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Pr —— 9. > aad EINE ZEITSCHRIFT ANATOMIE UND ENTWICKELUNGSGESCHICHTE, HERAUSGEGEBEN VON CARL GEGENBAUR, PROFESSOR IN HEIDELBERG. ACHTER BAND. MIT 28 TAFELN. LEIPZIG, VERLAG VON WILHELM ENGELMANN. 1883. 2.3" bak Eee oT EE Say i a U PH EL se Ä e eee Sect SFLU: oo Ps ta a ae eee res BE TaR a5 a ae En a 4 aU ANWAR 1 ae ret pen “ = an Has 2 an JOM TIEREN AALS e er bog 5 # - 4 ; f 7 [HRAHAM . pe ; ” sl at CUA) LH AOS ae Er " Pr £ lag: ase hy ah ? 5” * GWAR RITHIA > iis a TaTKD 24 THE , > Bi x | h a. if DIR ; oo. PARTaRt IRA Ms MH LOY BA AS tan gs om f ay £ bent: Rt # Zu } > , ere! - 4 Inhalt des achten Bandes. Erstes Heft. i Seite Beitrag zur Morphologie der Mundhöhlendrüsen der Wirbelthiere. Von P. Bee et Mat Pt. I) ality ae vs mene rena “UINTZL el: 1 Über Rhodope Veranii Kölliker (= Sidonia elegans M. Schultze). Von L. VERGAR ES MERSTABEEHTE N et ak Sek, ads ore i en ee Mee el a 74 Mittheilungen über das Kalkskelet der Madreporaria. Von G. v. Koch. EHEN ss eM ue Tw la. toni et eee De Trea hon eee mm Be se hy 85 Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. Von E. Berger. (Mit feet A Ve MEE We. cat ee eee N. SLES TORRENT Tr Zweites Heft. Beiträge zur Angiologie der Amphibien. Von J.E. V. Boas. (Mit Taf. a Ti ns ae or hadi at eo RER SER DR 169 Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. III. vI/9R7 6 “born. IE TASK RR ER EN A 188 Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. Von A. Rauber. (Mit Taf. IN re a a ae A oe Ne ale 233 7 Beobachtungen über die Entwicklung des Tentakelkranzes von Hydra. Von ae Si u ie en et 339 Kleinere Mittheilungen: Zwei holländische Biographien als Beiträge zur Geschichte der Anatomie 35l x Drittes Heft. Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. IV. NOME CAL. (MiG a ar V.) ee RR RE NDR 2 3 353 ‚ Der Bau der Hydroidpolypen. I. Von C. F. Jickeli. (Mit Taf. XVI—XVIII.) 373 IV Seite Der Tarsus der Vögel und Dinosaurier. Von G. Baur. (Mit Taf. XIXu.XX.) 417 Beiträge zur näheren Kenntnis der Entwicklung der Wirbelsäule der Te- ledanen (Auszus;,) Vom B: Graast. oo ws) 6) aos ee a 45 The Uber eine Hypothese beziiglich der phylogenetischen Herleitung des Blut- gefiBapparates eines Theils der Metazoén. Von O. Bütschli. . . . 474 Anzeigen und Besprechungen: C. Aeby, der Bronchialbaum der Säugethiere: ..... 2... 55 8% 483 J G. Swirski, Entwicklung des Schultergiirtels und des Skeletes der Brust- Hasse «les: HEchtes" a/c. eo ees eviews (Ohta ee ee on 484 Viertes Heft. Studien iiber die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. Von J. E.V. Boas: [Mit Taf. SERRE) ae et Ge is Sa ee 485 Der Bau der Hydroidpolypen. II. Von C. F. Jickeli. (Mit Taf. XXV DiS KW EES) cas diie pou ee Ge work's ae ET RR ~, II. Selachii. Squalidae. Carcharias glaucus Rond. Galeus canis Rond. Mustelus laevis Rond. Squatina vulgaris Risso. Rajidae. Raja miraletus L. Raja asterias. Laeviraja macrorhynchus. Trygon pastinaca L. Myliobatis aquila L. Ill. Teleostei. Plectognathi. Orthagoriseus mola Bl. Physostomi. Anguilla vulgaris L. Salmo hucho L. Acanthopteri. Crenilabrus pavo Br. Pagellus mormyrus. Chrysophrys aurata L. Uranoscopus scaber L. Thynnus vulgaris Cuv. Val. Luvarus imperialis Raf. nn rn. Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 99 Geschichtliche Bemerkungen. Obwohl es nicht in meiner Absicht liegen kann, hier eine aus- führliche Darstellung der Entwicklung unserer Kenntnisse über das Fischauge zu geben, so halte ich es doch für geboten, einzelne für dieselbe wichtige Daten besonders hervorzuheben. Von Untersuchern des Fischauges sind aus dem 17. Jahrhundert zu nennen CAssERIus (Pantaestheseion, hoc est de quinque sensibus. 1610), SEVERINUS (Zoo- tomia Democritea, Nürenberg 1645) und Srenon (Elementorum myo- logiae specimen, Florenz 1667). Doch haben dieselben sich nicht sehr eingehend mit diesem Organe befasst. Die erste ausführliche Beschrei- bung des Fischauges giebt HALLER (1768), welchem wir die genauere Kenntnis der Umhüllungshäute des Fischauges, so wie einzelner bis dahin unerforschter Theile (Campanula Halleri) desselben verdanken. Bereits Hovıus (1740) vermuthete, dass die Chorioidaldrüse, die man vor ihm bald für einen Muskel, bald für eine Drüse gehalten hatte, zu den Gefäßnetzen zu zählen sei; doch wurde dem von ROSENTHAL (1811) widersprochen, welcher diesem Organe seine frühere Stellung unter den Drüsen wieder eingeräumt wissen wollte. Die späteren Untersuchungen, namentlich die von ALBERS und von Erp, haben bekanntlich die Anschauung von Hovıus bestätigt. Was die Verbrei- tung der Chorioidaldrüse unter den Fischen betrifft, ist hervorzuheben, dass erst J. MüLLer das Vorhandensein derselben mit der Existenz der Pseudobranchien in Zusammenhang gebracht hat. Doch bestrei- tet Srannivus (Litt.-Verz. 118, pag. 111) die allgemeine Gültigkeit der correlativen Beziehungen zwischen diesen beiden Organen. Von Matprieut wurde die »membranartige« Beschaffenheit des Seh- nerven beschrieben. Das Tapetum cellulosum der Rochen und Haie wurde bekanntlich von DELLE CHIAJE zuerst beobachtet; die zellige Natur desselben wurde von E. Brücke (1845) nachgewiesen. Ein langer Streit entspann sich darüber, ob im Auge der Fische Ciliarfortsätze vorhanden sind oder ob dieselben fehlen. MECcKEL (1811) leugnete die Existenz derselben im Fischauge, während Rosen- THAL (1811) die Ansicht vertrat, dass im Auge vieler Fische bloß ein Ciliarfortsatz vorhanden sei, indem er den Processus falciformis für ein demselben analoges Gebilde hielt. Ruporpuı (1802) fand die Ciliarfortsätze beim Thunfisch, später wurden sie ebenfalls beim Thunfisch von Cuvier beobachtet und von GortscHE bei Acipenser nachgewiesen. Die Beobachtung von Muskelfasern in der Campa- nula Halleri ist bekanntlich das Verdienst von F. Lrypia. 7 * 100 E. Berger Es ist sehr begreiflich, dass die Linse der Fische, wegen ihrer von der Linse der höheren Vertebraten durch die kugelige Gestalt sich unterscheidenden Form, in hohem Maße die Aufmerksamkeit der Forscher in Anspruch genommen hat. Zu Mitte des vorigen Jahr- hunderts, aus welcher Zeit bekanntlich eingehendere Studien über die Natur des grauen Staares herstammen und durch dieselben die Anregung zu Untersuchungen über die Natur der Krystall-Linse ge- boten wurde, vertritt DE LA Hrre (1740) die Ansicht, dass die Kugel- form der Linse in Zusammenhang stehe mit der flachen Beschaffenheit der Hornhaut. Sonderbarerweise scheint dies PETIT ‘Mem. de l’acad. d. sciences de Paris. 1726 und 1730) entgangen zu sein. Von dem- selben wurden eingehende Studien über die Formverhältnisse des Fischauges unternommen. Er befasste sich besonders mit den Krüm- mungsverhältnissen der Hornhaut und der Linse und hat gerade der Untersuchung der letzteren seine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Die Formverhältnisse des Fischauges wurden auch von SÖMMERING (1818) mit besonderer Genauigkeit untersucht. Monro (1785) stellte Untersuchungen über das specifische Ge- wicht der Linse des Kabeljau an. Er fand dieselbe im Vergleiche zu der des Rindes von sehr hohem speeifischen Gewichte. Die gezähnte Beschaffenheit des Randes der Linsenfasern wurde von BREWSTER (1816) zuerst beobachtet. Die Form und die Bestandtheile des Fischauges. Die Form des Auges der Fische wird allgemein als die eines Ellipsoides beschrieben, dessen vordere Oberfläche einen größeren Krümmungshalbmesser besitzt (flacher ist). als die hintere. Durch dieses Verhältnis, welches durch die flache Beschaffenheit der Horn- haut bedingt wird und durch Messungen von LEUCKART (69) nume- risch festgestellt wurde, unterscheidet sich das Fischauge vom Auge der Luft athmenden höheren Vertebraten. Es scheinen jedoch auch bei den Fischen Ausnahmen vorzukommen. So fand ich bei Chry- sophrys aurata und bei Uranoscopus scaber die Hornhaut von stär- kerer Krümmung, bei letzterem hatte dieselbe einen Krümmungs- halbmesser von 15 mm. Eine Eigenschaft der Hornhautkrümmung, deren, wie ich finde, nirgend Erwähnung geschieht, ist die, dass ihre Krümmung am Rande zumeist eine stärkere ist, als in ihrem Centrum. Namentlich ist dies bei den Rochen und Haien in auffallendem Maße zu bemer- de er > Do a i Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 101 ken. Dadurch, dass der Querschnitt der Hornhaut am Rande brei- ter erscheint als in der Mitte derselben, ist nothwendigerweise der Radius der hinteren Hornhautoberfläche ein geringerer als der der vorderen. Es hat dies jedoch keine Bedeutung für die dioptrischen Verhältnisse des Fischauges, da die Dicke des in optischer Bezie- hung in Betracht kommenden centralen Theiles der Hornhaut an allen Stellen ungefähr die gleiche ist. Eine dem Fischauge vornehmlich zukommende Eigenschaft ist die von LEUCKART hervorgehobene geringe Entwicklung des Verbin- dungstheiles zwischen der Hornhaut und dem die Licht empfindenden Elemente enthaltenden Bulbustheile. Dass das Fischauge an seiner inneren (medialen) Hälfte weniger regelmäßig entwickelt ist, als an seiner äußeren, habe ich fast durchgehends finden können. Diese Eigenschaft wurde für das menschliche Auge bekanntlich von BRÜCKE zuerst hervorgehoben. / In Betreff des Verhältnisses der Durchmesser des Auges zu ein- ander finde ich, eben so wie LEUCKART, durchgehends den sagittalen als den kleinsten!, den horizontalen als den größten. Die Horn- haut ist im Verhältnis zu der Größe des Auges von bedeutendem Umfange. Das Auge und das retrobulbäre Gewebe sind eingeschlossen in eine fibröse Fascie, welche im vorderen Abschnitt der Orbita sich mit dem subeutanen Bindegewebe, bei den Selachiern mit dem peri- pheren Rande der Augenlider verbindet. Die Cutis und das subcutane Bindegewebe setzen sich auf die vordere Fläche der Hornhaut fort. Bei vielen Fischen, namentlich bei Chrysophrys aurata, lässt sich die Pars cutanea (Conjunctivalis) der Hornhaut als eine makroskopische Membran abpräpariren. Bevor die Cutis auf das Auge übergeht, bildet sie bei vielen Fischen Hautfalten. So findet man bekanntlich bei Orthagoriscus einen den oberen Theil des Auges bedeckenden Hautlappen. Die das Auge umgebenden Theile der Haut sind bei den Teleostiern meist in Falten gelegt. Es mag dies zu dem Zwecke sein, um die 1 Das Verhältnis der Durchmesser zu einander schwankt sehr. So finde ich bei frontaler Durchm. vertikal. D. sagittal. D. Squatina = 19 mm = 16 mm = 13 mm (1,4: 1,2: 1) Trygon = 21 mm = 17 mm = 15 mm (1,4: 1,12: 1) Laeviraja = 36 mm = 27 mm — 24 mm (1,5 1,12 :1) Orthagoriscus = 78 mm = 73 mm = 56 mm (1,4: 1,3: 1). 102 E. Berger wegen der eigenthümlichen Form des Auges nur in geringem Grade vorhandene Beweglichkeit zu ermöglichen. Als weitere Entwicklung - dieser Hautfalten fasst man die Bildung von Augenlidern (Selachier) und die Membrana nictitans (Haie) auf. Hautknochen bilden an dem die Lidspalte umgebenden Theile des Augenlides haken- und knopfförmige Erhabenheiten, welche dem peripheren Theile des Lides fehlen. Sie mögen für das Auge der Selachier vielleicht ähnliche Schutzapparate vorstellen, wie es die Cilien der höheren Vertebraten sind. Das Lid besteht aus der Cutis, einer dichten fibrösen Platte und der Conjunctiva, welche vom peripheren Rande des Lides auf die vordere Fläche des Bulbus übertritt. Mit seinem rückwärtigen Theile ist das Auge entweder in ein dem Gallertgewebe nahestehendes Gewebe eingebettet (Orthagoriseus, Haie), oder es wird von Fettgewebe umgeben, welches zwischen bindegewebigen Septis, welche der hinteren Oberfläche des Auges parallel gerichtet sind, angelagert ist (Crenilabrus, Pagellus). Die Hornhaut ist am Rande meist dicker als in der Mitte. Am geringsten finde ich dies bei Petromyzon bemerkbar. Bei den Se- lachiern und den Teleostiern erscheint die Hornhaut in der Mitte auf 1/, bis 1/; verdünnt!. . LANGHANS (64, pag. 245) unterscheidet nach den Gewebsbestand- theilen der Sclerotica fiinf Formen derselben. Die von mir unter- suchten Fischarten lassen sich mit Bezug auf ihre Bestandtheile bloß in drei Gruppen theilen. 1) Solche, deren Sclerotica bloß aus Bindegewebe besteht: Pe- tromyzon. 2) Die Selerotica enthält Bindegewebe und Knorpel: Selachier, Anguilla. 3) Die Selerotica besteht aus Bindegewebe, Knorpel und Kno- chen: Sämmtliche untersuchten Teleostier mit Ausnahme von Anguilla. Indem ich in Betreff der Formen des Scleralknorpels und -Kno- chens auf die Arbeit von LAnGHAns hinweise, will ich bloß hervor- heben, dass die Verdickungen der Sclerotica an ihrem vorderen Ende (Selachier, Scomberoiden) und an ihrem rückwärtigen Theile (Se- 1 Folgende Messungen mögen als Beispiele hierfür dienen. Der sagittale Durchmesser der Hornhaut ist bei Thynnus vulgaris an der Peripherie = 0,81 mm, innen = 0,19 mm Crenilabrus pavo - - - = 0,27 mm, - = 0,06 mm Myliobatis aquila - - - = 0,54 mm - “= (0,1 mm Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 103 lachier) durch die Formveränderung des Knorpels und Knochens derselben hervorgerufen werden, während die schmalen bindegewe- bigen Schichten, welche die äußere und die innere Oberfläche des Knorpels bedecken, daran keinen Antheil haben. Der Seleralknorpel reicht in seinem rückwärtigen Theile ent- weder bis an die Eintrittstelle des Sehnerven (Selachier) oder er endet in einiger Entfernung von demselben, wie bei Crenilabrus, Pagellus (vgl. LEUCKART). Die Sclerotica wird hier in breiter Strecke bloß von fibrösem Gewebe gebildet. Durch das Ligamentum annulare ist die Hornhaut mit der Iris verbunden. Im Querschnitte erscheint dasselbe in Form eines Drei- eckes mit nach vorn gerichteter Spitze (vgl. Fig. 1—4 %). Die in- nere Oberfläche desselben begrenzt die vordere Kammer, die äußere meist sehr breite (Chrysophrys, Crenilabrus, Pagellus, Thunfisch), selten schmale (Huchen, Selachier) Oberfläche ist mit der, Hornhaut verbunden. Die hintere Fläche des Lig. annulare bedeckt die ganze vordere Fläche der Iris. Ich habe mich von dem Vorhandensein des Ligamentum annulare bei allen von mir untersuchten Arten mit Ausnahme von Petromyzon überzeugen können. Die früheren Unter- suchungen des Fischauges ergaben nicht, ob den Selachiern auch dieses Gebilde zukomme, auch LEUCKART konnte sich nicht von dem Vorhandensein desselben überzeugen. Sehr deutlich ist dasselbe bei Myliobatis aquila wahrzunehmen (Fig. 1%, bei welchem es nur eine schmale Bedeckung der vorderen Fläche der Iris bildet, welche an der Anheftungsstelle dieses Ligamentes, an dem Hornhautrande, verdickt erscheint. Noch weniger entwickelt ist es bei den übrigen Selachiern. Bei den Teleostiern variirt die Dieke desselben in hohem Maße, so übertrifft es bei Chrysophrys die Dicke der Iris, beim Hu- chen und beim Thunfisch bildet das Ligamentum annulare bloß eine sehr dünne Schicht. Meistens ist es intensiv pigmentirt (Luvarus), häufig ist die Pigmentirung bloß eine fleckenweise (Orthagoriscus) ; fast bei allen ist die Pigmentirung am äußeren Theile des Ligamentes intensiver als in der Umgebung der Pupille. Sehr selten ist es voll- kommen pigmentlos (Chrysophrys, Thunfisch). Nach der Ansicht von LEUCKART (69, pag. 205) und ANGE- Lucci (2) entspricht das Ligamentum annulare dem Ligamentum iridis pectinatum der höheren Wirbelthiere. Da meine Untersuchun- gen zu einer gleichen Anschauung über die Bedeutung dieses Ge- bildes führten, hielt ich mich berechtigt in meiner vorläufigen Mit- theilung (8) der letzteren Bezeichnungsweise mich zu bedienen. 104 E. Berger Vom vorderen Scleralrande, nach außen von dem eben- bespro- chenen Bande gelegen, entspringt ein Band, welches die Außenfläche des vorderen Theiles der Chorioidea bedeckt (vgl. Fig. 1—4 le). Es wird dasselbe als Ligamentum eiliare bezeichnet. Mit Ausnahme von Petromyzon fand ich es bei allen von mir untersuchten Arten. Die äußere Oberfläche der ganzen Uvea zeigt bei den Knochen- fischen einen hellen silbernen, manchmal mehr ins Gelbliche über- gehenden Glanz, welcher von einer zarten Membran, der Argentea, herstammt. Ich finde von keinem Autor erwähnt, dass bei den Se- lachiern bloß der Iris diese hellglänzende Schicht zukommt, während sie an der Außenfläche der Chorioidea fehlt. Die Form der Pupille! ist bei den Fischen eine sehr verschie- dene. Sie ist entweder rund (Orthagoriscus, Luvarus) , queroval (Crenilabrus), oder sie besitzt die Form einer queren Spalte (Squa- tina). Bekanntlich bedecken fransenartige Fortsätze des oberen Irisrandes bei den Rochen theilweise die Pupille (Operculum pupil- lare). Bei Trygon ist, wie bereits Leypıe (65, pag. 28) anführt, bloß ein ungetheilter derartiger Fortsatz vorhanden. Am Pupillarrande ist die meist dicke Iris beträchtlich verschmä- lert. Ihre hintere Fläche ist entweder glatt (Luvarus, Orthagoriscus) oder es sind an derselben radienförmig angeordnete, eng an einander liegende, linienförmige Erhabenheiten zu beobachten (Trygon, Carcharias). Diese Erhabenheiten setzen sich nach hinten in die Chorioidea fort, wo sie im Verhältnis zu den linearen Streifen der Iris sehr breit erscheinen und als Ciliarfortsätze beschrieben sind. Über die Form der Ciliarfortsätze wird an einer anderen Stelle be- richtet werden. Ihre Verbreitung unter den Fischen weist sogar in einzelnen Fa- milien Verschiedenheiten auf. So finde ich unter den Scomberiden 1 Es scheint mir sehr wahrscheinlich, dass die ovale und die spaltenartige Form der Pupille der höheren Vertebraten in Beziehung steht zu dem, wie die Untersuchungen von BERLIN (10) ergeben haben, meist sehr bedeutenden Astig- matismus derselben. Bekanntlich tritt bei mit diesem Fehler behafteten eine Verbesserung des Sehens beim Durchblicken durch entsprechend gestellte spalten- förmige Öffnungen ein. Der horizontale Meridian ist bei den Vertebraten meist der weniger stark brechende. So finde ich dies z. B. beim Froschauge. Durch eine horizontal gestellte quere oder ovale Pupille sind die Augen für den fern- sichtigen Meridian eingestellt. Thatsächlich ist das Vorkommen der in horizon- taler Richtung ovalen Pupille ein viel häufigeres, als das der einen vertikalen Spalt darstellenden Pupille, welehe den katzenartigen Thieren und den Schild- kröten zukommt. Jedenfalls verdient dieser Gegenstand weitere Beachtung. Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 105 dieselben beim Thunfisch, bei welchem sie, wie auch Ruporpnr (111) erwähnt, verschiedene Größe an einzelnen Stellen des Auges zeigen, während die Processus ciliares bei Luvarus fehlen. Eine gleiche Beobachtung in Betreff der Verschiedenheit der Größe der Ciliarfort- sätze machte LEUCKART (l. e. pag. 221) bei Hexanchus griseus. Erwähnen muss ich hier eines eigenthümlichen Fortsat- zes, der, so weit ich in der einschlägigen Litteratur danach suche, bisher noch nicht beschrieben wurde. Derselbe liegt im inneren unteren Theile des Bulbus, beginnt in der Gegend der Ciliarfortsitze und reicht mit seinem hinteren Ende eine Strecke weit über die Grenze derselben nach rückwärts. Er entsteht von der Chorioidea, mit welcher seine Basis verwachsen ist, während er mit seiner Spitze in den Glaskörperraum hineinragt. Ich fand diesen Fortsatz bei den Haien, beim Thunfisch und bei Zeus faber. Bei letzterem sehe ich, dass der Processus faleiformis vor seinem Ubergange, in die Campanula Halleri auf der dem Glaskörperraume zugekehrten Kante desselben bis zu seiner Spitze verläuft und mit demselben in brei- tem Umfange verwachsen ist. Sehr wahrscheinlich ist es, dass die- ser Fortsatz beim Thunfisch einen Stützpfeiler für den Processus faleif. bildet. Es ragt die Linse bekanntlich sehr tief in den Glas- körper hinein. Der Processus faleiformis, welcher im inneren un- teren Theile des Bulbus eng der dem Glaskörper benachbarten Wand anliegt, müsste, um zur hinteren Linsenkapsel zu gelan- gen, eine Strecke weit ohne Befestigung und Stütze im Glas- körper verlaufen. Das Vorhandensein dieses Fortsatzes scheint dem Processus faleiformis einen Stützpunkt zu bieten und auf diese Weise dem Muskel der Campanula Halleri die Möglichkeit zu bieten dureh Verkürzung seiner Fasern seinen Insertionspunkt an der hinteren Linsenkapsel der Gegend der Ciliarfortsätze zu nähern, d. h., wie Manz (73) dies auch annimmt, die Linse abzuplatten. Beim Thunfisch hat dieser Fortsatz in meridionaler Richtung eine Länge von 1,8 mm, und ragt 0,6 mm weit in den Glaskörperraum hinein. Bei den Haien sind die Dimensionen desselben größere. Der Sehnerv tritt nach seinem von hinten innen nach außen und vorn gerichteten Verlaufe in den Bulbus ein. Die Eintrittstelle des Sehnerven liegt zumeist nach innen (Rochen und Haie), selten in der Mitte des Bulbus oder nach außen. Die hintere Bulbuswand durchbohrt er in schiefer Richtung. In der Orbita besitzt der Seh- nerv drei Hüllen, von welchen die äußere die breiteste ist und sich in die Sclerotica fortsetzt. Die innere sendet eine Anzahl membra- 106 E. Berger nöser Septa in das Innere des Sehnerven. Nach Entfernung seiner Hüllen lässt sich der Sehnerv membranartig aus einander falten, wie dies bereits von MAupicui (72) beschrieben wurde. Diese eigen- thümliche Beschaffenheit lässt sich bei den Rochen und Haien, bei Orthagoriscus und Crenilabrus leicht nachweisen, während sie Petro- myzon nicht zukommt. Die Sehnervenpapille ragt in der Richtung nach vorn weiter in den Glaskörperraum hinein als die benachbarte Netzhaut. Sie stellt also eine Erhabenheit dar, welche namentlich bei Spuatina, Raja und Car- charias leicht merklich hervortritt. In seltenen Fällen (Huchen) bil- det die Sehnervenpapille eine Vertiefung. Ein kleines, central gele- genes Grübchen, die Fovea centralis (vgl. Fig. 17 u. 19 fe), aus oder neben welcher die Gefäße für den Glaskörper hervortreten, konnte ich bei allen von mir untersuchten Fischarten beobachten. An anderer Stelle (8) habe ich bereits darauf hingewiesen, dass die Chorioidea in ähnlicher Weise, wie die Sclerotica eine Lamina cribrosa bildet, welche beim Huchen eine selbständige, in eini- ger Entfernung von der Selerotica gelegene Schicht (Fig. 17 er) darstellt. Die Netzhaut eyscheint, mit unbewaffnetem Auge betrachtet, an ihrer inneren Oberfläche in radiärer Richtung deutlich gestreift. Es gehen diese Streifen von der Papilla nervi optiei aus und ziehen zur Ora serrata retinae. Namentlich bei den Rochen ist dies deutlich wahr- zunehmen. HALLER (39) scheint diese Beschaffenheit der Netzhaut schon bekannt gewesen zu sein. Er unterschied an der Retina einen faserigen und einen pulpösen Antheil. GoTTscHE (38, pag. 458) bezeichnete die Netzhaut mit Rücksicht auf die eben angeführte Be- schaffenheit ihrer inneren Oberfläche als »Strahlenhaut«. Das vordere Ende der Netzhaut hat nicht, wie bei den höheren Vertebraten, eine gezackte Beschaffenheit (woher bekanntlich der Name Ora serrata), sondern endet nach vorn mit einem geradlinigen Rande (Raja, Carcharias). In der Umgebung des Sehnerven liegt nach vorn von der La- mina argentea die in die Chorioidea eingelagerte Chorioidaldrüse. Dieselbe ist bei allen von mir untersuchten Teleöstiern mit Ausnahme von Anguilla vorhanden. Erwähnenswerth erscheint mir, dass bei Uranoscopus zwischen dem hinteren Theile der Sclerotica und der Chorioidea ein in sa- gittaler Richtung 6,0 mm breiter Raum sich befindet, welcher mit Fettgewebe erfüllt ist. In diesem Raume liegt, in die Fettmasse Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 107 eingelagert, die Chorioidaldrüse, welche einen sagittalen Durchmes- ser von 3,2 mm besitzt. Von der Chorioidaldrüse begiebt sich eine breite Lamelle, in welcher die von der Glandula chorioidalis zur Cho- rioidea verlaufenden Gefäße eingelagert sind, zu der Gefäßschicht der Aderhaut, nachdem sie durch die Fettmassen hindurchgetre- ten ist. Bei Petromyzon, bei den Rochen und den Haien fehlt bekannt- lich die Chorioidaldrüse. Keiner von den Untersuchern des Fisch- auges erwähnt, dass bei den Selachiern die Chorioidea in der Um- gebung’ des Sehnerven in einiger Entfernung von der Sclerotica liegt. Der breite Zwischenraum zwischen der Aderhaut und der Selerotica wird von einer größeren Anzahl mit einander kommunicirender klei- ner Hohlräume eingenommen, welche im histologischen Abschnitte dieser Untersuchung eingehender besprochen werden sollen. In keiner der älteren Schriften über das Auge der Fische, wird der Zonula Zinnii desselben Erwähnung gethan. Es wird allgemein die Existenz derselben geleugnet, ja man hat sogar den Beweis füh- ren wollen, dass bei dem eigenthümlichen Accommodationsapparate des Auges der Fische, das Ligamentum quadratum und die Campanula Halleri zur Fixation der Linse genügen und dass das Vorhandensein eines Aufhängebandes für dieselbe vollkommen überflüssig sei. Des- senungeachtet kommt die Zonula Zinnii sowohl bei den Selachiern, als auch bei den Teleostiern vor. ANGELUCCI (2) hat an Quer- schnitten durch das Auge sich von dem Vorhandensein einer Zonula bei den Fischen überzeugen können. Bei Myliobatis aquila und Ga- leus canis konnte ich die Zonula vom Glaskörper und der Linse trennen und als eine zusammenhängende Membran darstellen. Sie entsteht mit ihren Fasern im Glaskörper, dessen vordere Begrenzung sie bis zu ihrem vorderen am Außenrande der Linsenkapsel befind- lichen Ende bildet. Über den feineren Bau der Zonula Zinnii habe ich bereits an einer anderen Stelle (8) berichtet. Hervorheben muss ich noch, dass CuvIER und VALENCIENNES, wenngleich sie diesen Namen bei der Besprechung des Auges der Fische nicht erwähnen, wahrscheinlich die Zonula gekannt haben dürften, denn sie machen bei der Erwähnung der Linse (26, pag. 452) folgende Bemerkung: »Elle est attacheé dans une fosse du vitré par un ligament circulaire produit par la membrane du vitré, qui l’entoure & peu pres comme Vhorizon d’un globe geographique.« 108 E. Berger Histologische Untersuchungen. Die Hornhaut. Bereits bei der Anführung der makroskopischen Eigenschaften der Hornhaut wurde erwähnt. dass man von derselben die Pars con- junctivalis corneae als einen anatomischen Bestandtheil derselben abpräpariren kann. Es lässt sich nachweisen, dass dieser Theil der Hornhaut die unmittelbare Fortsetzung der äußeren Hautdecke ist. Bei mikroskopischer Untersuchung ergiebt sich, dass nicht nur die Cutis, sondern auch das subeutane Bindegewebe einen Antheil an der Zusammensetzung der cornea besitzen. Mit Recht unterscheidet daher Emery (34), dem wir die genaue- sten Untersuchungen über die Hornhaut der Fische verdanken, fol- gende Schichten derselben: 1) geschichtetes Pflasterepithel. 2) den conjunctivalen (cutanen) Theil, 3) den subconjunctivalen (subcutanen) Theil, A) die Substantia propria, 5) die Membrana Descemeti, 6) das Plattenepithel der M. Descemeti. Die Pars conjunctivalis Corneae ist verhältnismäßig sehr stark entwickelt bei Chrysophrys aurata, Crenilabrus, Pagellus und bei Petromyzon Planeri. Sie besteht aus dicht an einander liegen- den, welligen, gröberen bindegewebigen Fasern, welche parallel zu einander in meridionaler Richtung angeordnet sind: die zwischen den Fasern vorkommenden spindelförmigen Körperchen entsprechen voll- kommen (bei Chrysophrys) den Bindegewebskörperehen und unter- scheiden sich von den Corneakörperchen desselben Thieres durch ihre geringere Größe. Der conjunctivale Theil ist mithin bei Chrysophrys (vgl. Fig. 3 ¢) und bei Petromyzon nicht nur anatomisch als getrennte Schicht der Cornea nachweisbar, sondern sie behält auch in histologischer Be- ziehung die Eigenschaften der Cutis bei. Es giebt Fälle, wo die Cutis als eine am Querschnitte getrennte Sehicht der Hornhaut erscheint, wie z. B. beim Huchen (vgl. Fig. 2cy) aber in histologischer Beziehung sich vom Gewebe der Cutis unterscheidet. Die Fasern werden bedeutend zarter, gerade gestreckt. Die zwischen denselben gelegenen Körperchen sind läng- lich, größer als die Bindegewebskörperchen der Cutis, und sind mit Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 109 3—4 Fortsätzen versehen. Während die Anordnung der Fasern bei Chrysophrys und Petromyzon einen mehr unregelmäßigen Verlauf zeigt, sieht man dieselben beim Huchen und bei den Selachiern zu Lamellen verbunden, deren Fasersysteme sich, wie an Flächenprä- paraten sich ergiebt, fast rechtwinklig kreuzen. Bei den Selachiern lässt sich mit der Nadel der vorderste Theil der Hornhaut als Fortsetzung der Cutis am Querschnitte ablösen, es lässt sich nachweisen, dass die Fasern der Cutis sich als Fasern des vordersten Theiles der Cornea fortsetzen. Sie wandeln sich je- doch nicht nur aus Fasern des gemeinen Bindegewebes in Hornhaut- fasern um, sondern es ist auch in anatomischer Beziehung die Selbständigkeit dieser Schicht nicht mehr vorhanden. Ähnlich wie bei den Selachiern bildet die Pars conjunctivalis beim Thunfisch mit der übrigen Hornhaut ein gleichartig gebautes Gefüge. An der Peripherie des conjunctivalen Theiles findet man fast bei allen Fischen eine große Anzahl pigmentirter sternförmiger Zel- len. Es liegen dieselben zwischen den Fasern der Hornhaut. Mei- stens sind sie im Conjunctivaltheile am zahlreichsten vorhanden, in geringerer Anzahl in den tieferen Schichten der Hornhaut, manchmal scheinen sie in den letzteren zu fehlen (Huchen, Chrysophrys). In den tieferen Schichten sind sie bei Myliobatis in großer Zahl vor- handen. An dem Querschnitte durch das Auge vom Thunfisch und von Galeus canis bilden sie eine breite Zone (vgl. Fig. 4), welche die Peripherie der Cornea gegen den Rand der Selerotica begrenzt. Die Pigmentzellen der Hornhaut sind nicht selten von beträchtlicher Größe, namentlich fand ich dies bei Chrysophrys und beim Huchen, während sie bei Orthagoriscus im Vergleich zu den ersteren als klein zu bezeichnen sind. In Fig. 5 ist eine Pigmentzelle aus dem Conjunctivaltheile des Huchen dargestellt. Im Protoplasma dieser Zellen ist das Pigment in Form von Körnchen abgelagert. Der Kern (x/), in welchem meist ein Kernkérperchen nachzuweisen ist, ist pigmentlos. Eine Zellmembran kann ich an diesen Zellen nach- weisen. Die Pigmentzellen sind platt, erscheinen an Querschnitten spindel- bis stäbehenförmig, und sind mit ihrem Zellkörper zwi- schen die Faserlamellen der Hornhaut gelagert. Dieselbe Lage be- sitzen auch die zahlreichen dieken Protoplasmafortsätze derselben, welche sich mehrmals theilen. Anastomosen zwischen den Fortsätzen dieser Zellen konnte ich namentlich bei Orthagoriscus häufig beobachten. Nicht selten erscheint ein Theil eines Protoplasmafortsatzes der Pig- mentzellen durch eine helle Linie unterbrochen, so dass es den An- - 110 E. Berger schein hat, als würde er vom Zellenleibe losgetrennt sein. SCHWALBE, welcher ähnliche Beobachtungen an den Pigmentzellen der Lamina suprachorioidea des Menschen gemacht hat, erklärt diese Erscheinung durch das Überkreuzen,mit einer elastischen Faser. Erwähnen muss ich noch rundlicher, ovaler, selten stäbchenför- miger heller Stellen, welche in dem Protoplasma der Zellen und der Fortsätze (Fig. 5 4) vorkommen, dieselben sind meistens in größerer Zahl zu beobachten. Es dürften dieselben wahrscheinlich als Vacuo- len aufzufassen sein. Bei Orthagoriseus sind die Pigmentzellen stellenweise zu Grup- pen eng an einander gelagert. Sie bilden auf diese Weise längliche, meist unregelmäßig geformte Klumpen. Der subeonjunctivale Theil der Hornhaut ist bei Pe- tromyzon die unmittelbare Fortsetzung des subeutanen Bindegewebes. Als selbständige Membran erscheint die Pars conjunctivalis außer bei Petromyzon bei Crenilabrus (vgl. Emery), Chrysophrys, Pagellus und bei Orthagoriseus. Bei Chrysophrys unterscheidet sie sich in histologischer Beziehung durch ihre welligen Fasern, welche aber zarter, als die der Pars conjunctivalis sind, von der, geradlinige Fa- sern enthaltenden, Substantia propria. Ferner sind die Lamellen des subconjunctivalen Theiles viel zarter als die in der letzteren Schicht. Ähnlich verhält sich diese Schicht bei Pagellus und Crenilabrus. Bei den Rochen und Haien so wie bei einzelnen Teleostiern (Thunfisch) kommt dieser Membran weder in anatomischer noch in histologischer Beziehung eine selbständige Trennung von der Sub- stantia propria zu. Bemerken muss ich noch hier, dass der subconjunctivale Theil seine Gewebsbestandtheile aus dem subeutanen Bindegewebe der Haut, aus dem vorderen Ende der die orbitalen Gebilde umhüllenden binde- gewebigen Schicht und einzelnen Fasern der äußeren Bindegewebs- lage der Sclerotica bezieht. Bei den meisten Arten wird der Antheil der Pars subconjuncti- valis und conjunctivalis an der Zusammensetzung der Hornhaut an Größe übertroffen von der im Querschnitte am dicksten erscheinen- den Substantia propria corneae. Die ersteren Schichten übertreffen die Substantia propria bei Orthagoriseus und bei Pagellus mormyrus. An längere Zeit in Alkohol macerirten Hornhäuten des letzteren lässt sich die Pars subconjunctivalis sogar makroskopisch darstellen. Bei Orthagoriscus erkennt man an Querschnitten durch die Hornhaut einen Streifen, den auch Srannius (118, pag. 78) bei Anableps Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 111 beschreibt, welcher dieselbe in einen vorderen breiteren Theil und in einen rückwärtigen schmäleren Theil spaltet. Man kann, wenn man die Pars subconjunctivalis gegen die Mitte der Hornhaut zu verfolgt, sich davon überzeugen, dass dieser helle Streifen an der hinteren Seite der genannten Schicht liegt. Er bildet die Begren- zungslinie zwischen den beiden vorderen Schichten, während der hinter dieser Trennungslinie gelegene Theil der Hornhaut der Sub- stantia propria und der Membrana Descemeti angehört. Die Substantia propria der Hornhaut besteht bei den Fischen aus ungemein zarten geradlinig verlaufenden Fasern. Bloß bei Orthagoriscus finde ich, dass die Fasern derselben, eben so wie in der Pars subconjunctivalis desselben, wellenförmig gekräu- selt sind. Die Hornhautkörperchen besitzen, an Flächenpräparaten so wie an Querschnitten untersucht, eine spindelförmige Gestalt. Dieselben haben ein spärliches Protoplasma und enthalten meist nur einen kugeligen oder ovalen Kern. Sie besitzen 3—4 Fortsätze, an wel- chen ich manchmal Theilungen finde. Mit ihren Längsachsen sind die Hornhautkörperchen parallel zu den Bündeln, zwischen welchen sie liegen, angeordnet. Die Hornhautfasern sind durch eine Kittsubstanz zu Bündeln und letztere wieder mit einander zu Bündeln an einander gelagert. Die Lamellen der Substantia propria sind bei den Fischen nur selten von geringer Dieke, so dass die Hornhaut in letzterem Falle aus einer großen Anzahl sehr zarter Lamellen besteht, wie man dies bei Pe- tromyzon und bei Orthagoriscus beobachten kann. Meist sind die primären Bündel schon von ansehnlicher Dicke und in Folge dessen auch die Zahl der sich aus denselben zu- sammensetzenden Lamellen eine sehr geringe. An Querschnitten durch die Substantia propria (Fig. 2 und 4 cp) erkennt man scharfe Begrenzungslinien, welche parallel zur Hornhautoberfläche in der- selben verlaufen. Es sind dies die Trennungslinien der breiten Hornhautlamellen. In je einer Hornhautlamelle ist die Anordnung der Fasern parallel zur Schnittfläche, in der darauf folgenden senk- recht zur Schnittebene. Zwischen den Hornhautlamellen sind die Hornhautkörperchen in großer Anzahl eingelagert. Ich finde diese Eigenthümlichkeit der Hornhautlamellen in der Litteratur fast gar nicht berücksichtigt, bloß in den Abbildungen von Emery finde ich dieselben angedeutet. Mit Ausnahme von Petromyzon und Orthagoriscus kommt dieser 112 E. Berger Bau der Substantia propria sämmtlichen von mir untersuchten Knor- pel- und Knochenfischen zu. Bei den Selachiern und beim Thun- fisch haben auch die Pars conjunctivalis und subeonjunctivalis den- selben Bau, wie die Substantia propria. Theils durch feinere Bündel, theils durch dicke Faserbündel, welche von einer Lamelle sich loslösen und einer benachbarten sich zugesellen, sind diese Lamellensysteme mit einander verbunden. Außer diesen sich überkreuzenden in meridionaler Richtung verlau- fenden Fasersystemen kommen bei einzelnen auch Bündel vor, welche eine Strecke lang einen eirkulären Verlauf besitzen (Huchen, Chry- sophrys, Caranx). An Schnitten, welche parallel zur Oberfläche der Hornhaut geführt werden, lassen sich dieselben in der Nähe der Hornhautperipherie leicht nachweisen. Die Anzahl der Schichten ist meist, wie bereits erwähnt wurde, eine sehr geringe, so finde ich z. B. bei Myliobatis aquila deren 24. Am Hornhautrande sind dieselben am breitesten, gegen die Horn- hautmitte zu verschmälern sie sich. Eine Reduktion der Anzahl derselben findet jedoch nicht statt. Erwähnen muss ich einer Verschiedenheit im Baue der Sub- stantia propria, welche im hinteren Theile der Hornhautperipherie beim Huchen und bei Crenilabrus zu beobachten ist. Es sind in diesem Theile die Faserbündel nicht zu Lamellen an einander geord- net, sondern sie verflechten sich, wie an dem abgebildeten Quer- schnitte durch den vorderen Theil des Auges vom Huchen (Fig. 2 A) zu beobachten ist, in den verschiedensten Riehtungen. Ein Theil derselben hat einen eirkulären Verlauf. Das Durcheinandergefloch- tensein dieser Faserbündel geschieht, wie man sich an Quer- und an Flächenschnitten der Hornhaut überzeugen kann, sowohl in sa- gittaler als in vertikaler Richtung. Erst in einiger Entfernung von der Hornhautperipherie ordnen sich die Faserbündel zu breiten La- mellen, wie sie der vordere Theil der Hornhaut (Fig. 2 v) bereits an der Peripherie der Cornea besitzt. An dem Hornhautrande konnte ich am Querschnitte beim Huchen und bei Galeus canis eine Anzahl neben einander verlaufender, in sa- gittaler Richtung die Hornhaut durchbohrender Fasern (Fig. 2 Cs) beobachten. Dieselben entstehen dadurch, dass aus den tiefer gelegenen Lamellen Fasern sich loslösen, welche die Hornhaut in einem großen Theile ihres Querdurchmessers durchsetzen und in hochgelegene (im vorderen Theile der Cornea befindliche) übergehen, theils bis an den vorderen Rand derselben zu reichen scheinen. Am Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 113 meisten lassen sich dieselben noch mit den Fibrae arcuatae der menschlichen Hornhaut in Vergleich bringen, von welchen eine ge- nauere Beschreibung durch HexntLe (Handbuch der Anatomie 1866. II. pag. 604), RoLLETT (Litt.-Verz. 97, pag. 1110) und WALDEYER (GRAEFE und SAEMISCH, Handbuch der ges. Augenheilkunde. I. pag. 172) gegeben wurde. Es unterscheiden sich jedoch diese sagittalen Fasern des Huchen und von Galeus von den Stützfasern der menschlichen Hornhaut durch ihre bedeutendere Länge und durch ihre auf die Hornhautperipherie beschränkte Lage. Während diese Fasern bei den Fischen tief in das Gewebe der Hornhaut zurückreichen, kommen sie beim Men- schen bloß in den vordersten Schichten vor. Das eigenthümliche Irisiren der Hornhaut der Fische wird nach Emery (33 und 34) hervorgerufen durch zellige und faserige Bestandtheile. Die Beobachtung von EmEry, betreffend eine aus Zel- len bestehende Schicht zwischen der Substantia propria und der Membrana Descemeti bei Crenilabrus, kann ich bestätigen. Die Zeilen haben die Form von Plattenepithelien, welche runde Kerne enthalten. Die Zellenschicht erscheint mit schief zur Hornhautachse gerichteten Streifen versehen, welche den Grenzlinien der an einander gelagerten Plattenepithelien entsprechen. Auch die von Emery beschriebenen wellenförmig gebogenen Fasern in der hinteren Hälfte der Hornhaut von Uranoscopus kann ich bestätigen. Von: zelligen Elementen kommen in der Hornhaut außer den bereits besprochenen Pigmentzellen und den Hormhautkörperchen auch farblose Blutkörperchen (Wanderzellen) vor. Bei Crenilabrus liegen sternförmige, mit gelbem Pigment erfüllte Zellen in der hinte- ren Hälfte der Cornea, welche ich bloß von Emery erwähnt finde. Sehr reich ist die Hornhaut der Fische an Nerven. Dieselben stammen zum Theile aus den Nerven der Conjunctiva, theils gehen sie aus den Ciliarnerven hervor. Die conjunetivalen Nerven liegen an der Hornhautperipherie nahe an einander. Sie sind an der Peripherie meist markhaltig. Die marklosen Nerven sind zarte Fäserchen. Die Fasern theilen sich mehrfach diehotomisch und bilden einen nahe der Oberfläche gele- genen Plexus. Den Verlauf der Ciliarnerven konnte ich bei Laeviraja und bei Orthagoriscus verfolgen. Es durchbohren dieselben in der Morpholog. Jahrbuch. 8. 8 114 E. Berger Umgebung des Sehnerven die Sclerotica, verlaufen zwischen den Lamel- len der Suprachorioidea nach vorn bis zum Ligamentum ciliare, bis zu welchem sie sich mit Zuhilfenahme der Lupe verfolgen lassen. Die Nervenfasern der Ciliarnerven sind markhaltig und sind im hin- teren Theile des Bulbus zu wenigen Bündeln vereinigt. Im vorderen Theile des Auges theilen sich diese Nervenbündel mehrfach. Nir- gends fand ich, trotzdem ich häufig danach suchte, Ganglienzellen in den Verlauf der Nervenfasern eingeschaltet und glaube auch annehmen zu können, dass intraoculäre Ganglien den Fischen nicht zukommen. In der Nähe des Ligamentum eiliare durchbohren die Nerven- bündel die Sclerotica in schiefer von hinten außen nach innen und vorn verlaufender Richtung, wie ich dies an Querschnitten durch den vorderen Theil des Auges vom Huchen und an Flächenpräpara- ten des Corneo-Scleraltheiles von Crenilabrus beobachten konnte. Die Nervenbündel enthalten noch in der Peripherie der Cornea zu- meist markhaltige Fasern. Die Nervenfasern treten in etwa 30—40 kleinen Bündeln in die Hornhaut hinein. Diese Bündel theilen sich gegen die Hornhautmitte zu mehrfach. Nach den Untersuchungen von ZELINKA (128) bilden diese Fasern einen tiefliegenden Nerven- plexus in der Hornhaut der Fische. Am Rande der Cornea vom Huchen finde ich ein arkadenförmi- ges Gefäßnetz, von welchem jedoch noch einzelne kleine gegen den mittleren Theil der Hornhaut sich begebende Gefäßästchen abgehen und eine kurze Strecke weit sich verfolgen lassen. Dieser Gefäß- kranz liegt in dem vorderen Theile der Hornhaut. Ein großer Theil der aus den Ciliarnerven entstandenen Nerven- stämmcehen erscheint an der Hornhautperipherie beim Huchen von einem zarten Gefäße begleitet. Eine ähnliche Beobachtung hat Hoyer an denselben Nervenstämmehen des Hechtes gemacht. Bemerken will ich noch, dass die Ciliarnerven bereits in ihrem Verlaufe im suprachorioidalen Lymphraume und zwar in dem vorderen Theile desselben von kleinen Gefäßen begleitet werden. Die Descemetische Haut ist bei allen von mir untersuchten Fischen eine zarte, vollkommen strukturlose Haut. Ich habe nie finden können, dass der Rand derselben sich auffasere, um die Fasern des Ligamentum iridis pectinatum (annulare) zu bilden. Bei Chryso- phrys aurata bedeekt die Descemetische Membran die ganze äußere Fläche des Ligamentum annulare und lässt sich bis zum scleralen Rande verfolgen. Das Endothel der Descemetischen Membran setzt Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 115 sich, wie ich beim Huchen, bei Luvarus! und bei Pagellus feststellen konnte, von derselben auf das Ligamentum annulare fort, dessen vordere Fläche es bis zu seinem Pupillarrande überkleidet. Die Sclerotica. Bei Petromyzon planeri besteht die Sclerotica aus einer zarten bindegewebigen Membran, deren Fasern meist einen meridionalen Verlauf besitzen. Agquatorial verlaufende Fasern kommen zumeist in der Mitte des Auges vor. Ich finde dieselben von LANGHANS (64, pag. 304) bereits beschrieben. Ferner finde ich auch einzelne äqua- toriale Fasern in der Umgebung des Sehnerven. Bei den Selaehiern und den Teleostiern überwiegen ebenfalls die meridional verlaufenden Fasern. Letztere setzen sich am vorde- ren Ende der Selerotica unmittelbar in Fasern der Sclerotica fort. An der Eintrittstelle des Sehnerven gehen die meridionalen Fasern in die äußere Scheide desselben über (vgl. Leuckarr). Aquatorial verlaufende Fasern kann man im ganzen Verlauf der Selerotica fin- den. Ähnlich wie in der menschlichen Sclerotica, erscheinen sie hier als kleine Bündel, welche zwischen die meridionalen Fasern durchgeflochten sind. In größerer Anzahl sind sie zwischen dem vorderen Ende des Seleralknorpels und Knochens und dem Horn- hautrande zu finden, ferner in dem hinteren Theile des Augapfel in dem für den Durehtritt des Sehnerven bestimmten Knorpelfenster. Bei den Selachiern (vgl. Fig. 1) setzt sich der schichtenartige, lamellise Bau der Hornhaut noch in den vorderen Abschnitt der Selerotica fort. Zwischen je zwei Schichten findet man häufig eine Lage von Pigmentzellen. Während die meridionalen Schichten der Hornhaut in solche Schichten der Sclerotica, welche einen gleichen Verlauf besitzen, übergehen, setzen sich die senkrecht zur Schnitt- ebene verlaufenden Fasern in Schichten fort, deren Fasern einen eir- kulären Verlauf besitzen. An Flächenschnitten konnte diese Verlaufs- weise nachgewiesen werden. Am vorderen Ende der Selerotica lassen sich bei den Selachiern, eben so wie beim Huchen. in sagittaler Richtung verlaufende Faserbündel nachweisen (Fig. 2 Ss). Es entstehen dieselben da- durch, dass einzelne von den meridionalen Fasern umbiegen und einen meridionalen Verlauf einschlagen. Sie stammen theils aus der | Erst nach Abschluss meiner Untersuchungen über das Auge von Luva- rus (7) habe ich Präparate erhalten, an welchen sich dies feststellen ließ. Q* 116 E. Berger inneren bindegewebigen Bekleidung des Seleralknorpels, theils aus den hinteren Schichten der Hornhaut. Erwähnen muss ich noch, dass im hinteren Theile des Auges nicht selten zwischen den Fasern der Sclerotica Fettzellen einge- lagert vorkommen. Größtentheils liegen dieselben in den äußeren Schichten der Sclerotica. Namentlich beim Huchen habe ich sie (vgl. Fig. 17 ft) in großer Anzahl gefunden. Sie sind in Gruppen an einan- der gelagert und bilden vielfach geschlungene schlauchartige Formen. Die äußere Fläche der Selerotica zeigt in manchen Fällen einen eigenthümlichen irisirenden Glanz. Diese Erscheinung wurde bereits von LeypıG bei Chimaera monstrosa hervorgehoben. Eine ähnliche Beschaffenheit zeigt auch die Augenhöhle, von welcher Leypic (67, pag. 248) berichtet: »Das Perichondrium der Augenhöhle hat ein silberfarbenes Pigment.« Bei Raja asterias finde ich sternförmige Zellen (Fig. 6), welche die äußere Oberfläche der Sclerotica in ihrem vorderen Antheile be- decken. Sie liegen meist zu Gruppen beisammen in einiger Entfer- nung von einander. Die Zellen besitzen meist mehrere Fortsätze, von denen ein Theil sich wieder theilt. Sie haben eine platte Form. Im Zellenleibe sind nadelförmige Krystalle enthalten, welche ähnliche Interferenzfarben zeigen, wie die krystallhaltigen Zellen des Tapetes. In manchen von diesen Zellen füllen diese Krystalle den Zellen- leib nicht vollständig aus, sondern in einzelnen Lücken ist noch das Protoplasma der Zelle erhalten. Einige Zellen lassen einen runden, meist central, seltener peripher (Fig. 6 »Z) gelegenen Kern erkennen. In der größeren Zahl derselben ist der Kern nicht nachweisbar. Außer in diesen Zellen finden sich die nadelförmigen Krystalle auch zu kleinen unregelmäßigen Plättehen an einander gelagert. Es ist wohl anzunehmen, dass der eigenthümliche Glanz des vorderen Theiles der Selerotica von Raja asterias von den krystall- haltigen Zellen zum Theil herrührt. Auch bei Othagoriscus finde ich einen ähnlichen Glanz an der Selerotica, konnte jedoch krystallhaltige Zellen nicht finden. Vermuth- lich dürften hier dieselben Interferenzerscheinungen durch die Anord- nung des fibrösen Gewebes der Sclerotica zu Stande kommen. Der Scleralknorpel der Fische ist entweder hyaliner oder Faser- knorpel. Es lässt sich jedoch gerade an dem Scleralknorpel der Fische nachweisen, dass die Unterscheidung dieser beiden Knorpel- arten nicht durchzuführen ist, indem ein und derselbe Knorpel in einem Theile hyalin, in dem anderen faserig sein kann und die Ent- Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. #17 stehung von Faserknorpel stets durch die Umwandlung von hyali- nem Knorpel zu Stande kommt. Eine solche Umwandlung kommt auch als Vorstadium anderer Veränderungen der Knorpeltextur vor, welche später erwähnt werden sollen. Die Zellen des Knorpels der Fische wurden bereits von LeypiG und von LAnGHAns mit solcher Genauigkeit beschrieben, dass ich nur Weniges hinzuzufügen habe. Dieselben sind oft in einem Exemplare des Scleralknorpels von verschiedener Form. Sie sind entweder spindelförmig oder oval, halbmondförmig, stern- oder stäbchenförmig. Eben so wechselt auch die Menge des Protoplasmas derselben. Bei einzelnen enthält dasselbe einige Fetttröpfehen (Fig. 7 ft), wie dies auch von Leypie (65, pag. 2) erwähnt wird. Bei einigen Fischen lassen sich die Protoplasmafortsätze weit in die Knorpelgrundsubstanz hinein verfolgen, so namentlich bei den Selachiern und bei einigen Knochenfischen (Luvarus, Chrysophrys). Besser kann man dies an mit Goldehlorid behandeltem Knorpel. Es erscheinen die Knorpelzellen an derartig angefertigten Präparaten sehr intensiv violett bis purpurroth gefärbt, während die hyaline Grundsubstanz fast gar nicht gefärbt erscheint. Ich konnte an der- artig behandeltem Knorpel von Orthagoriscus häufig Anastomosen zwischen den Protoplasmafortsätzen von zwei Knorpelzellen beobach- ten (Fig. 7 an). In manchen Fällen stellen diese Anastomosen sehr breite, kurze Verbindungen dar, in anderen findet man einen schmalen, langen verbindenden Faden. Anastomosen zwischen Knorpelzellen wurden bei Salmo von LaneHans (64, pag. 251) und bei höheren Vertebraten von Spına beobachtet. Erwähnen muss ich noch, dass nicht selten zwei Kerne in einer Zelle vorkommen. Die Form des Kernes ist eine rundliche bis stäbehenförmige. Von besonderem Interesse erscheint es mir hervorzuheben, dass dieAnordnung der Knorpelzellen im Seleralknorpel der Fische eine gewisse Gesetzmäßigkeit erkennen lässt. Es hat dieselbe nichts gemein mit der reihenweisen Anordnung, wie sie die Knorpelzellen im Beginne der Ossifikation! zeigen. Es spricht hier- für, dass sie bereits in einer sehr frühen Entwicklungsperiode sich ähnlich angeordnet finden lassen. So sah ich diese bestimmte An- ordnungsart bei einem Embryo von Mustelus laevis, dessen Scleral- knorpel bereits weit in der Entwicklung vorgeschritten war, schon 1 Vgl. hierüber 0. ROSENTHAL, Ub. die Veränderung des Knorpels vor der Verknöcherung. Med. Centralbl. 1875, Nr. 35. 118 E. Berger deutlich erkennbar. Bei dieser Gelegenheit will ich bemerken, dass die Zellen des embryonalen Knorpel meist längsoval, viel breiter als die des entwickelten Thieres sind, ferner, dass die hyaline In- tercellularsubstanz in viel geringerer Menge vorhanden ist, so dass die Knorpelzellen sehr nahe an einander zu liegen scheinen. Ein fernerer Beweis dafür, dass die bestimmte Anordnung der Knorpelzellen einiger Fische in keiner Beziehung zur Ossifikation steht, ist darin gegeben, dass sie auch an Stellen vorkommt, wo niemals Ossifikation eintritt, wie z. B. im hinteren Theile des Bul- bus von Luvarus, Chrysophrys, Crenilabrus u. A. Nahe der Oberfläche sind die Knorpelzellen mit ihrer Längs- achse meist parallel zur Oberfläche des Scleralknorpels angeordnet, wie dies bereits Leypıg erwähnt. Man findet dies namentlich bei den Selachiern, wo sie in einer schmalen inneren und äußeren Zone des Knorpels eine 3—4fache, manchmal eine achtfache Reihe bilden. In anderen Seleralknorpeln findet man nahe der äußeren und der inneren Oberfläche eine schmale zellenlose Zone (Chrysophrys, Ura- noscopus, Crenilabrus, Pagellus). An dem vorderen und dem hin- teren Rande des Scleralknorpels der Selachier sind die Zellen mit ihrer Achse ebenfalls parallel zur Oberfläche des Knorpels gerichtet, eben so auch an den Durchtrittstellen der Vasa vorticosa stenonis. Die breite mittlere Zone des Knorpels ist entweder mit größten- theils radiär (zur Oberfläche des Knorpels senkrecht) gerichteten Knorpelzellen besetzt (Carcharias, Luvarus), wie dies auch LANGHANS (64, pag. 302) von Hexanchus griseus erwähnt, oder es sind die Knorpelzellen in Gruppen von 3—7 und mehr Zellen angeordnet (Myliobatis, Squatina, Galeus, Raja, Laeviraja). Bei denjenigen Fischen, deren Scleralknorpel eine innere und eine äußere zellenlose Zone besitzt, kann man in der mittleren Zone und zwar an deren beiden Begrenzungsflächen parallel zur Ober- fläche gerichtete‘ Knorpelzellen wahrnehmen, während die Mitte von radiär angeordneten Zellen eingenommen wird. Sehr schön lässt sich dies an einem Querschnitt durch den hinteren Theil des Scleralknorpels von Crenilabrus beobachten (Fig. 9). Man sieht da- selbst die beiden zellenlosen Schichten (?z und az), zwischen welchen in der mittleren Zone (mz) bloß in einer Lage die radiär gerichteten Knorpelzellen gelagert sind. An der Grenze zwischen der mittleren Zone und den benachbarten Zonen liegen mit der Oberfläche des Seleralknorpels parallel gerichtete Zellen. Mit dieser Anordnung der Knorpelzellen stimmen überein Creni- Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 119 labrus, Pagellus, Luvarus (mit dem Unterschiede, dass die äußere Zone hier mit Zellen besetzt ist). Bei Uranoscopus ist die innere und die äußere Zone ebenfalls zellenlos, die mittlere verhält sich ähnlich, wie bei den Rajiden. Beim Huchen sind die Knorpelzellen (zu 30—50 in Gruppen angeordnet und diese Gruppen sind, wie LAnGHans (l. ce. pag. 295) bemerkt, durch eine zellenlose Zwischensubstanz von einander ge- schieden. Bemerkenswerth scheint mir, dass die zellenhaltige hya- line Intercellularsubstanz sich mit Karminammoniak bedeutend schwä- cher tingirt, als die zellenlose. Beim Embryo von Mustelus laevis fand ich nahe der Oberfläche einzelne Knorpelzellen mit der Oberfläche des Scleralknorpels pa- rallel gerichtet, eine einfache Reihe von meist radiär gerichteten Zellen nimmt die mittlere Zone ein. Vergleicht man diesen Befund mit dem der entwickelten Haie, so erscheint es wahrscheinlich, dass dem Knorpel ein interstitielles Wachsthum durch Vergrößerung der mittleren Zone zukomme. Auch LAnGHans tritt für ein solches ein. Bemerken will ich hier, dass auch bei den Amphibien, Reptilien und den Vögeln die Anordnung der Knorpelzellen im Scleralknorpel eine ähnliche ist. So finde ich beim Axolotl, dessen Knorpelzellen eine elliptische Form haben und deren Fortsätze sich deutlich in die Knorpelgrundsubstanz hinein verfolgen lassen, in der äußeren und der inneren Zone parallel zur Oberfläche des Scleralknorpels in ein bis zwei Reihen angeordnete Zellen. In der mittleren Zone ist eine große Anzahl radiär gerichteter Knorpelzellen zu beobachten. Ähn- lich ist die Anordnung bei Chelonia Caretta und beim Truthahn. Bei letzterem sind die Knorpelzellen der mittleren Zone in Gruppen von 3—6 zusammen gelagert. Die der inneren Zone angehörigen Knorpelzellen von Chelonia sind, wie LeYDIG auch von Emys berichtet, mit einem dunklen kör- nigen Pigment erfüllt. Das Auftreten von Fasern in der Knorpelgrundsub- stanz geschieht entweder in Form von netzartigen Geflechten oder von Lamellen oder von Faserbiindeln. Bei den Rochen und Haien findet man, dass die Entwieklung von Fasern in der nahe der Ober- fläche gelegenen, mit meridional gelagerten Zellen besetzten Zone auftritt. Die Fasern haben ebenfalls eine meridionale Richtung. Bei Galeus und bei Orthagoriscus ist die Grundsubstanz des vorde- ren Randes des Scleralknorpels von meridionalen kurzen Fasern durchzogen und lassen sich diese Fasern aus dem Knorpel in die Scle- 120 E. Berger rotica hinein verfolgen, so dass es scheint, dass diese Fasern in Bindegewebsfasern der Sclerotica übergehen. Meridionale Faserlamellen finde ich in der mittleren Zone des Seleralknorpels von Squatina und von Orthagoriscus. Dieselben bil- den am Querschnitte unregelmäßige, sich netzförmig mit einander verbindende Linien (Fig. 16 mf). Im hinteren Theile des Scleralknorpels dieser beiden Fische findet man radiär verlaufende Fasersysteme im Knorpel. Sie gehen bei denselben von der inneren Oberfläche aus, sind bei Squatina zu Biindeln mit einander vereinigt, welche eine Strecke weit in die mittlere Zone des Knorpels hineinreichen (Fig. 16). Mit starken Ver- größerungen kann man sich überzeugen, dass einzelne von den ra- diären Fasern des Knorpels in meridionale Fasern der in- neren Bindegewebslage des Seleralknorpels übergehen, einzelne setzen ihren radiären Verlauf fort und nehmen an der Bil- dung eines zwischen der Selerotica und der Chorioidea gelegenen bindegewebigen Balkensystemes Theil. Erwähnen will ich hier, dass im Knorpel des Augenstieles von Squatina sich auch Faserbildung beobachten lässt, Radiäre Fasern ziehen von der vorderen konkaven Fläche eine Strecke weit nach hinten. Den ganzen Knorpel finde ich allenthalben in Faserknorpel umgewandelt. Von J. Mixer (84, I, pag. 132) wurde am Skelete der Se- lachier eine eigenthümliche Veränderung der Knorpeloberfläche zuerst beschrieben, welche er als Verkalkung von wahrem Knorpel ansah. Mit Rücksicht auf die mosaikartige Form, in welcher diese Veränderung die Knorpeloberfläche betrifft, bezeichnete er die ver- kalkten Theile als »pflasterförmigen Knorpel«. Genauere Berichte lieferte er auch über die Stellen des Skeletes, an welchen pflasterförmiger Knorpel zu finden ist. Nach J. MÜLLER hat Leyvie (65, pag. 6) sich sehr eingehend mit der Natur dieser Umbildung des Knorpels und mit den Formen, unter welchen sie bei den verschiedenen Arten auftritt, beschäftigt. Leypic gelangte zu dem Resultate, dass es sich um eine in Form von Plittchen auftretende Ossifikation der Knorpeloberfliiche handle und bezeichnete die Plittchen als »Knochenschüppehen«. Nirgends finde ich erwähnt, dass dieselbe Veränderung sich auch am Scleralknorpel der Selachier beobachten lässt. Sie beginnt meist an der äußeren Oberfläche, seltener an der inneren, pflegt jedoch die ganze Oberfläche zu betreffen. Die ausgebildeten »Knochenschüppchen« Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 21 sind achteckige Platten, welche radiär gestreift erscheinen. Eine Anzahl von ovalen, seltener rundlichen hellen Körperchen ist zwischen den Fasern zu finden und zwar sind sie im Centrum des Knochen- schüppchens zahlreicher als in der Peripherie zu beobachten. Ley- DIG bezeichnete dieselben als unverästelte Knochenkörperchen. Da die Kenntnis der Entstehungsweise dieser Knochenschüpp- chen die Frage nach der Bedeutung dieser Umwandlung des Knor- pelgewebes zu beantworten im Stande ist, will ich hier eingehender dieselbe besprechen. Bereits oben wurde bemerkt, dass die innere und die äußere schmale Knorpelzone der Rochen und Haie von meridionalen Fasern dicht durchsetzt werden. Betrachtet man einen Flächenschnitt des Scleralknorpels derselben, welcher die äußere oder die innere Zone trifft, so erscheint Folgendes. Es sind die Fasern in Bündel angeordnet und letztere bilden sternförmige Figuren, indem die Faserbündel von gemeinsamen Mittelpunkten ausstrahlen. Die Anzahl der Faserbündel, welche von einem Mittelpunkte ausstrahlen schwankt zwischen 4 bis 8. Im Mit- telpunkte dieser sternförmigen Figuren sieht man bei einzelnen der- selben bereits Kalkeinlagerungen, welche Stellen an in Chromsäure oder in doppeltchromsaurem Kali gehärteten Augen durch grüne Färbung besonders hervortritt. Es entstehen diese Faserbündel dadurch, dass die hyaline Zwischensubstanz faserig wird. Die zwischen den Fasern gelegenen, meist ovalen oder spindelförmigen Knorpelzellen erscheinen mit ihrer Längsachse zur Richtung der Fasern parallel gerichtet. Im Vergleich zu den hyalin gebliebenen Stellen des Knorpels er- scheint im faserigen Theile desselben die Anzahl der Knorpelzellen vermehrt. Auch ihre Größe hat im Vergleiche zu denen der hyali- nen Substanz meist bedeutend zugenommen. Man kann, wenn man an solchen Flächenschnitten diesen Ver- kalkungsvorgang untersucht, die verschiedenartigsten Stadien desselben oft an einem und demselben Auge verfolgen. Zur Darstellung des- selben bediene ich mich eines in Fig. 8 abgebildeten Präparates, welches einen parallel zur inneren Oberfläche geführten Schnitt durch den Scleralknorpel von Trygon pastinaca darstellt. Es lässt sich hier ersehen, dass der Verkalkungsvorgang stets von dem Centrum der sternförmigen Figuren beginnt und in der Richtung der Faserbündel weiter schreitet. Man erkennt nämlich sternförmige Figuren, deren Fortsätze mit krummlinigen, nicht sel- 122 E. Berger ten zackigen Rändern einander berühren. Die Fortsätze eines und desselben Sternes sind nicht sämmtlich zugleich nach allen Rich- tungen in gleicher Weise entwickelt. Während sie an einer Seite bereits zum benachbarten Knochenschiippchen vollkommen verkalkt sind, können sie an der anderen Seite desselben Knochenschüpp- chens eben erst in ihrer Entwicklung angedeutet sein. An anderen Stellen sind die Fortsätze zwar entwickelt, sie berühren sich jedoch nicht gegenseitig, sondern zwischen den verkalkten Stellen findet sich eine faserige Brücke (A). Vergleichen wir die bisher gewonnenen Beobachtungen, so ergiebt sich die Berechtigung zur Annahme, dass die Verkalkung im Cen- trum beginne undin den radiären Faserbündeln bis zur gegen- seitigen Berührung der verkalkten Fortsätze weiter schreite. Es scheint nach eingetretener Verkalkung eines sternförmigen Faserbündels die Möglichkeit zu bestehen, dass durch neue Faser- bildung und abermalige Verkalkung dieser neuentstandenen Fasern die Zahl der Strahlen bis auf acht vermehrt werden. Ich finde nämlich an dem in Bildung begriffenen pflasterförmi- gen Knorpel einzelne, welche 4 bis 5 Strahlen besitzen, während in den entwickelten Knochenschiippchen keines weniger als 8 Strah- len oder vielmehr Ecken besitzt. In manchen Fällen (a) findet man Faserbündel, welche bloß in einer schmaleren Breitenausdehnung verkalkt sind, als die Breite des Faserbündels beträgt. Erst in einem späteren Stadium erreichen die Knochenschüpp- chen die Form, bei welcher sie mit allen ihren Fortsätzen sich ge- genseitig berühren, der Form eines Ordenssternes nicht unähnlich sehen und zwischen ihren Fortsätzen größere oder kleinere Inseln, welche hyalinen Knorpel enthalten, erkennen lassen. Lreypic machte auf die Verschiedenheit der Form dieser Knorpel- inseln bei verschiedenen Fischarten aufmerksam. Ich konnte jedoch in einem und demselben Exemplare nicht selten dieselben beisammen finden und sehe mich daher zu der Annahme veranlasst, dass diese verschiedenen Formen des pflasterförmigen Knorpels verschiedene Entwicklungsstadien desselben sind. Die Knochenschüppehen bilden ein zierliches Netzwerk, dessen Knotenpunkte von den Verkalkungscentren gebildet werden. Erst am Ende der Umwandlung des Knorpels bilden die Knochenschüppehen die Form von achteckigen Plättehen, welche eng an einander gelagert sind und ein zierliches Mosaik darstellen. Diese Formen der Kno- chenschiippchen finde ich von J. MürLter (84, I, Taf. IX, Fig. 3) _ Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 123 und LeyDIe (65, pag. 154) bereits abgebildet. Es entstehen diesel- ben dadurch, dass die hyalinen Knorpelinseln allmählich demselben Umwandlungsprocesse unterliegen, dem die sternförmigen Figuren ihre Entstehung verdanken. Ob es sich bei dem eben geschilderten Vorgange um die Bildung von wahrem Knochen handle, wie es Lrypig annimmt, oder um eine mit dem Größerwerden der Massenzunahme der Knorpelkörper- chen und der Faserbildung in der hyalinen Grundsubstanz einher- gehenden Verkalkung von Knorpel, muss ich noch unentschieden lassen, da mir nicht bekannt ist, ob in den Knochenschüppchen die für den Knochen charakteristische leimgebende Substanz enthal- ten ist. J. MÜLLER (84, pag. 133) erwähnt, dass im Innern des hyali- nen Knorpels äußerst selten pflasterförmiger sich findet. Er beob- achtete dies an der Wirbelsäule von Myliobatis. Ich habe bloß bei Trygon pastinaca in der mittleren Zone des Knorpels die Bildung von pflasterförmigem Knorpel gefunden. Es ‚hatte der umgewandelte Theil des Knorpelgewebes eine eylindrische Form und eine zur Knorpeloberfläche senkrechte Richtung. Es fand sich diese Veränderung bloß im hinteren Theile des Seleralknorpels. Vielleicht gehört eine Erscheinung, welche ich am vorderen Theile des Scleralknorpels von Myliobatis zu beobachten Gelegen- heit hatte, auch zu den im Centrum des Knorpels entstehenden Bil- dungen des pflasterförmigen Knorpels. Ich fand hier einen dieken Faserstrang, welcher an der inneren Oberfläche beginnt und die Breite des Knorpels durchsetzend an dessen äußerer Oberfläche endet. Leyoie (65, pag. 8) bemerkt bei der Besprechung des Skeletes der Rochen und Haie: »Es kommen Fälle vor, wo bei alten Individuen stellenweise die pflasterförmige Knorpelkruste neuerdings überwachsen wird.« LEYDIG erwähnt als Ort für das Vorkommen dieser Erschei- nung das Gelenk zwischen dem Hinterhaupte und der Wirbelsäule. Eine ähnliche Beobachtung konnte ich ebenfalls an dem Seleral- knorpel der Rochen und Haie machen. Namentlich an dem vorde- ren Rande des Scleralknorpels, ferner in der Umgebung des Sehner- venloches finde ich nicht selten eine Auflagerung von Knorpel über der Lage von Knochenschüppchen. In dieser allem Anschein nach neu- gebildeten Lage von Knorpel sind die Knorpelzellen ebenfalls der Oberfläche parallel gerichtet. Die Zwischensubstanz ist häufig fase- rig. Bei Myliobatis sehe ich ferner einige faserige Züge (Fig. If), welche von der Schicht der Knochenschüppehen zur Oberfläche des 124 E. Berger Seleralknorpels sich begeben und von denen ein Theil denselben Verkalkungsprocess bereits durchgemacht hat, während ein anderer im Beginn desselben zu beobachten ist. Es tritt dieses Überwach- senwerden der Knochenschiippchen von neugebildetem Knorpel schon in einer Zeit auf, wo der Bildungsvorgang der Knochenschüppchen noch nieht an der ganzen Oberfläche des Knorpels vor sich gegan- gen ist. So sehe ich denselben bei Myliobatis zu einer Zeit, wo die innere Knorpeloberfläche, an welcher die Bildung von Knochenschüpp- chen meist später beginnt, stellenweise noch frei von denselben ist. Nirgends finde ich erwähnt das Vorkommen von Gefäß- schlingen im Seleralknorpel der Fische. LeypıgG beobach- tete, dass bei der Seeschildkröte kleine Zweigchen der hinteren kleinen Ciliararterien zur Ernährung des Knorpels in Beziehung stehen und es wurde dies von LEUCKART bestätigt. Doch sind dies in ihrem Wachsthum zurückgebliebene gefäßhaltige Theile der inneren Binde- gewebslage der Selerotica, während bei den Fischen wahrscheinlich auch eine spätere Bildung von Gefäßen im Knorpel auftritt und in der Umgebung derselben eine eigenthümliche Veränderung der Knor- pelsubstanz sich findet. Bei Trygon pastinaca und bei Myliobatis konnte ich Gefäße beobachten, welche von der inneren Knorpeloberfläche nach außen in radiärer Riehtung ein Stück weit in den Knorpel hinein sich er- strecken. Es sind diese Gefäßschlingen entweder kurz, wie in dem in Fig. 10 abgebildeten Präparate, oder es ragen dieselben tief in den Knorpel hinein (vgl. Fig. 19 Agf), ja es können dieselben den größeren Theil des Querschnittes des Knorpels durchsetzen. In den meisten Fällen ist eine kleine Arterie (Apa) zu beobachten, welche in den Knorpel eintritt und daselbst in ein reiches Netz von Kapil- largefäßen sich auflöst, oder nur einige wenige Maschen bildet (Fig. 19 Agf). Aus dem Kapillarnetz wird das Blut durch eine, selten mehrere Venen zuriickgeleitet. Die Kapillargefäße lassen in ihren Wandungen ovale mit Karminammoniak sich tingirende Kerne erkennen. Die Weite der Kapillargefäße ist eine sehr verschiedene. Zwischen den Blutgefäßen und der Intercellularsubstanz des Knor- pels sind an der Eintrittstelle der Gefäßschlingen in den Knorpel breite bindegewebige Umhüllungen zu beobachten (vgl. Fig. 19). Dieselben stehen in Verbindung mit der inneren Bindegewebslage des Knorpels. In der Umgebung der Kapillarschlingen konnte ich die bindegewebige Grenze zwischen denselben und dem Knorpel nicht immer deutlich erkennen. Die kurzen Kapillarschlingen sind ein- Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 125 gelagert in ein Gewebe (vgl. Fig. 10), welches am Querschnitt hel- ler erscheint, als die hyaline Knorpelsubstanz, sich weniger mit Tink- tionsmitteln imbibirt, von welcher letzteren es sich durch eine scharfe Trennungslinie abgrenzt. Es erscheint dasselbe faserig von zahl- reichen spindelförmigen Zellen durchsetzt, welche größer sind als die Knorpelzellen. Von den Zellen gehen faserige Fortsätze ab. In der Nähe der langen Gefäßschlingen hatte ich nicht selten Gelegenheit im Knorpelgewebe eine ähnliche Veränderung zu beobachten, wie sie zu Beginn der Bildung von Knochenschüppchen auftritt. Die Zellen des Knorpels sah ich vergrößert, an Zahl vermehrt und mit ihrer Längsachse parallel zur Oberfläche der Gefäßschlingen gerichtet. Die Intercel- lularsubstanz erscheint faserig. Es finden sich jedoch vielfach Uber- gänge zwischen der eben geschilderten Veränderung der benachbarten Knorpelzone und dem hyalinen Knorpel. Es ist mir nie gelungen Kalkeinlagerungen hier zu finden und muss ich daher noch unentschie- den lassen, ob diese Veränderungen der Knorpeltextur mit der Bildung der Knochenschüppchen vergleichbar sind. Bemerken muss ich noch, dass die Gefäßschlingen in weiten Abständen von einander sich fin- den. Sie kommen nur im hinteren Theile des Knorpels vor. Im Skelete der Fische wurde das Vorkommen von Gefäßen in der Knorpelsubstanz von Hartine (43) beobachtet und von demsel- ben als eine mit der Knochenbildung in Beziehung stehende Erschei- nung gedeutet. Ich finde von demselben nicht erwähnt, dass bei den Knorpelfischen eine ähnliche Veränderung der Knorpelgrund- substanz, wie sie eben geschildert wurde, zu beobachten sei. Führt man in meridionaler Richtung einen Schnitt durch das Auge von Laeviraja, Raja Schultzii oder Raja asterias, so ist mit freiem Auge bereits eine Veränderung an dem Querschnitt des Scleralknorpels er- kennbar. Man sieht die mittlere Zone des hinteren Theiles des Seleralknorpels wie mit feinen weißen Pünktehen durchsetzt. Na- mentlich ist diese Veränderung an dem nach außen vom Sehnerven gelegenen stark verdickten Theile des Scleralknorpels leicht erkenn- bar. Bei mikroskopischer Untersuchung erweist sich der betreffende Theil des Knorpels durchsetzt von kleineren und größeren Höhlen, welche im hintersten Theile des Seleralknorpels in größe- rer Menge vorhanden sind, als in dem mittleren Theile desselben. Im vorderen Abschnitt des Scleralknorpels habe ich das Vorhandensein von Knorpelhöhlen nicht nachweisen können. Die größeren Höhlen sind von länglicher Form. Ihre größere Ausdehnung ist in sagittaler Richtung, wo sie einen Durchmesser 126 E. Berger von 0,41 — 0,67 mm besitzen. Die kleineren Höhlen haben eine rundliche Form und besitzen einen Durchmesser von 0,05—0,11 mm. An einem Querschnitt durch den hinteren Theil des Knorpels von Raja asterias (Fig. 11) finden wir die großen Höhlen (Hg) in der Mitte der Knorpelmasse gelegen. Nach innen und nach außen von denselben liegen in mehrfacher Reihe die kleineren Knorpel- höhlen (77%), während die größeren bloß in einfacher Reihe angeord- net sind. Die großen Höhlenbildungen stellen mit einander kommu- nieirende Hohlräume dar, welche von einander durch säulenartige Stiitzpfeiler, die Reste der Knorpelsubstanz sind, getrennt wer- den. Die Stützpfeiler sind an ihrem vorderen und ihrem hinteren Ende verdickt. In einzelnen größeren Hohlräumen sehe ich von der äußeren und der inneren Wand ins Innere der Höhle hineinragende zapfenartige Fortsätze. In anderen Fällen sehe ich diese knorpeli- gen Zapfen noch durch grobfaseriges Bindegewebe mit einander ver- ‚bunden. Borstenartig angeordnete Fasern ragen von manchen Stellen der sonst glatten Wand in das Innere der Höhle. Bei den kleineren Höhlen sind einzelne ganz oder theilweise mit dieser Fasermasse, welche von der Knorpelgrundsubstanz ausgeht, erfüllt. Zwischen den parallel zur Oberfläche des Scleralknorpels nahe an einander gereihten‘ kleineren Höhlen und der inneren Zone des Knorpels (eben so auch der äußern Zone) sind mehrere mit Kar- minammoniak stark tingirte reihenförmig an einander geordnete, durch Querstreifung sich auszeichnende Stellen zu beobachten. Es ist an diesen Orten an Stelle der hyalinen Grundsubstanz eine faserige bindegewebige Substanz erschienen. Diese faserige Umbildung der ganzen hyalinen Substanz tritt auch an der nach innen gelegenen Stelle auf, wo bereits meridionale bindegewebige Lamellenbildung (mf) im Seleralknorpel aufgetreten ist. Über den Vorgang der Höhlenbildung bei Laeviraja und bei Raja asterias konnte ich einige Thatsachen feststellen. Der Process beginnt in der mittleren Zone des Scleralknorpels. An Quer- und an Längsschnitten erscheinen die Zellengruppen unverändert, aber stellenweise ist die ganze Intercellularsubstanz streifig geworden. Die streifigen Stellen, welche Anfangs fleckenweise auftreten, sind in einem späteren Stadium mit einander verschmolzen und lassen bloß den Theil der hyalinen Knorpelgrundsubstanz, in welchem die Zellengrup- pen liegen, als Inseln erkennen, welche noch nicht faserig erscheinen. Dem ersteren Stadium entspricht die mit F bezeichnete Zone des abgebildeten Querschnittes. Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 127 In einer späteren Entwicklungsphase der Höhlenbildung greift der Process auch auf die Zellgruppen über. Die Knorpelzellen erscheinen jetzt in ihrer Zahl vermindert. Bei Laeviraja zeigten die in der derart veränderten Knorpelsubstanz gelegenen Zellen Kerne; deren Oberfläche mit kleinen, zackigen Unebenheiten besetzt war (Stechapfelform). Doch scheint diese Eigenschaft des Kernes keine konstante Erscheinung zu sein. Die Knorpelzellen findet man nun nicht mehr in größeren Grup- pen, sondern nur einzelne wenige beisammen. Durch Dehiscenz der Fasern in den faserig gewordenen Stellen bilden sich die kleineren Höhlen, während Alles darauf hinweist, dass die größeren Höhlen durch Vereinigung von kleineren entstehen. Bei Raja miraletus finde ich jedoch die Intercellularsubstanz in weiter Strecke faserig, die Zellen nur spärlich noch vorhanden zwischen denselben, ohne dass es zur Bildung von kleinen Höhlen gekommen wäre. Wahrscheinlich sind die Bildungen von Kanälchen, welche Lry- pig (65, pag. 2) am Skelete von Raja clavata beobachtet hat, ana- loge Erscheinungen, wie die Höhlenbildungen im Scleralknorpel eini- ger Rochen!. Leypıs vergleicht die Form derselben mit der von Havers’schen Kanälen des Knochens. Bemerken muss ich jedoch, dass Leypıs die Kanäle im Knorpel von Raja clavata mit Blut- körperchen erfüllt findet, während ich in den Höhlen des Scleral- knorpels stets nur eine seröse Flüssigkeit angetroffen habe. Uber die Bedeutung der Höhlenbildung im Knorpel halte ich noch am: meisten die Anschauung berechtigt, dass es sich um eine senile Involution des Knorpels handle und dass die Höhlen vielleicht auf ähnliche Weise, wie in der Ora serrata retinae bei eystoider Entartung derselben entstehen. | Wenn wir nun diese verschiedenen Umwandlungsformen des Seleralknorpels betrachten, so sehen wir, dass der Bildung des pfla- sterförmigen Knorpels, der in der Umgebung der Gefäßschlingen vorkommenden Umwandlung des Knorpelgewebes, so wie bei der Knorpelhöhlenbildung die Erscheinung des Faserigwerdens der friiher hyalinenGrundsubstanz vorhergeht. Die beiden ersteren Umwandlungsvorgänge des Knorpels sind mit Vergröße- rung und Vermehrung der Knorpelzellen begleitet, bei der letz- 1 Ob die Kanäle, welche nach der Beschreibung Lnypia’s (Fische und Rep- tilien, pag. 1) die Knorpelgrundsubstanz von Accipenser durchziehen und Fett und Gefäße enthalten, analoge Bildungen sind, muss ich noch dahin gestellt sein lassen. 128 E. Berger teren sehen wir dieselben an Zahl geringer werden und schließ- lich vollkommen fehlen. Das plötzliche Auftreten einer großen Menge von bindegewebi- gen Fasern können wir uns nicht durch eine Neubildung derselben im Knorpel entstanden denken. Es ist viel wahrscheinlicher anzu- nehmen, dass die Fasern im hyalinen Knorpel bereits vorhanden sind und dass dieselben erst durch Veränderun- gen der die Fasern verbindenden Kittsubstanz (vielleicht zu Grundegehen derselben) sich optisch differenziren. Für diese Ansicht sprechen auch die bekannten Versuche von TILLMANNS, welche darthun, dass der hyaline Knorpel durch die Maceration in übermangansaurem Kali und in koncentrirten Kochsalzlösungen ähn- lich wie die Hornhaut (RoLLETT) in Fibrillen zerfällt. Von Wichtig- keit erscheint mir mit Rücksicht auf die Zugehörigkeit des Knorpel- gewebes zu den Bindesubstanzen die Beobachtung, dass Knorpel- fasern in Fasern der Sclerotica sich fortsetzen. Was den Bau des Seleralknochens betrifft, erlaube ich mir auf die von PAGENSTECHER begonnenen Untersuchungen von LANGHANS, fer- ner auf die Abhandlungen von H. MÜLLER und KÖLLIKER hinzuweisen. Der Seleralknochen der von mir untersuchten Arten enthält Havers’sche Kanäle und Markhöhlen, welche Fettzellen, einzelne Pigmentzellen und Gefäße enthalten. Die Knochenkörperchen von Thynnus (vgl. Lancuans) und von Luvarus sind spindelförmig und lassen keine Fortsätze erkennen, während sie beim Huchen mit ein- zelnen Fortsätzen versehen sind. Der Vorgang der Ossifikation unterscheidet sich nicht von dem der höheren Vertebraten. Die Knorpelzellen werden größer, oval und sind in Reihen dieht neben einander geordnet. Die hyaline Grundsubstanz zwischen denselben schwindet während der Größen- zunahme der Knorpelzellen. Der Ossifikationsvorgang beginnt stets an dem vorderen Theile der äußeren konvexen Oberfläche des Scleral- knorpels und schreitet in der Richtung zur inneren Oberfläche vor. Ich habe dies deutlich beim Huchen beobachten können. Eben so finde ich beim Seleralknorpel von Crenilabrus und von Pagellus bloß an seiner äußeren konvexen Fläche die ersten Stadien der Knochenbildung. Eine Erscheinung, deren, so viel mir bekannt ist, nirgends Er- wähnung gethan wird, ist, dass der Scleralknorpel stets an seiner lateralen Hälfte früher zu ossificiren beginnt, als an seiner medialen. Ich fand dies beim Huchen, wo die late- rale Seite schon sehr weit in der Ossifikation vorgeschritten ist, Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 129 während die mediale (vgl. Fig. 2) noch keine Spuren von derselben aufweist. Eben so finde ich die Anfänge der Ossifikation bloß auf der lateralen Seite des Auges von Pagellus und Crenilabrus. Bekanntlich sind bei den höheren Vertebraten die Havers’schen Lamellen koncentrisch um die Havers’schen Kanäle angeordnet. Die um diese koncentrischen Lamellen gelegenen (umfassenden) Lamellen zeigen in so fern eine Abweichung von dem allgemeinen Schema, dass sie im vorderen Theile des Scleralknochens einen senkrecht zum vorderen Rande des Knochens gerichteten Verlauf haben. Am Quer- schnitt erscheinen sie, wie beim Thunfisch sehr deutlich zu beobach- ten ist, als feine, zarte, parallel geordnete Linien (Fig. 4 f). Diese Lamellen durchsetzen die Grenze des Scleralknochens und setzen sich als Fasern in den bindegewebigen Theil der Sclerotica fort. Wir haben bereits oben erfahren, dass im Faserknorpel sich solehe Fasern finden, welche als Fasern der bindegewebigen Selerotica und wahr- scheinlich auch der Cornea weiter verlaufen und dasselbe scheint auch für den Knochen der Selerotica der Fall zu sein. Es erscheint dies nicht unwichtig mit Rücksicht auf die That- sache, dass Knorpel, Knochen und fibröses Gewebe nur verschiedene Modifikationen der Bindesubstanz sind. Die Iris. Die vordere” Fläche der Iris ist bedeckt von einem Platten- epithel, das die Fortsetzung der Endothelschicht ist, welche die hintere Fläche der Descemetischen Haut bedeckt. Ich konnte sie bei Pagellus, Orthagoriseus und beim Huchen beobachten. Dieses Endothel reicht bis zum inneren Rande der Iris. Die hinter der Epithelschicht gelegene Schicht besteht aus außen mehr breitfaserigem Bindegewebe, welches von den älteren Unter- suchern des Fischauges als Ligamentum annulare bezeichnet wird. Um die Bedeutung desselben zu verstehen ist es nöthig den Fonrana’schen Raum und den SCHLEmM’schen Kanal des Fischauges zu besprechen. Das Ligamentum annulare, welches bekanntlich an seiner äuße- ren Fläche mit der Hornhaut innig verbunden ist, besteht aus locker an einander gelagerten bindegewebigen Fasern, zwischen welchen Hohlräume frei bleiben. Meist sind diese Hohlräume an dem peri- pheren Theile des Ligamentum annulare weitmaschiger, breiter, als in dem nahe dem Pupillarrande gelegenen Theile desselben. Breite Morpholog. Jahrbuch. 