besonders Prof. Wil- liam Ferrel Erwahnung finden.

Die Untersuchungen dieser Meteorologen waren bis dahin wesent- lich theoretischer, wissenschaftlicher Natur gewesen ; einen wirklich prak- tischen Wert erhielt die Witterungskunde erst durch die Wetterprognose. Schon im Jahre 1784 machte Lavoisier den Vorschlag, Instrumente iiber Frankreich zu verteilen, mit deren Hilfe es vielleicht moglich ware, jeden Morgen Wettervorhersagen zu veroffentlichen, welche der Gesellschaft von grossem Nutzen sein wiirden. Wir sehen also, dass der Gedanke einer Wetterprognose mehr als hundert Jahre alt ist. Praktische Durch- fiihrung konnte diese Idee erst nach der Erfindung des elektrischen Tele- graphen finden, so dass Kreil im Jahre 1842 vorschlagen konnte, jeden Tag gleichzeitige Beobachtungen iiber den Zustand der Atmosphare an- zustellen. Dieser Gedanke fand bald Beifall, und im Jahre 1856 verof- fentlichte das Smithsonian Institute in Washington unter der Leitung des Professors Henry tagliche Wetterkarten, auf welchen durch entsprechende Zeichen der Zustand der Atmosphare iiber den Vereinigten Staaten an- gedeutet war.

Aber das hier so schon begonnene Werk sollte bald einen schweren Schlag bekommen, da durch den Ausbruch des Biirgerkrieges im Jahre 1861 alle idealen Interessen in den Hintergrund traten. Nach Beendi- gung des Krieges wurde der Plan jedoch bald von neuem aufgenommen, wobei unsere Meteorologen den Vorteil hatten, die inzwischen auf dem europaischen Kontinent gesammelten Erfahrungen verwerten zu konnen. Das Smithsonian Institute nahm seine Beobachtungen bald wieder auf, und die verschiedensten Grossstadte des Landes begannen das regste In- teresse fur Wetterberichte zu zeigen. Unsere Stadt, Cincinnati, stand nicht zuriick. Im Jahre 1868 gelang es einem Professor der hiesigen Sternwarte, Cleveland Abbe, der sich als Meteorologe bereits einen Na- men erworben, sich die Unterstiitzung der Cincinnatier Handelskammer und die Dienste der Western Union Telegraph Company zu sichern, um zunachst einen taglichen Wetterbericht und bald darauf auch eine Wet- terkarte mit Berichten von 30 verschiedenen Stationen vom atlantischen Ozean bis zum ostlichen Abhange der Felsengebirge zu veroffentlichen. Diese Karten zeigten die Temperatur, Bewolkung, Regen, Schnee und Windrichtung, aber weder Windstarke noch Isothermen.

Die Wetter-war te der Vereinigten Staaten. 201

Man kam bald zu der Erkenntnis, dass eine isolierte Thatigkeit zu kostspielig und zu wenig erfolgreich, und deshalb die Schaffung einer Zentralstelle notwendig sei. Was war natiirlicher, als sich an Uncle Sam zu wenden, welcher das notige Geld besass und wahrscheinlich auch den guten Willen haben wiirde, hier helfend einzugreifen. War der gute On- kel doch schon in den Jahren 1845 bis l^5 von Espy und Henry vom Smithsonian Institute, von Maury in der Marine, General Reynolds vom Ingenieurskorps der Armee, Kommissionar Walls vom Ackerbau-De- partement und Major Lachman im Namen der American Association for the Advancement of Science wiederholt angegangen worden, eine solche Stelle fiir Sturm- und Wettervorhersagen zu schaffen. An letzter aber nicht geringster Stelle war es Dr. Increase A. Lapham von Milwaukee, ein hervorragender Gelehrter und Menschenfreund, welcher immer und immer wieder darauf hinwies, wie viel Menschenleben und Eigentum durch zeitige Sturmvorhersagen gerettet werden konnten. Diese Bitt- schriften hatten denn auch endlich den erwiinschten Erfolg, und so wurde am 9. Februar 1870 der eingangs erwahnte Beschluss gefasst.

Betrachten wir denselben naher, so werden uns zwei Punkte ins Auge fallen, namlich erstens, dass sich die Wetterprognose auf die Vorhersage von Stiirmen auf den nordlichen Seen und an den Kiisten des Ozeans be- schrankte, und zweitens, dass das zu schaffende Wetterbureau dem Kriegsministerium unterstellt war. Es lag nahe, dass die Organisation dieses Bureaus dem Vorsteher des Signalkorps, General Albert A. Meyer, iiberwiesen wurde, welcher diese Stelle vom 9. Februar 1870 bis zum 24. August 1880 innehatte. Sein Nachfolger war General W. B. Hazen, der vom Dezember 1880 bis zum Dezember 1886 diesem Amte vorstand.

In der Ernennung des Generals Meyer hatte man eine ausgezeich- nete Wahl getroffen. Unter seiner mehr als lojahrigen Verwaltung wur- den fast die samtlichen Operationsmethoden eingefuhrt, welche noch jetzt im Gebrauch sind. Gleich beim Antritt seiner Verwaltung betrachtete er es als seine erste Aufgabe, eine genugende Anzahl von Offizieren und Sergeanten in ihren grosstenteils neuen Pflichten zu unterrichten. In Fort Whipple, jetzt Fort Meyer, bei Arlington in Virginien, bestand eine Schule fiir die Ausbildung der Heeres- und Flottenoffiziere ; durch ihn wurden dem Lehrplan dieser Schule die theoretische und praktische Un- terweisung in der Meteorologie hinzugefugt. Bald wurde auch der be- reits erwahnte Professor Qeveland Abbe als wissenschaftlicher Lehrer fiir dieselbe gewonnen. Dieser hervorragende Astronom und Meteoro- loge ist noch jetzt als Dekan des wissenschaftlichen Stabes der Wetter- warte in Washington erfolgreich thatig.

General Meyer ging gleich nach der Ubernahme seines neuen Amtes ruhrig ans Werk. Schon am I. November 1870 war er imstande, um 7 Uhr 35 Minuten vormittags das erste Wetter-Bulletin zu veroffentlichen.

202 P'ddagogiscbe Monatsbefte.

Kurz nachdem das Wetter-Bureau geschaffen war, stellte sich her- aus, dass die Arbeiten desselben sich in zu eng gesteckten Grenzen be- wegten. Am 10. Juni 1872 wurde das Wirkungsfeld ausgedehnt, indem tagliche Berichte iiber den Wasserstand in den Fliissen hinzugefugt wur- den.

Wir sehen, dass durch die getroffenen Vorkehrungen wesentlich nur

^der Schifffahrt, und damit natiirlich auch dem Handel gedient war. Han-

. del und Verkehr verlangten aber bald weitere Beriicksichtigung, und auch der Ackerbau beanspruchte seinen berechtigten Teil. Zugleich machte sich, um moglichst zuverlassige Wetterprognosen zu erlangen, das Be-

, diirfnis geltend, die Beobachtungen nicht auf die Vereinigten Staaten zu beschranken, sie vielmehr auf die benachbarten Lander auszudehnen, auf

, das nordlich gelegene Kanada zur Beobachtung und Vorhersage von Zy- klonen und der sogenannten ,,kalten Wellen", und auf die westindischen Inseln betreffs der Hurrikane; und um moglichst vollstandige Berichte •zu erhalten, waren Berichte von Mexiko und selbst von Alaska erwunscht und notwendig.

Bei dieser wesentlichen Erweiterung des urspriinglich gesteckten Zie- les konnte man sich der Erkenntnis nicht verschliessen, dass die vergro- .sserte Arbeit sich nicht wohl mit dem Militardienste vertrage, dass es viel- •mehr vorzuziehen sei, das Wetterbureau einem Korps von wissenschaft- lich fiir ihren Beruf vorgebildeten Nichtmilitars zu iibertragen. Ein da- hingehender Kongressbeschluss wurde am i. Oktober 1890 gefasst, und xiurch denselben das Wetterbureau am i. Juli 1891 dem Ackerbauministe- r-ium unterstellt. General A. W. Greely, auch als Nordpolforscher ruhm- lichst bekannt, der dem Bureau vom Dezember 1886 an vorgestanden hatte, legte seine Stelle nieder, und an seiner Statt wurde Professor Mark W. Harrington ernannt, dem am i. Juli 1895 der jetzige Vorsteher Willis L. Moore folgte.

Die Scheidung zwischen Militar- und Nichtmilitarpersonen war nie £ine strenge gewesen. Wahrend der 20 Jahre, in welchen die Wetter- warte dem Kriegsministerium unterstanden hatte, waren ausser Militar- personen stets auch wissenschaftlich gebildete Zivilisten angestellt wor- den; nach dem Ubergange an das Ackerbauministerium wurde ein Teil der in diesem Dienste thatig gewesenen Offiziere beibehalten, bis beim Ausbruch des spanisch-amerikanischen Krieges alle Offiziere fiir den Kriegsdienst benotigt wurden, so dass jetzt der meteorologische Dienst thatsachlich ganz in den Handen von Zivilisten liegt, wenngleich auch jetzt noch die strenge Disziplin an friihere Zeiten erinnert.

(Schluss folgt.)

Das deutsche Lied in der Volksschule.

(Fiir die Padagogischen Monatshefte.)

Von Anna Hohgrefe, Public Schools, Milwaukee, Wis.

Nachfolgende Arbeit hat den Zweck, im Anschluss an den Wert des Liedes oder des Gesanges in der Schule, den Titel oder auch den Text einiger Lieder vorzufuh- ren. Dies geschieht mit besonderer Verteilung auf die Grade, den Unterrichtsstoff, die Tages- und Jahreszeiten, sowie auch mit besonderer Beriicksichtigung passender Liedchen fur die Feiertage.

Gesang verschont das Leben, Gesang erfreut das Herz, Ihn hat uns Gott gegeben Zu lindern Sorg und Schmerz.

Diese Strophe eines alten Kirchenliedes kommt mir unwillkiirlich in die Feder.

'ttber den asthetischen Wert des Singens brauche ich mich gewiss nicht des weiteren zu verbreiten. Denn, dass gesungen werden soil, nicht nur des Singens wegen, sondern um den Unterricht zu verschonern, zu beleben, um erhei- ternd auf die Kinderherzen einzuwirken, daruber sind gewiss alle eines Sinnes. Kann doch ein schones Lied, hiibsch gesungen, seinen erzieherischen Wert nicht ver- fehlen. Und es liesse sich oben erwahnte Strophe leicht so umandern:

Gesang verschont die Schule, Veredelt's Kinderherz.

Sie werden entgegnen, iiber den Wert ist nicht zu streiten, doch woher in der uns so karglich zugemessenen Zeit noch Musse nehmen fur das Schone, Wunschens- werte, wenn zum Notwendigen kaum Zeit vorhanden ist. Hier drangt sich die Frage auf, wann soil gesungen werden? Beim Beginn des Unterrichts, besonders in den unteren Graden; zur Abwechslung, wenn sich Ermiidung zeigt; iiberhaupt immer, wenn sich ein Anlass dazu findet, inimer wenn man etwas besser zu befesti- gen wiinscht, besonders beim Anschauungsunterricht. An Stoff fehlt es auf dieser Stufe gewiss nicht, da in den Liederbiichern fur deutsche Kindergarten vieles ent- halten ist, was sich an den Anschauungsunterricht anschliesst.

Wenn ein Dichter irgendwo sagt: Nur immer singen, singen, und ein Erzieher einmal den Ausspruch that, er mochte alles singen lassen, da es sich so besser befestige, so konnen diejenigen unter uns, die Singen iiben, dem Gesagten gewiss beipflichten, denn dass Kinder den Text von Liedern leichter lernen und langer im Gedachtnis behalten, als zur Deklamation gelernte Stiickchen, ist zur Geniige be- kannt.

Hier waren nun wohl ein paar Worte iiber das Einiiben von Liedern am Platze. Selbstverstandlich wird nicht gleich gesungen, sondern das Lied wird erst vorge- sprochen, ja, wo immer thunlich, kann sogar der Inhalt des Liedes vorerst in Form einer kleinen Geschichte erzahlt werden. Dies weckt das Interesse so, dass die Worte dann schneller gelernt werden. Dann singt der Lehrer das Lied vor, lehrt jedoch immer nur einen Satz zur Zeit. Wahrend nun vom Lehrer die Worte ge- sungen werden, summen die Kinder die Melodie. Hier ware zu erwahnen, dass die Methode, durch Vorsingen zu lehren, jener, welche empfiehlt, die Melodie mittelst eines Instrumentes den Kindern vorzutragen, vorzuziehen sei; erstens, weil die menschliche Stimme dem Kinde die Melodie naher bringt, und zweitens, weil durch Vorsingen des Liedes den Kindern die Worte schneller zu eigen werden durch die of te Wiederholung seitens des Lehrers. Auch braucht der Seminarist sich jetzt nicht

204 PMagogische Monatsbefte.

mehr mit der Geige zu qualen. Doch nun zum eigentlichen Zweck dieser Arbeit. Beginnen wir mit den unteren Graden; ganz besonders filr diese passen einige hilbsche Eroffnungsliedchen :

Heut an diesem schonen Morgen sind versammelt alle hier; Neu belebt und frei von Sorgen stehen wir vereint jetzt hier. In der Kindheit ersten Jahren lernen wir uns lieben hier. Sie, die Liebe, lasst uns wahren in dem Herzen. fur und fur.

Ein anderes ist:

Rasch steh'n wir vom Bettchen auf, Geh'n zur Schul' in schnellem Lauf.

Recht htibsch ist auch:

Froh seh'n wir uns wieder Im kindlichen Verein, Durch Worte, Spiel und Lieder Uns iibend zu erfreu'n.

Mit Freuden wir uns finden In jeder Jahreszeit; Die griinen Baume kiinden Die holde Friihlingszeit.

Die Blumen uns entziicken In warmer Sommerzeit; Der Herbst will uns erquieken Mit reicher Fruchtbarkeit.

Und kommt der kalte Winter, Soil Arbeit uns erfreu'n, Dann lasst uns, liebe Kinder, Recht still und fleissig sein.

Ftir die mittleren Grade empfiehlt sich:

Morgen erwachet, Dunkel entflieht, Golden am Himmel Sonne ergliiht. oder:

Steht auf ihr langen Schlafer, Der Kuckuck hat geschrie'n, Und von des Berges Hohen Sieht man die Sonn' aufgeh'n.

Ganz besonders gefallt den Kindern das Lied: Nun reibet euch die Auglein aus, dessen Kehrreim Guten Morgen, guten Morgen, wenn einigermassen hiibsch ge- sungen, allerliebst klingt.

Gehen wir zum Anschauungsunterricht. Wenn wir Hand, Fuss und Finger durchnehmen, wie schon passt da das reizende Liedchen aus der Operette Hansel

und Gretel:

Mit den Handchen klapp, klapp, klapp,

Mit den Fusschen trapp, trapp, trapp. Und wenn es nun gar heisst:

Mit dem Finger wink' ich Dir, Liebes Kindchen tanz' mit mir. Mit dem Kopfehen nick, nick, nick, Mit den Fingern klick, klick, klick, Einmal bin und einmal her, Ei, wie ist das Tanzen schwer!

Das deutscbe Lied in der l^olksscbule. 205

Da strahlen die hellen Kinderaugen vor Freude, und die Worte Hand, Fuss, Finger und Kopf sind selbst bei amerikanischen Kindern auf immer befestigt. Beim Betrachten der Uhr und des Uhrwerks singt wohl manche Klasse:

Die Uhren, Hebe Kinder, Die haben keine Ruh' Im Sommer und im Winter, Sie gehen immerzu!

Auch folgendes Liedchen, bei dem vier kleine Kinder ein Rad vorstellen, gefallt Kindern sehr:

Drehe Dich, mein Radchen klein,

In dem Uhrenrund,

Dass wir mogen sicher sein

Bis auf die Sekund'.

Geht das Radchen 'rum, 'rum, 'rum,

Bleibet auch die Uhr nicht stumm,

Gehet imnier tick'e tack, tick'e tack.

Bei reiferen Schiilern kann noch die zweite und dritte Strophe hinzugefiigt werden :

Grosser muss das Radchen sein

Einer Spinnerin.

Spinnt die Wolle glatt und fein,

Radchen bringt Gewinn.

Geht das Radchen surre surr',

Wachst die Woll' auf weisser Flur.

Surre, surre, u. s. w.

Spielen und Spielzeug, alles haben kinderfreundliche Dichter in Liedern ver- herrlicht.

Das gemeinsame Spielen

Macht uns alle so froh;

Wenn allein wir uns fiihlen,

Ist's lange nicht so.

Nun ist eines verschwunden,

Eines fehlet im Kreis.

Nun sollst Du's uns erkunden,

Uns erraten mit Fleiss.

Bei diesem Liede, das zugleich Spiel ist, verbirgt sich ein Kind, wahrend ein anderes, dem vorher die Augen verbunden wurden, nun erraten muss, wer fehlt. Das Spiel, zusammen mit der gefalligen Melodie, erfreut die Kinder stets sehr.

,Des Bruders Karl Trompete geht lauter als die Flote", bei dem die Knaben pfeifen, wahrend die Madchen die Melodie singen, bleibt das Lieblingslied jeder Klasse, der es gelehrt wurde. Dem Spielzeug der Knaben und Madchen ist Rech- nung getragen in:

Wollt ihr wissen, wollt ihr wissen, was die kleinen Madchen machen? Ptippchen wiegen, Ptippchen wiegen und nur immer Piippchen wiegen, Wollt ihr wissen, wollt ihr wissen, was die kleinen Knaben machen? Peitschen knallen, Peitschen knallen, und nur immer Peitschen knallen.

Nachdem hier die Knaben den Madchen geholfen 's Piippchen wiegen, helfea letztere tiichtig mit, wenn die kleinen Knaben ihre Peitschen knallen.

206 Padagogiscbe Monatshefte.

Fur grossere Kinder empfiehlt sich:

Wir spielen und hiipfen so munter, So munter wie Hirschlein im Wald. Doch lernen wir fleissig mitunter, Denn Kinderchen werden auch alt.

Benutzt man die Prangschen Bilder, die verschiedenen Handwerke darstellend, so konnen in dem Liedchen: Wenn die Kinder artig sind, dann sind die Kinder froh; Und wenn sie auch recht lustig oder fleissig sind, dann machen 's alle so: die ver- schiedensten Bewegungen, wie Sagen, Hammern, Stricken, Nahen, Biigeln u. s. w. nachgeahmt werden.

Sprechen wir vom Backer, so sind besonders die 2. und 3. Strophe des allbe- kannten Liedes : Es klappert die Miihle am rauschenden Bach u. s. w. recht schon zu verwerten. Hier kann beim Singen das Klappern und Drehen der Rader durch Bewegungen mit den Handen und Armen veranschaulicht werden. Beim Bespre- chen der Landarbeit, was besonders im Friihling passend ist, gefallt den Kindern das Lied: Wollt ihr wissen, wie der Bauer sat, maht, drischt und nach der Arbeit ausruht, mit Gesten ausserordentlich gut.

Und wenn oft alles nicht recht gehen will, dann stimmen wir an: Kindchen, was fallt dir ein, So'n Gesicht /u machen? Wirst doch nicht miirrisch sein? Komm', lass' uns lachen. Weisst du nicht, wie man lacht, wie man lacht:||

Kommen wir zur Betrachtung der Tiere, sowohl beim Anschauungsunterricht als auch auf der Fibelstufe, so finden wir auch hier iiberreich Material an Liedchen.

Da ist vor alien das alte, doch Kindern und auch Eltern stets neue: ,,Kommt ein Vogel geflogen", und es scheint mir irrig, Kindern diese alten, liebgewordenen Melodien vorzuenthalten, nur weil sie alt sind, und wir sie schon zum so und so vielten mal gelehrt haben. Denn was die Mutter oder gar die Grossmutter singt, das gefallt dem Kinde, das lernt es gern, und was es gern lernt, das lernt es auch leicht; und bei einem Gegenstand, der unterhaltend belehren soil, darf man der Nei- gung der Kinder wohl Rechnung tragen, wo es sonst oft geboten scheint, ihr zu steuern. Doch dies nur nebenbei. Also zuriick zu unseren Laedchen. Den bekann- ten ,,Der Kuckuck und der Esel", ,,Als unser Mops ein Mopschen war", ,,Fuchs, du hast die Gans gestohlen", O, die Katz' sitzt auf der Lauer", schliessen sich neuere an, wie: ,,Geht das Pferdchen Schritt vor Schritt", und eines, das erst in der Oktobernummer der Zeitschrift ,,Fiir unsere Jugend" erschien. Es fasst viele Tiere auf einmal und gefallt den Kindern sehr, und eine nimmer miide Kindergartnerin hat auch bereits eine Melodie dazu gefunden.

,,Piep!" sagt lieb' Voglein und fliegt auf den Baum, Steckt den Kopf in sein Nest und riihret sich kaum. ,,Piep, piep!"

,,Mah!" sagt klein Lammchen, ,,mah!" meckert es bloss, Dann legt es sich nieder ins duftende Moos. ,,Mah. mah!"

,,Husch, husch!" macht das Haschen und schliipft unter'm Strauch, Versteckt da sein Naschen, bald schlummert es auch. ,,Husch, husch!"

,,Miau!" sagt das Katzchen und schmieget sich nah, Ganz zartlich, ganz leis an die Katzenmama. ,,Miau!"

Und ,,Ich bin so miide!" so fliistert mein Kind, 'r Lehnt's Kopfchen an Miitterleins Schulter geschwind. ,,So mud'!"

Das deutscbe Lied in der l/olksscbule. 207

Doch alle iibertrifft unser altes ,,Hopp, hopp, hopp, Pferdchen lauf Galopp", wenn man dabei, wie ich's einmal von einem kleinen Wildfang lernte, die Kinder die Haltung des Reiters nehmen lasst. Dann wird nicht nur das Wort Pferd, son- dern auch Zaun und Ziigel gut befestigt. Von den vielen, die sich auf Tiere bezie- hen, mochte ich noch einige hervorheben, so: ,,Ein Katzchen kommt gegangen, will das Mauschen fangen"; besonders aber ,,O Mauselein, o Mauselein, u. s. w", das schon durch seine Melodie bei den Kindern eine angenehme Erinnerung weckt, und daher beliebt ist. Lasst man bei diesem Lied die Kinder das Zuklappen der Falle nachahmen, so schlagt man wohl keine Maus, aber, wie das alte deutsche Sprichwort sagt, zwei Fliegen auf einmal tot, denn neben Maus lernen die Kinder leicht die Worte Falle und fangen.

Selbstredend kann dies besonders bei der schnellen Versetzung der Kinder nicht alles in den untersten Klassen gelehrt werden, aber Kinder singen gern, wenn gleich leider nicht immer schon, und so kann auch noch manches in den mittleren Graden Verwertung finden. Spricht oder liest man von Kuche und Ofen, so empfiehlt sich folgendes nach der Melodie: ,,Wer will unter die Soldaten" gesungenes Lied: ,,Willst du eine Kochin werden, fange f rtih zu kochen an : 1 1 Da man ohne Muh' auf Erden doch nichts Rechtes lernen kann.

Ein hiibsches Lied, auf die Sage passend, ist: ,,Sage, sage, :|| sagen will ich alle Tage Viele Stiicke gross und klein, fur mein liebes Miitterlein. Und bei Sa.be! und Soldaten sei auch unser altes: ,,Wer will unter die Soldaten" nicht vergessen.

Ist Schaf, Weide, grasen oder weiden in der Leseaufgabe, so lasst sich :

Auf dem griinen Rasen, Wo die Veilchen bliih'n, Geht mein Schafchen grasen In dem frischen Griin.

gut zu verwerten. Oder das bekannte:

Ein Schafermadchen weidete zwei Lammlein an der Hand Auf einer Flur, wo fetter Klee im weichen Sande stand, Da hort sie in dem nahen Walde einen Kuckuck lustig schrei'n: Kuckuck, tralra :||, Kuckuck, u. s. w.

(Schluss folgt.)

Berichte und Notizen.

I. Korrespondenzen.

(Fur die Padagogischen Monatshefte.)

Baltimore.

Fur die Pflege des deutschen Volkslie- des in unseren offentlichen Schulen hat Oberlehrer Friedrich Schrb'ck in der jiingsten Lehrerversammlung eine Lanze gebrochen durch die Worte:

,,Ich stelle den Antrag, dass von dem Prasidenten ein Komitee ernannt werde, welches eine gewisse Anzahl Lieder und zwar Volkslieder auswahlen soil, diege- wissermassen einen eisernen Bestand in unseren Schulen bildeten, und welche auf die einzelnen Klassen verteilt in alien englisch-deutschen Schulen zum Memo- rieren zu gebrauchen waren und auch memoriert werden miissten. Es wiirde der Vorteil daraus entstehen, dass Kinder, welche von einer Schule in die andere kommen, sofort mitmachen konnten.

,,Ferner ist es eine eigentiimliche Er- scheinung, und wir alle haben sie schon sattsam beobachtet, dass Kinder, welche sonst keine oder doch nur geringe Lust zum Deutschen zeigen, mit Lust einstim- men, wenn deutsche Lieder gesungen wer- den. Diese Lust im Kinde sollten wir zu erhalten, zu pflegen und zu fb'rdern suchen und das Volkslied im deutschen Unterricht obenan stellen. Dasselbe mit seinen einfachen, volkstiimlichen Aus- driicken schlagt im Gemiite des Kindes schneller Wurzel als z. B. ein Stiick im Lesebuche iiber Goethes Weltherrschaft.

,,Aber wir singen nicht fiir die Schule, sondern furs Leben. Deshalb sollte es unser Bestreben sein, dahin zu wirken, dass sich bei unsern Schiilern die Lust zum deutschen Gesange und besonders zum Volksliede auch noch iiber die Schul- jahre hinaus erstrecke. Die Zahl der Griinde fiir meinen Antrag ist damit noch lange nicht erschopft, doch wollte ich denselben zur Einleitung einer De- batte kurz motivieren. Vielleicht wird Ihnen meine Absicht noch klarer, wenn ich den Antrag praziser in die Frage f asse :

,,Ist es wiinschenswert, dass fiir un- sere Schulen eine gewisse Zahl von Volksliedern aufgestellt werde, welche in den verschiedenen Klassen memoriert und gesungen, mindestens aber memo- riert werden sollten?"

Der Antrag fand nach kurzer Bespre- chung einstimmige Annahme, und ein Komitee ist nun mit den entsprechenden Vorarbeiten beschaftigt. Fraulein Ber-

tha Gichner, ueutsche Lehrerin an der Schule No. 983 hielt vor der Versamm- lung einen mit reichem Beifall aufge- nommenen Vortrag. Oberlehrer Karl Lii- geler konnte nach gliicklich iiberstande- ner schwerer Krankheit wieder seines Amtes als Schriftfiihrer obwalten, dage- gen waren die Oberlehrer August Hering und Adolf Schwier ins Krankenzimmer gebannt; letzterer konnte es gliicklicher- weise bald wieder verlassen, ersterer ist aber leider immer noch leidend. Das Exekutivkomitee ist wie folgt zusam- mengesetzt: Frl. M. Kaessmann, Frl. E. Remmert, Frl. E. Rogge, Frl. M. Kath- mann, Frl. M. Sonnemann, Herr L. Soine, Frl. L. Kaessmann, Frau M. Faul, Frl. M. Harman.

Der hiesige Ziceigverein des deutsch- amerikanischen Nationalbundes hat dem Biirgermeister durch den Sekretar fol- gendes Schreiben zugesandt: ,,Geehrter Herr! In tfbereinstimmung mit einer Resolution des ,,Unabhangigen Biirger- vereins" gereicht es mir zum grossen Vergniigen, Ihnen fiir die Ernennung von Prof. Ira Remsen zum Mitglied der Schulbehorde zu danken. Die Ernennung gereicht unserer Organisation ganz be- sonders zum Vergniigen, da Prof. Ira Remsen ausser seinen Fahigkeiten im allgemeinen die deutsche Sprache griind- lich beherrscht und deshalb ganz beson- ders befahigt ist, der Schulbehorde bei der 'tfberwachung der englisch-deutschen Schulen, deren Wohl einem grossen Teil unseres Biirgertunis so sehr angelegen ist, beizustehen."

S.

Californien.

Der kalifornische Verein von Lehrern der deutschen Sprache hielt am 12. April seine regelmassige Sitzung in San Fran- cisco ab. In Abwesenheit des Prasiden- ten, Prof. H. K. Schilling, der als Exa- minator des Deutschen und Franzosi- schen die High Schools des Staates be- suchte, leitete der Vizeprasident, Prof. Julius Goebel, die Versammlung. Nach Aufnahme von mehreren neuen Mitglie- dern hielt Herr W. A. Cooper von der Stanford Universitat einen Vortrag iiber die Vorteile des kursorischen Lesens im deutschen Unterricht. Der Redner em- pfahl das fliichtige Lesen von Werken besonders der Unterhaltungslitteratur als das beste Mittel, sich einen Wort-

Korresponden^en.

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sehatz anzueignen und in den Geist der Sprache einzudringen. In der Debatte, die sich an den Vortrag schloss, wurde hervorgehoben, dass es notwendig sei, diese Thatigkeit der Studenten dadurch zu kontrollieren, dass man eine Wieder- gabe des Gelesenen auf Deutsch in der Klasse verlange, und dass man daneben das Studium der Grammatik und das griindliche Lesen von einzemen Werken weiterfiihre.

Darauf folgte ein Vortrag von Herrn Martin Centner von der Staatsuniversi- tat iiber das Thema: Das deutsche Lied in der Schule. Der Vortragende betonte den giinstigen Einfluss des deutschen Volksliedes auf das Gemiit der amerika- nischen Schiller und empfahl, Klubs zur Pflege desselben zu griinden. Er selbst leite einen Klub von ungefahr 80 Stu- denten, die regelmassig zum Singen zu- sammenkommen. Dabei sei es interes- sant, die deutschen Volkslieder von Ja- panesen und Chinesen singen zu horen, die eifrige Mitglieder des Vereins seien. Nach einer freien Diskussion iiber den Wert und den Unwert der Anmerkungen zu deutschen Texten vertagte sich die Versammlung.

V. B. Cincinnati.

,,Nun Stille nah...."; wie es ,,fern" aussieht, das hoffe ich von ihren ander- weitigen Korrespondenten zu vernehmen. Hier ist unbedingt Saison morte einge- treten. Zwei deutsche Oberlehrerver- sammlungen und eine Versammlung des deutschen Lehrervereins waren eigent- lich noch zu besprechen. Es ist aber da so wenig von Bedeutung verhandelt wor- den, dass ich einfach nichts dariiber zu berichten habe.

Ein wenig lebhafter geht es innerhalb unserer vier Wande, in den Schulhau- sern, zu. Da herrscht beinahe iiberall eitel Singsang und Saitenspiel als vor- bereitende ttbungen fiir irgend eine, auf Ergatterung schnoden Mammons abzie- lende 6'ffentliche Vorfiihrung und Schau- stellung.

Sonderbarer, oder besser gesagt konse- quent-natiirlicher Weise steigern sich die von Humanitatsaposteln, Stadteverscho- nerern, Hyperasthetikern und sonstigen Wohlthatern der leidenden Menschheit und der Schuljugend insbesondere ge- stellten Anforderungen an die Leistungs- und Opferfahigkeit aller mit der Schule irgendwie verkniipften Zeitgenossen zu wahrhaft erschreckenden Potenzen. ivaum ein Monat vergeht ohne neue der- artige Ausheckungen, bei deren Um- setzung in Thaten und greifbare Resul- tate nicht immer glimpflich mit den Fak- toren Willen, Lust, Zeit und Konnen um-

gesprungen wird. Da giebt es denn Pro- ben und Hauptproben ausser, oft auch wahrend der Unterrichtsstunden ; und die Menschenfreunde, die durch ihre un- berufene Einmischung in den Schulhaus- halt den, wahrscheinlich sehr gut ge- meinten, Anstoss zu solchen buchstablich polizeiwidringen Dingen geben, haben nicht die leiseste Ahnung von der Schwere des Unrechts, das damit den Schulkindern zugefiigt wird, von den Lehrern gar nicht zu sprechen. Den Ver- ooten aber, die periodisch dagegen er- lassen werden, ergeht es wie den Staats- gesetzen: das Schonste an ihnen ist die gewissermassen herausfordernde Mog- hchkeit des Umgangenwerdens.

Eine Anerkennung, eine Auszeichnung, wenn man will, ist den hiesigen Lehrern insofern neuerdings zuteil geworden, als zwei aus ihrer Mitte, Assistenzsuperin- tendent F. B. Dyer und Fraulein Anna ±jOgan, bezw. als Dekan und als Prinzi- palin der ttbungsschule fiir die pildago- gische Fakultat der Universitiit zu Ox- ford, Ohio, ernannt wurden.

Fiir die Betreffenden hat die auf sie gefallene Wahl vielleicht auch ihre klingende Seite, da die besagte Uni- versitat sehr bedeutende Staatszu- schiisse geniesst und demzufolge ihren Professoren menschenwiirdige Gehalter zahlen kann, was bekanntlich nicht alle derartige Anstalten zu thun im- stande sind. Abgesehen von der Per- sonlichkeit der beiden Gliicklichen, muss man der Staatsuniversitat Oxford zu der Errichtung einer padagogischen Fakultiit, sagen wir meinetwegen eines ,,Normal - Departements", gratulieren. Ein Vergleich dieses Aufbliihens piidago- gischer Studien in unserem Lande mit der vor einem halben Jahrtausende in Europa stattgefundenen Wiederbelebung der klassischen Studien, des Humanis- mus, liegt sehr nahe, und es ist wohl am Platze, daran die schonsten Hoffnungen zu kniipfen. Eines aber thut hier not: die partikularistischen Vorurteile und Bestrebungen, die lokal-politischen Riick- sichten miissen dem Allgemeinen wei- chen. Alle Lehramtskandidaten, wenn auch noch nicht im ganzen Lande viel- leicht, so doch in jedem Staate, miissen gezwungen werden, eine solche staatliche ,,Normalschule" zu absolvieren oder doch die Abiturientenpriifung derselben abzu- legen, ehe ihnen tiberhaupt em Reifezeug- nis fiir das Lehramt ausgestellt wird; und nur auf ein solches bin sollten sie iiberhaupt angestellt werden konnen. In Ohio wird allerdings darauf hingearbei- tet. Gelingt es nicht, dieses Ziel zu er- reichen, dann wird der kreisende Berg unfehlbar die bewusste lacherliche Maus

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P'ddagogiscbc Monatsbefte.

gebaren. ,,Hoffen wir das Beste!" sagt aber unser Herr Redakteur.

Muss-Probelektionen im deutschen De- partement eine sehr empf ehlenswerte Veranstaltung unseres deutschen As- sistenzsuperintendenten, Dr. Fick sind jetzt an der Tagesordnung. Jedesmal fur die ex-officio anwesenden Lehrer ei- nes gewissen Grades bestimmt, ziehen diese Lektionen auch andere strebende Kollegen an, und ich habe noch nicht gehort, dass einer unbefriedigt von dan- nen ging. Jeder nimmt etwas mit sich nach Haus und vergleicht die von ihm selbst erreichten Resultate mit den eben angeschauten und gehorten. ,,Die Schil- ler werden dann gewiss .... thun", heisst es in schonen Vortragen. ,,Die Schiller haben. . . .gethan", iiberzeugt uns die Probelektion. Dass seine Behauptungen richtig, seine Vorschlage praktisch aus- fiihrbar seien, das glauben wir dem Schb'nredner aufs Wort, oder wir thun es nicht. Dass seine Methode die rich- tige oder die unrichtige sei, das demon- striert der in unserer Gegenwart Leh- rende uns ad oculos.

Wir haben zwei solche Lektionen, wenn ich nicht irre, jeden Monat; ich bin aber fest iiberzeugt, dass gar man- chen unter uns wochentliche Vorfiihrun- gen dieser Art keineswegs zu viel sein wiirden. Ob eine auf die jeweilige Lek- tion sofort folgende wohlwollend-kriti- sche Beleuchtung derselben durch die Zuhorer am Platze ware, oder nicht? Ich mag das an dieser Stelle nicht ent- scheiden. Es wiirden sich jedenfalls nur wenig Lehrende finden, denen so etwas nicht willkommen ware. Ein schoner Anfang ist gemacht, und wir diirf en mit Gewissheit annehmen, dass eine ver- mehrte und verbesserte Fortsetzung fiir das nachste Schuljahr in Aussicht steht.

quidam. Chicago.

Col. Parkers Tod hat ausserlich er- kennbare Veranderungen bisher kaum bewirkt. Sein Nachlass, die ,,Francis W. Parker School" und die ,,School of Edu- cation of The University of Chicago", gehen ihren ruhigen Gang weiter. Die Leitung der ersteren liegt jetzt wie frii- her in Handen von Fraulein Flora J. Cooke, einer ausserst tiichtigen Dame, die in ihren Anschauungen ganz mit Col. Parker iibereinstimmt, in der Ausfiih- rung seiner Ideen Kraft und Massigung zeigt. Diese Schule, jetzt aus 9 Graden bestehend, wird im nachsten Jahre einen zehnten Grad und so allmahlich eine voll- Btandige Hochschulabteilung erhalten. Die School of Education ist die direkte Nachfolgerin des ,,Chicago Institute", doch ist namentlich ihre Normalschulab-

teilung durch die Verbindung mit der Universitat Chicago, als deren padago- gischer Zweig sie gilt, gewaltig gestarkt und gesichert. Dean W. S. Jackman, ein geschaftskluger und dabei padagogisch hervorragender Mann, diirite wohl noch fiir das ganze nachste Jahr Col. Parkers Stelle vertreten. Wer dann? Es scheint, dass die Universitat die moralische Ver- pflichtung hat, dem Vorstande ihres .,De- partment of Education", Dr. J. Dewey, die Nachfolge anzutragen. Wird und kann dieser, dessen padagogische An- schauungen von denen Parkers in so vie- len Punkten abweichen, die Beruf ung annehmen? Chi lo sa?

Im Laufe dieses Sommers sind be- kanntlich die deutschen Lehrer an den- Chicagoer b'ffentlichen Schulen gezwun- gen, die englische Lehrerpriifung abzule- gen oder abzudanken. Es ist miissig, iiber die Ursachen der vollendeten That- sache oder iiber ihre vielleicht moglich gewesene Verhiitung Worte zu verlieren. Jedenfalls hoffen wir, dass der Erfolg dieser Priifungen der denkbar beste sein mb'ge.

,,Coeducation" stosst schon wieder auf einen gefahrlichen Gegner. Dr. Edmund J. James, der zum nachsten Prasidenten der Northwestern University (Evanston, 111.,) erwahlt ist, hat sich in einem Schreiben an den ,,Board of Trustees" dieser Anstalt ziemlich bestimmt gegen die bedingungslose Aufnahme von Mad- chen an Universitaten ausgesprochen. Nicht moralische Angst, nicht angebli- che Unfahigkeit der Damen sind seine Grilnde: Er fiirchtet, dass eine allzu- grosse Zahl von Studentinnen "tends to feminize the institutions"; gesellschaft- liche Zerstreuung und eine im allgemei- nen oberflachlichere AufFassung der wis- senschaftlichen Arbeit konnte die Folge sein, deutete Dr. James an. Ferner be- hauptet er (nicht ganz mit Unrecht), dass die amerikanischen Universitaten ,,in ihrem natiirlichen und lobenswerten Bestreben, die weibliche Bildung zu for- dern, die Erziehung des mannlichen Ge- schlechts einigermassen vernachlassigen. Wir sollten fiir die Frauen nicht weniger thun als bishtr, aber fiir die Manner mehr als jetzt."

E. P. Milwaukee.

Die Versammlung der deutschen Leh- rer fiir April fand am 14. d. M. statt. In seinen amtlichen Mitteilungen er- mahnte der Supt. des Deutschen zu einer zahlreichen Teilnahme am nachsten Leh- rertage in Detroit. Er sagte, es sei ge- rade Detroit ausgewahlt worden zur nachsten Tagung, weil man Hoffnung habe, dass im nachsten Jahre der deut-

Korresponden^en .

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sche Unterricht daselbst in den offentl. Schulen eingefiihrt werden wilrde, und so konne und sollte ein gut besuchter Leh- rertag am besten Propaganda fiir die gute Sache machen. Sodann kiindigte er an, dass diese die letzte amtliche Ver- sammlung der deutschen Lehrer im Schuljahre sein werde. Darauf wurde mit den Referaten iiber den Leseunter- richt fortgefahren, und zwar fiir die Oberstufe. Frl. A. Werner referierte iiber das Lesestiick No. 10, der Fuchs, im 6. Grad; Herr Geo. Mensing tiber Le- sestiick No. 144, Schwabische Kunde, im 8. Grad, und Herr O. Spehr iiber das Le- sestiick No. 153, die Wolken, im 8. Grad. Alle drei Referenten zeigten in recht ge- schickter Weise, wie sie im Unterrichte die betreffenden Lesestiicke vorbereiten, durchnehmen, einiiben und verwerten wiirden. Daran schloss sich dann eine kurze Debatte iiber alle gehorten Refera- te. Freilich konnte da nur das Notwen- digste erwahnt werden wegen der kur- zen Zeit, da die Versammlung nur eine Stunde dauert und Eroffnung, Berichte und Routinegeschafte meistens eine hal- be Stunde und mehr in Anspruch nah- men. Fiir die Debatte der Referate und Vortrage bleibt dann leider nur wenig Zeit iibrig. Auffallend war es, dass der Ausschuss fiir die Referate fast aus- schliesslich Lesestiicke beschreibenden Inhalts ausgewahlt hatte. Von zehn auf- gegebenen Lesestiicken waren 6 beschrei- benden Inhalts und nur 4 erzahlende. Nach meiner Ansicht sind die letzteren die wichtigsten, und der Lehrer kann sie am vorteilhaftesten in der Klasse ver- wenden; auch haben die Kinder diesel- ben lieber. Darum enthalten die Lese- bticher gewohnlich auch drei- oder vier- mal mehr erzahlende wie beschreibende btiicke.

Herr John Eiselmeier ersuchte dann noch alle Kollegen recht dringend, sich dem Verein der Klassenlehrer der Milw. off. Schulen (Milw. Teachers' Associa- tion) anzuschliessen. Der Verein ziihle von den 769 Klassenlehrern schon an 240 Lehrer zu Mitgliedern, trotzdem er erst seit 6 Monaten bestehe.

Von diesem neugegriindeten Verein mOchte ich nun noch etwas berichten. Meine Pflicht als Korrespondent erfor- dert es, den Verein und die Lehrerschaft Milwaukees im allgemeinen zu verteidi- gen und in Schutz zu nehmen gegen Ver- dSchtigung und Verleumdung. Einige hiesige Zeitungen hatten in sensationel- ler Weise berichtet, als versuche dieser Verein, einen Streik der Lehrer in Szene zu setzen, um so die Behorde zu zwingen, ihnen hohere Salare zu zahlen. Es war wohl das Werk einiger mit sehr reicher

Phantasie begabter Berichterstatter. Die Zeitungen waren natiirlich anstandig ge- nug, am folgenden Tage diesen Unsinn zu widerrufen. So dumm, einfaltig und unerfahren ist die Milw. Lehrerschaft denn doch nicht, sondern kiihl, besonnen, pfliohtgetreu und loyal in jeder Bezie- hung. Der Verein ist gegriindet zu dem Zwecke, wie seine Konstitution sagt: The object of this organization shall be to promote the interests of its members, and the cause of education. Die Idee ist doch sicher eine gute, und die Lehrer ha- ben doch gewiss auch ein Recht an sich selber zu denken und ihre eigenen Inter- essen zu wahren. Es ist doch gewiss gut, wenn die Damen am Samstag Vormittag sich nicht nur mit ,,shopping" und die Manner mit dem ,,edlen Skat" beschaf- tigen. Fiir beides bleibt ja immer noch Zeit genug iibrig. Aber recht gut ware es wohl, wenn das Gefiihl der Zusam- mengehorigkeit, der Solidaritat, derKol- legialitat und ein wenig mehr Sinn fiir cue allgemeinen Interessen des Lehrer- standes erweckt wiirden, nach dem Grundsatz: Einer fiir alle, und alle fiir einen. Nun hatte der Verein im letzten Jkonat einen Ausschuss ernannt, um ei- nen Vergleich anzustellen zwischen den Gehaltern der Lehrer und denen der an- deren stadtischen Angestellten. Kollege Jonn Eiselmeier hatte in seiner bekann- ten griindlichen Weise einen sehr detail- lierten Bericht ausgearbeitet und legte ihn der Versammlung vor. Lassen Sie mich einiges daraus mitteilen. Die Stadt hat etwa 2000 Angestellte (ohne die Leh- rer). \Venn man oben beginnt, so kom- men 820 Beamte, ehe der hochstbesoldete Lehrer (ausschliessend die Prinzipale und Hochschullehrer) mit einem Gehalt von $900 kommt, namlich die englischen und die deutschen Oberlehrer. Wenn man unten beginnt (Kassenbote des Stadtrats mit $60 jahrlich), so braucht man nur 27 Angestellte zu zahlen, bis man zum Lehrer mit dem niedrigsten Gehalt mit $400 kommt. Das Durcn- schnittsgehalt der 769 Klassenlehrer der Stadt betragt $608.21. Das Durch- scanittsgehalt der Polizisten und Feuer- wehrleute betragt $960, also $351.79 mehr als das der Lehrer. Dagegen haben die ersteren feste Anstellung, Pensionsbe- rechtigung und keine Gehaltsabztige in Krankheitsfallen. Die Lehrer haben die ersten beiden Vorteile nicht, dagegen den letzteren Nachteil, namlich Gehaltsab- zug in Krankheitsfallen. Dann sind noch 821 stadtische Angestellte da, als Fen- sterwascher im Rathause, Briickenwar- ter, Kohlenschaufler und andere gewohn- liche Arbeiter im Wasseramt, und alle diese Arbeiter erhalten durchschnittlich

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PUdagogiscbe Monatshefte.

nur $8.21 weniger als die Lehrer, nam- lich $600. 1st dies letztere nicht wirk- lich beschamend fiir die Lehrer? Ge- wohnliche Arbeiter, die nichts gelernt ha- ben und die in der Ausiibung ihres Be- rufs nichts weiter gebrauchen als ge- sunde Knochen und Muskelkraft, bekom- men fast dasselbe Gehalt, wie der Leh- rer, den seine Ausbildung oft $1000 und mehr kostet, und der dann in seinem schwerem Berufe beides, Geist und Kor- per, vor der Zeit aufreiben muss! Kann man es den Lehrern verdenken, wenn sie die Aufmerksamkeit der Burger auf diese wirklich abnormen Verhaltnisse lenken? Und das war auch nur die Ab- sicht. Doch hat ja auch schon der Schul- rat aus eigenem Antriebe den Superin- tendenten beauftragt, sich nach den Sa- larverhaltnissen der Lehrer in anderen istadten zu erkundigen und dariiber zu berichten, was wohl in Kiirze geschehen wird. Doch wir deutschen Lehrer wer- den wohl gut thun, keine Hoffnungen und Erwartungen zu hegen, damit wir nicht enttauscht werden. Wir werden ja auch meistens nur als Stiefkinder und nicht als rechte Kinder angesehen. Doch werden wir uns dann mit den anderen freuen, wenn sie bedacht werden; und zwar nach der guten Regel: Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied wird herrlich gehal- ten, so freuen sich alle Glieder mit. Ich glaube, oder vielmehr, ich bin sicher und gewiss, dass wir deutschen Lehrer unser Gehalt so redlich und treu verdienen, wie nur einer; ja in manchen Stadten ist un- sere Arbeit eine noch viel schwierigere, und unsere Millie eine noch viel grossere als die unserer engl. Kollegen. Die meis- ten Kinder, und meistens sind es die Knaben, lernen nur mit Widerwillen deutsch, weil sie miisseny die schwere deutsche Sprache sagt ihnen nicht zu. Dann haben wir neben unserer deutschen Klasse auch noch die engl. Klasse zu be- aufsichtigen, welche die beste Gelegen- heit hat, Allotria zu treiben und so un- sern deutschen Schiilern fortwahrend ein sehr schlechtes Beispiel gibt. Wollen wir also mit unserer deutschen xvlasse etwas erreichen ( und das miissen wir doch ) , so miissen wir mit viel Geschick, man mb'chte sagen, mit allerlei Kunstgriffen, wie freundliche Behandlung der Kinder, Abwechslung im Unterricht, durch fri- schen anschaulichen und anregenden Vortrag den Unterricht interessant ma- chen, die Kinder dafiir begeistern, ihnen Lust und Liebe zum deutschen Unter- richt einflossen. Wir miissen die Schil- ler an uns locken, sie fesseln durch un- sern Unterricht. Dass das manchmal sehr schwer ist, wird jeder deutsche Leh-

rer aus eigener Erfahrung wissen. Wir miissen, so zu sagen, den Schiilern nach- laufen, unsere engl. Kollegen dagegen lassen sie sich nachlaufen. Ich bekenne frei und offen, die 25 Jahre, die ich als deutscher Lehrer in Milwaukee unter- richtet habe, sind mir viel, viel saurer und schwerer geworden, als die 17, die ich in Deutschland und hier ( an der Kir- chenschule) unterrichtet habe. Und was nat man vor sich gebracht, nachdem man iiber 40 Jahre unterrichtet hat? Nichts! Ein Kollege in Deutschland schrieb mir neulich, er sei seit letztem Herbst, da er 40 Dienstjahre hinter sich Habe, pensioniert worden und beziehe eine Pension von 4500 Mk., namlich % seines letzten Gehalts. Vor dreissig Jah- ren batten wir in Deutschland dasselbe niedrige Gehalt. Ja, das muss man sa- gen, Deutschland sorgt fiir seine Lehrer, trotz der Militarlasten, die es zu tragen hat. Doch man muss sich durch solche Erinnerungen und Reflektionen das Le- ben nicht verbittern und sich selbst den so notigen Enthusiasmus, die Lust und Liebe am Lehrerberufe nicht rauben. Wir Schulmeister miissen von vorn her- ein auf alle Dankbarkeit und Erkennt- lichkeit seitens der Schiiler, Eltern und der Kommune verzichten, oder aber lie- ber unsern Stand quittieren. Wir mils- sen mit dem Dichter sprechen: ,,Thu' Gutes nicht des Lohnes wegen und lass' dich Undank nie betriiben. Nur denen, die es selbstlos iiben, gereicht das Gute selbst zum Segen."

A. W. New York.

Deutscher Lehrerverein von New York und Umgegend. In unserer letzen Sitzung wurden wir alle in den April ge- schickt, obwohl es schon aer fiinfte des Monats war. Aus verschiedenen Grtin- den zog Herr Boos von der De Witt Clin- ton High School, New York, es vor, sei- nen Vortrag: ,,Interessantes aus dem Ge- biete der ko'rperlichen Erziehung", bis zum nachsten Monat zu verschieben. Von seiner kernigen und offenen Weise erwar- ten wir denn fiir das nacGste mal des In- teressanten recht viel.

Auch der musikalische Teil musste we- gen der Krankheit des Herrn Von der Heide, dem der Verein recht baldige Ge- nesung wiinschte, verschoben werden. So wurde denn die Versammlung durch ei- nen Bericht des Herrn Dr. A. Kern iiber einen Gegenstand belehrt, der alien ech- ten Deutschamerikanern zur Herzenssa- che geworden ist. Handelte es sich doch fiir den Verein als solchen darum, zu der beabsichtigten Griindung einer ,,Ver- einigten deutschen Gesellschaft von Gross-New York" Stellung zu nehmen.

Umschau.

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Daruin war es nicht zu verwundern, dass das Kreuzfeuer der nachfolgenden Eror- terung den Versammlungssaal in nicht geringe Brandgefahr brachte. In der Sa- che sind wir alle einig, doch fiber das Wie kann man ja geteilter Meinung sein und doch ein guter Amerikaner mit ei- nem ,,Hyphen" bleiben. Herr Dr. Kern gab mit gewohnter Redegewandtheit eine fesselnde geschichtliche ttbersicht des Ganges der deutschamerikanischen Ver- einigungsbemiihungen im Rahmen der

Nation, des Staates und der Stadt. Seine Darstellung hatte fiir uns um so grosse- res Interesse, als er von Anfang an als wackerer Kampe und leitender Geist in dem dicksten Kampfesgewiihl seinen Mann stellte. Und, obwohl wir auf deut- scher Erde unsere ersten Hosen trugen, wollen wir ihm dafiir doch unsere voile Anerkennung nicht versagen. Der An- trag auf Anschluss an die grossstadti- sche ,,Vereinigte" wurde angenommen.

P. S.

II. Umschau.

Deutschland.

Johannes Halben^. Eines der her- vorragendsten Mitglieder der deutschen Lehrerschaft, Johannes Halben in Ham- burg, ist kiirzlich gestorben. An allem, was das Wohl der deutschen Lehrer- schaft betraf, nahm er stets einen leb- haften Anteil. Ganz besonders viel ver- danken die Allg. deutschen Lehrerver- sammlungen der achtziger und neunziger Jahre seiner Teilnahme; war er doch des ofteren zum 1. Vorsitzenden dieser gro- ssen und bedeutsamen Versammlungen auserkoren. Auch in der fiffentlichkeit genoss er hohe Ehren und verdiente An- erkennung. So war er von 1884 1887 Abgeordneter des Deutschen Reichstages und gehorte als solcher der Freisinnigen Partei an; in seinem Wirkungsorte Hamburg war er zum Vizeprasidenten der ,,Burgerschaf t" ( Stadtvertretung ) gewahlt worden. Sein Begriibms zeugte von der iiberaus grossen und allgemeinen Wertschatzung dieses trefflichen Mannes.

Die n&chste Allg. deutsche Lehrerver- sammlung findet in den Pfingsttagen (20. 22. Mai) in Chemnitz in Sachsen statt. Das Programm ist ein sehr reich- haltiges; wohl jedes Gebiet des Schul- und Erziehungswesens ist in den Sekti- onsversammlungen beriicksichtigt. Zwei Fragen sind fiir die Verhandlungen der allgemeinen Versammlung bestimmt, und es ist zu erwarten, dass dort die Geister scharf aneinanderplatzen wer- den; sie betreffen den hauswirtschaftli- chen Unterricht der Madchen (Referent: Wolgast-Kiel ) und die Bedeutung der Volksbildung fur die Volkssittlichkeit ( Ref . : Pretzel-Berlin ) .

Das Ende der Steilschrift. Dem Ma- gistrate von Fiirth (Bayern) lag liber die Ergebnisse der in 10 Jahren mit der Steilschrift vorgenommenen Versuche, wie solche auch in den dortigen Volks- schulen stattgefunden haben, ein ober- arztliches Gutachten vor. Dasselbe ver-

tritt die Ansicht, dass gesundheitliche i.>achteile aus der Schragschrift fiir die Kinder nicht vorlagen, weder betreffs Kurzsichtigkeit, noch Verkriimmung der Wirbelsilule. Falls eine ttbermiidung der Kinder vermieden und auf eine gute Haltung beim Schreiben gesehen werde, sei es in gesundheitlicher Beziehung ganz gleich, ob in Steilschrift oder in (Schragschrift geschrieben wird.

Berlin hat dieses Jahr fiir die Gemein- deschulen ein Budget von 15,275,441 Mk. Neue Klassen wurden errichtet 1899: 157, 1900: 131, 1901: 100. Dieses Jahr werden 7 neue Schulhauser (fiir 238 Klassen) bezogen. Den 4342 Schulklas- sen stehen 249 Rektoren, 2603 Lehrer und 400 Lehrerinnen vor, im Laufe des Jahres werden 9+77+34=120 Lehr- krafte hinzukommen.

'fiber den gegenw&rtigen Stand des ho- heren. Schulwesens im Konigreich Preu- ssen giebt das Januarheft des ,,Zentral- blattes fiir die gesamte Unterrichtsver- waltung" folgenden Aufschluss: In Preussen bestehen 13 Provinzial-Schul- kollegien, die ihren Sitz in den Provin- zial-Hauptstadten haben. Ferner hat Preussen 9 Universitaten, jede Provinz deren eine, mit Ausnahme von Westpreu- ssen, Posen und Westfalen; letztere Pro- vinz hat die zwei Fakultaten, die theo- logische und philosophische, umfassende Hochschule in Miinster. Dazu kommt noch das Lyceum Hosianum in Brauns- berg im Regierungsbezirk Konigsberg, welches ebenfalls nur die genannten zwei Fakultaten hat. Es lehren, alle Lehr- krafte zusammengef asst : In Konigsberg 120, in Berlin 420, in Greifswald 93, in Breslau 163, in Halle 140, In Kiel 10«, in Gottingen 125, in Marburg 93, in Bonn 159, in Mtinster 47, am Lyceum Hosianuni 11 akademische Lehrer. Fer- ner hat Preussen drei technische Hoch- schulen, die in Berlin, Hannover und Aachen. An Gymnasien weist Preussen

214

P'ddagogiscbe Monatsbejte.

mit Einschluss der Hohenzollerschen jjande 289 auf, an Oberrealschulen 36, Progymnasien 57, Realgymnasien 27, la- teinischen Realschulen 118, an Landwirt- schaftsschulen 16. Privatanstalten, die auf Grund eines unter dera Vorsitze ei- nes Regierungskommissars bestandenen Examens Berechtigungszeugnisse ausstel- len kb'nnen, giebt es 20. Schliesslich be- stehen 121 Lehrerseminare, 10 Seminare fiir Lehrerinnen, 1 Lehrerinnenkursus, 41 Praparandenanstalten, 11 stadtische Praparandenanstalten, 45 Taubstummen- anstalten und 10 Blindenanstalten.

Jurist oder P&dagog. Professor Ziege- ler in Strassburg schreibt hieriiber: ,,Auch hindert der formalistische Jurist an der Spitze der meisten deutschen Schulverwaltungen den padagogischen Fortschritt; weil er selbst steril ist es hat noch nie ein juristischer Studien- direktor einen padagogischen Gedanken gehabt, der Epoche gemacht hatte auf dem ihm unterstellten Gebiet! sind ihm die padagogischen Neuerer verdach- tig und unbequem. So gilt es denn, ge- gen dieses bureaukratische Schulregi- ment sich zur Wehre zu setzen und na- mentlich auch fiir die Schulen grosserer und intelligenterer Geineinden weitge- hende Freiheit zu fordern."

Zur Schularztfrage wird aus Berlin berichtet: Was die Berliner Schularzt- frage anbetrifft, so geht am 1. April 1902 die in Aussicht genommene Probezeit zu Ende. Es sind bis jetzt fiir samtliche Schulen 10 Schularzte angestellt. Ob- wohl die Berichte tiber die Ergebnisse sehr giinstig lauten, will die stadtische Schuldeputation nur noch 2 neue Schul- arzte angestellt wissen, so dass dann je- der Schulkreis iiber einen Arzt verfiigen wiirde. Im ganzen sind rund 250 Ge- meindeschulen vorhanden mit 50 60 Ne- benklassen fiir minder begabte Schiller.

Herr Kollege Orell-Bullenheim ( Unter- franken) hat dem Priisidenten Roosevelt einige Marsche gewidmet und iibersandt, und es ist dem Komponisten nun aus dem ,,Weissen Hause in Washington" bezw. von dem Sekretariate der Prasi- dentschaft ein besonderes Dankschreiben zugegangen. Eine dieser Kompositionen wurde von dem Marinemusikerkorps bei den ,,Prinzenfeierlichkeiten" in Washing- ton und New York, eine andere vom deut- schen Marinemusikerkorps bei gleichem Anlasse gespielt.

Osterreich.

Welche Sch&rfe die Gegensatze in Wien angenommen haben, das zeigt sich bei dem jiingst erfolgten Tode des Schriftleiters der ,,Freien deutschen Schule", Rudolf Rehlings. ,,Die Kleri-

kalen verfolgen ihre Gegner bis aufs To- tenbett, ja iibers Grab ninaus, indem sie wie bei Wiclef die Gebeine der Erde ent- nehmen, verbrennen und die Asche in alle Winde zerstreuen . . . man sieht, das Inquisitionstribunal des Wiener Bezirks- schulrats ,,arbeitet" wacker, da muss sein Grossmeister Lueger seine helle Freude dran haben." So schrieb Rehling in No. 3 der Fr. d. Sch., und schon am 27. Jan. erlag er an einem Herzschlag; Kampf und Verfolgung hatten seine Kraft gebrochen. 1889 war er von Her- nals nach Kahlenbergerdorf (strafweise) versetzt worden; 1896 verier er wegen Unterschrift zweier Wahlaufrufe seine Alterszulage auf Lebenszeit, 1900 ent- setzte ihn die Schulbehorde ganz, musste ihn jedoch unter Auszahlung des Gehalts wieder anstellen, versetzte ihn jedoch in eine entlegene Schule. Krankheit ver- hinderte ihn, seine letzte tttelle anzutre- ten. Am 29. Jan. ehrte ein grosser Trau- erzug, der Kranzwagen hinter dem Sarg, den Toten. Seine Bestattung gestaltete sich zu einer Kundgebung der deutsch- volkischen Partei. Ausser dem Geistli- chen sprachen fiinf Redner, alle den Mut, die deutsche Treue Rehlings anerken- nend.

,,Freiheit des Wissens, Freiheit der Ge- danken ! Du wahrtest sie, und keine Geisteszwin-

ger Beirrten Dich, und keine schwarzen

Schranken."

Als Stimmungsbild moge eine Stelle aus der Rede des Vertreters der ,,Tafel- runde deutscher Lehrer" folgen: ,,...die Not ist zu gross, als dass wir Lehrer hier nicht laut Klage erheben miissten gegen fortgesetzte Vergewaltigung, die wir erfahren. Unser Klageruf soil hin- einschallen in die stolze Biirgerburg und weiter hinauf. Ihnen at>er, 1. Volksge- nossen, ruft die deutsche Lehrerschaft zu: Schiitzet eure ochule, eure Lehrer; ein Volk, das seine Schule preis giebt, ist inrer nicht wert! Der Fall Rehling beweist, wie heute in der deutschen Stadt Wien der deutsche Lehrer behandelt wird, der sein Volk liebt."

England.

Der Krieg mit Transvaal, der unge- heure Summen kostet, beeinflusst auch das Schulwesen- Englands in ungiinstiger Weise, indem die Erhohung der Lehrer- gehalte, wie auch die Regelung des Mili- tarschulwesens vergeblich der Erledi- gung barren. Wenn man bedenkt, mit wie viel Reklame die Verhandlungen der fiir das Mittelschulwesen eingesetzten Kommission verbreitet wurden, so muss man die lange Hinausschiebung der An-

Umscbau.

215

gelegenheit umsomehr bedauern. Es scheint aber, als ob der Reichtum des Landes dort anfinge sich zu erschb'pfen, wo Opfer fur Schul- und Bildungszwecke gefordert werden.

Frankreich.

Frankreich steht auf dem Sprunge, sein Mittelschulwesen (Gymnasium und Realschule) vollkommen umzugestalten. Ein von der Kammer eingesetzter Aus- schuss unter dem Vorsitz des Herrn Ri- bot hat nach mehrjahrigen Beratungen einen Entwurf ausgearbeitet, dem nun auch der Unterrichtsminister zuge- stimmt hat und der voraussichtlich von der Kammer ohne Jtnderung angenom- men werden wird. Die neu-franzosische Mittelschule, wie sie aus den Ausschuss- beratungen hervorgegangen 1st, bricht, wie die ,,Voss. Ztg." schreibt, mit den ge- schichtlichen 'tfberlieferungen, die an die mittelalterliche Klosterschule ankniipfen und sich durch die Jesuitenschule hin- durch zum humanistischen Gymnasium des Kaiserreichs entwickeln, das ein Jahrhundert lang unberiihrt geblieben ist. Sie lehnt sich auch nicht an fremde Vorbilder an, sondern ist etwas Eigenar- tiges, was die Ztige des Gymnasiums, des Realgymnasiums und der Realschule in sich vereinigt, ohne jedoch ganz die eine oder andere dieser Anstalten zu sein. Die neue Mittelschule fusst auf der vier- klassigen allgemeinen Volksschule. Der Schiller muss durch diese gegangen sein, um in jener Aufnahme zu finden. Das Lyceum, wie die amtliche Bezeichnung fur die Mittelschule lautet, setzt sich aus zwei Stufen zusammen. Die untere umfasst vier, die obere drei Jahrgange. Die Unterstufe zeigt eine Zweiteilung. Beide Abteilungen haben die meisten Lehrfacher gemeinsam, doch ist in der einen Latein in alien vier Jahrgangen Pflichtgegenstand, Griechisch vom drit- ten Jahrgang ab Wahlgegenstand, wah- rend in der andern Abteilung weder La- tein noch Griechisch gelehrt, dagegen Franzosisch, Naturwissenschaften, Ma- thematik und Zeichnen eingehender ge- pflegt werden. Der Unterricht ist so ge- -ordnet, dass er in jedem Gegenstand in- nerhalb der vier Jahrgange zu einem Abschluss fiihrt. Die Unterstufe ent-

lasst ihre Schiller mit einem organisch vervollstiindigten, abgerundeten Wissen, das an keiner Stelle unausgebautes Stiickwerk bleibt. Die Oberstufe giebt den Grundsatz der Einheitsschule noch viel entschiedener auf als die Unterstu- fe. Sie teilt sich in Abteilungen oder Richtungen, unter denen dem Schiller die Wahl freisteht. Die erste Richtung pflegt Latein und Griechisch; die zweite Latein und Neusprachen; die dritte La- tein und Naturwissenschaften; die vierte Neusprachen und Naturwissenschaften, ohne Latein. Bei den Neusprachen wird als Ziel angestrebt, dass die Schiller die von ihnen gewahlten (mindestens zwei) fremden Sprachen auch wirklich spre- chen und schreiben lernen. Auf die Kenntnis der Dichtung und des hoheren Schrifttums wird weit weniger Gewicht gelegt als auf die praktische Beherr- schung der Sprache. Als Abschluss des Mittelschulstudiums gilt das Baccalau- reat, das unserer Reifepriifung ent- spricht und den Zugang zum Hochschul- studium erschliesst. Fiir die Schiller der Unterstufe, die nicht bis zum Baccalau- reat gehen wollen, ist ein Abgangszeug- nis nach vollendetem vierten Jahrgang vorgesehen, das sie zum Besuch von Fachschulen berechtigt, in denen in zwei Jahrgangen eingehender Unterricht in aen Naturwissenschaften, jedoch nicht in abstrakter Weise, sondern im Hinblick auf die praktischen Anwendungen erteilt wird.

Russland.

Nach den Mitteilungen offizioser russi- scher Provinzblatter wird ein einheitli- ches Volksschulgesetz ftir das ganze Reich vorbereitet. Man befiirchtet in den Ostseeprovinzen, dass dadurch dem dor- tigen hochentwickelten Volksschulwesen der Garaus gemacht werden soil, doch liisst sich nicht erkennen, ob diese Furcht begriindet ist. Der Minister v. Wannowski will dem Anschein nach die allgemeine Schulpflicht zum Gesetz er- heben lassen. Das ware die einschnei- dendste Reform seit Aufhebung der Leib- eigenschaft. Sie ist aber auf absehbare Zeit wohl nicht zu verwirklichen. Es fehlt an Lehrern und an Geld, an letz- terem wohl dreimal.

III. Vermischtes.

Zusammenlegung der Unterrichtsstun-

den auf den Vormittag. Nachdem be-

reits viele deutsche Stadte den Unter-

.richt (mit Ausnahme von einigen tech-

nichen Fachern, z. Z. Arbeitsunterricht etc.) auf die Vormittagsstunden verlegt haben, gewinnt diese Frage immer gr8- sseres Interesse. Die padagogische Presse

216

Pddagogiscbe Monatshefte.

hat sie bereits aufgegriffen und sucht sie nach den verschiedensten feeiten hin zu beleuchten. Einen sehr eingehenden Ar- tikel iiber diese Materie brachte kiirzlich die ,,Neue Padagogische Zeitung", des- sen Schluss hier wiedergegeben sei. Er lautet: ,,Durch ttberlegung und jahre- lange eigene und frernde Beobachtungen und Erfahrungen sind wir zu der t>ber- zeugung gekommen, dass ganz besonders fur grossstadtische Verhaltnisse der ttbergang zu der bedingten Zusammenle- gung der Unterrichtsstunden auf den Vormittag von wesentlichen Vorteilen begleitet ist, gegen welche wirkliche Nachteile oder kleine Unbequemlichkei- ten kaum ins Gewicht fallen. Einen Wunsch konnen wir am Schluss nicht unterdriicken, namlich den, dass die 'ttberfiitterung, welche jetzt besonders in den Oberklassen unserer Schulen statt- findet und welche mit einer tfberhaufung mit Unterrichtsstunden in fast alien Klassen einherlauft, bald einem anderen Zustande Platz machen moge, bei wel- chem alle Kinder den Vorteil des zusam- mengelegten Unterrichts ohne Ein- schrankung geniessen und durch welchen den Anforderungen, die das heutige Le- ben an die Schule stellt, durch Hinzu- fiigung eines neunten Schuljahres geniigt wird."

Ehrliches Gestandnis. Lehrer: ,,Wer hat Dir bei dem Aufsatz gehollen, Hans?" Hans: ,,Niemand." -- Leh- rer: ,,Sei ehrlich, Hans, hat Dir nicht Dein Slterer Bruder geholfen?" Hans: ,,Nein." Lehrer: ,,Dann hast Du also den ganzen Aufsatz allein gemacht ?" Hans : ,,Nein, er hat ihn allein gemacht."

Humor. In einem Dorfe in der Liine- burger Heide erschien der Schulinspek- tor. Der Lehrer gab gerade Unterricht im Rechnen. Der Schulinspektor horte erne zeitlang den Fragen und Antworten zu, nahm sodann ein Stuck Kreide, stell- te sich an die Tafel und fragte einen kleinen flachshaarigen Burschen, ob er mm wohl eine zweistellige Zahl nennen konne. Der Junge nannte die Zahl 86, und der Schulinspektor schrieb, die Zahl umstellend, 68 an die Tafel. ,,So, nun nenne mir noch einmal eine zweistellige Zahl." Prompt antwortete der Junge 37, und der Schulinspektor schrieb 73. ,,Weisst Du noch eine solche Zahl?" ,,Jawohl," antwortete grinsend der klei- ne Bauernbengel, ,,44", und indem der Schulinspektor sich der Tafel zuneigte, rief Fritze so hiess der flachshaarige Bursche: ,,So Du olle Doskopp, nu schriew dat ok noch falsch!"

Humor. Inspektor bei der Priifung: ,,Nun, Kleiner, sage mir nun einmal ei- nen durchsichtigen Gegenstand!" Schil- ler: ,,Das Schliisselloch ! "

Am Fastnachtmontag wurde in ei- ner 6. Klasse der Stadt Zurich bei Be- handlung einer Erzahlung entwickelnd vorgegangen und die Frage gestellt: ,,Was mochtet ihr jetzt gern wissen?" ,,Heute nichts mehr", fliisterte ein auf- geweckter Knabe seinem Nachbar zu.

Schiller deklamiert das Gedicht: ,,Die traurige Geschichte vom dummen Hanschen". ,,Hanschen will ein Tischler werden, ist zu schwer der Hobel; Sonst ein Feger will er werden, doch das ist nicht nobel."

Eingesandte Bticher.

Praparationen f\\r den Anschauungs- unterricht in der I. und II. Klasse der Volksschule. Bearbeitet von Jul. Wilde, Lehrer an der Volksschule in Neustadt a. d. Haardt. Kaiserslautern, Hermann Kayser. 1901. Preis geb. M. 2.80.

Brief German Grammar with Ex- ercises by Hjalmar Edgren, Ph. D., Uni- versity of Nebraska, and Lawrence Foss- ler, A. M., University of Nebraska. American Book Co. Price 75 cts.

Bilder aus der deutschen Litteraturge- schichte von /. Keller, Professor der deutschen Sprache und Litteratur am Normal College der Stadt New York. American Book Co. Price 75 cts.

First Year in German and Second Year in German by /. Keller, Professor of the German Language and Literature in the Normal College of the City of New York. American Book Co. Price, vol. I, $1.00; vol. II, $1.20.

Der Talisman, dramatisches M&rchen in vier Aufziigen von Ludwig Fulda. Edited with Introduction and Notes by

C. William Prettyman, Ph. D., Professor of German in Dickinson College. Boston, L». C. Heath & Co. 1902. Price 35 ctd.

Grundriss der Ethik. Von Prof. W. Rein, Jena. Verlag von A. W. Zickfeldt, Osterwieck am Harz. 1902. Preis, geh. M. 2.50, gebd. M. 3.

A German Reader and Theme-Book by Calvin Thomas, Professor in Columbia University, and Wm. Addison Hervey, Instructor in Columbia University. New York, Henry Holt & Co., 1902. Preis $1.00.

Der Traum, ein Leben, dramatisches Marchen in vier Aufziigen von Franz Grillpamer. Edited with Introduction and Notes by Edward Stockton Meyer, Instructor in Germanic Languages in Western Reserve University. Boston, D. C. Heath & Co., 1902. Price 60 cts.

Questions Set at the Examinations, held June 17—22, 1901, by the College Entrance Examination Board of the Middle States und Maryland. Boston, Ginn & Co., 1901. Price 65 cts.

Padagogische Monatshefte,

PEDAGOGICAL MONTHLY.

Zeitschrift fur das deutschamerikanische Schulwesen. Organ des

Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes.

Jahrgang III. Juni 1902. Heft 7

Aufruf zur Beteiligung an der 32. Jahresversammlung des Nationalen Deutschamerikanischen Lehrer- bundes in Detroit, Mich., vom 30. Juni bis 3. Juli 1902.

(Offiziell.)

Es ist schon mehr als ein Vierteljahrhundert verflossen, seit wir die Gastfreundschaft der schonen Stadt Detroit zum letzten mal genossen. Der Ort, wo der Vater des Lehrerbundes und sein erster President, Papa Feldner, wirkte, der Ort, an welchem die Griindung unseres Lehrersemi- nars beschlossen wurde, hat unseren Bestrebungen seit lange fern gestan- den. Dort durch unsere Verhandlungen neues Leben unter den Freun- den unserer Arbeit zu erwecken, ist unsere Aufgabe. Die ehemaligen Schiiler Feldners und andere liberal gesinnte Deutschamerikaner haben mit grosster Bereitwilligkeit umfassende Vorbereitungen zu unserem Empfange getroffen, und wir alle hoffen auf eine recht zahlreiche Betei- ligung an der nachsten Tagsatzung. Die Zeit ist so gewahlt, dass unsere Besucher leicht und billig zur Tagsatzung des Turnerbundes sowohl,als auch zur Versammlung der N. E. A. kommen konnen. Die schone Stadt, ihre herrliche Umgebung und ihr mildes Klima sollten Hunderte unserer Freunde zum Kommen bewegen. Interessante Vortrage, anregende De- batten und nach der Arbeit frohliche Feste sind in sichere Aussicht ge- stellt. Alle Bedingungen zu einem erfolgreichen Verlauf der 32. Sitzung unseres Bundes sind somit gegeben, und wir hoffen mit Recht, dass die- selbe sich wiirdig den fruheren anschliessen moge.

218 P'ddagogische Monatsbefte.

Wir verweisen unsere Mitglieder ganz speziell auf die liebenswiir- dige Einladung des Ortsausschusses und das vorlaufig entworfene Pro- gramm und zeichnen

mit kollegialischem Grusse

Emil Dapprich, President. Louis Hahn, Schatzmeister, Emil Kramer, Sekretar.

An die deutschamerikanische Lehrerschaft.

Mit Freuden begriissen die deutschen Burger dieser Stadt die 32. Jahresversammlung des deutschamerikanischen Lehrerbundes, die fiir den 30. Juni, den i., 2. und 3. Juli angekiindigt ist. Die Stadt Detroit, in der Eduard Feldner den Grundstein eines deutschen Schulwesens legte, wird es sich zur Ehre anrechnen, die deutschen Lehrer des Landes in ihren Mauern zu empfangen. Auf ein herzliches Willkommen diirfen die Mitglieder des Lehrerbundes gefasst sein, und der Ortsausschuss wird alles aufbieten, den Besuchern den Aufenthalt angenehm zu machen und ihnen den besten Eindruck der schonen ,,City of the Straits" zu geben.

Carl E. Schmidt, Vorsitzer des Ortsausschusses.

H. Steichmann, Sekretar.

Program m.

Montag, den SO. Juni. Empfang der Gaste.

Abends 8 Uhr: Eroffnungsversammlung in der Harmonic-Halle ; Begriissung dureh den Vorsitzer des Ortsausschusses, den Biirgermeister Maybury und den Prasidenten des Schulrats, Eduard Marschner; Eroffnung des Lehrer- tages durch den Prasidenten des Lehrerbundes.

Dienstag, den 1. Juli.

Vormittags: Erste Hauptversammlung.

1. Geschaf tliches : Berichte der Beamten; Erneuerung und Ergan- zung von Ausschiissen.

2. Vortrag: Miindliche Erteilung des deutschen Unterrichts in den Anfangsklassen unserer 6'ffentlichen Schulen. Sup. Phil. Huber, Saginaw, W. S., Mich.

3. Vortrag: Der erste Unterricht im Deutschen an angloamerikani- sche Schiller. Herr Eduard Prokosch, Chicago University, Chicago, 111.

4. Vortrag: Der erste Sprachunterricht auf anschaulicher Grund- lage. Oberlehrer W. H. Weick, Cincinnati, 0.

Nachmittags und abends : Besuch einiger Schulen unter der Fiihrung des Schul- ratsprasidenten Ed. Marschner; Ausflug nach Pfeiflfers Garten; Konzert.

Mittwoch, den 2. Juli.

Vormittags: Zweite Hauptversammlung.

1. Vortrag: Entwickelung und Stand des deutschen Unterrichts in den Schulen von Erie, Pa. Prof. G. G. von der Grb'ben, Erie, Pa.

2. Bericht des Komitees zur Pflege des Deutschen.

Rationales Deutscbamerikaniscbes Lebrer seminar. 219

3. Vortrag: Der Leseunterricht. Sup't. Hermann Woldmann, Cleve- land, 0.

4. Vortrag: Das Riistzeug eines Lehrers des Deutschen. Prof. H. C. G. von Jagemann, Harvard University, Cambridge, Mass.

5. Berieht der Priifungskommission des Lehrerseminars. Nachmittags: Besuch von Belle Isle und Besichtigung der Stadt.

Donnerstag, den 8. Juli.

Vormittags: Dritte Hauptversammlnng.

1. Vortrag: Idealismus, behandelt von einem deutschen Lehrer in Amerika. Prof. C. F. Weiser, High School, Detroit, Mich.

2. Revision der Vereinsstatuten.

3. Berichte der Ausschiisse.

4. Vorstandswahl. Vertagung.

Nachmittags und abends: Wasserpartie nach St. Clair- Flats, dem amerikani- schen Venedig, und Abschiedskommers.

Einquartierung.

Folgende Hotels werden vom Ortsausschusse empfohlen:

,,Griswold" (american plan), $2.00.

,,0riental" (am. plan nur fiir Herren), $2.00.

,,Wayne" (am. plan), $2.00—2.50.

,,Normandie" (am. plan), $2.00.

,,St. Clair" (am. plan), $2.50 3.50. Einzelne Zimmer im ,,Griswold" und ,,Oriental" zu 75 cts. bis $1.50 & Person.

Eisenbahnraten.

Die Eisenbahnen erklaren sich bereit, die Rundreise fiir die Besucher des Leh- rertages auf 1 1/3 des gewohnlichen Preises der Einzelfahrt festzusetzen, voraus- gesetzt, dass mindestens 100 Personen von solchen Fahrkarten (certificate plan) Gebrauch machen. Die Besucher haben ihre Absicht, zum Lehrertage nach Detroit zu fahren, dem Agenten mitzuteilen, von dem sie die Fahrkarte kaufen, und diese nach Ankunft in Detroit vom Sekretar des Ortsausschusses unterschreiben zu lassen.

Nationales Deutschamerikanisches Lehrerseminar zu Milwaukee, Wis., 558-568 Broadway.

Das Nationale Deutschamerikanische Lehrerseminar eroffnet am achten September dieses Jahres seinen vierundzwanzigsten Kursus. Seit ihrer Griindung im Jahre 1878 hat diese Pflegestatte deutscher Sprache, deutscher Padagogik und deutscher Sitten Hunderten von jungen Lehrern und Lehrerinnen ihre berufliche Vorbildung gegeben und sie instand ge- setzt, an offentlichen und privaten Lehranstalten mit Begeisterung und treuer Hingabe an dem grossen Erziehungswerke mitzuhelfen.

Das Nationale Deutschamerikanische Lehrerseminar bildet seine Zoglinge im Sinne der modernen Padagogik fiir die amerikanische Volks-

P'ddagogiscbe Monatshefte.

schule aus und befahigt sie, sowohl in englischer als in deutscher Sprache zu unterrichten. Glaubensbekenntnis, Religionsanschauung und Natio- nalitat kommen bei der Aufnahme der Zoglinge nicht in Betracht.

Der Seminarkursus umfasst drei Jahre bei vollstandig kostenfreiem Unterricht. Die Lehrbucher stehen den Zoglingen gegen ein sehr gerin- ges Entgelt leihweise zur Verfiigung. Mittellosen Zoglingen wird auf Empfehlung des Direktors der Anstalt aus der Seminarkasse ein in Mo- natsraten zur Auszahlung gelangender Stipendienvorschuss gewahrt.

Das Lehrerseminar verfiigt iiber tuchtige und erprobte Lehrkrafte, die Schulraume sind modern, alien sanitaren Anforderungen Rechnung tragend; die Klassenarbeit wird erganzt und unterstiitzt durch reichhal- tige Sammlungen und eine gute Biicherei; es erfreut sich einer Muster- schule, der Deutsch-Englischen Akademie, die erfolgreich die hochste Stufe der Leistungsfahigkeit anstrebt und den Zoglingen des Seminars die erwiinschte Gelegenheit giebt, sich fiir ihren Beruf als Lehrer prak- tisch auszubilden.

Durch das in innigster Verbindung mit dem Lehrerseminar und des- sen Musterschule stehende Turnlehrerseminar, einer Schopfung des Nord- amerikanischen Turnerbundes, wird den Seminaristen eine griindliche turnerische Ausbildung gewahrleistet. Ein einjahriger Kursus fiir Turn- lehrer wird im kommenden September eroffnet.

An die Freunde unserer Anstalt und an Erziehungsfreunde im allge- meinen, an alle, denen die Pflege der deutschen Sprache an den Lehran- stalten dieses Landes und die Verbreitung gesunder Erziehungsgrundsatze und Unterrichtsmethoden am Herzen liegt, richten wir die dringende Bitte, in ihren Kreisen unsere Bestrebungen durch die Zuweisung passen- der Schiiler zu unterstiitzen.

Strebsame junge Leute, welche die Neigung in sich fiihlen, sich dem schweren aber schonen Lehrerberufe zu widmen und der begriindeten- Ansicht sind, dass ihre sprachliche und wissenschaftliche Vorbildung sie befahigt, den untenstehenden Aufnahmebedingungen zu entsprechen, wer- den freundlichst ersucht, sich mit dem unterzeichneten Direktor des Leh- rerseminars baldigst schriftlich oder personlich in Verbindung zu setzen.

Aufnahmebedingungen.