8. 9 ~ 130 E. Berger Lücken sind an dem äußeren Theile desselben bei Uranoscopus, schmäler sind sie bei Chrysophrys (Fig. 3) und beim Thunfisch (Fig. 4). Ihrer Lage und ihrer Größe nach unterscheidet ANGELUCCI (2, pag. 174) vier verschiedene Formen dieser Hohlräume, doch sind die Übergänge zwischen diesen Formen so zahlreich, dass es schwer hält an dieser Eintheilung festzuhalten. Die Hohlräume fehlen häufig an dem inneren Theile des Liga- mentum annulare, so z. B. beim Thunfisch und bei den Selachiern scheinen dieselben überhaupt nicht vorzukommen. An Querschnitten durch das Ligamentum annulare so wie auch an Zupfpräparaten konnte ich mich überzeugen, dass Endothelzellen, welche einen prominirenden Kern besitzen, an den Wandungen der kleinen Hohlräume liegen. Ihrer Lage und Zusammensetzung nach entsprechen die zwischen den Fasern des Ligamentum annulare vorhan- denen vielverzweigten Räume dem Cavum Fontanae der höheren Vertebraten, welche Auffassung, wie bereits erwähnt wurde, von ANGELUCCI zuerst ausgesprochen wurde. Bemerken will ich noch, dass das Ligamentum annulare an macerirten Hornhäuten stets mit der Membrana Descemeti im Zusammenhange bleibt. ANGELUCCI (2, pag. 175) erwähnt bereits das Vorhandensein des SchLemm’schen Kanales bei den Fischen. An der inneren Grenze zwischen der Cornea und dem Balkennetze des Ligamentum annulare lässt sich nicht selten (Fig. 2 Cs) der Querschnitt eines oder mehre- rer kleiner Gefäße erkennen. Über die Bedeutung der am Quer- schnitt erscheinenden Lumina kann kein Zweifel sein, da ich in den- selben nicht selten Blutkörperchen angetroffen habe. An dem peripheren Theile des Ligamentum annulare sieht man nicht selten ein eirkulär verlaufendes Gefäß. Ich fand dasselbe bei Chrysophrys (Fig. 3 gf) und bei Crenilabrus. Bei Orthagoriscus ver- laufen in dem Ligamente von der Peripherie radienförmig Gefäße zum Pupillarrande, wo sie mit einander einen Gefäßkranz bilden, ähnlich dem im Parenchym der Iris gelegenen. Bereits oben wurde erwähnt, dass die vom Ligamentum annu- lare gebildete Schicht der Iris, besonders an ihrem peripheren Theile, bei einigen Arten manchmal fleckenförmig pigmentirt ist. Es kommt diese Pigmentirung durch Einlagerung sternförmiger, nicht selten mit einander anastomosirender Pigmentzellen zu Stande, welche einen ähn- lichen Bau wie die bekannten Pigmentzellen der Chorioidea besitzen. Bei Orthagoriscus hat die vordere Oberfläche des Ligamentes eine Anzahl warzenartiger Erhabenheiter. Dieselben sind gebildet Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 131 durch klumpenförmig an einander gehäufte Pigmentzellen, welche in ein bindegewebiges Stroma eingeschlossen sind. Unmittelbar hinter dem Ligamentum annulare liegt eine Schicht, welehe im durchfallenden Licht dunkel und parallel zur Oberfläche der Iris zart gestreift erscheint. Im auffallenden Licht untersucht, ist sie stark Licht reflektirend. Sie ist unter dem Namen Lamina Argentea beschrieben worden. Sie besteht aus dicht an einander gelagerten Plättehen, welche der Form nach Plattenepithelzellen nicht unähnlich sehen und aus nadelförmigen Krystallen (Ophthalmolithen, DELLE CuIAJE) zu bestehen scheinen. Die Plättchen sind unter dem Namen Iridocythen beschrieben worden. Bemerken will ich hier, dass ich in einzelnen dieser Plättchen beim Aale einen runden Kern be- obachtet habe. Auf die Beschaffenheit der Iridoeythen wird bei der Besprechung | der Chorioidea näher eingegangen werden und will ich nur hier er- wähnen, dass dieselben nahe dem Pupillarrande eine vorwiegend eirkuläre, am Außenrande der Iris eine meist -radiire Anordnung besitzen (Anguilla, Crenilabrus). Bei den Knochenfischen: setzt‘ sich die Lamina argentea in die gleichnamige Schicht der Chorioidea fort. Bei den Selachiern hört sie am Außenrande der Iris auf. Be einzelnen Knochenfischen ist die Argentea der Iris beträchtlich dieker als die der Chorioidea, sel- ten ist das Umgekehrte der Fall (Huchen). Bei einzelnen ist die Argentea! der Iris sehr schwach entwickelt, z. B. bei Myliobatis. Einzelne Gruppen von Iridocythen finden sich manchmal auch in tieferen Schichten der Iris (Myliobatis, Raja asterias). Die hintere Fläche der Lamina argentea wird bedeckt von einer Schieht von Pigmentzellen (Fig. 1, 3, 4 ap). Dieselben besitzen einen hellen Kern und eine Anzahl von Fortsätzen. Bei manchen Arten ist diese Pigmentlage sehr stark entwickelt (Myliobatis), oder sie fehlt fast vollkommen (Huchen). Bei einigen Fischarten durchsetzen zarte fadenförmige Fortsätze der Pigmentzellen einen Theil der Lamina argentea. Ich konnte dies an Querschnitten durch die Iris des Thunfisches (Fig. 12), fer- ner bei Uranoscopus, Pagellus und bei Raja asterias beobachten. Es finden sich auch Pigmentzellen in dieser Schicht, welche eine ! Ich vermisste diese Schicht bei Petromyzon Planeri und dem Embryo von Mustelus. 9* 132 E. Berger Zellform mit halb eingezogenen Fortsätzen und solche, an denen bloß Andeutungen von Fortsätzen wahrzunehmen sind. Vergleicht man diese Formen der Pigmentzellen mit einander, so ergiebt sich mit großer Wahrscheinlichkeit, dass dieselben nur verschiedene Phasen einer Zellform sind, welche protoplasmatische Fortsätze auszustrecken und einzuziehen im Stande ist. Bei anderen Fischarten erscheinen diese Fortsätze mehr flächen- artig ausgebreitet (Raja asterias, Aal). Vergleicht man diese Pigmentzellen mit den Chromatophoren der Fischhaut!, so ergiebt sich, dass dieselben, was ihre Form und Lage betrifft, mit einander übereinstimmen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Pigmentzellen zum Far- benwechsel der Iris eben so in Beziehung stehen, wie die Chromato- phoren der Haut. Die Substantia propria erscheint als nächste und zumeist diekste Schicht am Querschnitt durch die Iris. Sie besteht aus Binde- gewebe, Gefäßen, Pigmentzellen und organischen Muskelfasern. Die Gefäße der Iris besitzen meist ein beträchtliches Lumen. Sie sind in der Mitte der Iris häufig dieker als an ihrem peripheren Rande (Thunfisch, vgl. Fig. 4), wie dies bereits von FABER bemerkt wird. Was die Anordnung der Gefäße betrifft, so lassen sich zwei Typen unterscheiden. Entweder es findet sich bloß eine Schicht sehr großer Gefäße (Thunfisch) oder eine mehrfache Lage über ein- ander gelagerter Gefäße mittlerer Größe (Myliobatis). Die binde- gewebige Zwischensubstanz ist zumeist sehr gering im Vergleich zu dem Raum, welcher von den Gefäßen in Anspruch genommen wird. Die Pigmentzellen, welche in großer Anzahl zwischen den Binde- gewebsfasern und der Adventitia der Gefäße liegen, haben einen schmalen Zellkörper, von welchem veristélte Fortsätze entstehen. Anastomosen zwischen denselben sind häufig. Lrypig und BROWN-SEQUARD (19) vermissten das Vorhanden- sein von Muskelfasern in der Iris der Plagiostomen. Der Iris der 1 Die Formveränderungen der Chromatophoren der Fische geschehen nach der Ansicht von KRUKENBERG (Üb. d. Mechanik des Farbenwechsels bei Cha- maeleon vulgaris. Vergl.-phys. Stud. III. Abth. pag. 23) durch aktive Kontrak- tion derselben unter direktem Einflusse der Nerven. Vgl. ferner die Unter- suchungen von KLEMENSIEWICZ über die Chromatophoren der Cephalopoden. 2 Über den Farbenwechsel bei den Fischen vgl. die Untersuchung von HEINCKE, Schriften des naturw. Ver. in Schleswig-Holstein I. Bd., Heft 3, ferner PoucHET, Compt. rend. T. 72. 1871. pag. 866. — Journal de l’anatomie et de la physiologie. norm. et path. 8. anneé. 1872. pag. 71. — Ibidem pag.401—407, Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 133 -Fische wurde bekanntlich früher das Bewegungsvermögen vollkom- - men abgesprochen (CUVIER). KÖLLIKER war der erste, welcher organische Muskelfasern in der Regenbogenhaut der Fische nachgewiesen hat. FABER (36) behauptete, dass bei den Fischen sowohl radiäre als eirkuläre Fasern in der Iris vorhanden sind. Mit Rücksicht auf die von GRÜNHAGEN u. A. vertretene An- sicht, dass es einen Dilatator pupillae nicht gebe, erscheint uns das Vorhandensein von radiären Muskelfasern von besonderer Wichtigkeit!. Zum Nachweise der Muskelfasern in der Iris eignet sich am besten die Doppelfärbung mit Karminammoniak und Pikrinsäure. Es lässt sich sowohl der Sphinkter, welcher am Querschnitt eine linsen- oder halbmondförmige Form besitzt (Fig. 3 u. 4 ps), als auch der Dilatator nachweisen. Die Muskelfasern haben die bekannte, spindelförmige Gestalt mit stäbehenförmigem Kern und sind dicht an einander gelagert. Zwischen den Muskelfasern und stellenweise in denselben findet man häufig diffuses Pigment abgelagert (Thunfisch). Die radiären und die eirkulären Fasern liegen nahe der hinteren Fläche der Iris. Die eirkulären Fasern habe ich beim Huchen, bei Galeus, Chrysophrys und beim Thunfisch beobachtet. Die radiä- ren Muskelfasern konnte ich namentlich in der Nähe der eirkulären beim Thunfisch und bei Uranoscopus sehen. Bemerken muss. ich noch, dass, wie LEUCKART (69, pag. 238) hervorhebt, Bewegungen der Iris einzelner Fische beobachtet wur- den. Auch LEuckArRT spricht sich für die Existenz eines. Dilatator pupillae bei den Fischen aus. Die hintere Fläche der Substantia propria der Iris wird von der strukturlosen Basalmembran (Lam. elastica, Glashaut, Grenz- haut) bedeckt. Beim Huchen (Fig. 2 gh) besitzt dieselbe? die ansehnliche Dicke von 0,02—0,04 mm. Sie färbt sich mit Karmin- ammoniak sehr intensiv. Eine radiäre Streifung, wie sie die Basal- membran der menschlichen Iris zeigt (HENLE), konnte ich bei keiner Fischart nachweisen. Die hintere Oberfläche der Basalmembran besitzt, wie Unter- suchungen mit stärkeren Vergrößerungen (HARTNACK, System 8) er- geben, eine Anzahl feiner, zackiger Unebenheiten, welche den Be- ! Eine Zusammenstellung über die Verbreitung des Dilatator pupillae unter den Vertebraten ist in der Abhandlung von DoGIEL (31) zu finden. 2 In meiner vorläufigen Mittheilung (8) ist die Dicke derselben durch feh- lerhaften Abdruck als 0,2 mm bezeichnet. ‚ 134 E. Berger grenzungslinien zwischen je zwei Pigmentzellen der hinteren Pigment- schicht zu entsprechen scheinen. Die Pigmentschicht (Fig. 1, 3, 4 ps) besteht aus mit körni- gem Pigment erfüllten Plattenepithelien, seltener ist die Form des kubischen Epithels zu finden (Raja asterias, Luvarus). Nach den Untersuchungen von H. MÜLLER bedeckt ein zartes strukturloses Häutchen die hintere Fläche der Pigmentschicht. ANGELUCCI hat das Vorhandensein desselben bei den Fischen zuerst nachgewiesen. Bei Myliobatis, Orthagoriscus und beim Thunfisch konnte ich dasselbe beobachten. Beim Menschen hat Kunnt ein Endothelhäutchen beschrie- ben, welches die hintere Fläche des eben besprochenen Häutchens und den vorderen Theil der Zonula bedeckt. Ich fand dasselbe an der hinteren Wand bei Orthagoriscus und beim Thunfisch. Es be- steht aus regelmäßigen sechseckigen Zellen, welche einen runden Kern deutlich erkennen lassen. € Die Chorioidea. Die Aderhaut der Fische zeigt in ihrem Baue viel Übereinstim- mendes mit der der höheren Wirbelthiere. Die älteren Beschrei- bungen des Fischauges unterscheiden bloß drei Schichten der Ader- haut (vgl. Sranntus, 1. e. pag. 78): 1) die äußere »durch nadelförmige mikroskopische Krystalle silber- oder goldfarbene eigentliche Chorioi- dea«, 2) die Membrana vasculosa, 3) die Membrana Ruyschiana. Wenn wir von dem Pigmentepithel, welches entwicklungsgeschicht- lich zur Netzhaut gehört, absehen, lassen sich an der Chorioidea folgende Schichten unterscheiden. Die innere Oberfläche der Aderhaut bildet eine zarte Glas- haut, welche abgetrennt sich. wie alle Glashäute, einrollt. Sie ist die Fortsetzung der Lamina elastica der Iris. Bei Orthagoriscus ist dieselbe durchzogen von einer großen Anzahl zarter stark licht- brechender Streifen (Fig. 13 gh). Es liegen dieselben in der Glas- haut selbst, nicht auf derselben. An Trennungslinien überragen sie niemals den Rand der Glashaut. Beim Thunfisch und beim Huchen sind netzförmige Zeichnungen in der Glashaut zu beobachten, welche nicht unähnlich sind den mosaikartigen Begrenzungslinien von Platten- epithelien. Bei Chrysophrys haben die Linien sehr unregelmäßige Formen , indem sie bald engere bald weite Maschen eines Netz- werkes bilden. Bekanntlich kommen ähnliche mosaikartige Zeich- Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 135 nungen, wie in der Glashaut vom Huchen und Thunfisch, auch in der des Menschen vor. Kerne konnte ich in der Glashaut niemals beobachten, wohl aber in einer nach außen von derselben gelegenen Schicht. Die Außenseite der Glashaut wird bedeckt von einem weit- maschigen kapillaren Gefäßnetze, welches als Choriocapil- laris beschrieben wird. Die Kapillargefäße derselben zeichnen sich durch ihr breites Kaliber aus. Sehr deutlich lassen sich die Kerne in den Wandungen der Kapillargefäße unterscheiden (Huchen, Ortha- goriscus). Nicht selten findet man zwisches und hinter den Kapillargefäßen, wie Brücke (15, pag. 405) bereits erwähnt, einzelne Pigmentzellen, während die Choriocapillaris der höheren Vertebraten bekanntlich vollkommen pigmentlos ist. Ich habe sie namentlich bei den Haien und einzelnen Rochen nicht selten in größerer Zahl angetroffen. Be- sonders war dies der Fall bei Laeviraja mit Ausnahme einer später zu besprechenden Stelle, wo die Choriocapillarschicht pigment- los ist. Hat man mit Nadeln die Glashaut und die Choriocapillaris eines Knochenfisches von den übrigen Aderhautschichten abgelöst und untersucht dieselben in der Flächenansicht, so erscheint eine Anzahl ovaler, selten rundlicher Kerne in einer nach außen von der Choriocapillaris gelegenen Schicht. Ich fand diese Kerne bei Chry- sophrys, beim Huchen und beim Thunfisch. Diese Kernlage entspricht der von SATTLER (102) als innerstes Endothelhäutchen be- schriebenen Schicht epithelialer Zellen. Beim Huchen hatte es den Anschein, als würden sich an manchen Stellen die Zellgrenzen zwi- schen den Kernen erkennen lassen, mit Sicherheit konnte ich dies beim Embryo von Mustelus laevis beobachten, wo einzelne der Zellen durch die Abtrennung der inneren Schichten aus ihrer Lage ver- schoben waren und auf diese Weise die Kontouren der Zellen er- kennbar waren. Bei sämmtlichen Knorpelfischen, deren Untersuchung mir zu- gänglich war, folgt nach außen von der Choriocapillaris das Ta- petum cellulosum, während die Kernlage an von letzterem eingenommenen Stellen nicht zu beobachten ist. Das Tapetum cellulosum besteht aus unregelmäßigen platten Zellen, welche vollkommen mit nadelförmigen Krystallen (Guanin- kalk) erfüllt sind. Bricker (15, pag. 403) wies zuerst die zellige Natur derselben nach, indem er in einzelnen Zellen des Tapetum cellulosum 136 . E. Berger von Hexanchus griseus einen Zellkern beobachtete. Bei Trygon pa- stinaca habe ich in einzelnen Krystallplättehen den rundlichen Kern nachweisen können. Betrachtet man die innere Oberfläche der Chorioidea der Rochen und Haie, so überzeugt man sich, dass die glänzende Eigenschaft des Tapetes nur an einzelnen Pünktchen deutlich wahrzunehmen ist, indem die Pigmentation der Choriocapillaris bei vielen Selachiern störend einwirkt. Die Funktion des Tapetum cellulosum wird bei den Fischen durch diese Beschaffenheit der Choriocapillaris ebenfalls nicht allen musivischen Elementen zu Gute kommen!. Brücke (15, pag. 404) besehreibt auch das Vorhandensein eines Aderhauttapetes bei einigen Knochenfischen. Das Tapetum vermisste ich bei den Knochenfischen. Bei einem weit in der Entwicklung vorgeschrittenen Embryo von Mustelus fand ich noch keine Spuren von dem Vorhandensein desselben. Ferner fehlt es bei Petromyzon. Einer eigenthümlichen Form der Ausdehnung des Tapetes muss ich hier Erwähnung thun, welche, so viel mir bekannt ist, . bisher noch nicht beschrieben wurde. Wie bereits erwähnt, wird der obere Theil der Pupille bei den Rochen von dem Operculum pupillare verdeckt. Mithin ist bei den- selben bloß die untere Hälfte des Gesichtsfeldes frei. Entsprechend dieser Form des Gesichtsfeldes ist das Tapet bei Laeviraja macro- rhynchus und Raja asterias bloß im oberen Theile des Bulbus als silberglänzende helle Stelle zu beobachten. Dieselbe hat eine el- liptische Form mit zackigem Rande, von welchem stellenweise schwarze Streifen eine Strecke weit ins Innere der silberglänzenden Stelle hineinragen. Die übrige Aderhaut erscheint an ihrer Oberfläche schwarz. Die Netzhaut reicht eben so weit nach vorn, wie bei den übrigen Selachiern und ist an der den größten Theil des Auges ein- nehmenden tapetlosen Stelle von gleichem Baue, wie über dem Ta- pete. Die Tapetzellen sind an der glänzenden Stelle in großer Menge vorhanden. In dem nicht glänzenden Theile der Chorioidea finden sich ebenfalls Tapetzellen, doch sind dieselben viel spärlicher da- selbst anzutreffen. Die Choriocapillaris ist an der Stelle des Tapetes 1 Bekanntlich kommt dem Tapetum cellulosum für den Sehakt eine hohe Bedeutung zu, indem von demselben die Lichtstrahlen, welche die Stäbchen und Zapfen durchdrungen haben, wieder in dieselben oder in benachbarte Elemente der musivischen Schicht reflektirt werden (vgl. HELMHOLTZ, 47, pag. 167). Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 137 pigmentlos, während sie im schwarz erscheinenden Theile der Cho- rioidea Pigmentzellen enthält. | Nach außen von der inneren Endothelschicht (Teleostier) und des eine analoge Lage einnehmenden Tapetum cellulosum (Selachier) finde ich bei einigen Fischarten ein dünnes elastisches Häut- chen. Bei Orthagoriscus (Fig. 13 e/) und beim Thunfisch besteht es aus zarten Fasern, welche sich kreuzen und breite Stellen frei las- sen. Bei Chrysophrys ist es von viel zarterer Beschaffenheit. In der Abbildung (Fig. 13) wurden die Kerne des Endothelhäutchens und die Choriocapillaris nicht dargestellt, um die Klarheit der Zeich- nung nicht zu stören. Zwischen diesem elastischen Häutehen und der nächsten Schicht, einer dichten bindegewebigen Lamelle, liegt nach der Beschreibung von SATTLER beim Menschen ein zweites Endothelhäutchen. Ich konnte mich von der Existenz desselben bei den Fischen nicht über- zeugen. Die nunmehr folgende bindegewebige Lamelle entspricht der von SATTLER als äußeres elastisches Häutchen beschriebe- nen Schicht der menschlichen Aderhaut. Diese Lamelle ist beträcht- lich dieker als die nach innen gelegene. Sie besteht aus binde- gewebigen Faserbündeln, welche mit ihren aufgefaserten Enden theils die Wandüngen von Kanälen (Fig. 1497) bilden, theils in verschiedener Richtung verlaufende Bündel verstärken. Diese Membran ist sieb- förmig von mittleren und kleineren Gefäßstämmen durchbrochen, welche zur Choriocapillaris hinziehen. Pigmentzellen sieht man in großer Menge nach innen von dieser Lamelle und in ihr selbst. Letztere Lamelle bildet bei allen Fisch- arten ein dichtes Gefüge, welches besonders beim Thunfisch und bei Squatina sehr stark entwickelt ist. Bei Squatina ist das Binde- gewebe in der Chorioidea überhaupt in sehr großer Menge vorhan- den. Diese äußere elastische Lamelle hängt innig zusammen mit dem zwischen den größeren Gefäßen in der Membrana vasculosa ge- legenen Bindegewebe. Letztere Gefäßschicht ist meist sehr stark pigmentirt durch Einlagerung sternförmiger Pigmentzellen oder von diffusem Pigmente. Die großen Gefäße der M. vasculosa sind umkleidet von plat- tenepithelartigen Pigmentzellen. An der Grenze von größeren Ge- fäßen und zwar zwischen den dieselben umgebenden Pigmentzellen, konnte ich bei Orthagoriseus eine Lage kleiner, ovaler, in einigem Abstande von einander liegender Kerne beobachten. Mit Wahr- 138 E. Berger scheinlichkeit ist anzunehmen, dass diese Kerne einem Endothel- hiutchen angehören, welches dem äußeren Endothelhäutchen des Menschen (vgl. SATTLER) entsprechen würde. Es ist mir jedoch nicht gelungen dasselbe isolirt darzustellen. Bindegewebige Faser- lagen grenzen die Chorioidea nach hinten ab und hängen einerseits mit dem Lamellensysteme der Lamina Scleroticae fusca, andererseits im vorderen Theile der Aderhaut mit dem Ligamentum ciliare zu- sammen. Das Ligamentum ciliare (Fig. 1—4 /c) entsteht mit breitem vorderen Rande von der hinteren Fläche der Sclerotica. Bei Creni- labrus und Chrysophrys konnte ich mich überzeugen, dass die Fasern des Ligamentum ciliare aus meridionalen Fasern der Sclerotica ent- stehen. Das Ligament besteht aus straffen, eng an einander lie- genden, breiten, bindegewebigen Fasern, welche nach hinten an Masse abnehmen und in die äußere Bindegewebslage der Chorioidea übergehen. Muskelfasern konnte ich in demselben niemals nach- weisen. Brücke (16) hebt hervor, dass bei den Fischen das Ligamentum ciliare keine Muskelfasern enthält. Lancer (62) und H. MÜLLER (82) erwähnen, dass glatte Mus- kelfasern im vorderen Theile der Chorioidea der. Fische vorhanden sind. Die äußere Bindegewebsschicht der Chorioidea hängt durch mehrere, sich häufig mehrfach theilende Lamellensysteme (vgl. Huchen, Fig. 2) mit der äußeren bindegewebigen Faserlage der Sele- rotica zusammen. Diese Lamellensysteme bestehen aus bindegewebigen und elasti- schen Fasern, welche in einer strukturlosen Membran verlaufen. In ihnen sind sternförmige bis plattenepithelartige Pigmentzellen ent- halten, welche ähnlich den Pigmentzellen der M. suprachorioidea des Menschen durch viele Anastomosen mit einander verbunden sind. Bei manchen Selachiern, z. B. Laeviraja, sind dieselben in großer Zahl vorhanden, bei Squatina fehlen sie fast vollkommen. In der anatomischen Beschreibung wurde bereits erwähnt, dass bei den Rochen und den Haien zwischen der Aderhaut und der Selero- tica Hohlräume, welche in der Umgebung des Sehnerven eine größere Ausdehnung besitzen, vorhanden sind. Es entstehen dieselben dadurch, dass die Lamellen der M. suprachorioidea sich mehrfach mit einander verbinden und theils engere, theils weitere Hohlräume bilden, welche mit einander kommunieiren. Die Wände dieser Hohlräume sind zu- Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 139 meist zart, wie bei Trygon (Fig. 19) und Myliobatis. in manchen Fällen, wie bei Squatina (Fig. 16), sind sie von beträchtlicher Dieke und von derben sehnenartigen Faserbündeln gebildet. Bei Squatina konnte ich an der Innenwand dieser Höhlen stellenweise eine ein- fache Schicht von Plattenepithelien beobachten. In den Höhlen finde ich, jedoch sehr vereinzelt, lymphoide Zellen. Ich betrachte diese Hohlräume als eine eigenthümliche Entwicklungsform des suprachorioidalen Lymphrau- mes, wozu ich mich berechtigt halte durch die Lage der Hohlräume und den Nachweis eines Endothels an ihren Wandungen. Was die Größe und die Form dieser Hohlraumbildungen betrifft, kommen be- deutende Variationen bei den Selachiern vor. Bei einer Rajaart finde ich den hinteren Theil des Scleralknorpels in der Breitenausdehnung von 11 mm ausgebaucht. Die Nische, welche durch die konvex nach hinten ausgebauchte Stelle in der Selerotica, zwischen derselben und der am Querschnitt geradlinig über dieselbe hinüberziehenden Ader- haut gebildet wird, ist von zarten bindegewebigen Faserbündeln, welche vielfach mit einander verbunden sind und zahlreiche kleine Lücken zwischen sich frei lassen, erfüllt. Es ist dies unter allen untersuchten Arten die größte Ausbildung des suprachorioidalen Lymphraumes. Der sagittale Durchmesser dieses Höhlensystemes beträgt bei der eben erwähnten Raja 3,5 mm, bei Squatina in seiner größten Aus- dehnung 3,0 mm, bei Laeviraja 1,2 mm, bei Myliobatis 3,0 mm. In diesen Höhlen verlaufen einzelne größere Gefäßstämme, welche zur Chorioidea sich begeben (Fig. 16 und 19 gf). Sie liegen ge- wöhnlich der Wand der Höhle an. Erwähnen muss ich noch, dass an der Innenfläche der Lamina suprachorioidea von Laeviraja und Raja asterias einzelne stern- förmige Zellen vorkommen, welche mit nadelförmigen, irisirenden Krystallen erfüllt sind und ähnliche Interferenzfarben beobachten lassen, wie die Zellen des Tapetes. Bei den Teleostiern finde ich den suprachorioidalen Lymphraum mit Ausnahme vom Huchen (Fig. 17) nur sehr wenig entwickelt. Die innere Oberfläche der Lamina suprachorioidea ist bedeckt mit einer Schieht silberglänzender Krystalle, welche unter dem Namen Ar- gentea beschrieben wurde und die unmittelbare Fortsetzung der gleichnamigen Schicht der Iris ist. Die hinter der Argentea der Iris gelegene Schicht von sternförmigen Pigmentzellen setzt sich in die Chorioidea kontinuirlich fort (Fig. 1—4 ap). Sie nimmt hier die 140 E. Berger innere Fläche der Argentea ein. Die Pigmentzellen stimmen in ihrer Form mit denjenigen der Iris überein. Die Argentea wurde gewöhnlich als eine aus Krystallen beste- hende Schicht beschrieben. Bei der Untersuchung von Luvarus (7) war mir aufgefallen, dass die Krystalle in Plättchen angeordnet sind, welche vollkommen den Plattenepithel-ähnlichen Zellen des Tapetes gleichen, von welchen ebenfalls der größere Theil, wie bereits er- wähnt wurde, keinen Kern erkennen lässt. Ich habe daher auf die Übereinstimmung dieser Schicht mit dem Tapetum cellulosum der Rochen und Haie, von. welcher die Argentea bloß durch ihre _ Lage sich unterscheidet, hingewiesen. Wie ich nachträglich finde, hat bereits LEUCKART (69) die Vermuthung ausgesprochen, es könnte die Argentea ebenfalls aus Zellen zusammengesetzt sein, wie das Tapetum cellulosum. Gegenwärtig bin ich in der Lage mitzutheilen, dass bei allen von mir untersuchten Teleostiern die Argentea aus plättchenförmigen Gebilden besteht. Meist sind sie länglich, unregelmäßig geformt. Zwischen den größeren Plättchen findet man kleinere aus Krystallen zusammengesetzte Stücke (vgl. Fig. 15). Ähnlich sind die irisirenden Plättchen der Iris gebaut. Wenn schon die bei allen Arten vorge- fundene Form der Plättchen mit derjenigen der Zellen des Tapetes übereinstimmt, so ist als fernerer Umstand, welcher für die zellige Natur der Argentea spricht, der Nachweis des Zellkernesin den Krystallplättehen zu nennen. Der Nachweis eines Zellkernes gelingt nur selten. Man muss oft ganze Stückchen der Argentea durchsuchen, bis es gelingt, eine Zelle, welche einen Kern enthält, zu finden. Derselbe ist meist cen- tral gelagert und besitzt eine rundliche Form. In den Argentea- zellen der Chorioidea habe ich denselben beim Huchen (Fig. 15 nl) und bei Pagellus nachgewiesen. In der Argentea der Iris fand ich kernhaltige Zellen beim Aale. Es kann mithin keinem Zweifel unterliegen, dass die Argen- tea eben so aus Zellen zusammengesetzt ist, wie das Tapet. Um eine Übersicht der Verbreitung dieser krystallhaltigen Zellen unter den Fischen zu geben, erscheint es nothwendig, vorher auf die Ergebnisse der chemischen Untersuchung dieser Krystalle näher ein- zugehen. Bekanntlich kommen ähnliche krystallhaltige Plättchen, wie sie das Tapet und die Argentea bilden, auch zwischen der Cutis und Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 141 den Schuppen (Perlessenz) und im Peritoneum der Fische vor Die Sternform besitzen sie in der Suprachorioidea von Laeviraja und auf der Vorderseite der Sclerotica von Raja asterias. Von ReAumur (93) wurden zuerst die länglich geformten Ele- mentarbestandtheile, welche die Perlsubstanz der Haut bilden, be- schrieben. EHRENBERG (32) lieferte den Nachweis, dass Krystalle in den- selben enthalten sind. SCHNITZLEIN (108) hielt diese Krystalle für phosphorsauren Kalk, Marnias (75) für phosphorsaure Magnesia und v. Wirricn (127) er- klärte sie für eine organische Substanz. BARRESWIL (6) lieferte den Nachweis, dass sie aus Guanin be- stehen. Die Krystalle der Argentea erkannte Rose (89) als eine orga- nische Substanz. Da Brücke (15) von den Krystallen des Tapetes fand, dass sie aus einer organischen Basis bestehen, glaubte er, letztere seien in chemischer Beziehung von den Krystallen der Ar- gentea verschieden und meinte, dass die Argentea und das Tapet verschiedenartige Bildungen seien. Nach den Untersuchungen von Voir (114, pag. 158) sind die Kry- stalle der Argentea, des Tapetes, der Perlessenz, der Haut und des Peritoneums in chemischer Beziehung identisch. Er halt dieselben für eine Verbindung von Guanin und Kalk, welche eine ähnliche Zusammensetzung hat wie Barytkalk !. Es ergiebt sich mithin, dass die Krystalle in den Zellen der Argentea und des Tapetes auch in chemischer Beziehung identische Substanzen sind. SATTLER erklärt die Bildung des Tapetum cellulosum durch . massenhafte Entwicklung der Zellen des inneren Endothelhiutchens, in welche Zellen Krystalle eingelagert sind. Die Lage des Tapetum fibrosum entspricht der des inneren elastischen Häutchens. Es ent- steht dasselbe nach SATTLER durch die eigenthümliche Anordnung und Bildung der Fasern dieser Lamelle. Für die Erklärung des Tapetum cellulosum der Fische ist die Auffassung SATTLER’s ohne Schwierigkeiten anzunehmen. Das innere Endothelhäutehen der Knochenfische entspricht der Lage nach dem ı Nach M. Scuutrze (110) enthalten auch die Zellen des Tapetes der Raubthiere Krystalle, welche aus einer organischen Substanz bestehen. Meines Wissens ist bisher die chemische a ee der letzteren noch nicht festgestellt worden. 142 E. Berger Tapetum cellulosum der Rochen und Haie, welches letztere auch nach BrückE einigen Knochenfischen zukommt. Für diese Auffassung spricht ferner der Umstand, dass beim Embryo eines Selachiers das innere Endothelhäutchen deutlich beob- achtet wurde und in den Zellen desselben keine Krystalle eingela- gert gefunden wurden. Eine ähnliche Erklärung kann man auch für die krystallhaltigen Zellen der Argentea geben, auch sie entsprechen ihrer Lage nach einem Endothelhäutchen. An der Suprachorioidea des Menschen sind nicht selten runde oder ovale Kerne wahrzunehmen. SCHWALBE hat nachgewiesen, dass diese Kerne einem Endothelhäutehen angehören, dessen Zellgrenzen er mittels Silbernitrat dargestellt hat. Das Endothelhäutchen bildet die Bekleidung des suprachorioidalen Lymphraumes. Die Schicht der Argentea entspricht der des Endo- thelhäutehens der M. suprachorioidea. Letzteres Endo- thelhäutchen habe ich auch bei Squatina nachgewiesen. Wie bereits bemerkt wurde, enthalten die Zellen der Argentea und des Tapetes in frühen Entwicklungsstadien keine Krystalle. Wir müssen uns der Vorstellung hinneigen, dass gerade in bestimmte Zellen durch uns bisher unbekannte Eigenschaften derselben gewisse Umsetzungsprodukte des thierischen Stoffwechsels abgelagert werden. Die Entwicklungsperiode, in welcher Guanin! in die Zellen ab- gelagert wird, scheint bei verschiedenen Arten sehr zu schwanken. So waren bei einem 3,3 mm langen Weißfische die Argentea, die Haut und das Peritoneum mit Guaninkrystallen reichlich versehen, während im Tapete eines 9 mm langen Mustelus noch keine Spuren ’ von denselben wahrzunehmen waren. Erwähnen muss ich noch hier des Baues der Chorioidaldrüse. Nach den Untersuchungen von J. MÜLLER wird dieselbe aus den Nebenkiemen durch die Arteria ophthalmica magna mit Blut ver- sehen. Die arteriellen Gefäße theilen sich mehrfach diehotomisch und bilden schließlich kleine Gefäße, welche in das Kapillargefäß- system, aus welchem das eigentliche Parenchym der Chorioidaldrüse besteht, übergehen. Die Kapillaren liegen parallel zu einander an- 1 Das Guanin ist, wie bekannt, ein sehr verbreiteter Bestandtheil des Thierkérpers. Nach Foster (Lehrb. der Physiol., übers. von KLEINENBERG) wurde dasselbe auch im Pankreas, in der Leber, Milz und den Muskeln in klei- nen Quantitäten nachgewiesen. Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 143 geordnet und anastomosiren vielfach mit einander. Den Zwischen- raum zwischen den Kapillaren nehmen kleine lakunäre Räume ein. CUVIER und VALENCIENNES (26, pag. 456) glaubten, dass die Chorioidaldrüse ein erectiles Gewebe, ähnlich dem des Corpus caver- nosum sei, welches durch An- und Abschwellung das Auge für ver- schiedene Distanzen einstelle. Es ist denkbar, dass durch stärkere Füllung der Chorioidaldrüse der hintere Netzhauttheil der Linse ge- nähert werde. Es wäre dies mithin eine aktive Accommodation für die Ferne. Bekanntlich soll auch der aus der Campanula Halleri und dem Ligamentum quadratum gebildete Accommodationsapparat nach Manz dieselbe Wirkung erzielen. Es ist jedoch zu bedenken, dass die äußere Bulbuswand bei den Fischen starr, die Augenmedien so viel wie unzusammendrückbar sind. Nothwendigerweise muss daher der Inhalt des Bulbus stets der gleiche bleiben. Damit durch eine Vermehrung des Blutgehaltes — der Chorioidaldrüse die Netzhaut nach vorn verschoben werde, müsste gleichzeitig eine Abnahme des Blutes im vorderen Theile des Auges statthaben. Letzterer ist jedoch durchaus nicht bei allen Fischen von einem so starken Gefäßsysteme versehen, dass es dieser Erklä- rungsweise entsprechen würde. Bisher wurde nirgends das Vorkommen eines bindegewebi- gen Stranges in der Chorioidea der Fische beschrieben. Ich fand denselben entsprechend der Verlaufsrichtung des Processus faleifor- mis in dem Gewebe der Membrana vasculosa beim Thunfisch und beim Huchen. Er besteht aus geradlinigen straffen bindegewebigen Fasern und lässt sich leicht bei Anwendung der Lupe aus der Ader- haut isoliren. Die M. choriocapillaris zieht an der inneren Seite desselben über ihn hinweg. Die Bedeutung dieses Stranges ließ sich nicht feststellen. Mit Rücksicht auf seine Lage kann man mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, dass er ein Rest aus der Ent- wicklung der hinteren Augenspalte ist. Bereits in dem anatomischen Abschnitte wurde eines eigen- thiimlichen Fortsatzes, der im vorderen Theile der Chorioidea beim Thunfisch und bei einigen Haien vorgefunden wurde, Erwäh- nung gethan. Derselbe liegt meist etwas hinter den Ciliarfortsätzen und ragt mit seinem hinteren Ende etwas weiter nach rückwärts. Selten ist er etwas weiter nach vorn gelegen, als die Ciliarfortsätze. Die vordere Fläche dieses Fortsatzes ist bekleidet von den Zellen der Pars ciliaris retinae (Fig. 4 per), mit welcher Schicht der Pro- cessus faleiformis verwachsen ist (Huchen). Nach außen von der 144 E. Berger Pars eiliaris retinae folgt die Pigmentschicht (ps) und die Glashaut der Chorioidea. Von ersterer ragen eben so, wie beim Menschen, drüsenförmige Fortsätze in das nach außen gelegene Gewebe. Der eben erwähnte Fortsatz ' besteht aus einer Anzahl von gro- Ben Gefäßen, welche namentlich bei den Haien den größeren Theil seines Inhaltes einnehmen und bei denselben von Pigmentlamellen, ähn- lich wie in der Chorioidea, umgeben werden. Beim Thunfisch fin- den sich auch spindelförmige Zellen, welche einen stäbchenförmigen Kern enthalten und organischen Muskelfasern nicht unähnlich sind. Wenn ich eine Vermuthung über die Bedeutung dieses Fortsatzes aussprechen soll, so erscheint mir am wahrscheinlichsten, dass er, wie bereits erwähnt wurde, eine Stütze für den Processus faleiformis bietet. Ob dem Fortsatze auch eine aktive Leistung zukomme, muss in Zweifel gezogen werden, da organische Muskelfasern nicht mit Sicherheit nachgewiesen wurden. In morphologischer Beziehung dürfte dieser Fortsatz beim Thun- fisch seiner Lage und seiner Überkleidung mit der Schicht der Pars ciliaris retinae gemäß, als Ciliarfortsatz aufzufassen sein. Der Sehnerv und die Retina. J. MÜLLER (85) hat zuerst darauf hingewiesen, dass die Fische getrennte Gesichtsfelder besitzen. Dem entsprechend ist die Kreu- zung der Sehnervenfasern im Chiasma nervorum opticorum eine voll- ständige. Bei den höheren Vertebraten kreuzen sich bekanntlich auch nur diejenigen Fasern, welche. dem getrennten Theile des Ge- sichtsfeldes angehören !. Bei den Cyelostomen findet die Kreuzung nach RATHKE (94) und LANGERHANS (63) erst innerhalb der Substanz des Lobus ven- trieuli tertius statt ?. Die Scheiden des Sehnerven sind die Fortsetzungen der Häute des Gehirns. An Querschnitten zeigt der Sehnerv meist eine platte Form. Die äußere (Dural-) Scheide ist die mächtigste. Sie besteht zumeist aus längsverlaufenden Fasern, in ihrem inneren 1 Über das Chiasma nervorum opticorum der Fische vgl. die Abhand- lungen von RATHKE, WEBER, HANNOVER, STANNIUS, BIESIADECKI (11) und MICHEL (78). 2 Nach Rowon (96) entspringen die Opticusfasern der Selachier aus dem Dorsalnerven des Zwischenhirnes und auf dem Wege der Commissura transversa Halleri aus dem Vorderhirn. Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 145 Theile finden sich auch eirkulär verlaufende vor. Sie ist durchsetzt von einer Anzahl von Gefäßen. In ihrem vorderen Theile treten in sie die Centralarterie (Fig. 18 ac) und die sie begleitende Vene (ve) ein, welche, wie ich bei Orthagoriscus finde, eine Strecke weit in dieser Scheide verlaufen und hierauf in den Nervus opticus eintreten, denselben mit Gefäßen versorgen und noch Äste für das Gefäßnetz der M. hyaloidea und den Processus faleiformis abgeben. Einzelne Zweige erhalten auch die Scheiden des Sehnerven von den Centralgefäßen. Die mittlere Scheide ist die zarteste. Sie ist die Fort- setzung der Arachnoidea. Sie besteht aus lockerem Bindegewebe und enthält bei mehreren Fischarten Fett- und Pigmentzellen. Ge- fäße von mittlerer Größe finden sich in derselben, welche von ihr zu der tieferen Schicht, der Pialscheide, kleinere Astchen absenden. In dem abgebildeten Präparate, welches bei Lupenvergrößerung abgebildet. ist, sind von der zarten Arachnoidalscheide bloß deren größere Ge- fäße (Fig. 18 as) zu bemerken. Die Pialscheide (pis) ist bedeutend dicker als die Arachnoi- dalscheide. Von ihr gehen eine Anzahl von Längsdissepimenten (Fig. 18 und 19) tief zwischen die Fasern des Sehnerven hinein. Durch die alternirende Anordnung dieser bindegewebigen Scheide- wände kann man nach der Abtrennung der Pialscheide den Sehner- ven flächenartig ausbreiten und erklärt LEUCKART auf diese Weise den »membranartigen Bau« (MALPIıGHI) des Sehnerven der Fische, bei welchen letzteren jedoch auch Andeutungen von einem strangartigen Bau des Sehnerven, wie er den höheren Vertebraten zukommt, zu finden ist. Bei Orthagoriseus (Fig. 18) und beim Huchen (Fig. 17) gehen von diesen Längsdissepimenten sekundäre Fortsätze zwischen die Seh- nervenfasern hinein. Die Fasern der Duralscheide gehen, wie LEUCKART erwähnt, in die meridionalen Fasern der Sclerotica über und zwar ein Theil in die äußere, ein anderer Theil in die innere Bindegewebslage (Fig. 19 af und if) der Sclerotica. Der zwischen der inneren und der äuße- ren Scheide gelegene Intervaginalraum (Fig. 19 or) reicht nicht so weit nach vorn, wie bei den höheren Vertebraten, sondern endet im hinteren Drittel der Sclerotica. Die Fasern der inneren Scheide des Sehnerven verlaufen nach vorn und mengen sich mit den Fasern des in der Umgebung des Sehnerven befindlichen Theiles der Ader- haut. Morpholog. Jahrbuch. 8. 10 146 : E. Berger Der Sehnerv von Trygon (Fig. 19) zeigt an einem Längsschnitt ein weitmaschiges, mit Karminammoniak stark tingirtes, bindegewe- biges Netzwerk, welches denselben von seinem Eintritt in die Seleral- öffnung bis zur Papille durchsetzt. In seinem vorderen Bereiche erscheint dieses bindegewebige Netzwerk durch Einlagerung von sternförmigen Pigmentzellen und diffusen Pigmentes intensiv schwarz gefärbt. Der hintere Theil dieses bindegewebigen Netzwerkes entspricht der bei den Fischen weitmaschigen Lamina cribrosa sclero- ticae. An Flächenschnitten durch die Eintrittstelle des Sehnerven von Carcharias, Trygon und Raja miraletus konnte ich mich überzeugen, dass das bindegewebige Maschenwerk, welches den Sehnerven in seinem vorderen Theil durchsetzt, aus der Chorioidea stammt. Es lassen sich sehr häufig Fasern aus der Chorioidea in den Sehnerven verfolgen. Bei Trygon und den Haien steht das von der Chorioidea gebil- dete Netzwerk im Zusammenhange mit der Lamina cribrosa Sclero- ticae. Bei Myliobatis ist letztere Lamelle bedeutend zarter als bei Trygon, und lässt eben so, wie das bindegewebige Netzwerk des vorderen Sehnervenabschnittes, jedoch in geringerem Maße als das- selbe, Pigmenteinlagerungen erkennen. Beim Huchen (Fig. 17 er) ist der Sehnerv in seinem vordersten Theile von einigen zarten, meridional verlaufenden, siebförmig durch- brochenen Faserlamellen durchsetzt, welche von dem in großer Menge vorhandenen bindegewebigen Stroma der Chorioidea gebildet werden. Vom Rande der Chorioidea ragen einzelne Gruppen von Pigment- zellen aus der Aderhaut eine kurze Strecke weit in den Sehnerven hinein. Die Lamina cribrosa der Aderhaut des Huchen liegt in einer Entfernung von 6,0 mm von der Sclerotica. An einer anderen Stelle werde ich des Näheren darauf eingehen, dass die Betheiligung der Chorioidea an der Bildung der Lamina cribrosa des Sehnerven bei den meisten Vertebraten eine sehr bedeutende ist. Ich konnte mich hiervon überzeugen bei Salamandra maculata und Chelonia Caretta. Bei den Vögeln sind die bindegewebigen Fa- sern, welche aus der Aderhaut in den Sehnerven ziehen, sehr spär- lich. Beim Rinde ist die Anzahl derselben eine große. Die vor- derste Schicht der Lamina cribrosa, welche von der Aderhaut gebildet Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 147 wird, ist beim Rinde bedeutend stärker pigmentirt, als der von der Sclerotica gebildete Theil derselben. Es erscheint mir das Vorkommen einer von der Chorioidea ge- bildeten Lamina cribrosa des Sehnerven wichtig mit Rücksicht auf die Thatsache, dass die Antheilnahme der Chorioidea bei der La- mina cribrosa des Menschen eine so geringe ist, dass sie noch viel- fach in Zweifel gezogen wird. So hält SCHWALBE (GRAEFE und SAEMISCH, Handbuch I. pag. 621) die Betheiligung der Chorioidea an der Bildung der Lamina cribrosa des Menschen für nicht erweisbar. Ähnlich sind die diesbezüglichen Resultate von DonpEeRS und KLess. Bloß das Vorhandensein von pigmentirten Zellen, welche sich, wie H. MÜLLER angiebt, von der Chorioidea, jedoch selten, zwischen die Nervenbündel verfolgen lassen, wird von SCHWALBE bestätigt. An Fächenschnitten durch den Sehnerven von Carcharias konnte ich größere Gefäße beobachten, welche um den Sehnerven und in einiger Entfernung von demselben in der Membrana vasculosa verlaufen. Es bilden dieselben durch Verbindungen ihrer Äste einen Gefäßring. Wie ich auch an Längsschnitten entnehmen konnte, ziehen einzelne zarte Gefäßchen, welche aus der Aderhaut stammen, in den Seh- nerven. Ein dem ScleroticalgefaBringe des Menschen ähnlicher Gefäß- ring findet sich in dem fibrösen Theile der Sclerotica. Von dem Vorhandensein desselben konnte ich mich ebenfalls bei Carcharias überzeugen. Indem die Bindesubstanz des Sehnerven bereits, bevor seine Fasern die Sehnervenpapille erreichen, wie dies auch am menschlichen Auge von LoEwıe (71) beobachtet wurde, in die Bindesubstanz der Selerotica und der Chorioidea übergegangen ist, besteht der Sehnerv an der Übergangsstelle in die Netzhaut fast nur aus Nervenfasern. Dieselben sind gréBtentheils in der Papille noch markhaltig. Durch den Verlust der Markscheide der Nervenfasern, bevor sie in die Nervenfaserschicht der Netzhaut übergehen, entsteht eine so beträchtliche Verminderung der Dieke der letzteren Schicht, dass die Papilla nervi optici die Netzhaut zumeist überragt. Im Centrum der Papille findet man ein kleines Grübchen (Fig. 17, 18 fe). Die Sehnervenfasern durchkreuzen sich in eigenthüm- licher Weise theils in der Sehnervenpapille, theils innerhalb der Lamina cribrosa der Aderhaut (Huchen). Diese Kreuzung betrifft bloß die in der Mitte des Sehnervenstammes verlaufenden 10* 148 E. Berger Fasern. Die in der Peripherie des Sehnervenquerschnittes liegenden Nervenfasern verlaufen ungekreuzt. Die Kreuzung findet man so- wohl an horizontalen als an sagittalen Schnitten durch den Seh- nerven. SCHWALBE (Il. c. pag. 350) berichtete zuerst über eine Kreuzung der Nervenfasern in der Sehnervenpapille der Vögel. LANGERHANS (1. e. pag. 63) machte bei Petromyzon eine ähn- liche Beobachtung über den Faserverlauf im Sehnerven. Nicart (88) hat dasselbe Verhalten der Sehnervenfasern bei den Fischen, Am- phibien, Reptilien und den Vögeln gefunden. Letztere Beobachtungen bin ich in der Lage bestätigen zu kön- nen. Ich fand diese Kreuzung bei sämmtlichen von mir untersuchten Fischen. Ich fand sie ferner bei Salamandra maculata und Chelonia Caretta. Beim Huhn und bei der Taube ist der Antheil der Fasern, der der Kreuzung unterworfen ist, ein sehr bedeutender. Indem ich mir die histologische Bearbeitung der Retina der Fische für eine spätere Publikation vorbehalte, will ich hier nur einige die Netzhaut der Fische betreffende Beobachtungen anführen. Es wurde bereits an anderer Stelle (7) darauf hingewiesen, dass in der inneren Körnerschicht von Luvarus sich einzelne Zellen finden, welche die Eigenschaften der Ganglienzellen in der Ganglien- zellenschicht erkennen lassen, dieselben jedoch an Größe übertreffen. Ich finde in der inneren Körnerschicht von Myliobatis, Carcharias und Pagellus Zellen mit reichlichem körnigen Protoplasma, welche einen runden Kern mit Kernkörperchen erkennen lassen. An einzelnen der- selben lassen sich deutliche protoplasmatische Fortsätze beobachten. Es scheint das Vorhandensein deutlich erkennbarer Ganglienzellen in der inneren Körnerschicht der Fische sehr für die Ansicht von HENLE zu sprechen, welcher die letztere Schicht, eben so wie die Ganglien- zellenschicht, zu den gangliösen Bestandtheilen der Retina zählt. Ein ähnliches Verhältnis, was die Größe der Zellen in beiden Schich- ten betrifft, ist auch bei Petromyzon zu beobachten. Bei dem letz- teren besitzen die Zellen der inneren Körnerschicht viel deutlicher den Charakter von Nervenzellen als die Bestandtheile der Ganglien- zellenschicht. Es glaubten daher M. Scuuurze (111) und LANnGER- HANS (65), dass beim Querder die Ganglienzellenschicht nach außen von der inneren Körnerschicht liege. Von Krause (59) wurde vor Kurzem darauf hingewiesen, dass beim Aale Stäbehen und Zapfen vorhanden sind, an deren Vorhan- densein man früher gezweifelt hatte. Die Beobachtung von Krause Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische: : 149 kann ich bestätigen; es scheint wenigstens bei den Knorpel- und Knochenfischen das Vorhandensein beider Formen der musivischen Elemente sämmtlichen Fischarten zuzukommen. Da meine Unter- suchungen bei Luvarus nicht von einem positiven Resultate begleitet waren, will ich hier hervorheben, dass dies auch für die noch we- nig untersuchten Scomberiden der Fall zu sein scheint, da ich beim Thunfisch beide Formen gefunden habe. Das Epithel der Retina ist bei den meisten Fischen stark pig- mentirt. Die Zellen desselben senden nach innen zwischen die Stäbehen und Zapfen lange zarte Fortsätze aus, welche ebenfalls von einem körnigen Pigmente erfüllt sind. Bei Crenilabrus sind diese Fortsätze mit rothen nadelförmigen Krystallen erfüllt (vgl. Emery 33). Die Ciliarfortsätze und der Orbiculus ciliaris sind von einer Zellenschicht an ihrer Innenfläche bekleidet, welche als Pars ei- liaris retinae bezeichnet wird. Die Zellen sind meist eylindrisch und lassen deutliche, gegen die Basis der Zellen zu gelegene, ovale Kerne erkennen. Zwischen den Zellen sind kurze bindegewebige Fasern, welche mit der Lamina elastica verbunden sind. Diese Fasern haben einen von hinten außen nach vorn und innen gerichte- ten Verlauf. Die innere Oberfläche der Zellen der Pars eiliaris retinae wird von einer Glashaut bedeckt, welche, wie an einer an- deren Stelle näher aus einander gesetzt wird, nach hinten mit der Limitans interna, nach vorn mit der Glashaut der hinteren Fläche der Iris im Zusammenhange ist!. Die zwischen den Zellen gelege- nen Fasern, welche den Stützfasern der Retina entsprechen, sind an ihren inneren Enden mit der Glashaut verwachsen. Diese Glas- haut ist in weitem Umfange mit der Zonula verwachsen. Wenn man die letztere ihrer Fläche nach ausgebreitet untersucht, kann man an derselben eine Anzahl kurzer Fasern haften sehen, welche den Stützfasern der Retina entsprechen. An solchen Präparaten kann man nicht selten auch die cylindrischen Zellen der Pars cilia- ris retinae und einzelne Bestandtheile der Pigmentschicht erkennen, welche bei der Ablösung der Zonula an der letzteren haften bleiben. 1 Die Beschreibung derselben wurde bereits bei der Besprechung der Iris gegeben. 150 5 E. Berger Die Linse und der Glaskörper. Die Linsenkapsel der Fische erscheint als eine strukturlose Membran. Kerne konnte ich in derselben bloß bei einem noch we- nig entwickelten Weißfische erkennen. Das »Epithel«, welches die hintere Fläche der vorderen Kapsel bedeckt, fand ich beim Aal, bei Orthagoriscus und bei Myliobatis. Die hintere Kapsel ist an ihrer vorderen Fläche mit rundlichen Tröpfehen, manchmal von schmalen etwas über die Kapselfläche sich erhebenden bogen- und maschen- artigen Figuren bedeckt. Möglicherweise kommen diese Bildungen durch Gerinnung der zwischen der Linsenkapsel und der Linse be- findlichen Flüssigkeit zu Stande. Es wird gewöhnlich angenommen, dass die Linsenkapsel sämmt- licher Fische gefäßhaltig sei. Dem gegenüber will ich erwähnen, dass ich in der Linsenkapsel ausgewachsener Exemplare von Mylio- batis und Galeus keine Gefäße gefunden habe. Die Linsenfasern sind, wie bekannt, im Kerne der Linse stärker gezähnt als nahe der Rindenschicht derselben. Bei einem 3 em langen Weißfische fand ich sie in letzterer Schicht glatt- randig, während ihre Grenzlinien im Kerne zarte Unebenheiten zeigten. Es ergiebt sich hieraus, dass, wie auch LeypıG aus der Ent- wicklungsgeschichte des Auges der Fische nachweist, die gezähnten Linsenfasern ursprünglich als glattrandige gebildet werden. HANNOVER (42, pag. 328) beobachtete im Glaskörper »runde granulirte Körper, von welchen Fäden ausliefen«. Im Glaskörper von Orthagoriscus und von Pagellus finde ich Zellen, welche einen runden Kern enthalten und einzelne Protoplasma- fortsätze aussenden. Außerdem finden sich im Glaskörper Zellen, welche farblosen Blutkörperchen nicht unähnlich sehen. Die Zonula Zinnii ist eine elastische Membran, in welcher Fasern verlaufen. Sie entsteht im Glaskörper mit zarten wellenför- mig gekrümmten Fasern, welche nach vorn verlaufen und sich zu Längsbündeln vereinigen. Durch Zusammentreten von 2—3 solehen Längsbündeln vereinigen sie sich bei den Selachiern zu stärkeren Fasermassen, wie an einer Abbildung eines Stückes aus dem hinte- ren Theile der Zonula von Myliobatis aquila (Fig. 21 Zf) sich ent- nehmen lässt. Nach einer kurzen Strecke, welche etwa der Länge der Ciliarfortsätze entspricht, theilen sich diese Längsfaserbündel Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 151 mehrfach. Vor dem Übergange dieser Fasern auf den Linsenrand treten dieselben strahlenförmig aus einander. Ein Theil der Fasern bedeckt die hintere, ein anderer die vordere Linsenkapsel an ihren äußeren Rändern. Die Insertionslinie der Zonulafasern an der Lin- senkapsel ist ähnlich, wie bei den höheren Vertebraten, eine zick- zackförmige. Von den längsverlaufenden Fasern biegt ein Theil in cirkulirer Richtung um und bildet quere Verbindungsfasern zwischen den Längs- bündeln. Die quer verlaufenden Fasern bilden wieder Verbindungen unter einander, so dass die letzten Ausläufer der von den Längs- fasern gebildeten Querfasern ein zartes Maschenwerk bilden (Ni), welehes die Längsbündel mit einander verbindet. Bei Myliobatis hat dasselbe eine kleinmaschige Beschaffenheit, bei Trygon und Galeus treten die Querfasern mehr hervor und sind bei den letzteren die von den queren Fasern gebildeten sekundären Zweige viel spärlicher, als bei Myliobatis. Bei den Teleostiern hat die Zonula einen von dem obigen ver- schiedenen Bau. Im ganzen Umfange der Zonula sind die Längs- fasern sehr spärlich und sind dafür an der als Ligamentum quadratum bezeichneten Stelle derselben in großer Menge an einander gereiht. Wie ich bei einem Knochenfische, dessen Augen mir übergeben wurden (ohne Bezeichnung der Species), finde, ist die Anheftungs- weise des Ligamentum quadratum an die Pars ciliaris retinae eine sehr eigenthümliche. An einem Flächenpräparate (Fig. 22) lässt sich beobachten, dass ein Theil von den Längsfasern (Lf) eigenthümliche grobmaschige Schlingen bildet. Die schlingenförmig verlaufenden Fasern (sf) ver- flechten sich stellenweise. Sie sind mit einander innig verbunden und bilden einen kammförmigen Fortsatz, dessen äußere Oberfläche mit theils größeren, theils kleineren, den Endschlingen entsprechenden Unebenheiten versehen ist. Beim Karpfen konnte ich solche Schlingen an den Fasern des Ligamentum quadratum nicht beobachten. Die Ciliarfortsätze der Fische sind schmale Wülste, welche in ihrem vorderen Ende etwas verdickt sind. Nachträglich muss ich erwähnen, dass die Längsfasern in den zwischen den Ciliarfortsätzen gelegenen Furchen verlaufen. Das Netzwerk in der Zonula der Se- lachier bedeckt die Firsten der Ciliarfortsätze. Bei den Selachiern und bei Petromyzon fehlen die Glaskörper- gefäße (vgl. VircHow, 122). 152 E. Berger Bei Crenilabrus stehen die Gefäße des Processus faleiformis in Verbindung mit den Gefäßen der Membrana hyaloidea. Es scheint das Gefäßsystem der M. hyaloidea ursprünglich mit den Gefäßen des Processus faleiformis im Zusammenhange zu sein und erst in einer späteren Periode sich zu trennen. Durch die Untersuchungen von MIHALKOVIcS!, ANDRE und BEAU- REGARD? und DENISSENKO (29) ist erwiesen, dass der Pecten im Auge der Vögel ein von den Centralgefäßen gebildetes Gefäßsystem des Glaskörpers darstellt. Nach DENISSENKO soll das im Glaskörper gelegene Gefäßsystem zur Ernährung der gesammten Netzhaut beitragen. Wenn gleich dies für die inneren Schichten derselben keinem Zweifel unterliegen kann, muss jedoch mit Rücksicht auf die musivische Schicht, deren Ernährung bei den höheren Vertebraten durch die Choriocapillaris stattfinden soll, auf die sehr bedeutende Entwicklung der letzteren Schicht im Auge der Fische hingewiesen werden. Die Augenlider und das retrobulbälre Gewebe. Wie bereits oben erwähnt wurde, wird ein halbkreisförmiger Hautlappen, welcher den oberen Theil der Cornea von Orthagoris- cus mola überragt, als Andeutung der Bildung eines Augenlides an- gesehen. CuvIER giebt an, dass er in demselben Muskelfasern gefunden habe, welche in der Art eines Sphinkter angeordnet sind. Ich konnte eben so wenig, wie LEYDIG, diese Muskelfasern nachweisen. Das Gewebe des Hautlappens entspricht vollkommen dem der Cutis. Zwischen dem auf- und dem absteigenden Cutis- theile desselben liegt ein weitmaschiges Gewebe, welches eine Fort- setzung des subcutanen Zellgewebes ist. Letzteres ist von großen Gefäßen reichlich durchsetzt, von wel- chen Zweige in die Cutis des Hautlappens eindringen und in den wulstförmigen kleinen Erhabenheiten ein weitmaschiges Kapillarnetz bilden. Da die Lider der Selachier bisher noch keine genauere Unter- suchung erfahren haben, sei es mir gestattet auf den Bau derselben näher einzugehen. 1 Arch. f. mikr. Anat. IX. B. pag. 591. 2 Compt. rend. T. 79. pag. 1154. Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 153 LEUCKART (69, pag. 275) bemerkt von denselben: »Die Augen- lider sind übrigens im Vergleich mit denen der höheren Thiere und besonders der Säugethiere nur sehr unvollkommene Bildungen.« An in sagittaler Richtung geführten Schnitten zeigt sich, dass die Lider an ihrer Übergangsstelle in die Haut etwas schmäler sind, als in der Mitte und gegen die Rima palpebrarum zu wieder plötz- lich an Dicke abnehmen. Man kann vier Schichten an einem solchen Schnitt wahrnehmen. Nach vorn liegt die Cutis (Fig. 20 cu), hierauf folgt ein straffes Fa- sergewebe (m), welches mit der Cutis verbunden ist. Nach rück- wärts von demselben erscheint das subconjunctivale Zellgewebe (sz). Die hintere Fläche des Lides wird von der Conjunctiva palpebrarum bedeckt. Die Conjunctiva ist an der hinteren Fläche des Lides bis auf einzelne Stellen, welche quere Furchen besitzen, vollkommen glatt. Weite Falten bildet sie im Übergangstheile. Die Conjunetiva besteht aus einer Schicht parallel zu ihrer Ober- fläche angeordneter straffer bindegewebiger Fasern. Ihre hintere Fläche ist mit geschichtetem Pflasterepithel bedeckt. An dem die Lidspalte umgebenden Theile des Lides ist die Conjunctiva mit dem früher erwähnten dichten fibrösen Gewebe (Lidknorpel) innig ver- wachsen und es fehlt daselbst die subconjunctivale Schicht !. Die subconjunctivale Schicht besteht aus lockerem, großmaschi- gem Bindegewebe. Es verlaufen in demselben größere Gefäße (gf). welche den Lidknorpel und die REG mit Gefäßzweigen ver- sehen. Die größte Dicke des Lides nimmt die aus straffen, bindegewe- bigen Fasern bestehende Schicht (m) ein, welche dem Lidknorpel der höheren Vertebraten entspricht. Diese Schicht ist mit der Cutis fest verwachsen. Am orbitalen Lidrande steht diese Faserplatte theils mit der orbitalen bindegewebigen Hülle, theils mit dem subcutanen Bindegewebe in Verbindung. Die Cutis besteht aus eng an einander und parallel zur Ober- fliche angeordneten Bindegewebsfasern. Von diesen geht ein Theil in die sagittalen Faserbiindel des Lidknorpels über. Der größere Theil dieser sagittalen Faserbündel wird jedoch von Fasergruppen ge- bildet, welche an der Basis der Hautknochen (4) entstehen. Dadurch, ! Die Fig. 20 stellt den mittleren Theil eines Sagittalschnittes durch das obere Lid von Carcharias dar. 154 E. Berger dass diese sagittalen Fasern in dem hinteren Theile des Lidknorpels sich mit einander verfilzen und zum Theile in vertikale Fasern über- gehen, bilden sie die hintere flächenartige Begrenzung des Lidknor- pels. In dem mittleren Theile des Lidknorpels liegen zwischen den sagittalen in schiefer und bogenförmiger Richtung sie überkreuzende Fasern, so dass der mittlere Theil des Lidknorpels eine Anzahl von kleineren Feldern erkennen lässt. In diesen Feldern sind die Querschnitte von Faserbündeln zu erkennen, welche senkrecht zur Ebene des Schnittes, mithin horizon- tal, verlaufen. In Betreff des Baues der Hautknochen verweise ich auf die be- kannten Untersuchungen von O. HErTwIG. Die Hautknochen sind von dem geschichteten Pflasterepithel (ep) der Epidermis bedeckt. An Querschnitten durch das Lid des Embryo von Mustelus laevis erscheint dasselbe als eine Faltung der Cutis. Zwischen den Falten der Cutis liegt eine Schicht des subeutanen Gewebes. Das retrobulbäre Gewebe der Selachier und von Orthago- riscus besteht aus Gallertgewebe mit eingelagerten korkzieherartig gewundenen elastischen Fasern. Gefäße sind spärlich in demselben vorhanden. Wie bereits erwähnt wurde, ist bei einzelnen Fischarten das retrobulbäre Fett zwischen bindegewebigen Lamellen, welche parallel der hinteren Bulbuswand verlaufen, angelagert. Die vorderste La- melle ist nicht in ihrem ganzen Umfange, sondern nur an einzelnen breiten Stellen mit der Sclerotica verwachsen. Eben so finden sich nicht verwachsene Stellen zwischen den einzelnen Lamellen, welche die Fettschichten begrenzen. Ich habe dieser Einrichtung etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt, weil sie, wie ich glaube, dazu ge- eignet erscheint, den geringen Grad von Beweglichkeit zu ermög- lichen, weleher dem Auge der Fische zukommt. Erwähnen will ich noch, dass die innere Fläche des Gelenkes zwischen der Sclerotica und dem Augenstiele bei Squatina mit einer Lage von Plattenepithelien bedeckt ist. Nachtrag. Nachdem meine Untersuchungen über das Auge der Fische be- reits abgeschlossen waren, erhielt ich durch die Freundlichkeit des Herrn Dr. EDUARD GRAEFFE, Inspektors der k. k. Zoolog. Station Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 155 in Triest Augen von einer Anzahl von Fischarten zugesandt, welche ich noch nieht zu untersuchen Gelegenheit hatte. Die Resultate die- ser Untersuchung will ich nun nachträglich mittheilen. Die Augen gehörten folgenden Arten an: Selachii. Seyllium canicula L. Squatina angelus. Raja Schultz. Teleostei. Conger vulgaris L. Belone vulgaris Flem. Labrax lupus Ouv. Trigla lineata. Pagellus erythrinus L. Zeus faber L. Thynnus Pelamys Cuv. Val. Mugil cephalus Cuv. Caranx trachurus L. Cornea. In der Substantia propria derselben lassen sich die in der Horn- hautperipherie verlaufenden eirkulären Fasern bei Caranx deutlich beobachten. Zwischen den Epithelzellen des peripheren Theiles der Hornhaut von Chrysophrys finde ich einzelne mit Fortsätzen versehene pig- mentirte Zellen, welche vollständig mit den in der Epidermis gele- genen Pigmentzellen der Fische übereinstimmen, welche von LEyDIs !, H. MÜLLER? und F. E. ScHhutze3 daselbst beschrieben wurden und an welchen der Letztere amöboide Bewegungen beobachtete. Selerotiea. Der vordere Theil der Sclerotica von Thynnus vulgaris und Th. Pelamys zeigt an einer halbmondförmig den Hornhautrand umgeben- 1 Histol. pag. 97. 2 Wiirzburger Verhdlg. Bd. X. pag. 23. — Wiirzburger Naturw. Zeit- sehrift Bd. I. pag. 164. 3 Arch. f. mikr. Anat. III. Bd., pag. 137. 156 E. Berger den Stelle ebenfalls einen irisirenden Glanz. Bei der mikroskopi- schen Untersuchung findet man unter dem Cutisgewebe eine Schicht von Krystallplättchen, welche vollständig den Iridocythen, und den analogen in der sogenannten Perlsubstanz gelegenen Gebilden ent- sprechen. Hinter diesen Krystallplättchen liegen einzelne sternför- mige Pigmentzellen. Knorpelzellen, welche in reichlicher Menge Fetttrépfchen in ihrem Protoplasma eingelagert enthalten, konnte ich in zahlreicher Menge bei Mugil cephalus finden. Die Bildung von Hohlräumen finde ich im hinteren Theile der Selerotica von Raja Schultzii sehr weit entwickelt. Nachträglich muss ich bemerken, dass Leypie (Fische und Reptilien, pag. 1) die Knorpelsubstanz von Aceipenser von Kanälen durchzogen findet, welche Fett und Gefäße enthalten. Da ich in den Knorpelhöhlen der Rajiden bloß einen serösen Inhalt finde, muss ich noch unent- schieden lassen, ob es sich hier um analoge Bildungen handelt. An einzelnen Stellen des Scleralknorpels von Myliobatis und Squatina finde ich die Knorpelgrundsubstanz von in den verschieden- sten Richtungen sich durchkreuzenden Fasern durchsetzt, so dass die einzelnen Knorpelzellen von Fasermassen umgeben werden. Vergleicht man die verschiedenen Formen des Auftretens von Fasern in dem ursprünglich hyalinen Knorpel, so ergiebt sich, dass die radiären und die meridionalen Faserbildungen nur als Anfangs- stadien der Umwandlung von hyalinem Knorpel in Fa- serknorpel anzusehen sind und dass das Endstadium dieser Um- wandlung die vollständige Umänderung der hyalinen Grundsubstanz in faserige vorstellt. Es werden bei verschiedenen Arten zuerst die radiären, ‚bei an- deren die meridionalen Fasern zuerst durch die bereits angeführte Veränderung der Kittsubstanz sichtbar. Es zeigen sogar die ein- zelnen Theile des Scleralknorpels hierin Verschiedenheiten, indem an einer Stelle die radiären Fasermassen, an einem anderen Theile desselben anders gerichtete Fasersysteme zuerst in der sonst hyalinen Grundsubstanz erscheinen. Ich kann mich daher nicht der Ansicht jener Autoren, welche die verschiedenen Formen der. Knorpelgrund- substanz des Scleralknorpels als den verschiedenen Arten eigenthüm- liche Erscheinungen betrachten, anschließen, sondern halte diese Formen für verschiedene Entwicklungsstadien der Umwandlung der hyalinen Grundsubstanz in faserige. Bloß die ersten Erscheinungen die- ser Umwandlungen sind bei verschiedenen Arten der Fische verschiedene. Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 157 Iris. An mit Macerationsmitteln behandelten Querschnitten durch die Hornhaut von Thynnus konnte ich mich überzeugen, dass ein Theil der Fasern des Ligamentum annulare in Hornhautfasern übergeht. Die sternförmigen Pigmentzellen, welche bei Conger und Anguilla im Ligamentum annulare vorkommen, haben die verschiedenartigsten Formen. Bald findet man solche, welche ganz eingezogene Fort- sätze haben, bald solche, bei welchen sie sich mehrfach theilen und eine Strecke weit von der Zelle enden. Es scheinen auch diese Pigmentzellen die Eigenschaften von Chromatophoren zu besitzen. Stellenweise anastomosiren die einzelnen Pigmentzellen mit einander. Bei Mugil cephalus und bei Squatina angelus finde ich im Li- gamentum annulare außer mit körnigem schwarzen Pigment erfüllten Zellen, sternförmige mit goldgelben in Form von Körnchen,, welche stark Licht reflektirend sind, abgelagerten Pigmenten erfüllte Zellen. Zwischen den Krystallschüppchen (Iridocythen) der Iris finde ich beim Thunfisch und bei Chrysophrys einzelne Pigmentzellen, welche mit dem ganzen Zellkörper in dieser Schicht liegen. Bei Belone finde ich die Iridocythen in der Umgebung des Pu- pillarrandes eirkulär, in der Peripherie der Iris zumeist radiär ange- ordnet. Die Basalmembran der Iris hat bei Squatina angelus eine strei- fige Beschaffenheit, eine Eigenschaft, welche ich bei Teleostiern nicht fand. In Fig. 12 a stellt die mit 4 bezeichnete Zelle eine pigmentirte glatte Muskelzelle aus dem Sphincter pupillae dar. Chorioidea. In Betreff des chorioidalen Fortsatzes, welcher im vorderen Theile des Auges von Thynnus und bei den Selachiern gefunden wurde, muss ich nachtragen, dass er auch bei Zeus faber und bei Thynnus Pelamys sich beobachten lässt. Bei den Scomberoiden ist er in so breitem Umfange mit dem Proc. faleif. verwachsen, dass die Grenze beider Gebilde sich schwer feststellen lässt. Auch bei Zeus faber und bei Thynnus Pelamys finde ich spin- delförmige Zellen, welche einen länglichen stäbehenförmigen Kern enthalten und mit den organischen Muskelfasern der Iris überein- stimmen. N 158 E. Berger LEUCKART (l. c. pag. 226) beschreibt beim Lachs ein Muskel- bündel, welches von der Iris zum Processus faleiformis zieht. Es wäre möglich, dass es sich hier um ein analoges, schwächer ent- wickeltes Gebilde handelt. Bei einigen Selachiern liegt der von mir beschriebene Fortsatz mit seinem größeren Theile im Bereiche der Iris. - Bei Conger besitzen die im vorderen Theile der Pars ciliaris retinae gelegenen Zellen der Pigmentschicht eigenthümliche Fort- sätze. Bei Plattenepithelien ist meines Wissens das Vorhandensein solcher Zellfortsätze bisher noch nicht bekannt, während sie bei Cy- linderepithelzellen nicht selten sind. In Fig. 12a stellt @ eine iso- lirte Zelle dar, c einen Zellenkomplex. Die Glaslamelle der Aderhaut zeigt bei Luvarus weitmaschige, unregelmäßige, bei Scyllium netzförmige Zeichnungen. Die Choriocapillaris von Scyllium ist pigmentlos. Die Gefäße dieser Membran gehen von einer kleinen Arterie sternförmig ab, theilen sich zumeist und anastomosiren mit den benachbarten Gefäß- chen (Thynnus). Das Tapetum cellulosum finde ich beim ausgewachsenen Exem- plar von Mustelus deutlich entwickelt, beim Embryo vermisste ich es. Die Zellen des Tapetes von Squatina angelus enthalten nicht nadelförmige Krystalle, sondern sie sind mit Krystallen erfüllt, welche platte, meist längliche Formen und 6—8 Kanten in der Flächen- ansicht besitzen. Ich muss vorläufig noch unentschieden lassen, ob diese Krystalle mit Guaninkalk identisch sind, da bisher nicht be- kannt ist, dass diese Verbindung in verschiedenen Krystallformen vorkommt!. Die Krystalle von Squatina angelus zeigen dieselben Interferenzfarben, wie die nadelförmigen Krystalle von Guaninkalk. In Betreff des Guanin muss ich nachträglich erwähnen, dass es an der Innenfläche der Schwimmblase der Fische, ferner in den Mus- keln der Knochen- und Knorpelfische gefunden wurde (KRUKENBERG). Die äußere elastische Lamelle der Aderhaut lässt sich beim Thunfisch makroskopisch darstellen. Sie besitzt bei Luvarus und Thynnus Pelamys denselben Bau, wie er bei Th. vulg. beschrieben wurde. In der M. suprachorioidea von Pagellus erythrinus finde ich außer den mit schwarzen Pigmentkérnchen erfüllten sternförmigen Zellen 1 Einer persönlichen Mittheilung des Herrn BELA Grafen HALLER entnehme ich, dass auch in der Perlsubstanz einiger Knochenfische an Stelle der nadel- förmigen Krystalle kleine Plättehen vorhanden sind. Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 159 auch ähnlich geformte, welche eben so, wie dies bei einigen Arten in der Iris nachgewiesen wurde, gelbes körniges Pigment enthalten. Bei Pagellus konnte ich Anastomosen zwischen den beiden Formen von Zellen beobachten. Zwischen der Chorioidea und der Sclerotica finde ich bei Mugil cephalus, bei Labrax und bei Caranx eine dünne Schicht von Fett- gewebe. Es wird das letztere durchsetzt von Fasern, welche von der M. suprachorioidea zur Selera ziehen. LEUCKART erwähnt, dass beim Lachs an derselben Stelle Fettgewebe sich nachweisen lässt. Bekanntlich enthält die Arachnoidealhülle des Gehirns, welche als ein mit der Chorioidea analoges Gebilde angesehen wird, bei den Fischen meist in größerer Menge Fettzellen. Die Lamina cribrosa ehorioideae! hat bei Mugil cephalus eine ähnliche Beschaffenheit, wie ich sie bei Trygon beschrieben habe. Zur Untersuchung der Gefäße der Chorioidaldrüse eignet sich sehr gut die flächenartig ausgebreitete Chorioidaldrüse von Belone. Die Arteria ophthalmica magna verläuft in einem Kreisbogen nahe dem inneren Rande der Chorioidaldriise. Von der Arterie geht eine Anzahl kurzer, breiter Gefäßstämme ab, welche pinselförmig sich in kleinere Gefäßäste auflösen. Diese theilen sich mehrfach und gehen dann in das Kapillarsystem der Drüse über. An dem äußeren Rande der Chorioidaldrüse gehen die Venen hervor, welche mit den Venen der Aderhaut sich vereinigen und deren Blut, wie be- kannt, durch die Ven. vort. abfließt. Linse. Die Linsenkapsel von Mugil cephalus lässt an ihrem optischen Querschnitt einige zarte mit der Oberfläche parallele Streifen erken- nen. Über die Bedeutung dieser Erscheinung habe ich bereits an einem anderen Orte (Hirscusera’s Centralbl. f. prakt. Augenheil- kunde 1882 Januar-Heft) berichtet. Die hintere Linsenkapsel von Chrysophrys ist an ihrer vorderen Fläche mit einer Anzahl linienförmiger Vertiefungen versehen, beim Thunfisch durchkreuzen sich dieselben in den verschiedensten Rich- tungen. 1 Über den Bau derselben bei den höheren Vertebraten vgl. E. BERGER, Zur Kenntnis vom feineren Baue des Sehnerven. v. Knapp’s Arch. f. Augen- heilkunde. April-Heft 1882. 160 E. Berger In Betreff der Linsenfasern ist nachträglich anzuführen, dass bei Petromyzon und beim Aale, wie auch HENLE! anführt, auch im Kerne ungezähnte Linsenfasern enthalten sind, welche letzteren bei den Selachiern und den Teleostiern in der Corticalis glattrandig sind. An der Grenze zwischen der Corticalis und dem Kerne finde ich bei Pagellus erythrinus Fasern, deren Zähne schraubenförmig die Faser umgeben. Ähnliche Fasern beschreibt HENLE bei Seyllium. Die gezähnten Linsenfasern finde ich stets derart an einander gelagert, dass die einzelnen Zähne sich decken und dadurch leisten- förmige Erhabenheiten bilden. Bei Anwendung von Goldfärbung er- scheinen die Linsenfasern längsgestreift (Conger, Pagellus), eine Erscheinung, die beim Menschen auch ohne Einwirkung von Reagen- tien beobachtet wurde (ARNOLD). . Glaskörper. Die Zonula von Mugil und Conger besteht bloß aus radiär ver- laufenden Fasern. Von den Fasern des Ligamentum quadratum stammt ein Theil aus dem Glaskörper, die größere Masse derselben jedoch von der Pars eiliaris retinae. Es sind diese Fasern theils mit der Glashaut, welche die innere Oberfläche der Zellen der Pars eiliaris retinae bedeckt, verwachsen, theils scheinen sie sich in Stützfasern der Pars eiliaris retinae fortzusetzen. Bei der Abtrennung des Ligamentum quadra- tum bleiben an demselben nicht nur Zellen und Stützfasern der Pars ciliaris retinae haften, sondern auch Theile der Pigmenschicht (Conger). Bei Thynnus vulgaris und bei Th. Pelamys geht ein zarter, flächenartiger Fortsatz vom Processus faleiformis eine Strecke weit in den Glaskörperraum hinein. Im hinteren Theile des Auges ist er am breitesten und nimmt in der Richtung nach vorn an Größe ab. Es reicht derselbe bis zur Campanula Halleri. Er besteht aus zar- ten Gefäßen, welche von den Gefäßen des Proc. faleiformis herstam- men und ein weitmaschiges Gefäßnetz bilden. Diese zarten Gefäße werden von bindegewebigen Fasern umsponnen und sind durch die- selben mit der bindegewebigen Hülle des Processus faleiformis ver- bunden. An einzelnen Stellen finde ich den bindegewebigen Fortsatz mit sechseckigen, platten, Pigmentzellen bedeckt. ! Zur Anatomie der Krystalllinse. Abhdl. d. k. Ges. d. W. zu Göttingen. 23. Bd. 3 6 7 16 Litteratur-Verzeichnis. 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Berger cr Lamina cribrosa chorioideae, esb subconjunctivaler Theil der Hornhaut, cu Cutis, : ds Duralscheide des Sehnerven, el elastisches Hiiutchen, ep Epidermis, fe Fovea centralis der Sehnervenpapille, ge Chorioidaldriise, af BlutgefaB, gh Glashaut der Uvea = Lamina elastica, if innere Bindegewebslage der Sclerotica, iz innere Zone des Scleralknorpels, kgf Blutgefäße im Seleralknorpel, kp pflasterformiger Knorpel, le Ligamentum ciliare, i Ligamentum iridis pectinatum = Ligamentum annulare, mf meridional verlaufende Fasern im Scleralknorpel, mz wittlere Zone des Scleralknorpels, nl Zellkern, no Nervus opticus, pa Substantia propria Iridis, pe Musculus sphineter pupillae, per Pars ciliaris retinae, pe geschichtetes Pflasterepithel, pis Pialscheide des Sehnerven, pr Ciliarfortsatz, ps Pigmentschicht der Uvea, pw dornförmiger Uvealfortsatz, R Retina, Se Selerotica, seu subcutanes Zellgewebe, sh von der Suprachorioidea gebildete Lymphräume, sk Scleralknorpel, so Scleralknochen, tp Tapetum cellulosum. Horizontalschnitt durch den vorderen ‘Theil des Auges von Myliobatis aquila. Oc. 2. Obj. IV. - f Faserbündel, welche von den Knochenschüppchen zur Sclera aus- strahlen. Horizontalschnitt durch den vorderen Theil des Auges von Salmo Huého.!'Oe."2)" “Obj! EV. » vorderer aus parallel angeordneten Faserlamellen bestehender Theil der Hornhaut, h hinterer Theil derselben, aus unregelmäßig sich durchfiechten- den Bündeln bestehend, CS Canalis Schlemmii, , Cs sagittale Fasern in der Hornhaut, Ss sagittale Fasern in der Sclerotica. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. or 10, 11. 12. 13: 14. 15. 16. Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. 167 Horizontalschnitt durch den vorderen Theil des Auges von Chryso- phrys aurata. Oc. 3. Obj. IV. Horizontalschnitt durch den vorderen Theil des Auges von Thynnus vulgaris. Oc. 2. Obj. IV. f Havers’sche Lamellen, welche senkrecht zur Oberfläche des Seleralknochens verlaufen. Pigmentzelle aus der Conjunctiva von Salmo Hucho. Oc. 3. Obj. VIII h helle pigmentlose Räume im Protoplasma (Vacuolen). Krystallhaltige sternförmige Zellen, welche auf der Außenseite der Selerotica von Raja asterias liegen. Oc. 3. Obj. VIII. Knorpelzellen aus dem Scleralknorpel von Orthagoriscus mola. Das Präparat ist mit Goldchlorid behandelt. Oc. 4. Obj. VII. an Anastomose zwischen zwei Knorpelzellen, ft Fetttröpfehen im Protoplasma der Knorpelzellen. Flächenschnitt parallel zur inneren Oberfläche des Scleralknorpels von Trygon pastinaca. Oc. 3. Obj. VIII. a die Verbindungsstelle zwischen zwei Knochenschiippchen ist zum Theil fibrés, zum Theil verkalkt, b das ganze Verbindungsstück ist faserig. Querschnitt durch den mittleren Theil des Scleralknorpels von Creni- labrus pavo. Oc. 3. Obj. VII. i Querschnitt durch den hinteren Theil des Scleralknorpels von Trygon pastinaca. Oc. 3. Obj. VIII. kpa arterielles Gefäß, welches in einem Theile des Knorpels sich verzweigt. Querschnitt durch den hinteren Theil des Scleralknorpels von Raja asterias. Oc. 3. Obj. IV. F faserige Grundsubstanz des Knorpels, Hk kleine Knorpelhöhlen, Hy große Knorpelhöhlen. Querschnitt durch den vorderen Theil der Iris von Thynnus vulgaris. Oc. 3. Obj. VIII. ap Pigmentzellen, deren Fortsätze in die Lamina argentea (ar) hineinragen. Flächenpräparat der Glashaut (L. elastica) des hinteren Theiles der Chorioidea von Orthagoriscus mola. Oc. 3. Obj. VII. el inneres elastisches Hiiutchen der Chorioidea. Flächenpräparat von der äußeren elastischen Lamelle von Thynnus vulgaris. Oc. 3. Obj. VIII. bf bindegewebiges Fasernetz, gfl Öffnungen der elastischen Lamelle zum Durchtritt von Ge- fäßen. Zellen und Krystallplättchen aus der Argentea von Salmo Hucho (Flächenpräparat). Oc. 3. Obj. VIII. Querschnitt durch den hinteren Theil der Chorioidea und des Scleral- knorpels von Squatina vulgaris. Oc. 2. Obj. V. sh Lymphräume, welche im hinteren Theil des Auges vorkom- men, f fibröses Fasernetz. * 168 Fig. 17. Fig. 18. Fig. 19. Fig. 20. Fig. 21. Fig. 22. E. Berger, Beiträge zur Anatomie des Sehorganes des Fische. Querschnitt durch den hinteren Theil des Auges von Salmo Hucho. Oc. 2. Obj. IV. Die Lamina eribrosa chorioideae (er) liegt in weitem Abstande von der Sclerotica. ft Gruppen von Fettzellen zwischen den Fasern der Selerotiea. Querschnitt durch den Nervus optieus von Othagoriscus mola. Lupen- vergrößerung (HARTNACK System 4). ae Arteria centralis, ve Vena centralis. Längssehnitt durch den Sehnerven von Trygon pastinaca. Oc. 2, Obj. IV. sh Hohlräume zwischen der Sclerotica und der Chorioidea, vr Scheidenraum des Sehnerven, kgf Gefäßschlingen im Seleralknorpel. Sagittaler Durchschnitt durch das obere Augenlid von Carcharias glau- eus. Oc. 3. Obj. V. cs conjunctivales Bindegewebe (das geschichtete Pflasterepithel, welches die hintere Fläche desselben bedeckt, fehlt an die- sem Präparate), sz subconjunctivales Zellgewebe, m wittlerer fibröser Theil (Lidknorpel) des Lides. Flächenpräparat der Zonula Zinnii von Myliobatis aquila. Ein Stück aus dem hinteren Theile derselben ist dargestellt. Oc. 3. Obj. VIII. If Längsfasern der Zonula, welche zu Bündeln geordnet sind, Nt netzförmig angeordnete Fasern, welche den Raum zwischen den Längsbündeln einnehmen. Ansatzstelle des Ligamentum quadratum eines Knochenfisches an die Pars ciliaris retinae. Oc, 3. Obj. VIII. If Längsfasern des Ligamentum quadratum, sf schlingenförmige Fasern. - ‘ do ni gern - 5 2 - Ae Tyee vi Ss : . oe ; ’ Vie \ ; 1 a VER f ut - lin mtn en en en ee a ar . 