A) Deutsche und englische Sprache. 1. Mechanisch-gelaufiges und logisch- richtiges Lesen; 2. Kenntnis der Hauptregeln der Wort- und Satzlehre; 3. Rich- tige (miindliche und schriftliche) Wiedergabe der Gedanken in beiden Sprachen.

B) Mathematik. Sicherheit und Gewandtheit in ganzen Zahlen, in gemeinen. und Dezimalbruchen, in benannten und unbenannten Zahlen, Zins- und Diskonto- Rechnungen.

C) Geographic. Bekanntschaft mit den fiinf Erdteilen und Weltmeeren, der Geographie Amerikas und den Hauptbegriffen der mathematischen Geographic.

D) Geschichte. Kenntnis der Geschichte der Vereinigten Staaten.

Der amerikanische ^olksschullebrer stand und seine Besoldung. 221

E) Naturgeschichte und Naturlehre. Beschreibung einiger einheimischen Pflanzen, Tiere und Steine; die einfachsten Lehren der Chemie und Physik; eine elementare Kenntnis des menschlichen Korpers.

F) Turnen, Alle korperlich befahigten Zoglinge des Lehrerseminars sind ver- pflichtet, behufs Ausbildung als Turnlehrer am Turnunterricht der Anstalt teil zu nehmen. Zeitweilige sowohl als permanente Entschuldigung von diesem Fach kann nur durch das Zeugnis des von der Anstalt angestellten Arztes erlangt werden.

Kursus fur Kindergartnerinnen.

Da der Kindergarten ein wesentlicher Teil des Volksschulsystems ist, so ist von der Seminarbehorde ein Kursus zur Ausbildung von Lehrerinnen ftir solche Anstal- ten eingerichtet worden. Die Aufnahmebedingungen fiir diesen Kursus sind die gleichen wie fiir die anderen Zoglinge des Seminars.

Emit Dapprich, Direktor.

Milwaukee, Wis., 5. Mai 1902.

Der amerikanische Volksschullehrerstand und seine

Besoldung.

(FQr die Padagogischen Monatshefte.)

Von t7. Eiselmeier, Milwaukee, Wis.

Hat Amerika einen Volksschullehrerstand? Ehe wir diese Frage be- antworten, miissen wir uns daruber klar werden, was ein Stand ist. Im gewohnlichen Leben verstehen wir unter Stand eine gewisse Klasse von Personen, welche wegen der Gleichartigkeit ihrer Interessen und ihrer Beschaftigung zu einem Ganzen zusammengehoren. So sprechen wir vom Arbeiter-, Handwerker- und Beamtenstand. Die Gleichartigkeit der In- teressen und das Gefuhl der Zusammengehorigkeit miissen aber auch bei den Mitgliedern des Standes lebendig sein und sich in gemeinsamem Wir- ken aussern. Von einem Berufsstand muss noch gesagt werden, dass er erst dann als konsolidiert zu betrachten ist, wenn man eine nach Zeit und Umfang bestimmt abgegrenzte Vorbildung von ihm verlangt. Last but not least erwartet man mit Recht von den Mitgliedern eines Berufsstan- des, dass sie unter normalen Umstanden nach der jahrelangen Vorberei- tung fiir den Beruf in demselben verbleiben.

Dass die obigen Merkmale z. B. dem deutschen Lehrerstand eigen sind, ist leicht erwiesen. Das Berufsbewusstsein im deutschen Volks- schullehrerstand ist sehr stark; das iiberaus rege Vereinsleben beweist dies. Von den 120,032 (i) Volksschullehrern Deutschlands gehoren 102,799(2) (85%) Vereinen an. Von den 120,032 Lehrkraften sind 14,- 000(3) (ll-5%) Lehrerinnen.

1) Rein, Handbuch der Padagogik, Bd. IV, Seite 379.

2) ibid. Bd. IV, S. 469^72.

3) ibid. Bd. IV, S. 387.

222 P'ddagogische Monatsbefte.

Das gemeinsame Wirken des deutschen Lehrerstandes zeigt sich un- ter anderem auch in der Fachpresse. Fur die 120,032 Volksschullehrer erscheinen in Deutschland 106(4) padagogische Zeitschriften ; wohlver- standen, fur die Volksschule, nicht fiir das hohere Schulwesen. Ausser- dem bestehen noch 8(5) padagogische Jahrbiicher.

Die Vorbildung der deutschen Lehrer ist in den einzelnen deutschen Staaten ini grossen und ganzen dieselbe. Die Volksschullehrer Deutsch- lands haben fast nur seminar istisch gebildete Lehrkrafte. Die Zahl der in Preussen in der Ausbildung begriffenen Seminaristen hat sich in den Jahren von 1870 1897 von 5,008 auf 11,782 vermehrt. Die Bevolkerung hat sich in derselben Zeit um 29% vermehrt ; die der Seminaristen um 13S%- Im Jahre 1870 kam in Preussen auf 4,930 Einwohner ein Semi- narist, im Jahre 1897 schon auf 2,704 Einwohner. Preussen hat jetzt (1899) 115 Seminare mit 832 Lehrkraften. Der Etat fiir 1898 99 be- trug 6,846,389 Mark gegen 1,644,009 Mark im Jahre 1872, ist demnach um 5,202,380 Mark gestiegen. (6)

Die Volksschullehrer Deutschlands bleiben auch in ihrem Beruf. Es liisst sich dies zwar nicht statistisch nachweisen; doch jeder, der mit den Verhaltnissen vertraut ist, wird dies zugeben.

In den Vereinigten Staaten gab es im Jahre 1900 400,916 Lehrer an den Volksschulen.(7) Das Vereinsleben der amerikanischen Lehrer ist kein reges. Die grosste Vereinigung von Lehrern ist die "National Ed- ucational Association". Dieselbe zahlte im Jahre 1885 (Saratoga) 625 Mitglieder; im Jahre 1897 (Milwaukee) 7,111. Seit 1884 hatte dieser Verein, der alle Lehrer in den Ver. Staaten aufnimmt, durchschnittlich 5,375(8) Mitglieder. Das ist, wenn man die Zahl aller Lehrkrafte in den Ver. Staaten auf 500,000 schatzt, ungefahr i% der Lehrer.

Dabei muss man aber nicht vergessen, dass sich die Lehrer an hohe- ren Schulen viel zahlreicher an den Sitzungen der "Association" beteili- gen, als das die Fo/foschullehrer zu thun pfiegen. Auch das muss noch bemerkt werden, dass eine betrachtliche Anzahl der Teilnehmenden den Besuch des Versammlungsortes als eine Vergniigungsreise ansieht und sich daher um die Verhandlungen wenig kummert. Das beweisen die schwankenden Zahlen der Besucher. Finden die Versammlungen in Ca-

4) u. 5) ibid. Bd. V, S. 190.

6) ibid. Bd. VII, S. 1063—64.

7) Diese Zahl erhalt man, indem man von den 421,288 Lehrern der "common schools" die Zahl der Lehrer an "secondary schools" abzieht. Commissioner Harris sagt: "The term "common schools" includes public schools of elementary and sec- ondary grades." (Rep. 1900, S. 9.) Im Jahre 1900 waren an "public secondary schools" 20,372 Lehrer thatig. (Rep. 1899—1900, Vol. II, S. 2120.) 421,288—20,372 =400,916.

8) Journal of Proceedings of the N. E. A. 1897, S. 1117.

Der amerikanische l^olksschullebrerstand und seine Besoldung. 223

lifornien oder Colorado statt, so 1st die Zahl der Besucher bedeutend ho- her als sonst. Man vergleiche folgende Zahlen: San Francisco (1888) 7,216(9) Lehrer; Nashville (1889) 1,984(10); Los Angeles (1899) 13,- 656(11) Lehrer; Charleston (1900) 3,000. (12) Man vergleiche mit die- sen Zahlen die Mitgliederzahl des ,,Landesvereins preussischer Volks- schullehrer", die im Jahre 1894 42,240(13) betrug; und die noch hohere Mitgliederzahl des ,,Deutschen Lehrervereins", die im Jahre 1896 64,- 996(14) erreicht hatte.

Endlich muss noch bemerkt werden, dass jeder, der die billigen Rei- sepreise sich zu nutze machen will, sich durch Zahlen von $2.00 Beitrag die Mitgliedschaft zur N. E. A. erwerben muss. Also nicht alle, die in den Listen als Mitglieder aufgefuhrt werden, sind Lehrer.

In Wisconsin waren im Jahre 1900 13,063 Volksschullehrer tha- tig. (15) Von diesen gehorten 1,326 der "Wisconsin Teachers' Associ- ation" an.(i6)

Von den 421,288 Lehrkraften in den "elementary and secondary schools" waren im Jahre 1900 293,759(17) (70%) Lehrerinnen. Wenn wir die Zahlen fur die Volksschulen getrennt hatten, wurde der Prozent- satz der weiblichen Lehrkrafte noch hoher sein ; denn in den "secondary schools" ist die Zahl der mannlichen Lehrkrafte hoher als in den Volks- schulen. In den Stadten, welche 8,000 Einwohner und dariiber zahlen, betragt die Zahl der Lehrer nur 7.7%. Die Zahl der Lehrer nimmt seit Jahren regelmassig ab ; sie betrug im Jahre 1870 noch 40%, im Jahre 1899 nur noch 3i.7%.(i8) "Women teachers are increasing more rapidly than men but that is an old story." (19)

In Wisconsin gab es im Jahre 1900 unter 13,063 Lehrkraften 10,660 Lehrerinnen und nur 2,403 Lehrer. (20)

In Milwaukee waren im Jahre 1899 unter 576 Klassenlehrern 556 Lehrerinnen und 20 Lehrer. Die Lehrer bildeten also Zl/2% des Lehr- korpers. (21)

In den Ver. Staaten gab es im Jahre 1900 306 "normal schools" mit 69,593 Schiilern. In alien anderen hoheren Schulen, in denen Lehrer

9) u. 10) ibid. S. 1117.

11) u. 12) Padagogische Monatshefte, Jahrg. II, No. 2, S. 80.

13) u. 14) Rein, Bd. IV, S. 470.

15) Biennial Report of the State Superintendent of the State of Wisconsin, 1901, Madison, S. 3.

16) Proceedings of the 48th Annual Session of the Wis. T. A. Madison, 1901, S. 40.

17) u. 18) Report of the Commissioner of Education, 1898—99, Vol. I, S. 19.

19) ibid. 1897—98, Vol. II, S. 2337.

20) Biennial Rep. State Sup't. Wis., Madison, 1901, S. 3.

21) Annual Rep. Sup't. Schools, Milwaukee, 1899, S. 36.

224 P'ddagogiscbe Monatsbefte.

ausgebildet werden,(22) waren in demselben Jahre 28,749 Schiiler in den "normal departments". Im ganzen bereiteten sich also im Jahre 1900 98,342 Personen auf den Lehrerberuf vor. Diese Anstalten entliessen im Jahre 1900 26,893 Lehramtskandidaten.(23)

Der Volksschullehrer dient in Amerika etwa 3.5 Jahre. Es miissten demnach jedes Jahr von der Gesamtzahl von 400,916 Lehrern etwa 114,- ooo Lehrer aus Lehrerbildungsanstalten entlassen werden, um einen se- minaristisch gebildeten Lehrerstand zu erhalten. Statt dieser Zahl ver- lassen aber nur 26,893, etwa ein Viertel dieser Zahl, solche Anstalten. Und die iibrigen drei Viertel kommen eben aus anderen Schulen. Die so in den Beruf Tretenden kommen aber ohne alle und jede Fachbildung; denn die Anstalten, welche ausser den "normal schools" eine padagogi- sche Fachbildung vermitteln, sind oben schon angegeben.

Aber auch um die berufliche Vorbildung der Volksschullehrer auf den "normal schools" steht es nicht allzu giinstig. Dieselbe ist weder nach Zeit noch nach Umfang und Inhalt bestimmt abgegrenzt. Es giebt auf dem weiten Gebiet der Erziehung in unserem Lande kein Feld, das einen chaotischeren Zustand aufweist, als das der Lehrerbildung. Als Beweis sei das Urteil eines Professors einer "normal school" angefiihrt:

"In conclusion, I do not see how these variations (of normal schools) could be either more marked or more definite if the plan was to put forth as many theories and experiments as the human mind could invent. There is no typical state normal school yet developed. It remains for the future to develop it. There is no typical course of study for teachers to pursue to get a certain preparation for the business. There are no single ideas that are common to all schools that are called by the name "normal". These schools are wonderfully provincial, and are not managed by the states to be any broader in conception or plan. There is scarcely any reciprocity between schools of this class, and very little faith in one an- other's work. There is a confusion that makes meetings of persons at work in different states, or at the National Educational Association, en- tirely unsatisfactory, since there is no disposition to get together and formulate any plan that will unify their professional efforts, but a con- stant disposition to show peculiarities and specialities, and oppose others in their notions just as peculiar and provincial. Until there is a change in this policy and purpose, the normal school will remain an indefinite and unsolved problem." (24)

22) Es sind dies 26 "public universities and colleges", 221 "private universities and colleges", 506 "public high schools" und 417 "private high schools". (Rep. Comm. Ed. 1900, Vol. II, S. 2068.)

23) ibid. S. 2067.

24) H. H. Seerley in "Report of Normal-School Committee", Proceedings of the N. E. A., 1897, S. 713.

Der amerikaniscbe folksscbullehrerstand und seine Besoldung. 225

Die 500,000 Lehrer der Ver. Staaten haben 151*) Fachschriften. Auch hier sind die Zeitschriften fur die Fo/foschule nicht getrennt ange- iiihrt. In Deutschland kommt auf 1,132 Lehrer eine Fachschrift, in den Ver. Staaten aber erst auf 3,311 Lehrer.

Angesichts dieser Thatsachen ist die Frage wohl am Platze : Haben wir in den Ver. Staaten einen Volksschullehrerstand ? Ich glaube, dass die Frage verneint werden muss. Diese Ansicht wird auch von kompe- tenter Seite bestatigt. Ein Ausschuss der N. E. A., das "Committee on Rural Schools" sagt nach einer mehrjahrigen Untersuchung der Frage in seinem Bericht vom Jahre 1897: "Were teaching a profession in the sense in which law and medicine are professions, teachers themselves would formulate the terms of professional recognition; but evidently the .time for that is not yet." (25)

So lange man in Amerika die Lehrer nur auf ein Jahr(26) anstellt- und sie so gering besoldet, wird man keinen Lehrerstand heranziehen. Man hat in den letzten Jahrzehnten die Brieftrager und viele andere Be- .amte in Washington, sowie die Polizisten und die Mitglieder der Feuer- wehr in den meisten grosseren Stadten unter "civil service" gestellt; die Stellen dieser Beamten sind permanent. Der Lehrer muss seiner Stel- lung eben so sicher sein, wie das heute Brieftrager und Polizisten sind. Meines Erachtens ist dies die Grundbedingung zur Sicherung eines Leh- rerstandes. Gegen die permanente Anstellung gepriifter Lehrer lasst sich dbenso wenig ein stichhaltiger Grund vorbringen, als gegen die perma- nente Anstellung von Brieftragern.

Aber auch die Besoldung des amerikanischen Volksschullehrers muss -erne bessere werden. Der Lehrer wird in unserem Lande, das sich als das reichste Land der Erde riihrnt und mehr fiir die Schulen zu thun be- hauptet als europaische Lander, thatsachlich schlechter bezahlt als die meisten Fabrikarbeiter und Handwerker. Im Jahre 1890 wurden die fol- genden Lohne gezahlt : Arbeiter in Glashiitten $773.43 ; in der Eisenin- dustrie $698.41 ; in Tuchfabriken $524.31 ; in der Weichkohlengewinnung .$426.73; in der Textilindustrie $394.26. (27) Das Durchschnittsgehalt des Lehrers war fiir die Ver. Staaten $331.59, das der Lehrerin $281.68. (28)

Fiir den Staate New York gelten folgende Zahlen : Arbeiter im Brau- gewerbe $780.45 ; im Schiffsbau $689.59 ; Pianofabrikation $604.69 ; Sei-

») Rep. Comm. Ed. 1900, Vol. I, S. 1245.

25) Report of the Committee on Rural Schools, Proceed. N. E. A. 1897, S. 469.

26) Auf dem Lande sieht es noch schlimmer aus: "It is widely true that the school is in session less than half the year; it is often true that in this short school year two teachers are employed, and seldom does a teacher remain a second year." .{Rep. Comm. Rural Schools, Proceed. N. E. A. 1897, S. 457.)

27) Report of the U. S. Commissioner of Labor, 1891.

28) Rep. of the U. S. Comm. of Ed. 1896—97, Table XII, S. LXVII.

226 P'ddagogische Monatsbefte.

fenfabrikation $504.14; Spielwaarenfabrikation $480.05. Der Lehrer er- halt im Staate New York $411.81. (29)

In Wisconsin erhalten 174 Lehrer weniger als $20.00 den Monat; das macht bei der Durchschnittslange des Schuljahres von 7 Monaten ein Jah- reseinkommen von weniger als $140.00. Von den 8,916 Landschulleh- rern Wisconsins erhalten 7,124 $35.00 und darunter. (Jahreseinkommen $245.00.) Nur 1,792 Lehrer erhalten mehr als $35.00 den Monat. (30)

In Milwaukee erhalten 137 Lehrerinnen zwischen $400.00 und $500.00; 580 Lehrerinnen erhalten $600.00 und darunter. Das Durch- schnittsgehalt von 769 Lehrern ist $608.21. Die Stadt Milwaukee zahlt Polizisten und Mitgliedern der Feuerwehr $960.00, also $351.79 mehr als der Lehrerin. Dabei sind diese Beamten permanent angestellt und pensionsberechtigt. Auf einer Stufe mit dem Lehrer stehen in unserer Stadt 141 Angestellte, welche als Oler, Heizer, Fensterwascher, Briicken- warter, Kohlenschaufler und gewohnliche Arbeiter im Wasseramt ange- stellt sind. (31)

Obwohl der amerikanische Arbeiter mehr verdient als sein englischer Kollege, verdient der amerikanische Lehrer weniger als der englische. Fur den englischen Lehrer stellen sich die Zahlen wie folgt: Lehrer $595.20 (Amerika $331.50) ; Lehrerin in England $394.94 (Amerika $281.68. (32)

Auch der deutsche Lehrer erhalt mehr als der amerikanische. In Preussen ist das Durchschnittsgehalt des Lehrers $340.00 nebst freier Wohnung oder Mietsentschadigung. (33)

Rechnet man dazu die Pensionsberechtigung, die Witwen- und Wai- senversorgung und die feste Anstellung, so muss man zugeben, dass die materielle Stellung des deutschen Lehrers eine bedeutend bessere ist als die seines amerikanischen Kollegen.

Sehr klar spricht sich Professor Dyke in seiner eben angefiihrten Monographic iiber diese Frage aus. Er sagt: "It is obvious that the average male teacher cannot marry. His only alternative is to enter some other profession which will insure him a livelihood. The result is a pro- cess of selection between occupations and professions, much to the disad- vantage of the teaching profession. (34)

29) Rep. Comm. Labor, New York, 1896.

30) Biennial Rep. Sup't. Wis. Madison, 1901, S. 38.

31) Manual of Common Council, Milwaukee, 1900.

32) The Economic Aspect of Teachers' Salaries. By Ch. B. Dyke. MacMillan& Co., 1899. (Columbia University Contributions to Philosophy, etc. Vol. VII, No. 2- Oct. 1899.) S. 23.

33 )\ ibid. S. 23. 34) ibid. S. 21.

Die Wetterwarte der Vereinigten Staaten. 227

"The teacher has not the protection of a minimum wage. His em- ployment and his promotion depend upon himself and upon accident, not upon law. The support of a family is unthinkable for him. He must either lift himself to a position above the average, or enter upon some bet- ter paying occupation, leaving the field largely to single women. Unlike European teachers mentioned, he looks forward to no government pro- vision for his old age." (35)

Die Wetterwarte der Vereinigten Staaten.

Von Ubald Willeriborg, Public Schools, Cincinnati, O. (Schluss.)

Die Zentralstelle fur den meteorologischen Dienst ist bekanntlich das Wetterbureau in Washington. Hier laufen alle Faden der Verwaltung zusammen, hier werden von dem Chef des Bureaus und einem Stabe von wissenschaftlich gebildeten, geschulten Beamten die notwendigen Zusam- menstellungen und wissenschaftlichen Arbeiten besorgt; hier werden end- lich fur das ganze Land die Wettervorhersagen gemacht. Ausser dieser Zentralstelle giebt es verschiedene Stationen erster Klasse, welche iiber die Staaten verteilt sind. Diese Stationen haben, im Vergleich zur Zen- tralstation, eine geringere Anzahl dienstthuender Beamten und sind dem- entsprechend auch nicht so vollstandig ausgeriistet. Auf alien Stationen der ersten Klasse werden stiindliche Beobachtungen gemacht, oder viel- mehr werden dieselben von selbstregierenden Apparaten stundlich abge- lesen und rekordiert.

Auf den Stationen zweiter Klasse, welche an Zahl die der ersten iiber- treffen, werden zu fest bestimmten Tageszeiten taglich zwei- oder dreimal Beobachtungen gemacht, und zwar im wesentlichen iiber Luftdruck, Tem- peratur, Luftfeuchtigkeit, Regenfall und Bewolkung, ausserdem wird noch Gewitterstiirmen, Frost, Schnee, Hagel etc. besondere Aufmerksam- keit gewidmet. Die Beamten der Wetterwarten erster und zweiter Klasse kommen unter das Zivildienstgesetz ; sie haben sich einer im Verhaltnis zur Hohe ihres Gehalts ziemlich strengen Priifung zu unterwerfen und werden dann auf Lebenszeit angestellt.

Ausser diesen Wetterbeamten finden sich in den verschiedensten Tei- len des Landes iiber 3000 freiwillige Beobachter, welche fur ihre Dienste kein Gehalt empfangen. Es werden ihnen von den Ver. Staaten ein Ma- ximum- und Minimum-Thermometer, ein Regenmesser und ein Hauschen zum Schutz der Apparate leihweise geliefert; die anderen Apparate, wie Barometer und Windmesser, haben sie auf eigene Kosten anzuschaffen, und sie miissen sich verpflichten, taglich einmal zu einer bestimmten Zeit ihre Beobachtungen zu machen und sie an die Hauptstation des betref-

35) ibid. S. 42.

228 P'ddagogiscbe Monatsbefte.

fenden Staates einzusenden. Dafur werden ihnen die wochentlichen, mo- natlichen und jahrlichen Berichte des Wetterbureaus, sowie die in unbe- stimmten Zeitraumen von diesem Bureau veroffentlichten wissenschaft- lichen Bulletins kostenfrei zugestellt. Es steht ihnen frei, zu einer belie- bigen Zeit, nach Zuriickgabe der geliehenen Instrumente, ihre Verbindung mit dem Wetterdienste zu losen.

Es befinden sich in den Ver. Staaten im ganzen 166 Wetterstationen. Es ist einleuchtend, wie zeitraubend und mit welch grossen Unkosten es verbunden sein wiirde, wenn jede einzelne Station zweimal taglich ihren Wetterbericht direkt nach Washington zu telegraphieren hatte. Um diese Kosten zu verringern und den Dienst moglichst zu vereinfachen, wurde schon unter General Meyers Verwaltung ein System eingefiihrt, welches als das sogenannte ,,circuit system" (Rundlauf system) bekannt ist. Durch dasselbe wurde eine Zahl Sammelstellen geschaffen, von welchen jede eine Gruppe von nahe gelegenen untergeordneten Stationen um- schliesst, welche wir der Bequemlichkeit wegen mit den Nummern I, 2, 3 u. s. w. belegen wollen. Diese untergeordneten Stationen haben die Wetterberichte an ihre Sammelstation zur Weiterbeforderung nach Wash- ington einzusenden. Zur Erklarung des Rundlaufsystems moge die Art und Weise dienen, wie die Sammelstation Cincinnati den Bericht samt- licher Stationen des Landes erhalt.

Jeden Morgen, genau 8 Uhr ostliche Zeit, der Zeit des 75. Meridians entsprechend, also um 7 Uhr in Cincinnati, 6 Uhr in Denver und 5 Uhr in San Francisco, werden alle fur den Wetterdienst benotigten elektri- schen Drahte freigestellt, keine andere Depesche kann zu der Zeit iiber diese Drahte befordert werden, wie uberhaupt die fur den meteorologi- schen Dienst bestimmten Depeschen jederzeit den Vorzug haben. Um 8 Uhr schickt die untergeordnete Station i den Wetterbericht an ihre Sam- melstation ein, um 8 Uhr I Minute folgt untergeordnete Station 2, u. s. w., bis alle Berichte an die Sammelstationen eingelaufen sind. Jetzt telegra- phiert Sammelstation San Francisco ihren Bericht direkt an die Zentral- stelle in Washington. Wahrend dieser Bericht die nachste Sammelsta- tion passiert, liest der diensthabende Beamte denselben nach dem Gehor von seinem Apparat ab, und wenn das letzte Wort seine Station passiert hat, f iigt er den Bericht seiner Sammelstation hinzu. Wenn die Depe- sche, iiber Chicago kommend, Cincinnati passiert, so enthalt sie den voll- standigen Wetterbericht des Nordwestens, Westens, Sudwestens, Siidens und der Zentralstaaten ; von hier geht sie iiber Pittsburg und erreicht end- lich als eine einzige fortlaufende Depesche die Zentralstelle in Washing- ton. Wenn jetzt die vollstandige Depesche zurucktelegraphiert wird, so braucht unser Wetterbeamte nur noch den Bericht von den ostlichen Staa- ten zuruckzubehalten, um noch vor Ablauf einer Stunde den vollen Wet- terbericht aller Stationen des Landes in seinen Handen zu haben.

Die Wetter warte der Vereinigten Staaten.

229

Die in Washington einlaufende Depesche hat durchaus nicht die un- geheure Lange, welche man nach obiger Darstellung erwarten sollte, da es eine Chiffre-Depesche ist, aus kurzen Wortern bestehend, in welcher jeder einzelne Buchstabe ein ganzes Wort oder eine Ziffer im Zahlensys- tem bedeutet, so dass haufig ein einziges Wort an Stelle von 5 8 Wortern steht. Es wird jetzt verstandlich sein, dass die Gesamtausgaben fur die telegraphischen Depeschen und Telephonnachrichten sich in dem am 30. Juni 1900 zu Ende gehenden Rechnungsjahre auf nur $170,000 beliefen.

Sind alle Nachrichten auf den grosseren Stationen eingelaufen, so beginnt fur die Beamten eine Zeit regster Thatigkeit. Der Vorsteher tragt zunachst in eine fur diesen Zweck hergerichtete grossere Karte den Thermometer- und Barometerstand jeder Station ein, um hiernach die Isothermen und Isobaren, sowie die barometrischen Minima und Maxima zu bestimmen. Ein Assistent zeichnet indessen in eine andere Karte, welche den uns bekannten Wetterkarten an Grosse genau entspricht, die Bewolkung und Windrichtung ein, welche durch einen kleinen Kreis und Pfeil angedeutet werden; ist von einigen Stationen Regen, Schnee oder Gewitter berichtet worden, so wird der Kreis durch die Buchstaben R, S oder durch eine gezackte Linie ersetzt. Sind dann noch die inzwischen festgestellten Isothermen und Isobaren, wie die Minima und Maxima in diese Karte eingetragen, so ist die eigentliche Wetterkarte fertig. Noch aber befindet sich unter derselben ein grosserer, freier Raum fur die Wet- tervorhersage, einen kurzen allgemeinen Wetterbericht, die Flussnachrich- ten und fur erganzende Nachrichten von ungefahr 60 Stationen iiber die Maximal- und Minimaltemperatur und die etwaigen Niederschlage wah- rend der letzten 24 Stunden, die Windstarke um 8 Uhr morgens und die grosste Windstarke wahrend der letzten 12 Stunden.

Von den jetzt fertigen Karten werden zwei Exemplare hergestellt, das eine wird unverziiglich zur Borse geschickt, um dort an eine fiir die- sen Zweck hergerichtete Wandtafel gezeichnet zu werden, die andere aber wird auf hektographischem Wege vervielfaltigt und um etwa 10 Uhr der Post ubergeben, um den verschiedensten Geschaftshausern und Schulen Cincinnatis und der nahergelegenen Stadte kostenfrei zugestellt zu wer- den. Die Empf anger ubernehmen die Verpflichtung, dieselben an leicht in die Augen fallender Stelle auszuhangen und so den Wetterbericht zur Kenntnis des grosseren Publikums zu bringen. In Cincinnati werden taglich ungefahr 1200 dieser Wetterkarten verschickt, wahrend sich die Gesamtzahl derselben im ganzen Lande auf 40,000 belauft. Ware die Veroffentlichung der Wetterkarte auf Washington beschrankt, so wiirde bei der grossen Ausdehnung des Landes die Mehrzahl derselben so spat in die Hande der Empfanger gelangen, dass sie von keinem praktischen Werte mehr sein wiirden.

Um 8 Uhr abends lauft ein zweiter Bericht von alien Stationen in Washington ein. Nach diesem werden seit dem Jahre 1895 weder Kar-

230 P'ddagogiscbe Monatshefte.

ten angefertigt noch Lokalvorhersagen gemacht, wohl aber eine Prognose fiir jeden einzelnen Staat, welche dann von der Zentralstelle aus auf tele- graphischem Wege an die Morgenzeitungen des Landes iibermittelt wird.

Es ist begreiflich, dass sich die grosse Menge des Publikums weniger fiir die vvissenschaftlichen Arbeiten des Wetterbureaus, sondern in erster und fast einziger Beziehung nur fiir die Wettervorhersage und deren Zu- verlassigkeit interessiert. Bei der bekannten Eigentiimlichkeit unserer Bevolkerung, welche ein gutes Recht zu haben glaubt, alles, was mit der Regierung und Verwaltung ziisammenhangt, zu bemangeln und zu be- spotteln, ist es begreiflich, dass auch die Wettervorhersage sich manche Kritik gefallen lassen muss. Ist doch die Bemerkung keine Seltenheit, dass, wenn der Wettermacher morgens Regen prophezeit hat, Herr X seinen Regenschirm zu Hause lasst. Wenn wir jedoch alle Norgelei bei Seite legen und die Thatsachen reden lassen, so finden wir, dass 75 bis 80 Prozent der Prognosen (F. Waldo nimmt in seinem meteorologischen Handbuch sogar 80 bis 85 Prozent an) als sogenannte ,,Treffer" zu be- zeichnen sind, was das Resultat der Vorhersage in alien europaischen Landern ubertrifft.

Der Griinde fiir dieses giinstige Ereignis giebt es gar viele. Die Ver. Staaten, ganz abgesehen von unseren nordlichen und siidlichen Nachbarn, bilden ein Territorium, welches dem Gesamt-Europa gleichkommt. In diesen weiten Grenzen sind die Wetterstationen nach einem sorgfaltig ausgearbeiteten Plane verteilt, und da unser Land mit den Mitteln nicht zu geizen braucht, sind jeder Station qualifizierte, fiir ihren Beruf aus- gebildete Beamte zugeteilt, welche hinreichende Bezahlung finden, so dass sie dem Dienste ihre voile Zeit widmen konnen. Infolge der zu Gebote stehenden reichen Mittel haben, wie bereits bemerkt, die fiir den meteo- rologischen Dienst bestimmten Depeschen den Vorzug vor alien anderen Drahtberichten, ein Punkt, der nicht zu unterschatzen ist. Zu diesen Vor- teilen kommt noch ein anderer. Die meisten unserer Stiirme haben ihren Ursprung im Westen unseres eigenen Landes und konnen sich somit dem zentral und ostlich gelegenen Gebiete nicht so unerwartet nahern, wie die- ses in den meisten, besonders westlich gelegenen Landern Europas der Fall ist.

Nach den oben angegebenen Zahlen betragen die Nichttreffer etwa 20 bis 25 Prozent. Darf uns dieses wundern? Der Wetterbeamte hat die Berichte von alien Stationen vor sich. Er weiss aus langjahriger Er- fahrung, welchen Weg ein etwa im Westen vorhandenes barometrisches Minimum nehmen wird oder nehmen sollte, und er macht daraufhin fiir die nachsten 24 Stunden seine Vorhersage. Inzwischen hat sich vielleicht unerwarteterweise in einem anderen Teile des Landes ein anderes Mini- mum gebildet, oder es sind andere, nicht vorherzusehende Verhaltnisse, haufig sogar nur lokaler Natur, eingetreten, welche seine Prognose iiber den Haufen werfen. Ich mochte die Thatigkeit des Wetterbeamten mit

Die Wetterwarte der Vereinigten Staaten. 231

der eines Arztes vergleichen. Zum Krankenbette gerufen, stellt er nach sorgfaltiger Untersuchung des Patienten eine richtige Diagnose, und seine Wissenschaft und gesammelte Erfahrung hat ihn gelehrt, dass die Krankheit, wenigstens in den folgenden 24 Stunden, einen ganz bestimm- ten Verlauf nehmen wird. Bei seinem nachsten Besuche findet er sich in seinen Erwartungen ganzlich getauscht. Es haben unerwartete Ein- fliisse auf den Kranken eingewirkt, oder es sind Komplikationen eingetre- ten, welche sich seiner Berechnung entzogen, und so seine Prognose zu nichte machten. Wurde es nun gerecht sein, diesen Arzt als einen Kur- pfuscher zu bezeichnen oder gar die Arzneiwissenschaft in Acht und Bann zu erklaren?

Diirfen wir schon nach dem Gesagten das Resultat der Wettervor- hersage im allgemeinen als ein giinstiges ansehen, so erscheint es in noch vorteilhafterem Lichte, wenn wir die zwei wesentlichsten Punkte der Prognose, namlich die Vorhersage von Stiirmen und sogenannten ,,kalten Wellen" in Betracht ziehen. Es sind wohl Stiirme und kalte Wellen vor- hergesagt worden, welche nicht eingetroffen sind, in den letzten Jahren sind aber weder Stiirme noch kalte Wellen erschienen, welche nicht vor- her angekiindigt waren. Dieser scheinbare Widerspruch wird weiterhin seine Erklarung finden.

Wenn sich ein vom Westen kommender Sturm den nordlichen Seen oder der atlantischen Kiiste nahert, oder wenn ein iiber die westindischen Inseln hinwegbrausender Hurrikan sich seinen Weg zur Siidkuste bahnt, so werden sofort alle bedrohten Punkte gewarnt und die den Seefahrern wohlbekannte Flagge mit schwarzem Felde, des Nachts durch farbige Lichter ersetzt, aufgezogen, um den Schiffer vor dem herannahenden Sturme zu warnen, ihn am Auslaufen zu verhindern oder zu veranlassen, Zuflucht im schiitzenden Hafen zu finden oder aber das hohe Meer zu ge- winnen.

Bei der Einfuhrung des Wetterdienstes wurde den Sturmwarnungen wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Bei dem konservativen Sinne des Seemannes, der, gewohnt auf sich selbst zu bauen, die Hilfe anderer nur im aussersten Notfalle anzunehmen geneigt ist, kann es nicht verwun- dern, dass er seinem erfahrenen Auge und dem Wetterglas mehr Ver- trauen schenkte, als den neuen Sturmsignalen. Durch oft nur zu trau- rige Erfahrungen belehrt, gewohnte er sich allmahlich daran, denselben mehr Aufmerksamkeit zu schenken, und nach der Vervollkommnung, welche der Wetterdienst in den letzteren Jahren erfahren hat, durfte wohl kaum noch ein Fahrzeug auslaufen, ohne von der nachsten Wetterwarte Informationen eingezogen zu haben, oder sich der Kiiste nahern, ohne nach etwaigen Sturmsignalen sorgfaltige Ausschau zu halten.

Die Warnungsstationen sind nach einem sorgfaltig ausgearbeiteten Plane uber die Kiiste des Golfs und der beiden Ozeane, sowie iiber die Kiisten und Inseln unserer Seen verteilt. Bei einem herannahenden

232 Padagogische Monatshefte.

Sturme werden Warnungen an alle Punkte geschickt, welche moglicher- weise bedroht sein mochten, thatsachlich aber nicht alle von demselben getroffen werden konnen. Dies zur Erklarung der oben aufgestellten Be- merkung, dass nicht alle vorhergesagten Sturme auch wirklich eintreffen. Eine passende, aber traurige Illustration bietet der Sturm, welcher am 8. September 1900 Galveston so schwer heimsuchte. Es durfte notwen- dig sein, vorher zu bemerken, dass die gelegentlich vom Siiden herein- brechenden Hurrikane in der Regel im karaibischen Meere ihren Entste- hungsherd haben und, nachdem sie verheerend iiber die kleinen Antillen und die grosseren westindischen Inseln hinweggefegt, gewohnlich die Siidkiiste Floridas treffen, dann die atlantische Kiiste entlang bis zu den Neuenglandstaaten ihren Weg nehmen, hier eine ostliche Richtung ein- schlagen und, nachdem der atlantische Ozean gekreuzt ist, die Westkiiste Europas erreichen. Am 6. September war dieser Sturm an der Siidspitze Floridas ein Wind von nur gewohnlicher Starke. Zu der Zeit befand sich an der Ostkiiste dieser Halbinsel ein barometrisches Maximum, wel- ches ihn zwang, einen westlichen Ausweg zu suchen. Siidlich von New Orleans, am 7. September, war es noch unbestimmt, welchen weiteren Weg der Sturm nehmen wiirde, bis er dann endlich, iiber der offenen, kein Hindernis bietenden Wasserflache stetig an Geschwindigkeit zunehmend, am 8. September mit furchtbarer Wucht das ungliickliche Galveston traf. An der atlantischen Kuste waren vorher Sturmwarnungen gegeben wor- den, welche sich aber gliicklicherweise als nicht notwendig erwiesen, Gal- veston aber, ebenfall gewarnt, war durch den wiitenden Anprall der Wo- gen und der tief aufgewuhlten Wasser des Golfs vom Erdboden wegge- wischt worden. Auf dem ganzen mexikanischen Golf hingegen hatte, dank der zeitig gegebenen Warnungen, kein einziges Fahrzeug Schaden gelitten; gewiss ein riihmliches Zeugnis fur unseren Wetterdienst.

Eine wesentliche Vervollkommnung hat dieser Dienst in den letzteren Jahren durch die Errichtung von 12 permanenten Stationen auf den klei- nen und grossen Antillen erfahren. Die Namen dieser Stationen sind, mit der siidlichsten Station beginnend und nach Norden fortschreitend, wie folgt : Willemstad auf Curasao, Port of Spain auf Trinidad, Bridge- town auf Barbados, Roseau auf Dominica, Basseterre auf St. Kitts, St. Juan auf Porto Rico, Santo Domingo auf San Domingo, Kingston auf Jamaica, Santiago de Cuba, Puerto Principe, Cienfuegos und Havana auf Cuba, denen am i. Juni 1900 eine weitere Station auf dem zur Ba- hamagruppe gehorenden Turf Island hinzugefiigt wurde. Es ist hier- durch ermoglicht, die vom karaibischen Meere kommenden Sturme bald nach ihrem Entstehen zu entdecken und auf ihrem weiteren Wege zu ver- folgen.

In allerneuester Zeit wurde durch die Legung eines Kabels von Lis- sabon tiber die Azoren nach New York ein neues wichtiges Glied in unse- rem Wetterdienste geschaffen. Wir sind hierdurch in den Stand gesetzt,

Die Wetterwarte der Vereinigten Staaten. 233

in kiirzester Zeit einen direkten Wetterbericht von der Westkiiste Europas zu erhalten ; fiigen wir dem noch die Nachrichten von den Azoren, den Antillen, Bermuda, sowie von den Kiisten unseres eigenen Landes hinzu, so haben wir einen annahernd genauen Bericht iiber die Wetterverhalt- nisse auf dem nordlichen atlantischen Ozean, und diirfte es darnach mog- lich sein, den von unseren Hafen auslaufenden Schiffen eine wenigstens annahernd richtige Vorhersage iiber die in den nachsten drei Tagen etwa zu erwartenden Winde, insbesondere Sturme, mitzugeben.

Jetzt zum Schluss noch einige Zahlen, welche bekanntlich beweisen. Woher aber haufig zuverlassige Zahlen nehmen, besonders wenn dieselben negativer Natur sind ? Bei einer Epidemic wissen unsere Statistiker ganz genau die Zahl der Erkrankungs- und Todesfalle anzugeben; wer aber ist imstande, uns mitzuteilen, wie viele Krankheits- und Sterbefalle durch eine wohlorganisierte Gesundheitspolizei verhindert wurden? Nach einem schweren Seesturme lasst sich ziemlich genau feststellen, welchen Scha- den derselbe unserer SchifFfahrt zugefiigt hat; wer aber kann uns Aus- kunft dariiber geben, welche Verluste an Schiffen und Fracht, gar nicht zu reden von den Opfern an Menschenleben durch zeitig gegebene Sturm- warnungen abgewandt wurden? Wir miissen uns hier auf eine anna- hernde Schatzung verlassen. Unsere Schiffsrheder, welche fur diese Ver- haltnisse ein scharfes Auge besitzen, veranschlagen den nicht erlittenen Verlust im Falle von bloss zwei Stiirmen im Jahre 1900 auf nicht weniger als $3,000,000.

Die Zeit erlaubt mir nicht, den ,,kalten Wellen" weitere Aufmerksam- keit zu schenken, doch kann ich nicht umhin, anzugeben, dass wahrend einer einzigen kalten Welle im Januar 1898 Versandgiiter im Werte von nicht weniger als $3,400,000 vor Schaden bewahrt wurden, und dass wah- rend einer anderen kalten Welle im Februar 1899 in Florida allein die Halfte der auf $1,000,000 abgeschatzten Gemiiseernte gerettet werden konnte.

Wenn ich dem nun gegeniiberstelle, dass fur unser Wetterbureau in dem am 30. Juni 1900 zu Ende gehenden Rechnungsjahre $1,022,480 ver- willigt, von dieser Summe thatsachlich aber nur $894,993.57 verausgabt wurden, so uberlasse ich es dem geneigten Urteile meiner Leser, zu ent- scheiden, ob dieses Geld als wohl angewandt zu betrachten sei.

Ich schliesse meine bescheidene Arbeit mit dem Urteile des Vorste- hers der meteorologischen Abteilung der deutschen Seewarte in Hamburg, des Prof. Dr. W. J. van Bebber, der sich wie folgt ausspricht: ,,Dieses mit grossen Mitteln ausgestattete System beruht auf einer Reihe ausser- ordentlich tief einschneidender Massregeln, deren Durchfuhrung nur in den Ver. Staaten moglich war, wo eine einzige Regierung alle Einrich- tungen nach einheitlichen Grundsatzen ordnen konnte, ohne der Mithilfe anderer Staaten zu bediirfen. Kein Wunder, dass die Leistungsfahigkeit dieses Systems diejenige aller iibrigen Systeme unserer Erde iibertrifft."

In rauhem Fahrwasser.

(Fur die Padagogischen Monatshefte.)

Ein Tagebuchblatt von C. O. Sehonrich, Baltimore.

Eine Nebeneinnahme von zwei Dollars den Abend erschien mir im Herbst 1876 doch gar zu verlockend, als dass ich mich nicht um die Stelle eines Lehrers an einer offentlichen Abendschule hatte bewerben sollen. Als erster Hilfslehrer wurde ich einem Oberlehrer zugeordnet, um mit ihm in einem damals ziemlich anruchigen Stadtviertel eine Abendschule zu eroffnen, in der erwachsene Weisse in den englischen Elementarfa- chern und im Buchfiihren unterrichtet werden sollten. Von der Schii- lerzahl 40 an sollten dann fiir jedes weitere Dreissig je ein Hilfslehrer angestellt werden.

Schon eine geraume Zeit vor der Eroffnungsstunde hatte ich mich in dem innerhalb eines eingezaunten Hofraumes stehenden Schulgebaude eingefunden, um Biicher und Schreibmaterialien, die, wie der Unterricht, den zu erwartenden Schiilern frei zu liefern waren, zurechtzulegen.

Ein stetig zunehmender, unheimlicher Larm liess sich von der nach- tigen Strasse her vernehmen. Endlich machte ich den Oberlehrer darauf aufmerksam. ,,O, das werden unsere Schiller sein," sagte der Erfahrene, ,,die werden ungeduldig, es ist auch Zeit ; ich will die Hofthiire auf schlie- ssen und ein wenig dort stehen bleiben, beaufsichtigen Sie deren Herein- kommen und weisen Sie ihnen einstweilige Platze an."

Er ging hinaus und bald flog die Schulthiire auf und herein walzte sich aus dem dunklen Hofraum mit indianerartigem Geheul eine Schar 1 6- bis 2ijahriger Burschen. Einige der vorderen fielen unter dem An- drang iiber die hohe steinerne Tiirschwelle, die nachsten sturmten unbe- kummert iiber ihre Kameraden hinweg, iiber ihrem eigenen Schreien de- ren Schimpfen und gotteslasterliches Fluchen nicht achtend.

Masslos war mein Erstaunen, so etwas hatte ich nie und nimmer fiir moglich gehalten. Und da sollte ich Ordnung halten! Ein jeder haschte sich einen ihm zusagenden Sitz, und haufig mussten dabei Schwachere den Starkeren ihre schon eingenommenen Pulte iiberlassen. Nur etwa zehn waren ordentlich hereingekommen, sie sahen auch missbilligend auf das Treiben der anderen.

Eine Ruhepause trat ein, die meisten beschaftigten sich damit, ihre Pulte nach Sachen zu durchsuchen, die die Tagschuler moglicherweise darin zuruckgelassen haben mochten; mittlerweile gab ich Tafeln und Griffel aus. Nachdem nun der wieder eingetretene Oberlehrer in einer iiberlangen und dadurch wenig eindriicklichen Rede das Benehmen der Burschen scharf getadelt und jedem Ruhestorer sofortige Ausweisung angedroht hatte, begann er mit Anfertigung einer Namenliste. 35 waren zugegen, die Mehrzahl irischer Abkunft.

In raubem Fabrwasser. 235

Nun begann eine Teilung der Schiiler. Diejenigen, welche noch nicht Dividieren konnten, wurden mir iiberwiesen. Es waren ihrer 26. Ein jeder Einzelne gehorte zu den vorigen Tumultanten. Mit dieser Herde begab ich mich nun in ein angrenzendes, diirftig erleuchtetes Klas- senzimmer.

Das Erste war wieder ein eifriges Durchsuchen der Doppelpulte. An ein Ruhehalten war nicht zu denken, da und dort Summen, Murmeln, Zurufe in der gewohnlichsten Gassenweise, mitunter auch Stampfen und Pfeifen; mit Miihe und Selbstbeherrschung gelang es mir endlich fest- zustellen, dass sechs noch gar nicht, und die iibrigen nur mehr oder min- der schlecht lesen konnten. Freudig klang mir das den Schulschluss ver- kundende Glockensignal, meinen Schiilern aber noch mehr ; die Mehrzahl johlte ohne weiteres zum Tempel hinaus.

,,Schicken Sie mir nur die Ruhestorer zu, wenn Sie mit denselben nicht fertig werden konnen," hatte mir der Oberlehrer beim Heimgehen gesagt, ,,mit den Burschen ist nicht zu spassen ; in der Schule No. . . wurde jiingst ein Oberlehrer angegriffen."

Das war nicht ermunternd, noch weniger aber, als ich, im Schatten einer Hauserreihe meinen Heimweg verfolgend, einige Burschen an der Ecke andern zurufen horte: ,,Ihr miisst morgen in die Abendschule kommen, da giebt's hollisch viel Spass."

tiber Nacht hatte ich meinen Plan gefasst. Gar gerne hatte ich auf die Stelle verzichtet, doch hatte ich mich ja um dieselbe beworben, und dann mochte es heissen, ein Deutscher konne keine Disziplin halten; es blieb mir schlechterdings nichts iibrig, als ein riicksichtsloses Entgegen- treten.

Einen sauren Gang trat ich am zweiten Abend an. ,,Heute muss einer Hiebe bekommen, sagte ich mir, und dieser Eine muss ein Leiter der Bande sein, sonst bin ich's." Die zweisitzigen Pulte meines Klassenzim- mers waren bald besetzt, iiber vierzig waren zugegen, in Rotten waren sie hereingekommen. Die Unruhe spottet aller Beschreibung. Mister, ich habe keine Dinte !" ruft einer. ,,Wir brauchen heute keine," entgegne ich ihm; nichtsdestoweniger pflanzt sich der Ruf wie ein Echo durchs Zimmer. Einer summt einen Gassenhauer, einige wollen Lesebiicher ha- ben, Zurufe werden ausgewechselt, in der Ecke unterhalten sich welche iiber ein Tingeltangel.

Mit Miihe bewahrte ich meinen Gleichmut, und mit Miihe hatte ich die gemischte Gesellschaft endlich dazu gebracht, mein Glockensignal zu beachten und mir auf einen Augenblick ihre Aufmerksamkeit zuzuwen- den ; auf die Wandtafel hatte ich eine geometrische Figur gezeichnet und ihnen zu verstehen gegeben, dass ich ihnen jetzt einen ,,trick" zeigen wolle. ,,Zunachst will ich euch darauf aufmerksam machen, meine Freunde," hub ich an, ,,dass die Stadt diese Schule mit bedeutenden Kosten eingerichtet

236 Padagogiscbe Monatsbefte.

hat, um euch noch Gelegenheit zum Lernen zu geben. Nun scheint es mir, dass einige nur hierhergekommen sind, um Zeitvertreib und Spass zu haben. Wenn dem so ist, so rate ich jenen, das Zimmer zu verlassen, da sie sich sonst Unannehmlichkeiten aussetzen. Was mich betrifft, so bin ich hier angestellt zu lehren, und das bin ich unter alien Umstanden entschlossen zu thun ; ich lasse nicht mit mir spassen, sondern "

"Is that so?" unterbrach mich ein grosser, etwa zwanzigjahriger Liimmel vom letzten Sitze einer Pultreihe, dabei meinen Tonfall nach- ahmend. Lachen rings herum in dem dicht besetzten Schulzimmer. Du hattest nicht besser thun konnen, selbst wenn ich dich dafiir bezahlt hatte, dachte ich bei mir selbst, und ging mit freundlicher Miene langsam den engen Gang zwischen den Pulten auf ihn zu, beide Hande nachlassig in den Seitentaschen meines Sackrocks bergend. Er und seine Genossen durften meine Absicht nicht ahnen, sonst hatte ich das Spiel verloren. Er ahnte auch nichts, sonst hatte er nicht die Zurufe einiger Kameraden "you are the boy," etc., so triumphierend entgegengenommen.

SchliesslicH war ich unter den gespannten Blicken der bunten Gesell- schaft, die durch meinen scheinbaren Gleichmut augenscheinlich etwas verblufft war, an dem Pulte des frechen Burschen angekommen. "Yes, sir, that is so" sagte ich scharf, in demselben Augenblicke klatschte auch meine Rechte mit voller Wucht in sein mich angrinsendes Gesicht, und er liess lautlos den Kopf auf seine auf dem Pult gekreuzten Arme fallen. Die schon bereite Linke brauchte ich gar nicht anzuwenden.

Mauschenstille war plotzlich eingetreten, und nun sagte ich der Klasse ganz ruhig, das sei der ,,trick", den ich ihnen habe zeigen wollen, und ich sei iiberzeugt, dass alle, die gekommen seien, um zu lernen, die- sen ,,trick" zu wiirdigen verstanden. Von da an herrschte Ordnung, ich konnte die Klasse einteilen und jeder Abteilung gerecht werden. Das Anschauungsobjekt riihrte sich den ganzen Abend nicht, so dass mir heim- lich bange wurde, ich konnte ihm schweren Schaden gethan haben; um so erleichterter fiihlte ich, als er sich beim Glockensignal mit den andern erhob und mit seiner Reihe doch abgewandten Hauptes hinausmar- schierte.

Er ging und kam nie wieder. Ich hatte auch nie wieder irgend welche Unannehmlichkeiten in der Abendschule, auch nicht auf dem Heimwege. Einige der Hilfslehrer, die an der wachsenden Abendschule weiter angestellt wurden, mussten iibrigens noch recht unangenehme Er- fahrungen machen; so einer derselben, nun schon seit Jahren ein promi- nenter Professor am Baltimore City College. Nicht nur, dass ihm an- fangs in der Klasse selbst iibel mitgespielt wurde, es wurden ihm auch welke Krautkopfe u. dergl. durch das Fenster ins Zimmer geworfen, und selbst auf dem Heimwege wurde er angegriffen. Durch eine vor der gan- zen Klasse ausgeteilte kraftige deutsche Ohrfeige verschaffte ich auch ihm Ruhe.

Neuere Litteraturgescbicbten. 237

Jahrzehnte sind seitdem verflossen, die Schulverhaltnisse haben sich auch in dieser Hinsicht gebessert, derartige Zustande sind unter der neuen Ordnung kaum mehr moglich. Am heutigen Abend kehrte ich von einer unter meiner Leitung stehenden siebenklassigen Abendschule zuriick, an der dieselbe Ordnung und Stille herrschten, wie an einer Tagschule. An den ubrigen hiesigen Abendschulen ist es gleichfalls so, sie erfiillen jetzt ihre ungemein wichtige Mission, und so anstrengend fiir die betreffenden Lehrer ihre verdoppelte Thatigkeit ist, sie wirkt Ermunterung und starkt ihr Selbstvertrauen, denn sie gewahrt ihnen beim jedesmaligen Heimgang das einzig schone Bewusstsein, wieder etwas geleistet zu haben, wahrend die vollbrachte Tagesarbeit leider nicht selten das niederdriickende Ge- fuhl zuriicklasst, als habe man leeres Stroh gedroschen.

Neuere Litteraturgeschichten,

(Fiir die Padagogischen Monatshefte.)

Von O. E. Leasing, University of Wis., Madison. Wis.

Bartels, A. Die Deutsche Dichtung der Gegenwart. Die Alien und die Jungen. Leipzig, Avenarius. Vierte Auflage. Geb. 5 Mark.

Das Ideal eines Kritikers ist nach Anton Schonbach (Lesen und Bil- dung) ein geschulter Litterarhistoriker, der ,,mindestens einmal das Ge- fiihl des Schaffens gehabt, den freudigen Augenblick der Wechselwirkung zwischen Dichter und Gedicht durchgekostet hat." Ein solcher ,,wird sich in das Schaffen eines echten Dichters hineinempfinden konnen und sich dadurch die wichtige Fahigkeit erwerben, das Echte vom Unechten zu unterscheiden." Wenn einer der zeitgenossischen Schriftsteller die- sem Ideal entspricht, so ist es Adolf Bartels, der sich in den letzten zehn Jahren im Kampf gegen die Scherer'sche Richtung der ,,Litteraturphilo- gie" eine unabhangige Stellung als Litterarhistoriker und Kritiker ero- bert hat.

Er hat jetzt einen Band lyrischer Gedichte, ein satirisches Epos: Der dumme Teufel, dramatische Dichtungen: Dichterleben, Geschichten in Versen: Aus der meerumschlungenen Heimat, zwei kraftig realistische Romane: Die Dithmarscher und Dietrich Sebrandt und das Drama: Der junge Luther geschaffen; vgl. Z. f. d. U. 15, 217 ff. Von diesen kiinst- lerischen Werken Bartels zu sprechen, ist hier nicht meine Absicht; so sehr ich dazu versucht bin, angesichts der Thatsache, dass selbst das um- fangreiche Buch R. M. Meyers, Die deutsche Litteratur des 19. Jahrhun- derts, worin so viele nichtssagende Leute Aufnahme gefunden haben, iiber den Dichter Bartels mit Stillschweigen hinweggeht. Denn eine bedeu-

238 P'ddagogische Monatsbefte.

tende, durch und durch gesunde, starke Personlichkeit spricht aus allem, was uns Bartels bietet. Ausser einer Menge von grosseren und kleine- ren Aufsatzen, die in verschiedenen Zeitschriften erscheinen, stammen folgende litterarhistorische Werke aus seiner Feder: Ein Buch iiber Klaus Groth, eine kurze Biographic Hebbels, eine kritische Studie uber Gerhart Hauptmann, eine biographisch-kritische Einleitung zu Otto Lud- wigs Werken, eine halb vollendete Gesamtdarstellung der deutschen Lit- teratur, und eine Geschichte der Deutschen Dichtung der Gegenwart. Tiber letzteres Buch, das in Deutschland mehr als irgend ein anderes an- regend und klarend wirkt, seien mir einige Bemerkungen gestattet.

R. M. Meyer hat das Buch in einer nichts weniger als sachlich ge- haltenen Rezension, Z. f. d. Ph. 32, in ff., als vollstandig wertlos ver- dammt und den Verfasser als einen leichtfertigen Dilettanten, ohne jede Urteilsfahigkeit, bezeichnet. Otto Lyon tadelt, dass Bartels den bestim- menden Einfluss der philosophischen Gedankenwelt auf die Dichtung, so z. B. den Schellings und Kants auf Hebbel, nicht nachweise; dass er die Ergebnisse der modernen Psychologic nicht verwerte, dass er die Philogie verachte und demgemass sein Werk den Charakter starker Subjektivitat trage (Z. f. d. U. 13, 705). Aber im Gegensatz zu Meyers personlichen Ausfallen gegen den Verfasser schreibt ihm Lyon ,,den geradezu intuiti- ven Blick des geborenen Kritikers fur alles Echte, Gesunde und Grosse" zu, und kommt, trotz prinzipieller Meinungsverschiedenheiten betreffs der von Bartels eingeschlagenen Methode, zu dem Schluss, sein Buch sei ,,der zuverlassigste, treueste, gesiindeste und warmherzigste Fiihrer durch die verschlungenen Wege unserer zeitgenossischen Litteratur."

Ein Teil von Lyons Tadel ist gewiss berechtigt, oder vielmehr, er ware es, wenn Bartels beabsichtigt hatte, sein Buch auf einer so breiten Basis, wie sie Lyon vorschwebt, aufzubauen. Wollte er das, so musste er auch den Einfluss der Klassiker und Romantiker, den der bildenden Kunst, der bei Hebbel, den der Musik, der bei Ludwig in betracht kommt, ausfiihrlicher als es geschehen ist, in die Darstellung hereinziehen. Aber schon der Titel des Buches belehrt uns iiber die wahren Absichten des Verfassers. Er will die grossen Dichter der fiinfziger und sechziger Jahre in ihrer Bedeutung als Kiinstler schildern. Er will uns nicht so- wohl erzahlen, wie sie geworden sind, das ware z. B. bei Hebbel auf Grund von Emil Kuhs Biographic sehr leicht gewesen sondern was sie waren, und was sie fur die Gegenwart sind oder sein sollten. An sie, insbesondere an Hebbel, Ludwig, Keller, deren Werk durch die Ende der sechziger Jahre beginnende Decadence unterbrochen wurde, soil sich die moderne deutsche Dichtung anschliessen. ,,Sie waren nicht Epigonen, sie haben Kraft und Grosse, Wahrheit und Natur und dabei eine reiche Kunst, alle ihre Bestrebungen deuten vorwarts, nicht zuriick." Es ist vielleicht Bartels' grosstes Verdienst, dass er, als der erste, die Kflnst die-

Neuere LitteraturgescUcbten. 239

ser Manner als den verheissungsvollen Anfang einer neuen, realistischen, die Tiefen des Lebens erschopfenden, echt nationalen Dichtung klar er- kannt hat.

Mit Hebbel 1st Bartels wesensverwandt. Er ist geradezu als Schii- ler seines grossen Landsmannes zu bezeichnen. Es scheint mir, dass Bartels nach Bewaltigung unserer klassischen Litteratur sich ganz in das Studium der poetischen und asthetischen Werke Hebbels versenkte und nun dessen unerbittliche kritische Scharfe und Ehrlichkeit, die Leiden- schaft fiir echten Lebensgehalt in der Kunst, den Abscheu vor allem Hoh- len, Ausserlichen und Halben sich zum Masstsab genommen hat. An einem besonders lehrreichen Beispiel lasst sich das deutlich sehen. Nach Hebbel besteht ein untriigliches Kriterium fiir die Unterscheidung von Genie und Talent darin, ,,dass man sich einer imponierenden Leistung ge- geniiber fragt, ob man bei einer hinreichenden Potenzierung des eigenen Vermogens ihrer selbst fahig gewesen ware oder nicht. Darf man die Frage bejahen, so hat man es immer mit einem Talent zu thun und nur im entgegengesetzten Fall mit dem Genie. Im Genie liegt immer etwas durchaus Neues, streng an ein bestimmtes Individuum Geknupftes. Der mittelmassigste Poet, der die Abendrote besingt oder ein Sonett auf einen Maikafer macht, wiirde es zu einem Gedicht, wie Schillers Spaziergang oder seine Glocke bringen, wenn seine Kraft millionenfach verstarkt wiirde ; Schiller selbst aber wiirde nie einen Fischer oder einen Erlkonig erzeugen" (Tagebiicher II, 294 und I, 74). Dass es sich bei Hebbel, im Gegensatz zu Otto Ludwig, nicht um eine Unterschatzung Schillers han- delt, geht aus folgender Ausserung hervor: ,,Glauben Sie nicht, dass ich es an unserem Volke nicht hoch ehre, gerade Schiller zu seinem Lieb- ling sich erkoren zu haben ! Stellen Sie sich die verwahrloste Nation vor, welche dem Dichter der Klarchen, Ottilien und Philinen solche Entzuk- kung entgegenbrachte, wie dem Dichter der Glocke, des Spasiergangs, des Wallenstein und des Tell!" (Kuh, Biographic Friedrich Hebbels II, 6i8f.). Wie Hebbel weiss auch Bartels, trotzdem beiden Goethe unver- gleichlich hoher steht, Schiller als Nationaldichter vollauf zu wiirdigen. So nennt er Shakespeare und Goethe, Dante und Cervantes Genies, Mo- liere und Schiller dagegen nationale Talente ersten Ranges, die allerdings der Wirkung nach jenen Genies verwandt sind. Hebbels Ansichten iiber Schiller hat sich Bartels dann in seiner Geschichte der deutschen Littera- tur ganz zu eigen gemacht (p. 491 ff.).

Das von Hebbel gegebene Kriterium wendet er auf diesen selbst und auf Otto Ludwig an. Beide sind ihm Genies zweiten Ranges, die ihrem Wesen nach jenen grossen Genies verwandt sind, ohne dass sie je mit ihnen, oder auch nur mit Moliere und Schiller auf gleiche Stufe gestellt werden konnten. ,,Haben wir Deutschen eine Tragodie, so ist es nicht die Schillers, sondern die Kleists, Hebbels und Ludwigs dariiber sollte

240 P'ddagogiscbe Monatsbefte.

nun kein Zweifel mehr sein, so sicher es andererseits 1st, dass nicht ein- mal alle drei zusammen die nationale Bedeutung Schillers erreichen." Dies ist eine von den vielen Stellen des Buches, die zum Nachdenken an- regen, zum Widerspruch reizen, und deren Wahrheit man sich am Ende doch nicht verschliessen kann.

Mit Hilfe der Hebbelschen Asthetik gelangt Bartels auch zu der glanzenden, von jeder Uberschatzung freien Wiirdigung Kellers. Wird dieser von R. M. Meyer ,,der grosste schopferische Genius in unserer Lit- teratur seit Goethe" genannt, so ist er fur Bartels ,,ein Talent, das dem Genie in seinen Wirkungen nahekommt." Dass dieses Urteil keine leere Wortspielerei ist, sondern in die tiefsten Geheimnisse kiinstlerischen Schaffens hineinleuchtet, wird jedem klar werden, der sich in ein Werk wie Ludwigs Zwischen Himmel und Erde versenkt hat und dann Meister- stiicke Kellers wie Romeo und Julie auf dem Dorfe oder Die missbrauch- ten Liebesbriefe zum Vergleich herbeizieht. So hat Bartels auch den richtigen Standpunkt gegeniiber der ,,Atelier"kunst Paul Heyses, der Formkunst Geibels, der Operntextdichtung Richard Wagners. In all sei- nen Urteilen geht er von dem Besonderen, von der geschlossenen An- schauung der einzelnen Personlichkeiten aus, auch wo es gilt, den Geist einer Zeitperiode in der Allgemeinheit zu begreifen. Was ihm Hebbel fur die Erkenntnis des asthetischen Wertes moderner Litteraturerschei- nungen und -bewegungen im kleinen, das sind ihm Luther, Goethe, Bis- marck fiir die Erkenntnis der deutschen Kultur im grossen. Daher der ,,intuitive Blick", die beispiellose Treffsicherheit des Urteils iiber das We- sen von Individuen. Und da ihm diese ganz lebendig geworden sind, wird ihm auch ihre Zeit lebendig; da er die Einzelnen in ihrem Zusam- menwirken als Organismus sieht, iiberschaut er die Entwickelung des Ganzen.

So wurde es ihm moglich, gewissermassen die Entdeckung zu ma- chen, dass wir in der Mitte des vorigen Jahrhunderts ein ,,silbernes Zeit- alter der deutschen Dichtung" hatten, dass die vielgeschmahte ,,Reakti- onsperiode" nach 1848, das Jahrzehnt, welches R. M. Meyer ,,kein scho- pferisches" nennt, die bedeutendsten Dichtungen seit den Tagen der Klas- sik und Romantik hervorgebracht hat. Und wie iibersichtlich, wie na- tiirlich gliedert sich ihm der Stoff in organische Gruppen! Zuerst der im Gegensatz zur Tendenzschriftstellerei des ,,Jungen Deutschland" sich erhebende Poetische Realismus mit Hebbel und Ludwig, den beiden Ge- nies, an der Spitze. In ihrem Gefolge dann das ,,Siebengestirn" der gro- ssen Talente : Freytag, Reuter, Raabe ; Groth, Storm, Keller, Scheff el, un- ter denen wiederum Keller als der glanzendste Stern hervorleuchtet. Ne- ben derWahrheitsdichtung dieser Manner entwickelt sich gleichzeitig, und ebenfalls als Reaktion gegen das Junge Deutschland, die wesentlich for- male Kunst des Munchener Kreises um Geibel, Heyse und Schack. Wei-

Newre LitteraturgescUchten. 241

'ter als die Mehrzahl der Realisten dringen die Miinchener in ,,die unge- heuer angeschwollene Masse der Gebildeten". Denn im Unterschied zu jenen gehen sie iiber die tiefen geistigen Bewegungen der Zeit, die Ab- griinde der Menschennatur, die sozialen Schaden hinweg, und die Zeit- genossen wollten nicht ,,an den bittern Ernst, an die unter der schimmern- den Oberflache verborgenen Abgriinde" erinnert werden.

Seit Ende der sechziger Jahre stellt Bartels eine allgemeine Entar- tung des Volkes, einen Verfall der Litteratur fest, hauptsachlich infolge •des Kapitalismus und der ihn begleitenden Schaden. Die wichtigsten Vertreter der Friihde cadence sind Spielhagen, Hamerling und Hans Ho pfen. Der grosse Krieg 1870 71 konnte den Verfall nur auf kurze Zeit aufhalten, die vielfach erwartete ,,grosse" Poesie nicht bringen. Die wenigen bedeutenden Dichter, die nach dem Krieg hervortraten, die gro- ssen Talente der siebsiger und achtsiger Jahre, Greif, K. F. Meyer, An- zengruber, Rosegger, Ebner-Eschenbach, bleiben zunachst ziemlich unbe- achtet, obwohl die drei letzteren etwas Neues der Litteratur brachten : das moderne Sozialgefiihl. Der Geschmack des grossstadtischen ,,Bildungs- pobels" wird von Feuilletonistischen Schriftstellern, von den Lindau und Blumenthal, beherrscht. Unter den ,,nicht oder wenig von Decadence ergriffenen Kreisen", den ,,anstandigen Leuten", waren die arch'dologi- .schen Halbdichter: Ebers, Dahn, Wolff, Baumbach Mode.

Einen Hauptvertreter der Hochdecadence sieht Bartels in R. Wag- ner. Sein Schaffen hat, bei allem bewusst nationalem Streben, mit Aus- nahme der Meistersinger ,,der deutschen und vielleicht der allgemeinen Decadence die hochsten kiinstlerischen Werte geliefert und ihr dadurch Halt und die weiteste Verbreitung verliehen". Eine Begriindung fiir diese Auffassung, deren Richtigkeit man wohl mehr und mehr wird zu- geben mussen, hat Bartels nicht versucht eine der wenigen Liicken des Buches. 1st R. Wagner in dem Kampfe seines Lebens zwischen Geistig- 'keit und Sinnlichkeit trotz allem ein grosser Kiinstler geworden das musikalische Genie Wagners zu leugnen, fallt Bartels natiirlich nicht ein so ist Richard Voss Decadent im allerschlimmsten Sinne des Wortes ; an ihm ist ,,keirie gesunde Faser".

Der folgende Abschnitt, Die Herrschaft des Auslandes, ist nachst dem Kapitel iiber Hebbel und Ludwig wohl der Beste im ganzen Buche. Dass die junge Generation, welche sich von dem Boden der Decadence, auf dem sie aufgewachsen war, loszumachen strebte, unter den Einfluss der auslandischen Litteratur geriet, findet Bartels nicht nur natiirlich, son- dern sogar berechtigt. Ein Beweis, wie er trotz seines ausgesprochen nationalen Standpunktes von jeder Einseitigkeit fern ist. Zwar ,,hatten wir alle Vorziige, die die fremden Litteraturen vor der gleichzeitigen deutschen aufwiesen, auch auf dem Wege normaler Entwickelung von innen heraus erreichen konnen, indem die besten Werke der Fremden

242 Padagogische Monatshefte.

kiinstlerisch unter den alteren deutschen der verwandten Richtungen ste- hen". Aber ,,nur Lebendes wirkt auf Lebendes" ; und dank der in den vorigen Abschnitten geschilderten Modelitteratur waren Hebbel und Lud- wig vergessen. Das junge Geschlecht sah zu Hause schale Konventions- oder decadente Klassen- und Bildungsdichtung, im Auslande ,,die ganze Gesellschaft, das ganze Volk gespiegelt mit unerbittlicher Wahrheit und riicksichtsloser Kuhnheit, mit eindringender Scharfe und wunderbarer psychologischer Analyse. Hier Ebers, Wolff, Paul Lindau und Blumen- thal, dort Ibsen, Tolstoi, Dostojewsky, Zola die Wahl konnte nicht schwer sein". Nur ein grosser Dichter war da, ausser Anzengruber, der vom Auslande unabhangig gesellschaftliche Probleme im ,,modernen" Sinne zu behandeln begann: Theodor Fontane, dessen erster moderner Roman, L'Adultera, 1882 erschien. Obwohl ihm Fontanes Wesen ziem- lich fern steht, gelingt Bartels doch eine ausserst feine Charakterisierung des ,,Lesage unserer Zeit".

(Fortsetzung folgt.)

Allerlei.

Neuerungen in Cincinnati. Lehrproben bei Lehrerversammlungen. Einem Be- richte von Herrn Wm. Jiihling, deutschem Oberlehrer in Cincinnati, entnehmen wir folgendes Beachtenswerte : Seit Beginn dieses Schuljahres finden im englischen sowohl, wie im deutschen Departement der Cincinnatier offentl. Schulen Versamm- lungen der Lehrkrafte nach Graden statt, um ein besseres Verstandnis des neuen Lehrplanes, sowie iiberhaupt der neueren Unterrichtsmethode zu erzielen, bei wel- cher Lesen und Schreiben etc. nicht als Endzweck betrachtet werden, sondern die geistige Kraft und Selbstandigkeit, die der Schiller erlangt. Zu diesem Behufe wird besonders auf die Pflege des gesprochenen Wortes grosses Gewicht gelegt. Im deut- schen Departement sind nun an Stelle der bisherigen Besprechungen in diesen Ver- sammlungen praktische Lehrproben getreten, die sich als ungemein nutzbringend erweisen. Am 18. Marz d. J. gab Fraulein Albertine Bechmann in der 7. Dist.- Schule die erste Lehrprobe mit Schiilern der B-Klasse des ersten Grades. Das ihr gestellte Thema der Probelektion war ,,Der Vogel". Zur Veranschaulichung der Korperteile des Vogels diente ein ausgestopftes Exemplar desselben. Der Anschau- ungsunterricht wurde in praktischer Weise mit Sprech- und Sprachiibungen ver- bunden. Einige der gefundenen Satze schrieb die Lehrerin an die Wandtafel und die Schuler lasen, bezw. lautierten dieselben. Auch Zahlen wurden dabei durch schnelles Zahlen der Buchstaben und Worter geubt. Die von einem der Schuler ausgerufenen Worter mussten von anderen durch rasches Zeigen mit dem Stocke angegeben werden. Nachdem auf diese und ahnliche Arten die Lesefertigkeit doku- mentiert war, wurde von einem der Schuler die Worter fttr das Rechtschreiben (auf der Schief ertaf el ) ausgerufen und zuletzt von demselben Schuler markiert, worauf die Lehrerin die Tafeln zur Besichtigung herumreichte. Hierauf wurde der Auf- satz angefertigt. Etwaige schwierige Worter schrieb die Lehrerin an die Wand- tafel. Als Minimum wurden 5 Satze verlangt. Sodann lasen die Schuler ihre resp. Aufsatze vor und liessen sie zirkulieren. In die einzelnen Abteilungen wurden ent- sprechende Gesange und Deklamationen iiber den Vogel eingefloehten. Auch ver-

Allerlei.

243

schiedene Spiele wurden in geschickter Weise mit der Arbeit vereinigt; z. B. ein Ballspiel, wobei jede Bewegung des Schiilers von diesem mit einem entsprechenden Satze begleitet wurde ; z. B. ich werf e den Ball, ich kann den Ball nicht f angen u. s. f .

Am 25. M&rz filhrte Frau Charlotte E. Neeb von der 5. Dist.-Schule ihre Schiller des zweiten Grades vor. Das ihr gegebene Thema war >tDer Fruhling". Fiir den Anschauungsunterricht wurde ein farbiges Bild von Holzel, Wien, benutzt. Bei den hieran angekniipften, sehr zahlreichen Sprech- und Sprachiibungen war besonders die im Gebrauche der Verhaltnisworter mit dem 3. oder 4. F. (an, auf, iiber etc.) hervorzuheben. Z. B. Wo steht das Madchen? D. M. steht auf dem Stege. Wo ist der Steg? Der Steg ist iiber dem Bache. Wo ist der Bach? Der Bach ist unter dem Stege. Wohin fiihrt der Steg? D. St. fiihrt iiber den Bach. Wohin will das Madchen gehen? D. M. will iiber den Steg gehen, u. s. w. Auch die Mannigfaltig- keit der Besprechungen war fur diesen Grad bemerkenswert ; z. B. die geschickt an- gekniipften Zeiteinteilungen, die verschiedenen Arten der Miihlen, die zeitigen Blu- men, die Singvogel, die Charakterisierung des Dorfes, der Unterschied von Schnee und Eis auf den Bergen u. s. w. Der hierauf angefertigte, von den Schiilern vorge- lesene und herumgereichte Aufsatz zeigte, dass die Kinder die im Anschauungsun- terrichte gefundenen Satze gut zu verwerten wussten. Auch hier wurde durch ver- schiedene eingeflochtene Gesange und entsprechende Gedichte (teils im Chor, teils einzeln) hiibsche Abwechslung erzielt.

Hilfssuperintendent Fick hatte gerade diese beiden Lehrerinnen ausgewahlt, weil den resp. Klassen fast nur Kinder angehoren, die den unteren Volksschichten entstammen und die zu Hause kein Deutsch hb'ren, so dass das Vorgefiihrte gewis- sermassen das Minimum des zu Leistenden darstellen sollte. Die vorgefiihrten Schil- ler des 2. Grades haben im 1. Schuljahre nur 35 Minuten per Tag und erst seit Nov. 1901 taglich 1% Stunde deutschen Unterricht gehabt.

In der nachsten Versammlung soil eine Klasse ohne jede Vorbereitung fiir daa betr. Thema zur Vorfiihrung gelangen.

A.

B.

Ein Lehrgang des Schreibunterrichts. Einem Aufsatze von R. Seyfert entneh- men wir folgende 'ttbersicht des Lehrganges fiir den Schreibunterricht, welcher man- ches Neue bietet.

II. Schuljahr.

Pflege und Gewohnung in alien Stunden. Alles, was die Kinder schreiben, muss schon geschrieben werden. Darum sollen sie kein Tagebuch fiihren, sondern fur Arbeiten in und ausser der Schule nur ,,gute" Hefte. Darum soil ferner nur wenig, aber das Wenige musterhaft geschrieben werden. Einlernung in besonderen Stunden. Ziel: 1. Das kleine ABC und die arabischen Ziffern in entwickelnder Folge und in kleinen Wortern. 2. Das grosse ABC in genetischer Folge ohne Schreib- stoff.

Das Vorwartsschreiten darf hier nicht zu langsam geschehen. Anmerkung 1: In jeder Stunde sind Voriibungen auf ein Probeblatt auszu- f iihren :

Blosse Zugiibungen mb'glichst gross.

Besondere Vor- und Einzeliibungen, die zu dem in der betreffenden Stunde einzulernenden Buchstaben gehoren.

Alles Schreiben ist Taktschreiben. Das Schreibzeitmass fiir das Taktschreiben ist anfangs das eines Pendels von 125 cm, am Schlusse das eines solchen von 90 cm. Nach Malzels Metronom etwa 48 60.

a) b)

244 Padagogische Monatsbefte.

Anmerkung 2: Auf die letzte Zeite jeder linken Seite des Schreibbuches 1st Ort und Datum, jeder rechten Seite der voile Name des Kindes zu schreiben.

III. Schuljahr.

A. Pflege des Schonschreibens in alien Stunden. Alles, was die Kinder schrei- ben, ist schon zu schreiben. Zwar ist fiir Schonschreiben ein besonderea Heft in der Schule da, fiir alle schriftlichen Arbeiten in der Schule und daheim giebt es nur gute Hefte.

B. Einlernung in besonderen Stunden.

1. Entwickelnde Folge der Grossbuchstaben und Ziffern allein und in Wortern.

2. Vor- und Naehschreiben der geeigneten orthographischen Reiheji.

3. Zugiibungen im Schreibheft.

4. Voriibungen auf dem Probeblatt.

N.B. Alle Schreibiibungen im Takte nach der Geschwindigkeit des Pendels von 90 cm bis 30 cm (M. M. 60 bis 100).

IV. Schuljahr.

A. Pflege in alien Unterrichtsstunden.

1. Alles, was die Kinder schreiben, ist schon zu schreiben.

2. Auf die Fiihrung eines Tagebuches, das hier erst auftritt, ist beson- ders zu achten.

B. Einlernung in besonderen Stunden.

1. Grosses und kleines Alphabet und Ziffern in rascher Folge als Wieder- holung.

2. Im Anschluss die entsprechenden Worter der orthographischen Reihen.

3. Satze von einer Zeile Lange ( Sprichworter, Merksatze).

4. Zugiibungen in das Schreibheft.

5. Zugiibungen auf das Probeblatt.

Anmerkung: Zeitmass nach dem Pendel von 30 cm bis 16 cm (M. M. 100 144).

V. Schuljahr.

1. Rasche Wiederholung der Gross- und Kleinbuchstaben (Aa, Bb) und Ziffern.

2. Langere Satze (Sprichworter Sentenzen Merksatze), immer im Zusammenhange mit dem Sachunterrichte.

N.B. Die Einlernung tritt mehr zuriick. Die Pflege tritt mehr und mehr in den Vordergrund. Jeder 3. Aufsatz ist zu Hause einzuschreiben. Die Tagebiicher sind regelmassig durchzusehen. Der Unterricht richtet sein Augenmerk auf das Schnellschonschreiben. Pendel: 16 bis 9 cm (M. M. 144 200).

Vom VI. Schuljahre wird, wenn irgend moglich, alles der Pflege iiberlassen, besondere Schreibstunden fallen weg. Jeder zweite Aufsatz ist zu Hause einzu- schreiben. (Im VII. und VIII. Schuljahre mo'glichst alle!) Jeder Riickgang in der Schrift ist durch energisches Eingreifen zu verhindern. Aber kleine Eigentiim- lichkeiten, die die Schrift nicht verunzieren, mogen den Kindern zugelassen werden.

(Aus der Schule fiir die Schule.)

fiber die Vorziige des Taktschreibens sagt Seminarlehrer Nowack in seiner ,,Me- thodischen Anleitung": 1. Die Langsamen und Tragen werden dadurch zumFleiss angespornt, die Fliichtigen werden zuriickgehalten. 2. Die Schiller werden geno- tigt, jeden, auch den kleinsten Teil sorgfaltig auszufiihren. Somit fordert das Takfc-

Allerlei.

245

schreiben die Deutlichkeit der Schrift. 3. Die Schiller bekommen dadurch einen festen, sicheren Zug in die Schrift und eignen sich allmahlich eine schnelle, gleich- massige Schrift an. 4. Das Taktschreiben duldet keine Willkiir; es erschwert oder unterdriickt Plauderei, Tilndelei der Schiller und zwingt diese, ihren Willen dem des Lehrers unterzuordnen. Insofern ist es auch ein wichtiges disziplinarisches Mittel. 5. Alle Schiller beugen sich willig unter das Gesetz; sie haben ihre Lust an der iibereinstimmenden Thatigkeit; denn die gemeinsame und streng geregelte Thatigkeit wird leichter und freudiger erfiillt als ungezwungene. Somit bringt das Taktschreiben frisches, reges Leben in die Schreibstunde. 6. Das Taktschreiben hat also eine erziehliche Bedeutung und fordert bei sachgemassem Betriebe die Er- folge des Schreibunterrichts.

(Aus der Schule fiir die Schule.)