3 hamaz er x ; > : ere” a Ome eee . rs P 4 Mi Br i ri oh > => a - wiles rei ae le 2 A Lith Anst wWerner£ Winter, Frankfurt UW. oh Jahrb Ba IM. pe 79.3. 2S Soe Gia ie _ - Lith Aust eWerner Wh Bat Tr vw 4 | 4 Fi " | } ‚ abi i ; > | Fi | | 7 x | . nly | | ze 2 ° ” € | | 5 4 hel nd * 7 bs iv + ; 7 ” + ; ‘is a re 4 e an al Frankfurt Winter F jr 24% sitie instz Werner £ i ARS ‚Norpholog,Jahrb. Bd. FI. Fig.18. Merle Wilk Engelmann, Leipsty, Lith. Anst. Werner & inter, Frankfurt YM, Beiträge zur Angiologie der Amphibien. Von Dr. J. E. V. Boas, in Kopenhagen. Mit Tafel VI-VIII. 1. Zur Kenntnis des Baues und der Entwicklung der Carotidendriise der Amphibien. Bei vielen Amphibien findet sich jederseits an der Stelle, wo der Carotis-Stamm die Carotis externa abgiebt, um-sich als Carotis interna weiter fortzusetzen, eine kleine Anschwellung, die man als Carotidendriise bezeichnet hat. Diese »merkwürdige Einrichtung«, wie ein älterer Verfasser sie nennt, hat vielfach die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, ist aber nur wenig eingehend studirt worden. Der Erste, welcher sie, meines Wissens, bemerkt hat, ist SwAMMERDAM (Biblia Naturae, Tome II, pag. 832, Tab. XLIX Fig. 3). Er notirt das Vorkommen sogar zweier Anschwellungen jederseits an den Carotiden des Frosches, von welchen die erste unsere Carotidendrüse ist, die zweite aber gar nicht existirt. Eine einigermaßen gründliche Untersuchung unseres Gebildes treffen wir erst bei Huschke!. Nach ihm spaltet die Carotis des Frosches sich in ein Kapillarnetz, aus welchem einerseits die Ca- rotis externa, andererseits die Carotis interna entsteht. Er erklärt, das Organ bestehe aus den »zusammengedrängten Kiemen - Venen- und Arterienästehen des ersten Kiemenbogens der Froschlarve«. 1 Ub. die Carotidendriise einiger Amphibien. Trevıranus’ Zeitschrift f. Physiologie IV, 1831. Morpholog. Jahrbuch. 8. 12 170 J. E. V. Boas Was die physiologische Bedeutung anlangt, stellt HuscHKE ver- schiedene Hypothesen auf; er meint, man könne an einen »indi- rekten Athemprocess« denken, wodurch Kohlenstoff und Wasser aus- geschieden werde; oder das »Haargefäßnetz könnte den Blutstrom verlangsamen und den Pulsschlag mindern oder aufheben, was aller- dings auch zu den Ansprüchen des zarten Hirnmarkes passt«; oder das Organ hätte alle beide Verrichtungen. Er führt den Namen Carotidendrüse ein, »da wir dergleichen Verwickelungen eines doppelten Blutsystems Drüsen nennen«. Außer bei Anuren hat Huscuke auch das Organ bei Urodelen (Triton) gefunden. Im vierten Bande der BurpAcu’schen Physiologie (1832), p. 164, bemerkt Jon. MÜLLER, nachdem er die Beobachtungen HuscHke’s referirt hat, dass (beim Frosch) »die Höhlung der Carotis sich im Innern des Knötchens durch ein schwammiges Gewebe, welches die Wände der Drüse bilde, fortsetzt, wie man unter dem Mikroskop bei Zerlegung der Drüse sehr wohl sehen kann, obgleich die Ober- fläche der Drüse in fein injieirtem Zustande auch das von HuscHKe beschriebene Anheften! zeigt«. Hyrru? sieht in der Carotidendriise ein accessorisches Herz und meint, an derselben »selbstthätige Zusammenziehungen« gesehen zu haben, spricht sich jedoch über diesen Punkt etwas unsicher aus. In seinen ausgezeichneten »Beiträgen z. vergl. Anat. u. Phys. d. Gefäßsystemes«? hat Bricke (pag. 356) eine detaillirtere Beschrei- bung der Carotidendrüse des Frosches gegeben, worauf wir später zurückkommen werden. In Leypie’s Untersuchungen über Fische und Reptilien (1853) finden sich auch einige Bemerkungen über die Carotidendrüse, die jedoch nur wenig Neues enthalten. Er untersuchte das Organ beim Frosch, ferner bei Cystignathus und Salamandra. An den Muskel- zellen desselben meint er »eine Spur von Querstreifung« bemerkt zu haben, fügt aber weiter unten hinzu, dass dieselben »dem allgemeinen Charakter nach glatte Faserzellen« sind. Nach Leypie pulsirt die Carotidendrüse nicht. Bei Rusconi, Histoire naturelle etc. de la Salamandre terrestre, 1854, steht pag. 73 eine ganz beiläufige Bemerkung über die Ent- wicklung der Carotidendriise yon Salamandra: ».... pendant ! Ohne Zweifel ein Druckfehler fiir »Ansehen«. 2 Beobachtungen aus dem Gebiete der vergl. Gefäßlehre III. Mediein. Jahrbücher d. österr. Staates 24., 1838. 3 Wiener Denkschr, Math.-naturw. Klasse. 3. Band, 1852.- Beiträge zur Angiologie der Amphibien. 171 que l’artére du premier are s’accoureit, les rameaux anastomotiques (zwischen Kiemenarterie und Carotis externa) se rapprochent suc- cessivement et finissent par former un renflement, une sorte de bulbe .. 2... « Aus der obigen Übersicht — worin ich mit Übergehen bloßer Referate ete. hoffentlich die wichtigeren Angaben über die Carotiden- drüse zusammengestellt habe — geht hervor, dass über die Ent- wicklung unserer »Drüse« zwei verschiedene Ansichten ausgesprochen sind. HUuSCHKE meinte bei Rana gesehen zu haben, dass dieselbe sich aus der ersten Kieme der Larve herausbildete; Rusconi er- klärte für Salamandra, dass sie aus den Anastomosen zwischen der ersten Kiemenarterie und der Carotis externa entstand. Bei einer kritischen Betrachtung dieser zwei Angaben muss man zugeben, dass sie alle beide eigentlich gleich unwahrscheinlich sind; was die HuscHke’sche betrifft, muss erinnert werden, dass die innere Kieme der Froschlarve der Urodelenkieme gar nicht entspricht!, dass die Urodelen überhaupt nichts der inneren Kieme der Anuren Entspre- ehendes besitzen; es müsste demnach, wenn H. Recht hätte, die Carotidendrüse der Urodelen jedenfalls aus ganz anderen Elementen als die der Anuren entstehen, das heißt ein der Carotidendrüse dieser nicht homologes Organ sein, was bei der Übereinstimmung der Lage und des Baues als äußerst unwahrscheinlich betrachtet werden muss. — Eine ganz ähnliche Betrachtung kann für die Rusconr’sche Angabe in Geltung gebracht werden, wozu noch kommt, dass es ganz unbe- greiflich erscheint, wie ein so komplicirtes Gebilde wie die Carotiden- drüse durch eine Vereinigung der Anastomosen, die bekanntlich nur in geringer Anzahl vorhanden sind, entstehen könnte. Meine Unter- suchung, welche sich vorzugsweise mit Salamandra beschäftigte, hat denn auch ganz Anderes ergeben, was ich mir im Folgenden mitzutheilen erlaube. Bei der Salamander-Larve (vgl. Tab. XXV Fig. 31 meiner Abhandlung über Conus ete. der Amphibien) theilt sich die erste Kiemenvene in eine Carotis interna und eine Carotis externa, welche letztere dem ersten Kiemenbogen entlang zurückläuft um sich unten mit der ersten Kiemenarterie zu kreuzen. Eine ziemliche Strecke ' Vgl. meine Abhandlung üb. Conus art. und Arterienbogen d. Amphibien. Dieses Jahrb. 7. Bd. pag. 541. 12* 172 J. E. V. Boas weit liegen die erste Kiemenarterie und die C. externa einander pa- rallel; hier sind sie durch mehrere Anastomosen verbunden. Die Metamorphose tritt ein, eine oder ein paar Anastomosen er- weitern sich, die anderen verschwinden, obliteriren. Noch ist keine Spur einer Carotidendriise vorhanden. Dann aber fangen die Wände der neben einander liegenden Gefäße — der früheren Kiemenarterie und der Carotis externa — an zu wuchern, es bilden sich Aus- sackungen von den Gefäß-Lumina in die verdickten Gefäßwände hinein, die Aussackungen des einen Gefäßes verbinden sich theils mit einander theils mit denen des anderen Gefäßes, und eine zwar relativ einfache Carotidendrüse ist gebildet. Durch weitere Aus- sackungen ete. wird dann allmählich die Komplikation derselben größer und zuletzt haben wir vor uns ein spongiöses Gebilde, in welches der Carotis-Stamm eintritt, während die Carotis externa einerseits, die Carotis interna andererseits aus derselben heraustritt (vgl. Tab. XXV Fig. 34 meiner eitirten Abhandlung). Die Bildung der Carotidendrüse findet in der Periode statt, wenn die jungen Salamander fast ganz den Habitus des erwachsenen an- genommen haben und die Kiemen gänzlich verschwunden oder auf ganz rudimentäre Stummel redueirt sind. Einmal begonnen geht die Entwicklung unseres Gebildes sehr rasch vor sich, so dass junge Salamander, welche äußerlich einander fast ganz ähnlich sind, recht verschiedene Entwicklungsstufen der Drüse aufweisen können. Die jüngste Entwicklungsstufe der Carotidendrüse, die ich ge- sehen habe, zeigt das Präparat, das der Figur 32 meiner Abhand- lung über Conus und Arterienbogen der Amphibien zu Grunde liegt. Das Präparat besteht aus den in toto herauspräparirten Arterienbogen eines jungen Salamanders mit ganz rudimentären Kiemenstummeln, und wurde vorher mit Berlinerblau injieirt!. Man sieht — vgl. die ! Bei meinen Untersuchungen über das Gefäßsystem von Salamander- und Froschlarven habe ich mich eines sehr primitiven aberrecht zweckmäßigen Ap- parates bedient, da gewöhnliche Spritzen zu grob für diese kleinen Thiere er- scheinen. Ein Glasröhrchen, das am einen Ende in eine äußerst feine Spitze ausgezogen war, wurde mit einer Lösung des löslichen Berlinerblaues gefüllt; da die Injektion natürlich unter Wasser ausgeführt werden muss, ıst es dann noch nothwendig in die feine Spitze ein bischen Wasser einzusaugen, da das Wasser, worin das Objekt liegt, sonst durch das Berlinerblau getrübt wird, in- dem immer eine kleine Quantität aus dem Glasröhrehen ausfließt, bevor die Spitze eingeführt werden kann. Das nicht zugespitzte Ende wurde mit einem kurzen Gummischlauche, dieser wieder mit einem kleinen Gummiballon, welcher im Handel leicht zu haben ist, verbunden. Die feine Spitze wurde dann mit Beiträge zur Angiologie der Amphibien. 173 eitirte Figur, worin ich auch ganz roh die Corotidendrüse angedeu- tet habe — die erste Kiemenarterie und die Carotis externa neben einander liegen und sich kreuzen, ganz ähnlich wie bei der Larve; zwei der Anastomosen haben sich jedoch stark erweitert, während die anderen weggefallen sind. Außerdem findet man aber eine ganze Menge von Ausbuchtungen, die von denjenigen Partien der zwei Gefäße, die neben einander liegen, abgehen, namentlich, aber nicht ausschließlich, von den einander zugekehrten Seiten derselben. An einem ähnlichen Präparat eines anderen jungen Salamanders — welcher auch die letzte Spur der Kiemenstummeln verloren hat — ist die Carotidendrüse etwas weiter entwickelt. Man sieht noch recht deutlich die zwei Gefäße neben einander liegen; eine große Menge von Ausbuchtungen, die zum Theil blind endigen, zum Theil unter einander vielfach anastomosiren, geht von denselben aus und geht unter sich enge Verbindungen ein. Die ursprünglichen, das heißt die schon bei der Larve vorhandenen Anastomosen sind im Gewirr der unter einander anastomosirenden Ausbuchtungen nicht mehr er- kennbar: es ist also jetzt eine Carotidendrüse vorhanden, die sich von derjenigen des Erwachsenen wesentlich nur dadurch unterschei- det, dass sie länglicher, schmächtiger ist. — Ähnlich verhält sich ein anderer noch mit rudimentären Kiemenstummeln ausgestatteter Junger Salamander. N Eine besonders schöne und instruktive Anschauung des so eben geschilderten Processes geben Schnittserien von injicirten Caro- tidendrüsen junger Salamander. An solechen — die Salamandern mit ganz kurzen Kiemenstummeln entnommen sind — sieht man am Herzende der Drüse die zwei Gefäße (die Carotis externa und den ersten Arterienbogen) dicht an einander gelagert, jedoch deutlich von einander unterscheidbar; von den Gefäßlumina gehen (vgl. Fig. 6) Ausstülpungen aus, die sich theilweise mit einander verbinden, um Anastomosen zwischen den zwei Gefäßen herzustellen. An Schnitten dureh die Mitte der Drüse unterscheidet man schon nicht mehr die der einen Hand in den Ventrikel des Objektes eingestochen, während ich mit der anderen auf die Gummikugel einen leisen Druck ausübte. Nach vollende- ter Injektion wurde das Thier in Müuver’sche Flüssigkeit geworfen, wodurch das Berlinerblau schnell gerinnt, später eventuell in schwachem Spiritus auf- gehoben. Es gelingen natürlich nicht alle Injektionen in dieser Weise, ich habe aber dennoch sehr viele schöne bekommen. — Eine ähnliche Methode ist übrigens schon früher im Heidelberger anatomischen Institute von Dr. PAL- MEN in Anwendung gebracht worden. 174 J. E. V. Boas zwei Gefäße, auch sind ihre ursprünglichen Lumina kaum mehr besonders unter den ziemlich zahlreichen anastomosirenden Ausstül- pungen erkennbar (Fig. 7). Am äußeren Ende der Drüse werden die Ausstülpungen wieder spärlicher, wir finden einen einzigen mit weni- gen Ausbuchtungen versehenen Hohlraum; endlich verschwinden auch jene und wir sind an der Grenze zwischen Carotidendrüse und Carotis interna angelangt. | Die Carotidendrüse des erwachsenen Salamanders weicht von der soeben geschilderten nicht bedeutend ab. Die Carotis externa und der erste Arterienbogen sind, so weit sie ins Bereich der Drüse fallen, noch inniger als vorher mit einander verbunden und mit der zunehmenden Größe der Drüse haben sich auch die Ausstülpungen, welche dieselbe wie ein Netz durchsetzen, beträchtlich vermehrt. Wenn wir eine Querschnittserie eines erwachsenen Salamanders durchmustern, finden wir in der Mitte derselben ein schwammiges, reich durchlöchertes Gewebe. Nach dem Herzende der Drüse zu wird das Gewebe großmaschiger, ein einzelner Kanal (/a in Fig. 1) zeich- net sich durch seine Größe besonders aus. Nach und nach ver- schmelzen die übrigen Kanälchen mit einander (Fig. 2—5) und wir bekommen zwei neben einander liegende Kanäle, /a und ce, von welchen letzterer Anfangs einen halbmondförmigen Durchschnitt be- sitzt, welcher sich nach und nach in einen kreisrunden verwandelt; endlich trennen sich die zwei Kanäle und setzen sich in die Caro- tis externa (ce) und den ersten Arterienbogen (/a) fort!. — Am anderen Ende der Carotidendrüse sammeln sich die Kanälchen zu einem ein- zigen Gefäß, der Carotis interna. Histiologisch ist der Bau der Carotidendrüse derselbe wie der übrigen Arterienwände ; quergestreifte Muskelzellen sind entschieden nicht vorhanden; die Wand scheint hauptsächlich aus glatten Mus- kelzellen zu bestehen. Was die Verbreitung unseres Gebildes innerhalb der Amphibien betrifft — bei den übrigen Vertebraten ist bekanntlich nichts Ent- sprechendes getroffen — so wird dasselbe außer bei Salamandra und bei Triton sich vermuthlich allgemein bei den Salamandriden (Cadueibranchiaten) finden. Bei den Perennibranchiaten (Pro- teus, Menobranchus, Siren) fehlt es immer, eben so wie bei den 1 Richtiger (nach der Stromrichtung): der eine setzt sich in die Carotis externa fort, der andere ist eine Fortsetzung des ersten Arterienbogens. Beiträge zur Angiologie der Amphibien. 175 Larven der Salamandriden. Es fehlt ferner bei Menopoma. Dagegen ist es bei Amphiuma vorhanden. Ks findet sich dann auch bei den erwachsenen Anuren (Rana, Bufo), während es den Coeeilien abgeht. Über den Bau der Carotidendrüse von Amphiuma kann ich Folgendes mittheilen. Dieselbe ist weit einfacher als bei Salaman- dra, obgleich das untersuchte Exemplar von bedeutender Größe war. Eine Reihe von Querschnitten (vgl. Fig. 11), welche durch die Ca- rotidendrüse gelegt wurden, zeigte, dass selbst in der Mitte des Organs nur ziemlich spärliche Kanälchen sich finden. Die Drüse ist dann auch im Verhältnis zu ihrer Dicke etwas länger als beim erwachsenen Salamander. In beiden Hinsichten verhält die Carotidendrüse von Amphiuma sich derjenigen des ganz jungen Sa- lamanders im Übergangsstadium ähnlich (man vergleiche den folgen- den Abschnitt »Über Conus etc. der Derotremend. Ich will nicht unerwähnt lassen, dass die Reihe der Schnitte der untersuchten Drüse (ich konnte zufällig nur die der einen Seite untersuchen) er- gab, dass die Kanälchen nach dem Herzende zu alle mit einander verschmolzen, und erst das so entstandene einfache Gefäß spaltete sich in die Carotis externa und den ersten Arterienbogen, während ich bei Salamandra (auch bei Rana) immer fand, dass die Kanäl- chen sich nach und nach zu den genannten zwei Gefäßen vereinig- ten. Ohne Zweifel ist der Befund ein rein individueller. Bei den Anuren (Rana esculenta und platyrrhina, Bufo cine- reus) ist die Carotidendriise nur wenig von derjenigen des Salaman- ders abweichend. Es kann bemerkt werden, dass die Höhlung des ersten Arterienbogens (des Carotis - Stammes) wenigstens bei Rana weiter in die Drüse hinein verfolgbar ist!, wenn gleich mit den kleineren Kanälen derselben vielfach verbunden; doch verliert sie sich immer gegen das äußere Ende der Drüse, setzt sich nicht direkt in die Carotis interna fort. — Bei einem großen Bufo fand ich, dass ein kleiner Knorpelknoten in der Drüse eingebettet lag 1 Schon JoH. MÜLLER hat dieses bemerkt (vgl. oben). — Auch BRÜCKE erwähnt das Verhältnis in seiner Beschreibung der Carotidendrüse des Frosches (I. e.). Seinen Angaben kann ich im Ganzen beistimmen; nur ist es nicht voll- kommen zutreffend, wenn er (pag. 356) von der Carotis externa (»Zungenschlag- ader«) angiebt, dass dieselbe sich aus zwei Hauptgängen, einem oberen und einem unteren, entwickelt, »so dass sie mit diesem gabeligen Ursprunge auf dem Halse der Carotidendrüse reitet«; vielmehr ist der Ursprung derselben ganz wie beim Salamander, das heißt, sie entsteht aus mehreren Kanälchen, welche den Anfangstheil des Carotis-Stammes rings umgeben. 176 J. E. V. Boas (Fig. 12). Bei Rana habe ich nie etwas Ähnliches gefunden; die Entscheidung der Frage, ob sein Auftreten bei Bufo konstant ist oder nicht, muss ich Anderen überlassen. — Die Entwicklung der Carotidendrüse der Anuren habe ich nicht im Detail verfolgt; so viel kann ich aber sagen, dass dieselbe dicht an der Stelle, wo die Ca- rotis externa der Larve mit der ersten Kiemenarterie derselben ver- schmilzt, in ähnlicher Weise wie beim Salamander entsteht, und dass sie absolut nichts mit dem Kiemengefäßnetz zu thun hat. Von den verschiedenen über die Funktion der Carotiden- drüsen ausgesprochenen Ansichten scheint mir die Hyrrr’sche an und für sich unbedingt am meisten für sich zu haben. Hyrru (l. e.) sieht in unserem Gebilde ein accessorisches Herz, dazu bestimmt, in die Carotis externa Blut einzutreiben; und es muss zugegeben werden, dass die Carotis externa in einer solchen Weise vom Carotis-Stamm abgeht, dass es kaum zu verstehen ist, wie eine bedeutendere Quan- tität von Blut in dieselbe eindringen könnte, wenn eine besondere Einrichtung für das Einpressen des Blutes nicht vorhanden wäre. Andererseits kann ich aber aus eigener Untersuchung weder Hykru's Angabe, dass das Gebilde selbständig pulsire, noch Leypie’s (l. e.), dass seine muskulösen Elemente eine Spur von Querstreifung dar- bieten, bestätigen. Aber auch ohne dem scheint es mir höchst wahrscheinlich, dass es eine ähnliche Rolle, wie die ihm von HyrrL zugedachte, spielt. Es ist nämlich klar, dass ein spongiöses Gebilde wie die Caro- tidendrüse jedes Mal, wenn der Pulsschlag das Blut in die Arterien- bogen eintreibt, stark mit Blut angefüllt und entsprechend ausgedehnt werden wird. Nach der Ausdehnung wird eine Zusammenziehung ihrer Wände, deren Bau nicht von der übrigen Carotis-Wand ab- weichend erscheint, folgen. Der Effekt dieser Zusammenziehung wird natürlich derart sein, dass das Blut nach den verschiedenen Ausgängen der Carotidendriise hinausstrebt. In den Carotis-Stamm kann es jedoch nicht hineinkommen, weil es einem gewaltigen Ge- gendruck vom hier befindlichen Blute begegnet; dagegen stehen ihm die Öffnungen sowohl in die Carotis interna als in die Carotis ex- terna offen. Hiermit scheint mir eine natürliche, den Beobachtungen entsprechende Erklärung der Funktion unserer »Drüse« gegeben. Ihre Existenz ist durch die eigenartige Ursprungsweise der Carotis externa bedingt, die ihrerseits wieder von den Gefäßverhältnissen der Larven Beiträge zur Angiologie der Amphibien. 177 bedingt wird. Bei denjenigen Formen (Coecilia), bei denen die Ur- sprungsweise der Carotis externa geändert wird! (vgl. Fig. 50 meiner Abhandl. über Conus und Arterienbogen der Amphibien), ist die Caro- tidendrüse werthlos und fehlt. 2. Über Conus und Arterienbogen der Derotremen. Eine empfindliche Lücke wurde in meiner in diesem Jahrbuch erschienenen Abhandlung über Conus und Arterienbogen der Am- phibien dadurch verursacht, dass ich weder Menopoma noch Amphiuma zu untersuchen im Stande war. Während eines kurzen Aufenthaltes in Stoekholm im Sommer 1880, bei Gelegenheit der skandinavischen Naturforscher-Versammlung, hatte ich aber das Ver- snügen mit dem Professor G. Rerzrus zusammenzutreffen, welcher mir in liebenswürdigster Weise ein großes Exemplar von Amphiuma, ein Exemplar von Menopoma, so wie das Herz eines zweiten Menopoma für meine Untersuchungen überließ. Die Exemplare hatten schon als Objekte für Rerzıus’ Untersuchungen über das innere Ohr ge- dient, hierdurch jedoch nicht so sehr gelitten, dass es mir nicht möglich gewesen wäre, nicht nur den Conus sondern auch die Ar- terienbogen an denselben zu untersuchen. Durch das Wohlwollen des Herrn Professor REINHARDT hierselbst bekam ich ferner Gele- genheit ein zweites, und zwar vollständiges, Exemplar von Menopoma für meine Zwecke zu untersuchen. Den beiden Herren spreche ich hiermit öffentlich einen aufrichtigen Dank aus. : A. Conus und Truneus. Der Conus von Menopoma ist wie gewöhnlich spiralig, der Truncus arteriosus ist ungefähr eben so breit wie lang, links ausge- buchtet. In der hinteren Klappenreihe finden sich bei einem Exem- plar sechs Klappen, von welchen jedoch zwei sehr klein sind; bei einem anderen Exemplar waren nur vier Klappen vorhanden. Bei letzterem Exemplar fanden sich in der vorderen Reihe vier Klappen von ungefähr derselben Größe ; beim anderen ebenfalls vier, von welchen zwei die gewöhnliche oder längliche Form besaßen, die dritte beinahe rudimentär, die vierte dagegen sehr breit war; es war ferner an der- 1 Denkt man sich das Herz eines Salamanders nach hinten gezogen, wäh- rend die Ursprungsstelle der Carotis externa am Platz bleibe, würde der spitze Winkel, den dieselbe mit dem Carotis-Stamm bildet, sich allmählich in einen stumpfen umändern. Bei Coecilia ist das Herz eben nach hinten gerückt, während der Ursprung der Carotis externa weit vorn liegt. 178 J. E. V. Boas selben die Spur einer anfangenden Theilung bemerkbar (Fig. 24). In beiden Exemplaren fehlte jede Andeutung einer Spiralfalte. Der Truncus von Menopoma ist hinten einfach, vorn durch Scheidewände in acht Abtheilungen getheilt, den austretenden Ge- fäßen entsprechend (Fig. 17). Von den Scheidewänden ist die me- diane, vertikale, besonders stark ausgeprägt; dagegen ist diejenige, welche die Abschnitte II und III von einander sondert, nicht wie beim Salamander horizontal gelagert. In der vorderen Klappenreihe des Conus von Amphiuma, der wie gewöhnlich die Form einer kurzen Spirale besitzt, fand ich die normalen vier Klappen, von welehen eine — rechts im Conus sitzend — sich in eine ziemlich wohl entwickelte Spiralfalte fortsetzt, die sich ganz ähnlich wie bei Salamandra verhält (Fig. 27). Die Klappe Nr. 4, die im ausgebreiteten Conus an der rechten Seite der soeben erwähnten sich findet, war im untersuchten Exemplar sehr klein, die zwei anderen dagegen recht gut entwickelt. In der hinteren Reihe waren drei selbständige Klappen — die für Salamandra normale Anzahl — vorhanden, von denen jedoch diejenige, welche am hin- teren Ende der Spiralfalte sitzt, in zwei, eine größere und eine weit kleinere, getheilt ist; an der kleineren ist dann wieder die Andeu- tung einer Spaltung in zwei kleinere Klappen zu sehen. Die drei Klappen der genannten Reihe sind. übrigens von der gewöhnlichen kurzen, breiten Form. Der Truncus von Amphiuma ist mehr als gewöhnlich, nament- lich mehr als bei Menopoma, der Länge nach gestreckt; sein vor- derer Theil ist in zwei nur wenig divergirende Äste gespalten (Fig. 26). Über den inneren Bau des Truncus giebt eine Reihe von Querschnitten die beste Auskunft. Fig. 18 stellt einen Schnitt nicht sehr weit vom hinteren Ende des Truncus dar. Es ist leicht ersichtlich, dass derselbe einem ent- sprechenden Schnitt des Salamander-Conus (Fig. 21 meiner Abhand- lung üb. Conus und Arterienbogen der Amphibien) sehr ähnlich ist: der Conus ist in acht Abtheilungen gesondert, wovon die zwei ven- tralen Paare (I und II) durch eine einigermaßen horizontale Scheide- wand von den zwei dorsalen (III und IV) geschieden sind; die Abtheilungen Nr. I sind die kleinsten. Die folgenden, weiter nach vorn gelegten, Schnitte sind dem soeben erwähnten ähnlich; nur werden die Abtheilungen Nr. III immer enger (Fig. 19) und enden schließlich blind an der Stelle, wo der Truncus sich spaltet. Hier sondert sich auch die Abtheilung Nr. IV von den anderen, biegt sich Beiträge zur Angiologie der Amphibien. 179 nach außen und hinten und setzt sich als der vierte Arterienbogen (Pulmonalarterie) fort. Fig. 20 stellt einen etwas schiefen Schnitt dar, welcher eben die Spaltungsstelle des Truncus getroffen hat; an der einen Seite sieht man alle vier Truncus-Abtheilungen, nämlich Nr. I und II, das vorderste Ende von Nr. III, und Nr. IV, die sich eben hier als vierter Arterienbogen abzweigt; an der anderen Seite da- gegen nur die Abtheilungen I und II, durch eine schräge Scheidewand gesondert. Ein ähnliches Bild wie hier an der einen Seite sieht man dann jederseits in den folgenden Schnitten (Fig. 21) bis end- lich auch die Abtheilungen I und II einander verlassen um als er- ster und zweiter Arterienbogen weiter zu laufen. B. Arterienbogen. Bei Menopoma ist an jeder Seite eine Kiemenspalte vorhan- den, und zwar zwischen dem dritten und vierten Kiemenbogen; es ist also die hinterste Kiemenspalte der Salamander-Larve, die sich hier erhalten hat, übrigens eben eine der zwei bei Menobranchus und Proteus verschlossenen !. Die zwei Kiemenbogen, welche die Spalte vorn und hinten begrenzen, besitzen am inneren Rande schwache Spuren der knorpelartigen Vorsprünge, die wir von der Salamander-Larve kennen. Eine schwach oder gar nicht pigmentirte Kiemenplatte war bei den drei hierauf untersuchten Exemplaren immer am vierten Kiemenbogen vorhanden; am dritten Kiemenbogen fand sich bei den zwei Exemplaren jederseits eine kleine Kiemenplatte, am dritten Exemplar war dieselbe rechterseits sehr unbedeutend, während sie an der linken Seite ganz fehlte. Vor und hinter der Kiemenspalte erhebt sich eine dieke Hautfalte, so dass die Kiemenspalte im Boden eines Grübchens liegt und die Kiemenplatten verborgen sind; wie die übrige Haut sind auch diese dicken unregelmäßigen Hautfalten stark pigmentirt. — Bei einem der drei untersuchten Exemplare ? fand ich an der linken Seite oberhalb der Kiemenöffnung eine zun- genförmige, 7 mm lange Haut-Verlängerung, die ohne Zweifel als 1 Im folgenden Schema bedeutet H Hyoidbogen, 1, 2, 3, 4 die vier Kie- menbogen, ©) eine offene, — eine verschlossene Kiemenspalte. Urodel-Larveri Fans. HH, JO LER O2, Or Siren ie oe ner Er la@ 2 wOrisy Ove Menobranchus, Proteus H — 1 ©O 2 © 8 — 4 Menopoma, Amphiuma ZH — 1 — 2 — 30 4. 2 Dasselbe ist im Kopenhagener-Museum aufgestellt. 180 J. E. V. Boas ein ausnahmsweise persistirendes Kiemen-Rudiment gedeutet werden muss. Aus dem Truncus (vgl. Fig. 22) entspringen die gewöhnlichen vier Arterienbogen', von welchen der zweite und dritte ungefähr gleich stark sind, während ihr Diameter ungefähr doppelt so groß als der des ersten ist. Der vierte Arterienbogen war an dem einen Exemplar (nach welchem Fig. 22 gezeichnet ist) eben so wie bei der Salamander-Larve ein haarfeines Gefäß; am anderen Exemplar war er an der linken Seite nicht viel schwächer als der erste Arterien- bogen, an der rechten Seite allerdings schwächer, jedoch stärker als am ersten Exemplar. Der erste Arterienbogen verhält sich ganz wie bei der Salaman- der-Larve im Übergangsstadium, bevor noch eine Spur der Caroti- dendrüse vorhanden ist. In Fig. 22 habe ich genau dessen Verhalten an der linken Seite des einen untersuchten Exemplars wiedergegeben. Eine Spur der obliterirten Kiemenarterie (/a’) ist noch vorhanden — dasselbe fand ich auch an der anderen Seite, so wie beim zweiten Exemplar —; von den Anastomosen zwischen Kiemenarterie und Carotis externa haben sich drei erweitert (z,, 23, ©). An der an- deren Seite desselben Exemplars fand ich, dass nur eine dieser Anastomosen persistirt hatte; das zweite Exemplar verhielt sich an_ der einen Seite — an der anderen missglückte die Präparation — ähnlich wie im abgebildeten Fall. Zwischen dem ersten Arterien- bogen und der Aortenwurzel ist dieselbe Anastomose wie bei der Salamander-Larve vorhanden; sie ist etwas schwächer als die Caro- tis interna. — Vom zweiten und dritten Arterienbogen, die längs der respektiven Kiemenbogen verlaufen und sich oben mit einander vereinigen, gehen ganz oben einige kleine Gefäße — nicht in die Figur eingeführt — ab, welche ich als Rudimente der Kiemengefäße deute. Die Lungenarterie geht — wir beschreiben hier ganz empi- risch — ähnlich wie bei der Salamander-Larve vom dritten Arterien- bogen ab, kurz vor dessen Vereinigung mit dem zweiten. Die Lungenarterie ist kein starkes Gefäß, schwächer als der erste Arte- rienbogen; in sie mündet der vierte Arterienbogen. Bei dem abge- bildeten Exemplar ist es klar, dass die Lungenarterie eben so wie bei der Salamander-Larve die überwiegende Quantität ihres Blutes ! Die zwei auf die Arterienbogen untersuchten Exemplare waren das eine 30, das andere 35 cm lang. Beiträge zur Angiologie der Amphibien. 181 vom dritten Arterienbogen bekam; beim anderen Exemplar, wo der vierte Bogen, das Stück «—ß, so wie die eigentliche Lungenarterie ungefähr gleich stark sind, wurde diese zweifelsohne gleichmäßig vom dritten und vierten Arterienbogen gespeist. Bei Amphiuma findet sich jederseits eine Kiemenspalte, näm- lich zwischen dem dritten und vierten Kiemenbogen; sie entspricht somit vollkommen derjenigen von Menopoma. Am dritten Bogen ist eine recht wohl entwickelte, ziemlich dieke, schwach pigmentirte Kiemenplatte vorhanden, am vierten eine kleinere. Von den knor- pelartigen Vorsprüngen am inneren Rande der Kiemenbogen beste- hen keine sicheren Spuren. Wie es schon aus der Beschreibung des Truneus hervorgeht, besitzt Amphiuma — eben so wie Triton und manche Exemplare von Salamandra — jederseits nur drei Arterienbogen : nur der erste, zweite und vierte Arterienbogen sind vorhanden, während der dritte nur durch den Truncus-Abschnitt Nr. III repräsentirt ist. Von den Arterienbogen (Fig. 25) ist der erste am schwächsten. Er verläuft hinter dem ersten Kiemenbogen, schwillt zu einer klei- nen Carotidendrüse an, giebt eine Carotis externa ab und setzt sich als Carotis externa fort; mit dem zweiten Arterienbogen ist er durch eine ziemlich lange Anastomose verbunden. Etwas oberhalb (wenn die Arterienbogen ausgebreitet sind: außerhalb) der Carotiden- drüse sah ich ein kleines Gefäß abgehen, das vielleicht als ein Überrest eines Kiemengefäßes in Anspruch zu nehmen ist. — Der zweite Arterienbogen ist weit stärker als der erste und verbindet sich wie gewöhnlich mit seinem Gegenüber zur Aorta. — Der vierte Arterienbogen endlich biegt sich, nachdem er den Truncus verlas- sen hat, sofort nach hinten und begiebt sich nach der Lunge; eine Anastomose mit dem zweiten Arterienbogen ist nicht vorhanden. Der vierte Arterienbogen, welcher sich somit direkt in die Lungen- arterie fortsetzt, ist stärker als der erste, aber schwächer als der zweite Arterienbogen !. ! Die stärkere Entwicklung der Lungenarterie von Amphiuma in Ver- gleich mit Menopoma entspricht einer stärkeren Entwicklung der Lunge. Bei einem 30 em langen Menopoma war die rechte Lunge von der gemeinsamen Einmündung der Lungen in den Pharynx bis an das hintere Ende $ cm lang (die linke etwas kürzer); dazu waren die Lungen sehr schmal. Bei einem un- 182 J. E. V. Boas In meiner oben citirten Abhandlung habe ich darzulegen ver- sucht, dass die Perennibranchiaten keineswegs, wie allgemein angenommen wird, als primitive Formen betrachtet werden dürfen, sondern vielmehr nur, mehr oder weniger modifieirte, persistirende Larven-Zustände sind. Ähnlich scheint es, dass die Derotremen aufgefasst werden müssen. Sind die Perennibranchiaten Urodel-Larven, so sind die Derotremen gewiss Urodelen, die im Übergangs-Stadium stehen geblieben. Die zwei Formen, welche die kleine Gruppe enthält, repräsentiren übrigens nicht dasselbe Stadium. Menopoma ist, wie seine Arterienbogen deutlich beurkunden, ein jüngeres Stadium, hat mehr von der Larve an sich als Amphiuma, wel- ches ein älteres Übergangs-Stadium repäsentirt, ein Stadium, das dem Erwachsenen näher steht als Menopoma es thut (der vierte Arterienbogen, die Carotidendrüse). Ferner ist bemerkenswerth, dass, eben so wie Siren im Äußeren weit mehr als Menobranchus vom Urodel-Typus abweichend erscheint, in seinen Cirkulations- und Respirations-Organen aber den ursprünglichen Verhältnissen näher steht als dieser, so ist auch das ebenfalls äußerlich abweichendere Amphiuma innerlich weit ursprünglicher als Menopoma, das nicht nur die Spiralfalte des Conus ganz eingebüßt hat, sondern auch ungemein redueirte Lungen und eine sehr rückgebildete Vorhofs- Scheidewand ! aufweist (vgl. Menobranchus). — Wenn man die Larven-Natur unserer Formen nicht anerkennen will, stößt man auf ähnliche Widersprüche, als wenn man die Perennibranchiaten als einen primitiven Typus auffasst. In erster Linie muss hier auf das Ver- halten des vierten Arterienbogens von Menopoma hingewiesen wer- den; sein Zustand ist ähnlich wie bei der Larve und wie in der eitirten Abhandlung (pag. 562) erwähnt, kann dieser Zustand kei- nen primitiven repräsentiren, er ist eben nur ein Larven - Cha- rakter 2. gefiihr 67 em langen Amphiuma war die rechte Lunge eben so gemessen (also Trachea mitgerechnet) 43 cm lang, die linke 34; und die Lungen stehen hier an Stärke kaum hinter denjenigen von Salamandra zurück. ! Vgl. unten. 2 Die Rückbildung der Menopoma-Lunge scheint mir darauf hinzudeuten, dass die Lungen der Derotremen eben so wenig wie die der Salamander-Larve und der Perennibranchiaten eine respiratorische Rolle besitzt. Leider sind die Angaben über die Lebensweise der Derotremen so ungemein spärlich. s Beiträge zur Angiologie der Amphibien. 183 3. Bemerkungen über das Herz der Amphibien. Die in den folgenden Zeilen mitgetheilten Beobachtungen sind bei Gelegenheit meiner Conus-Untersuchung gemacht. Dieselben ma- chen, was ich ausdrücklich hervorhebe, auf Vollständigkeit keine Ansprüche; sie haben einen ganz gelegentlichen Charakter und sind lediglich dadurch motivirt, dass der Gegenstand ein nur wenig be- arbeiteter ist und irrige Anschauungen über denselben, wie es scheint, nieht ganz selten sind. Vom Sinus venosus kann ich mittheilen, dass derselbe bei den Amphibien ähnlich wie bei Ceratodus in zwei sehr ungleiche Abtheilungen geschieden ist, die kleinere für die Pulmonal-Vene, die größere für die Kérpervenen!. Fig. 16 ist eine möglichst genaue Wiedergabe eines Querschnittes des Sinus venosus von Siredon, nach einem Exemplar gemacht, bei welchem der Sinus mit geronnenem Blut gefüllt und ausgedehnt war. Das Atrium ist immer durch eine Scheidewand in eine rechte und eine linke Abtheilung gesondert. Die Scheidung habe ich bereits bei Salamander- und Frosch-Larven ganz deutlich gefunden (Schnitt- serien). Der linke Vorhof scheint immer der kleinere zu sein. Die Vorhofs-Scheidewand heftet sich immer an die Mitte der beiden Atrioventrieular-Klappen (Fig. 13—14) und endigt hinten mit einem freien Rand vor dem Ostium atrioventrieulare. Bei den Urodelen scheint die Scheidewand — im Gegensatz zu den Anu- ren — immer mehr oder weniger durchlöchert zu sein. Lan- GERHANS ? hat dies bei Salamandra und Triton gefunden und für Erstere kann ich durch eigene Untersuchung (an mit Alkohol ausgespritzten, gehärteten und gefärbten Herzen) seine Angabe be- stätigen. Die Lücken waren zuweilen recht zahlreich, zuweilen aber sehr sparsam; so zahlreich, wie LANGERHANS angiebt, habe ich sie allerdings nicht gesehen. Bei Siredon fand ich ebenfalls kleine Lücken in der Scheidewand, aber spärlich, und es wird sich wohl allgemein bei den normalen Urodelen eine spärliche Durchlöcherung finden. Ungemein große und zahlreiche Lücken fand ich bei Me- nopoma, wo dieselben ein weit größeres Areal als die Balken aus- ‘ Man vgl. SABATIER'S Beschreibung des Sinus venosus des Frosches in seiner großen Arbeit Etudes sur le Coeur, pag. 146. ? Notiz z. Anat. d. Amphibienherzens. Zeitschr. f. wiss. Zoologie, 23. Bd., 1873, pag. 457—458. 184 J. E. V. Boas machen (vgl. Fig. 15). Bei Weitem weniger zahlreich und weit klei- ner als bei Menopoma sind die Lücken bei Amphiuma, wenn gleich gerade nicht spärlich zu nennen. Sehr spärlich ist die Durchlöcherung bei Siren, wenn gleich die Lücken keineswegs feh- len. Bei Menobranchus fand ich, eben so wie Huxtry!, das Septum außerordentlich stark durchlöchert, nur aus einer Anzahl zusammengewebter Fäden bestehend; ganz ähnlich sind auch die Verhältnisse bei Proteus?. Bei Coeeilia ist ebenfalls — wie auch WIEDERSHEIM beobachtet hat? — die Scheidewand von zahl- reichen Lücken durchbrochen‘. — Über den Bau der Scheidewand kann ich anführen, dass dieselbe aus Bindegewebe mit eingeflochte- nen elastischen und Muskel-Fasern besteht. Bei den normalen Anuren (Rana, Bufo, Hyla, Bombinator) ist der Conus und Truncus mit der Wand des Atriums durch loses Binde- gewebe verbunden, während eine solche Verbindung bei den Urode- len und auch bei Pipa nicht vorhanden ist; es ist nicht ohne In- teresse, dass bei Anuren-Larven (Rana esculenta) sogar in sehr vorgerückten Stadien das Atrium nicht mit dem Conus verbunden ist. Bei Coeeilia ist der Conus und Truncus durch einzelne bindegewebige Fäden (was auch in Fig. 49 meiner eitirten Abhand- lung angedeutet wurde) mit dem Atrium verbunden, — woraus jedoch nicht auf eine nähere Beziehung zu den Anuren geschlossen wer- den darf. Von der äußeren Gestalt des Atriums erwähne ich nur, dass dasselbe bei Pipa in mehrere große Lappen ausgezogen ist, welche 1 Huxuey, On the Struct. of the Skull and of the Heart of Menobranchus, Proc. of the Zool. Soc. 1874, pag. 201—202. Pl. XXXII, Fig. 5. 2 Huxrey (l. e., pag. 202) konnte bei Proteus keine Spur eines Septums finden. Dagegen fand er es bei Siren »complete«. 3. Anatomie der Gymnophionen 1879, pag. 78. 4 FRITSCH giebt in seiner Abhandlung »Zur vgl. Anat. des Amphibienher- zens«, MÜLLER’s Archiv 1869, pag. 729, an, dass er zuweilen die Vorhofs- Scheidewand an mit Talg eingespritzten Froschherzen nicht auffinden konnte. Dass die Scheidewand bei Rana — wie der Verf. hieraus schließt — zu- weilen fehlen sollte, scheint mir aus physiologischen Gründen durchaus unwahr- scheinlich, und ich finde es weit natürlicher anzunehmen, dass in den beob- achteten Fällen nur der eine Vorhof mit Masse gefüllt und die Scheidewand ganz zur Seite gedrängt wurde, wodurch der Vorhof als einheitlich erscheinen wird. Ich habe selbst an mit Weingeist injieirten Herzen zuweilen Ahnliches gesehen, wenn gleich ich immer — und ich habe viele Herzen untersucht — eine ganz schöne Scheidewand fand. Ich habe die Angabe von FritscH hier dess- halb erwähnt, weil dieselbe von verschiedenen Verfassern eitirt worden ist. Beiträge zur Angiologie der Amphibien. 185 den Ventrikel zum Theil verhüllen (Fig. 17 meiner Abhandlung über Conus und Arterienbogen der Amphibien). Recht interessant ist es, dass man Ähnliches bei zwei eben nicht verwandten Formen, näm- lich bei Amphiuma (Fig. 26 dieser Abhandlung) und bei Siren findet. Von Atrioventrieularklappen habe ich immer (Salaman- dra, Siredon, Menopoma, Amphiuma, Siren, Menobranchus, Proteus, Rana, Bufo, Coecilia') zwei echte bindegewebige Klappen, eine dorsale und eine ventrale, gefunden. Es sind kurze, breite, bald dünnere (Urodelen‘ bald diekere (Anuren) Taschenklappen, die mit der Ventrikelwand — eben so wie die Conusklappen mit der Conus- wand — durch mehr oder weniger zahlreiche Fäden verbunden sind (Fig. 13, 14). Außer diesen zwei Klappen fanden sich bei Amphiuma noch ein paar kleine überzählige Klappen vor. Der Ventrikel enthält immer einen kleinen Hohlraum, welcher mit den Gängen und Räumen der spongiösen Herzwand in Verbin- dung steht. Niemals ist die Spur einer Theilung in mehrere Ven- trikelabschnitte vorhanden — auch nicht bei Pipa, wo MECKEL »eine deutliche Scheidewand« sah, offenbar durch deren vermeint- liche » Schildkrötenähnlichkeit« irre geleitet?. Ich möchte hier nicht unerwähnt lassen, dass Pipa — wie auch MEckEL bemerkt — im Vergleich mit Rana und Bufo sich durch die Kürze ihres Ventrikels auszeichnet — eben so wie die Urodelen es gewöhn- lich thun (Salamandra, Siredon, Menopoma; nur wenig länger als bei diesen ist der Ventrikel bei den langgestreckten Amphiuma und Proteus, etwas länger bei Siren, noch mehr bei Coecilia). Kopenhagen, Januar 1882. 1 Es ist gerade nicht in einer sehr glücklichen Weise dass WIEDERSHEIM unseren Klappenapparat beschreibt (Anat. d. Gymnophionen, pag. 78): »Im Sep- tum atrio-ventrieulare finden wir eine schöne Valvula tricuspidalis mit allen ihren Attributen, sehr zierliche Chordae tendineae etc.« In der That finden sich bei Coecilia die gewöhnlichen zwei Atrioventricularklappen, in gewöhnlicher Weise durch einige feine kurze Fäden an die Wand geheftet; mit den Chordae tendineae der Säugethiere haben die Fäden eben so wenig zu thun als die Klappen mit der Valvula tricuspidalis. 2 MECKEL, System der vgl. Anatomie, V. Theil, pag. 217. Morpholog. Jahrbuch. 8. 13 Fig. Fig. Fig. Erklärung der Abbildungen. Tafel VI—VIII. 1—5 sind Querschnitte durch die Carotidendrüse eines erwachsenen Sa- lamanders an dem Übergang derselben in den ersten Arterien- bogen und in die Carotis externa, also durch das innere Ende der »Drüse«; Fig. 1 ist der äußerste, Fig. 5 der innerste der fünf Schnitte. In Fig. I sieht man außerdem noch die Querschnitte der zwei ande- ren Arterienbogen. Ja die frühere erste Kiemenarterie, ce Wurzel der Carotis externa, 2 und 4 zweiter und vierter Arterienbogen. 6. Querschnitt durch das innere Ende der Carotidendrüse eines jungen Salamanders mit ganz kurzen Kiemenstummeln. Man sieht noch ganz deutlich die Grenze zwischen den zwei mit einander verschmol- zenen Gefäßen, der früheren Kiemenarterie (1a) und der Carotis ex- terna (ce). 7—9 stellen Querschnitte durch die anderseitige Carotidendriise dessel- ben Individuums vor, Fig. 7 ungefähr durch die Mitte, 8 und 9 näher dem äußeren Ende der »Drüse«. iv’ Überrest der Kiemenvene, längs durchgeschnitten. . 10. Querschnitt durch die Carotidendrüse eines anderen jungen Salaman- ders. . 11. Querschnitt der Carotidendrüse von Amphiuma. . 12. Querschnitt der Carotidendrüse von Bufo cinereus. An Knorpelkern. . 13. Atrioventricularklappe (ventrale) von Rana. .14. Atrioventricularklappe (ventrale) von Salamandra. at Atrium, ve Ventrikel, sch Vorhofs-Scheidewand, abgeschnitten, %2 Klappe. .15. Theil der Vorhofs-Scheidewand von Menopoma. r hinterer, freier Rand derselben. ig. 16. Querschnitt des Sinus venosus von Siredon. svp Pulmonalis-Ab- theilung des Sinus, sev Körpervenen-Abtheilung desselben. . 17. Querschnitt des Truncus arteriosus von Menopoma. J, II, III, IV die vier Abtheilungen des Truncus, den Arterienbogen entsprechend. .15— 21. Vier Querschnitte des Truncus von Amphiuma, aus einer größeren Reihe erwählt, Fig. 18 am weitesten nach hinten, Fig. 21 am weitesten nach vorn gelegen. I >it = | Pet, een or ow Be ” TEN Lith Ans. Baoh Leipzig, P- 7 : be an , ‘cb Se Morphol. Jahrbuch Ba Vill Taf vu Boas del Verlag v. Wilh. Engelmann, Leipzig Lith.Anst.v.d.B.Bach, Leipzig 4 i “ ie Fi 5 La a 5 fi 7% von 2 q vi [a zo » E + a! » a ” x 3 4 ¢ D ” = = 4 = 2 - - y > ay aa Ye | w ~~ = cil a x i, ” - En» > a r Zu - 7 . En ws 5 rary" “Bp a . ‘ + 4 Ki » Verlag v.Wilh Engelmann, Leipzig. TaF.Vill: Lith.Anst.v.J.6.Bach, Leipzig. a . Bi pe Ce 6: 2 : tan Fig. 22. Fig. 23. Fig. 24. Fig. 25. Fig. 26. Fig. 27. Beiträge zur Angiologie der Amphibien. 187 Arterienbogen von Menopoma (ungefähr in doppelter Größe). tr Truncus, 1, 2, 3 die drei ersten Arterienbogen, 4 und «— 8 der vierte Arterienbogen, ce Carotis externa, ci Carotis interna, p Lun- genarterie, aw Aortenwurzel, ao Aorta, 1a’ Uberrest eines Kiemen- gefäßes, wahrscheinlich der Kiemenarterie, 2,—23; Anastomosen. Vgl. Fig. 31 und 34 meiner Abhandl. üb. Conus und Arterienbogen d. Amphibien. Herz desselben. co Conus, ve Ventrikel, a? Atrium, sv Sinus venosus. Die übrigen Buchstaben wie in Fig. 22. Conus desselben, der Länge nach aufgeschnitten und ausgebreitet. Arterienbogen von Amphiuma (ungefähr natürlicher Größe). Iv’ wahrscheinlich ein Überrest der Kiemenvene, cd Carotidendrüse. Die übrigen Buchstaben wie vorhin. Herz desselben. Conus desselben, aufgeschnitten und ausgebreitet. 13* Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. Von Dr. 6. Born. (Aus dem anatomischen Institute zu Breslau.) Mit Tafel IX—X. IM. Mit den folgenden zwei Abhandlungen schließe ich eine Reihe von Arbeiten über die Morphologie des Ethmoidaltheiles des Wirbel- thierkopfes, die sich an die Entdeckung des Thränennasenganges bei den Amphibien angeknüpft haben (Litteraturverzeichnis IX, X, XI). Die erste, die die Ringelnatter als Repräsentanten der Schlangen be- handelt, habe ich selbst schon im Winter des Jahres 1879 begonnen; durch mannigfache andere Aufgaben abgezogen, komme ich erst jetzt dazu dieselbe zu vollenden; — die zweite über die Entstehung des Thränennasenganges der Säugethiere (IV) übernahm auf meine Anregung hin Herr Dr. Lu@at, z. Z. Assistent an der hiesigen in- neren Klinik, als Dissertationsarbeit.. Um endlich zum Abschluss mit dem so wie so sehr umfangreichen und schwierigen Material zu ge- langen, verzichtete ich darauf andere Ophidier zum Vergleich heran- zuziehen, obwohl schon die wenigen Schnittserien, die ich durch den Kopf junger Kreuzottern legen konnte, noch mehr aber die mannigfal- tigen Befunde in der Arbeit meines Freundes SOLGER (VII) mancher- lei interessante Ausbeute versprachen. Dr. LEGAL hat sich wesentlich auf die Klarstellung der strittigen Punkte in der Entwicklungsge- schichte des Thränennasenganges der Säuger beschränkt. Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 189 Da ich nicht glaube, dass ich zu dem jahrelang bearbeiteten Gebiete noch einmal zurückkehren werde, sei es mir gestattet we- nigstens einzelne wichtige Punkte meiner bisherigen Arbeiten hier nochmals zu berühren und die Fragen zu betonen, die sich für spä- tere Untersuchungen in den Vordergrund drängen. Am Schlusse meiner ersten Arbeit (IX pag. 64) habe ich ausgeführt, dass die Anordnung der Theile der Regio ethmoidalis im einfachsten Falle bei den Amphibien Anknüpfungspunkte an die bezüglichen Verhält- nisse bei den Selachiern bietet. Die bei diesen seitlich und nach unten von dem vorderen, nur häutig geschlossenen Ende des Schä- dels (Praefrontallücke) gelegenen Nasenkapseln rücken bei den Am- phibien allmählich vor dem Schädel zusammen und schließen hier einen ebenfalls nur häutig von dem Gehirn abgegrenzten Raum, den Internasalraum, zwischen sich. Doch bleibt schon bei den geschwänzten Amphibien dieses primitive Verhältnis, das noch bei Pelobateslarven erhalten ist, nicht überall bestehen, sondern unter sehr wechselnder Form, bald vorn, bald hinten, bald in der Mitte, rücken die knor- peligen Wände des Internasalraumes bis zur Berührung und Ver- schmelzung zusammen und bilden so zum ersten Mal ein knorpeliges »Septum«. Die knorpligen Nasenkapseln selbst wachsen aus den Rändern der Enden der Trabekel aus. Diese hier wiederholte Theorie hat bisher kaum Beachtung gefunden; PARKER übergeht dieselbe in seinen umfangreichen Veröffentlichungen über den Schädel der Wir- belthiere, eben so wie die meisten anderen deutschen Arbeiten, mit Stillschweigen. — Die Bildungsweise der Choane bei den Amphibien ist, wie bekannt, von der Bildungsweise derselben Öffnung bei den Amnioten sehr different. Trotzdem lässt sich die Homologie der primitiven, dicht hinter dem Lippenrande ausmündenden Choane der Amnioten mit der bleibenden Choane der Amphibien nicht von der Hand weisen (Genaue- res darüber X pag. 129). Die Umbildung der primitiven Choane bei den Amnioten, ihr Verhältnis zur Kieferhöhle, zum Jacobson’schen Organe (J.O.) u. s. f. bei den einzelnen Amniotenklassen kann ich hier nicht rekapituliren und verweise desshalb auf die Zusammen- fassungen am Schlusse der einzelnen Arbeiten. Die Muschelfrage hat ihre Würdigung X pag. 133 u. fg. gefunden. Vögel und Sau- rier bilden eine besondere, mit niedrigem Epithel bekleidete Vorhöhle der Nase aus. — Der Thränennasengang, der sich überall zum srößern oder kleinern Theil als leistenförmige Einwachsung des Epithels der äußern Haut zwischen Nasenöffnung und Auge anlegt, ist von mir noch bei den Salamandrinen nachgewiesen worden; sein 190 G. Born Nasenende zeigt zu dem bei dieser Familie in der allerersten Andeu- tung vorhandenen »primären Muschelwulste« Lagebeziehungen, die sich in der Entwicklungsgeschichte aller übrigen Klassen wiederholen. Die nächstliegende Frage ist die: Existirt ein entsprechendes Organ bei denjenigen Amphibien, die, so weit unser jetziges Wissen reicht, ihrer Organisation nach, auf ein beständiges Wasserleben angewiesen sind, bei den Perennibranchiaten und Derotremen? und weiterhin: kommt dasselbe auch bei den Dipnoern vor? — Bei Proteus existirt kein Thränenkanal, so viel kann ich bestimmt behaupten; — doch will der negative Befund bei diesem Höhlenbewohner mit den höchst redueirten Sehorganen nur wenig besagen; der Kanal könnte hier auch rückgebildet sein; — Für die übrigen Glieder der genannten Familien verfüge ich bis jetzt über keine eigenen Erfahrungen, ver- mag also nicht zu entscheiden, ob die Ausbildung eines besonderen das überschüssige Sekret aus der Conjunctivalhöhle zur Nasenhöhle abführenden Ganges schon vor dem Beginne des dauernden Luft- lebens einsetzt oder diesem mehr oder weniger spät nachfolgt. — Die eigenthümliche, konstante Entstehungsweise des Thränennasen- ganges aus einer von der Epidermis her einwachsenden Epithelleiste hat bei mir und ganz unabhängig davon bei meinem Freunde SOLGER die Idee wachgerufen, ob man diese Bildung nicht vielleicht auf die sanz ähnlich angelegten Schleimkanäle oder die Gallertröhren der Fische zurückzuführen hätte; doch bleibt dies natürlich vorläufig nur eine zu weiterer Forschung anregende Hypothese. Das Material für die vorliegende Arbeit bestand in einer großen Zahl verschieden weit entwickelter Embryonen von Tropidonotus na- trix, die ich selbst im Jahre 1879 und 80 zuerst in schwächeren, dann in 90 %/,igen Alkohol eingelegt hatte. Dieselben wurden auf einer Wachsplatte in der Konservirungsflüssigkeit gestreckt; doch gelang mir dies nur bei älteren Embryonen recht vollkommen, ich ziehe es daher vor anstatt der unsicheren Gesammtlängenmaße nur die Kopflängen zu geben, die sehr einfach dadurch gewonnen wurden, dass ich die abgeschnittenen Köpfe der gehärteten Embryonen auf ein Millimetermaß legte und mit Beobachtung der nöthigen Cautelen die Entfernung der Schnautzenspitze von dem am meisten nach hinten vorspringenden Theile des Mittelhirns ablas. Mit der Streckung der Sphenoidalkrümmung wird freilich der hintere Grenzpunkt unsiche- rer, doch haben sich bis zu dieser Periode schon die wichtigsten Veränderungen am Ethmoidaltheil des Schädels abgespielt und dürfen a Von Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 191 für die älteren Stadien die Gesammtlängenmaße mit größerer Si- cherheit verwendet werden. Natürlich weiß ich sehr wohl, dass das gewählte Maß nicht die volle Länge des Kopftheiles ausdrückt. Wie überall in der Entwicklungsgeschichte macht man aber auch hier die Erfahrung, dass kein Längenmaß genau parallel der Ent- wicklungshéhe anwächst. Die Methodik des Färbens, Schneidens, Auflegens und Modellirens habe ich in den Einleitungen zu meinen früheren Arbeiten ausführlich genug dargelegt und verweise hier auf das dort Gesagte. Der jüngste Kopf, den ich besitze, zeigt das Geruchsorgan so wie es RATHKE (I pag. 42) beschreibt, in Form einer kreisförmigen flachen Delle, die man in der Haut am untern Rande der Seitenfläche der kugelförmig vorspringenden Großhirnhemisphäre eingegraben findet. Fig. 1 auf Taf. 27 bei PARKER (II) giebt ein ausreichendes Bild von diesem Stadium. Die Delle oder das Schiisselchen, wie es RATHKE bezeichnet, erscheint relativ sehr groß, größer, wie die dreieckig verzogene Öffnung der sekundären Augenblase. Die Ränder dersel- ben sind nur wenig aufgewulstet, nur am hinteren oberen Rande hatte sich der die Delle begrenzende flache Saum mehr verdickt und erschien ein wenig über die Fläche derselben nach unten und vorn hinweggeschoben. Der Grund der Delle ist nicht eben, sondern am vordern Rande seicht eingedrückt, es ist dies die erste Andeutung des Jacobson’schen Organes. Die Flächen der Dellen sehen ganz nach seitwärts, zwischen ihnen geht die Kontour des Kopfes breit und im abgerundeten Bogen von der vorderen auf die untere Seite herum, eben so biegt die untere Umgrenzung der dicht hinter der Großhirn- hemisphäre gelegenen Augenhügel größtentheils abgerundet auf die untere Fläche um, die kurzen leistenförmigen Oberkieferfortsätze reichen noch nicht über die Mitte des untern Umfangs des Augen- hügels nach vorn hinaus. »Unten« und »vorn« beziehen sich hier auf einen auf Kosten der Nacken- beuge aufgerichteten Kopf, bei natürlicher Lagerung sieht die hier als unten bezeichnete Fläche nach hinten, die vordere nach unten. — PARKER zeichnet in seiner Figur 2 zwischen den Nasendellen schon einen Nasofrontalfortsatz, er bezeichnet denselben als ersten präoralen Visceralbogen, die Oberkieferfortsätze sind die zweiten präoralen. Die Furche, die sich schon in diesem Stadium zwischen dem oberen Rande des Oberkieferfortsatzes und dem Augenhügel fin- det, ist PARKER’s erste Kiemenspalte, die »Nasolacrymalspalte«. Er sagt von ihr in seinem mit BETTAny zusammen herausgegebenen Lehrbuche (III, pag. 9): »Diese Spalte öffnet sich in das Dach der letzteren (Mundhöhle), wo kein 192 G. Born sekundärer Gaumen zur Ausbildung kommt, dagegen in den Nasengang, wo ein solcher Gaumen besteht. Sie wird verschiedentlich sowohl als Thränenkanal wie als Orbitonasalkanal bezeichnet.« In II pag. 391 bemerkt derselbe Autor von der fraglichen Spalte etwas vorsichtiger: »I am not certain whether this cleft is. quite open within; its morphological importance is the same.« Ich kann dem gegeniiber auf das Bestimmteste versichern, dass eine solche Spalte bei keiner Wirbelthierklasse von den Amphibien aufwärts jemals existirt, auch in dem Sinne nicht, dass etwa nur eine epitheliale Verbindung ohne Lumen zwischen Gesichts- und Gaumenfläche zu finden wäre. Die Bildung des Thrä- nennasenganges ist, wie ich weitläufig nachgewiesen habe, eine ganz andere. An jedem unverletzten Querschnitt eines embryonalen Kopfes durch die be- treffende Gegend lässt es sich mit Leichtigkeit nachweisen, dass die Furche zwischen Auge und Oberkieferfortsatz blind endigt. In wie fern sich der Ober- kieferfortsatz als präoraler Visceralbogen auffassen lässt, da bei den Selachiern in denselben eine Fortsetzung der Kopfhöhlen (Leibeshöhle des Kopfes) ein- tritt und gewisse Kopfnerven (Augenbewegungsnerven) als zugehörige seg- mentale Nerven gedeutet werden können, ist bei BALFouR (A Monograph of the development of Elasmobranch Fishes London 1878) pag. 211—216 nach- zulesen. Die folgenden Veränderungen sind wieder von RATHRE in aus- gezeichneter Weise beschrieben worden (I. pag. 43 und weiterhin im Anfange des $ 57 pag. 56). Ich habe, wie aus meiner Dar- stellung erhellen wird, nur wenig hinzuzufügen. Der wesentlichste Fortschritt ist der, dass der hintere obere verdickte Rand der Nasen- delle in Form eines Vorhangs über die Fläche derselben nach unten und vorn hinwegwächst. Der freie Rand dieses vorhangförmigen Lappens, Raruke’s Nasendach) ist Anfangs gerade, je weiter er vor- schreitet um so merklicher springt seine Mitte in einem abgerunde- ten Winkel vor (vgl. Fig. 1). Inzwischen hat sich der ursprünglich sanfte Eindruck im vorderen unteren Umfang der Nasendelle zu einer besonderen Grube vertieft, die gegen den übrigen Bezirk durch einen deutlichen, verdiekten Rand abgesetzt ist. Schließlich werden diese Gruben zu kugelförmigen Hohlräumen, die nur mehr durch ein run- des Loch im vorderen Umfang der inzwischen spaltförmig geworde- nen Nase ausmünden (vgl. Fig. 1 J. 0.); es sind dies die Anlagen der Jacobson’schen Organe, der Nasendrüsen RATHKE’S und PARKER'S. — Die vorderen Wände dieser Hohlräume nehmen sehr rasch an Dicke zu und bilden zwei halbkugelige Hervorragungen, die an der Übergangs- stelle der Gesichts- und Gaumenfläche angewachsen sind und allmäh- lich eine deutlichere Grenze zwischen diesen beiden setzen (vgl. Fig. 1). Zwischen ihnen findet sich eine ausgerundete Rinne; erst später füllt sich diese bogenförmige Übergangsstelle zwischen Gesichts- und Gau- menfläche auch in der Mitte stärker an; der ganze Vorsprung an der Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 193 Unterseite der Großhirnhemisphären zwischen den beiden Nasen- gruben stellt den Stirnfortsatz RATHKE'S, je eine Hälfte desselben den inneren Nasenfortsatz KOLLIKER’s (N) dar. Bei zwei Köpfen von Embryonen von Pelias berus, die mir vorliegen, bleibt das »Na- sendach« RATHRE’s in seinem Vorschreiten über die Nasengrube re- lativ gegen Tropidonotus zurück und man kann daher bei densel- ben das durch Ausbildung des Jacobson’schen Organs verursachte Relief noch viel besser übersehen ; — die Öffnungen des Jacobson’schen Organs sind hier etwas in die Länge gezogen. Auch eine Serie von Köpfen von Anguis fragilis, die ich daraufhin untersucht habe, zeigt ganz dieselben Verhältnisse; ich füge dies hinzu, weil mir bei mei- ner Saurier-Arbeit diese Stadien fehlten. Am Ende geht die Nase durch das Vorwachsen des RATHKE- schen Nasendach’s aus dem Stadium, in dem sie eine flache Grube oder Delle darstellt in das einer Tasche über, wie in Fig. 1. Man sieht, der Spalt, der in die Tasche führt, ist winklig geknickt: der- selbe ist nach vorn auf die Gesichtsfläche, nach unten auf die Gau- menfläche des Kopfes geöffnet. Es sind dies Köpfe von etwa 4 mm Länge (die größte Distanz zwischen vorderem und hinterem Kopf- ende im Profil gemessen. Es handelt sich hier übrigens nicht allein um ein Vorwachsen des hinteren oberen Randes der Nasen- delle über die Fläche derselben hinweg, so dass diese selbst bei der Umbildung gar nicht betheiligt wäre, sondern schon RATHkE spricht mit Recht von einer Umbildung der Nasenschüssel selbst in eine Mulde. Wenn nicht eine solche mit im Spiele wäre, wäre die Ausbreitung des hohen Riechepithels über den Grund und die Außenwand der Nasentasche nicht erklärlich. Der untere an der Gaumenfläche ge- legene Theil der Nasenspalte zieht schräg nach außen und hinten. Er reicht jetzt gerade bis an die Spitze des Oberkieferfortsatzes (O). der inzwischen, als eine ungefähr eylindrische Leiste unter dem Auge hinweg nach vorn gewachsen ist. An der Gesichtsfläche erreicht derselbe das Nasendach RATHKE's, oder wie wir es mit KÖLLIKER bezeichnen wollen, den äußeren Nasenfortsatz (aN). Wird diese Verbindungsstelle etwas breiter, so erscheint sie als eine flache Furche, die Thränenrinne der Autoren. Der Oberkieferfortsatz grenzt nach oben in einer tieferen Rinne an den Augapfel; noch ist aber an demselben eben so wenig, wie an der Grenze des äußeren Nasenfortsatzes gegen das Auge, ein besonderer Lidwulst abgesetzt. An der Stelle, wo die mediale Fläche des Oberkieferfortsatzes in einem abgerundeten Winkel in die Gaumenfläche umbiegt, findet 194 G. Born sich an demselben eine nach vorn verschmälerte, niedrige Leiste, die erste Andeutung eines Gaumenwulstes (Fig. 1 Og). Die Unterfläche des Jacobson’schen Organs und das zwischen den Gaumentheilen der Nasenspalte gelegene Feld ist in einem seichten Flächenwinkel gegen den übrigen Gaumentheil gestellt. Die ganze Gaumenfläche des Schädels zeigt sich nun nicht mehr wie zur Zeit der schüssel- oder dellenförmigen Bildung der Nase von rechts nach links konvex, sondern zwischen den leistenförmigen nach vorn gewachsenen Ober- kieferfortsätzen in gleicher Richtung konkav. Für die Nasentasche ist noch zu bemerken, dass dieselbe an der medialen Wand über und vor der Öffnung des Jacobson’schen Organes eine wie mit der Nadel gestochene Vertiefung (siehe Fig. 1) zeigt, die auch an den Schnittpräparaten deutlich erkennbar ist. — Aus der geschilderten Entwicklung der Nasentasche aus einer mit der Fläche seitlich und etwas nach vorn gestellten Delle, die vom hinteren Rande her von einer vorhangartigen Hautfalte überwachsen wird, ergiebt sich schon, dass die Nasenspalte nicht gerade nach hinten, sondern schräg nach außen in die Substanz des Ethmoidaltheils des Kopfes eingegraben sein muss, dass also die Scheidewand zwischen beiden Nasentaschen (RATHKE'S Stirnfortsatz, innere Nasenfortsätze) vorn schmäler hinten breiter ist. RATHKE unterscheidet die bei den Säugethieren und Vögeln hörnerartig nach außen vorspringenden, unteren seitlichen Enden seines Stirnfortsatzes mit einem besonderen Namen als »Flügel des Stirnfortsatzes« (vgl. meine Arb. XI Tafel XXIII Fig. 1 &); bei der Natter, bemerkt er ganz richtig, sind dieselben für die äußere Betrachtung ganz verhiillt. RATHKE meint, dies käme dadurch, dass der »oben erwähnte Hautsaum oder das Nasendach auf sie übergehe und von ihnen bis zu ihrem hervorragenden Ende einen Saum bilde«. Richtiger scheint es mir zu sagen, dass dieselben in der starken, kugelförmigen Auftrei- bung, die die Vorderwand des Jacobson’schen Organes bildet, enthalten sind. Bemerken will ich noch, dass das, was hier äußerer Nasenfortsatz genannt ist, eigentlich mehr enthält, als das RATHkE’sche Nasendach, denn aN bezeichnet die ganze Anschwellung zwischen der Nasenspalte und dem Vorderrande des Auges. Ubrigens nimmt es RATHKE selbst späterhin mit seiner Bezeichnung nicht so genau. An Köpfen von etwas über 4 mm Länge spielt sich die nächste wichtige Veränderung ab; die Trennung zwischen Apertura externa und primitiver Choane. Im Übrigen unterscheiden sich dieselben nur wenig von den bisher geschilderten. Die besagte Trennung geschieht folgendermaßen: der lappen- oder vorhangförmige äußere Nasenfortsatz, welcher noch etwas mehr vorgewachsen ist, legt sich Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 195 mit seiner Spitze und mit dem größten Theile seines Vorderrandes an die Außenfläche des inneren Nasenfortsatzes vor der oberen Hälfte des zum Jacobson’schen Organ führenden Loches an und ver- schmilzt mit derselben. Nur oben bleibt eine ganz kleine punkt- förmige Öffnung. die Apertura externa (Fig. 2 Ae), frei und dies auch nur auf kurze Zeit, denn sehr bald legen sich auch hier die Epi- thelflächen an einander und die Öffnung wird verlegt. Doch bleibt an dieser Stelle immer eine Einziehung sichtbar und der nach innen führende Epithelstrang bleibt erhalten — späterhin weichen hier natürlich die Epithelien wieder aus einander —, während in dem darunter liegenden Theile der Verschmelzung der Epithelien binnen kurzer Zeit eine Verschmelzung der bindegewebigen Grundlagen mit Verdrängung der trennenden Epithelschicht folgt. Der untere Rand des winkligen Lappens, der das Raruke'sche Nasendach (aN) dar- stellt, verschmilzt nicht mit dem gegenüber liegenden Rande, sondern bleibt von ihm durch eine breite schräg nach hinten und außen zie- hende Spalte getrennt, die primitive Choane (Fig. 2 Ch). In dem vorderen Theil derselben bemerkt man an der Innenwand leicht den großen runden Eingang in das Jacobson’sche Organ, dieht über und vor demselben hat die Verschmelzung des äußeren und inneren Na- senfortsatzes stattgefunden. Das vordere Ende des Oberkieferfort- satzes ist etwas mehr vorgewachsen und ein wenig über das hintere Ende der primitiven Choane nach innen hinweggeneigt, eben so neigt sich der darauf folgende Theil des Oberkieferfortsatzes resp. dessen Gaumenwulst über die Fläche des Gaumens hinweg, so dass hier eine Art Rinne entsteht, die die primitive Choane nach hinten fortsetzt. Deutlicher wird dies noch dadurch, dass der innere Rand der Choane sowohl, wie der darauf folgenden Rinne, an der Gaumenfläche in Form einer Leiste erhoben ist, doch ist dieses he- lief jetzt noch so fein, dass es nur mühsam zu erkennen ist. Aus Frontalschnittserien und den danach gearbeiteten Modellen ergiebt sich für dieses Stadium Folgendes: Die Epidermis ist jetzt wie bei allen übrigen Wirbelthierklassen in entsprechenden Stadien zweischichtig; über einer Cylinderzellenlage ist eine Schicht plat- ter, kernhaltiger Zellen ausgebreitet: die verschiedene Höhe der Cylinderzellen an einzelnen Stellen kommt wohl wesentlich auf Rechnung der verschiedenen Schnittrichtung. Eine Basementsmem- bran ist wahrscheinlich vorhanden. Die Mittelblattlage der Ethmoidal- gegend besteht aus einem ziemlich gleichmäßigen und dichtkernigen Schleimgewebe, das von relativ weiten, aber nur kapillar gebauten 196 G. Born Gefäßen und von deutlichen Nervenanlagen durchzogen ist. Um das Gehirn herum ist das Schleimgewebe bedeutend kernärmer, dafür erscheinen die Kerne größer und die protoplasmatischen Fortsätze der Zellen in der reichlicheren Zwischensubstanz deutlicher, dieselben sind der Oberfläche des Gehirns annähernd parallel stratifieirt. An der oberen Seite des Centralnervensystems ist die Epidermis ent- schieden nur einschichtig, sie wird von einer Lage ziemlich platter Zellen gebildet. Unter dem Hirn, zwischen den Augen bemerkt man in dem zellenarmen Schleimgewebe zwei platte Balken, die aus einer kernreicheren, verdichteten, übrigens nicht scharf abgegrenzten Sub- stanz bestehen. Dieselben ziehen von einem vor der Hypophysis-Anlage gelegenen Stücke nach vorn, werden aber vor dem hinteren Umfange der Nasenhöhlen schon undeutlich. Es sind die ersten Anlagen der RATHKE'schen seitlichen Schädelbalken im Zustande des Vorknor- pels. — In der Apertura externa ist das Lumen der Nasenhöhle in diesem Stadium. wie schon erwähnt, obliterirt, zwischen den basa- len Cylindern finden sich mehrere Lagen polygonaler, heller Zellen. Doch ist diese »Verschmelzungsstelle« nicht lang: wenn man sich dieselbe als Kanal (ohne Epithel) modellirt, stellt sie einen schrägen Spalt dar, der sich bald in einen kurzen nach hinten führenden Gang öffnet, der über und vor dem Jacobson’schen Organ gelegen und sehr weit nach innen eingebuchtet ist. Diese über dem vorde- ren Rande des Jacobson’schen Organes gelegene Einbuchtung sah man schon in Figur 1 als eine wie mit der Nadel gestochene Ver- tiefung: leider ist dieselbe an der Figur nicht so deutlich wie an den Präparaten zu sehen. Dieser erste vor der Einmündung des Jacobson’schen Organes gelegene Theil der Nasenhöhle ist mit hohem Riechepithel ausgekleidet, das sich gegen sein zugeschärftes unteres Ende in niedriges Epithel umwandelt und sich dort bei jüngeren Köpfen in einen dünnen Epithelstrang fortsetzt, der durch das Schleim- gewebe hindurch bis zur Epidermis zieht. Es ist dies der Rest der mit einander verschmolzenen Epithelflächen des inneren und äußeren Nasen- fortsatzes. Wie stark der Druck dieser mit einander verschmelzenden Fortsätze auf die dazwischen liegende Epithelschicht ist, konnte man an manchen Präparaten daraus ersehen, dass das Epithel in Form eines kleinen Pfropfes in die Nasenhöhle hinauf gepresst erschien. An Köpfen von älteren Embryonen von Tropidonotus natrix sind natür- lich Epithelstrang und Epithelpfropf verschwunden und die Binde- gewebslagen, denen dieselben aufsaßen, haben sich von beiden Seiten mit einander vereinigt: — ich habe es nicht für nöthig gehalten eine Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 197 Abbildung davon zu geben. — Das Ende dieses ersten Abschnittes der Nasenhöhle ist dadurch bezeichnet, dass sich dieselbe nach unten in eine auf die Gaumenfläche durchschneidende Spalte, die primitive Choane , verlängert. Die Wände der Spalte sind mit niedrigem zweischichtigen Epithel bekleidet (vgl. Fig. 10). Am oberen Rande der Innenwand der Spalte öffnet sich vorn in einem weiten runden Loche das Jacobson’sche Organ. Dasselbe bildet eine medialwärts gerichtete, kugelförmige Ausbuchtung der Nasenhöhle, die bei Tropidonotus-Embryonen fast eben so lang ist, wie die Nasen- höhle selbst. Die Öffnung liegt dem vorderen Ende der Hohlkugel näher, als dem hinteren. Das hohe Riechepithel des Jacobson’schen Organes wird gegen die Ränder der Öffnung hin etwas niedriger. Der vordere untere Umfang der letzteren bildet übrigens jetzt schon einen wenn auch nur schwach gegen das Lumen vorspringenden Wulst (w/). — Der ganze hintere, nach unten geöffnete Abschnitt der Nasenhöhle stellt eine auf dem Frontalschnitt birnförmige Tasche dar, die, an der äuße- ren Seite des Jacobson’schen Organes gelegen, eine Strecke weit nach oben und wenig nach. hinten von diesem eingegraben ist, so dass an einem Modell der Nasenhöhle das Jacobson’sche Organ einen deutlichen Vorsprung an der unteren Hälfte der medialen Wand bildet. Oberhalb des Eingangs in das Jacobson’sche Organ sind die Nasentaschen nur wenig weit nach innen vorgebuchtet, so dass hier die Entfernung beider Nasenhöhlen bis 1050 u beträgt, erst am hintern Umfang des Jacobson’schen Organes sind dieselben wie- der etwas weiter nach einwärts und zugleich auch etwas mehr nach oben eingegraben. Der obere und hintere Grund ist mit hohem Riechepithel überkleidet, das sich eine Strecke weit an den Seiten- wänden herabzieht. Die laterale Wand springt nach innen sanft vor; so weit der Oberkieferfortsatz nach vorn gewachsen ist, findet sich zwischen ihm und diesem Vorsprunge an der Seitenwand der Nasenhöhle eine Rinne; der Vorsprung ist die erste Anlage der Nasenmuschel der Schlangen. An der medialen Wand geht das Riechepithel hinter der Einmündung des Jacobson’schen Organes weiter herab, als an der lateralen. Das hintere Ende der Nasen- tasche fällt jetzt noch mit dem hinteren Rande der Choanenspalte ziemlich genau zusammen, kaum dass dasselbe etwas weiter nach rückwärts reicht, als diese. Zwischen und über dem hintern Grunde der Nasentaschen ragt das Riechhirn ein. Frontalschnitte, die den vorderen Rand der Augenhügel treffen, gehen gerade durch das hin- tere Ende der Riechtaschen. 198 G. Born Das folgende Stadium umfasst Embryonen mit Köpfen bis zu 5 mm Länge. — Die Hauptveränderung, die sich demnächst bei der Ausbildung des Ethmoidaltheiles des Kopfes abspielt, besteht in dem raschen Vorwachsen des Oberkieferfortsatzes. Während derselbe bisher nach vorn kaum an den Vorderrand des Auges reichte und der äußere Nasenfortsatz die primitive Choane an der lateralen Seite allein begrenzte, schiebt sich das verdickte, vordere Ende des Ober- kieferfortsatzes jetzt allmählich unter letzterem hinweg nach vorn gegen den inneren Nasenfortsatz hin und übernimmt seinerseits die laterale Begrenzung der primitiven Choane. Die Lücke zwischen inne- rem und äußerem Nasenfortsatze, welche in der Profilansicht bisher die Form ~— hatte, nimmt allmählich die Form . und späterhin die Form —~ an. Fig. 3 zeigt ein Stadium dieses Processes. Zugleich legt sich die Innenfläche des Oberkieferfortsatzes, aus welcher die Gaumenleiste nunmehr deutlicher hervortritt, von unten über die primitive Choane und über das nachfolgende Stück der Gaumen- fläche hinweg. Dadurch verschwindet erstere für die Beobachtung von unten dem Blick; — in Figur 4 ist nur noch das vordere Ende derselben sichtbar. Zugleich wird die primitive Choane sehr viel enger. Hinter ihr entsteht durch die Überlagerung der Gaumen- leiste des Oberkieferfortsatzes als eine Art Verlängerung eine kurze Rinne. Genau genommen kann man jetzt schon nicht mehr von einer primitiven Choanenspalte reden, indem sich dieselbe durch die beschriebene Umbildung des Oberkieferfortsatzes in einen kurzen schrägen Gang verwandelt hat, ein Vorgang, der in unten näher zu beschreibender Weise allmählich zu der Formbildung der nächsten Stadien überführt. Inzwischen sind die bisher annähernd kugligen inneren Nasenfortsätze namentlich am vorderen unteren Umfange stärker gewachsen. Dadurch bildet sich eine Kante heraus, die die Gesichtsfläche derselben schärfer von der Gaumenfläche schei- det, wobei sich gleichzeitig die Furche zwischen den Fortsätzen beider Seiten mehr und mehr ausgleicht; Fig. 3 und 4 zeigen den Anfang dieser Veränderung. Der so zur Gaumenfläche ge- schlagene untere Rand des inneren Nasenfortsatzes bildet später- hin den vorderen queren Theil der Lippenleiste. In der Profil- ansicht steht die erwähnte Kante Anfangs etwas nach oben gegen den unteren Rand des Oberkieferfortsatzes zurück. — Das zwi- schen den Choanenspalten gelegene »Mittelfeld« der Gaumenfläche, wie ich es bei den Sauriern nannte, ist jetzt, wie Fig. 4 zeigt, noch deutlicher gegen den dahinter gelegenen Theil der Schädelbasis in Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 199 einem sanften Flächenwinkel geneigt; — zugleich erscheint das- selbe immer länger und schmäler, was einmal auf eine wirkliche seitliche Einengung durch Überlagerung von Seiten der Gaumenleisten der Oberkieferfortsätze, zweitens auf das Überwiegen des Längen- wachsthums über die Breitenzunahme zurückzuführen ist. Dabei be- merkt man auf dem Mittelfelde in fortschreitender Ausbildung folgen- des Relief: der innere Rand der Choane erhebt sich in Form eines geschwungenen Saumes (vgl. Fig. 4s); nach hinten setzt sich diese saumartige Erhebung über den Bereich der Choane fort und be- grenzt dort mit der überhängenden Gaumenleiste des Oberkiefer- fortsatzes die die Choane verlängernde Rinne. Dieser Saum erleidet sehr bald in der Mitte seines Verlaufs eine schräge Einbiegung und zerfällt so in zwei Erhebungen, von denen die hintere die breitere ist (Fig. 5 s! u. s?). Am hinteren Ende der Choane legt sich zwischen diese Erhebung und die Gaumenleiste des Oberkieferfort- satzes ein kleiner Wulst ein, so dass zu den beiden Seiten dieses die Choanenspalte gablig auszulaufen scheint. Doch gehört die deutliche Ausbildung dieses Reliefs dem nächsten Stadium an. Vorn findet sich jederseits in der Ecke zwischen der den innern Rand der Choane begrenzenden Leiste und dem zur Gaumenfläche ge- schlagenen, quer abgesetzten unteren Rande des inneren Nasen- fortsatzes eine zäpfchenartige Erhebung (z), die in Figur 4 in er- ster Andeutung zu sehen ist, von da an aber immer schärfer hervortritt. Ich muss dieses »Wärzchen« desswegen besonders her- vorheben, weil der sonst so genaue RATHRE auf dasselbe fälsch- lich die Ausmündungsstelle des Jacobson’schen Organs, seiner Na- sendrüse, verlegt und demgemäß zeichnet (vgl. I pag. 144 und Tafel VIL Fig. 7; Fig. 8 und 9 stellen spätere Stadien dar). In der Medianlinie zeigt das Mittelfeld anfänglich eine Furche (Fig. 4), sehr bald erhebt sich in derselben eine vorn verbreiterte Leiste. auf die ich später genauer zurückkomme. Das ganze Mittelfeld erscheint je weiter die Entwicklung vorschreitet, um so tiefer zwi- schen den Oberkieferfortsätzen eingesenkt, da diese nicht nur nach vorn wachsen, sondern gleichzeitig auch an Höhe zunehmen. An der Gesichtsfliche kann man das Vorrücken des Oberkieferfort- satzes, wie gesagt, daran erkennen, dass der zwischen Oberkiefer- fortsatz und inneren Nasenfortsatz einragende Randabschnitt des äußeren Nasenfortsatzes immer schmäler wird. Zugleich entfernt sich die Apertura externa weiter vom Vorderrande der Choane. Erstere, die im vorigen Stadium kaum zu erkennen war, wird, indem die sie 200 G. Born begrenzenden Ränder stärker nach vorn: wachsen. wieder deutlicher und länger, sie präsentirt sich als eine schräg nach unten und außen ziehende Einsenkung; die Schnitte ergeben. dass sie bei alledem in der Tiefe verklebt ist. Die Furche zwischen den verwachsenen Rändern des inneren und äußeren Nasenfortsatzes wird zuerst schär- fer und dann, je mehr sich der Oberkieferfortsatz dem inneren Nasen- fortsatz nähert (vgl. Fig. 3), wieder seichter. Die Furche zwischen dem Oberkieferfortsatz und äußeren Nasenfortsatz nimmt eine mehr horizontale Richtung an. Diese Furche, die Thränenfurche der Autoren, wird im Ganzen jetzt eher etwas deutlicher, bleibt aber bei der Natter immer und überall viel seichter, als beim Vogel und Säugethier. Nur das Augenende derselben wird durch folgen- den wichtigen Vorgang etwas schärfer: Nach der Trennung der Aper- tura externa von der Choane erhebt sich mit fortan zunehmender Deut- lichkeit am Augenrande des äußeren Nasenfortsatzes ein schwacher Wulst (Fig. 3 Z'), bald tritt ein ähnlicher, nur etwas weniger deutlich ausgeprägter Wulst an dem anstoßenden Augenrande des Oberkieferfortsatzes hervor (Fig. 3 Z2. Zwischen beiden erscheint das Augenende der Thränenfurche vertieft. An dieser vertieften Stelle der Thränenfurche zwischen den beiden Wülsten Z' und Z2, die den Anfang der Lidfalten darstellen, bildet sich in Form einer Epithel- leiste die erste Anlage des Thränennasenganges, wie unten näher auszuführen. Mit Ausnahme dieser Stelle erhebt sich später von den beiden ersten Wülsten an sich ausbreitend die Lidfalte um das ganze Auge herum. Also an der Stelle, wo die Thränenfurche der Autoren ans Auge stößt, bleibt die Bildung der Lidfalte (anfänglich!) zurück und von dieser Stelle aus findet bei der Natter die Epithelwuche- rung, die den Thränenkanal anlegt, statt. Von diesem Stadium der Nasenhöhle besitze ich drei Modelle, die nach verschiedenen Schnittserien mit Weglassung der Epithelien der Binnenräume etwa in derselben Vergrößerung gearbeitet sind. Der Vergleich mit dem vorhergehenden Stadium ergiebt wenig Ab- weichungen, die sich nicht schon aus der Schilderung der äußeren Veränderungen herleiten ließen. Durch das Vorwachsen des Ober- kieferfortsatzes wird der vom Gaumen nach oben in die eigentliche Nasenhöhle führende Gang länger, — derselbe erhält eine aus- gedehnte laterale Wand, — zugleich aber auch merklich schmäler. Die Öffnung des Jacobson’schen Organes rückt dadurch scheinbar an der Innenwand der Nasenhöhle hinauf. Die oben beschriebenen Ab- schnitte der Nasenhöhle sind nicht wesentlich verändert, nur dem ~ Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 201 Wachsthum des Ethmoidaltheiles des Kopfes entsprechend erweitert und verlängert. An der lateralen Wand beginnt gleich hinter dem vordersten, nach innen vorgebuchteten Abschnitte der jetzt schon deutlicher ausgebildete Muschelwulst; der letzte erweiterte Theil der Nasenhöhle umgiebt das hintere Ende desselben, und man be- merkt, dass dieselbe im Begriff steht sich in den Wulst in der Richtung von oben nach unten einzubuchten. Die Öffnung des Jacobson’schen Organes erscheint weit, quer oblong, die lange Achse etwas schräg gestellt, — die dieselbe von oben her begrenzende Falte hat sich etwas tiefer herabgesenkt. An der vordern Hälfte der unteren Um- randung dieser Öffnung erhebt sich vom Boden des Organs ein längs- gestellter Wulst, der mit niedrigerem Epithel bekleidet ist. Die der Öffnung des Organs gegenüber liegende Wand der Nasenhöhle erscheint jetzt meistens tief ausgehöhlt (vgl. Fig. 11). — Gleich in den Beginn dieses Stadiums fällt das erste Auftreten der Thränenkanalanlage. Dieselbe stellt sich, das muss ich ausdrücklich hervorheben, wie bei allen übrigen Wirbelthieren, so auch bei der Natter, als eine solide, leistenförmige Einwachsung der unteren, cylinderförmigen Schicht des Epithels dar (Fig. 11 The), über welche die platte Deckzel- lenschicht kontinuirlich hinwegzieht. Wie bei den übrigen unter- suchten Reptilien ist diese erste Anlage nur kurz und entspricht nur mehr oder weniger vollständig dem Augenende des späteren Thrä- nenkanals; der Ort der Epitheleinwachsung ist jedoch ein anderer als bei Lacerta; in dieser Beziehung gleicht die Natter, wie unten näher auszuführen, bis auf die viel geringeren Längsdimensionen mehr dem Huhne. Der Ort der Einwachsung ist nämlich, wie oben schon gesagt, das tiefere Augenende der Thränenfurche der Autoren, zwischen den sich am äußeren Nasenfortsatze und Oberkieferfortsatze erhebenden Lidwülsten Z! und Z? (Fig. 3). Die absichtlich stark - prononeirten Schattenverhältnisse der Figur 3 lassen die Stelle etwas zu scharf eingeschnitten erscheinen. Die Epitheleinwachsung über- schreitet dieses vertiefte Augenende der Thränenfurche nach vorn nur um ein Geringes. Die Entfernung derselben von der seitlichen Nasenwand, und zwar von der Rinne an derselben unterhalb des Muschelwulstes, ist nur gering (vgl. Fig. 11). Die specielle Form der Einwachsung hängt natürlich in sehr erheblichem Maße davon ab, ob der Schnitt mehr oder weniger schräg zu der Längsrichtung der ganzen Leiste gefallen ist. Anfänglich ist die Einwachsung breit und niedrig, später wird sie schmäler und tiefer (vgl. Fig. 11 Morpholog. Jahrbuch. 