Studentenleben in alter Zeit. In der Sitzung des Lehrervereins zu Frankfurt a. M. vom 8. Marz sprach Herr Krummel iiber ,,Briefe eines Studenten aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts". Der Vortragende wollte einen Beitrag zur Geschichte der Padagogik liefern auf Grund von Briefen eines Herborner Schiilers und nach- herigen Marburger Studenten, die in den Jahren 1605 11 geschrieben worden sind. Der Briefschreiber war Johann Eberhard Schmidt aus Hungen, der zunachst in Her- born das Padagogium besuchte und 1606, durch die Pest veranlasst, nach Marburg iibersiedelte. Die Wetterau hat damals viele Jiinger der Wissenschaft hervorge- bracht. Wir nennen hier nur Johann Konrad Lb'hr, Schmidts Vetter, und die bei- den ZaunschlifFer, von denen der jiingere ein Studiengenosse von Amos Comenius wurde, der am 30. Marz 1611 als Joannes Amos Nivmizensis (s. von der Linde, Nass. Drucke) in Herborn immatrikuliert wurde. Eberhardt Schmidt rilckte in Marburg 1607 zum Primus auf, und in Anerkennung seiner Leistungen gewahrte ihm sein Landesherr, Graf Otto von Solms-Hungen, ein Stipendium, was er ,,mit grossem lust vernommen", und infolgedessen hat er auch ,,eine bessere lust und mudigkeit bekommen ,solchen cursum philosophiae zu continuiren und vollenden". 1610 er- warb er den Magistergrad und studierte dann noch ein Semester Jura. Der wei- tere Inhalt seiner Briefe lasst das treffliche Verhaltnis zu seinen Grosseltern, Eltern und Geschwistern erkennen. Seiner Schwester machte er kleine Geschenke; so schickte er ihr einmal von Herborn aus ,,vor 12 pfennig sterke", die ihm dafiir ,,Schneubtiicher" schenkte, welche ihm ,,vorwar gewiinscht kommen". Die histori- schen Berichte tiber das hessische Schulwesen finden Erganzung in diesen Briefen. Moritz des Gelehrten Ftirsorge fiir die Marburger Schulen wird in verschiedenen Briefen hervorgehoben. Vor allem wird von der Pest in der damaligen Zeit aus- fiiurlich berichtet: ihr erstes Auftreten zu Leun, Verschleppung nach Herborn und Marburg. Die Studenten miissen ihr Quartier raumen, und Professor Vietor ist es, der ihnen mit grosser Liebenswurdigkeit zur Seite steht. Den breitesten Raum in den Briefen nimmt die Sorge fiir Kleidung und Nahrung ein. In Bezug auf die Kleidung ist er sehr sparsam. Die ,,hosen lasst er wenden" und schickt sie dann nach Hause: ,,kond ihr Karln (seinem Bruder) ein kleid draus machen lassen". Von einer besonderen Studententracht, die schon vor seiner Zeit erwahnt wird (s. d. altesten Stammbticher v. Keil), ist nicht die Rede. Interessant sind die Mitteilun- gen iiber die Einrichtung des Mittagstisches und die Aufstellung des Mends, die recht viel Raum in den Briefen einnehmen. Von den beliebtesten Lehrern werden Goclenius, Vietor und Vultejus genannt. Der erstere gewinnt auch dadurch noch Bedeutung, dass Comenius als Gast in Marburg bei ihm Vorlesungen horte (Brief- wechsel des Comenius Monatshefte der Comeniusgesellschaft, Bd. VII, 1898). Goclenius ist es auch, der in Hans Ebert den Wunsch erweckte, die Absolvierung

246 P'ddagogiscbe Monatsheftt.

des philosophischen Kurses durch eine 6'ffentliche Disputation zu dokumentieren. ,,Mit dem Goclenio hab ich getrunken % viertel weins, da er die Theses durchsehe." Das Verhaltnis zwischen Biirgerschaft und Studenten war damals nicht giinstig, wie aus dem Berichte verschiedener Falle hervorgeht. ,,Ein burger hat dem Stu- denten Pistorius den kopf und hirnschal aller eingeschlagen. Und 1st zu besorgen, dass er sein leben lang nichts zu studieren taug, welches die arzt sagen." Ein ande- rer Fall illustriert den zu aller Zeit und an jeder Hochsehule obwaltenden Gegen- satz zwischen Studenten und Scharwache. Im weiteren berichten die Briefe iiber die Stadt Marburg selbst. (Frankfurter Schulzeitung. )

Lekture der Schuljugend. In seinem Werke: ,,Ein Knabenleben vor sechzig Jahren" beriihrt Prof. Dr. F. Pfalz einen besonders auch bei uns wunden Punkt im modernen Kinderleben in folgenden Worten: ,,Gluckliche Zustande im Vergleiche mit dem zerstreuenden, verwiistenden Lesen unserer Tage! Jetzt erhalt ein Kind zu Weihnachten und zum Geburtstage Biicher und immer wieder Biicher, bis sich ganze Stb'sse vor ihm aufbauen. Dazu muss es sich auch noch Biicher aus der Schul- bibliothek leihen, und Tag fiir Tag nascht es an alien moglichen Zeitschriften, die im Hause ausliegen, herum, am liebsten natiirlich in den Feuilletonromanen. Das arme Wesen liest, liest, wird immer diimmer, immer zerstreuter, immer vergessli- cher! Der Lesestoff 1st eine kostliche Speise, nur muss sie in Portionen gereicht werden, die dem Alter angemessen sind."

A Sensible Answer. The School Index replying to a parent who asks why more attention is not given to the teaching of elocution in the public school, says:

Thirty years ago it was customary for teachers, nine-tenths of whom were with- out special ability or training in this line, to strain after false ideals in the teaching of the subject of reading, with results that were often as grotesque as they were worthless. It is the function of the elementary schools to teach reading, not elocu- tion. Comparatively few children are adapted to elocutionary performances; nearly all, however, may become reasonably good readers. To grasp the thought of an author and to give it with proper expression offers a field of effort sufficiently aspir- ing for any teacher.

Training in the ability to "tear a passion to tatters" belongs to the specialist and not to public school work. There has been a marked improvement in reading since the straining after the artificial elocutionary effect was abandoned. However, there is still ground for improvement, and it may be that further efforts in this direction should take the line of better interpretation and expression of emotional literature. (Western Teacher.)

Three Kinds of Teachers. The following comes from the "American Journal of Education": Of course the pertinent question in connection with the extract is, Of which kind are you?

1. The first kind is composed of those who are teaching "for revenue only." They look upon the school-room as a place for winning sufficient money to start them in some other line of business, which they expect to make their life work. They may be fresh graduates from school, who have the law, medicine, the ministry or some similar occupation in view, but are in need of some ready cash for prose- cuting it. 'So they get a second-grade certificate, and inflict themselves on some rural school, which is apt to feel proud to get such teachers. But they stay only long enough to accomplish their end, and then bid good-bye to the school-room. Now, it is not at all likely that such teachers can do any good to any one but them-

Das deutscbe Lied in der folksschule. 247

selves. Their object is not the good of the school, nor to honor the profession, but only to compass their own personal selfish ends. They are too much like hirelings, and are almost certain to subordinate what should be supreme to their own per- sonal purposes. It is needless to say that the less of such teachers the better.

2. A second kind has a higher motive. They love the work, and put energy and enthusiasm into it. They follow it because it is in line with their own inclina- tions and tastes. Such a condition is favorable for the school. As every one does better when doing what suits his tastes than when otherwise, it follows that the school will fare well when taught by one who loves his work. But even such a com- mendable state of affairs may fall short of the best, if there is no other motive than love for the work. That does not go far enough. Such a teacher may please his patrons and his scholars may make commendable progress in their studies, while failing in the true purpose of an education the full development of individual character.

3. The third kind of teacher is he who, while having a genuine love for his work, recognizes his position as an opportunity to serve the coming generations. He has as his work something more than imparting instruction and pleasing his pat- rons. He touches his pupils morally as well as intellectually. He has many oppor- tunities for making impressions that will go far in fashioning the future of those whom he instructs. His own life becomes some part of theirs. By setting before his pupils high ideas of character, by pointing them ever upward, by making them to feel the dignity and grandeur of life, whose largest achievement is not in ac- cumulation but in service, he does his truest work as an instructor. The reward of such teachers is not to be measured by the size of their salaries, nor by their popularity in a community. It comes only in the successful issue in the lives of those thus influenced, and (best of all) in the sweet consciousness of a well-filled life.

Das deutsche Lied in der Volksschule.

(Fur die Padagogischen Monatshefte.)

Von Anna Sohgrefe, Public Schools, Milwaukee, Wis. (Schluss.)

Doch ich habe bereits zu lange bei den Kleinen verweilt. Nun also zu den Grossen und Grb'ssten. Vom vierten Grade aufwarts, da man nicht mehr das Sin- gen so enge mit der anderen Arbeit verbindet, konnen die Lieder einem anderen Zwecke dienen, namlich dem, die Kinder mit den Namen einiger Dichter vertraut zu machen. Lasst man die Lieder lernen, nennt den Kindern den Namen des Dich- ters, besonders wenn schon vorher vom namlichen Dichter etwas gelesen wurde, lasst dann am Geburtstage des Dichters das Lied singen, vielleicht auch nur ein Gedicht sprechen ; so kann eine solche schlichte Feier auf empf angliche Kinder nicht verfehlen einen Eindruck zu machen. Einige dieser Lieder sind: Uhlands ,,Ich hatt' einen Kameraden" ; ,,Will ruhen unter den Baumen hier" ; ,,Droben stehet die Kapelle", Schillers beliebtes Schiitzenlied : ,,Mit dem Pfeil, dem Bogen"; das Rei- terslied aus dem Wallenstein: ,,Wohlauf Kameraden aufs Pferd, aufs Pferd, Ins

248 P'ddagogische Monatsbefte.

Feld, in die Freiheit gezogen", und Goethes: ,,Sah ein Knab' ein Roslein stehen" oder: ,,Ich ging im Walde so fiir mich bin."

Neben diesen, die einem besonderen Zwecke dienen sollen, empfehlen sich noch eine grosse Anzahl Volkslieder, ja ich mochte beinahe behaupten, kein deutsches Kind sollte die Schule verlassen, ohne wenigstens eines dieser Lieder gelernt zu haben: ,,Am Brunnen vor dem Thore"; ,,In einem kiihlen Grunde" mit den Wor- ten: ,,Da unten in der Miihle sass ich in guter Ruh'"; ,,Wie lieblich schallt durch Busch und Wald" ; ,,Hinaus in die Feme mit lautem Hornerklang" ; ,,Die Sonn' er- wacht"; ,,0 Thaler weit, o Ho'hen, du schoner, griiner Wald"; ,,Stimmt an mit hel- lem, hohen Klang, stimmt an das Lied der Lieder".

Hier sei noch eines Liedes gedacht, das obgleich nicht eigentlich ein Volkslied, doch eine leichte Weise ist, und daher selbst schon im dritten Grad recht eindrucks- voll gesungen wurde. Der Titel ist: ,,Das Mutterherz"; und der Kehrreim: ,,Es meint's ja vor alien, so herzlich, so treulich, Es meint's sonst auf Erden kein Herz so mit mir", schien auf die Kinder immer einen tiefen Eindruck zu machen.

,,Es geht bei gedampfter Trommel Klang", auch ,,Wenn die Schwalben heim- warts zieh'n", ja selbst ,,Die Wacht am Rhein" haben sich fiir gut gezogene Kinder des 4. und 5. Grades nicht zu schwer erwiesen.

Auch die Jahreszeiten werden in Kinderliedchen verherrlicht, so die holde Friihlingszeit mit ihren griinen Baumen und dem Vogelsang, die Sommerzeit im schonen Blumenschmuck, der Herbst mit seinen reichen Gaben, sowie auch der Win- ter mit Schnee und Eis.

Da ist das hiibsche Lied: ,,O wie ist es kalt geworden", von dem im Friihling, die letzte Strophe als erste gesungen wird mit veranderter Melodie. Ein anderes:

Bald ist der Winter ganz vorbei, Schon schmelzen Schnee und Eis. Die Liifte sind von Flocken frei, Die Felder nicht mehr weiss.

Nach ,,Winter ade, gehst du nicht bald nach Haus, Lacht dich der Kuckuck aus"r kommt dann: ,,Alle Vogel sind schon da, Alle Voglein alle"

Fiir kleinere Kinder: ,,Komm', lieber Mai, und mache die Baume wieder griin", oder ,,Alles neu macht der Mai, Macht die Seele frisch und frei".

Fiir grossere: ,,Bliiten und Blumen, Die bringt uns der Mai", oder das alte, ewig neue, ewig schone: ,,Der Mai ist gekommen, die Baume schlagen aus".

Das Lied: ,,A, a, a, der Sommer ist schon da", fiihrt gewo'hnlich den Sommer ein.

Fiir altere Schiiler sind folgende hiibsche Sommerlieder : ,,Hinaus in die Feme mit lautem Hornerklang", ,,Bei Trommelschlag und Liederklang", ,,Wie lieblich schallt durch Busch und Wald", auch ,,Das Wasser ist so hell und klar".

Ist man so mit Sang und Klang mit den Kindern im Friihling und Sommer durch Feld und Wald, durch Wiese und Wald gezogen, dann kommen die triiben Herbsttage, und es ertont nicht mehr so jubelnd, wenn die Kinder singen: ,,In unsers Vaters Garten da war's noch gestern griin", und wehmiitig klingt im selben Lied die Strophe: ,,Wo seid ihr hin, ihr Bliimelein, ihr Bliimlein gelb und rot."

Von dem Liede: ,,A, a, a, der Herbst ist wieder da", ist besonders die zweite Strophe hiibsch und lehrreich: ,,E, e, e, die Baume, die ich seh', Hangen voller Birnen, Pflaumen, Apfel, Niisse fiir den Gaumen. E, e, e, u. s. w." Dem Wegziehen- der Vogel ist gedacht in dem hiibschen Liede: ,,Lass' mich nur fliegen hin, Dir bleibet Herz und Sinn treu auch im fernen Land, u. s. w.", und wie mahnt die Kin- der folgendes Lied an den verschwundenen schonen Friihling: ,,Nachtigall, Nach- tigall, wie sangst du schon vor alien Vogelein" und weiter: ,,Wenn der Mai,

Das deutscbe Lied in der folksschule. 249

der Mai mit seinen Blumen flieht". Dem Liede: ,,Der Sommer ist vergangen, Der Herbst hat angefangen, Bald ist der Winter da", folgen dann die Winterlieder, bei denen gewQhnlieh nachfolgendes den Reigen erSffnet: ,,Der Winter ist kommen, Verstummt ist der Hain, Nun soil uns im Zimmer Ein Liedchen erfreu'n."

Von dem Liede: ,,A, a, a, der Winter, der ist da", gefallt die Strophe mit ,,O, o, o" besonders, weil durch sie die Kinder an die schone Weihnachtszeit erinnert werden. Sie heisst: ,,O, o, o, wie sind die Kinder froh, wenn das Christkind wird was bringen, Eltern frohe Lieder singen, O, o, o, u. s. w."

Und so waren wir denn bei dem Weihnachtsfest angekommen. Da giebt es der Lieder so viele, dass einem die Wahl fast schwer wird. Wo immer ein Baumchen erstrahlt, da wird gesungen: ,,O Tannenbaum, o Tannenbaum" und daher sei die- sem Liede hier der erste Platz gegb'nnt.

Neben diesem giebt es noch viele schone Weihnachtslieder, doch keines ttbt einen solchen Reiz auf die Kinder aus wie dieses.

Hier mo'gen einige folgen: ,,O Weihnachtsmann, o Weihnachtsmann, komm' doch zu uns herein"; ,,Morgen kommt der Weihnachtsmann, Kommt mit seinen Gaben, u. s. w."; ,,Morgen, Kinder, wird's was geben, Morgen werden wir uns freu'n"; ,,Kling, GlScklein, klinge, lingeling"; ,,Jubelt der frohliche Weihnachts- tag, Lichterglanz und Tannenduft, Reget das Herz zu lautem Schlag Bis uns das Glocklein ruft".

Unter den Festtagen der Deutschen nimmt auch das Osterfest einen wichtigen Platz ein. Da nun Ostern und der Hase bei deutschen Kindern unzertrennliche Begriffe sind, so ist folgendes Lied fur diese Zeit recht passend: ,,Haschen in der Grube sass und schlief. Armes Haschen, bist du krank, dass du nicht mehr hiipfen kannst". So auch: ,,Hiipfe nicht fort so schnell, Bleibe doch hier zur StelF, Oster- has, Osterhas, hupfe nicht fort. Lege uns Eier nett ins Gras und Gartenbett, Oster- has, Osterhas, hupfe nicht fort". (Nach der Melodie: ,,O wie ists moglich dann" gesungen.) Fiigt man dieser Liste noch einige Abend- und Wiegenlieder bei, so haben wir, glaube ich, alles, was in einem Jahre Verwendung finden kann. Einige schone Wiegenlieder sind: ,,Schlaf, Herzenskindchen, mein Liebling bist du"; ,,Schlaf, Kindchen, schlaf, der Vater hiit't die Schaf": ,,Schlaf, mein Piippchen, ich wiege dich ein"; ,,Morgen ist's Sonntag, da mach' ich dich fein"; ,,Gute Nacht, gute Nacht, Seht, der Mond am Himmel wacht".

Zum Schluss der Schule empfiehlt sich, besonders fur die Kleinen: ,,Eins, zwei, drei, Nun ist die Zeit vorbei. Bim, bam, baum, tont's im Glockenraum. Still, nun stell dich wieder, Strecke deine Glieder.

Tipp, tapp geh'n die Fiisschen auf und ab. Rege Arm' und Hande, Dreh' dich leis behende, Nun bleib' stille steh'n, Kindchen soil nach Hause geh'n."

Wir sehen, dass die deutsche Muse uns schr viel des Schonen bietet, an uns Lehrern ist es nun, Liebe und Freude zum Gesang zu wecken. Und wenn der Ge- schichtsschreiber sagt: ,,Aus den Liedern, die ein Volk singt, lasst sich sein Cha- rakter erkennen", so konnen wir das leicht auf die Schule passend machen, indem wir statt ,,Volk" ,,Klasse" sagen.

,,Wo man singt, da lass' dich ruhig nieder. B6se Kinder singen keine Lieder."

Kor res pon den zen .

(Fur die Padagogischen Monatshefte.)

Chicago.

Die Aussichten fur Anstellung von Lehrern sind fiir nachstes Jahr ziemlich ungiinstig. Man will in allem, was die Schule betrifft, nach Moglichkeit ,,spa- ren". Durch Aufgeben von Zweigschulen und Errichtung grb'sserer Klassen soil die gewohnliche Zahl der Neuanstellun- gen, die sich sonst auf etwa 300 im Jahr stellt, heruntergedriickt werden. Dem so verringerten Bedarf steht ein Angebot von mehr als 850 Bewerbern entgegen: Die Normalschule wird am 27. Juni fast 400 Zoglingen Diplome erteilen, 300 Gra- duanten des vorigen Jahres stehen noch als ,,Kadetten" auf der Warteliste, und 100 friihere Lehrer und uber 50 auswar- tige Lehrer bewerben sich um Anstellun- gen in Chicagoer b'ffentlichen Schulen.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer blinkt den deutsehen Lehrern an Chicagos 6f- fentlichen Schulen wieder. Schulrat Chr. Meier hat in der Sitzung der Schulbe- hb'rde vom 28. Mai einen letzten Versuch gemacht, wenigstens einen Teil von ihnen vor der fur den 20. August angesetzten Prtifung zu bewahren, indem er folgen- den Antrag stellte: ,,Beschlossen, dass alle, die am 1. Juni 1902 mindestens 4 Jahre an den offentlichen Schulen von Chicago deutsehen Unterricht erteilt ha- ben, ohne vorhergehende Priifung Zerti- fikate erhalten sollen, die sie zum Unter- richt in den vier unteren Graden der Ele- mentarschulen ermachtigen, und dass die in ihrem Besitz befindlichen Zertifikate sie wie zuvor zum Lehren der deutsehen Sprache berechtigen sollen." Das Komi- tee fiir Schulleitung wird am 5. Juni uber den Antrag entscheiden. Hoffen wir das Beste, aber seien wir auf einen Fehl- schlag gefasst. Es scheint nun einmal, dass der weitaus grb'sste Teil der Chica- goer Lehrer fiir die offenkundigen Steu- erunterschlagungen biissen soil.

Superintendent Cooley erbat sich in der gleichen Sitzung die Vollmacht, eine Auswahl aus deutsehen Klassikern als deutsehen Lesestoff fiir den 7. und 8. Grad einzufuhren, da die fur diese bei- den Klassen vorgeschriebenen Lehrbii- cher nicht genugenden Stoff bieten.

Viel friiher als man erwartete, wurde ein Nachfolger fur Col. Francis W. Par- ker in der Leitung der School of Educa- tion ernannt. Die Wahl fiel auf Dr. John Dewey, Vorstand des Department of Ed- ucation der Universitat Chicago. Man hatte gewiss keine geeignetere Persb'n- lichkeit finden konnen, wie Dr. Dewey,

einen der bedeutendsten Psychologen Amerikas; ein Mann von klarem padago- gischem Blick, feinem Takt und unge- wb'hnlicher Arbeitskraft. In dieser Wahl ist gleichzeitig die Vereinigung derSchool of Education mit der Sekunaarschule der Universitat, der South Side Academy, deren Leiter Dr. Dewey ist, ausgespro- chen.

E. P. Cincinnati.

Ein konstitutionelles Pensionsgesetz ist uns endlich geworden. Will sagen: Die Erziehungsbeho'rden aller Stadte ersten Ranges solcher, die mit wenig- stens 20,000 Einwohnern gesegnet sind im Staate Ohio konnen einen Lehrer- Pensionsfonds schaffen und zu dem Zwecke von alien ihren Lehrern, die sich freiwillig dazu verpflichten, zwei Dollars ihres Monatsgehaltes eintreiben, sowie alle etwaige diesen Fonds geschenkten, vermachten oder sonstwie zugeflossenen Betrage einheimsen, verwalten und zur Pensionierung derjenigen Lehrer verwen- den, die 1. nach zwanzigjahriger Dienst- zeit im Staate Ohio wegen kbrperlicher oder geistiger Unfahigkeit fiir pensions- fahig erklart werden; und 2. die nach dreissigjahriger Dienstzeit, zwei Drittel welcher in den offentlichen Schulen des betreffenden Counties zu leisten ist, um Pensionierung nachsuchen. Die Pension soil zehn Dollars fiir jedes geleistete Dienstjahr betragen, in keinem Falle je- doch den Maximalbetrag von funfhun- dert Dollars iiberschreiten. Im Falle des Ausscheidens vor Eintritt der Pensions- berechtigung soil der oder die Betreffen- de die Halfte des eingezahlten Betrages zuriickerhalten, bezw. seine Erben, im Falle er mit dem Tode abgeht. Wie ver- lautet, haben soweit gut 800 von den 990 Lehrern unserer offentlichen Schulen ihre Zustimmung schrjftlich kundgege- ben. Hoffen tlich hat jetzt ,,Europia Ru- he" und sind alle gliicklich in dem Be- wusstsein, sich ,selbst und ihren Genos- sen aus eigenen Mitteln die alten Tage wonnig machen zu diirfen, ohne dass Staat, County oder Stadt sich finanziell an der Sache beteiligen.

Ein vermehrter und verbesserter Lehr- kursus fur die Hochschulen ist nunmehr die Parole, nachdem die Elementarschu- len furs erste genugsam beriicksichtigt worden, und, wie es scheint, mit ziemli- cher Gleichmassigkeit und zufriedenstel- lendem Erfolge ihren neuen Kurs steu- ern. In den Hochschulen, die fernerhin

Korresponden^en.

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in Wirklichkeit ein richtiges Zwischen- glied zwischen den Elementarschulen und der Universitat oder dem College bilden, anderseits aber auch solche di- rekt ins Leben einfiihren sollen, die, mit Aussehluss des Handwerks oder der Fa- brikarbeit, sich zu nicht-wissenschaftli- cher Beschaftigung zu befahigen wiin- schen, werden die lebenden Sprachen Deutsch, Franzosisch und Spanisch - eingehendere Beriicksiehtigung, und Ge- schaftsfiihrungskunde, Handfertigkeits- unterricht, Zeichnen, Haushaltungskun- de und dergleichen Eingang finden. Sie sollen im Grossen und Ganzen eine Kom- bination des deutschen Gymnasiums und der deutschen Realschule, mit Anleh- nung an das Reformgymnasium werden sans dire, natiirlich! Wenn es noch gelingt, ein wenig Leben in die gang und gaben Methoden zu bringen, dann wird auch diesen Neuerungen der Erfolg ge- wiss sein.

Das liebe Geld, Chimare hat's Robert der Teufel selig genannt, macht leider ab und zu einen Strich durch die Rech- nung. Je mehr man braucht, desto we- niger hat man, desto schwieriger scheint es, genug loszueisen. Infolge eines neuen Gesetzes hort die finanzielle Selbstandig- keit unserer Schulbehorde wieder ein- mal auf, und da werden halt Budget- striche auch wieder an die Tagesordnung kommen. Ausserdem hat sich das Nie- dagewesene ereignet, indem ein Banquier die Konstitutionalitat einer durch ein Spezialgesetz neuerdings autorisierten Schulbonds-Emission anficht, und zwar, obgleich ihm die Negocierung derselben zugesprochen worden ist. Das alte ,,Fi- des sola" zieht eben nirgends mehr. Hier fehlt es an Sch.ulgeba.uden, an Lehrmit- teln und Apparaten; das altehrwtirdige ,,City Teachers' Institute" muss einge- stellt werden; allgemein als solche aner- kannte Anomalien in Lehrergehaltsver- haltnissen miissen weiter bestehen hilft aber nichts, es hapert mit selbiger Chi- mare.

Die Neuwahlen des Vorstands im Deutschen Oberlehrerverein hat stattge- funden. Die Herren B. Wittich, Priis. ; H. von Wahlde, Vizepras; F. J. Keller, Sekr. ; H. E. Kock, Schatzm., sind die Erwahlten. Nun steht noch der revi- dierte deutsche Lehrplan in Aussicht.

Auch im Deutschen Lehrerverein fand in der Versammlung, am 7. Juni, die Neuwahl der Beamten statt, und der Vorstand setzt sich nunmehr wie folgt zusammen : President : Constantin Greb- ner; Vizepras: Frl. Mathilde Walke; Prot. Sekretar: Karl Tackenberg; Korr. Sekretar: Erich Bergmann; Schatz- meister: Franz Keller.

Die Foderierung der Lehrervereine macht augenscheinlich keiue nennens- werten Fortschritte. Die deutschen Ver- eine haben die Angelegenheit ad calen- das graecas, bis nach den Ferien, ver- schoben, und von besonderem Enthusias- mus in den Vereinen englischer Zunge verlautet ebenfalls nichts. Moge das Ganze ein wohlgemeintes Hirngespinst bleiben. Begnugen wir uns lieber mit unserem Kommisbrote!

Wiederangestellt sind wir mit einigen Ausnahmen; diverse Versetzungen, Ver- schiebungen und Pensionierungen, und, als Folge davon, Neuanstellungen, haben natiirlich stattgefunden. Weitere ste- hen, wie immer., fiir den Anfang des neu- en Schuljahres wohl noch bevor. Ein zweiter Assistenzsuperintendent, an die Stelle des ausgeschiedenen Herrn Dyer, ist in dem Schulprinzipal M. F. Andrew gefunden worden.

Die Statistik des deutschen Departe- ments soil, wie ich hb're, etwa 17,500 deutschlernende Schiller ergeben. Das ist etwa die Halite der gesamten Schii- lerzahl. Wir stehen demnach immer noch gut, und wir erwarten fiirs nachste Schuljahr keine Verminderung in der Schiller- und Lehrerzahl; eher etwas mehr. ,,Hoffen wir das Beste!"

quidam. Milwaukee.

Die Behorde der hiesigen Staats-Nor- malschule steht mit der Stadt in Unter- handlung wegen 'Oberlassung einer be- nachbarten Distriktschule zu einer <Jbungsschule fiir die jungen Lehramts- kandidaten. Die Staatsschulbeho'rde hat der Stadt liberate Offerten gemacht, aber die Sache wird anscheinend nicht zustan- de kommen, da einerseits die betreffen- den Burger in dem Distrikt dagegen sind, und auch die stadtische Schulbehorde der Sache nicht giinstig ist, da sie fiirchtet, dass die Schule in ihren Leistungen ge- gen die anderen zuriick bleibt wegen der vielen Lehrproben. Nun hat zwar die Normalschule 'tfbungsklassen im Gebau- de, vom Kindergarten an bis zum 8. Gra- de, aber der tiichtige Leiter der Anstalt, Herr Ch. McKenney, wiinscht wohl lie- ber eine gut organisierte, vollklassige Schule, und noch dazu in der nachsten Nahe, zu haben, und das mit vollem Recht. Eine gute t^bungsschule train- ing school ist doch wohl sehr nb'tig fiir ein Institut, welches junge Lehrer heranbildet. In der Schulklasse sollen die jungen Leute sehen und lernen, ,,wie's gemacht wird". Der alte padagogische Ausspruch bleibt immer wahr : Experien- tia est optima rerum magistra. Natiir- lich muss und soil eine tiichtige theoreti- sche Ausbildung nebenher gehen; aber

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P'ddagogiscbe Monatsbefte.

die Erfahrung, den eigentlichen Drill, be- kommt der Lehrer in der Klasse. Den Maschinisten bildet man an der Maschi- ne, den Kaufmann im Handel, den See- mann auf dem Schiffe, den Soldaten ini Kriege und den Lehrer in der Klasse. Aber leider giebt es hier in Amerika eine Menge Lehrer, und meistens sind sie auf dem Lande zu finden, welche weder eine theoretische noch eine praktische Vorbil- dung genossen haben. Die wenigen Aus- nahmen, dass es auch einige tiichtige Leh- rer giebt ohne Ausbildung, bestatigen auch hier wie gewohnlich die Regel. Es sollte also keine Normalschule, kein Leh- rerseminar geben, wo nicht immer mit der Anstalt eine Musterschule fiir Lehr- proben verbunden ist. Das hiesige deutsch-englische Lehrerseminar erfreut sich einer solchen, der unter dem allbe- kannten Namen Engelmanns Schule wohlbekannten und tiichtigen Anstalt. Ob alle Normalschulen unseres Staates tfbungsschulen haben, weiss ich nicht, doch werden wohl die meisten einige '(Jbungsklassen im selben Gebaude be- sitzen. In Deutschland ist, so viel ich weiss, jedes Lehrerseminar mit einer vollklassigen Volksschule verbunden, und die Seminaristen haben dem Unterricht zu gewissen Zeiten beizuwohnen und auch selbst von Zeit zu Zeit in einzelnen Fa- chern Lehrproben abzuhalten. Diese Schulen sind wirkliche Musterschulen nach ihrer Fiihrung, Material und nach den Leistungen. Doch auch hier bei uns sieht man jetzt die Notwendigkeit die- ser Schulen ein, wie das eine Empfehlung oder besser Forderung eines Herrn Z. X. Snyder, Leiter der Normalschule in Gree- ley, O., in einem Bericht iiber die Ziele und Zwecke von Normalschulen aus- spricht, welche er in der Versammlung der N. E. A. in Los Angeles, Cal., vor- legte; er sagt darin Folgendes: ,,Der Bericht verlangt das Vorhandensein ei- ner Musterschule, weil eine solche fiir den Fortschritt der Studenten sowohl als auch der Fakultat unerlasslich ist. Das wirkliche Lehren in der Musterschule ist fiir den angehenden Lehrer der wichtigste Teil seiner Arbeit in der Normalschule, denn es giebt ihm Theorie und Praxis zu- gleich." Ich glaube, der Herr Scyder hat hier die pure Wahrheit gesprochen. Im Geiste versetzt man sich zuriick in die eigene Seminarzeit. Wie begeistert wurde man fiir den edlen Lehrerberuf, wenn man den Seminardirektor unter- richten sah und horte! Mit welcher Ge- schicklichkeit konnte er eine Sache ent- wickeln, wie geschickt wusste er die Fra- gen zu stellen, iiberzuleiten von einem Punkt zum andern, mit welcher Geduld nahm er sich der schwachen Schiller an

und wusste die Unaufmerksamen und Zerstreuten heranzuziehen und zu inter - essieren ! Ja, das war ein Meister in sei- ner Kunst, ein Meister in der Katechese, ein Meister in der Behandlung der Schil- ler sowohl als auch des Unterrichtsstof- fes. Er verstand es daher auch, seine Schiller und Jiinger, uns Seminaristen, zu begeistern, zu inspirieren und zu diri- gieren. Und dann nach den Lehrproben, wie genau und gewissenhaf t wurde rezen- siert; alles, auch das kleinste, wurde ge- riigt, jede falsche Fragestellung, jede fal- sche Definition, jede ungeschickte ttber- leitung von einem Punkt zum andern; und das alles wurde mit der grossten Lie- benswiirdigkeit gesagt, manchmal in kostlichem Humor, oft mit klassischen Ausdriicken, aber niemals mit verletzen- den Worten oder in unfreundlicher Wei- se. Die ersten schiichternen Versuche einiger angstlicher Gemiiter unter uns fielen gar klaglich aus, aber der Direktor verstand sie zu ermutigen, und bald fiihl- ten sie sich sicher vor der Klasse, und alle Scheu und Angstlichkeit war iiber- wunden. Und so batten wir noch zwei Seminarlehrer, die wahre Musterlehrer waren. Ja, es ist doch etwas Grosses und Gutes um eine gute Vorbildung fiir den Lehrerberuf. Moge bald die Zeit kommen, wo hier in Amerika kein Leh- rer angestellt wird, und zwar sowohl auf dem Lande, wie auch in der Stadt, der nicht eine tiichtige und gewissenhafte theoretische und praktische Ausbildung genossen hat!

Wenn diese Nummer der P. M. in die Hande der lieben Kollegen kommt, dann werden dieselben wohl schon ilberlegen und mit sich zu Rate gehen, wo und wie sie sich von den Miihen des letzten Schul- jahres ausruhen und fiir das neue frische Krafte sammeln wollen. Moge jeder und jede von uns den geeigneten Ort dazu treffen nach Neigung, Geschmack und den notigen Mitteln. Alle von uns wer- den wohl ernstlich der ersehnten Ruhe bediirfen.

A. W. New York. Deutscher Lehrerverein von New York

und Umgegend.

Im wunderschonen Monat Mai, Als alle Knospen sprangen, Da ist in meinem Herzen auch Die Turnlust aufgegangen. ,,Frisch, fromm, frohlich, frei" war das Zeichen unserer Sitzung vom 3. Mai und wurde dieselbe in voller Wiirdigung des Gegenstandes mit stilvollem musikali- schen Vortrage von den Herren Von der Heide und Dr. Kern eroffnet.

In seinem darauf folgenden, fesselnden Vortrage: ,,Interessantes aus dem Gebie-

Korresponden^en.

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te der korperlichen Erziehung" gab uns Herr Boos von der Dewitt Clinton High School zuerst einen geschichtlichen 'Ober- blick iiber das Gebiet gymnastischer tibungen und Bestrebungen unter den Griechen, Romern und den Deutschen. Indem er auf die neuere Zeit iiberging, sagte er von den letzteren: ,,Mit dem Ende des Siebenjilhrigen Krieges (1763) fallt fast genau das Erscheinen eines Bu- ches zusammen, das die Welt kaum we- niger in Bewegung gesetzt hat als die Thaten des kriegerischen Friedrichs des II. Es ist dies Rousseaus ,,Emile", der 1761 1762 im Druck heraus kam. Was Rousseau im ,,Emile" iiber die Notwen- digkeit korperlicher Erziehung sagt, hat sich in den Kopfen der deutschen pada- gogischen Reformatoren tief eingepragt. Haben die von Rousseau ausgesprochenen Ansichten und Grundsatze auch keines- wegs das Schulturnen in der zweiten Halfte des 18. Jahrhunderts ins Leben gerufen, so erscheint es doch unzweifel- haft, dass er auf die Durchfiihrung und FOrderung des Betriebes der Leibesiibun- gen ganz erheblich eingewirkt hat.

Das Schulturnen, welches nur in gewis- sen ritterlichen Formen in den Akade- mien des Adels geubt worden war, hat zuerst Basedow (gest. 1790) zweckma- ssig erweitert und in die Erziehung des Biirgerstandes iibertragen. Was in Des- sau mit Gllick begonnen war, wurde un- ter dem ehrwtirdigen Salzmann in Schnepfenthal weiter ausgefiihrt. Hier war es vornehmlich Guths Muths ( 1759 1839), welcher den neuen Erziehungs- gedanken einer Leibesiibung in ein Sy- stem brachte und durch seine ,,Gymna- stik fiir die Jugend" (1793) nach alien Gegenden Deutschlands und seiner Nach- barlander verbreitete. Es ist dieses Werk ein klassisches Hilfsmittel der Erziehung und bildet die Grundlage aller spater er- schienenen fihnlichen Werke.

Guts Muths hat mit voller Klarheit die Nachteile einer verkehrten Erziehung er- griffen und weist nach, dass die Ver- weichlichung des lebenden Geschlechtes in der einseitig geistigen Ausbildung ihren Grund habe. Er will die Gesundheit des Geistes durch die Gesundheit des Leibes erzielen, zu solchem Zwecke die Gym- nastik zum volkstumlichen Erziehungs- mittel erheben und gymnastische Spiele an Stelle der sonstigen herzverderbenden Belustigungen setzen.

Dasselbe Verdienst, welches GutsMuths sich um die gymnastische Praxis erwarb, gebtihrt Vieth (Lehrer der Mathematik in Dessau) in theoretischer Hinsicht. Seine ,,Encyklopadie der Leibesiibun- gen" (1794) bildet eine vortreffliche Er- ganzung zu Guts Muths Schriften, indem

sie namentlich die historische und phy- siologische Seite der Gymnastik in den Vordergrund stellt.

Auch Pestalozzi, der jiegriinder der neueren Padagogik, hat der Gymnastik grosse Aufmerksamkeit geschenkt und dieselbe nicht nur theoretisch behandelt, sondern auch in seinen Anstalten zu Burgdorf und Yverdun praktisch betrie- ben. Er ist der eigentliche Begrlinder unserer Freiiibungen. Pestalozzis gym- nastische Bestrebungen wurden in weite- ren Kreisen, namentlich durch den Phi- losophen Fichte, bekannt gemacht. 1m- manuel Kant, Niemeyer, Jean Paul und Moritz Arndt haben in ihren Schriften den Wert und Nutzen gymnastischer ttbungen erwiesen.

Die Verhaltnisse brachten es mit sich, dass im Anfange des letzten Jahrhun- derts besonders die kriegerischen Vortei- le der kb'rperlichen Erziehung in den Vor- dergrund traten. Guts Muths hatte in seinem System das Hauptgewicht auf die asthetische Seite der Gymnastik, auf die allmahliche harmonische Erziehung des Einzelnen gelegt. Man brauchte aber kriegsbereite, mit Patriotismus erfiillte Manner. Diese Liicke fiillte Voter Lud- wig Jahn in einer Weise aus, die die Be- wunderung des ganzen deutschen Volkes hervorrief. Er war der Griinder des ersten Turnplatzes in der Hasenheide bei Berlin im Jahre 1811. Noch zwei Man- ner mochte ich erwahnen, deren ganzes Leben in der Sache des deutschen Turn- wesens aufging, namlich Eiselen und Spiess. Das Jahn-Eiselen-Spiess'sche Turnen, wie es gegenwartig von alien Turnlehrern, die die deutsche Turnkunst unterrichten, gelehrt wird, hat Eingang in den meisten Schulen in alien Kultur- landern gefunden. Bereits im Jahre 1860 war das Turnen in den Volksschulen Deutschlands eingefiihrt worden. Die Ausbildung der Turnlehrer wird in den Turnlehrerbildungsanstalten der ver- schiedenen Hauptstadte der verschiede- nen Staaten Deutschlands geleitet. Auch hier in den Vereinigten Staaten unter- halt der N. A. Turnerbund ein Turnleli- rerseminar in Milwaukee, Wis.

Auf die Gestaltung des Jahn-Eiselen- Spiesa'schen Turnens haben in neuerer Zeit mehr oder weniger Einfluss ausge- tibt Dr. Euler (Berlin), Kluge (Berlin), Dr. Angerstein (Berlin), Ravenstein (Frankfurt a. M.), Kloss (Dresden), Dr. Lion (Leipzig), Wassmannsdorf ( Heidel- berg (, Jager (Stuttgart), Maul (Karls- ruhe) und andere."

Nachdem Herr Boos dann die heiltha- tigen Einwirkungen gymnastischer 'ttbun- gen auf die einzelnen Teile des KOrpers auseinandergesetzt, fuhr er fort: ,,Zum

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P'ddagogiscbe Monatsbefte.

Schlusse soil noch die Gymnastik als Heilmittel, wie sie von dem Schweden Ling gegriindet wurde, kurze Erwahnung finden. Ling gab der Gymnastik eine wissenschaftliche Gestalt. Diese Lingsche Gymnastik betrachtete den menschlichen Organismus als Ausgangspunkt und Ziel, und die gymnastischen trbungen und Ein- wirkungen durften nur solche sein, wel- che die Bildung und Umbildung des Kor- pers zu fordern imstande sind. Es wurde eine systematische Reihe von Turniibun- gen aufgestellt, welche stets den Zweck im Auge behielt, die natiirlichen Anlagen zur Einheit unter den Teilen des mensch- lichen Organismus herauszubilden. Turn- iibungen, welche nicht imstande waren, diese erstrebte Einheit entweder vorzube- reiten oder darzustellen, verloren von diesem Gesichtspunkte aus alien Wert. Alle jene einseitigen turnerischen Fertig- keiten und Kiinsteleien wurden von die- ser Gymnastik als nutzlos verworfen. Ling fragte nicht, auf welche Weise man die eine oder andere ttbung am sichersten und leichtesten macht, und wie man es in ihr am schnellsten zu einem hohen Grade von Fertigkeit bringt, sondern es war ihm die Hauptsache, zu erforschen, welche physiologische Bedeutung die zu erlernende Fertigkeit als Bewegungsform f iir das organische Leben des Korpers ha- be. Nach dieser Richtung bin wahlte Ling die Turniibung aus. Diese orga- nisch - harmonische Ausbildung des menschlichen Korpers betrachtete Ling als einen wesentlichen Bestandteil der Jugenderziehung und Volksbildung, und suchte ihr in seinem Vaterlande Schwe- den Eingang zu verschaffen, was ihm nach grossen Anstrengungen auch ge- lang. Diese neue Gymnastik verschaffte sich ein bedeutendes Ansehen in Schwe- den und auch in anderen Landern, und ihre Erfolge, namentlich in Beseitigung von krankhaften Zustanden des Leibes, waren iiberraschend. Wir verdanken Ling ungemein viel, eine wissenschaftliche Me- thode geschaifen zu haben, die es ermog- lichte, Einsicht und Kenntnis in den Be- trieb eines rationellen Turnunterrichtes zu bekommen, und massgebend war, viel- fache Verkehrtheiten und Missbrauche auf Turnplatzen in Deutschland zu besei- tigen, welche durch unkundige Turnleh- rer zum Nachteile fiir die Sache verbrei- tet worden waren. So viel iiber die wis- senschaftliche Seite der schwedischen Gymnastik.

In ihrer praktischen Richtung sind ihre Erfolge, mit Ausnahme auf dem Ge- biete der Heilkunst, bisher noch sehr zweifelhaft geblieben. Die vorwiegend wissenschaftliche Auffassung des Tur- nens nach dem Lingschen Systeme wird

demselben ohne Zweifel seine Bedeutung als medizinische Heilanstalt sichern, nicht aber im gleichen Masse fruchtbrin- gend fur die Erziehung und die Schulen werden, denen wir eine frische und froh- liche und nutzbringende Turnkunst schaf- fen miissen. Fur die Jugend hat die blosse Gesundheitstheorie keine Bedeu- tung; diese will Lust und Spiel und wechselseitige Arbeit an den Geraten, die Frei- und Ordnungsiibungen, weil sich bis dato die Jugend in ihrer Gesamtheit des Gefiihls ihrer Gesundheit zu erfreuen hat. Es geho'rt zu den theoretischen 'tfbertreibungen und Spitzfindigkeiten, wenn die schwedische Turnschule an- nimmt, dass jeder Turnschiiler krank sei, und darnach ihre Turnrezepte einrichtet. Unsere Jugend braucht und wiinscht: 1. Bewegung, 2. Bewegung und 3. nochmals Bewegung. Wer dieselbe durch den Turn- unterricht so zu gewahren imstande ist, dass derselbe der Jugend fiir Korper und Geist wahrhaften Nutzen bringt, die Ent- faltung des Jugendlebens und reiner Ju- gendlust fordert und den Anforderungen der Padagogik iiberall gerecht wird, der hat ein wirkliches Schulturnen geschaf- fen. Dieses Verdienst hat die schwedi- sche Gymnastik keineswegs erworben. Die Jahn-Eiselen-Spiess'sche Methode in ihrer schonen Gestaltung des Turnens ist der Schule viel naher getreten. Wenn die medizinische Gymnastik, Physiologic und die Diatetik mit der padagogischen Gym- nastik Hand in Hand gehen, so kann al- ien Anforderungen entsprochen werden und unser schones, deutsches Turnen in den Handen erfahrener, wissenschaftlich gebildeter Turnlehrer wird iiberall in der Welt in alien Schulen weiter bliihen und in noch uneroberte Gebiete auch noch eindringen."

Eingedenk des klassischen ,,Hic Rho- dus, hie salta" gab der Redner zum Schlusse einige, fiir wohlbeleibte Herren besonders erwiinschte, praktisch illus- trierte Anweisungen zu taglichen Freiii- bungen, und, damit uns ja nichts entge- he, liess ihn sein Enthusiasmus fiir die Sache zu allerletzt auch noch auf den Tisch steigen und uns die schonste ttbung in ihrer hb'chsten Vollendung vorfiihren und solche praktischen Unterweisun- gen stellte uns Herr Boos in seiner himm- lischen Herzensgiite fiir jede Sitzung in Aussicht. Ob die beleibten Herren iiber , na, als gewissenhafter Berichterstat- ter werde ich in Zukunft fiir die zu- und abnehmenden Leibesfullen an der Bierta- fel meine Augen offen haben.

Lauter Beifall und der herzlichste Dank der Anwesenden lohnten den prak- tischen Redner in reichlichem Masse.

P. S.

Bucherbesprechungen.

Der Leipziger Schulbilderverlag von F . E. Wachsmuth, Leipzig, Deutschland, Kreuzstrasse 3, hat den ,,Padagogischen Monatsheften" wiederum eine Anzahl von farbigen Bildern zugesandt. Darun- ter befinden sich diesmal das kulturge- schichtliche Bild ,,Agyptischer Totenkul- tus"; sechs Reproduktionen von beriihm- ten Meisterwerken : da Vincis ,,Abend- mahl", Rafaels ,,Sixtinische Madonna", Lauffers ,,Chrimhild an der Leiche Sieg- frieds", Wislicenius's ,,Luther auf dem Reichstage zu Worms", Werners ,,Bis- marck und Napoleon bei Douchery" ; ein geographisches Bild: ,,Stubbenkammer", charakteristische Kreidefelsen an der Ostseekiiste, und ,,Der Glockenguss", ein Anschauungsbild zu Schillers ,,Lied von der Glocke". Wir haben bereits in No. II 9 der ,,P.M." auf die reichhaltige Aus- wahl und die vorziigliche Ausfiihrung der Wachsmuthschen Bilder hingewie- sen. Heute lenken wir die Aufmerksam- keit unserer Kollegen besonders auf den ,,Glockenguss". Das Bild kostet un- aufgezogen drei Mark, schulferug zum Aufhangen 3.20 Mark in Anbetracht der kiinstlerischen Zeichnung und der sauberen, farbenschonen Vervielfalti- gung ein lacherlich billiger Preis! Dem Bilde ist ein Begleitheft zur Bespre- chung des Liedes, von dem Lehrer Max Eschner in Leipzig bearbeitet, beigege- ben, das zugleich eine Erliiuterung des Glockengusses enthalt.

Paul Qerisch.

Richard Wagner's Rheingold. Edited with Introduction and Notes oy Richard A. v. Mi/nckwitz. Newson and Com- pany. New York, (1902).

The works of Wagner have not been brought out in this country in neat con- venient form. This edition of Rheingold is the first of a series of German Opera Texts, which will include Walkiire, Sieg- fried, Gotterd'&mmerung, Tannh&user, Lohengrin, and Meistersinger.

The introduction is interesting and at- tractive. It points out that Haydn, Mo- zart, and Beethoven have deepened the impress wich their predecessors had left on the mind of the public, that they had, in fact, given to mankind something nobler, better, and loftier than the pleasures of material enjoyment, and that they had aimed to touch the re- ligious cord of the human heart. Wagner continued what they had begun, but he chose different subjects. Minckwitz says:

"Upon Wagner's genius there was im- posed the task of leading back to the scenes of its childhood the German mind, from which all the old traditions of the race seemed to have vanished. So it came to pass that in Germany itself, Wagner found his most hostile oppo- nents, and that his fame in foreign lands was to gain for him the esteem and ap- preciation of his own people."

It was a happy fate that gave to Wag- ner the power and inspiration to furnish the text to his wonderful melodies; he was both musician and poet. The result is that there is in his works perfect har- mony between the music and the text. At times his language is mysterious or archaic, but the quaint weird expression and the beauty of the music produce a mystic charm, which is fascinating and irresistible. In discussing Rheingold Minckwitz calls attention to the beauty of the opening scene, where one hears at a distance the sound of the waves of the Rhine. The discussion is accompanied by bars of illustrative music. The editor says:

"No German ever forgets the rippling of the Rhine, its sunny hills, and the ruins of the castles once occupied by the leaders of his race."

To this national love for the national river there is added a feeling peculiar to mankind in general; it is shown that water has always played a prominent part in the imagination. Specific exam- ples are given in Aphrodite, the Sirens, the Lorelei, and Goethe's song of the water-nymph. The Introduction closes with a bit of personal experience, a visit to a forester's home on the Rhine, which the editor relates in a most delightful manner.

The Notes, which are at the bottom of the page, are rather elementary. The book is therefore evidently intended for persons who have not a wide acquaint- ance with German. There are three good half-tone cuts: a fine portrait of Wag- ner and two weird pictures illustrative of the text.

The cover and typography are beauti- ful. On the whole, the book is a charm- ing piece of work, and forms a hopeful introduction to a series that should be encouraged.

Charles Bundy Wilson.

The State University of Iowa.

Eingesandte Biicher.

An English-German Conversation Book by Gustav Kriiger, Ph. D., Professor in the Kaiser Wilhelm's Realgyrnn;^ Berlin, and C. Alphonso Smith, Ph. D., Professor of English in the Lousiana State University. Boston, D. C. Heath & Co., 1902.

German Composition, with notes and vocabulary by E. C. Wesselhoeft, A. M., Instructor in German in the University of Pennsylvania. Boston, D. C. Heath & Co., 1902.

Th. Hilsdorf, 1st der darstellende Un- terricht ( sogenannter Handf ertigkeits- unterricht) Unterrichtsgrundsatz oder

Unterrichtsfachf Ludwig Sang, Darm- stadt. Preis 50 Pf.

Th. Hilsdorf, Die zeichnerische und korperliche Darstellung im physikali- schen Unterricht. I. Teil: Mechanik und Akustik. Mit 180 Originalzeichnun- gen des Verfassers. Ludwig Sang, Darm- stadt. Preis M. 7.50.

Analytical Psychology. A practical manual for colleges and normal schools, presenting the facts and principles of Mental Analysis in the form of simple illustrations and experiments, with 42 figures in the text and 39 experimental charts by Lightner Witmer. Boston, Ginn & Co. 1902.

Padagogische Monatshefte.

PEDAGOGICAL MONTHLY.

Zeitschrift fiir das deutschamerikanische Schulwesen. Organ des

Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes.

Jahrgang III. September 1902. Heft 8

Protokoll

der 32. Jahresversammlung des Nationalen Deutschamerikanischen

Lehrerbundes.

Detroit, flich., 30. Juni 3. Juli 1902.

(Offiziell.)

Eroffiwngsfeier. Im grossen Saale der Harmome-Halle, woselbst auch die Hauptversammlungen stattfanden, wurde der 32. Lehrertag am Montag Abend des 30. Juni eroffnet. Die Feier, der sonderbarerweise nur ein verschwindend kleiner Bruchteil des Detroiter Deutschtums beiwohnte, wurde mit einem Vortrag des Harmonie-Mannerchors eingeleitet, worauf die Herren Carl E. Schmidt, Vorsitzer des Ortsausschusses, Richter James Phelan in Vertretung des von der Stadt abwesen- den Btirgermeisters, Eduard Marschner, President des Schulrats, und W. C. Martin- dale, Schulsuperintendent in kurzen Begrussungsansprachen die Gaste willkommen hiessen. Letzterer schloss seine sehr beifallig aufgenommene Rede mit folgenden Worten :

,,Es gereicht mir zum grossen Vergniigen, Sie hier willkommen zu heissen, denn ein grosser Teil Ihrer Zeit ist der Entwickelung des Gemuts Ihrer Zoglinge gewidmet. Im Sprachunterricht erzielen Sie, vom linguistischen Standpunkte betrachtet, ein Resultat, nach welchem Sie streben, aber im Sprachunterricht, vom historischen Standpunkte betrachtet, erzielen Sie jeden geistigen und so- zialen Vorteil. Der Routineunterricht erzeugt geistige Kraft, aber der Unter- richt in der Sprache, in deren Geschichte und Literatur erzeugt Manner, Man- ner, die besser und hochherziger sind durch die Kenntnis der Errungenschaften ihrer Vorfahren und die patriotisch sind, weil sie die wahre Bedeutung des Wortes kennen. Sie verrichten ein grosses Werk, indem Sie die Zoglinge, die unter Ihren Einfluss kommen, in die besten Traditionen des deutschen Volkes einweihen durch dessen Sprache, dessen Literatur und dessen Geschichte, denn diejenigen, denen eingepriigt wird, den besten Traditionen ihrer Vorvater tren

258 P'ddagogische Monatshefte.

zu bleiben, werden auch loyale Burger jeder freien Regierung sein. Ich heisse Sie willkommen als Lehrer der grossen deutschen Sprache, der Sprache des Landes, welches die ganze Welt geleitet hat im Lehrfache und der Organisation der Freischule. Ich heisse Sie willkommen als Amerikaner, ich heisse Sie will- kommen als Arbeiter im edelsten Berufe, dem sich der Mensch widmen kann." Nach zwei weiteren Liedervortragen des Harmonie-Mannerchors betrat Herr Kmil Dapprich, der verdienstvolle Prasident des Lehrerbundes die Biihne, wobei ihm eine wahre Ovation zu teil wurde. Er begann in englischer Sprache, indem er dem Ortsauschuss und alien, die mitgewirkt haben, um den Mitgliedern des Bundes einen so herzlichen Empfang zu bereiten, den Dank derselben aussprach.

.,Wir Lehrer", sagte er, ,,wiirdigen jede uns dargebotene Freundlichkeit, und wenn Eltern der Zoglinge und Superintendenten der Schule die gleiche An- erkennung batten fur die Arbeit der Lehrer, dann stiinde es besser um die Sache der Schulen. Wir kamen hierher nach Detroit, wo wir seit vielen, vielen Jahren nicht gewesen sind, und wo unser unvergesslicher erster Prasident, Papa Feld- ner, lebte und strebte. Die Leiter der offentlichen Schulen von Detroit, die El- tern von Zoglingen sollten zum Bewusstsein kommen, dass Kenntnis der deut- schen Sprache nicht ornamental, sondern dringend notig ist. Sie kann nicht in der Hochschule gelernt werden, sondern muss in der Elementarschule mit dem Unterricht begonnen werden. Die Doppelsprache ist die Sprache der Zu- kunft und die Erwerbung jeder neuen Sprache ist die Erwerbung einer neuen Seele. Der deutsche Unterricht sollte in den Kindergarten und den Primar- klassen beginnen, und falls die Stadt Detroit diesen Unterricht einfiihren wurde, so konnte sie an der Spitze des ganzen Nordwestens stehen."

In deutscher Sprache fortfahrend, sagte Herr Dapprich: ,,Die geistigen Giiter der deutschen Nation konnen sich mit denen irgend einer Nation in der ganzen Welt messen. Haltet fest an der deutschen Sprache, denn sie erhalt den deutschen Geist. Dafiir hat der Lehrerbund gewirkt, gekampft, gelitten, dafiir werden wir weiter wirken. Der Bund im Grossen und jedes Mitglied desselben hat seine Pflicht gethan, um das Schulwesen auf eine hohere Stufe zu bringen, wir sind stolz auf unsere Arbeit und sehen voll Hofl'nung der Zu- kunft entgegen. Wenn Angloamerikaner den deutschen Unterricht fur ihre Kinder fordern, sollten dann die Deutschen zuriickstehen ? Kennen Sie sich die Gefahr fur das Familienleben vorstellen, wenn es so weit kommt, dass der Vater nicht mehr das Kind, das Kind nicht mehr den Vater versteht? Die offentliche Schule ist die Schule des Volkes und dieses kann verlangen, dass gelehrt wird, was notwendig ist. Deshalb sind wir hierher gekommen, um Euch Deutschen von Detroit zu sagen: Es ist Eure heilige Pflicht, darauf zu sehen, dass Eure Kinder deutsch lernen, es ist Eure Pflicht zu fordern, dass sie in den offentlichen Schulen darin unterrichtet werden. Thut Eure Pflicht und kunftige Genera- tionen werden Euch segnen. Mit der deutschen Sprache wird deutsches Ge- miit, deutsche Lebenslust, deutsche Lebensfreude, deutsche Liebe zur Natur ein- ziehen. Ihr diirft nicht ruhen, bis man Euren Kindern gerecht geworden ist! Mit dieser Mahnung erklare ich die 32. Jahresversammlung des Deutschameri- kanischen Lehrerbundes fur eroffnet und wiinsche Ihnen alien: Gute Nacht!" Der eindrucksvollen Rede des Prasidenten wurde mit gespannter Aufmerksam- keit gelauscht und mehrmals wurde dieselbe durch lebhaften Applaus unterbrochen. Nach Beendigung derselben trat Vertagung ein. In den unteren Raumlichkeiten blieb man noch eine Zeit lang in gemutlicher Unterhaltung beisammen.

Die erste Hauptversammlung wurde um halbzehn Uhr vom Prasidenten zur Ordnung gerufen, wobei derselbe folgende Worte an die recht zahlreich erschienenen Delegaten richtete:

Protokoll der 32. Deutscham. Lebrertages. 259

,,In die Mitte der Feinde haben wir diesmal unsere Versammlung verlegt. Seit 28 Jahren hat hier im schonen Detroit keine Konvention des deutschen Leh- rerbundes stattgefunden. Seitdem haben sich hier die Verhaltnisse zu Ungun- sten unserer Sache geandert. Und darum sind wir jetzt wieder hier erschienen, um das Deutschtum, das grosse Deutschtum dieser herrlichen amerikanischen Stadt aus seiner Gleichgiltigkeit wachzurufen, damit es laut das ihm gebiih- rende Recht fiir sich und seine Kinder fordere. Darunter verstehen wir vor- nehmlich die Einfiihrung des deutschen Unterrichts in den offentlichen Schulen dieser Stadt, und Zweck dieser Konvention in Detroit ist es, hier in dem feindlichen Lager den Anstoss zu einer solchen Bewegung zu geben.

Auch in einigen anderen Stadten der Union ist unsere Sache im letzten Jahre zuriickgegangen. So hat Chicago mit seiner grossen deutschen Bevolke- rung dem Anstunn der Nativisten nicht widerstehen konnen, und triibe Tage sind fur die Befiirworter des deutschen Sprachunterrichts hereingebrochen. Da- gegen bietet Milwaukee ein weit erfreulicheres Bild. In dieser stolzen Feste des Deutschtums wurden immer schonere Erfolge erzielt. Auch in andern Stadten wie Cincinnati, Cleveland, Dayton, St. Louis, haben wir manche Fort- schritte zu verzeichnen."

Mit grossem Beifall begriisste die Versammlung diese mutigen Worte, worauf man zur Abwickelung der geschaftlichen Verhandlungen schritt. Herr Oberlehrer W. H. Weick von Cincinnati wurde zum Vicepriisidenten erwahlt und Herr Friedrich Hamann von Milwaukee zum Hilfssekretar. Dann gab der President nachstehende Ausschiisse bekannt:

Fiir Nominationen : B. A. Abrams, Milwaukee; H. Woldmann, Cleveland; W. H. Weick, Cincinnati; M. Schmidhofer, Chicago; L. J. A. Ibershoff, Saginaw; C. O. Schonrich, Baltimore, und Frl. Marie Diirst, Dayton, O. Fiir Revision des Schatzmeister-Berichts : John Eiselmeier, Milwaukee; E. A.

Zutz, Chicago, und Frau Mignon Lochler-Poste, Columbus. Fiir Dankesbeschlusse : C. B. Baumann, Davenport; Frau Grossart, Cleveland,

und Frl. Elsa Miiller, Cincinnati.

Die Herold Company in Milwaukee, die Herausgeber der ,,Pad. Monatshefte" hatte folgende Zuschrift eingesandt: Herrn Direktor Emil Dapprich,

Prasident des N. D. A. Lehrerbundes,

Milwaukee, Wis. Sehr geehrter Herr Dapprich:

Zu unserem grossen Bedauern mtissen wir Ihnen zur Kenntnis bringen, dass, wie die friiheren, auch das mit dem 30ten Juni abgeschlossene Geschaftsjahr, fiir die Padagogischen Monatshefte mit einem Deficit geschlossen hat. Wir ha- ben uns in den vergangenen Jahren noch stets der Hoffnung hingegeben, dass die Padagogischen Monatshefte auf der urspriinglichen Basis weitergeftihrt wer- den konnten, jedoch sind wir nunmehr zur Einsicht gekommen, dass dies nicht moglich ist. Die Festsetzung des Bezugspreises auf $1.00 pro Jahr ist seiner Zeit unter der, auch von Ihnen geteilten, Voraussetzung geschehen, dass eine Abonnentenzahl von 1,500 erreicht werden konnte. In dieser Erwartung legten wir in der Versendung von Probenummern an die uns vom Sekretar des Lehrer- bundes gelieferten Adressen ein Kapital von ca. $1,000.00 ein. Leider fruchtete diese Arbeit nur circa 750 Abonnenten, und bei einer laufenden Ausgabe von durchschnittlich $100.00 pro Monat, oder $1,000.00 pro Jahr, war von Anfang an ein Deficit unvermeidlich.

Wir haben dieses wachsende Deficit numehr drei Jahre getragen, in der Er- wartung, dass unsere an Ihre werte Korperschaft gerichtete Bitte um Abhilfe

260 P'ddagogische Monatshefte.

schliesslich beriicksichtigt wurde. Wir miissen Sie in diesem Jahre ersuchen, fiir das fernere Erscheinen der Monatshefte auf selbsterhaltender Basis irgend eine greifbare Basis zu schaffen.

Die Unterbilanz der Padagogischen Monatshefte lautet fur die vergangenen drei Jahresabschliisse wie folgt:

30. Jvmi, 1900, $862.18

30. Juni, 1901, 225.91

30. Juni, 1902, 209.05

Filr das kommende Jahr ist unter den gegenwartigen Umstanden ein grosse- res Deficit als im vergangenen Jahre zu erwarten, da die Abonnentenzahl abge- nommen hat, bis zur gegenwartigen Zahl, 705.

Wir bitten Ihre Korperschaft, die Angelegenheit auf dem bevorstehenden Lehrertage in irgend einer Weise zu erledigen und glauben nicht, dass es der Versicherung bedarf, dass die Herold Company stets bereit ist, die Interessen des N. D. A. Lehrerbundes in der Zukunft wie in der Vergangenheit mit alien Kraften zu untersttitzen.

Achtungsvoll,

THE HEROLD COMPANY,

H. H. Coleman, Vice-Prasident.

Diese Angelegenheit wurde einem Fiinfer-Komitee zur Berichterstattung am folgenden Tage iiberwiesen, bestehend aus den Herren: B. A. Abrams, Milwaukee; B. Kuttner, New York; Louis Hahn, Cincinnati; C. O. Schonrich, Baltimore, und Theodor Meyder, Cincinnati.

Vom Prasidenten des Deutschamerikanischen Nationalbundes, Dr. Hexamer in Philadelphia, ging der Tagsatzung folgender telegraphischer Gliickwunsch zu:

,,Gluckauf den Lehrern, den Bildungsmehrern." Der Sekretar wurde beauf- tragt diesen Gliickwunsch brieflich zu beantworten.

Es wurden hierauf mit kurzen Unterbrechungen folgende Vortrage gehalten* : ,,Der erste Unterricht im Deutschen an angloamerikanische Schiller"; Herr Eduard Prokosch, Chicago University.

,,Der erste Sprachunterricht auf anschaulicher Grundlage"; Oberlehrer W. H. Weick, Cincinnati, O.

,,Miindliche Erteilung des deutschen Unterrichts in den Anfangsklassen unserer offentlichen Schulen"; Supt. Phil. Huber, Saginaw, W. S., Mich.

An den letzten Vortrag schloss sich nach einer kurzen Pause eine Probelektion eine Neuerung auf unseren Tagungen. Um namlich seine im Vortrage vertretene- Unterrichtsmethode praktisch zu veranschaulichen, liess Herr Huber durch eine seiner Lehrerinnen, Frl. Anna M. Rose, eine Klasse von 25 Kindern angloamerikani- scher Abkunft im Alter von 6 7 Jahren vorfiihren, die er zu diesem Zwecke von Saginaw mitgebracht hatte.

Nach dieser Probelektion, wobei zum Schluss auch Herr Dapprich einige Fragen an die Kinder richtete, trat Vertagung ein.

(Fortsetzung folgt.)

* ) Samtliche Vortrage dieses Lehrertages gelangen in den P. M. zum Ab- druck.

Das Riistzeug ein is Lehrers des Deutschen.

Vortrag, gehalten vor dem 32. Lehrertage zu Detroit.

Von Prof. S. C. <?. von Jngemnnn, Harvard University, Cambridge, Mas».

Als ich die freundliche Einladung erhielt, bei der diesjahrigen Ver- sammlung des Lehrerbundes einen Vortrag zu halten, war es mir nicht bekannt, dass die Geschaftslage es verbot, diesen Vortrag das Mass einer halben Stunde uberschreiten zu lassen, sonst hatte ich mein Thema etwas enger begrenzt. So wie die Dinge liegen, kann ich manche Punkte, auf die ich gern eingegangen ware, gar nicht beruhren, andere nur leichthin streifen, und ich muss mich im wesentlichen auf einige wenige Teile mei- nes Gegenstandes beschranken, die zur Diskussion am geeignetsten er- scheinen.

Unter dem Rustzeug eines Lehrers des Deutschen verstehe ich alles, was er zur wirksamen Ausiibung seines Amtes notig hat. Ich brauche aber in dieser Versammlung nicht naher auf gewisse allgemeine Vorbe- dingungen einzugehen, die bei jedem Lehrer vorhanden sein miissen, die- jenigen geistigen und sittlichen Eigenschaften, die ihn zum Erzieher der Jugend befahigen, sowie eine griindliche allgemeine Bildung, Geschick zum Lehren und padagogische Erfahrung. Dieses Rustzeug erfordert der Lehrer der Mathematik oder der Botanik ebenso wie der des Deut- schen, und um so wichtiger dasselbe ist, um so weniger ist es notig, es gerade in dieser Versammlung zu betonen. Ich beschranke mich daher auf das, was der Lehrer des Deutschen im Gegensatz zu dem irgend eines anderen Unterrichtsgegenstandes notig hat.

Ich muss weiter vorausschicken, dass ich in meinen Ausfiihrungen zunachst die Lehrer des Deutschen an unseren Colleges im Sinne habe, erstens, weil ich leider iiber die an den Schulen bestehenden Verhaltnisse nicht so gut unterrichtet bin, und dann noch aus einem anderen Grunde. Der Lehrer des Deutschen an einem College, besonders an einem der klei- neren, befindet sich meist in einer ganz besonders verantwortlichen Stel- lung. Die Primar- und Sekundar-Schulen, an denen Deutsch unterrich- tet wird, befinden sich in vielen Fallen an Orten, wo das deutsche Element ziemlich stark ist ; auf dem einzelnen Lehrer ruht daher gewohnlich nicht dasselbe Mass der Verantwortung wie auf dem Lehrer des Deutschen an einem kleinen College, der oft weit und breit der einzige Vertreter des Deutschtums ist, und der Gelegenheit hat, auf zahlreiche junge Leute einzuwirken, welche vermoge ihrer Bildung und gesellschaftlichen Stel- lung spater of zu grossem Einflusse gelangen. Deshalb hat der Lehrer des Deutschen an einem kleineren College einen besonders wichtigen Posten, und es scheint der Miihe wert, bei unseren Betrachtungen gerade diese Leute ins Auge zu fassen.

262 PUdagogiscbe Monatshefte.

Ich gebrauche den Ausdruck ,,Lehrer desDeutschen" , nicht ,,der deut- schen Sprache". Wir gebrauchen nun allerdings den Ausdruck ,,das Deutsche" sehr oft und dem allgemeinen Sprachgebrauche nach richtig im selben Sinne wie ,,die deutsche Sprache", ich mochte aber den Vorteil, den uns der weitere Ausdruck gewahrt, nicht gern opfern, und ich mochte, dass wir uns alle daran gewohnen konnten, denselben in gleich umfassendem Sinne zu gebrauchen, wie wir das tagtaglich mit Ausdriik- ken wie ,,das Wahre", ,,das Schone", ,,das Hassliche" thun. Mit andern Worten, betrachten wir es als unsere Aufgabe, das zu lehren, was deutsch ist, nicht nur die deutsche Sprache, ein so wichtiger Bestandteil des deut- schen Wesens unsere Muttersprache auch sein mag.

Es ist nicht anzunehmen, dass dieser fromme Wunsch in dieser Ver- sammlung in falschem Sinne ausgelegt wird. Um aber alien Missver- standnissen vorzubeugen, mochte ich noch besonders betonen, dass mir nichts ferner liegt, als irgend welchen Bestrebungen das Wort zu reden, die darauf ausgehen, die einheitliche Entwickelung unseres amerikani- schen Staatswesens, seiner politischen und sozialen Einrichtungen, zu hindern. Auf dem Gebiete der klassischen Sprachen ist es ein langst an- erkannter Grundsatz, dass die Aufgabe des Lehrers nicht lediglich darin besteht, die lateinische und griechische Sprache zu lehren, so sehr das von manchen als eine an sich wiirdige Aufgabe betrachtet wird ; sondern der intelligente und gewissenhafte Lehrer betrachtet es als das Ziel des Unter- richts, dem Schiiler das Verstandnis fur die altklassische Kultur zu er- offnen, damit diejenigen Elemente dieser Kultur, die auf unser modernes Leben anregend und fordernd gewirkt haben, ihren wohltatigen Einfluss fernerhin womoglich in noch reicherem Masse ausiiben mogen. Ebenso muss der Lehrer des Deutschen danach streben, dem Schiiler das Eigen- artige deutschen Lebens und Wesens zu verstandlichen und so dazu zu helfen, dass Elemente deutscher Bildung und deutscher Kultur, die unser amerikanisches Volksleben reicher und vielseitiger gestalten konnen, zur Geltung kommen. So hat der Lehrer des Deutschen in Amerika nicht nur eine allgemein civilisatorische, sondern in unserer Zeit geradezu eine politische Aufgabe. Wir erfiillen unsern Beruf nicht, wenn wir nicht dem amerikanischen Volke das Verstandnis fur deutsches Denken, deut- sche Sitte, deutsche Ideale eroffnen, und es miisste schlecht um diese Ideale bestellt sein, wenn wir dem intelligenten amerikanischen Volke keine Achtung davor einflossen konnten. Wir haben unsern Beruf verfehlt, wenn unsere Jugend nicht am Ende der Schulzeit dem deutschen Volke and deutschem Wesen mehr Verstandnis, hohere Achtung und Zuneigung entgegenbringt, als das ohne unseren Unterricht der Fall ware.

Wenn wir dies als die Aufgabe des Lehrers des Deutschen betrachten, so ergibt sich fast von selbst, welcher Vorbereitung er zu seinem Werke bedarf, welche Kenntnisse er besitzen muss.

Das Rust^eug eines Lebrers des Deutscben. 263

Vor alien Dingen ist zu bemerken, dass nur derjenige, der beide V61- ker kennt, dem einen Volke das Verstandnis fiir das Wesen des andern eroffnen kann. Ich kann allerdings Chinesisch auch durch blossen Ver- kehr mit einem Chinesen lernen, der kein Wort meiner eigenen Sprache versteht, und kann mir auf diese Weise einige Kenntnis von chinesischem Wesen erwerben ; dann ist aber der Chinese eben nicht mein Lehrer, son- dern nur eine Art Versuchskaninchen fiir mich. Es gehort eben zum Be- griff des Lehrers, dass der Lehrer den Schiiler anleitet; dazu muss er sich in die Lage des Schiilers versetzen konnen, muss dessen Anschau- ungsweise begreifen. Nur derjenige, der die Eigenart des angelsachi- schen Stammes, seines Denkens und seiner Sitten kennt, ist befahigt, Eng- landern und Amerikanern gegeniiber deutsche Ideen mit Erfolg zu ver- treten.

Hierin liegt die grosse Schwierigkeit unserer Aufgabe. Im allge- meinen darf man wohl behaupten, dass fiir den Einzelnen das Ideal voll- standigen sympathischen Verstandnisses fiir das Wesen zweier verschie- dener Volker unerreichbar ist; das darf uns aber nicht hindern, uns iiber dieses Ideal selbst klar zu sein und dasselbe je nach unserm Konnen auf diesem oder jenem Einzelgebiete zu erreichen zu suchen.

Unter diesen Einzelgebieten ist nun natiirlich vor allem die Sprache zu erwahnen. Sprache und Denken hangen ja in so mancherlei Bezie- hung eng zusammen, das Denken des Einzelnen wird so haufig durch die angeerbte Sprache beeinflusst, wie umgekehrt die Sprache des Volkes aus dem gesamten Denken desselben geflossen ist, dass jedes tiefere Verstandnis fiir das Wesen eines Volkse auf griindlicher Sprachkenntnis beruhen muss. Das scheint so selbstverstandlich, dass es fast anmassend erscheint, es noch bei dieser Gelegenheit zu erwahnen ; doch wird im einzelnen so oft gegen diesen Grundsatz gefehlt, dass ich nicht umhin kann, noch besonders darauf hinzuweisen. Ich glaube behaupten zu diir- fen, dass die wenigsten sich bewusst sind, wie ungeheuer schwer es ist, zwei Sprachen vollstandig zu beherrschen. Wir sind gewohnlich bereit zuzugestehen, dass nur wenige ihre Muttersprache so zu schreiben und sprechen verstanden, wie Goethe, Herman, Grimm oder Bismarck es konn- ten ; aber wir sind immer gleich bei der Hand zu behaupten, dass dieser oder jener zwei oder drei fremde Sprachen vollstandig beherrscht. Wenn wir Deutschamerikaner es gelernt haben, uns iiber Gegenstande des taglichen Lebens auf Deutsch sowohl wie auf Englisch richtig auszu- drucken, so sind wir doch meist noch weit da von entfernt, dasjenige Mass innern Verstandnisses fur den englischen Ausdruck zu besitzen, das das Kind mit der Muttermilch einsaugt. Ganz abgesehen von den Gefiih- len, die jeden an Vaterhaus und Vaterland binden, und die durch den Laut der Muttersprache in ihm hervorgerufen werden, so ist es eine jedem griindlichen Sprachkenner gelaufige Tatsache, dass es ausserordentlich wenige Worte gibt, fur die eine andere Sprache ein genaues Aquivalent

264 P'ddagogiscbe Monatsbefte.

besitzt. Wenn wir in einem Worterbuch fiir ein deutsches Wort meh- rere englische finden, so bedeutet das nur in den seltensten Fallen, dass die englische Sprache in dieser Beziehung reicher als die deutsche ist ; in den meisten Fallen hat das Englische eben kein Wort, das dem gegebe- nen deutschen in seinem ganzen Umfange genau entspricht. Wenn es die Zeit erlaubte, mochte ich dies mit schlagenden Beispielen darlegen. Es geniigt aber wohl darauf hinzuweisen, wie wenige wirklich gute Uber- setzungen es gibt. Bei Gedichten ist natiirlich eine genaue Ubertragung des Reimes und Versmasses wegen haufig unmoglich ; aber auch in unge- bundener Rede ist eine wirklich vollkommne Ubersetzung, die bei dem Leser genau dieselben Gedanken und Gefiihle hervorruft wie das Origi- nal, viel schwieriger als man gewohnlich annimmt. Viele feineren Be- deutungsschattierungen entziehen sich jeder scharfen Begriffsbestimmung, und es erfordert eine sehr hervorragende Sprachgabe, dieselben auch nur richtig nachzufuhlen, geschweige denn in einer anderen Sprache wieder- zugeben.

Wir konnen in dieser Beziehung nie auslernen. Unsere Schulaus- gaben deutscher Texte, zum Teil von tiichtigen Gelehrten, weisen zahl- reiche Beispiele von falschen Ubersetzungen schwieriger Stellen auf ; geborene Amerikaner missverstehen den deutschen Text, Deutsche ver- stehen wohl haufiger was der Schriftsteller gemeint, machen dafiir aber Verstosse gegen den englischen Sprachgebrauch, oder sind zum mindesten ungeschickt in der Wiedergabe gewahlterer Sprachformen. Aus den zahlreichen Beispielen dieser Art, die wohl jedem Lehrer begegnet sind, diirfen wir schliessen, dass eine wirklich griindliche Beherrschung beider Sprachen ausserordentlich schwierig ist, und dass der Lehrer des Deut- schen sich nur durch die beharrlichste Beobachtung und Selbstbildung dieses notige sprachliche Riistzeug erwerben kann.

Eben weil griindliche Beherrschung beider Sprachen notwendig ist, macht es auch im Grunde wenig aus, ob der Lehrer geborener Deutscher oder Amerikaner ist. Der Deutsche hat auf der einen Seite etwas vor- aus, der Amerikaner auf der andern. Wenn wir manchmal geneigt sind zu glauben, dass der geborene Deutsche in Bezug auf seine Sprache dem Amerikaner weit voraus ist, so diirfen wir nicht vergessen, wie sehr die anhaltende Beschaftigung mit einer fremden Sprache, besonders der tag- liche lebendige Gebrauch derselben, das feinere Gefiihl fur den Sprach- gebrauch unserer Muttersprache abstumpft, und zwar in jeder Beziehung, in der Aussprache sowohl wie in der Grammatik und im Wortschatz. Da- gegen kann sich niemand vollstandig wahren. Es wird erzahlt, dass Schiller nach mehrmonatlicher Beschaftigung mit Shakespeare in der Ursprache zum Lesen von Ubersetzungen iiberging, weil er bemerkte, dass er den Sinn fiir die feineren Unterschiede im Gebrauche deutscher Worte verlor. Wenn diese Wirkung bei einem Sprachkunstler wie Schil- ler und lediglich durch das Lesen von Shakespeares Dramen hervortrat,

Das Rust^eug eines Lehrers des Deutschen. 265

wie viel mehr diirfen wir dieselbe erwarten, wenn wir gewohnliche Men- schen tagtaglich mehr oder weniger englisch zu reden und einen grossen Teil unserer Berufsgeschafte auf englisch zu treiben gezwungen sind.

Ich nehme Veranlassung, dies besonders zu betonen gegeniiber der scharfen Kritik, die ofters in Deutschland an Deutschen geiibt wird, die im Auslande ihre Muttersprache nicht vollig rein erhalten. Diejenigen Vorkampfer fiir den Gebrauch der deutschen Zunge, die so absprechend iiber das Deutsch der Deutschamerikaner urteilen, haben keine Ahnung von den Schwierigkeiten, unter denen z. B. die deutschen Zeitungen hier- zulande kampfen, die ihre Depeschen aus derselben Quelle wie die engli- schen erhalten, und ausser dem, was die englischen Zeitungen tun, in ge- nau derselben Zeit auch noch spaltenlange Ubersetzungen zu liefern ha- ben. Die Pflege der deutschen Sprache ist eine uns Deutschamerikanern obliegende heilige Pflicht, und wir miissen jede verstandnis voile Bestre- bung in dieser Richtung nach Kraften unterstiitzen ; aber man darf nicht vergessen, wie schwer es fiir den Durchschnittsmenschen ist, auch nur eine Sprache wirklich zu beherrschen, und dass die meisten von uns eben keine geborenen Sprachkiinstler sind.

Die Pflicht der Lehrer des Deutschen, beharrlich nach moglichst voll- kommner Beherrschung des Deutschen sowohl wie des Englischen zu stre- ben, entspringt nicht nur der Notwendigkeit, im Unterricht selbst deutsche Schriftwerke richtig erklaren zu konnen. Wenn wir uns unserer Pflicht bewusst sind, im allgemeinen deutsches Wesen zu vertreten, so miissen wir nach weiter Verbreitung einer griindlichen Kenntnis der deutschen Sprache unter dem amerikanischen Volke und besonders den gebildeten Klassen streben, und da miissen wir vor allem mit gutem Beispiele voran- gehen. Nationale Vorurteile haben ihren Grund meist in Unwissenheit, und griindliche Kenntnis der Sprache eines Volkes ist, wie schon bemerkt, das wesentlichste Erfordernis zum Verstandnisse seines Wesens. Bei der grossen Macht, welche die Presse iiber die offentliche Meinung be- sitzt, ist es dringend notwendig, auf griindlichere Kenntnis des Deut- schen unter den Leitern der einflussreichen amerikanischen Zeitungen hinzuarbeiten. Wie leicht es ist, durch falsche oder auch nur unge- schickte Ubersetzungen irrtumliche Eindriicke hervorzurufen, ist jedem bekannt, der haufig Nachrichten aus Deutschland in amerikanischen Zei- tungen oder Nachrichten aus Amerika in deutschen Zeitungen liest. Wenn sich der Lehrer des Deutschen, ob nun geborener Deutscher oder nicht, seiner hoheren Mission bewusst ist, so muss er im stande sein, in- nerhalb des Kreises seines Einflusses solche irrtiimlichen Anschauungen zu berichtigen, und muss daraufhin arbeiten, dass durch das Mittel der Sprachkenntnis ein richtigeres gegenseitiges Verstandnis unter den beiden Nationen entspringt.

Das nachste Erfordernis fiir den Lehrer des Deutschen ist naturlich die Kenntnis der Literatur. Hir miissen wir wieder unsern Begriff etwas

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waiter fassen, als es gewohnlich geschieht. Belesenheit in den hervor- ragenden Erzeugnissen der deutschen Dichtung, Bekanntschaft mit der Geschichte ihrer Entstehung und des Bildungsganges der Dichter, mit den allgemeinen literarischen Stromungen, sind zwar das wesentlichste Er- fordernis fur den gewohnlichen Klassenunterricht, aber inniges Ver- standnis des deutschen Lebens erfordert ausserdem Bekanntschaft mit manchen Geisteserzeugnissen, die dem Bildungsgange unserer Lehrer meist ferner liegen. Der Geist des deutschen Volkes zeigt sich nicht nur in den Meisterwerken der deutschen Dichterheroen ; er zeigt sich auch im Volksliede, in den Marchen und Sagen, in den Volksbiichern, in den Schriften Reuters, Roseggers, Anzengrubers ; und wer wirklich in das Wesen des deutschen Volkes eindringen will, muss sich mit diesen be- scheideneren Manifestationen deutschen Geistes ebenso vertraut machen, wie mit den Werken Lessings, Schillers und Goethes. Das wird bei dem Bildungsgange unserer Lehrer des Deutschen oft iibersehen. Universi- tatskurse und Examina beschranken sich zu oft auf die Kunstprodukte der Literatur und vernachlassigen haufig anderes, was fur das Verstandnis des Volksgeistes von mindestens ebenso grosser Wichtigkeit ist.