8. 14 202 G. Born und 12 The). Zwischen der basalen Cylinderzellenschicht und den platten Deckzellen finden sich in verschiedener Zahl platt - poly- gonale Elemente. In Bezug auf die feineren histologischen Verhält- nisse verweise ich auf die für die Vögel und die Säugethiere ge- gebene Schilderung und die betreffenden Abbildungen, die mit dem Befunde bei der Natter in allen wesentlichen Punkten überein- stimmen. Bei Köpfen von 5—5,5 mm verwischen sich die ursprünglichen Reliefbildungen der Gesichtsfliche mehr und mehr, während am Gaumen ein neues, sehr ausgeprägtes entsteht. Der untere Rand des inneren Nasenfortsatzes und der Oberkieferfortsatz wandeln sich in eine kontinuirliche, Anfangs dicke und rundliche, später schmale und bandartige Lippenleiste um, auf der bald die letzte Spur der Ein- kerbung zwischen Oberkieferfortsatz und innerem Nasenfortsatz unmerk- lich wird. Das von dieser Lippenleiste umkreiste Gaumenfeld, das rasch vorzüglich an Länge zunimmt, zeigt zwei von den Gaumenwülsten der Oberkieferfortsiitze gebildete seitliche Abhänge und dazwischen ein (bei der Unteransicht) tiefer gelegenes, durch die Choanenspalten von ihnen abgetrenntes Mittelfeld. Nur vorn erhebt sich letzteres bis zur Höhe der vorderen queren Lippenleiste. Hinten ist es immer noch in einem deutlichen Flächenwinkel gegen den hinter den Choanen gelegenen Theil der Schädelbasis geneigt. Letzterer ist übrigens zwischen den bis zur Sphenoidalknickung nach hinten ziehenden Gau- menwiilsten rinnenartig vertieft; vgl. zu diesem und dem Folgenden Fig. 6. Am Gaumenwulst lässt sich jetzt noch ein besonderes diin- neres, nach innen horizontal vorragendes Blatt unterscheiden (Fig. 6 und Fig. 12 und 13 Og!), das sich weiter und weiter medianwärts über das Mittelfeld binwegschiebt. Dasselbe verdeckt den bisherigen Innenrand der Choane und die dieselbe nach hinten verlängernde Rinne; dadurch rücken die Choanenspalten mehr gegen die Mittellinie zu einander näher. An dem durch die Überlagerung dieser Gaumen- platten sichtlich verschmälerten Mittelfelde erhebt sich eine me- diane Längsleiste (¢), die sich mit den Wiilstchen (2), die inzwi- schen viel stärker hervorgetreten sind, zu einer eigenthümlichen, erhabenen Figur mit flügelartig verbreitertem vorderen Ende verbin- det, wie dies Fig. 6 besser als eine lange Beschreibung lehrt. Die Wülstehen stellen sich im Verlaufe der Entwicklung immer mehr quer, während die mediane Leiste, an der sie ansitzen, schmäler wird (vgl. Fig. 6 mit Fig. 7), so dass das Ganze das Aussehen eines Stockes Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 203 mit hammerförmigem Griff bekommt. Wie der Vergleich der Figuren lehrt, hebt sich dieses Relief alsbald sehr augenfällig heraus. Der leistenartig aufgewulstete Innenrand der Choane und der hinter ihr folgenden Rinne theilt sich, so weit er nicht von der Gaumenplatte überlagert wird, wie oben schon gesagt, durch eine schräge Furche in zwei Wülstehen, von denen das vordere schmälere (Fig. 6 s!) viel schärfer heraustritt, als das hintere breitere (s?2). Letzteres ist in Fig. 6 mehr erhoben, in Fig. 7 tritt es gegen die Gaumenplatten flacher zurück. Uber diesem breiten Wulste ist, wie schon Ratuke bemerkt. der hintere Theil des Jacobson’schen Organs gelegen, das sich also durch das Wachsthum der vor ihm gelegenen Theile mehr und mehr von der Spitze des Nasentheils des Kopfes entfernt hat, dafür aber: bei der Natter unter der vollen Länge des muscheltragenden Theiles der Nasenhöhle hinzieht. Je weiter die Entwicklung vorschreitet; um so schärfer und einheitlicher tritt die mediane Leiste mit dem vorn flügelartig in die Quere verbreiterten Ende hervor, wie dies auch RATHKE (I) in seiner Figur S Tafel VII richtig wiedergiebt, nur ver- legt er die Mündung des Jacobson’schen Organes jetzt fälschlich auf das Wiilstchen s!, wo sie jetzt eben so wenig zu finden ist, als vor- her auf dem nunmehr in die hammerartige Figur einbezogenen Wülst- chen z. — An der Gesichtsfläche gleichen sich nun die Furchen zwischen Oberkieferfortsatz, innerem und äußerem Nasenfortsatz vollständig aus und es stellt sich so die für den Schlangenkopf cha- rakteristische, plane, annähernd sagittal gestellte Seitenfläche des Ethmoidaltheils des Schädels her, an deren vorderem Ende als eine schräg nach hinten gestellte, nach vorn und unten konvexe Spalte die Apertura externa zu finden ist. Die Seitenflächen biegen in deutlichen aber abgerundeten Kanten in die vordere und obere Fläche um. Die Höhe des Ethmoidaltheiles bleibt relativ hinter der Länge zurück. Am Auge erhebt sich der Lidwulst ringsum und fängt an sich cen- tripetal über den Augapfel vorzuschieben, doch schreitet an der Stelle, die die Grenze zwischen Oberkieferfortsatz und äußerem Nasenfortsatz bezeichnet, an der die Thränenfurche begann, die Lidbildung nur lang- samer vorwärts. An der Wangenfläche findet sich neben dieser eingebogenen Stelle der Lidfalte noch lange eine deutliche Einzie- hung. Der vordere quere Lippenrand steht bald hinter dem übrigen ein wenig nach oben zurück. In diesem Stadium wird die von vorn nach hinten fortschrei- tende Verklebung der Choanenspalte merklicher; ich sage mit Ab- sicht nicht Verklebung der Choane, denn es handelt sich in der That 14* 204 : G. Born um eine Verlegung des, wie Fig. 11 und 12 zeigen, ziemlich hohen Ganges, der von der Mundhöhle schräg nach aufwärts in die mit hohem Riechepithel bekleidete, eigentliche Nasengrube führt, — nicht um einen bloßen Verschluss der Öffnung. Erst verkleben die Epi- thelflächen, dann folgt die Verschmelzung des Bindegewebes. Schon in den vorigen Stadien hatte sich der in Fig. 2 sichtbare, vor der Öffnung des Jacobson’schen Organes gelegene Theil der Choanen- spalte verschlossen, jetzt verlegt sich der Eingang in das Jacobson- sche Organ in der vorderen Hälfte selbst. Dies geschieht in der Weise, dass die diese Öffnung von oben her begrenzende Falte sich tiefer herabsenkt (vgl. Fig. 10—13) und mit der gegen- über liegenden Wand verschmilzt. Auch unterhalb der Öffnung ver- schmelzen die Wände der Choanenspalte mit einander, so dass in manchen Schnittserien auf vorderen Schnitten das Jacobson’sche Organ noch mit der Nasenhöhle kommunicirt, während es von der Mund- höhle schon abgeschlossen ist. In Fig. 6 würde der noch wegsame Theil der Choanenspalte nahe dem hinteren Ende des Zäpfchens st an der Außenseite desselben beginnen. Durch diesen Process, des- sen weiteres Fortschreiten in die nächstfolgenden Stadien fällt, er- hält auch der hintere muscheltragende Theil der Nasenhöhle vorerst in seinem vordersten Abschnitt, in dem der Muschelwulst breit ange- wachsen ist, einen festen Boden, der bald unter dem Ansatze des letzteren beginnt. Der ganze unterhalb des Muschelwulstes gelegene, in Fig. 11 sichtbare Gang, der schräg nach unten und innen führt, obliterirt. Die Verlegung des Eingangs ins Jacobson’sche Organ zeigt sich jetzt sehr deutlich daran, dass diese Öffnung nicht mehr neben der ganzen Breite des Wulstes, der sich am untern Rand der Öffnung erhebt, gefunden wird, wie es vordem war, sondern immer mehr gegen das hintere Ende desselben rückt; zugleich wird natür- lich die Öffnung in der Richtung von vorn nach hinten kürzer; sie würde dem zufolge relativ höher erscheinen, wenn nicht, wie ge- sagt, die sie von oben her begrenzende Falte sich während dieser Vorgänge herabsenkte. Die Öffnung nimmt jetzt nicht mehr einen großen Theil der Seitenfläche des Organs ein, sondern rückt mehr und mehr an den Boden (vgl. wiederum Fig. 10, 12 und 13). Der Wulst im Innern des Jacobson’schen Organes hat sich stärker erho- ben und füllt den Binnenraum des Organes fast vollständig aus (vgl. Fig. 12), obgleich das Organ als Ganzes, wie die Figuren zeigen, be- deutend gewachsen ist. Indem die die Öffnung begrenzende Falte sich von oben her niedersenkt und an den unteren Rand der Öffnung Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 205 breiter anlegt, rückt der Wulst von der Öffnung ab, gegen die Mitte des Bodens zu. Das Aussehen des hinteren nach unten geöffneten Abschnittes der Nasenhöhle zeigt wieder Fig. 12. Der in dieselbe aus der Mundhöhle führende Gang ist durch das Vorwachsen der Gau- menplatte des Oberkieferfortsatzes sehr lang geworden. In der eigent- lichen Nasengrube wandelt sich die Muschel aus einem einfachen rundlichen Vorsprung an der Seitenwand zu einer freieren Platte dadurch um, dass sich die Nasenhöhle von oben her tief in den Vorsprung eingräbt (Fig. 12 M). An den Modellen präsentirt sich dieselbe folgendermaßen: sie stellt eine schräg nach innen und oben gerichtete vorerst kurze Platte mit verdicktem freien oberen Rande dar, die in einer nach vorn aufsteigenden Linie an der Seitenwand der Nasenhöhle etwa in einer Ebene mit dem oberen Umfange des Jacobson’schen Organes angewachsen ist. Um den hinteren freien Rand zieht sich der Grund der Nasenhöhle im Bogen herum. Der vordere Rand der Muschelplatte ist angewachsen, so dass an ihrer Außenseite eine Nische entsteht, die sich oben und hinten in die übrige Nasenhöhle öffnet, vorn und unten aber abgeschlossen ist. Von der Apertura externa aus gelangt man, wie oben schon gesagt, zuerst in einen stark nach innen vorgebuchteten Nasenraum, der über und vor dem vorderen Umfang des Jacobson’schen Organes gelegen ist, darauf wird die Ausbuchtung nach innen geringer, während die Nasenhöhle sich plötzlich stark außen über dem freien oberen Rand des Muschelwulstes hinweg erweitert. In der Ge- gend des vorderen Ansatzes des letzteren besitzt, wie oben schon gesagt, die Nasenhöhle jetzt schon einen Boden, der in der Ebene des oberen Randes des Jacobson’schen Organes gelegen ist, gleich darauf aber beginnt die zur Mundhöhle führende Choanen- spalte, wie es Fig. 12 zeigt. Je jünger der betreffende Kopf ist. um so kürzer findet man den Muschelwulst, um so weniger tief dringt die Nische an seiner Außenseite nach unten vor, um so dicker ist die ganze Platte, die dabei einen stark aufgetriebenen oberen Rand zeigt und beinahe senkrecht aufgerichtet erscheint. Mit vorschrei- tendem Wachsthum nimmt die Muschel sehr rasch an Länge zu, mit ihr aber auch der ganze sie bergende Theil der Nasenhöhle. Dabei wird die Nische an ihrer Außenseite tiefer und breiter, die Muschel- platte wird höher, stellt sich allmählich mehr horizontal und wird dünner, namentlich am freien Rande. Ich habe bei dieser Schilde- rung des Zusammenhanges wegen schon in die nächsten Stadien vor- greifen müssen. — Zwischen der Muschel und der unter ihr nach 206 G. Born innen vorspringenden Gaumenplatte des Oberkiefers verläuft an der Seitenwand der Nasenhöhle eine Rinne, in deren vorderstem Theile gegenüber der jetzt schon etwas nach hinten verschobenen Öff- nung des Jacobson’schen Organes die abgelöste Epithelleiste, die die Anlage des Thränennasenganges repräsentirt, mit dem Epithelüberzug der Nasenhöhle in Verbindung tritt. Vertieft wird diese Rinne noch dadurch, dass sich am vorderen Theile der Muschel dicht an ihrem Ansatze eine leistenartige Erhebung findet, die die Rinne hier be- grenzt (vgl. Fig. 12). Die dichtkernige embryonale Bindesubstanz, die beinahe einem Granulationsgewebe ähnlich bisher die Grundlage des Schädels bildete, wandelt sich jetzt allmählich in ein deutliches Schleimgewebe mit weiter aus einander gerückten sternförmigen Zel- len um. Den granulationsartigen Charakter behält die Bindesub- stanz nur in Theilen, welche noch in starker Ausdehnung begrif- fen sind, so im Gaumenwulste des Oberkieferfortsatzes, in dem Wülstehen s! am Innenrande der Choane u. s. f. Es beginnt jetzt auch die Ausbildung des Knorpel- und Kno- chenskelets. Über diese, so wie über die Anlage der Nasendrüsen und die Vertheilung des Riechepithels will ich aber lieber später im Zusammenhange abhandeln. In diese Periode fallen die wichtigsten Umbildungen der Thrä- nenkanalanlage. Die im vorigen Stadium flache und breite Epithel- einwachsung wird höher und schmäler (vgl. Fig. 11 mit Fig. 12). So lange dieselbe noch ziemlich gleichmäßig breit ist, maß sie an den Schnitten verschiedener Serien fast übereinstimmend 120 « in der Länge und etwa die Hälfte so viel in der Breite. Mit dem eigentlichen Zapfen hing an vielen Schnitten an der unteren Seite des Ansatzes noch eine kleine Epitheleinragung zusammen, wohl ein Rest der ursprünglich breiteren Einwachsung. In den Zapfen tritt die Cy- linderzellenlage der Epidermis kontinuirlich ein; nur höher erschei- nen die Cylinder in demselben. Die Decklage von platten Zellen geht, ohne in die Einwachsung einzutreten, nur der geringen Einbiegung des Schnittprofils folgend, ununterbrochen über die- selbe hinweg. Zwischen den Cylinderzellen findet sich eine ziem- lich breite Schicht einer körnigen Substanz mit Kernen, in der man nur an feinen Schnitten und bei günstiger Beleuchtung Zellgrenzen unterscheiden kann. — Sehr bald beginnt sich die Thränenkanalleiste vom vorderen Ende her abzyschnüren; auf den ersten Schnitten wandelt sich. das Bild des gleichmäßig breiten Die Nasenhöhlen und der Thriinennasengang der amnioten Wirbelthiere. 207 Zapfens in das einer Birne um, die mit verdünntem Stiele an der Epidermis festsitzt; während diese Veränderung nach hinten vor- schreitet, löst sich das vordere Ende ganz von der Epidermis ab, senkt sich tiefer in die Bindesubstanz ein und wächst zugleich nach vorwärts aus. Schon vor der Ablösung ist der Epithelzapfen von etwas kernreicherem Bindegewebe umgeben. Wenn die Ablösung bis zu dem in der Ringfurche zwischen Auge und Lidwulst fest- sitzenden hinteren Ende der Epitheleinwachsung fortgeschritten ist, liegt das vordere losgelöste und ausgewachsene Ende ganz dicht an dem Grunde des Anfangs der Rinne, die sich, wie ich oben beschrie- ben habe, unterhalb des Muschelwulstes an der Seitenwand der Nasenhöhle findet. Diese Stelle liegt etwa gegenüber dem vorde- ren Rande der Einmündung des Jacobson’schen Organs in die Na- senhöhle, die freilich in diesem Stadium selbst schon weiter rück- wärts verlegt ist. Bald darauf tritt der Epithelstrang, den jetzt die Thränenkanalanlage darstellt, mit dem epithelialen Überzuge der Rinne in Berührung und verschmilzt mit demselben. Die Thrä- nenkanalanlage stellt in diesem Augenblick einen soliden Epithel- strang dar, der an der angegebenen Stelle im vordersten Abschnitt der Choanenspalte gegenüber dem Jacobson’schen Organ vom Nasenhöhlenepithel ausgeht, in einem nach vorn konvexen Bo- gen nach außen und dann nach rückwärts zieht und mit dem hin- teren Ende an dem Epithel der Ringfurche zwischen Auge und Lidwulst ansetzt. Da die Schlangen bloß ein Thränenröhrchen be- sitzen, so ist damit die Bildung der Thränenkanalanlage selber vollendet; späterhin findet nur noch eine Veränderung der vorderen Ausmündungsstelle statt, während das Augenende schon jetzt seinen definitiven Ort eingenommen hat. Im Folgenden beschreibe ich die eutwicklungsgeschichtlichen Umbildungen in einem Zuge bis zu der Höhe, die sie am Ende des Eilebens erreichen. Von dieser Zeit an sind die Veränderungen während des Wachsthums der Natter wesentlich nur quantitative. Über das enorm gesteigerte Längenwachsthum, so wie über die Um- bildungen der Gesichtsflächen habe ich bei dem vorigen Stadium schon das Nöthige gesagt; die Lidfalten schließen sich vor dem Auge zu einer kontinuirlichen, durchsichtigen Membran zusammen, so dass der Bindehautsack von der Außenwelt vollkommen abge- schlossen wird, wie dies von RATHKE schon ausführlich beschrieben worden ist. Die Apertura externa wandelt sich aus einer gerade 208 G. Born nach innen führenden Spalte in eine Rinne um, die schräg von hin- ten und außen nach innen und vorn führt und sich am Ende zu einer Röhre schließt, die sich aber sogleich nach innen in die Na- senhöhle öffnet: dieses rinnenartige Stück wird durch Einwachsen der Ränder der Öffnung in die dieselbe ausfüllenden Epithellagen ge- bildet, noch ehe sich die Verklebung der letzteren löst. Die bisher stark ausgeprägte Sphenoidalkriimmung gleicht sich aus, eben so verschwindet der stumpfe Flächenwinkel, in welchem bisher das Mittelfeld gegen den dahinter liegenden, rinnenartig vertieften Inter- orbitaltheil der Schädelbasis abgebogen war; »der vorderste Theil des Kopfes, der die Nasendrüsen und Nasenhöhlen enthält«, biegt sich wieder auf, wie dies RATHKE II, pag. 144 unten ausdrückt. Die Mundspalte, welche bisher den hinteren Umfang des Auges kaum erreichte, erweitert sich allmählich bis weit hinter dasselbe. Der Lippensaum wird dünn, an seiner Innenseite entwickelt sich die Zahnreihe; sie reicht nach vorn bis zu der Furche, die das Wiilst- chen z vom Vorderende der Gaumenplatte trennt, dort ist sie unter- brochen; dafür entsteht dicht am Vorderrande der hammerförmigen Figur des Mittelfeldes, bei e in Figur 7, der Eizahn. Der laterale Theil der Gaumenplatten, der in Fig. 7 von dem medialen noch deut- lich dadurch abgesetzt ist, dass er vom Lippenrande aus steil abfällt, während jener mehr horizontal gelagert ist, senkt sich herab und stellt sich mehr horizontal ein, so dass man in Fig. 8 beide nur noch schwer unterscheiden kann. — Wenn man diese Bilder kennt, kann man auch noch in Fig. 9 beim Erwachsenen unterscheiden, was medialer, was lateraler Theil der Gaumenplatte war (Og! und Og?). Dicht am medialen Rande des lateralen Theiles bemerkt man in Fig. 8 die Anlage der Gaumenzahnreihe. Hinter dem Mittelfelde ziehen die Gaumenwülste weiter nach hinten und lassen eine Rinne zwischen sich, die sich hinter der Mundspalte allmählich verflacht. Vorn bleibt die Furche, die die mediale Gaumenplatte von dem in- zwischen verschmälerten vorderen Ende der hammerförmigen Figur trennt, erhalten; mit dem Zäpfchen s! verbindet sich die Gaumenplatte aber allmählich so vollkommen (vgl. Fig.6, 7, 8 u. 9), dass dasselbe beim Erwachsenen nur als ein kaum abgesetzter Vorsprung an der Gaumenplatte erscheint. Hinter dem Zäpfchen s! verbindet sich der mediale aufgewulstete Theil der Gaumenplatte mit dem Rande des flachen Wulstes s? des Mittelfeldes und bringt so die bisher spaltför- mige Choane zum Verschluss. Dieser Process schreitet ziemlich rasch von vorn nach hinten vorwärts, so dass die Rinne zwischen s? und Og! Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 209 in Fig. 7 nicht mehr wie in Fig. 6 in eine zur eigentlichen Nasen- höhle aufsteigende Spalte führt, sondern blind endigt. Erst am hin- teren Ende des Wulstes s? erhält sich eine kleine Öffnung, die jetzt die Choane darstellt. In welcher Weise der Ausführungsgang des Jacobson’schen Organes und die Ausmündung des Thränennasen- ganges offen bleiben, ist weiter unten abzuhandeln; dort komme ich auch darauf zurück, dass die Verklebung keine oberflächliche ist. sondern tief ins Innere hineinreicht. Anfänglich steht dabei das Mittelfeld, mit Ausnahme seines vordersten Abschnittes von unten gesehen, tiefer als die Gaumenwülste, es bildet eine thalartige Ein- senkung zwischen ihnen; allmählich aber hebt es sich nach der Verschmelzung beinahe vollkommen in das Niveau der letzteren. Es kommt dies wohl nicht allein auf Rechnung der Vergrößerung des Jacobson’schen Organes, wie RATHKE will; — der Theil des Mittelfeldes, über dem das Jacobson’sche Organ liegt, ist in Fig. § zwar durch eine leichte Einsattelung abgegrenzt, der dahinter folgende senkt sich aber kaum minder tief herab. Aus dem hinteren Rande des Mittelfeldes, der bisher nur durch die flache Erhebung wie in Fig. 7 angedeutet war, entwickelt sich während des geschilderten Processes, wie schon RATHKE richtig bemerkt hat, eine quer ver- laufende Falte mit freiem hinteren, in der Mitte etwas eingekerbten Rande. Seitlich verbindet sich dieselbe mit dem medialen Theile der Gaumenplatte Og', doch bleibt die seitliche Verbindung, wie der Ver- gleich von Fig. 8 mit Fig. 9 lehrt, Anfangs gegen die Mitte etwas zurück. Handelte es sich wirklich um eine einfache horizontale Platte, so müsste sich dadurch an die beiden Choanen ein einziger weiter Raum anschließen, der dann in die Rachenhöhle mit einer quer ge- stellten Öffnung ausmündete, etwa wie der über dem weichen Gau- men gelegene Nasenrachenraum beim Menschen. Das ist aber im Anfang nicht der Fall, sondern die breite Scheidewand zwischen den Choanen wächst zuerst mit nach hinten aus; später bleibt dieselbe zurück, so dass ein kurzer gemeinschaftlicher Nasenrachenraum entsteht, wie man sich an jedem Kopfe einer erwachsenen Rin- gelnatter überzeugen kann. Die definitive Choane ist also ein weites, in einer Frontalebene gelegenes, quer gestelltes Loch, wäh- rend im vorigen Stadium die Choanen als zwei längs gerichtete, schmale, in der Horinzontalen gelegene Spalten erschienen. Blickt man von hinten her in die Choane hinein, so sieht man, dass sich in den breiten, freien hinteren Rand der Scheidewand zwischen den Choanen eine kurze taschenförmige Vertiefung einsenkt, in der sich 210 G. Born später einige Driischen bilden. — Die hammerförmige Relieffigur in der Medianlinie des Mittelfeldes verschmälert sich während dessen am vorderen Ende; die Verbreiterungen derselben, die durch die Verbindung mit dem Wiilstchen z ‘entstehen, und die in Fig. 6 so ziemlich den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreicht haben, werden von da an immer kleiner und sind schon in Fig. S auf ein paar un- bedeutende Wirzchen redueirt. Schließlich wird das ganze vordere zwischen und vor den Wärzchen s! gelegene Stück der medianen Leiste gleichmäßig breit, wie es Fig. 9 zeigt, bleibt aber seitlich durch zwei schmale Furchen abgegrenzt. Auf dem Querschnitt erkennt man noch deutlicher, als bei der Besichtigung von der Fläche, dass sich auf dem- selben, noch ein mittlerer Kamm besonders abhebt. In einer Querlinie mit dem hinteren Ende des Wiilstchen s! wird die mediane Leiste plötz- lich zu einem schmalen Kamme. Das neben diesem gelegene Feld führt rinnenartig vertieft in die schmale Furche zwischen dem vor- deren breiten Theile und dem Wülstchen s!. Etwas weiter rückwärts verbreitert sich der schmale Kamm wieder und wird, wie Fig. 9 zeigt, von einer queren Leiste überkreuzt; — dicht vor der Stelle, wo die letztere seitlich auf den etwas vorspringenden Rand des frü- heren Gaumenwulstes stößt (bei « in der Fig. 9), findet sich die c-förmige Spalte, in der das Jacobson’sche Organ und der Thränen- gang zusammen ausmünden; sie liegt etwas unter dem vorspringen- den Rande des Gaumenwulstes versteckt. Das Mittelstiick der queren Leiste springt übrigens in der Figur 9 auf der linken Seite viel zu stark hervor, in Wirklichkeit ist dieselbe in der Mitte beinahe un- merklich. — Dicht am Vorderrande der medianen Relieffigur ent- wickelt sich, wie schon gesagt, der Eizahn; der Lippenrand macht um denselben, wie Fig. 7 und 8 zeigen, zuerst einen nach vorn konvexen flachen Bogen; später, nach dem Schwunde des Eizahnes, verhornt die ganze Stelle, die der Eizahn eingenommen hat (vgl. Fig. 9). Die Gaumenfläche junger, dem Ausschlüpfen naher Kreuzotterembryonen, die mir vorliegen, zeigt von der der Ringelnatter die sehr augenfällige Abweichung, dass bei der ersteren der mediale Theil der Gaumen- platten stark aufgewulstet bleibt, während der laterale gegen ihn merklich zurücksteht. Außerdem zeigt hier der hintere freie Rand des Mittelfeldes einen zungenförmigen Vorsprung, der wie eine Uvula aussieht, selbstverständlich aber morphologisch ganz anders aufzu- fassen ist, als eine solche. Die Veränderungen im Innern werden in erster Linie von dem Verschlusse der Choanenspalte bestimnit. Den Beginn derselben habe Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 211 o ich schon für das vorige Stadium geschildert; die dort besprochenen Processe schreiten allmählich weiter nach rückwärts. Der obere Rand der Öffnung, die aus dem Jacobson’schen Organ in die Choa- nenspalte führte, senkt sich tiefer herab und die denselben begren- zende, bisher freie Falte (vgl. Fig. 13 und 14) legt sich an die gegenüber liegende Wand an und verschmilzt mit derselben. Zuerst verkleben regelmäßig die Epithelflächen, dann werden dieselben durch das Bindegewebe verdrängt. Es handelt sich hierbei nicht um eine Wucherung der an das Epithel direkt anstoßenden Binde- gewebslagen, die so dasselbe zum Schwund brächten, sondern die hier wirksamen Faktoren sind, wie schon RATHKE andeutet, das Breitenwachsthum des Jacobson’schen Organes und der in entge- gengesetzter Richtung wirkende Wachsthumsdruck des nach innen sich verbreiternden Gaumenwulstes. Man kann das daran erkennen, dass die das Epithel durchbrechenden Bindegewebslager keine Kern- vermehrung zeigen, und dass ihre Kerne der Epitheloberfläche parallel stratifieirt sind. Auch weist der Umstand, dass der Durchbruch immer an dem am weitesten nach außen vorspringenden Umfange des Ja- cobson’schen Organes zuerst erfolgt, auf dieselben Ursachen hin. So verlegt sich aber nicht bloß die Spalte oberhalb der Öffnung des Jacob- son’schen Organes, sondern auch innerhalb dieser Öffnung selbst und unterhalb derselben allmählich so weit, dass die aus dem Jacob- son’schen Organe führende Öffnung auf eine kleine Stelle am Bo- den desselben am hinteren Rande des nunmehr etwas pilzförmig gewordenen Wulstes beschränkt wird; von hier aus führt ein kurzer Gang nach unten und etwas nach innen, um zunächst am hinteren Ende des Wiilstchens s! an der Gaumenfläche auszumünden (vgl. Fig. 13 gJ); später findet sich die Ausmündungsstelle als ein c-för- mig zusammengebogener Spalt noch weiter rückwärts dicht an dem etwas aufgetriebenen medialen Theil des Gaumenwulstes; die Stelle ist gewöhnlich durch einen etwas weiter außen befindlichen, pig- mentirten Fleck bezeichnet, den schon LEYDIG und CLOQUET bemerkt und beschrieben haben. Während Leypıs im Text seiner Arbeit (IV, pag. 327) die Ausmündungsstelle ganz richtig beschreibt, verlei- tet seine Figur 2 Tafel XV, auf der d einen » Ausmündungskanal « laut Figurenerklärung bezeichnet, der in der Abbildung geschlossen bis zur Choane zu ziehen scheint, sehr leicht zu irrthümlicher Auf- fassung. Bei diesem Process wandert die Einmündungsstelle des Thränenkanalstranges mit nach hinten, so dass man denselben in Fig. 13 mit dem zum Jacobson’schen Organ führenden Epithelzuge 212 G. Born * beinahe zusammenhängen sieht. Nachzufügen ist nämlich, dass auch die Epithelflächen des zum Jacobson’schen Organ führenden Ganges eine Zeit lang zur Verklebung gebracht werden. Sehr rasch schrei- tet bei Köpfen von über 6 mm Länge die Verklebung der Choanen- spalte noch weiter nach rückwärts. Auch hinter dem Ausführungs- gange des Jacobson’schen Organes legt sich die Seitenwand desselben in ihrer halben Höhe etwa an die gegenüber liegende Wand an und verschmilzt mit derselben (vgl. Fig. 14). In den vorzüglichen Schnitt- serien von Herrn Dr. REICHEL sind alle Stadien dieses Processes zu sehen. Schließlich ist die Choanenspalte ein schräg nach rück- und abwärts absteigender Gang, der neben dem hintern Umfang des Ja- cobson'schen Organes herabführt und sich medialwärts in die Mund- höhle öffnet: — es sind Köpfe, die nur wenig älter sind, als der in Fig. 7 abgebildete, bei denen dies erreicht ist. Durch das oben besprochene Auswachsen einer queren horizontalen Falte aus dem hinteren Rande des Mittelfeldes und die seitliche Verbindung dersel- ben mit dem Gaumenwulste fügt sich dieser absteigenden Choanen- spalte ein an Länge zunehmendes, mehr horizontal nach hinten verlaufendes Stück an. Die beiderseitigen »Nasenrachengänge« kon- vergiren gegen einander, bleiben aber Anfangs, wie unten erwähnt, durch eine Scheidewand von einander getrennt, erst bei Köpfen von nahezu S mm Länge bleibt die Scheidewand zurück und das letzte, freilich sehr kurze Ende ist ein gemeinsamer, in die Quere verbrei- terter Nasenrachengang. — Durch den oben ausführlich geschilder- ten Process der Verlegung’ der Choanenspalte erhält auch der ganze hintere, die Muschel enthaltende Theil der Nasenhöhle einen Boden, der vorn etwa mit der Hälfte der Höhe der Seitenwand des Jacob- son'schen Organes zusammenfällt und sich mit dem hinteren Umfang desselben zum »Nasenrachengang« absenkt. Dass der letztere den von mir ihm gegebenen Namen verdient, muss ich RATHKE gegen- über ausdrücklich betonen; auf die Unterschiede desselben vom Nasenrachengang der Säuger komme ich unten ausführlich zurück. Mit diesen Umbildungen ist die definitive Form der Nasenhöhle in den wesentlichsten Punkten hergestellt, die weiteren Veränderungen sind mehr quantitative. Die wesentlichste von diesen ist die rasche Zunahme des Lumens der Nasenhöhle im Vergleich mit der Dicke der Wände. Während anfänglich die Nasenhöhle als ein minimaler Spalt erschien, der zwischen relativ dicken Gewebsmassen einge- schnitten war, weitet sich dieselbe schon vor dem Ende des Eilebens und auch noch nachher ganz unverhältnismäßig aus. Es ist dies Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 213 ein allgemein bei den Wirbelthieren verbreiteter Vor- gang, auf den man bisher wenig Acht gehabt zu haben scheint. Die Ausweitung geschieht namentlich auf Kosten des Schleimgewebes der Mucosa, die beim Erwachsenen stellenweise sogar absolut dünner erscheint. Mit anderen Worten, von der späteren Zeit des Eilebens an überwiegt das Flächenwachsthum der inneren Wandschichten der Na- senhöhle das Dickenwachsthum bei Weitem. Mit der Ausweitung der ganzen Nasenhöhle werden gewisse Unterschiede der einzelnen Abthei- lungen derselben undeutlicher, z. B. die oft erwähnte Vorbuchtung des vorderen Abschnittes nach innen, die sich schon so frühzeitig bemerk- lich machte. Von der gesammten Konfiguration der Nasenhöhle der ausge- wachsenen Natter erhält man am besten ein Bild, wenn man eine Kopfhälfte, die mit einem scharfen Schnitt dicht neben der Mittel- linie abgetrennt ist, von innen her betrachtet. An einem solchen unterscheidet man leicht den vorderen Abschnitt der Nasenhöhle, der vorn kuppelförmig beginnt und an dessen Außenwand, vom vordern Ende ziemlich weit entfernt, die rinnenförmige Apertura externa ein- mündet; derselbe liegt vor und über dem vorderen Abschnitte des Jacobson’schen Organes. Sein Querschnitt ist beim ausgewachsenen Thier rundlich, die Achse desselben ist leicht aufsteigend rückwärts gerichtet. Der epitheliale Überzug besteht bis auf einen verschieden breiten Streif an der Grenze zwischen lateraler Wand und Boden aus hohem Riechepithel. Den darauf folgenden Abschnitt der Nasen- höhle lasse ich mit dem Beginn der Muschel zusammenfallen. Sie beginnt als ein breiter, rundlicher Vorsprung an der Grenze zwi- schen lateraler Wand und Decke und zieht, immer schärfer heraus- tretend, zuletzt als dinne am freien Rande verdickte Platte nach hinten und unten. Auch beim ausgewachsenen Thiere ist der freie Rand etwas nach oben eingestellt. Über dieser Muschelplatte bildet die Nasenhöhle eine Nische, die sich, wie erwähnt, nach hinten und innen in den gemeinsamen Nasenraum öffnet, nach vorn und unten abgeschlossen ist. Dieser ganze die Muschel bergende zweite Ab- schnitt der Nasenhöhle ist stärker nach oben ausgebaucht, als der erste. Über und hinter dem Ende der Muschel ist er kuppelartig abgeschlossen, darunter setzt er sich in den Nasenrachengang fort. Konstruirt man seine Längsachse, so beschreibt dieselbe einen Bo- gen, der bis zur höchsten Erhebung des Jacobson’schen Organes aufsteigt und sich dann mit dem hinteren Umfang desselben absenkt. Hohes Riechepithel überkleidet diesen Nasenabschnitt bis auf den 214 G. Born rinnenförmigen Raum unterhalb des freien Randes der Muschelplatte. Aber auch an der oberen Seite der letzteren, im Grunde der Nische, fehlt dasselbe. Der letzte Theil der Nasenhéhle, der Nasenrachengang, zieht unter dem Interorbitalseptum nach hinten und im Anfang ein wenig nach unten bis zur Choane; seine mit niedrigem Epithelial- überzug versehene Schleimhaut ist, wie Leypıs das schon richtig bemerkt und gezeichnet hat, in Längsfältchen gelegt. Das Lumen des Jacobson’schen Organes bleibt spaltförmig; der pilzförmige, vom Boden aufsteigende Wulst erfüllt dasselbe fast voll- ständig. Während dieser von niedrigem Epithel (Flimmerepithel nach Leypic) bekleidet ist, erscheint die Decke von einer eigenthüm- lichen, sehr kernreichen Schleimhaut mit hohem Riechepithel über- zogen, deren Struktur schon Leypie sehr aufgefallen ist. Derselbe unterscheidet drei Elemente: 1) ein radiäres Fasersystem, 2) dazwi- schen liegende, zellige Elemente, 3) ein nach innen abschließendes Epithel. In der zwischen den Fasern liegenden kleinzelligen Masse meint LEYDIG »zweierlei Zellenarten unterscheiden zu können, solche nämlich, welche als Bindegewebszellen anzusehen wären und andere, denen eine nervöse Natur zukommt, die somit kleine Ganglienkugeln vorstellen könnten«. Diese Deutung des kleinzelligen Materials zwi- schen den radiären Fasern ist, wie die Entwicklungsgeschichte mit Sicherheit lehrt, eine irrthümliche, dasselbe ist vielmehr die zel- lige Ausfüllungsmasse einfacher Drüsen von birnförmiger Konfiguration, die dicht an einander gedrängt die ganze Schleimhaut durchsetzen. Kommt man auf den Frontalschnitten an das hintere Ende dieses Organes, so sieht man diese birnförmigen Schläuche quer durchschnitten. Nur an wenigen Stellen gelang es mir im In- nern des polygonalen Querschnittes ein deutliches Lumen zu ent- decken. Die Zellbekleidung ist mehrfach geschichtet. Die Anlage dieser Organe geschieht ganz nach dem Typus der Drüsenbildung. Schon ehe die Verlegung der Choanenspalte beginnt, verändert sich die bisherige glatte Grenze des zu dieser Zeit sehr hochgeschichte- ten Riechepithels an der Decke des Jacobson’schen Organes. Das Epithel treibt dicht neben einander stehende, zuerst rundliche Zell- knospen ins Bindegewebe hinein (allererste Anfänge schematisch in Fig. 11dJ), dieselben verlängern sich allmählich (vgl. Fig. 13 u. 14dJ [schematisch]) und sind schon vor Schluss des Eilebens zu birnförmigen Schläuchen ausgewachsen, die aber im Gegensatz zum Erwachsenen noch durch breitere Bindegewebszüge getrennt sind. ~ Dieselben Drüsenmassen kommen auch bei Pelias berus zur Entwicklung. Diese Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 215 mit kleinzelligem Material angefüllten Schläuche unterscheiden sich sehr erheblich von den Bowmann’schen Krypten, die viel weniger gedringt, mit niedriger einfacher Epithelbekleidung im Bereiche des hohen Riechepithels innerhalb der Nasenhöhle auch bei den Schlangen nicht fehlen. Die seitliche Nasendrüse der Schlangen, die von J. MÜLLER entdeckt wurde, ist von LEYDIG für unsere Ringelnatter genauer beschrieben und abgebildet worden (V, p. 605 u. Fig. 1 Taf. XXII 4). Bei Pelias berus, bei der Leypıg das Vorhandensein derselben unsicher lässt, konnte ich das Organ in ganz ähnlichen Verhältnissen, wie bei Tropidonotus natrix, nur kleiner, ganz bestimmt nachweisen. Über den Ausfüh- rungsgang sagt der berühmte Bonner Forscher nur sehr allgemein, derselbe gehe in die Nasenhéhle. Dem kann ich Folgendes hinzu- fügen. Die Ausmündungsstelle findet sich nicht eigentlich in der Nasenhöhle, sondern an der inneren Wand der Rinne, die von der Apertura externa zu derselben führt, freilich ganz dieht am freien Rande der Öffnung, die von da aus in die eigentliche Nasenhöhle durchbricht, also an der Grenze zwischen Pflasterepithel und hohem Riechepithel. Von da aus zieht derselbe in der Innenwand der Rinne nach hinten, dicht unter dem Rande des Nasenknorpels über dem Maxillare sup., nur häutig von der Rinne und von der Nasen- höhle geschieden. Im Anfang zeigt der weite Gang dasselbe ge- schichtete Pflasterepithel, das die Rinne auskleidet. Noch innerhalb der Innenwand der Rinne wandelt sich die Epithelauskleidung in ein einschichtiges, hohes Cylinder- Flimmer-?) Epithel um, zugleich legt sich die Wand in viele Falten. An der .oberen Seite des Ganges beginnt dann die Drüsensubstanz, die sich auf den Rand des Nasen- knorpels hinauferstreckt und die seichte Einbuchtung ausfüllt, mit der hier die knorplige Grundlage des Muschelvorsprungs beginnt. Bald erscheinen auch an der Unterseite des Ganges Drüsenschläuche. Von der Nasenhöhle sind dieselben theils nur häutig, theils durch einen aufgebogenen seitlichen Fortsatz des Septomaxillare und die Knor- pelspange 4? (Fig. 18) getrennt. In die Knorpelröhre, zu der sich die Einbuchtung an dem oberen Theil der Seitenwand der Na- senhöhle nach hinten vertieft, treten die Drüsenbälge nicht ein. Die Drüse endet am vorderen Rande des Praefrontale. Unten ruht dieselbe auf dem Maxillare sup. auf. Von der Stelle, an der der Ausführungsgang der Drüse ausmündet, beginnt in der letzten Pe- riode des Eilebens die Bildung der Drüse. Von der soliden Epithel- masse, die die Apertura externa ausfüllt, löst sich ein ebenfalls so- 216 G. Born lider, rundlicher Epithelstrang los und wächst nach hinten aus, um sich bald nach dem bekannten Bildungstypus der zusammengesetzten Drüsen zu verzweigen, an den Zweigen seitliche Sprossen zu trei- ben u. s. f. — Die Aushöhlung muss erst am Ende des Eilebens stattfinden. In Bezug auf die Mundhöhlendrüsen und ihre Bildung ver- weise ich auf die Arbeit von Herrn Dr. REICHEL (XII). Eben so wenig liegt es in meiner Absicht eine besondere Schilderung der Knochen der Ethmoidalgegend und ihrer Entwicklung zu geben; — man findet darüber genügende Angaben bei PARKER (II). Etwas genauer aber muss ich auf Bildung und Zusammensetzung des Knorpelskelets eingehen. Oben habe ich schon erwähnt, dass zwi- schen den Augen zwei rundliche Knorpelspangen nach vorn auswachsen, dieselben liegen anfänglich weit aus einander, rücken aber später näher zusammen. Kurz vor Beginn der Nasengegend treten sie zu einer Anlage zusammen. Dieselbe besteht aus einer verdichteten, kern- reicheren Substanz, deren specielle histologische Charakterisirung ich unterlasse. Dieser verdichtete Streif, dieser Vorknorpel, wächst dann weiter zwischen den Nasenhöhlen nach vorn (Fig. 13 $). Sobald derselbe zwischen den Nasenhöhlen deutlich wird, erkennt man auch zwei aus ihm hervortretende schmale Streifen Vorknorpels, die der medialen Wand der Nasenhöhle folgend mit leichter Divergenz im Septum narium aufstreben. Während diese nun weiter über das Dach der Nasenhöhlen nach außen ziehen, wandelt sich das me- diane Stück in Hyalinknorpel um, dessen Intercellularsubstanz freilich nur auf dünne Spangen zwischen den weiten Zellräumen be- schränkt ist. Schließlich treten auch Vorknorpelstreifen in der Mu- schel und an der unteren Seite des Jacobson’schen Organs auf, in der Weise und dem Zusammenhange, wie es der Form des Erwach- senen entspricht. Gemäß diesem Gange der Verknorpelung findet man in gewissen Stadien (Köpfe von etwa 6,5 mm Länge) dies un- paare basale Stück im Zustande richtigen Hyalinknorpels mit breiten Intercellularsubstanzbriicken, die von diesem zwischen den Nasenhöhlen aufsteigenden Streifen als »Zellknorpel«, die Decke als Vorknorpel und in der Muschel und am Jacobson’schen Organ eine undeutlich abge- srenzte Verdiehtung. Das schließliche Resultat ist ein Knorpelspan- genwerk, wie es Fig. 18 nach einem Modell darstellt, das freilich nicht für jede Dimension auf mathematische Treue Anspruch macht, da die Schnittserie, nach der es gearbeitet wurde, nicht ganz gleich- Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 217 mäßig war. Das mediale Basalstück S) ist hinten höher wie vorn. Sein vorderes Ende ist vom Prämaxillare umschlossen, bis zum Jacobson’schen Organ liegt dann sein unterer Rand frei zwischen den an dasselbe seitlich angelagerten vorderen Fortsätzen der Vomera und Septomaxillaria; im Bereiche des Jacobson’schen Organs legen sich an den unteren Rand des Knorpels die medialen, zwischen diesen Organen aufsteigenden Platten der Vomera an. Zwischen den Nasen- rachengängen bilden nur diese Platten der Vomera das Septum; die Knorpelspange ist inzwischen höher hinauf an die Decke dieser Gänge und den Boden der Riechhirne gerückt, dort wird sie von den Frontalia umwachsen. Von diesem basalen Knorpelbalken aus zie- hen die knorpeligen Innenwände etwas divergirend in die Höhe, doch ist der Zusammenhang bis auf das vordere Ende kein ganz einfacher, sondern der etwas nach außen vortretende untere Rand der Innen- wand ist mit dem ersteren nur durch eine äußerst schmale, vielfach durchbrochene Knorpelbrücke verbunden, wie dies auch die Figur 18 andeutet. In der hinteren Hälfte zeigt die Innenwand erst in ihrer Mitte, bald aber in ihrer ganzen Höhe eine große Lücke (Fig. 18 0). Um das vordere Ende der Nasenhöhle schließt sich die Knorpelkapsel zu einer flachen Kuppel, seitlich besitzt dieselbe einige große Lücken ‘Fig. 18 a). An dem Basalstücke findet sich unter der für die Nasen- höhle selbst bestimmten Kuppel eine durch eine Kante nach oben abgesetzte Grube für das vordere kopfförmig verdickte Ende des Septomaxillare. Die Kuppel reicht bis zum Vorderrande der Apertura externa. Von hier aus zieht sich ein Knorpelstreif sehr weit in der Außenwand der zur Nasenhöhle führenden Rinne nach hinten ‘Fig. 18 43), derselbe liegt dem oberen Rande des Maxillare sup. auf. Die von der Kuppel und der Seitenwand der Nasenhöhle aus- gehende Decke reicht über dem ersten Abschnitt der Nasenhöhle nicht bis in die laterale Wand; in der Lücke, auf die der von Ae aus- gehende Pfeil hinweist, ist die zur Nasenhöhle führende Rinne mit enthalten. Erst gegen die zweite Abtheilung hin senkt sich die Seitenwand der Decke etwas weiter herab. Dieser Theil der Decke ist gegen den vorhergehenden ein wenig (am Modell übertrieben) eingesattelt; — die Decke des darauf folgenden, die Muschel ber- genden Theils der Nasenhöhle erhebt sich ziemlich plötzlich stärker, um schließlich, am medialen Rande, in mehrere Spangen zu zerfallen, sich um das hintere Ende der eigentlichen Nasenhöhle herum abzu- senken (nicht mehr modellirt!). Dieser letzte, mit seinem unteren Rande frei anstehende Theil der Decke liegt in einer Ebene neben Morpholog. Jahrbuch. 8. 15 218 G. Born dem zur Basis des Riechhirns aufgestiegenen Basalstiicke. Im Be- reich des die Muschel enthaltenden Abschnittes der Nasenhöhle senkt sich jdie Decke am lateralen Rande herab, um für die obere Hälfte der Seitenwand ein knorpliges Stützblatt zu bilden. Dieses folgt der Kontur des Muschelwulstes (vgl. Fig. 18), d. h. vorn oben ist es sanft eingebogen, weiter nach hinten legen sich die den Flä- chenwinkel begrenzenden Platten in einer scharfen >-förmigen Knickung zusammen, schließlich verschmelzen sie lateralwärts und das Ganze wird zu einer mittels einer Platte gestielten Röhre. Das Ende der Knorpelröhre ragt frei hervor, es ist nur unvollkommen abgeschlossen und zeigt an der unteren Seite eine große Lücke. — Den hintersten Theil des Muschelwulstes stützt ein sich vorn an den Muschelknorpel anlehnender Fortsatz des Praefrontale, wie dies zu- erst von SOLGER für Crotalus horridus (VII, pag. 472) beschrieben worden ist. Bei Embryonen hängt, wie ich oben gesagt habe, das hintere Ende des Muschelknorpels mit einem die Eintrittsöffnung des Thränenganges ins Praefrontale umrahmenden Knorpelstreifen zusammen; — mit der Entwicklung des Muschelfortsatzes des Prae- frontale löst sich diese Verbindung. Der Anfang der knorpeligen Stützlamelle der Muschel hängt durch einen gekrümmten, Anfangs sehr schmalen, dann an der Außenseite des aufsteigenden Fort- satzes des Septomaxillare breiteren Knorpelstreifen mit der Knorpel- schale des Jacobson’schen Organes zusammen (Fig. 18 A2). Diese letztere ist sehr unvollständig. Sie besteht, wie Fig. 18 besser als jede Beschreibung lehrt, aus einer pilzförmigen Erhebung, die den Wulst am Boden des Jacobson’schen Organes stützt, und daran anschließend aus einem dünnen Knorpelblatt, das den seitlichen Theil des Bodens und die untere Hälfte der Seitenwand des Organs umfasst. Theilweise ist dieser Knorpel noch durch den Vomer dou- blirt. Die vom Muschelwulste zum Jacobson’schen Organ herabstei- sende Knorpelspange /? hängt unten mit einer nach vorn ziehenden zusammen, die Anfangs äußerst dünn, dann breiter in dem seit- lichen Rande der Naht zwischen Vomer und Septomaxillare ver- läuft und sich schließlich vorn in den Seitenrand der für den Kopf des Septomaxillare bestimmten Grube einpflanzt (Fig. 18 41). Hin- ter dem Ausführungsgange hört die Knorpelschale für das Jacobson- sche Organ auf, nur löst sich ein breiter, horizontal gestellter Knor- pelstreif von derselben, lateralwärts von dem Wulste, ab und zieht an der Unterseite des Vomer weiter nach hinten, lateralwärts vom Rachen- ende des Thränennasenganges (Fig. 18 Ac und Fig. 16 und 17). Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 219 Ungefähr in einer Querlinie mit dem Beginne dieses Knorpels taucht in der Lücke zwischen Vomer und Palatinum ein zweiter, schmälerer, lateralwärts neben ihm auf, der parallel mit dem ersten nach hinten zieht (Fig. 17 und 18 ke). Am Hinterrande des Jacob- son’schen Organes löst sich der mediale Knorpel von der Unterfläche des Vomer ab (vgl. Fig. 16 und 17) und zwischen ihm und dem Knochen tritt, wie unten noch näher auszuführen, der hier schon stark verbreiterte Thränennasengang in einem nach hinten ausge- buchteten Bogen quer nach außen; derselbe läuft dabei auch über die obere Seite des lateralen Knorpels und dann über das Palatinum hinweg. Jetzt liegen beide Knorpel dicht über dem Epithel der Mundschleimhaut in festes Bindegewebe eingehüllt; der mediale, auf ‘dem Querschnitt ein horizontal gelagertes Oval, der laterale wie ein mit der Spitze nach oben eingestelltes Komma (vgl. Fig. 17). Da mit dem Aufhören des Jacobson’schen Organes der horizontal in der Mundschleimhaut gelagerte Theil des Vomer schwindet, lie- gen beide Knorpel jetzt zwischen dem senkrechten Theil des Vo- mer und dem Palatinum, am Rande des Gaumenwulstes. Am hin- teren Rande des rückwärts ausgebuchteten queren Bogens des Thränenganges vereinigen sich beide Knorpelstreifen zu einer fla- chen Schale, die noch den Anfang des Nasenrachenganges zwi- schen Vomer und Palatinum stützt. Diese beide Knorpel A und ke entsprechen genau dem von SOLGER bei Python tigris entdeckten und beschriebenen (VII, p. 476 u. 477) säbelförmigen Knorpel, der also auch der Ringelnatter nicht fehlt. Die Beziehungen desselben zum Thränen- gange waren bisher noch nicht bekannt. Bei der Kreuzotter hört dieser Knorpel nicht am Anfang des Nasenrachenganges auf, wie bei der Rin- gelnatter, sondern wird daselbst bedeutend stärker, richtet sich zugleich mit dem lateralen Rande auf und bildet so bis zum hinteren Ende des Nasenrachenganges jederseits eine Knorpelschale, die denselben von außen und unten umgiebt, — so finde ich es wenigstens bei Kreuzotter- embryonen nahe dem Ende des Eilebens; über die Verhältnisse des ausgewachsenen Thieres habe ich keine Erfahrung. Ich behalte mir vor, auf diesen eigenthümlichen Knorpel später zurückzukommen. Sonstige Abweichungen des Knorpelskelets der jungen Kreuzotter sind: Die Nische oberhalb der Muschel, zu der in Fig. 18 der Pfeil von y führt, besitzt eine nur durch kleine Löcher unterbrochene knorplige Seitenwand, die bis zum hinteren Abschluss oben mit der Decke und unten mit der Muschel in Zusammenhang bleibt. Der Muschelknorpel selbst zeigt in seiner Länge die oben beschriebenen 15* 220 G. Born Formen, nur folgt auf die übrigens schmal aufgeschlitzte Röhre ein letztes Stück , ‚indem der Knorpel eine am freien Rande aufwärts gekrümmte, sonst einfache Platte darstellt. Diese Platte ersetzt we- nigstens bei der jungen Kreuzotter den bei der Ringelnatter das letzte Stück der Muschel stützenden Fortsatz des Praefrontale. Der von der Muschel absteigende Knorpelfortsatz, der am Eingang des Thränenkanal- loches des Lacrymale gelegen ist, ist besonders stark entwickelt. Da- gegen fehlt die knorpelige Verbindung zwischen der Schale für das Jacobson’sche Organ und der vordern Kuppel, die bei der Ringelnatter durch den in dem seitlichen Rande der Naht zwischen Vomer und Septomaxillare gelegenen Knorpelstreif A! repräsentirt ist. Die von PARKER (II, pag. 411 u. flg.) gemachten Angaben über das Knor- pelskelet der Ethmoidalgegend bei der Ringelnatter sind seltener irrig, häufiger in der Deutung, die von des Autors eigenthümlicher Schädeltheorie beeinflusst ist, misslungen. PARKER sagt pag. 411: The nasal cartilages are quite simple, I find no turbinal outgrowths in them whatever. Wie sich zu diesem folgen- der Satz auf der nächsten Seite, den ich nicht ganz verstehe, stellt, weiß ich nicht genau anzugeben: — the Snake has no inferior turbucals and when these exist, they are not membrane-bones, but cartilages, soft or more or less ossified, that grow as outgrowths from the inner face of the nasal wall and run from the inside of the outer nostril dowwards and backwards to the »choana« or »middle nostrile. Es erhellt also nicht ganz sicher, ob PARKER etwas von dem Muschelknorpel weiß, der den deutschen Autoren SOLGER u.s. f. wohl bekannt war. Dagegen kennt und beschreibt er den knorpeligen Verbindungsstreif, der, in dem seitlichen Rande der Naht zwischen Vomer und Septomaxillare gelegen, von der vorderen Kup- pel der Nase zum Jacobson’schen Organ, seiner Nasendriise, sagittal nach hin- ten zieht, sehr genau, pag. 412 oben, — merkwiirdigerweise deutet er densel- ben als first upper labiale, als ersten oberen Lippenknorpel, eine Auffassung, der ich aus Griinden, die ich wohl kaum zu entwickeln brauche, in keiner Weise beistimmen kann. Die Knorpelschale des Jacobson’schen Organes selbst soll nun gar ein »zweiter oberer Lippenknorpel« sein. Dabei laufen noch einige irrthümliche Auffassungen im Einzelnen mit unter. In Tafel XXIII Fig. 9 ist die Spitze des Knorpelwulstes im Boden des Jacobson’schen Organes ange- schnitten und wird als wi’, als erster Lippenknorpel bezeichnet; während die schon vom Schnitt getroffene, aber noch nicht damit zusammenhängende Schale für den Seitentheil des Jacobson’schen Organes wi? benannt ist; in einem etwas weiter rückwärts gelegenen Frontalschnitte (Taf. 33 Fig. 10) sind beide Stücke vereint und nun führt das Ganze die Buchstaben w/?. Die Spitze des Knorpel- wulstes, die in PARKER’s Figur 9 als «2! angesehen ist, hat aber mit dem sonst so bezeichneten Knorpelstreif direkt gar nichts zu thun. —. Damit hängt die falsche Angabe im Text zusammen: it (the wi!) reaches the opening between the two bones for the duct of the nasal gland. Die Knorpel Az und ke Fig. 18 scheinen dem englischen Autor nicht bekannt zu sein. An einzelnen Figuren wäre noch Mancherlei zu kritisiren, doch mögen die berührten Punkte genügen, zumal hier nicht der Ort ist die besondere Schädeltheorie des Autors, von der seine ganze Darstellung beherrscht wird, einer näheren Besprechung zu unter- ziehen. Bei Songer (VII, pag. 471 und 472) findet sich eine mit den bei Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 291 der Ringelnatter gefundenen Verhältnissen im Wesentlichen iibereinstimmende Darstellung des knorpeligen und knöchernen Muschelskelets von Crotalus hor- ridus. In Fig. 13 mündet der Thriinennasengang noch in die äußere Seite des zum Jacobson’schen Organes führenden Ganges; im Folgenden zieht sich die Einmündung um die hintere Seite des Ausführungsgan- ges des Jacobson’schen Organes an seine innere Seite herum und zwar zuerst in dieser ganzen Ausdehnung in kontinuirlichem Zusammen- hange mit dem Epithel desselben; so findet man es noch bei Köpfen von 7,8 mm Länge. Beim Erwachsenen löst sich der Thränennasen- gang hinten und außen von dem Ausführungsgange des Jacobson’schen Organes los und mündet nun merkwürdigerweise nur noch von der medialen Seite in denselben ein (vgl. dazu Fig. 15 7%). Da, wie unten näher zu zeigen, die Angaben der Autoren über diesen Punkt ganz irrthümliche sind, so will ich den Verlauf des Thränen- ganges bei der erwachsenen Natter hier im Zusammenhange be- schreiben. Derselbe öffnet sich in die mediale Seite des Ausfüh- rungsganges des Jacobson’schen Organes dieht über dem Epithelbelag der Mundhöhle, von hier aus zieht er eine kurze Strecke unterhalb des Vomer nach hinten. Er liegt hier in einer Rinne zwischen zwei Cri- stae des Vomer, von denen die mediale an der Ecke des aufsteigenden und horizontalen Theiles dieses Knochens gelegen ist (vgl. Fig. 16 7%): hier kommt der Gang also der Mittellinie sehr nahe. Erst nahe dem hinteren Umfange des Jacobson’schen Organes biegt der Gang um das hintere Ende der ihn bisher lateralwärts begrenzenden Crista quer nach außen; er beschreibt bei der ausgewachsenen Natter mithin einen ziemlich weiten Bogen von der Innenseite des Ausführungs- ganges des Jacobson’schen Organes um dessen hintere Seite herum, um sich dann lateralwärts zu wenden. Bei dieser Wendung lateral- wärts kommt er zwischen die Unterfläche des Vomer und die obere Seite eines Knorpelblattes zu liegen, das sich kurz vorher von der unteren Seite der Knochenkapsel (Vomer) des Jacobson’schen Organes losgelöst hat und von da aus dicht unter dem Epithel der Mundhöhle weiter nach hinten zieht (vgl. oben pag. 219 und Fig. 17 Th u. Au). Eben so zieht er quer über den zweiten, lateralen Knorpel hinweg, den ich oben beschrieben und in Fig. 17 mit ke bezeichnet habe. Die- ses quere, über den beiden Knorpelblättern gelegene Stück besitzt eine Ausbuchtung nach hinten, die von den zuerst getrennten, spä- ter verschmolzenen Knorpeln A und ke getragen wird. Dann pas- sirt der Thränennasengang etwas eingeklemmt zwischen der zahn- 222 G. Born tragenden Spitze des Palatinum und der Nasenhöhle hindurch (vgl. Th über p in Fig. 17). Das ganze quere Stück des Ganges ist vom Boden der Nasenhöhle nur häutig geschieden. Sogleich am lateralen Rande des Palatinum tritt der Thränengang in den knöchernen Kanal des Os laerymale (praefrontale) der Autoren ein. In demselben ist sein Zug beinahe rein sagittal nach rückwärts gerichtet. Bei der ausgewachsenen Natter ist die Eintrittsstelle des Ganges in den Kno- chen in der hinteren inneren Hälfte von einem halbmondförmigen, außen an den Knochen angelagerten Hyalinknorpel umrahmt; noch bei Embryonen von 7,8 mm Kopflänge hängt derselbe oben kontinuirlich mit dem Ende der die Muschel stützenden Knorpellamelle zusammen; späterhin atrophirt diese, wie noch andere Knorpelverbindungen. An die Stelle des hinteren Endes der knorpeligen Stützlamelle der Mu- schel tritt beim Erwachsenen ein starker Vorsprung des Thränen- beins (Praefrontale) der Autoren, wie dies schon SOLGER pag. 472 von der Klapperschlange beschrieben hat. Dieser vom hintern Mu- schelende absteigende Knorpelfortsatz, um den sich der Thränenkanal herumschlägt, ist genau dieselbe Bildung, die SOLGER (VII, pag. 482) bei einer Anzahl Saurier entdeckt hat und die dann von WEBER und mir genauer beschrieben worden ist. Über den weiteren Verlauf und das Augenende des Thränennasenganges habe ich dem von CLo- QUET Gesagten nur hinzuzufügen, dass in dasselbe ganz dicht an der Conjunetivalschleimhaut der Ausführungsgang der unter dem Auge hinziehenden Nickhautdriise einmündet. Den Autoren scheint dieses Verhältnis des Ausführungsganges der Drüse zum Ende des Thrä- nenganges entgangen zu sein, LreypiG beschreibt (V, pag. 611) die Ausmündungsstelle ganz richtig, scheint aber nicht bemerkt zu ha- ben, dass dieselbe mit dem Endtheil des Thränenganges zusammen- fällt. Nachholen will ieh noch, dass die Aushöhlung des Epithelstran- ges, den die Thränenkanalanlage darstellt, am Augenende beginnt und zwar zu einer Zeit, wo die Lidfalten sich vor dem Bulbus noch nicht vereinigt haben. Die Lumenbildung beruht, wie beim Vogel, auf einem Auseinanderweichen der Epithelzellen. Der im La- erymale gelegene Abschnitt wird zwar rasch weit, füllt aber bei Embryonen aus dem Ende des Eilebens den Knochenkanal bei Wei- tem nicht aus. Hier, wie in der Nasenhöhle atrophirt erst später die schleimige Bindesubstanzlage, die Epithel und Skelettheile trennt, zu einer sehr dünnen fibrösen Schicht. CLOQUET, der Entdecker des Thränenganges der Schlangen hat den Ver- lauf desselben vom Augenende bis zum Austritt aus dem Praefrontale ganz Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 223 richtig beschrieben (VIII, pag. 74), dann lässt er aber den Thränengang bei der Ringelnatter fälschlich in einen Sinus oder sac intermaxillaere münden, der die Thränen aufnehmen und dann in den Mund ergießen soll. Schon LEYDIG hat (IV, pag. 327 Anm. 3) richtig erkannt, dass dies ein Irrthum sei und charakterisirt den Sinus CLOQUET'S als einen Lymphraum ; an Köpfen, die in Müller'scher Flüssigkeit gehärtet waren und an deren Schnitten in Folge des- sen die Blutkörperchen erhalten waren, fand ich den weiten zwischen Maxillare und Palatinum gelegenen Raum regelmäßig mit rothen Blutkörperchen angefüllt; wie der Zusammenhang mit dem Blutgefäßsystem aufzufassen sei, lasse ich dahin gestellt, jedenfalls ist, wie oben ausführlich dargestellt, der Verlauf des Thränen- ganges an der Decke der Mundhöhle ein total von dem bisher bekannten verschie- dener. LEYDIG verspricht an der oben eitirten Stelle auf die Angelegenheit zurückzukommen, mir ist aber kein Ort bekannt, wo dies bisher geschehen wäre. Bei einer brasilianischen Viper lässt CLOQUET den Thränengang sich an der äußern Wand der Nasenhöhle unter der untern Muschel öffnen ; — bei der Kreuzotter stimmt meinen Erfahrungen nach der Verlauf genau mit dem von der Ringelnatter beschriebenen überein. Merkwürdigerweise hat CLOQUET den Thränengang der Ringelnatter glücklich sondirt (pag. 76 Anm. 1), die Ausmün- dungsstelle seines Sinus intermaxillaere am Rachen ist die richtige Öffnung des Jacobson’schen Organes und des Thränenganges, er hat sich aber dann durch die Präparation irreführen lassen. CLOQUET und DUVERNOY haben in ihren klassischen Aufsätzen (VIII, XIII, XIV) ganz besonders hervorgehoben, dass die bei einer großen Zahl von Schlangen verhältnismäßig stark entwickelten Thränendrüsen (Nickhautdrüsen Leypi@’s) nicht allein der Befeuchtung der ja so wie so gegen die Außenwelt vollkommen abgeschlossenen Bindehauthöhle dienen könnten, sondern dass ihr Hauptzweck sei, reichliches Sekret zu liefern, das durch den Thränennasengang in die Rachenhöhle geleitet zur Einspeichelung der Beute, die ja die Schlangen im Ganzen verschlingen, bestimmt sei. Doch ist den französischen Autoren ent- gangen, dass der Ausführungsgang der Drüse selbst in den Anfangstheil des Thränenganges einmünde. CLoquET sagt freilich sehr vorsichtig (VIII, pag. 72) über die Ausfüh- rungsgänge der Thränendrüse Folgendes: »Par la face anterieure, qui est con- cave, elle (die Thränendrüse) adhere a la partie posterieure de la conjonctive, au moyen des filamens nombreux, tres-delies, transparents, que je considére comme ses conducts excréteurs«, und pag. 74: »En arriére elle (die Bindehaut) récouvre la glande lacrymale, 4 laquelle elle est unie par les conduits excré- teurs, que j’ai indiqués, et dont il est impossible de distinguer les orifices, tant grande est leur ténuité«. — Leypic’s Angabe über die Ausmiindung der Thranen- drüse CLOQUET's, seiner Nickhautdriise, kommt, wie oben bemerkt, der Wahrheit sehr nahe. — Für die Richtigkeit der Auffassung der Thränendrüse der Schlangen in funktioneller Hinsicht als Speicheldrüse, die durch die von mir gefundene Ein- miindung des Ausführungsganges der Thränendrüse in den Thränengang noch wahrscheinlicher gemacht wird, spricht sehr eindringlich auch die Beobachtung Duvernoy’s (XIV, p. 29), dass bei Typhlops bei ganz rudimentären Augen die Thränendfüsen riesig entwickelt waren, wohl zehnmal größer als der Augapfel. Der auffälligste Unterschied in der Bildung der Nasenhöhle der 224 G. Born untersuchten Schlangen von der nächst verwandten Familie der Saurier ist der Mangel einer mit niedrigem Epithel bekleideten Vorhöhle. Zwar öffnet sich bei der Ringelnatter die zur Nasenhöhle führende Rinne, wie bei den Sauriern, in einen vorn kuppelförmig abgeschlos- senen, muschellosen Gang, der vor und über dem vorderen Umfang des Jacobson’schen Organes gelegen ist, auch ist derselbe von einem ganz ähnlichen Knorpelskelet und denselben Knochen, dem Intermaxil- lare, Maxillare, dem vorderen Ende des Septomaxillare umgeben, aber der fragliche Raum ist bei der Schlange bis in sein vorderes blin- des Ende mit hohem Riechepithel bekleidet, bei den Sauriern trägt er regelmäßig Pflasterepithel. Durch diesen Umstand charak- terisirt er sich bei den letzteren als ein später der eigentlichen Riechgrube vorn zugefügtes Stück, das durch röhrenför- miges Vorwachsen der die Riechtasche begrenzenden Ränder entsteht, also als eine richtige Vorhöhle!; bei den un- tersuchten Schlangen dagegen ist dieser Theil durch Auswach- sen der Riechgrube selbst gebildet: er ist demgemäß auch schon vor Abtrennung der Choane von der Apertura externa in Fig. 1 als eine punktförmige Vertiefung über und vor der Öffnung des Jacob- son’schen Organes angelegt ; — während des ersten Abschnittes der Em- bryonalentwicklung, die wir geschildert, bleibt dieser Abschnitt durch seine stärkere Vorwölbung nach innen deutlich von dem hinteren, muschelhaltigen Abschnitte geschieden. — GEGENBAUR sprach den Reptilien bekanntlich (XV) jede Vorhofsbildung ab; — SOLGER, der dann nach LeyvıG die Vorhöhle der Saurier genauer beschrieben hat, äußert sich bei den Ophidiern über diesen Punkt nicht, doch lässt sich aus seinem besonderen Hervorheben des Besitzes dieses Nasentheiles bei den Sauriern der Schluss ziehen, dass er denselben den vorher bespro- chenen Ophidiern nicht zuerkennt. — Die umgebenden Skelettheile bleiben dieselben bei beiden Reptilienfamilien, weil die vorwachsenden Mittelblatttheile offenbar davon nicht beeinflusst werden, ob sich an ihrer Nasenfläche das Riechepithel mit ausdehnt oder zurückbleibt und dann durch einen epidermoidalen Überzug ersetzt wird, wohl aber verändert sich parallel ein Organ, das direkt vom Epithel- überzug der Nasenschleimhaut entsteht, das ist die Nasendrüse. — Während die Nasendrüse bei den Sauriern im Innern der Na- senhöhle, an der Grenze zwischen Vorhöhle und eigentlicher ! Bei Seineus ist, wie ich mich jetzt überzeugt habe, die Vorhöhle sehr kurz, das Pflasterepithel reicht kaum über den hinteren Rand der Apertura externa. Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 225 det, geschieht dies bei den untersuchten Schlangen am Eingang in-die Nasenhöhle und doch ist dies wieder derselbe Ort, es ist auch der Vorderrand der embryonalen Riechgrube, an der Grenze des geschichteten Pflasterepithels gegen das hohe Riechepithel. Die Bildung der definitiven Choane ist, wie ich X, p. 127 u. fig. hervorgehoben habe, bei den verschiedenen Saurierfamilien, eine sehr verschiedene, doch ist der Verschluss der ursprünglichen zur Nasen- grube führenden Choanenspalte, so ähnlich dieselbe bei Sauriern und Schlangen in früheren Stadien war (vgl. X, Taf. VII, Fig. 23 und 24 mit Fig. 11 und 12 hier), bei den untersuchten Schlangen ein viel vollständigerer, als bei irgend einem Saurier, wie ohne Wei- teres die Vergleichung der Figur 9 hier mit Fig. 3 und 4 auf Ta- fel VII meiner Saurierarbeit (X) und Fig. 102 aus Leypie’s großem Werke (Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. Tübingen 1872) - lehrt. Es bleibt bei Tropidonotus und bei Pelias berus keine tiefere, von der Ausmündung des Jacobson’schen Organes zur definitiven Choane führende Rinne als Rest der zur Nasengrube führenden Spalte zurück, sondern die Jacobson’schen Organe münden auf der zwar nicht planen, aber doch ununterbrochenen Gaumenfläche ganz für sich weit vor der definitiven Choane aus. Die Letztere wird - bei den Schlangen dadurch noch weiter rückwärts verlegt, dass sich hinten an die eigentlichen Nasengruben je ein Nasen- rachengang von ansehnlicher Länge anfiigt. — Bei Lygosoma (X, pag. 101) fand sich eine ähnliche Verlängerung der Nasenhöhle, doch war der dort gebildete Nasenrachengang an der unteren Seite durch einen Längsschlitz aufgespalten, hier ist derselbe vollständig geschlossen. Bei den Säugern bildet sich nach Dursy, KÖLLIKER und Anderen die einheitliche Gaumenfläche dadurch aus, dass mit Ausnahme eines ganz kurzen vorderen Zwischenkieferabschnittes die horizontalen Gaumenplatten sich unter dem Septum zusammen- schieben und in einer medianen Längsnaht vereinigen; erst se- kundär verklebt der untere Rand des Septums mit der oberen Seite der so gebildeten Gaumenfläche in der Mittellinie; bei den unter- suchten Schlangen verschmelzen die Innenränder der Gaumenplatten in zwei seitlichen Nähten mit den Seitenflächen des unteren Ran- des des Septums, so dass die untere Fläche des letzteren sich breit -— im Bereiche des Mittelfeldes an der Bildung der Gaumen- fläche bis zur definitiven Choane hin betheiligt. Auf diesen Unter- schied in der Gaumenbildung ist offenbar die Entwicklung eines 226 G. Born so massigen Organes, wie des Jacobson’schen Organes der Schlan- gen, im unteren Rande des Septums von wesentlichem Einfluss. —- Parallel mit dem Unterschiede in der Bildung der Gaumenfläche gehen die Verschiedenheiten in der Ausdehnung der Knochen; der Vomer, der bei den Säugern durch das Vorwachsen der Gaumen- platten ganz von der Begrenzung der Mundhöhle abgetrennt wird, bildet bei den Schlangen einen wesentlichen Theil des harten Gau- mens; Palatinum und Maxillare sind auf schmale, seitlich gelegene Streifen beschränkt. — Die Einmündung des Jacobson’schen Orga- nes und des Epithelstranges, der z. Z. die Anlage des Thränen- ganges darstellt, an zwei einander gegenüber stehenden Wänden der ursprünglich zur Nase führenden Choanenspalte, wiederholt sich gleichmäßig in der Ontogenese von Lacerta und von Tropidonotus (vgl. hier Fig. 10 und 12 mit X, Fig. 23 und 24). Wie bei den Asca- loboten und anderen Sauriern behält bei den untersuchten Schlan- gen der Thränengang seine Beziehung zum Ausführungsgange des Jacobson’schen Organes bei, während er bei Lacerta und anderen Sauriern mit der Verlegung der Choanenspalte weiter nach hinten rückt. — Mit der vollkommenen Loslösung des Jacobson’schen Or- ganes von jeder Beziehung zur Nasenhöhle bei der erwachsenen Natter und Kreuzotter steht vielleicht die Entwicklung eines reichen Drü- - senlagers, das, so viel ich sehe, den Sauriern fehlt, in engerem Zu- sammenhange. — Die Nickhaut- oder Harder’sche Drüse mündet, wie oben beschrieben, in das Augenende des Thränenganges ein, dieselbe funktionirt bei den Schlangen, wie schon die ersten franzö- sischen Untersucher betonten, hauptsächlich als Speicheldrüse; — der Thränengang, der jede Beziehung zur Nasenhöhle verloren hat, befördert ihr Sekret direkt in den Rachen. — Die untersuchten Schlangen besitzen eine »primäre Muschel« (vgl. X, pag. 133 und flg.), die, wie bei allen Wirbelthierklassen, wenigstens embryonal eine Be- ziehung zum Thränengange zeigt; derselbe mündet anfänglich in einer Rinne unter ihrem vorderen Ende. — Die Bildung des Pri- mordialschädels in der Nasengegend ist dem bei den Sauriern be- schriebenen Bilde ziemlich ähnlich: Septum, vordere Kuppel, Dach, Umrandung der Apertura externa, namentlich aber auch die nach hinten tiefer werdende Einbiegung der Seitenwand, die sich endlich zu einer gestielten Röhre schließt, sind bei Lacerta und Tropidono- tus nur wenig verschieden (vgl. Fig. 18 hier mit X, Fig. 1). Dage- gen ist die Knorpelkapsel für das Jacobson’sche Organ bei den Schlangen viel unvollständiger, als bei der Eidechse: Es fehlt Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 297 vollkommen die vordere Wand und deren Verbindung mit dem Sep- tum, eben so ist die knorpelige Brücke, die dasselbe nach oben mit dem Anfang der Muscheleinbiegung verbindet (4 Fig. 18) unver- gleichlich viel schmäler. Im Übrigen ist die Beschaffenheit der vor- handenen Knorpelschale mit dem charakteristischen Wulste der Bil- dung bei den Sauriern durchaus ähnlich. Die von Songer bei Python tigris zuerst aufgefundenen, von mir für die Ringelnatter bestätigten Knorpel 4% und ke, von denen der erstere vorn mit der Schale des Jacobson’schen Organes zusammenhängt, während beide nach hinten unter dem Vomer und einwärts vom Palatinum in der Rachenschleimhaut weiter ziehen, finden vielleicht, wie ich schon X, pag. 76 bemerkt habe, ihr Homologon in dem Knorpel, den ich bei den Sauriern mit Am bezeichnet habe. — Bei den As- caloboten, bei denen der Thränenkanal vorn mit dem Jacobson’schen Organ zusammen ausmündet, schlägt derselbe sich auch über den Anfang des Knorpels 4m weg, wie er bei der Schlange (vgl. Fig. 17) quer über Ai und se hinweggeht. Die Umbildung des hinteren, gemeinschaftlichen Endes der fraglichen Knorpel zu einer besonde- ren schalenförmigen Stütze für den Nasenrachengang ist der Kreuz- otter eigenthümlich. — Der den Vomer an der Oberseite doublirende Knorpelstreif, der hinter dem Jacobson’schen Organ neben dem un- teren Rande des Septum bei vielen Sauriern hinläuft, fehlt den untersuchten Schlangen, dagegen besitzt wieder allein Tropidonotus die Knorpelspange /', die, in der Naht zwischen Vomer und Septo- maxillare gelegen, vom Jacobson’schen Organe zur vorderen Kuppel zieht. — Der von dem hinteren Ende der Muschel absteigende Knorpelfortsatz, der den Eingang in den knöchernen Canalis lacry- malis umrahmt, ist Sauriern und Schlangen gemeinsam. Die Bezeichnung Thränennasengang habe ich im Text meist vermie- den, weil der Gang bei der erwachsenen Natter jede Beziehung zur Na- senhöhle eingebüßt hat, und habe dafür einfach Thränengang gesetzt. Die erste Anlage desselben ist die typische; eine Epithelleiste, die von der zweischichtigen Epidermis der Haut zwischen Auge und Nase in das embryonale Bindegewebe einwächst, sich von vorn her allmählich abschnürt und mit dem ausgewachsenen, freien vorderen Ende sich mit dem Epithel der Rinne unter dem vorderen Ende des Muschelwulstes — gegenüber der Einmündung des Jacobson’schen Organes in die Choanenspalte — verbindet. Die Einmiindungsstelle des Thränenganges in die Nasenhöhle an der bezeichneten Stelle findet sich schon bei seinem ersten Auftreten bei den geschwänzten 228 G. Born Amphibien und bleibt bei den Vögeln und Sauriern auch im er- wachsenen Zustande erhalten: bei den Schlangen dagegen mündet der Thränengang nach sekundären Umbildungen in die Mundhöhle: | bei den Sauriern finden sich Übergänge, indem er immer in das obere Ende der Rinne einmündet, die an der Gaumenfläche den Rest der ursprünglichen Choanenspalte darstellt: dies kann weit vor der definitiven Choane geschehen. der Kanal also eigentlich in die Mundhöhle einmünden — freilich kann sein Inhalt dann durch die Rinne auch in die Choane abfließen —. oder die Ein- miindungsstelle wandert nach hinten und findet sich erst inner- halb der definitiven Choane, also doch in einiger Beziehung zur Na- senhöhle-e — Bei beiden Reptilienfamilien dient der Inhalt des Thränennasenganges offenbar auch zur Einspeichelung der Beute, die im Ganzen verschlungen werden muss: die Conjunctivaldriisen unterstützen also die Mundhöhlendrüsen, die eigentlichen Speichel- driisen. Bei keinem Saurier ist aber diese Einrichtung so vervoll- kommnet, wie bei den Schlangen, selbst bei den Ascaloboten und denjenigen Skinken nicht, bei denen ebenfalls der Conjunctivalsack nach außen abgeschlossen ist, denn nirgends mündet die Niekhaut- drüse, wie bei den untersuchten Schlangen, in das Augenende des Thränenganges selbst ein. — Auch sind bei den Ascaloboten trotz des Abschlusses des Conjunctivalsackes noch beide Thränenröhrehen ausgebildet. Bei den Schlangen dagegen, bei denen der Abschluss des Conjunctivalsackes, als erste Stufe einer besonderen Einrichtung zur ausgiebigen Verwendung des Conjunctivaldriisen-Sekretes zur Einspeichelung der Beute, offenbar viel älter ist, als bei den Geckos, ist alles Andere auf diesen einen Zweck zugespitzt, die Nickhaut- drüse entwickelt sich von der Einmündung des Thränenganges selbst. so dass ihr Sekret zwar auch rückwärts in den Conjunctivalsack abfließen kann, direkt aber zur Mundhöhle geleitet wird: außerdem ist die jetzt unnöthige Verdoppelung des Augenendes des Thränen- ney ganges gespart. — Die Anlage des Thrä- fi: 2 nenganges als Epithelleiste ist, wie bei den (EB Sauriern, nur kurz, ein größeres Stück ok a ns wächst sekundär aus; — doch ist die er — Stelle der leistenférmigen Anlage eine an- dere, als bei der Eidechse; bei dieser fand dieselbe sich am unteren Rande der wulstförmigen Lidanlage im Bereich des vorderen Endes des Oberkieferfortsatzes (vgl. X. Fig. 26), hier findet sich dieselbe im Augenende der Thränenfurche zwischen den Lidwülsten am Ober- Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 229 kiefer- und inneren Nasenfortsatze (vgl. Fig. 3). Der voranstehende Holzschnitt giebt von dem Verhältnis der Thränenkanal-Anlage bei der. Natter ein schematisches Bild, das ich den XI, pag. 427 gege- benen Schemata von Amphibien, Vögeln und Sauriern vergleichend anzureihen bitte. — Die Lidspalte ist noch offen gezeichnet. der als Epithelleiste angelegte Augentheil ist mit voller Linie, das sekun- där ausgesprosste Nasenende mit punktirten Linien angegeben; letz- \ teres ist der Einfachheit wegen bis zum Nasenloch ‘hier Na) ver- längert. Breslau, im Februar 1882. It toere tsar I. H. RATHkE, Entwicklungsgeschichte der Natter. Königsberg 1839. II. W. K. Parker, F.R.S., On the Structure and Development of the Skull in the common Snake. — Philosophical Transactions of the Royal Society of London. Vol. 169. London 1879. III. W. K. PARKER und G. T. Berrany, Die Morphologie des Schädels. Deutsche autorisirte Ausgabe von Prof. B. VETTER. Stuttgart 1879. IV. F. Leypie, Zur Kenntnis der Sinnesorgane der Schlangen. Archiv für mikroskop. Anatomie Bd. VIII pag. 317. V. —— Über die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. Archiv für mikroskop. Anatomie Bd. IX. VI. v. SIEBOLD und Srannius, Handbuch der Zootomie. I. Theil: Die Wirbelthiere von H. Srannius. Berlin 1856. VII. B. SOLGER, Beiträge zur Kenntnis der Nasenwandung und besonders der Nasenmuscheln der Reptilien. Morphol. Jahrb. I pag. 467. VII. M. JuLEs CLOoQuUET, Mémoire sur l’Existence et la Disposition des Voies lacrymales dans les Serpens. — Mémoires du Muséum d’Histoire na- turelle Tome VII. Paris 1521. pag. 62 und Taf. I. IX. G. Bory, Über die Nasenhöhlen und den Thränennasengang der Amphi- bien. Morphol. Jahrb. Bd. I. X. —— Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbel- thiere I. (Saurier) Morphol. Jahrb. Bd. V. XI. —— Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbel- thiere II. (Vögel.) Morphol. Jahrb. Bd V. XII. P. REıcHeEr, Beiträge zur Morphologie der Mundhöhlendrüsen der Wir- belthiere. Breslauer Inauguraldissertat. und Morphol. Jahrb. Bd. VIII 1. Heft. XIII. M. Duvernoy, Mémoire sur les caractéres tirés de | Anatomie pour di- stinguer les Serpents venimeux des serpens non venimeux Annales des Sciences naturelles. Tome XXVI. Paris 1832. 230 G. Born XIV. M. Duvernoy, Fragments d Anatomie sur l’Organisation des Serpens. Annales des Sciences naturelles. Tome XXX. Paris 1833. XV. OC. GEGENBAUR, Uber die Nasenmuscheln der Vögel. Jenaische Zeit- schrift Bd. VII. Erklärung der Abbildungen. Tafel IX—X. Allgemein gültige Bezeichnungen. Au Auge, N eigentliche Nasenhöhle, Ch primitive Choane, s leistenförmiger Innenrand der Choane, s! vorderer zäpfchenarti- ger, s? hinterer breiterer Theil desselben, z Wiirzchen einwärts von s!, t Mittelleiste, O Oberkieferfortsatz, Og Gaumenleiste desselben, Og! innerer, Og?