Auch hier mussen wir wieder auf Beriicksichtigung der Anschauun- gen dringen, in denen der Schiiler erzogen ist. Wir mussen mit dem schon vorhandenen literarischen Geschmack, notigenfalls mit Vorurteilen rechnen, und unser Werk darauf grunden ; mussen den literarischen Bil- dungsgang des Schiilers geistig mit durchmachen konnen. Das erfordert Kenntnis der englischen Literatur und ihrer Geschmacksrichtungen, und hierin hat naturlich der geborene Amerikaner einen Vorteil vor dem Deutschen. Andererseits muss der Lehrer sich auch fur seinen Gegen- stand begeistern konnen, wenn er ahnliche Gefiihle im Schiiler hervor- rufen will, und die kiihle, iiberlegen lachelnde Kritik, die man manchmal in englischen Biichern iiber deutsche Literatur findet, ist unserm Zwecke ebenso wenig dienlich wie einseitige verstandnislose Bewunderung. Wie unsere Literatur auf Personen, die in andern Geschmacksrichtungen er- zogen sind, ganz andere Eindriicke hervorbringen kann, als wir gewohn- lich annehmen, zeigt sich z. B. in der Weise, wie sich ein so gescheiter Kritiker wie James Russell Lowell iiber deutschen Mangel an Witz und Humor ausgesprochen hat. Unter den verschiedenen Gattungen von Witz und Humor nimmt der amerikanische politische Humor sicher eine der ersten Stellen ein, und doch war ein Deutscher, Thomas Nast, lange Zeit der hervorragendste Karrikaturist des Landes, und manche Erzeug- nisse seines Witzes, z. B. der Elefant und der Esel als Symbole der beiden grossen politischen Parteien, der Tiger fur Tammany Hall, haben sich dauernde bildliche und sprachliche Geltung erworben. Zwei andere Deutsche grundeten das erste politische Witzblatt des Landes, die anderen humoristischen Blatter wimmeln von Entlehnungen aus deutschen Blat- tern ; jedes Jahr fullen deutsche Lustspiele und Possen in amerikani-

Das Rttst^eug eines Lebrers des Deutscben. 267

schem Gewande die besten und grossten Biihnen des Landes. Wenn unter diesen Umstanden ein Mann, der selbst hohen Sinn fur Humor be- sass, den Deutschen diese Eigenshaft abspricht, so lasst sich das nur so er- klaren, dass der Massstab, den er an unsere Literatur anlegte, ein ganz anderer war als der, mit dem wir zu messen pflegen. Ein Lehrer der deutschen Literatur muss im stande sein, solche verschiedene Auffas- sungen in Betracht zu ziehen.

Ausser der Kenntnis der Sprache und Literatur gehoren nun zum notigen Riistzeug des Lehrers des Deutschen in unserm Sinne eine Reihe von Dingen, deren Bedeutung oft iibersehen wird. Der Lehrer des Deutschen muss auch in der Geschichte Deutschlands, in den Altertumern, in der deutschen Kunst, in der Landes- und Volkskunde, in den modernen politischen und sozialen Einrichtungen und Verhaltnissen und ihrer Ent- wickelung einigermassen beschlagen sein. Ahnliche Anforderungen stellt man in Deutschland an die Lehrer des Englischen und Franzosi- schen, und man stellt sie auch hierzulande an die Lehrer der klassischen Sprachen an den hoheren Lehranstalten. Von einem Lehrer des Grie- chischen wird wohl iiberall verlangt, dass er die Karte Griechenlands griindlich im Kopfe hat und iiber die politischen Verhaltnisse Athens und Spartas Auskunft geben kann ; von einem Lehrer des Deutschen darf man mit Recht mit Bezug auf Deutschland noch mehr erwarten, da die Verhaltnisse uns naher liegen und die notigen Kenntnisse leichter zu er- werben sind. Trotzdem pflegen meines Wissens die Behorden solche An- forderungen nicht an die Lehrer des Deutschen zu stellen, noch stellen die letzteren immer solche Anforderungen an sich selbst. Ein Lehrer des Deutschen in unserem Sinne sollte doch im stande sein, iiber Reichs- tag und Bundesrat, Stimmrecht, Gerichtswesen, Heeres-Organisation und viele ahnliche Dinge so bestimmte Auskunft zu geben, wie der Leh- rer des Lateinischen iiber den romischen Senat, Pratoren und Quastoren.

Auch hier muss wieder betont werden, dass eine griindliche Kenntnis der beiderseitigen Verhaltnisse notwendig zu geistiger Annaherung und engerer Freundschaft zwischen den beiden Nationen fiihren muss. Ein sehr hervorragender New Yorker Rechtsanwalt, geborener Amerikaner von deutscher Abstammung, der hier in seinem Vaterlande wichtige Am- ter bekleidet hat und mit den hiesigen politischen und sozialen Verhalt- nissen griindlich vertraut ist, sagte mir vor nicht langer Zeit, dass er sich jedesmal, wenn er nach Deutschland geht, dariiber wundert, wie ahnlich die dortigen Verhaltnisse im wesentlichen den hiesigen sind und wie haufig der Unterschied nur im Namen und in der Form besteht. Ausser- dem erscheint sehr vieles, was dem Amerikaner zuerst fremd vorkommt und ihn abstosst, sogleich viel naturlicher und gerechtfertigter, wenn er es im Zusammenhang mit den ubrigen Verhaltnissen zu betrachten lernt. Es ist die Pflicht des Lehrers des Deutschen auf wirklich einsichtiges Ver- standniss der deutschen Verhaltnisse seitens der gebildeten Amerikaner hinzuarbeiten.

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P'ddagogische Monatsheftt

Die Zeit erlaubt es nicht, auf weitere Einzelheiten einzugehen. Es kommt mir auch nicht darauf an, dass man alien meinen Ausfiihrungen beistimmt; mein Zweck war nur der, zu zeigen, dass derjenige, der seinen Beruf als Lehrer des Deutschen in hoherem Sinne auffasst, sich iiber viele Seiten deutschen Wesens und Lebens unterrichten muss, die in den ge- wohnlichen sprachlichen und literarischen Studien nicht beriihrt werden. Dazu gehort fleissige Beschaftigung mit der deutschen Geschichte, be- sonders der Kulturgeschichte, der Volks- und Landeskunde, der politi- schen und sozialen Verhaltnisse ; dazu gehort fur den geborenen Ameri- kaner zurh mindesten langerer Aufenthalt in Deutschland und unmittel- bare Beriihrung mit deutschem Leben.

Zum Schlusse mochte ich noch auf einen Punkt hinweisen, der fur uns alle von der grossten praktischen Bedeutung ist. Es liegt auf der Hand, dass der Lehrer des Deutschen, der seinen Beruf in dem angedeu- teten Sinne auffasst, seine eigene Tatigkeit dadurch viel reicher und in- teressanter gestaltet. Wir konnen nicht alle fruchtbare Forscher auf philologischem Gebiete werden, aber seine Kenntnisse in der deutschen Literatur im weitesten Sinne, der politischen und Kulturgeschichte, der Volks- und Landeskunde, kurz allem, was zum Verstandnis deutschen Lebens beitragt, kann jeder mit geringem Aufwande von Zeit und Kraft stetig bereichern, und indem er seine Unterhaltungslektiire mit Riicksicht auf das vorgesteckte Ziel auswahlt, kann er seinem geistigen Leben eine Abrundung geben, die ihn auch bei engen Lebensverhaltnissen vor Ein- seitigkeit und Pedanterie bewahrt.

Neuere Literaturgeschichten,

(Fiir die Padagogischen Monatshefte.)

Von O. E. Legging, Ph. D., University of Wisconsin, Madison. Wis.

(Fortsetzung.)

Die Schlusskapitel Der Sturm und Drang des jungsten Deutsch- lands, Der konsequente Naturalismus, Der Symbolismus und die Spdtde- cadence, Die Heimatkunst geben ein sehr lebendiges und ubersichtli- ches Bild von den litterarischen Bewegungen der letzten zwanzig Jahre. Die Ubersichtlichkeit der Darstellung wird von Lesern geschatzt werden, die von Adolf Sterns, R. M. Meyers, Max Kochs, und vollends Eugen Wolffs Behandlung desselben Zeitraumes herkommen. Eine gewisse Enge des Gesichtskreises wird man iibrigens hier bei Bartels empfinden. So vortrefflich das Ineinandergreifen der verschiedenartigen litterarischen Elemente im Sturm und Drang, die feinen Ubergange von Realismus zu

Neuere Literaturgeschichten.

269-

Naturalismus, von Symboh'smus zu Mystizismus gezeichnet sind manche Voraussetzungen der ganzen Bewegung sind gar nicht gegeben oder doch zu kurz angedeutet. Ganz notwendig ware es gewesen, die Einwirkung der Naturwissenschaften auf die neue Dichtung zu skizzieren, zu zeigen, wie Zola auf seine sonderbare Theorie von der ,,Wissenschaftlichkeit" des Romans kam, wie die deutschen Schriftsteller teils die Methode Zolas ubernahmen (Max Kretzer), teils heftig bekampften (Gebriider Hart). Statt dieses Verhaltnis klarzustellen, setzt Bartels bei seiner an und fur sich sehr einleuchtenden Definition von Naturalismus die Kenntnis der Zolaschen Theorie voraus. Auch die zwei entgegengesetzten Richtun- gen der zeitgenossischen Philosophic, des Sozialismus Herbert Spencers und des Individualismus Friedrich Nietzsches hatten gegeneinander ab- gewogen und nicht bloss der Einfluss des letzteren nachgewiesen werden sollen. Hier besteht Otto Lyons Kritik ganz zu Recht.

Und wie viel hatte die Darstellung noch an Gemeinverstandlichkeit gewonnen, wenn der Verfasser, da er doch kein akademisches Buch schrei- ben, sondern in weitere Kreise wirken wollte, den Zusammenhang von Malerei und Dichtung beriicksichtigt hatte ! Auf begrenztem Raum, und doch in sehr lehrreicher Weise hat dies Max Koch gethan. Ohne Lie- bermann, Uhde, Gebhardt einerseits, Bocklin, Klinger, Stuck andererseits um nur ein paar deutsche Namen zu nennen kann man sich die ver- schiedenen Richtungen der modernen Poesie eigentlich nicht recht vor- stellen. Bartels deutet zwar im Voriibergehen darauf hin, das geniigt aber nicht.

Derartige Mangel im einzelnen wollen aber im Verhaltnis zum Ge- samtwert des Buches wenig besagen. Als Ganzes bleibt dieses doch der zuverlassigste Fiihrer durch die moderne deutsche Litteratur. Mit be- rechtigtem Stolze konnte sich Bartels auf seine eigene Leistung berufen, als er in seiner Broschiire Ein Berliner Litterarhistoriker das Buch R. M. Meyers angriff. Ein grosserer Gegensatz, als zwischen der Auffassung und Darstellung dieser beiden Manner lasst sich nicht denken. Weiss Bartels, als echter Kunstler, iiberall das Wesentliche herauszugreifen und an seinen richtigen Platz zu stellen, lasst er den Leser ganze Entwicke- lungen miterleben, so bleibt bei Meyer der mit ungeheurem Fleiss und imponierender Gelehrsamkeit zusammengetragene Stoff ein wirres Chaos, worin sich kaum der zurecht finden kann, der mit dem Gegenstand vollig vertraut ist. Nirgends ein fester Halt. Nirgends die Spuren einer star- ken Personlichkeit, die mit klarem Blick und sicherer Hand der Masse Ordnung und Ziel geben wiirde. Trotz seines Programmes, ,,vor allem die Individuen als Trager der Entwickelung darzustellen", verfahrt Meyer durchaus deduktiv. Trotz seines Buches iiber Goethe und seiner Deut- schen Charaktere ist Meyer nie ,,in einem grossen Manne untergegangen, um zur Selbsterkenntnis und zum sicheren Gebrauche seiner Krafte zit gelangen"; die ,,Feuertaufe", von der Hebbel spricht (Tagebiicher I, 20),.

'270 P'ddagogiscbe Monatshefte.

hat Meyer nicht empfangen. Das ist der Grund seiner inneren Unsicher- heit und zugleich der Grund seiner Feindschaft mit Adolf Bartels.

Dass aus prinzipiellen Gegensatzen personliche Feindschaft gewor- den ist, das hat wohl zumeist jene gehassige Rezension Meyers verschul- det. Bedauerlich ist diese Spannung zwischen Zunftgelehrtem und un- abhangigem Litterarhistoriker. Denn keiner wird nun dem andern je ge- recht werden konnen. So viel hoher auch die Thatigkeit Bartels zu wer- ten ist als die Meyers : auch der letztere hat sich um die Litteraturge- schichte unbestreitbar grosse Verdienste erworben. Und statt sich zu be- kampfen, hatten sie sich in manchen Stiicken erganzen konnen. So hatte Bartels z. B., ohne seiner Ehre Abbruch zu thun, in der nach Meyers Lit- teraturgeschichte erschienenen vierten Auflage seines Buches manche Be- obachtungen des Philologen iiber Sprache und Stil Kellers und K. F. Mey- ers verwerten konnen ; und so noch in manchen Einzelheiten. Allerdings eben nur in Einzelheiten. Meyer dagegen konnte sehr zum Vorteile sei- nes Werkes die Periodisierung von Bartels ubernehmen, statt den eigen- sinnigen Versuch zu machen, seine eigene ausserliche Einteilung in De- caden nachtraglich zu rechtfertigen (Euphorion VIII, I 42). Mit kei- ner spitzfindigen Ausrede wird Meyer es jemals wieder gut machen kon- nen, dass er das Jahrzehnt 1850 1860 als ,,kein schopferisches" gebrand- markt hat, einen Zeitraum, der die besten Schopfungen Gutzkows, Heb- bels, Ludwigs, Groths, Freytags, Kellers und Scheffels hervorgebracht hat. Diesen Fehler konnte Meyer nur begehen, weil er in seiner deduk- tiven Manier nach einem ,,Generalnenner" suchte, ehe er selbst eine le- bendige Anschauung von den in diesen Zeitraum fallenden Einzelwerken hatte. War Meyer ehrlich, so musste er angesichts der schlagenden Wi- derlegung durch Bartels seinen Irrtum eingestehen ; und er musste tiber- haupt dessen Broschiire als die wertvollste Korrektur seiner Litteraturge- schichte anerkennen. Professorenhafter Eigendunkel war hier wenig an- gebracht.

Von Bartels hatte Meyer aber auch noch das Allerwichtigste lernen konnen, was ein Schriftsteller haben muss : Gewissen, und zwar im ethi- schen wie im asthetischen Sinn. Wie schon gesagt, wird Bartels auch Dichtern gerecht, deren Wesen ihm nicht sympathisch ist. Ihm, dem kerngesunden, klardenkenden Mann, ist z. B. Richard Dehmel in seinen dekadent-weichlichen, mythisch-nebelhaften Anfangen gewiss von Grund aus zuwider gewesen. Das hindert aber nicht, durch die Schlacken, die ihr noch anhaften, die ringende Kiinstlerseele zu sehen und das anzuer- kennen, was Dehmel ,,wahrhaft Grosses und Schones" geschaffen hat. Meyer ist mit seinem Urteil gleich fertig. Wahrend er Stefan George, der viel manierierter und geschraubter ist, als Dehmel je war, sehr ernst nimmt und ausfuhrlich bespricht, stellt er Dehmel mit der einfachen Be- merkung kalt: ,,diese griiblerische Natur besass ein viel zu geringes Ta- lent zum poetischen Erlebnis".

Neuere Literaturgescbicbten.

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Weit schlimmer noch ist der Fall Arno Holz. Fur Meyer ist Ger- hart Hauptmann der Gipfelpunkt der modernen Poesie. Da er diesen also auf ein moglichst hohes Postament stellen muss, so hat er keine an- dere Wahl, als Arno Holz, der Hauptmann gewissermassen gehen lehrte, thunlichst zu verkleinern. Holz ist kein Genie; wohl aber ein Kiinstler, <iem seine Kunst iiber alles geht und dies auch bewiesen hat, indem er jah- relang lieber bitterste Not litt, als dass er seine Feder verkauft hatte. Meyer hatte ihn also immerhin als Personlichkeit respektieren mussen; zum wenigsten war kein Grund vorhanden, Holz als ,,schneidigen Litte- raturlieutenant" zum ,,Kunstknotentum" zu werfen. Statt Bartels zu ta- deln, dass er Natalie von Eschtruths Romane ,,Schund" nenne, ein Aus- druck, der nicht in eine Litteraturgeschichte gehore, hatte sich Meyer selbst einer wiirdigeren Sprache bedienen sollen. Noch mehr: um Arno Holz lacherlich zu machen, druckt Meyer ein Gedicht von ihm in ent- stellter Form ab. Schrieb Holz im Phantasus (Erstes Heft) :

Uber den Weg, durch welkes Laub, hupfen Schwarzdrosseln, Uin verwitterte Kreuze im Sonnenlicht spielen glitzernde Faden. und giebt damit ein anschauliches Bild in geschlossener, und wirklich rythmischer Form, so zerreisst Meyer mit der Form auch das Bild und druckt die Verse so ab :

Uber den Weg, durch welkes Laub, hupfen Schwarzdrosseln, um verwitterte Kreuze im Sonnenlicht spielen glitzernde Faden.

Wer auf diese Weise mit Holz bekannt gemacht wird, muss ja den armen Dichter fur wahnsinnig halten. Damit hat Meyer aber noch nicht genug. Weil Hauptmann das alleinige Verdienst haben soil, der Erneu- rer des Dramas zu sein, so muss Holz um den Ruhm der Originalitat ge- bracht wcrden. Meyer giebt Holz und Schlaf die tauschende Wiedergabe der Realitat in ihrem Drama Die Familie Selicke zu; sagt aber vorher: ,,Die Verfasser haben ganz einfach die alte Technik des Lokalstiickes fur einen tragischen Stoff benutzt." Dann fiihrt er den Datterich Nie- bergalls ujid die Liebe im Zuchthause von Julius v. Voss als die Vorlaufer der Familie Selicke an. Die Behauptung Meyers, dass dieses Verbrecher- stiick ,,an Naturalismus wahrhaftig nichts zu wiinschen iibrig Hess", konnte Holz durch den Abdruck von Teilen desselben leicht ad absurdum fiihren; und der Behandlung seiner Lyrik, wie seiner Person gegeniiber durfte er wohl seiner Verteidigungsschrift den Titel geben: ,,Dr. Ri- chard M. Meyer ein litterarischer Ehrabschneider." Es ist leicht, mit Verachtung- auf die beiden Broschiiren von Holz und Bartels als ,,Pas- quille" heronterzublicken. Die Thatsache, dass Meyers Buch dadurch als ein unzuvcrlassiges und im ganzen rein subjektives Produkt gekennzeich- net ist, lasfit sich nicht aus der Welt schaffen. .Und es ist gewiss kein Zufall, da95 sich zwei so grundverschiedene, nur in ihrer riicksichtslosen

272 P'ddagogiscbe Monatshefte.

Ehrlichkeit einander ahnliche Manner im Kampf gegen Meyer treffen. Aber ich wollte nicht Meyers Buch kritisieren, sondern nur zur Charak- terisieruny Bartels' vergleichsweise herbeiziehen. So lese man einmal zum Verjrljich mit dem betreffenden Abschnitt in Meyer, den kurzen Pa- ragraphen Bartels' iiber Holz. Hier sagt der eine Satz: ,,Holz und Schlaf bes'tzen im Wesentlichen nur Auffassungs-, kein eigentliches Ge- staltungsv^rmogen", mehr als das ganze Wortgeplankel bei Meyer.

Dass Bartels iiberall tiefer greift, dass er die asthetische Erkenntnis, die er lezterem abspricht, selbst in hohem Masse besitzt, geht am deutlichs- ten aus den Einzelcharakteristiken hervor, die er jedem Kapitel anfiigt. Hier wird auch vollends ganz offenbar, wie sehr der Litterarhistoriker Bartels den Philologen Meyer an Objektivitat iibertrifft. Es ware die dankbare Aufgabe eines Essay iiber litterarische Charakterisierungskunst, die ganze Reihe von Bildern bedeutender Schriftsteller in beiden Werken zu vergleichen. Ich musste mich hier mit Andeutungen begniigen. Wo man auch die Probe anstellen mag, von Hebbel bis herab zu Sudermann, iiberall wird man finden, dass Meyer mit einem komplizierten Apparat wis- senschaftlicher Theorien von aussen an seinen Gegenstand herantritt, ihn bearbeitet, fast immer hochst belehrende Betrachtungen macht, aber sel- ten auf den innersten Kern dringt. Auch Bartels steht auf dem sicheren Boden wissenschaftlicher Forschung. Aber er hat sich zugleich, selbst kunstlerisch begabt, im intimsten Umgang mit den Grossten unserer Dich- ter die Fahigkeit erworben, das Seelenleben jedes Dichters zu ergriinden und auch in andern eine Ahnung zu erwecken von dem Wesen kiinstleri- schen Schaffens.

(Fortsetzung folgt.)

Fur unsere Jiingsten.*

Eine Plauderei am Schulherde.

Von Dr. R. Seyfert, Schuldirektor, Oelsnitz i. Vogtl.

Ich meine unter den Jiingsten die jungen Lehrer, die soeben vom Seminar ent- lassen worden sind. Mit tausend Idealen in der Brust und das ist recht so tre- ten sie ein in ihr Ami. Was die Hauptsache sei, ist ihnen wohl oft vom Lehrer der Padagogik gesagt worden; aber es schadet gewiss nichts, wenn sie es auch gleichsam als Willkommen von einem gesagt bekommen, den sie hoffentlich als Freund betrach- ten lernen. Wer zwanzig Jahre schulmeistert, und die Augen aufmacht, lernt nach und nach erkennen, worauf es besonders ankommt, lernt merken, was voriiber- gehend und was dauernd ist.

Das Erste ist richtige personliche Einstellung zu den Kindern, zu den Kollegen, zur Schulordnung und zum Vorgesetzten. Der erste Schultag kann entscheidend sein fiir die ganze erste Amtszeit. Erst ist es die Neugier, die bei den Kindern ge- stillt wird. Was ist es fiir einer? Wie sieht er aus? Wie halt er sich? Wie spricht er? Wie blickt er? Wie benimmt er sich? Und es ist geradezu erstaunlich, mit wieviel Fiihlern die Kinder an den neuen Mann herantipsen. Der Direktor, der den jungen Lehrer einfiihrte, ist zur Tiir hinaus; nun steht er allein. Aha, der setzt kraftig ein und macht nicht viel Federlesens, denkt sich der kleine Beobachter, wenn der Lehrer etwa spricht: Nun, wohlan, ihr Kinder, wollen wir in Gottes Namen an unsere Arbeit gehen. Eure Namen habe ich mir bereits aufgeschrieben ; jetzt beginnen wir gleich mit dem Unterrichte. Ich erzahle euch eine biblische Ge- schichte**; ihr merkt schon auf. Ich lasse sie mir sofort wiedererzahlen und wiirde mich freuen, wenn dies alle brachten. Nun geht es los, in aufrechter, ruhiger Haltung, frei aus dem Kopfe, mit Nachdruck an den Stellen, die es erheischen, er- zahlt nun der Lehrer den ersten Teil der Geschichte. Nicht zuviel auf einmal, da- mit recht viele Kinder ihm nacherzahlen konnen. Die Neugierde aus den Augen verschwindet; nur verstohlen schaut Fritz nach seinem Freunde Karl; die beiden hatten sich vorgenommen, sich nichts gefallen zu lassen. Aber Karl passt auf, seine Augen hiingen an dem Munde des Lehrers. Das merkt Fritz. Zwar denkt er fiir einen Moment: der Heuchler. Aber besser ist besser. Er passt doch auch mit auf. Und kaum ist der Lehrer mit Erzahlen fertig, da fliegen einige Hande in die Hohe. Die Jungen gucken, ob Karl und Fritz dabei sind. Wenn ja, so hat der neue Lehrer den ersten Sieg errungen. Wer's nun irgend kann, meldet sich mit. Und nach dem zweiten oder dritten Male konnen es alle. Aber merkwiirdig, der Lehrer lobt ja gar niemand. Der denkt wohl gar, es sei selbstverstandlich. Fritz grollt. Aber weil Karl immer wieder mit macht und weil ihn bei einer guten Antwort der Lehrer

*)Dieser Artikel ist der Zeitschrift ,,Deutsche Schulpraxis" entnommen. Wir bringen ihn nahezu unverkiirzt, obgleich so manches aus seinem Inhalt den Ver- haltnissen in unseren Schulen fern liegt. Wir iiberlassen es unseren Lesern und Leserinnen, das fiir sie Anwendbare herauszunehmen, und sind sicher, dass eine jede und ein jeder nicht nur aus unsern Jtingsten aus dem Artikel Anregung bei dem Wiederbeginn der Schularbeit finden wird. D. R.

**) Eine leicht verstandliche Erzahlung aus der Weltgeschichte, dem Natur- oder Menschenleben, oder ein Marchen dient dem gleichen Zwecke. Dem deutschen Sprachlehrer ist besonders noch die Besprechung eines Anschauungsobjektes aus der Natur oder eines Anschauungsbildes zu empfehlen. D. R.

274 P'ddagogiscbe Monatsbefte.

freundlich angesehen hat, tut auch er mit. Am Schlusse der Stunde wird zusam- mengefasst, kurz erklart und eine Mahnung angeschlossen. Die erste Stunde 1st vorbei. Riihrt euch! klingts von des Lehrers Mund. Was soil das? Ihr diirft euch einmal frei bewegen, wohl auch leise mit einander sprechen; sobald ich aber sage: Still! ist es wieder ganz still. Denn dann wollen wir rechnen. Nun fliegen die Blicke, die da sagen: Er gefallt mir und die, die das Gegenteil bedeuten. Der Leh- rer bemerkt sie wohl; aber vorlaufig ist ihm das gleichgiltig. Ihr kommt mir schon, denkt er iiberlegen bei sich. Still! Das Gesprach verstummt, und willig oder unwillig setzen sich die Knaben in Achtung. Ohne weiteres geht das Rechnen an. Teh will sehen, was ihr konnt. Zuerst ein paar leichte Aufgaben. Schlag auf Schlag folgen Aufgabe und Lb'sung. Immer schwerer und schwerer werden die Auf- gaben, (deren Aufeinanderfolge der Lehrer sich zu Hause genau zurecht gelegt hatte) ; schon fallen welche ab. Der Lehrer geht immer weiter. Da kommen wie- der ein paar leichte Aufgaben dazwischen zur Aufmunterung der Schwacheren. Dann geht es mit den schweren Aufgaben weiter. Wie es scheint, will der merken, wer es am besten kann sagt Fritz zu sich und tut soviel, als er kann. Die letzten drei oder vier Aufgaben kb'nnen vielleicht nur noch zehn Schiller rechnen. Ihr anderen werdet das gewiss auch noch lernen, wenn ihr recht fleissig seid. So, nun wollen wir etwas Neues rechnen lernen. Ohne Umschweife, aber auf wohlgeglatte- tem Wege wird die neue Aufgabe entwickelt und die Losungsweise den Kindern an- geeignet. So geht es den ganzen Vormittag. Und das Ergebnis: Er hat den Jun- gens imponiert. Und damit hat er gewonnen. Imponieren kann man aber nur mit wahren Werten : Ruhe, Klarheit, Sicherheit und geistige Kraft nicht mit sal- bungsvollen Ansprachen, siisslichen Bitten und Mahnungen und leeren Drohungen, aber auch nicht mit Barschheit, Schimpfen und Zanken. Die ersten Tage muss kiihles, aber nicht kaltes Wetter in der Schule sein. Der Friihling gefallt uns am meisten, der uns seine Gaben nach und nach, aber sicher bringt. Den Knaben wird der imponierende Lehrer auch gefallen, sie werden ihn, wenn er sonst gerecht und nicht hart ist, sogar lieben. Der grb'ssere Teil der Schiller aber wird den Lehrer erst dann wirklich lieb gewinnen und das ist das zweite Notwendige wenn sie sein Herz gesehen haben. Sobald sie erkennen, dass er auch frohlich mit ihnen sein kann, dass er in den Freizeiten mit ihnen spielt, mit ihnen spazieren geht und sich kindlich mit ihnen unterhalt, dass er den kranken Mitschiiler besucht^ dem schwach- begabten freundlich nachhilft, dass er nie in der Erregung und nie unmassig ziich- tigt, nie die Ehre eines Kindes und deren Eltern durch Schimpfworte antastet, dann, dann haben sie ihn alle lieb. Und die Achtung bleibt dabei doch. Denn Liebe ohne Achtung ist blosse Tandelei und fiir das Verhaltnis zwischen Lehrer und Schiller nichts. Aber Achtung und Liebe zusammen, das sind ein paar feste Grund- und Ecksteine.

Zu den Kollegen sich richtig einzustellen, ist ebenso sehr eine gesellschaftliche als eine amtliche Pflicht. Das Selbstbewusstsein, dass ich jedem Lehrer recht reich- lich wiinsche, muss eingelagert sein in Bescheidenheit und Lebensart, sonst wird und wirkt es lastig oder hochmiitig. Dem alteren Kollegen gebiihrt Achtung, und wenn es sich auch herausstellen sollte, dass seine Art nicht mit dem iiberein- stimmt, was der junge Mann an padagogischer Weisheit sich angeeignet hat. Das sieht in dreissig und vierzig Jahren auch anders aus, und wird spater von dem Nach- wuchs auch anders angesehen. Also: Was du nicht willst, das man dir tu, das fug auch keinem andern zu! In der Regel ist wohl auch das Verhaltnis zwischen Altem und Jungem gut. Das ist fiir die Schule natiirlich ein Gliick. In Streitig- keiten im Kollegium darf sich der ,,Kleine " nicht mischen. Der Rb'mer im Flachs- mann als Erzieher wirkt doch mehr komisch als vorbildlich, wenn man ihn auch lieb haben muss. Von dem Benehmen dem Vorgesetzten gegeniiber brauche ich wohl

Fur unsere Jilngsten.

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kaum etwas zu sagen. Personlich hat er diesem gegenuber keine weiteren Pflichten als den anderen Kollegen gegeniiber, und amtlich wird der niehts welter von ihm fordern, als dass er ganz seine Pflicht tue. Das ist manchmal wirklich nicht leicht, und jener muss sich schon mit dem guten Willen begniigen und wird dies aueh tun, wenn dieser Wille wirklich ernst ist.

Der ausseren Einstellung steht nun die innere gegenuber, das ist die Art zu ar- beiten. Die Hauptarbeit der Sehule ist der Unterricht; es fragt sich also, worauf es bei dem Unterrichte vor allem ankommt. Nun, das ist nicht leicht zu sagen; denn die Aufgaben des Unterrichtes sind so sehr vielgestaltig, und fur jedes einzelne Fach tauchen taglich neue Vorschlage auf. Es muss aber doch Gesichtspunkte ge- ben, nach denen sich jeder Unterricht zu richten hat, wenn er das Hauptziel aller Erziehung nicht ausser Augen lassen will. Wenn man immer daran denkt, dasa das Lernen des Kindes nur eine Ausserung eines in der Menschennatur liegenden Triebes ist, dann tritt eine Forderung als die wichstigste hervor, namlich die der Selbsttatigkeit. Das Gegenteil des selbsttatigen Lernens ist das Anlernen. Das Anlernen kann nur mit Zwang erfolgen; es entspricht keinem inneren Triebe. Ea wird dann nicht ganz zu vermeiden sein, wenn aus irgend einer Ursache der friiher im Kinde vorhandene Lerntrieb erstorben ist. Aber im allgemeinen kann man auf den Trieb zu lernen im Kinde wohl rechnen, und er lasst sich durch geeignete Mittel auch wohl anregen und wecken. Des Lehrers erstes und wichtigstes Bemiihen muss also auf die Anregung der Selbsttatigkeit gerichtet sein. Dieser Forderung gegen- uber treten die iibrigen zunachst zuriick. Aus dieser Forderung lasst sich eine Menge einzelner methodischer Bestimmungen ohne Zwang ableiten. Da kommt zunachst das Reden der Kinder in Frage. An manchen Orten glaubt man noch, dass das Kind nur so viel reden konne und solle, als der Lehrer durch unmittelbares Fragen von ihm verlangt. Klipp, klapp, gehts in einer solchen Sehule. Wir miissen sagen, dass das Fragen zu vermeiden ist, wo immer es angeht. So diirfen z. B. erzahlte Ge- schichten nicht abgefragt werden, vielmehr muss man die Kinder daran gewohnen, das Gehorte einfach nachzuerzahlen. Und die Kinder lassen sich wohl daran ge- wohnen und danken dem Lehrer diese Gewohnung durch allmahlich immer selbstan- diger werdendes Reden. Das Fragen tritt bei Geschichten erst dann ein, wenn es eich um die Vertiefung, um die denkende Betrachtung der Personen und der Ereig- nisse handelt. Desgleichen dtirfen die Beschreibungen, die durch die unterrichtliche Behandlung gewonnen geworden sind, nicht wieder abgefragt, sondern miissen von den Kindern im Zusammenhange wenn mb'glich mit eigenen Worten wiederholt werden. 'ttberhaupt sind die Ergebnisse aller Unterrichtsstunden, sowie auch die Ergebnisse mehrerer Stunden und grosserer Zeitabschnitte so zusammenzufassen und einzupragen, dass sie von den Kindern moglichst ohne Hilfe des Lehrers auf- gesagt werden konnen. Man muss nur darauf achten, dass nicht der Wortlaut, son- dern der Inhalt die Hauptsache ist und bleibt, sonst wird diese Art leicht zum blo- ssen Maulbrauchen. Aber nicht bloss die Ergebnisse des Unterrichtes sollen die Kin- der selbstandig und zusammenhangend einpragen, sondern auch, und das wird zu haufig iibersehen, beim Finden des Stoffes selbst miissen die Kinder selbsttiltig sein. Im Beschreiben z. B. sollen sie nach und nach so selbstandig werden, dass der Lehrer dabei gar nicht mehr zu fragen, sondern nur noch die fehlenden Ausdriicke zu geben braucht. Dazu sollen die hier schon oft erwahnten gebundenen Aufsatze helfen. Wenn es aber doch gilt zu fragen, und dazu gibt es noch recht viele Gelegenheit, dann muss man die Fragen scharf aufs Korn nehmen, dass sie die Denktatigkeit ordentlich anregen. Es wogt jetzt der Kampf zwischen einer veralteten und einer neuen Art zu fragen. Der Unterschied ist etwa der, dass es der alten Art darauf ankommt, in einer Gedankenreihe aus dem folgenden Gedanken irgend einen Bestandteil heraus- zugreifen und nach dem zu fragen, wobei die iibrigen Teile des Gedankens in der

276 P'ddagogiscbe Monatshefte.

Frage gegeben werden. Die neuere Art will aber den ganzen folgenden Gedanken erfragen. Wahrend also die alte Art wohl fragen konnte: Wer? Was? Was machte? Was tat? Wohin? Woher? wird die neuere Art solche Fragen besonders die hass- lichen ,,Mach"- und ,,Tufragen" moglichst vermeiden, dafiir aber das logische Ver- haltnis der beiden auf einander folgenden Gedanken andeuten und fragen: Warum? Wozu? Inwiefern? Wieso? Welche Ursache? Welche Folge? Welchen Schluss ziehst du? Wo irgend moglich, wird die Frage vermieden und durch eine einfache Auffor- derung, einen Wink, eine blosse Pause u. dergl. ersetzt. Nichts aber hilft dem Lerntriebe kraftiger auf, als dass man das Kind daran gewohnt, selbst zu fragen, wo es etwas nicht verstanden hat oder gern wissen mb'chte. Merkwiirdig, dass man daran die Kinder erst gewohnen muss, obwohl das doch das Natiirliche ware ! Wer es mit der Selbsttatigkeit der Kinder in diesem Punkte Ernst macht, wird bald dahin gelangt sein, dass er ausserordentlich wenig selbft zu sprechen braucht. Dadurch aber spart er Kraft und ein Lehrerleben braucht viel davon und Zeit; die Kraft kann er aber spliter recht gut brauchen, und die Zeit kann er auf die Einiibung und auf sonst noch Wichtiges verwenden. Um die Kinder selbstandig zu machen, miissen die Ergebnisse aller Facher, besonders der Fertigkeiten so angeeignet und eingeiibt werden, dass sie von den Kindern moglichst selbstandig angewandt werden konnen. Dazu gehb'rt dann ferner tiichtige 'ttbung und fleissige Wiederholung. Eine sehr wichtige tfbung der Selbsttatigkeit 1st die Selbstkontrolle. Wo es nur immer angeht, miissen die Kinder ihre eigenen Arbeiten auf ihre Richtigkeit selbst kon- trollieren; dies gilt von den Aufschreibubungen, von den Recheniibungen, vom Her- sagen u. s. w. Sehr bildend fiir die Selbsttatigkeit ist dann endlich das freiwillige Arbeiten gewisser Aufgaben. Die hauslichen Aufgaben miissten sich an die Freiwil- ligkeit der Kinder wenden, ihnen eine grossere Freiheit gestatten, nur nicht die Freiheit der Faulheit. Nicht die Menge des Gearbeiteten soil massgebend sein; der Starkere moge mehr, der Schwachere weniger arbeiten. Jedes Kind darf in gewis- sen Grenzen seiner Neigung folgen; nur zeige der Lehrer alien Leistungen gegen- iiber Interesse und Freude, wenn sie gelungen sind. Hunderte von didaktischen Ratschlagen sind nicht soviel wert als der eine: Erstrebe bei deinen Kindern Selbst- tatigkeit und Selbstandigkeit. Demnach ware wohl der trage Lehrer, der Lehrer, der die Kinder sich selbst iiberlasst der beste? Nun, die Antwort wolle man sich selber geben; ohne viel Nachdenken wird man finden, worin die ausserordentlich wichtige Arbeit des Lehrers auch bei der lebhaftesten Selbsttatigkeit der Kinder besteht. Dem Grundsatze der Selbstandigkeit ist nur noch einer an Bedeutung gleich, das ist der: Man soil .bei allem Unterricht auf die Gemiitswirkung sehen. Mit welchen Gefiihlen ein Kind arbeitet, das ist von entscheidendem Einflusse auf den Ausfall der Arbeit. Lust und Liebe sind die Fittige zu grossen Taten. Auch die Kinder verrichten oft Grosses; aber nur, wenn Lust und Liebe zur Arbeit in ihnen geweckt worden ist. Die Stimmung, in der der Lehrer unterrichtet und die er durch seinen Unterricht, durch Form und Inhalt erzeugt, entscheidet fiber den Erfolg. Bei kleineren Schiilern wird es sich um sinnliche Gefiihle handeln; Freude und Wohlbehagen und Lust soil der Unterricht erzeugen. Darin besteht die erste und grosste Kunst des Elementarlehrers, darin besteht auch sein Geheimnis. Dass er vielfach mit ausserlichen Mitteln arbeiten muss, liegt in der Natur des kleinen Schiilers begriindet. Die besten Anweisungen fiir die Erteilung elementaren Unter- richtes bieten dafiir viele Beispiele. Die rechte Stimmung zu erzeugen, ist mancher Stoff ganz besonders geeignet; ich denke an religiose Stoffe, an Gedichte, an die Ge- schichte, Geographic und Naturgeschichte. Stimmungsvoll miissen aber auch Ge- dichte, iiberhaupt alle die Kunst betreffenden Stoffe behandelt werden. In der Ge- schichte miissen die idealen Gestalten mit Begeisterung vorgefiihrt werden. In der Geographic wird Stimmung durch lebendiges und farbenreiches Schildern, in der

Die new deutsche Recbtscbreibung. 277

Naturgeschichte durch poetische Zugaben und sinnige Betrachtungen erzeugt. Die rechte Stimmung liegt hier in der rechten Auffassung und Darbietung des Stoffes. Bei den formalen Fachern hat der Stoff meist nichts, was die Gefuhle ohne weiteres anregt, und doch muss auch hier auf deren Mitwirkung gerechnet werden. Dann mussen es Tatigkeitsgefiihle vor allem sein, die anzuregen sind. Frisches und le- bendiges Fortschreiten, sicheres und rasches Arbeiten, hier und da ein kurzes Lob, eine Aufmunterung und dergleichen, claim aber vor allem die Freude am eigenen Ko'nnen und am Erfolge sind die Hebel, mit denen hier gearbeitet wird. Einzelne Vorschriften lassen sich hierin nicht geben; aber auf das Dichterwort darf man hinweisen: Wenn ihr's nicht fiihlt, ihr werdet's nicht erjagen! Aber nur ja um Got- tes Willen nicht Gefuhle erkunsteln! Siissliche und weinerliche, auch tiberschweng- liche Lehrer sind den Kindern ein Greuel. Kraft und Warme, das sind die beiden Antriebe, denen die naturgegebene Entwickelung gem und bestimmt folgt.

Nun, mit diesem einfachen Vademecum mogen die vielen jungen Lehrer in ihr Amt eintreten und darin mit vielem Segen arbeiten!

Die neue deutsche Rechtschreibung.

Von E. Wilkfi, Qtiedlinbtirg.

Es muss wohl nicht ganz leicht gewesen sein, die 26 Bundesstaaten und dazu dsterreich-Ungarn unter einen Rechtschreibehut zu bringen. Schon im vorigen Herbste war die ,,Neue Bearbeitung" der ,,Regeln filr die deutsche Rechtschreibung nebst Worterverzeichnis" fertig und wurde ,,als Manuskript gedruckt" den Ver- legern zuganglich gemacht, damit sie ihre Vorbereitungen treffen konnten, durfte aber nicht verbreitet werden, weil noch die Zustimmung einiger Bundesregierungen fehlte. So sind bereits Schulbucher in neuer Rechtschreibung erschienen oder wer- den angekiindigt, ehe sie eingefiihrt ist. Jetzt ist laut Zeitungsnachrichten das letzte Hindernis beseitigt, so dass in kurzem der Bundesrat die Einfiihrung der ,,Reichsorthographie" Reichsrechtschreibung klingt schlecht anordnen durfte. **

Die Schwierigkeit, eine Einigung herbeizufiihren, lasst sich aus der Art der neuen Rechtschreibung erschliessen. Mit grosser Vorsicht ist an der Puttkamer- schen Schreibung geandert worden. So ist denn die Zahl der neuen Wortbilder ge- ring. Sie sind schon grosstenteils durch die Zeitungen, die in dieser Angelegenheit sehr friih und gut unterrichtet waren, bekannt geworden. Am bedeutsamsten ist der Wegfall des h in den sieben deutschen Stammen: Tal, Ton, Tor, Tran, Tr&ne, tun, Tiir. So kann also die Regel aufgestellt werden: ,,th wird in deutschen W8r- tern nicht mehr geschrieben." Sofern das h neben dem t in deutschen Eigennamen nicht etymologisch berechtigt ist, fSllt es auch hier weg. Demnach schreibt man in der Regel: Theobald, Theoderich, Lothar, Lothringen, Mathilde, Thiiringen; gleich- berechtigt sind : Giinther Qiinter, Walther Walter; Berta und Bertold schreibt man besser ohne h. Allein das Worterverzeichnis ISsst auch die Schreibungen : Teobald, Teoderich, Matilde zu. Erhalten bleibt th in Wortern fremden Ursprungs;

*) Aus der Monatsschrift ,,Die Deutsche Schule", April 1902. (Redakteur: R. Rissmann; Verlag: Klinkhardt, Leipzig.)

**) Als Einfiihrungstermin fiir die neue Orthographic in Preussen hat der Kul- tusminister den Beginn des Schuljahres 1903 04 in Aussicht genommen. Aus- drticklich wird aber angeordnet, dass schon im Schuljahr 1902 o3 in neuer Recht- schreibung gedruckte Schulbiicher verwendet werden diirfen, nur ein Zwang auf An- schaffung derselben nicht ausgetibt werden. D. R.

278 Padagogiscbe Monatsbefte.

dass man dazu auch das vollig eingedeutschte Thron gerecnet hat, ist zu bedau- ern; ist doch neben Thee auch Tee zugelassen. ,,Panther" fehlt in den Regeln und im Worterverzeichnis* ) , scheint demnach der Willkiir preisgegeben zu sein, die sich hofFentlich trotz des ,,fremden Ursprungs" f iir Panter entscheiden wird. Bei Fest- setzung der Schreibung gibst, gibt, gib ist man der siiddeutschen Aussprache und Schreibung gefolgt. Wahrend das Regelbuch von 1880 sich fur die Schreibung mit ie entschied, weil diese der ,,edleren Aussprache" gemass sei, bemerkt das neue Buch: ,,Die Aussprache des i in diesen Formen schwankt in den verschiedenen Tei- len Deutschlands." Sonst werden wir uns noch besonders an folgende Wortbilder gewohnen miissen: Efeu, Treber, Achse (daneben nicht mehr Axe), Leikauf, Wechsler, Drechsler u. ahnl. Als gleichwertige Doppelschreibungen sind zu bemer- ken: Reede Rhede, Sintflut Siindflut, Quai Kai, Verlies Verliess, Sulze Siifoe, unst at unstet, Unbedeutenheit Unbedeutendheit, Zwehle Quehle. Bei den meisten dieser Worter war friiher eine Schreibung durch Einklammerung als minder gut bezeichnet.

Einen bedeutenden Schritt vorwarts tut die neue Rechtschreibung in Bezug auf die Fremdworter und zwar in der Richtung auf den Grundsatz hin: Eingebiirgerte Fremdworter unterwerfen sich der deutschen Lautbezeichnung (S. aber oben ,,Thron" ! ) . So ist das Z im Anlaute dem C gleichgestellt. Man darf also und wird hoffentlich allgemein schreiben: Zigarre, Zirkula/r, Zylinder, Zypresse u. s. w. Wenn in einem Worte ein urspriingliches c durch k ersetzt ist, so muss in diesem Worte auch der Z-Laut mit z bezeichnet werden; man hat also Circular oder Zir- kular, nicht Cirkular (oder Zircular) zu schreiben, ferner Eonzert, Kruzifix u. s. w. Fremdes Ch wird durch Sch ersetzt in Scharade, Scharlatan, Scharpie, Schikane, Scheck, Schim&re u. ,a Daneben bleibt die Schreibung mit Ch zulassig. So ist der Eindeutschung der Worter freie Bahn gemacht. Es wird am schreibenden Publikum, nicht zum wenigsten an der Schule liegen, auf dieser Bahn fortzuschreiten. Sehr dankenswert ist z. B. die Zulassung der Schreibungen Schal (Shawl), Streik, Affare, mokieren, Dusche, Retusche, Dublette, Fasson. Allgemein darf man cc mit dem K- Laute durch kk, cc mit dem Laute von kz durch kz bezeichnen, also: AJckord, Akzept, Akzent, Okzident schreiben, desgleichen vor qu: Akquisition. Als allein richtig gel- ten : Literatur, Palisaden, Tschako.. .Bedeutsam ist die Mahnung am Schlusse der Re- geln iiber die Fremdworter : ,,Entbehrliche Fremdworter soil man iiberhaupt meiden."

Ein gutes Beispiel in dieser Hinsicht gibt das neue Regelbuch, indem es fast durchweg deutsche grammatische Bezeichnungen anwendet, die lateinischen sind in Klammern verwiesen oder ganz weggelassen. Es ist zu wiinschen, dass nun end- lich in alien deutschen Schulen diese Bezeichnungen, die mit dem seiner Zeit vom Allgemeinen deutschen Sprachverein ausgewiihlten iibereinstimmen, und nur diese gebraucht werden.**

Nicht unerhebligh sind die Trennungsregeln geandert. Praktisch wichtig ist namentlich diese: ,,Von mehreren Mitlauten kommt der letzte auf die folgende Zeile." Man trennt also fortan: kamp-fen, Stad-te. Nur st bleibt stets ungetrennt: mei-ste, F8r-ster. Fur diejenigen, die keinen fremdsprachlichen Unterricht genossen haben, wird das Zugestandnis gemacht, dass sie sich bei Trennung zusammengesetz- ter Fremdworter, deren Bestandteile sie nicht erkennen, nach den Regeln fur ein- fache deutsche Worter richten konnen. Wo bei deutschen Wortern durch die Zu- sammensetzung drei gleiche Mitlaute zusammentreffen, ist es zulassig, ihn nur zweimal zu setzen. Man darf also fortan nicht bloss Schiffahrt, Brennessel schrei- ben, sondern auch Schalloch, Bettuch, Zollinie u. s. w. Bei Silbentrennung treten

*) Auch ,,Jackett" vermisse ich.

**) Fiir unsere Verhaltnisse sind die der lateinischen Sprache entnommenen Ausdriicke durch ihre Verwandschaft mit dem Englischen vorzuziehen. D. R.

Die neue deutscbe Recbtscbreibung. 279

dagegen alle drei in ihre Rechte: Brenn-nessel, Schiff-fahrt u. s. w. Man wird also auch zu schreiben haben: denn-noch, Mitt-tag, Dritt-teil. In der Zusammen- und Grossschreibung 1st dem Einzelnen viel Spielraum gelassen. Wenn das Recht der Doppelschreibung auch nicht immer ausgesprochen ist, lasst es sich doch aus Bei- spielen des Worterverzeichnisses ableiten. Wenn dieses neben einander stellt: zu Tage treten und zutage treten, zu teil werden, zuteil werden, kurzer Hand und kur- zerhand, besten Falls und bestenfalls u. s. f., so wird man sich in hundert Fallen, die das Worterverzeichnis nicht anfiihrt, selbst entscheiden miissen, aber nicht ver- gessen diirfen, dass die andere Schreibung auch nicht zu verachten ist. Die Ent- scheidung kann durch zwei Regeln beeinflusst werden: ,,Bewahrt in solcher Verbin- dung das Hauptwort seinen urspriinglichen Wert, so wird es mit grossem Anfangs- buchstaben geschrieben"*) und die andere, die am Schlusse des ganzen Abschnitts fiber die Anfangsbuchstaben steht und vielleicht die wichtigste des ganzen Biichleins ist: ,,In zweifelhaften Fallen schreibe man mit kleinen Anfangsbuchstaben." Dass ein Schwanken auf diesem Gebiete bestehen bleibt, ist unumganglich ; Altes und Neues, Kennzeichnung des Hauptwortes als eines solchen und 'tfbergang zur Klein- schreibung aller Hauptworter stehen sich hier eben gegeniiber. Die frifher sehr will- kiirlich aussehende Regel tiber die Ableitungen auf isch und er von Orts- und Lan- dernamen ist dadurch besser begriindet, dass das Merkmal der Unveranderlichkeit hineingenommen ist: ,,Dagegen werden die von Orts- und L'&ndernamen abgeleiteten unveranderlichen Wortformen auf er gross geschrieben, z. B. Ertonger Bier, Schwei- zer Ease. Ausgedehnt ist die Grossschreibung auf die Eigenschaftswb'rter, die Teile eines Namens bilden. Man schreibt also: die Allgememe Zeitung, das Tote Meer, die Sachsische Schweiz, die Vereinigten Staaten. Das Regelbuch ist hierbei ent- schieden dem Gebrauche gefolgt, der sich in den letzten Jahrzehnten immer mehr ausgebildet hat. Als Erleichterung wird es die Schule empfinden, dass man Abends und abends (natiirlich nur: des Abends) schreiben darf und dass namens fortan fiir ,,im Namen" und ,,mit Namen" gilt.

Rechtschreibung und Grammatik lassen sich im Deutschen nicht trennen. So greift auch das Regelbuch hinaus liber die eigentliche Wortschreibung. Notwendig ist dieser tfbergriff bei den Zeitwortformen, in denen ein S-Laut des Stammes mit einem st der Endung zusammentriff t : du isst neben du issest. . . Wahrend aber frii- her ,,du wascht", ,,du nascht" u. ahnl. als richtig gait, wird jetzt bei den Stammen auf sch die voile Form verlangt: du w'aschst, naschst u. s. w. Gleichfalls als notwen- dige 'tfberschreitung des eigentlichen Gebietes der Rechtschreibung und zugleich als wegweisend ist der Hinweis darauf anzusehen, dass das unbetonte e vielfach weg- bleiben kann: nebfejlig, kniefejn, Arz(e)nei, Nachbarn, ic'asserig und wiissrig, so &uchsieb(en)ter, 8ieb(en)tel, siebfenjzehn, sieb(enjzig. Auch hier wird wie bei der Grossschreibung der Kleinigkeitskramerei und Buchstabenstecherei der Bodeu abge- graben. Obrigens wird man aus dieser Behandlung des unbetonten e und aus der oben erwahnten Regel iiber Ausfall eines von drei gleichen Mitlauten folgern diirfen, dass auch die Mehrzahlformen : Seen, Alleen, Industrien, Photographien mindestena zulassig seien.

Die Einrichtung des neuen Regelbuches ist im ganzen dieselbe wie die des alten, im eizelnen ist sie wesentlich verbessert. Die Regeln sind verstSndlicher gefasst, Ubersichtlicher angeordnet, besser begriindet, gefalliger ausgedruckt.**) Im Wor- terverzeichnisse, das von 25 auf 36 Seiten vermehrt ist, findet man alle Worter mit Doppelschreibung auch an zwei Stellen; stammverwandte Worter sind zu Grup-

* ) Unter diese Regel wird auch ,,zu guter Letzt" gerechnet.

**) So ist z. B. fast durchweg das verkntipfende welcher, e, es durch der, die, daa ersetzt worden.

280 P'ddagogiscbe Monatshefte.

pen vereinigt, Beispiele fiir den Gebrauch (,,kraft z. B. meines Amtes") und kurze Erlauterungen (,,Leikauf [Kauf trunk]") beigefilgt. Ausser mit diesen Vorzugen miissen wir uns mit dem trosten, dass nun endlich mit Einfiihrung der Reichsortho- graphie der Zwiespalt zwischen Schul- und Amtsschreibung fallen wird. Eine Lo- sung der orthographischen Frage bringt das Biichlein nicht und will es nicht brin- gen, auch nicht einmal die Erleichterungen gewahrt es, die ich vor zwei Jahren (Deutsche Schule 1900 S. 12 ff.) im Interesse der Schule wtinschte; aber im ganzen geht die Neuerung doch in der Richtung, die ich damals andeutete. Aufgabe der Schule wird es sein, die Entwickelung, filr die das Regelbuch hie und da freie Bahn schafft, zu erkennen und zu fordern.

Berichte und Notizen.

I. Der Lehrertag in Minneapolis.

(Fiir die Padagogischen Monatshefte.)

Von B. A. Abrams, Ass't Snpt , Milwaukee, Wis.

Wenn Starke der Beteiligung, Zahl und Gute der Vortrage, Rang und Bedeu- tung der Vortragenden als Beurteilungsmass gelten diirfen, muss man mit denen iiber- einstimmen, welche die einundvierzigste Jahresversammlung des Nationalen Erzie- hungsvereins als die glanzendste und erf olgreichste in der Geschichte dieser Korper- schaftbezeichnen. FiinfzehntausendLehrer, sechs Hauptversammlungen, dreiundvierzig Abteilungszusammenkiinfte, Ausstellung und Schaustellung von Allem, was sich in unmittel- und mittelbare Verbindung mit Erziehung und Unterricht bringen lasst, Vortrage, die alle Gebiete nienschlichen Wissens und Forschens, alle Interessen- kreise von Lehrern und Laien beriihrten, das ist das Bild der Ereignisse, das der enge Rahmen von vier Tagen umfasst. Ob die Ausbeute den in Bewegung gesetzten Kraften entspricht, ob der Gewinn an beruflicher Fortbildung des strebsamen und lernbereiten Besuchers und Teilnehmers in richtigem Verhaltnis steht zu der Fulle und Mannigfaltigkeit des Gebotenen, ob ein Weniger nicht Mehr ware dariiber liesse sich vieles sagen, das nicht ganz im Einklang stiinde mit dem, was iiber den glanzenden Verlauf der Tagung gesungen und gesagt wiirde. Der Hauptwert dieser Versammlungen von Lehrern und Erziehern aus alien Teilen unseres grossen Lan- des liegt nach meiner Ansicht in dieser Ansammlung selbst, in der Erweckung und Pflege des Standesbewusstseins, das in diesen Massenentfaltungen einen guten Nahr- boden findet. Dr. Northrop, Prasident der Universitat des Staates Minnesota, sagte in seiner Begriissungsansprache : Das grosse Problem, das unser Land zu 16'sen hat, ist die Bildung einer Nation aus den vielen ungleichartigen Bevolkerungsmassen. Dass wir uns kennen und verstehen lernen, dass wir unser grosses, weites Land durchstreifen kb'nnen, mit dem Gefilhle der Einheit des Strebens, des Denkens, der Erziehung und der Menschlichkeit, in 'der Erreichung dieses herrlichen Zieles bilden diese Zusammenkiinfte von Erziehern einen wertvollen Faktor.

Die Hauptversammlungen der Minneapoliser Tagung wurden in dem stadtischen Ausstellungsgebaude abgehalten. Die iiblichen Begrussungsansprachen seitens der

Der Lebrertag in Minneapolis.

281

Spitzen der Staats- und Stadtbehorden, welche wie iiblich die Vorziige und Bedeu- tung der Konventionsstadt und die Wichtigkeit des Lehrerberufes riihmten, darf ich wohl ubergehen. Hauptredner der ersten allgemeinen Versammlung war Dr. Nicolaua Murray Butler, Prasident der Columbia Universitat von New York. "Pressing Problems" war das Thema seines Vortrages. Als erste dringliche Auf- gabe betrachtet Dr. Butler die Einfiihrung oder besser, die Wiedereinfiihrung der Bibel als Lesebuch. Er bedauert, dass viele Staaten unseres Landes Gesetze erlas- sen haben, welche dem Gebrauche der Bibel als Textbuch im Wege stehen. Eine richtige Erkennung des Entwickelungszuges der englischen Literatur von Chaucer bis Browning sei durch dieses Verbot sehr erschwert. ,,Wachsamkeit" ist die zweite der dringenden Aufgaben auf dem Gebiete des Unterrichts. Die Aufgabe sei, die zweite Halfte des achtjahrigen Volksschulkursus einheitlicher zu gestalten, Nutzloses auszuscheiden, Zeit- und Kraftvergeudung zu verhindern. Unfahige Lehrkrafte macht er verantwortlich fiir mangelhaften und liickenhaften Unterricht, fiir das Spielen und Experimentieren mit Methoden auf Kosten der Kinder. Erweitert das Wissen der Lehrer, die richtigen Methoden werden sich von selbst finden. ttber ,,Er- ziehungsprobleme im Siiden" sprach nach Dr. Butler, Prasident A. E. Alderman von der Tulane Universitat, Louisiana. Ein weiter Raum trennt das Erziehungsfeld des Siidens und das laute Verlangen nach Besserung der siidlichen Verhaltnisse von den fortschrittlichen Forderungen des grossen Nordwestens, sagte der Redner; aber beide Aufgaben sind von gleicher Wichtigkeit fiir die Entwickelung und das Ge- deihen der Vereinigten Staaten. Ich bin ein Gegner sektioneller Absonderung, ein Feind von Sonderbestrebungen 'und Sonderinteressen, und ich f reue mich, dass die Sezession als Gefiihl, als Glaubenssatz der Vergangenheit angehort, aber in den praktischen Lebensfragen, als eine Phase in dem Entwickelungsprozess unseres Le- bens muss man mit der Sonderstellung im Siiden rechnen. Die schonste Aufgabe eines Volkes ist der Auf- und Ausbau seines Schulwesens, aber sie ist auch die schwie- rigste, besonders schwierig fiir die Landbevolkerung des Siidens, deren Eigentum der Krieg zerstort, die aber noch einen schonen Besitz von Wiinschen, Streben und Tatkraft ihr Eigen nennt, besonders schwierig, wenn zwei Rassen in Betracht kom- men, die zusammen leben, aber in politischer und erzieherischer Vererbung durch «ine Kluft von mehr als tausend Jahren geschieden sind. Die wirkliche Arbeit, muss von solchen Mannern und Frauen gethan werden, die in der siidlichen Atmosphare atmen und leben, und die der Losung harrende Probleme mit der vollen Kenntnis des Siidens erfassen. Wenn im Siiden sich einmal die Einsicht durchgerungen hat, dass die fiir Volkserziehung verausgabten Gelder in Wirklichkeit keineAusgabe, sondern eine nutzbringende Kapitalanlage bilden, wird das Erziehungswerk wesent- lich gefordert worden sein. Die zweite Hauptversammlung bildete nach meiner unmassgeblichen Meinung den Glanz- und Hohepunkt der Tagung. Ackerbauminister Wilson, Frau Carrie Chapman Catt, eine sehr redegewandte und tttchtige Kamp- ferin fiir Gleichstellung der Geschlechter in Schule und Staat, und Universitats- prasident Schurman, waren die Redner des Tages. Wenn die drei Vortrage stofflich und inhaltlich auch grundverschieden waren, die behandelten Gebiete weit ausein- ander lagen, macht sie Hoffnungsfreudigkeit, die aus den 3 Vortragen hervorklingt, zu verwandten Geisteskindern, durchweht sie der gleiche fortschrittliche Geist, -durchzieht sie das ehrliche Streben nach Besserem als einigender Gedanke.

(Fortsetzung folgt.)

II. Korrespondenzen.

(Fur die Padagogischen Monatshefte.)

Chicago.

Die Schulsteuern fallen bei unserer ,,Prosperitat". Die Anzahl der schulbe- suchenden Kinder aber steigt Gottlob. 268,392 Namen trug die diesjahrige Stammrolle, 5,654 mehr als 1900-'01, 12,531 mehr als 1899-1900. Von den Schulkindern dieses Jahres waren 133,- 451 Knaben, 134,941 Madchen. 51,482 Schiller gingen wahrend des Jahres aus dem einen oder anderen Grunde ab. Auf Elementarschulen kam eine Frequenz von 136,836 Kindern, auf grammar schools 66,160, high schools 8,664, Normalschule 469, Kindergarten 4621. Der tagliche Schulbesuch betrug 93.9 Prozent.

Trotz dieses erhb'hten Schulbesuches hatten wir am Schlusse des letztenSchul- jahres 176 Lehrkrafte weniger als am Schlusse des vorletzten. Es wird eben gespart an alien Ecken soweit die Schule in Betracht kommt. Nur ruhig Blut und ja nicht gemuckst: dann wird's immer schlimmer!

Die deutschen Lehrer miissen bekannt- lich schon im nachsten Jahre an den Geldmangel Chicagos glauben. In die- sem Jahre war eine geniigende Anzahl angestellt, dass 30,514 Schiller am deut- schen Unterricht teilnehmen konnteit Wie wird diese Zahl im nachsten Jahre sink en!

Das Amt des Supervisors des deut- schen Unterrichtes diirfte beibehalten werden, jedoch mit neuer Besetzung1. Fiir den bisherigen Supervisor, Dr. G. A. Zimmermann war eine Hochschulstelle mit einem Gehalt von $2000 in Aussicht genommen, doch erhob sich im Schulrate so offener Widerspruch dagegen, dass man die Idee fallen liess. Das Gehalt des Supervisors soil aus $7000 bestritten werden, die man aus der schmalen Be- willigung fiir den deutschen Unterricht im nachsten Jahre herausgespart hat. Lehrkrafte, die Unterricht in der deut- schen oder lateinischen Sprache erteilen, werden im kommenden Jahre eine Ge- haltszulage von $50 (fiir das Jahr) er- halten.

Fiir allesAndere als den deutschen Un- terricht hat man Geld aufgetrieben, wenn auch teilweise mit Ach und Krach. Fiir die Kindergarten hat man nun $50,000, fur die Abendschulen $30,000, wahrend noch vor einigen Monaten der Schulrat es fiir rein unmoglich erklarte, die Schu- len zu erb'ffnen. Schlimmer steht es mit den Ferienschulen, die heuer in fiinf Schulgebauden abgehalten werden. Hun-

derte von Kindern mussten wegen Platz- mangels abgewiesen werden. Und doch sind in einer Stadt wie Chicago gerade die Ferienschulen eine humanitare Not- wendigkeit, eine der grossten Wohltaten, die den Kindern aus den ,,Armeleut-Ge- genden", von denen so viele noch nie einen lebenden Baum, geschweige denn einen Park gesehen hatten, erwiesen wer- den kann. Die hiesigen Ferienklubs ha- ben $8000 aufgebracht, aber selbst die doppelte Summe ware kaum hinreichend.

E. P. Cincinnati.

,,Was ist das Leben, Korl!" Wenn Unkel Brasig sich bei einem Begrabnisse nur zu diesem tief philosophischen Aus- spruche versteigen konnte, so kann man auch von einem padagogischen Korre- spondenten nicht erwarten, dass er bei der grossen Auferstehung, gemeinhin Schulanfang, viel mehr als eine allge- meine Betrachtung irdisch-schulmeiser- licher Verhaltnisse zutage fordere.

Ich behaupte, dass man den wahren Padagogen an seinem Verhalten im Zivil- verhaltnisse, das heisst an seinem au- sserdienstlichen Gebahren und am aller- besten an der Art und Weise erkennt, wie er sich im bayerischen Himniel, vulgo Ferien, zurechtfindet. Wie es zwei- erlei Padagogen gibt, so gibt es auch zweierlei Ferien. Die ersteren wird man am zweckmassigsten einteilen in gut be- zahlte und schlecht bezahlte; die letzte- ren in traurige und vergniigte. Die Leh- rerseele, die sich mit einem Jahresgehalte von so'n $1500 bis $3000 herumschinden muss, sie besucht einen Lehrertag, unter Umstanden auch zwei; sie spntzt nach Europa, nach Californien und den Sand- wichinseln; wohnt in der Sommerfrische oder im Bade, mit einem Worte, eine solche arm geplagte Seele hat sehr trau- rige Ferien: Sonngebraunt, mit einer Gewichtszunahme von einigen Schock Pfunden, beladen mit angenehm-lehrrei- chen Erfahrungen und Erinnerungen kehrt sie heim und klagt, denn sie hat keine Gehaltserhohung bekommen und sieht sich gezwungen bei dem vorhin an- gedeuteten Bettel-Salar ihre Perlen wei- ter vor die Ferkelchen zu werfen. Wir tragen inniges Bedauern im Herzen um solche ungliickliche Genossen und hoffen nur, dass es ihnen gelingen moge, sich noch ein Jahrlein mit Ach und Krach weiter zu behelfen.

Die andere liebe Seele. die das Jahr hindurch sich abgeharmt hat und abge-

Korresponden^en.

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miiht mit vergeblichen Versuchen ihr Einkommen von vielleicht $500 bis $800 mit Hilfe von einem halben Dutzend Go'ren, oder auch nur aus eigener Kraft, klein zu machen, ihr sind vergniigte Ferien beschieden. Schon der Anfang ist vielversprechend, denn die besagte Seele weiss beim besten Willen nicht, was sie mit dem zuriickgelegten Gehalts- iiberschusse anfangen soil; sie kann sich nicht entschliessen, zu welchem Lehrer- tage sie reisen soil, auch nicht dariiber schliissig werden, von welcher Zeitung sie gegen ratenweise Kriegskorrespon- denzen ein Freifahrt-Billet nach dem Tagsatzungsschauplatze annehmen soil, sie bleibt also lieber weg; Europa und dergleichen iiberseeische Gegenden sind ihr vollstandig Wurst, und noch wursti- ger sind ihr Badeorte, Sommerfrischen, Fischfang, Jagdvergniigen. Diese iSeele bleibt, rein innerem Triebe gehorchend, zu Hause und nahrt sich mittels Sau- gens an ihren selbsteigenen Tatzen. Der einzige nachhilfebediirftige Schiller, der sich auf eine nur so im Spass erlassene Zeitungsannonce behufs Errichtung einer Ferienklasse gemeldet hat, kann dahin gehen, wo der Pfeffer wachst. Die Zei- tung, die versprochen hat, vorkommen- denfalls die Dienste der mehrgenannten Seele gerne in Anspruch zu nehmen, a' raison von $2.50 fur 10 tttunden tagli- cher Fingeriibungen, sie kann lange flo- ten, denn der Fall kommt nicht vor; die Zeitschrift, die kurze zweckmassige Ar- tikel zu priifen und eventuell zu verwen- den in Aussicht setllt, sie mag sich einen grosseren Papierkorb zulegen; kurzum, die Seele sagt: Ihr konnt mir alle gestoh- len werden; meine Verhaltnisse sind dermassen geordnet, dass das, was man standes- und verdienstgemasses Ein- kommen nennt und womit traurige Fe- rien von vorneherein schon bedingt sind, gar nicht in Betranht kommt, zumal Luft, Wasser, Sonne, Mond und Sterne Emolumente sind, deren man durch blo- sses Handausstrecken und Augenb'ffnen teilhaftig werden kann. ,,Und," so re- dete meine Gewilhrsseele gemlitlich wei- ter, ,,gibt es wohl ein reineres, unge- trilbteres Ferienvergnligen, als der Ge- nuss, beim Korrekturlesen von durch Literaturgrb'ssen verrichteten Bediirf- nissen eine Stelle zu finden wie diese: ,,Ihr Raubzug war nicht einem iiberstiirz- ten Entschlusse zufolge beschlossen wor- den, sondern mit kiihler, reiflicher ttber- legung und mit der epikuriiischen Beson- nenheit blutdtirstiger Karaiben geplant worden.' Sehen Sie, so etwas entscha- digt einen fiir die vergnilgtesten Ferien. Wenn Sie mir einen Genossen nennen konnen, der wahrend seiner europaischen

oder californischen Trauertour so etwas gesehen oder gehort, ja auch nur geahnt hat, so verspreche ich ihm jetzt schon, an seiner Stelle die nachstjahrigen trauri- gen zwei Ferienmonate im Monde, im Mars, oder wohin sonst er seine miiden Schritte zu wenden beabsichtigt, durch- zufechten." Soweit mein ferienfroher Gewahrsmann. Er wird's wohl wissen und verantworten. Das ist iiberhaupt ein gelungener Padagoge! Nach solchen gliicklichen Ferien freut sich der Mensch noch, dass er wieder Schule halten darf und hat nur den einzigen Kummer, es mochte am Ende im Jum 1903 so mit ihm stehen, dass er sich anstandshalber auch einmal traurige Ferien gestatten miisste. ,,Was ist das Leben, Korl!"

Reinick, der Schaker, hat einmal ge- sungen :

,,So jemand baut ein neues Haus

Und baut zuerst den Seller,

Da kommt niemals kein Sinn heraus;

Zuerst bau' er den Keller!"

Das ist auch Philosophic, und zwar recht gesunde. Im Staat Ohio im allge- meinen, und in Cincinnati im besonderen, hat man einigermassen dawider gehan- delt. Man hat beim Seller angefangen, und als man schon im Gange war, da ging das Staats-Obergericht hin und er- klarte samtliche von der letzten Staats- legislatur veriibten Gesetze, 332 an Zahl, flir unkonstitutionell. Soil nun im Staat, besonders in seinen grosseren Stadten, weiter gewirtschaftet werden, so miissen nagelneue Gesetze, bezw. Ge- meindeverwaltungen gemacht werden. Zu dem Zwecke ist eine Extrasitzung der Legislatur zu Columbus im Gange. Auch unsere Schulen sind in betriibendster Weise bei der Geschichte betroffen wor- den. So 'n bisschen Sb'ller-Bauen hatte man sich da allerdings gestattet. indem man Lehrer versetzte und anstellte be- hufs Einf iihrung neuer Unterrichtsf acher, die jetzt furs erste liegen bleiben mils- sen, wie auch die Nachtschulen beschnit- ten werden, Neuanstellungen teilweise unterbleiben, Vermehrung freier Schul- biicher sistiert ist u. s. w. bis einmal ein Sinn herauskommt, was im vorlie- genden Falle einfach heissen muss: bis das Geld gefunden ist.

Unser deutscher Superintendent und Freund, Dr. H. H. Fick, ist von seiner Reise durch Deutschland und die Schweiz vergnilgt und wohlbehalten heimgekehrt. Er kann es nicht genug rilhmen, wie freundlich man ihm in der einzigen Ferienschule Deutschlands, im Seminar zu Jena, entgegengekommen und wie genau unterrichtet man dort tiber hiesige Schulverhaltnisse ist. Be- sonders und mit Recht gefreut hat er

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Padagogiscbe MonatsbefTt.

sich iiber die jetzt erst gemachte Ent- deckung, dass acht ihm personlich voll- standig unbekannte Komponisten drti- ben im Laufe der Zeit sein Gedicht ,,Das Lied, das meine Mutter sang" in Musik gesetzt haben. Herrn Ficks, bislang a Is deutsche Lehrerin in Cleveland beschaf- tigte, jiingste Tochter Edna wird nun- mehr eine Stelle an der Hochschule zu Madisonville, Hamilton Co., Ohio, an- treten und somit im elterlichen Hause verbleiben kb'nnen.

Der neue deutsche Lehrplan ist fertig. Im Grossen und Ganzen sich an den bis- herigen anlehnend hat derselbe den unbe- streitbaren Vorzug vor diesem, dass er dem Lehrer innerhalb des abgegrenzten Klassenzieles mehr freien Spielraum ge- wahrt und ihm nicht nur erlaubt, son- dern ihn dazu notigt seine eigene Indi- vidualitat sowohl, wie die seiner Schiller nach Gebtihr zur Geltung zu bringen und zu entwickeln. Wer dazu geneigt und imstande ist3 mit oifenem Visier und ei- genen Waffen in die Schranken zu treten, der sieht sich fernerhin nicht mehr durch altvaterische Regeln daran gehindertj Die Bahn ist frei.

Drei junge Cincinnatier deutscher Ab- kunft, die im Laufe des verflossenen Jahres als Lehrer nach den Philippinen gingen, haben das Wagnis mit ihrem Le- ben gebiisst: Einer ermordet, einer un- auffindbar und verschollen, einer auf dem Krankenbette gestorben. Nichts- destoweniger riistet sich schon der vierte, Kollege F. J. Hauer, ein gar liebenswilr- diger und vielversprechender junger Leh- rer an der dritten Intermediatschule, zur Abreise, um in jener Holle das sind nach meiner vifrzehnjahrigen Er- fahrung dort und auf den Sunda-Inseln die Philippinen jetzt und auf hundert und mehr Jahre hinaus fiir Nicht-Ein- geborene das Schicksal herauszufor- dern. Zu sterben braucht dort nicht je- der Europaer, bezw. Amerikaner; mehr als die Halfte derselben nat es aber seit einigen Hunderten von Jahren getan. Und, wo Chinin, Kalomel und Queck- silber ohnmachtig sind, da hilft Jingois- mus erst recht nicht. Doch, ein jeder ist seines Gliickes Schmied. quidam.

Cleveland.

In der hiesigen Western Reserve Uni- versitat haben sich zwei unserer deut- schen Lehrkriifte, Frl. Ida C. Messer und Herr F. J. Menger, im vergangenen Juni den Grad Magister Artium erworben und zwar hauptsachlich in deutschen Kursen. Diese Universitat bietet und leistet Vor- treffliches im deutschen Departement; nicht nur ttichtige Manner stehen an des- sen Spitze, sender n die Universitat ver-

fiigt auch iiber eine der ausgewiihltesten deutschen Bibliotheken des Landes, deren Benutzung den Studenten zu jeder Zeit zur unbeschrankten Verfiigung steht. Solch ausserst giinstige Hilfsmittel zur professionellen Weiterbildung vor der Tiire fast im Hause, und doch so selten benutzt! B.

Dayton.

Ob das Deutsche in Dayton wohl ein- geschlafen ist? O nein! Das deutsche Leben war sogar ein sehr reges im ver- flossenen Schuljahre; anch der deutsche Unterhaltungsverein hat eine sehr er- folgreiche Saison hinter sich. Erlauben Sie mir etwas Ermutigendes zu berich- ten iiber Schule und Verein.

Zur Forderung des deutschen Unter- richts in den Schulen ist es dieses Friih- jahr auf Verwenden des Deutschameri- kanischen Zentralvereins gelungen eine ansehnliche Zahl sachverstandiger deut- scher Herren und Damen zu gewinnen, die sich organisiert haben zu regelmassi- gem Besuch aller Elementarschulen (Pa- rochial- sowohl wie Freischulen) , in de- nen Deutsch gelernt wird.

Diese Besuche werden gemacht mit Ge- nehmigung und Gutheissen der Schulbe- horde und sollen durchaus keine Kritik der Lehrmethode oder des Lehrpersonals herbeifiihren, sondern das Interesse von Schiller und Lehrer an diesem Unter- richtszweig heben und starken und durch Anteilnahme das Interesse der deutschen Bevolkerung an der Erhaltung der deut- schen Sprache bekunden. Diese Herren und Damen haben sich in die Arbeit ge- teilt und bereits m«hrere Besuche ge- macht. Von Zeit zu Zeit versammeln sie sich zu einem Meinungsaustausch und zur Berichterstattung an das Schul- komitee des Deutschamerikanischen Zen- tralvereins. Man verspricht sich viel von dieser Bewegung fiir die Erhaltung und Pflege der deutschen Sprache.

In der Hochschule waren wir dieses Jahr sechs, die deutsch (drei davon aus- schliesslich deutsch) unterrichtet haben. Die Zahl der deutschlernenden Schiller betrug 381 in 19 Klassen; fiir das Fran- zosische hatten wir 135 Schiller in 6 Klassen.

Unter dem Prasidium von Dr. Hail- mann hat der deutsche Unterhaltungs- verein acht Versammlungen abgehalten, je eine monatlich vom Oktober bis Mai. Diese Zusammenkilnfte wirkten sehr an- regend und boten des Belehrenden eben so viel als des Gefalligen und Unterhal- tenden. Das Programm war ein mannig- faches und reichhaltiges. Jeder Abend wurde einem bestimmten Gegenstand ge- widmet : Reiseschilderungen, Literatur,

Korresponden^en.

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Musik und Gesang, Theaterstiicke, Elek- trizitat, bildende Kunst, Natur. Nach Abwickelung des eigentlichenProgramms gait es dann bei Erfrischungen den Hu- mor spielen zu lassen, gelungene Anek- doten zu erzahlen und vor allem die al- ien, aber ewig neuen, gemiitvollen, deut- schen Volkslieder zu singen. Der Ver- ein hat sich redlich bemtiht, deutsches Wissen, deutsche Sprache, deutsche Ge- selligkeit zu fordern. Die Beteiligung war denn auch eine starke, das Interesse ein reges. Moge es in der kommenden Saison auch so sein. M. D.

Milwaukee.

Die schb'nen Tage von Aranjuez sind bald voriiber. Noch eine Woche, und die Schultiiren werden weit geoffnet sein, um die Scharen der wiss- und lernbegie- rigen Jugend wieder zu empfangen. Alle, Lehrer sowohl wie Schiller haben sich er- holt und werden nun erfrischt und ge- starkt ihrem Berufe und der Arbeit des Lehrens und Lernens wieder obliegen. Unter den letzteren, den Schiilern, wer- den wohl viele sein, die ,,dem Zwange und der Not, und nicht dem eigenen Trieb gehorchend" kommen; denn die schulfreie Zeit ist doch eine gar zu herr- liche fiir sie. Trotz der zehn Wochen ist sie ihnen sehr kurz vorgekommen. Nun, wir, Eltern und Lehrer, finden das ja natiirlich; aber doch ist die Zeit der Sonimerferien eigentlich zu lang und vieles geht wieder verloren, was im Laufe des Schuljahres mit grosser Miihe ge- lehrt und gelernt worden ist. Man sollte denken, 8 Wochen mussten fiir alle Falle geniigen. Die Lehrer, wenigstens die, welche ihren Beruf lieben, werden sich freuen, ihre regelmassige Arbeit wie- der aufnehmen zu konnen, denn bei der regelmassigen Berufsarbeit fiihlt sich der Mensch am wohlsten und die Zeit ver- geht ihm am schnellsten. Miissigang wird auf die Dauer langweilig und uner- traglich.

Wir Lehrer des Deutschen werden wohl alle mit Freude gelesen haben, wie erfolgreich und schb'n der letzte Lehrer- tag in Detroit verlaufen ist. Gar viele werden wohl herzlich bedauert haben, dass sie nicht mit ,,dabei" sein konnten. Eine Reihe von herrlichen, ganz ausge- zeichneten Vortragen wurde gehalten, die sich fast alle im Rahmen unserer speziel- len Berufsarbeit hielten und viele wert- volle Winke fiir den praktischen und er- folgreichen Unterricht im Deutschen ent- hielten. Es ware ja auch sehr sch<5n und wiinschenswert, wenn ais greifbare Frucht und Erfolg dieses schonen Leh- rertages in Detroit der deutsche Unter- richt daselbst in den offentlichen Schu-

len eingefiihrt, und dann auch eine dau- ernde Statte dort finden wiirde. Nun wir wollen das beste hoffen.

Es muss uns ja sehr freuen, zu beob- achten, dass das Werk des deutschen Un- terrichtes und der deutschen Sprache iiberhaupt unter unseren angloamerika- nischen Mitbiirgern, und besonders im Osten, immermehr anerkannt und daher auch seine Verbreitung und Einfiihrung in Schulen und Familien immer mehr angestrebt wird. Das ist ja eine recht erfreuliche Tatsache; wenn nur die Deutschen hierzulande selbst sich auch nur ein wenig mehr fiir diese gute oache begeistern und dafilr mehr tun wollten. Leider ist dies nicht genugend der Fall, ja man kann dreist behaupten, dass die grossten Feinde des D. U. die Deutschen selbst sind. Sehen wir dies nicht deut- lich wieder an Chicago?

Da hat man ja seitens der Schulbe- horde den Unterricht im Deutschen so beschnitten, eingeengt und eingezwangt, dass man damit wohl gewiss die ganze Sache als den Anfang vom Ende bezeich- nen kann. Ein grosser Fehler war es ohnehin schon, als man vor mehreren Jahren die untere Grade liir den d. U. abschnitt, und unbegreiflich und unver- standlich war. es gewiss, dass sich der Leiter des d. U., sowie die deutschen Biir- ger iiberhaupt die Sache ruhig gefallen liessen. Damit wurden dem Baume die besten und kraftigsten Wurzeln abge- hauen. Nicht umsonst hat der Lehrertag immer und immer wieder betont, dass man im Deutschen, wenn man den Un- terricht erfolgreich machen wolle, im un- tersten Grade damit beginnen miisse. Hier sind die starken Wurzeln seiner Kraft, hier muss der Grund und das Fundament gelegt werden, und hier ist immer der grb'sste Erfolg im Unterricht zu verzeichnen. Ist es nun zu verwun- dern, wenn der griine Baum des d. \j. in Chicago anfilngt zu welken und abzu- sterben? So wird es denn schliesslich auch wohl dahin kommen, dass er ganz verdorrt und dann mit Stumpf und Stiel ausgerottet wird; und dann wird man sagen konnen: ,,Und das haben mit ih- rem Schlafen, die Deutschen Chicagos gethan." Dann wird Chicago den zwei- felhaften Ruhm haben, dem schlechten Beispiele der Stadte St. Louis und St. Paul gefolgt zu sein. Um Griinde ist man leider niemals verlegen in dieser Sache. ,,Es ist kein Geld fiir den d. U. ; die Schulen haben nicht Geld ge- nug, weil die Steuern nicht eingehen," so sagt man. Ja, warum zwingt man denn die Reichen nicht, ihre Steuern ehr- lich zu bezahlen, sowie man die Armen zwingt, es zu tun? Ja, das will man

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P'ddagogiscbe Monatshefte.

eben nicht, denn eine Hand waschst die andere, so will und hielt es die hohere Politik. Man glaube auch ja nicht, dass man diesem neuen System, welches man versuchen will, ebensoweit oder gar noch weiter kommt, namlich dass man die Speziallehrer im Deutschen entlasst und den d. U. durch die dazu befahigten Klassenlehrer erteilen lasst. Ich glaube durchaus nicht an dieses System, und etwas Erfahrung in dieser Sache bean- spruche ich auch zu haben. Etwas Ahn- liches haben wir friiher hier in M. auch gehabt. Doch, there is no better way than trying. Man kann ja die Sache

versuchen und es dann ausfinden. Ich befiirchte aber, dass die Gegner des d. U., die friiher immer sagten, dass er die Kosten nicht wert sei, bald sagen wer- den, nun, da er wenig koste, sei er gar nichts wert, und dann vielleicht recht haben werden. Die Regel ist meistens auch richtig hier: ,,Was nichts kostet, ist auch nichts wert." Es sollte mich freuen, wenn ich die Sache zu schwarz ansahe und wenn sich die Deutschen in Chicago auffraffen wtirden, um womog- lich noch zu retten, was noch zu retten ist. A. W.

HI. Umschau.

Amerika-

Madison. Dr. Charles Kendall Adams, Prasident der Staatsuniversitat in Wis- consin, verstarb am 26. Juli zu Redlands, Cal., wohin er iibergesiedelt war, nach- dem er sein Amt niedergelegt hatte. Un- ter seiner Leitung nahm die Universitat einen grossen Aufschwung. Bewies er dadurch ein grosses Organisationstalent, so zeichnete er sich doch auch als Ge- lehrter, namentlich auf dem Gebiete der Geschichte aus. Er war ein grosser Be- fiirworter des deutschen Erziehungswe- sens und stellte dasselbe in Wort und Schrift aem unseren als Muster vor. Un- ter seinen Schriften sind hervorzuheben : "Life and Work of Christopher Colum- bus", "Democracy and Monarchy in France", "Manual of Historical Liter- ature". Ein Lehrbuch fur Geschichte der Vereinigten Staaten zum Gebrauch in Universitaten und Colleges blieb lei- der unvollendet. Der Universitatsrat scheint grosse Schwierigkeiten in der Wiederbesetzung des Prasidentenamtes zu haben; dasselbe ist noch vakant, trotzdem die Resignation Prof. Adams bereits seit Jahresfrist angenommen wor- den war.

Geschichtsbucher fiir Schley. Die Le- gislatur des Staates Louisiana passierte kiirzlich ein Gesetz nach welchem alle Lehrbiicher der Geschichte der Vereinig- ten Staaten aus den Schulen verbannt werden sollen, die dem Admiral Schley nicht geniigende Anerkennung fiir seine Tatigkeit in der Schlacht bei Santiago zuteil werden lassen. Der Staatsschul- superintendent hat also nunmehr die Aufgabe, alle Geschichtsbiicher darauf- hin zu priifen. Die Mitglieder der Le- gislatur miissen sich ein gut Teil Kritik fiir ihren Eingriff in die Geschichte ge-

fallen lassen und entschuldigen sich da- mit, dass sie durch T. Spence Smith von Rapides, einem geborenen Marylander und grossen Verehrer Admiral Schleys, zur Annahme des Gesetzentwurfs ge- drangt wurden, trotzdem viele von ihnen die Ratsamkeit des Schrittes fiir frag- lich hielten.

Das Schulhaus zum sozialen Zentrum der Bevolkerung zu machen, ist das gro- sse Ziel, das sich die Schulbehorde der Stadt New York gestellt hat. Schon hat man damit den Anfang gemacht, und wir finden in den Schulhausern bereits Nachtschulen, freie Vorlesungen, Lese- zimmer, Spielraume und Spielplatze, Fe- rienschulen, Versammlungen von Eltern und freie Konzerte. Man will aber wei- terhin noch in ihnen Filialen der Haupt- bibliotheken, der Kunst- und wissen- schaftlichen Musseen errichten; litera- rische und musikalische Vereine sollen eingeladen werden, in den Schulhausern ihr Heim aufzuschlagen, kurz, jede Form der menschlichen Vervollkommnung soil dort Ermutigung finden. Es sollen Zir- kel fiir Kleidermacherei, Putzmacherei, Kochen fiir alle Tatigkeiten den Haushalt betreffend, gebildet werden. Die ganze Bevolkerung soil im Schul- hause zur intellektuellen, moralischen, physischen und okonomischen Verede- lung zusammengezogen werden.

Milwaukee. Das Rationale Deutsch- amerikanische Lehrerseminar zu Milwau- kee eroffnet seinen Jahreskursus am 8. September. Am 6. d. M. findet das Auf- nahmeexamen statt. Eine Neuerung soil in diesem Jahre insofern eingefiihrt wer- den, als solchen Abiturienten von akkre- detierten Hochschulen, die den vierjah- rigen Kursus fiir moderne Sprachen ab- solviert haben, Gelegenheit geboten wer-

Umschau.

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den soil, sich in einem einjahrigen Kur- sus zu Lehrern des Deutschen an Elemen- tarschulen auszubilden. Zu gleicher Zeit mit demLehrerseminareroffnet auch das Turnlehrerseminar des Nordamerika- nischen Turnerbundes nach zweijahriger Pause einen einjahrigen Kursus zur Aus- bildung von Turnlehrern. An Stelle von Herrn Georg Brosius, der die Leitung des Turnvereins Milwaukee iibernommen hat, ist vom Bundesvorort zu Indianapolis Herr Georg Wittich zum technischen Lei- ter des Turnlehrerseminars ernannt wor- den. Derselbe ist ein Schiller der An- stalt, an die er nunmehr berufen ist, und absolvierte sie im Jahre 1882. Zuletzt hatte er die Oberleitung des Turnunter- richts an den offentlichen Schulen zu St. Louis. Ihin geht der Ruf als eines der erfolgreichsten und tiichtigsten Turnleh- rer des Bundes voraus. Die Generalver- sammlung des Seminarvereins fand am 27. Juni im Seminargebaude statt. Als Vertreter des Lehrerbundes beteiligten sich an der Versammlung die Herren John Schwaab und Gottlieb Miiller aus Cincinnati; C. O. Schonrich, Baltimore; Louis Schutt, Chicago; C. C. Baumann, Davenport und B. A. Abrams, Milwau- kee. Die Routinegeschafte wurden un- ter der Leitung des Vizeprasidenten Fred Vogel jun. glatt erledigt; einschneidende Anderungen in die Fiihrung der Anstalt wurden nicht vorgenommen. Der Kas- senbericht des Schatzmeisters ergab eine Einnahme von $31,694.78 und eine Aus- gabe von $24,599.51, mithin ein Gutha- ben von $7,095.27. Der Verwaltungsrat organisierte sich wie folgt: President, Dr. L. F. Frank, Vizepriisident, Fred. Vogel, jun.; Sekretar, Albert Wallber; Schatzmeister, Albert C. Trostel, samt- lich aus Milwaukee. Der Lehreraus- schuss besteht -aus den Herren B. A. Abrams, Milwaukee; Louis Schutt, Chi- cago, und John Schwaab, Cincinnati.

Deutschland.

Stadtschulinspektor Kriebel-Breslau. Am 4. Juli verstarb im Alter von 66 Jahren Stadtschulinspektor Kriebel- Breslau. Der Verewigte war ein eifriger Forderer des ,,Deutschen Lehrervereins" und ein (iberzeugter A nh anger und Ver- fechter der ,,Allgemeinen Volksschule", ftir deren Durchfiihrung er mit seiner vielverbreiteten Broschiire: ,,Fiir die all- gemeine Volksschule" ganz energisch in die Schranken trat.

Ministerialdirektor Dr. Ktigler, dem die preussische Lehrerschaft bei seinem Riicktritt von der Leitung des Volks- schulwesens ihren Dank durch eine Reihe von Zuschriften bezeugte, ist am 23. Mai plotzlich aus dem Leben geschieden. Die

Lehrer Preussens verclanken ihm wesent- lich die Besserung ihrer uage in den letz- ten zehn Jahren. Wie sehr dieser Mann den Lehrern zugetan war, zeigt folgen- des: Er hat auf seinem Sterbebette seine Gemahlin gebeten, die Kranze, welche aus der Lehrerschaft kommen wlirden, ihm zunachst zu legen.

Im ,,Verein fiir Schulgesundheitspfle- ge" zu Berlin hielt kiirzlich der beriihmte Breslauer Augenarzt, Prof. Herman Cohn, einen Vortrag tiber die Kurzsich- tigkeit der Schulkinder. Diese betragt in den Volksschulen I Proz., in stadti- schen Elementarschulen 12 Proz., in den Mittelschulen 16 Proz., und steigt in den hoheren Lehranstalten bis auf 26 Proz. Als die Hauptursache dieses Gebrechens bezeichnete er den heutigen, meist zu kleinen Buchdruck. Cohn verlangt nun eine gesetzliche Regelung dieser trage, indem das Reichsgesundheitsamt einen ,,Minimaldruck" festsetzen soil. . .In deutschen Turnerkreisen riistet man sich, den fiinfzigsten Todestag des Turn- vaters Jahn am 15. Oktober d. J. wiirdig zu begehen. Moglicherweise wird an diesem Tage auch die Einweihung des Jahn-Museums in Freiburg a. U. statt- finden konnen.

Durch kaiserliche Kabinettsordre ist die Gleichwertigkeit der Zeugnisse der Gymnasien, Realgymnasien und Ober- realschulen fiir den Offiziersberuf er- kannt worden. Die Zeugnisse dieser An- stalten berechtigen zu jedem Studium an Hochschulen und polytechnischen Anstal- ten.

Eine allgemeine deutsche Schulstatistik soil im Jahre 1904 veranstaltet werden. Diese soil sich hauptsachlich auf die Zahl der im Deutschen Reiche vorhande- nen Schulen aller Art, Lehrer und Schti- ler, auf die Zahl der sogenannten Anal- phabeten, auf die Lehrerbesoldungen, die Staatsausgaben fiir das Schulwesen iiber- haupt und fiir die einzelne Schulstel'e im Durchschnitt und auf den Kopf der Bevolkerung und ahnliche auf das Schul- wesen beziiglichen Fragen erstrecken. Bisher hat es an einer solchen offiziellen deutschen Schulstatistik •••ollstiindig ge- fehlt.

Der preussische Kultusminister rich- tete eine Zirkularverf&gung an s'&mt- liche Provinzial-Schulkollegien, in der er sie auffordert, anliisslich der Einfiihrung der neuen Orthographic die bisher ge- brauchlichen Volksschullesebiicher, deren Inhalt vielfach dem Kindesalter wenig angepasst, nicht geniigend realistisch und zu ideal, manchmal veraltet und sogar sprachlich unkorrekt sei, bis zum 1. Ok- tober einer sorgfiiltigen und unnachsicht- lichen Priifung zu unterziehen und ihm

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P'ddagogiscbe Monatshefte.

zu berichten, welche Lesebiicher beizube- halten, abzuandern oder zu beseitigen seien.

Thuringen. Weimar. Der Vorstand der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft hat in seiner Sitzung vom 22. April nach- stehende Preisausscbreibungen beschlos- sen: 1) Ein Preis von 800 M. fur die beste Arbeit tiber: ,,Die Bekanntschaft Shakespeares mit der schonen Literatur Englands." Preisrichter : Geheimrat Dr. Oechelhauser - Dessau, Professor Dr. Schick-Miinchen, Geh. Hofrat Professor Dr. Wiilker-Leipzig. 2 ) Ein Preis von 600 M. filr die beste Arbeit tiber: ,,Gar- rick als Shakespeare-Darsteller und seine Bedeutung fiir die heutige Schauspiel- kunst." Preisrichter: Professor Dr. Brandl-Berlin, Intendant Ritter v. Pos- sart-Miinchen, Generalintendant v. Vig- nau-Weimar. Samtliche Arbeiten miis- sen bis 1. April 1903 an den Vorsitzen- den des geschaftsfiihrenden Ausschusses der Shakespeare-Gesellschaft, P. v. Bo- janowski in Weimar, abgeliefert werden. Die preisgekronten Arbeiten gehen in das Eigentum der Gesellschaft tiber.

Osterreich.

Deutsche Festigkeit. Den deutschen Schulen in Ungarn haben die Magyaren mit und ohne Hilfe von Deutschen grosstenteils den Garaus gemacht. Nur die Siebenbiirger Sachsen naben sich be- kanntlich ihre zahlreichen Volks- und Mittelschulen aus eigener Kraft zu er- halten gewusst. Nun verraten aber mancherlei Anzeichen, dass die Deut- schen in Siidungarn ( Banater Schwaben ) sich hiibsch allmahlich darauf besinnen, was man ihnen mit der Verstaatlichung ihrer Gemeindeschulen angetan. Der Ortsschulrat von Marienfeld (bei Temes- var) beschloss z. B. einstimmig, die Auf- forderung des Unterrichtsministers, es solle mehr magyarisch unterrichtet wer- den, in dem Sinne zu beantworten, ,,dass im Gegenteil zu viel magyarisch unter- richtet werde, und die Kinder infolge- dessen sehr wenig lernen" ; sie verlangen daher eine bessere und im Gesetz be- grilndete Pflege des deutschen Unter- richtes, ja die Gemeinde sei selbst unter Umstanden zu Opfern bereit, ihre Schule vom Staate wieder zu iibernehmen, nach- dem die bei der tfbergabe an den Staat bedungene Zweisprachigkeit des Unter- richts nicht eingehalten werde. (Solche Antworten deutscher Bauern auf eine ministerielle Zumutung sind erfreulich. Wenn nur die Deutschamerikaner hier- zulande gleiche Energie entfalteten! D. R.)

Die Vertschechung der deutschen Schu- len in Bohmen schreitet vorwarts. Von

den 110 Schulbezirken Bb'hmens sind nach dem letzten amtlichen Ausweise nur mehr 21 rein deutsch; die anderen sind tschechisch und infolge der zahlrei- chen in Deutschbohmen beflndlichen tchechischen Minoritatsschulen sprach- lich gemischt. Im ganzen Lande stieg die Zahl der deutschen Schulkinder von 405,000 auf 408,000, jene der tschechi- schen aber von 666,000 auf 674,000.

Roseggers Waldbauschule. Kiirzlich fand die Grundsteinlegung der Rosegger- Waldschule in Alpel bei Krieglach statt. Peter Rosegger war zur Grundsteinle- gung fiir die Waldschule gekommen. Die Bauern der Gegend hatten sich voll- zahlig versammelt und dankten Roseg- ger als Bauherrn fiir die Fiirsorge, die er ihren Kindern erspiesen. Als erster vollzog Rosegger unter einem Segens- spruche die Hammerschlage. Bisher miissen manche Schi\lkinder von Alpel einen Weg von drei Stunden zuriicklegen, um zur Schule zu gelangen. Die neue Schule wird schon ira Herbst d. J. be- sucht werden kb'nnen.

Danemark.

Eine einheitliche Organisation des ge- samten offentlichen Schulwesens beab- sichtigt die Regierung zu schaffen. Ein dahingehender Gesetzp.ntwurf liegt schon fertig im Ministerium und wird eben der Priifung verschiedener Sachverstandiger unterstellt. Die VorJage, welche bereits dem kommenden Reichstag vorgelegt wird, sieht eine Verkniipfung der Volks- schule mit der Mittelschule und der ho- heren Schule vor, um so Einheit in das ganze Schulwesen zu bringen.

Fiir die Landschulen sind in Dane- mark durch das Gesetz von 1901 nur 128 Schultage vorgeschrieben, wovon nur 21 auf den Sommer entfallen. Nur die Klei- nen werden den ganzen Sommer hindurch unterrichtet; im Winter ubernimmt de- ren Lehrer die gross^n Kinder, wahrend jene von einer Lehrerin weitergefuhrt werden. Der daniscbe Unterrichtsmini- ster war bis vor zwei Jahren noch Land- lehrer in Westjiitland, und der Kb'nig hat ihm jiingst personlich einen hohen Orden iiberreicht. Ein solcher Minister sollte doch die Verbaltnisse geniigend kennen.

Frankreich.

Einige interessante Zahlen lesen wir in Nr. 5 der Revue pedagogique: Die Kosten der Kriege im 19. Jahrhundert betragen 89,610 Millionen Francs oder etwa 30 Francs auf jede Sekunde. Fur Unterricht geben die Staaten der Erde jahrlich ungefahr 2650 Millionen Frs. aus, welche Summe man 34 mal nehmen

Umschau.

289

miisste, um auf die Kriegskosten des vergangenen Jahrhunderts zu kommen. Nach einer in dem amtlichen Organ des franzosischen Unterrichtsministeri- ums veroffentlichten Statistik ist das auslandische Element an den franzosi- schen Universitaten im Vergleieh zu den an deutschen Hochschulen bestehenden Verhaltnissen sparlich vertreten. An den gesamten franzosischen und algeri- schen Hochschulen, die 28,508 heimische Besucher zahlen, studieren 1,562 Aus- lander, und zwar 1,451 mannlichen und 111 weiblichen Geschlechts. Das Ver- haltnis der franzosischen Horer und H6- rerinnen ist 27,835:^73. Am starksten ist das auslandische Element in den ju- ristischen Fakultaten mit 452 und in den medizinischen Fakultaten des Lan- des mit 606 Studierenden beider Ge- schlechter vertreten. Die meisten weib- lichen Horer unter den Auslilndern ge- horen den philosophischen und medizi- nischen Fakultaten an, bei denen 180, bezw. 152 auslandische Studentinnen in- skribiert sind.

Sehweiz.

Die Schweizer wollen nicht deutsch seln. Aus Anlass des Jubilaums des Germanischen Museums in Niirnberg hielt Professor Vetter als Abgeordneter der Universitiit zu Bern eine Rede, in welcher er den geistigen Zusammenhang der Lander und Volker deutscher Zunge betonte und die Sehweiz in geistiger Be- ziehung als eine Provinz von Deutsch- land allerdings mH sehr bestimmten Reserverechten erklarte. Trotzdem Prof. Vetter ausdrucklich von den deutschen Sprachstammen redete und auch nur die Hochschulen deutscher Zunge zu vertre- ten hatte, waren doch die Welschen ganz besonders erbost, besonders da die Rede in den franzosischen Zeitungen ungenau iibersetzt und wiedergegeben war. Dem Redner wurde von der westschweizeri- schen Jungmannschaft eine Katzenmusik gebracht, gegen welche die Polizei ein- schritt und die Demonstranten mit mehr Strenge als vielleicht notwendig ausein- andertrieb. Der akademische Senat nahm zu der Angelegenheit ebenfalls Stellung, aber in einer Weise, bei der man leb- haft an die Worte erinnert wird: Wasch mir den Pelz und mach mich nicht nass. Prof. Vetter hat seine De- mission als Lehrer der Universitat Bern eingereicht. Die Schweizer wollen also nicht deutsch sein.

Russland.

Nach den Mitteilungen offizioser rus- sischer Provinzblatter wird ein einheit- liches Volksschulgesetz fitr das ganze

Raich vorbereitet. Man befiirchtet in den Ostseeprovinzen, dass dadurch dem dortigen hochentwickelten Volksschul- wesen der Garaus ge^nacht werden soil; doch lasst sich nicht erkennen, ob diese Furcht begriindet ist. Der Minister v. Wannowsky will dem Anschein nach die allgemeine Schulpflicht zum Gesetz er- heben lassen. Das ware die einschnei- dendste Reform seit Aufhebung der Leibeigenschaft. Sie ist aber auf ab- sehbare Zeit wohl nicht zu verwirkli- chen. Es fehlt an Lehrern und an Geld. Russisches. Nach einer Mitteilung des ,,Wolga" gibt es in Volhynien eine Dorf- schule, an welcher ein Schullehrer an- gestellt ist, der einen Gehalt von 6 Ru- beln jahrlich bezieht. Dies diirfte wohl der kleinste Lehrergehalt auf der ganzen Welt sein. Dieser so gliinzend bezahlte Schullehrer ist ein ausgedienter Soldat und versieht im Sommer auch zugleich die Stelle eines Gemeindehirten. tfbri- gens unterrichtet er die Dorfkinder bloss im Lesen ; im Schreiben kann er sie nicht unterrichten, weil er - - selbst nicht schreiben kann. Kennzeichnend fiir die russischen Verhaltnisse ist es, dass die Peter sburger ,,Nowoje Wremja" zu die- ser Mitteilung die Bemerkung macht, derartige Schullehrerkuriosa waren in Russland nichts Seltenes.

Korea.

Dass die Halbinsel Korea, die friiher zu China gehorte, jetzt aber von Japan verwaltet wird, auch Volksschulen be- sitzt, schildert uns der Franzose Paul Labb6, der eine solche Schule in Genan, einem der Hafen von Saiil, besucht hat. Bei dem Eintritte der Besucher ins Schulzimmer riihrte sich kein Schiller. Nur der Lehrer sah etwas neugierig Uber seine grossen Brillengliiser und fuhr dann, als er sich von der geringen Be- deutung des Besuches iiberzeugt hatte, in seinem Unterricht fort. Er lehrte, dass man die Eltern als Herren aner- kennen, dem Kaiser gehorchen miisse, dass die Frau weit geringere Bedeutung habe als der Mann, dass der Altestge- borene von dem Spatergeborenen Respekt verlangen konne u. s. w. Beim Aus- tritte aus der Schule konnen die Schiller lesen und schreiben und wissen auch Be- scheid in den vier Grundrechnungsarten und in der Geschichte Koreas. Was je- doch dariiber hinaus geht, bleibt ihnen verborgcn. In der Sittenlehre wird noch gelehrt, daas der Diebstahl schwere kor- perliche Strafen, der Mord die Todes- strafe nach sich zieht, dass die Heirat ein soziales Gesetz, das Ledigbleiben eine Siinde ist u. dergl. m. Der Gehalt der Lehrer ist an sich gering; doch verdie-

290

Padagogiscbe Monatshefte.

nen sie sich viel nebenbei, da sie als Heil- kundige, ja sogar als Zauberer geschatzt werden. Im allgemeinen lasst sich wohl sagen, dass die trbung des Gedachtnisses in den Schulen Koreas sehr stark be- tont, die allgemeine Geistesbildung aber vernachlassigt wird.

Argentinien.

In der Hauptstadt Buenos Aires wur- de von einer Anzahl seminarisch gebilde- ter Lehrer ein Deutscher Lehrerverein gebildet, dessen Zwe^k es ist, deutschen Unterricht und deutsche Erziehung zu fb'rdern, Standes- und Berufsinteressen zu wahren, kollegialischen Verkehr sei- ner Mitglieder zu pAegen. Es soil der Versuch gemacht werden, die deutschen seminarisch gebildeten Lehrer, die in Ar- gentinien, Uruguay, Paraguay, Chile

und Siidbrasilien wirken, zusammenzu- schliessen, auch wird man Anschluss an den Verein deutscher Lehrer im Ausland suchen. Die Griindung einer Unterstiit- zungskasse ist in & ussicnt genommen worden. Der Verein will neu angekom- menen Kollegen mit Rat und Tat zur Seite stehen und ihnen zur Erlangung einer Stelle behilflich sein. Auch wird der Vorstand des V«reins stets bereit sein, solchen Lehrern, die in diese Lan- der auswandern wollen3 jegliche Aus- kunft zu erteilen. Man moge sich die- serhalb an den Vorstand des Deutschen Lehrervereins Buenos Aires, Calle Vic- toria 1657, wenden. Manchem Kollegen wird durch sichere Auskunft ein grosser Dienst erwiesen werden, mancher Kol- lege bleibt auch vor bittern Enttauschun- gen bewahrt.

IV. Vermischtes.

die Rangordiung in der Volks- schule sagt Rektor Michels-Schwanheim am Schlusse einer Abhandlung: ,,Die Rangordnung der Schiller nach Kennt- nissen muss auch fiir die Volksschule aufgehoben werden, denn sie ist unge- recht und von sehr bedenklichen erzieh- lichen und unterrichtXichen Gefahren fiir schwache und gute Schiller begleitet. Die Platzbestimmung der Schiller nach einem ausseren Massstabe hingegen (Al- phabet, Geburtsdatum und dergl.) ver- meidet diese Gefahren, erleichtert die Erzeugung eines froien, unmittelbaren Interesses, gestattet leicht Ausnahmen und ist besonders den Schwachbegabten niitzlich und f order lich.

Ein Lehrerspruch. Das Juni-Heft des von Rosegger herausgegebenen ,,Heim- garten" brachte folgenaen ,,Lehrer- spruch" :

Von einem Lehrer verlange ich: Dass aus dem Volk er ein Mann sei, Dass er dem Volke voran sei, Allem Hohen vereint ist, Allen Muckern ein Feind ist; Dass er mild und gerecht ist, Und dass er kein Protz und kein

Knecht ist. ,,Heimgarten", Juni 1902.

Karl A. ±uscher.

Schulhumor. Gott hat die Welt ge- schaffen. Wie kann man Gott daher nen- nen? Antwort: ,,Weltschaffner". ,,Die Katze," sagt die Lehrerin, ,,wird uns da- durch niitzlich, dass sie Mause vertilgt; sie frisst aber aucb gern die kleinen Vogel. Wie wird sie dadurch?" Ant- wort: ,,Dick." ,,Die Wasche, welche langere Zeit im Freien an der Leine han-

gen bleibt, verdunstet." ,,Der Affe heisst deshalb so, weil er dem Menschen alles nachmacht."

Zur Schulaufsicht. Das Bestreben, den Lehrer vom Schulregiment fern zu hal- ten, geisselt der weisf Mirza Schaffy mit folgenden Zeilen: ,,Wer versteht es am besten, den Acker

Das tut der Bauer!

Wer versteht es am besten die Biere zu

brauen?

Das tut der Brauer! Wer versteht es am besten, die Heere zu

fiihrer?

Die Herren Offiziere! Wer versteht es am besten, die Schule

zu regieren

Das tun sie alle, nur der Wicht, Der Schulmeister, nicht!"

(Das stimmt leider bei uns nur allzu oft. D. R.)

Oskar Jager iiber die Schulleitung. Der bekannte Professor Geheimrat O. Jager sagt in seinem Buche: ,,Aus der Praxis": ,,Man kann auf zweierlei Art regieren: Auf die orientalische : mit viel amtlichen Verordm\ngen, Zirkularen, Protokollen, Fachkonferenzen, allgemei- nen Konferenzen, Referaten, Korrefera- ten, Lehrplanfolianten. Dabei kannst Du auf Deinem Zimmer bleiben, Deinen Schlafrock in wiirdige Falten legen, und der fechuldiener tragt Dir alles zu, bis die Stunde schlagt. Du zeigst Dich we- nig, wie einst die Perserkonige, damit Deine Untertanen nicht den Respekt ver- lieren; erscheinst Du dann einmal, so macht das um so mehr Effekt. Es gibt noch eine andere, die man die occiden-

Der Traum, tin Leben von Grillparzer.

291

talische, germanische, menschliche nen- nen kann. Sie besteht darin, dass man auf dem Platze ist und die Augen off en halt, am Gesprach der Kollegen in den Pausen mit Heiterkeit teilnimmt; filr jedes Desiderium zuganglich ist diese Methode hat den grossen Vorteil, dass

man sehr vieles im Keime ersticken ruhig schlichtcn kann, ehe es an die grosse Glocke kommt. Wenn da etwas Dummes gesagt wird von Dir und Dei- nen Mitarbeitern, es ist ja doch moglich, das wird wenigstens nicht protokolliert."

Biicherschau.

I. ,,Der Traum, ein Leben" von Qrillparzer.

Der Traum, ein Leben. Dramatisches Miirchen in vier Aufziigen von Franz von Grillparzer. Edited with introduction and notes by Edward Stock- ton Meyer. Boston, D. C. Heath & Co., 1902.

Im Gegensatz zu Ferrells Sappho- Ausgabe, die ich verurteilen musste (s. P. M. Ill, 2, p. 70), darf das vorliegende Biichlein als das Erzeugnis wissenschaftlichen Studiums und warmer Liebe zur Sache bezeichnet werden. Die in der Einleitung gegebene Skizze von Grillparzers Leben ist im grossen ganzen wohl gelungen und der Abschnitt ,,Grillparzer als Dichter" sehr ansprechend, wenn auch etwas einseitig. Die Einfiihrung in das Drama selbst konnte nach dem Vorgang von Lichtenhelds Schulausgabe (Cotta) nicht leicht verfehlt werden. Der Herausgeber hat aber auch eigene Forschungen mit Gliick verwertet. Aufgefallen ist mir, dass Meyer nicht immer aus den urspriinglichen Quellen schopft und sich so manche Ergebnisse neu- erer Untersuchungen entgehen lilsst. Andererseits hat er einzelne seiner Gewahrs- manner nicht erwiihnt. Lichtenhelds Schulausgabe hiitte wenigstens in der Biblio- graphic angefiihrt werden sollen, ebenso die wichtigen Aufsiltze von Payer (6ster- reichische Revue, Nov. und Dec. 1890) und R. M. Meyer (V. f. L. G. V, 430 ft'.). Nicht in die Bibliographic gehb'rt dagegen Freybe, Der ethische Gehalt in Gr.'s Wer- ken; dies ist ein ganz dilettantenhaftes Machwerk, das nur schildlich wirken kann.

Fiir eine neue Auflage des Buches, die bei den vielen Vorziigen desselben zu er- hoffen ist, mochte ich auf ein paar Einzelheiten hinweisen, die meiner Ansicht nach der Verbesserung bediirfen.

In der Vorrede, p. IV, werden als "the five leading dramatists since Grillparzer in Germany" neben Hebbel auch Ibsen, Hauptmann, Sudermann und Fulda genannt. Mir kommt diese Zusammenstellung wie eine Pietiitlosigkeit gegen Grillparzer und Hebbel vor. Wenn der Traum, ein Leben auch Einfluss gehabt hat auf Sudermann und Fulda, diese hohlen Theatraliker durften mit jenen Dichtern nicht ein einem Atem genannt werden. Die Nachahmung zeigt sich ja doch nur in Ausserlichkeiten. Hauptmann geht noch eher, in Ermangelung eines Besseren. Ibsen darf man aber doch nicht einfach als einen deutschen Dichter ziihlen!

Ad X: Aus Meyers Darstellung konnte geschlossen werden, dass Gr. erst durch Hederichs Hythologisches Lexikon auf die Medea aufmerksam gemacht und zur Be- arbeitung des Stoffes angeregt worden sei. Das ist nicht der Fall. Vielmehr be- schaftigte sich Gr. schon seit 1817 damit, und zwar unter dem Eindruck der Medea des Euripides, und wohl auch des Spieles der Sophie Schroder, die in dem Melo- drama Gotters im selben Jahre die Rolle der Medea gab. Vgl. Sauer, Einleitung Gr.'s Werke 1, 41.

Ad XII: Die tragikomische Aufhebung der ,,Ludlamshohle" fallt nicht in die Jahre 1821—1823, sondern in die Zeit der Arbeit am Trcuen Diener, 1826. Vgl. Jahr- buch der Gr.-Gesellschaft I, 346 f

292 P'ddagogiscbe Monatsnefte.

Ottokar wurde von der Zensur nicht zwei Jahre lang zuriickbehalten. Das Stiick wurde anfangs Okt. 1823 eingereicht, der Druck und damit auch die Aufftih- rung, die sich allerdings bis 19. Febr. 1825 verzogerte, schon am 5. Juni 1824 ge- stattet. Vgl. Jahrbuch IX, 243. Gr. schwieg nach dem Ottokar nicht ,,fiinf" Jahre lang; denn der Treue Diener wurde Ende 1826 beendigt und anfangs 1828 aufgefiihrt. Vgl. Jahrbuch III, 39 und Werke 6, 254.

Ad XIV, "slighted by Tieck in Berlin": Vielmehr wurde Gr. auf seiner Reise 1826 von Tieck in Dresden, wo er damals wohnte, eingeladen, und Tieck hatte Gr. seinerseits in Wien besucht. Vgl. Werke 19, 123 und Ehrhard-Necker, Grillparzer p. 43. Gr. selbst konnte Tieck allerdings nicht leiden und verspottete ihn in der Vogelschettche.

Ad XV: 1856 beschaftigte sich Gr. bereits nicht mehr mit seiner Biographic; diese war 1854 abgeschlossen. Vgl. Sauer, a. a. O. p. 96, und Faulhammer, Franz Grillparzer p. 212.

Ad XVII: "Sappho is close to Tasso" : Hier hatte Wanieks Untersuchung be- niitzt werden sollen, die zu dem Resultat kommt, dass Iphigenie weit mehr eingewirkt hat als Tosso. Vgl. Waniek, Grillparzer unter Goethes Einfluss, p. 17.

Ad. XVIII, "The historical drama was less Gr.'s forte": Das durfte angesichts der vier Meisterwerke, Ottokar, Treuer Diener, Bruderzurist, Judin von Toledo, nicht gesagt werden. Wenn einer die historische Tragodie im Sinne Schillers gepflegt und fortgebildet hat, so ist es Gr. gewesen. Ich verweise auf die ausgezeichnete Bro- schiire A. Klaars iiber Ottokar, wo unwiderleglich dargethan ist, dass sich Gr. in diesem Drama, was kiinstlerische Bewiiltigung und drarnatische Konzentrierung des Stoffes, sowie Weite des Gesichtskreises betrifft, dicht neben Schiller stellt. Dass er diesen an Lebenswahrheit und psychologischer Durchfiihrung der Charaktere sogar iibertrifft, kann niemand ernstlich bestreiten. Nicht, weil Gr. fur das historische Drama keine Begabung gehabt hatte, sondern weil der Zensurzwang ihm die Freude daran verdarb, hat er uns nicht mehr geschenkt. Vgl. Werke 19, 152.

Der Satz: "Real, ephemeral persons and the outer world were less interesting to him than ideal eternal types and the inner world, "^ ist zum mindesten unklar. Bekanntlich glaubte sich Gr. dafiir entschuldigen zu miissen, dass sich in den meisten seiner Dramen etwas Gewaltthatiges, was man leicht fur Effekthascherei halten konne, finde (Werke 19, 152). Mehr als irgend ein anderer unserer grossen Dichter hat er auf die lebendigste Anschauung, auf das, was ,,durch seine blosse Existenz Glauben erzwingt", Gewicht gelegt. Oft hat er geradezu nach Modellen gearbeitet; so wurde er zum Ottokar durch die Personlichkeit Napoleons begeistert (19, 152 und 107). In bezug auf den Ottokar sagt er: ,,Mich hat schon seit lange ein gewisser Ekel vor dem eng-psychologischen Anreihen und Anfadeln erfasst" (18, 189) ; und: ,,Reine Empfindungs- und Leidenschaftstragodien verlieren ihr Interesse bei des Dichters zunehmenden Jahren" (19, 152). Natiirlich kennt Meyer diese Stellen so gut wie ich; nur musste er sie fur den Ottokar herbeiziehen, um das Bild des Dich- ters einigermassen vollstandig zu machen.

Dass Bancbanus im Treuen Diener als Karrikatur bezeichnet wird, beriihrt mich bei dem Herausgeber, der Gr. sonst zu verstehen scheint, sehr sonderbar. Ich ver- weise auf Sauers Aufsatz, Jahrbuch III, und meinen eigenen, Euphorion VIII.

Ad XIX: Der Lyriker Gr. kommt mit dem Wort "of no great importance" doch gar zu schlecht weg. Der Dichter der Tristia ex Ponto hatte eine bessere Wiir- digung verdient.

Ad XX: "This melody of the einfach Herz runs through all his dramas," etc. Dieser Satz ist so, wie er im Zusammenhang gemeint ist, hochst irrefiihrend. Ein Schwachling war Gr. gewiss nicht. Eine Charakteristik, die ihm gerecht werden will, muss immerhin Gestalten wie Rudolf von Habsburg, Otto von Meran, Leon,

Bttcberbesprechungen. 293

Zawisch, Primislaus, Alfonso, in denen die verschiedensten Seiten energischer Mann- lichkeit dargestellt sind, auch in betracht ziehen. Vgl. Ehrhard-Necker, Grillparzer p. 520 f.

Ad XXII : Die Realistik des Treuen Dieners und der Jiidin von Toledo mit dem modernen Naturalismus in Verbindung zu setzen, bedeutet meiner Ansicht nach eine Verkennung der Thatsachen. Gr. selbst, der sagte, es sei das grosste Ungluck, das der Kunst passieren kb'nne, wenn die Darstellung aus einer kiinstlerischen zu einer natiirlichen werde (Werke 13, 171), hatte sich dagegen ohne Zweifel gewehrt. Nichts kann wesentlich verschiedener sein, als die zufallige Wirklichkeit eines Hauptmann und die typische Wahrheit Grillparzers, die er mit Schiller, Goethe, Hebbel und Kel- ler als das Ziel der Poesie erklart (Werke 17, 10; 13,170 u. a.) Wenn Gr. so oft als der letzte der Klassiker und der erste der Modernen bezeichnet wird, so darf das nur soviel heissen, dass er die Darstellungsweise der alteren Realisten, ,,der Grie- chen, Spanier, Ariosts und Shakespeares mit der Auffassung der neueren Zeit in Einklang zu bringen" sich bestrebte, oder ,,das Leben und die Form so zu vereini- gen, dass beiden ihr voiles Recht geschieht" (Werke 18, 160 f). Versucht es Reich in seinem Buch ,,Grillparzers Dramen" trotz der Theorie und Praxis des Dichters selbst, ihn zum ,,Naturalisten" zu machen, so ist das einfach kiinstliche Deutelei, der Meyer nicht hatte folgen sollen. Auch die Vergleichung der Libussa mit dem Symbolismus Maeterlincks scheint mir gesucht. Das Spiel mit den Ratseln beruht auf direkter Nachahmung der Turandot, und hat nichts Mystisches an sich. Und das Symbolische, das den drei Schwestern, oder den Wladiken, oder dem Verhaltnis Libussas zu Primislaus Poesie und Prosa anhaf tet, ist so durchsichtig, una be- zweckt so ganz andere kiinstlerische Wirkungen als der Symbolismus des belgischen Dichter-Philosophen, dass an Beeinflussung des letzteren durch Gr. kaum zu denken ist. Ich kann mir z. B. keinen grosseren Gegensatz vorstellen, als die Behandlungs- art ahnlicher Probleme bei beiden Dichtern; man vgl. Maeterlincks Aglavaine und Selysette mit einem der Dramen Grillparzers, wo ein Mann zwischcm zwei Frauen schwankt.

In der Analyse, die Meyer von Traum, ein Leben giebt, vermisse ich sehr den Hinweis darauf, dass Gr. nicht das Streben an sich verurteilt, sondern das masslose Streben des Unfiihigen. Keinen einzigen seiner getraumten ,,Erfolge verdankt Rus- tan seiner eigenen Geschicklichkeit und Kraft". Dieser wesentliche Punkt ist durch Lichtenheld ( Schulausgabe von Traum, ein Leben, p. 17) und Klaar (Geschichte des modernen Dramas, p. 175) sehr deutlich hervorgehoben worden.

Univ. of Wis. O. E. Lessing.

II. Bucherbesprechungen.

Aus dem Ptidagogischen Universitats- stisch gebildeten Lehrer, besonders fUr

Seminar zu Jena. Neuntes Heft, heraus- solche, die noch durch die alte Schule ge-

gegeben von Professor Dr. W. Rein. Lan- laufen sind, von grosaem Interesse. Aber

gensalza, Verlag von H. Beyer u. Sohne, auch fur jeden fortschrittlich gesinnten

1901, Preis 3 Mark. Padagogen sind und bleiben diese Be-

Unter obigem Titel veroffentlicht der richte von hochster Wichtigkeit, denn

Meister des Piidagogischen Universitats- sie haben sich zum Uteranschen Organ

Seminars die Berichte liber die Tiitig- der modernen Erziehungswissenschaft

keit und die Erfolge seiner Musteran- aufgeschwungen. Herbart, Ziller und

stalt. Die Berichte erscheinen in zwang- Rein geben den Grundton zum Texte die-

losen Heften, von denen das uns vorlie- ser Abhandlungen, >»nd jedes Heft be-

gende das neunte ist. Es unterscheidet zeichnet einen Markstem des jeweihgen

sich wesentlich von den Jahresberichten Fortschrittes der Lehrer dieser grossen

anderer Lehrerseminarien und ist schon Meister.

aus diesem Grunde fur jeden seminari- Das vorliegende neunte Heft zer

294

Pttdagogiscbe Monatsbefte.

in vier Teile. Der erste Teil (37 Seiten) gehort der bewahrten Feder des Heraus- gebers. Seine das Heft einleitende Ab- handlung tragt den Titel ,,An der Wende des Jahrhunderts", und gibt ein klares, iibersichtliches und vollstandiges Bild davon, wie sich die Padagogik im Ver- laufe von hundert Jahren zu einer kos- mopolitischen Wissenschaft entwickelt hat, die zwar ihre Wurzeln tief eingrabt in den eigenartigen Boden der Heimat, aber niit ihrem Blick die Erziehungs- und UnterrichtsarbeUen aller Kultur- volker zu umspannen sucht, um die Weite und die Hohe ihres Standpunktes zu wahren und nicht in nationale Eng- herzigkeit und ttberspannung zu verfal- len. Dr. Rein zeigt uns, wie sich in die- ser Tendenz der Padagogik cue Besten aller Volker vereinigen, und er findet hierin einen Trost mitten in den politi- schen Zerwiirfnissen und wirtschaft- lichen Kampfen und einen hoffnungs- reichen Ausblick in die Zukunft.

Der zweite Teil bringt auf 114 Seiten eine sehr griindliche und wissensehaft- lich wertvolle Arbeit. Hermann Itsehner bespricht die neueste Bewegung im Er- ziehungs- und Unterrichtswesen, namlich ..Die kiinstlerische Erziehung". ttber dieses neueste Steckenpferd der Padago- gik haben wir gar vjeles zu horen und zu lesen bekommen. Rembrandt als Er- zieher! Die Kunst im L/eben des Kindes! Die Kunst in der Erziehung! Erziehung zur Kunst! Kiinstlerische Erziehung! Das Kind und die Kunst! Die Kunst und die Schule! Kunsterziehungstag! ad infinitum da haben wir eine ganze Menge von Schlagwortern, die heutzu- tage auf alien Wegen und Stegen unser Ohr umschwirren! Kunst, und wieder Kunst wird als grossartiges, ja aus- schlaggebendes Mittel zur Hebung der Jugenderziehung gepriesen. Ganz plotz- lich wie eine Offenbarung ist es tiber die Menschen gekommen, dass die Kunst da- zu berufen ist, aus dem Kinde einen Menschen zu macher. Wehe dem, der nicht unter Aufgebot seiner ganzen Lun- genkraft einstimmt in den Ruf nach der Kunst fur die Jugend! Er ist ein riick- standiger, geistig verschlafener Mensch, ein padagogischer Daumling und zahlt nicht mit unter den wahrhaft berufenen Bildnern der Jugend.

Es ware gefehlt, den Einfluss, den die Kunst auf die Erziehung aer Jugend ha- ben kann, zu leugnen. Und doch muss es als nackte Wahrh«it erklart werden, dass der Ruf nach kiinstlerischer Erzie- hung der Jugend zu einem sehr grossen Teile ein plumper Schwindel ist. Es ist daher mit Freude zm begrussen, wenn einer unserer modernen Padagogen seine

warnende Stimme gegen diese neueste Verirrung im Erziehungswerke erhebt und die ganze Frage in sachgemasser und vorurteilsfreier Weise behandelt. Diese Aufgabe ist Herrn itschner gelun- gen. Wir empfehlen deshalb die Lek- tiire seiner Abhandlung alien Kollegen aufs dringendste, und wir hoffen und wiinschen, dass sich bald demand finden mb'ge, der diese Arb«it durch eine ge- diegene ttbersetzung auch der englischen Lehrerschaft des Landes zuganglich machte. Eine derartige ttbertragung solch verniinftiger Ansichten wiirde ge- wiss dazu beitragen, padagogische Schwarmer, die in ihrem Kunstenthu- siasmus ihre der ernsthaften Schularbeit bestimmten Wandtafeln in Bildergale- rien verwandeln, zu einer niichternen Anschauung und AuflFassung dessen zu- riickzufuhren, was sie dem werdenden Menschen tatsachlich zu bieten haben.

Im dritten Teile gibt Oberlehrer Leh- mensick einen sehr ausfiihrlichen Bericht iiber die Tatigkeit des Seminars bib Ostern 1901. Der Schwerpunkt dieses Berichtes liegt in seinem zweiten Teile, der die vielsagende 'ttberschrift ,,tJbungs- schule" tragt. Mit ungeteiltem Inter- esse haben wir ihn durchstudiert, und nicht ohne das Gefnhl eines gewissen Bedauerns legten wir ihn wieder aus der Hand. Eines Bedauerns? ja, gewiss! denn wir konnten eben des Gedanken nicht mehr ledig werden: Wie schon und wie gut ware es gewesen, wenn unsere alten Seminarien .... nu ja, . . wenn. .

Als vierten Teil firden wir einen ,,An- hang" mit grosstenteils statistischem In- halte. Zuerst wird uns das Verzeichnis der Seminarmitglieder geboten, in wel- chem wir, was Heimat und Herkunft betrifft, fast alle Lander der Erde ver- treten sehen. Merkwiirdigerweise fallen von 111 Namen nur sechs auf die Ver. Staaten, und von diesen sechs sind zwei Deutsche. Dagegen finden wir aus Bulgarien (etwa halb so gross wie der Staat Wisconsin) acht Vertreter unse- res Standes, die unter der Fiihrung des Meisters , Dr. Rein, dem Studium der modernen Erziehungswissenschaft oblie- gen.

Vom iibrigen Materiale dieses Anhan- ges verdient noch das VI. Kapitel einer besonderen Erwahnung. Es belehrt uns iiber die ,,Ordnung des padagogischen Universitats-Seminars und seiner tfb- ungsschule." Dieses Kapitel, obwohl zu- nachst sich nur auf eine individuelle Schulanstalt beziehend, ist reich an praktischen Regeln und Winken fiir jeden Lehrer, und fast Alles wenn nicht Alles ! lasst sich mit Nutzen in jeder Schule zur Anwendung bringen.

Bucberbesprecbungen .

295

Und so wiinschen wir nun diesen ,,Be- richten aus dem Padagogischen Univer- sitats-Seminar" die Anzahl denkender und fortschrittlich gesinnter Leser, die sie in Anbetracht ihres vorziiglichen und hoch interessanten Inhaltes verdienen. Pencil Vania.

Die Deutschen, mit einem Anhange: Die Deutschamerikaner. Von Constan- tin Grebner. Verlag von Geo. Brumder,

Milwaukee. Preis Der Verfasser,

ein seit vielen Jahren in Cincinnati, O., tatiger Lehrer, widmet sein Buch den Deutschamerikanern : Lehrern als Leit- faden und Schiilern als Text fiir den Unterricht in der Geschichte der alten und neuen Heimat; Familien als Lese- buch; Allen als Ehrenmal deutscher Sprache und deutscher Sitte.

Ich habe keinen anderen Wunsch wie der Verfasser: Moge das Buch, das tibri- gens in Bezug auf Druck und Ausstat- tung empfehlenswert ist, bei all denen, an die jene Widmung gerichtet ist, Ein- gang finden!

Der Verfasser behandelt die deutsche und die deutschamerikanische Geschichte auf etwas mehr als 2QO Seiten in 79 kiir- zeren Kapiteln, von denen jedes einzelne gleichsam ein abgeschlossenes Lesestuck bildet. Er schildert uns die alten Deut- schen in ihrer Hauslichkeit und ihre re- ligiosen Anschauungen, er gibt uns ein Bild der altgermanischenMythologie und der Kampfe der Deutschen unter Her- mann wider die Romer, er erzahlt uns von der Verbreitung des Christentums durch Karl den Grossen, von der Macht der Bitter, von den Kreuzziigen und macht uns in kurzen und leicht verstand- lichen Abhandlungen in der Form von kulturhistorischen oder biographischen Skizzen mit all jenen Ereignissen be- kannt, an denen die Deutschen hervor- ragenden Anteil haben. So fiihrt uns der Verfasser bis auf die Neuzeit hin, und ohne uns durch Schilderungen von Einzelheiten zu ermiiden, gewinnen wir doch durch diese Einzeldarstellungen ein voiles und klares Bild von der histori- schen und kulturellen Entwickelung Deutschlands und der Deutschen. Ein warmer, patriotischer und doch von jeder Deutschtiimelei entfernter Hauch durch- weht die einzelnen Kapitel.

In dem Anhange ,,Die Deutschameri- kaner" gibt uns Grebner eine Schilde- rung der deutschen Einwanderung zu den verschiedenen Perioden, der Teil-

natinie der Deutschen an dem Revolu- tions- und Biirgerkriege und schliesst mit der Aufzahlung der Verdienste, die sich die eingewanderten Deutschen hier auf fast alien Gebieten errungen haben. Seine letzten Zeilen enthalten die wohl- begriindete Mahnung an die jiingeren Deutschamerikaner, doch immer der grossen und ruhmvollen Vergangenheit des deutschen Volkes zu gedenken; dass sie sich immer die Taten und Errungen- schaften der Deutschen in Amerika ver- gegenwartigen ; dass sie als gute echte Amerikaner ihrem Deutschtum nie unge- treu werden; dass sie ihr hochstes und schonstes Erbe, die deutsche Sprache, stets treu pflegen und hochhalten, und dass sie dies alles auf ihre Nachkommen verpflanzen.

Moge diese Mahnung nicht tauben Ohren gepredigt sein!

Nicht will ich zu erwahnen vergessen, dass zwischen die einzelnen Kapitel Bal- laden und Romanzen eingefiihrt sind, die mit dem Inhalte der vorhergehenden und folgenden Abhandlungen im Zusammen- hange stehen.

Wie schon oben erwiihnt, ein empfeh- lenswertes Buch. L. St.

In der Hofbuchhandlung von Herm. Beyer & Sohne (Beyer & Mann) in Lan- gensalza erschien soeben das Probeheft der 2. Auftage des Encyklop&dischen Handbuches der P&dagogik von W. Rein. Die 1. Auflage des Werkes war mit dem Erscheinen des letzten Bandes vergriffen, so dass die 2. Auflage rasch hinter der ersten her folgt. Die neue Auflage ist gegen die erste eine im wesentlichen un- veranderte. Doch sind samtliche Ar- tikel von den Verfassern einer sorgfal- tigen Revision unterzogen und einzelne weniger bedeutende durch gehaltvollere ersetzt worden. Eine Bereicherung er- fahrt die neue Auflage durch die Beriick- sichtigung des auslandischen Unter- richtswesens. Das Werk erscheint in 16 brosch. Halbbilnden @ 7,50 M. oder in 8 geb. Banden @ 17 M. Nach dem Er- scheinen des 2. Bandes erhoht sich der Preis. Wer deshalb eine reichhaltige Encyklopadie der Padagogik besitzen will, moge sich beeilen. Die Bedeutung des Werkes liegt auch mit darin, dass alle Gebiete der Padagogik, alle Arten von Schulen und Erziehungsanstalten Berucksichtigung gefunden haben. (Wir werden spliter noch auf dieses hochbe- deutende Werk zurflckkommen. D. R.)

III. Eingesandte Biicher.

Deutsche Fibel mit phonetischem Auf- bau. Herausgegeben von Cl. Burkhardt und K. Laass, Rektoren inGera, und H. Schroder, Rektor in Erfurt. Mit Bil- dern von Oscar Popp. Ausgabe A fiir Mittelschulen und hohere Schulen, Aus- gabe B fur Volksschulen. Leipzig, Theo- dor Hoffmann, 1902. Preis geb. 60 Pf. resp. 50 Pf.

Padagogik in systematischer Darstel- lung von Dr. W. Rein, Professor an der Universitat Jena. Probeheft des ersten Bandes: Die Lehrer vom Bildungswesen. Langensalza, Hermann Beyer & Sohne, 1902.

Kuttner's German Conversation Course. A graded series of object lesson, dia- logues and grammar by Bernhard Kutt- ner, Instructor of German in the Public Schools, New York City. (Sections I and II). The Abbey Press, New York.

Heyse's I'Arrabiata by Warren Wash- burn Florer, Ph. D., University of Michi- gan. George Wahr, Ann Arbor, Mich.

Unter vier Augen, Lustspiel von Lud- wig Fulda. Der Prozess, Lustspiel von

Roderick Benedix. Edited with notes and vocabulary by Wm. Addison Hervey, Instructor in Columbia University. New York, Henry Holt & Co., 1902. Price 35 cts.

Spanish and English Conversation by Aida Edmonds Pinney. First and Second Book. Boston, Ginn & Co., 1902.

Legenden von Gottfried Keller. Edited with introduction, notes and vocabulary by Margarete Miiller and Carla Wencke- bach, Professors of German in Wellesley College. New York, Henry Holt & Co., 1902.

Studies in United States History. A guide for the use of students and teach- ers by Sara M. Riggs, Professor of His- tory, Iowa State Normal School. Boston, Ginn & Co., 1902.

Elements of the Theory of the New- tonian Potential Function. Third revis- ed and enlarged edition by B. 0. Peirce, Ph. D., Professor «of Mathematics and Natural Philosophy in Harvard Univers- ity. Boston, Ginn & Co., 1902. Price $2.50.

Padagogische Monatshefte,

PEDAGOGICAL MONTHLY.

Zeitschrift fur das deutschamerikanische Schulwesen. Organ des

Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes.

Jahrgang III. Oktober 1902. Heft 9

Protokoll

der 32. Jahresversammlung des Nationalen Deutschamerikanischen

Lehrerbundes.

Detroit, flich., 30. Juni 3. Juli 1902.

(Offiziell.) (Schluss.)

Zweite Hauptversammlung. Eine telegraphische Einladung der ,, Citizens' Busi- ness League" von Milwaukee, den niichsten Lehrertag in genannter Stadt abzuhal- ten, wurde verlesen und an das Nominations-Komitee verwiesen, wobei jedoch Herr Dapprich bemerkte, dass man Milwaukee als Konventionsort gefiilligst erst iiber- nachstes Jahr beriicksichtigen wolle.

Dann schritt man zur Entgegenahme des Komiteeberichts iiber die Frage der Erhaltung der Padagogischen Monatshefte. Dies Komitee, dessen Vorsitzer Herr Bernhard Abrams ist, empfahl folgendes:

1. Den Verlegern und den Redakteuren der Piidagogischen Monatshefte aufrichtige Anerkennung fiir ihr opferwilliges, selbstloses Wirken und muster- hafte Fflhrung der Zeitschrift auszusprechen.

2. Den Bundesschatzmeister zu beauftragen, der Herold Co. in Milwaukee, den Verlegern der Padagogisehen Monatshefte. aus der Bundeskasse die Summe von $100 als Teildeckung des diesjahrigen Defizits zu iiberweisen.

3. Die Verleger zu ermiichtigen, den Abonncmcntspreis auf $1.25 odcr $1.50 per Jahr zu erhohen.

4. Der Lehrerbund macht es sich hiennit zur Pflicht, die Erhaltung der Zeitschrift durch Gewinnung neuer Abonnenten und Erlangung von Anzeigen, die nicht in Widerspruch stehen zu den Zielen unserer Korperschaft und unse- res Organes, zu sichern.

298 Padagogische Monatsbefte.

Dieser Bericht wurde angenommen und von verschiedenen Herren auf die Not- wendigkeit einer grosseren Zirkulation der Zeitschrift innerhalb des Lehrerbundes hingewiesen. Der Redakteur, Herr Max Griebsch, dankte fiir das den P. M. bisher entgegengebrachte Interesse, besonders aber den treuen Mitarbeitern, wiinschte jedoch, dass sich die bisherige Abonnentenzahl sehr bald verdoppeln und dass von jedem Orte der Ver. Staaten, woselbst deutscher Unterricht erteilt werde, ein Korre- spondent regelmassige Berichte fiir das Bundesorgan liefere. Dadurch wiirde je- denfalls das Interesse an dieser Zeitschrift bedeutend gehoben werden.

In Anbetracht des Umstandes, dass das Vergniigunsprogramm am Nachmittag eine ausgedehntere Vormittagssitzung nicht gestattete, so beschloss man, von einer Debattierung der gestrigen Referate abzusehen.

Das erste Referat lieferte Professor G. G. von der Groben aus Erie, Pennsyl- vanien, der sich in seinem Vortrage fiber ,,Entwickelung und Stand des deutschen Unterrichtes in den Schulen von Erie" verbreitete. Er sagte, ehe er seine Arbeit verlas, dass man es ihm nicht als tfberhebung auslegen diirfe, wenn er sich im Verlaufe seiner Erorterungen viel mit sich selbst beschaftige, da die Auswahl seines Themas und des Stoffes dies naturgemass mit sich bringe.

Beziiglich des nachst auf dem Programm stehenden Romiteeberichtes iiber die Pflege des Deutschen teilte der Sekretar der Versammlung mit, dass der Vorsitzer dieses Komitees, Dr. H. H. Fick von Cincinnati, nach Europa verreist und die Ausarbeitung von Seperatberichten den einzelnen Komiteemitgliedern empfohlen habe. Nur Herr Bernh. Kuttner von New York folgte dieser Aufforderung und reichte folgenden Bericht ein, der zur Annahme gelangte:

,,Es ist mir im vorigen Jahre die Ehre zuteil geworden, Ihrem Komitee zur ,,Pflege des Deutschen" beigestellt zu werden.

Demzufolge unterbreite ich dem Lehrertage folgendes zur geneigten Beach- tung.

Noch immer stehen wir der bedauernswerten Thatsache gegeniiber, dass in vielen, auch von Deutschen bewohnten Stadten dieses Landes, trotz der grossen Fortschritte, die auf dem Gebiete des gesamten Unterrichtswesens zu verzeich- nen sind, der Unterricht des Deutschen im Lehrplan der Volksschulen ganzlich fehlt.

I Noch bedauerlicher aber ist der Umstand, dass das Deutsche dort, wo es

jahrelang unter den Lehrgegenstanden aufgenommen war, dem Nativismus und der Gleichgiltigkeit der Deutschen fur ihre heimatlichen Laute hat weichen mussen.

Ebenso ist es unverkennbar, dass dort, wo das Deutsche dem Lehrplan der Sekundar- und Elementarschulen einverleibt ist, es meistens als politisches Zu- gestandnis betrachtet und ihm somit jede Gleichberechtigung mit den iibrigen Lehrzweigen abgesprochen wird; ein Umstand, der die Thatigkeit des Lehrers notgedrungen hemmt und den Bestand der Sprache als Unterrichtszweig in ho- hem Grade gefahrdet, denn solche Zustande driicken dem nativistischen Gegner die Waffe in die Hand, bei guter Gelegenheit auf die AbschafFung des Deutschen zu dringen, unter dem naheliegenden Vorwande: ,,Es kame ja doch nichts dabei heraus. Es werde ja doch nichts geleistet. Das dafiir verausgabte Geld sei fortgeworfen."

In Anbetracht dieser Verhaltnisse ist es nach meiner Meinung dringend geboten, dass der Lehrerbund, als Forderer und Hiiter seiner hohen Interessen, und ganz besonders des deutschen Sprachunterrichts, alle ihm zur Verfiigung stehenden Mittel in Anwendung bringe, um den deutschen Sprachunterricht zu

Protokoll des 32. Deutscbam. Lehrertages. 299

verallgemeinern und die Einfiihrung desselben, wo er nicht besteht, zu beein- flussen.

Deutsche Vereine jeder Tendenz und Farbung sollten durch eindringliche Rundschreiben aus ihrer Lethargie aufgeriittelt und ihnen die Bedeutung und Wichtigkeit der deutschen Sprache fur das Familien- und Aussenleben vor die Augen gefiihrt, und aufgefordert werden, die betreffenden Behorden ftir die gute Sache zu interessieren.

Dass wir auf die Mithilfe der deutschen Presse bei diesem Werke zahlen diirfen, daran ist wohl nicht zu zweifeln.

Aber auch der deutsche Lehrer d«r Volksschule sollte bestrebt sein, seinem Sprachunterricht eine praktische Richtung zu geben, er sollte auf den Sprech- unterricht, als den niitzlichsten und wichtigsten Teil seiner Arbeit den Schwer- punkt legen. Der Schiller m a g im Verlaufe seines Lebens zum Schreiben der Sprache Gelegenheit haben, zum Sprechen w i r d er Gelegenheit haben. Ich verhehle mir die Schwierigkeit dieserAufgabe f iir den Lehrer nicht. Im Sprech- unterricht zeigt sich der wahre Lehrer.

Es ist nicht genug, das Sprechen an das Lesestiick anzuknttpfen, es ist, fur sich betrachtet, zum Sprechenlernen nicht geschrieben. Der Anschauungsunter- richt allein gentigt ebensowenig; er verfahrt gemeiniglich beschreibend ; er nimmt auf die Phraseologie des taglichen Verkehrlebens keine Riicksicht. Diese letztere nur, mit Zuhilfenahme der vorerwahnten Stoffe, im Verein mit der Grammatik verbiirgen die erwarteten Resultate.

Dieser Phrasensatz des taglichen Lebens muss natiirlich, ungekiinstelt, ein- fach sein; er muss die Sprechweise der Nichtsprechenden nachahmen und, soviel als moglich, alle Lebenskreise umfassen.

Ein solcher Sprechunterricht verlangt Vorbereitung und Nachdenken und kann nur die individuelle Arbeit des Lehrers sein, es sei denn, dass ihm ein Buch zu Gebote steht, welches diese Arbeit fur ihn ubernimmt.

Ich unterbreite somit diesen Ausdruck meiner Ansichten Ihrer gefalligen

Riicksichtsnahme.

Achtungsvoll

Bernhard Kuttner.

Auf Wunsch des Professors M. D. Learned von der Universitat von Pennsyl- vanien, dessen Vortrag iiber "The German Side of our Ethnographic Survey" der nachste in der Reihenfolge war, wurde eine kleine Programmiinderung vorgenommen, und Superintendent Herman Woldmann von Cleveland, verlas hierauf seine Ab- handlung iiber den Leseunterricht.

Nach einer langeren Besprechung dieses Vortrages, erhielt Prof H. C. G. von Jagemann von der Harvard Universitat das Wort zu seinem Vortrage: ,,Das Rtist- zeug eines Lehrers des Deutschen."

Zum Schluss seines Vortrag, dem grosser Beifall gespendet wurde, machte Prof, von Jagemann noch aufmerksam auf die Etablierung des germanischen Museums auf der Harvard-Universitat und sagte, dass dieses es sich zur Aufgabe machen wird, die Geschichte des Deutschtums in Amerika zu sammeln, und er sprach die Hoffnung aus, dass die deutschen Lehrer dieses Unternehmen nach Kraften unterstiitzen wer- den.

Dem Referat des Herrn von Jagemann wurde von Herrn Abrams und Herrn Eiselmeier riickhaltlose Anerkennung ausgesprochen. Es wurde der edle Stil be- tont und von dem letztgenannten Herrn ganz besonders hervorgehoben, dass der Dank des Lehrerbundes Herrn von Jagemann deswegen gebiihre, weil es seinerseita

300 P'ddagogische Monatsbefte.

ein Verdienst sei, als Universitatsprofessor an den Bestrebungen der Volksschulleh- rer teilzunehmen. Auch der Prasident des Lehrerbundes, Herr Emil Dapprich, sprach sich sehr anerkennend iiber die Arbeit aus. Er hoffe, dass auch in Zukunft die Professoren von Colleges und Universitaten sich mit den Zielen des Lehrerbun- des identisch machen und weiter zum Wohle der deutschen Erziehungssache mit ihren Kollegen aus der Volksschule zusammenarbeiten. Er sagte, die Lehrerschaft habe sehr viel aus dem verlesenen Referat gelernt, aber auch von ihnen, den Volks- schullehrern, konnten die Herren Professoren etwas lernen.

Hierauf wurde Prof. M. D. Learned von der Universitat von Pennsylvania vor- gestellt, der iiber sein Thema "The German Side of our Ethnographic Survey" rniindlich referierte.

Nach dieser hochst beifallig aufgenommenen Ansprache erfolgte um halb ein Uhr Vertagung.

Schlussversammlung . Vize-Prasident W. H. Weick fiihrte den Vorsitz. Zu den am vorhergehenden Tag unerledigt gebliebenen Geschaften gehorte der Bericht der Priifungskommission des Lehrerseminars in Milwaukee, der von Herrn Wold- inann wje folgt verlesen wurde:

,,Ihre Priifungskommission erlaubt sich hiermit Ihnen den Bericht (iber die diesjahrige Priifung der Zoglinge des Seminars zu unterbreiten :

Der miindlichen ging eine schriftliche Priifung in folgenden Fachern vor- aus: Deutscher Aufsatz, englischer Aufsatz, deutsche Literaturgeschichte und Mathematik. Wir haben die Arbeiten in diesen Fachern einer sorgfaltigen Priifung unterworfen, und es freut uns, berichten zu konnen, dass dieselben von der Gewissenhaftigkeit, dem Fleisse und dem Konnen der Schiller Zeugnis ablegen. Nach einem in einer Versammlung, welche Ihre Behorde gemein- schaftlich mit der Fakultat des Lehrerseminars abhielt, festgestellten Pro- gramme, fand am 23. 25. Juni die miindliche Priifung der Zoglinge statt. Der Ausfall derselben bestarkte den durch die schriftlichen Arbeiten in uns hervorgerufenen giinstigen Eindruck. In Anbetracht der Fiille des Materials, welches die Schule in der verhaltnismassig kurzen Zeit von drei Jahren zu be- waltigen hatte, verdienen Lehrer und Schiller fiir treue Pflichterfiillung voile Anerkennung. Das Verhalten der sieben jungen Damen, welche die abgehende Klasse bilden, bei den Probelektionen war sicher und zielbewusst und berech- tigt zu der besten Hoffnung, dass sie als Lehrer der Anstalt, der sie ihre fach- liche Ausbildung verdanken, zur Ehre gereichen werden.

Die miindliche Priifung umfasste ausser den Probelektionen: Padagogik, Geschichte der Padagogik, deutsohe Grammatik und English Reading. Hier zeigten die Schiller, dass sie den Stoff beherrschten, und dass sie sich der beiden Unterrichtssprachen mit Sicherheit und Fertigkeit bedienen konnten. Ganz besonders sind die sprachlichen Leistungen in den englischen Fachern hervorzu- heben, welche die friiherer Jahre weit iibertrafen.

Samtlichen Mitgliedern der Oberklasse, worunter sich zu unserem Bedau- ern kein Zogling mannlichen Geschlechts befand, wurde das Zeugnis der Reife einstimmig zugesprochen.

Auch die Unter- und Mittelklasse des Lehrerseminars wurde in den Fachern, welche im betreffenden Schuljahre zum Abschluss gelangen, gepriift. Beide Klassen berechtigen zu den schonsten Hoffnungen.

Das Lehrerseminar in seiner jetzigen Verfassung, und unter seiner treff-

Protokoll des 32. Deutscham. Lebrertagcs. 301

lichen Leitung, verdient die vollste Unterstiitzung unserer Korperschaft und des gesamten Deutschamerikanertums.

Achtungsvoll unterbreitet

H. Woldmann, M. Schmidhofer, Leo Stern,

Priifungskommission.

Der Bericht wurde angenommen. Auf Antrag des Herrn Schmidhofer wurde an die Tagsatzung des Nordamerikanischen Turnerbundes, die am 6. Juli in Daven- port, Iowa, zusammentrat und zu welcher der President des Lehrerbundes, Herr Emil Dapprich, als Delegat gehort, folgender Gliickwunsch gerichtet:

,,Der Nationale Deutschamerikanische Lehrerbund, versammelt in Detroit,

Mich., entbietet der Bundestagssatzung herzlichen Gruss und wiinscht ihren Ver-

handlungen guten Erfolg."

Bei Beantragung der obigen Sache wurde von Herrn Schmidhofer darauf hinge- wiesen, dass die Ziele des Nordamerikanisehen Turnerbundes und die des Lehrer- bundes dieselben seien und beide an derselben Kulturaufgabe arbeiteten.

Weiter wurde beschlossen:

In Anbetracht der Schwierigkeiten, passenden Erganzungs- und Lesestoff

fiir die deutschamerikanischen Schiller zu finden, begriisst die 32. Tagsatzung

des Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes mit Freuden das Erschei-

nen der neuen Jugendschrift,,t7«n#amerifca"* und empfiehlt deren Einfiihrung

in alien deutschamerikanischen Schulen aufs herzlichste. Dabei bringen wir

auch die ,,Kinderpost"** in empfehlende Erinnerung.

~EheProfessor Christian, F. Weiser von der ostlichen Hochschule in Detroit seine Arbeit iiber Jdealismus, Gedanken und Beobachtun-gen" verlas, schickte er voraus, dass dieselbe zum grossen Teil noch in der letzten Stunde beschnitten wurde, da ihm der Vortrag des Professors von Jagemann mehrfach den Wind aus den Segeln genommen. Er habe daher Teile weg lassen und andere modifizieren miissen, die ihm bei der urspriinglichen Ausarbeitung als Hauptsache erschienen.

Wahrend der Versammlung traf Mayor Maybury ein und hielt eine treffliche Ansprache an die Konvention, in deren Verlauf er besonders betonte, dass er stets bedauere, keiner fremden iSprache, und besonders der deutschen machtig zu sein. In- dem President Dapprich darauf antwortete, sprach er die Hoffnung aus, dass jeder Burger der Stadt Detroit die Gesinnungen des Biirgermeisters teilen moge.

Als nachste Nummer stand die Revision der Vereinsstatuten auf der Tages- ordnung. Da jedoch wiederum keines der Mitglieder des Revisionskomitees anwe- send war, so wurde auf Herrn Woldmanns Antrag die Angelegenheit kurzer Hand auf den Tisch gelegt, wogegen zwar Herr Weick Einwand erhob. GestUtzt auf eine personliche Zuschrift des Herrn Krug von Cleveland, des Vorsitzers vom genannten Komitee, entschuldigte er dessen Abwesenheit, die durch Krankheit in der Familie begriindet sei. Da die Revision verworfen wurde, so unterbreitete Herr Weick die Resignation des Herrn Krug als Vorsitzer des obigen Komitees, die angenommen wurde. Es wurde ferner in dieser Angelegenheit beschlossen, dass der neu zu er- wfihlende Prasident im Laufe des Jahres einen neuen Ausschuss zur Revision der Vereinsstatuten ernenne, und dass dieser Ausschuss beim nachsten Lehrertage be-

*) Verlag: Gustav Miihler, Cincinnati, O. **) Verlag: The Herold Co., Milwaukee, Wis.

302 P'ddagogiscbe Monatsbejte..

richte. Die revidierten Statuten, die im Druck vorlagen, sollen wahrend des Jahres den Mitgliedern des Lehrerbundes zugestellt werden.

Auf Antrag des Herrn Abrams wurde Dr. John C. Hexamer, President des Deutschamerikanischen Nationalbundes, dessen Bestreben im Einklang mit dem des Lehrerbundes stehe, als Ehrenmitglied des Nationalen Deutschamerikanischen Leh- rerbundes aufgenommen.

Herr Schonrich erstattete als Delegat des Lehrerbundes beim D. A. Nationalbund kurzen miindlichen Bericht.

Das fiir die Priifung des Schatzmeisterberichtes ernannte Komitee berichtete, dass es die Biicher in Ordnung befunden. Die Einnahmen betrugen $184.40, die Ausgaben $134.64, Kassenbestand $49.76. Weitere Beitrage betrugen $47.00, macht einen Kassenbestand von $92.76.

Der Nominationsausschuss unterbreitete nachstehende Empfehlungen, die an- genommen wurden.

1. Als Mitglieder des Direkt oriums : Louis Hahn, Cincinnati, 0.; Emil Kramer, Cincinnati, O. ; Adolph Kromer, Cleveland; Bernhard Kuttner, New York; Giinther von der Groeben, Erie, Pa.; Frl. Anna Hohgrefe, Milwaukee; Frl. Marie Diirst, Dayton, O.

2. Als Mitglieder der Priifungskommission des Lehrerseminars : H. Wold- mann, Cleveland; M. Schmidhofer, Chicago; John Eilselmeier, Milwaukee.

3. Als Mitglieder des Komitees zur Pflege des Deutschen: Emil Dapp- rich, Max Griebsch und Bernhard Abrams, samtlich von Milwaukee.

4. Als Tagungsort fiir die 33. Jahresversammlung empfehlen wir Erie, Pa. Das oben genannte neue Direktorium organisierte sich dann in einer hierzu an-

beraumten Pause wie folgt:

President G. G. von der Groeben, Erie, Pa.; 1. Schriftfiihrer Emil Kramer, Cincinnati ; 2. Schriftfiihrer Marie Durst, Dayton, O. ; Schatzmei- ster Louis Hahn, Cincinnati, O.

Das Komitee fiir die Dankesbeschliisse reichte folgenden Bericht ein: Wir sagen unsern innigen Dank

1. dem gesamten Deutschtum der schonen Stadt Detroit fiir die uns ge- wordene Aufnahme;

2. den Rednern, die unsere Vereinigung so freundlich begriisst haben;

3. dem Lokalkomitee fiir die Vorbereitung und Leitung der ortlichen An- gelegenheiten ;

4. den deutschen Vereinen Harmonie, Concordia, Canstatter-Verein, Tur- nerverein fiir deren hochst anerkennenswerten Bemlihungen;

5. der gesamten Presse fiir ihre rege Anteilnahme, welche wesentlich zur Forderung unserer Bestrebungen beitrug.

Den Beamten des Bundes wurde ebenfalls der Dank der Tagsatzung fiir die erwiesenen Dienste ausgesprochen.

Der alte Bundesprasident nahm hierauf mit einigen passenden Worten Abschied vom Bunde als dessen bisheriger Vorsitzer und der neue trat sein Amt sofort an, in- dem er den Lehrern seinen Dank fiir seine Erwahlung aussprach und den Wunsch aussprach, alle Anwesenden beim nachsten Lehrertag in Erie wieder begrussen zu konnen. Sie diirfen versichert sein, dort mit offenen Armen aufgenommen zu wer- den.

Dann vertagte sich die 32. Tagsatzung des Nationalen Deutschamerikanischen

Lehrerbundes.

Emil Kramer, Schriftfiihrer.

Zweihundert Jahre deutscher Schule in Amerika.

(Fiir die Padagogischen Monatshefte.)

Von Conatantin Grebner, Cincinnati, O.

In unseren Tagen, wo der Gedenkfeiern so viel gehalten und der Denkmaler so viele errichtet werden, ist es gewiss am Platze, auch einer Begebenheit zu gedenken, die nicht nur fur das Deutschamerikanertum, sondern auch fur die kulturelle Entwickelung unserer zweiten Heimat von unermesslicher Wichtigkeit war.

Es ist dies die Errichtung der deutschen Schule zu Germantown durch Franz Daniel Pastorius im Oktober des Jahres 1702.

Heute, wo, trotz der erschreckenden Lauheit und Gleichgiltigkeit der Deutschamerikaner selbst, ihre deutsche Muttersprache von ihren Mit- biirgern nicht-deutscher Abstammung mit bewundernswiirdigem Eifer und mit stets zunehmender Ausdauer gepflegt wird; wo das einigende Band zwischen den zwei bedeutendsten Kulturstaaten der Neuzeit, Nord-Ame- rika und Deutschland, ein immer freundschaftlicheres und innigeres wird, ziemt es sich umsomehr jenes wackeren deutschen Schulmeisters uns zu erinnern und der grossen Verdienste, die er und seine fleissigen Weber und Weinbauern gerade durch ihre zahe Anhanglichkeit an all das Gute, das sie aus dem alten Vaterlande mit heriiberbrachten, sich um die Wohlfahrt des Landes ihrer freien Wahl erworben haben.

Man denke sich den gebildeten, von den hochsten und heiligsten Idea- len durchgeistigten Pastorius, den deutschen Doktor der Rechte, wie er noch in seinen spaien Lebensjahren, wahrend er langst das politische Haupt der Gemeinde und ihr Vertreter in der Legislatur von Pennsyl- vanien war, sich als Dorfschulmeister fur die Erhaltung der deutschen Sprache neben der englischen Landessprache abmiihte ; wie er deutsche Lehrbiicher verfasste, deutsche Lieder und deutsche Katechismen. Nim- mer wiirde es ihm gelungen sein, die unter so bescheidenen Anfangen ge- griindete erste rein deutsche selbstandige Niederlassung im Lande des Kosmopolitismus auf Jahre hinaus zumMittelpunktereligioser und humani- tarer Kulturbestrebungen zu gestalten ; nimmer wurde gerade von seiner Gemeinde und von seinen sonstigen, angloamerikanischen Freunden der erste, jemals erlassene Protest gegen die Negersklaverei ergangen sein, wenn er es zugegeben hatte, dass in seiner selbsteigenen Schopfung, die deutsche Sprache verkummert worden, untergegangen ware.

Ein erhabenes Schauspiel in der Tat, eine Lehre und Mahnung, die wir von heute gar nicht genug beherzigen konnen, entrollt sich vor dem geistigen Auge, wenn es zuriickblickt zu dem ausserlich gewiss stillen, im Innern aber so regsamen Quakerdorfe am Schuykill mit seiner ersten deutschen Schule im Lande ; und eine ewige Schmach ware es darum fur

304 Padagogiscbe. Monatshefte.

das Deutschamerikanertum, wenn es seine deutschen Schulen nach zwei- hundert jahrigem Bestehen, mitten in immer noch schoner Bliite, unter- gehen Hesse. ,,Heil, deutsche Nachkommenschaft in Amerika !" Das sind die Worte, die der edele, selbsteingesetzte deutsche Schulmeister vor zwei Jahrhunderten uns zurief . Und wenn wir auch vor neunzehn Jahren, bei Gelegenheit der Feier der Erinnerung an die im Jahre 1683 stattgefundene Grundung von Germantown, noch so laut und eifrig gerufen haben : ,,Heil Pastorius !" und wir lassen uns jetzt die Frucht seiner grossten Tat, die deutsche Schule, rauben, dann sind wir es nicht wert, noch langer seine Nachkommen genannt zu werden.

Zweihundert Jahre deutscher Schule in Amerika ; siebenzigjahriges Bestehen des deutschen Unterrichts in vielen seiner offentlichen Schulen unter reger Teilnahme auch von Nichtdeutschen ; Worte der Anerkennung und des Lobes fur diesen Unterricht und fiir die, welche ihn erteilen, sei- tens fast aller hervorragender Erzieher des Landes; Herandrangen von Angloamerikanern zu deutschen Lehrerstellen an unseren hoheren Bil- dungsanstalten das ist die eine, die schone Vorderseite des sich uns bietenden Bildes.

Nun aber die hassliche Riickseite : ,,Wozu deutschen Unterricht und die Ausgaben fiir denselben, wo die deutschen Burger selbst ihn ver- nachlassigen, die deutschen Kinder ihn verabscheuen ?" So sprechen, lei- der nur zu haufig mit Recht, die Feinde der deutschen Schule. Wie aber die sogenannten Freunde derselben, die Deutschamerikaner ? Da hort man sehr, sehr oft : ,,Wenn es sein muss, dann mag's ja Deutsch in der Schule geben; uns aber, unser amerikanisches (sic!) Familienwesen, lasse man ungeschoren damit ; wir konnen und wollen unsere Kinder nicht zwingen, eine Sprache zu lernen, die weder sie, noch wir selbst, lieben !" So spricht heute die grosse Masse der ,,deutschen Nachkommenschaft" des Franz Daniel Pastorius. Das ist nicht zu leugnen, nicht zu bemanteln. Eine triibe Festbetrachtung dies, wo nur freudige Erinnerungen platzgreifen sollten ! Leider ist dieselbe gerechtf ertigt durch die nackte Tatsache, dass der deutsche Unterricht, die Pflege der deutschen Sprache in deutsch- amerikanischen Familien, das Interesse der Deutschamerikaner gerade fiir das Grosste und Herrlichste ihrer Giiter im Schwinden begriffen sind, dem Untergange nahe durch die Schuld derjenigen, die nichts Hoheres in der Welt kennen sollten, als das Recht und den Willen, auch ihrerseits einmal ausrufen zu konnen, ausrufen zu diirfen: ,,Heil deutsche Nach- kommenschaft in Amerika !" Noch ist nicht alles verloren. Noch ist Zeit zur Einkehr und Umkehr. Zum Verzweifeln ist es noch zu friihe. Wei- tere zweihundert Jahre aber, nein zwanzig Jahre, wie die jetzigen, werden und miissen der in jener germantowner Dorfschule zuerst geiibten Pflege der deutschen Sprache in ihrer heutigen Gestalt und Weise ein Ende machen, wie gerne man auch, mit einem Ausdruck des Pastorius, sagen mochte: ,,Ach, bewahr mich Gott, nein! nein!"

Address delivered on the occasion of " German Day'

by Dr. R. Q. Boone, Superintendent of Schools,

Cincinnati, O., Sept. 7th, 1902.

Mr. President,

My German Friends, and Fellow Townsmen:

To you who represent so large a portion of the patrons of our public schools; who have accumulated and handle great properties; who stand for the dignity and honorable recognition of industry and providence; and who are proverbial for your respect for law and order, it gives me great pleasure to speak this afternoon.

Your people, wherever they are found, whether on home soil, in her colonies, or in the Greater Germany of America, stand for much that is best in the economic and civic and cultural history of the world. Plain living, tenacity of purpose, faith in the sanities of a generous education, and a wholesome loyal home life, are traits that men of all nations may well emulate. You will recognize that this is not, and is not meant to partake of fulsome praise, or platitude; but is an expression of a common con- viction, and an honest recognition of the character and services of a great people, who are a conditioning factor in current world achievements.

American schools since the European visit of our own Prof. Stowe, have learned much from your loved Fatherland. They have much yet to learn. Setting aside for the moment, the emphasis they have put upon scholarship, accurate, abundant, and critical, German education stands for one thing that, against all criticism, must give them lasting honor. Whatever those who leave the German schools know or do not know, they have the skill to do. They are efficient. They are men and women of affairs. They bring things about. Results are sought, and the schools train for results. The highest education, not less than the most elementary, becomes training and has a point to it. It looks to specific efficiency. Germany to-day has a thousand schools and nearly two thousand shops, equipped with teachers and tools and machinery for manual and technical training, besides many similar institutions for in- struction in commerce, the arts, and government. With Germans, to recognize a national or local economic or industrial need, is sufficient ground for a movement to meet the need. There are training schools in all the large commercial centers to fit for every considerable industry in textiles, woods, metals, etc. Our own Cincinnati has need to learn this lesson. And you my friends, whose earlier home training was among a people where these advances have been made, must be looked to, to assist us in securing such privileges for our city also.

The German influence upon music in this country, and in our own

306 P'ddagogiscbe Monatsbefte.

city has been great; it began early, and continues unabated to this day. Haydn's "Creation" was sung in German in Bethlehem, Pa., as early as 1811. The Philharmonic Society was organized there also in 1820, and a Maennerchor Society in Philadelphia in 1835, ten years before the first Saengerfest in Germany. The Saengerbund, formed in Cincinnati in 1849, fresh in our minds yet from the celebration of its semi-centennial in 1899. We are constantly reminded of this German leadership in music in the public school instruction, and we all have reason to be proud of this contribution.

The German endorsement of the Kindergarten is one of the most interesting movements in American education. In 1873 twenty years after Froebel's death, this country had one hundred and fifty kindergar- tens, almost wholly due to the German influence. In 1882, a century after Froebel's birth, the number had grown to more than 25,000 pupils ; there are now, it is estimated, more than 200,000.

Of course the German interest in physical training is well known, and brings deserved honor. The numerous Turner Societies as you so well know, stand for far more than athletics and physical strength. They look to strong bodies ; but also to chastened purposes, to noble characters, and to a rounded life. The German system has found its way into many lands. Cincinnati is proud of her school physical culture. The system has manifold uses and wholesome results. It is fitted to meet the needs of adults and children ; of men and women ; of the strong and the weak ; of the active and the sedentary; of indoor or outdoor exercise. The memorable work of Jahn and Spiess and others has won a recognition among all classes ; and we speak with grateful reverence of their services.

It gives me pleasure to recall with deserved praise the teaching of the many German instructors in Cincinnati, scholarly beyond the common wont, loyal to their profession, faithful in daily service, vigorous, courage- ous men and women. A very large number of our English teachers are German speaking, and hold teachers' credentials in both languages. In no other city of its size in this country, I venture to affirm, can there be found more common school teachers who can read the world's professional literature in two or more languages than in Cincinnati. Many of them are familiar with what is being thought and done in the best schools of European countries. To know well and to practice the use of both English and German strengthens the teaching in either. And the teach- ing force in our city is rich in this possession.