äußerer Theil derselben, J.O. Jacobson’sches Organ, wJ Wulst am Boden desselben, gJ Gang zum Jacobson’'schen Organ, dJ Drüsen des Jacobson’schen Organes, kJ Knorpelschale desselben, Ae Apertura externa, aN äußerer } iN innerer | Z Lidanlage, Z! am äußeren Nasenfortsatz, Z? am Oberkieferfort- satz. Th Thränenkanal, Thr Thränenrinne, The Thränenkanalleiste, E Epidermis, S Septum, M Muschel, kM Muschelknorpel, Z TZahnanlage, G Blut- oder Lymphraum, e Eizahn, Nasenfortsatz, Lücken im Knorpel, kt Knorpelspange, die von der vorderen Kuppel zum Jacobson- schen Organ zieht, }2 Knorpelspange, die vom Anfange der Muschel-Einbiegung zu Schale des Jacobson’schen Organes herabläuft, Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 231 k3 Knorpelspange, die im unteren Rande der Rinne gelegen ist, die von der Apertura externa zur Nasenhöhle führt. ki medialer Knorpel, der von der Schale des Jacobson’schen Or- ganes aus in der Rachenschleimhaut nach hinten zieht, ke lateraler Knorpel, der vorn frei entsteht, und sich hinten mit dem vorigen vereinigt. v Os vomeris. p Os palatinum. Tafel IX. Bei allen Köpfen, nach denen die Figuren dieser Tafel gezeichnet sind, war der Unterkiefer entfernt. Die Köpfe waren meist einfach in Alkohol kon- servirt, wenige nach vorausgehender Chromsäurebehandlung. Fig. 1. Kopf (4 mm lang) eines Embryo von Tropidonotus natrix von unten und etwas von der Seite gesehen (Vergr. etwa 8mal). Fig. 2. Etwas älterer Kopf, ein wenig schwächer vergrößert. Fig. 3. Kopf von nahezu 5 mm Länge von der Seite, ungefähr 7mal ver- größert. Fig. 4. Kopf von nahezu 5 mm Länge von unten, kaum 7mal vergrößert. Fig. 5. Kopf eines etwas älteren Embryo, wie Fig. 4, von unten, stärker ver- größert wie der vorige. Fig. 6. Kopf von 51/, mm Länge von unten, 7mal vergrößert (5,8 em Ge- sammtlänge). Fig. 7. Kopf von reichlich 6 mm Länge von unten, 7mal vergrößert (S cm Gesammtlänge). Fig. 8. Kopf von etwas über 6,5 mm Länge von unten; 6mal vergrößert (von der Schnauzenspitze zum am meisten nach hinten ragenden Theile des Mittelhirns gemessen). Fig. 9. Gaumenfläche des Kopfes einer erwachsenen Tropid. natr. 3mal ver- größert. * Ausmündungsstelle des Jacobson’schen Organes und des Thränenganges. Näheres darüber im Text pag. 211. Tafel X. In Fig. 10—17 sind die Bindesubstanzen grau, die Epithelien schwarz, Knochen schraffirt und Knorpel punktirt gehalten. Fig. 10. Frontalschnitt eines Kopfes von der Größe der Figur 2, mitten durch die Offnung des Jacobson’schen Organes, 46mal vergrößert. Fig. I1. Frontalschnitt eines Kopfes von der Größe der Fig. 3, durch den hin- teren Rand der Öffnung des Jacobson’schen Organes, 40mal ver- größert. Fig. 12. Frontalschnitt eines Kopfes, welcher etwas älter ist, als der in Fig. 5 abgebildete (zwischen Fig.5 und 6), 46mal vergr. — In dieser Figur sind die schon deutlichen Anlagen der Drüsen des Jacobson’schen Or- ganes weggelassen. 232 Fig. Fig. Fig. Fig. 13. 14. 15, 16 u. 17. Drei durch je sechs andere von einander getrennte Frontal- — 18. G. Born, Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang etc. 3 Frontalschnitt eines Kopfes von der Größe der Fig. 7, 42mal vergr. Aus derselben Serie, wie die vorhergehende Figur, einige Schnitte weiter rückwärts. schnitte des Kopfes einer erwachsenen Natter; es sind die Theile an der Gaumenschleimhaut nahe der Mittellinie abgebildet. 7 Schnitt durch die Ausmündung des Jacobson’schen Organes und des Thränenganges. Schnitt durch den Thränenkanal unter dem Vomer nahe der Mittellinie. Schnitt durch den Thränenkanal, an der Stelle, wo er quer nach außen umbiegt. Die punktirten Linien zeigen die Verbindung der in diesem Schnitt getrennten Durchschnitte des Thränenkanals (7%), wie sie sich im nächsten Schnitt weiter rückwärts findet. Das Jacobson’sche Organ müsste eigentlich in polygonale Felder getheilt sein, da nur noch die Drüsenschicht des Organs getroffen ist. Ansicht eines Modells des knorpeligen Nasenskelets von unten, außen und hinten. Das Modell war 40mal vergrößert, die Abbildung ist um die Hälfte verkleinert. » zZ = bale en Mer un tz ” %. Duty „ an a rn R UT 2 ur ET — Be a Morphol. Jahrbuch. Bd Vill. Taf IX. Rosenstein, Strasser del. Verlag v. Wilh. Engelmann, leipzig. Lith. Anstv.d.GBach, Leipzig ” Die ‘© Morphol. Jahrbuch. Taf X. ith.Anst.v.J 6.Bach, Leipzig. — Morphol.Jahrbuch.Bd.Vill - - i i Taf X. Fig. 10. | 9 , . rer Fr a en ne ‘Verlag vWilh.Engelmann, Leipzig. i . > a : : ThAnstvd6 Bach, Leipzig Er Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. Von Dr. A. Rauber, ao. Professor in Leipzig. Mit Tafel XI— XIV. I. Einleitende Bemerkungen. In der Herstellung eines innigen Zusammenhanges und einer lebensvollen Verbindung der einzelnen Disciplinen der Naturwissen- schaft einen wesentlichen Vorzug seines Zeitalters erblickend, er- klärte ScHWANN es als eine um so auffallendere Erscheinung, wenn die Anatomie und Physiologie der Thiere und Pflanzen trotz der vielen Bestrebungen ausgezeichneter Männer noch immer ziemlich isolirt neben einander stehen und die Schlüsse aus dem einen Gebiete nur eine entfernte und äußerst vorsichtige Anwendung auf das andere Gebiet erlauben. Er selbst, diese Isolirung vermeidend, hat es am besten erfahren, wie gerechtfertigt seine Auffassung war. Er hat den glänzendsten Beweis geliefert, dass gerade in einer wechselseitigen Durehdringung und Ergänzung beider Wissenschaften ein außerordent- licher Gewinn, ein wichtiges Moment zum Fortschritt enthalten sei. Hatten doch seine »Mikroskopischen Untersuchungen über die Über- einstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen« den bestimmten Nachweis gebracht von einem weit engeren Zusammenhang beider Reiche, als es vordem hatte vermuthet werden können, za einer Zeit, da man wesentlich in der Richtung der Trennung und des Unterschiedes beider Reiche vorgegangen war. Da zeigte sieh plötzlich um so überraschender jener unerwartete tief- greifende Zusammenhang, der uns jetzt so einfach und leicht über- Morpholog. Jahrbuch. 8. 16 234 A. Rauber sehbar, fast möchte man sagen, so selbstverständlich dünkt. Ich brauche ihn nicht näher zu bezeichnen, denn er war es, welcher der folgenden Zeit die sichere Bahn vorgezeichnet hat, auf der sie zu einer fast unübersehbaren Reihe fernerer Fortschritte voran- schreiten sollte. Der wissenschaftliche Zusammenhang beider Reiche, obgleich da- mals seine Nothwendigkeit so mächtig zum Bewusstsein gebracht worden war, hielt indessen nicht allzulange vor. Bei den Pflanzen war nur wenige Zeit vorher von SCHLEIDEN das Walten desselben Grundgesetzes entdeckt worden, das nunmehr auch in der Thierwelt Geltung bekommen hatte. In jedem der beiden Reiche, insbesondere in dem animalen, zeigten sich von da an so viele Aufgaben um- fassender und in das Einzelne gehender Art, dass theils mit Rück- sicht auf deren Menge und Schwere, theils in der befriedigenden Wahrnehmung der wachsenden großen Vorräthe, mit welchen als- bald die vorher leeren Kammern sich zu füllen begannen, der Weg der erneuerten Isolirung sich von selbst ergab. Nur wo Fragen all- gemeinerer Art auftauchten, wendete sich der Blick naturgemäß und gern wieder auf die Pflanzen zurück. Das jüngste interessante Beispiel gemeinschaftlicher Arbeit liegt mit den karyokinetischen “ Untersuchungen vor unser Aller Augen bis zu einem gewissen Grade abgeschlossen da. Wichtig für Theorie und Praxis, findet noch jetzt ein beständiges Herüber- und Hinüberströmen der beiderseitigen Erfahrungen in dieser Beziehung statt. Auch die folgende Abhandlung sucht auf der Bahn der Ver gleichung beider Reiche vorwärts zu gehen. Sie lenkt dabei zugleich von dem Einzelnen auf das Ganze, von den elementaren Theilen auf den Ge- sammtkörper den Blick zurück. Immer ansehnlicher wächst die Fülle der Einzelheiten histologischer Forschung. Tausend fleißige Hände, sind in angestrengter Arbeit erfolgreich thätig an der Vermehrung derselben. Ist es denn, so drängt sich uns in Würdigung dieses Umstandes unwillkürlich die Frage auf, auch in gleichem Maße lohnend, sich Arbeiten allgemeinerer Art zu unterziehen? Die Neigung der Zeit widerstreitet weder dem einen noch dem anderen Beginnen; sie liebt das Allgemeine nicht weniger, als das Besondere. Doch lässt es sich nicht leugnen, dass gegenwärtig auf Vervollständigung des Einzelbesitzes zugleich Aller Augen mit Recht gerichtet sind. Aber dieses Einzelne wird nicht immer durch Haftenbleiben am Einzelnen erreicht. Vergebliche Mühe ist es oft, dasselbe in der gewünschten Tiefe und im gewünschten Umfang auf diesem Wege Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 235 zu erhalten. Ein anderer Weg, der von dem Ziel Anfangs vielleicht wegzuführen schien, zeigt auf einmal dem erstaunten Auge in der Ferne dämmernd oder in unmittelbarer Nähe leuchtend, das was es suchte. Zeigt uns ferner, wenn das Einzelne unsere Neigung über Gebühr beherrschen sollte, nicht gerade die Untersuchung von SCHWANN, die auf das Allgemeine ging, auf das deutlichste, was allgemeine Gesetze zu leisten vermögen und auf wie lange Zeit hinaus ihre fernere Ausbeutung so viele Kräfte beschäftigen kann? Zehren wir doch Alle daran! Schon ein verworrenes Suchen nach solchen ist, so scheint es mir, nicht ganz verwerflich. Bestrebungen allgemeinerer Art, mit dem Verlangen, die Gesetze zu sehen, welche die Masse der Erscheinungen beherrschen, sind aber nicht allein erlaubt, sondern sie werden zu gewissen Zeiten zur unabweislichen Nothwendigkeit. Ein großer Theil des gewonnenen Einzelstoffes ist, das lässt sich nicht leugnen, zur Zeit eine noch unverstandene, zusammenhanglose, nur einseitig betrachtete Masse. So viel des Bestechenden der gegen- wärtige Zustand der Lehre vom feineren Bau des Thierkörpers auch darzubieten vermag, so giebt es doch auch gewisse Seiten derselben, die uns dureh ihre Leerheit anstarren und in deren Preis man nicht einstimmen kann. Niemals auch, so sehr die Meinungen Anderer dafür eintraten, habe ich in deren Lob einzustimmen vermocht. Mit Unwillen betrachtete ich oft, ich leugne es nicht, die Arbeiten mancher Nadel, manches Mikrotoms. Ich weiß nun wenigstens genauer, warum dies geschah. Was mir in der Betrachtung des einen Reiches dunkel vorgeschwebt war, wessen klarere Einsicht ich vergeblieh bei den Thieren zu erstreben gesucht hatte, ich habe es bei den Pflanzen vorgebildet gefunden. Ich fand die gewünschte Befriedigung dort, wohin ich mich einem unwiderstehlichen Antriebe folgend gewendet hatte, sie zu suchen. Unwillig oft und mit Lächeln auf meine eigene Arbeit mit jenen Instrumenten blickend, so gut sie sich mit jener Anderer vergleichen durfte, trage ich willig das Netz, welches das Pflanzenreich über mich geworfen. Hier ist auch der Anker, an welchem ich versuchen möchte, das Thierreich festzuhalten. Ein von mir im verflossenen Jahre veröffentlichter Aufsatz (Thier und Pflanze, akademisches Programm, Leipzig, W. ENGELMANN) giebt in kurzer Darstellung bereits die Ergebnisse an, die sich mir bei einer Vergleichung der beiden Reiche aufgedrängt hatten. Sie zeigt auch den Weg, auf welchem die neuen Ziele zu verfolgen waren. Die thatsächliche Grundlage, welehe mir damals auf Sei- ten des Thierreichs zu Gebote stand, war allerdings noch lücken- 16* 236 A. Rauber haft genug und selbst in wesentlichen Beziehungen konnte da und dort statt eines zuverlässigen Befundes nur eine Wahrscheinlichkeit gegeben, statt beweiskräftiger Erscheinungen nur eine Reihe von leeren Fächern vorgestellt werden. Es fehlte eben an sicher ver- wendbaren Vorarbeiten noch in so hohem Grade, dass selbst die- jenigen Objekte, deren wissenschaftlicher Besitz unzweifelhaft ge- sichert erscheinen konnte, nothgedrungen einer neuen Bearbeitung unterzogen werden mussten. Der neue Gesichtspunkt, von welchem die in Frage kommenden Besitzstände beurtheilt werden mussten, stellte auf einmal an die Untersuchung andere Ansprüche, als sie vorher bestanden hatten. Was früher einer Beachtung kaum würdig erschienen war, trat nun nicht selten entschieden in den Vordergrund und ich konnte schon bald das Bedenken nicht überwinden, es möchte sich in Wirklichkeit Manches anders verhalten, als die bisherigen Darstellungen es beschrieben hatten. Der Erfolg rechtfertigte jenes Bedenken. War aber auch die damals vorhandene Grundlage noch lückenhaft, so war sie doch eine solche, welche für genauere Unter- suchung mindestens noch viel versprach. Auch war sie immerhin werthvoll genug, um ohne Tadel der Voreiligkeit zu jenem ersten Versuch dringend aufzufordern. hascher, als es geschehen ist, hätte ich gewünscht, jener Schrift eine ausführlichere Darstellung folgen zu lassen, welche insbesondere auch die zum Verständnis erforderlichen Abbildungen bringen sollte. Warum ich diesem Wunsch erst jetzt zur Ausführung bringen kann, erklärt das soeben Angegebene zur Genüge. Vermag ich nun auch ein viel ausgedehnteres und besser gesichtetes Material von That- sachen vorzulegen, als es früher der Fall war, so bin ich doch andererseits von der Vorstellung entfernt, schon jetzt nach extensiver Seite hin Vollständiges bieten zu können. Ich vermag nur jenes Programm in erweiterter Gestalt vorzulegen. Ich muss es mir vorerst genügen lassen, an Beispielen, welche den weitesten Formenkreis schon umfassen, oder auf welche sich andere leicht zurückführen und anschließen lassen, in thunlichst sorgfältiger Weise das Ziel und den Weg der Untersuchung dargelegt zu haben. Der gegebene Stoff wurde der Übersichtlichkeit wegen in folgende, innig mit einander zusammenhängende Abschnitte gebracht. Der erste Abschnitt handelt von der Struktur des Protoplasma und vergleicht das Phytoplasma mit dem Zooplasma; der zweite unter- sucht die verschiedenartigen Kernstrukturen. Der dritte betrachtet die Theilungsverhältnisse des Protoplasma auf Grundlage der Furchung Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 237 von Rana und Petromyzon. Er untersucht hierauf denselben Gegen- stand im Gegensatz zu jenen Thieren an Gobius; er vergleicht ferner die Furchungsformen der beiden vorausgehenden Thiere mit jener des Gobius. Der letzte Abschnitt endlich untersucht das Wachsthum und die Zerlegung der Substanz mit Rücksicht auf die hierbei zu Tage tretenden Gesetze und auf die sich hieraus ergebende Bedeutung der Zelle. Neue Grundlegungen zur Kenntnis der, Zelle nennt sich darum die vorliegende Abhandlung. Denn auf eine neue Art der Bestim- mung des Zellbegriffes läuft in dem weit ausgedehnten Gebiet, über welches sie sich zu verbreiten und fertige Thatsachen zu geben hat, Alles hinaus. Wäre es ihr nur gegönnt, nach gewissen Seiten hin neue Anregungen zu enthalten und das Nachdenken zu erwecken über Punkte, an denen die Forschung bisher, obgleich von hervor- ragender Bedeutung, achtlos vorübergegangen war, so hätte sie ihre Bestimmung genügend erfüllt. Bezüglich der Behandlung des in den Abschnitten Protoplasma und Kern enthaltenen Stoffes bemerke ich noch, dass allein die Rücksicht auf meine Aufgabe entscheidend war für die Form der Darstellung. So konnte in aller Gedrängtheit, die nothwendig schien, ein Stoff von großem Umfang Erledigung finden, der für meinen Zweck den Ausgangspunkt zu bilden hatte; eine selbst nur kurze historische Übersicht über denselben würde Bände füllen. II. Primäre Struktur des Protoplasma. Das Protoplasma des Eies, ein chemisch und physikalisch nur unvollkommen bekannter Körper, stellt uns als die überraschendste seiner physiologischen Leistungen diejenige vor Augen, unter günstigen äußeren Bedingungen zu einem mächtigen, vielgliedrigen Organismus heranwachsen zu können. Über die Eigenschaften des Protoplasma im Allgemeinen verbreiteten sich jüngst zwei vortrefflich geschriebene Aufsätze, der eine von G. Kurps!, der andere von J. KoLLMANnKN 2, indem sie zusammenfassend über den gegenwärtigen Stand unserer Kenntnis des Protoplasma kritischen Bericht erstatten. Ich verweise meine Leser, um Weiterungen zu vermeiden, auf jene Aufsätze und habe nur das Folgende hinzuzufügen. ! Biologisches Centralblatt, Bd. I, Über Form und Wesen der pflanzlichen Protoplasmabewegung. a ? Biologisches Centralblatt, Bd. II, Über thierisches Protoplasma. 238 A. Rauber Mehrere, in gewissen Verhältnissen mit einander übereinstimmende Substanzen oder Substanzkomplexe gehen noch unter dem Sammel- namen Protoplasma, obgleich schon eine geringe Überlegung deut- lich macht, dass sie von einander verschieden sein müssen und dass nur ein zeitweiliger Mangel an Hilfsmitteln den Nachweis ihrer Ver- schiedenheit zurückhält. An welchen Orten darf man wohl erwarten, das Protoplasma in seiner ursprünglichsten Beschaffenheit und am reinsten für chemische und andere Untersuchungen anzutreffen? Unter allen anderen Körpern scheint es mir noch immer das Ei zu sein, von welchem solche Studien am zweckmäßigsten ihren Ausgang nehmen. Denn das Ei ist eben derjenige Körper, von welchem das Individuum mit all seiner mannigfachen Gliederung in Stoff und Form seinen Ursprung nimmt. Wie frühzeitig und schon im Zusammenhang mit der Furchung des Eies substantielle Unterschiede zwischen den Blastomeren auftreten, ist Jedem, der sich irgend mit embryologischen Studien beschäftigt hat, hinreichend bekannt. Viel auffallender noch zeigen sich stoffliche Unterschiede auf späteren Entwickelungsstufen oder gar im fertig ausgebildeten Organismus; hier sind denn auch tiefgreifende Unterschiede chemisch bereits vielfach nachgewiesen, während wir solehe Unterschiede an anderen Orten vorläufig nur ver- muthen müssen. Mit der stofflichen Gliederung läuft bis zu einem gewissen Grade parallel die histologische Gliederung: auch die Struktur zeigt je nach Zeitstellung und Ort die bedeutendsten Unterschiede. Es kann also auch nicht gleichgültig sein, von welchem Körper man ausgeht in der Untersuchung der Protoplasmastruktur. So unter- scheide ich primäre und sekundäre Protoplasmastrukturen. Viele halten das Protoplasma für strukturlos. Aber schon seine zahlreichen Funktionen bestimmter. Art, unter welchen nur Stoffauf- nahme und Stoffabgabe, Wachsthum, Bewegung, Theilung genannt zu werden brauchen. weisen darauf hin, dass es einen gewissen Bau haben müsse. In der That belehrt uns auch die genaue objektive Prüfung, dass schon dem Protoplasma des Eies und der aus ihm her- vorgegangenen jugendlichen Zellen eine bestimmte Struktur zukommt. Über Protoplasmastruktur im Allgemeinen hat sich in neuester Zeit am eingehendsten wohl Th. ENGELMANN! ausgesprochen, indem 1 Über den faserigen Bau der kontraktilen Substanzen. PrLÜüger’s Archiv Bd. XXVI. Physiologie der Protoplasma- und Flimmerbewegung. Handbuch der Physiologie von L. “Hermann. Bd. I. pag. 373. Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 239 er ausführt, dass alle Bewegungen des Protoplasma als Kontraktili- tätserscheinungen zu betrachten seien. Die Kontraktilität selbst hält er durchgehends an faserförmige Gebilde gebunden und überträgt diesen Bau auf die Molekularstruktur aller plasmatischen Körper. Sie sind nach ihm aus kleinsten Theilchen, den Inotagmen zusammen- gesetzt. Gleich ENGELMANN und anderen Forschern von der Nothwendig- keit einer Protoplasmastruktur überzeugt, gelange ich zu einer von der seinigen im Wesentlichen nur wenig verschiedenen Auffassung. Unterscheiden wir zwischen primärer und sekundärer Protoplas- mastruktur und theilen jene vor Allem dem Ei und seinen nächsten Abkömmlingen, den jugendlichen Zellen zu, so lässt sich weiterhin behaupten, dass die primäre Struktur in zweierlei Formen uns ent- gegentritt, in der radialen und in der gerüstförmigen (trabekulären). Beide Formen bilden aber keineswegs einen tiefgreifenden Gegensatz zu einander, sondern sie sind sich nahe verwandt. Die eine kann gleichzeitig neben der andern innerhalb derselben Zelle vorkommen, die eine in die andere über- und wieder zurückgehen. Phyto- und Zooplasma sind in dieser Hinsicht nicht nachweisbar von einander unterschieden, obwohl gewisse chemische Unterschiede zwischen ihnen bestehen. Ein Blick auf beide Reiche ergiebt Folgendes. Das Phytopiasma erscheint gewöhnlich als körnchenhaltige, zähflüssige Substanz von schwankendem Wassergehalt. Am zähesten ist das ruhende Plasma, wie im keimfähigen Samen; lebhaft funktionirendes Protoplasma ist wasserreicher. Körner und in Trépfehen auftretendes Wasser können fehlen. Wo aber letzteres in sogenannten Vacuolen vorhanden ist, wirft schon die Art seiner Vertheilung, besonders in rundlichen Zellen, ein gewisses Licht auf die vorhandene Struktur des Protoplasma. Es gehört nur dazu, dass nicht eine einzige, sondern mehrere und viele Vacuolen vorliegen. In solchen Fällen stehen dieselben in Radienform und das Protoplasma selbst erscheint radial zerklüftet. Es ist in dieser Richtung offenbar am leichtesten spaltbar. Aus diesem Zustand geht zugleich ohne Weiteres die Gerüstform des Pro- toplasmabaues hervor, indem die zwischen zahlreichen Vacuolen befind- lichen Substanzstränge gerüstförmige Anordnung erhalten. Vacuoli- sirung an zahlreichen Stellen eines Protoplasmakörpers in der Richtung der leichtesten Spaltbarkeit des letzteren ist hiermit als Ursache des gerüstförmigen Baues des Protoplasma bezeichnet. Es bedarf an dieser Stelle noch einer Beifügung. Unter Vacuolen verstehe ich hier 240 A. Rauber nicht bloß die größeren, serumgefüllten Lücken im Protoplasmakörper, sondern eben so sehr die kleinsten Räume, die an der Grenze der mikroskopischen Sichtbarkeit stehen. Die größeren Räume selbst gehen ihrerseits erst aus kleinen hervor, durch Vergrößerung, Kon- fluenz, Einreißung von Brücken. Dass die größeren Vacuolen Ver- bindungsspalten mit den kleineren Räumen des Gerüstes bewahren, darauf scheint ihr Verschwinden und Wiederauftreten hinzuweisen. Wachsen Pflanzenzellen stärker heran, so führen sie oft reich- lichen Zellsaft in großen unregelmäßigen Plasmaräumen. Ein einziger Hohlraum kann durch Ausdehnung und Zusammenfluss mehrerer Va- cuolen zu Stande kommen, der alles Protoplasma zur Peripherie drängt und dasselbe dadurch zum allein vorhandenen peripheren Pro- toplasma macht. Oder der Zellsaft erfüllt mehrere Hohlräume, es kommt zur Bildung eines centrischen und peripheren Protoplasma, welche mit einander durch radiale Plasmastränge verbunden werden. Wichtig ist, dass die Außenschicht des Protoplasma, der Primordial- schlauch, eine Zusammensetzung aus feinen, neben einander liegenden Stäbchen erkennen lassen kann. Denn auch dieser Umstand lässt sich für die Annahme einer ursprünglich radialen Struktur des Pro- toplasma verwerthen. In Fig. 1 sind einige Pflanzenzellen mit Rücksicht auf ihre Pro- toplasmastruktur dargestellt. Wenden wir uns zum Thierreich, so finden wir nicht bloß unter den Protozoen und unter den niederen Formen der Metazoen, sondern eben so sehr in den höchsten Thierstämmen die radiale oder gerüst- förmige Struktur des (jugendlichen; Protoplasma in weitester Ver- breitung. Schon wachsende Ovarialeier zeigen sehr gewöhnlich eine der- artige Struktur des Dotters. Fälle dieser Art sind so zahlreich be- schrieben worden, dass es fast überflüssig erscheinen muss, länger hierbei zu verweilen. Es kommt hinzu, dass außerdem eine kon- centrische Schichtung der Substanz angedeutet sein kann. Was die Protoplasmastruktur reifer Eier betrifft, so eignen sich am besten zur Untersuchung solche, welche totaler Furchung unter- liegen und nur geringen körnigen Inhalt besitzen. Zur Erläuterung der Protoplasmastruktur junger und reifender Eier so wie zur Vergleichung mit derjenigen von Pflanzenzellen habe ich auf Taf. XI mehrere Schnitte durch gehärtete Eier von Wirbel- thieren abgebildet. Fig. 2 stellt einen Schnitt durch das reifende Ei eines Follikels der Feldmaus dar. In Fig. 5 ist ein junger Follikel — oo ae Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 241 der Taube, in Fig. 8 ein junger Follikel der Forelle, in Fig. 3 und 4 Junge Follikel vom Frosch und Triton, in Fig. 6 endlich ein Theil des den Kern umgebenden Protoplasma eines jungen Eies von Alli- gator lucius abgebildet worden. Es kehrt hiernach, was man so zahlreich und ganz gewöhnlich an Pflanzenzellen bezüglich der Pro- toplasmastruktur findet, in analoger Bildung auch am thierischen Pro- toplasma wieder. Die Vermuthung spricht für die Übereinstimmung auch in solchen Fällen, welche, wie die gezeichneten, zur deutlicheren Erkennbarkeit des Gerüstes der vorsichtigen Anwendung geeigneter Reagentien bedürfen. Die bei der Befruchtung sich abspielenden Vorgänge im Proto- plasma des Eies führen bekanntlich dazu, theilweise oder vollständige Umordnungen der Protoplasmastruktur hervorzurufen. Doch ge- schehen dieselben immer in radialen Richtungen. Solche treten auf bei der Ausstoßung der Richtungskörper, bei der Bildung und Wanderung der Vorkerne. Um den fertigen ersten Furchungskern ist die Substanz in exquisit radialer Form angeordnet, eben so um die Kerne der nächsten und vieler folgenden Generationen von Furchungs- kugeln. Auf verschiedene Formen von Krümmung der Radien- komplexe haben kürzlich FLEMMING!, SELENKA? und Marc?’ auf- merksam gemacht. Die radiale Struktur bleibt im weiteren Verlauf der Entwickelung zu den Endformen entweder mehr oder weniger erhalten, wie z. B. die Streifungen und koncentrischen Schichtungen im Innern vieler Nervenzellen beweisen, deren Ausläufer nur ein partiell gesteigertes radiales Wachsthum repräsentiren: oder die radiale Struktur löst sich allmählich auf einem Wege, den wir noch nicht vollständig kennen, in jene verschiedenartigen Strukturen auf, welche die specielle Histo- logie nachweist, so im quergestreiften Muskel in zwei komplicirte Parallelreihen der Substanz, die sich rechtwinkelig zu durchkreuzen pflegen ete. Sehr schön ausgeprägte radiale Substanzanordnung in Furchungs- kugeln erhielt ich von Gobius, wovon in Fig. 9 (Taf. XI) eine Ab- bildung gegeben ist. ! Beiträge zur Kenntnis der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. III. Theil. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. XX. 2 Uber eine eigenthümliche Art der Kernmetamorphose. Biolog. Central- blatt. Bd. I. 3 Maturation, Fecundation and Segmentation of Limax campestris. Cam- bridge (U. St.) 1881. 242 A. Rauber Aus dem Angegebenen glaube ich folgende Schlüsse ziehen zu können: 1) Die radiale und gerüstförmige Struktur des Protoplasma bilden keine Gegensätze zu einander, sondern gehören in dieselbe Reihe, indem letztere durch Vacuolisirung der ersteren, in der Richtung der leichteren Spaltbarkeit, sich herausbildet. Die radiale oder gerüstförmige Struktur sowohl des thierischen als pflanzlichen Protoplasma ist ein Faktor, mit welchem jeder Versuch einer Bildungsgeschichte des Thier- und Pflanzen- körpers zu rechnen hat; jene Struktur liegt dem Ausgangs- punkt des neuen Wesens zu Grunde. Das radial oder gerüstförmig angeordnete Protoplasma wächst sowohl durch Anlagerung von außen bezogenen Materials an den peripherischen Enden, als auch durch Einlagerung von solchem innerhalb der bereits vorhandenen Substanz, d. i. durch Apposition und Intussusception. Für die dazu noth- wendigen trophischen Strömungen stellen die interradialen Bahnen oder das entsprechende Lückenwerk der Vacuolen die besten Vermittler dar. 4) Der Übergang der radialen Struktur auf die Theilstücke der Substanz, schon als ein wichtiger Faktor für die Art der Substanztrennung in Betracht zu ziehen, ist von besonderer Bedeutung in der Frage des embryonalen Wachsthums. Gegenüber der primären Struktur des Protoplasma sind die auf dessen Grundlage späterhin hervorgehenden inneren Zell- strukturen verschiedener Form als sekundäre Strukturen zu bezeichnen. Mit dieser histologischen Differenzirung geht die chemische Gliederung Hand in Hand. Ill. Der Kern. Die feineren Verhältnisse der Karyokinese zeigen uns wie kaum ein anderer Vorgang die schaffende Natur am Webstuhl. Körnchen- gruppen sind der Rohstoff, den sie zunächst zu Fäden an einander reiht. Mit Bewunderung bemerken wir darauf der Fäden mannig- faltige Verschlingung und Spaltung und die Fertigstellung der zier- lichsten Chromatingewebe. Freilich sind nur wenige dieser Gewebe auf Dauer berechnet; die Natur zerbricht alsbald das selbstgeschaf- fene Gebilde unverdrossen und mit beispielloser Geduld immerdar, Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 243 um immer neue Theile des lebendigen Protoplasma mit demselben mikroskopischen Kunstwerk auszustatten. Uberblickt man die Reihenfolge der verschiedenen Chromatin- sewebe während der Karyokinese, so ergiebt sich für uns außer der Wahrnehmung der Vielgestaltigkeit der Kernstruktur zunächst die Thatsache einer ungeheuren Monotonie in der beständigen Wieder- kehr desselben Processes. Von gleicher Wichtigkeit für die Beur- theilung des Kerns ist die fernere Thatsache, dass seine Struktur außerhalb des Gebietes der Karyokinese selbst in den verschieden- artigsten Geweben des Körpers umgekehrt einer großen Gleich- artigkeit unterliegt. Der Vielgestaltigkeit der Kernstruktur bei der Kerntheilung steht die Einförmigkeit der Struktur des Kerns in seinem ganzen übrigen Dasein und in allen Geweben des Körpers überraschend gegenüber. Hierin spricht sich ein sehr bemerkens- werther Gegensatz zu dem Protoplasma aus. Letzteres zeigt bei seiner Theilung äußerst einfache Verhältnisse, erfährt aber späterhin die bedeutendsten Metamorphosen seiner primären Struktur. Mitten unter den bedeutenden Umwandlungen des Protoplasma zur Sub- stanz der Muskelfaser, der Fettzelle, der Speichelzelle, Leberzelle, Nierenzelle ete. bewahrt der Kern seine Struktur in einem Grade, der in Erstaunen setzen muss. Er steht allen jenen Umwandlungen gleich- sam fremd gegenüber. Allem äußeren Wandel beharrliche Ruhe der Struktur entgegensetzend zeigt der Kern uns damit schon an, dass auch seine Funktion eine über allem Wandel erhabene sei. Seine Funktion kann nur eine solche sein, welche sich über alles metamorphosirte und nieht metamorphosirte Protoplasma gleichmäßig erstreckt, eine allgemeine also gegenüber den besonderen Leistungen des Protoplasma. Man darf schon hieraus die Vermuthung entneh- men, die Rolle des Kerns im Protoplasma sei eine trophische. Die Struktur des Kerns außerhalb seiner Theilungsphasen wurde soeben als eine sehr gleichförmig durch alle Gewebe laufende be- zeichnet. Es soll damit nicht ausgesprochen werden, seine Beschaf- fenheit erfahre in den verschiedensten Geweben des Körpers überhaupt keinerlei Veränderung. So kommen beträchtliche Schwankungen in der Größe vor. Selbst seine Struktur ist nicht aller Orten eine identische; gewisse Verschiedenheiten werden sogar alsbald näher in das Auge zu fassen sein. Immerhin sind dieselben sehr gering und sogar keineswegs konstant für die verschiedenen Körpergewebe , so dass sie durchaus in keinem Verhältnis stehen zur großen Umwand- lungsfähigkeit des Protoplasma. Das Verhältnis ändert sich nicht 244 A. Rauber einmal wesentlich, wenn wir selbst die Veränderungen der Struktur bei der Kerntheilung hinzunehmen. Im Übrigen ist es, ungeachtet unserer vorgeschrittenen Kennt- nisse über den Kern, nicht leicht, ein Alles einschließendes Bild der Kernstrukturen zu entwerfen. Schließen wir die karyokinetischen Strukturen in den Versuch einer Eintheilung der Kernstrukturen ein, so können, so viel ich sehe, folgende vier Formen des Auftretens der chromatophilen Substanz unterschieden werden: 1) die globuläre, 2) die trabekuläre, 3) die filoide, 4) die gemischte. Es ist die Behauptung ausgesprochen worden, das Ei könne nicht als das günstigste Objekt für das Studium des Kerns betrach- tet werden, da es der Untersuchung größere Schwierigkeiten bereite, als manches andere Objekt. Man kann dies zugeben, ohne das weitere Zugeständnis daran zu knüpfen, dass nun auch das Ei für die Untersuchung der Verhältnisse des Kerns weniger ausschlag- gebend sei oder vernachlässigt werden dürfe. Ich betrachte vielmehr die Untersuchung der Kernstrukturen des Eies aus den bereits angege- benen Gründen für ein durchaus nothwendiges, unumgängliches Glied in der ganzen Kette der Untersuchung der Kernstrukturen. Die obige Unterscheidung von vier Strukturformen stützt sich auf simmtliche mir bekannt gewordenen Kerne, einschließlich desjenigen des Eies. Die Form des ganzen Kernes kann dabei rund, oblong, aber sternförmig, verästelt etc. sein. Als einfachsten Ausgangspunkt jener vier Chromatinformen wähle ich die globuläre. Die chromatophile Substanz tritt auf in Form von Kugeln, die in Einzahl oder Mehrzahl im Kernsaft vor- handen sind und von kleinen Anfängen bis zu bedeutender Größe hinaufgehen können. Die globuläre Form ist selten rein, sondern meist mit der trabekulären verbunden. Als bekannteste Beispiele der globulären Form erwähne ich junge ovariale Eier vieler Kno- chenfische. Die trabekuläre Form ist die häufigere der beiden Ruhe- formen des Kerns, als welche sie selbst und die globuläre Form erscheinen. Sie kann hervorgehen aus Vacuolisirung (oder ander- weitiger Zertheilung) der größeren Kugeln der vorher betrachteten Form; vielleicht auch aus direkter netzförmiger Verbindung klein- ster Elemente. Die Kugelform sprieht schon durch ihr Dasein für Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 245 die Vermuthung eines radial-koncentrischen Baues der sie einneh- menden organisirten Körper und die Vacuolisirung der Kugeln er- scheint alsdann unter demselben Gesichtspunkt wie diejenige des bereits betrachteten Protoplasma. Die trabekuläre Form kann aber auch hervorgehen aus der folgenden, der filoiden. Die Kernmembran ist zumeist als Abkömmling der trabekulären Form zu erachten. Die filoide Form spielt ihre Hauptrolle bei der Kerntheilung. Sie geht hervor aus dem Zerfall der Kugeln oder Bälkchen der vorausgehend erwähnten Form. Wichtig ist, dass Fäden und Bälkchen ihrerseits aus feinsten Kugelreihen bestehen, wie PFITZxER zuerst zeigte. Aber auch die größeren Kugeln der globulären Form dürfen als Aggre- gate derselben feinsten Kugeln betrachtet werden. Fassen wir den Begriff der globulären Form etwas weiter, so dass sie auch die fein- sten Kügelchen in sich vereinigt, so bildet sie den Sammelpunkt für alle übrigen. Die Fäden, von kürzerer oder längerer Gestalt, treten nun bei der Kerutheilung bekanntlich in verschiedenen Unter- formen auf, unter welchen Knäuel und Schleife obenan stehen. Die Schleifen bilden ihrerseits regelmäßige Figuren, als welche Stern, Kranz und Tonne zu nennen sind. Die gemischte Form bezeichnet sich selbst als eine solche, in welcher das eine Element mit einem oder mehreren anderen ver- einigt vorkommt. Fast alle verschiedenen Formen dürfen wohl, wie mir aus dem Angegebenen ungezwungen hervorzugehen scheint, als verschiedene Ausdrucksweisen einer und derselben Grundform der Substanz, der radialen, betrachtet werden. Bloß eine der Unterabtheilungen der filoiden Form widerstrebt der radialen Anordnung der Elemente, es ist der Knäuel: dieser aber bildet eine Übergangsform vom Gerüst zum Stern und obwohl im Gerüst die radiale Anordnung mehr oder weniger erhalten durchblickt, so erlischt sie im Übergang zum Stern, der sie wieder zeigt, doch vollständig. Auf Tafel XI findet sich in Fig. 2—12 eine Gruppe ovarialer Eier oder nur ihrer Kerne von verschiedenen Wirbelthier-Abtheilun- gen zusammengestellt, welche mit Ausnahme von Fig. 9 Beispiele von Ruheformen bilden. Wie die Figuren zeigen, ist zwar eine vollständige Übereinstimmung der Struktur im Einzelnen allerdings nicht einmal zwischen zwei Kernen zu bemerken; doch sind die Unterschiede nichtsdestoweniger sämmtlich unwesentlicher Art und aus dem Vorhergegangenen leicht zu beurtheilen. Fig. 8, wie die übrigen zugehörigen bei 330facher Vergrößerung 246 A. Rauber aufgenommen, aber mit starken Systemen untersucht, zeigt einen Jungen Follikel der Forelle. Das Ovarium war in Chromsäure von 1, % und folgendem Alkohol gehärtet, die Schnitte entsäuert und in Hämatoxylin gefärbt worden. Das Keimbläschen hat ovale Form, seine Membran erscheint fein granulirt. In kleinen Abständen liegen der letzteren in einfacher Schieht innen kleinere und größere stark gefärbte Kugeln an. Der Binnenraum des Keimblischens ist von einem schwach gefärbten, äußerst zarten Netz durchzogen. Fig. 10 stellt den Kern eines ovarialen Eies vom Flussaal dar, nach Einwirkung von verdünntem Alkohol und Pikrokarminfärbung. Die Kernmembran erscheint von einer Unzahl feinster roth tingirter Punkte durchsäet. Von Stelle zu Stelle liegen ihrer Innenfläche Kugeln von verschiedenem Durchmesser an. Ein Netzwerk ist nicht bemerklich. Fig. 11 giebt den Kern eines jungen Follikels vom Kaulbarsch, dessen Ovarium wie jenes der Forelle behandelt worden war. Es ist die Oberfläche der einen Hälfte des Kerns mit verschiedener Focusstellung gezeichnet worden. Die gesammte Oberfläche ist durch- setzt mit nahe an einander liegenden feinsten, tingirten Punkten, die durch ein schwach tingirtes Bindemittel zusammengehalten wer- den. Der Innenfläche der Kernmenbran liegt eine große Zahl ziem- lich regelmäßig zerstreuter Platten an, welche verschiedene Größe und Form besitzen, zumeist aber Ausläufer von ihren gezackten Rän- dern aussenden. Die Ausläufer sind wie die Platten homogen und können verschiedene Platten mit einander in Verbindung setzen. An feinen Schnitten (Fig. 12) erkennt man, dass die Platten meist nur eine geringe, gegen die Ränder abnehmende Dicke besitzen. Hier und da senden sie indessen zapfenförmige Hervorragungen nach innen. Bei V scheint eine Vacuole innerhalb einer Platte vorzuliegen. Der große Innenraum des Kerns ist von einer kaum gefärbten, sehr fein granulirten Masse gleichmäßig eingenommen. Fig. 3 gehört einem in Essigkarmin gefärbten Schnitt durch das in Chromsäure gehärtete Ovarium einer Froschlarve an. Es ist ein deutliches Chromatingerüst mit dickeren Knotenpunkten und einzel- nen, anscheinend frei liegenden kleinen Kugeln vorhanden. Die Kern- membran ist fein granulirt. Ähnlich verhält es sich mit dem Kern eines jungen Tritonfolli- kels (Fig. 4). In Fig. 6 ist der Kern eines Follikels von Alligator lucius dar- gestellt. Zunächst einwärts der feinpunktirten Kernmembran folgt eine mit letzterer ununterbrochen zusammenhängende, etwas schwä- Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle, 247 cher als jene tingirte Schicht, in welcher regelmäßig zerstreute kleine stark tingirte Kugeln (A) suspendirt sind. Außer letzteren enthält jene Schicht in schwach tingirter Grundsubstanz zahlreiche stark tingirte feine Kérnchen in großer Zahl. Durch einen von homogener, schwach gefärbter Masse eingenommenen Zwischenraum geschieden folgt ein deutliches Kerngerüst mit Verdiekungen in vielen Knoten- punkten. Dieser centrale und jener periphere Theil haben wohl, wie man annehmen darf, am intakten Ei mit einander in Verbindung ge- standen und eine künstliche Retraktion verursachte die helle Zwischen- zone: im Übrigen erscheinen alle Follikel des Schnittes von ähnlicher Beschaffenheit, welche durch eine interessante Mischung von globu- lärer und trabekulärer Form der Chromatinanordnung gekennzeichnet wird. Es fällt nicht schwer, Beziehungen zu dem Kern des Forellen- eies wahrzunehmen. Eine Mischung derselben beiden Formen, doch in anderer Art, zeigt auch der Kern des Eies der Maus (Fig. 2), rein trabekuläre Form der Kern des Taubeneies (Fig. 5). Ich begnüge mich mit der Aufzählung der vorausgehend erwähn- ten Beispiele. Was Kerntheilungsfiguren betrifft, so begeg- nete ich solchen in großer Menge bei den verschiedensten Embryo- nen. Aus den bei dieser Gelegenheit gewonnenen Erfahrungen scheint mir schon jetzt das Folgende eine besondere Erwähnung zu verdienen. Der Vorgang der Kerntheilung kann untersucht wer- den einmal mit Rücksicht auf die feineren Verhältnisse, welche innerhalb der Zellen selbst auftreten, sodann, worauf schon K6O.LLI- KER aufmerksam machte (1880), mit Rücksicht auf die Ebene, in welcher die Theilung sich vollzieht. Es ist klar, dass die Kennt- nis der Lage dieser Ebene in Bezug auf vorausgehende Theilungen, auf eine Zellengruppe, auf ein Keimblatt, von Wichtigkeit sein muss, für die Kenntnis des Wachsthums innerhalb einer Zellengruppe, eines Keimblattes ete. (s. Programm pag. 27). Was zunächst Besonderheiten in der Beschaffenheit der karyo- lytischen Figur betrifft, so erwähne ich, dass bei Gobius (Fig. 13), aber auch bei Salmo und Rana die Fäden der Kernspindel mit aller Deut- lichkeit aus nahe an einander gereihten feinsten Körnchen in ein- facher Schicht bestehen. Die Schnittpräparate, welche die beiden ersteren betreffen, stammen aus Furchungsstadien, das dritte von der Epidermis der Larve. Die Behandlungsmethode bestand in Här- tung mit Pikrinschwefelsäure oder Chromsäure und nachfolgendem Alkohol, Färbung mit Hämatoxylin oder Essigkarmin. 248 A. Rauber An demselben Objekt (Fig. 13) erweitert sich die Kernspindel an ihren Enden zu einem dünnwandigen, blasigen Gebilde von an- sehnlicher Größe, innerhalb dessen von Spindelfasern nichts mehr vorhanden ist. Eben so fehlt darin jede Spur eines körnigen Inhaltes, während die Wand des Bläschens fein punktirt erscheint. Nach außen von der Bläschenwand, in dem hellen Felde, das die Bläs- chen beherbergt, bemerkt man einige zu Höfen angeordnete aus fei- nen Körnchen bestehende Linien. Das Bläschen selbst scheint einem mächtigen sogenannten Polarkérperchen zu entsprechen. In unserem Falle könnte man eher von einer Spindel, einem Spindelhalse und einem Spindelkopfe sprechen. Man erhält den Eindruck, als stelle letzterer bereits die Grenzschicht des werdenden Kerns dar. Auf eine Besonderheit der Kernplattenelemente des in der Fur- chung begriffenen Lachskeimes (Taf. XII Fig. 57 und 58) wird in einem der folgenden Kapitel (Über die Furchung von Gobius) aus- führlicher eingegangen werden. Hier sei nur kurz bemerkt, dass es sich um eine globuläre Formumwandlung jener Elemente im Stadium der werdenden Tochtersterne handelt. Diese Umwandlung kann schon auf halbem Wege beginnen, welchen die Elemente der Kernplatte bis zum Spindelpol zurückzulegen haben. Statt der Schleifen hat man also hier eine Gruppe ansehnlicher, mit klarem, ungefärbten Inhalt, stark tingirter Membran versehener Bläschen vor sich. Von Froschlarven, jungen Keimscheiben oder Keimblasen des Hühnchens und der Ente (1. bis 2. Tag), so wie in schwächerem Grade von jungen Keimblasen des Kaninchens (5. Tag) erhielt ich wiederholt unverkennbare Andeutungen einer Zellplatte. Die Be- handlungsweise war die vorher erwähnte. Die Beobachtung stützt sich theils auf Schnitte, theils auf Flächenbilder. Letztere zeigen am Hühnchen und der Ente (2. Tag) hie und da das eine oder andere, einer chromatischen Schleife entsprechende Element im Stadium der Kerntonne in mehrere Stücke zerlegt, so dass mehrere gröbere Körner in einer Linie neben einander liegen. Wiederholt erhielt ich bei Betrachtung der Äquatorialplatte den Eindruck , als stamme die zu Grunde liegende chromatische Figur von einer Überwanderung der chromatischen Elemente der einen Seite auf die gegenüberliegende Seite her, so dass ein Austausch der chromatischen Elemente beider in Entstehung begriffenen Zell- hälften vorliegen würde. Gewisse Schwierigkeiten der Verhältnisse der Aquatorialplatte würden zwar auf diese Weise sich einfach erle- Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 249 digen, indessen bedürfte es eines Nachweises am lebenden Objekt, um über diese Vermuthung hinauszukommen. In den Figuren 9, 13—20, 41, 55, 57 und 58 finden die ge- machten Angaben ihre nähere Erläuterung. Von besonderer Wichtigkeit für meine Aufgabe ist, wie bemerkt, die Rücksichtnahme auf die Lage der Ebene, in welcher sich die Theilung vollzieht. Ich habe aus diesem Grunde eine Reihe von Abbildungen aufgenommen, die sich auf diesen Punkt beziehen. Auch wird an späterer Stelle, bei der Untersuchung der Furchung zweier Typen von Eiern, hierauf noch die besondere Aufmerksamkeit sich richten. Vorerst sei darum hier nur hervorgehoben, dass bei der Furchung sehr gewöhnlich eine solche Aufeinanderfolge der Thei- lungen statt hat, dass die Theilungsebenen mehr oder weniger genau auf einander senkrecht stehen und den drei Richtungen des Raumes entsprechen. Von dieser Regel kommen bemerkenswerthe Ausnah- men vor, welche im Folgenden noch genauere Beachtung finden werden. In späteren Entwicklungsstadien hängt, um dies gleich hier zu bemerken, das Gesetz der Richtung der Theilungsebene vor Allem von der Wachsthumsrichtung des Keimblattes, überhaupf der Mem- bran oder Masse ab. Geht jene Wachsthumsrichtung wesentlich oder ausschließlich in die Fläche, so werden wir vorwiegend oder aus- schließlich Theilungsebenen begegnen, welche die Oberfläche senk- recht in der Längen- und Breitenausdehnung des Objektes treffen. Kommt noch ein Dickenwachsthum hinzu, so werden auch Theilungs- ebenen auftreten, welche parallel der Oberfläche verlaufen. Auch ohne Zuhilfenahme von Theilungen der letzteren Art lässt sich ein Dicken- wachsthum oder vielmehr die Hervorbildung von mehrschichtigen Zellenlagen aus einer einfachen Zellenschicht denken, so nämlich, dass aus der letzteren eine gewisse Zahl von Elementen in die Tiefe oder auf die Oberfläche gedrängt wird. Auf letztere Möglichkeit hat kürzlich besonders ALTMANnN hingewiesen. Wenn soeben die Richtung des Wachsthums als entscheidend be- zeichnet wurde für die Lage der Theilungsebene, so ist in praktischer Beziehung nichts dagegen einzuwenden, wenn man es vorziehen sollte, umgekehrt in der Lage der Theilungsebene das Primäre und die be- stimmende Ursache der Richtung des Wachsthums zu erblieken, obwohl vor der letzteren, geläufigeren Ausdrucksweise jene erstere den Vorzug verdient. Die der Furchung gewidmeten Abbildungen an späterer Selle in Morpholog. Jahrbuch. 8. 17 250 A. Rauber Betracht ziehend, wende ich mich für jetzt nur zu solchen, welche sich auf das Flächenwachsthum und Dickenwachsthum einiger Keim- häute und daraus hervorgehender Organe beziehen. So ist in Fig. 19 Taf. XI ein kleiner Abschnitt des einschichti- gen Theils der Keimblase eines Kaninchens gezeichnet, welche einen Durchmesser von 1,5 mm und eine kleine, völlig runde Area em- bryonalis besaß. Innerhalb der drei Schichten der letzteren finden sich karyokinetische Figuren nur spärlich vor, sehr reichlich dagegen in dem erwähnten einschichtigen Theil. Es können hier an einem Theil der Keimblase, der kaum '/, der ganzen Oberfläche enthält, gegen 25 karyokinetische Figuren gezählt werden, unter welchen die Stufen der Äquatorialplatte bis zu den Tochtersternen weitaus vor- wiegen. Fig. 20 zeigt einen Theil des Entoderm der Area embryonalis des vorhergehend erwähnten Objektes mit karyokinetischer Figur und Zellplatte. Fig. 15 stellt einen Abschnitt der Amnionzone der Area lucida eines Entenembryo von zwei Tagen dar. Wie am vorhergehenden Beispiel (Fig. 19) findet auch hier das Flächenwachsthum durch die Berücksichtigung der karyokinetischen Ebenen «eine gute Erläu- terung. Entsprechende Bilder erhält man leicht auch vom Schwanze junger Froschlarven und kann man an letzterem Objekte wie an den vorausgehenden zwei in derselben Fläche auf einander senkrechte Theilungsebenen unterscheiden. Schwankungen um den genannten Winkel kommen zwar vor, doch zweifle ich nicht, dass diese Verschiedenheiten eben nur als Schwankungen aufgefasst werden können. Flächenwachsthum versinnlichen noch folgende Figuren: Fig. 17 Taf. XI von einem Querschnitt durch das Ektoderm des Hühnchens von 12 Brütstunden, nahe dem Primitivstreifen; Fig. 41 Taf. XII von einem meridianen Längsschnitt durch die Decke der Furchungs- höhle des Frosches, aus dem Stadium der beginnenden Gastrula; Fig. 55 und 57, Schnitte durch einen in Furchung begriffenen Keim von Gobius und Salmo. An beiden letzteren ist zugleich Dieken- wachsthum bemerklich je an einer in Theilung begriffenen Zelle. Durch vorausgegangene köncentrische Furchen sind beide Keime wesentlich in drei Zellenschichten zerlegt. Eben so verhält es sich hierin mit der Decke der Furchungshöhle des Froscheies Fig. 41. Ob die karyokinetische Zelle in Fig 18, von der Fingerbeere Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 251 des erwachsenen Menschen, auf Dicken- oder Flächenwachsthum zu beziehen, vielmehr ob die Theilungsebene senkrecht oder parallel der Oberfläche zu stellen sei, ist in diesem besondern Falle fraglich. Im Bisherigen ist bloß von solehem Protoplasma die Rede gewe- sen, welches mit Kernen ausgestattet war. So überwiegend häufig der Kern innerhalb des lebenden Protoplasma gefunden wird, so ist er doch kein beständiger Begleiter desselben. Es giebt bekanntlich Organismen, in welchen ein Kern durch kein Mittel sich hat nach- weisen lassen (Moneren, HAECKEL). Solche Organismen wachsen und theilen sich auch ohne Kern. Für die Beurtheilung des Verhältnis- ses des Kerns zum Protoplasma ist es ferner wichtig daran zu erin- nern, dass es größere und kleinere Protoplasmamassen giebt (Plas- modien), in welchen mehrere oder viele Kerne zerstreut liegen, ohne dass eine Zellabgrenzung innerhalb der Masse des Protoplasma stattfände. Hieran schließt sich das Auftreten mehrkerniger Zellen. Eines der schönsten Beispiele von Plasmodien bildet die Couche intermediaire, sekundäres, besser primäres Entoderm der Knochen- fische (Taf. XIII Fig. 57 Pi). Ich unterlasse es, auch bei den Pflanzen auf die Verhältnisse des Kerns einzugehen, indem ich hier besonders auf die reiche bota- nische Litteratur verweise. Es sei hier nur Folgendes im Anschluss an die Plasmodien bemerkt. Ein.oder mehrere Kerne sind (nach SCHMITZ) nothwendig für das Leben des Siphoneenplasmodium. Sie haben in demselben offenbar eine trophische Funktion zu erfül- len. Denn abgeschnittene Stücke, welche keinen Kern enthalten, ster- ben ab. Bei der Zelltheilung spielt der Kern dagegen keine Rolle, indem die Theilung unabhängig von den Kernen abläuft. Stelle ich zusammen, was bezüglich des Kernes für meine Auf- gabe von Wichtigkeit erscheint, so ist es in folgenden Sätzen aus- gedrückt: 1) Die Struktur des Kerns ist vielgestaltig nur während der Theilungsperioden. Im Ruhezustand ist sein Bau, selbst mit Rücksicht auf die verschiedenartigsten Gewebe des fertigen Körpers, ein monotoner. Eben so verhält es sich mit seiner chemischen Beschaffenheit. In alledem steht der Kern in einem Gegensatz zum vielgliedrigen Protoplasma. Die Funktion des Kerns kann nur eine solche sein, welche von den Metamorphosen des Protoplasma unabhängig ist: eine solche, deren die verschiedensten Protoplasmastrukturen gleichmäßig bedürfen. Sie kann nur eine trophische sein. 17* m A Rauber [89] or Ww Hierfiir sprechen noch mehrere andere Griinde, die theils dem Thier-, theils dem Pflanzenreich entnommen sind. Worin im Besonderen jene trophische Bedeutung enthalten sei, ob in der Umbildung von Stoffen, in der Centrirung des Protoplasma, in der Regulirung von Diffusionsströmen im Protoplasma, muss unentschieden bleiben, so sehr die Wahr- scheinlichkeit fiir letztere Momente spricht. Der Bau des Kerns ist in seinem innersten Wesen schwierig zu erfassen; die Grundform scheint eine radiale zu sein und meist auch in solchen Fällen auf einen radialen Bau zurück- bezogen werden zu können, welche es äußerlich nicht direkt zeigen. 5) Der Kern haftet weder unvermeidlich an der Zelle, noch selbst am Protoplasma. Plasmodien einerseits, andererseits kern- loses Protoplasma beweisen dies. 6) Das Flächenwachsthum von Zellhäuten operirt mit zwei in der Regel senkrecht auf einander gestellten Theilungsebenen der Zellen. Beim Dickenwachsthum (z. B. der Epidermis) kommt außerdem noch eine der Oberfläche parallele Theilungs- ebene zur Verwendung. ) Es ist rationeller, das Wachsthum als die Ursache der Zell- theilung, nicht letztere als die Ursache des Wachsthums zu bezeichnen. = 4 \ ~! IV. Die Theilung des Zooplasma bei der Furchung. Nachdem im Vorausgehenden iiber das Protoplasma und den Kern im Allgemeinen und über dieselben Theile des Eies im Beson- dern alle Angaben gemacht worden sind, welche als Grundlage für die weitere Ausführung des Planes dieser Untersuchung zu dienen haben. wende ich mich sofort jener auffallenden und viel durch- forschten Erscheinung zu, welche das Ei uns zeigt, nachdem es das Ovarium verlassen hat und (in unseren zu betrachtenden Beispielen) befruchtet worden ist. Pais Während eines langdauernden Aufenthaltes im Ovarium hatte sich das Protoplasma des Eies aus kleinen Anfängen zu einem an- sehnlichen oder selbst umfangreichen Körper entwickelt, welcher nunmehr weiteren Entwickelungen entgegeneilt. Das Typische der Struktur und des Wachsthums des Protoplasma des ovarialen Eies a Me Ss Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 353 war bereits Gegenstand der Betrachtung; wie verhält es sich nun- mehr mit dem Typus des postovarialen Wachsthums? Hängen beide Wachsthumsformen innerlich mit einander zusammen, oder findet eine völlige Unterbrechung und Veränderung der früheren Wachsthumsform statt, so dass also die Entwicklung als eine dis- kontinuirliche und zugleich in ihrem Wesen geänderte aufzufassen wäre? Ist es gerechtfertigt, die individuelle Entwicklung mit dem ovarialen Ei beginnen zu lassen oder erst mit der Befruchtung? Zwischen dem Embryo, welcher bereits die Spuren der Leibesform des Erwachsenen an sich trägt und der Form des Letzteren selbst erkennt Jeder sofort die Kontinuität der Entwicklung; nicht Jeder zwischen jenem Embryo und dem befruchteten Ei, obwohl sie vor- handen ist. Sollte man nicht vermuthen, eine innere Kontinuität bestehe auch zwischen der postovarialen und ovarialen Entwicklung selbst? Zu dieser Annahme werden wir mindestens genöthigt für jene Thiere, welche sich postovarial ohne Befruchtung zu ihren Ent- stadien entwickeln. Wir kennen gegenwärtig die inneren Vorgänge bei der Be- fruchtung, eben so die Struktur des Eiprotoplasma vor, während und nach dem Eintritt derselben. Von hier aus steht der Bejahung der Kontinuität kein Hindernis im Wege. Die hereinbrechende Fur- chung scheint dagegen auf jene Frage eine verneinende Antwort zu geben. Aber man darf die Furchung der postovarialen Periode betrachten als eine rasche Nachholung der während des ovarialen Eiwachsthums ganz oder nahezu (Richtungskörper) versäumten Thei- lungen. Wäre dies selbst nicht der Fall, wir wissen doch, dass auch nichtbefruchtete Eier hier einer unvollständigen, dort einer vollständigen Entwicklung und Furchung fähig sind. Die Furchung hebt die innere Kontinuität der ursprünglichen Form des Wachsthums mit der folgenden Form nicht auf. In der That wurde bereits im zweiten Abschnitt hervorgehoben, die Struk- tur des Protoplasma der Furchungskugeln sei eine radiale und setze die Struktur des ovarialen Eies, das selbst radial angeordnetes Pro- toplasma besitzt, fort. Dies ist eine Erscheinung von hervorragen- der Bedeutung, wie sich später noch genauer herausstellen wird. Obwohl die Furchung hiernach die innere Kontinuität des Wachs- thums nicht aufhebt, so drängt sich uns in anderer Richtung jetzt noch immer wie zur Zeit ihrer Entdeckung die Frage auf nach ihrer Bedeutung. Zwar wusste schon Rusconi und v. BAER, dass es da- bei auf eine völlige Theilung der Substanz abgesehen sei, nicht auf 254 A. Rauber bloße Furchung der Oberfläche, wie die Entdecker, Prevost und Dumas, irrthiimlich angenommen hatten. Die beiden Erstgenannten wussten auch bereits, dass die immer kleiner werdenden Theilstücke schließlich in die Elementartheile des Thieres übergehen, ohne in- dessen diese Elementartheile und ihre Bedeutung genauer zu kennen. Wir verstehen dies gegenwärtig und sind auch nach anderen Rich- tungen seit jenen Tagen über das Wesen der Furchung aufgeklärt worden. In meinem Programm (Thier und Pflanze) habe ich es ver- sucht, die wichtigsten Gesichtspunkte, unter welchen seither die Furchung untersucht worden ist, zusammenzustellen und beziehe mich hier darauf, um Wiederholungen zu vermeiden. Wohl ist jene historische Darstellung (über die Bedeutung der Dotterfurchung) we- niger ausführlich im Einzelnen, als es die Wichtigkeit des Gegen- standes und seine große Ausdehnung thatsächlich verdiente; sie erfüllt indessen zunächst was sie sollte, indem sie eine weit größere Menge von Gesichtspunkten nachweist, unter welchen die Furchung seither betrachtet worden ist, als man anzunehmen geneigt war. Zusammenhängend mit diesem Nachweis ergab sich zugleich eine reichere Ausbeute an positivem Gewinn für die Erkenntnis der Furchung, als frühere Zusammenstellungen es hatten vermuthen lassen. Ein Weg voll Mühen und Erfahrungen liegt seit jenen Tagen hinter uns. Mit der erhebenden Betrachtung derselben verbindet sich leicht der Eindruck, die Frage der Furchung sei mindestens nach allen wesentlichen Seiten bereits erledigt. Aber es wurde schon oben kurz erwähnt, dass zuerst die Thatsache der inneren Kontinuität des ova- rialen und postovarialen Wachsthums als ein neuer Gewinn bezeich- net werden dürfe, welcher in das Gebiet der Furchung fällt. Von noch größerer Tragweite ist ein anderer Gesichtspunkt, der sich gleichfalls bei der Betrachtung der Furchung aussichtsvoll eröffnet. Der Gesammtkörper des Thieres tritt dabei durchaus in den Vorder- grund der Erscheinung; denn er ist das endliche Ziel des Wachs- thums. Die Untersuchung der Furchung führt den Blick, obwohl sie es nicht sollte, allzuleicht vom Ganzen ab auf das einzelne Element. Umgekehrt besteht für uns die Aufgabe, den Einfluss und das Ver- hältnis des Ganzen zum einzelnen Element zu untersuchen. In letz- ter Linie führt dieser Weg zu einer richtigeren Kenntnis des Ganzen so wie des Wesens der Zelle. Mit dieser kurzen Andeutung muss ich mich vorerst begnügen. Für weitere, eingehendere Ausführun- Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 255 gen ist jetzt vor Allem der Boden erst zu ebnen. Lenken wir zu diesem Zweck unsere Aufmerksamkeit zur Furchung zurück. A. Die Furchung am Ei des Frosches (Rana esculenta). Es ist ein sehr gewöhnliches Untersuchungsobjekt, das ich hier- mit zu meinem Ausgangspunkt wähle und fast muss ich besorgen, die Wahl desselben sei von vorn herein dazu geeignet, nur sehr ge- ringe Erwartungen aufkommen zu lassen. Wohl jedes andere Thier, ist man im ersten Augenblick anzunehmen geneigt, werde sich bes- ser dazu eignen, neue Ergebnisse gewinnen zu lassen als der Frosch, an dessen Ei nicht allein die Furchung überhaupt zuerst entdeckt, sondern seitdem unzählige Mal untersucht worden ist. Man könnte eher erwarten, insbesondere irgend ein seltenes Thier müsse es sein, an dem sich etwas, das nur entfernt von Wichtigkeit sein werde, auffinden lassen könne. Nichtsdestoweniger ist es das Froschei, welches sich als sehr geeignet erwiesen hat. Auf Eier mit totaler Furchung und großem Durchmesser musste meine Absicht zuerst ausgehen und die Leichtigkeit der Beschaffung konnte nur günstig in das Gewicht fallen. Es würde schlimm bestellt sein mit dem allgemeinen Inhalt dessen, was erreicht werden soll, wenn nur ein ausnahmsweise seltenes Thier die erwarteten Ansprüche zu befriedi- gen im Stande wäre. Auf den Frosch fiel außerdem mein Blick schon darum, weil die Theorien, die ich mir über die Furchung gebildet hatte, sich nur wenig vertrugen mit den bekanntesten Darstellungen, welche wir über die Furchung des Froscheies besitzen. Wohl hatte ich schon früher wiederholt zu meiner eigenen Belehrung die Furchung dieses Eies sowohl am lebenden Objekt als auch an Schnittpräparaten zu beobachten Gelegenheit genommen. Aber ich selbst hatte damals nicht daran gedacht, hier irgend etwas Anderes sehen zu wollen, als ich belehrt worden war und verschiedene Schriften und Abbildungen mir genau vor Augen stellten. Neuerdings dasselbe Objekt vor- nehmend sah ich mich bald in die Lage versetzt, meine Zweifel gelöst zu sehen und zu bemerken, dass einerseits die üblichen Dar- stellungen der Furchung des Frosches keine zutreffenden sind, dass andererseits die Litteratur allerdings richtige Beschreibungen und Abbildungen hervorgebracht hat. Letztere wurden entweder als ver- altet betrachtet oder haben nicht genügende Beachtung gefunden, ob- wohl sie die üblichen Angaben weit überholen. Dies ist auffallend genug; schon mit Rücksicht auf die weite Verbreitung jener irrthüm- WW» 256 A. Rauber lichen Lehre kann ich es mir nicht versagen, hier den historischen Weg zu betreten. Historisches. Prévost und Dumas! schildern den Fortgang der Furchung, nachdem die beiden ersten Längsfurchen und die erste Breitenfurche gebildet worden sind, folgendermaßen: »L’hémisphére brun était par- tage en quatre portions égales, chacune d’elles se divise en deux au moyen de nouvelles dépressions paralléles au sillon qui s’etait mon- tré le premier.« Diesen beiden Parallelfurchen der braunen Hemi- sphäre folgen ihrer Beschreibung und Abbildung gemäß zwei andere Parallelfurchen zur zweiten Längsfurche. So zeigt die braune He- misphäre 16 quadratische Felder. Das Furchennetz kann jedoch auch eine andere Form besitzen. So bilden die genannten Forscher einen Fall ab 2, in welchem zwar eine dritte und vierte Längsfurche vorhanden ist, letztere beiden aber nicht von dem Pole selbst aus- gehen, sondern in verschieden großer Entfernung von demselben. Ihre Abbildungen enthalten endlich noch einen Fall, in welchem nach Ausbildung der beiden ersten Längsfurchen eine obere »Brechungs- linie«, wie sie später genannt werden soll, zur Erscheinung ge- langt. v. BAER? verwirft in seiner interessanten Abhandlung über die Furchung des Frosches das rechtwinkelige Furchennetz der beiden Forscher, indem er sich in folgender Weise darüber ausspricht: »Dass eine Eintheilung der Kugelfläche in quadratische Felder, wie Prevost und Dumas sie sehr bestimmt beschreiben und abbilden, niemals vorkomme, kann ich mit der größten Zuversicht behaupten, da ich seit drei Jahren mehrmals ganze Gruppen von Eiern sowohl des grünen als des braunen Frosches in diesen Metamorphosen ver- folgt habe.« Von einer etwaigen Rückäußerung der Betreffenden, welche in gutem Rechte waren, ist mir nichts bekannt geworden. Rusconi‘ seinerseits polemisirt gegen v. BAER's dritte und vierte Längsfurche, die der letztere mit Unrecht in den Pol selbst eintreten lasse. Er sagt besonders vom Ei des Wassersalamanders: »Wenn die erste Furche vollendet ist erscheint eine zweite, welche jene im 1 Deuxiéme Mémoire sur la Generation. Annales des Se. nat. T. II, 1824. 2 Atlas des Annales des Se. nat. T. II, Pl. VI. 3 Die Metamorphose des Eies der Batrachier ete., MULLER’s Archiv 1834. 4 Zweiter Brief an E. H. WEBER. MÜLLER’s Archiv 1836. Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 357 rechten Winkel schneidet und sich ebenfalls über die untere Hälfte ausdehnt; dann spalten sich die beiden ersten Furchen und zugleich erscheint eine Querfurche, welche rechtwinklig auf die beiden ersten steht. Sie theilt den Dotter nicht in zwei gleiche Hälften, da sie nicht in der Mitte, sondern dem oberen Pole näher liegt, als dem unteren. Jede der vier Massen, aus denen die obere Hemisphäre be- steht, wird in der Folge durch eine eigene Furche getheilt, die nicht aus dem Pole selbst, sondern in dessen Nähe entspringt und sich über die untere Hemisphäre fortsetzt, so dass nunmehr sowohl die obere als die untere Hemisphäre jede in acht Massen zerfallen. so jedoch, dass die der unteren viel größer sind.« Unter der Spaltung der beiden ersten Furchen versteht Rusconi, wie man sicher an sei- nen Figuren erkennt, eine Brechungslinie, welche mit der von Pr&- vost und Dumas abgebildeten ganz übereinstimmt. In ähnlicher Weise beschrieb neuerdings F. Gasco ! die Furchung von Triton alpestris und bemerkte, dass nicht bloß der obere, son- dern auch der untere Pol eine Brechungslinie entwickle, die beide in gleicher Ebene gegen einander senkrecht liegen. Die von REMAK und Ecker gegebenen Abbildungen haben sich die meiste Anerkennung erworben. Ihre Darstellung liegt den mei- sten Schemen zu Grunde, die aufgestellt werden, wenn es sich darum handelt, den Typus der Batrachierfurchen zu schildern. Es überrascht uns in diesem von den genannten Forschern aufgestellten Typus die große Regelmäßigkeit und Anzahl eigentlicher Längsfur- chen, d. i. solcher, welche vom Pol ausgehen und in den Pol ein- münden. REMAK? bespricht seine Abbildung mit folgenden Worten: »Die Furchen wurden, sobald sie sich gebildet hatten, auf der Kugel eingezeichnet und traten offenbar in Folge der mit dieser Unter- suchung verbundenen, beständigen Umwälzung des Eies, mit der Regelmäßigkeit ein, die sich in der Zeichnung ausspricht. Das Ein- tragen der zahlreichen Furchen der letzten Stufen musste unterbleiben, um nicht die Zeit und Aufmerksamkeit der Beobachtung zu entzie- hen. Vogr bemerkt schon bei den Salmonen, dass diejenigen Eier am schönsten und regelmäßigsten sich entwickelten, welche er Be- hufs der Untersuchung unter dem Mikroskop mehrfach hin- und hergewälzt hatte. Bei Froschlaich, welcher mir während der Fur- ! Intorno alla storia dello sviluppo del Tritone alpestre. Genova 1880. ? Untersuchungen über die Entwicklung der Wirbelthiere. Atlas, p. XX VIII. Fig. 1a. 258 A. Rauber chung aus dem Freien gebracht wird, finde ich die regelmäßigsten Furchen. Bleibt dann der Laich ruhig stehen, so werden die späte- ren Furchen unregelmäßig. Die natürlichen Verhältnisse, unter welchen sich die Eier im Freien entwickeln, ließen sich vielleicht am besten nachahmen, wenn man dem Wasser, in welchem sich die Eier entwickeln, einen stetigen feinen Wasserstrahl zuführte und entsprechenden Abfluss gestattete, ähnlich wie dies bei der künst- lichen Ausbrütung der Fische geschieht.« Das ist nun offenbar eine sehr eigenthümliche Erklärung für das Auftreten so regelmäßiger Furchen, die an sich unwahrschein- lich ist und durch die Beobachtung leicht widerlegt werden kann. Sehr verschieden von letzteren Angaben lautet denn auch M. ScHULTZE’s ! in einer kleinen, wenig verbreiteten Festschrift gege- bene Beschreibung. Der Text ist in lateinischer Sprache abgefasst; ich gebe die betreffenden Stellen wörtlich wieder. Er spricht sich in seiner wesentlich dem Studium des »Faltenkranzes« gewidmeten Schrift ! über die der ersten Breitenfurche folgenden Vorgänge also aus: »Quar- tum segmentationis vitelli stadium duobus novis suleis directione meridionali incidentibus in adspectum prodire a viris doctis traditur Fieri potest, ut huius stadii sulei meridionales paribus intervallis dispositi, maxima cum regularitate in superiore ovi superficie ita appareant, ut in Fig. 11 depictum est, quam quidem figuram C. E. BAERIUS, A. ECKERUS, alii delineaverunt: multo tamen crebriores observavi formas minus regulares, haud vero plane diversas. Quarum quidem exempla, qualia animadverti, Fig. 10, 12, 14, 15 proposui. Quibus autem causis ac rationibus factum sit, ut modo haec modo illa appareret forma, mihi in obscuro est. Saepe inter omnia ex uno oviductu deprompta ova in hoc segmentationis stadio nullum reperi ovum, quod formam haberet ita regularem, Fig. 11 depictam. Quum vero ex ovis irregulariter segmentatis procreatos observavi pullos integros et sanos, segmentationem minus regularem quasi pathologi- cam et morbo quodam exortam habere non postum.« Hier sehen wir also schon einen ganz anderen Thatbestand sich geltend machen, als er dem iiblichen Schema entspricht. Als seltene Ausnahme höchstens lässt M. SCHULTZE eine dritte und vierte reine Meridianfurche zu; selbst bei Massenuntersuchung bot sich ihm der Anblick jenes regelmäßigen Furchenschema wiederholt niemals dar. 1 Observationes nonnullae de ovorum ranarum segmentatione ct., Bonnae 1863. Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 259 Es mag vielleicht Manchem etwas gesucht erscheinen, auf diese Dinge einen gewissen Werth legen zu sehen. Sie sind aber, wie sich alsbald herausstellen wird, nichts weniger als werthlos. Es begreift sich, dass eine minder genaue Beobachtung als diejenige von M. SCcHULTZE war, darauf kommen musste, die Herstellung rei- ner Meridianfurchen für die Norm, die Abweichung dieser Furchen vom Pol dagegen als Abirrung von der Norm zu halten. Es begreift sich eben so leicht, dass man auf diese äußeren und anscheinend nur eine ganz äußerliche Bedeutung beanspruchenden Dinge mit um so größerer Berechtigung achtlos sein zu dürfen glaubte, je mehr sich die Untersuchung auf die sogenannten inneren Furchungserschei- nungen warf, die Kerntheilungsfragen die Forschung beschäftigten und mit der Aussicht auf höheren wissenschaftlichen Gewinn er- füllten. Folgen wir jedoch M. ScHULTZE noch eine kurze Strecke weiter. Nach der Beschreibung zweier sogenannter unregelmäßiger For- men wendet er sich zu einer anderen dritten: »Maxime singulare notabileque mihi videtur ovum ranae tempo- rariae Fig. 15 delineatum, quod quartum iniit segmentationis stadium. Sulei novissimi, corona plicarum exornati, directionem habent pa- rallelam sulco meridionali primo vel secundo. Eadem est forma, quam Prevost et Dumas vulgarem descripserunt et delineaverunt, quam quidem vir illustrissimus ©. E. BAERIUS, qui primus post PRE- vostium et Dumastum de segmentatione ovorum ranarum accuratius disseruit, se nunquam reperisse affirmat. Quum nemo inter omnes Embryologos, qui postea de hae re scripserunt, mentionem ejus for- mae faciat, mirum videtur, me multa tali modo formata ova ranae temporariae observasse.« Im folgenden Stadium sah M. SCHULTZE das soeben beschriebene Ei von zwei neuen Parallelfurchen eingenommen, welche jene ersteren rechtwinkelig kreuzten. Er erinnert zugleich daran, dass PREvosr und Dumas dieselbe Form bereits gesehen hatten. Der Litteraturkenntnis von A. GörtE! war M. ScHULTZE’s Ar- beit nicht entgangen, die er in folgender Weise würdigt: »Was nun zuerst das Äußerliche betrifft, so wurden zwei Typen des äußeren, das Ei überziehenden Furchennetzes bekannt: Nach PrEvosT und Du- MAS sollte es stets quadratische Maschen besitzen, nach v. BAER und ! Entwicklungsgeschichte der Unke p. 66. 260 A. Rauber REMAK würde die zierliche Zeichnung nur durch Meridian- und Brei- tenkreise entworfen. SCHULTZE löste den Widerspruch, indem er zeigte, dass sowohl beide Formen durch Verschiebungen und Ge- staltveränderungen der einzelnen Dotterstücke in einander übergehen, als auch von Anfang an bald die eine bald die andere ausschließlich sich entwickeln könne. In der That wäre es bei den gegenwärtigen Kenntnissen von den Ursachen der Furchen und Theilungen wun- derbar, wenn die Bewegungen der Centraltheile auch nur während der ersten Theilungen in absoluter Regelmäßigkeit vor sich gingen.« Nach dieser Meinung würde M. ScHuLTtze’s Arbeit bereits die Lö- sung des Widerspruchs enthalten. Letzterer indessen stellt nur die Thatsache einer großen Verschiedenheit fest, während er die Angabe macht, über die Ursache selbst befinde er sich im Dunkeln. Vergegen- wärtige ich mir ferner die in einer vor mir liegenden Zusammen- stellung enthaltenen Figuren der verschiedenen Autoren, so macht mir deren Anblick eher den Eindruck einer geringen Bedeutung der äußeren sowohl als der inneren Verhältnisse der Furchung, wenn solche Extreme in der letzteren zum Ausdruck gelangen können und doch zu einer normalen Entwicklung des Embryo führen. Denn jene äußeren Verschiedenheiten sind natürlich nur der äußere Ausdruck innerer Verschiedenheit, die äußere Erscheinung dagegen nichts Selbständiges. Sind die inneren Verschiedenheiten, welche so extreme Formschwankungen der Furchung an dem Ei derselben Art bedingen, als das maßgebende Moment in dieser Erscheinung zu betrachten, so verdienen eben sowohl die inneren als die äußeren Verschieden- heiten offenbar einer sorgfältigen und eingehenden Erwägung. Sonst läuft der hohe Werth, welchen man bisher der Form der Furchung bei- legen zu müssen glaubte, Gefahr, in seiner Berechtigung erschüttert, ja zertriimmert zu werden und es erhalten Diejenigen Recht, welche die Furchung sehr oberflächlich behandeln zu dürfen glauben. Ich schließe diese historische Darstellung mit einer Bemerkung über SPALLAnzAnTs Kenntnis der Furchung. An einer Stelle seiner historischen Übersicht gedenkt GöTTE SPALLANZANT'S und giebt von demselben an, dass er, wie aus sei- nen Worten hervorgehe, unzweifelhaft die Furchen auf Batrachier- eiern zuerst gesehen habe. SPALLANZANI! sagt indessen von den Eiern nur: »Ils ressemblent A de petits globes noirs qui paraissent ronds a l’oeil nud et avec une lentille faible; mais si on les obser- ! Expériences pour servir 4 l'histoire de la Generation, p. 36. Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 261 ves avec une forte lentille, on les voit sillonnés de quatre sillons qui se coupent 4 angles droits comme la peau 4 demi-ouverte des chätaignes ou des marrons.« SPALLANZANI sah hiernach nur die beiden ersten Längsfurchen, wie schon früher SwAMMERDAMm die erste Längsfurche gesehen hatte. Schon dieser kurze Überblick würde Grund genug zu der Auf- forderung enthalten, die Furchung des Batrachiereies einer erneuten Prüfung zu unterwerfen. Wodurch für mich selbst die Veranlassung dazu entstand, habe ich bereits angegeben. Auf dem bisherigen Wege der Untersuchung hat sich die Lösung selbst nur jenes Wider- spruchs der Verschiedenheiten nicht ergeben. Die Berücksichtigung des letzteren ergiebt sich uns indessen nur als eine beiläufige, nicht als die Hauptaufgabe. Möglicherweise behält das Wesentliche in jenen Verschiedenheiten unter allen Umständen sein Auffälliges. Be- merkenswerth, ja fast unglaublich ist dagegen das Verhältnis, wie lange es dauerte, bis nur das Vorhandensein einer solchen Va- riabilität der Furchung genügend konstatirt war. Um zu einem wirklichen Verständnis derselben zu gelangen, dazu hatte die vor- ausgehende Zeit die Grundlagen noch nicht geschaffen. Daher das langdauernde Herumirren und unsichere Tasten an der Sicherstellung einer an und für sich leicht zu konstatirenden Erscheinung. Es be- durfte eines gänzlich veränderten, über die Verengerung zur Einzelzelle hinausgehenden Gesichtspunktes, um sowohl diese Verschiedenheiten als die Furchung im Ganzen besser verstehen zu lernen. Neue Beobachtungen über die Furchung des Froscheies. Wenn man auf Grundlage der gegebenen Schilderung mit Recht behaupten kann, dass die inneren Verhältnisse der Zellen bei der Furchung des Batrachiereies gegenwärtig besser bekannt sind, als die äußeren Furchungserscheinungen, so liegt darin zwar eine gewisse Befriedigung, andererseits müssen es gerade die letzteren sein, wel- chen sich vor Allem unsre Aufmerksamkeit zuzuwenden hat. Die zu untersuchenden Eier gelangten theils frisch zur Beobach- tung, theils nach geschehener Härtung, zu welcher durchgehends Chromsäure von !/; °/) verwendet worden war. Alle bezüglichen Zeichnungen sind mit dem Prisma aufgenommen worden. Der unter- halb der sogenannten Aquatorial- oder ersten Breitenfurche gelegene Theil der Eifläche ist dunkel gehalten, so weit es sich um Aufnahmen vom oberen Pol aus handelt. Letzteren ist eine Ansicht der Fur- 262 A. Rauber chenkomplexe der zugehörigen unteren Eihälfte in der Regel beige- geben. Die beiden ersten sogenannten Meridian- oder Längsfurchen sind der leichteren Übersicht wegen in stärkeren Linien gehalten als die übrigen. Den bekannten Angaben über die Beschaffenheit der ersten Längsfurche habe ich nichts hinzuzufügen. Sie liefert dem Nach- denken allerdings einige neue, auch für meine Aufgabe wichtige Mo- mente, diese sollen jedoch erst am Schlusse dieses Abschnittes zur Sprache gebracht werden, während ich mich jetzt ausschließlich den Beobachtungen selbst zuwende. Die zweite Längsfurche ist bekanntlich keine einfache, das Ei als Ganzes treffende Totalfurche, sondern sie besteht aus zwei Fur- chen, von welchen jede gesondert die zugehörige Hemisphäre theilt. Letztere beiden Furchen können sich je mit ihren einander zuge- wendeten Enden entweder treffen und dadurch eine fortlaufende Linie herstellen, oder ihre Enden münden nicht in einander ein, son- dern schneiden auf die erste Längsfurche in einem größeren oder kleineren gegenseitigen Abstand ein. Durch die Gegenwart eines solchen Abstandes entsteht die häufigste Form einer Brechung der Furchen, wie sie an früherer Stelle genannt wurde; die Linie, welche den gegenseitigen Abstand der einander entsprechenden Fur- chenenden bezeichnet, heißt die Brechungslinie. Die Brechungs- linie, ein sehr häufiges, jedoch nicht konstantes Vorkommnis dieser Stufe, kann auch auf andere Weise zu Stande kommen, nämlich durch Verschiebung der Blastomeren in solchen Fällen, welche ursprünglich keine Brechungslinie zeigten. So entsteht eine sekun- däre Brechungslinie. Eine Brechungslinie bei der Viertheilung des Eies muss nicht nothwendig zur Ausbildung kommen; sie fehlt in seltenen Fällen, wie spätere Stufen zeigen. Der gewöhnliche Fall ist der, dass außer einer Brechungslinie des oberen Pols auch eine solche des unteren Pols primär oder sekundär zur Ausbildung gelangt. In der Regel steht alsdann die untere zur oberen Brechungslinie in paralleler Ebene senkrecht ; sehr selten laufen beide einander parallel. Beides ist nicht ohne Einfluss auf die Gestalt der Blastomeren. Im ersteren Fall berühren die Blastomeren einander mit torquirten Spaltflächen, sie sind schraubenförmig gegen einander gewunden. Es giebt auch eine einfachere Art von Furchenbrechung, ohne Ausbildung einer Brechungslinie. Sie entsteht als Einbiegung einer Furche durch das Einschneiden einer anderen Furche an irgend einer Stelle ihres Verlaufs. Sie ist, wie die Verschiebungen, Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 263 bedingt durch die Protoplasmakontraktionen, welche die Theilung der Blastomeren veranlassen. Folgende Figuren veranschaulichen die beschriebenen Verhält- nisse: In Fig. 21 und 26 Taf. XII zeigt sich die primäre Form der Brechungslinie (d). Auf die erste Längsfurche treffen die Furchen 2 und 3, welche die sogenannte zweite Längsfurche zusammensetzen, mit ihren Enden in gegenseitigem Abstand auf. Die so zu Stande gekommene Brechungslinie 5 besitzt zugleich nicht mehr vollständig ihre ursprüngliche Richtung; denn sie lag Anfangs in der Fortsetzung der Längsfurche (1). Die Ablenkung, welche sie zeigt, wurde offen- bar hervorgebracht durch die entgegengesetzten Zugwirkungen der Protoplasmamassen, von welchen die Furchen 2 und 3 durch die vor sich gehende Theilung hervorgerufen wurden. Eine solche nachträg- liche Ablenkung der Brechungslinie von ihrer ursprünglichen Rich- tung bildet die Regel. Sie fällt in das Gebiet der oben unter- schiedenen einfachen Art von Furchenbrechung® hier tritt letztere doppelt auf, und zwar von entgegengesetzten Seiten her. Fig. 22 zeigt einen Fall von fehlender, vielleicht nur bis dahin fehlender Brechungslinie. In Fig. 23 ist nicht nur eine sehr große Brechungslinie vorhan- den, sondern es ist zugleich ihre Ablenkung und die Verschiebung der Blastomeren an ihrem Ende angelangt. Zwei der Blastomeren berühren sich einander längs der Brechungslinie. Ihre oberen Enden erscheinen wie abgeschnitten. Die Spitzen der beiden anderen Bla- stomeren stehen um die Länge der Brechungslinie von einander ab. Es bedarf keiner weiteren Auseinandersetzung, dass auch die Verhält- nisse der Winkel, die ursprünglich rechte oder nahezu rechte waren, durch die genannten Vorgänge eine Veränderung erfahren haben. Am unteren Pol zeigt dasselbe Ei ebenfalls eine starke Brechungs- linie; doch ist ihre Richtung noch die ursprüngliche, eine Verschie- bung der Blastomeren ist hier noch nicht eingetreten. Beide Brechungslinien stehen senkrecht auf einander. In Fig. 24 sind beide Brechungslinien so eingezeichnet, dass gleichzeitig mit der oberen die untere Brechungslinie (punktirt) ge- sehen wird. Es ist leicht, sich hieraus die Gestalt der einzelnen Blastomeren und ihrer gewundenen Berührungsflächen zu entnehmen. Fig. 25 ist für die häufige einfachste Art der Furchenbrechung ein Beispiel. Die beiden Furchen 1 und 2 erfahren durch die Ent- stehung der neuen Furche (3) eine Knickung in der Richtung der 264 A. Rauber neuen Furche; die beiden älteren Furchen nähern sich hiernach einan- der in Folge der Ursachen, welche die neue Furche ins Leben rufen. Brechungen und Verschiebungen kommen, wie kaum zu bemer- ken nöthig, in ausgedehntester Weise während der Furchung der verschiedensten Thiere und in allen Stadien der Entwicklung vor. Es wird auf sie an späterer Stelle noch zurückzukommen sein. Dieselben Erscheinungen der Brechungen und Verschiebungen, die schon mit der zweiten Furche ihren Anfang nehmen, sind natür- lich auch von einem gewissen Einfluss auf die Richtung der spä- teren Furchen, so dass ihr Vorhandensein oder Fehlen, ihre stärkere oder geringere Ausprägung dem ganzen Furchungsbild bestimmte Züge aufdrückt. Über die folgenden vier Furchen, welche in ihrem gegenseitigen Zusammenhang die 1. Äquatorial- oder Breitenfurche darstellen, habe ich keine neue Angabe zu machen. Um so mehr ist der jetzt auftretende Furchenkomplex, der meist unter dem Namen der dritten und vierten Meridian- oder Längs- furche geht, in der Lage, unsere Aufmerksamkeit zu fesseln. Ka- men schon bisher Verschiedenheiten vor, welche besonders in der Gegenwart, der verschiedenen Größe oder dem Fehlen von Brechungs- linien und Verschiebungen der Blastomeren ihren Ausdruck fanden, so überrascht uns nunmehr, über je größere Zahlen von Eiern die Untersuchung sich erstreckt, eine unerwartete Fülle von Verschieden- heiten zum Theil weitgehender Art. Es bedarf keineswegs der Prüfung großer Mengen von Eiern, um hier und da zerstreut ein anderes Bild wahrzunehmen. Alle die im Folgenden zu beschrei- benden Formen, es sind deren zehn, sind aus etwa fünfzig genau untersuchten Eiern dieses Stadiums ausgewählt. Die übrigen vier- zig Eier sind außerdem nicht entfernt unter sich alle übereinstimmend, sondern sie vertheilen sich in verschiedener Häufigkeit auf die For- men der mitgetheilten Gruppen, deren gradweise Abstufungen sie darstellen; oder sie geben überhaupt hier nicht aufgenommene Bil- der. So gehe ich denn über zu der Beschreibung einzelner Formen. Erstes Ei (Fig. 27). Wie die folgenden vom Pol aus aufgenommen, zeigt uns die- ses Ei ein sehr schönes und regelmäßiges Bild der Furchenverthei- lung. Zwischen den beiden ersten, mit starken Linien in der Figur ausgezogenen Längsfurchen, wie sie der Kürze wegen im Fol- genden genannt werden sollen, befindet sich eine Brechungslinie (4). Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 265 a Zu letzterer steht die Brechungslinie des unteren Pols (Fig. 275) senkrecht. Die Breitenfurche zeigt zählreiche Brechungen und die Anfänge der von ihr nach abwärts ziehenden Längsfurchenstrahlen. Das oberhalb der Breitenfurche gelegene, dem Beschauer zugekehrte Feld ist zusammengesetzt aus den dorsalen Flächen von acht Bla- stomeren. Beachten wir den Verlauf der jüngsten Furchen, die mit den Ziffern 1, 2, 3 und 4 bezeichnet sind, und ihr Verhältnis zu den vier früheren, großen Blastomeren, die von ihnen nunmehr ge- theilt worden sind, so sehen wir jede der vier neuen Furchen von der Breitenfurche ausgehen, nicht aber in den Pol selbst, ja nicht -einmal in die Brechungslinie einschneiden. Sie münden vielmehr aus- wärts von derselben je in verschiedenen Schenkeln des alten Fur- chenkreuzes. Die vier neuen Furchen stellen zusammen die oberen Abschnitte der gewöhnlich sogenannten dritten und vierten Meridian- oder Längsfurche dar. In Wirklichkeit sind es aber so wenig echte Längsfurchen, wie im Fall der Gegenwart einer Brechungslinie die beiden ersten. Immerhin kann man sie zur Unterscheidung von den Breitenfurchen und den später zu betrachtenden inneren oder kon- centrischen Furchen zu dem Längsfurchensystem rechnen, von dem sie zunächst als eine modifieirte Form angesehen werden können. Beachtet man ihre Bahn genauer, so zeigen sie außer der ihnen nothwendig zukommenden sphärischen Krümmung oft sehr deutlich noch eine besondere Krümmung, wie in unserem Beispiel besonders _ die Furchen 1 und 4, über deren Bedeutung bei Gelegenheit der Beurtheilung der Beobachtungen noch ein Wort zu sagen sein wird. Zieht man die Oberflächen der vier alten Blastomeren in Betracht, so schneiden die vier neuen Furchen von ihnen vier im Allgemeinen dreiseitige Stiicke ab, welche die außen gelegenen Zwischenräume zwi- schen den vier länglichen, von parallelen Seitenwänden begrenzten und an die Brechungslinie stoßenden übrigbleibenden Feldern ein- nehmen. Die acht Blastomerenflächen sind an Größe einander nicht völlig gleich, sondern schon der Augenschein belehrt, dass die Drei- ecke den anderen im vorliegenden Fall etwas nachstehen. Die vier neuen Furchen der unteren Eihälfte (Fig. 27 4) ver- meiden ebenfalls die Einmündung in den Pol und die Brechungslinie in weitem Abstand. Ihr Eingreifen in das alte Furchenkreuz ist jedoch ein anderes, als in der oberen Ejihilfte. Die Furchen 4 und 3 nämlich treten an je einen besonderen, die Furchen 1 und 2 dagegen an einen gemeinschaftlichen Arm des alten Furchenkreuzes heran, während der vierte unbetheiligt bleibt. Morpholog. Jahrbuch. §. 18 266 A. Rauber Zweites Ei (Fig. 28). Das zweite Ei hat mit dem vorher betrachteten eine theilweise Ähnlichkeit der Furchenanordnung. Die beiden Brechungslinien stehen senkreckt auf einander. Die neuen Furchen 1, 2, 3 und 4 unterscheiden sich von den entsprechenden der Fig. 27 einmal da- durch, dass Furche 2 in die Brechungslinie mündet, während Furche 1 sich in Richtung und Ansatz wie vorher verhält. Dadurch, dass Furche 2 in die Brechungslinie mündet, statt wie am vorigen Ei in den nächsten Arm des alten Furchenkreuzes, wird letzterer für die Aufnahme einer neuen Furche frei; es ist die Furche 3, die ihn zur Einmündung wählt. Die Furche 4 nimmt den nächstfolgenden Arm des alten Furchenkreuzes ein, während dessen vierter Arm unbe- theiligt bleibt. Sehr regelmäßig ist die eirkumpolare Vertheilung der vier neuen Furchen der unteren Eihälfte (Fig. 28 4); sie erinnert durchaus an die Anordnung auf der oberen Hälfte des vorigen Eies. Drittes Ei (Fig. 29). Die obere Brechungslinie ist kurz, eine untere fehlt. Von den neuen Furchen verhält sich die Furche 1, 2 und 3 wesentlich ent- sprechend den beiden früheren Eiern, indem sie der Reihe nach je in einen verschiedenen Arm des alten Furchenkreuzes einmünden. Eine Ausnahme hiervon macht die Furche 4. Sie greift, obwohl in beträchtlichem Abstand, in dieselbe ältere Furche ein, wie 3. Eine der älteren Furchen bleibt darum unbetheiligt. Einzelne Blastomeren- flächen übertreffen andere ansehnlich an Größe. In der Lagerung derselben drückt sich deutlich eine doppelte Symmetrie aus; die seitliche Symmetrie macht sich besonders dann sehr deutlich geltend, wenn die Furchen 1 und 3 als Achse angesehen werden. In der unteren Eihälfte (Fig. 29 5) sind deren neue Furchen noch nicht in ihrer ganzen Länge ausgebildet. Sie dringen in be- trächtlicher Polferne zur Hälfte in verschiedene ältere Furchen ein, zur anderen Hälfte in geringem Abstand gegen eine gemeinschaftliche ältere Furche, so dass eine der letzteren frei bleibt. Die entspre- chende Bezifferung zu notiren wurde bei der Aufnahme übersehen. Viertes Ei (Fig. 30). Es ist eine obere Brechungslinie vorhanden, eine untere fehlt. Die Furchen 1 und 2 laufen zu einem gemeinsamen Arm des alten Furchenkreuzes, wodurch derselbe zweimal stark gebrochen erscheint. Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 267 Der gegenseitige Abstand ist indessen ein beträchtlicher. Die Furche 3 nimmt die frei gewordene Stelle ein. Der nächste Arm des alten Furehenkreuzes bleibt frei, in den folgenden läuft die vierte neue Furche ein. Der Größenunterschied der verschiedenen Blastomeren- flächen ist ein beträchtlicher. | Die eirkumpolare Anordnung der vier neuen Furchen der unte- ren Eihälfte (Fig. 30 d) ist folgende. Ein Arm des alten Furchen- kreuzes bleibt frei, ein anderer nimmt in verschieden weitem Abstand vom Pol die neuen Furchen 2 und 3 auf; die Furchen 1 und 4 laufen je in eine der beiden übrigen älteren Furchen ein. Fünftes Ei (Fig. 31). Es ist eine sehr große obere, eine nur wenig kürzere untere Brechungslinie (4) vorhanden, die zur ersten senkrecht steht. Stellen wir die Brechungslinie entsprechend derjenigen des in Fig. 1 abge- bildeten ersten Eies auf, so trifft die neue Furche 1 nicht den linken, wie dort, sondern den rechten unteren Arm des alten Furchenkreuzes, das durch starke Brechungen eine stark verzerrte Form angenommen hat. Der linke untere Arm bleibt frei, während die Furchen 2 und 3 in einem mäßigen gegenseitigen Abstand in den linken oberen Arm einlaufen. Der rechte obere Arm ist frei wie der linke untere; in den rechten unteren Arm münden die neuen Furchen 1 und 4 in kurzem gegenseitigen Abstand ein. Es liegen also hier zwei freie und zwei doppelt von neuen Furchen beanspruchte Arme des alten Furchenkreuzes vor. Die vier neuen unteren Furchen sind noch nicht vollständig aus- gebildet und auf der Zeichnung nicht angegeben. Nur drei dersel- ben treten bei der Polansicht schwach hervor. Eine derselben nimmt die Richtung gegen die Brechungslinie, die beiden anderen gegen eine gemeinsame ältere Furche. Sechstes Ei (Fig. 32). Bei senkrechter Stellung der kleinen Brechungslinie (5) wendet sich die neue Furche 1 wie im vorhergehenden Ei gegen den rech- ten unteren Arm des älteren Furchenkreuzes, in weitem Abstand von dem Pol. Etwa in der Mitte dieses Abstandes nimmt der- selbe Arm die von rechts kommende Furche 4 auf und erleidet in Folge dieser doppelten Einmündung eine zweimalige Brechung. Die neue Furche 2 geht nicht von der Breitenfurche aus, sondern von dem linken unteren Arm des alten Furchenkreuzes und zieht 18* 268 A. Rauber in eircumpolarer Richtung gegen dessen linken oberen Arm, den sie in weitem Abstand vom Pol erreicht. Derselbe Arm nimmt pol- wärts und in geringer Entfernung von der Mündung der Furche 2 die Furche 3 auf, die in gewöhnlicher Weise von der Breiten- furche ausgeht. Der rechte obere Arm bleibt frei. Die Furche 2 ge- hört hiernach zu dem System der Breitenfurchen. Sie verdankt einem Vorspringen späterer Furchen über gewöhnlich vorausgehende ihre Entstehung. Die untere Eihälfte (Fig. 32 4) zeigt eine kleine, der oberen pa- rallele Brechungslinie. Ihre neuen Furchen sind noch zu wenig pol- wärts vorgedrungen, als dass sich ihr Verhalten zum Pol sicher an- geben ließe; sie sind darum nicht gezeichnet worden. Siebentes Ei (Fig. 33). Von den beiden Brechungslinien steht die eine auf der anderen senkrecht. Die neue Furche 1 mündet in geringer Entfernung von der oberen Brechungslinie in den rechten Arm des älteren unteren Furchenpaares. Der linke Arm bleibt frei, indem die Furche 2 den linken Arm des oberen Furchenpaares aufsucht. In denselben Arm mündet die Furche 3 und zwar in größerer Polferne. Die Furche 4 läuft dem unteren Rand des Blastomers 4 größtentheils parallel, geht indessen von der Grenze der Breitenfurche gegen den rechten Arm des unteren Furchenpaares aus, um den rechten Arm des oberen | Furchenpaares zu erreichen. Sie steht ihrer Bedeutung nach also in der Mitte zwischen einer Breiten- und Längsfurche. Das untere Furchennetz (Fig. 33 b) fällt dadurch auf, dass die neuen Furchen der unteren Eihälfte paarweise und nahe bei ein- ander in zwei entgegengesetzte Arme des alten Furchenkreuzes ent- fernt vom Pol einlaufen. Achtes Ei (Fig. 34). Obere und untere Eihälfte entbehren der ersten Brechungslinien. In Form und Lage der Blastomeren stimmt dieses Ei mit dem drit- ten der beschriebenen nahezu überein. Eine rechte und linke Hälfte ist noch deutlicher zu unterscheiden als dort. Die Entstehung des Furchennetzes ist dagegen eine verschiedene, wie sich aus der Ver- gleichung der älteren Furchenkreuze ergiebt. Diejenigen Furchen, welche im vorliegenden Ei die beiden ersten Längsfurchen darstellen, treten dort ihrem Haupttheile nach als neue Furchen auf. Es ist, als hätten die alten und neuen Furchen die Zeit ihrer Entstehung Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 369 vertauscht. Im Übrigen ist der Furchenverlauf der folgende. Die neue Furche 1 (die den übrigen mit dieser Ziffer bezeichneten nicht mehr entspricht) trifft in weitem Polabstand zugleich mit der von der entgegengesetzten Seite kommenden Furche 4 auf den unteren Arm des alten Furchenkreuzes; der obere, durch seine Kürze auffallende Arm bleibt frei. In den rechten und linken Arm laufen in weitem Abstand vom Pol die neuen Furchen 2 und 3 ein. Um das Fur- chennetz mit demjenigen der anderen Eier leichter zu vergleichen, kann man dem Ei auch eine solche Stellung geben, dass die hier mit 4 bezeichnete Furche zur neuen Furche 1 wird, die nun in den lin- ken Arm des unteren älteren Furchenpaares einmündet. Die übrige Reihenfolge ergiebt sich sodann leicht. Am unteren Pol (Fig. 34 4) münden die neuen Furchen der un- teren Eihälfte theils nahe zusammen (3 und 4) in eine ältere Furche ein, theils in verschiedene andere (1 und 2), so dass ein Arm des älteren Furchenkreuzes frei bleibt. Neuntes Ei (Fig. 35). Das Ei ist ein wenig auf die linke Seite rotirt. Das oberhalb der Breitenfurche gelegene Feld, welches die oberen Flächen von acht Blastomeren zeigt, besitzt ovale Form und verhalten sich Länge und Breite dieses Feldes in gerader Linie gemessen etwa wie 45 : 35. Brechungslinien fehlen an beiden Polen. Die neuen Furchen 1, 2, 3 und 4 schneiden sämmtlich auf die lange Achse oder den unteren und oberen Arm des alten Furchenkreuzes ein, die Furchen 1 und 4 konvergiren dabei leicht gegen den Pol hin. Sowohl diese beiden als auch das Furchenpaar 2 und 3 münden je an gleicher Stelle. Die Flächenausdehnung der vier oberen Blastomeren übertrifft diejenige der vier unteren, so dass die quere Achse das obere Feld in zwei nieht ganz gleiche Hälften theilt. Ob durch die lange Achse in Wirklichkeit die zukünftige Längs- achse des Embryo bezeichnet werde, wie es allerdings zunächst den Anschein hat, muss gleichwohl zweifelhaft bleiben. Durch Kontrak- tionen des Protoplasma, welche den Theilungen vorangehen, hervor- gebracht, ist die ovale Form des oberen Feldes vielleicht bloß eine vorübergehende Erscheinung, welche sich bei der folgenden Theilung ausgleichen würde, sofern nicht selbst ein Umschlag in das Gegen- theil eintritt und also die jetzige kleine Achse zur großen wird. Das Furchenbild der unteren Eihälfte (Fig. 35 4) ist dadurch be- merkenswerth, dass deren neue Furchen, symmetrisch vertheilt und 270 A. Rauber in ansehnlichem Polabstand, sämmtlich auf eine einzige Längsfurche einschneiden, so dass die andere Längsfurche frei bleibt. Die Ent- fernung der Mündungsstellen zweier Furchen von einander ist unge- fähr gleich dem Polabstand der beiden nächsten Mündungsstellen. Zehntes Ei (Fig. 36). Die Anordnung der Furchen entspricht im Wesentlichen derje- nigen des vorigen Eies, nur ist die Furchenbrechung eine stärkere, während sie dem oberen Feld des vorigen Eies fehlt. Länge und Breite des oberen Feldes verhalten sich etwa wie 45 zu 42. Die querliegenden Arme der älteren Furchen schneiden wieder ein größeres oberes von einem kleineren unteren Feld ab. Die neuen Furchen 1 und 4 konvergiren leicht gegen den Pol. Es ist ein beträchtlicher Flächenunterschied verschiedener Blastomeren vorhanden. Die untere Eihälfte (Fig. 36 4) zeigt Abweichungen vom vorigen Ei, indem die neuen Furchen 3 und 4 je in verschiedene Arme der alten Furchen einlaufen, während die Furchen 1 und 2 nahe bei einander an einem gemeinsamen Arm ihr Ende finden, so dass ein Arm frei ausgeht. Als die beiden Haupttypen des Achtzellenstadiums der oberen Eihälfte möchte ich schon jetzt die in Fig. 27, 35 u. 36 gezeichneten Eier erwähnen. Ein Ei mit rein meridianem Verlauf der sogenannten dritten und vierten Meridianfurchen ist mir nicht vorgekommen. In Eiern solcher Art spricht sich ein dritter, ausnahmsweiser Ty- pus aus. Von späteren Stadien genügt es, zwei sich zunächst anschließende in Betrachtung zu ziehen. Schon in Fig. 37 ist es nicht leicht, die vorhandenen 16 Blasto- meren der oberen Eihälfte so zu ordnen, dass daraus die vorher- gehende Stufe kenntlich wird. Noch größere Schwierigkeiten bietet die folgende Stufe. Von einem Ei dieser Stufe ist in Fig. 35 nur ein Theil der oberen Fläche gezeichnet worden. Die Oberfläche der einzelnen Zellen ist zumeist von 6 oder 5 Seiten begrenzt, während früher mehr die vier- und dreiseitige Form vorherrscht, wenn man von den kleineren Brechungen absieht. Letztere treten aber natür- lich um so mehr als besondere Seiten hervor, je kleiner die Zellen mit zunehmender Theilung geworden sind. Im Bisherigen war nur von solehen Furchen die Rede, welche auf der äußeren, und sobald sich eine Furehungshöhle ausgebildet hat, auch auf der inneren Oberfläche des Eies hervortreten. Indem Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 371 ich bezüglich der Verlaufsweise der erwähnten Furchen in der Sub- stanz des Eies auf Fig. 40 hinweise, welche einen Meridianschnitt durch ein Ei wiedergiebt, dessen obere Hälfte in 8 Blastomeren ge- gliedert ist, gedenke ich noch jener anderen Art von Furchen, welche weder zur äußeren noch zur inneren Oberfläche empordringen. Es ist dies das koncentrische System, das am Frosch zuerst von C. E. v. BAER beschrieben worden ist. Die Furchen, die ihm an- gehören, laufen mit der äußeren oder inneren Oberfläche parallel. Während die Decke der im Stadium der Fig. 40 bereits deutlichen Furehungshöhle anfänglich sonach aus einer einzigen Schicht von Zellen besteht, eben so auch ihr Boden, werden Decke und Boden durch das Auftreten koncentrischer Furchen in ihren Zellen allmäh- lich mehrschichtig. So lassen sich in Fig. 41, die einen Theil der Decke der Furchungshöhle auf dem Stadium der beginnenden Ga- strula bei stärkerer Vergrößerung darstellt, drei Zellenschichten unter- scheiden. Drei Systeme von Furchen sind es also nach dem Vor- ausgehenden, welche zur Zerlegung des Froscheies in Anwendung gezogen wurden, das eine bestand aus Längsfurchen, das zweite aus Querfurchen, das dritte aus koncentrischen Furchen. Wenden wir uns nunmehr zu einer Beurtheilung dieser Furchensysteme. Beurtheilung der Furchung des Frosches. Sehon die erste Furche, d. i. die durch sie ausgedrückte Zwei- theilung des Eies übergiebt dem Nachdenken einen Stoff von schwer zu überwältigendem Inhalt. Was außen und innen bei der Entstehung derselben am Ei vor sich geht, war bereits Gegenstand der Erörterung. Ich denke hier auch nicht an die Vergrößerung der Oberfläche, die das Ei durch die erste, so wie die folgenden Furchen erfährt; sie wird uns später erst beschäftigen, wie überhaupt die Ursachen der Theilung. Es sind vielmehr zwei andere Fragen, die sich schon bei der ersten Furchung aufdrängen. Die eine derselben bezieht sich auf das innere Verhältnis der beiden ersten Furchungskugeln zum Ei vor der Theilung, mit Rück- sicht auf die beiderseitigen Kräfte; die andere bezieht sich auf eine andere Erscheinung, die ich mit dem Namen Segmentalattraktion be- zeichnen will. Was den ersten Punkt betrifft, so lässt er sich am besten in folgender Weise aufstellen: Ist es nicht seltsam, noch fragen zu 972 A. Rauber wollen: Bestimmt das Ei die beiden Furchungskugeln oder letztere das Ei? Bestimmt das Ganze die Theile oder die Theile das Ganze? Und dennoch hat es sich als nothwendig herausgestellt. Da wir wissen, dass die Theile vom Ganzen ihren Ausgang nehmen, das in sie übergeht, so wird man kaum Anstand nehmen können zu be- haupten, das Ei bestimme die Theile. Und zwar geschieht dies nach Substanz und Struktur, Form und Größe, Lagerung der Theile und ihren Kräften. Mögen letztere quantitativ und qualitativ von jenen des ungetheilten Eies so frühzeitig schon in Etwas, sei dies nun mehr oder weniger, abweichen, ihre Bestimmung erhielten sie durch sämmt- liche Eigenschaften des ungetheilten Eies. Was aber für die beiden ersten Theile gilt, behält seine Geltung auch für alle folgenden Theile, die daraus hervorgehen. Nicht als ob alle Kräfte der späteren Gesammtheit der Theile schon sämmtlich im Ei enthalten wären; es treten nach und nach Vermehrungen und Veränderungen der Kräfte ein, wie dies das Wachsthum und die chemische nebst der histolo- gischen Gliederung mit sich bringt. Aber alle diese Eigenschaften erhielten ihre Bestimmung durch das Ei, d. i. durch das ursprüng- liche Ganze. Das Ganze lieferte die Theile, nicht die Theile das Ganze. Letzteres setzte die Theile zusammen, nicht diese jenes. Als Additionsaufgabe betrachtet, setzen freilich auch die Theile das Ganze zusammen; aber mit einer solchen haben wir es hier nicht zu thun. Dies scheint klar zu sein und keiner weiteren Auseinander- setzung zu bedürfen. Indessen wird es erst im folgenden Abschnitt an der Zeit sein, die Nutzanwendungen davon zu ziehen, denn für gewöhnlich pflegte merkwürdigerweise das Umgekehrte behauptet zu werden. Die erste Furche giebt auch Veranlassung zur Beachtung einer Erscheinung, die ich Segmentalattraktion nannte. Die beiden Hälften, obwohl ihr Substanzzusammenhang durchschnitten ist, sind sich einander nicht ganz fremd, sondern wirken noch auf einander ein. Der Repulsion der Massen, die zur Theilung führte, folgt eine Attraktion der getheilten Stücke auf dem Fuße, oder wofern bei ver- schiedenen Thieren nicht sogleich, so doch in diesem oder jenem Stadium der Furehung. Wer kennt nicht das innige Aneinander- schmiegen der Furchungskugeln, wobei zugleich in so vielen Fallen Verschiebungen der Theilstiicke in geringerem oder sehr bedeutendem Umfang Platz greifen, die man eben oft nur auf eine Art Wahlver- wandtschaft zwischen den einzelnen Theilen, hier auf Attraktion, dort auf Repulsion zurückführen kann! Auf den Einfluss der Eihaut Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 273 möchte ich hier nur einen sehr untergeordneten Werth legen, den Hauptwerth dagegen den anziehenden und abstoßenden Kräften der einzelnen Blastomeren beimessen. Wie könnte durch den Einfluss der Eihaut beim Frosch nur selbst eine so kleine Erscheinung erklärt werden, wie die zu einander senkrechte Stellung der beiden Brechungs- linien an den Polen, sofern dieselben auf sekundärem Wege ent- standen sind? Wohl haben wir in den Kontraktionen der sich theilen- den Protoplasmastücke, in der Herstellung von Lücken in Folge von Theilungen zwei Faktoren, welche zusammen mit jenem dritten Faktor, der begrenzenden Eihaut, einen Theil der Verschiebungen der Blastomeren zu erklären vermögen. Aber auch ein vierter Faktor scheint mir in die Regelung der Beziehungen zwischen den einzelnen Furehungskugeln und in ihr Zusammenhalten bestimmend einzugreifen, ja möglicherweise hierbei die Hauptrolle zu spielen, es ist die Seg- mentalattraktion. Früher oder später übernimmt die Ausscheidung von Kittsubstanzen, durch welche die Zellen in festere Verbindung treten, ihre Rolle. Ich hoffe über jene Erscheinung, für die bei Wirbelthieren und Wirbellosen schöne Beispiele in großer Zahl bekannt sind, an anderer Stelle ausführlicher zurückkommen zu können. Über die Erscheinung der Brechungen bei der Furchung musste bereits oben bei Gelegenheit der: Beschreibung der Furchungs- bilder ausführlicher eingegangen werden, so dass ich mich, was die Art ihres Zustandekommens betrifft, hier damit begnügen kann, auf das dort Gesagte hinzuweisen. Ihr Einfluss auf die Form des Furchennetzes ist dagegen für das Folgende im Auge zu behalten und zugleich mit dem Furchennetz selbst zu betrachten. Die große Mannigfaltigkeit, in welcher das für uns wichtigste der Furchungsstadien, dasjenige nämlich, welches die obere Hemi- sphäre in 8 Blastomeren getheilt zeigt, nachweislich der gegebenen Beschreibungen und Abbildungen in die Erscheinung tritt, bedarf, wie früher schon hervorgehoben worden ist, einer durchaus sorg- fältigen Berücksichtigung. Ich betone noch, dass unter meinen Figuren diejenige gar nicht enthalten ist, welche als zum Typus der Batrachierfurchung gehörig am meisten bekannt ist. Es ist dies jene Form, bei welcher die Eikugel vier vollständige Meridiankreise an sich trägt, welche also beide Pole schneiden ; hierzu kommt noch die Äquatorialfurche. Noch in meinem Programm musste ich die soeben angegebene Anordnung wohl oder übel zu einem meiner Aus- gangspunkte wählen, indem ich mich auf die geläufigste Annahme 274 A. Rauber stützte. Seitdem ich aber genauer zusah, bin ich, wie erwähnt, jener Form überhaupt nicht begegnet. Es haben so ausgezeichnete Beobachter sie als vorhanden beschrieben, dass es mir nicht einfallen kann, sie überhaupt nicht anzuerkennen. Sie bildet jedoch ent- schieden die Ausnahme und zwar unter Umständen selbst eine seltene Ausnahme. Als Ausgangspunkt für unsere Beurtheilung des Furchen- netzes kann sie schon aus diesem Grunde nicht wohl dienen. Sie muss in dieser Beziehung zugleich als die ungünstigste Form be- zeichnet werden und wird darum auch von mir zu diesem Zweck nicht verwendet werden. Stellen wir uns also das Ei durch die erste Furche in zwei Hälften getheilt vor, lassen jede dieser Hälften sich wieder theilen und eine obere und untere Brechungslinie vorhanden sein oder fehlen. Jedes der vier vorhandenen Stücke theilt sich durch eine Querfurche wieder, wodurch die Aquatorialfurche zu Stande kommt. Obere und untere Hälfte bestehen jetzt aus je vier Theilen. Schon das überwiegend häufige Vorkommen einer Brechungslinie am Pol legt uns die Vermuthung nahe, der Pol werde als Durchschneidungspunkt für mehrere Furchen eher gemieden als gesucht. Auf das Deutlichste zeigen uns dies die nunmehr auftretenden vier neuen Furchen, die bei der Beschreibung der Furchenbilder mit den Ziffern 1, 2, 3 und 4 bezeichnet worden sind. Sie alle suchen den Pol zu vermeiden, nicht aber ihn zu ge- winnen. Sie stellten sich mit ihrem polaren Ende sämmtlich in Pol- ferne auf, die wenigsten treffen selbst die Brechungslinie. Als Norm ergiebt sich hieraus also unzweifelhaft die Vermeidung des Pols und die Einmündung in ältere Furchen in Polferne. Von dieser Normalstellung der neuen Längsfurchen aus ist es nun durchaus nicht schwer, alle vorkommenden Verschiedenheiten be- friedigend zu erklären und von hier aus auch den Sinn der Normal- stellung zu begreifen. Für die Beurtheilung kommen folgende Mo- mente in Betracht. Der Polabstand der oberen Enden der neuen Furchen ist nämlich einmal kein in seiner Größe bestimmt fixirter, sondern ein in ge- wissen, zumeist kleinen Grenzen schwankender. Nur höchst aus- nahmsweise, wie dies auch M. ScHuLtze's Erfahrungen lehren, sinkt dieser Polabstand auf 0 oder in die Nähe von 0. Wird der Polab- stand nur etwas Weniges größer, als die Norm ihn zeigt, dann ist Veranlassung gegeben zur Ausbildung jener merkwürdigen Form, weleher Prevost und Dumas zuerst begegneten und welche M. SCHULTZE darauf bestätigte. Auch ich begegnete ihr öfter; zwei der Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 975 gesehenen Fälle habe ich (in Fig. 35 und 36) abgebildet und be- schrieben. Es verdient besonders hervorgehoben zu werden, was zu meiner Verwunderung M. SCHULTZE unterließ, dass dies jene Fur- chungsform ist, welche z. B. bei den Knochenfischen typisch erscheint. Wir werden ihr bei Betrachtung des Gobius wieder be- gegnen. Sie kommt außerdem vor bei Bryozoen, manchen Krustern. Damit dieses an Knochenfische erinnernde Bild aus der Nor- malstellung der neuen Längsfurchen sich ergebe, ist nur noch er- forderlich, dass erstens keine Brechungslinie sich ausbilde, und dass sodann ein anderes Moment berücksichtigt werde, welches die Ur- sache der meisten Mannigfaltigkeiten bildet. Wie die Betrachtung der Figuren lehrt, wechselt die Reihenfolge, in welcher die neuen Furchen an die schon vorhandenen treten, in gewissen Grenzen. Eine oder selbst zwei der älteren Furchenarme können von der Einmündung einer neuen Furche frei bleiben, während die andern Arme sich in die Aufnahme der neuen Furchen theilen. Das häufigere Vorkomm- nis bildet allerdings die Aufnahme einer neuen Furche von Seiten je eines verschiedenen Arms der älteren Furchen. Jenes Moment be- ruht hiernach, um es zunächst ganz äußerlich auszudrücken, in einer wechselnden Betheiligung der alten Furchen bei der Aufnahme der neuen. So kann, um dies an einer Zeichnung deutlich zu machen, in Fig. 42a die neue Furche 2, ohne Änderung ihres Charakters zum Pol, auch jenen Verlauf nehmen, welchen die Ziffer 2’ bezeichnet. Denkt man sich dasselbe Verhältnis auf der andern Hälfte der Figur, so entsteht die gesuchte Form. Fassen wir die Furchen 1, 2, 3 und 4in das Auge, so haben wir das gewöhnliche Vorkommnis vor Augen. Aus der Berücksichtigung der Lage der punktirten Linien jener Figur zu den ausgezogenen ergiebt sich aber weiterhin, dass in dem zu betrachtenden Fall nichts Anderes vorliegt, als ein Vorspringen späterer Furchen gegen frühere; dies würde der innere Aus- druck jenes Momentes sein. Dass in der That das Voreilen von Furchen zu den Momenten gehöre, welche die Mannigfaltigkeit des Furchennetzes bewirken, zeigt uns die verfrühte Gegenwart einer Breitenfurche in Fig. 32. Wie weit sich indessen dieses Moment der vorzeitigen Furchen an der Ausbildung der vorhandenen Verschiedenheiten des Furchen- netzes betheilige, lässt sich schwer mit Sicherheit bestimmen. So nahe es liegt, auch in solehen Fällen an seine Wirksamkeit zu denken, in welchen der Polabstand der neuen Furchen ein etwas 276 A. Rauber geringerer ist, als in dem Fall der Fig. 34, so würden doch fernere Untersuchungen nöthig sein, dies zu beweisen. Mit Zuhilfenahme der einzelnen Momente, wobei ich also jenes der verschiedenen Betheiligung der alten Furchen als ein besonderes, einstweilen theilweise unerklärtes Moment mit bestehen lassen muss, ist es möglich, nicht allein die vorhandenen Fälle auf einfache Ver- hältnisse zurückzuführen, sondern auch eine große Menge von Furchungsbildern vorauszubestimmen, die ferner noch zur Beobach- tung gelangen können. Bei unserer gegenwärtigen Kenntnis der Kerntheilungsfiguren, überhaupt der inneren Zustände sich theilender Zellen, ist es ferner durehaus nicht schwer, sich für jeden einzelnen der beschriebenen Fille die Lage der karyokinetischen Figuren zu vergegenwärtigen oder auch an Schnitten sichtbar zu machen. Wollte man nun behaup- ten, die Verschiedenheiten der Lage der karyokinetischen Figuren be- dingten die Verschiedenheiten der Theilung, so kann man dem zwar beistimmen, aber die Frage ist eben auch hier, wodurch jene Ver- schiedenheiten dieser ihrer Lagen bedingt werden. Konstruirt man sich ein Schema ihrer Lage für die wichtigsten Formen des Furchen- netzes. so erkennt man hieraus, dass im äußersten Fall eine Schwankung des Winkelbetrages um 45°, vorhanden ist. In der Mehrzahl der Fälle ist dagegen die Schwankung, wie sich auf Grund der gemachten Angaben von selbst ergiebt, eine weit geringere. Gehen wir von der Mittelstellung (Normalstellung) aus (Fig. 420, m), so beträgt die Schwankung von dieser Ausgangsstellung höchstens nur zwischen 20 und 25°. Ein Anderes ist es nun, die Ursachen dieser Schwankungen zu ergründen. Bei einer Berücksichtigung der Aufeinanderfolge der neuen Furchen in unseren Figuren, zumal der regelmäßigen und häufigsten Verhältnisse in Fig. 27 und 28, kann man sich kaum der Vermuthung erwehren, es möchten die in den Blastomeren neu ent- stehenden Centren eine Fernwirkung auf einander haben, so dass das Centrenpaar des einen Blastomers auf die Stellung des Centrenpaares in den angrenzenden Blastomeren eine richtende Wirkung ausübte. Aber warum ist die Gleichgewichtsstellung der neu entstehenden Centren alsdann eine so verschiedene? Es bleibt nichts Anderes übrig, als anzunehmen, dass, ein Bestehen der Fernwirkung vorausgesetzt, eine Gleichgewichtslage innerhalb der angegebenen Grenzen möglich sei. Es ist zugleich einleuchtend, dass diese Wirkungen unter den Begriff der Segmentalattraktion fallen. Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. ET Nach Beachtung der in der Furchung des Frosches bemerkbaren @lannigfaltigkeit bleibt insbesondere noch die Frage zu erledigen, welcher Inhalt sich in der Flucht der neuen Furchen vor dem Pol ausspreche. Sehr häufig beschreiben die Furchen noch einen be- sonderen Bogen, um in Polferne in eine der älteren Furchen einzu- münden; ein Blick auf die verschiedenen Figuren zeigt dies deutlich. Die Erscheinungen am unteren Pol sind hierin ganz übereinstimmend mit jenen des oberen Pols. Thatsächlich wird durch dieses Verhalten einmal die Form der Blastomeren geändert, indem ihr polares Ende statt der außerdem vorhandenen sehr starken Zuspitzung eine Ab- stumpfung erfährt; dasselbe gilt natürlich eben so von den Winkeln, die aus polaren sämmtlich oder zum Theil zu eirkumpolaren Winkeln werden. Während jene schon im Stadium der Achttheilung der oberen Eihälfte bei rein meridianer Stellung der Furchen spitze Winkel von 45° bilden würden, sehen wir in Folge der Flucht vor dem Pol eine Annäherung oder Erreichung von rechten Winkeln bewerkstelligt. Begünstigend nun für die Einmündung einer neuen Furche in eine ältere unter rechtem Winkel kommt in Betracht der besondere Kurvenverlauf, den viele Furchen, abgesehen von der ihnen nothwendig zukommenden sphärischen Krümmung, besitzen. Genauere Messungen habe ich zwar auszuführen versucht, indessen stoßen dieselben schon in Folge der so außerordentlich verbreiteten und oft sehr bedeutenden Brechungen auf einen unüberwindlichen Widerstand. Dass aber in der That eine mit der gemachten Angabe übereinstimmende Wirkung durch den Polabstand, welchen die Furchen bei ihrer Einmündung nehmen, so wie durch die besondere Krümmung der Furchen erzielt werden müsse, lehrt der Augenschein. Anderer- seits ist gewiss, dass nicht alle auf diesem Wege erreichten Winkel wirklich rechte sind, sondern nur minder spitze, als sie im anderen Falle gewesen sein würden. Es kann hier also oft nur von einer Annäherung an rechte Winkel die Rede sein. ‘Dass auch bei den äquatorialen und (inneren) koncentrischen Furchen eine an- nähernd oder völlig rechtwinkelige Durchschneidung der Substanz stattfindet, ist bekannt (s. Fig. 40 und 41) und hiermit erledigt sich vorläufig unsere Betrachtung über die Furchensysteme des Fro- sches. Ich füge zur Vergleichung mit entsprechenden Vorkommnissen bei den Pflanzen ein Bild der Wurzelkappe von Equisetum (s. Taf. XIV, Fig 72) und eine Scheitelansicht des Haarköpfchens von Pinguieula vulgaris (Fig. 71) bei. Man erkennt die älteren 278 A. Rauber Scheidewände (R) mit ihrer Brechungslinie, so wie eine Anzahl neuer Wände (A), welche unter rechtem Winkel in die älteren einmiinden, Ein Überblick über die an der Furchung des Frosches gemachten Erfahrungen führt zu folgenden Sätzen: N) Das postovariale Wachsthum des Eies bildet keinen Gegensatz zum ovarialen Wachsthum, sondern eine Fortsetzung des- selben. Es ist eine innere Kontinuität in der gesammten Entwicklung des Individuum vorhanden. Jene Kontinuität spricht sich aus in der radialen Struktur des ovarialen Eies und der aus ihm hervorgegangenen Theilstücke. Das Ganze bestimmt die Theile, nicht letztere das Ganze. Nichts zeigt dies deutlicher als die Furchung. Das Ei be- stimmt die aus ihm hervorgehenden Theile nach Substanz und Struktur, Form und Größe, Lagerung und Kräften. Was für die ersten Theilstücke gilt, gilt auch für die folgenden. Sie wirken sämmtlich nach der aus dem Ganzen herrühren- den Bestimmung. Dies ist der Fall, so sehr auch das Ei durch sein Wachsthum eine Vermehrung und theilweise Änderung seiner Kräfte erfährt. Das Ganze (das befruchtete Ei) setzt die Theile zusammen und bestimmt die Kräfte, nicht die Theile das Ganze. Es ist Veranlassung vorhanden, zwischen den einzelnen Blastomeren eine Art von Wahlverwandtschaft anzunehmen. Sie wirken auf einander durch Anziehung oder Abstoßung. Erstere tritt in den Vordergrund. Man kann die Gesammt- heit der hierhergehörigen Erscheinungen daher unter dem Namen Segmentalattraktion zusammenfassen. Bei der Furchung des Frosches und der meisten anderen Thiere spielen Brechungen der Furchen und Verschiebungen der Blastomeren eine große Rolle. Die einfachste Art der Furchenbrechung entsteht so, dass eine neue Furche in eine ältere einmündet: die Stelle der Einmündung erfährt dabei eine Knickung gegen die neue Furche. Ursache ist die Protoplasmakontraktion, die zur Theilung führt. Schon bei der zweiten (Doppel-) Furche des Froscheies pflegt eine doppelseitige Knickung der ersten Furche stattzufinden, wo- durch eine Brechungslinie entsteht. Dasselbe gilt für 8 —— Ser a ~~ Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 979 den unteren Pol. Beide Brechungslinien stehen in parallelen Ebenen meist senkrecht gegen einander. Brechungslinien können auch durch einfache Verschiebung der Blastomeren erzeugt werden. Das übliche Schema der Batrachierfurchung bedarf einer Korrektur. Die zahlreichen Meridianfurchen des Schema passen nur auf eine seltene Ausnahme, entstellen aber das Gesetzliche der Erscheinung. Die sogenannten dritten und vierten Längsfurchen sind vielmehr dadurch ausgezeichnet, dass sie den Pol fliehen, statt ihn zu suchen. Der Pol- abstand der oberen Enden der Längsfurchen ist das Gesetz- mäßige; er schwankt in gewissen Grenzen, kann aber so groß werden, dass dadurch Parallelfurchen zu den ersten Längsfurchen entstehen. So kommt eine Furchung zu Stande, wie sie bei den Knochenfischen etc. die Regel bildet. Von der Normalstellung jener Furchen aus gerechnet, be- trägt die Schwankung höchstens 20—25 Grad nach der einen oder anderen Seite. Die Einmündung der Längsfurchen in Polferne hat den Er- folg, die polaren Enden der Blastomeren abzustumpfen, die Einmündungswinkel der Furchen aber annähernd oder voll- ständig aus spitzen zu rechten Winkeln umzugestalten. Unterstützend wirken hierbei die besonderen Krümmungen, welche außer der sphärischen die Furchen häufig erkennen lassen. Außer dem System der modifieirten Längsfurchen, welcher Name hier seines Alters wegen beibehalten wird, kommen noch die sogenannten Breitenfurchen und koncentrischen Furchen, wovon letztere im Inneren der Substanz parallel der Oberfläche verlaufen, in Betracht. Alle diese Systeme stehen zur Oberfläche und unter sich selbst mehr oder weniger genau rechtwinkelig geneigt. Die große Mannigfaltigkeit des Furchennetzes, welches Eier im Stadium der Achttheilung der oberen Eihälfte über- raschend erkennen lassen, kann auf wenige Grundlagen zurückgeführt werden, nämlich a) auf verschiedenen Polabstand der Längsfurchen, b) auf vorzeitige Entstehung späterer Furchen, e) auf eine schwankende Betheiligung älterer Furchen an der Aufnahme neuer. Se 280 A. Rauber So lässt sich eine sehr große Zahl von Furchennetzen vor- ausbestimmen, welche an verschiedenen Eiern des Frosches noch zur Beobachtung gelangen können, ohne dass der wesentliche Charakter des Furchennetzes dadurch eine Ver- änderung erlitte. Beurtheilt man die Verschiedenheiten des Furchennetzes von den Stellungen der karyokinetischen Achsen aus, so gewinnt es den Anschein, als ob die neu entstehenden Centren eines Blastomers auf diejenigen der angrenzenden Blastomeren einzuwirken vermögen und die Richtung ihrer Achsen beein- flussen. Findet eine solche Fernwirkung von Blastomer zu Blastomer, die eine besondere Erscheinung der Segmen- talattraktion bilden würde, wirklich statt, so geben jene Maße, welche die Schwankung bezeichnen, die Ausdehnung an. innerhalb welcher ein Gleichgewichtszustand der neu entstehenden Centren erreicht werden kann. 10) Was die Vergleichung der Furchungserscheinungen am Froschei mit pflanzlichen Bildungen betrifft, so ist aus einer überaus großen Zahl von Beispielen etwa die Scheidewand- bildung in der Wurzelkappe von Equisetum, in dem Embryo von Orobanche ete. zu erwähnen. 9 — B. Zur Furchung von Petromyzon. Der Wunsch, mehrere frühe Stadien von Petromyzon unter- suchen zu können, um aus dem erhaltenen Ergebnis meine am Frosch gewonnenen Erfahrungen zu erweitern, ging durch das dankenswerthe Entgegenkommen von befreundeter Seite in Erfüllung. Unter den’ betreffenden Eiern, die theils in Chromsäure, theils in Alkohol ge- härtet worden waren, befanden sich mehrere im Stadium der Zwei- theilung; es folgen dann solche mit Viertheilung. Nun aber ist leider eine Lücke vorhanden, die erst durch ein vorgeschrittenes Blastula- stadium unterbrochen wird. Das Vorhandene ist aber genügend, um sowohl Anhaltspunkte gewinnen zu lassen, die für einen Anschluss an meine Darstellung der Furchung des Frosches sprechen, als auch einige andere streitige Punkte sicher zu stellen. Ich zähle die er- haltenen Ergebnisse der Reihe nach auf. 1) Bei der Zweitheilung zerfällt das Ei nicht, beständig in zwei gleiche Hälften, sondern, wie dies schon CALBERLA angab, Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 281 manchmal in leicht ungleiche Hälften. Die Umdrehung des Eies ändert an dieser Erscheinung für dieselbe Hälfte nichts. Auf Tafel XIV. Fig. 60 ist ein solches Ei mit dem Prisma gezeichnet. Letzteres Ei ist ein solches von Petromyzon fluviatilis, das in Chromsäure gehärtet war. Ein Unterschied in den Größenverhältnissen der einzelnen Furchungskugeln spricht sich hier und da noch deutlicher im Vierzellenstadium aus und bleibt dieser Unterschied ebenfalls bei der Umdrehung des Eies für dieselben Zellen bestehen. Zwei Beispiele, die in Fig. 61 und 62 gezeichnet sind, lassen das Größenverhältnis deutlich erkennen. Fig. 62 stammt von einem Ei des Petromyzon Planeri, Fig. 61 von Petromyzon fluviatilis. Beide Figuren sind mit derselben Vergrößerung (36:1) gezeichnet, doch ist jenes mit Alkohol, dieses mit Chromsäure und Alkohol behandelt. In letzterem liegt das größere Element oben, im ersteren seitlich, wenn beiden Eiern eine gleiche Stellung gegeben wird. Es soll damit nicht behauptet werden, dass dies ein beständiger oder cha- rakteristischer Unterschied zwischen beiden Species sei. Im Vierzellen-Stadium zeigen sowohl die Eier von Petromyzon fluviatilis, als auch diejenigen von P. Planeri eine deutliche Brechungslinie (4); die Brechungslinie des unteren Pols hatte, sofern sie überhaupt gut ausgeprägt war, eine senkrechte Stellung zu der des oberen. Auffallend waren mir ferner die konstanten und zahlreichen Furchenbrechungen späterer Stadien. Es tritt diese Erschei- nung sehr deutlich in den Figuren 63 und 65 hervor. Erstere stellt ein weiter gefurchtes Ei in dorsaler, letztere dasselbe Ei in ventraler Ansicht dar. Wenn schon die obigen Figuren der Viertheilung mit den von M. ScHuLtzE 1855 gegebenen Ab- bildungen nicht mehr übereinstimmen, so ist dies noch mehr der Fall mit diesem späteren Stadium. Nichts erinnert hier an jene durchlaufenden Meridianfurchen und Aquatorialfurchen, wie sie die in jeder anderen Beziehung so treffliche Arbeit von M. SCHULTZE enthält. Seine Abbildungen von der Fur- chung des P. Planeri können aber nur als eine schematisirte Darstellung gelten, wie dieselbe auch vom Frosch seither üblich war, in Bezug auf welchen M. SCcHULTZE später (1866) die richtigen Verhältnisse erkannte. Schon die Gegen- wart einer Brechungslinie im Vierzellenstadium lässt schließen, Morpholog. Jahrbuch. $. 19 Ww — > aS 282 Or 6) A. Rauber dass die nächsten Theilungen sich in ähnlicher Weise voll- ziehen werden, wie dies vom Frosch und vom Wassersala- mander. (Rusconi) nunmehr feststeht. Aus welcher Zahl von Zellen die in der Furchung vorange- schrittene obere Eihälfte im vorliegenden Stadium (Fig. 63) bestehe, lässt sich der unscharfen Grenzen wegen nicht sicher angeben. Die Zählung ergiebt etwa 16 Zellen als Bestand des kleinzelligen Feldes, das von einem Kranze etwas größerer Zellen zunächst umschlossen wird. Die Zellen jenes Feldes sind nicht alle gleich groß. Zwei Zellen von länglicher Form, die in gerader Linie neben der Mitte des Feldes lie- gen, lassen durch eine ihre Länge halbirende Einschnürung erkennen, dass sie am Abschluss der Protoplasmatheilung stehen. Die ventrale Ansicht desselben Eies (Fig. 65) zeigt an der Stelle des Pols eine ansehnliche Zelle gelagert (c), welche von fünf sie an Größe noch etwas übertreffenden Nachbarzellen begrenzt wird. In die zwischen jenen fünf Zellen befindlichen Furchen treten von außen und oben so- fort andere Zellen mit zugespitzten unteren Enden ein, so dass jene Furchen sich dorsalwärts in zwei Äste gabeln. Von durehlaufenden Meridianfurchen kann also nicht die Rede sein. Die in jedem Beobachter übrigens fast konstant her- vortretende Neigung, ein Ei sich durch totale Furchen bestän- dig weiter zerlegt zu denken, bedarf ihrer Eigenthümlichkeit halber noch einer Bemerkung. Es ist, als ob sich darin trotz ihrer Unrichtigkeit dennoch ein tieferer Sinn unbewusst aus- spreche, jener nämlich, dass das Ei als Ganzes die Furchung beherrsche. In der That drückt jene unbewusste Methode der Zerlegung diesen Sinn auf das Einfachste aus. Eine Seitenansicht desselben Eies giebt Fig: 64. Die Art und Weise, in welcher die Zellen überall, wo die Gelegenheit sich bietet, in Räumen zwischen den Enden zweier anderer Zellen sich einkeilen, so dass nach allen Richtungen ziekzack - förmig gebrochene Furchen entstehen, findet sich hier aufs schönste ausgeprägt. In mehrfacher Hinsicht belehrend erscheinen meridiane Schnitte dureh Eier derjenigen Stufe, die so eben geschildert wurde (Fig. 46). Die Substanz des Eies, das im Innern eine an- sehnliche Furchungshöhle birgt, deren Decke nur etwa ein Dritttheil der Mächtigkeit des Bodens besitzt, ist durch eine Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 2383 ‘große Zahl radialer Spalten, die den Zellenzwischenräumen entsprechen, aufs schönste gegliedert. Die senkrechte Stel- lung der Spalten zur Oberfläche tritt dabei sehr klar hervor. Da die meisten nichts Anderes sind als die in ihrer voll- ständigen Tiefe sich uns darbietenden zahlreichen Breiten- furchen, so ergiebt sich für deren richtige Auffassung hier ein treffliches Beispiel. Ein ähnliches Bild aus etwas frühe- rer Stufe lieferte M. SCHULTZE von P. Planeri, das ich seiner Bedeutung und der Vergleichung wegen der obigen Abbildung beifüge (Fig. 67). Auf der rechten Seite der vor- hergehenden Figur tritt eine fast horizontal streichende Furche in leichtem Bogen gegen eine andere, von unten nach oben und innen gerichtete Furche, statt wie letztere und die übri- gen direkt in die Furchungshöhle zu münden. Es erinnert dies Verhältnis ganz an zahlreiche oberflächliche Furchenbil- der vom Frosch, die oben mitgetheilt wurden. Ein schmales Element der Decke der Furchungshöhle ist durch eine kon- centrische Furche in zwei Zellen getheilt worden. Das entsprechende Bild vom Frosch bei minder vorgeschrittener Substanzzerklüftung giebt Taf. XII Fig. 40. Es bedarf kaum der Erwähnung, dass, wie die vorhergehenden, so auch die von Petromyzon gegebenen Abbildungen sämmtlich von möglichst sorgfältigen Prisma-Aufnahmen herrühren. Aus diesen Abbildungen, ihrer Beschreibung und Beurtheilung ergiebt sich sonach, so weit überhaupt das vorhandene Material es gestattet, eine wesentliche Übereinstimmung mit den Verhältnissen, wie ich dieselben vorher vom Frosch geschildert habe. “C. Uber die Furchung von Gobius'. Meine Untersuchung über die Furchung des Gobius-Eies steht im Dienst derselben allgemeinen Fragen iiber die Entwicklung des Protoplasma, wie die vorausgehenden Objekte. Sie wählt aus dem großen Umfang, welchen das Gebiet der Furchung besitzt, nur die- ! Den Besitz dieser Gobius-Eier verdanke ich meinem Freunde und Kolle- gen CARL CHUN, am zoolog. Institut zu Leipzig, welcher dieselben während seines ersten Aufenthaltes in Neapel zu sammeln Gelegenheit hatte. Ich unter- lasse es nicht, ihm hierfür an dieser Stelle freundlichen Dank zu sagen. 198 284 A. Rauber jenigen Theile aus, welche zu jener Aufgabe in Beziehung stehen. Sie will kein Bild entwerfen von der Gesammtheit der Furchungs- erscheinungen bei den Knochenfischen und sucht nicht auf die Lö- sung jener zahlreichen, an und für sich wichtigen Speeialfragen hinzuarbeiten, welche die Forschung gegenwärtig bei den Kno- chenfischen vorzugsweise in Anspruch nehmen. Nichtsdestoweniger hat sich eine große Menge von Schnittpräparaten als nothwendig herausgestellt, welche sich über die verschiedensten Stadien theils dieses, insbesondere anderer Knochenfische erstrecken. Hier Alles ausscheidend, was meiner nächsten Aufgabe fern liegt, hoffe ich bei anderer Gelegenheit das hier Übergangene nachholen zu können. Die Furehung der Knochenfische wurde aus dem Grunde in den Bereich dieser Untersuchung gezogen, weil sie, abgesehen von der meroblastischen Art des Eies, in mehrfacher Hinsicht zu dem Ei des Frosches im Gegensatze steht. Die Furchung des Frosches musste von Anfang an als das wichtigste Objekt für die Erreiehung des vor dem Auge schwebenden Zieles betrachtet werden. Im Gegensatze hierzu durfte auch ein solehes Objekt neuer Prüfung nicht entgehen, welches die ungünstigsten Aussichten erwarten ließ. Beide mussten gegen einander abgewogen werden. Es hätten noch andere Formen- kreise Anschluss finden können. Alle anderen stehen aber dem ohne- dies schon so außerordentlich weit verbreiteten Formenkreis des Fro- sches näher oder lassen sich leichter an denselben in den hier wich- tigsten Beziehungen anschließen, als jener der Knochenfische. Die mir zu Gebot stehenden Eier des Gobius pise. umfassen sämmtliche Stadien der Furchung. Sie sind theils in Pikrinschwe- felsäure, theils in Osmiumsäure oder Chromsäure und Alkohol gehär- tet worden. Ein Theil wurde der Behandlung mit salpetersaurem Silber unterworfen und gab eine Reihe höchst zierlicher Bilder. Erstes Ei (Fig. 43). Fig. 43 zeigt nahezu in oberer Polansicht ein Ei, an dessen Keimhügel die erste Furche sichtbar ist. An diesem Ei tritt eine deutliche Ungleichheit beider Hälften des Keimhügels hervor. Der obere Rand der Figur entspricht zugleich dem Außenrand des Keim- hiigels. Die Wölbung des letzteren ist stark konvex, was an der Zeichnung nicht bemerkt wird. An anderen Eiern desselben Sta- diums ist die Ungleichheit beider Hälften geringer oder fehlt. Or Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 38 Zweites und drittes Ei (Fig. 44 und 45). In beiden Figuren sind Eier dargestellt, deren Keim zwei neue Furchen enthält, die auf der älteren, hier in horizontaler Richtung laufenden, senkrecht stehen. Die beiden oben gelegenen Zellen stehen gegen die unteren an Ausdehnung zurück, in geringem Grade in Fig. 44, in auffallenderem Grade in Fig. 45. Beide Eier sind mit salpetersaurem Silber behandelt worden. In Fig. 44 tritt in Folge dessen eine eigenthümliche Silberzeichnung in der Polgrube auf, die auch an anderen, eben so behandelten Eiern desselben oder späterer Stadien fast beständig beobachtet wird. Der Silberfaden der ersten Furche läuft nahezu durch die ganze Ausdehnung des Keims unge- brochen hindurch und lässt nur die äußersten Randtheile frei. Die Silberfäden der beiden folgenden Furchen lenken in der Nähe der ersten Furche in starkem Bogen, ohne eine Verdickung zu erfahren. nach entgegengesetzten Seiten in die Richtung der ersten Furche um und fließen mit dem Silberfaden der letzteren zusammen. Sie halten sich dabei an die Ränder der Polgrube. Weist dieses Bild, das ganz typisch, wie gesagt, in den meisten Präparaten wieder- kehrt, was man aus der Bedeutung der Silberfäden schließen sollte, auf die Gegenwart von Flüssigkeitsströmen in jenen besonderen Bah- nen hin? Ich will die Frage hier nicht weiter erörtern. Viertes, fünftes und sechstes Ei (Fig. 46, 47 und 48). Der Keim von Fig. 46 erscheint in acht Zellen zerlegt. Er hat die Form eines Rechtecks mit abgerundeten Ecken. Die Längen- ausdehnung verhält sich zur Quere etwa wie 33: 25. Das Ei war in Osmiumsäure gehärtet worden. Die Längsfurche zeigt mehrfache Brechungen. Die vier oberen Blastomeren besitzen zusammen eine etwas geringere Flächenausdehnung, als die vier unteren. Jedes einzelne Blastomer hat seine Hauptausdehnung in querer Richtung. Bringt man die Brechungen in Wegfall, so stehen die queren Fur- chen senkrecht auf der Lingsfurche. Das langgestreckte Ei der Fig. 45 bekundet durch seine Form eine Übergangsstellung in das vorliegende Stadium. In Folge dieser Längsstreckung, welche auf Kontraktion des Protoplasma beruht, ist auch das Verhältnis der neuen Furchen 1—4 zum Keimrand ein anderes,. als es ohne diese Längsstreckung vorliegen würde. Die Winkel, welche die neuen Furchen zum Außenrand des Keimes bilden, erfahren dadurch eine bedeutende Vergrößerung, eine Annäherung an rechte, wie es eben die rechteckige Form des ganzen Keimes mit sich bringt. 286 A. Rauber Die neuen Furchen 1—4 erscheinen als Parallelfurchen zu der ersten Furche. Sie erinnern in dieser Anordnung und überhaupt im Verhalten des ganzen Keimes lebhaft an die obere Eihälfte des Fro- sches, wenn letztere die auf Taf. XII Fig. 35 und 36 abgebildete Form und ihr Furchennetz besitzt. Es ist die Analogie eine gewiss überraschende und bereits oben gewürdigt worden. Die entspre- chende Form des Furchennetzes beim Frosch kann man nicht als Ausnahme, immerhin aber als ein selteneres Vorkommnis betrachten gegenüber jener, in welcher der Polabstand der oberen Enden der neuen Furchen ein geringerer ist. Was nun bei dem Frosch ein selteneres Vorkommnis, erscheint hier und überhaupt bei den Knochen- fischen als Regel. Man kann dem zufolge auch behaupten, die neuen Parallelfurchen des Knochenfischkeimes sind in ihrer Beziehung zum Frosch so aufzufassen, dass die Gewinnung eines großen Polabstan- des ihrer polaren Enden bei ihnen zur Norm geworden ist. Die Beobachtung der bedeutenden Längsstreckung des Keims bei der Achttheilung machte schon Ruscoxı am Ei von Tinca. Ich gebe die betreffende zierliche Abbildung in Fig. 52 wieder. Nicht selten wölbt sich die gestreckte, einmal der Länge, drei- mal der Quere nach zerklüftete Platte in stark gekrümmtem Bogen über den unterliegenden Theil des Eies hinweg (s. Fig. 47). Der letz- tere, den Nahrungsdotter bildend, wölbt sich, wie Schnitte lehren, entsprechend in die Höhlung der Keimplatte vor und berührt die- selbe meistens an allen Punkten. Ein Silberbild dieser Stufe, in ihrem Übergang zur folgenden, gewährt Fig. 48. Die einzelnen Silberlinien haben die oben erwähnten Formverhältnisse und zeigen einen eigenthümlichen Wechsel in der Richtung ihrer Einmiindungsstrecken. Sämmtliche quere Silberlinien lassen einen mehr oder minder breiten Saum des Keimes frei. Siebentes und achtes Ei (Fig. 49 und 50). Nicht in allen Fällen besteht das Furchennetz dieses Stadiums durchgehends aus rechtwinkelig sich kreuzenden Linien. Ausnahms- weise kommt auch eine Furche vor, welche einen mehr radialen Verlauf gegen den Mittelpunkt des Keims, den Keimpol, besitzt. Einen solchen Fall sehen wir in Fig. 49. Die neue Furche 1 hat den regelmäßigen Verlauf, die Furche 2 aber wendet sich vom Keim- rand, von dem sie entspringt, gegen den Mitteltheil der ersten Keim- furche, ohne letztere schon ganz zu erreichen. Die Furchen 3 und 4 sind wieder Parallelfurchen der gewöhnlichen Art. er a Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 287 Der vorliegende Keim ist breiter als die vorher erwähnten der- selben Stufe. Er steht auf dem Übergang zur folgenden Stufe, auf welcher die Theilung der quergestreckten Blastomeren schon voll- endet ist. Der in Fig. 50 gezeichnete Keim hat etwas verwickeltere Ver- hältnisse. Es ist fraglich, ob man den Keim, welcher der vorausgehen- den Figur zu Grunde liegt, der radialen Furche wegen schon für einen pathologischen halten darf. Leider ist der weitere Verlauf der Entwicklung nicht bekannt. Den Keim Fig. 58 aber wird man ohne Weiteres für einen pathologischen erklären. Der Unterschied vom vorhergehenden beruht indessen nur darauf, dass in ihm statt einer radialen Furche deren zwei zur Ausbildung gelangt sind. So entstehen Zweifel an der Pathologie desselben. Die linke Hälfte des Keims verhält sich normal; auch die vier Blastomeren der rechten Hälfte erscheinen äußerlich durchaus rein und unver- letzt. In der Beurtheilung dieses Keims schiebe ich die Veran- lassung der bestehenden Modifikation ausschließlich dem radialen Verlauf der neuen Furche 3 zu. Sie schnitt auf den polaren Theil der alten Furche « ein. So entstand ein keilförmiges Blastomer 7. Nachfolgende Kontraktionen des Keims mussten nun nicht allein den oberen Theil der alten Furche 5 dislociren, sondern eben so, doch in geringerem Grade, die rechts gelegene Hälfte der alten Furche a. Hätten die Furchen 1 u. 2 ebenfalls radialen Verlauf gewonnen, so würde eine Form des Furchennetzes entstanden sein, welche bei dem Frosche die Regel bildet. Ein solcher Fall könnte wohl einmal zur Beobachtung gelangen. Es ist auch nicht abzusehen, warum nicht einmal die Furchung des Fisches der des Frosches ähnlich werden könne, da wir doch wissen, dass die Furchung des Frosches die des Fisches nachahmen kann, ohne in pathologische Endfor- men auszulaufen (Fig. 35 und 36). Neuntes und zehntes Ei (Fig. 51 und 53). Das Ei ist mit Osmiumsäure gehärtet worden. Der Keim zeigt 16 Blastomeren, welche in ihrer Gesammtheit eine nahezu quadrati- sche Platte bilden. Die vier mittleren, von einem Kranze von Rand- zellen umsäumten Stücke springen in diesem, wie in anderen, doch nicht in allen Fällen über die umgebende Fläche hügelförmig vor und unterscheiden sich von den Randzellen auch durch eine etwas hellere Färbung. Diese Überragung kann einen sehr auffälligen Grad an- nehmen, so dass jene vier Zellen, zumal bei Seitenansicht des Eies 288 A. Rauber (Fig. 53), wie ein besonderes Gebilde erscheinen. Denn sie erschei- nen gleich Abschniirungsprodukten des übrigen Keims. In späteren Stadien verschwindet diese Erscheinung wieder, der Hügel tritt zurück, zahlreichere Centralzellen treten auf, diese aber sind ihrer- seits immer umsäumt von einer flachen Randschicht, als einem Rest der ursprünglichen Randschicht, von der sich neue Zellen abge- schnürt und den vier ersten Centralzellen beigesellt haben. Auf diese Weise kommt es bei Gobius, so viel ich aus meinem Material auf Grund von Schnittserien ersehen kann, zur Bildung jener Schicht, die als Plasmodium, Couche intermediaire, sekundäres Entoderm ete. bekannt ist. Eine vom Beginn der Furchung an als untere Keim- schicht auftretende kernhaltige Protoplasmamasse, welche z. B. bei den Salmoniden so deutlich als Plasmodium des Keimes, oder sagen wir als primäres Entoderm auftritt, fehlt meinen Präparaten über Gobius. Man konnte daran denken, dass unterhalb des erwähnten Hügels sich eine mächtige Höhle befinden werde. Dies ist jedoch nicht der Fall, der Nahrungsdotter drängt sich kuppenförmig vor bis nahe zur Unterfläche des Keimes, wie Schnitte lehren; oder er berührt die Unterfliiche des Keimes vollständig. Elftes Ei (Fig. 54). Die Figur stellt ein Ei mit weiter durchfurchtem Keim dar, wel- ches zur Umwachsung des ovalen Nahrungsdotters sich anschickt. Die Randschicht (r) besteht aus einer einfachen Lage deutlicher Zel- len, deren Seiten sämmtlich in der Richtung von Meridianen ver- laufen. Aus der früheren mehr quadratischen Begrenzung dieser Randschicht (s. Fig. 59) ist nunmehr eine kreisförmige Begrenzung, aus den sich kreuzenden Reihen von Parallelfurchen sind, was ins- besondere die Randschicht betrifft, Meridian- oder Längsfurchen geworden. Eine Unterscheidung der früheren Furchen am übrigen Keim ist nicht mehr möglich. Die Zellen besitzen, von der Ober- fläche betrachtet, fünf- und sechsseitige Begrenzungslinien. Ihre Außenflächen springen mit leichter Wölbung über die Gegenden der vorhandenen Furchen vor. Zwölftes Ei (Fig. 55). Eier der vorher beschriebenen Stufe, in meridiane Schnitte zer- legt, geben Bilder, wie das hier vorliegende. Der Keim ist in der Mitte dreischichtig, schärft sich gegen den Rand hin zu, zeigt hier nur zwei Zellenlagen und läuft mit einer einzigen Zellenlage, der a Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 989 Randschicht (7) aus. Der Keim hebt sich in diesem Falle vom Nahrungs- dotter leicht ab und giebt so Veranlassung zur Bildung einer flachen Höhle. Eine eigentliche Furchungshöhle im Innern des Keims kommt bei Gobius nicht vor. Eben so fehlt hier, wie erwähnt, das unter dem gefurchten Theil des Keims in anderen Eiern von Knochen- fischen sich hinerstreckende Plasmodium; es ist vorläufig durch die Randschicht (r) vertreten. Den Ursprung des Plasmodium hier weiter zu verfolgen, ist nicht meine Absicht. Das Vorkommen ausgedehnter Plasmodien bei den Knochenfischen hat aber allerdings zu meiner Aufgabe einen innigen Bezug und aus diesem Grunde muss ihrer an dieser Stelle gedacht werden. Fig. 57 zeigt uns ein frühes Stadium des Plasmodium vom Lachs. Unterhalb des durchfurehten Theiles des Keimes erstreckt sich eine mächtige Lage ungefurchten, zur Zeit noch mit spärlichen Kernen versehenen Protoplasmas (PJ). Diese Lage ist in der Mitte am dicksten, läuft randwärts schmal zu und überragt mit diesem Theil ein wenig den durchfurchten Theil des Keims. Unterhalb dieser Lage befindet sich der Nahrungsdotter des Eies, zwischen dessen kugelige Elemente nur schmale Fortsätze des — Protoplasma eindringen. Es würde unrecht sein, dieses Plasmodium nieht zum Keim zu rechnen, weil es nicht gefurcht, d. i. in Ab- schnitte zerlegt ist. Die geläufige Ansicht geht allerdings dahin, das- selbe nicht zum Keim zu rechnen, sondern diesem als etwas Fremdes gegenüber zu stellen. Gleichwohl ist dieses Plasmodium nichts Ge- ringeres, als der nicht gefurchte Theil des Keimes selbst, dessen anderer Theil in Abschnitte zerlegt wurde. Der nicht gefurchte Theil ist eine einzige, mit vielen Kernen versehene Zelle. In unserer Figur befindet sich zwischen beiden Theilen des Keimes eine kleine, nicht etwa durch den künstlichen Ausfall einer Zelle hervorgebrachte Höhle (4), vielleicht die Furchungshéhle. Theils auf Grund seines Verhältnisses zu der Höhle und dem überliegenden gefurchten Keim- theil, theils in Folge seiner späteren Leistungen gebührt dem Plas- modium des Keims wohl auch der Name primäres Entoderm. Von der Höhle aus dringt ein mit gröberen Körnchen versehener Fortsatz keulenförmiger Art (Z) in das Plasmodium eine gewisse Strecke weit vor. Diese Bildung erinnert auf den ersten Blick ein wenig an die Latebra der Vögel, so viele sonstige Verschiedenheiten vorhanden sind. Zahlreiche Körnchen finden sich im Innern. Uber die Abkunft des Plasmodium hat kürzlich C.K. HorFmanx ! ' Zur Ontogenie der Knochenfische, Amsterdam 1851. 290 A. Rauber sich ausführlich ausgesprochen. In dieser Beziehung ihm zustim- mend, bestreite ich dagegen die Berechtigung, das Plasmodium, wie auch er es thut, als Nichtkeim dem Keim gegenüber zu stellen; nur den gefurchten Theil des Keims glaubt dieser Forscher als Keim betrachten zu dürfen. Denn abgesehen von dem Fehlen der Zer- legung in Abschnitte besitzt das Plasmodium Alles, was auch dem zerlegten Theil des Keimes zukommt, Kerne und Protoplasma. Jener Mangel an Zerlegung ist außerdem nur ein transitorischer, wenn auch verhältnismäßig lange dauernder. Endlich ist auch das Plas- modium am Aufbau des Körpers betheiligt. Auf die Zerlegung in Abschnitte ist also kein so großes Gewicht zu legen, als eine be- fangene Neigung es zu thun gewöhnt ist. So gut der nicht zerlegte Theil eines Apfels doch auch einen Apfeltheil darstellt, eben so gut ist das Plasmodium ein echter Theil des Keims und er wäre es, selbst wenn er von jeder Leistung ausgeschlossen werden würde. Der gesammte Keim der Knochenfische zerfällt hiernach in einen cellulären und in einen plasmodialen Theil, während eines ausge- dehnten Entwickelungszeitraums. Das. Plasmodium besitzt anfänglich, seine größte Dicke in der Mitte. Sehr frühzeitig aber verschiebt sich die Masse in centrifu- galer Richtung, so dass ein dünner Mitteltheil und ein gewulsteter Randtheil zur Ausbildung gelangt. Das Plasmodium verhält sich hierin ähnlich dem cellulären Theil des Keims, ja es geht ihm der Zeit nach in dieser Erscheinung voran. Gar nicht selten indessen bemerkt man nach geschehener Ausbildung des verdickten Randtheils noch in dem dünnen Mitteltheil einen verdickten Pfropf plasmodialer Beschaffenheit gegen den Nahrungsdotter vordringen, einen Rest der ursprünglichen Anlage. Die Kernvermehrung geschieht anfänglich, wie ich am Lachs- keim entsprechend den Angaben von HOFFMANN an andern Eiern finde, nach dem Typus der indirekten Kerntheilung. Es sind die gewöhnlichen karyokinetischen Figuren zu beobachten; Kerne und Theilungs-Figuren sind im Übrigen klein. Später wachsen die Kerne zu den bekannten großen Bildungen heran und erreichen die mannig- faltigsten Formen. Von runden und ovalen Elementen abgesehen, sind noch spindelförmige, gelappte, selbst verästelte Formen zu unterscheiden. Am eigenthümlichsten sind die letzteren und können sich die Fortsätze verschiedener Kerne mit einander verbinden. Die so umgewandelten Kerne theilen sich nicht mehr durch Karyokinese, sondern durch einfache Abschnürung und Sprossenbildung. Ich muss Br Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 291 dies daraus entnehmen, dass es mir in späteren Stadien nie gelang, trotz eifrigen Nachsuchens, die bekannten karyokinetischen Figuren wahrzunehmen, während viele erhaltenen Bilder für das Auftreten der direkten Theilung und Sprossenbildung sprechen. Seltsamerweise sind diese Kerne von mehreren Seiten als Zellen in Anspruch genommen worden. Verästelte Kerne giebt es auch anderwärts, und da es nicht schwer ist, die früheren Zustände dieser Bildungen und ihren allmählichen Übergang in andere Formen auf- zufinden, so können gar keine Zweifel an der Kernnatur derselben mehr bestehen. Über die Kerntheilungs-Figuren des cellulären Keimtheils habe ich noch zu bemerken, dass die Elemente der Kernplatte vom Lachs und Forelle während der Furchung nicht selten in globulären Formen auftreten. Es ist eine Gruppe von Bläschen, statt einer Gruppe von Schleifen oder Körnern vorhanden. Die Bläschen können zusammenhängen oder auch von einander isolirt sein. Das Stadium der Karyokinese, in welchem sie auftreten, ist dasjenige der schon weit aus einander gewichenen Kernplattenhälften; im Stadium der Kernplatte selbst habe ich nur Körner oder kurze Fäden gesehen: die Bläschen gehen demnach aus letzteren allmählich hervor. Trifft man auf Schnitten die Bläschen allein, so glaubt man einen maul- beerförmigen Kern oder eine Gruppe von Kernen vor sich zu sehen, bis eine genauere Prüfung uns belehrt, dass wir umgewandelte Kern- plattenelemente vor uns haben. Sie stellen innerhalb einer Zelle endlich einen einzigen neuen Kern dar, der die Spuren seiner Ent- stehung aus einzelnen Bläschen oft noch deutlich in seiner ausge- buchteten Form an sich trägt. Eine Erläuterung dieser Verhältnisse giebt Fig. 57 und 58. Worauf sich unsere Aufmerksamkeit ferner noch am Keim des Gobius (Fig. 55) zu richten hat, das ist die gewölbeartige Lagerung der Blastomeren, insbesondere der äußeren und inneren Schicht des Keims. Mit anderen Worten: die Substanz des Keims zeigt sich besonders deutlich in ihren Grenzschichten radial gegliedert; die Schichten selbst zeigen die koncentrische Gliederung an. So haben sich also in den gegenwärtig vorliegenden Merkmalen der Randschicht des Keims, in Verbindung mit der fortschreitenden Zer- klüftung des übrigen Keims allmählich Verhältnisse herausgebildet, deren genauere Würdigung uns alsbald zu beschäftigen haben wird. Anfangs unüberwindlich scheinende Schwierigkeiten entgegenstellend nahm der spröde Stoff auch bei den Knochenfischen schließlich ver- 292 A. Rauber traute Formen an, wie sie vorausgesetzt werden mussten. Mit diesen Formen ausgestattet, eilt der Keim seinen späteren Stadien rastlos zu. In diesen werden wir ihm in der Folge noch begegnen. Zuerst aber liegt es uns ob, die Vergleichung zwischen der Furchung des Gobius und derjenigen des Frosches genauer, als es bis jetzt ge- schehen konnte, aufzunehmen. D. Vergleichung der Furchung des Gobius mit der des Frosches. Die Furchung des Gobius stimmt, wie schon erwähnt, in Bezug auf die Verwendung verschiedener Furchensysteme zur Zerklüftung der Substanz mit den von den übrigen Knochenfischen bekannten Verhältnissen überein. Unter einem Furchensystem verstehe ich eine zusammengehörige Gruppe von solchen Furchen, welche in ihren wesentlichen geometrischen Beziehungen zu dem Ei mit einander übereinstimmen. Die verschiedenen, bei den Knochenfischen in Anwendung ge- brachten Systeme können nur theilweise als dieselben bezeichnet werden, die am Ei des Frosches untersucht worden sind. Es sind deren bei letzteren drei, das System der Längenfurchen, das der Breiten- und das der koncentrischen Furchen. Nicht alle drei Systeme lassen sich bei Gobius nachweisen. Hier ist es eine Scheibe, bei den Amphibien aber eine Kugel, welche der Zerklüftung unterliegt. Man könnte denken, dass hierin der alleinige Grund enthalten sei, der den Unterschied bedinge. Indessen ist dies nicht der Fall, da in andern Fällen bei sich furchenden Scheiben Breitenfurchen, auf die es nämlich hier ankommt, zur Ausbildung gelangen. Die Ur- sache des Mangels an Breitenfurchen bei den Knochenfischen ist viel- mehr in der besonderen Anordnung des Längsfurchensystems zu er- blicken, welche Breitenfurchen entbehrlich macht. Wir sehen die Richtigkeit dieser Annahme dadurch bestätigt, dass diejenigen Fälle von Furchung der oberen Eihälfte des Frosches, welche genau den Typus der Knochenfische nachahmen, ebenfalls in der ganzen Aus- dehnung des nachahmenden Theils der Breitenfurchen völlig entbehren. Nach Kuprrer! würde zwar auch bei Knochenfischen eine Äquatorialfurche vorkommen. Es ist dies jene Einschnürung, welche das Plasmodium von dem sich furchenden Theil des Keims scheidet. Was aber den sich furchenden Keim betrifft, so fehlen ihm die 1 Laichen und Entwicklungsgeschichte des Ostseeherings. ~ Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 293 Breitenfurchen aus dem angegebenen Grunde iiberall, wo jene be- sondere Anordnung der Längsfurchen stattfindet. Worin diese besondere Anordnung besteht, wurde bereits bei der speciellen Schilderung aus einander gesetzt; es bedarf also hier nur einer kurzen Zusammenfassung. Die beiden ersten Furchen des Knochenfisch-Eies, von welchen die zweite sich bekanntlich aus zwei Furchen zusammensetzt, durchkreuzen einander rechtwinkelig und zwar liegt der Mittelpunkt, der Keimpol, oft deutlich excentrisch. Die folgenden Furchen treten in der Form sogenannter Parallelfurchen auf, die einen parallel der ersten, die andern parallel der zweiten Furche. Jede einzelne der Parallelfurchen ist wieder aus besondern Furchen zusammengesetzt. Es ist aus früheren Bemerkungen klar, dass hier Veranlassung zu Brechungen der Furchen gegeben ist, die denn auch nicht ausbleiben, in der Regel aber keine hohen Werthe annehmen. Die beiden Reihen von Parallelfurchen durehkreuzen sich und die beiden ersten Furchen ihrer Lage gemäß also ebenfalls rechtwinkelig. Jenseits desjenigen Stadiums, in welchem der Keim in 16 Blastomeren getheilt ist, lassen sich so regelmäßig durch die ganze Länge oder Breite des Keims durchlaufende Furchen nicht mehr nachweisen, sondern die anscheinenden Totalfurchen werden, wie man sich ausdrückt, unregelmäßig. Welche Bedeutung kommt nun zunächst jenen Parallelfurchen zu? Beriicksichtigt man die den Parallelfurchen vorausgehenden karyokinetischen Figuren in ihrem gegenseitigen Lagenver- hältnis zu den vier vorhandenen Blastomeren, so ist dies Lagenver- hältnis einer Beobachtung von C. K. Horrmann an dem Keim von Julis zufolge! ein anderes, als man es zu finden erwarten möchte. Die Längsachsen der vier auf gleicher Ausbildungsstufe befindlichen Kernspindeln stehen hier nämlich senkrecht zu dem Mittelpunkt der Keimoberfläche und parallel der letzteren; sie haben also tan- gentiale Richtung. Nach geschehener Zelltheilung haben nichtsdesto- weniger die nunmehr vorhandenen acht Blastomeren die den Knochen- fischen gewöhnliche Lage; doch konvergiren die vier neuen Parallel- furchen mehr als gewöhnlich gegen die Mitte der Keimoberfläche. Die Kernspindeln der acht Blastomeren sind mit ihren langen Achsen radial angeordnet. Die einzelnen Theilungsebenen dieser Kernspindeln aber entsprechen keineswegs der wirklichen Lage der in der Folge aufgetretenen Furchen. Denn vier central gelegene ! Zur Ontogenie der Knochenfische. Taf. IV Fig. 4 u. 5. 294 A. Rauber Zellen sind umgeben von einem fast radial aufgereihten Kranze der übrigen 12 Zellen. Bezieht man dagegen die Parallelfurchen auf die schon vor- handenen älteren Furchen, so giebt uns der Frosch mit seinen analogen Fällen hierüber deutlichen Aufschluss. Wir haben in den Parallelfurchen Liingsfurchen mit großem Polabstand der polaren Enden zu erblicken. Dieser Polabstand kann ausnahmsweise bei den Knochenfischen sich verringern: die betreffende Furche geht dann in eine der beim Frosche gewöhnlichen modifieirten Liingsfurchen über. Der Polabstand der beim Frosche üblichen Längsfurchen kann sich hier und da etwas vergrößern; es tritt der Knochenfischtypus beim Frosch auf. Man kann also die Parallelfurchen der Knochenfische und Batrachier als Liingsfurchen mit großem Polabstand betrachten, eine Auffassung, die durch das oben erwähnte Lagenverhältnis der - karyokinetischen Achsen wesentlich unterstützt wird. Zwei sich kreuzende Reihen von Parallelfurchen bringen nun dieselbe Wirkung auf die Zerklüftung der Substanz hervor. wie zwei Reihen von Furehen, die aus Meridian- und Äquatorialfurchen be- stehen. Man erkennt dies am deutlichsten, wenn man die Meridian- furchen an beiden Polen in Gedanken so weit aus einander zieht, dass sie einander parallel werden. Wir haben alsdann in diesen letzteren eine Reihe von parallelen Furchen, eine zweite Reihe, welche die andere unter rechtem Winkel kreuzt, in den Äquatorialfurchen. Hat man also bereits zwei sich unter rechten Winkeln kreuzende Reihen von parallelen Furchen, so brauchen wir keine Aquatorialfurchen mehr, es genügen jene. Wollte man auf Grund dieses Verhält- nisses behaupten, die eine von den beiden parallelen Furchen- reihen der Knochenfische (und hier und da der Batrachier) gehöre dem Meridian- oder Längssystem, die andere aber dem Aquatorial- oder Breitensystem an, so wäre dieser Meinung vom Standpunkt des Erfolges aus nichts entgegen zu halten. Das koncentrische System von Furchen, das zu betrachten nur noch iibrig bleibt, ist beiden Formen, den Knochenfischen und Batrachiern gemeinsam. Man vergleiche in dieser Beziehung die Fig. 55 u. 57, Taf. XIII, vom Gobius und Lachs und Fig. 41, Taf. XII, vom Frosch. Allen diesen Systemen von Furchen kommt die wichtige Eigenschaft zu, sich unter einander in rechten Winkeln zu dureh- schneiden. Selbst da, wo der Zulassung dieser Eigenschaft nach den früheren litterarischen Angaben die meisten Schwierigkeiten entgegen- standen, bei den bisher als reine Meridianlinien irrthümlich aufge- Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 995 fassten Längsfurchen des Frosches, ergab sich in der nachgewiesenen Polflucht der oberen Enden der Längsfurchen eine Richtung auf das- selbe Ziel. Es fehlte andererseits nicht an Ausnahmen; so münden die seltneren Parallelfurchen der oberen Eihälfte des Frosches ursprünglich mit etwa 45° Neigung in die erste Breitenfurche ein. Bis hierher handelte es sich vor Allem um die Beziehungen der verschiedenen Furchensysteme unter sich selbst. Man ist auf den ersten Blick gern geneigt, diesen Beziehungen den Vorrang bei der Betrachtung der Furehen einzuräumen. Aber es giebt noch andere, nicht minder wichtige Beziehungen der Furchen; abgesehen von der inneren Bedeutung der Furchen überhaupt, welche erst im nächsten Abschnitt zur Untersuchung kommen wird, giebt es nämlich noch unverkennbare Beziehungen der Richtung der Furchen zur Oberfläche des sich furchenden Körpers. Man ist auf diese Beziehungen zuerst bei den Pflanzen aufmerksam geworden; insbe- sondere waren es junge Pflanzenorgane und Embryonen, welche auf das Vorhandensein jener Beziehungen aufmerksam machten. Bei den Pflanzen ist die rechtwinkelige Schneidung der Oberfläche eine, wenn nicht durchgreifende, so doch äußerst weit verbreitete That- sache. Wie verhalten sich in dieser Richtung die Thiere? Bestehen bei den Thieren übereinstimmende Verhältnisse? Bleiben wir zunächst bei den sich furchenden Eiern, um allseitige Klarheit zu gewinnen. Die Richtung der vorhandenen Furchen zur Oberfläche des Eies oder Keimes lässt sich theils aus der Betrachtung der Furchen von der Oberfläche aus, theils an Objekten ersehen, die den inneren Verlauf der Furchen in der Substanz des Eies oder Keimes erkennen lassen, also an durchsichtigen Objekten, insbesondere an Schnitten. die den Verlauf der Furchen offen legen. Es bedarf keiner Er- wähnung, dass die koncentrischen Furchen, da sie ausschließlich im Innern verlaufen, hier nicht in Frage kommen. Ich will nun das Hauptergebnis gleich voranstellen, um mich darauf zu dem Einzelnen zu wenden. Es lassen sich, was die Be- ziehungen der Furchen zur Oberfläche des sich furchenden Körpers betrifft, zwei Grundsätze aufstellen: Der eine lautet dahin, dass bei den Thieren die rechtwinkelige Richtung der Furchen zur Oberfläche des Eies oder Keimes eine außerordentlich häufige Erscheinung bildet. Diese Richtung ist jedoch keine ganz ausschließliche, indem hier und da an demselben Objekt unterlaufend oder an verschiedenen Eiern von Anfang an andere Winkel als rechte, wie es scheint insbesondere solche von 45°, zur Verwendung kommen können. 