Of the many men among you who have come to eminence, through service as teachers, I need not speak in detail. Beginning with your ad- mirable presiding officer of the day, the roll would be a long and honorable one. We have them in remembrance and congratulate the community upon its share in their services, and acknowledge the obligation we are under to make good their teachings.

Der erste deutsche Sprachunterricht an angloameri- kanische Schiiler.

Vortrag, gehalten vor dem 32. Lehrertage zu Detroit.

Von Ed. Prokosch, Chicago University, Chicago, 111.

Geehrte Versammlung ! Es hat mir schwere Bedenken gemacht, ob ich mit meiner kurzen Reihe von Jahren und Erfahrungen es wagen diirfe, meine Ansichten iiber den deutschen Unterricht einer Versammlung zu unterbreiten, in der die meisten Teilnehmer zu einem solchen Vortrage mehr berufen sind als ich. Doch fand ich Ermunterung in zwei Gedan- ken : Erstens in der Anschauung, dass so der Jugend Gelegenheit geboten wird zu zeigen, was es vom Alter gelernt hat dass ich sozusagen mit zum Erfolgsberichte des deutschen Lehrerseminars gehore, als dessen Zogling ich mich mit Stolz bekenne. Schreiben Sie das Gute, das ich etwa zu sagen habe, ohne weiteres aufs Konto dieser Anstalt. Eine zweite Aufmunterung lag fur mich gerade in der Erkenntnis, dass ich auch Unrichtiges vortragen wiirde. Das scheint paradox, doch ist dem so. Ich habe aus manchen Biichern mit aussergewohnlich viel Fehlern (z. B. aus Richard M. Meyers Geschichte der deutschen Literatur des 19. Jahr- hunderts) mehr gelernt als aus manchen von aussergewohnlicher Vor- trefflichkeit. Fehler reizen zum Widerspruch und fordern dadurch zum Nachdenken iiber Tatsachen auf, iiber die der Geist, waren sie richtig dargestellt, oberflachlich weggeeilt ware. Vielleicht sind diese Anschau- ungen anfechtbar: jedenfalls aber gewahrten sie mir Trost, als ich daran verzagte, Ihnen etwas Horenswertes vortragen zu konnen. Ich bin ge- wiss, Sie werden das Verfehlte als verfehlt erkennen und bevveisen. So wird mein Vortrag, sei auch sein Eigenwert gering, durch Sie wertvoll gemacht werden.

Doch nun ohne weiteren Zeitverlust in niedias res ! Der erste deutsche Unterricht an angloamerikanische Schiiler ist mein Thema. Wiisste ich es nicht gewiss, so wiirde ich es kaum glauben, dass es noch heute, na- mentlich in amerikanischen Kreisen, Lehrer gibt, denen die Ubersetzung, das Verstehen einer Sprache durch die Hilfe einer anderen, Idol und Pilot ist. Doch bin ich sicher, dass in dieser Versammlung es niemand be- zweifelt, dass die Erlernung jeder fremden Sprache der Erwerbung der Muttersprache so ahnlich gemacht werden muss, als die Gegensatze zwi- schen Heim und Schule erlauben, und ich kann mich daher in Begriindung dieses allgemeinen Prinzips moglichst kurz fassen. Der einzige Grund, den die Ubersetzungsmethode mit einem Anschein von Recht anfiihren kann, ist der folgende: Den englischen Kindern sind die Begriffe in der Muttersprache verstandlich gebt ihnen mit dem englischen Wort zu- gleich das deutsche, und sie werden mit diesem den richtigen Begriff ver-

308 P'ddagogiscbe Monatsbefte.

binden. Wenn diese Rechnung stimmt, bin ich geschlagen. Aber stimmt sie? Schon die Voraussetzung, die Klarheit der Begriffe in den Kindern, hat einen bedeutenden Haken. Doch sehen wir davon ab. 1st das Kind wirklich imstande, bei blosser Ubersetzung des englischen Wortes mit dem v i e 1 1 e i c h t richtigen Begriff, den es hat, auch gleich das deutsche Wort zu verbinden? Schlagt nicht vielmehr bloss das Gedachtnis eine Briicke von Wort zum Wort, wahrend der Begriff dem deutschen Worte vollig fremd bleibt? Welchen schwierigen und umstandlichen Weg haben dann die armen Kinder im Gebrauche der deutschen Sprache zuriickzu- legen ! Man darf sich dann nicht wundern, wenn sie ihnen verleidet wird, ja, wenn der in ihnen wurzelnde Widerwille ihnen oft genug durch das ganze Leben bleibt. Wenn die M utter sprache auch im deutschen Unter- richt die Unterrichtssprache bleibt, wird die deutsche Sprache stets als etwas Nebensachliches, als ein storendes Hindernis im Verkehr zwischen Lehrer und Schiiler empfunden. Es entwickelt sich kein Bediirfnis nach ihr, wo aber kein Bediirfnis ist, da ist kein Interesse, wo kein Interesse, da kein Erfolg.

Als erstes Gebot fur das erfolgreiche Lehren einer fremden modernen Sprache betrachte ich daher ihren ausschliesslichen Gebrauch im Unter- richt. Kommt sie doch ohnehin nur wahrend weniger Stunden in der Woche zur Geltung jwarum soil man ihr die karg zugemessene Zeit noch durch Vermengung mit dem heimischen Idiom verkiirzen?

Die Hauptaufgabe wahrend des ganzen Unterrichts, die einzige Auf- gabe wahrend des ersten Jahres muss miindlicher Gedankenausdruck in der deutschen Sprache sein. Sprechiibungen also ist das erste Jahr ge- widmet. Das Ziel derselben ist, den Schiilern eine Art Elementarsprache zu vermitteln, das heisst die Fahigkeit, in deutscher Sprache selbstandig von den Dingen ihrer Umgebung (ihres Anschauungskreises) angeben zu konnen, wo, wie und was sie sind, was sie thun, was mit ihnen gethan wird u. s. w. ; ferner sollen die Kinder einfache Fragen iiber Dinge aus ihrem Anschauungskreise verstehen und ohne grobe Verstosse gegen Sprachgebrauch und Sprachrichtigkeit beantworten konnen und die wich- tigsten im taglichen Leben gebrauchlichen Redewendungen (Begriissun- gen u. s. w.) beherrschen. Schon diese Andeutungen geben die Richt- schnur fur die A u s w a h 1 des Wortschatzes. Betreffs der A n o r d- n u n g desselben gilt der padagogische Elementarsatz : Vom Bekannten zum weniger Bekannten, vom Leichteren zum Schwereren. Der Korper, die Kleidung, die Schulgerate, das Schulhaus und seine Umgebung bieten den ersten Stoff, schon weil diese Anschauungsobjekte in natura vorlie- gen. Die bekanntesten Tiere und Pflanzen folgen. Lasst sich die Vor- fiihrung in Wirklichkeit ermoglichen, so verdient dies unbedingt den Vor- zug, andernfalls sind Modelle oder Bilder zu gebrauchen. Kann der Leh- rer zeichnen, so wird ihm dies im deutschen Unterrichte sehr zu statten kommen.

Der erste deutsche Sprachunterricht an angloamerikaniscbe Schiller. 309

Dieser Anschauungsunterricht bietet vor allem einen Schatz von Hauptwortern. Ihre Eigenschaften bieten weiteres Material, bei dessen Einiibung namentlich die Gegensatze mit Nutzen zu verwenden sind. Die Hand des Lehrers ist ,,gross", die des Schiilers ,,klein", die Kreide ,,weiss", die Tafel ,,schwarz", das Blatt ,,griin", der Himmel ,,blau" u. s. w. Fur- worter jeder Art mit Ausnahme der beziiglichen ergeben sich aus der Kon- versation von selbst. Tatigkeit, Zustand und Verwendung der Anschau- ungsobjekte ergibt Zeitworter in beliebiger Anzahl, Ort- und Zeitan- gabtn liefern Vorworter und Umstandsworter nebst Fragepartikeln.

Bei alle dem halte ich fur ein Haupterfordernis namentlich im An- fange langsames Vorgehen. Wird hiegegen verstossen, so baut der spatere Unterricht auf Sand. Nicht die besten, nicht die mittelmassigen, sondern die wenig begabten Schiller seien die Zeitweiser. Auch das scheinbar Leichteste muss oft wiederholt werden, denn w i r k 1 i c h leicht ist beim ersten Sprachunterricht n i c h t s. Der Satzbau sei im ganzen ersten Jahr ausserst einfach, doch biete man bei den Wiederholungen er- schopfende Mannigfaltigkeit der Wortstellung.

Von der allerersten Stunde an ist auf eine absolut reine Aussprache hinzuarbeiten. Ich bestreite es entschieden, dass die deutsche Aussprache amerikanischen Kindern besonders grosse Schwierigkeiten bereitet, falls sich der Lehrer mit ihnen geniigende Muhe gibt. Namentlich die Aus- sprache der beiden ch sollte bei Durchschnittsschulern schon in der ersten Woche zu erzielen sein ; ii und 6 bieten etwas mehr Schwierigkeiten, und am meisten Arbeit bot mir seltsamerweise stets die Erzielung einer ge- schlossenen Aussprache des kurzen o. Ross statt Russ, Rock statt Rack zu sagen, ist fur die weitaus meisten angloamerikanischen Kinder schwie- riger als Worte wie Gesichts, nichts u. dergl. Bei besonders schwierigen Worten ist selbstverstandlich lautliche Zerlegung (phonic analysis) an- zuwenden. Doch mit Vorsicht, alle Stunden ein Theeloffelvoll, da sie die Kinder leicht ermudet.

Wie ist es nun mit der Grammatik zu halten ? Wie viele grammatische Regeln miissen jeden Tag ,,aufgegeben" werden? In Versen oder in Pro- sa ? Nun, ich gehore wie wohl Sie alle zu den Ketzern, welche sagen, dass die theoretische Grammatik auf der Unterstufe des Sprachunterichtes iiberhaupt nichts zu suchen hat. Praktische Grammatik aber ist nichts als richtiges Sprechen, und es ist nicht zu leugnen, dass es sich empfiehlt systematisch vorzugehen, um dieses zu erzielen. Der richtige Artikel und die Mehrzahlbildung muss gleichzeitig mit der Erlernung jedes Hauptwortes eingeiibt werden. Regeln fur die Deklination des Eigen- schaftswortes zu geben, wiirde nur Verwirrung verursachen. Jedenfalls ist es gut, es vorlaufig stets mit dem Artikel zu gebrauchen. Es ware zu viel verlangt, wenn man schon im ersten Jahre eine griindliche Erlernung dieser schwierigen Sache durchsetzen wollte. Das Gleiche gilt vom Zeit-

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wort, von dem der Anschauungsunterricht nur das Prasens beniitzen sollte. Das Prateritum bleibt der Erzahlung. Fiirworter, Vorworter und Umstandsworter ergeben sich, wie schon bemerkt, von selbst aus dem Auschauungsunterricht. Bei den Vorwortern habe ich die Erfahrung gemacht, dass die anscheinend schwierigsten, namlich jene, welche den dritten und vierten Fall regieren, eigentlich die leichtesten sind, weil sie sich am besten veranschaulichen lassen. Die Kinder fassen den Unter- schied zwischen an, auf und in, sowie die verschiedene Casusrektion auf die Fragen wo ? und wohin ? mit Leichtigkeit auf, wenn ihnen die konkrete Anschauung zu Hilfe kommt. Es schadet gar nicht, wenn sich der Leh- rer einmal auf den Tisch setzt, wenn ein Schiiler die Meinung ausspricht, er sitze auf demselben, nicht a n demselben. Der Ahnlichklang der eng- lischen Worte off und on ist namlich im Anfang ein wenig irreleitend.

Nach einigen je nach den Verhaltnissen drei bis fiinf Monaten Anschauungsunterricht schreite ich zur Erzahlung. Marchen und Sagen bilden naturgemass das beste Material. Von ganz ausserordentlichem Vorteil ist es, wenn schon Wochen vor Beginn der ersten Erzahlung fur diese im Anschauungsunterrichte vorgearbeitet wird, ohne dass die Schii- ler es wissen. Soil z. B. das Marchen ,,Rotkappchen" erzahlt werden, so ist es tatsachlich moglich, fast den gesamten Wortschatz im Anschau- ungsunterrichte einzuiiben, sodass die Erzahlung ohne Schwierigkeit ver- standen wird. Dies erfordert natiirlich auf seiten des Lehrers genaue Auswahl des in jeder Stunde zu gebenden Wortmaterials, und das bedeutet viel Arbeit. Aber es ist eine dankbare Arbeit, denn es ist eine grosse Er- mutigung fur die Kinder, wenn sie imstande sind, eine Erzahlung ohne Hilfe zu verstehen.

Zu warnen ist vor zu raschem Aufeinanderfolgen der Erzahlungen ; denn mit dem blossen Erzahlen ist's nicht getan. Die Erzahlung hat ja ihren Platz im deutschen Unterricht nicht um ihrer selbst, sondern der Sprache willen. Wird das nicht beachtet, so erzeugt man Fliichtigkeit und Unrichtigkeit im Gebrauche der Sprache. Das Kind interessiert sich mehr fiir den Inhalt als fur die Form und tiberhort, ob d e r Wolf die Grossmutter oder den Wolf die Grossmutter gefressen hat, wenn es nicht zu richtiger Wiederholung veranlasst wird. Die erste Wiederholung ge- schieht durch Abfragen der Geschichte ; die besten Schiiler besorgen diese wie jede Wiedergabe zuerst, doch sind die Schwacheren und Angstlichen mit besonderer Riicksicht zu behandeln. Spater haben die Schiiler die Erzahlung selbstandig wiederzugeben. Daran gehen sie im allgemeinen zuerst nicht gern, doch verleiht ihnen die gelungene Tat Selbstvertrauen und neue Kraft. Audi ist zu beriicksichtigen, dass gerade diese tibun- gen von grossem Werte fur etwa in der Klasse vorhandene deutschameri- kanische Kinder sind. Jeder Lehrer weiss, wie ungelenk und unsicher die meisten derselben im richtigen deutschen Sprachausdruck sind. Die

Der erste Sprachunterricht auf anscbaulicber Grundlage. 311

Wiedergabe von Erzahlungen ist im Anfang das beste Mittel, die Sicher- heit und Richtigkeit ihres Sprechens zu fordern.

Als aussere Behelfe von grossem Werte fur den deutschen Sprachun- terricht habe ich zu erwahnen : das Chorsprechen, das Singen deutscher Lieder, deren Text auswendig zu lernen ist; wo die Verhaltnisse es er- lauben, deutsche Spiele und Turnen (speziell Freiiibungen) nach deut- schem Kommando.

Der Lese- und Schreibunterricht fallen streng genommen nicht mehr in den Rahmen meines Vortrages, da nach meiner eingangs ausgesproche- nen Uberzeugung das g a n z e erste Jahr dem mundlicehn Unterrichte gewidmet sein sollte. Doch will ich damit kein Dogma ausgesprochen haben. Verlangen es die ortlichen Verhaltnisse, so mag der deutsche Lehrer immerhin bereits im ersten Jahre einige leichte Erzahlungen lesen, und zwar, wenn irgend moglich, in lateinischem Druck. Gedenkt er dies zu tun, so ist es ratsam, schon sehr bald im Anschauungsunterrichte alle neu vorkommenden Worter in Satzen an die Tafel zu schreiben. Alles, was so an die Tafel geschrieben wird, ist von den Schiilern wiederholt zu lesen und abzuschreiben. Nach der ersten miindlichen Erzahlung kann man dieselbe Geschichte von der Tafel oder gedruckt lesen. Auch bei der spateren Lektiire dieses Jahres halte ich es fur ratsam, dass stets die miind- liche Erzahlung vorausgehe. Auf jeden Fall aber muss das Gelesene durch Abf ragen, selbstandige Wiedergabe und wenigstens teilweises Schreiben befestigt werden.

Ich bin hiemit am Ende meiner Ausfiihrungen und ersuche Sie um strenge Kritik. Denn ich kam nicht her, um Sie zu belehren, sondern mit dem egoistischen Zweck, von Ihnen belehrt zu werden, zugleich aber auch mit der altruistischen Absicht, durch Darlegung dessen, was mir das Wich- tigste am deutschen Unterricht scheint, Gelegenheit zu freier Aussprache iiber diese Punkte herbeizufiihren.

Der erste Sprachunterricht auf anschaulicher Grundlage.

Vortrag, gehalten vor dem 32. Lehrertage zu Detroit.

Von W. H. Weick, Cincinnati, O.

Wie bei jedem Unterrichtsfach, in dem bei jahrelangem Studieren keine befriedigenden Kenntnisse und Fertigkeiten erworben werden, man nach Mitteln und Wegen sucht, wie dasselbe erfolgreicher gelehrt werden konnte, so hat man auch beim Sprachunterricht nach besseren Methoden geforscht, da die Sprachfertigkeit im miindlichen und noch mehr im schriftlichen Gedankenausdruck, sowohl in der Muttersprache, als auch

312 Padagogische Monatshefte.

in den modernen lebenden Sprachen, wo solche gelehrt werden (und in den letzteren ganz besonders), am Ende der Schulzeit haufig sehr mangel- haft waren.

Der Sprachunterricht ist eines der altesten, ja das alteste Fach, das je gelehrt wurde. Und auch das Studium fremder Sprachen ist wohl sehr alt ; denn das Bediirfnis, mit den Nachbarvolkern, die eine andere Sprache sprechen, zu verkehren, stellte sich fruhzeitig ein, und die Sprachen waren in alien Zeiten zahlreicher, wenn auch weniger ausgearbeitet, als jetzt.

(Was ich nun hier einschiebe, soil nicht zeigen, dass ich meine Ab- handlung mit der Schopfung der Welt beginnen will, sondern soil bewei- sen, dass das Studium fremder Sprachen sehr alt ist, und ich glaube, die Tatsache ist nicht allgemein bekannt.)

Als man vor 50 oder 60 Jahren anfing, die Triimmerhaufen im Euphrat- und Tigristale nach babylonischen und assyrischen Altertii- mern zu durchsuchen, stiess man auf die Ruinen der alten assyrischen Konigsstadt Ninive, unter welchen der konigliche Palast den hervor- ragendsten Teil bildete. Dieser Palast wurde, wie sich aus den Inschrif- ten ergab, von dem Grosskonig Assur-Banipal, der von 660 bis 606 v. Chr., regierte, erbaut. In diesem Palast wurde eine wohlerhaltene gross- artige Bibliothek entdeckt, bestehend aus Tausenden mit Keilschrift be- deckten Tonplatten. Die Entzifferung dieser Schriften hat uns be- lehrt, dass diese Bibliothek von dem genannten Konig angelegt wurde und grosstenteils aus Ubersetzungen alterer chaldaischer Werke besteht. Es wurden Grammatiken und Worterbiicher der chaldaischen Sprache, die damals schon lange eine tote war, gefunden, die so vollstandig sind, dass es unsern Assyriologen gelang, diese Sprache zu studieren, von der man seit Jahrtausenden keine Ahnung hatte.

Zu eben diesem Konige kam eines Tages eine Gesandtschaft aus einem unbekannten Lande, deren Sprache niemand verstand, obwohl es in Ninive eine grosse Anzahl Sprachgelehrter und Dolmetscher gab, die den Verkehr mit den zahlreichen unter jochten Volkern zu vermitteln hat- ten. Erst nachdem sie einige Jahre im Lande gewesen waren und in die- ser Zeit wahrscheinlich die Landessprache gelernt hatten, stellte es sich heraus, dass sie Abgesandte des Konigs von Lydia waren, der von dem grossen Ruhm des assyrischen Konigs gehort hatte.

Die Babylonier und Assyrer hatten in vielen Wissenschaften eine hohe Stufe erreicht, selbst unsere Zeit verdankt ihnen noch vieles, und hatten ihre Sprachen schon in grammatische Regeln geordnet, nach welchen an- dere Volker dieselben studieren konnten.

Dass die Griechen, die einen sehr ausgedehnten Handel mit anderen Volkern trieben, auch fremde Sprachen mehr oder weniger verstehen mussten, ist wohl selbstverstandlich. Auf welche Art sie sich dieselben aneigneten, ist uns nicht bekannt. Sie haben ihre eigene Sprache zwar

Der erste Spracbunterricbt auf anscbaulicber Grundlage. 313

tiichtig an Homer studiert, doch wurde eine griechische Grammatik erst dann zusammengestellt, als die Romer eifrige Studenten des Griechischen wurden. Es wird erzahlt, dass ein junger Grieche, Namens Dionysios, im Hafen von Neapel landete, und von hier seinen Weg zu Fuss nach Rom fortsetzte. Dort Hess er sich als Sprachlehrer seiner Muttersprache nieder und verfasste, da er ein Bediirfnis dafiir fiihlte, die erste griechi- sche Grammatik; diese wurde das Muster fur die spater bearbeiteten griechischen Grammatiken, wie diese wieder das Vorbild fur die lateini- schen wurden. Dass unsere deutschen Grammatiken unter dem Einfluss der lateinischen entstanden sind, ist allbekannt, da die deutsche Gram- matik noch jetzt mehr oder weniger unter diesem Einfluss zu leiden hat. Nicht besser ging es den iibrigen modernen europaischen Sprachen.

Deutsche Sprachlehren oder Grammatiken sind verhaltnismassig neueren Datums. Wahrend des Mittelalters und noch spater hat niemand daran gedacht, die deutsche Sprache grammatisch zu studieren. Aus- lander lernten nicht deutsch, ausser sie lebten im Lande und lernten es durch Umgang. Die Gelehrten schrieben ihre Werke in lateinischer Sprache und verkehrten nur in dieser Sprache mit einander, wie ja auch auf den Schulen nur lateinisch gesprochen wurde. Nachdem die Franzo- sen die tonangebende Macht in Europa geworden waren, wurde das Fran- zosische die Sprache der Diplomatic und der Hofe.

Deutsche lernten die Sprachen der Volker, mit denen sie in Handels- verkehr traten, aber diese lernten nicht deutsch.

So wurden und werden noch jetzt in Deutschland mehr fremde Spra- chen studiert, als in irgend einem anderen Lande der Welt. Deutschland ist die Heimat der vergleichenden Sprachwissenschaft.

Fur die alten Sprachen blieb man der grammatischen Methode treu. Fiir die neueren Sprachen, die nicht bloss Biichersprache bleiben, sondern auch gesprochen werden sollten, hat man verschiedene Methoden befolgt, vom alten Meidinger an bis auf die jetzige Zeit. Einige von diesen fiih- ren schneller zum Ziele, andere langsamer, manche sind nur fur Erwach- sene berechnet, andere mehr fur Kinder. Nach einigen soil man eine fremde Sprache in drei bis sechs Monaten sprechen, lesen und schreiben lernen, andere verlangen mindestens zwei Jahre angestrengten Fleisses,. um dieses Ziel zu erreichen.

Wenn jemand, der besondere Anlagen fur Sprachen hatte, oder durch besonderen Fleiss und Ausdauer schnell sich eine oder mehrere fremde Sprachen zu eigen machte, so wurde die Methode, nach welcher er die fremde Sprache erlernte, als die beste betrachtet und fand schnelle Ver- breitung. Ich erinnere nur an James Hamilton (1769 1831). Er war urspriinglich Kaufmann, siedelte sich in Hamburg an und nahm Unter- richt in der deutschen Sprache, wobei er zur Bedingung machte, dass man ihn mit Grammatik verschone. Durch wortliche Ubersetzung eines Anek-

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dotenbuches, wozu sein Lehrer nur die notigsten grammatikalischen Er- klarungen machte, war Hamilton schon nach zwolf Lektionen imstande, ein leichtes deutsches Buch zu lesen. Seine Erfolge lenkten seine Auf- merksamkeit auf die Spracherlernung und bestimmten ihn, als er spater durch widrige Schicksale in seiner Geschaftstatigkeit ruiniert wurde, Sprachlehrer zu werden. Er war gewissermassen ein Vorlaufer der Lese- buchmethode. Mehr oder weniger haben seiner Methode einige beruhmte Reisende gefolgt, die sich durch grosse Sprachkenntnisse auszeichneten, unter welchen ich nur Schliemann nennen will, der seiner Erlernung des Neugriechischen, Tiirkischen, Arabischen u. s. w. das Evangelium des Johannes zu Grunde legte. Natiirlich werden Schliemann nur wenige in dieser Richtung folgen konnen, denn dazu gehort ein aussergewohn- licher Fleiss und eine grosse Ausdauer.

Das beste und bekannteste Werk, das sich aus dem Hamiltonschen entwickelt hat, ist die Methode Toussaint-Langenscheidt. Diese eignet sich aber nicht fur Klassenunterricht, da sie zum Selbstunterricht fur Er- wachsene bearbeitet ist. Sie geht aber sehr systematisch und griindlich zu Werke. Doch wiirde sich jemand enttauscht fiihlen, wenn er, nachdem er seine Aussprache nur nach diesr Aussprachebezeichnung gelernt hat, auf einmal unter Englander oder Franzosen versetzt wiirde. Die Aus- sprache lebender Sprachen kann nur von Mund zu Mund erlernt werden, da es keine schriftlichen Zeichen gibt, noch je geben wird, welche den Laut, Klang und Tonfall genau darzustellen imstande waren.

Lebende Sprachen sollten vor allem gesprochen werden, das liegt schon im Begriff der Sprache, und wer eine solche nur lesen und viel- leicht noch schreiben lernt, hat sie nur halb gelernt.

Einen hervorragenden Wendepunkt im Unterrichte moderner Spra- chen brachte das Erscheinen der Seidensticker-Ahnschen Methode her- vor. Dies begann mit dem Zeitwort und verband dieses sogleich mit an- deren Wortern zu Satzen. Dadurch wurden Sprachubungen schon von der ersten Lektion an ermoglicht. Diese Methode wurde mit grossem Beifall aufgenommen und fand rasch allgemeinen Eingang in fast alien Anstalten, in welchem fremder Sprachunterricht erteilt wurde. Auf ein Elementarbuch folgte gewohnlich eine mehr systematische Grammatik. Zahllos waren die Nachahmungen der Ahn'schen Lehrbiicher fur alle europaischen Sprachen; auch ins Arabische und Tiirkische wurde sie iibersetzt zur Erlernung der franzosischen Sprache in agyptischen und tiirkischen Schulen. In sehr vielen Schulen sind die Ahn'schen Lehr- biicher oder ahnliche nach ihnen bearbeitete noch heute im Gebrauch zur Erlernung moderner Sprachen, und Tausende haben nach dieser Methode solche Sprachen mehr oder weniger erfolgreich studiert. Nach und nach erhoben sich aber doch wieder Stimmen, dass der Erfolg der aufgewandten Arbeit und Zeit nicht entsprache. Als nun Gottlieb Henness in Boston

Fur die Scbulpraxis. 315

vor etwa 25 Jahren von den grossartigen Erfolgen erzahlte, die er mit vier Knaben in einem Jahre erzielte, indem er in seinem Unterrichte nur die deutsche Sprache gebrauchte, da griffen andere die Sache auf, ver- fassten Lehrbiicher nach dieser sogenannten Henness'schen Methode und griindeten Lehranstalten, in welcher sie nach dieser Methode moderne Sprachen lehrten. Der bescheidene Henness zog wenig Vorteil von sei- ner Methode ; seine Nachahmer und Nachfolger aber nahmen und nehmen die Reklame zu Hilfe und machen gute Geschafte. Es ist aber noch sehr die Frage, ob nun mehr jungeLeute moderne Sprachen nicht bloss lesen, sondern auch sprechen lernen.

Das Versprechen, eine fremde Sprache in drei Monaten lesen, schrei- ben und sprechen zu lernen und zwar ohne Grammatik und Worterbuch, und wo moglich auch ohne Miihe, das zieht gewaltig. Viele fangen an, aber nur wenige harren aus, wenn sie sahen, dass sie ohne eigenen Fleiss nichts erreichen. Uberhaupt wird heutzutage viel zu viel danach gestrebt, das Lernen als ein Spiel zu betreiben, denn als eine ernste Arbeit, so dass das heranwachsende Geschlecht im spateren Leben sich vor jeder anstren- genden Arbeit scheut. Nicht durch eigene Arbeit wollen die meisten in unserer Zeit vorwarts kommen, sondern durch Spekulationen und scham- lose Ausbeutung der Nebenmenschen.

(Schluss folgt.)

Fur die Schulpraxis.

Die Schiller'sche Ballade ,,der Alpenjager"

nach den bekannten fiinf Formalstwfen schulgerecht behandelt von Rudolf KnilUng.

(Aus den ,, Slattern fiir Schulpraxis".)

(,,Willst du nicht das Lammlein hiiten? Was verfolgst du meine Herde?")

A. Allgemeine Richtpunkte.

1. Dem Gedichte liegt eine einfache, schlichte Alpensage zugrunde, welche Schiller bei seinen Vorstudien zu Wilhelm Tell nebst anderen verwandten Stoffen gefunden und dann balladenartig verarbeitet hat. (Vergl. Polack: Aus deutschen Lesebuchern. III. Band, S. 379.) Aus diesem Grunde werden wir der eigentlichen Behandlung unseres Gedichtes die Erzahlung der Sage und zwar in der Form, in welcher sie uns Bonstetten in seinen ,,Briefen \\ber ein schiceizerisches Hirtenland" mitteilt, als den naturlichsten Ankniipfungspunkt und die zweckmassigste Vor- bereitung vorausschicken.

2. Dem lassen wir darauf sofort die Einfuhrung in das VerstSindnis des Ge- dichtes und seiner vielen dichterischen und sprachlichen Schonheiten folgen.

3. Ganz zuletzt erst werden wir die tieferen Grundgedanken durch heuristische Fragen aus den Schiilern herausentwickeln.

316 P'ddagogiscbe Monatsbeftt.

B. Spezielle Anleitung.

1. Ankniipfung, Vorbereitung und Zielangabe. Im Volke haben sich allerlei Er- zahlungen iiber wunderliche und spukhafte Begebenheiten erhalten; so kann man zuweilen vom Kaiser Rotbart im Kyffhauser, vom Kaiser Karl dem Grossen im Un- tersberg, von der Walserheide u. s. w. erzahlen hb'ren. Wie nennt man derartige Erzahlungen gewohnlich? (Sagen. ) Wer kann mir Sagen nennen, welche unseren Ort betreffen? Wer weiss andere Sagen, welche in waldreichen Gegenden erzahlt werden ? In Gegenden, welche grb'ssere Seen besitzen ? In gebirgigen Gegenden. Ich werde euch nun eine Sage erzahlen, die in der Schweiz allgemein verbreitet ist, und welche euch noch vollig unbekannt und neu sein diirfte. Meine Sage lautet: Alte Eltern hatten einen ungehorsamen Sohn, der nicht wollte ihr Vieh weiden, sondern Gemsen jagen. Bald aber ging er irre in Eistaler und Schneegriinde ; er glaubte sein Leben verloren. Da kam der Geist des Berges und sprach zu ihm: ,,Die Gem- sen, die du jagst, sind meine Herde; er aber ging nach Hause und weidete das Vieh. (Zitiert nach Polack, a. a. O., S. 379.) Wer will mir die Sage nacherzahlen ? Wer kann mir sagen, welcher deutsche Dichter dieselbe zu einer schb'nen Ballade ausge- arbeitet hat? Wie heisst die ftberschrift, welche Schiller seiner Ballade gegeben? Dieses Gedicht wollen wir nun mitsammen lesen und betrachten, und schliesslich werden wir es auswendig lernen und deklamieren. Nehmt darum euer Lesebuch herauf !

II. Darbietung, Besprechung und Vertiefung.

Die ersten drei Strophen enthalten ein Gesprach zwischen Mutter und Sohn. Wir werden sie daher mit verteilten Rollen lesen.

1. Strophe. N muss die Worte der Mutter, B die Antwort des Sohnes spre- chen! Was verlangt also die Mutter von ihrem Sohne? (Er solle die Lammlein hiiten.) Wie sucht sie ihm diese Arbeit hinzustellen ? (Als etwas Leichtes, Ange- nehmes, Gemutliches ; denn ,,das Lammlein ist so fromm und sanft.") Setze statt des Dichterischen Ausdruckes ,,Ranft" das ihm entsprechende gewohnliche Wort! (Rand.) Was antwortet der Sohn? (Mutter, Mutter, lass mich gehen, jagen nach des Berges Hohen ! )

2. Strophe. Diesmal liest K. die Bitte der Mutter und W die Erwiderung des Sohnes! Welche andere Arbeit mochte die Mutter jetzt dem Sohne iibertragen? (Er solle die Herde locken mit des Homes munterm Klang.) Driicke diesen Gedanken mit moglichst einfachen und niichternen Worten aus? (Willst Du nicht die Kiihe weiden?) Was fiigt die Mutter noch bei, um ihn zu dieser Beschaftigung moglichst anzureizen? (Lieblich tb'nt der Schall der Glocken in des Waldes Lustgesang. ) Er- klaret mir diesen Satz! Sagt mir also, welche Glocken hier gemeint sind! (Die Herde- oder Kuhglocken, die Schellen, welche dem weidenden Vieh um den Hals gehangt werden.) Was hat man unter ,,des Waldes Lustgesang" zu verstehen? (Zunachst den Gesang der Vogel, dann aber auch das lustige Jauchzen und Jodeln der Hirten oder der Senner und Sennerinnen. ) Wie lautet aber wiederum die Antwort des Sohnes? (Mutter, Mutter, lass mich gehen, schweifen auf den wilden Hohen!) Wer kann mir das Wort ,,schweifen" umschreiben und erklaren? (Schweifen heisst: ohne Ziel oder ohne Riicksicht auf die gerade Richtung zum Ziel sich bald hierhin, bald dorthin bewegen. Vergl. Sanders Wb'rterbuch ! )

3. Strophe. Zu welcher dritten Art von Beschaftigungen mochte die Mutter zuletzt noch ihren Sohn iiberreden? (Er solle die Bliimlein warten, die im Beete freundlich steh'n. ) Wie kb'nnte man statt ,,warten" noch anders sagen? (Pflegen. ) Was versteht man unter ,,Beet" ? ( Einen etwas erhohten, fur Gewachse bestimmten Platz in Garten. Vergl. Sanders!) Und was unter dem ahnlich lautenden ,,Bett"? (Das Lager, worin oder worauf etwas ruht. Sanders.) Wenn wir nun die beiden

Fttr die Scbulpraxis. 317

Wb'rter miteinander vergleiehen und vereinigen, als was konnen wir dann das ,,Bett" erklaren? (Als das ,,Bett" der Pflanzen. ,,Beet" und ,,Bett" bedeuten im Grunde ein und dasselbe. ) Was stellt die Mutter ihrem Sohne ausserdem noch vor, um inn zum Bleiben zu bewegen? (Dass es auf den Hb'hen der Berge wild, rauh, gefahrvoll 1st.) Lasst sich aber der Sohn in seinem Vorsatz wankend machen? (Nein, auf die dringendsten Bitten, Ermahnungen und Vorstellungen der Mutter antwortet er nur: ,,Mutter, Mutter, lass mich ziehen!"

4. Strophe. Was tat der Knabe? (Er ging zu jagen.) Was haben wir uns hier unter dem Worte ,,Knabe" vorzustellen ? (Einen jungen Menschen, der auf der Grenze zwischen Knaben und Mannesalter steht, also einen 16- bis 20jahrigen Bur- schen. ) Was ist es, das ihn treibt und fortreisst? (Die innere Leidenschaft, der kiihne Wagemut, der ungestiime Drang nach Bestehung von Abenteuern und Ge- fahren. ) Wie reisst es ihn fort? (Rastlos und mit blindem Wagen.) Weshalb wird das Wagen des Burschen als ein ,,blindes" bezeichnet? (Weil er keine Gefahr sieht und beachtet, und weil er kein bestfmmtes Ziel vor Augen hat, also selbst nicht weiss, wohin ihn sein Jagdeifer fiihren wird.) Was versteht ihr wohl unter des ,,Berges finstern Ort?" ( Schreckliche Schltinde und Abgriinde, welche dem Beschauer wegen ihrer ungeheuren Tiefe dunkel, finster, schwarz erscheinen. ) Und was haben wir uns unter dem Worte ,,Gazelle" vorzustellen? (Eine Gemse.) Weshalb wird die Gemse vom Dichter ,,Gazelle" genannt? (Erstens, weil sie in der That zu der Familie der Antilopen oder Gazellen gerechnet werden muss, und zweitens, weil dieses letz- tere Wort ungleich wohllautender ist.) Wie flieht die Gemse vor dem Jager her? (Mit Windesschnelle.)

5. Strophe. Wohin klettert die fliehende und zitternde Gemse? (Auf der Felsen nackte Rippen.) Wie? (Mit leichtem Schwung.) Woriiber tragt sie der gewagte Sprung? (tiber den Riss geborst'ner Klippen.) Wer aber folgt ihr verwegen mit dem Todesbogen? (Der junge Jager.) Nun miisst ihr nur eine ganze Reihe von Wortern zu erklaren versuchen: Warum werden die Felsen als ,,Rippen" bezeichnet? (Weil sie gleichsam das Knochengeriist des Berges bilden und in ahnlicher Weise gebogen oder gewolbt erscheinen wie die Rippen am menschlichen Kb'rper. ) Warum als ,,nackt"? (Weil sie unbedeckt daliegen und weder mit Gras, noch Strauch- und Baumwerk bewachsen sind.) Was sind ,,Klippen"? (Vorragende, spitze, schroffe Felsen und Felszacken.) Wie kbnnte man hier statt ,,geborsten" noch anders sagen? (Zerspalten, zerkliiftet, zerrissen, zerzackt.) Und wie statt ,,Risse"? (Spalten, Schrunden, Kliifte.) Was bedeutet das Wort ,,gewagt" in dem Ausdrucke ,,der ge- wagte Sprung"? (Dass die Gemse dabei hatte leicht abstiirzen konnen, dass der Sprung also hb'chst gefahrlich war. Fiir welches bekannte Wort steht das veraltete, aber wohlklingende ,,verwogen"? (Fiir ,,verwegen". Wie konnte man statt ,,Todes- bogen" noch verstandlicher sagen? (Der ,,todbringende Bogen," der Bogen, mit wel- chem der Pfeil abgeschossen und das Wild getotet werden soil.)

6. Strophe. Wo hangt die Gemse jetzt? (Auf dem schroffen Zinken, auf dem hochsten Grat.) Was haben wir uns unter ,,Grat" zu denken? (Den obersten schar- fen Rand des Bergriickens. ) Was unter ,,Zinken"? (Spitz hervorragende und senk- recht abfallende Zacken des Berggrates oder Bergriickens.) Was versinkt hier jab? (Die Felsen.) Was ist verschwunden ? (Der Pfad.) Driicke den Satz, ,,wo die Felsen jah versinken" mit anderen Worten aus! (Wo die Felsen mit einemmale, plbtzlich abf alien, wo sie in hochstem Grade abschiissig sind.) Was hat die Gemse nun unter sich. (Die steile Hohe.) Was hinter sich. (Die Nahe des Jiigers, des Feindes.

7. Strophe. Wie fleht die Gemse? (Stumm, aber mit beredten Blicken.) Was driickt sich in ihren Augen aus? (Ihr Jammer und Elend, die herzzerreissende Bitte

318 P'ddagogische Monatshefte.

um Schonung und Erbarmen. ) Wird der Jiiger von Mitleid ergriffen? (Nein, er 1st hart, unbarmherzig, grausam. Das stumme Flehen des geiingstigten Tieres vermag ihn nicht zu rxihren, zu erweichen.) Was legt er schon an? (Den Bogen, um los- zudriicken.) Wer tritt aber plotzlich aus der Felsenspalte hervor? (Der Berggeist). Wie wird er hier noch genannt? (Der Bergesalte.) Weshalb gibt ihm der Dichter diesen Beinamen? (Weil die Berggeister nach der Sage so alt sind, wie die Berge, welchen sie zum Schutz beigesellt wurden, und weil sie den Menschen auch meistens nur in der Gestalt vor alten, greisenhaften, aber riesig grossen Miinnern erscheinen.) Von welchem Berggeiste wird im Riesengebirge viel erzahlt? (Vom Rubezahl. ) Wie wird dieser Geist in Sagen und Marchen wegen seines Alters ebenfalls haufig ge- nannt? ( (Der Alte des Gebirges.)

8. Strophe. Womit schiitzt der Berggeist das gequalte Tier? (Mit seinen Got- terhanden. ) Erklare den Ausdruck ,,G6tterhande" ? (Hande von Gottern oder auch von Wesen, welche den Gottern ahnlich sind, und welchen darum eine alles bezwin- gende Kraft oder Macht innewohnt.) Was ruft er dem Jager zu? (Musst Du Tod und Jammer senden bis herauf zu mir? Raum fur alle hat die Erde; was verfolgst du meine Herde?) Inwiefern sendet der Jager Tod und Jammer bis zum Reviere des Berggeistes herauf? (Er versetzt das Wild durch seine Jagd in eine unbeschreibliche Angst, verfolgt dasselbe hoher und holier und ruht nicht, bis es zu Tode gehetzt oder von dem Pfeile oder der Lanze getroffen abstiirzt.) Was will der Berggeist mit dem Ausspruche ,,Raum fur alle hat die Erde?" sagen? (Dass Gott jedem Geschopf Raum zum Leben gegeben hat, und dass die Erde alle die Millionen von Lebewesen zu ernahren vermag, dass also fur den Jager kein zwingender Grund besteht, das Wild zu verfolgen und zu toten.) Welche Tiere gehoren wohl zur Herde des Berg- geistes? (Vor allem die Gemsen, dann aber auch alles iibrige Wild, das sich auf dem Berge auf halt und vom Berggeiste als sein Eigentum geschiitzt und behiitet wird.)

III. Verknupfung.

1. Mutter und Sohn. (1. bis 3. Strophe.) Wo mag das Gesprach zwischen Mutter und Sohn stattgefunden haben? (Unten am Fusse des Berges, vor dem Schweizerhause oder Bauernhofe der Mutter. Was gehorte ausser dem Hause oder Hofe noch zum Besitztum der Mutter? (Herden von Schafen und Rindern, Weide- platze fur das Vieh, Wiesen und Waldungen und ein freundlicher Garten.) Wozu mochte die Mutter ihren Sohn uberreden? (Dass er das Vieh htitet und den Garten bestellt, mit einem Worte, die notwendigsten bauerlichen oder landwirtschaftlichen Arbeiten verrichtet.) Weshalb spricht die Mutter und nicht der Vater mit dem Sohne? (Die Mutter ist eine Witwe.) Wie liebt sie darum ihren Sohn? (Desto in- niger und zartlicher, sie liebt ihn mit der grossten, unbegrenzten, aufopferndsten Liebe.) Woraus konnen wir dies entnehmen? (Die Mutter mochte ihren Sohn im- mer in der Nahe haben, sie angstigt sich vor den Gefahren, welchen er sich bei einer Jagd im Hochgebirge aussetzen wiirde, sie ermahnt und beschwort ihn mit den liebe- vollsten Worten.) Woraus vermb'gen wir zu schliessen, dass der Sohn seiner guten, vereinsamten Mutter ebenfalls in Liebe zugetan ist? (Er will nichts gegen den Willen und ohne die Erlaubnis der Mutter unternehmen ; . er bittet sie darum wie- derholt und immer eindringlicher, sie moge ihn doch jagen lassen. Ware ihm an seiner Mutter nichts gelegen, so wiirde er seinen Vorsatz ausfiihren, ohne lange zu fragen, zu bitten, zu schmeicheln. ) Weshalb kann er sich aber nicht entschliessen, bei seiner Mutter zu bleiben und mit ihr Haus, Hof und Garten zu bestellen? (Weil die Jagdlust in ihm doch noch grosser und leidenschaftlicher ist als die Liebe zur Mutter.)

2. Die Jagd im Hochgebirge. (4. bis 7. Strophe.) Weshalb ist die Jagd im Gebirge so gefahrlich? (Wegen der steilen Felsen, die erklettert werden miissen, der

Fttr die Scbulpraxis. 319

tiefen Spalten und Risse, welche der Jager mit kiihnem Mut zu iiberspringen hat und der bodenlosen Schluchten und Abgriinde, die sich auf seinem Streifzuge oft plotzlich vor ihm auftun. Auf Sehritt und Tritt lauert hier also der Tod. Von Felsen abzustiirzen, ist aber ein schrecklicb.es, qualvolles Ende.) Was hindert jedoch den Jager, an die Gefahr zu denken? (Seine Tollkiihnheit, seine Waghalsigkeit, sein leidenschaftliches Vergniigen an der Jagd.) Welches Wild wird von unserem Jager aufgejagt? (Eine Gemse.) Wer kann mir die Gemsen beschreiben? Welchem unserer Haustiere sehen sie .ahnlich ? Wie ist der Kb'rper ? Der Kopf ? Wie sind die Horner ? Wo halten sich die Gemsen auf? Weshalb sind sie so schwer zu jagen? Wohin folgt unser Jager der Gemse verwegen? (Bis zum Grat des Berges.) Kann sie ihm noch entrinnen? Weshalb nicht? Wie blickt das Tier in seiner Todesangst? Kennt aber der Jager Mitleid und Erbarmen? Was will er tun?

3. Der Berggeist und der Jager. (7. und 8. Strophe.) Wer erscheint da mit einemmale? (Der Berggeist.) Woher ist er gekommen? (Aus dem Innern des Ber- ges, aus einer Felsenspalte. ) Wie sieht er aus? (Wie ein alter Mann, aber riesig gross.) Wie ist der Bart? (Lang und weiss.) Wie blicken seine Augen? (Zornig, wild.) Womit ist seine schreckenerregende Gestalt umhtillt? (Mit weiten, wallen- den Nebeln. ) Von welchem Gefuhle wird der Jager bei diesem Anblick erfasst? (Von Entsetzen, Angst, Schrecken.) Was lasst er sinken? (Die erhobenen Arme mit Pfeil und Bogen. ) Welche Gedanken mogen ihn beschleichen ? (Hiitte ich doch den Wunsch meiner Mutter erfullt! Ware ich doch unten im Tale geblieben! Konnte ich ihm meilenweit entfliehen ! ) Was ruft der Geist mit lauter zorniger Stimme ihm zu, indem er zugleich die Hande schiitzend iiber die arme, abgehetzte Gemse halt? (Warum bringst du Tod und Jammer bis herauf zu mir? Hat nicht die Erde Raum genug fiir dich und alle Geschb'pfe, so dass keines das andere zu verfolgen, zu quiilen, zu tb'ten braucht?)

IV. Zusammenfassung.

1. Die Eigentumlichkeiten der sprachlichen Form. Das Gedicht ist ungemein wohllautend; dies verdankt es vor allem dem Reichtum und haufigen Wechsel der Vokale, dann aber den so geschickt gewahlten schmiickenden Beifiigungen (Adjektiv- und Genitivkonstruktionen ) . Nehmt nun das Buch wieder zur Hand! Leset noch einmal die erste Strophe! Welche einfachen Selbslaute kommen in derselben vor? Welche Umlaute? Suchet nun auch jede Satzteile heraus, welche Attribute im Gene- tiv enthalten! (,,Des Grases Bliiten," ,,des Baches Ranft," ,,des Berges Hohen".) Was fallt euch an diesen Ausdriicken auf? (Dass das Attribut im Genitv dem ande- ren Worte das es naher bestimmten soil vorangestellt ist.) Leset nun die zweite Strophe u. s. w.

2. Die Grundgedanken des Gedichtcs.

a) Am Beispiele des Alpenjiigers sehen wir wieder bests tigt, dass die Lust am Erobern und Zerstoren die wagelustige Natur des Menschen oft starker reizt als die Freude am sorglichen Erhalten und friedlichen Schaffen.

b) Den ztirnenden Worten des Berggeistes aber vermogen wir folgende sehone Lehren zu entnehmen: ,,Wie viele Giiter und Gaben hat Gott den Menschen gegeben und wie weit die Grenzen ihrer Tiitigkeit und Kraftentfaltung gesteckt! Warum begniigen sie sich nicht? Warum sind sie nicht zufrieden? Warum miissen sie in Gebiete eindringen, die ihnen verschlossen sind? Warum mtissen sie ihren Unfrieden und ihre Qual auch an Orte tragen, die dem Frieden geweiht sind? Warum muss ihr Blick und ihr Verlangen immer von dem Eigenen nach dem Fremden schweifen?" (Polack, III. Band, S. 383.)

V. Anwendung, beziehungsweise iibung. Auswendiglernen und Vortragen des Gedichtes.

Die Olynthische Sklavin.'

Von C. £. Nicolay, A. M.t University of Pennsylvania, Philadelphia.

Langsam schreitet hinab mit zogernden Schritten den Bergpfad,

Auf dem Haupte den Krug, rniid' ein olynthisches Weib,

Traurig und zaudernd hinab zur murmelnden Welle des Strymon,

Dort, wo rauschend und Jung bricht aus den Felsen der Strom.

Also einstmals auch sie, in frohlich riistiger Jugend,

Hurtig und lachend und schon, tanzend auf blumigem Pfad,

Wenn vor der Gotter Altar den Reigen sie schlang mit den Jungfrau'n,

Wenn in Demeters Haus, wenn vor dem rettenden Zeus

Lieder ertonten im Takt, wenn duftende Kriinze sich hauften,

Wenn das harmlose Opfer freute den harmlosen Gott.

Damals umschlang das Gewand sidonischen Purpurs die Glieder,

Ketten und Spangen von Gold glanzten an Arm und Gelock.

Jetzt das ergrauende Haar versteckt ist's im groben Gewebe,

Arm und zerschlissen das Kleid, matt und erloschen der Blick.

Welche der Gottinnen wird, welch' Gott sich erbarmen der Sklavin?

*01ynthus war die wichtigste Stadt der Halbinsel Chalcidice am Agaischen Meer und vom macedonischen Binnenlande durch eine Gebirgskette getrennt, die vom Thermaischen zum Strymonischen Golf reichte. Zu jeder Zeit hatte Olynthus freund- liche Beziehungen zu Macedonien unterhalten, doch seine Unabhangigkeit bewahrt. Seine ziemlich unzuverlassige Politik hatte es mit den griechischen Hauptmachten, Athen und Sparta, etwas iiberworfen, doch als Philipp den macedonischen Tron bestieg, belehrte das Schicksal anderer Stadte die Olynthier, dass es besser sei, mit den hellenischen Republiken sich auf gutem Fuss zu erhalten.

Im Jahre 349 v. Chr. war Philipps Macht so bedenklich gewachsen, dass die nationale Partei in Olynthus sich in drei Gesandtschaften an Athen um Hilfe wandte.

Diese Gesandtschaften waren der Anlass zu Demosthenes' beriihmten drei Olyn- thiakischen Reden ( 349 8 ) . Doch die Bemiihungen des Hauptes der panhelleni- schen Partei in Athen waren umsonst: die geschickte Hilfe war zu spat und unge- ntigend; Philipps Spione und Agenten waren zu tatig in Olynth wie in Athen, und gegen Ende des Jahres 348 v. Chr. ward die grosse Stadt, von der gesagt ward, dass Philipp keine ihres gleichen gegriindet habe, vom Boden vertilgt, alle Einwohner, mit Ausnahme der Philipp freundlichen Verrater, in die Sklaverei verkauft.

In einer spateren Rede, in der der sogenannten ,,Pseudolegation", wendet De- mosthenes sich mit bitterem Hass gegen seinen Gegner Aeschines, das Haupt der macedonischen Klique in Athen, und wirft ihm vor, wie er einst selber geriihrt ge- wesen, da er auf einer Reise einem langen Zug elender Gefangenen jeden Alters und Geschlechts begegnet sei: friihere Burger von Olynth, welche in macedonische Ge- fangenschaft geschleppt wurden.

In derselben Rede ist auch der Unbilden erwahnt, welche eine freigeborene Olyn- thierin, Sklavin im Hause eines Freundes des Aeschines, sich in dessen Gegenwart gefallen lassen musste.

Zwei von Philipps Halbbriidern hatten sich nach Olynth vor seinen Verfolgun- gen gefliichtet; ihre Gegenwart war einer der Vorwande, die Stadt zu bekriegen.

Die iibrigen zweiunddreissig Stadte des Chalcidischen Bundes hatten dasselbe Schicksal wie die Hauptstadt: ein reich bevolkerter, industriell und merkantil hoch- wichtiger Distrikt wurde so einfach vom Boden getilgt. C. L. N.

Die Olyntbische Sklavin. 321

Ach nur die letzte winkt stumm, Kere, am Ende der Bahn!

Von dem Haupte nun hebt und fiillt sie den Krug an der Quelle,

Kastet auf moosigem Stein, neigend das alternde Haupt.

Breitcr zieht sich am Flusse die schimmernde Strasse zum Meere,

Weitet dem Handel den Pfad, offnet dem Krieger die Bahn.

Schau, sie sprengen heran mit schimmernden Helmen und Schwertern,

Folgend siegesberauscht dem macedonischen Gott.

Jetzt Bchon hat sie verschlungen die waldige Biegung des Weges,

Aber ihr Lachen tb'nt fort, lauten und frechen Triumphs.

Langst ist der Krug ihr gefiillt zum 'ttberfliessen, was zogert,

Spahend die Strasse hinab noch, das olynthische Weib?

Schimmernd und silbern erglanzt auf staubiger Strasse ein Armring,

Und sie ergreift ihn mit Eil', birgt ihn mit zitternder Hast.

Nicht die gleissende Pracht, auch nicht die silberne Schwere

Haben die Sklavin gelockt, fesseln den gierigen Blick.

Nimmer dem braunlichen Arm, entweiht vom Schlage der Geissel,

Gonnt sie schimmernde Zier, nimmer, ach, hofft sie, der Fund

Konne zu anderm gesellt aus schmahlicher Knechtschaft sie losen.

Freiheit lockt sie nicht mehr, heimlos, verlassen und arm!

Aber die Linien erkennt sie des tiichtigen Kiinstlers, die Arbeit,

Die so stark und so zart keiner ihm iihnlich vermag.

Oft bewunderte sie's am Arme des fiirstlichen Jiinglings,

Der in ihr vaterlich Haus freundlich und koniglich trat.

Fliistern hb'rte sie dann, er sei von prinzlichem Blute,

Aus dem Amyntischen Hause, fiirchtend des Bruders Gewalt.

Keiner, der ihm an Gestalt, an honigtriefender Rede,

Ihm an Gewandtheit und Kraft unter den Jiinglingen glich!

Wenn am Toronischen Golf sich neiget die sinkende Sonne,

Ktihl ist der Garten und still, lauschig beim murmelnden Quell,

Wo vom gehenkelten Krug auf ewig die lachelnde Najas

Aus der Rosen Gebiisch giesset den silbernen Strahl;

Platschernd schiesst er hinab auf schongetafelten Marmor,

ttber spielende Fische, goldenflossig und flink.

Neckisch lacht zuriick dem Magdlein das rosige Antlitz,

Oft auch netzt ihre Wang' silberner Tropfen Gespriih.

Weiss ist das schlichte Gewand, von gold'nem Giirtel gehalten,

Rosen in purpurner Glut schimmern an Busen und Haar.

Nur am schwellenden Arm, da scheinen die kostlichen Spangen,

Die macedonische Kunst schweisst aus pangasischem Gold.

Herrliche Gaben fiirwahr, die Gastgeschenke des Fremdlings,

Den der Vater mit Stolz fiihrt in das prangende Haus,

Zeigt ihm die blinkende Halle, des Porticus ragende Saulen,

Fiihrt ihn ins reiche Gemach, llid't ihn zum prunkenden Mahl.

Gerne ja zeigt den Besitz mit gastlicher Freude der reiche

Burger des reichen Olynths, riihmet das wachsende Gut.

Draussen schwimmen ihm stolz auf thermaischer Welle die Schiffe;

Hier auf der Weide das Vieh, wiehernder Rosse Gezilcht;

Auch das Emporium dort, voll kostlicher Giiter am Hafen,

Und der Pachthof am Fluss, rlistige Sklaven im Feld;

,,Und zum Erben ehen! Das einzige Magdlein lone,

,,Wahrlich ein Kind noch, nichts mehr! Vierzehn im Elaphobel!

322 P'ddagogiscbe Monatshefte.

,,Schb'n? Nun ja, wird es werden, ein lieber, narrischer Wildfang!

,,Komm', begriisse den Gast kiiss' auch den Vater, du Schelm!"

Aber im Frauengemach, wie summende Bienen im Stocke,

Riihrt sich der Zungen Geschwirr, fragt es und forsehet und laeht.

Herrlich, unglaublich ist's schier ein Prinz beim Vater vom f ernen

Hofe des machtigen Herrn, flehend olynthischen Schutz.

Lachelnd die Mutter verwehrt den allzu schmeichelnden Zungen:

,,Traun, ein Prinzesslein vielleicht, lasst einst lone das Haus."

Eine der Sklavinnen nur, die miirrische Alte, der gichtisch

Kriimmt sich die diirre Gestalt, murmelt mit zahnlosem Mund.

Niemals lachelt sie und zu freundlichem Worte will nimmer

6ffnen die Lippe sich mehr, weichen vom Auge der Groll !

Niemals spricht sie vom Einst, doch wispern die kichernden Magde,

Edel war einst ihr Geschleeht, eh' es vernichtet der Krieg.

Also raunt sie fur sich und fliistert wie diist're Beschwo'rung:

,,Wahre, oh Magdlein, dein Herz, wahre, oh Herrin, dein Haus!

,,Leichter als Schaum auf der Flut, als treibende Flocken im Winter,

,,Wiegt macedonisches Wort, gilt macedonische Treu'.

,,Schwer und gewichtig f ilrwahr, und lockend munt're lone

,,Ist macedonisches Gold, ist macedonische Macht!

,,Suss und verf uhrend das Wort kam's gleich aus dem Mund' des Barbaren.

lone nickt in die Flut nickend antwortet ihr Bild

Dies und viel anderes noch, sah im silbernen Glanze die Sklavin,

Da in der miissigen Hand traumend den Armring sie rollt.

Rauch steigt wirbelnd empor, der Hufschlag fliehender Krieger

Schallt ihr im Ohre wie einst Sterbende wimmern und fleh'n !

Jammernder Frauen Gekreisch, ohnmachtige Rufe der Fiihrer

Schreckliche Onima rings, wiitendes Siegesgeschrei.

Soldner mit frecher Gewalt durchrasen die prangenden Hauser.

Wirrwarr ! Verderben ! Gewalt ! Wehe besiegtes Olynth !

Nimmer erbaute dir gleich, eine Stadt der einaugige Sieger

Wiisten zeichnen dein Land, Graber dein fleissiges Volk!

Aber im endlosen Zug, verzweifelnde Bilder des Jammers,

Weiber und Kinder dahinzieh'n, ein avernischer Schwarm!

,,Sklaven sind billig zumal! Seht hier, ein olynthisches Magdlein,

,,Freigeboren und schon kunstreich und fleissig dazu.

,,Um eine Mina? f ilrwahr! Wer bietet die Mina? hier ist sie!"

Und in des Kaufers Gewalt reisst sie lebendiger Tod!

Langsam entrollet der Ring den harten, zitternden Handen,

Langsam hebet den Krug, schleichet bergaufwarts das Weib.

Ob sie Schlage begriissen, ob ziirnende Rede was thut es ?

Halb im Traume noch spricht fliisternde Worte der Mund :

,,Wahre, Magdlein, dein Herz, denn leichter als Schaum auf der Wage

,,Wiegt macedonisches Wort, gilt macedonische Treu!"

Berichte und Notizen.

I. Korrespondenzen.

Cincinnati.

Wir sind, ,,nach uberstandenem Kreuz und Leiden", wieder im vollen Gange, ,,und alles 1st auch wieder gut." Fur Schiller und Lehrer wird in diesem Se- mester hinlanglich gesorgt werv..en, und besonders den letzteren stehen, nun das jahrliche Institut abgeschafft ist, allge- meine und besondere (Grad-) Versamm- lungen in Masse in Aussicht. Sehr an- genehm ist es, dass fiir diese Veran- staltungen immer der Freitag auser-. koren ist, so dass wir den ehedem so versammelten Samstag jetzt pro domo verwenden konnen. Das vorliiufig mit- geteilte Programm fiir die besagten Ver- sammlungen, die zum Teil ganze Tage in Anspruch nehmen werden, ist sehr sorg- faltig ausgearbeitet und bringt in der Tat nicht nur fiir jeden etwas, sondern das ihm Passende und Zutriigliche. Dass dabei auch der deutsche Unterricht zu seinem Rechte gelangen wird, dafiir ist hinlanglich gesorgt. Eine allgemeine Ver- sammlung, riiumlich mehr als be- schrankt, haben wir bereits gehabt. Ein- heimische und auswartige Padagogen sorgten durch gute Vortriige, dass die Veranstaltung nicht zu den verlorenen Tagen gerechnet werden musste. Die Siegespalme gebiihrt unserem Dr. H. H. Fick, der in einer wirklich vorziiglichen englischen Rede sich iiber ,,Die Trag- weite moderner Unterrichtsplane" ver- breitete und sich damit den ungeteilten Beifall der iiber Eintausend zahlenden Zuhorer erwarb. Leider kann 'ich auf dem mir zu gebote stehenden Raum nicht des naheren auf den Vortrag eingehen. Hoffentlich wird derselbe bald im Druck erscheinen. Drei weitere solche allge- meine Versammlungen werden im Laufe des Jahres folgen, so dass wir doch unsrer vier Instituttage nach Gebiihr teilhaftig werden.

Die Schulerzahl in den b'ffentlichen Schulen ist um einige Tausend hinter der Schatzung zuriickgeblieben. Die Pri- vatanstalten, besonders die katholi- schen haben dafiir so viele gewonnen. Letztere haben durchgreifende Neuerun- gen eingefiihrt: Aufsicht und Verwaltung durch Laien; Abschaffung des Schul- gelds ; f reie Schulbiicher ; Erweiterung des Lehrkursus, u. s. w. Und, da bei ihnen von jeher die tiigliche Unterrichts- zeit eine langere ist als in den 6'ffent- lichen Schulen, so konnen sie ihre Kurse

sehr leicht den unseren gleich machen ohne den Religionsunterricht, um dessen- willen die Eltern ihre Kinder den offent- lichen Schulen bislang feme hielten, und auch in Hinkunft fernehalten werden, zu beeintriichtigen.,, Caveant consules!" heisst es jetzt, wenn die Abnahme un- serer Schulerzahl nicht eine noch bedeu- tendere werden soil.

Trotz alledem scheint dennoch das deutsche Departement in dieser Hinsicht furs erste noch nicht erheblich gescha- digt worden zu sein, wenn auch leider nicht geleugnet werden kann, dass das Interesse am deutschen Unterricht bei den heutigen Deutschamerikanern auch hier sichtlich im Schwinden i/egriifen ist, und dass wir Lehrer allein nicht im- stande sein werden, den drohenden ali- mahlichen Niedergang desselben zu ver- hiiten, was immer wir auch tun mogen. Dariiber hat sich der neuerwahlte Pra- sident des deutschen Oberlehrervereins, Herr Benjamin Wittich, bei Gelegenheit der Vereinsversammlung am 25. Septem- ber in seiner sehr ausgezeichneten An- trittsrede klar, treffend und kraftig aus- gesprochen und den Deutschen unserer Stadt ein eindringliches Mene 'iekel zu- gerufen. Ich kann an dieser Stelle die Rede nicht wiedergeben, und Einzelnes aus derselben anzufiihren, wtirde den Ge- samteindruck derselben schwiichen, wes- halb es sehr zu wiinschen wiire, dass Herr Wittich seine Arbeit Ihrem ge- schatzten Blatte zur Veroffentlichung iiberliesse. Es wird auch anderen gut tun, so etwas zu lesen. In derselben Versammlung ereignete sich ein Kurio- sum, das ich, ohne irgend jemandem zu nahetreten zu wollen, nicht mit Still- schweigen iibergehen darf. Bei der Be- sprechung eines vorliegenden Antrages, wonach auch solche deutsche Assistenten, die als Verweser von Oberlehrerstellen fungieren, Mitglieder des Vereins der Oberlehrer werden kunnten, konstatierte ein Redner diese Ungeheuerlichkeiten: Die bctreffenden Herren und Damen sind gar nicht darauf aus, dieser Vergtinsti- gung teihaftig zu werden ,und zwar aus dem Grunde, weil sie dann, der Reihe nach, in den Fall kommen wiirden, vor dem Vereine Vortriige halten zu miissen. Kommentar iiberfliissig! Dass darauf hin von weiteren Verhandlungen iiber den Gegenstand abgesehen wurde, ist selbst- verstiindlich ; die dadurch betroffenen..

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Padagogiscbe Monatsbefte.

Herren und Damen sind in den Versamm- lungen nach wie vor Statisten, und der Verein wird, meiner unmassgeblichen Meinung nach mit vollem Rechte, nur aus, als solche ernannten deutschen Ober- lehrernbestehen. Weiter wurden in dieser Sitzung die Arbeitsausschiisse fiir das laufende Schuljahr ernannt und erlau- terte der Superintendent des Deutschen, Herr Dr. Fick, einige Bestimmungen des neuen Lehrplanes. Noch wurde beschlos- sen, der im Entstehen begriffenen Cin- cinnatier Lehrerfoderation beizutreten.

Wir fangen sachte mit den Vorberei- tungen an fiir den Empfang der auf kommenden Februar zur Jahresversamm- lung allhier angesagten Schulsuperinten- denten. Doch finden wir nebenher noch Musse, uns die Kopfe dariiber zu zer- brechen, was wohl die zu Columbus in Extrasitzung versammelten Staats-So- lone u'ber die offentlichen Schulen ver- hangen werden. Der Staatsschul-Superin- tendent, der die einschlagigen Gesetzes- vorlagen schmiedet, fiihrt den ominosen Namen ,,Bonebrake" und scheint densel- ben rechtfertigen zu wollen. Unter an- derem beabsichtigt er, die Giltigkeit al- ler Lehrerdiplome auf drei Jahre zu re- duzieren, lebenslangliche Diplome abzu- schaffen, aus dem Lehrerdasein ein fort- gesetztes Vorbereiten auf abzulegende. Priifungen, die Anstellungen moglichst unsicher und das ,,Worry" permanent zu machen. Gott segne 's ihm! Uns aber wird dennoch immer der Trost und die Hoffnung bleiben, dass auch fur diese Gesetze der Tag kommen wird, wo sie zu leicht, d. h. verfassungswidrig befun- den und iiber den Haufen geworfen wer- den, nach der Weise: ,,Nichts ist dau- ernd als der Wechsel".

Das Programm fiir die am 4ten Okto- ber stattfindende erste zweimonatliche Versammlung des Deutschen Lehrerver- eins von Cincinnati ist bereits veroffent- licht. Die Hauptnummer desseiben bil- det ein illustrierter Vortrag des bekann- ten Komponisten, Redners und Lehrers am hiesigen College of Music, Dr. N. J. Elsenheimer, iiber das Thema ,,Das Volkslied und das Kunstlied." Ferner wird mit dieser Versammlung eine nach- tragliche Feier des hundertjahrigen Ge- burtstages Lenaus verbunden, wobei die Gesangsektion den gemischten Chor ,,Le- nau", gedichtet von C. Grebner und kom- poniert von Wilhelm Schiifer, zu Gehor bringen, und Kollegin Lillie Deremo die Meydersche Komposition des Gedichts ,,Liebesfeier" von Lenau als Sopran-Solo singen wird. ttber den Verlauf dieser Versammlung hoffe ich in der nachsten

Nummer der P. M. Bericht erstatten zu konnen.

Zum Schlusse meines Heutigen muss ich noch der schonen Rede erwahnen, die unser Schulsuperintendent, Dr. Boone, bei der Deutscher-Tagfeier am 7ten Sep- tember, an der sich 15 20,000 Personen beteiligten, gehalten hat. Er legte den Zuhorern vor allem ans Herz, von unten an und in engem Verbande mit dem eng- lischen, den deutschem Unterricht be- treiben zu lassen, und er wiirdigte nach Gebiihr alles, was wir deutschen Unter- richtsmethoden verdanken und auch fer- nerhin zu verdanken haben werden. Ja, das haben sie gerne, die Deutschameri- kaner, dass man ihnen etwas vorredt, vorsingt, vorunterrichtet ; aber selbst ihre Kinder dafur auch begeistern, das tun sie nur selten, und da rum tun sie eben nicht genug.

quidam. Cleveland.

Der Stand des deutschen Unterrichts beim Beginn des neuen Schuljahres muss als ausserst giinstig bezeichnet werden. In Folge der grosseren Anzahl deutsch- lernender Schiiler musste an verschiede- nenen Schulen noch eine Lehrkraft fiir einen halben Tag angestellt werden, so z. B. an der Bolton, Walton und Scran- ton Schule.

Fernerhin wurde an der South Case Schule noch eine Wechselklasse einge- richtet. Vor einigen Jahren gab es in dieser Schule nur Spezialklassen, nun bestehen ausser den Spezialklassen, wel- che zwei Lehrerinnen einen vollen Tag erfordern, noch drei Wechselklassen. Gewiss ein erfreulicher Beweis stetigen Wachstums sowie Anerkennung der Wichtigkeit einer Kenntnis der deut- schen Sprache seitens unserer anglo- amerikanischer Mitbiirger, denn ein gro- sser Prozentsatz der Schiiler, welche South Case Schule besuchen, sind Kin- der angloamerikanischer Abkunft.

Von den, zivolf deutschen Graduanten der Normalschule haben Alle bis auf drei schon eine Anstellung erhalten. Von den im vergangenen Juni 170 angestellten Lehrern und Lehrerinnen sind 14 aus- getreten, die durch Neuanstellungen er- setzt werden mussten.

Milwaukee.

Eine hiesige englische Zeitung ,,The Milwaukee Sentinel" brachte kiirzlich ei- nen Artikel iiber unsere off. Schulen, iiberschrieben : Lay a secure foundation. Der Artikel enthalt viel Wahres und Be- herzigenswertes, und so mochte ich eini- ges daraus mitteilen. Der Schreiber be-

Korresponden^en.

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merkt unter anderem folgendes: ,,Die Lehrer an unseren Schulen haben, ob- gleich sie mit Fleiss und Gewissenhaftig- keit arbeiten, mit vielen Schwierigkeiten zu kampfen, von denen die Steuerzahler keine Vorstellung haben. Das moderne System unsers off. Schulwesens wird so kompliziert und bringt dadurch die fort- wahrende Gefahr mit sich, dass die In- teressen der unteren Grade den immer mehr sich steigernden Anforderungen der Hochschulen geopfert werden. Die Beschwerden eines hiesigen Kaufmannes, dass es ihm fast unmb'glich sei, clerks zu bekommen, die griindlich in den soge- nannten ,,Three R's" gedrillt seien, len- ken die Aufmerksamkeit auf die grosse Notwendigkeit einer besseren und griind- licheren Vorbildung der unteren Klassen. ,,Ich gebrauche einen Hilfsbuchhalter," sagte der Kaufmann, ,,aber ich finde, die meisten der jungen Leute, die sich mel- den, haben keine geniigende Gewandt- heit im Rechnen; sie sind nicht imstan- de, mit Sicherheit in Briichen zu rechnen, oder Zinseszinsen zu berechnen; auch schreiben sie keine gute und leserliche Handschrift. Die meisten der Stellen- sucher behaupten, die off. Schulen durch- gemacht und graduiert zu haben. Es scheint mir, da muss etwas nicht in Ord- nung sein mit unserem vielgeriihmten Schulsystem." Ebenso erklarte ein an- derer Geschaftsmann, dass es bei seinem Stenographen scheine, als ob die Recht- schreibung eine verloren gegangene Kunst (lost art) sei. Der Schreiber des Artikels fiihrt dann weiter aus, dass man doch ja nicht aus den Augen ver- lieren solle, dass die Volksschulen vor allem eine gute griindliche Vorbildung furs Leben geben sollen und keine wis- senschaftliche ; auch keine nur fur die Hochschule berechnete.

Dann fiihrt er als einen Hauptgrund mit an, warum in den untern Graden nicht mehr erreicht werde, dass diese so sehr iiberfiillt seien. Dieselbe Zeitung sagte vor einigen Wochen auch in einem Artikel iiber die Schulen: Der Haupt- fehler unserer off. Schulen ist, dass die Lehrer (iberarbeitet und zu schlecht be- zahlt werden.

Dass diese Kritik im grossen und gan- zen gerecht ist, miissen wir wohl alle zugeben, und wir Lehrer nicht minder. Aber ich will dies nicht so verstanden wissen, als ob sich dies nur auf die Schulen in Milwaukee bezb'ge, nein, son- dern auf alle im Lande. Ich behaupte, dass unsere hiesigen Schulen nicht schlechter sind als andere in gleich gro- ssen Stadten. Die Schwierigkeiten aber, unter denen die Lehrer zu arbeiten ha- ben, finden sich leider auch hier. tfber- fiillte Klassen wohin man sieht und hb'rt,

oft zwei Grade in einem Klassenzimmer.

Dann konnte man den Lehrplan auch wohl noch entlasten von manchem ttber- fiiissigem, urn mehr Zeit fur das Nb'tige zu gewinnen, und dasselbe dann recht fest legen.

Wir wissen ja alle, dass jetzt so eine unheilvolle und krankhafte Sucht und Neigung durch das Land geht, der Volks- schule alles Mogliche aufzubiirden. Man mochte aus der Volksschule gern eine wissenschaftliche Schule machen, und vergisst dabei den wahren Charakter der- selben. Sie soil fur das Leben vorbe- reiten, d. h. das geben und lehren, was jeder im Volk notwendig braucht im spatern Leben, aber nicht, was er mog- licherweise spater brauchen konnte. Auch soil die Volksschule unter keinen Um- standen fiir die Hochschule vorbereiten, sondern umgekehrt, die Hochschule soil sich den Volksschulen anpassen und fort- fahren, wo diese aufhoren. Kaum 5 Prozent von alien Schiilern, die durch die Schulen gehen, treten spater in die Hochschulen ein, da ist es doch unsinnig, den Lehrplan zu Gunsten der Hoch- schulen auszulegen. Ich bezweifle iiber- haupt noch, ob man die Stadt verpflich- ten konne, unentgeltlichen Unterricht fiir alle Schiller in den Hochschulen einzurichten, sondern glaube, dass die meisten Burger, die ihre Kinder dahin schicken, auch dafiir bezahlen konnten. Aber dazu soil die Stadtverwaltung ge- zwungen werden, geniigend Raumlichkei- ten fiir die Volksschulen zu schaffen. Also fort mit den alten Baracken, diesem Notbehelf, fort mit den alten untaug- lichen Schulhausern. Erst sollten ge- niigend Raumlichkeiten geschaffen wer- den fiir die Kleinen, ehe man an die Er- richtung neuer Hochschulen denkt. Es ist doch traurig, wenn Eltern klagen, dass ihre Kinder wegen Raummangel in der Schule keine Aufnahme finden. Das sollte doch vermieden werden.

Eine andere Schwierigkeit ist die Hast und die Eile, womit man die Schiller durch die Grade zu treiben sucht. Ein Jahr scheint den meisten zu lange zu sein; in 5 6 Monaten glauben manche Lehrer dies fertig bringen zu konnen. Da wird denn vieles nur recht ober- flachlich getrieben und nicht griindlich genug, auch nicht oft genug wiederholt. Man geht in die Breite und in die Hohe im Unterricht und nicht in die Tiefe. Wir Lehrer bemerken oft, wenn Schiller zwei Jahre in einem Grade bleiben, wie ihnen dann erst recht das Verstandnis von den meisten Dingen aufgeht. Nur sehr wenige Kinder, und zwar nur iiu- sserst begabte, sind imstande die Grad- arbeit in weniger als einem Schuljahre zu absolvieren. A. W.

II. Umschau.

Ein Urteil lifter ,,child-study." Das ,Western School Journal' bringt folgende editorielle Notiz, die wir mit Genugtuung wiedergeben : ,,The abstraction known as child-study is fading away. The child- study which has been with us since the day that Moses floated in his ark of bul- rushes is still here, and is likely to be here long after we have passed away."

Die amerikanischen Universitaten ha- ben zusammen ein jahrliches Einkommen von gegen 21 Millionen Dollars. Die Harvard-Universitat allein hat $2,300,- 000, die Columbia-Universitat $1,600,000, die Cornell-Universitat $900,000. Und wie knapp geht es manchmal in den Volksschulen zu !

Die technischen bchulen Europas im Vergleich zu den unseren. Die Professo- ren William L. Pufter und E. F. Miller vom technologischen Institut von Massa- chusetts waren im vorigen Schuljahre beurlaubt, um die Unterrichtsmethoden und die Ausstattungen der technischen Schulen Europas kennen zu lernen. Ih- rem Berichte entnehmen wir einige auch fiir unsere Leser interessante Notizen:

In England sind die technischen Schu- len sehr mangelhaft ausgestattet, jeden- falls haben ihre Laboratorien nicht mit der Zeit Schritt gehalten. Die deut- schen Schulen dagegen sind zum gross- ten Teile mit vorziiglichen Laboratorien versehen. Die Versuchsstation zu Char- lottenburg ist wohl die beste der Welt. Sie wird auch von der deutschen Regie- rung beniitzt, und schon manche fiir die Entwickelung der Technik wichtige Ex- perimente sind dort gemacht worden. Das Laboratorium zu Dresden steht dem in Charlottenburg nicht nach, und viele andere Schulen Deutschlands halten ei- nen Vergleich mit den besten derartigen Instituten unseres Landes aus. Auch Zurich besitzt ein ausgezeichnetes Labo- ratorium. Die Unterrichtsmethoden an alien diesen Schulen unterscheiden sich nicht von den an unseren Schulen ge- brauchlichen.

Chicago. Eine Typhus-Epidemie in der Stadt hat den Schulrat Chicagos ver- anlasst, in alien den Schulen, in welchen die Vorrichtungen zum Filtrieren des Wassers fehlen, die Wasserleitungen zu schliessen; und die Kinder sind nun ver- pflichtet, ihren Bedarf an Trinkwasser, das in der Regel gekocht ist, von Hause nach der Schule mit zubringen. Es ist ein interessantes Schauspiel, am Morgen Tausende von Schulkindern mit ihren

Blechkannen, Feld- und anderen Fla- schen nach der Schule wandern zu sehen. In der ,,Lee Park"-Schule im Hanover- Township, Pa., erklarten die Schiller dem Prinzipal J. W. Pate, dass sie die Schule verlassen wiirden, falls er nicht vier Knaben, deren Vater trotz des Streikes in den Kohlenminen arbeiten, aus der Schule entfernte. Da der Prinzipal sich weigerte, dies zu tun, f iihrten die Schiller die Drohung aus, und stiirzten mit In- dianergeheul auf die Strasse; nur 31 der Schiller blieben zuriick, die dann auch von dem Prizipal entlassen wurden.

In Boston stehen die Vorsteher der Departements fiir Zeichnen, i'ranzosisch, Deutsch, Gesang und Turnen im Gehalt auf gleicher Stufe mit den Prizipalen der Grammarschulen ($3000), wahrend ihre Assistenten den gleichen Gehalt mit den ersten Assistenten der genann- ten Schulen erhalten.

Prof. Leopold Bahlsen von der Univer- sitat zu Greifswald hat einen Ruf nach dem mit der Columbia-Universitat zu New York in Verbindung stehenden ,Teachers' College' angenommen, um dort zwei Vorlesungskurse iiber die Praxis des modernsprachlichen Unterrichts zu erteilen.

Deutschland. In Berlin wird Ernst gemacht mit der Reform im Zeichenun- terricht. Nach einem neuen Lehrplan haben die Kinder auf der Unterstufe ausschliesslich mit Kohle, Kreide oder Farbstift auf Packpapier Gegenstande ih- rer Umgebung und des taglichen Ge- brauches frei aus dem Gedachtnis wieder- zugeben. Im vierten Schuljahr beginnt das Zeichnen nach Gegenstanden, sowie Pinseliibungen. Auf der Oberstufe tritt die Beriicksichtigung der perspektivi- schen und Beleuchtungserscheinungen neu hinzu. Skizzieren mit Bleistift und Pinsel gehen nebeneinander her. Orna- ment- und Linearzeichnen sind ausge- schlossen; das letztere wird dem Unter- richt in der Raumlehre zugeteilt.

Mit Prof. Rudolf Virchow ist einer der grossten Forscher und Lehrer Deutsch- lands nicht nur, sondern der ganzen zivi- lisierten Welt dahingegangen. Seine Ver- dienste um die Wissenschaft werden gegenwartig allenthalben gebiihrend ge- feiert. Aber er griff weit hinaus iiber den engen Rahmen seines Faches und hielt es fiir seine Pflicht, am Staats- und Gemeindeleben lebhaften Anteil zu nehmen. An der Fb'rderung der Volks-

Verntiscbtes.

327

war er fortgesetzt beteiligt. Es sei nur auf die von ihm und Holtzendorff und spater Wattenbach herausgegegebene Sammlung gerneinverstandlicher Vortra- ge hingewiesen.

Professor Dr. Wundt, der hervorragen- de Physiolog und Psycholog, feierte am 16. August d. J. seinen 70. Geburtstag. Allen Ehrungen entzog sich der beschei- dene Gelehrte durch Weggang von Leip- zig. Die Stadt Leipzig ernannte ihn zu ihrem Ehrenbiirger.

Damit die Augen der Kinder nicht geschadigt werden, hat die stadtische Schulaufsichtsbehb'rde in Berlin be- schlossen, dass in den neueinzufiihren- den Schulbiichern die Buchstabenhohe nicht weniger als 1% nim und der Ab- stand zwischen 2 Linien nicht weniger als 2y2 mm betragen darf.

Der Lehrer R> aus Slanin in Posen ist seines Amtes entsetzt worden, weil er in einer Gesellschaft u. a. geaussert hatte: ,,Wenn es gegen die Deutschen losgeht, so bin ich einer der ersten, wel- cher die Sense in die Hand nimmt."

Welcher Oeist in den osterreichischen Schulen jetzt herrscht, beleuchtete Ab- geordneter Seitz an einigen Beispielen, die wirklich zu denken geben. ,,In ei- nem schonen Gedicht von Gb'rres wird geschildert, wie Kaiser Rudolf von Habs- burg eines schonen Tages Wasser aus einem Kruge trinken will. Als er hort, dass seine Leute dieses Wasser den Schnittern, die auf einem Felde arbei- teten, geraubt haben, giebt er es zuriick, wobei ihn der Dichter sagen lasst:

,,Nimmer soil den Durst mir stillen,

* Was sie gaben wider Willen.

Bei der Ehre meiner Krone

Gebt zuriick der Armen Gut.

Keinen Tropfen mag ich kosten,

Brennt wie Feuer auch mein Blut.

Wenn beraubt die Armen diirsten,

Ziemt zu trinken nicht dem Fiirsten.

Diese letzte Strophe, die Pointe des ganzen Gedichtes, hat man in dem oster- reichischen Lesebuch fur Volksschulen einfach weggestrichen. In einem Lese- buch aus dem osterreichischen Schul- biicherverlag, ebenfalls geuehmigt vom Ministerium, wird die Geschichte: ,,Wie Karl der Grosse Schulvisitation hielt" erzahlt. In diesem Gedichte lautet die Pointe : ,,Und wie's der grosse Kaiser hielt, so

soil man's allzeit halten, Im Schulhaus mit dem kleinen Volk, im

Staate mit den Alten; Den Platz nach Kunst und nicht nach

Gunst, den Stand nach dem Verstand. So steht es in der Schule wohl und gut

im Vaterland ! "

Diese Pointe hat man wieder gestri- chen, ,,nur, damit unsere Kinder ja nicht erfahren, dass es in Oesterreich besser stande, wenn der Platz nach Kunst und nicht nach Gunst ware und der Stand nach dem Verstande", bemerkte der ge- nannte Abgeordnete mit begreiflicher Bitterkeit. ,,Das geht ja noch iiber den verschwundenen ,,Onkel" in dem scho- nen Liede ,,In einem kiihlen Grunde" und iiber die Ausmerzung der Stelle von ,,der schonen Zeit der jungen Liebe" aus aem Liede von der Glocke", bemerkt hierzu der Umschaumann der ,,Deutschen Schu- le", der diese Notiz entnommen ist.

III. Vermischtes.

Die neue Orthographic. ,,Th". Bei deutschen Wortern, Kinder wisst, ,,Th" nicht mehr gebrauchlich ist! Also lautet das Gebot: Nur mit ,,t" schreibt Hut und Not. Tiir und Tor undTurm und Tat, Tr&ne, Tran und rot und Rat, Met und Teer und Teil und turn, Ob Kaiser- oder Bettlertum, Wie auch der Topfer, Komponist Im Ton ein und derselbe ist. Viel kleiner wird ein Ungefiim, Denn seht, das ,,h" jetzt fehlet ihm, Wo schwindet auch der Tiere Wut, Des Wassers Flut, des Feuers Olut, Der kleinste Tropfen Tau im Tal Blinkt ohne ,,h" jetzt auf einmal, Die alte Zeit wird wieder Jung,

Doch liebst duTeef Ei, sieh' nur: ,,Ja!" Denn es nimmt ab die Teuerung, Man trinkt ihn mit und ohne ,,h"! Doch eines, Kind, sei festgesetzt: DerThron bleibt immer unverletzt, Riittle nie und nie daran, Du warst ein schlechter Untertan! Louise Grossmann. ( Deutsch-6sterr. Lehrerztg. )

2 + 3 ist filnf. Professor Dr. E. Schroder in Karlsruhe sagt in seinen ,,Vorlesungen" : Es muss als ein wahrer Verderb bezeichnet werden, wenn im Un- terricht der Lehrer sagen lasst: ,,2 + 3 sind 5", welches bedeutet: 2 ist 5, des- gleichen 3 is 5. Der Satz enthalt zwei Fehler, indem das Bindewort ,,und"

328

P'ddagogiscbe Monatshefte.

fiir das arithmetische Operationszei- chen plus gesetzt erscheint. Dies gin- ge aber noch an mit Riicksicht auf den von der Bequemlichkeit der Aussprache beherrschten Sprachgebrauch. Gar nicht zu rechtfertigen 1st aber die Pluralform der Kopula. 2 und 3, verstanden als die Summe 2 + 3, ist eine einzige Zahl, und diese (,,sind" nicht, sondern) ist (gleich) 5. (Pad. Ztg.)

Wie die Kinder lernen: Mit dem ,,Veilchenbogen" Durch Gebirg und Tal etc. O Tannebaum, o Tannebaum, Wie ,,grinsen" deine Blatter. Anschauungsunterricht nach neuem Mu- ster. . Eine angloamerikanische Schul- zeitung brachte vor kurzem die nach- stehende ,.0ral Lesson".

Lehrer: ,,Was ist das, was ich euch jetzt zeige?"

Schiiler: ,,Ein Tischtuch."

Nun folgen der Reihe nach: Form, Farbe, geometrische Figuren, Farbenleh- re, Schottland, England, Irland und ihre

Embleme, Leinwand, Hanf, Flachs, We- berei, Spinnerei, Arbeit und Lohn, Stri- kes, Frankreich, Belgien, Holland, Russ- land, Studium von Latein und Griechisch, Seereise nach Irland, Flachsbrechen, Diln- ger, Posphatfabriken, Livingstone, Lein- wandbleichereien ; Weiss, die Farbe der Unschuld; Nutzanwendung, wie folgt:

,,Im Laufe unseres Gespraches, mit aem ich die innersten Regungen meines Her- zens gegen euch verwoben habe, wurde in mir der Wunsch lebendig, dass das Leben eines jeden einzelnen unter eu. i, sich gestalten moge zu einem schonen, niitzlichen, wertvollen Gewebe; und dass, wenn das fertige Produkt in seiner gan- zen Reinheit der Priifung des Meisters unterworfen wird, es sichtbarlich an sich trage einen schonen Lebenszweck, ent- sprungen einem dem Schopfer alles Gu- ten und Schonen zu verdankenden gott- lichen Gedanken: Lasset uns die Augen schliessen und seinen Namen in niedri- ger Ehrfurcht murmeln."

Alle: ,,Gott!" X.

Eingesandte Biicher.

Seen by the Spectator. Being a selec- tion of Rambling Papers first printed in the The Outlook, under the title The Spectators. New York, The Outlook Co., 1902. Price $1.00.

The Philippines. The First Civil Gov- ernor by Theodore Roosevelt. Civil Gov- ernment in the Philippines by William H. Taft, Civil Governor of the Philip- pines. New York. The Outlook Co. 1902. Price $1.00.

Die Anschaulichkeit des Geographi- schen Vnterrichtes. Ein Beitrag zur Methodik dieses Gegenstandes von Hans Trunk, Vierte ganzlich umgearbeitete Auflage. Wien, Carl Graeser & Co.,/ Leipzig, B. G. Teubner. Preis geh. M. 3.40, geb. M. 4.

Immensee von Theodor Storm- With introduction, notes, vocabulary and Eng- lish exercises byDr. William Bernhardt. Revised Edition. Boston, D. C. Heath & Co. 1902.

Lessing's Minna von Barnhelm oder das Soldatenglnck. With introduction, notes, and vocabulary by Charles Bundy Wilson, A. M., Professor of German Lan- guage and Literature in the State Uni- versity of Iowa. New York, D. Apple- ton and Co. 1902.

Deutsche Erde. Beitrage zur Kennt- nis deutschen Volkstums allerorten und allerzeiten. Herausgegeben von Prof. Paul Langhans. Jahrlich 6 Hefte. Gotha, Justus Perthes. Preis 6 M.

Der Marchenprinz. Festspiel fiir die Jugend von Franz R. Willkomm, Biirger- schullehrer. In Musik gesetzt fiir ein- und zweistimmigen Chorgesang nebst Solis, Recitativs etc. Mit Begleitung aes Pianoforte von Gustav Kny. Ober- lehrer. Bestellungen bei F. R. Will- komm, Warnsdorf, und Gustav Kny in Neukreilitz an der Bb'hmischen Nord- bahn. Preis 8 K.

Padagogische Monatshefte

PEDAGOGICAL MONTHLY.

Zeitschrift fur das deutschamerikanische Schulwesen.

Organ des

Nationalen Deutschamerikanischen Lehrerbundes.

Jahrgang III. November 1902. Heft 10

An unsere Abonnenten.

Den Abonnenten der Padagogischen Monatshefte gestatten wir uns hierdurch mitzuteilen, dass wir leider gezwungen worden sind, mit Be- ginn des neuen Jahrgangs den jahrlichen Bezugspreis der Zeitschrift auf $1.50 zu erhohen. Wir machen dadurch Gebrauch von der uns durch einen Beschluss des Lehrertages zu Detroit gegebenen Erlaubnis.

Die Grunde, die uns zu diesem Vorgehen bestimmten, anzugeben, davon diirften wir hier abstehen, da wir dem Lehrertage eine eingehende Darlegung der finanziellen Lage des Blattes unterbreiteten, und wir ver- weisen darum nur auf die diesbeziiglichen Verhandlungen, wie sie in Heft 8 und 9 des laufenden Jahrganges aufgezeichnet sind.

Dass wir nach wie vor unsererseits alles versuchen werden, die P. M. zu fordern und sie zu einem wirksamen Organ der Lehrer des Deut- schen, der deutschamerikanischen Lehrerschaft und des deutschamerika- nischen Lehrerbundes, sowie des gesamten Schulwesens zu machen, be- darf gewiss unsern Lesern gegeniiber keiner besonderen Versicherung. Wir ersuchen dieselben aber unsererseits, das Interesse fur die Zeitschrift uns zu erhalten und auch in immer weitere Kreise zu tragen, um ihr da- durch die ? ili iilinij7«uj nlrilirn die uns bei ihrer Griindung vor Augen

stand.

Die Herold Co.

Editorielles.

W. H. Weick t. Wiederum hat der unerbittliche Tod einen unserer Besten mit rauher Hand von uns gerissen. Noch vor kaum vier Mona- len beteiligte sich Freund Weick in voller geistiger und korperlicher Fri- sche am Lehrertage in Detroit. Und nun, wahrend unsere Leser an ande- rer Stelle dieses Heftes noch den Schluss des damals von ihm gehaltenen Vortrages finden werden, ist er selbst von uns gegangen, und ein Hauf- lein Asche ist alles, was uns von seiner korperlichen Hiille geblieben ist.

Mit Weicks Hinscheiden ist eine grosse Liicke in unsere Reihen ge- rissen. Wo auch immer das deutschamerikanische Geistesleben sich of- fenbarte, da fanden wir den Verstorbenen als Mitarbeiter, Heifer oder Berater. Der von seinem langjahrigen Freunde und Mitarbeiter ver- fasste Nachruf gibt uns ein lebendiges Bild von seiner vielseitigen Tatig- keit. Mitten in derselben, wahrend einer Arbeit fiir dieses Blatt, der er sich auf unsere Bitte unterzogen hatte, ereilte ihn der Tod.

Wenn seine hinterbliebene Gattin und Kinder etwas trosten kann, so sei es der Gedanke, dass jetzt viele und nicht die schlechtesten der deutsch- amerikanischen Lehrerschaft als Freunde um ihren Toten trauern, denen er ein allzeit zur Hilfe bereiter Kollege und Freund, Ratgeber und For- derer ihrer Sache war ; und, wo man die Errungenschaften des deutschen Geistes in unsern Schulen verfolgen wird, da wird auch der Name Weicks in Ehren genannt werden.

Nachruf.

W. H. Weick ist tot. Am 14. Oktober wurde er, der Besten einer, vom uner- bittlichen Schnitter hinweggerafft. Bei der Arbeit, inmitten seiner ihm so lieben Biicher, traf ihn ein Herzschlag, ein leichtes, beneidenswertes Dahinscheiden, wie schwer es auch seine Familie und seine vielen Freunde getroffen. Was Weick der deutschamerikanischen Lehrerschaft gewesen ist, bedarf an dieser Stelle keiner Aus- einandersetzung. Als einer der Griinder des deutschamerikanischen Lehrerbundes und regelmassiger Teilnehmer an den Tagsatzungen desselben; als Mitglied der Prii- fungskommission des deutschamerikanischen Lehrerseminars ; als immer bereiter Redner, wenn es gait padagogische Fragen zu erortern; als Verfasser von Lehrbii- buchern hat er sich einen Namen gemacht und in weiten Kreisen Achtung errun- gen. Ein pflichtgetreuerer, gewissenhafterer Kollege, ein eifrigerer Sucher nach fort- wahrender Weiterbildung in seinem Fache sowohl, wie auf alien Gebieten des Wis- sens; ein besserer Strebensgenosse und Kamerad wird uns so bald nicht erstehen. Fiir Cincinnati und den Staat Ohio aber hat er noch mehr getan. Als im Jahre 1889, nachdem in St. Louis auf dem Gebiete des deutschen Unterrichts die jammer- voile Katastrophe eingetreten war und man auch hier anfing, sich mit dem Gedan- ken einer durchaus nicht wiinschenswerten und die Abschaffung des deutschen Un- terrichts allmahlich einleitenden Anderung desselben zu tragen, da war es wieder Weick, der unentwegt mit Wort und Schrift auf dem Plane stand und nicht nur schliesslich die Griindung des heute 245 Mitglieder zahlenden deutschen Lehrervereins von Cincinnati durchzusetzen wusste, sondern auch, zusammen mit Krug-Cleveland,

Editorielles. 331

noch in demselben Jahre die deutschen Lehrer Ohios dahin brachte, einen deutschen Staatslehrerverein ins Leben zu rufen. In diesen beiden Vereinen hat er wiederholt Ehrenstellen bekleidet und ist immer mit Rat und Tat eingesprungen, wenn es not tat. ,,Tenax propositi" so kann man unseren lieben Toten am besten bezeichnen: durch- fiihren, was er sich einmal vorgenommen, mit seltener Ausdauer und Geduld sei- nem fiir richtig erkannten Ziele zusteuern, ungehindert durch scheinbare, anfang- liche Misserfolge. Daher mag wohl selten ein Kollege unter aufrichtigerer Trauer zur letzten Ruhe geleitet sein wordeji als Weick.

Aus dem Lebenslaufe des Dahingeschiedenen sei erwiihnt, dass er im Jahre 1841 in Wiirttemberg geboren wurde und, nach Erlangung der notigen Vorkenntnisse, auf dem Seminar zu Esslingen sich zum Volksschullehrer ausbildete, jedoch, nach kurz- zeitiger Lehrtatigkeit in Wildbad, schon in den sechziger Jahren auswanderte und sich in Newark, N. J., niederliess, wo sein Bruder bereits ansassig war. Der eng- lischen Sprache nicht machtig, verdiente er einige Jahre lang seinen Unterhalt als Drechsler, trat aber dann als Lehrer in der Greenstreet-Schule ein. In der Folge vermahlte er sich mit der Witwe seines inzwischen gestorbenen Bruders und bekam eine Anstellung^als Lehrer bei einer protestantischen Gemeinde in Buffalo, N. Y., unter Pastor Dr. G. A. Zimmermann. Sodann wurde er Supervisor des deutschen Unterrichts in den offentlichen Schulen von Buffalo, war kurzzeitig Schulsuperin- tendent in Tonawanda, N. Y., und bekam endlich im Jahre 1883 eine Anstellung als deutscher Oberlehrer zu Cincinnati. Als solcher wirkte er ununterbrochen bis zu seinem Tode, und da haben wir ihn schatzen gelernt als einen Mann in des Wortes schonster Bedeutung. Und als solchen rufen wir ihm heute zu:

,,Wer, wie Du, gewirkt zu seiner Zeit, Der lebet fort in Ewigkeit."

Constantin Qrebner.

Mit vorliegender Nummer schliesst der III. Jahrgang der Padagogi- schen Monatshefte, und wir hoffen, dass wir unsern Lesern wenn nicht immer, so doch mitunter Lesestoff geboten haben, der ihnen zur Anre- gung in ihrer Berufsarbeit, vielleicht auch uber dieselbe hinaus, zur Un- terhaltung und Belehrung gedient hat.

Der zum Abschluss kommende Jahrgang birgt in sich eine grosse Menge gewissenhafter Arbeit und ernsten, enthusiastischen Strebens, und wir danken von ganzem Herzen unseren Mitarbeitern fur ihre rastlose Tatigkeit und bitten sie, tins auch in der Folgezeit treu zu bleiben. Der Wert einer Zeitschrift hangt zum grossten Teile von ihren Mitarbeitern ab; denn aus je weiteren Kreisen dieselben sich rekrutieren, desto inni- ger wird das geistige Band, welches eine Zeitschrift und ihre Leser ver- binden soil. Darum ist es auch von der grossten Wichtigkeit, dass zur Unterstiitzung und zum Ersatz der Miiden und Ruhebediirftigen der Mitarbeiterkreis fortwahrend erweitert werde, und wir bitten alle, die sich hierzu berufen fuhlen, sich anzuschliessen.

Jeder Lehrer der es ernst mit seinem Beruf meint, strebt vorwarts; nichts ist fiir die Schularbeit gefahrlicher, als wenn sie zum Mechanis- mus sich gestaltet, als wenn der Schulkarren im langst ausgefahrenen

332 Padagogiscbe Monatsbefte.

Geleise jahraus, jahrein dahinfahrt. Mag auch nicht alles, was wir bie- ten, die Billigung unserer Leser finden, so regt es doch zum Nachdenken an und hilft den Mechanismus beseitigen. Es ist uns von einigen unse- rer Leser, bezw. Leserinnen der Vorwurf gemacht worden, nicht genii- gend Material fiir die tagliche Schularbeit zu liefern. Nun, ganz abge- sehen davon, dass dies schon des beschrankten Raumes wegen nicht ge- schehen kann, so haben wir von unseren Lesern eine viel zu hohe Mei- nung, als dass wir ihnen zumuten wurden, einen bis ins kleinste zurecht- gelegten Lehrstoff nachzubeten. Wir bringen Lehrproben, Winke und Beobachtungen und uberlassen es dem denkenden Lehrer, aus denselben das fur seine Schularbeit zu ziehen, was er fiir seine Verhaltnisse fiir an- wendbar halt.

Sollen wir nun ein Klagelied singen iiber die geringe Leserzahl un- seres Blattes? Es ginge uns dann wohl, wie dem Prediger, der bei einem besonders schlechten Kirchenbesuch dariiber eine Philippika loslasst und damit doch nur seine Getreuen trifft, anstatt die Kirchenschwanzer. Ja, wenn wir uns an die grosse Anzahl der Lehrer und Lehrerinnen des Deutschen in unseren Schulen wenden konnten, die nicht Leser unseres Blattes sind, wir wurden mit unseren Vorstellungen nicht hinterm Berge halten, wir wurden ihnen zu Gemiite fiihren, wie wichtig um ihrer selbst willen und um der Sache willen, der zu dienen sie berufen sind, die Auf- rechterhaltung eines Organes ist, das ihre Interessen vertritt. So bleibt uns nur iibrig, unsern Getreuen gegenuber die Bitte zu wiederholen, in ihren Kreisen fiir die Verbreitung der P. M. zu arbeiten.

Wie an anderer Stelle durch die Verlagsfirma mitgeteilt wird, ist der Bezugspreis vom i. Dezember an erhoht worden. Diese Erhohung musste geschehen, um die betrachtlichen Herstellungskosten des Blattes zu decken ; auf einen pekuniaren Gewinn aus demselben hatte die Herold Co. ja von vornherein verzichtet. Sollte den Lehrern des Deutschen dieser geringe Betrag wirklich zu viel sein, den sie fiir ein Unternehmen leisten sollen, das ihnen so gern dienen mochte, wenn sie nur die Hand dazu boten?

M. Q.

Der erste Sprachunterricht auf anschaulicher Grundlage.

Vortrag, gehalten vor dem 32. Lehrertage zu Detroit.

Von W. H. Weick, f, Cincinnati, O.

(Schluss.)

In Deutschland, wo, wie schon bemerkt, mehr alte und moderne Spra- chen gelehrt werden, als in irgend einem anderen Lande der Welt, erscholl vor etwa 20 Jahren der Ruf : Der Sprachunterricht muss umkehren ! Man klagte iiber Uberbiirdung der Jugend, sowie uber die geringen Erfolge beim fremdsprachlichen Unterricht. Trotzdem viele neue Methoden er- schienen, um nach kurzer Zeit wieder von der Bildflache zu verschwinden, so sind doch manche Fortschritte im neusprachlichen Unterrichte wahrend der letzten zwei oder drei Jahrzehnte zu verzeichnen. Als allgemeines Ferment wirkte hier, sowie in anderen Fachern unstreitig die Herbart'sche Padagogik, die in den siebziger Jahre anfing, eine starke Verbreitung zu finden. Sie notigte zu einer strengeren Priifung der psychologischen Grundlagen des Unterrichts und drangte naturgemass zu der Frage, ob das bisherige Verfahren im Sprachunterricht der seelischen Beschaffen- heit des Lernenden angemessen sei.

Zwei Wege gibt es hauptsachlich, die von der neueren Methode auf dem Gebiete des Sprachunterrichts eingeschlagen werden. Man kann sie kurz mit dem Namen ,,Lesebuchmethode" und ,,Anschauungsmethode" bezeichnen. Die erstere, die Lesebuchmethode, hat bis jetzt die grossere Verbreitung gefunden. Sie legt dem Unterricht ein zusammenhangendes Lesestiick zu Grunde. Dieses wird in Frage und Antwort, in Umformung und freier Wiedergabe so lange durchgearbeitet, bis der Schiiler es sich wirklich innerlich assimiliert hat. Nach dieser Methode wird auch wohl in den meisten unserer amerikanischen Schulen, wo deutscher Unterricht erteilt wird, verfahren ; und dass man sehr erfolgreich mit ihr arbeiten kann, ist durch langjahrige Erfahrung erwiesen.

Ehe jedoch die Schiiler die ersten Lehrschwierigkeiten uberwunden haben und man ihnen ein Lesestiick in die Hand geben kann, miissen sie durch einen geeigneten Anschauungsunterricht dazu vorbereitet und be- sonders zum Sprechen angeleitet werden. Man kann die Anschauungs- methode nicht n e u nennen, hat es doch schon in alterer Zeit seit Comenius nicht an Vertretern gefehlt. So werden auch heute den Lehren des Comenius entsprechend Anschauungsmittel in den Kreis des fremdsprach- lichen Unterrichts gezogen (denn eine fremde Sprache ist das Deutsche fur etwa 90 Prozent meiner Schiiler). Durch dass sinnliche Mittel der

334 P'ddagogischt Monatsbeftt.

Anschauung wird die Aneignung der fremden Sprache kraftig unter- stiitzt, gibt den Sprechiibungen eine sichere Grundlage und einen realen Inhalt, der miihelos zur Verfiigung steht.

Ihrem Objekte nach lasst sich eine doppelte Anschauung unterschei- den, die unmittelbare und die mittelbare. Die unmittelbare Anschauung legt den Sprechiibungen das zu Grunde, was dem Lernenden am nachsten liegt im Schulzimmer und in seiner Umgebung in der Stadt. Unsere Schulzimmer sind zwar, verglichen mit dem Wohnzimmer, etwas kahl und armlich ausgestattet, immerhin bietet aber auch das Schulzimmer man- cherlei Anschauungsstoff dar, der sprachunterrichtlich verarbeitet und von der allerersten Stunde an zu Sprechiibungen, wenn auch in bescheidenster Art, verwandt werden kann: Bankpult und Wandtafel, Wischer und Kreide, Tur und Fenster, Buch und Heft, Bleistift und Feder, dazu natiirlich auch der menschliche Korper und seine Teile, sowie die Klei- dung. Fur eine abstrakte Betrachtung mag es trivial erscheinen, solchen Stoff in Frage und Antwort zu verwerten, es ist dies aber doch ein durch- aus naturgemasses und psychologisch-richtiges Verfahren, bei dem die Sprachbildung in ahnlicher Weise vor sich geht, wie wenn das Kind seine Muttersprache lernt. Hier sind die fremden Worte nicht leerer Schall, sondern haben einen sinnfalligen Inhalt. Hier findet eine enge und feste Verkniipfung des Wortes mit dem zu ihm gehongen Begriffe statt, innige Vermahlung von Stoff und Form, ohne das storende Dazwischentreten der Muttersprache. Das fremdsprachliche Wort geht hier in gerader und kiirzester Linie zum Begriffe, ohne den Umweg durch das mutter- sprachliche Wort zu nehmen und haftet infolgedessen mit ganz anderer Festigkeit im Geiste des Schulers. Bei solchen Verfahren haben die Satze, in denen die Vokabeln auftreten, einen realen Inhalt, der sich unmittelbar dem Verstandnisse anschliesst. Da gibt es kein mechanisches Vertau- schen des deutschen Wortes mit dem englischen.

Aber nicht bloss die obengenannten Dinge lassen sich als Objekte unmittelbarer Anschauung im neusprachlichen Unterrichte benutzen; einem aufmerksamen Beobachter bietet sich daneben noch manches andere dar. Wer z. B. dem Schuler die Gelegenheit gibt, die Farbenadjektive in direkter Verbindung mit den gleichzeitig angeschauten Farben selbst zu lernen, also ,,griin" z. B. unter Hinweisung auf ein grimes Buch oder auf die griinen Blatter eines Baumes, ,,blau" unter Hinweis auf eine blaue Halsbinde, ,,schwarz" in Verbindung mit der Tinte, der erleichtert dem Schuler das Behalten der neuen Worter ganz wesentlich, weit mehr, als wer sich begniigt, zu sagen : schwarz heisst black, blau heisst blue u. s. w. Ebenso lasst sich das Steigern des Eigenschaftsworts ganz .ohne Zuhilfe- nahme der Muttersprache dadurch behandeln, dass man vor den Augen der Kinder zwei oder mehrere Gegenstande von verschiedener Grosse

Der erste Spracbunterricht auf anscbaulicber Grundlage. 335

zusammenstellt und in der neu zu erlernenden Sprache vergleicht. Dass sich die Zahlworter sehr zweckmassig in Verbindung mit konkretem An- schauungsmaterial einiiben lassen, ist allgemein bekannt. Dasselbe gilt von den personlichen, hinweisenden und besitzanzeigenden Fiirwortern, die bei rein grammatikalischer Behandlung bekanntlich grosse Schwierig- keiten machen. Nicht minder ist die unmittelbare Anschauung fur das Einpragen der gebrauchlichsten Prapositionen zu verwerten ; man braucht nur die durch Prapositionen ausgedriickten raumlichen Verhalt- nisse herzustellen, oder wenn sie schon vorhanden sind, zu benutzen, urn eine treffliche Stiitze fur das Einpragen dieser Worter zu gewinnen.

Auch auf dem Gebiete des Tatigkeitswortes ist Gelegenheit fur direkte Sprachbildung unter Anwendung der unmittelbaren Anschauung vorhanden, ganz ohne Vermittlung der Muttersprache. Natiirlich ist hier vor allem an die zahlreichen Verjen zu denken, die eine Handlung ausdriicken. Man braucht nur die entsprechenden Handlungen unter gleichzeitiger Benennung der Handlung in der zu erlernenden Sprache auszufuhren oder ausfiihren zu lassen, so hat man einen Grund fur feste Apperzep*:ion dieser Verben gelegt, und der Schiller wird dann dieselbe Handlung, wenn sie sich wieder vor seinen Augen abspielt, auf eine an ihn in der neu zu erlernenden Sprache gerichteten Frage auch in der deutschen Sprache richtig bezeichnen.

Wenn die unmittelbare Anschauung auf der ersten Stufe der Sprach- erlernung eine wichtige und ganz unschatzbare Rolle spielt, so soil damit natiirlich nicht gesagt sein, dass man auf den oberen Stufen darauf ver- zichten soil. Im Gegenteil, man kann nur empfehlen, sie bis oben hinauf zu verwenden, so oft sich Gelegenheit dazu bietet.

Es ist nun aber offenbar, dass die unmittelbare Anschauung allein fur das schulmassige Erlernen einer fremden Sprache nicht ausreicht; gewisse Gegenstande kann man ja in unsere Klassen behufs Vornahme von Sprachiibungen bringen, aber das hat natiirlich seine Grenzen. Und da man anderseits mit der Klasse nicht gut hinauswandern kann in die Welt zum Zwecke des Sprachunterrichts, so wird man darauf bedacht sein miissen, die Welt in der Form des Bildes in die Klasse hereinzuziehen. So tritt der unmittelbaren Anschauung als zweckmassige Erganzung die m i t- t e 1 b a r e zur Seite, die durch das Bild geboten wird.

Die Verwendung des Bildes im Dienste des modernen Sprachunter- richts hat in neuerer Zeit eine ziemliche Verbreitung gefunden, eine Er- findung unserer Tage ist sie jedoch nicht. Schon Amos Comenius wusste, dass ,,die Knaben stracks von ihrer Jugend an sich an Gemalden belusti- gen und die Augen gerne an solchen Schauwerken weiden ; wer aber zu- wegen bringt, dass von dem Wurzgartlein der Weisheit die Schrecksachen hinweg bleiben, der hat alles (sehr) Grosses geleistet." Er hatte eine

336 Padagogische Monatsbefte.

klare Erkenntnis von der padogogischen Tragweite des Anschauungs- prinzips, und sein Orbis pictus zeigt die praktische Anwendung dieser Er- kenntnis. Nicht minder wiirdigten Rousseau und besonders Pestalozzi den Wert des Anschauungsprinzips, und der letztere kannte sogar schon sehr deutlich die Bedeutung der sinnlichen Anschauung fur das Erlernen fremder Sprachen. Basedow machte die Anschauung in seinem Philan- thropin in Dessau zur Grundlage des Unterrichts, und in diesem Sinne vvurde auch das Franzosische dort gelehrt. Man weiss dies aus den von verschiedenen Seiten vorliegenden Berichten iiber das grosse offentliche Examen, das Basedow im Mai 1776 mit seinen Zoglingen veranstaltete, und zu dem eine Reihe hervorragender Manner Deutschlands und der Schweiz eingeladen worden waren. Bei diesem Examen wurde auch franzosisch gepriift, und als Grundlage der Sprechiibungen diente ein vor der Klasse aufgehangtes Friihlingsbild. Professor Schummel, der in Fritzens Reise nach Dessau ausfiihrlich iiber das Examen berichtete, spricht sich sehr anerkennend iiber die franzosischen Leistungen der Phi- lanthropisten aus, und ebenso Freiherr v. Rochow, der bekannte ,,mar- kische Pestalozzi". Das Verfahren hat sich also schon in alterer Zeit be- wahrt, es ist nur spater in Vergessenheit gekommen, und hat in unsern Tagen von neuem sozusagen wieder entdeckt werden mussen.

Seit den funfziger Jahren wurden verschiedene Versuche gemacht, den neusprachlichen Unterricht an Anschauungsbilder anzuschliessen. Ei- ner der ersten war Karl Griep in Hamburg, der seiner Anleitung zum Un- terricht im Franzosischen die Wilke'schen Bildertafeln zu Grunde legte. Ihm folgten noch mehrere, die dieselben Bilder benutzten, andere bevor- zugten die Strtibin'schen Bildertafeln. Was aber auch die Verdienste dieser Methodiker sein mochten, es gelang keinem, die allgemeine Auf- merksamkeit der Lehrer der neueren Sprachen auf das Verfahren zu len- ken. Zum Teil lag dies wohl an den verwendeten Anschauungsmitteln : die Bilder waren fur den Klassenunterricht durchweg zu klein ; zum Teil lag die Lehrerschaft noch zu sehr in dem Banne der grammatischen Methode. Erst musste die Reformbewegung eintreten, wie schon be- richtet wurde, und dann mussten Anschauungsbilder geschaffen werden, die fur den Klassenunterricht gross genug und in kiinstlerischer Hinsicht moglichst vollendet waren.

Im Jahre 1884 erschienen bei E. Holzel in Wien die vier Jahreszei- ten in Bildern fur den Anschauungsunterricht in den Elementarklassen. Sie waren von hervorragenden Schulmannern zusammengestellt und von einem namhaften Maler gemalt worden. Wegen ihrer reichen Stoffaus- wahl, wegen der natiirlichen Anordnung, wegen der kiinstlerischen Auf- fassung und Darstellung, sowie wegen der hinreichenden Grosse haben die Holzel'schen Wandbilder schnell Eingang in viele Schulen gefunden.

Der erste Spracbunterricht auf anscbaulicher Grundlage. 337

Ihrer Schonheit wegen sind sie auch dazu angetan, auf die asthetische Bildung der Schiiler vorteilhaft einzuwirken, und bringen farbenfrische, natiirliche Gruppen, die sich zur Besprechung, nicht nur in der Mutter- sprache, sondern auch in der fremden Sprache eignen. Sie sind eine Fundgrube des Wissens, der Unterhaltung und geistiger Anregung, und es wird unter ihrer Zuhilfenahme das Anschauungs- und Denkvermogen der Schiiler, sowie ihre Sprechfertigkeit wesentlich gefordert.

Das Verdienst, der erste gewesen zu sein, diese Wandbilder fur den franzosischen Unterricht zu benutzen, gebuhrt einem Landsmanne Pesta- lozzi's, dem schweizerischen Padagogen S. Alge. Nach erfolgreicher Durcharbeitung der Jahreszeitenbilder mit seinen Schiilern, veroffent- lichte er 1887 einen Leitfaden fur den ersten Unterricht im Franzosischen ; es ist ,,eine sehr tiichtige methodische Leistung, die nicht allein bei der Stoffbehandlung etliche Momente hochst wirksam zur Geltung bringt und sich nicht nur <an den Verstand, sondern auch an Herz und Gemut des Schulers wendet."

Auf Alge folgten in kurzer Zeit verschiedene andere moderne Sprach- lehrer und I.eitfaden fiir den franzosischen und englischen Sprachunter- richt, so dass jetzt ungefahr ein Dutzend fur das Franzosische und nicht viel weniger fiir das Englische im Felde sind. Unverkennbar geht daraus hervor, dass die Zahl der Anhanger dieser Methode im Wachsen begriffen ist, und dass die Zweckmassigkeit und Tragweite der Methode mehr und mehr erkannt wird.

Noch ist leider jene Richtung im Anschauungsunterrichte nicht ganz uberwunden, die mit grausamer Eindringlichkeit den Kleinen herzlich gleichgiiltige Dinge die Gabel, das Rad, das Bett zerfasert und durch umstandliche und moglichst vollstandige Besprechung aller Verhaltnisse und Dinge der Welt zu wirken sucht. Sie glaubt im Anschauungsunter- richt ein ganzes Konversationslexikon vrmitteln zu miissen. In dickleibi- gen Anleitungen findet der Lehrer eine Unmenge von Namen und Sachen, oft reine Fachausdriicke, ohne deren Kenntnis er Lehrer geworden ist, die er aber in die kleinen Kopfe pfropfen soil. Das Gemut muss bei einem so beschaffenen Anschauungsunterricht zu kurz kommen; aber auch die erhoffte Verstandesscharfung und Sprachbildung stellen sich nicht ein. Es fehlt eben das lebendige Interesse des Schulers, welches ihm das Lernen zur Freude macht und die Zunge lost; denn : ,,wes das Herz voll ist, des geht der Mund iiber".

Mit den Holzel'schen Bildern kann einfach der Lehrer nicht den so- eben geschilderten Anschauungsunterricht betreiben, sie zwingen ihn formlich, ,,den Anschauungsunterricht aus dem Bannkreise des trockenen Realunterrichts zu erlosen und mehr mit den Bediirfnissen des kindlichen Gemutes in Einklang zu bringen." Wie in diesem letzteren Sinne die

338 Padagogiscbe Monatshefte.

Bilder verwendet warden sollen, hat Jordan in seinen ,,Materialien fur den Anschauungsunterricht in den Elementarklassen" in geradezu treff- licher Weise gezeigt. Die vier Hefte, die jedem nicht dringend genug empfohlen werden konnen, der diese Bilder in seinen Klassen benutzen will, enthalten Stoff genug fur vier Schuljahre, bei der Zeit, wie sie uns deutschen Lehrern zugemessen ist.

Die deutschen Lehrer von Cincinnati konnen sich gliicklich schatzen, dass ihr Schulrat so viel Interesse fur den deutschen Unterricht in seinen Schulen gezeigt hat, diese vier Jahreszeitenbilder fiir die deutschen Klas- sen Cincinnatis anzuschaffen. Andere mogen diesem Beispiele folgen !

Allerlei.

(Aus ttnsern Wechselblattern.)

Kleinigkeiten. 1. Vor gewissen iiblen Angewohnheiten moge sich der Lehrer unausgesetzt hiiten. So vor dem stereotypen Wiederholen der Antwort des Schiilers und vor regelmassigem Hinzufiigen, wie ,,richtig", ,,gut". Erstens ist der Lehrer sich selbst gegenuber verpflichtet, sein Organ so viel als mb'glich zu schonen; zwei- tens bedeuten jene Wiederholungen und Bemerkungen Zeitvergeudung ; drittens wer- den die Kinder durch sie daran gewohnt, den Worten des Lehrers kein sonderliches Gewicht beizulegen, wenn sie den Lehrer haufig ttberfliissiges reden horen; endlich erhalten bciswillige Elemente willkommenen Stoff, durch Gebrauch jener Redensar- ten den Lehrer zu verspotten. Nicht minder bedenklich ist die Angewohnheit, dass der Lehrer das vom Schiller schief oder falsch Ausgedriickte, um es richtig zu stel- len, in der schiefen oder falschen Form wiederholt. Dem. Ohr des Schiilers sollen in der Schule tunlichst unrichtige Tonbilder ferngehalten werden. Denn gar leicht bleiben diese beim Schiller haften, \veil er sich nachtraglich nicht mehr genau zu erinnern vermag, was von dem Gesagten und Gehorten das Richtige, was das zu Vermeidende war. Auch ist es nicht immer zweckdienlich, den oder jenen Schiller aufzurufen, der es besser oder richtiger sagen soil; macht man doch da haufig die Erfahrung, dass die Aufgerufenen das Falsche nicht gemerkt haben oder neue Ver- kehrtheiten vorbringen. Meist wird es das Beste sein, wenn der Lehrer selbst das Betreffende in richtiger Fassung und mit markierter Betonung ausspricht und es von dem einen oder dem anderen Schiller, hin und wieder auch im Chor, wiederholen lasst, um so auf wirksame Weise das Sprachgefiihl der Kinder zu wecken und zu iiben.

2. Nach Behandlung eines Lesestiicks empfiehlt es sich haufig, die lesenden Kinder in Bezug auf Richtigkeit, Genauigkeit und Wohllaut des Sprechens durch Zuhoren bei geschlossenem Buche zu kontrollieren. Wer beim Lesen der Kinder gleichzeitig mit dem gehorten Worte das geschriebene verfolgt, wird nicht selten mancherlei zu horen glauben, was der Schiller tatsachlich nicht oder wenigstens nicht richtig und deutlich gesprochen hat.

Es gibt auch Lehrer, die geradezu eine Scheu haben, den Schiilern selbst vor- zutesen. In solchen Klassen findet sich dann regelmiissig der bekannte leiernde Schulton, der weder Wort- noch Satzton zu seinem Rechte kommen lasst und die geistige und gemiltliche Auffassung des Gelesenen auf Schritt und Tritt hemmt.

Allerlei. 339

3. Hinsichtlich der Korrektur der Aufsatze und Diktate ist vor der Angewohn- heit dringend zu warnen, die Aufsatze und Diktate in einem Zuge, alle Hefte hin- tereinander ohne zeitliche Unterbrechung zu korrigieren. Die geistige Spannkraft des Korrektors reicht nicht aus, um samtliche Hefte mit der erforderlichen Aufmerk- samkeit und der wiinschenswerten Gemiitsruhe durchzugehen. Die unausbleibliche Folge ist das 'ttbersehen zahlreicher, oft schwerer Fehler. Gegen diese fur den Leh- rer und wohl auch fiir den Schiller peinliche Erscheinung ist das zweckmiissigste Mittel, die Korrektur ein und derselben schriftlichen Arbeit in mehreren Portionen vorzunehmen und dazwischen herein sich mit etwas anderem zu beschaftigen.

(Aus der Schule fur die Schule.)

Neues iiber die ,,Linkser". Von einem ganz neuen Gesichtspunkte aus werden, wie wir einem Bericht der ,,Zeitschrift fiir Psychologic und Physiologic der Sinnes- organe" entnehmen, die Erscheinungen der sogen. ,,Rechtshiindigkeit:i und ,,Links- handigkeit" von F. Lueddeckens in einer sehr bemerkenswerten Studie beleuchtet. Danach handelt es sich bei der ,,Linkshandigkeit" nicht etwa um eine Angewohnheit, die durch die Nachlassigkeit von Miittern, Kinderwarterinnen oder Pflegerinnen ent- standen ist, sondern diese Erscheinung ist auf tiefgreifende physiologische Verhiilt- nisse zuriickzufiihren, die oftmals durch Vererbung iibertragen sind. Das aus- schlaggebende Moment ist der in den beiden Kopfseiten herrschende Blutdruck. Un- ter normalen Vcrhaltnissen muss, wie an der Hand der Entwickelungsgeschichte und mit Hilfe von pathologischem Beweismaterial gezeigt wird, der Blutdruck in der linken Kopfhalfte ein hoherer sein als in der rechten. Es gibt unter den Menschen drei Typen: bei der grossen Mehrzahl besteht ein hoherer Blutdruck in der linken Kopfhalfte, bei einer ganzen Anzahl Individuen ist er in der rechten Kopfseite hoher, und in seltenen Fallen ist, wenigstens theoretisch, eine gleiche Blutverteilung in bei- den Halften anzunehmen. Im ersten Falle entsteht die sogen. Rechtshiindigkeit, im entgegengesetzten Falle die Linkshandigkeit. Gleicher Druck gehort zu den Ausnah- men, und es macht eher den Eindruck, als wenn ein abwchselndes tfberwiegen der einen oder anderen Halfte dabei stattfande. In einem solchen Fallen \varen z. B. die behandelnden Arzte sicher, dass eine doppelte Gehirntatigkeit bestand, und dass, wenn die Sprache schlecht, das Wesen heftig und unangenehm war und eine rechts- seitige Lahmung bestand, die rechte Hemisphare das ttbergewicht hatte, wenn da- gegen die Sprache fliessend, das Benehmen ruhig und die linke Seite geliihmt war, die linke Hemisphare iiberwog. Die Ausdriicke ,,Rechtshiindigkeit" und ,,Links- handigkeit" sind eigentlich unpassend, weil sie zu falscheii Vorstellungen Anlass geben. Beide Erscheinungen beschriinken sich nicht nur auf die Hiinde, sondern kon- nen sich in mehr oder weniger hohem Grade iiber die ganze Korperhalfte erstrecken. An einer betrachtlichen Zahl von ,,Linksern" wurde die grossere Weite der linken Pupille beobachtet; man bemerkte auch Erscheinungen, die auf eine langsamere Ent- wickelung des motorischen Sprachzentrums zuriickzufiihren sind, einmal eine Hem- mung der Sprache und Stammeln besonders im Zustande der Erregung, dann aber auch Undeutlichkeit der Laute vom Lispeln und Anstossen mit der Zunge bis zu ganz ausgepragtem Stottern. Eine Reihe von interessanten Beobachtungen stellte Lueddeckens an seinem eigenen Sohne an. Drei Monate nach der Geburt bemerkte man, dass die linke Pupille bedeutend weiter war als die rechte. Spiiter zeigte sich bei dem Kinde die Neigung, sich beim Schlafen auf die linke Seite zu drehen. Als es sieben Monate alt war, bevorzugte es beim Ergreifen von Gegenstiinden die linke Hand vor der rechten. Beim Gehenlernen beobachtete man, dass das rechte Bein schwacher war als das linke; auch die Sprache des Kindes zeigte ein eigentiimliches Verhalten. Der Verfasser hebt besonders hervor, dass Versuche, dem ,,Linkser" den

340 P'ddagogische Monatsbefte,

vorwiegenden Gebrauch der linken Hand in der Jugend abzugewohnen, meistens ohne Erfolg bleiben, und dass man die Linksluindigkeit, anstatt sie abgewb'hnen zu wollen, lieber zu moglichster Vollkommenheit auszubilden streben soil.

(Aus der Schule fiir die Schule).

Freiheit, die ich meine. Als ich Jung war, habe ich, wie wohl andre auch, beim Gesang des Schenkendorfschen Freiheitliedes nicht viel nachgedacht iiber die erste Zeile, die ,,Freiheit, die ich meine", und mich nur an der herrlichen Singweise und dem ,,stissen Engelbilde" ergotzt. Und so wird es den meisten andern auch ergangen sein und zum Teil noch ergehen. Erst spiiter dachte ich, Schenkendorf sage uns ja in seinem Liede gar nicht, welche Freiheit er meine, und so konne sich am Ende jeder ein Bild der Freiheit machen, die e r meine, wie denn auf diese Art ein gar verschie- denes Bild sich ergebe, je nachdem einer politisch gesinnt ist, nach der ganzen Stufen- leiter von den fast an dem Hergebrachten Hangenden bis zum Freiheitsmanne der roten Republik. Als mir jedoch Weigands Erklarung des Wortes ,,meinen" zu Ge- sicht kam, wurde mir erst klar, was Schenkendorf ,,meinte". Weigand fiihrt ,,mei- nen" in verschiedenen Bedeutungen an: 1. im Sinne haben; 2. gesinnt sein gegen; 3. in Herz und Sinn zugeneigt denken an; herzliche Zuneigung fiihlen gegen u. s. w. Diese letztere Bedeutung lateinisch amplecti erst im 12. Jahrhundert aufge- treten, ist aber in neuerer Zeit ganz ausser Gebrauch gekommen. In friiheren Jahr- hunderten wurde ,,meinen" vrmoge seiner damaligen Bedeutung haufig in anlauten- dem Gleichklang ( alliterierend ) mit ,,minnen" verbunden; ,,dass ich dich mehr und allermeist minne und meine" ; ,,dass man zum ersten und letzten Gott meine und minne". Ferner sagt Dr. Martin Luther in seinem grossen Katechismus bei der Er- klarung des sechsten Gebots: ,,Mann und Weib sollen fiir alien Dingen in Liebe und Eintracht bei einander wohnen, dass eins das andere von Herzen und mit ganzer Treue me in e". Desgleichen heisst es in eineni Traugebet der erneuerten preussi- schen Agende : ,,dass sit einander von Herzen meinen". Und endlich linden wir in dem schonen Liede Zinzendorfs (1700 1760) ,,Herz und Herz vereint zusam- men" (Nr. 217 des wiirttb. Gesangbuches ) im sechsten Vers: ,,Ach du holder Freund, vereine deine dir geweihte Schar, dass sie sich so herzlich meine, wie's dein letzter Wille war." Das Herz unseres Sangers Schenkendorf (1783 1817) erfilllte braut- liche Lieb zur Freiheit, ,,dem siissen Engelbild, dessen stilles Weben wonnig uns durchdringt". Es scheint mir von Wert, dass auf diese Bedeutung von ,,meinen", die seit hundert Jahren ganz ausser Gebrauch gekommen und dem jetzigen Ge- schlecht zum grossen Teil unbekannt geworden ist, bei Gelegenheit in Schule und Vereinen aufmerksam gemacht werde.

Stuttgart. Moritm teller.

(Zeitschrift des Allg. Deutschen Sprachvereins. )

Psychologic und P&dagogik. 1m wissenschaftlichen Ferienkurse fiir Lehrer zu Miinchen schloss Professor Dr. Lipps seine 10 Vortrage iiber Assoziationspsychologie mit folgenden Worten: ,,Eingangs sagte ich, man konne die Assoziationspsychologie nicht aus dem Ganzen der Psychologic herauslosen, weil sie in alle Gebiete des psychischen Leben hineingreift. Die Assoziationslehre kSnnte man als ,,Psychologie" vortragen und all dies liesse sich auch noch weiter auf die psychische Gesetzmassig- keit zurtickfiihren. Dass muss hier unterbleiben. Sie hatten von Anfang an das Be- wusstsein, dass Sie durch die Assoziationspsychologie auf Verschiedenes fiir Sie Brauchbares aufmerksam gemacht werden konnen. Aber die ganze Psychologic hat Bedeutung fiir den Padagogen; der Padagoge hat eine Nutzanwendung von ihr zu machen. Sie sind die Anwender der Psychologic; Sie diirfen die Psychologie nicht

Allerlei. 341

nehmen als einen Teil der Geisteswissenschaft, sondern als die Geisteswissenschaft iiberhaupt mit Einschluss der Logik oder Erkenntnislehre, Ethik und Asthetik. Ftir alles das sind Sie Anwender. Die Padagogik ist die ins Praktische ubersetzte Psychologie in diesem weiten Sinne des Wortes. Die Psychologie und ihre Sonder- disziplinen Logik, Ethik und Asthetilj sind mit Recht die Hauptdisziplinen des Phi- losophen. Insofern lasst sich auch sagen, die Padagogen sind praktische Philo- sophen, sie haben angewandte Psychologie zu treiben. Es gehort am Ende auch noch der Versuch einer das Individuum bef riedigenden allgemeinen Weltanschauung dazu ; etwas dergleichen miissen auch Sie haben: jeder Mensch hat eine Weltanschauung. Nicht von aussen her soil sie aufgenommen werden, nicht eine eingepragte soil sie sein, sondern eine Welt- und Lebensauffassung, die aus Ihrem eigenen Innern geboren ist und aus Ihrem inneren Bewusstsein entspringt. Das heisst dann, dass wir, Sie und ich, einander recht nahe stehen, dass der Philosoph der naturliche gute Freund der Padagogen ist, und es ist wiinschenswert, dass es sich so verhalt. Die Unter- scheidung in Elementarlehrer und hohere Lehrer ist eiii sprachlicher Missbrauch. Der hochste Lehrer ist der, der am meisten leistet, der es mit seiner Aufgabe am genauesten nimmt. Sie legen das Fundament, auf welchem weiter gebaut wird. Dieses Fundament ist die Hauptsache und die wichtigsten Personen sind die, welche diese Fundierungsarbeit leisten. Die Philosophen haben alien Grund, vor dem Stand, den Sie vertreten, die hochste Achtung zu haben. Es gibt keine grossere Aufgabe im Staate, als die ues Unterrichts und der Erziehung. Also sind Sie der erste Stand und haben das Recht, sich als solcher zu ftihlen. Sie haben das Recht zu einem beson- deren Stolze und dazu, sich Ihrer Haut zu wehren. Dafiir gibt es ein gutes Mittel, den Zusammenschluss."

Zum Nachdenken. Auf einsamer Heide sitzt ein Maler. Er schaut und malt, Was ist denn da zu malen? Da eine Pfiitze, dort geknicktes Schilf im Hintergrunde ein vom Sturm zerrissener Weidenstumpf ; Eine Krahe sitzt darauf. An den Baum lehnt sich ein alter Hirte, ruhig weidet er seine Herde in der Nahe. Der Himmel ist triibe. Einige Wolkchen ziehen in der grauen Luft dahin. Wo ist da Schonheit? Das Abendrot ist schon; sonst sehe ich nichts, was fesseln ko'nnte. Langweilig, ster- benslangweilig ist es hier.

Einige Monate spiitcr. Ich bin in einem Kunstsalon, bleibe hier stehen, bleibe dort stehen. Meine Seele bleibt kalt. Da, was ist das? ,,Nach dem Sturm auf der Heide" lese ich. Ich versenke mich in den stillen Frieden der Landschaft. Noch kann man die tosende Macht des Sturmes, der sich eben gelegt haben muss, an man- chen Anzeichen merken. Aber wie still ist alles geworden! Eine unbezwingliche Sehnsucht nach Frieden ergreift den Beschauer. Und dort der alte Hirt! Seine Runzeln erziihlen von manchem sturmdurchtobten Tag, von manchem Kampf in heisser Brust. Wie zornig mochten einst diese Augen gefunkelt haben! Weh dem, der die Kraft dieser Faust zu fiihlen bekam, als noch der Arm sehnig, der Mut unge- brochen war. Aber jetzt? Milde lachelt das Auge; ;mit sanfter Hand fiihrt der Greis eeinen Hirtenstab. Er lebt schon halb dort hintor der Farbenglut dor Abend- rote, die sein sehnendes Auge sucht. Friede hat er gesucht, Friede hat er gefunden, durch Kampf gefunden.

Wie sonderbar! Ich kenne die Landschaft, den Alten. Es sind dieselben und doch nicht dieselben, die ich vor einigen Monaten sah. Mein Auge blieb an der Oberfliiche haften; ich sah nur das Schale, das Fade, das Alltiigliche. Der Kiinstler aber hat das Ewige, das Schone gefunden unter der ausseren, rohen Hiille. Sein Auge sah tiefer. Es suchte die Schonheit, und es fand sie. Es findet sie iiberall, aufh im AlHSigliohen.

312 P'ddagogiscbe Monatsbefte.

Und du Lehrer? Sieh' dort deine kleine Schar! Kinder wie alle Kinder, dumm, faul, unbotmassig. So nieinst du. Suche die Schonheit in deinen Kindern, und du wirst sie finden: bei einem jeden eine eigentiimliche Schonheit. Aber suchen rausst du und dein Auge im Aufsuchen iiben. Schau nicht auf das Zufallige, auf die Husseren Hiillen, auf die Schlacken; schau ^iefer, immer tiefer. Etwas wirst du sicher finden. Und dann pflege diese Kleinigkeit, soviel in deinen Kraften steht. Es wird ein verklarender Schein auf das ganze Kind fallen: Du hast den ,,Menschen" im Menschen gefunden. Wie hoch begliickt solch Suchen und Finden! K. K.

(Schulblatt fiir Elsass-Lothringen. )

Zwei sich gegeniibcrstehende Ansichten lifter unsere deutsche Schrift. In Be- sprechung eines in der diesjahrigen Abgeordnetenversammlung des Deutschen Lan- des Lehrervereins in Bohmen gefassten Beschlusses, dass das Vereinorgan, die ,,Freie Schulzeitung", in der sog. ,,deutschen Schrift" erscheinen soil, schreibt das letzgenannte Blatt folgendes: ,,Hut ab vor Mannern, die gewillt sind, volkische Eigenart zu hiiten; Achtung vor einem derartigen Vereinsbeschlusse ! Aber mit dem nationalen Charakter unserer ecKigen Schrift hat es sein Bewenden. Ihre Entste- hung ist nicht bei den Deutschen zu suchen. Es ist eine erwiesene Tatsache, dass sie nichts anderes ist, als eine verschnorkelte Schrift der Monche. Anfangs be- diente man sich auch in Deutschland der alten lateinischen Buchstaben. Erst um die Zeit der Kreuzziige begannen die Monche an den Lateinbuchstaben allerlei Ver- zierungen anzubringen, die im allgemeinen dem gotischen Baustile entsprachen. Daher stammt auch der Name ,,gotische Schrift". Der gotische Stil hat aber mit dem Volke der Goten nicht das Mindeste gemein. Bekanntlich ist Frankreich seine Geburtsstatte ; sein Name ist ein Spottname, welcher aus jener Zeit stammt, in der man diesen Stil noch gering achtete. Die Franzosen bezeichneten damals mit ,,Gotisch" soviel als geschmacklos, altmodisch. Die andern Lander Frankreich, Italien, Spanien, in denen die Monche die neuen Schriftformen, die, weil oben und unten umgebrochen, auch Fraktur genannt wurden, eingefiihrt hatten, kehrten im Laufe des 16. Jahrhunderts zur Lateinschrift zuriick. In Deutschland war es kein Geringerer als Albrecht Diirer, der in seinem 1525 erschienenen Werke ,,Unterweisung in der Messung mit Zirkel u. Rlchtscheit" der Wiedereinfiihrung der alten einfachen Schriftformen eindringlichst das Wort redete. Aber die Deutschen blieben bei der verschnorkelten Monchsschrift und halten sie falschlich noch heute flir ein natio- nales Erbe. Wir Lehrer hatten alle Ursache, jene Bestrebungen, die dahinzielen, dass die alte Schrift auch im Deutschen zur Alleinherrschaft gelange, zu unter- stiitzen. Es ware viel erreicht, wenn unsere Schiller nur eine Art der Schreib- \md Druckschrift zu erlernen hatten."

In den Petermannschen Mitteilungen, Jahrgang 1901, befindet sich ein Aufsatz von Dr. L. Henkel iiber: Die Verbreitung der Schriftarten in Europa; diesem Auf- satze ist eine anschauliche Karte beigegeben. Nach Henkels Mitteilungen ist die Fraktur im Gebrauch bei den Deutschen, Danen und Norwegern, sowie bei den Lau- sitzer Sorben, den preussischen Litauern und Masuren und den Letten und Esthen der Ostseeprovinzen. Fiir religiose Biicher ist in Schweden und Finnland ebenfalls die Fraktur iiblich. Henkel schreibt: ,,Von einem Aufgeben der sogenannten deut- schen Schrift sind wir heute entschieden welter entfernt als vor zwanzig Jahren." Ferner lesen wir: ,,Doch hat sich wenigstens in Deutschland die Stellung der Frak- tur in den letzten anderthalb Jahrzehnten entschieden gestarkt, worauf auch die machtige moralische Unterstiitzung von Einfluss war, die Fiirst Bismarcks Partei- nahme fiir sie leistete."

Allerlei. 343

Sehen lernen.*) Man redet gar oft und gern von dcm angeborenen kiinstleri- schen Trieb der Kinder, begniigt sich aber selten nur mit der Tatsache, dass wirk- lich jedem Menschen ein Unterscheidungsvermogen, Dispositionen fiir Lust- und Un- lustgefiihle in die Wiege gelegt worden sind, sondern gleich spricht man von ,,jungen Kiinstlern" und fabuliert von den ausgesprochen ,,asthetischen Gefiihlen" des Kin- des. Nun muss aber immer und immer wieder darauf hingewiesen werden, dass von einem eigentlichen oder hoheren ,,asthetischen Gefiihl" im Kindesalter doch noch kaum gesprochen werden kann. Mag auch das siebenjahrige oder sogar zehnjiihrige Kind eine ,,Freude" an bunten Farbeii, an schonen Blumen empfinden, so haben doch diese einfachen Ausserungen des Lustgefiihles mit dem eigentlichen Kunsttrieb des Menschen noch nicht viel zu schaffen, sondern erscheinen eben ,,nur als die natiir- liche Lust des empfindenden Organismus an wechselnder und mannigfacher Erregung seiner verschiedenen Empfindungsnerven, die fiir das gesunde Fortbestehen und die Leistungsfahigkeit derselben riotwendig 1st...." Der kleine Zeichner kttm- mert sich keineswegs um eine genaue Ahnlichkeit. Er ist weit mehr Symboliker als Naturalist und will bloss andeuten; dabei ist er naturgemass an das Gesetz der kiinstlerischen 6konomie gebunden, d. h. er wird durch das Bediirf nis, seine Resultate mit den einfachsten Mitteln moglichst schnell zu erzeugen, zu einer in jedem Strich wirksamen Darstellungsart geleitet. Diese oft iiusserst diirftige und primitive, von erstaunlicher Gleichgiltigkeit gegen Form- und Zahlverhaltnis Zeugnis ablegende Darstellungsweise Scheint sich allerdings in einem auffallenden Gegensatz zu der viel und auch nicht mit Unrecht geriihmten Beobachtungsgabe der Kinder zu befin- den. Der Grund dieses scheinbaren Widerspruches liegt aber in der charakteristi- schen Eigenart der kindlichen Beobachtungsweise, welche launenhaft wahlerisch und einseitig ist, nur das Ganze berucksichtigt, wobei einzelne ganz minderwertige, aber vorspringende Ziige, Zufalligkeiten, wie: Knopfe, Sonnenschirm, Schnurrbart etc., iiber Gebiihr hervorgehoben, dagegen andere wesentliche und wichtige Teile durch- aus vernachlassigt oder ganz iibersehen werden. Von einer sorgfaltigen Anschau- ung, einer analysierenden Priifung der Formen und Elemente, auf welcher die Er- kenntnis der Linienrichtung, die relative Stellung der einzelnen Figurenteile zuein- ander und deren Proportionsverhiiltnis untereinander beruht, ist keine Rede. Die tiefere, psychische Verarbeitung der gegebenen Gesichtswahrnehinungen zu geordne- ten, klaren Anschauungen der konkreten Gegenstande ist also von Anfang an sehr mangelhaft. Damit ist aber gleichzeitig bewiesen, einerseits, dass das astheti- scheGeniessenersterlerntwerdenmuss, also Gegenstand der psychologischen Bildsamkeit ist; andererseits, dass diese Bildsamkeit in engstem Zusammenhang mit der Erziehung zu richtigem Anschauen steht, ja sogar von der letzteren direkt abhangig ist. Jede vernunftgemasse Betrachtung unserer Umge- bung, die asthetische Beurteilung der Natur und ihrer Schb'nheiten beruht durchaus auf der ausgebildeten Anschauung. Der Blinde wird niemals imstande sein, riium- liche Schonheiten asthetisch richtig beurteilen und nachempfinden zu konnen. Dass also diese Ausbildung unseres ,,geistigen Auges", die Heranbildung zu zielbewusstem Anschauen zu den wichtigsten padagogischen Aufgaben gehort, diirfte auch dem Laien einleuchten; dies um so mehr, als die Tatsache, dass unsere Jugend die Augen nicht richtig zu brauchen versteht und erst zu verniinftigem Anschauen erzogen werden muss, schon langst nachgewiesen worden ist. H e r b a r t und P e s t a - 1 o z z i sind keineswegs die Ersten, welche die Notwendigkeit einer derartigen Er- ziehung erkannt haben, und wenn heute behauptet wird, die Heranbildung zum be-

*) Aus den Berner Studien zur Philosophic und ihrer Geschichte. Bd. XIX: Dr. Ulrich Diem, ,,Das Wesen der Anschauung".

344 Padagogiscbe Monatsbefte.

wussten Sehen sei Sache eines von selbst sich einstellenden, logischen Vorganges, so sei hier auf den Widerspruch, in welchem sich diese Behauptung mil andern, ebenfalls in jiingster Zeit geltend gemachten Ansichten befindet, hingewiesen. Professor Heim behauptet: ,,Die allgemeine Fahigkeit zum bewussten Sehen hat mit der Zivilisation abgenommen". Die Klagen Virchows iiber die mangelhafte Beob- achtungs- und Auffassungsfahigkeit seiner Studenten sind bekannt; auch Helm- holt z hat konstatiert, dass die vorwiegende Beschaftigung mit Biichern schlechte Beobachter geschaffen hat; und vor zwei Jahren klagte Prof. Es march von Kiel iiber ahnliche Erfahrungen, sowie iiber die ungeniigende, meist iiberhaupt nicht vor- handene zeichnerische Vorbildung der akademischen Jugend. Diese und ahnliche Stimmen bekunden doch sicherlich das Bedlirfnis nach der gewissenhaften Schulung unserer Anschauung, wie sie vor allem ein rationeller Z e i c h e nunter- r i c h t zu vermitteln hat, und in diesem Sinne verlangt denn auch Heim: ,,Moge eine einsichtige Reform des Zeichenunterrichtes nicht nur das Zeichnen, sondern vorerst dessen Grundlage, das Sehenlernen, berlicksichtigen und die Beobachtung unserer Jugend heben, zum Segen kiinftiger Geschlechter."

( ftsterreichischer Schulbote. )

An die Deutschen im Auslande**

Ich habe in unserem Familienkreis

Das Holliindische ernstlich verboten.

Sonst zahlte das reine Deutsch, wie ich weiss,

Bei uns auch schon zu den Toten.

Das Hollandische lernen die Kinder bald

In der Schule und durch die Gespielen.

Das Deutsche gewinnt nur im Hause Halt

Bei deutschem Denken und Fiihlen.

Und ist es nicht Pflicht, hochheilige Pflicht,

Die Sprache der Eltern zu hiiten,

Dass unsere zweite Heimat nicht

Ermangle der herrlichsten Bliltenf

Denn mit der Sprache entschwindet der Geist,

Aus dem sie lebendig entsprossen,

Und was der Fremde erstrebt und preist,

Ist unsern Enkeln verschlossen.

Wohl haben unz&hlige Deutsche dies Land

Zur neuen Heimat erkoren,

Im Gluck und im Leide, mit Herz und Hand

Ihm Liebe und Treue geschworen;

Und unsere Kinder die sollen es auch

Verehren als frei'stes der Lande,

Bis an ihren letzten Lebenshauch

Noch mehr als wir Alten imstande.

Doch sollen die deutschen Laute sie

Als kostliches Erbe beicahren,

Die Heimat der Eltern vcrgessen nie,

Auch nicht in den spatesten Jahren,

Das Schb'nste und Edle, dies hochste Gut,

Das reicher gestaltet das Leben,

Hat Deutschland ihnen zur treuen Hut

In seiner Sprache gegeben!

Amsterdam, 16. Mai 1902.

Albert Blankenburg.

*) Dies fiir die in Holland lebenden Deutsrhen geschriebene Gedicht ist der Zeitschrift ,,Das Deutschtum im Auslande" entnommen. Die in dem Gedichte aus- gesprocbenen Mahnungen gelten mit gleichem Rechte fiir uns Deutschamerikaner. D. R.

Berichte und Notizen.

I. Der Lehrertag zu Minneapolis.

(Fiir die Padagogischen Monatshefte.)

Von B. A. Abrams, Ass't Stipt., Milwaukee, Wis.

( Fortsetzung. )

Zur dritten Hauptversammlung hatte sich eine ungewohnlich zahlreiche Zuho- rerschaft eingestellt, vvohl aus Achtung fiir den ersten Redner auf der Tagesord- nung, Herrn W. T. Harris von Washington, den hervorragendsten Padagogen nnse- res Landes, den Nestor der amerikanischen Lehrerschaft. Er sprach liber die Indi- viduality des Schiilers und wie die Schule sie festigen kann. Er erwahnte der stark verbreiteten Ansicht, dass die Schule die Eigenart henime und zerstore, dass sie keine Charaktere heranbilde, sondern nur Wesen mit typischen Gemeinzeichen, gleichsam Maschinenerzeugnisse. Die Wahrheit dieser Behauptung bestreitet Herr Harris; selbstverstilndlich hat er bei der Bekampfimg dieser Ansicht nur die gute Schule im Auge. Die gute Schule bezweckt und erzielt Gleichmiissigkeit in der Kraft der Entwickelung und im Ausdrucke der Eigenart. Allerdings seien Piinkt- lichkeit und Regelmassigkeit zwei wichtige Schulziele, aber sie ermoglichen ein Zu- sammenwirkeu und gemeinsames Schaffen. Der Robinson Crusoe, der alles allein tue, vollbringt nichts Rechtes, aber vereint mit seineni ,,Freitag" vervielfaltige sich seine Kraft. Die zusammenwirkende Tiitigkeit von zehn Mlinnern sei hundertmal grosser als die des einzelnen. Die Irrtiimer und Fehler des Einzelnen wirken ret- tend und wehrend auf andere.

Der auf der niedrigsten Kulturstufe stehende Wilde hat seine tiberlieferungen wie der Hochgebildete. Dieser Wilde bringt vielleicht seinen Gesichtssinn zur hoch- st«n Vollkommenheit, doch hat er kein Auge fiir das, was die Botanik der Mensch- heit lehrt. Jeder Mensch und jede Gruppe von Menschen inaeht fortwahrend Be- obachtungen, und unser schb'nstes Vorrecht ist es, die Ergebnisse dieser Beobachtun- gen mitzugeniessen.

Welche Bedeutung die Schule fvir den Entwickelungsgang des Individuums hat, wird uns klar, wenn wir den Schullehrpliinen unsere Aufmerksamkeit zuwenden. Der Gebildete und gelehrte Forscher denkt im gedruckten Worte, welches die feinsten Gedankenschattierungen entwickelt. Ohne diese Mittel hat das Kind so wenig Ge- legenheit, sich Kenntnisse anzueignen und Tatsachen einzupriigen, wie der Gorilla Mittelafrikas. Man bringe diese Mittel in das Bereich des Kindes, und seine Indi- vidualitat wird sich strecken und stiirken. Der am Schrifttum sich Xiihrende wird sich zehnfach rascher entwickeln als der Ungeschulte.

Jeder Unterrichtszweig, meint Herr Harris, stattet das Kind mit neuer Kraft aus. Die Ruhe im Schulzimmer und die Fiihigkeit des Kindes, sich die durch das gedruckte Wort vermittelten Gedanken anzueignen, gehoren zu den bedeutendsten Ergebnissen der individuellen Entwickelung. Hierdurch werde das Kind in den Stand gesetzt, sich bis zum Kern seiner Aufgabe durchzuringen und alle Schwierig- keiten zu besiegen*.

Herrn Dr. Harris folgte als zweiter Redner Charles P. C. Scott vom Redakti- onsstabe des , , Century Dictionaryy". Er hatte sich die Aufgabe gestellt, die Leh- rerschaft davon zu iiberzeugen, dass es ihre Pflicht sei mitzuwirken, die englische Schriftsprache des Bleigewichtes veralteter, iiberflussiger und sclnvieriger Schreib-

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formen zu entkleiden und eine auf phonetischer Grundlage sich aufbauende ver- einfachte Rechtschreibung einzufiihren. Die Rechtschreibung mit der Literatur zu vermengen, wie es von vielen geschehe, sei ein Irrtum. Die Rechtschreibung sei nur eine Methode, ein Werkzeug, und die Pflicht eines jeden Lehrers sei, einen Ver- such, dieses Werkzeug zu verbessern, kraftig zu unterstiitzen. Rechtschreibung und Etymologie seien grundverschiedene Begriffe; haufig stehe erstere der letzteren feindlich im Wege, und von einer phonetischen Rechtschreibung habe die Etymologie nichts zu befiirchten. In alien Landern bedienen sich die Gelehrten zum schriftli- chen Ausdrucke ihrer Gedanken der lateinischen Druckschrift. Dieser Umstand zeige den leichtesten und sichersten Weg zur Erreichung des Zieles. Man gebe jedem Selbstlaut die allgemein iibliche lateinische Aussprache, mit Ausnahme von ,,c" und ,,s" sei jeder Mitlaut der Vertreter eines einzigen Lautes. Redner lenkte die Aufmerksamkeit seiner Horer auf die Tatsache, dass die englische eine Mischung vieler Sprachen sei.

In zwei grossen Reichen tibe die englische Sprache die Vorherrschaft aus, aber, meint Herr Scott, die Schiitzlinge in den Kolonien der beiden Reiche werden wenig Freude empfinden, wenn sie erfahren, wie ihre Herren oder Beschiitzer buchstabieren. ,,Werke erzeugen Gedanken, und Gedanken werden zu Taten."

Wahrend der Debatte iiber diesen Vortrag wurde der Ansicht Ausdruck ver- liehen, dass eine Vereinfachung der Rechtschreibung allerdings wiinschenswert, ja notwendig sei; man konne aber dem Amerikanischen Lehrerbund nicht die Pflicht aufbiirden, diese Reform durchzufiihren ; mit dieser Aufgabe miisse eine von der englischen und amerikanischen Regierung eingesetzte Kommission von Sachverstan- digen betraut werden.

Bis dahin diirften sich wohl die Lexikographen und Herausgeber von Worter- biichern damit befassen. Der Lehrerbund schenke wohl Reformatoren Gehor, "but only for information."

Fur Hochschullehrer diirften die in einem in der Abteilung ,,fiir hohere Erzie- hung" gehaltenen Vortrage ausgesprochenen Ansichten von Interesse sein. Der Redner, Prof. Edwin Dexter von der Universitat von Illinois, trat mit a Her Ent- schiedenheit dafiir ein, dass das Abgangszeugnis irgend einer guten Hochschule einem Studenten die Tore der Universitat offnen miisse. Der Vortragende verurteilte die Gepflogenheit, die Aufnahme von einer erfolgreichen Priifung abhangig zu machen. Diese Aufnahmepriifungen wirken schiidlich, denn sie bedingen eine unnotige geistige Anspannung und Aufregung und entfalten das Eintrichterungs- und Eiupauke- system zur hochsten Bliite. Auch werde die Ehrlichkeit und vernunftgemiisse Ent- wickelung des Studienplanes der Hochschule durch die Aufnahmepriifungen ernst- lich bedroht, denn die Leiter und Lehrer der Hochschulen seien nicht immer gegen die Versuchung gefeit, die Schularbeit den Wiinschen und Ansichten eines gewissen Examinators in einem bestimmten Fache anzupassen.

Als dritten Grund gegen Aufnahmepriifungen fiihrte Prof. Dexter die Tatsache an, dass die auf Grund ihres Abgangszeugnisses zugelassenen Universitiitsstudenten im allgemeinen Besseres leisten, als diejenigen, die sich vor ihrer Aufnahme einer Priifung unterwerfen mussten. Andererseits biete das Verfahren, Abiturienten von Hochschulen, deren Lehrplan und Wirken von den Universitaten gutgeheissen wurde, ohne Priifung zuzulassen, bedeutende Vorteile. Der einzelne Schiller wird von einer Inspizierung der Schule durch kompetente Vertreter der Universitat nicht betrof- fen; die Hochschulen wiirden angespannt, das Beste zu leisten, und die Universitat gewinne Zoglinge, denen man in der Hochschule Gelegenheit gegeben habe, ihre Fa- higkeiten ungehemmt durch die Furcht vor einer Priifung entwickeln zu konnen, welche mehr das Gedachtnis des Schiilers priife, als seinen Geist und sein Konnen.

(Schluss folgt.)

II. Korrespondenzen.

Californien.

Der Verein von Lehrern der deutschen Sprache hielt am 18. Oktober seine re- gelmassige Herbstsitzung ab, unter Vor- sitz von Herrn Prof. Hugo K. Schilling von der Staatsuniversitat. Das erste war der Bericht des Komitees, welches er- nannt worden war, um in Verbindung mit den Beamten der High School As- sociation eine Reduzierung der Aufnah- mebedingungen im Lateinischen an der Universitat anzustreben und fiir grossere Anerkennung, besonders des Deutschen, zu sorgen. Es wurde berichtet, dass nur wenig zu erreichen war. Die urspriing- lichen Anforderungen wurden zwar mo- dinziert, doch werden im wichtigsten Departement, im "College of Letters," immer noch vier Jahre Latein und zwei Jahre Griechisch verlangt; die modernen Sprachen konnen unter den drei "elect- ives" ange rech net werden, werden aber nicht ausdriicklich verlangt. In den bei- den Colleges, Social Sciences and Na- tural Sciences, konnen die modernen Sprachen an Stelle der alten treten. Die Hartniickigkeit der Vertreter der alten Sprachen hat es veranlasst, dass die neuen Aufnahmebedingungen sehr kom- pliziert sind. Wann wird diesen Her- ren endlich einmal der Zopf abgeschnit- ten werden? Das Komitee wurde vor- liiung entlassen, doch behielt der Verein sich vor, auch in Zukunft fiir grossere Anerkennung der modernen Sprachen ne- ben den alten zu wirken.

Hierauf folgte Prof. Schillings Vortrag iiber das Thema: ,,Einige Fragen im ele- mentaren deutschen Unterricht". Hierin sprach sich der Redner dahin aus, dass der elementare Unterricht in den ersten zwei Jahren an High Schools sich darauf beschranken sollte, den Schiilern eine Kenntnis der Sprache des alltaglichen Le- bens beizubringen. Die Klassiker Schil- ler, Goethe und Lessing sollten erst spa- ter aufgenommen werden, um die Schiller nicht zu friih mit Schwierigkeiten abzu- qualen und ihnen dadurch die Sprache zu verleiden. Dabei sollten nur Texte gelesen werden, welche die Schiller mit Deutschland und dem deutschen Volke bekannt machen. Geschichten wie L'Ar- rabiata, das Madchen von Treppi, der zerbrochene Krug und andere, die sich in fremden Landern abspielen, sollten nicht gelesen werden, besonders da es jetzt so viele Texte gibt, die alien ande- ren Anforderungen geniigen. Nach Schluss des Vortrages wurde derselbe von den Anwesenden besprochen, und die

darin ausgesprochenen Ansichten im all- gemeinen gutgeheissen.

Nachdem noch ein Komitee ernannt wurde, um die Beamten furs na.cb.ste Jahr zu ernenneh, vertagte sich die Ver- sammlung bis zum Schluss des Jahres.

V. B. Cincinnati.

Es hiesse kaum geschlagene Wunden wieder aufreissen, wollte ich an dieser Stelle nochmals naher der Trauer geden- ken, die uns a lie ergriff bei der Kunde von dem unerwartet plotzlichen Dahin- scheiden unseres lieben Freundes und Kollegen W. H. Weick. Das Streben ei- nes so verdienstvollen Mannes erheischt mehr als blosse Erwahnung in einer not- gedrungen kurzen Korrespondenz. Die- ses Mehr ist ihm geworden, in diesen Blilttern sowohl, wie anderen Ortes. Ich aber, so manches lange Jahr sein enger Verbiindeter bei keineswegs leichtem Schaffen, darf ihm wohl ins unbekannte Jenseits nachrufen: Ade, du guter Ka- merad !

'5ber die im letzten Berichte bereits beriihrte Versammlung des Deutschen Lehrervereins ist heute nur noch zu mel- den, dass dieselbe am 4. Oktober abge- halten wurde und in allerseits befriedi- gender Weise programmassig verlief. Als Zugabe trug ein Manner-Doppel- quartett eine aus Deutschland heriiber- gebracht Komposition des Fick'schen ,,Das Lied meiner Mutter", arrangiert von Theo. Meyder, vor und erntete da- mit grossen Beifall. Der Vorstand wur- de angewiesen, Mittel und Wege zu su- chen, um unser angehendes Dornroschen, die Gesangsektion, vor dem Einschlafen zu bewahren. Ein unheilvolles Dauer- Gahnen ist leider an die Stelle der frii- heren, vielversprechenden Sangesfreudig- keit getreten, und es diirfte nicht eben leicht sein, den Spindelstich, der in der- selben Versammlung in Gestalt eines Anti-ages auf zeitweilige Suspendierung der Gesangsektion tatsachlich appliziert wurde, unschadlich zu machen. Es ist wirklich jammerschade, dass es dahin kommen konnte. Doch: ,,Noch lebt der alte Gott!"

In der am 30. Oktober abgehaltenen Versammlung der Deutschen Oberlchrer wurden Trauerbeschliisse iiber das Able- ben unseres lieben Kollegen W. H. Weick angenommen, als letzter Tribut fUr den hochgeschatzten Toten. Den re- gelmiissigen Vortrag hielt Dr. H. H. Fick, und er verstand es, wie immer, die Zuhorer mit seinem Thema, ,,Einfiihrung

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P'ddagogische Monatsbefte.

und Ausbreitung des deutschen Unter- richts in Cincinnati", als Einleitung zu einer Reihe von Abhandlungen iiber ver- wandte Gegenstande, ganz und voll zu fesseln. Zum Schlusse wurde ausge- macht, dass samtliche mannliche deut- sche Lehrer unserer Schulen sich nach der am 6. Dezember im Deutschen Leh- rervereine stattfindenden Gedenkfeier des hundertjiihrigen Geburtstages Wilhelm Hauffs zu einem solennen Bankett ver- sammeln sollen. Man verspricht sich von dieser Versammlung die Wiederherstel- lung des seit einiger Zeit etwas brilchig gewordenen kollegialischen Verhaltnisses unter den Lehrer-Mannern. Hoffen \vir das Beste!

Wenn nicht alle Anzeichen triigen, werden wir hier in Biilde ein feierliches Autodafe in Szene setzen konnen, bezw. miissen. Der Disziplinarausschuss un- seres Schulrates hat namlich mit vier ge- gen eine Stimme beschlossen, in der nachsten Sitzung des Schulrats die be- dingungslose Abschaffung der Korper- strafen zu beantragen und dafiir in al- ien grosseren Schulen die Errichtung ei- ner Spezialklasse fur Korrektionsbediirf- tige zu empfehlen. Trotzdem die Schul- prinzipale einstimmig, und zwar auf di- rekte Veranlassung des Schulratspriisi- denten hin, gegen die vorzunehmende An- derung der Schulregulationen protestiert haben, wird doch voraussichtlich, wenn auch vielleicht nach einigem Wider- stande, der Vorschlag sanktioniert und damit auch hier ,,die Zierde des Schulzimmers", der Bakel, zum alten Ei- sen verwiesen werden, wenn auch die Teufelsbraten unter unseren Pflegebefoh- lenen sogleich, nachdem sie durch die diskreten TageblJitter auf die Hohe der Ereignisse gebracht worden, einstimmig sich ausserten: Zehnmal lieber Priigel. als Spezialklassen! ,,Wat kann ein dobi dauhn!" Den alten Hirtenstab verbren- nen, wird es heissen, oder aber ihn heim- nehmen zu Muttern, auf dass sie das Ka- napee damit ausklopfe. Sic transit glo- ria mundi!

quidam.

Davenport.

In der letzten Schulratsversanimlung ist der Beschluss gefasst worden, ,,ver- suchsweise" auf ein halbes Jahr und mit halber Zeitbesoldung einen Superin- tendenten iiber den Unterricht im Deut- schen in unseren Stadtschulen anzustel- len. Gewiss ist dies ein Schritt, der dem Schulrate und besonders dem Direk- tor Herrn Theo. Hartz zur Ehre gereicht und der sowohl von der Lehrerschaft wie auch von den deutschen Biirgern un-

seres Stiidtchens mit Genugtuung und Freude begriisst wird, wenn auch: ver- suchsweise, die kurze Probezeit und gar nur die halbe Schulzeit, d. h. der halbe Tag grosse Bedenken erregen. Dazu kommt noch, dass der in Aussicht ge- nommene Herr zwar ,,an Wissen reich", aber als praktischer Padagoge mit den hiesigen ich meine dem amerikani- schen Schulwesens nicht vertraut ist, es nicht sein kann, da derseibe nur erst vor kurzer Zeit von Deutschland nach hier iibersiedelte. Meiner Ansicht nach ist hier nur ein sehr tiichtiger Schul- mann, der die unerlassliche fachliche Ausbildung, genaue Kenntnis der hiesi- gen Verhaltnisse und notige Energie hat, am Platze ein Experimentieren, eine Unsicherheit im Wollen, dem eine solche im Konnen zu Grunde liegt, kann nur in einem Fiasko resultieren, dem unter alien Umstanden vorgebeugt wer- den sollte.*)

Noch kann ich berichten, dass von sei- ten des Schulrats eine Einladung an den Lehrerbund ergeht, die Versammlung in 1904 hier abzuhalten, welche Einladung dem Lehrer des Deutschen in unserer Hochschule zur ttbermittelung iibergeben wurde. B.

*) Der Schulbehorde Davenports ist es hoch anzurechnen, dass sie sich den Ausbau des deutscheu Sprachunterrichts in ihren offentlichen Schulen angelegen sein Isisst, und ein jeder, dem die Erzie- hung unserer Jugend am Herzen liegt, wird ihr Dank dafiir wissen. Dass sie die Absicht hat, den Deutschunterricht unter einheitliche I-eitung zu bringen. mag von Vorteil fiir dieses Fach sein, wenn diese selbst die richtige, d. h. fil- hige ist. Uns sollte es scheinen, dass da ein Mann ans Ruder gehort, der mit dem amerikanischen Schulwesen vertraut ist, und so alle Faktoren bei seinen An- ordnungen in Betracht zu ziehen im- stande ist, um sich vor uniiberlegten Schritten zu htiten und in unmsichtiger und taktvoller Weise etwaige Neuerun- gen vornehmen zu konnen. Auf jeden Fall sollte dem zukiinftigen Supervisor des deutschen Unterrichts die voile Schulzeit fiir dieses Amt zugewiesen werden, die er sich erl ich braucht, wenn anders er es ernst mit seiner Arbeit nimmt. Wie dies so luiufig mit den Neuerungen in unseren Schulen ge- schieht, so verfiillt auch Davenport in den Fehler, zu wenig Zeit fiir die Er- probung der in Aussicht genommenen Neuerung zu gewiihren. Welcher Ge-« schaftsmann wiirde ein halbes Jahr fiir

Ko rrespo nden^ en .

349

Dayton.

Unter den giinstigsten Auspizien hat- ten unsere Schulen begonnen und waren im besten Gange, als, wie ein Blitz aus heiter'm Himmel, uns die Kunde traf, nnser hochgeschatzter Superintendent, Dr. Hailmann habe seineResignation ein- gereicht. Wie peinlich das uns beriihrt. was wir verlieren an ihm, der Lehrer und Schiiler so gut verstand, ihnen stets so liebevoll begegnete, immer hochst takt- voll und bescheiden auftrat, sich seinem Berufe so ganz hingab das lasst sich hier nicht sagen.

Was die deutschen Klassen anbetrifft, so hat fast iiberall,die Schiilerzahl zuge- nommen, und ist es erfreulich zu sehen, wie der Verlust an Kimlern deutscher Abkunft gedeckt wird dtirch das Eintre- ten in deutsche Klassen von seiten der Sohne und Tochter anierikanischer El- tern.

Der deutsche Unterhaltungsverein hat seine Saison Freitag Abend, den 24. Ok- tober, eroffnet. Die Glanznummer auf dem Programm war ein gediegener, sorg- fiiltig ausgearbeiteter Vortrag fiber Kul- turgeschichte von Herrn C. Grebner aus Cincinnati. Die Zuhorer zollten Herrn Grebner verdienten Beifall fiir seine treffliche Leistung. Am Sonntag Morgen versammelten sich die deutschen Lehrer in engerem Kreise um den geschiitzten Cincinnatier Gast, der eine wichtige Schulfrage besprach, die friiher oder spii- ter an uns alle herantreten Avird.

M. D. Milwaukee.

Ein hicsiger Sckulvercin (Childrens Betterment League), welch er es sich zur Aufgabe macht, fiir das Wohlergehen der Schulkinder, und zwar besondersj derjenigen aus den armeren Klassen der Bevolkerung, zu wirken, hat eine sehr wichtige Frage in Anregung gebracht, niimlich die eines verbesserten Schul- zwangsgesetzes. Wir haben in unserem Staate ein solches Gesetz, aber es ist auch nur ein wenig besser wie gar keins, weil es vorschreibt, dass schulpflichtige Kinder die Schule 12 Wochen im Jahre

eine durchgreifende Neuerung in seiner Fabrik filr geniigend erachten? Die Frucht unserer Arbeit muss langsam reifen. Die Treibhauskultur in unseren Schulen, der schnelle Wechsel und die fortwiihrenden Jtnderungen sind unser Verderben, und Davenport sollte da nicht mitmachen, sondern dem neuen System und dem neuen Supervisor Zeit zur Er- probung beziehungsweise zum Einarbei- tpn gpwiihren. D. R.

besuchen miissen. Das mag gut genug fiir Landschulen sein. aber sicherlich ist es nicht geniigend fiir Stlidte wie Mil- waukee. Dieser Verein hat nun be- schlossen, dahin zu wirken, dass in der niichsten Legislatur ein Gesetz ange- nommen wird, welches den Besuch einer Schule fur alle schulpflichtigen Kinder (vom G. 14. Jahre) fiir das ganze Schuljahr (10 Monate) vorschreibt. Da- mit ware in der Tat viel, sehr viel er- reicht, und vorziiglich in moralischer Beziehung; denn damit wiirde dem Schulschwanzen und dem Vagabunden- tum unter der schulpflichtigen Jugend, sowie auch der Fabrikarbeit derselben ganzlich der Boden entzogen. Freilich wiirde dann die strenge Durchfiihrung dieses Gesetzes auch wohl noch eine an- dere gute Einrichtung notig machen, niimlich die Schulschwanzerschule, (par- ental school) auf die in aiesen Korre- spondenzen schon des ofteren hingewie- sen ist. Dass eine solche in alien gro- ssen und grosseren Stiidten eine gebie- terische Notwendigkeit ist, wird wohl Niemand bezweifeln, der die Schulver- haltnisse auch nur oberflachlich kennt. Wir wollen also hoffen, dass der Verein, welcher durch sein edles und wohltiitiges Wirken zum Besten der Schuljugendi sicher alle Unterstiitzung verdient, auch in dieser Beziehung Erfolg hat, und dass nicht die lieben Landonkel in der Legis- latur dieser Vorlage entgegen treten und ihre Annahme zu verhindern suchen. Unser jetziger hochverdienter und tiichtiger Staatsschulsuperintendent, L. D. Harvey ist von der republ. Partei, die ihn vor zwei Jahren erwiihlt hatte, nicht wieder aufgestellt worden. und das ist sehr zu bedauern. Als Grund wurde angegeben, dass Herr Harvey zu sehr mit der A. B. C. liiert gewesen und dass der Einfluss derselben auf die Schu- len unseres Staates ein unheilvoller ge- wesen sei. Ob und wie weit die Sache auf Wahrheit beruht. entzieht sich wohl des bestimmten Nachweises. Also der Herr Superintendent hat sich zu viel mit dem A. B. C. abgegeden. Difficile est satiram non scribere. Aber ein Schul- mann soil doch das A. B. C. (wir wollen einmal das neutrum generis gebrau- chen) gut kennen, gebrauchen und an- wenden konnen. Er soil es griindlich studieren von A Z, von A O, das Alpha und Omega, das Aleph, Beth, Gi- mel, Daleth, etc. Wie kann man ihm denn daraus einen Vorwurf machen? Nun neben dem so unschuldigen A. B. C. gibt es noch eine. die A. B. C., und so unschuldig und kindlich wie das eine

350

P'ddagogiscbe Monatshefte.

auch aussieht, so machtig, stolz, gebiete- risch und befehlend steht die andere da, die A. B. C. Wir Lehrer kennen sie alle, denn sie versieht uns ja meistens mit unserem notigen Handwerkszeug. Auch wir hier in M. haben ,,ihres Geistes einen Hauch verspiirt". Stolz und mach- tig steht diese Korporation da, schwingt in drei grossen Stadten der Union ihr Szepter und streckt ihre machtigenFang- arme aus und zwingt Superintendenten und Schulrate zum Gehorsam. So sagt die bose Welt. Doch ,,es liebt die Welt das Strahlende zu schwarzen, und das Erhabene in den Staub zu ziehen". Warum soil die bose A. B. C. nicht auch besser sein als ihr Ruf, wie die arme Maria Stuart?

Aber merkwiirdig und wunderbar ist es gewiss, dass die andern sogenannten unabhangigen Buchfirmen dieses erst ausgefunden haben, dass namlich Sup. Harvey sich so viel mit der A. B. C. eingelassen habe, und dass deren Ein- fluss so verderblich wurde. Darum ha- ben sie denn auch aus freien Stiicken $2000 zum besten des republ. Kampagne- fonds hergegeben mit der Bedingung, dass Herr Harvey nicht wieder als Kan- didat aufgestellt wurde. Die republ. Partei hat dann Herrn C. G. Gary, den Vorsteher der Taubstummenschule in Delavan, Wis., aufgestellt. Die demo- kratische Partei hat Herrn Carl Mathie, Supt. der Schulen in Wausau als ihren Kandidaten erkoren. Beide Manner sind, wie man sagt, tiichtige Schulman- ner. Der letztere ist zugleich President des Staatslehrervereins. Aber zu bedau- ern ist es doch, dass der jetzige Inhaber des Amtes nicht wieder aufgestellt ist und folglich nicht wieder erwahlt wer- den kann. Er hatte im letzten Jahre viel an der Verbesserung der Landschu- len gearbeitet; und jedermann weiss ja, wie sehr diese Schulen in alien Staaten unseres Landes der Reform bediirftig sind. Sie lassen leider alle noch sehr viel zu wiinschen ilbrig. Doch wir wol- len hoffen und wiinschen, dass der Nach- folger Harveys sich dieser Sache anneh- men und wo moglich durchfiihren mb'ge.

A. W. New York.

Verein deutscher Lehrer von New York und Umgegend, den 4. Oktober 1902. Dreissig deutsche Lehrer des Deutschen von New York und Umgegend in einem Saale zusammen das will etwas heissen. Wie der Prasident, Herr Dr. Zick, bei der Eroffnung dieser ersten Versammlung nach dem Sommerregen ganz rich tig bemerkte, der Saal war

schon voller, auch sehon leerer, aber so voller Lehrer wohl noch nie. Da musste doch wohl etwas dahinter stecken. Und das tat es anch. Lassen Sie mich nur gleich mit der Ttire ins Haus fallen: Herr Oberlehrer Dr. Bahlsen von Berlin (Friedenau) das war der Magnet. Da spricht man, dass die Vereinigten Staa- ten iiber den kolonialen Standpunkt hin- aus sind und doch Europa ist halt immer noch Europa. So war es zu den Zeiten, da Jupiter ihren Reizen erlag, und so ist es noch heute. Doch Spass beiseite so etwas ist erhabend, bele- bend 30 lebendige deutsche Lehrer des Deutschen in einem Saale wo bleibt da die deutsche Uneinigkeit. Die kann sich begraben lassen; und das am besten am 9. November d. J., dem Sonntage, an welchem die vereinigten deutschen Ge- sellschaften von New York im Madison Square Garden ihren deutschen Tag fei- ern werden. Deshalb gab Herr Dr. Kern einen kurzen tfberblick iiber die Entste- hungsgeschichte dieses Festes in parti- bus, seine Vorbereitung und glanzenden Aussichten, seine Vorfiihrung deutsch- amerikanischer Leistungen in Turnen, Singen, Landesverteidigung u. s. w. und seine amerikanisch-nationale Bedeu- tung fiir unseren Kulturgang und die bis jetzt zu wenig anerkannten Verdien- ste der ftbermittler und Trager dieser Kultur.

Darauf fiihrte Herr Dr. Weineck den Gast des Vereins, Herrn Dr. Bahlsen, ein. Derselbe wurde als ehemaliger Landsmann und als Kollege mit dem Ausdrucke sturmischer Begeisterung em- pfangen. Mit fliessenden Worten er- kannte er sodann an, wie wohl ihm hier auf der fremden Erde unter dem An- sturme stets neuer und verwirrender Eindriicke die Warme tue, mit der ihm alle Herzen im Vereine entgegenschlii- gen, hier fiihle er sich zu Hause. Das Teachers' College von New York habe ihn aus seinem Wirkungskreise in Berlin (Friedenau) hierhergerufen, um Vor- trage iiber die deutsche Methodik des modernsprachlichen Unterrichts und die Reformbestrebungen desselben zu halten, und habe sich der Dekan des Kolleges er- boten, ihn einen Extrakursus von 20 bis 25 Vorlesungen fiir erfahrene Lehrer des Deutschen halten zu lassen. Es lasst sich denken, mit welchem Beifallssturme dieses Anerbieten angenommen wurde. Den Preis habe der Dekan Russell auf $10 festgesetzt mit der Bestimmung, dass derselbe im Verhaltnis zu dem Stei- gen der Zuhorerzahl iiber 50 vermindert werde. Doch warnte Redner davor, un-

Umscbau.

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sere Erwartungen zu hoch zu stellen, besonders was die praktischen Schluss- folgerungen fiir unsere hiesigen Ver- haltnisse anbelange. Die mlisse er ei- gentlich uns selbst iiberlassen. Immer- hin bote die Tatsache, dass er seit den letzten fiinfzehn Jahren mitten in der deutschen Reformbewegung stehe, Schul- ter an Schulter mit den leitenden Gei- stern derselben gekarapft habe und sich mit der einschlagigen Literatur vertraut gemacht, eine gewisse Gewahr, dass er manches Neue bringe und seine Vortrage mit darauffolgender Diskussion wohl Friichte zeitigen.

•*Von Mitgliedern des Vereins wurde in Erwiderung betont, dass das Eerscheinen des geschatzten Gastes auf amerikani- schem Boden in seiner wahren Bedeutung einer Mission im Interesse des deutschen Unterrichts an den offentlichen Schulen des Landes und ganz besonders New Yorks gleichkomme, und wenn er seine Aufgabe richtig erfasse und dieselbe an der ausschlaggebenden Stelle zur Gel- tung bringe, er sich ein unendlich gro- sses Verdienst erwerbe, dem der reichste Segen nicht fehlen konne.

P. S.

III. Umschau.

In der Metropolis des Ostens, in New York, regt es sich machtig zu gunsten des deutschen Unterrichts und zugleich einer verniinftigen Erteilung desselben. So durften wir schon im Novemberhefte berichten iiber die Berufung von Dr. Leopold Bahlsen an das ,,Teachers* In- stitute", dass mit der Columbia Univer- sitat verbunden ist. Diesem Berichte sei, dank einer freundlichen Zuschrift von Herrn Oberlehrer Dr. Bahlsen, zur Er- giinzung beziehungsweise Richtigstellung zugefiigt, dass der hervorragendeSprach- lehrer wohl an der Universitat Greifs- wald in einem Ferienkurse Vorlesungen gehalten hat, in Berlin aber als Ober- lehrer fttr neuere Sprachen angestellt ist und von dort nur unter grossen Schwierigkeiten den einjahrigen Urlaub zur ttbernahme der ihm hier angebotenen Stellung erhielt. Dr. Bahlsen wird meh- rere Vorlesungskurse iiber die neuesten Methoden des franzosischen und deut- schen Unterrichts halten, und zugleich durch franzosischen Unterricht an der Horace Mann-Schule seinen Zuhorern Gelegenheit geben, das praktisch ange- wendet zu sehen, was er in seinen Vorle- sungen ihnen theoretisch vortragt. Seine Tatigkeit endet voraussichtlich Ende Mai, worauf er vor seiner Riickkehr nach Deutschland noch andere grosse Stiidte unseres Landes besuchen wird, um so das Unterrichtswesen Amerikas kennen zu lernen.

Doch auch an den anderen Instituten New Yorks finden wir gleiche Regsam- keit. Prof. A. McLouth, dessen Feder wir den ausgezeichneten Artikel iiber den Literaturbetrieb in der Hochschule (P. M. Jahrg. Ill, Heft 4 und 5) ver- danken, hat zwei Kurse, vornehmlich fiir Lehrer eingerichtet. In dem einen halt

er Vorlesungen iiber deutsche Kultur, der andere ist den Methoden des Sprach- unterrichts gewidmet, die er vorfiihren und zugleich einer kritischen Beleuch- tuug unterziehen wird.

An dem Barnard College hat Prof. Dr. R. Tombo eine Klasse fiir solche gebildet, die bereits das Deutsche lesen und schrei- ben, auch sprechen und das gesprochene Wort verstehen konnen. Seine Vorlesun- gen sollen sich mit der deutschen Litera- tur und Geschichte, sowie auch mit dem deutschen Erziehungswesen beschaftigen.

Ein besonderes Verdienst hat sich Dr. Ludwig B. Bernstein an der De Witt Clinton Hochschule durch die Veroffent- lichung einer Broschiire erworben, in welcher er in logischer Scharfe fiir die Erteilung eines modernsprachlichen Un- terichts an den Elementarschulen ein- tritt und alle Einwande dagegen zuriiek- weist. Die Schrift ist fiir alle, die in die Lage kommen mogen, die Stellung des deutschen Unterrichts zu verteidigen, ein wertvolles Hilfsmittel, und wir wiin- schen, dass sich recht viele in den Be- sitz der kleinen Broschiire setzten.*)

Die offentlichen Schulen New Yorks haben in diesem Jahre eine Schiilerzahl von 495591, 44,000 mehr als im vorigen Jahre. Um alien S<*hiilern Unterkunft zu verschaffen, beschloss der Schulrat, sofort mit dem Ban von 22 neuen Schul- liiiusern zu beginnen.

Die ethische (iescllschaft, an deren Spitze Dr. Felix Adler steht, steht im

* ) Wir nehmen an, dass die Bro- schiire direkt vom Verfasser: Ludwig B. Bernstein, A. M.. Ph. D., Instructor in the DeWitt Clinton High School, New York City, bezogen werden kann.

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Padagogiscbe Monatsnejie.

Begriff fiir ihre Schule ein neues Heim init einem Kostenaufvvande von $900,000 in der Niihe des ,,Central Park" zu bauen.

Wu Chaochu, ein Sohn des nunmehr von seiner Regieruug abberufenen chine- sischen Gesandten Wu Ting Fang, hat sich kiirzlich fiir einen zweijalirigen Kursus an der Hochschule von Atlantic- City einschreiben lassen. Er liegt sei- nen Studien mit dem grossten Fleisse ob. Nach Absolvierung dieser Schule beab- siehtigt er die Harvard-Universitat zu zu besuchen.

Der Lehrstuhl fiir chinesische Sprache an der Columbia Universitlit, die von General H. W. Carpent«r gegriindet wur- de, ist Professor Paul Friedrich Hirth iibertragen worden. Dr. Hirth stammt aus Deutschland. ma^hte aber den gross- ten Teil seiner Studien in China selbst und gilt als Authoritlit in orientalischer Philologie und Kunst. Er hat wertvolle Untersuchungen angestellt, um die Ab- stammungen der Hunnen von den Chine- sen zu beweisen. Mxuche wichtige Ent- deckungen hat er bereits gemacht, ohne aber zu einem Abschluss seiner Forschun- gen gekommen zu sein.

Dr. Emerson E. White, ein hervorra- gender Piidagoge unseres Landes, starb am 21. vorigen Monats. Seine regste Tatigkeit entfaltete er als Superinten- dent des offentlichen Schulwesens von Cincinnati. Nachdem er Anfang der neunziger Jahre dieses Amt niedergelegt hatte, beschaftigte er sich literarisch und hielt zeitweise piidagogische Vorle- sungen. Seine wichtigste Schrift ist ..Elements of Pedagogy". Er erreichte ein Alter von 73 Jahren.

Die I'rufiiitgsbehurde zur Aufnahme von Zvglingen in unseren Colleges (Col- lege Entrance Examination Board) hat in diesem Sommer in 130 Ortschaften Examinationen abgehalten und 1300 Kandidaten gepriift. Im Vergleich zu der Tatigkeit der Behorde im verflosse- nen Jahre bedeuten diese Zahlen einen grossen Zuwachs.

Cleveland, 0. An Stelle von Herrn Jones, der dem Ruf als President der Normalschule zu Ypsilante, Mich., an- irf-nommen hat, ist Herr Edwin F. Moul-

ton zum Superinteudenteii der offentli- chen Schulen Clevelands ernannt worden.

Internationaler p&dagogischer Brief- iccchsel. Der von Prof. Ferdinand Buis- son-Paris begriindete Verein zur Forde- rung des internationalen piidagogischen Briefwechsels hat bereits sehr viele Leh- rer mit franzosischen Kollegen in Ver- bindung gesetzt. Um seinen Wirkungs- kreis noch zu erweitern, bittet er di'eje- nigen Lehrer, die mit franzosischen Kol- legen in Briefwechsel treten mochten, iliren Namen, Stand, Wohnort und Alter an folgende Adresse senden zu wollen: Correspondance pedagogique internatio- nale (Section franco-allemande. Hom- ines) Librairie Hachette et Cie. 79. Boulevard Saint-Germain Paris Vie. Der Beitritt zu dem Verein ist vollig kostenlos. Alle Spesen werden von der Hachetteschen Verlagsbuchhandlung be- stritten.

Der Magistrat zu Berlin hat auf An- trag der Schuldeputation beschlossen^ aus Anlass der Einftthrung der neuen Lehrpliine eine Veranderung in der Zahl der Lehrstunden herbeizufiihren. Die Rektoren der beiden obersten Gehalts- stufen sollen 10 Stunden, die Lehrer der ersten, der hochsten Gehalts- stufe 24, der zweiten bis vierten 26 Stunden, die Lehrerinnen der ersten, zweiten und dritten Gehalts- stufe 22 Stunden Unterricht wochentlich erteilen. Durch die Verminaerung der Handarbeitsstunden wird eine grosse Xahl von technischen Lehrerinnen ent- behrlich. Um die jetzt schon dauernd beschaftigten technischen Lehrerinnen weiter beschiiftigen >zu konnen, wird die Pflichtstundenzahl der iiber 50 Jahre alten Fachlehrerinnen auf 22 ermassigt. Ob man wohl hierzulande auch soviel Riicksicht iiben wiirde?

Otto Ernst hat dem ,,Hamb. Frem- clenbl." zufolge ein neues Schauspiel vol- lendet, das den Titel fiihrt: ,,Die Ge- rechtigkeit" und bereits von den Hof- theatern in Dresden, Miinchen, sowic dem Burgtheater in Wien zur AufFiih- rung angenommen wurde.

Schuldirektor Dr. Seyferth, der Re- dakteur der Deutschen Schulpraxis, ist an das Seminar Annaberg berufen wor- den, wo ihm eine ,,herausgehobene Ober- lehrerstelle" iibertragen worden ist.

Bucherschau.

I. Verzeichnis empfehlenswerter Jugendlekture.*

Weihnachten, 1902.

I. Fur Kinder bis zu etwa 8 Jahren und die Hand der Eltern.

1. * Binder, Fiir unsere Klcinen. Ge- dichte mit Bildern v. Kramer. (Thie- nemann.) 4,50 M.

2. *Busch, Hans Huckebcin, der Un- glucksrabe. (Deutselie Verlagsan- stalt.) 3 M.

3. *Dehmel, Fitzjebutzc. Kindergedichte mit farb. Bildern v. Kreidolf. (Schafstein.) 3 M.

4. Dieffenbach, Aus dem Kindesleben. Bilder von. L. Richter u. Biirckner. (Heinsius.) 2 Bde. @ 2,50 M.

5. *Gotthard, Ich kann schon singen. Bilder von Trentin. (Wiener Mode.) 5 M.

G. Gull, Kinderheimat in Liedern. Aus- wahl. (Bertelsmann.) 75 Pf.

7. Hey, 50 Fabcln. (Perthes.) (Jub.- Ausg. 2 Hefte @ 50 Pf. Schulausg. @ 1,50 M. Hausausgabe @ 3 M. Prachtausg. 6 M. Siimtlich mit Bil- dern von Speckter.

8. Hirih, Marchen ohne Worte. (Zu- sammenstell. v. Bildern a. d. ,,Jug." (Hirth.) 0,50 M.

9. * Kreidolf, Blumenm&rchen. ( Bilder- buch m. kl. Ged.) (Schafstein.) 5 M. Fur alle Stufen.

10. Lohmeycr. Tierstruwioelpetcr. Verse mit farb. Bildern v. Flinzer. (Wis- kott.) 4,50 M.

11. *Meggendorfer, Im Sommer, Im Winter, Awf dcm Landc. Braun & Schneider.) Aufstellbilderbticher @ 2.80 M.

12. *Meggendorfer, Lustige Gcschichten. (Bilderbuch.) Braun & Schneider.) 1.50 M.

*) Das Verzeichnis ist angefertigt nach einer von den vereinigten deutschen Priifungsausschiissen f(ir Jugendlektiire hergestellten Liste, die sich in der Okto- bernummer der ,,Jugendschriften-VVarte" (Hedaktion: Heinrich Wolgast, Ham- burg) befindet. Die Altcrsgrenzen sind fur deutsche Kinder bcrcchnet und wer- dcn hier teiliceise hinausgcschobcn wer- dcn mi\ssen, je nach der sprachlichen Ausbildung der Kinder, fUr welche die Biioher bestimmt sind ; dies muss selbst-

13. 14.

15. 16.

17. 18. 19. 20.

21. 22.

Pletsch, Gate Freundschaft. (Loe- \ve.) 0,90 M.

* Pletsch, D. altc Bekannte. (Loe- we. 1,50 M.

* Pletsch, Daheim. (Diirr.) 2 M.

* Pletsch, Hausmntlerchcn. (Diirr.) 3 M.

Xesthiikchen. (Diirr.) 4,50

*Pletsch, M.

* Pletsch, 3 M. *Pletsch, M.

* Pletsch, (Dtirr.)

Biiben und Mlidel. (Diirr.) Spiclgefiihrten. (Diirr.) 3 Hausglirtchen.

Unser

6 M.

* Pletsch, Guckaus. (Diirr.) 3 M.

*Pletsch, Ein Gang durchs Dorfchen.

(Diirr.) 4,50 M. 23. *Pletsch, Aus Haus und Hof.

(Diirr.) 4,50 M. 24.* Pletsch, Utillvergnugt. (Diirr.)

4,50 M.

25. * Pletsch, Im Freien. (Diirr.) 2 M.

26. Reinick, M&rchen-, Lieder- und Ge- schichtenbuch. 111. (Velhagen.) 4 M. Fiir alle Stufen.

27. *Richter, Fruhling, Sommer, Herbst, Winter. 4 Schwarzbilderbiicher @ 6 M. (Diirr.)

28. Kcherer, Illustr. Deutsches Kinder- buch. Illustr. v. L. Richter. (Diirr.) 2 Biinde @ 6 M. Fiir alle Stufen.

29. Thumann, Fur Mutter und Kind. Alte Reime mit neuen Bildern. (Stroefer.) 3 M.

II. Fur 8- bis 10-jahrige Kinder.

30. Aiienarius, Der gcstiefeltc Kater. Mit 12 Bildern von Speckter. (Kunstwart.) (50 Pf.

verstiindlich dem Urteil von Eltern oder Lehrern iiberlassen bleiben.

Die mit einem Stern ( * ) versehenen Xummern eignen sich auch fiir die fol- gende Altersstufe. Die Preise, wenn nicht anders bemerkt ist, verstehen sich fiir gebundene Exemplare.

Vor dem Preise ist in Klammern der A'erlag angegeben. Bei Bestellung durch liiesige Buchhandlungen wird es ratsam sein, diesen Verlag anzugeben, um den g der Biicher zu erleichtern. D. R.

354

P'ddagogische Monatsbefte.

31. *Bechstein, Neues deutsches M'ar- chenbuch. Mit Bildern. (Hartleben. ) 1,20 M.

32. Bluthgen, Eine Tierschule. Bilder von Flinzer. (Lindner.) 1,20 M.

33. Brauseicetter, Knecht Ruprecht. (Gesch. u. Ged. m. klinstler. wert-

vollen Bildern.) ( Schaf stein. ) Bd. 2 u. 3 @ 3 M. Fur alle Stufen.

34. *Busch, Schnaken und Schnurren. ( Bilderbiicher. ) (Braun & Schnei- der.) 3 Bde. @ 2,50 M.

35. Dieffenbach, Das goldene M'archen- buch. Bilder v. Gehrts. (Heinsius.) 6 M.

36. * Grimm, Br., Kinder- und Hausmar- chen. (Bertelsmann.) 13 farb. Bilder von P. Meyerheim. Kart. 1 M., geb. 1,50 M.

37. *Grimm, Br., Funfzig M'archen. (Reclam.) 12 Bilder von L. Richter. 80 Pf.

38. *Grimm, Br., Kinder- und Hausmar- chen. Ohne Bilder. (Bibl. Inst.) 65 Pf.

39. Jungbrunnen, Die Gansemagt. Der Eisenhans. Zwei Marehen v. Grimm. Bilder von Braune. (Fischer u. Franke,) ungeb. 1,25 M. St. II— V.

40. *Kreidolf, Die schlafenden Baume. (Bilderbuch.) (Schafstein.) 1,50 M.

41. Lowen-stein, Kindergarten. Illustr. ( Verlagsanstalt Hamburg.) 3 M.

42. *Probst, Wen soil ich malenf (Zum Nachzeichnen. ) (Braun & Schnei- der.) 2,50 M.

43. Reinick, Lieder u. Erz'ahlungen. (Union.) 80 Pf.

44. *8peckter, Vogelbuch, mit Gedichten von G. Falke. (Janssen.) 1 M.

45. *Topelius, Ausgewahlte M'archen u. Erz'ahlungen. (Wunder.) 2,50 M.

III. Fur IO- bis 12-jahrige Kinder.

Erzahlungen, M'archen und Sagen.

46. Andersen, M'archen. Auswahl von Werther. (Union.) 80 Pf.

47. Cooper, Lederstrumpf-Geschichten. Bearb. v. Hocker. (Union.) 2 Teile, @ 1,20 M.

48. *Eigenbrodt, Aus der schonen, wei- ten Welt. Gedichte. Bilder v. Volk- mann. (Voigtlander.) Ungeb. 0,80 M.

49. *Grabner, Robinson. Schulausgabe. (Grabner.) 1,40 M.

50. * Grimm, Kinder- und Hausmarchen. Illustr. von Vogel. ( Braun & Schnei- der.) 9 M.

5l.Hebel, Ausgewahlte Erz'ahlungen des rheinland. Housfreundes. (Union.) 0,80 M.

52. Jungbrunnen : M'archen fur die deut- sche Jugend. (Reich illustr. Aus-

wahl.) (Fischer & Franke.) Geb. 2 M.

53. * Jungbrunnen: Andersen: Der Schweinehirt. Die Prinzessin auf der Erbse. Illustr. von Dasio. (Fi- scher & Franke.) 1,25 M., ungeb. (Stufe III— V.)

54. Jungbrunnen: Musaus: Zwei Mar- chen von Rubezahl. Illustr. v. Stroe- del. (Fischer & Franke.) 1,80 M., ungeb. Stufe III— V.

55. * Jungbrunnen : Musaus, Rubezahl und das Hirschberger Schneiderlein. Bilder v. A. Schmidhammer. (Fi- scher & Franke.) Ungeb. 1,25 M..

56. * Paysen-Petersen, Reinhard Rot- fuchs. (Kleine Geschichten. (Spa- mer. ) 4 M.

57. * Pay sen-Peter sen, Furs deutsche Haus. Marchensammlung. Mit Zeich- nungen v. de Bruycker. (Meissner.) 7,50 M.

58. *Probst, Der Schnellmaler. (Zum Nachzeichnen. ) (Braun & Schnei- der.) 1,50 M.

59. *Roth, Ein nordischer Held. (Aus dem Leben Gustav Wasas.) (Uni- on.) 60 Pf.

60. *Schalk, Die grossen Heldensagen des deutschen Volkes. (Lehmann.) 4 M.

61. *Sohnrey, Die Landjugend. (Ein Jahrbuch.) (Warneck.) 1,25 M.

62. *8pyri, Aus Nah und Fern. (Erzah- lung.) (Perthes.) 3 M.

63. *8pyri, Gritli, 1. u. II. (Erz.) (Perthes.) @ 3 M.

64. *8pyri, Heidi, I. u. II. (Erz.) (Perthes.) @ 3 M.

65. *Spyri, Geschichten fur jung u. alt. (Kleine Erzahlungen.) (Perthes.) 3 M. 10 Hefte @ 30 Pf.

66. *Weber, Neue M'archen. (Wunder.) 75 Pf.

67. Tiermarchen. ( Wunderlich. ) 60 Pf.

Naturkunde und Geographic.

68. *Hesdorffer, Anleitung zur Blumen- pftege im Hause. ( G. Schmidt. ) 3 M.

69.*Roth, Stanleys Reise durch den dunklen Weltteil. (Union.) 1 M.

70. *Wagner, Entdeckungsreisen in Berg und Thai, in Stadt und Land, in Wald und auf der Heide. (Spamer.) 3 Bde. @ 2,50 M.

71. Wagner, In die Natur. (Helmich.) 2. Bd. 1,20 M., 3. Bd. 1,50 M.

72. *Weber, Der Zoologische Garten. Holzschnitte.) (Weber.) Ungeb. 2M.

IV. Fur 13- und 14-jahrige Kinder.

Erz'ahlungen, Marchen, Dramen u. s. ic.

73. Bucker, Unsere Arbeiter der Neu- zeit. (Perthes.) 3 M.

Ver^eichnis empfeblenswerter Jugendlektiire.

355

74. Burnett, Der kleine Lord Fauntle-

roy. (Erzahl.) (Meyer.) 0,65 M.

(Reclam.) 0,80 M. "i5.*Chamisso, Peter Schlemihl. (Erz. )

(Hendel), 50 Pf., (Bibl. Inst.), 40

Pf., (Reclam), 60 Pf. 7Q.*Defoe, Robinson. (Erzahlung. )

(Reclam.) Ungeb. 40 Pf., geb. 80 Pf. 11.*Fouque, Undine. (E. March.)

(Hendel.) 50 Pf.

78. Gellert, Fabeln und Erzahlungen. (Auswahl.) (Hahn.) 0,80 M.

79. *Goethe, Hermann und Dorothea. (Bibl. Inst.) 40 Pf.

80.*Hauff, M'archen. (Reclam. 1 M. (Hendel.) 1 M.

81. *Hauff, Das Kalte Herz. (Ein Mar- chen. ) ( Lehrerhausverein Linz.) 0,85 M.

82. *Hauff, Lichtenstein. (Erzahlung.) (Bibl. Inst.) 90 Pf., (Hendel) 1 M., (Reclam) 1 M.

83. *Eenningsen, Neue Quellen. Ged. aus neueren Dichtern. (Schuster & L.) 2 M.

84. *Jungbrunnen, Der Ba.renha.uter und Die sieben Schwaben. (Zwei Mar- chen. ) Bilder von Stassen. (Fischer & Franke.) 1,25 M., ungeb.

85. *Jungbrunnen, Konigskinder. (Mar- chen. ) Bilder v. Wenig. (Fischer & Franke.) 1,60 M., ungeb.

86. *Jungbrunnen, Deutsche Soldatenlie- der. Bilder von Bek-Gran. (Fischer & Franke.) 1,25 M., ungeb.

87. *K6rner, Zriny. (Drama.) Bibl. Inst. 50 Pf., (Hendel) 50 Pf.

88. *Lessing, Minna von Barnhelm. (Bibl. Inst.) 40 Pf., (Hendel) 50 Pf., (Reclam) 60 Pf.

89. Lilienkron, Kriegsnovellen. Auswahl fttr die Jugend. (Schuster u. Loff- ler.) 1 M.

90. *Lyon, Auswahl deutscher Gedichte. (Velhagen u. Kl.) 2,20 M.

Ql.Paschali, Die silberne Glocke. (Ein Marchen.) (Bull.) 1,80 M.

92. Pet ersen, Prinzessin Ilse. (Mar- chen.) (Hendel.) 50 Pf.

93. *Rosegger, Als ich noch der Wald- bauernbub war. (Erz. aus Roseggers Jugend.) (Staackmann.) 3 Teile @ 0,70 M. u. 0,90 M.

94. *Rosegger, Deutsches Geschichten- buch. (Staackmann.) 4 M.

95. *Rosegger, Waldferien. (Staack- mann.) 4 M.

96. *Rosegger, Waldjugend. (Staack- mann.) 6 M.

97.*Rosegger, Aus d. Walde. (Staack- mann. 4 M .

98. *Rosegger, Ernst u. heiter. ( Staack- mann.) 4 M.

(Stimtlich Erzahlungen.)

99. * Schiller, Tell. (Reclam) 60 Pf., (Hendel) 50 Pf., (Bibl. Inst.) 50Pf.

100. 'Schiller, Jungfrau von Orleans. (Bibl. Inst.) 40 Pf., (Hendel) 50 Pf., (Reclam) 60 Pf.

101. Schulze-Smidt, Jugendparadies. (Erzahlg.) (Velhagen.) 5,50 M.

102. Schulze-Smidt, Mit dem Gliicks- schiff. (Erz.) (Velhagen.) 5,50 M.

103. Spyri, Einer vom House Lesa. (Er- zahlg.) (Perthes.) 3 M.

104. *Stifter, Bergkristall. (Erzahlung.) (Bibl. Inst.) ungeb. 10 Pf., (flsterr. Lehrerverein) 85 Pf.

105. * Spyri, Katzensilber. (Erzahlung.) (6sterr. Lehrerverein.) 85 Pf.

106. *Storm, Pole Poppensp'aler. (Erz.) (Westermann.) 50 Pf.

107. * Storm, Die Sohne des Senators. (Erzahlg.) (Westermann.) 3 M.

108. * Storm, Geschichten aus der Tonne. Paetel.) 5,50 M.

109. Storm, Unterm Tannenbaum u. Ab- seits. (Paetel.) 3 M.

110. Thompson, Bingo und andere Tierge- schichten. (Boschel u. Tr.) 6 M.

l\l.*Uhland, Gedichte. Auswahl f. d. Jugend. (Hendel.) 50 Pf.

112. Victor, Kinder geschicht en. (Deut- scher Autoren- Verlag. ) 3 M.

113. Vogel, Frau Mare. Miircheu und Schwanke. (Watzel.) 2,50 M., ill. v.

J. Gehrts, 4,50 M.

114. Worner, Im Brunnen. (Erzahlung.) Watzel.) 0,50 M.

115. Gefundm. ( Erzgn. ) (Union.) 0,80M.

116. Tiergeschichten. (Wunderlich.) 0.60 M.

Sage, geschichtlicJie Erzahlung, Biographic u. s. w.

lll.Andra, Heroen. Griechische Helden- sagen. (Neufeld u. H.) 3 M.

118. B'assler, Alexandersage (in Prosa). (Hartung u. Sohn.) 1,50 M.

119. B'assler, Rolandsage (in Prosa.) (Hartung u. Sohn.) 1,50 M.

120. B'assler, Gudrunsage (in Prosa.) (Hartung u. Sohn.) 1,50 M.

12l.*Caspari, Der Schulmeister und scin Sohn. (Erz. a. d. dreissigj. Kriege.) (Steinkopf.) 2 M. u. 0,75 M.

l23.*Engelmann, Das ~S ibelungenlifd (\. Ver.) (Neff.) 3 M, illustr. 7 M.

124. *Engelmann, Das Gudrunlied (in Versen). (Neff.) 3 M., illustr. 7 M.

125. *Falch, Deutsche Gottergeschichte. (Teubner.) 1 M.

126. *Hahn, Deutsche Charakterkopfe. (Biographien.) (Lehmann.) 2,50 M.

\27.*Hamann, Fr. Schiller. (Herold.) 1,25 M.

356

Padagogiscbe Monatshefte.

12.S. Kassebeer, Hildesheimer Rosen. (Sa- gen. ) ( Gerstenberg. ) 1,60 M.

120. Klee, Dr. G. Die alien Deutschen. (Bertelsmann.) 3 M.

130. Klee, Dr. G., Hausm&rchen aus Alt- Griechenland. (Bertelsmann.) 3,60 M.

131. Kleinschmidt, Befreiung Germaniens vom Romerjoch. (Brandstetter.) 3,50 M.

132. Legerlotz, Das Xibelungenlied im Auszuge ( in Versen ) . ( Velhagen. ) Kart. 0,80 M., geb. 1 M.

133. * Legerlotz, Gudrun im Auszuge (in Versen). (Velhagen.) Kart. 0,80 M., geb. 1 M.

134. Mobius, Die Xibelungen. (Prosa.) Kohler.) 1 M.

135. Ohorn, Schiller und Goethe. (Hist. Erz. ) (Flemming. ) 1 M.

136. Ohorn, Kaiser Rotbart. (Lehmann.) 4 M.

137. Ohorn, Karlsschiiler und Dichter. Aus dem Leben Schillers. (Flem- ming.) 1 M.

138. *Fahl, Edison. ( Voigtlander. ) 1,25 M.

139. Pfeifer, Lebensbilder aus der neue- ren Geschichte. (Waisenhaus. ) 1,50 M.

140. *Richter, A., Gotter und Helden. (Brandstetter.) 4,80 M.

141. *Richter, A., Deutsche Redensarten. (Zum Nachschlagen geeignet. Er.- klarung deutscher Redensarten. )

(Brandstetter.) 3 M.

142. Schmidt, Ferd., Die Iliade, Die Odys- see (in Prosa). (Oehmigke.) 2 Bde. @ 1,50 ]Vf.

143. Schmidt, Ferd., Hermann und Thus- nelda. (Geibel u. Br.) 1 M.

144. Schmidt, Ferd., Goethes Jugend und . . . .Jiinglingszeit. (Neufeldl u. H. ) 1 M.

145. Schmidt, L., Gudrun. (Herrose.) 2,70 M.

146. *Weinland, Kuning Hartfest. (Le- bensbild a. d. Zeit d. alten Gerin.) (Spamer. ) 5,50 M.

147. *Zicmssen, Franz von Sickingen. (Flemming.) 1 M.

148. *Zifmssen, Ernst Rietschel. (Flem- ming.) 1 M.

149. *Historische Bildertafeln. (Hirt.) 2,50 M.

Naturkunde und Geographic.

150. * Buckley, A., Das Feenreich der Wissenschaft. (Geibel.) 4,50 M.

15l.Ehlers, Im Osten Asiens. (Paetel.) 1.25 M.

152. *Enzberg, Xansens letzte Nordpol- expedition. ( Fussinger. ) 4 M.

153. *Enzberg, Heroen der Nordpolfor- schung. (Reisland.) 5 M.

154. *Eschner, Xatni'- u»d Mensclienhand im Dienste des Hauses. (Mobbing u. Biichle.) Bd. I 5 M.. Bd. II 7 M.

155. *Farraday, Xaturgeschichte einer Kerze. (H. Schultze.) 2,50 M.

156. *Fr'Ankel, Xachtigals Reisen in der Sahara und im Sudan. ( Brockhaus. ) 6,50 M.

157. *Geikie, Geologic. (Triibner.) 80 Pf.

158. *Geistbeck, Bildcratlas zur Geogra- phic ron Europa. (Bibl. Inst. ) 2,25 M.

159. *Geistbeck, Bildcratlas zu den au- sservurop&ischen Erdteilen. (Bibl. Inst.) 2.75 M.

160. *Giberne, Sonnc, Mond und Sterne. (Cronbach.) 5.50 M.

161. *Giberne, Das Luftmeer. (Cron- bach.) 6 M.

102. Giberne, Untcr den Stcrncn. (Cron- bach.) 4,50 M.

163. Grube, Tier- und Jagdgeschichten. Neufeld u. H.) 2 M.

1 64. *Heilborn, Allgcmcine Yolkerkunde. Hirt & Sohn.) 4 M.

165. Hummel, Bilder aus der Weltkundc. (Flemming.) 5 M.

166. *KraepUn, A" aturstudien im Hause. (Teubner.) 3,20 M.

167. *Kraeplin, X aturstudien im Garten. (Teubner.) 3,20 M.

168. *Kraeplin, 2V aturstudien in Wald u. Feld. (Teubner.) 3,60 M.

169. *Landsberg, Streifziige durch Wald und Flur. (Teubner.) 5 M.

170. Lutz, Pflanzenfreund. (Hoffmann, Stuttgart.) 4 M.

171. * Marshall, Spasiergiinge eines Na- turforschers. (Seemann. ) M. 3.

172. Schiitte, Insektenbuchlein. (Lutz.) 1,50 M.

1 1 3. Wagner, Entdeckungsreisen in Feld und Flur, in Hans und Hof, in der Wohnstube. (Spamer.) 3 Teile @ 2,50 M.

174. Wolf -Hornier, Gefiederte Baukunst- ler. (Hilfsverein deutscher Lehrer.) 5 M.

V. Fur die reifere Jugend.

Erz'&hlungen, Novellen, Dramen u. ande-

res. 11 o.Alexis, Die Hosen des Herrn v. Bre-

dow. (RomaJi.) (Janke.) 2,80 M.,

(Reclam.) 1 M. 176. Auerbach, Barfiisselc. Erzahlung.

(Cotta.) 4 M. \ll.Freytag, Die Journalisten. (Hirzel.)

1 M. 178. Han jakob, Valentin, der Nagler.

( Novelle. ) ( Wiesbadener Volksb. )

Ungeb. 0.15 M.

Erwiderung.

357

179. Hcbbcl, ^Mbelungcn, Teil I und II. (Drama.) (Hendel.) 0,75 M.

180. Kipling, Im Dschungel. (Phantasti- sche Schilderungen a. d. indischen Tierleben.) ( Fehsenfeld. ) 4 M.

181. Kipling, Das neue Dschungelbuch. (Vita.) 5 M.

182. Kniest, Wind und Wellen. Erzahlg. (Concordia.) 3 M.

183. Lilicncron, Kriegsnovellcn. (Schu- ster u. Loffler.) 3 M.

184. Lilienci-on, Gedichte, Auswahl f. d. Jug. (Schuster u. Loffler.) 0,75 M.

185. Loeicenberg, Vom goldenen tiber- fluss. Gedichte aus neueren deut- schen Dichtern. (Voigtliinder.) 1.60 M.

186. Koscggcr, Das zu Grunde gegangenc Dorf. ( Novelle. ) ( Wiesbadener Volksbiicher.) Ungeb. 0,15 M.

187 . Scheffel, Ekkehard. (Hist. Roman.) (Bonz.) 6 M.

188. Spyri, Was soil denn aus ihr a:er- denf Erz. f. junge Miidchen. (Per- thes.) 3 M.

189. Spyri, Was aus ihr geicorden ist. Erz. f. junge Mudchen. (Perthes.) 3 M.

19Q. Stiftcr, Bunte Steinc. (Erziihlun- gen.) (Amelang.) 2,50 M. (Hen- del.) 1,25 M.

191. Storm, In St. Jiirgcn. (Nov.) (Pae- tel.) 3 M.

192. Storm, Zur Chronik von Gricshuus. (Novelle.) Miniatur-Ausg. (Paetel.) 3 M.

193. Storm, De-r Schimmelreiter. (Ro- man.) (Paetel.) 5,50 M.

Gescbicbte, Sage, gescbicbtlicbe Erfablung u. s. w.

194. Diiringsfcld, r., Das Buck denkiciir- diger Fraucn. (Spamer. ) 7 M.

195. Engelmann, Homers Odysee. (111.) (Neff.) 8 M.

196. Grimrnelshausen, Simplicius Simpli- cissimus, bearb. v. Weitbrecht. Voigtliinder.) 2 M.

»197. Hucker, Mozart. (Flemming.) 1 M.

198. Keck, Gudrun. (Teubner.) 80 Pf.

199. Keck, Xibelungen. (Teubner.) 2.10 M.

200. Keck, Dietrich v. Bern. (Teubner.) 1,80 M.

201. Legerlotz, Gudrun. (Velh. u. Kl.)

3 M.

202. Ohorn, An Wcimars Muscnhof. (Goetlie in Weimar.) (Flemming.) 1 M.

203. Polack, Voter Pestahzzi. (Soen- necken.) 30 Pf., ungeb.

204. Keichard, Stanley. (Hofmann.) 3,20 M.

205. Kiehl, Der Stadtpfeifer. (Wiesbaden, Volksbildungsverein. ) 10 Pf., ungeb.

206. Tegner, Frithjofsage. ttbersetzt von Monicke. (Hendel) 1,20 M. u. 50 Pf., (Reclam) 80 Pf.

207. Tegner, Frithjofsage. ttbersetzt von Viehoff. (Bibl. Inst.) 50 Pf.

208. Tegner, Frithjofsage. (Jbersetzt von Engelmann. (Neff.) 3 M.

Xaturkunde und Geographie.

ZQQ.Beck, Kcisc um die Welt. (Renter.)

4 M.

210 Blochmann, Luft, Wasser, Licht und Wiirme. (Teubner.) 1,25 M.

211. Gildemeister, Auf einetn Segclschiffe um Cap Horn. (Reiseerlebnisse. )

(Reimer.) 3,50 M.

212. Hesdorfcr, Unt. Blumcn. (Schmidt.) 3 M.

213. Hesdtirfer, Zimmerg&rtnerei. (Schmidt.) 10 M.

214. Kennan, Kcltleben in Sibirien. (Bibl. Inst.) Ungeb. 0,50 M., (Reclam) geb. 1 M., (Cronbach) 5.50 M.

215. Lutz, Wanderungen in Begleitung eines Naturkundigen. (Hoffmann.) 8 M.

216. Marshall, Bilderatlas zur Zoologie. Bibl. Inst.) 4 Teile (a> 2,50 M.

217. Plieningcr, Livingstone. (Union.) 5,50 M.

218. Staby, Emin Pascha. (Siiddeutsche Verlagsanstalt.) 4.50 M.

II. Erwiderung.

University of Mississippi. 27th September 1902. Editor of Piidagogisclie Monaishefte

I have just returned from abroad, whither I went last winter. I did not find \our publication on file either at the Library of the University of Berlin, where I was studying, or at the Berlin Royal Library. Not until very recently did I see your January number, which contains a review by Mr. O. E. Lessing of my edition of Grillparzer's Sappho. This review is, to say the least, so unappreciative of my careful work that 1 feel forced to speak out even after so long a time.

358 Padagogiscbe Monatsbefte.

As far as my quoting several times from Scherer is concerned, I hold that he is still generally reckoned among the chief Grillparzer authorities. In his valuable Grundriss der neuern deutschen Litteraturgeschichte, which appeared as late as March or April of the present year, Richard M. Meyer designates Scherer's article on Grillparzer which is found in the Vortrage und Aufsatze as sehr wichtig, the only article on Grillparzer so designated by the way. It seemed to me wisest to enumerate the dramas according to Scherer's three types. There would of course be certain objections to any classification that might be made. I can imagine none and I have certainly seen none that is ideal. Ehrhard's division is by no means satisfactory. By the way, Ehrhard too puts Ein Bruderzivist in Habsburg in the same category with Eonig Ottokars Gliick und Ende. No one will deny that the two dramas are very different.

Some may agree with Mr. Lessing that the 'introduction' to my edition shows no understanding of Grillparzer's genius; others may not. It is largely a matter of opinion, and we must be prepared for differences of opinion in this world. The editor was inspired by the greatest love and admiration for the play and for the author, as must be evident to all unbiased persons. At the same time, he did not hesitate to express his opinion of Bancbanus and of Weh dem, der lugt, an opinion which is based on repeated readings and in which he is supported by some of the j.rincipaJ Grillparzer authorities. He is not one of those who believe in keeping silent as to the faults of an author simply because we love and admire him.

The statement that my 'critical analysis' is entirely dependent on Lichtenheld is utterly without foundation. My procedure is as different as possible from Lichtenheld's. Of the eight pages devoted to this analysis only one sentence, eight lines in length, is in any way dependent on Lichtenheld, the indebtedness being acknowledged in a footnote, and only one other sentence, three lines in length, shows even indirectly the influence of Lichtenheld. Further, anyone who will take the trouble to refer to the three notes in Lichtenheld's school edition that [ am accused of purloining, will see that there is only a general resemblance and that the thought in each case is one that would naturally suggest itself to any person at all familiar with dramatic technique. Everywhere in my edition I have given credit where credit is due.

I am accused of putting together the 'notes' without any regular plan. Cer- tainly I had a well-defined plan in mind, and I believe I carried it out consistently. Mr. Lessing speaks of "die endlosen Hinweise auf zu erganzendes Hilfsverb." In about twenty instances I have for the sake of clearness indicated the verb that must be supplied. In only four of these cases, however, do we have to deal with the ordinary omission of the auxiliaries of tense which is mentioned in the school gram- mars, and many students would certainly take the verb in three of these four instances for a present. Probably no two persons ever agreed as to what words and expressions should be annotated. All the notes cited by my critic as unnecessary were well-considered and inserted after a careful comparison of all the school dic- tionaries commonly used. I think there would be a real difficulty in each instance for the average student.

1 am always grateful for helpful criticism. After careful consideration, how- ever, I find that I can agree with Mr. Lessing in only one of the points raised by him, the one in connection with Franz von Kleist as a source for Grillparzer. About this he is certainly right. The evidence adduced by Schwering had seemed to me conclusive. My library facilities here are very limited, and I had no access to Sauer's review in the Anzeiger fur deutsches Altertum 19 and to von Kleist's Sappho before going to Berlin. Even if Sauer's article had not convinced me, the

Bilcberbesprecbungen .

359

reading of von Kleist's drama would have shown me at once that there is no con- nection between it and Grillparzer's masterly Sappho. Long before seing Mr. Les- sing's review I had written Ginn & Company that this would have to be changed. Mr. Lessing says my work will not measure up to any strict demands ; he speaks of it as a very modest beginning in the way of Grillparzer editions and finds some parts of the 'critical analysis' naive in the highest degree. I fully realize that my work falls far short of my ideal. Before it went through the press, however, it was most carefully read a number of times by two or three of the foremost scholars of America, who at my special request did not hesitate to criticise freely and frankly. Every point about which there could be any doubt was most care- fully considered and fully discussed. It seems rather strange that they noticed none of the naive passages which Mr. Lessing finds. A number of the most promi- nent German scholars in the United States have volunteered words of encouragement to me. They have told me that they were pleased with my work and had found it entirely satisfactory in the class room. I think it only fair to ask every scholar that does not know the book to form his opinion at first hand and not from Mr. Lessing's very unsympathetic review. It is my belief that extremely few will take a view so unfavorable.

CHILES CLIFTON FERRELL.

III. Biicherbesprechungen.

1. Immensee, von Theodor Storm. With introduction, notes, vocabulary, and English exercises, by Dr. Wilhelm Bern- hardt. Revised Edition. Boston, D. C. Heath and Co., 1902.

2. Unter vier Augen, von Ludwig Fulda, und Der Prozess, von Roderick Benedix. Edited with notes and voca- bulary by W. A. Hervey. New York, Henry Holt and Co., 1902.

3. Der Talisman, von Ludwig Fulda. Edited with introduction and notes by Dr. C. W. Prettyman. Boston, D. C. Heath and Co., 1902.

4. Michael Kohlhaas, von Heinrich von Kleist. With introduction and notes by William Kurrelmeyer. New York, Henry Holt and Co., 1902.

Die erste Auflage der Bernhardtschen Ausgabe von Immensee ist der Hochflut der Immenseeausgaben, die im letzten Jahrzehnt den deutschen Schulbticher- markt uberschwemmt hat, um mehrere Jahre vorausgegangen. Die hier (1) vor- liegende zweite Auflage erscheint in we- sentlich verandertem Gewande und ist eine der besten Ausgaben, die wir be- sitzen. Die Einleitung von andert- halb auf sechs Seiten angewachsen wird in ihrer neuen Gestalt dem Novel- listen Storm viel mehr gerecht, als dies sonst zu geschehen pflegt. Die Anmer- kungen sind der ersten Auflage gegen-

iiber um vier Seiten gekiirzt (16 gegen f riiher 20 ) . An Einzelheiten bemerke ich hier, dass die nunmehrige Erklarung von Reinhards siidlichem Akzent (Seite 2, Anm. 2) die einzig richtige ist; falsch ist, geschichtlich betrachtet, die Bemer- kung zu ,,in Hillle und Fiille" (S. 13, Anm. 1 ) ; vgl. Pauls Worterbuch. In Seite 13, Zeile 18 u. f. kann ich keinen ,,humorous bombast" sehen. ,,Junker" (S. 15, Anm. 4) geht natiirlich nicht auf holliindisch junkheer, sondern mittel- hochdeutsch June herre zuriick. Nicht ganz richtig ist die Definition -des Linne- schen Systems. Unnotig erscheint mir auf Grund eigener Lehrerfahrung die lange Bemerkung zu S. 27, Z. 12 f. ; etwas steif die tfbersetzung von ,,die Jugend liisst sich nicht armer machen," ein- facher und besser ware: ,,youth always makes the best of everything" (ich ent- nehme diese Worte der (Jbersetzung von Frl. Heath, Portland Me., T. B. Mosher, 1902, auf deren treffliche Einleitung ich besonders verweisen mochte). Erichs Deutsch (S. 33, Anm. 2) war einfach als dialektisch zu erklaren. Ungeniigend ist Anm. 1 zu S. 44; merkwlirdig, dass noch keine Immenseeausgabe die so nahe- liegende Annahme erwahnt hat, dass die Zigeunerin von Elisabeths Mutter gedun- gen sein konnte, Reinhards Treiben auf der UniversitUt auszuspionieren ; eina Erkliirung, die ausserdem auch auf S.

360

Padagogiscbe Monatsbefte.

26, Z. 2 Licht wirft. Im Worterver- zeichnis ist auch diesmal Abendsonnen- duft wieder mit ,,evening glow" wieder- gegeben, statt mit ,,the haze of the sett- ing sun." Unter den tfbungen im An- hang, die im allgemeinen zweckmiissig sind, kb'nnte ich mich mit Nummer 9 nnd 10 nie und nimmer Defreunden: Elisabeths Beschreibung des Waldidylls nimmt diesem den ganzen duftigen Zau- ber; und dass Richard seinen Schmerz einem Tagebuch vertraute, noch dazu in soldier Form, ist vollends undenkbar. Schon den Zusatz, dass Elisabeth mit Zunamen Freidank, Erich Volkmar, und der jovialc Proviantmeister Steinbach geheissen, empfinde ieh a Is storenden Eingriff in des Dichters gutes Recht, der mit bewusster oder unbewusster Absicht seine Personen nicht niiher kennzeich- nete. In dem Satz ,,Do you still love me, and will you always love me?" wer- den auch manche das Wort lieben ge- brauchen, obwohl dies und jedenfalls nicht ohne besondern Grund Storm in Immensee nie gebraucht. Die Ausstat- tung des Bilndchens ist hiibsch; ausser einem Bilde des alten Storm enthiilt dasselbe auch die Wiedergabe zweier Bilder aus der grossen Jubilaumsaus- gabe.

ttber die unter 2) genannte Ausgabe der beiden Lustspiele von Fulda and Be- nedix ist nur Lobendes zu sagen; erkennt man Zweck und Grundsatz, wie die Ein- leitung sie gibt, als piidagogisch riehtig an, so wird man auch gerne zugeben, dass die Ausgabe mit viel Geschiek her- gestellt ist. Da der Text (60 Seiten) zur Lektvire in Anfilngerklassen bestimmt ist, wird man die Anmerkungen (20 Sei- ten) kacm zu lang finden, wenn auch hie und da eine knappere Fassung erwiinscht ware. ,,Auf den Hiinden tragen" (S. 2, Z. 24) ist in diesem Zusammenhange wortlich, nicht bildlich zu verstehen. Das fleissig ausgearbeitete Vokabular ( 55 Seiten ) scheint alle Stichproben auf Voll- stiindigkeit bestehen zu konnen.

Fuldas dramatisches Miirchen ,,Der Talisman", das der Zwolferausschuss der Modern Language Association als Lek- tiire fiis Vorgeschrittene empfiehlt, er- scheint in der Prettyman'schen Ausgabe ( 3 ) zum ersten Male fur Schulzwecke be- arbeitet; eine zweite Ausgabe desselben soil, wie ich hore, demnlichst im Verlag von Henry Holt & Co. erscheinen. Die kurze, aber ausreichende Einleitung (et- was iiber sechs Seiten), die u. a. Ander- sens Marchen von des Kaisers neuen Kleidern zum Abdruck bringt, hiitte wohl erwiihnen sollen, dass der Grundgedanke

dieses Miirdiens auf einen viel iilteren Schwankstoff zuruckgeht, niimlich Till Eulenspiegel als Schopfer eines grossen V\7andgemiildes, das nur sehen konne, wer ehrlich geboren sei und sein Amt recht verwalte. Die Anmerkungen (15 Seiten) scheinen auf den ersten Blick etwas diirftig; so ist iiber Ban des Dramas, Charakteristik der Personen u. dgl. gar nichts gesagt ; doch liisst dies Lehrer und Schiller etwas zu tun (ibrig und diirfte insofern kaum als Fehler zu betrachten sein. Zu Vers 311 wiire die Amuer- kung dahin zu berichten, dass die Ho'f- linge hier veriiclitlich Schleppentrilger genannt werden. Vers 633: Tafelrunde wird vielfach, so vielleicht auch hier, ohne irgendwelche Beziehung auf Konig Artus und seine Ritter gebraucht und muss im Munde des Konigs nicht not- wendigerweise Selbstiiberhebung sein.

Eine gediegene Arbeit bietet Dr. Kur- relmeyer mit seiner Ausgabe des Kleist'- schen Michael Kohlhaas (4), besonders in der ausfiihrlichen Einleitung. Natiir- licherweise ist aber das Buch nur fur spezielle Litteraturklassen berechnet; fur allgemeinen Gebrauch eignet es sich nicht wegen der altertiimlichen Sprache. Eben clarum hiitte es sich wohl auch der Miihe verlohnt, ahnlich der Liste der Ei- "•enheiten in der Wortfiigung (S. 137), eine Zusammenstellung der Archaismen des Wortschatzes zu geben, wie antreten (S. 30. Z. 8), nicht sobald (34, 4), Ge- meinheit (49, 9), was auch (106, 25), u. ii. S. 19, Z. 19 sind die Namen Hinz und Kunz mcht im allgemeinen Sinne zu verstehen; die Anmerkung ist unrichtig, oder sie wiire schiirfer zu fassen. S. 45, Z. 24: die Pleissenburg ist seit einigen Jahren abgerissen. Falsch ist die zu S. 58, Z. 10 gegebene Obersetzung; es muss etwa heissen "after bitter allusions to." Wenn die Einleitung Vergleiche zieht zwischen Kleists Novelle und Goethes Gotz von Berlichingen, so wiire vielleicht auch eine Vergleichung mit Schillers Rilubern am Platze; inGrundgedanke und Einzelheiten dlirften sich moglicherweise auch da iiberraschende Parallelen erge- ben.

E. C. Roedder.

Julius Wilde, Prnparationen fur den Anschauungsunterricht in der 1. und II. Klasse der Volksschule. Kaisers- lautern, Hermann Kayser. Preis, ge- bunden, M. 2.80, VII und 199 Seiten. Dieses Werkchen will das Material lie- fern fur den Anschauungsunterricht in den zwei unter sten Klassen der Volks- schule. Neben der 5bung der Sinnes- und Sprachwerkzeuge war es dem Ver- fasser darum zu tun, die Gemiitsbilclung

Bttcberbesprecbungen .

361

zu befordern. Es sind keine breitgetre- tenen Lektionen; die Sprache ist kurz und biindig. Die Besprechungen befol- gen vier Stufen: I. Vorbereitung, II. Be- sprechung, III. Verallgemeinerung und IV. Zusammenfassung. Die Anschau- ungsobjekte sind genommen: 1. Aus der Schulstube, 2. aus dem Haus, dann fol- gen 3. Nahrungsmittel und deren Berei- tung, 4. Kleidungsstiicke und deren Her- stellung, 5. Haustiere und das Verhalten gegen dieselben, 6. der Wohnort (Schul- haus, Beschaftigung der Ortsbewohner u. s. V.), 7. Gang durch das Feld Hase, Lerche, Rabe, Klatschmohn , 8. Wasser und Wiese Heuernte, Gansebliimchen, Storch, Froscb/, Fisch, Dotterblume, Miihle , 9. Gang durch den Wald Maiglb'ckchen, Tanne, Eichhornchen, Ei- che, Haselnussstrauch, Fuchs , 10. Zeit Winter, Friihling, Sommer, Herbst , 11. Himmel Sonne, Mond, Sterne.

Denkspriiche sind an passenden Stel- len eingestreut. Marchen und andere Er- zahlungen sind eingeflochten, oder es ist auf Lesebiicher verwiesen, wo solche Er- zahlungen zu finden sind. Das Inhalts- verzeichnis ist so eingerichtet, dass der ganze Stoff des Buches in zwei konzentri- sche Kreise verteilt ist. Natiirlich mils- sen die meisten Besprechungen den lo- kalen Verhaltnissen angepasst werden, wo die Schiller zu hause sind. Ganz be- sonders ist dies beim Wohnort der Fall. Viele Objekte sind in Amerika gar nicht zu finden.

Im ganzen genommen, kann das Buch jungen Lehrern und jungen Lehrerinnen, welche den Anschauungsunterricht in den unteren Klassen zu erteilen haben, angelegentlich empfohlen werden.

W. H. Weick.

Lessings Minna von Barnhelm oder Das Soldatcngliick. With introduction, notes and vocabulary by Charles Wil- son, A. M., Professor of German Language and Literature in the State University of Iowa. New York, D. Appleton & Co., 1902. Es existieren zwar schon eine ganze Reihe von Schulausgaben der Dramen Lessings, trotzdem muss die vorliegende Ausgabe des Soldatengliicks mit Freuden begriisst werden. Lessing ist die beste und gesiindeste Lekttire fiir die sich mit deutschen Studien beschiiftigende Ju- gend. Ewig klar und spiegelrein und eben fliesst die Sprache des Schopfers der deutschen Komodie dahin. ,,Das stiht, als warsch in Marmelsteen

gemeisselt und gehauen; Do stiht's, als wie a fester Grund, um Hauser druf zu bauen;

In Wahrheet und in Klarheet stiht's fur

kummende Jahrhundert; Su lange deutsch gesprochen wird, wird Lessing ooch bewunnert."

Das sagt Holtei iiber Lessing, und er hat Recht. Um klare, schlichte und tref- fende Ausdrucksweise zu lernen, ist keine Lektiire besser als die Lessings.

Der Verfasser hat seinem Buche eine hiibsche historisch gehaltene Einleitung vorausgeschickt, die den Schiller in die Zeit, in der Lessing lebte, und in die Be- deutung des Dichters einfiihrt. Das ist das Beste an Herrn Wilsons Arbeit. Auch das Vocabularium ist sehr niitzlich, und wird dem Schiller das Verstandnis we- sentlich erleichtern. Die Noten leiden, wie gewohnlich, an dem Zuviel. Eine grosse Anzahl ist vollstandig iiberflilssig. Aber die Grenze ist da wohl schwer zu ziehen. H. J.

Kuttner's German Conversation Course. A graded Series of Object Lessons, Di- alogues and Grammar. By Bernhard Kuttner, Instructor of German in the Public Schools, New York City. (Sec- tions I and II.) The Abbey Press, New York, 1902. Pag. IX and 122. Preis ?

Die ersten 15 Seiten des Buches fiih- ren die kleinen Schrift- und Druckzei- chen vor, ebenso Worter. Auf den Sei- ten 16 25 folgen die grossen Druck- und Schrif tzeichen ; hier treten auch kurze iSiitze auf. Auf Seite 26 treten die Um- laute auf, und zuletzt folgen die selte- ner vorkommenden Lautzeichen C, Ch, Ph, u. s. w.

Der zweite Teil des Buches bringt dann das Material fiir den Anschau- ungsunterricht unter den ttberschriften: ,.Zahlen, Zeit, die Schule, Spiele und Nahrung."

Der Stoff wird in einfachen Lese- stiicken, sowie in Fragen und Antworten vorgefiihrt. Am ausfiihrlichsten und in- teressantesten sind jedenfalls die Kapi- tel Schule und Nahrung behandelt. Hier tritt auch die Grammatik auf. Wenn das Buch in den Mittelklassen unserer Volksschulen gebraucht wird, mag das angehen.

Die wichtigsten Wortarten werden der Rcihe nach vorgefiihrt. Es tritt nie zu viel Neues auf einmal auf. Auch findet das Neue dann gleich Anwendung.

In Schulen, in denen der deutsche Un- terricht in den Mittelklassen erst be- ginnt, wird das Buch mit Erfolg benutzt werden konnen. Dem Buche soil, wie aus der Vorrede hervorgeht, ein zweites fol- gen.

362

Padagogische Monatshefte.

Gliick auf. A first German Reader. By Margarethe Miiller and Carlo, Wencke- bach, Professors of German in Welles- ley College. Boston, U. S. A., and London. Ginn & Company, I'ublishers, The Athenaeum Press, 1901. Pag. XXIII und 235. Preis, ? Dieses Buch ist, wie das Vorwort an- gibt, "for beginners of German."

Jedenfalls ist es fur Anfiinger in Hochschulen und Colleges berechnet. Das scheint auch die 24 Seiten umfassende "Introduction" anzudeuten. In dieser Einleitung werden namlich "English- German Cognates," "Grimm's Law" und anderes Sprachliche erlautert. Diesen Teil kb'nnen entschieden nur Schiller mit geniigender Vorbildung im Englischen verstehen.

Dann folgt im eigentlichen Hauptteil Lesestoff unter den tfberschrif ten : Vor- stufe, aus dem deutschen Dichterlande, aus der germanischen Gb'tterwelt, aus der germanischen Sagenwelt, aus dem deutschen Vaterlande und Anhang. Als Schluss folgt ,,Altes Gold" in Sprichwor- tern und Merkreimen.

Diesem eigentlichen Text folgen 38 Sei- ten "notes," 14 Seiten ,,Fragen" und ein 65 Seiten umfassendes "Vocabulary."

Auch die "notes" und das "vocabulary" scheinen auf den Gebrauch des Buches in hoheren Schulen hinzuweisen.

Die Sprache ist einfach und bietet nicht allzuviele Schwierigkeiten. Bedenk- lich konnte vielleicht der Umstand sein, dass der Lesestoff, wie aus dem Inhalts- verzeichnis hervorgeht, sich ausschliess- lich auf Deutschland und deutsche Ver- haltnisse bezieht.

Der beste Teil ist entschieden die Ab- teilung ,,Aus dem deutschen Dichterlan- de". In dieser Abteilung finden wir 17 bekannte Lesestiicke. Oft sind es Ge- dichte mit einem einfachen Prosastiick als Vorstufe. Das Buch ist Jedenfalls den besseren Erscheinungen auf diesem Gebiete an die Seite zu stellen.

J. Eiselmeier.

Das Lied, das meine Mutter sang, Ge- dicht von Dr. H. H. Pick, arrangiert fiir Mannerchor, gemischten Chor und dreistimmigen Kinderchor, von Theo- dor Meyder.

Das stimmungsvolle Gedicht des deutschamerikanischen Schulmannes Dr. Fick hat eine Reihe Komponisten gefun- den, die es in Musik setzten. Die uns vorliegende Komposition hat L. Hoff- mann zu ihrem Schopfer. Sie zeichnet sich durch ihre Volkstiimlichkeit aus und hat damit den Ton der Dichtung in der gliicklichsten Weise getroffen. Die von Herrn Theodor Meyder, Oberlehrer in Cincinnati, angefertigten Arrangements sind sehr geschickt und verdienen die weiteste Verbreitung. Namentlich gilt dies von dem Arrangement fiir Kinder- chor; denn in Schule und Familie sollte das Gedicht und seine Melodic in erster Linie Eingang finden.

Der Ma.rchenprinz. Festspiel fiir die Ju- gend von Franz R. Willkomm, Biirger- schullehrer. In Musik gesetzt fiir ein- und zweistimmigen Chorgesang nebst Solis, Rezitativs etc. Mit Be- gleitung des Pianoforte von Gustav Kny, Oberlehrer. Bestellungen bei F. R. Willkomm, Warnsdorf, und Gustav Kny in Newkreilitz an der Bohmischen Nordbahn. Preis 8 K. Der ,,Marchenprinz" ist am Abend, wahrend seine Mutter ihm und seinen Geschwistern noch ein Marchen erzahlte, eingeschlafen, und im Traume ziehen alle die lieben Gestalten aus den deutschen Marchen an ihm voriiber. Dieser Stoff ist in einer dem kindlichen Geiste ange- passten Weise poetisch bearbeitet und iiberaus ansprechend in Musik gesetzt. Der musikalische Teil zeichnet sich durch einen grossen Melodieenreichtum aus; die Harmonieen sind einfach und fiir das musikalische Kb'nnen der Kinder berech- net. Das ganze Werk ist, was Text, so- wie Musik betrifft, mit zu dem Besten zu rechnen, was die musikalische Lite- ratur fiir Schulerauffiihrungen in den letzten Jahren gezeitigt hat, und wir kb'nnen es alien Gesanglehrern, denen ein guter Schiilerchor zur Verfiigung steht, aufs warmste empfehlen. Sie werden in seiner Einstudierung viel Vergniigen fin- den, wahrend eine Auffiihrung sie reich- lich fiir die angewandte Miihe belohnen wird. Dem Textbuch sind noch Anwei- sungen fiir die szenische Darstellung, fiir die Reigen und die Gruppierung der Kin- der beigefiigt. M. Q.

1 nhaltsverzeichnis.

Offizielles.

Aufruf zum 32. Lehrertage, 153, 185, 217 Nat. Deutscham. Lehrerseminar, 187, 219 Protokoll des 32. Lehrertages. .257, 297

Editorlelles.

Besuch des Prinzen Heinrich 93

Col. F. W. Parker f 113

Nationalbund, der deutscham 9

Unser diesjahriger Lehrertag 95

VVann soil mit dem Unterricht in der deutschen Sprache begonnen wer-

den ? 94

W. H. Weick t 330

Zum Schluss des III. Jahrganges. . .331

Aufsatze.

Berndl, das Schulaquarium 165

Bottcher, auf Pfaden des Tell 12

Boone, Address on "German Day" in Cincinnati 305

Brahm, wie betrachten wir am besten die Werke der bildenden Kunst. . . 40

Eiselmeier, der amerikanische Volks- schullehrerstand und seine Besol- dung 221

Grebner, zweihundert Jahre deutscher Schule in Amerika 303

Grosse, der deutscham. Nationalbund 1

Hohlfeld, der Literaturbetrieb in der Schule, mit besonderer Riicksicht auf die gegenseitigen Beziehungen der englischen und deutschen Lite- ratur 46, 73

Jagemann, von, das Rtistzeug eines Lehrers des Deutschen 261

Kuttner, die berufliche und finanzi- elle Stellung des Elementarleh- rers 34, 90

Learned, when shouldGerman instruc- tion begin in the public schools?.. 86

Lessing, neuere Literaturgeschich- ten 232, 268

McLouth, the teaching of literature in the secondary schools 119, 158

Prokosch, Col. F. W. Parker 155

Prokosch, der erste Sprachunterricht an angloamerikanische Schiller .... 307

Schonrich, im rauhen Fahrwasser . . . 234

Weick, der erste Sprachunterricht auf anschaulicher Grundlage 311, 333

Willenborg, die Wetterwarte derV er. Staaten 198, 227

Wilke, die neue deutsche Rechtschrei- bung 277

Wittich, das Gleichgewicht der Erzie- hung 114, 189

Fur die Schulpraxis.

Buehner, wie kann man den deutschen Unterricht lebendig und praktisch

machen? 131, 168

Elocution in public schools 240

Gedachtnis des Menschen 126

Geiiihrlichkeit der Schultinte 125

Hausaufgaben, ein alter Zopf 126

Hermann, Aufsatzproben 53

Hohgrefe, das deutsche Lied in der

Volksschule 203, 247

Kleinigkeiten 338

Knilling, die Schiller'sche Ballade

,,Der Alpenjager" 315

Lehrgang des Schreibunterrichts . . . . 243

Leseabende in der Schule 125

Neuerungen in Cincinnati 242

Neues iiber die Linkser 339

Paul, engere Verbindungen der Frei- iibungen mit dem Sprachunterricht 96

Psychologie und Padagogik 340

Senen lernen 342

Seyfert, fiir unsere Jiingsten 273

Vorziige des Taktschreibens 244

Wolf, internationaler Briefwechsel. .171 Zimmermann, das Antworten der

Schiller in ganzen Satzen 128

Zum Nachdenken 341

Sprachliches.

Druckfehler in der Mignon-Ballade . . 97

Freiheit, die ich meTne 339

Wiilfing, Geschlecht der englischen

Fremdworter im Deutschen nach C.

B. Wilson 98

2+3 ist fiinf 317

Gedichte.

Aleph, unterwegs zur Schule 127

Blankenburg, an die Deutschen im

Auslande 344

Hildebrandt, das deutsche Volkslied.175

Nicolay, die Olynthische Sklavin 320

Wahlde, H. v., zum Jahreswechsel . . 33

Berichte.

Abrams, der Lehrertag in Minneapo- lis 280, 345

Abrams, National Educational Asso- ciation in Detroit 21

Fick, German in American public schools 174

Karger, M. L. A. of Ohio, Jahresver- sammlung 23

Modern Language Association, Cen- tral Division (O. E. L.) 58

IV

Padagogiscbe Monatsbefte.

Nordamerikanischer Turnerbund Preisaufgaben 57

Remy, M. L. A., Eastern Division. . .100

Schonrich, Jungamerika auf einem deutschen Kriegsschiffe 134

Schonrich, Konvention des deutschen Nationalbundes 14

Wisconsin State Teachers' Ass'n....l01

Korrespondenzen.

Baltimore 59, 104, 176, 208

Californien 104, 208, 347

Chicago 60, 210, 250, 282

Cincinnati, 24, 60, 105, 136, 177, 209, 250, 288, 323, 347

Cleveland 107, 284, 324

Davenport 348

Dayton 284, 349

Milwaukee, 25, 61, 107, 137, 179, 210, 251, 285, 324, 349

Newark 28, 180

New York, 26, 63, 109, 139, 212, 252, 350 Philadelphia 110, 181

Umschau.

Amerika.

Boston, Stellung der Departements-

vorsteher 326

Chicago, Einhaltsbefehl 65

Chicago, Folgen der Typhusepide-

mie 326

Chicago, franzb'sische Abteilung an

der Universitat Ill

Chicago, Heim fur verwahrloste

Knaben 29

Chicago, Teachers' Federation 28

Cincinnati, der deutsche Unterrichtlll

Cincinnati, Kopp, Ch. F. | 65

Cleveland, Superintendentenwech-

sel 352

College Entrance Examination

Board 352

Gemeinsames Alphabet fur alle

Sprachen 112

Geschichtsbiicher fur Schley 286

HanoverTownship, Streik der Schil- ler 326

Haverhill, Mass., Oscar Faulhu-

ber f 65

Internationaler Brief wechsel 352

Madison, Dr. Ch. K. Adams t 286

Milwaukee, Bildnis Peter Engel-

manns 110

Milwaukee, vom Lehrerseminar . . . 286 New York, ethische Gesellschaf t. . . 352 New York, Frequenz der Columbia

Universitat 65

New York, Interesse fur den deut- schen Unterricht 351

New York, Lehrstuhl fur chinesi-

sche Sprache 352

New York, Prof. Bahlsen 326

New York, Prof. N. M. Butler 112

New York, Reform des Lehrplans.lll

New York, Schiilervorstellung .... 29

New York, Schulerzahl 352

New York, Schulhaus, Zentrum der

Bevb'lkerung 286

Prinz Heinrichs Besuch 141

Roosevelt, Freund der allg. Volks-

schule 29

Saginaw, Sprachmethode in An-

fangsklassen 66

Schuldisziplin Ill

Technische Schulen Europas im

Vergleich zu den unseren 326

White, Dr. E. E. f 352

Wu Chaochu 352

Wu Ting Fang 65

Zum diesjahrigen Lehrertage 142

Aryentinien.

Deutscher Lehrerverein .

.290

Chile.

Schulwesen von Chile 67

Danemark.

Gegen den Schulabsolutismus 144

Organisation des Schulwesens 288

Schulzeit in- den Landschulen 288

Deutschland.

Allgemeine deutsche Lehrerver-

sammlung 213

Berlin, Anzahl der Lehrstunden . . . 352 Berlin, Budget der Gemeindeschu-

len 213

Berlin, zur Schularztfrage 214

Berlin, Dr. Ktigler t 287

Berlin, zum Schutz der Augen....327 Berlin, Kosten des Erziehungswe-

sens 66

Breslaii, Kurzsichtigkeit der Schul-

kinder 287

Breslau, Schularzt Kriebel t 287

Denkmal fiir Guts Muths 144

Deutsche Schulstatistik '287

Deutsche Lehrer im Auslande. ... 66

Dr. Eugen Pappenheim f 143

Einheitliche Rechtschreibung. . .30, 66

Ende der Steilschrift 213

Ernst, neues Schauspiel 352

Fall Weber in Miinchen 144

Geburtstag Jahns 287

Gleichwertigkeit der Zeugnisse . . . 287 Hoheres Schulwesen in Preussen. .213

Johannes Halben t 213

Jurist oder Padagog 214

Kampf um das K . . 144

Kunsterziehungstag 29

Leipzig, Prof. Dr. Wundts Geburts- tag 327

Marsche fiir Roosevelt 214

Mommsen als Freiheitskampf er ... 67

Mommsen tiber alte Sprachen 143

Parzival-Manuskript 144

Posen, Entsetzung eines Lehrers. . . 327 Preisausschreiben der Shakespeare- Gesellschaft . ..288

Inbaltsverqeicbnis .

Shakespeare-Denkmal in Weimar. . 144 Schulanfang und Versetzungsprii-

f ung in Preussen 144

Verwendung der Kinder zu Treib-

jagden 144

Virchow t 326

Volksschullesebiicher 287

Wreschen, Widerspenstigkeit der

polnischen Kinder 143

Zeichenunterricht 326

England.

Englisches Urteil iiber die deutsche

Volksschule 145

Schulwesen in England 214

Frankreich.

Interessante Zahlen 288

Lehrergehillter 144

Umgestaltung der Mittelschulen . . .215

Japan.

Elementarschulwesen .

31

Korea. Volksschulen in Korea

289

Qsterreich.

Deutsche Festigkeit 288

Gegensatze in Wien 214

Roseggers Waldschule 288

Vertschechung der deutsch. Schule.288 Zustilnde in den osterreichischen

Schulen 327

20,000 Schulbiicher verworfen 30

Russland.

Einheitliches Volksschulgesetz 215

Russisches 289

Wert der Schulzeugnisse in Russ- land 31

Schweiz.

Die Schweizer wollen nicht deutsch sein 289

Spanien.

Statistik der Stiergefechte 67

Transvaal.

Deutsche Schule in Johannesburg. 31

Vermischtes.

Ansichten iiber unsere deutsche

Schrift 342

Der ,,trockene" Schaumwein 146

Infektionskrankheiten von gebrauch-

ten Blichern 68

Jager iiber Schulleitung 290

Korperliche Ziichtigung in Holland . . 32

Lehrerspruch 290

Lektiire der Schuljugend 246

Lerne f tir das Leben 32

Mittel gegen Seekrankheit 68

Pestalozzis letzte Schiilerin 32

Rangordnung in der Volksschule. .. .290 Schulerzahl in den einzelnen Klassen.146

Studentenleben in alter Zeit 245

Three kinds of teachers 246

Unterrichtsstunden auf den Vorinit-

tag 215

Urteil iiber child study 326

Verbreitung der Sprachen 146

Humoristisches aus Schule und Leben.

32, 68, 146, 216, 290, 327, 328

Bucherschau.

Carruth, Erwiderung 69

Ferrell, Erwiderung 358

Jugendlektiire, Verzeichnis 353

Lessing, Meyers ,,der Traum, ein Le- ben", von Grillparzer 294

Bucherbesprechungen.

Allihn, miindlicher Vortrag und Ge-

biirdensprache (H. H. F. ) 71

Bernhardt, Hochzeit auf Capri (E.G.

Roedder) 150

Bernhardt, Immensee (E. C. Roed- der) 359

Ferrell, Sappho (O. E. Lessing) 70

Grebner, die Deutschen (L. St.) 295

Hermann, deutsche Aufsatze (M. G. ) 71 Hervey, unter vier Augen und der

Prozess (E. C. Roedder) 359

Holzwarth, Zriny (O. E. Lessing) . .182 Itschner, iiber kiinstlerische Erzie-

hung (O. E. Lessing) 147

Jahrbuch fur den Volksschulunter-

richt in Frankreich 152

Jordan, Materialien fii den Anschau-

ungsunterricht (H. H. F.) 70

Joynes, Niels mit der offenen Hand

(0. E. Lessing) 182

Jung Amerika ( M. G. ) 151

Kleinschmidt, deutsche Aufsatze (P.

G.) 151

Kluge, Geschichte der deutschen Na-

tionalliteratur (H. H. F.) 71

Kny, der Marchenprinz (M. G.J....362 Kiinstlerischer Wandschmuck fiir

Schule und Haus (X) 149

Kurrelmeyer, Michael Kohlhaas (E.

C. Roedder) 359

Kuttner, German Conversation Course

( J. Eiselmeier) 361

Lyon, Heyses Fremdworterbuch (H.

H. F.) 70

Mann, kurzes Worterbuch (E. C.

Roedder ) 150

Meyder, das Lied, das meine Mutter

sang (M. G.) 362

Minckvvitz und Wilde, Immensee (0.

E. Lessing) 182

Minckwitz, Rheingold (C. B.Wilson) 255 Miiller und Wenckebach, Legenden

von Keller (0. E. Lessing) 181

Miiller und Wenckebach, Gliick auf!

(J. Eiselmeier) 362

vi P'ddagogiscbe Monatsbefte.

Prettyman, der Talisman (E. C. Wilde, Praparationen fur den An-

Roedder ) 359 schauungsunter r icht ( W. H. Weick ) 36 1

Rein, aus dem Pad". Universitatssemi- Wilson, Minna von Ba*-:.nelm(H. J. ) .361

nar (Pencil Vania) 293 Wright, in St. Jiirgen (0. E. Leasing) 182

Rein, Encyclopiidisches Worterbuch Ziller, Einleitung in die allg. Piida-

(M. G.) 295 gogik (Pencil Vania) 183

Wachsmuth, Schulbilder (Paul Ge-

risch ) 255

PF

3003

M6

v.3

Monatshefte

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