296 A. Rauber Der zweite Grundsatz ist der, dass, wenn auch (anfänglich oder mit unterlaufend) andere Richtungen der Furchen zur Oberfläche als rechtwinkelige zur Anwendung gelangten, während des Verlaufs der Furchung und während des weiteren Aufbaues des embryonalen Körpers die rechtwinkelige Richtung der Furchen zur Oberfläche durchaus in den Vordergrund der Erscheinung tritt. Ja eine solche Korrektur der Winkel, um mich so auszudrücken, folgt der ersten nicht rechtwinkeligen Anlage selbst unmittelbar und überraschend auf dem Fuße, wovon zahlreiche Beispiele vorliegen. Das Ziel der Untersuchung geht, wie nunmehr deutlicher hervor- tritt, darauf aus, Gesetze der Substanzzerklüftung des Körpers aufzusuchen. Es genügt nicht, die Substanzzerklüftung des Körpers einfach als ein Gegebenes zu betrachten, die Formen der einzelnen Zellen mit verschiedenen Hilfsmitteln darzustellen und zu beschreiben. Wohl jedem Mikroskopiker fielen seit alter Zeit gewisse, beständig wiederkehrende Anordnungsweisen der Zellen in den verschiedensten Organen und Geweben auf. Die Erfahrung hatte ihm gezeigt, dass diese Formen der Anordnung so wenig Zufälliges enthielten, dass er mit einem ziemlichen Grade von Sicherheit selbst Vorausbestimmungen allgemeiner Art an fremden Objekten geben konnte, sofern er die- selben nur als Ganzes vor Augen hatte. Schließlich gewöhnte man sich daran, etwas immer Wiederkehrendes als etwas ganz Selbstver- ständliches zu halten, das keiner weiteren Erklärung bedürftig sei. Einer Erklärung werth scheint in dieser Verfassung merkwürdiger- weise zwar eine etwa wahrgenommene Ausnahme, nicht aber die Regel. So hält man es auch ganz von demselben Gesichtspunkte aus durchaus nicht mehr für befremdlich, ein Organ aus Zellen zusammengesetzt zu finden; man fordert vielmehr eine Erklärung für nicht aus Zellen zusammengesetzte Körper, Organe oder Organ- theile, z. B. für Plasmodien. Ganz in derselben Weise nahm man also auch die Zellenanordnung in den Organen und Geweben schließ- lich als etwas Selbstverständliches an, oder man begnügte sich mit der beständigen Wiederfeststellung durch die Nadel, chemische Mittel und das Mikrotom, ohne nach weiteren Gesetzen zu fragen. Am weitesten war man entfernt von einer Würdigung der Form der Zellenanordnungen fertiger Organe oder des ganzen Körpers in Be- zug auf ihren Zusammenhang mit dem Ausgangspunkt aller Zellenanordnungen in der Furchung. Wenden wir uns nunmehr im Einzelnen zu jenen Beziehungen der Richtung der Furchen zur Oberfläche des sich furehenden Körpers, Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle, 297 so gewähren uns am Ei des Frosches und Neunauges ausgeführte Meridianschnitte den gesuchten Aufschluss. Längs- und Breiten- furchen sehen wir in den hierzu gehörigen Figuren 40 und 41, Taf. XII, so wie 66 und 67, Taf. XIV in zum Theil bekannter, aber nicht ge- würdigter Weise eine senkrechte Richtung zur Oberfläche oder von ihr weg zur Furchungshöhle einschlagen. Die Kurvenform, die an den längeren Furchen zum Vorschein kommt, erhält so auf ein- mal auch hier Gewicht und Bedeutung. Es verhält sich damit ähnlich, wie mit jenen besonderen Krümmungen der Furchen auf der Oberfläche des Froscheies, auf die schon oben Rücksicht genommen worden ist. Dass das quadratische Furchennetz des Keimes der Knochen- fische ebenfalls in senkrechter Richtung in die Tiefe dringe, ergiebt sich besonders instruktiv an solchen Stellen eines Objektes, in welchen die Furchen theilweise in Kurven verlaufen. Völlige Rücksichtslosigkeit gegen den Keimrand beobachtet da- gegen anscheinend der Verlauf der Parallelfurehen der Knochen- fische. Es verhält sich mit ihnen ähnlich, wie mit der Einmündung der entsprechenden Parallelfurchen bei dem Frosche in die erste Aquatorialfurche. Sie münden bei den Knochenfischen in den Rand der Keimscheibe, der ja als ein Theil der Oberfläche zu gelten hat, bei dem Frosch, so oft überhaupt Parallelfurchen hier vorkommen, in die erste Aquatorialfurche, in Folge ihrer parallelen Lage zu den ersten Furchen allerdings nicht rechtwinkelig ein. Es wurde aber oben bereits hervorgehoben, dass die Form des in Furchung be- griffenen Keimes eine wechselnde sei, wechselnd mit den Theilungs- stadien. Der Keim streckt sich in einer zu den betreffenden Parallel- furchen senkrechten Richtung in die Länge und verschmälert sich zugleich; quer auf die Länge erfolgt jetzt die Theilung. Er zieht sich zusammen und streckt sich aus in umgekehrter Riehtung, bevor die kreuzenden Parallelfurchen erscheinen. Man könnte hier also mit Grund der Ansicht sein, die Oberfläche komme in diesen Fällen den Furchen selbst entgegen. Sogar bei dem Frosch ist eine An- näherung an dieses Verhältnis zu bemerken und weiß man doch auch schon von der ersten Furche sowohl der Batrachier- als auch anderer Eier, dass derjenige Durchmesser in seiner Ausdehnung steigt, senkrecht auf welchen die Theilung stattfinden wird. Sicher ist, dass durch diesen Vorgang bei den Knochenfischen der Winkel, welchen eine Parallelfurche zum Keimrand erreicht, sich abstumpft, indem derselbe, ohne jenen Vorgang etwa 45° betragend, nunmehr einem rechten mindestens bedeutend näher gebracht wird. Morpholog. Jahrbuch. 8. 20 298 A. Rauber Man vergleiche in dieser Hinsicht die Figuren 46 bis 51, Taf. XIII, von Gobius. Zahlreiche andere Fälle zeigen den letzteren ganz ähnliche Beziehungen zur Oberfläche. So wurde oben der radialen Anordnung von 12 peripheren Zellen und 4 central gelegenen Zellen bei Julis gedacht. Ein schönes Beispiel solcher Art liefern uns ferner die Bryozoen. Von mehreren Abtheilungen derselben entwirft JULES Barroıs! ein Bild, welches von hohem Interesse ist. Ich kann nicht umhin, die Grundzüge desselben hier zu schildern. Die ersten Furchen bei den chilostomen Bryozoen sind zwei Meridianfurchen. welche das gesammte Ei in 4 gleiche Zellen zerlegen. Hierauf folgt eine äquatoriale Furche; sie giebt zwei Reihen über einander gelagerter Zellen den Ursprung. Es folgen nun, wie bei den Knochenfischen, Parallelfurchen. Die beiden ersten Parallelfurchen sind solche der ersten Meridianfurche; obere und untere Eihälfte wird davon be- troffen. So entstehen 16 Zellen. Die beiden nächsten Parallelfurchen sind solehe der zweiten Meridianfurche. Dadurch sind 32 Zellen zur Ausbildung gekommen. Fig. 59a, Taf. XIII, stellt das 16-Zellen- stadium, Fig. 595 das 32-Zellenstadium dar. Bis dahin ist also die Ähnlichkeit mit den Knochenfischen, was das quadranguläre Furchen- netz und die Gestaltänderungen des Keimes betrifft, eine große. In dieser Ordnung bleiben jedoch die Zellen nicht lange, sondern sowohl in der oberen als unteren Hälfte treten Veränderungen auf. Es ge- nügt, auf eine Ansicht der aboralen Hälfte aufmerksam zu machen, die sehr merkwürdige Verschiebungen zu Gunsten einer rechtwinkeligen Aufstellung der Zellen erkennen lässt (Fig. 59e). Während also vorher nur eine theilweise Beziehung der Furchung zur Oberfläche in einer vorausgehenden Streckung des Eies zu erkennen war, tritt dieselbe unmittelbar nach geschehener Theilung in aller Vollkommen- heit zu Tage. Hiermit ist schon ein Beispiel gegeben für die Bieranshdu einer rechtwinkeligen Sekundärstellung der Furchen zur Oberfläche aus einer primär überhaupt nicht oder nur annähernd rechtwinkeligen Anordnung. In ähnlicher Weise verhält es sich aber auch in unseren früheren Beispielen, so weit eine primär rechtwinkelige Schneidung der Oberfläche fehlte oder nur annähernd vorhanden war. Die auf diesen Punkt ausgehende Untersuchung eines gleichfalls noch in der Furehung begriffenen Knochenfischkeimes (Fig. 55, Taf. XIII) gewährt ! Recherches sur l’Embryologie des Bryozoaires. Lille 1877. — Mémoire sur la Métamorphose des Bryozoaires. Ann. des sc. nat. Zool. 1879— 1880. Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 299 hierüber bejahenden Aufschluss. Die sekundäre Einstellung der an- grenzenden Furchen auf dem Keimscheibenrand ist eine rechtwinkelige geworden. Was die Stellung der Furchen unter sich selbst auf späteren Entwieklungsstufen als den Furchungsstadien betrifft, so geben Ober- flächenbilder der massenhaft entwickelten Furchenbrechungen wegen keinen Aufschluss mehr. Eine Berücksichtigung der Achsen, welche die karyokinetischen Figuren neben einander gelegener Zellen be- sitzen, weist mit Bestimmtheit auf das Bestehen rechtwinkeliger Be- ziehungen der Furchen unter sich selbst hin. Eine größere Zahl von Objekten, die auf dieses Verhältnis untersucht wurden, sind auf Taf. XI (Fig. 13, 14, 15, 19), so wie Taf. XIII (Fig. 55 und 58) abgebildet. Auf ein interessantes Beispiel des Einflusses der Oberfläche auf die Furchung möchte ich nicht unterlassen noch aufmerksam zu machen. Zwar, wie es scheint, nicht beständig, aber doch unter nicht näher bekannten Umständen theilt sich das langgestreckte Ei von Sarcoptes cati, wie Lrypia abbildete, durch zwei einander parallele Querfurchen zuerst in drei Theile (Fig. 73, Taf. XIV). Es erinnert dies Bild lebhaft an die ersten Furchungsstadien der Eizelle von Sphaerocarpus terrestris bei den Pflanzen, deren K. GOEBEL erwähnt. Welches ist in späteren Stadien. als den bisher von uns unter- suchten, das Bild der Furchenstellung? Behält es seinen Charakter bei oder zeigt es Veränderungen? Auf diese, mit Nothwendigkeit sich aufdrängende Frage wird der folgende Abschnitt einzugehen haben. Rückblick auf Frosch und Knochenfisch. Aus den über die Furchung des Gobius und ihre Vergleichung mit derjenigen des Frosches gemachten Angaben lässt sich entnehmen: 1) Die erste Furche theilt den Keim von Gobius häufig. doch nicht beständig, in zwei ungleiche Hälften. Deutlicher tritt die Ungleichheit hervor im Stadium der Viertheilung. 2) Der Keim streckt sich, bevor er sich theilt, senkrecht zur Theilungsrichtung. Dies gilt vom Beginn der Theilung bis zum Ende der Parallelfurchenbildung. Das Furchennetz des Gobius weicht von demjenigen anderer Knochenfische nicht ab. Die Parallelfurchen können auf- gefasst werden entweder als Längsfurchen mit großem Pol- 20* 300 A. Rauber abstand der polaren Enden, oder man kann die eine Reihe derselben betrachten als Längs-, die andere kreuzende Reihe als Breitenfurchen. Man vergegenwärtigt sich dies Verhält- nis am einfachsten so, dass man Meridianfurchen an ihren polaren Enden bis zum Betrag des Durchmessers aus einander zieht. Zusammen mit den Äquatorialfurehen haben wir als- dann das dem Furchennetz der Knochenfische entsprechende Bild. ) Die Parailelfurchen bilden bei den Knochenfischen die Regel; an ~ bei dem Frosch bilden sie in der oberen Eihälfte zwar kein ausnahmsweises, immerhin ein seltneres Vorkommnis. Umge- kehrt kommen in seltenen Fällen beim Knochenfisch Län gs- furchen vor, wie sie beim Frosch die Regel bilden. Nicht sowohl das Plasmodium der Knochenfische bedarf der Erklärung für seine Gegenwart, als der gefurchte Theil des Keimes. Doch ist Ersteres gleichfalls ein Theil des Keimes. Ihrer Aufgabe entsprechend, das Ei oder den Keim nach den drei Richtungen des Raumes zu zerklüften, kreuzen sich die verschiedenen Furchensysteme, zu welchen außer den ge- nannten noch das koncentrische kommt, unter sich in der Regel rechtwinkelig. Doch kommen Ausnahmen vor. Außer der Richtung, welche die einzelnen Furchensysteme unter sich selbst besitzen, kommt noch in Betracht ihre Richtung zur Oberfläche des sich furchenden Körpers, sei es des ganzen Eies oder des Keimes. Auch die Oberfläche des Eies oder Keimes wird zumeist rechtwinkelig von den Furchen getroffen, doch giebt es eine Reihe von Ausnahmen, zu welchen die Knochenfische gehö- ren, bei welchen ein Theil der Furchen die Oberfläche ‘den Keimscheibenrand) in einem spitzeren Winkel trifft. Eben dahin gehören solche Fälle vom Frosch, in welchen die obere Eihälfte Parallelfurchen entwickelt. Hier kommen Winkel von etwa 45° zum Vorschein. Eine gewisse Kompensation und eine dem rechten sich annähernde Größe der Winkel wird durch die bereits erwähnte Ausdehnung des Keimes der Knochenfische in einer senkrecht zur späteren Furche laufenden Richtung hervorgebracht. In jenen Fällen, in welchen eine primäre rechtwinkelige Stellung der Furchen zur Oberfläche fehlt, stellt sie sich im Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 301 Verlauf der Entwicklung, meist sehr frühzeitig und schon während der Furchung her, so dass sie als das eigentliche Ziel zu betrachten ist. Die Hervorbildung rechtwinkeliger Riehtung der Furchen zur Oberfläche aus anderer Stellung kann unter Umständen durch plötzliche Lagenveränderung der Zellen erfolgen. Ein interessantes Beispiel dieser Art bilden manche Formen von Bryozoen. Auch bei dem Frosch und den Knochenfischen tritt frühzeitig das Einlenken in die normale Lage ein. 10) Unter einem Furchensystem ist eine Gruppe zusammengehö- riger Furchen zu verstehen. welche in ihren wesentlichen geometrischen Beziehungen zum Ei oder Keim unter einander übereinstimmen. Y. Wachsthum und Zerlegung der Substanz. Stellt man einem Botaniker, welcher den neueren Erfolgen der wissenschaftlichen Botanik auf dem weiten Gebiet der Zellenlehre nicht fremd oder zurückhaltend gegenüber steht, die Aufgabe, in eine Fläche oder einen Körper von gegebenem Umriss, der dem natürlichen . Umriss irgend welcher junger Pflanzentheile entsprechen soll, das Zellengefüge vorausbestimmend einzuzeichnen, so wird derselbe, ge- leitet durch die Kenntnis der Gesetze der Fächerung des Innenraumes, die Form des Zellengefüges prineipiell richtig anzugeben vermögen. Um an einigen Beispielen bestimmter darzulegen, in welcher Weise sich eine solche Aufgabe gestaltet, habe ich auf Taf. XIV einige Umrissformen von Flächen der erwähnten Art beigefügt (Fig. 68 u. 69 , die eine den Umriss einer Parabel, die andere denjenigen einer Hyperbel darstellend. ' Ein Botaniker befindet sich solchen Flächen gegenüber ungefähr in derselben Lage, wie gegenwärtig ein Osteologe gegenüber der Anordnung der Substanz der Knochen. Kennt der letztere nur die Form des Knochens und seine Beanspruchung, so vermag er nach HERMANN MEYER's schönen Entdeckungen das innere Gerüst des- selben durch Konstruktion vorauszubestimmen. Es ist klar, dass hier wie dort nicht sowohl auf der Möglichkeit der Ausführung oder auf der thatsächlichen Leistung jener Vorausbestimmung der Werth der Sache beruht, sondern in den Begriffen, welche dem Verfahren zu Grunde liegen. 302 A. Rauber Mit Absieht füge ich in die erwähnten Figuren 68 und 69 das zugehörige Zellennetz nicht ein, indem das Nachdenken, welches diese einfachen Umrisse veranlassen, mit Gewalt zu der Frage hin- drängt, ob nicht auch für die Zellengliederung der Thiere, und wären es zuerst nur ihre Anfangsstufen, sich Gesetze auffinden lassen werden, zu der Frage, ob nicht auch bei den Thieren Gesetze der Substanzzerklüftung, der Zellenanordnung vorhanden sein müssen. Setzen wir den Fall, dieselben Figuren seien Umrisslinien zelliger Organe von Thieren; in welchen Formen würde das Zellgerüst als- dann erscheinen? Nehmen wir statt dieser Figuren andere Begren- zungen, wie sie jungen Thierorganen, jungen Thieren selbst ent- sprechen; welche Form wird dem Zellgerüst zukommen? Aus der Form der Substanzzerklüftung in Zellen, so wie aus ihrem Verhält- nis zum Umriss, als der äußersten Grenze des dem betreffenden Theil oder dem Thiere selbst zukommenden Wachsthums, müssen sich, wenn überhaupt, Gesetze der Substanzzerklüftung ableiten lassen. Bevor wir weiter gehen. ist es am Platze, den einschlagenden botanischen Untersuchungen die gebührende Aufmerksamkeit zu schen- ken. Da ich bereits in einem früher erwähnten Aufsatz eine Über- sicht der bis dahin vorliegenden Arbeiten botanischen Inhalts gegeben habe, so kann ich mich hier, um Wiederholungen zu vermeiden, in allen Dingen kürzer fassen, die dort schon berührt worden sind; und was selbst einige neuere Arbeiten betrifft, so können selbst- verständlich nur deren wesentliche Ergebnisse hier in Betracht kom- men, während ich in Bezug auf Einzelheiten auf sie selbst verweisen muss. Einige ältere Ansichten, die am genannten Ort nicht erwähnt worden sind, finden ihrer Bedeutung wegen zugleich hier ihre Stelle. Nach SCHLEIDEN ist immer schon in jeder vorausgehenden Zelle die Bedingung enthalten, dass sich die neu entstehenden Zellen in einer bestimmten Riehtung anordnen. Die Theilungsrichtung beruht nach ihm hiernach auf der Individualität der Zelle. Die Form aller Pflanzen im Ganzen dagegen beruht nach ihm, seiner ausdrücklichen Angabe zufolge, auf ihrer Zusammensetzung aus Zellen. Ausgenom- men hiervon sind nur die einzelligen Pflanzen. Die Individualität des Ganzen ist im pflanzlichen Organismus zurückgesetzt gegen die des Elementarorganismus. »Die ganze Pflanze scheint nur für und durch das Elementarorgan zu leben.« SCHLEIDEN unterscheidet fer- ner noch zwischen der Anordnung der neu entstandenen Zellen Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 303 und ihrer verschiedenen Ausdehnung durch die Ernährung. Er nimmt an, dass die verschiedene Ausdehnung der Einzelzellen fast immer schon durch die Anordnung der Zellen gegeben sei. Da nun die Anordnung der neu entstehenden Zellen von den Einzelzellen bestimmt wird, so verlegt er die Ursachen der Formbildung in die Einzelzellen und betont ihre Selbständigkeit. NÄgerı! suchte die Annahme zu begründen, dass schon in der ursprünglich rundlichen Zelle der ganze daraus hervorgehende Orga- nismus vorgebildet sei. Da die Verschiedenheiten der Organe in Gestalt, Größe und Bau fast ausschließlich von dem Verlauf der Zellenbildung abhängen, so sind nach ihm die Angelpunkte, um welche sich wesentlich die morphologische Beschaffenheit der Pflanzen dreht. vorzüglich in der Frage enthalten, welche Zellen sich theilen und in welcher Richtung die Theilung stattfindet. Das Leben eines pflanz- lichen Organs erklärt er dem entsprechend für die Summe der Lebensbewegungen aller Elemente, welche in jedem Entwicklungs- stadium dasselbe zusammensetzen. Während also NAGELI mit dem zweiten Theil seiner Sätze sich an SCHLEIDEN anschließt und dessen Ausführungen weiter ausbildet, geht er mit der Aufstellung der An- sicht, in der ursprünglich rundlichen Zelle sei der ganze Organismus der Pflanze vorgebildet, über SCHLEIDEN hinaus. Dass der Ausdruck »vorgebildet« kein Missverständnis erregen könne, bezeichnet er den Ausgangspunkt sofort in seiner wirklichen Gestalt; dies ist die rund- liche Zelle. Den Reigen der Arbeiten, welche die Form des ganzen Organes als bestimmend für die Lagerung der einzelnen Theile, der Zellen, erblicken, eröffnete HoFMEISTER?. Er hatte bemerkt, dass die Stellung der Scheidewände durch das vorausgehende Wachsthum des Organes bestimmt werde. So gelangt er dazu, in dem Wachsthum der Einzelzellen eine Funktion des Gesammtwachsthums zu erblicken. Auch die Wandrichtung erschien hiernach als eine Funktion des Gesammtwachsthums. Hieraus entspringt für ihn der Begriff einer »Fächerung« des Innenraumes eines Pflanzentheiles. Die Erreichung gewisser Formen ordnet nach ihm sowohl die Volumzunahme der Einzelzellen des Vegetationspunktes als auch die Form der Scheide- wandbildung. Letztere vollziehe sich in einer zur Richtung des ' Die Bewegung im Pflanzenreich. Heft II der »Beiträge zur wissenschaft- lichen Botanik«. 2 Lehre von der Pflanzenzelle. 304 A. Rauber stärksten vorausgegangenen Wachsthums der Zellen senkrechten Stel- lung. Die senkrechte Stellung der Scheidewände trete besonders da auffallend hervor, wo die Grenzlinien von Kurven dargestellt seien. In diesen Anschauungen von HOoFMEISTER sind mehr in der Gestalt von Ahnungen und Zielpunkten als in grundlegender und beweisender Form auftretende Anfänge der berühmten Untersuchun- gen von JULIUS SACHS enthalten, deren Ergebnisse derselbe in meh- reren Arbeiten niedergelegt hat!. Es sind insbesondere die Kegel- schnitte, welche Sachs zur leichteren Darstellung seiner Principien als Formgrundlagen auswählt. Die Grundlage seiner Lehre ist aus- gedrückt in seinem Princip der rechtwinkligen Schneidung der Wände des Urmeristems unter sich selbst und mit der Umfassungswand. Ab- weichungen sind ihm nicht unbekannt und als Störungen gedeutet. Das Wachsthum erklärt er für das Bedingende, die Fächerung als das Se- kundäre, Bedingte. Der mit so viel Verwirrung und Unklarheit bisher einhergehende Begriff des Scheitelzellenwachsthums gelangte auf dem genannten Grundsatze fortentwickelt sofort zu sinnvoller Klarheit. Die Individualität der Zelle musste naturgemäß vor der Form des ganzen Organs, welche durch das Wachsthum erreicht wird, zurück- treten in die Rolle eines bestimmten, nicht aber eines bestimmenden Körpers. In einer anerkennenden Kritik der Untersuchungen des erwähn- ten Botanikers spricht sich über den zuletzt geäußerten Gedanken in geistreicher Weise DE Bary? folgendermaßen aus: »Die Pflanze bildet Zellen, nicht die Zelle bildet die Pflanzen.« In der von SCHLEIDEN begründeten Hegemonie der Zelle erblickt DE Bary die Quelle eines Fehlers. Dieser bestehe darin, dass in den meisten Lehrbüchern der Botanik von der Zelle ausgegangen werde, nicht von der Pflanze. In einem interessanten Aufsatz über die Embryologie der Arche- goniaten pflichtet GOEBEL? der Auffassung, das Wachsthum sei das Primäre, die Scheidewandbildung das Sekundäre, mit folgenden Worten bei: »Das prineipiell Wichtige ist auch hier wieder, dass die Gestalt des wachsenden Organs, speciell des Embryo es ist, welche die Anordnung seiner Zellenwände bestimmt, denn hier (Targionia) 1 Über die Anordnung der Zellen in jüngsten Pflanzentheilen (Würzburger Verhandlungen Bd. XI). Arbeiten des bot. Instituts in Würzburg. Bd. II. Hft. 1 u. 2. Ferner: »Stoff und Form«, Arbeiten des bot. Inst. Bd. II. Hft.3. 2 Botanische Zeitung, 1879, p. 222. 3 Arbeiten des bot. Instituts in Würzburg. Bd. II. Heft 3. Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 305 wie bei Sphaerocarpus hat der Embryo langgestreckte Gestalt, nicht weil er durch Querwände wächst, sondern es treten Querwände auf, weil der Embryo eine langgestreckte Gestalt hat.« Aus der Untersuchung von S. SCHWENDENER! »über die durch Wachsthum bedingte Verschiebung kleinster Theilchen in trajektori- schen Curven« ist hier das Folgende hervorzuheben. Das Wachs- thum durch Intussusception geschieht durch allmähliche Einlagerung von Substanz und Wasser zwischen die Micellen der schon vorhandenen Masse. Damit verknüpft sich erstens eine Anordnung der kleinsten Theilchen in parallel zur Umrisslinie verlaufende Schichten, zweitens eine Reihenbildung in einer die Schichten rechtwinkelig kreuzenden Richtung. Dies bleibt auch dann richtig, wenn das Organ aus Zellen zusammengesetzt ist, die hier gleichsam die sichtbaren Raum- oder Flächenelemente darstellen, auf welche die in Rede stehende Anord- nung sich überträgt. Das Bestreben der Substanz, neue Theilchen zwischen die vorhandenen einzulagern, könne zwar nach allen Rich- tungen des Raumes wirksam sein und sogar in jeder beliebigen ein relatives Maximum erreichen. Für die mechanische Betrachtung aber müsse es immer gestattet sein, die sämmtlichen Kräfte in zwei Gruppen von Komponenten zu zerlegen, von denen die einen radial, die anderen tangential orientirt sind. Wenn nun in Wirklichkeit die Elemente sich in Schichten und radiale Reihen ordnen, so erscheine auch die Annahme, dass die das Wachsthum bedingenden Kräfte einerseits in der Tangentialebene der Schichten, andererseits in der dazu rechtwinkeligen radialen Richtung thätig seien, als die einzig naturgemäße. Nimmt man auf dieser Grundlage stehend an, ein Komplex koncentrischer Schichten besitze in der zu ihrem Verlauf senkrechten Richtung ein Wachsthumsbestreben, das nach einer Rich- tung sein Maximum erreicht und nach beiden Seiten abnimmt, dann muss der Parallelismus der Schichten in Folge dieses einseitig ge- förderten Wachsthums nothwendig gestört werden. Es ergiebt sich aber zugleich daraus, dass die radialen Reihen, von welchen man ausging, in orthogonale Trajektorien übergehen. Die Raumtheilchen bewegen sich hiernach während des Wachsthums in orthogonal-tra- jektorischen Kurven. Die Wirklichkeit ergab weitgehende Überein- stimmungen mit diesen Voraussetzungen: eine große Zahl derselben hatten ja Sacus’ Arbeiten bereits an die Hand gegeben. SCHWENDENER hebt nun noch eine größere Reihe regelmäßiger Kurvensysteme nebst ! Monatsbericht der k. Akademie d. W. zu Berlin vom April 1880. 306 A. Rauber den dazu gehörigen orthogonalen Trajektorien speciell hervor, mit besonderer Beachtung derjenigen Fälle, welche an botanische Vor- kommnisse lebhaft erinnern. Das sich hierin aussprechende Gesetz kann man also das Trajektoriengesetz des Wachsthums nennen. Mit dieser Untersuchung hat sich SCHWENDENER das Verdienst erworben, den Standpunkt von Sacus, der das ganze Organ gegen- über seinen Theilen in den Vordergrund gerückt hatte, nicht allein zu bestätigen, sondern auch analytisch zu begründen. Doch auch Sacus beruhigte sich nicht auf dem Punkte. zu dem er gelangt war. Er wendete sich zur Erforschung der letzten Ursachen des Wachs- thums und wurde begreiflicherweise in der Verfolgung dieses Weges zum Stoff als der materiellen Grundlage des Wachsthums geführt. Er unterscheidet darum blatt-, wurzel-, früchte-, archegonienbildende Substanzen, welche aus e‘nfacher Grundlage allmählich hervorgehen; in diesen Substanzen erblickt er die Bedingung der Ausbildung der genannten Organe un! vertheidigt neuerdings seine Auffassung gegen- über verschiedenen Einwendungen. Eine mehr vermittelnde Stellung zwischen den beiden Stand- punkten, von welchen der eine das Hauptgewicht auf die Einzelzelle, der andere auf das ganze Organ legt, nimmt eine neue Arbeit von WESTERMAIER! ein. Als bestimmende Momente kommen nach dem letzteren in Betracht: a) Die Individualität der Zelle. Ungeachtet der Gleichartigkeit des Gesammtwachsthums, so weit sich dasselbe in der Form der Scheitelregion ausspricht, ist nämlich in bestimmten Fällen 7. B. Marattiawurzel, verglichen mit Wurzeln anderer Gefäßkryptogamen) doch eine konstante Verschiedenheit in der Anordnung der Zellen in Vegetationspunkten zu beobachten. Der Einfluss der äußeren Form genügt also nicht zur Erklärung dieser Erscheinung; die Individua- lität der Zelle kann nicht aufgegeben werden. In den Segmenten der Scheitelzelle von Dietyota tritt konstant zuerst eine mediane Wand auf, in anderen Fällen bei ähnlicher Form eine excentrisch ge- stellte Wand. b) Mechanische Ursachen, welche in Druckwirkungen bestehen. Dieselben rühren her von dem Kontakt der seitlichen Organe oder bestimmter Gewebepartien und pflanzen sich nach verschiedenen Seiten fort. So bestimmen Druckverhältnisse, welehe von den die ! Über die Wachsthumsintensität der Scheitelzelle und der jüngsten Seg- mente. PRINGSHEIM’s Jahrbiicher der wissensch. Botanik. Bd. XII. Heft 4. Neue Grundlegungen zur* Kenntnis der Zelle. 307 Seheitelzelle umgebenden Zellen herrühren, die schließliche Lage der auftretenden Segmentwände der Scheitelzelle. e) Die Form des Organs, das Gesammtwachsthum. Den Ein- fluss dieses Momentes hält jedoch WESTERMAIER für nicht streng be- weisbar, obwohl er naturgemäß und zusagend erscheine. Bei ge- sehlossenen Meristemflächen allerdings scheine die Einzelzelle ihre Individualität wenigstens zum Theil aufzugeben zu Gunsten der be- treffenden Form des Ganzen. Gegen die Annahme des alleinigen Einflusses der äußeren Form des Organs auf die Zerlegung desselben spricht ferner eine Zu- sammenstellung von LEITGEB, der mehrere Beispiele aufführt, in welchen jugendliche Wandungen nicht senkrecht auf einander treffen. So fand auch STRASBURGER unter Anderem bei der Entstehung der Endospermzellen im Embryosack von Cultha palustris schon die eben auftretenden Zellenplatten in schiefen Winkeln gegen einander geneigt. Dies ist der gegenwärtige Stand der Frage über die Beziehungen der Scheidewände zur Oberfläche in jugendlichen Pflanzenorganen. Wir erkennen, es sind Ausnahmen vorhanden in der primär recht- winkeligen Schneidung der Oberfläche durch die Scheidewände. Es wird damit ein Satz bestätigt, zu dessen Wahrnehmung auch unsere Untersuchung an dem in der Furchung begriffenen Ei der Thiere geführt hatte. Man muss indessen auch bei den Pflanzen unter- scheiden zwischen einer Primärstellung und einer Sekundär- stellung der Scheidewände. Macht man diesen Unterschied, so fallen für die Primärstellung mechanische Momente, die in Form von Druckwirkungen auftreten, hinweg. Sekundär dagegen kann Druck und eben sowohl Zug alterirend auf die Primärstellung einwirken, auf Scheidewände also, die bereits gebildet sind. Für die Erzeugung der Primärstellung der Scheidewände können dagegen verantwortlich gemacht werden: Die Oberfläche eines Organs oder Organtheils und die Substanz desselben, oder, wie WESTERMAIER letzteres Moment mit einem, wie mir scheint, weniger zutreffenden Worte bezeichnet, die Individualität der Zelle; denn zur Individualität der Zelle gehört auch ihre Oberfläche. Es sei hier zunächst die Vergleichung des Pflanzen- und Thier- körpers mit einem komplieirten Gebäude gestattet. Meinem Arbeits- platze gegenüber, jenseits einer größeren Gartenanlage, erstreckt sich ein mächtiges Fabrikgebäude und bietet sich meinem Standpunkt in voller Front dar. Seiner besonderen Bestimmung entsprechend zeigt 308 A. Rauber es bei einer würdigen Einfachheit des Stils doch eine beträchtliche Gliederung schon in seiner äußeren Gestalt. Es ist der Hauptsache nach aus verschiedenfarbigen Ziegelsteinen in vollendeter Weise auf- geführt. Der Unterbau besteht aus Granit. Gewölbebildung ist an Fenstern und Thoren sehr reich vertreten. Zu den Fenstergewölben ist Ziegel, zu den Thorgewölben Sandstein verwendet. Die Ent- fernung des Gebäudes ist gerade groß genug, um dem Beschauer | den höchst wohlthuenden Anblick des Ganzen zu gewähren, gleich- zeitig aber auch die einzelnen Steine noch unterscheiden zu lassen. Gar oft, während ich über meinen Gegenstand nachdachte, richteten sich meine Blicke auf jenen Bau, der mich so deutlich als ein Zellenbau ansprach und, so viel er vermochte, mit seinen zahl- reichen und großen, in ihren Zierbogen gleichwie mit Augenbrauen versehenen Fenstern seinerseits herüberzuschauen schien. Man könnte nun daran denken, wenn dieser Bau zu beurtheilen wäre, in der Erfüllung dieser Aufgabe von den einzelnen Steinen auszugehen und zu versuchen, aus deren Zusammenfügung allmählich das Ganze zu gewinnen. Ein Bauherr aber wird, ohne die Einzel- steine zu vernachlässigen, sofort mit den vorliegenden großen Flächen und Wänden, mit den vorhandenen Gewölben, Pfeilern und Balken- gerüsten rechnen, welche in einander greifen, um durch ihre, nach einem bestimmten Plan vollzogene Verbindung das Ganze herzustellen. Die einzelnen Bausteine, die sich aus guten Gründen mit den Ober- flächen und unter sich überall rechtwinkelig schneiden, mit theil- weiser Ausnahme des in halbeyklopischer Form ausgeführten Unter- baues, kommen als solche hier nur in so weit in Betracht, als das vorhandene Material die Herstellung des Ganzen beeinflusst und ge- wisse unumgängliche Bedingungen auferlegt. Man hat ferner den Organismus nicht selten mit einer Dampf- maschine verglichen. Man könnte nun zwar jedes einzelne Glied der wirklichen Dampfmaschine aus mosaikartig in einander gefügten kleinsten Theilchen herstellen. Das geschieht jedoch nicht, sondern, so weit das vorhandene Material und der Zweck es gestattet, werden die einzelnen Glieder als Ganze hergestellt. Gegenüber einem pflanzlichen oder thierischen Organismus ist die Entstehung jener Vergleichsobjekte allerdings eine gerade ent- gegengesetzte, so weit man nicht den Plan der letzteren für das Ganze halten muss. Die wirkliche Entstehung der Vergleichsobjekte ist die, dass aus einzelnen Theilen ein Ganzes zusammengesetzt wird. Die Entstehung jener Organismen aber ist die, dass ein bereits vor- Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 309 handenes Ganzes während seines Wachsthums sich in einzelne Theile zerlegt. Doch wenden wir uns nunmehr zu den thierischen Organismen! Welches sind die Ursachen, welche sich für die Erzeugung der Primär- und Sekundärstellungen der Furchen oder allgemeiner der Theilungsflächen bei den Thieren wahrscheinlich machen lassen? Sehen wir zu, wie sich die bis jetzt hervorgetretenen An- schauungen der Forscher auf animalem Gebiet denselben Fragen gegenüber verhalten, welche soeben mit Bezug auf die Pflanzen uns beschäftigt haben. Die Anschauungen der Botaniker lassen drei Gruppen erkennen. Die eine betonte die Individualität der Zelle, die andere das Ganze, sei es Organ oder Pflanze als das bestimmende Moment des Einzelnen; die dritte nimmt eine vermittelnde Stellung ein. Welche Richtungen haben sich im Laufe der Zeit entwickelt in den bezüglichen Untersuchungen über das Thierreich? ScHwAnn!, dasselbe Princip in der feineren Zusammensetzung der Thiere feststellend, welches von SCHLEIDEN für die Pflanzen nachgewiesen worden war, fasst gleich SCHLEIDEN die Einzelzellen des Organismus als das Bestimmende des letzteren auf. »Der gleiche Elementarorganismus ist es, der Thiere und Pflanzen zusammensetzt !« Wer könnte sich der mächtigen Wirkung entziehen, welche dieser Satz auszuüben berufen war? Er bezeichnet mit wenigen Worten die Bahn, auf welcher sich die mikroskopische Untersuchung der Thiere und des Menschen seitdem unaufhaltsam fortbewegte. Er wirkte in dem schwierigsten der Naturreiche erlösend aus drohender Zer- splitterung, klärend in beängstigender Vegworrenheit. Es ist noth- wendig, einen Blick zu werfen auf die Zustände der präcellulären Forschungsperiode, um dies zu begreifen. So drang denn, froh der gewonnenen Leuchte in dem Labyrinth der Thierwelt, die Forschung tiefer und tiefer in die Kenntnis der einzelnen Bausteine der Or- ganismen ein. Es ist bekannt, was Scowann Zellentheorie genannt wissen wollte. Es ist die Entwicklung des Satzes, »dass es ein allgemeines Bildungsprineip für alle organischen Produktionen giebt und dass die Zellenbildung dieses Princip ist, so wie die aus diesem Satze hervor- gehenden Folgerungen«. Den Elementartheilen schreibt er ein selb- . ständiges Leben zu. »Wir müssen überhaupt den Zellen ein selb- ! Mikroskopische Untersuchungen über die Übereinstimmung in der Struk- tur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin 1839. 310 A. Rauber ständiges Leben zuschreiben, d. h. die Kombination der Moleküle, wie sie in den einzelnen Zellen vorhanden sind, reichen hin, die Kräfte frei zu machen, durch welche die Zelle im Stande ist. ‘neue Moleküle anzuziehen. Der Grund der Ernährung und des Wachs- thums liegt nicht in dem Organismus als Ganzem, sondern in den einzelnen Elementartheilen, den Zellen.« Es ist ferner bekannt. dass die ersten Begründer der Zellenlehre weder eine zutreffende Kennt- nis von der wirklichen Entwicklung der Zelle hatten, noch auch den Begriff der Zelle ausreichend zu bestimmen vermochten, so dass in der Folge bedeutende Modifikationen nach beiden Richtungen sich vollzogen haben. Die ursprüngliche Lehre war die freie Zellen- bildung. Diese Lehre hat sich zwar in neuester Zeit wieder einige Geltung erobert, im Vordergrunde der Thatsachen steht dagegen der VırcHow’sche Satz Omnis cellula e cellula. Für ScHwann war seine Theorie der freien Zellenbildung sofort die Veranlassung, auch das anorganische Reich zur Vergleichung heranzuziehen. Denn er verglich die Zellenbildung mit der Krystallisation, behauptend, die Zelle könne aufgefasst werden als ein imbibitionsfähiger Krystall. Die gewichtigsten Einwände gegen letztere Lehre erhob H. Lotze'!. Er hält dafür, dass man zwar nicht jede einzelne Zelle, wohl aber den Keim mit einer Krystallisation vergleichen könne. Das Ei und das Samenkorn nennt er einen organischen Krystall. »Der Kry- stallbildung entspricht die Keimbildung. Wie dort homogene Theilchen aus einer Flüssigkeit sich zu einer Gestalt zusammenthun, in der sie, wenn nicht in dem Gleichgewicht der Ruhe, so doch in dem einer in sich zurückkehrenden Bewegung stehen, so vereinigen sich in dem Keime eine Anzahl heterogene organische Bestandtheile zu einem System, das ebenfalls lange Zeit hindurch sich in einem Gleich- gewicht seiner Verbindung erhält. Das Ei oder das Samenkorn ist der organische Krystall.« Es ist von Interesse, noch von einigen anderen Anschauungen dieses Forschers Kenntnis zu nehmen. Lorze konnte sich nicht für die Idee begeistern, dass die Zelle eine unvermeidliche Form bilde, durch welche der bildende Process bei der Zusammensetzung größerer Bautheile des Körpers oder verwickelter Gestalten stets seinen Weg nehmen müsste. Er betrachtet die Zelle weder als den ersten Schritt des gestaltbildenden Processes, noch für eine Form, die der Natur ! Mechanik der Gestaltbildung. In: Allgemeine Physiologie des körper- lichen Lebens. Leipzig 1851. Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 311 eines organischen Stoffes eben so einfach entspräche, als die Krystall- gestalt der chemischen Qualität eines unorganischen Körpers. Die Zelle ist ihm keineswegs eine Urform, die für organische Substanzen eine Art natürlicher Gestalt wäre und er erklärt es für einen neuen und motivlosen Mysticismus, wenn man in der Form der Zelle ein geheimnisvolles und allgemeingültiges Symbol des Organismus er- blicke und wenn man diese sehr häufige Form als eine überall noth- wendige betrachte. Die Einzelzellen dagegen zur Erklärung des Ganzen ent- schieden in den Vordergrund stellen sehen wir Harrine!. Er war bestrebt, einerseits für dikotyle Gewächse, andererseits für den menschlichen Körper die Gesetze zu entwickeln, nach welchen die Gewebselemente Betreffs ihrer Zahl und Größe im Wachsthum fort- schreiten. Denn nur auf diesem Wege konnte nach seiner Ansicht Aufschluss erlangt werden über die Wachsthumsgesetze der einzelnen Organe und somit des ganzen Körpers. Er unterschied zwei Klassen von histologischen Elementen: 1) solche, welche sich von ibrem ersten Auftreten bis zur völligen Ausbildung nicht oder nur sehr unbedeutend vergrößern; 2) solche, deren Durchmesser sich stets vergrößern. Die Vermehrung der Zahl derselben findet sich nur während des Fötus- lebens, während nach der Geburt besonders die Vergrößerung der einzelnen Elemente in das Gewicht fällt. Das Wachsthum der Ge- webe der ersten Reihe geht dagegen wesentlich durch Vermehrung der Elemente vor sich. In derselben Richtung bewegt sich eine Untersuchung von HER- MANN und LEONARD LAnDo1s?, indem dieselben aus der Bestimmung der Zahl und Größe der Elementarbestandtheile den Gesammtbau von Organen und Körpern abzuleiten bemüht sind. Weit über diese Anfänge hinaus geht CHARLES S. Minor's Unter- suchung? über das Wachsthum als eine Funktion von Zellen. Es lässt sich nicht verkennen, dass auf dem von den zuletzt er- wähnten Forschern eingeschlagenen Wege sich schöne Ergebnisse erzielen lassen und bin ich weit entfernt, dies leugnen zu wollen. Insbesondere würde ich dies erwarten von einer ferneren Verfolgung der Minor’schen Methode, auf welche ich an dieser Stelle aufmerk- ! Recherches micrométriques sur le développement des tissus et des or- ganes du corps humain. Utrecht 1845. 2 Zeitschrift für wissensch. Zoologie, XV, 307. 3 Growth as a function of ceils. Proc. of the Boston Society of Nat. History, Vol. XX, March 5, 1879. 312 A. Rauber sam machen michte. Die neueste Äußerung über das Verhältnis der elementaren zu den ganzen Organismen stammt von R. VIRCHOW!. Seine Schilderung des Eindrucks, welchen die neu erstandene Zellenlehre auf die jüngere Generation von Forschern ausübte, giebt uns ein deutliches Bild jener verflossenen Tage. Von den neuen Lehren, so äußert sich Vırcuow, war alsbald die ganze Atmosphäre erfüllt, dadurch wurden die Jüngeren frühzeitig genöthigt, cellular zu denken. Er gedenkt dabei Jon. MÜLLER's, welcher den neuen Gedanken alsbald den vollsten Eingang in seine Lehre gab und ihnen auch in der Pathologie Boden zu verschaffen gesucht hatte. In Würdigung der SCHLEIDEN-SCHWANnN’schen Betonung des selb- ständigen Lebens der Zellen bemerkt er schließlich: »Dies ist der alte Gedanke von einem Eigenleben der Theile, in strengere wissen- schaftliche Form gekleidet. Dieser Gedanke bildet nunmehr das sichere Fundament unserer Anschauungen vom Leben.« Es wurde soeben die Aufnahme der neuen Lehre von Seiten Jou. MÜLLER’s berührt. In der That spricht sich dieser hervor- ragende Forscher in seinem Lehrbuch der Physiologie folgendermaßen aus: »SCHWANN’s Entdeckungen gehören zu den wichtigsten Fort- schritten, welche je in der Physiologie gemacht worden. Sie be- gründen erst eine bisher unmöglich gewesene Theorie der Vegetation und Organisation.« Nichts bezeugt besser die Stärke des Eindrucks der neuen Lehre, wenn wir bedenken, dass derselbe Forscher wenige Jahre zuvor einen Aufsatz über Organismus und Leben mit den be- kannten Worten Kanr's eingeleitet hatte: »Die Ursache der Art der Existenz bei jedem Theile eines lebenden Körpers ist im Ganzen enthalten, während bei todten Massen sie jeder Theil in sich selbst trägt.« Ich schließe diese historische Übersicht mit den Worten KÖLLI- KER’s?: »Was die (histologische) Wissenschaft seit Schwan bis auf unsere Tage noch leistete, war zwar von der größten Bedeutung für die Physiologie und Mediein und zum Theil auch von rein wis- senschaftlichem Standpunkte aus von hohem Werthe, in so fern als manches von SCHWANN nur Angedeutete oder kurz Besprochene, wie die Genese der, Zelle, die Bedeutung der Zellmembran und des Zell- kerns, die’ Lehre vom Zelleninhalte, die Entwicklung der höheren ! THEODOR SCHWANN; ein Nachruf von R. VIRCHOw. Dessen Archiv, 1882, Bd. LXXXVII. 2 Handbuch der Gewebelehre. Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 313 Gewebe, die chemischen Verhältnisse derselben ete., weiter fortge- bildet wurde, allein alles dieses war doch nicht der Art, dass es um einen namhaften Sehritt weiter, zu einem neuen Abschnitte geführt hätte. Dieser Stand der Gewebelehre wird so lange dauern, als es nicht gelingt, um ein Wesentliches weiter in die Tiefe des Baues der lebenden Wesen zu schauen und auch die Elemente zu erfassen, aus denen das, was wir jetzt noch für einfach halten, zusammen- gesetzt ist.« Wenn wir aus diesem kurzen Überblick, der sich leicht erweitern ließe, die entschiedene Überzeugung gewinnen, dass auf animalem Gebiet sich von Anfang an eine einzige Richtung unentwegt behaup- tet hat und fortfährt in ihrer Stellung zu verharren, indem sie den Schwerpunkt auf die einzelnen Elemente legt, das Ganze des Or- ganismus durch letztere bestimmt sein lässt, und die Selbständigkeit der Einzelelemente hervorhebt; wenn wir sehen, mit welchem Er- folge auf dieser Bahn seither weiter gearbeitet worden ist, müsste es nicht bedenklich, ja schädlich erscheinen, auch nur den Versuch zu machen, eine solche Bahn zu verlassen? Wird es nicht gerathener sein, auch fernerhin dieser Bahn treu zu bleiben, statt von dem Einzel- element anscheinend sich abzuwenden ? Gewiss müsste dies bedenklich erscheinen, doch ist es leicht, bei der wirklichen Lage der Sache völlige Beruhigung zu fassen. Denn es handelt sich keineswegs um ein Abwenden von dem Einzelelement, wohl aber um eine rich- tigere Erkenntnis seines Wesens und seiner Bedeutung. Es handelt sich nicht um eine Befreiung von der Zelle, wohl aber von dem Zellenbanne und der Misskennung des Ganzen gegenüber seinen Thei- len; es handelt sich um eine Zurückführung der Zelle in die ihr zukommende Bedeutung und um eine Verstärkung der wissenschaft- lichen Stellung des Ganzen. | Worauf alles Vorausgehende hinausdrängt, sei also nunmehr im Einzelnen dargelegt. 1) Das Verhältnis des Ganzen zu den Theilen. Zuerst ist zu behaupten, das Ganze bestimme die Theile, und nicht umgekehrt. Denn der fertige Organismus ist nichts Anderes als das in gesetzmäßiger Weise gewachsene und zerlegte (befruch- tete) Ei. Die Bestimmung der Art des Wachsthums ist im Ei ent- halten, eben so die Bestimmung seiner Zerlegung. Das (befruchtete) Ei ist aber das Ganze im jugendlichsten Zustand. Die beiden ersten Morpholog, Jahrbuch. 8. 21 314 A. Rauber Furchungskugeln, in die es sich zerlegt, haben Alles, was sie sind, von ihrem Ausgangspunkt, dem Ei. Wie die beiden ersten Theile, so sind auch alle folgenden bestimmt nach den Gesetzen, mit wel- chen sie ihre erste Bahn antraten. Betrachten wir die Furchung des Eies bis zu irgend welcher Entwieklungsstufe hinaus, so wird die Richtigkeit jenes Satzes, das Ganze bestimme die Theile, jeden Augenblick hervorleuchten. Wer den umgekehrten Satz aufstellt, vergisst, bis zur Furchung und zum Ei zurückzugehen, oder ver- kennt dasselbe vollständig. Sonst wird er bestätigen, das Ganze sei im Jugendzustand vor allen Theilen vorhanden. Dass es sich nicht um ein Additionsexempel der Theile zum Ganzen drehe, wurde be- reits früher bemerkt. Denn zwar machen beide ersten Furchungs- kugeln zu einer gewissen Zeit das Ganze aus, in so fern das Ganze aus seinen Theilen besteht, aber die beiden Furchungskugeln bestim- men nicht das Ei, das in sie überging, sondern letzteres bestimmte vielmehr jene und eben so alle folgenden und zwar nach allen Rich- tungen. Als solche seien hier hervorgehoben die Substanz und Struk- tur, Form und Größe, Lagerung und Kräfte (Ernährung, Theilung ete.). Das Ganze existirt in Wirklichkeit nicht außerhalb der Theile, in die es iiberging; letztere alle aber tragen nach allen erwähnten Richtungen die Bestimmung durch das Ei in sich und wirken gemäß dieser Bestimmung. Aber selbst die Unabhängigkeit einzelner Theile gegenüber den übri- gen Theilen ist nur in bedingtem Maße anzuerkennen. Sie verhält sich sehr verschieden bei verschiedenen Geschöpfen. Auf je höherer Stufe ein Organismus steht, um so stärker ist die Bedingtheit, um so geringer die Unabhängigkeit des einen Theils von den übrigen. Ich sage mit Absicht, von den übrigen, nicht von dem Ganzen. Denn das Ganze ohne jenen Theil ist selbst nur mehr ein Theil. Und was die Ernährung und das Wachsthum eines Elementartheils betrifft, so vollziehen sich diese in bestimmter und zugetheilter Weise, aber nicht desshalb, weil er ein Elementarorganismus ist, sondern weil dem gesammten Protoplasma jene Eigenschaften zukommen, von dem er ein Theil ist. In zweiter Reihe ist der Versuch zu machen, ein acelluläres Wachsthum vor sich gehen zu lassen. ; 2) Acelluläres Wachsthum und die Zerklüftung der Substanz. Betrachtungen über das Protoplasma bildeten den Ausgangspunkt dieser Abhandlung; sie kehrt mit diesem Versuche wieder zu dem Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 315 Protoplasma zurück. Wohl sind wir über seine physikalischen und chemischen Eigenschaften nicht so vollständig im Klaren, als es wünschenswerth wäre. Mehrere seiner Eigenschaften , insbesondere Lebenseigenschaften, kennen wir indessen mit hinreichender Ge- nauigkeit. Lässt sich doch selbst aus den Verhältnissen seiner primären Struktur mit einiger Wahrscheinlichkeit schließen, seine molekuläre Zusammensetzung sei eine radiale. Wollten wir nun abwarten mit ferneren biologischen Untersuchungen, bis für die molekuläre Struk- tur erreicht sein wird, wohin sich die Wünsche erstrecken, so wäre das gewiss ein sehr verfehltes Verfahren. Benutzen wir vielmehr, was wir gegenwärtig bereits besitzen, um damit weiter vorwärts zu dringen. Zu den am deutlichsten wahrnehmbaren und ersten Lebens- eigenschaften des Protoplasma gehört seine Fähigkeit des Wachsthums; wir sehen letzteres vor unseren Augen vor sich gehen und können die Massenzunahme, die das Protoplasma dabei erfährt, bestimmen. Mögen die feineren Vorgänge bei der Intussus- ception und Apposition, die bei diesem Wachsthum eine Rolle spie- len, für uns zum Theil auch noch im Dunkeln liegen, die Thatsache selbst steht fest, so wie auch die Protoplasmastruktur in wichtigen Beziehungen bereits bekannt ist, an welche das fernere Wachsthum anknüpft. Es giebt in Wirklichkeit ein Wachsthum des Protoplasma ohne Ausstattung des letzteren mit einem Kern. Bedienen wir uns dieses von der Natur dargebotenen anucleären Wachsthums, um die Bedingungen möglichst zu vereinfachen. Schalten wir also in Gedanken den Kern der ersten Furchungskugel aus, lassen der letzteren aber ihre übrigen Kräfte. Wir haben alsdann eine protoplasmatische Kugel vor uns, wie sie ein holoblastisches Ei ohne Kern darstellen würde. Die erste auffallende Veränderung, welche wir an dieser Kugel bei ihrer weiteren Entwicklung wahrnehmen, ist ein Serumerguss in das In- nere der Kugel, der mit Kontraktionen des Protoplasma einhergeht. Jener Serumerguss, der zur Entstehung der Keimhöhle Veranlassung gab, ist im Wesentlichen ein trophisches Phänomen, eine Ausschei- dung gleich der einer Driise. Anfänglich nur klein, kann diese Höhle allmählich an Größe zunehmen, bis die relative Form der Fig. 75 Taf. XIV erreicht ist, die eine solche protoplasmatische Ku- gel im optischen Längsschnitt darstellt. Die eine Wand der Höhle ist etwas dünner als die andere, die Höhle liegt also etwas excen- trisch. Aus dieser Stufe der Blastula geht unter Resorption der 21* 316 A. Rauber ergossenen Flüssigkeit, unter fortgesetztem Wachsthum des Protoplama und unter Einstülpung der verdickten Wand die Gastrula hervor, die keiner Zeichnung bedarf. Ihr folgt durch eine neue dorsoventrale Einstülpung oder Faltenbildung die Stufe der Neurula, um sie mit kur- zem Wort zu bezeichnen. Sie ist gekennzeichnet durch die Ausbil- dung des Medullarrohrs. So ist unser acelluläres Wesen bereits im Besitz der wichtigsten Organe, eines Darmrohrs, eines Neuralrohrs, einer Hautdecke, und es wäre natürlich leicht, dasselbe in Gedanken auf die höchsten Stufen der Formbildung zu erheben. Was die Stufe der Gastrula betrifft, so konnten wir dieselbe auf einem mechanisch noch einfacheren Weg entstehen lassen, nämlich durch eine koncentrisch die Blastula theilende Spaltung ihrer Substanz ; es ist dies die delaminirte Gastrula, gegenüber der invaginirten. Es besteht ferner kaum ein Grund, über die Stufe der Gastrula oder Neurula noch hinauszugehen; denn mit ihnen sind die grund- legenden Stadien bereits erreicht. Was noch erreicht wird, ist Fortentwicklung auf der gegebenen Grundlage, keine Auslöschung derselben ; dieselbe Formgrundlage ist also noch in den spätesten Stadien erhalten. Auch das Mesoderm hat sich mittlerweile als ein laterales Faltenpaar des Urdarms entwickelt, die Chorda dorsalis als eine mediane Falte desselben Organs. Fig. 76 zeigt uns den Quer- schnitt durch den Embryo eines solchen Stadiums, Fig. 77 den Quer- schnitt durch ein etwas späteres Stadium, in welchem die Mesoderm- falten und die Chorda sich vom Darmrohr bereits getrennt haben und zu selbständigen Organen geworden sind. Gliederung in Ele- mentartheile so wie Kerne derselben fehlen diesen Figuren von Em- bryonen !. Nicht vergeblich wurde dieser Gestaltungsprocess der Proto- plasmakugel in Gedanken verfolgt. Denn leichter, als es ohnedies geschehen konnte, werden wir dadurch zu Wahrnehmungen nach mehreren Richtungen veranlasst. Gewiss wäre es wünschenswerth, denselben Process in real-experimenteller Weise zu verfolgen. Es musste daran gedacht werden, den Kern in großen Zellen, z. B. in den Furchungskugeln der ersten Stufen des Frosches, am leben- den Objekt zu eliminiren. Man konnte den Kern durch eingeführte Nadeln zu zerstören suchen; oder man konnte ihn mit einer Stich- spritze, die in das Innere der Zelle eingeführt war, extrahiren. Den ! Es sind die Umrisse einiger von HATSCHER kürzlich über die Entwick- lung des Amphioxus gelieferten Figuren. Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 317 Kern zu treffen ist durchaus ausführbar. Aber nicht allein die Hül- len des Eies, sondern auch das Protoplasma desselben erfährt da- durch Verwundungen. Immerhin würde sich bei fortgesetzter Übung auf diesem Wege ein Erfolg erzielen lassen. Über Anfänge von Versuchen dieser Art bin ich jedoch noch nicht hinausgekommen. Zeigt uns zwar schon das Schicksal des unbefruchteten Eies das Ergebnis an, so ist jener in Gedanken vollzogene Gestaltungsprocess des Protoplasma ohne Kern, ohne Zellengliederung durchaus nicht werthlos. Er gestattet vielmehr nach den wichtigsten Seiten hin eine erfolgreiche Verwerthung. Beachten wir zuerst, welches der Erfolg auf die Struktur des Protoplasma wäre, wenn demselben der Kern und seine Theilungen auch nur bis zur Stufe der Blastula (Fig. 75) fehlen würden. Die kernlose Protoplasmakugel, von der wir ausgingen, hatte, wie es der Wirklichkeit entspricht, radiale Struktur. Im Innern, ein wenig excentrisch, entwickelte sich die Keimhöhle. Welches wäre nun die Struktur des Protoplasma der Blastula? Offenbar würde dasselbe eine radiale Struktur derselben Art behalten, mit derselben Cen- trirung, die der soliden Protoplasmakugel zukam. Um einen Vergleich zu gebrauchen, würde die Wand der nunmehrigen Hohl- kugel radial gestreift sein, etwa wie die Zona pellucida eines Säuge- thiereies etc. (s. Fig. 56a). Es wäre keine Veranlassung vorhanden, dass eine andere Struktur, eine andere Centrirung Platz greifen sollte. Sehen wir aber zu, wie im Gegentheil die Struktur des Protoplasma der wirklichen Blastula beschaffen ist, so erblicken wir hier keine einfache radiale Struktur des Ganzen, sondern eine Menge radialer Strukturen (s. Fig. 562); wir erblicken keine einfache Centrirung mehr, sondern eine vielfache und eben so viele radiale Protoplasmastruk- turen. Der Gegensatz zeigt sich auch deutlich, wenn wir das be- kannte Bild der erwähnten Zona pellueida vergleichen mit jener Figur, welche einen Schnitt durch ein in Furchung begriffenes Go- bius-Ei darstellt (Taf. XII Fig. 55). Mutatis mutandis erblicken wir die vielen Centrirungen der wirklichen Blastula im Gegensatz zu jener kernlosen Blastula. Der Unterschied ist also ein sehr bedeutender. In Fig. 55 findet sich außer der Gegenwart von Kernen auch eine Zellengliederung vor. Es lässt sich aber auch der Fall denken, dass die Substanz unserer Blastula (Fig. 75) zwar in gewissen Ab- ständen Kerne besäße, aber keine Substanzgliederung in Zellen sich ausgeprägt hätte. Fälle dieser Art zeigt uns die Wirklichkeit. Ich erinnere nur an das mächtige, entodermale Plasmodium der Knochen- 318 A. Rauber fische. Für uns würde sich hiermit also eine Blastula auf der Stufe des Plasmodium ergeben. Auch der andere Fall ist in Erwägung zu ziehen, wenn die Protoplasmakugel sich zwar im Besitz eines ersten Kerns befunden, dieser Kern aber sich nicht ferner getheilt, sondern von einer Stelle aus seines Amtes gewaltet haben würde. Gewiss wäre eine solche mit einem einzigen ungetheilten Kern ausgerüstete Protoplasmakugel im Vortheil gegenüber einer kernlosen, indessen auf der Blastula- stufe des Embryo bedeutend im Nachtheil gegen jenes Plasmodium. Den Fall übergehend, in welchem die zur Blastula sich ausbildende Protoplasmakugel sich in mehrere kernlose Gewölbestücke getheilt haben würde, verweilen wir schließlich bei der Struktur der wirk- lichen Blastula, die mit kernhaltigen Zellen ausgerüstet ist. Es kommt hierbei zu dem Früheren noch etwas hinzu und dieses Hinzukommende ist die Substanzzerlegung in gewisse Raumtheile. Das Protoplasma liebt gewisse Raumtheile und geht über bestimmte, bei verschiedenen Thieren indess in weiten Grenzen schwankende Raumtheile nicht hinaus, ohne neue Gliederung oder Theilung ein- zugehen. So wächst das Protoplasma des ovarialen Eies zu ansehn- licher Mächtigkeit heran, gliedert sich aber darauf in bestimmter Weise in eine, mit weiterem Wachsthum immer zunehmende Zahl von einzelnen Raumtheilen. Durch diese Gliederung wird vor Allem eine bedeutende Oberflächenvergrößerung hervorgebracht, woran bekanntlich LEUCKART zuerst erinnerte. Mit dieser Gliede- rung geht Hand in Hand eine Auflösung des einfach centrirten Pro- toplasma in ein solches mit vielfacher Centrirung, indem jedes ein- zelne Raumelement mit einem Kern ausgestattet wird. Die Auflösung der einfachen Centrirung bedeutet aber für die Struktur eine Auf- lösung der einfachen radialen Struktur in zahlreiche radiale Struktu- ren, die in gesetzmäßiger Weise zu einem Ganzen verbunden sind. Oberflächenvergrößerung und Multicentrirung verschaffen aber dem wachsenden Protoplasmakörper außerordentliche Vortheile. Mit fortschreitendem Wachsthum, wie LEUCKART zeigte, vergrößert sich die Oberfläche nur im Quadrat, die Masse dagegen im Kubus. »Wenn die Oberfläche, welche für die Aufnahme und Absonderung von großer Bedeutung ist, den Ansprüchen der Masse genügen soll, so ist dadurch ein Moment gegeben für Neubildung von Fläche.« Ja man kann schon die Streckungen, welche das Protoplasma vor der Theilung ausführt, das Hervortreiben von Buckeln etc. unter den Gesichtspunkt des Bedürfnisses nach Oberfläche stellen. Eine Ver- Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 319 größerung der Oberfläche des Protoplasma gewährt auch die Entste- hung der Keimhöhle, die Umwachsung des Nahrungsdotters durch den Keim und alle jene bekannten Faltenbildungen, Einstülpungen, Ausstülpungen, die der fernere Verlauf der Entwicklung mit sich bringt. Die freien Oberflächen von Zellenkomplexen gestatten einen unmittelbaren Stoffverkehr mit der Umgebung; doch auch zwischen den Spaltflächen an einander stoßender Zellen stellen sich schon früh- zeitig besondere, flächenhaft verbreitete oder kanalartige Räume her, welche dem Stoffverkehr zu dienen bestimmt sind. Auf dem schon beschriebenen Querschnitt durch den in Furchung begriffenen Keim des Gobius ist beispielsweise eine größere Zahl von Lücken zwischen den Zellen auf ein derartiges Ursaftlückensystem zu beziehen. In schönster Ausbildung zeigt sich ein Saftspaltensystem bekanntlich zwischen den Epidermiszellen späterer Stufen, wobei nicht ausge- schlossen ist, dass ein besonderer radialer Befestigungsapparat der Zellen gleichzeitig zur Ausbildung gelangt. Wirkt auf diese Weise die Oberflächenvergrößerung günstig ein auf den Ablauf der stofflichen Vorgänge, so verhält sich weiterhin die radiale Struktur des Protoplasma selbst als die günstigste für den Stoffverkehr im Innern der Zelle. Dort sind die intercellula- ren hier die intracellularen Einrichtungen auf das Vortheilhafteste be- schaffen, um einen raschen, allseitigen, tiefdringenden Stoffaustausch zu ermöglichen. Durch die radiale oder gerüstförmige Anordnung des Protoplasma ergeben sich ebenfalls in radialen Richtungen oder in den Gerüstlücken verlaufende Zugstraßen für centripetalen und centrifugalen Verkehr. Wie für die Zufuhr, so stellen auch für die Abfuhr die radialen Wege die kürzesten Vermittler dar. Ein weiterer Gewinn, der durch die Zellengliederung des Pro- toplasma erreicht wird, ist gleichfalls im Bereich der stofflichen Vorgänge gelegen. Er ist enthalten in der Erleichterung der che- mischen und histologischen Gliederung des wachsenden Protoplasma. Das Protoplasma wächst nicht bloß an Umfang, son- dern es gliedert sich auch nach der chemischen und histologischen Seite hin. Schon die Ausführung einer chemischen und histologischen Gliederung innerhalb der weiten Grenzen, welche diesen Vorgängen gezogen sind, bedingt eine gewisse Zerfällung der Substanz und musste zu etwas Analogem führen, wie wir es in der Zellzerlegung des Protoplasma vor uns sehen. | Als ein besonderer Gewinn, der in Folge der Zellzerlegung dem wachsenden Protoplasma erwächst, ist noch zu erwähnen die mit der- 320 A. Rauber selben einhergehende Lockerung der Substanz für den einen, Festi- gung für den anderen Zweck. Beispiele für Lockerung sehen wir viele im Bereich des mittleren Keimblattes, doch nieht ausschließlich; denn in ihm geschehen auch diejenigen Vorgänge, welche zur Erreichung größter intercellulärer Festigung führen; es sei hier nur an Blut und Knochen: erinnert. Große Festigkeit in früher Zeit der Entwicklung erhält besonders das Ektoderm. Beides hängt zusammen mit der Sub- stanzzerlegung des Protoplasma in kleinere Raumtheile, zwischen welchen, und seien sie gleich auf Kosten des Protoplasma hervorgegan- gen, Bildungen zur Anlage kommen, die in dem einen Falle große Festigkeit ausgedehnter Bezirke bewirken, während das Protoplasma selbst, in Lücken eingeschlossen, doch nicht“abgeschlossen, seine Le- bensfähigkeit, Weichheit und Struktur bewahrt. Die Zellengliederung besitzt also auch einen architektonischen Werth, der sich schon in den frühesten Perioden der Entwieklung, in welchen Faltenbildung ete. von so hervorragender Wichtigkeit ist, sehr deutlich ausspricht. Aus dem Angegebenen lässt sich erkennen, dass die Frage an das Protoplasma in anderer Weise zu stellen sei, als es gewöhnlich geschieht. Man erstaunt über acelluläres Protoplasma und über Plas- modien, nicht über Zellen. Mit Unreeht; die Zellzerlegung ist es, die unsere Verwunderung in Anspruch nehmen muss. Acelluläres Protoplasma, Plasmodium ist der einfachere Zustand, sie erregen unser Nachdenken in geringerem Grade, sie haben nicht mehr, sondern minder Auffallendes. Wir haben dagegen allen Grund, die Zelle gewissermaßen nach ihren Ausweisen, nach ihrer Berechtigung zu fragen. Welches ist die Berechtigung ihres Daseins? Wozu bedarf es überhaupt der Zellen? Das Vorausgehende giebt die Antwort nach den am stärksten hervorleuchtenden Richtungen hin. Die Zelle ist ein kernhaltiger Raumtheil des Protoplasma. Bei mehrzelligen Wesen zerlegt sich das Protoplasma während seines Wachsthums in eine mehr oder minder große Menge solcher Raumtheile zur leichteren Erfüllung seiner Aufgaben, als wenn dasselbe eine kompakte, unzerlegte Masse darstellen würde. Die Gründe der Substanzzerlegung in bestimmte Raumtheile, Zellen, erblicke ich also in dem Gewinn, den eine Ober- flächenvergrößerung, Multieentrirung, die Erleichterung chemischer und histologischer Gliederung, die Erzielung größerer Festigung oder Lockerung für den Bestand und die Funktionen des Protoplasma ge- währt. Außerdem würde eine Zerstückelung der Substanz, wie wir sie vor uns sehen, nicht stattfinden. Wir erkennen wohl noch nicht alle Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 391 Gründe der Substanzzerlegung. Wie viel sie aber zu leisten ver- möge, ergiebt schon die Namhaftmachung der erwähnten. Das Ganze, das wachsende Gesammtprotoplasma, tritt bei dieser Betrachtungs- weise sehr lebhaft in den Vordergrund der Erscheinung und die Sub- stanzerlegung sinkt auf den Werth eines Hilfsmittels für jenen Ge- sammtkörper herab, zur Erreichung seiner Zwecke. In gewissen Fällen, in gewissen Protoplasmabeständen selbst höher organisirter Wesen bedarf es mindestens zeitweise einer besonderen Zerlegung in bestimmte Raumtheile nicht; so ergiebt sich das Plasmodium. In anderen Fällen ist selbst ein Kern entbehrlich, wir haben alsdann das kernlose Protoplasma. Was bedeutet nun also der Kern? Das Dasein desselben kann nur mit trophischen Leistungen zusammen- hängen. Schon oben, in dem Abschnitt, der den Kern betrachtete, wurde diese Ansicht als die wahrscheinlichste geltend gemacht. Wir kommen hier von anderer Seite auf diese Ansicht zurück. Centrirung des Protoplasma, Regulirung von Diffusionsströmen werden hier vor Allem in das Auge zu fassen sein. Vielleicht kommt eine Fähigkeit, gewisse Substanzen umzubilden, hinzu. So wurde denn die kernlose Protoplasmakugel auf ihrer Ent- wicklung zu einer Blastula, Gastrula ete. verfolgt, der Werth und das Wesen der Substanzzerklüftung, damit aber auch die Bedeutung der Zelle und ihr Verhältnis zum Gesammtkörper an jenen Schemen, verglichen mit der Wirklichkeit, abgeleitet. Zu dem Process der Überführung der einen Form in die andere ist noch das Folgende nachzutragen. Um die Überführung der einen in die andere Form vor sich gehen zu lassen, wurden stillschweigend einige Voraus- setzungen gemacht, die einer Rechtfertigung bedürfen. Auch hier ist es wieder der Organismus als Ganzes, der den Einzeltheilen Ge- stalt und Gesetz giebt und sie als das Bedingte, nicht umgekehrt als das Bedingende kennzeichnet. Damit jene Protoplasmakugel in eine Gestalt auslaufen könne, wie sie der Gastrula, Neurula und den Folgestadien entspricht, ist vor Allem dem Protoplasma nicht bloß die Fähigkeit eines Wachs- thums, sondern die Fähigkeit eines ungleich vertheilten Wachs- thums zuzuschreiben. Denn wäre das Wachsthum ein in allen Theilen gleiches, so würde aus der Kugel nie eine andere Form, als die der Kugel, ungeachtet allen Wachsthums hervorgehen können. Das der Protoplasmakugel zukommende Wachsthum ist also ein ungleich- förmiges, um mich eines Ausdruckes von Lorze zu bedienen. Soll aber dieses ungleichförmige Wachsthum zu einer geordneten Gestalt 322 A. Rauber führen, wie die Gastrula, Neurula ete. sie besitzt, so muss jenes un- gleichférmige Wachsthum in den verschiedenen Achsenrichtungen bestimmt vertheilt sein; es könnte sonst nicht zu einem Gegensatze von Kopf und Schwanz, von Riicken und Bauch, von links und rechts kommen. Ich folge auch hier wiederum den klaren und scharfsinnigen Auseinandersetzungen von LoTzE!: Damit also diese Unterschiede während des Wachsthums hervortreten können, muss nach jenem Forscher in dem Keim eine Anordnung getroffen sein, welche sich als eine »Asymmetrie in der zukünftigen Längsachse«, ebenfalls als »Asymmetrie in dorsoventraler Richtung«, aber als »Sym- metrie in seitlicher Richtung« ausspricht. Eine dorsoventrale und vielleicht schon longitudinale Asymmetrie spricht sich in unserer Blastula, deren Umrisse, wie angegeben, der Wirklichkeit entsprechen, entschieden aus; die eine Wand der Blase ist dicker als die andere; die Darmanlage schon an der Blastula kenntlich. Aber es ist klar, dass schon in der Vorstufe, in dem befruchteten Ei, die Anlage zu jenen Asymmetrien und zur seitlichen Symmetrie enthalten sein muss. Wer diichte nun nicht an den Kern, d. h. seine Lage in der Pro- toplasmakugel, außerdem aber auch an Protoplasmaunterschiede in der Substanz der Kugel selbst? Es liegt nahe zu denken, dass der ventrale Theil der Protoplasmakugel ein etwas anders beschaffenes körnerreicheres Protoplasma enthalte, als der dorsale Theil des Kies. Eben so ist nichts wahrscheinlicher, als dass der Kern des befruchteten Kies eine leicht excentrische Stellung einnehmen wird, so dass durch seine Lage die späteren Asymmetrien und die Symmetrie bereits an- gedeutet würden. Auch in diesem Sinne kann man also von einer Centrirung des Protoplasma durch den Kern sprechen und bildet darum das hier Gesagte eine Ergänzung zu dem vorher über die muthmaßliche Rolle des Kerns Mitgetheilten. Noch ist nicht Alles erschöpft, was über das Wachsthum des Ganzen und das Verhältnis der Einzeltheile zu dem wachsenden Ganzen zu sagen ist. Um über diesen schwierigen Gegenstand: Klar- heit zu erlangen, wurde zuerst an dem sich furchenden Ei der Nach- weis zu liefern gesucht, das Ganze bestimme die Theile. In zweiter Reihe war das acelluläre Wachsthum einer radial angelegten Protoplasmakugel unser Ausgangspunkt, um die Bedeutung 1 Man hat allerdings kürzlich den Versuch gemacht, die Darstellungen von LoTZE als unklar und verschwommen zu bezeichnen. Allein ich fürchte sehr, der auf LoTzE gerichtete Pfeil habe sich bereits gegen den Schützen selbst gewendet. Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 323 des cellulären Wachsthums, überhaupt aber das Wesen der Substanz- zerklüftung und der damit gesetzten Bildung von Zellen besser er- messen zu lernen. In dritter Reihe sodann sind es die Richtungen der Zerlegung, welche in Betracht gezogen werden müssen. Es kann keiner Frage unterliegen, dass von dieser Seite aus auf das Wesen der Zelle ein neues Licht fallen müsse. Die Zelle ist nicht bloß ein Raumtheil des Protoplasma, sondern ein durch gewisse Spaltrichtungen bestimmter Raumtheil des Protoplasma. 3) Die Richtungen der Zerklüftung. Wird Jemand schon von vorn herein geneigt sein können, anzu- nehmen, die in dem wachsenden Protoplasmakörper vor sich gehen- den Richtungen der Zerlegung seien ganz regelloser, ungeordneter Art? Jedermann wird weit bestimmter vermuthen, dass, wie die Zeit der Zerlegung gesetzlich geordnet ist, so auch die Richtung der Zerlegung gewissen Gesetzen gehorchen werde. So wichtig es ist, über diesen Punkt sich genügende Klarheit zu verschaffen, eben so große Schwierigkeiten stellen sich dieser Absicht entgegen. Ein großer Theil des im vorhergehenden Abschnitt behandelten Materials an sich furchenden Eiern hatte ausschließlich die Aufgabe, durch möglichst sorgfältige, mit der Kenntnis des Zieles ausgeführte Unter- suchungen die Grundlagen herzustellen, auf welchen es gestattet wäre, sicher weiter zu bauen. Die nächsten Schlüsse sind schon bei jener Gelegenheit gezogen worden. Allein die Aufgabe ist eine größere, als es nach jenen ersten Angaben scheinen konnte. Über das Ver- hältnis der verschiedenen Spaltrichtungen unter sich selbst und zu den begrenzenden Oberflächen, seien es äußere oder innere, sind an jener Stelle bereits bestimmte Angaben gemacht worden. Sie be- ziehen sich wesentlich auf Eier, die in der Furchung begriffen sind. Es wurde hervorgehoben, dass eine rechtwinkelige Stellung der einzelnen Spaltrichtungen, welche die verschiedenen Dimensio- nen des Raumes einhalten, sowohl in Bezug auf sich selbst, als in Bezug auf die Oberfläche eine außerordentlich häufige und Jedem sofort in die Augen fallende Erscheinung sei; es wurde indessen da- bei bemerkt, dass, was die Primärstellung der Spalten betrifft, sowohl in Bezug auf sich selbst, als in Bezug auf die Oberflächen entschiedene Ausnahmen vorkommen. Letztere konnten sich in einer gewissen Riicksichtslosigkeit selbst an Objekten einstellen, welche im Großen und Ganzen die rechtwinkelige Stellung der Spalten bevorzugen (Frosch). An anderen Objekten vernachlässigte die Primärstellung 324 A. Rauber der Spalten fast durchgehends die rechtwinkelige Beziehung zum Keim- rand, während die Spalten unter sich selbst strenge oder annähernd rechtwinkelige Kreuzung beobachteten (Knochenfische). Die Sekundär- stellung der Spalten zeigte dagegen in allen Fällen merkwürdigerweise das deutlich ausgesprochene Bestreben, die bisher etwa vernachlässigte rechtwinkelige Beziehung zur Oberfläche herzustellen. Der Übergang in eine rechtwinkelige Sekundärstellung konnte sogar wie mit plötz- licher Bewegung und ohne Mitwirkung neuer Spaltungen erfolgen. Wenden wir uns zu späteren Stadien, als den bisher untersuchten, ja zum erwachsenen Zustande selbst, so bedarf es fast nur eines auf- merksamen Blickes in unsere histologischen Handbücher und auf deren Figuren oder noch besser auf die Präparate selbst, um es zur Gewissheit werden zu lassen, dass die rechtwinkelige Stellung der Spalten zur Oberfläche ein mit außerordentlicher Beständigkeit wieder- kehrendes Vorkommnis sei. Seien die Oberflächen solche, welche ektodermale, entodermale oder mesodermale Bildungen begrenzen, mit überraschender Beharrlichkeit nehmen die Spalten eine recht- winkelige Stellung zur Oberfläche ein. Sind die Zellenlager mehr- schichtig geworden, die obersten Lagen, wie in der Epidermis ab- geplattet, so hindert dies die Betrachtung keineswegs; es bedarf nur eines Blickes auf die tiefste Zellenlage, um sich von jener Stellung zu überzeugen. Das Epithel der neuralen Hohlräume, des gesammten Darmkanals nebst seinen Drüsen, des urogenitalen Apparates ete. lassen das Gesuchte deutlich hervortreten. Die Schichten der Ge- birnwand lassen sich ihrem Ursprung nach vergleichen mit den Schiehten der Epidermis. Letztere werden hervorgebracht durch koncentrische Theilungen der tiefsten Epidermisschichten, worüber nach den Befunden von PFITZNER und meinen eigenen Wahrnehmungen irgend ein begründeter Zweifel ferner nicht bestehen kann. Das Medullarrohr, gleichen Keimblattes wie die Epidermis, entwickelt seine verschiedenen Schichten auf analoge Weise wie die Epidermis die ihrigen!. Die verschiedenen Zellenfolgen der grauen Hirnrinde des ! Über das Dickenwachsthum der Gehirnwand een Untersuchungen führen mich zu folgenden Ergebnissen : 1) Das Diekenwachsthuum der Gehirnwand ist nicht von deren Flächen- wachsthum abzuleiten, sondern ist ein selbständiges, was die Schichtenfolge der Zellen der grauen Rinde betrifft. 2) Auf Querschnitten durch das Gehirnrohr gelangen zahlreiche Kernspin- deln zur Beobachtung, welche mit ihrer Längsachse senkrecht zur Oberfläche stehen, außerdem solche, welche ihr parallel laufen. Beide Gruppen finden sich zerstreut in sämmtlichen Schichten der Gehirnwand und erstrecken sich hier- Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 395 Menschen lassen bekanntlich eine zur gewundenen Oberfliche senk- rechte Richtung erkennen. In früheren Perioden, in welchen die Gehirnrinde noch keine Windungen besitzt, sondern sich glatt aus- breitet, ist die koncentrisch-radiale Anordnung der Zellen, der Form der Oberfläche entsprechend einfacher, doch ebenfalls bemerk- lich. Man kann hiernach z. B. in der Hirnstruktur, wie in der Epidermis, sämmtliche Furchensysteme wieder auffinden, welchen das Ei seine erste Zerfällung verdankt. Mit anderen Worten: Alle em- bryonalen Zwischenstadien arbeiten mit denselben Furchensystemen, welche die erste Substanzzerklüftung vollzogen haben. | Aus dem Angegebenen geht hervor, dass es auf Grundlage der Kenntnis der Gesetze der Substanzzerklüftung umgedreht auch möglich sein muss, nicht allein an Embryonen, sondern auch an erwachsenen Körpern deren histologische Gliederung in den wesentlichen Ver- nach von der mesodermalen Oberfläche des Gehirns bis zur Außenfläche, die den Centralkanal begrenzt. Eine Prädilectionsschicht fehlt und unterscheidet sich hierdurch die Medullarplatte von dem Hornblatt, in welchem eine solche (die tiefste Schicht) vorhanden ist neben äußeren Exklusionsschichten. Es lie- gen dieser Angabe Bilder zu Grunde, welche Kerntheilungsfiguren im Stadium der Äquatorialplatte bis zu solchen der Tochtersterne enthalten, Bilder also, die nicht missdeutet werden können. Lässt sich überhaupt ein Überwiegen von karyokinetischen Figuren erkennen, so nehmen sie im Allgemeinen gegen die mesodermale Oberfläche hin zu. Im Besonderen aber können die Verhältnisse Komplieirungen erfahren. Dies entsteht dadurch, dass an einem bestimmten Objekt Kerntheilungsfiguren z. B. in den äußeren Schichten der Hirnwand feh- len oder nur sehr spärlich vorhanden sind, während die inneren Schichten reich- lich damit ausgestattet erscheinen. In einem anderen Objekt aber fehlen um- gekehrt Kerntheilungsfiguren der inneren Schichten der Hirnwand, während die äußeren Schichten solche in großer Zahl besitzen. Diese Befunde führen zu dem Schluss, dass die Kern- und Zelltheilung in den verschiedenen Schichten der Hirnwand nicht nothwendig gleichzeitig, sondern auch ungleichzeitig ablau- fen kann. Im Übrigen bestimmt sich die Ziffer der Zelltheilungen in den ver- schiedenen Schichten der Gehirnwand aus der in einem bestimmten Bezirk vertretenen Zellenzahl des erwachsenen Gehirns. Aus der erwähnten Eigen- thümlichkeit ungleichzeitiger Kerntheilung erklärt sich wohl auch die Möglich- keit verschiedener Ergebnisse von Seiten verschiedener Beobachter auf einfache Weise. Denn zeitweiliger Mangel kann leicht als Exklusion einerseits, als Prä- dilektion andererseits gedeutet werden. 3) Horizontalschnitte zeigen in der Längsrichtung des Medullarrohrs gele- gene Kernspindeln und sind auch hier wiederum sämmtliche Schichten an der Theilung betheiligt. 4) Es lassen sich also im Ganzen drei Kern- und Zelltheilungsebenen er- kennen, obwohl dabei hier und da eine gewisse Verschiebung der karyokineti- schen Achsen aus der Normalen nach dieser oder jener Seite hin nicht ausge- schlossen ist, 326 A. Rauber hältnissen vorauszubestimmen, wenn man nur die Form der totalen Oberfläche desselben kennt. Schon Linien, welche den totalen Umriss darstellen, geben der Vorausbestimmung eine sichere Grund- lage. Nicht was man in populärer Weise Umrisslinien nennt, kann hier gemeint sein, sondern der aus der Entwicklung sich ergebende totale Umriss. Solehe Umrisse sind auf Tafel XIV enthalten. Für Jeden, welcher der bisherigen Darstellung folgte, kann es nicht schwer sein, die Substanzgliederung in allen beziiglichen Figuren dieser Tafel prineipiell richtig anzugeben. Denken wir uns ferner den medianen Längsschnitt einer jungen Batrachierlarve, etwa das in Görrte’s Atlas der Entwicklung von Bombinator in Fig. 38 gezeichnete Stadium. Dass in der Epidermis dieses Längsschnittes von Bombi- nator, dessen Umrisslinien vollständig vorliegen, zwei Schichten vor- kommen, von welchen die eine abgeplattete Elemente besitzt; dass die Dotterzellenmasse mehrschichtig ist, überhaupt also der Grad der Ausbildung des koncentrischen Furehensystems, lässt sich am Umriss allerdings eben so wenig ermessen, als die Werthe des Abstandes der einzelnen Spalten von einander. An dem einen Organ oder Organ- system ist die Zerklüftung der Substanz eine weitergehende, die einzelnen Raumtheile der Substanz kleiner als an dem anderen; eben so bei verschiedenen Thieren an dem gleiehen Organ. Dies lässt sich wohl am einfachsten erklären aus dem verschiedenen Grad des Bedürfnisses der Organe und Thiere. Im Innern der Dotterzellen- masse scheint eine große Unordnung der Elemente vorzuliegen, wenn wir den Längsschnitt einer jungen Batrachierlarve zu Rathe ziehen. Die Ursache hiervon liegt zum großen Theil an Furchenbrechungen ; die wirkliche Gliederung ist nachweisbar (dies zeigen karyokinetische Figuren; s. Fig. 14, Taf. XI) eine rechtwinkelige. Was man für den wirklichen Umriss eines höheren Thierkörpers zu halten habe, ist nach dem soeben Bemerkten klar. Der Umriss ist anzulegen auf Grundlage der Form der Gastrula, dem äußern Umriss ist desshalb der innere hinzuzufügen. An jener Figur denke man sich nur der größeren Deutlichkeit wegen den Gastrulamund noch offen, so dass man die Fortsetzung des äußeren Umrisses in denjenigen des Darm- und Neuralrohrs erkennen kann. Der wirkliche oder totale Umriss eines erwachsenen höheren Thieres ist also eine äußerst komplieirte Erscheinung; er dringt aus der äußeren Oberfläche und den inneren Hauptröhren in alle Ausführungsgänge der kleinen und großen Drüsen, bis zu deren letzten Verzweigungen. Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 327 Bevor ich mich der Frage nach den Ursachen und der Bedeutung der rechtwinkeligen Form der Substanzzerkliiftung und ihrer Ab- weichungen zuwende, ist es am Platze, einiger Substanzstrukturen zu gedenken, welche ebenfalls in überraschender Weise rechtwinkelige Durehkreuzungen der Bestandtheile erkennen lassen. Das eine der hier zu erwähnenden Gebilde ist der Knochen, dessen wirksame Bestandtheile in Form kleiner Balken und Platten nach den Linien maximalen Zuges und Druckes angeordnet sind und sich einander rechtwinkelig durchschneiden. Die Verhältnisse sind zu bekannt, als dass es gestattet wäre, bei ihnen zu verweilen. Es handelt sich hier nicht um celluläre Durchschneidung, sondern um Bestandtheile, welche aus ganzen Komplexen von Zellen und Intercellularsubstanz bestehen. Eine befriedigende Erklärung ihres Zustandekommens ist schwer. Anderer Art wieder ist der folgende Fall. In Fig. 74, Taf. XIV, ist das Bild eines Querschliffes von dem Stamm eines Bryozoon, Adeona (LAMoUROUX) wiedergegeben!. Die Reihen von Zoözien sind ringsum von Kalklagen umgeben. Die Zoözien der Platte senden aus ihrer nach außen liegenden breiten Seite sehr feine cehitinöse Röhrehen aus, welche die Kalksalze absondern. Diese Chitinröhren sind an den übrigen Theilen der Platte ganz kurz, werden aber da, wo ein Ast sich bilden soll, allmählich länger. In demselben Maße wird auch die abgesonderte Kalkschicht, die sonst auf der Platte nur ganz dünn ist, hier sehr viel dieker, so dass sie die Zoözien vollständig bedeckt. Wo der so gebildete Ast, der in der Regel stielrund und auf beiden Außenflächen der Platte hochge- wölbt ist, seine größte Dicke besitzt, besteht die denselben bildende Kalkmasse aus mehreren über einander liegenden koncentrischen Schichten, gleich als ob die Kalkabsonderung in Absätzen vor sich gegangen wäre, vielleicht periodisch ganz geruht hätte, indem sich zwischen den Schichten keine Lücken zeigen. Der Lauf der von den Zoözien ausgehenden feinen Röhren lässt sich an der Schlifffläche bis zur Oberfläche des Astes verfolgen. Von den Röhren bemerkt KIRCHENPAUER, dass dieselben im Allgemeinen zwar senkrecht in die Höhe steigen, aber nicht ganz gerade, sondern mit einer leichten Biegung. Auf Fig. 74 sind nicht alle Röhren, sondern in größeren Zwischenräumen nur ein Theil derselben angegeben. Was die Beurtheilung dieser Figur betrifft, so erinnert dieselbe ! Nach KIRCHENPAUER, Über die Bryozoengattung Adeona. Abhandl. d. naturw. Ver. zu Hamburg, Bd. VII, Abth. 1, Taf. III Fig. 13. 328 A. Rauber in der Anordnung der Schichten und der sie durchsetzenden Strahlen durchaus an einen von Jun. SAacHs gelieferten Querschnitt von Aristolochia sipho und ist wohl auch dieselbe Erklärung für das Zu- standekommen der rechtwinkeligen Durchschneidung zulässig. Auf eine einfache geometrische Grundlage gebracht zeigt Fig. 74 die Linien eines Systems von Ellipsen, welches durch zwei Systeme von Hyperbeln rechtwinkelig durchschnitten wird. Wesentlich übereinstimmende Spaltung zeigt das nebenan (Fig. 70) gezeichnete Bryozoen-Ei, aus einem etwas späteren Furchungsstadium als das in Fig. 59, Taf. XIII dargestellte, welches außerdem die gleichen Grundzüge erkennen lässt. Welches sind nun die Ursachen und Wirkungen der besonderen Formen, insbesondere der rechtwinkeligen Form der Substanzzer- legung? Was bedingt die nicht rechtwinkelige Form der Zerlegung? So leicht es war, Ursachen und Wirkungen einer Substanzzerlegung im Allgemeinen aufzufinden, so schwer ist es, die Ursachen be- stimmter Formen der Zerlegung zu erkennen. Für die Auffindung der ersteren diente uns die Verfolgung des acellulären Wachsthums einer Protoplasmakugel. Auch für letzteren Zweck bietet sich uns derselbe Weg als ein Hilfsmittel dar. Außerdem ist der Akt der Spaltflächenbildung selbst in Erwägung zu ziehen. Es liegt in der Natur der Sache, dass einige jener Momente, welche oben bei der Betrachtung der Ursachen und Wirkungen der Substanzzerlegung im Allgemeinen zur Sprache kommen, auch für die Untersuchung der be- sonderen Form der Zerlegung wiederkehren. Fragen wir uns also bei Betrachtung der Fig. 75, Taf. XIV, welche Ursache ausfindig gemacht werden könne für das Zustande- kommen einer rechtwinkeligen Substanzzerlegung der protoplas- matischen Blastula, so wird Jedem diese Form als die natürlichste und einfachste, in diesem Falle auch den kürzesten Weg darstellende, erscheinen. Es verhält sich damit eben so, wie mit der Furchung des Eies selbst; wenn einmal dieser Körper überhaupt zerlegt werden sollte, so konnte dies nicht einfacher und natürlicher geschehen, als nach den verschiedenen Richtungen des Raumes, in dem das Ei zu- nächst in zwei Hälften sich spaltete, jede dieser Hälften wieder ete., so dass eine rechtwinkelige Zerlegung die einfachste Folge war. Auch bei unserer Blastula also ist die rechtwinkelige Lage der Spalt- richtungen die einfachste Lage. Die erwähnte Richtung ist hier aber nicht bloß die einfachste der denkbaren, sondern ihre Ausbildung hängt ferner auch zusammen Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 399 mit dem natürlichen Akt der Substanzzerreiiung, welcher zur Her- stellung von Spaltflächen führt. Denken wir uns die Platte der Fig. 564 mehrfach durch Kerne centrirt, wie es daselbst geschehen ist, so wird der Akt der folgenden Protoplasmatheilungen, wenn nieht besondere Verhältnisse alterirend einwirken, rechtwinkelig zu den Oberflächen gestellte Zerreißungsflächen hervorbringen. Dieser Fall gehört in der That zu denjenigen, welche am häufigsten zur Beobachtung gelangen. In dritter Linie kommt sodann dieselbe Spaltrichtung in Frage als diejenige, welche für die Kanalisation des Protoplasma, für den Stoffverkehr zwischen den an einander stoßenden Spaltflächen zweier Zellen den zweckmäßigsten Weg bezeichnet. Viertens kommt noch in Betracht die Festigkeit der Verbindung zwischen den Zellen. Wie bei einem Gewölbe die rechtwinkelige Stellung der Gewölbestücke die meiste Gewähr giebt für die Festig- keit desselben und einem Ausweichen der Elemente vorbeugt, so ist dies auch hier der Fall. Die zahlreichen Brechungen der Furchen, die das Oberflächenbild stören, sorgen für Verstärkung der unter 3 und 4 erwähnten Momente, ohne der rechtwinkeligen Stellung zu den Oberflächen zu schaden. | So viel scheint sich mir ungezwungen zu ergeben für die Er- klärung der rechtwinkeligen Schneidung. Nun treten aber andere Fälle auf, in welchen eine rechtwinkelige Schneidung durch andere Winkel ersetzt wird, sei es dass die Ober- fläche, oder dass die Furchen unter sich selbst in Betracht kommen, wie oben im Einzelnen aus einander gesetzt worden ist. Ist eine Änderung in der Stellung der karyokinetischen Achsen die Ursache, oder, ohne eine solche Änderung, einfach eine veränderte Beschaffenheit des Pro- toplasma? Mag das Eine oder Andere der Fall sein, sicher ist es nothwendig, einen Einfluss der Substanz (Protoplasma, Kern) auf die Spaltrichtung anzuerkennen. WESTERMAIER bezeichnet dies als einen Einfluss der Individualität der Zellen; ich zog indessen schon oben jenen Ausdruck vor, da er meines Erachtens eine richtigere Vorstellung giebt. Man kann nun allerdings, wenn man will, alle jene vier Punkte, welche geltend gemacht wurden, unter den Ein- fluss der Substanz stellen. Da jedoch bei Punkt 1, 2, 3 und 4 die Oberfläche wesentlich mit in Betracht kommt, so bezeichne ich dieselben als Oberflächenmomente. Von der Substanz im Be- sondern hängt es dann also ab, ob die Zerreißung nicht in einer Morpholog. Jahrbuch. 8. 22 330 A. Rauber senkrecht zur Oberfläche oder einer Furche gerichteten Linie, sondern in einer andern Richtung erfolgt. Auf den Einfluss der Substanz ist es ferner auch zu beziehen, wenn bei gleicher Oberfläche zweier Körper eine irgend verschie- denartige Zerlegung stattfindet. Hierher gehören z. B. der Ein- fluss des Nahrungsdotters, Unterschiede zwischen der thierischen und pflanzlichen Furchung ete. Schwieriger ist es, eine Erklärung für das Zustandekommen nachträglicher Korrekturen der Spaltrichtung in solchen Fällen zu finden, in welchen ohne das Eingreifen neuer Spaltungen eine solche Korrektur zu Stande kommt. Es scheinen einfach Protoplasmakon- traktionen für Verschiebungen soleher Art verantwortlich gemacht werden zu können. Das Verhältnis des Ganzen zu den Theilen, die Substanzzerlegung und die Richtung dieser Zerlegung ist hiermit betrachtet. Es bleibt übrig, über das Verhältnis der Form des Wachsthums zu der Form der Zerlegung des Protoplasma Betrachtungen anzustellen. 4) Die Form des Wachsthums und die Zerklüftung des Protoplasma. Nicht bloß das ovariale und befruchtete Ei, sondern auch seine Theilstücke besitzen radiale Struktur. Anders ausgedrückt, geht die Fortsetzung der Substanzzerlegung einher mit einer Fortsetzung der radialen Struktur. Aus einem einfach centrirten Körper wird ein vielcentrirter. Diese Sätze wurden schon früher in Betracht gezogen. Welche Nutzanwendung ergiebt sich aus ihnen für das Wachsthum? In dieser Beziehung wurde bei früherem Anlass mindestens so viel be- tont, dass zwischen dem ovarialen und postovarialen Wachsthum keine Diskontinuität vorhanden sei. Dass das radiale Wachsthum auf alle Fälle sich mindestens so weit hinaus in der Entwicklung des Individuums erstrecke, als die primäre Protoplasmastruktur vor- handen ist, ergiebt der Augenschein. Die sekundären Protoplasma- strukturen, die auf Grundlage der radialen Struktur sich hervorbilden, treten aber erst relativ spät auf, zu einer Zeit, da der Embryo selbst in seinen bleibenden Organanlagen schon einen beträchtlichen Weg zurückgelegt hat. Es ist bekannt, dass die radiale Struktur auch in den sekundären Protoplasmastrukturen eine bedeutende Rolle spielt; sie ist selbst größer, als man anzunehmen pflegte. Bleiben wir bei unseren bisherigen Beispielen, so nehmen wir Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 331 bei der embryonalen Entwicklung des Frosches und des Fisches, überhaupt der meisten Thiere, ‚ein Vorwiegen des Flächenwachsthums gegenüber dem Dickenwachsthum wahr. Ein Vergleich des Eies oder Keimes mit der Gestalt des fertigen Thieres ergiebt dasselbe Verhältnis. Als größte Dicke des Thieres den Abstand zwischen der hinteren Darmwand und der Rückenhaut annehmend, erkennen wir die vorwiegende Größe des Längen- und Breitenwachsthums nur um so deutlicher. In Bezug auf die Oberfläche der ungefurchten Eikugel oder des ungefurchten Keimes betrachtet würde dieses überwiegende Flä- chenwachsthum nun als ein tangentiales Wachsthum anzusehen sein. Auf die Struktur des gefurchten Eies oder Keimes bezogen ist aber bemerkenswertherweise jenes Flächenwachsthum in Wirk- lichkeit ein radiales. Denn die Struktur der einzelnen Elemente ist eine radiale und es ist auf ihrer Grundlage dem Ei oder Keim gestattet, durch radiales Wachsthum in die Fläche zu wachsen. Eine Erwägung der Struktur und Wachsthumsverhältnisse des ge- furchten Knochenfischkeimes Fig. 55 Taf. XIII zeigt dies mit aller wiinschenswerthen Deutlichkeit. Das Ei und der Keim wachsen also postovarial durch radiales Wachsthum nicht bloß in die Dicke (zu derjenigen Zeit und an jenen Orten, wo überhaupt ein Dickenwachs- thum vor sich geht), sondern auch in die Länge und Breite. Es ist dabei durchaus nicht nothwendig, dass dieses radiale Wachsthum nach allen Richtungen gleichmäßig vor sich gehe, sondern es geht ungleichmäßig, mit jenen Abstufungen in den verschiedenen Dimensionen vor sich, wie die longitudinale und dorsoventrale Asym- metrie und die seitliche Symmetrie der ersten Anordnung es mit sich bringt und nothwendig macht. Hieraus ergiebt sich der Werth der Multicentrirung des wachsenden Protoplasma für das Wachsthum mit aller Deutlichkeit. Während nun der gesammte Protoplasmakörper in Folge seiner Vielcentrirung radial in die Länge, Breite und Dieke wächst und das Maß dieses Wachsthums nach der vorhandenen zweifachen Asymmetrie und einfachen Symmetrie sich abstuft, macht auch die Substanzzerklüftung sich dem allgemeinen Wachsthum an- schließende Fortschritte. Sie vollzieht sich dabei senkrecht auf die Ausdehnungsrichtungen des wachsenden Protoplasmakörpers. Diese senkrechte Richtung ist entschieden die herrschende, wie sich aus den vorhergehenden Betrachtungen ergiebt. Die Herstellung neuer Centra hält in der Regel gleichen Sebritt mit der Zerklüftung. 22 + 332 A. Rauber Doch können auch Zerklüftungen unterbleiben, Centrirungen fortschreiten, wie das Plasmodium der Knochenfische an die Hand giebt. Nichts zeigt deutlicher als das ovariale Ei, dass das Wachsthum das Primäre, die Zerlegung das Sekundäre und Bedingte sei. Dass der wachsende Protoplasmakörper des Eies die Zerlegung und Centrirung seiner Substanz bestimme, nicht aber die Theile das Ganze, tritt ebenfalls gerade an der gegenwärtigen Stelle auf das deutlichste hervor. Der werdende Organismus ist hiernach ein nach bestimmten Richtungen sich ausdehnender, nach den verschiedenen Dimen- sionen des Raumes sich zerklüftender und in gesetzmäßiger Weise chemisch und histologisch sich differenzirender Protoplasmakörper. Man kann natürlich entsprechend der Wirklichkeit und auf Grundlage der Erfahrung ferner behaupten, dass die Zerklüftung schon ursprünglich in der Form von trajektorischen Flächennetzen vor sich gehe oder sich nachträglich als solehe Form darstelle. Was ergiebt sich aus alle Dem für die Bedeutung der Zelle? Man muss hier unterscheiden zwischen einzelligen und mehrzelligen Organismen. ‚Jene ersteren sind den Mehrzelligen im Ganzen zu homologisiren. Die einzelligen haben bloß eine Umfassungsfläche ; die vielzelligen haben eine Umfassungsfläche und Zerklüftungs- flächen. Bei den einzelligen Organismen ist die Zelle das Ganze, ein eentrirter Protoplasmakörper. Bei den Vielzelligen ist die Zelle ein centrirter, von bestimmten Spaltflächen begrenzter Raumtheil des Gesammtprotoplasma. Dass das ungefurchte Ei der vielzelligen Thiere in seiner Bedeutung einem einzelligen Wesen entspricht, ist ohnedies allseitig angenom- men. Jene Spaltflächen sind in vielen Fällen schon ursprünglich, in anderen nachträglich, solehe trajektorischer Art. In jungem Zu- stande aus ihrer Nachbarschaft befreit, neigt die Zelle der rundlichen Form zu. Im Zellenverband erfährt sie durch Brechungen, Seiten- druck ete. schon frühzeitig Modifikationen ihrer Form. Mannigfal- tiger noch werden ihre Formveränderungen mit der Ausbildung der sekundären Protoplasmastrukturen. Es steht nichts im Wege cum grano salis mit H. Lorze den Keim einem Krystall zu vergleichen, der einem weiteren Wachs- thum entgegengeht. Die Zellen erscheinen dann gleich Theilen jenes Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 333 (radialen) Krystalls, die durch die Blätterdurchgänge bestimmt werden. Eine Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts des letzten Ab- schnittes führt zu folgenden Sätzen: N on Zur Beurtheilung des Wachsthums und der Zerlegung eines Protoplasmakörpers ist es zweckmäßig, neben Beispielen aus der anorganischen Natur solche aus dem Bereich der bildneri- schen Thätigkeit des Menschen zu vergleichen. Über das Verhältnis der Pflanzenzelle zum Organ oder zur Pflanze selbst haben sich im Laufe der Zeit dreierlei Auffas- sungen entwickelt. Die eine stellt das einzelne Element in den Vordergrund; die andere lässt die Zelle durch das Ganze bestimmt werden; die dritte nimmt eine Mittelstellung ein. Die zoologische Forschung verlegt mit SCHWANN den Schwer- punkt ausschließend auf das einzelne Element des Organis- mus und lässt den letzteren durch die Zellen bestimmt werden. \ Für beide organische Reiche kann indessen der Satz dureh- geführt werden, das Ganze bestimme die Theile nach Sub- stanz und Struktur, Form und Größe, Lagerung und Kräften (Ernährung, Theilung ete.). So geschieht die Ernährung des Einzelelementes in bemessener Weise, aber nicht desshalb, weil der einzelne Theil ein Elementarorganismus ist, sondern weil dem gesammten Protoplasmakörper jene Eigenschaft zukommt, von dem das einzelne Element ein Theil ist. Zur Erkennung der Ursachen und Zwecke der Zerlegung eines wachsenden Protoplasmakörpers in einzelne Raumtheile ist es förderlich, zuerst ein acelluläres Wachsthum , wor- auf die Natur selbst uns hinweist, zu substituiren.} Auf diesem Wege erkennt man, dass durch die Zerlegung eines Protoplasmakörpers in einzelne Raumtheile a) die Ober- fläche eine bedeutende Vermehrung erfährt, womit für die trophischen Vorgänge die größten Vortheile verbunden sind; b) aus einem einfach centrirten Körper ein vieleentrirter hergestellt wird; ce) aus einer einzelnen radialen Struktur zahl- reiche radiale Strukturen hervorgehen. d) Die chemische und histologische Gliederung erfährt durch jene Zerlegung theils eine Erleichterung, theils ist sie als ursächliches Moment der Zerlegung zu betrachten; e) der Aggregatzustand erfährt 334 nn So A. Rauber durch die Zerlegung eine Änderung, zur Lockerung oder zu nachfolgender größerer Festigung. In diesen Momenten kann man die Gründe erblicken, aus welchen es überhaupt zur Bildung von Zellen kommt, da außerdem die wachsende Substanz einer Zerlegung in ein- zelne Raumtheile nicht bedürfte. Die Richtung, in welcher die Zerlegung erfolgt, ist keine zufällige, sondern ebenfalls normirt. Sie ist abhängig theils von der Oberfläche des sich zur Zerlegung anschickenden Körpers, theils von der Substanz des letzteren. Letzteres Moment erklärt es, warum bei gleicher Oberfläche eine ver- schiedenartige Zerlegung eintreten kann, sei es bei Thieren oder bei Pflanzen. Die rechtwinkelige Richtung der Furchen zur Oberfläche ist als die einfachste von allen anzuerkennen, in so weit sie den kürzesten Weg darstellt; sie ist die günstigste Form für die Kanalisation des Protoplasmakörpers und leistet am meisten für die Festigkeit eines Zellenkomplexes; sie hängt endlich unmittelbar zusammen mit dem natürlichen Vorgang der Sub- stanztrennung bei der Zelltheilung. Kennt man die wirkliche (gastruläre) Oberfläche eines erwachsenen Organes und schließ- lich eines ganzen erwachsenen Thierkörpers, so kann man auf Kenntnis der Gesetze der Substanzzerklüftung umgedreht auch die Form seiner cellulären Zerklüftung principiell rich- tig vorausbestimmen. Die Fortsetzung der radialen Struktur vom Ei auf seine Theilstücke ist von Wichtigkeit für die ferneren Wachsthums- vorgänge. Sie ermöglicht nämlich, dass selbst das Flä- chenwachsthum auf radialem Wege vor sich gehe. Nichts zeigt deutlicher als das ovariale Ei, dass das Wachs- thum das Primäre, die Theilung das Sekundäre, Nachfol- gende ist. ‚ Der werdende Organismus ist ein nach bestimmten Richtungen .— im Wachsthum sich ausdehnender, nach den verschiedenen Ausdehnungen des Raumes sich zerklüftender, in gesetzmäßi- ger Weise chemisch und histologisch sich gliedernder Proto- plasmakörper. Bei den einzelligen Wesen ist die Zelle das Ganze, ihnen entspricht das ungefurchte Ei. Bei den vielzelligen Organis- Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 335 men ist die Zelle ein centrirter (kernhaltiger), von bestimm- ten Flächen begrenzter Raumtheil des Gesammtprotoplasma. Als ein solcher erscheint ursprünglich auch das Ei. Leipzig, im März 1882. w [=r] Erklärung der Abbildungen. Tafel XI. Protoplasma und Kern. Gerüstförmiges und radial angeordnetes körnchenhaltiges Protoplasma von Pflanzenzellen. Reifendes Ei aus dem Ovarium der Feldmaus (Schnittpriiparat. 33°/,) mit vacuolenhaltigem trabeculärem Protoplasma. Eifollikel einer Froschlarve zur Zeit der Metamorphose. 33, . Junger Eifollikel eines Triton cristatus. 330/,, Junger Follikel eines Taubenovarium. 330/,. Kern eines jungen Eifollikels von Alligator lucius, mit angrenzendem Protoplasma. Der centrale Theil des Kerns ist trabeculär angeordnet, der periphere enthält kugelförmige Nucleolen in einfacher Schicht. 330). Der größere Theil desselben Kernes im Oberfliichenbild. Junger Eifollikel einer Forelle mit zahlreichen wandständigen Nucleo- len und feinem Binnengerüst. 330/,. Furchungskugel von Gobius pisc. Schnittpräparat. %0/,. Kern eines Eies von Anguilla fluv. (330/,) mit zerstreuten kleineren und größeren Kugelnucleolen. Kern eines jungen Eies vom Kaulbarsch, mit peripherischen, zumeist verästelten, zahlreichen Pliittchennucleolen. Oberflächenbild. 3%). Ein gleicher Kern im Medianschnitt. P, Plittchennucleolen; V, ein Nucleolus mit Vacuole; Z, zapfenförmiger Fortsatz eines Nucleolus. Zwei Furchungskugeln von Gobius pisc., mit Kernspindel ete. %0/,. Zwei Dotterzellen eines Froschembryo im Stadium der Gastrula, mit _ Kerntheilung. 390/,. Zellengruppe aus der Amnionzone des Ektoderm eines Entenembryo von zwei Tagen, mit Kerntheilungen. 3%),. Ektodermzelle des Schwanzes einer jungen Froschlarve in Kernthei- lung, mit Andeutung einer Zellplatte. 150/;. Zellen des Ektoderm der Keimscheibe des Hühnchens, in der Nähe des Primitivstreifens. 330/,. Epidermis der Fingerhaut eines erwachsenen Menschen. 3%/;. Fig. : Fig. Fig. Fig. Fig. : Fig. En 21: . 37. . 38, ig. 40. Al. . 42a. . 426. 43. A. Rauber Stück des einschichtigen Theiles der Keimblase (1,5 mm Durchm.) des Kaninchens, mit zahlreichen Kerntheilungsfiguren. 330/,. Stück des Entoderm der Area embryonalis derselben Keimblase. Tafel XII. Furchung des Froscheies (Rana esculenta). 29/,. 1, erste Längsfurche; 2 und 3, die beiden Hälften der zweiten Längs- furche; 6, Brechungslinie. Obere Polansicht. Ei derselben Stufe ohne Brechungslinie. P, Polgriibchen. Sehr groBe Brechungslinie des oberen Pols. Schema der Furchenanordnung im Stadium der Viertheilung des Eies, mit beiden in parallelen Ebenen auf einander senkrechten Brechungs- linien. Die Furchenabschnitte der oberen Eihälfte sind mit ausgezo- genen, die der unteren Eihälfte mit punktirten Linien ausgeführt Die Furchungskugeln berühren sich mit torquirten Flächen. Zur Erläuterung der Furchenbrechung. 7, 2, die älteren Furchen; 3, die neuentstandene Furche. Die punktirten Linien zeigen die Lagen- veränderung der Furchen an. . 9£ an . 26, wie Fig. 21. Die gewöhnliche Form der Furchenanordnung im Stadium der Acht- theilung der oberen Eihälfte. Obere Polansicht. Der unterhalb der Aquatorialfurche gelegene Eitheil ist in der Figur dunkel gehalten. Die älteren Furchen sind durch starke Linien kenntlich gemacht. 1, 2, 3 und 4, die neuen Furchen. 6, Brechungslinie. .28— 36. Verschiedene Formen des Furchennetzes im Stadium der Achtthei- lung der oberen Eihälfte. Obere Ansicht eines Eies mit 16 Zellen in der oberen Eihälfte. Oberfliichenbild der Zellen des oberen Feldes einer späteren Furchungs- stufe. Gleiche Vergrößerung wie bei den vorausgehenden Figuren. Äußere Form der Zellen des oberen Feldes einer späteren Furchungs- stufe. Medianschnitt eines Eies mit acht Blastomeren der oberen Hälfte. F, Furchungshöhle. 4, Aquatorialfurche. Decke der Furchungshöhle im Stadium der beginnenden Gastrula. 150/,, Zur Erläuterung der Verschiedenheiten des Furchennetzes im Stadium der acht Zellen des oberen Feldes. Die Lagenverschiedenheiten der karyokinetischen Achsen in dem Acht- Zellenstadium der oberen Eihälfte. M, Mittelstellung. Tafel XIII. | Zur Furchung von Gobius piscatorum und Salmo salar. Der Keim ist hell, der Nahrungsdotter dunkel gehalten. Die erste Furche theilt den Keim in zwei neben einander liegende, etwas ungleiche Hälften. 34/;. Fig. : Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 5 Fig. Fig. Fig. Fig. ! Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 39. Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. 337 Viertheilung des Keimes, Silberbild, eigenthümlicher Verlauf der Sil- berfäden. Der Keim unmittelbar vor dem Auftreten der ersten Parallelfurchen. Der Keim mit den ersten Parallelfurchen. Osmiumpräparat. Seitenansicht eines Eies derselben Stufe. Silberbild derselben Stufe. Ungewöhnliches Furchungsbild eines Keimes derselben Stufe. 1, 2, 3 und 4, die vier jüngsten Furchen; unter diesen hat die Furche 2 radialen Verlauf, ähnlich der entsprechenden Stufe des Froscheies. Ungewöhnliches Furchungsbild derselben Stufe. «a, 6, die älteren Furchen; 7, 2, 3 und 4, die neuen Furchen. Der Keim mit dem zweiten Parallelfurchenpaar. Die vier mittleren Zellen sind etwas heller an Farbe und ragen über den umgebenden Kranz von 12 Zellen hügelförmig hervor. Osmium. 2.«Das Vier- und Achtzellenstadium von Tinca nach Rusconi. Seitenansicht eines Eies der Stufe von Fig. 51; 7, Randschicht des Keimes. Späteres Furchungsbild. Die äußersten Zellen (r) umsäumen den übri- gen Keim in Radialstellung. Medianschnitt durch den Keim der Stufe von Fig. 54. Pikrinschwefel- säure, Hiimatoxylin. 7, Randschicht. 6/;. 56a u. b. Zur Erläuterung der Verhältnisse des einfach- und mehrfach- 57. 59. centrirten Protoplasma. Medianschnitt durch einen in Furchung begriffenen Lachskeim. Un- terhalb des gefurchten Theils des Keimes liegt der ungefurchte Theil desselben oder das Plasmodium (Pl) des Keimes. H, eine kleine, zwischen dem gefurchten und ungefurchten Theil des Keims gelegene Höhle; A, Kerne des Plasmodium; N, Nahrungsdotter; Z, eine Art Latebra. Chromsäure. 6/,. Eine Kernspindel des Lachskeimes bei stärkerer Vergrößerung. Die Elemente der Kerntonne haben globuläre Form. 59a, b, ec. Drei Furchungsstadien von Bryozoen (nach J. BARROIS). Tafel XIV. Furchung von Petromyzon. Theilung der Substanz im Allgemeinen. 60. 61. 62. 63. 64. 65. Ei von Petromyzon fluv. nach der ersten Theilung. 6, Brechungs- linie. 36/;. Vierzellenstadium von Petromyzon fluv. - - - Planeri. Obere Polansicht einer späteren Furchungsstufe von Petromyzon fluv. Seitenansicht desselben Eies. Untere Polansicht desselben Eies. c, die an der Stelle des unteren Pols gelegene Zelle. A Rauber, Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. Ei derselben Stufe (Petrom. fluv.) auf dem Medianschnitt. F, Fur- chungshöhle. Dessgleichen von P. Planeri, nach M. SCHULTZE. . 69. Eine von einer Parabel und eine von einer Hyperbel begrenzte Fläche, zur Erläuterung der Form der Substanzzerklüftung in Fig. 70 und folg. Furchungsbild von Lepralia unicornis, nach J. BARROIS. Scheitelansicht des Haarköpfchens von Pinguicula vulgaris, nach J. SACHS. Wurzelkappe von Equisetum, nach NAGELI und Lerraes. 4, Anti- klinen, Z%, Radialen. Furchungsbild von Sarcoptes cati, nach LEYDIG. Querschliff durch den Stamm von Adeona, nach KIRCHENPAUER. — 77. Verschiedene Entwicklungsstufen eines Wirbelthiers (Amphioxus nach HATscHEK) ohne Substanzzerklüftung gezeichnet. Im + “ < I ' # re v / 1% 48 Ya “ ar ~ 2 _ ~“ a Au, as at. ‘Bizdiey yoego pa qsuy Way * Bo dis unemyja hing yp. Berza A — WW... Pane rahol.Jahrbl l | A Fig.21. a Lith Anétv 6. Bach. leipzig. 3 ar — ai ' » nz | er oF : Morphol Jahrbuch. Bd Vill. a | y Taf. Xi. yy o> te ß e+ r u + IF Em nn ts i oe a 2 ——— as; —— _ Se "bizdia] une u! aT neue bug be IM A Be, J bs “ ee r Binden yo gras) a ae zz a u as en) BEE Ein = OS RS | > Ba nn ia. in Lith.Anstv.J.6 Bach. Leipzig orphol Jahrbuch Ba.Vil. Fig. 60. Verlag v.With Engelmann, Leipzig © - ; = Tih Ansty.J6 Bach, Leipzig Ze Beobachtungen über die Entwicklung des ~~ Tentakelkranzes von Hydra. (Auszug aus der Beantwortung einer von der Großherzgi. techn. Hochschule in Darmstadt gestellten Preisaufgabe.) Von H. Jung, stud. r. n. Durch die Mittheilungen von Merescukowsky! und HAAcKE ? über die Entwicklung der Tentakel bei der Gattung Hydra aufmerksam ge- macht, unterzog ich vorigen und diesen Sommer denselben Gegenstand einer Nachuntersuchung. Dabei wurde berücksichtigt die Entwick- lung der Tentakel an Knospen, und die Neubildung der Tentakel an quer abgeschnittenen und an der Länge nach zerschnittenen Thieren. Die Beobachtungen wurden an den drei Arten der Gattung Hydra: H. grisea, H. oligaetis und H. viridis ausgeführt. 1. Die Entwicklung der Tentakel an Knospen. Der Hydrakörper ist ein Schlauch, welcher an dem einen »abo- ralen« Ende geschlossen ist, an dem andern »oralen« Ende eine Off- nung als Mund besitzt und hier einen Kranz von Tentakeln trägt. Die an der Körperoberfläche auftretenden Knospen sind Ausstülpun- gen der Leibeswandung; sie können sich als selbständige Thiere ablösen, nachdem sie an ihrem freien Ende eine Mundöffnung und Tentakel bekommen haben. Denkt man sich durch den Körper des »Mutterthieres« der Länge nach eine Gerade gelegt, so soll diese als Hauptachse des Mutter- thieres bezeichnet werden. Eine solche Achse durch die Knospe, ! MERESCHKOWSKY, On the Mode of Development of the Tentakles in the Genus Hydra. Ann. Nat. Hist. 1878. 3 2 Dr. W. Haacke, Zur Blastologie der Gattung Hydra. Jena. Zeitschr, Bd. VIII. 1879. pag. 135—153. Taf. VI. 340 H. Jung welche die Hauptachse des Mutterthieres schneidet, soll die »Haupt- achse der Knospe« heißen. Diese beiden Achsen bestimmen eine Ebene, welche den Hydrakörper in zwei symmetrische Hälften zer- legt, die wir als »rechte« und »linke« bezeichnen. Die zur Hauptachse des Mutterthieres parallele Richtung kann entweder »oral« oder »abo- ral« sein. Eine zu dieser Richtung rechtwinklige ist dann »rechts-« oder »links-lateral«. Die Zwischenrichtungen werden endlich als »rechts-oral-lateral« ete. durch sich selbst Erklärung finden. A) H. grisea. Wie bei allen Untersuchungen, so stand mir auch fiir die Entwicklung der Knospen das meiste Material von H. grisea zur Verfiigung. Von etwa 800 Exemplaren wurden 150 ge- nau untersucht und ergaben folgende Resultate: Die Entwicklung der Tentakel geschieht in ganz verschiedenen Modifikationen. je nach den Verhältnissen, in welchen das Thier lebt. Die Tentakel können gleichzeitig erscheinen, sie können aber auch nach einander entstehen. Die Art der Entwicklung, wie sie am meisten vorkommt und wohl als normale bezeichnet werden kann, war bei einem im Hochsommer 1880 beobachteten Exemplare folgende: 1) Beim Entnehmen aus dem Teiche waren die ersten Anzei- chen einer Knospe in Form eines kleinen Knöpfchens be- merkbar. 2) Nach 18 Stunden ist die Knospe weiter gewachsen und es hat sich auf ihrer Spitze eine Mundöffnung gebildet. 3) Nach 26 Stunden erscheint in rechts-aboral-lateraler Richtung der erste Tentakel als Ausstülpung der Leibeswandung. Die Nesselkapseln sind noch gleichmäßig über die Oberfläche des- selben vertheilt. 4) Nach 33 Stunden ist zum ersten ein zweiter Tentakel ge- kommen, welcher links-aboral-lateral gerichtet ist; der erste ist etwas gewachsen, doch beinahe unmerklich. Nach 36 Stunden erscheint der dritte Tentakel gegenüber dem zweiten in rechts-oral-lateraler Stellung. 6) Nach 48 Stunden. Der vierte Tentakel gegenüber dem er- sten links-oral-lateral. Nach 63 Stunden. Zwischen dem ersten und zweiten in aboraler Richtung der fünfte Tentakel. Die vier ersten ha- ben beinahe gleiche Größe erlangt und besitzen die Nessel- kapseln in Batterien angeordnet. en = | Beobachtungen über die Entwicklung des Tentakelkranzes von Hydra. 341 8) Nach 76 Stunden. Dem fünften gegenüber zwischen dem dritten und vierten der sechste Tentakel in oraler Riehtung. Der fünfte und sechste Tentakel sind etwas kleiner als die übrigen, jedoch sind alle von verhältnismäßig geringer Größe ; auf allen haben sich nach und nach die Nesselkapseln zu Batterien vereinigt und stehen jetzt auch dichter als auf der Körperoberfläche. Nach 110—120 Stunden. Alle Tentakel sind gleich groß und von halber Körperlänge. Die Entwicklung derselben erscheint abgeschlossen, denn neue Tentakel kommen nicht mehr trotz der besten Nahrung und des vollkommensten Aus- sehens des Thieres. Wie bei diesem, so erfolgte vollständig eben so die Entwicklung der Tentakel bei sechs anderen Exemplaren. Bei der größeren Mehr- zahl war dieselbe etwas anders, sie lässt sich aber wohl überall auf die beschriebene Art und Weise zurückführen. Die Aufeinanderfolge der Tentakel der Zeit nach geschah fol- Ne) co at gendermaßen : Det es Se Ab thei 77 Stuck PPI. WWD: Sy AUS sO ADS EEE Spt rar A wo thy ecb Rte 4) Ch Dis = Hari de Zon w= 5) - = 3:4:5:6 - 4. - 6) - He 4 saab sjn8.9c> Mu. na. 0 52 1600 2 8) - - - 4:-:6 - 3 - Yan=isteleerd =e abo A, 4 10). -..-..-. = .sei!G4eeahObhie= ifeer’ "Sara dee «aT 6 sah 12) - 2:-:4:- -- 3 - ae ar Han T+ novete: Es können also alle Tentakel nach einander erscheinen (1): zwei gleichzeitig und die andern nach einander (2); alle gleichzei- tig (10) ete. Die letzten können auch manchmal ausbleiben (12 u. 13), so dass am Ende der Entwicklung nur drei oder vier Tentakel vorhanden sind. Auch die Richtung im Verhältnis zum Mutterthier und die Stel- lung der Tentakel zu einander war verschieden. Doch ist die in obiger Beschreibung angegebene Art die bei Weitem häufigste gewesen. Die Tentakel standen nach folgendem oben beschriebenen Schema: »* 342 H. Jung oral 1) links-lat. ‘()° rechts-lat. — bei 58 Stück oder 46 %),. aboral Dazu gehören außer den sieben erwähnten Exemplaren nament- lich solche, die bei der ersten Beobachtung schon einen oder meh- rere Tentakel besaßen, so dass die verschiedene Länge derselben zur Entscheidung diente. Dann fand ich die Stellung folgender- maßen : oral 2) links-lat. 30) rechts-lat. — bei 33 Stück oder 27 %,: aboral oral 3) links-lat. 2)! rechts-lat. — bei 26 Stück oder 19 °/); aboral oral 4) links-lat. °C)‘ rechts-lat. — bei 10 Stück oder 6%). aboral Außerdem kam es einige Mal vor, dass der fünfte zwischen dem dritten und vierten Tentakel erschien, wenn diese beiden nicht ge- geniiber standen. B) H. oligactis. Von dieser Species standen mir trotz beson- derer Bemiihungen um dieselbe, nur einige Exemplare zur Verfii- gung. Ein Exemplar, um dieselbe Zeit beobachtet und aus dem näm- lichen Teiche entnommen wie das besonders beschriebene voriger | Species, hatte folgende Entwicklungsstadien : 1) Beim Isoliren zeigt das Thier noch keinen Ansatz einer Knospe. Es streckt sich sehr weit aus und ist durch seine langen Tentakel von H. grisea leicht zu unterscheiden. ) Nach 3 Stunden erscheint die erste Ausstülpung zur Knospe als kleines Knöpfehen ziemlich nahe dem aboralen Ende. 3) Nach 15 Stunden. Die Knospe ist gewachsen und zeigt eine kegelförmig ausgezogene Spitze, welche eine ziemlich enge Mundöffnung besitzt. ) Nach 22 Stunden. Der erste Tentakel rechts-lateral. 5) Nach 36 Stunden. Dem ersten gegenüber links-lateral der zweite. Anordnung der Nesselkapseln in Batterien auf dem ersten Tentakel. 4 Beobachtungen über die Entwicklung des Tentakelkranzes von Hydra. 343 6) Nach 46 Stunden. Zwischen beiden in oraler Riehtung der dritte Tentakel. Die beiden ersten haben eine beträchtliche Größe erreicht. Nach 62 Stunden. Dem dritten gegenüber in aboraler Rich- tung der vierte Tentakel. Der dritte ist inzwischen gewach- sen, aber noch kürzer als die beiden ersten. —1 _— 8) Nach 78 Stunden. Zwischen dem ersten und dritten der fünfte rechts-oral-lateral. 9) Nach 92 Stunden. Der sechste und letzte zwischen dem zweiten und dritten links-oral-lateral. Alle Tentakel sind verschieden groß. 10) Nach 120 Stunden ist die Entwieklung abgeschlossen. Alle Tentakel sind gleich lang und übertreffen die Länge der Knospe. Die Knospe selbst hat sich an dem Mutterkörper eingeschnürt; beide Bauchhöhlen kommunieiren aber noch mit einander. Nach 160 Stunden. Die Knospe löst sich ab und setzt sich fest. Der Körper derselben ist in die Länge gewachsen, doch ist sie kürzer als die Tentakel. — — — 12) Dieses durch Knospung entstandene Exemplar bekommt nach Verlauf einiger Tage die Spuren einer neuen Knospe. em Die andern (sechs Stück) Thiere dieser Species entwickelten die Tentakel auf genau dieselbe Art mit der einzigen Ausnahme, dass einmal der sechste Tentakel dem fünften gegenüber »links aboral- lateral« erschien. Wenn nach diesem Ausnahmefall die Möglichkeit noch anderer Veränderungen in der Entwicklung sehr nahe liegt, so wird im Allgemeinen doch folgendes Schema eingehalten: oral links-lat. so): rechts-lat. — bei 5 Stück oder 83 °/). aboral C) H. viridis. Bei H. viridis, wovon mir Material aus der Um- gegend von Jena zur Verfügung stand, ist die Entwieklung der Ten- takel an Knospen wieder etwas anders als bei den vorhergehenden Arten. Wenn dort ziemlich konstant sechs Tentakel vorkommen, so sind hier bei vollständig entwickelten Knospen meist acht Tentakel anzutreffen. Ein Exemplar, im Sommer 1880 auch beobachtet, bei einer 344 H. Jung mittleren Temperatur von 20° C., zeigte folgende Entwicklungs- stadien : 1) Die Knospe hat sich als deutliche Erhöhung der Leibeswan- dung erkennbar gemacht. ) Nach 10 Stunden ist die Mundöffnung sichtbar. 3) Nach 40 Stunden. Erster Tentakel in oraler Richtung. ) Nach 46 Stunden. Der zweite Tentakel in rechts-aboral- lateraler Richtung nicht ganz gegenüber dem ersten. 5) Nach 53 Stunden. Der dritte Tentakel links-aboral - la- teral. 6) Nach 60 Stunden. Der vierte zwischen dem ersten und zwei- ten rechts-oral-lateral. 7) Nach 65 Stunden. Zwischen dem ersten und dritten links- oral-lateral der fünfte Tentakel. 8) Nach SO Stunden. Zwischen dem zweiten und dritten in aboraler Richtung der sechste Tentakel. 9) Nach 98 Stunden. Der siebente zwischen dem zweiten und vierten rechts-lateral. 10) Nach 112 Stunden. Der achte und letzte zwischen dem dritten und fünften gegenüber dem siebenten links-lateral. 11) Nach 140—150 Stunden. Alle Tentakel gleich lang. Die Einschnürung zum Ablösen der Knospe ist schon bemerkbar. 12) Nach 200 Stunden. Die Knospe hat sich abgelöst, die Ten- takel sind halb so lang als der Körper. Das aus der Knospe entstandene Thier treibt neue Knospen ohne die Tentakelzahl zu vermehren. Die Verschiedenheiten und Analogien, welche bei der Entwick- lung anderer Exemplare hier auftraten, seien wieder tabellarisch gegeben. Der Zeit nach entwickelten: 1) RB RR 5 Blick 2) o-— Re 25 Bea een 4 oe Aa oe Tea elieerieessi20 vile Bete) sole ern ae 6) = 2 24:5 Ted NE Hed 1A: ab DAS = Beobachtungen über die Entwicklung des Tentakelkranzes von Hydra. 345 Das Schema der Aufeinanderfolge war, wie eben beschrieben: oral 1 = 1) links-lat. &O: rechts-lat. — bei 10 Stück oder 55 %/,; 5 2 aboral oral 6 2) links-lat. sO? rechts-lat. — bei 5 Stück oder 27 °/,; aboral oral 4 4 ° 4 es > 3) links-lat. 201 rechts-lat. — bei 3 Stück oder 16 °/). 3 aboral Die Tentakel der Knospen entwickeln sich, wie aus Vorstehen- dem zu ersehen, auf verschiedene Weise. Doch erscheinen bei den verschiedenen Arten folgende Schemata vorherrschend : A) H. grisea; B) H. oligactis; C) H. viridis. 201 (46 %o) ; 2O1 (83 %o) ; :O, (05 %)- 4 2. Entwicklung der Tentakel bei quer abgeschnittenen Thieren. A) H. grisea. Die Entwicklung der Tentakel bei quer ab- geschnittenen Thieren wurde an einer größeren Anzahl von Exem- plaren beobachtet. H. grisea lieferte das meiste Material und eignete sich am besten für diese Untersuchung. Kurz nach dem Zerschneiden mit einer feinen Schere zeigten die Thiere höchst auffallende Formen. Sie zogen sich in kurzen Zeiträumen öfters zusammen, um sich sofort wieder zur größtmöglichen Länge auszudehnen; sie bildeten manchmal am abgeschnittenen Eyde eine oder in verschiedener Körperhöhe mehrere starke Aufschwellun- gen, welche bald wieder verschwanden etc. Dann kontrahirten sie sich sehr eng und blieben in dieser Stellung, bis nach etwa 24 bis 30 Stunden die ersten Spuren von neuen Tentakeln erschienen. Die abgeschnittenen »Mundhälften« mit den Tentakeln setzten sich bald wieder mit ihrem aboralen Ende fest und lebten vergnügt weiter. Bei einem Exemplar von H. grisea geschah die Neubildung der Tentakel folgendermaßen : 1) Nach 20 Stunden. Der erste Tentakel. Morpholog. Jahrbuch. 8. 23 346 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) H. Jung Nach 33 Stunden. Der zweite dem ersten nicht genau ge- geniiber. Nach 46 Stunden. Dem zweiten gegeniiber der dritte Ten- takel. Nach 56 Stunden. Vier Tentakel; der vierte gegenüber dem ersten zwischen dem zweiten und dritten. Nach 70 Stunden. Der fiinfte Tentakel zwischen dem ersten und zweiten. Nach 92 Stunden. Dem fünften gegenüber zwischen dem dritten und vierten der sechste und letzte Tentakel. Nach 140 Stunden. Alle Tentakel sind verhältnismäßig noch klein, zeigen aber unter einander deutliche Längendifferenzen, der Reihenfole der Entwicklung entsprechend. Nach 170 Stunden. Alle Tentakel gleich groß von ungefähr halber Körperlänge. Die Entwicklung erscheint abgeschlossen. Die Entwicklung anderer Exemplare zeigte nun auch manche Verschiedenheiten. Die Aufeinanderfolge der Zeit nach war: 1). 122 18: 4:5 : 6: ber 43 Stick; DB) ves 2 eae ee Se ae ee ee Oe Ape tl Ro ae Ge amie ye erat oe Dim. Be =, sa Babe mie erden tee 9). = Ded. = Tanne Folgende Schemata waren vertreten : I) {C8 bei 26 Stück oder 69 %/). 2) 20% bei 6 Stück oder 16 %%. 3) 2Ö: bei 4 Stück oder 11%. Bei einigen Exemplaren konnte die Stellung des neuen Tenta- kels zu den schon vorhandenen nicht genau festgestellt werden, weil diese gleich groß geworden waren, ehe der neue erschien. B) H. oligactis. Auch hier zeigten die Thiere kurz nach dem Zerschneiden soleh auffallende Formveränderungen wie bei H. grisea. Dann erfolgte die Entwicklung nach diesen Stadien: Beobachtungen über die Entwicklung des Tentakelkranzes von Hydra. 347 1) Nach 26 Stunden. Zwei Tentakel ziemlich gleichzeitig, je- 2 — wo doch nicht genau gegeniiber. Nach 38 Stunden. Zwischen beiden an dem größeren Bogen der durch dieselben getheilten Kreisperipherie der dritte Ten- takel. Alle drei haben ziemlich gleiche Entfernung von ein- ander. Nach 55 Stunden. Dem dritten gegenüber der vierte Ten- takel. Nach 88 Stunden. Zwischen einem der ersten und dem dritten der fünfte. Dem fünften gegenüber zwischen einem der ersten und dem vierten der sechste und letzte Tentakel nach 124 Stunden. Nach 160—200 Stunden. Alle Tentakel gleich lang. Ihre Länge übertrifft die des Körpers. Die Entwicklung ist abge- schlossen. Bei drei Thieren machte ich dieselben Beobachtungen, welche durch das Schema: N; 50) 6 1 4 kurz gegeben sind. Mehr Material stand nicht zur Verfügung. C) H. viridis. Die Neubildung der Tentakel an Querschnitten dieser Species geschah bei einem Exemplar wie folgt: 1) Nach 15 Stunden. Zwei Tentakel gleichzeitig einander ge- 2 3 ae ee —_— genüber. Nach 25 Stunden. Zwischen beiden der dritte. Nach 38 Stunden. Dem dritten gegenüber der vierte Ten- takel. Nach 54 Stunden. Rechts neben dem vierten kommt der fünfte Tentakel. Nach 70 Stunden. Dem fünften gegenüber zwisehen einem der ersten und dem dritten links der sechste. ' Nach 85 Stunden. Zwischen einem der ersten und dem dritten rechts der siebente. Nach 104 Stunden. Dem siebenten gegenüber zwischen einem der ersten und dem vierten links der achte und letzte Ten- takel. Nach 160 Stunden. Alle Tentakel gleich groß und von etwa halber Körperlänge. Die Entwicklung ist abgeschlossen. 23* 348 H. Jung Die Entwicklung geschah der Zeitfolge nach: 1.2 -4:5:6:7:8 beiuippiiek: Dun Ant, 56:7, > 2 234,556.) sotkodlow E 4) 2:38:45 - score le- SO Se Immer erschienen die beiden ersten gleichzeitig, die andern Ten- takel dann nach einander. In Bezug auf Stellung waren folgende Schemata vertreten: 1) {gy bei 4 Stück oder 57 °/,: 2) iO bei 2 Stück oder 29 °/,; 3) iQ)i bei 1 Stück oder 14 %/. Die Neubildung der Tentakel an quer abgeschnittenen Thieren ist auch verschieden. Folgende Schemata sind vorherrschend bei: A) H. grisea; DB) H. oligactis; C) H. viridis: 6 3 4 16); ‚Oi Ci U; ö iO}. 5 i 3. Neubildung der Tentakel an lingszerschnittenen Thieren. A) H. grisea. Wie bei quer abgeschnittenen, so verfolgte ich auch die Neubildung der Tentakel an der Länge nach zerschnittenen Thieren. Die Ergebnisse waren bei sieben Exemplaren gleich in folgenden Stadien. 1) Nach 2 Stunden. Das Thier kontrahirt sich oft und verbleibt dann eng zusammengezogen. Nach 40 Stunden. In der Nähe des Mundes haben sich die Wände einander genähert; der Fuß ist nach innen umge- schlagen. 3) Nach 70 Stunden. Am Munde sind die Schnittflächen zu einer »Naht« verwachsen, der Fuß ist noch mehr einge- schlagen. Nach 120 Stunden. Die Magenhöhle ist durch successives Verwachsen beider Schnittflächen nach unten hin vollständig ad 4) Beobachtungen über die Entwicklung des Tentakelkranzes von Hydra. 349 geschlossen. Auch das eingeschlagene Stück des aboralen Endes ist mit verwachsen. Nach 135 Stunden. Ein vierter Tentakel erscheint da, wo die Schnittflächen mit einander verwachsen sind, in gleicher Höhe, wie die drei alten Tentakel. 6) Nach 152 Stunden. Der fünfte Tentakel links neben dem vierten. 7) Nach 168 Stunden. Neben dem vierten rechts ein sechster Tentakel. 8) Nach 220—240 Stunden. Alle Tentakel gleich lang und da- mit die Entwicklung beendet. on Das Schema der Entwicklung ist nach obigen Erörterungen also folgendes: B) H. oligactis. Hiervon wurden keine Exemplare nach dieser Richtung untersucht. C) H. viridis. Auch bei dieser Species ist ein Weiterleben der längszerschnittenen Thiere möglich. Die Magenhöhle schließt sich, wie bei H. grisea. Die fehlenden Tentakel kamen bei einem Exem- plar folgendermaßen: a Nach 80 Stunden. Der Magen ist geschlossen, die vier noch vorhandenen Tentakel haben sich etwas verschoben. 2) Nach 110 Stunden. Ein fiinfter Tentakel erscheint an der Stelle, wo die Schnittflächen mit einander verwachsen sind. 3) Nach 124 Stunden. Dem fiinften gegeniiber zwischen zwei alten Tentakeln ein sechster. 4) Nach 140 Stunden. Zwischen zwei alten links vom sechsten ein siebenter. 5) Nach 185 Stunden. Links neben dem fünften ein achter und letzter Tentakel. 6) Nach 270 Stunden. Alle Tentakel gleich groß. Die Ent- wicklung erscheint abgeschlossen. Das Schema dieser Entwicklung ist also: 12:6 fe) 1 1" 85 350 4H. Jung, Beobacht. üb. d. Entwickl. des Tentakelkranzes v. Hydra. i Bei einigen noch untersuchten Exemplaren blieben die zwei oder drei letzten Tentakel aus. Anmerkung. Weil die Bildung des Tentakelkranzes bei gewöhnlicher Tempe- ratur ziemlich rasch verläuft und besonders die ersten Tentakel schnell nach einander erscheinen, so wird die Beobachtung der Auf- einanderfolge derselben dadurch erschwert. Um mir die Beobach- tung zu erleichtern, versuchte ich durch Abkühlung des Wassers die Entwicklung zu verlangsamen und zwar mit Erfolg. Denn bei einer Abkühlung auf 5—8° C. erstrekte sich der Knospungsprocess auf die doppelte Zeit. In dieser Weise behandelt wurden neben andern alle besonders beschriebenen Arten mit Ausnahme von H. viridis (s. d.). Resultate. Die vorstehend gegebenen Thatsachen lassen sich in folgende Sätze zusammenfassen: 1) Bei allen drei mir vorgelegenen gut definirbaren Arten der Gattung Hydra können sämmtliche Tentakel zu gleicher Zeit oder einzeln nach einander erscheinen. Die Reihenfolge im Erscheinen der Tentakel ist nicht kon- stant, scheint aber im Allgemeinen für jede Art charakteri- - stisch zu sein. Die Zeiträume zwischen den einzelnen Entwicklungsstadien des Tentakelkranzes lassen sich durch Erniedrigung der Tem- peratur bedeutend vergrößern. BL ao Darmstadt im Oktober 1881. Kleinere Mittheilungen. Zwei holländische Biographien als Beiträge zur Geschichte der Anatomie. Aus dem hastigen Getriebe der Gegenwart den Blick auf die Vergangen- heit richten ist immer erfreulich, zumal wenn die Bilder, denen wir begegnen, ansprechender Art sind. Dies ist der Fall bei den zwei nachverzeichneten Schriften, welche kleine Denkmale bilden, die holländische Pietät bedeu- tenden Landsleuten gesetzt hat. Es äußert sich darin ein schöner nationaler Zug, wie er so oft schon beianderen Anlässen sich kund gab. Obgleich in der Anlage, wie in der Ausführung und Behandlung völlig von einander ver- schieden, wie denn auch die Charaktere der beiden dargestellten Männer so ungleichartig als möglich erscheinen, so haben beide doch das Gemeinsame, dass sie ein helles Licht auf die bezüglichen Zeitverhältnisse und die Zustände der Wissenschaft werfen, welche von Jenen vertreten und gefördert ward. Diese Schriften sind: C. E. Danrets, Het Leven en de Verdiensten van PETRUS CAMPER. 4. Mit 1 Titelbilde. 150 S. Utrecht, 1880. E. H. M. Tuısssen, NıcoLAAS Tur, als geneeskundige geschetzt. Eene Bijdrage tot de Geschiedenis der Geneeskunde in de XVIle Eeuw. Academisch Proetschrift. gr. 8. Mit 1 Titelbilde. 150 S. Amster- dam 1881. Das erste füllt mit der Biographie CAmPpEr’s eine bedeutende Lücke aus, indem unseres Wissens zwar vielfache zerstreute Nachrichten auch manche kurze Abrisse über Leben und Wirken dieses bedeutenden Mannes existiren, aber noch keine zusammenfassende, das ganze reiche Leben dieses Gelehrten und seine vielseitige Thätigkeit in einen einheitlichen Rahmen fassende Darstellung gegeben wurde. Es verdient desshalb alle Anerkennung, dass die Provinciaal Utrechtsch Genootschap van Kunsten en Wetenschappen durch Stellung einer Preisfrage den Anlass gab. Der Verfasser hat aus einem, wie es scheint, ziem- lich reichen Material von Briefen und Aufzeichungen, Reisetagebiichern und anderen Notizen, die ihm zum Theil durch Nachkommen der Familie CAMPER’s zu Gebote gestellt waren, zum Theil aus Archiven benutzbar wurden, ein ge- naues Bild nicht nur des äußeren, sondern auch des inneren Lebens des Mannes zu entwerfen vermocht, den GOETHE ein Meteor von Geist, Wissenschaft, Talent und Thätigkeit nennt. Wir werden in das Elternhaus CAmpER’s eingeführt, sehen die Entwicklung des jungen Mannes, die vielseitigen Anregungen, die allmählich auf ihn wirken und in ihm das reiche Interesse wecken, welches er den verschiedensten Seiten der Naturwissenschaft sowohl, wie der Medicin, nicht minder auch künstlerischen Bestrebungen zugewendet hat. Außer dem Gange seiner Studien und dem, was er in der Heimat empfing, sind es Reisen, die großen Einfluss auf ihn ausübten, indem sie ihm Bekanntschaften bedeuten- der Zeitgenossen und daraus hervorgehende neue Impulse zuführten. — Nach der Darstellung des Lebens und der Verdienste CAMpERr’s giebt uns der Ver- fasser in einzelnen Kapiteln die Beziehungen des Mannes zu den so mannig- faltigen Gebieten seiner Thätigkeit. Wir lernen ihn als ausübenden Künstler 352 Kleinere Mittheilungen. - kennen, als Anatomen und zwar in der umfassenden Art der damaligen Zer- gliederungskunst, dann als Paläontolog, als Förderer der Thierheilkunde, der Geburtshilfe, der Chirurgie und inneren Mediein. Nicht minder tritt er uns für gerichtliche Mediein thätig entgegen, und auch ein Kapitel, das ihn als Land- wirth kennen lehrt, fehlt nicht. In all diesen Kapiteln bilden die bezüglichen litterarischen Arbeiten CAMPER’s zwar die Grundlage der Darstellung, aber es ist dabei auch auf die Entstehung dieser Arbeiten, und das halten wir für das Wich- tigste, gebührende Rücksicht genommen, so dass überall die kausalen Beziehun- gen hervortreten. Wir lernen aber auch, wie diese ihm die Bewunderung der Zeitgenossen entgegenbringende Vielseitigkeit die Intensität der Leistungen be- einträchtigte, so dass an des versatilen Mannes Namen kein Umschwung selbst der von ihm am meisten kultivirten anatomischen Wissenschaft sich knüpft. In einem Anhange des Werkchens sind Erläuterungen der mannigfaltigsten Art, historische Nachweise und manche für den Lebensgang CAMPER's wich- tige Aktenstücke mitgetheilt. Vielleicht hätte die Verschmelzung der den größeren Theil des Werkchens einnehmenden, CAMpPER’s Thätigkeit behandelnden Kapitel mit der eigentlichen Lebensskizze dem Ganzen eine bessere Rundung gegeben und das Werkchen hätte bei solcher wechselseitigen Durchdringung des Stoffes gewiss an Vollkom- menheit nur gewonnen. Wir sind aber entfernt davon, solches als Tadel zu äußern, können vielmehr für das Gebotene nur dankbar sein und schließen mit der Bemerkung, dass ein vortreffliches Bildnis CAMPER’s, Lichtdruck nach einem Gemälde von TıscHBEIN (wohl J. Fr. Aug. T., der zu CAamper’s Zeit in Hol- land lebte. Ref.), der Abhandlung zur besonderen Zierde gereicht. Die zweite Schrift führt uns um ein Jahrhundert zurück in die Amster- damer Chirurgengilde und schildert uns hier nach einem kurzen Abrisse des Entwicklungsganges, die Thätigkeit des N. TuLp nach ihren mannigfachen Seiten. Mag auch hier die Kulturgeschichte für jene Zeit ein nicht unbedeu- tens Material finden, da uns in dem Werkchen ein Einblick ih vielfache Bezie- hungen innerer Lebensverhältnisse des Organismus eines städtischen Gemein- wesens mit der genannten Gilde eröffnet wird, so ist es doch vorzüglich die Thätigkeit des Mannes als Anatom, die uns hier interessiren kann. In dieser Beziehung liegt für uns das Hauptgewicht der Schrift in den reichen Mittheilun- gen über die anatomische Praxis, wie wir es nennen wollen, welche TULP aus- übte. Aus Rechnungen (in denen auch Bier und Tabak nicht fehlen!), Berichten über Leichen, angestellten Sektionen und Einladungen dazu, kurz aus einer großen Menge von Detail, welches mit Umsicht gesammelt und geordnet er- scheint, erhalten wir ein anschauliches Bild von der Ausstattung und dem Trei- ben im theatrum anatomicum über »St. Antonis Poort«. Auch die Geschichte dieses der Chirurgengilde zugewiesenen Lokales, welches noch vor 20 Jahren der Anatomie diente, ist behandelt. Diese Verhiiltnisse hervorhebend, soll damit keineswegs die Bedeutung des Mannes als ausübender Arzt, und ärztlicher Schriftsteller, die in dem Werkchen selbstverständlich am umfassendsten behan- delt ist, hintangesetzt sein. Ein gutes geätztes Blatt, welches TULP in höherem. Lebensalter darstellt, dient dem Werkchen als Titelkupfer. Indem wir von diesen beiden Schriften eine kurze Anzeige geben, möchten wir damit alle Jene darauf aufmerksam machen, die sich für den Entwicklungs- gang der anatomischen Wissenschaft in früheren Zeiten interessiren. GE: m — Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere’, Von Dr. E. Legal. (Aus dem anatomischen Institute zu Breslau.) Mit Tafel XV. IV. KARL ERNST von BAER? führte die Bildung des Thränenkanals bei Säugethieren auf eine gegen das Auge hin gerichtete Ausstül- pung der Mundrachenhöhle zurück; BuRDACH? dagegen wollte in 1 Nachstehende Arbeit wurde von mir als Doctordissertation verwendet. Darauf und auf eine etwas eilige Abfassung, welche seiner Zeit aus äußeren Gründen nöthig wurde, ist es zurückzuführen, dass mannigfache formelle, und einzelne sachliche Veränderungen bei der erneuten Redaktion getroffen wurden. 2 vy. BAER, Entwicklungsgeschichte der Thiere, Theil II, pag. 219: »Der Thränengang stiilpt sich auch hier (bei Säugethieren) aus der Rachenhöhle ge- gen das Auge hervor und liegt Anfangs hinter den Muscheln, die nur, indem sie sich verlängern, sich über ihn ziehen.« '3 Es geht aus der BurpAcH’schen Angabe nicht klar hervor, was unter dieser Hautfalte zu verstehen ist. Die bezügliche Stelle bei BuRDACH, Physio- logie als Erfahrungswissenschaft, lautet: »Der innere Augenwinkel ist mehr verlängert als bei Erwachsenen und steht tiefer als der äußere; schon in der achten Woche erscheint in ihm die Karunkel und eine zur Mundnasenhöhle sich senkende Hautfalte als Anfang des Thränenkanals. Die Thränenpunkte ragen im fünften Monat sehr stark hervor und im siebenten etwas mehr zurück.« Da die zwischen Oberkieferfortsatz und äußerem Nasenfortsatz laufende als Thränen- rinne bezeichnete Furche bei achtwöchentlichen menschlichen Embryonen schon verschwunden ist, so darf man die von BURDACH als Anfang des Thränenkanals Morpholog. Jahrbuch. 8. N 94 354 E. Legal einer vom inneren Augenwinkel zur Mundhöhle sich senkenden Haut- falte die erste Anlage des Thränenkanals erkennen. Der Erste, wel- cher auf die sogenannte Thränenfurche (eine Furche zwischen Ober- kiefer- und äußerem Nasenfortsatz) als Ausgangspunkt der Thränen- kanalbildung aufmerksam gemacht hat, ist ErpL. — Auf der der Tafel VII zur Erklärung beigegebenen Umrisstafel seines Atlas (»Die Entwicklungsgeschichte des Menschen und des Hühnchens im Ei. Leipzig 1845/46«) bildet er in Fig. 2 den Kopf eines vierwöchent- lichen menschlichen Embryo ab, welcher zwischen der Oberkiefer- anlage und dem stark entwickelten äußeren Nasenfortsatze eine Furche aufweist, die nach ErpL zum Thränenkanal sich schließt. Sie zieht von der Nasenöffnung, die noch nicht in Apertura externa und primitive Choane geschieden ist, zum Auge, ist relativ kurz, wird am Auge seichter und gestaltet sich hier durch das Einschie- ben des Augenhügels zwischen die beiden Fortsätze zu einem kleinen, von nach außen konkaven Seiten begrenzten Dreieck, nach ERDL der primitiven Caruncula lacrymalis. Die nach außen sehende Spitze des Dreiecks läuft in die eben beschriebene Thränenrinne aus, die beiden Basiswinkel ziehen sich in zwei ganz kurze, um etwa !/, der Basis des Bulbus herumgreifende Furchen aus, welche zu den Thrä- nenröhrchen werden sollen. Diese Angaben Erpr's blieben, wie es scheint, wenig beachtet. Denn v. Ammon giebt in seinem großen Werke »Über die Entwick- lungsgeschichte des menschlichen Auges« (GRÄFE’S Archiv, Band IV, 1858, Abth. I) bezüglich des Thränenkanals nur das Resultat seiner eigenen Forschungen, welches bei Fötusen aus den drei ersten Schwangerschaftsmonaten ein negatives war. Erst in den späteren Stadien gelang es ihm, denselben aufzufinden. Die neueren Lehr- und Handbücher der Entwicklungsgeschichte stützen sich vornehmlich auf CosTE, der, wenig später als ERDL, in Übereinstimmung mit diesem, aber wie es scheint, selbständig an- giebt, dass der Thränennasengang durch Abschnürung der Thränen- furche sich bilde. geschilderte Hautfalte nicht mit ihr identifieiren ; andrerseits weicht die Auffas- sung von v. EWETSKY (siehe die später citirte Abhandlung), nach welcher Bur- DACH eine vom innern Augenwinkel gegen die Mundhöhle durch das Gewebe des Oberkiefers vordringende Einstülpung im Sinne gehabt hat, zu sehr von dem Wortlaute der BurpAcH'schen Angabe ab, als dass ich seine Deutung für die richtige halten könnte. "Ag 7. Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 355 Aus dem unten angeführten Citat! geht jedoch hervor, dass auch dieser Forscher den Schluss der Thränenrinne zum Thränenkanale nur aus dem Verschwinden derselben vermuthet, nicht aber auf Fron- talschnitten von Embryonenköpfen verschiedenen Alters (vor und nach dem Schluss der Thränenfurche) verfolgt hat. Immerhin gewann die Darstellung CostE’s durch Bestätigung seitens mehrerer anderer Forscher (KÖLLIKER) allgemeine Anerken- nung. — Es war desshalb für Born nicht wenig auffallend, als er gelegentlich morphologischer Studien über die Nasenhöhlen und deren Anhangsorgane (GEGENBAUR, Morphol. Jahrbuch, Band II) bei Am- phibien ein Organ auffand, das dem Thränennasengang der höheren Wirbelthiere durchaus homolog war, aber in seinem Entwicklungs- gange sich wesentlich von dem von CostE geschilderten unterschied. Die Angaben dieses Autors wurden immer unwahrscheinlicher, als weitere, von Born an Eidechsen- und Hühnerembryonen angestellte Untersuchungen den Beweis lieferten, dass auch bei diesen Vertretern zweier andrer großer Wirbelthierklassen dasselbe Grundprineip in der Anlage des Thränenableitungsganges nachweisbar sei, wie bei den Am- phibien, nämlich die Einwachsung einer Leiste vom Epithel der Epider- mis, die sich abschnürt, ins embryonale Bindegewebe hineinwächst und durch Dehiscenz der innersten Zellschichten ein Lumen erhält. Es blieb v. Ewersky (Knapp und HiRscHBERG, Archiv für Augenheilkunde, Band VIII), der seine Forschungen an Rindsembryo- - nen anstellte, vorbehalten, auch für diese den eben skizzirten Bil- dungsmodus nachzuweisen. Doch giebt dieser Autor eine in meh- reren, prineipiell wichtigen Einzelheiten abweichende Darstellung. Es erschien desshalb eine erneute Bearbeitung dieser Frage, eine Prüfung der v. EwErsky’schen Angaben wiinschenswerth. Herr Dr. Born regte mich zu dieser Aufgabe an und unterstützte mich im Laufe der Arbeit so vielfach, dass es mir angenehme Pflicht ist, ihm hiermit öffentlich meinen besten Dank zu sagen. 1 Coste, Histoire générale et particuliére du développement des corps orga- nisés (Paris 1859). In Nr. 4 der Erklärung zu Tafel [Va heißt es: Bourgeon maxillaire représentant le cöt& droit de la mächoire supérieure. Il est en rap- port avec l’oeil par son angle postéro-supérieur. Le sillon qui sépare ce bour- geon de laile du nez se convertira en canal lacrymal (menschlicher Embryo von etwa 35 Tagen). Bei einem Embryo von circa 40 Tagen besagt die Tafel- erklärung von Va: Le sillon primitif, qui séparait le bourgeon maxillaire de laile du nez et aboutissait par son extrémité postérieure a l’angle interne de l'oeil, s'est ici converti en canal lacrymal. 21* 356 E. Legal Herr Professor Hasse hatte die Gewogenheit, mir zur Ausführung meiner Arbeit die Benutzung der Mittel des anatomischen Institutes zu gestatten. Es drängt mich auch an dieser Stelle diesem meinem hochverehrten Lehrer für das mir hier wiederum gütigst bewiesene Wohlwollen und Interesse meinen tiefgefühltesten Dank auszu- sprechen. Die nachfolgenden Untersuchungsergebnisse beziehen sich vor- züglich auf Schweinsembryonen. Embryonen von Rindern, die das Material für die Untersuchungen von v. Ewersky lieferten, konnte ich leider nicht erlangen, doch standen mir noch solche von Kaninchen und Mäusen zu Gebote. Auch bei diesen habe ich konstatirt, dass auf Frontalschnitten nach Verschwinden der Thränenfurche der Thrä- nenkanal nicht in Gestalt eines Hohlraumes, sondern einer soliden Zellwucherung sichtbar ist; doch habe ich hier die Verhältnisse nicht so genau von Stadium zu Stadium verfolgt, wie bei Schweinsembryo- nen, und will mich daher bei der Schilderung der Entwicklungsvor- gänge lediglich auf letztere beziehen. Bezüglich der Technik muss ich betonen, dass für unsere Frage eine gute Färbung der Objekte ganz unerlässliche Bedingung ist; und zwar genügt hier eine gute Kernfärbung noch nicht ohne Weiteres. Die Zellen der Thriinenkanal- anlage differiren nämlich, besonders am Augenende und nach der Abschnürung so wenig vom umgebenden, kernreichen embryonalen Bindegewebe, dass man dieselben nur bei wohlgelungener Färbung, die ihr Protoplasma von der Um- gebung ein wenig abhebt, erkennt und sie auch so auf manchen Schnitten ganz aus dem Auge verlieren würde, wenn dieses richt durch Betrachtung vorher- gehender und folgender Schnitte derselben Serie, in welcher das Bild deutlicher hervortritt, geschärft wäre. Eine in dieser Beziehung mangelhafte Färbung machte manche sonst gute Schnittserie für meine Zwecke unbrauchbar, darauf beruht es vielleicht auch, dass selbst KOLLIKER (Entwicklungsgeschichte 1879, pag. 700) bei Schnittserien von Kaninchen-, Schweins-, Schafs- und Rinds- embryonen keine Spur einer Epidermiseinstülpung wahrnehmen konnte. Am besten geeignet erwies sich für jüngere Embryonen eine Färbeflüssig- keit aus einem Gemisch von einem Theil koncentrirter Pikrinsäurelösung auf etwa 10 Theile Alaunkarminlösung. In diesem wurden die vorher in Alkohol oder noch besser in Müller’scher Flüssigkeit gehärteten, gut gewässerten und dann in Alkohol aufbewahrten, gemessenen und gezeichneten Embryonen etwa 24 Stunden belassen, dann einige Stunden (2—4) erst in 70%), dann in 90 0/, und hierauf für längere Zeit (24—48 Stunden) in eine genügende Menge abso- luten Alkohols gebracht. Ältere Embryonenköpfe, die vorher in Chromsiur- entkalkt werden mussten, wurden, da sie obige Färbeflüssigkeit schwer auf- nehmen, in koncentrirter, ganz schwach ammoniakalischer Karminlösung gefärbt, im Übrigen eben so behandelt. Im Übrigen wurden die Schnittserien nach den bekannten Methoden ange- fertigt, als Einbettungsmasse die Walrath-Ricinusiélmischung verwendet. Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 357 Ich berücksichtige hier nicht die ersten Entwicklungsstadien des Geruchsorganes, welche in meiner Dissertation (pag. 14—19) in Übereinstimmung mit den Angaben von KÖLLIKER und Dursy ge- schildert wurden, sondern knüpfe gleich an das Stadium Fig. 1 an, in welchem die Thränenkanalanlage beginnt. Die Länge! des gan- zen Thieres beträgt dann 4,2 cm (im frischen Zustande gemessen). Die Geruchsorgane stellen sich in diesem Stadium als noch deutlich paarige Hügelchen dar, welche an der äußern, untern und vordern Ecke des Kopfes aufsitzen und von einander durch eine tiefe, von rechts nach links konkave Furche geschieden sind. Nach oben zur Stirngegend, so wie nach hinten zur Wangengegend findet ein flacherer Abfall Statt, eine undeutliche Furche bildet hier die Grenze. Die Basis, mit welcher diese Hügelchen aufsitzen, ist oval, der Längsdurchmesser des Ovales von unten und ein wenig außen und hinten, nach oben und ein wenig innen und vorn gerichtet. Die Erhebung derselben über das Niveau der Schädelfläche ist in den oberen Partien am beträchtlichsten, der unterste Theil befindet sich dagegen mit der Stirnwangengegend auf gleichen Niveau. Die Hügelchen sind stark abgeplattet, die abgeplattete Fläche sieht nach außen und vorn. Sie trägt in ihrer Mitte die schmalelliptische, , ähn- liche Apertura nasalis externa, den Eingang zur Nasenhöhle. Man bemerkt weiter den Oberkieferfortsatz (0), welcher über dem seitlichen Theil der Mundhöhle stark vorspringt und gegen den äußeren Nasenfortsatz durch eine erst horizontale, dann leicht ab- warts konkave Furche, die Thränenfurche (tiv) abgegrenzt ist. Die- selbe geht nach hinten in eine Furche über, die zwischen dem Augenhügel und dem aufgewulsteten oberen Rande des Oberkiefer- fortsatzes sich bildet — die untere Lidfurche. Vorn vereint sie sich mit einer von der äußern Nasenapertur abwärts ziehenden Furche, die zwi- schen dem äußern Nasenfortsatz (aN) und Oberkieferfortsatz einer- seits, dem inneren Nasenfortsatz (N) andererseits herabläuft und die Stelle bezeichnet, wo diese Wülste zur Trennung der bisher ein- fachen Öffnung der Nasengrube in primitive Choane und äußere Nasenapertur mit einander verwachsen sind. Der äußere Nasen- fortsatz stellt eine relativ dünne, innen leicht ausgehöhlte Platte dar, er bildet die Außenwand der Nasenhöhle ; der innere Nasenfortsatz ! Die hier und später angegebenen Maße beziehen sich auf eine von der Schwanzspitze bis zur Schnauze am Rücken entlang in der Sagittalebene ver- laufende Linie, die bei größeren Thieren direkt, bei kleineren mittels Spiegel- _apparat gemessen wurde. 358 E. Legal ist dagegen knopfförmig angeschwollen und mit seinem unteren Ende hakenartig lateralwärts umgebogen, wodurch es bedingt ist, dass die äußere Nasenapertur nicht direkt nach vorn, sondern nach vorn außen schaut Die Nasenhöhle selbst gleicht einer in transversaler Richtung komprimirten Tasche (BORN), ist am obern und hintern Theil ihrer Wand mit hohem Sinnesepithel bekleidet und endet mit ihrem hin- tern, obern Ende blind. Ihr Boden zeigt über eine ganze Strecke weit einen Defekt, wodurch eine Kommunikation von primitiver Mund- und Nasenhöhle vermittelt wird. Diese Öffnung bezeichnet man als primitive Choane. Von der Gaumenfläche aus gesehen stellt sie eine sehr schmale, am vorderen Ende zugespitzte Ellipse dar, die sich unter dem vorderen Ende des Oberkieferfortsatzes versteckt. Auf einer Serie von Frontalschnitten erscheint demnach die Na- senhöhle als ein ovales Loch, das auf den vordersten Schnitten seit- lich (entsprechend der äußern Nasenapertur), auf weiter hinten, im Bereich der primitiven Choane gelegenen nach unten geöffnet ist, ganz hinten dagegen und auf den Schnitten zwischen äußerer Nasenaper- tur und primitiver Choane allseitig geschlossen erscheint. An der Innenseite der Nasenhöhle findet sich das in der Profil- ansicht jetzt unsichtbare (früher sichtbare) Jacobson’sche Organ. Es stellt sich auf dem Frontalschnitt als eine mit sehr hohem Riech- epithel ausgekleidete Einstülpung in das Nasenseptum dar, die vor- läufig noch durch weite Öffnung mit der Nasenhöhle kommunieirt; körperlich betrachtet ist es eine durch seitliche Spalte nach außen geöffnete Hohlkugel. Über der Verschmelzungsstelle schließt sich an die Nasenhöhle nach unten ein sehr niedriger und sehr schmaler Gang an, der von der Nasenapertur bis zur primitiven Choane verläuft und später zum vordern Theil des untern Nasenganges wird; über dem vordern Theil der primitiven Choane, also da, wo die Nasenhöhle auf dem Frontal- schnitt wieder (und zwar nach unten) spaltförmig geöffnet erscheint, geht von dem primitiven untern Nasengang aus eine epithelgefüllte Ausstülpung nach außen. Sie deutet eigentlich die Grenze zwischen Oberkiefer- und äußerem Nasenfortsatz an und begrenzt von unten eine flachkonvexe Erhebung an der äußern Nasenhöhlenwand, die Anlage der untern oder primären Muschel!. Eine noch flachere Er- ! Die untere Muschel, welche nach GEGENBAUR der mittlern Muschel der Vögel und der einzigen Muschel der Saurier entspricht, entbehrt bei Säugethie- Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 359 hebung darüber, welche sich von jener durch eine Furche trennt, ist die Anlage der sekundären oder Riechmuschel. Erstere ist über der Choane selbst weniger deutlich, als hinter derselben, wo der Nasen- höhlenboden wieder vollkommen abgeschlossen ist. Eine genauere Betrachtung der äußeren Oberkieferfläche zeigt uns eine seichte Furche, welche von der Spitze des Oberkiefers und zwar von dem vordersten Ende der Thränenfurche aus, parallel dem untern Rande des Oberkiefers hinzieht, um sich in der Mitte des- selben abzuflachen und zu verlieren. Diese Furche bezeichnet man als Lippenfurche, den unterhalb gelegenen Theil, der zur Lippen- bildung in Beziehung steht, als Lippenantheil des Oberkiefers. Auch auf der Unterfläche desselben ist der Lippenantheil durch eine (zu- nächst freilich noch flache) Furche abgegrenzt, und zwar gegen eine leistenartige Erhebung, welche von vorn nach hinten an Höhe zu- nimmt und als Gaumenleiste benannt wird, weil sie zum sekundären Gaumen auswächst. Sie geht vorn in das angeschwollene Ende des innern Nasenfortsatzes über; hinten ist sie deutlicher ausgeprägt und bewirkt, dass die untere Oberkieferfläche, welche vordem stumpf- winklig in die Gaumenfläche des Schädels überging, in 2 Flächen getheilt wird, deren eine jetzt Seitenwand des Gaumengewölbes wird, deren andere als Unterfläche des Oberkiefers dem obern Rande des Unterkiefers gegenüber tritt. Jene kann man als innere untere Fläche bezeichnen, im Gegensatz zur inneren oberen Fläche, die mit dem äußern Nasenfortsatz resp. der seitlichen Schädelwand ver- wachsen ist. Der obere Rand der äußern Oberkieferfläche ist besonders in seinem hintern Theile stark gewulstet, in Folge dessen die untere Lid- furche sowohl, wie der hintere Theil der Thränenfurche ziemlich tief ist; nach vorn zu wird dieselbe wesentlich seichter. Auf Frontal- schnitten erscheint sie als spitzwinklige, ziemlich tiefe Einkerbung der Randkontur, deren Längsdurchmesser nach unten und innen ge- richtet ist. Am Augenende wird diese Einkerbung schmäler und tiefer und geht nicht mehr nach unten innen, sondern bloß nach unten, läuft also parallel der äußern Oberkieferfläche. Der Winkel zwischen ihr und dieser wird von der Nase gegen das Auge hin demnach immer schmäler. Der Grund der Thränenrinne ist mit einer höhern Epithelschicht ren des Riechepithels, ein Umstand, dessen morphologische Bedeutung hier nicht Berücksichtigung finden kann, der aber einer genaueren Untersuchung bedarf. 360 E. Legal ausgekleidet als die übrige Epidermis. Dies kommt daher, dass zwischen die Cylinderzellschicht und die deekende Plattenzellschicht, wie sie sonst die Epidermis zusammensetzen, eine oder zwei Schich- ten cylindrisch oder kubisch geformter Zellen sich einschieben. Fast in der gesammten Länge der Thränenfurche bemerkt man nun bald auf Frontalschnitten eine zapfenförmige, leistenartige Epi- theleinwachsung. Der Anfang dieser Epithelleiste fällt in einen Fron- talschnitt mit der Einmündung des Jakobson’schen Organs in die Nasenhöhle, etwas hinter das vordere Ende der primitiven Choane. Dieselbe hat vorn die Form eines Dreiecks mit abgerundeten Win- keln, die eine Seite ist frei und bildet den Grund der Thränen- furche, die andern beiden sind in das unterliegende Bindegewebe eingesenkt, weiter hinten erscheint die Einsenkung schmäler. Die äußere, aus platten Zellen bestehende Schicht der Epidermis zieht über diesen Zapfen, der dieselbe Richtung (nach unten innen, resp. nach unten allein in den hinteren Partien) hat, wie die Thränen- furche, hinweg, ohne mehr so tief wie vorher in letztere einzudrin- gen. Erst in der Nähe des Auges sieht man das Plattenepithel tiefer und tiefer in den Zellzapfen eindringen, endlich verschwindet derselbe (am vordern Ende der Lidfurche) ganz. Die Thränenfurche ist also durch die Zellwucherung abgeflacht, doch ist letztere zu breit und zu tief, als dass sie durch eine bloße Ausfüllung jener erzeugt gedacht werden kann, es muss auch ein selbständiges Ein- dringen derselben in das umgebende Keimgewebe angenommen werden. Wie stellen sich nun die histologischen Verhältnisse dieses Zell- wucherungsprocesses dar? Nach v. EweErsky finden sich bei »Embryonen von etwa 1,9— 2,0 cm Länge« die »Anzeichen der beginnenden Entwicklung des Thränennasenganges und zwar fast in der ganzen Ausdehnung der Thränenfurche. Dieselbe wird durch Wucherung des die Furche auskleidenden Hornblattes eingeleitet, wodurch die Wände der im Grunde engen Spalte nicht nur in Berührung kommen, sondern es entsteht bald ein solider, zapfenförmiger Körper, welcher durch einen deutlichen Stiel noch im Zusammenhange mit dem Hornblatte bleibt (Tafel IX, Fig. 16).« Diese Fig. 16 zeigt einmal, dass dieser Zapfen schon am eingesenkten Ende unregelmäßig aufgetrieben ist, eine Erscheinung, die nach meinen Erfahrungen erst späterhin, nicht bei der ersten Bildung auftritt. Ferner sind die histologischen Verhält- nisse in der Zeichnung v. Ewersky’s höchst bemerkenswerth. In Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 361 den Grund des Zellzapfens steigt nämlich nicht bloß die Cylinder-, sondern auch die platte Deckzellenschicht mit hinab. Auf letzterer ruht dann ein mächtiges Zelllager auf, welches nach v. Ewersky aus der Deckzellenschicht hervorgegangen sein soll; es finden sich jedoch nirgends deutliche Übergangsformen zwischen diesen und den rundlichen, unbestimmten Gebilden der Füllung, wie es doch der Fall sein müsste, wenn letztere von ersteren abstammten. Auclı fehlt der Füllung jede scharfe Begrenzung nach außen; es wäre aber, glaube ich, ohne Analogie, dass eine Epithelmasse ohne Grenz- schicht unter normalen entwicklungsgeschichtlichen Verhältnissen frei ansteht; endlich erscheint diese Füllungsmasse selbst sehr undeutlich charakterisirt, diehtgedrängte Körner und Körnchen von schwer zu definirendem Wesen, aber sehr verschieden von dem anstoßenden, scharf gezeichneten und gut charakterisirten Epithel. Dieser Darstellung vy. Ewersky’s kann ich nach meiner Beob- achtung nieht zustimmen. Ich machte vielmehr einen ähnlichen Be- fund, wie er von Born vom Hühnchenembryo geschildert worden ist (siehe Fig. 2). Der Grund des Zellzapfens wird von denselben Cylinderepithelien begrenzt, welche sich weiterhin in die zweite Schicht der Epidermis fortsetzen. Sie stehen auf einer ziemlich scharf abgegrenzten Basalmembran auf, haben große ovale Kerne mit spärlichem Protoplasma dazwischen. Die Zellkerne sind im Ver- hältnisse zum Protoplasma weit größer, als sie v. Ewersky gezeich- net hat. Auf diese Cylinderzellen folgen nun niemals platte Zellen, sondern zunächst noch ein bis zwei Schichten unregelmäßig, bald mehr cylindrischer, bald kubischer, bald polygonaler Zellen; in der Mitte des Zapfens findet man die Kerne meist spärlicher und weiter von einander abstehend; dazwischen ein fädlichkörniges Protoplasma, ohne deutliche Zellgrenzen; über den Zapfen hinweg zieht sich als Abschluss ein eben solches Plattenepithel wie in der angrenzenden ‚Epidermis. Auf dem Durchschnitt tritt dasselbe in Form gut abge- grenzter, mit den spitzen Enden an einander stoßender Spindeln auf, welche entsprechend gebildete, schmal-ovale oder schmal-elliptische Kerne besitzen. Zwischen dieser Deckschicht und der kernarmen protoplasmatischen Mittelschicht des Zapfens findet man nun- nicht selten eine Zellanhäufung von ca. 8—15 Zellen auf dem Querschnitt, welche meist rund mit rundlichem Kerne, seltner platt und den Deckzellen ähnlich geformt sind. Sie sind wahrscheinlich durch Proliferation der Deckzellschicht entstanden, von dem Rest des Zellenkomplexes ist es dagegen nach der eben gegebenen. Beschrei- 362 E. Legal bung nicht zweifelhaft, dass er von den cylinderförmigen Basalzellen herstammt. Vorgreifend will ich bemerken, dass, wenn der Grund des gewucherten Zellzapfens anschwillt, sich abschniirt und nur noch durch einen dünnen Hals mit der Epidermis zusammenhängt, jene Zell- schicht, welche wahrscheinlich der Deckzellschieht entstammt, nicht in das abgeschnürte Stück eingeht, sondern in die Epidermis einge- zogen wird!. — Für die Frage der Entstehung des Thränennasenganges aus der Thränenrinne folgt daraus, dass derselbe nicht, wie v. EwETsky meint, die »modifieirte, von der Oberfläche abgeschniirte Thränen- furche« ist; denn ein wesentlicher Bestandtheil der Thränenrinne, die Deckzellschicht nimmt an seiner Zusammensetzung keinen Antheil. Dass sich nach meiner Darstellung die Abflachung der Thränenfurehe ebenfalls ungezwungen erklärt, ist ersichtlich ; sie findet durch Er- hebung des Grundes der Thränenfurche zum Niveau der Umgebung Statt, nach v. EwErsky dagegen, in ähnlicher Weise, wie ein Gra- ben durch Zuschütten nivellirt wird, durch Ausfüllung mit Epithel- massen, die — merkwürdig genug — ganz anders geformt und ge- staltet sein sollen, als die Zellen, denen sie entstammen und die sich mit ihrer schroffen Abgrenzung gegen die Mutterzellen als ein von denselben durchaus heterogenes Element darstellen. Die weiteren Veränderungen, welche an der zapfenartigen Ein- wachsung nun erfolgen, lassen sich kurz als eine Anschwellung des unteren Endes, Abschnürung und in die Tiefe Sinken des ange- schwollenen Endes bezeichnen. Doch betheiligt sich, gerade wie beim Hühnchen, das vorderste Ende der Thränenkanalanlage an diesem ganzen Processe nicht. Die starke Zellvermehrung hat hier nieht ein nach Einwärtsdrängen der- selben, sondern ein Empordrängen der außen befindlichen Deckzellen zur Folge, wesshalb man auf dem Durchschnitt einen kleinen, nied- rigen Epithelzapfen vom Grunde der Thränenfurche aufsteigen sieht. Etwas mehr nach hinten beginnt nun die Anschwellung des innern, 1 Es kommt bei Schweinsembryonen, die wohl selten ganz frisch eingelegt werden können, nicht so selten vor, dass die äußerst zarte zweizellige Epider- mis locker und brüchig wird und dass daher bei den Manipulationen des Schneidens und Auflegens sich Spalten und dgl. in derselben bilden. Dies geschieht am leichtesten da, wo der Kontur des Schnittes so wie so einge- schnitten ist, wie im Bereich der Thränenrinne ein geringer Zug am Oberkiefer- fortsatz genügt, um ein solches Artefakt zu erzeugen. Derartige Bilder müssen mit großer Vorsicht beurtheilt werden. Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnigten Wirbelthiere. 363 untern Endes, welche vorn verhältnismäßig gering ist, so dass der gesammte Epithelkomplex auf dem Durchschnitt biskuitförmig er- scheint (nach der Durchtrennung des später immer dünner sich aus- ziehenden »Halses« [Verbindungsstiick mit der Epidermis] bleibt ein von außen oben nach innen unten gestelltes Epitheloval übrig). Nähert man sich dem Auge, so wird die Anschwellung des untern Endes immer dicker, auf dem Frontalschnitt kreisförmig, doch bleibt dieselbe noch durch breiten Hals mit der Epidermis in Verbindung. Dieser »Hals« sitzt bald nach seiner Entstehung am Augenende nicht mehr im Grunde der Lidfurche, sondern der untern Seite des win- keligen Einschnittes an. Dicht vor dem Auge nimmt die Anschwel- lung wieder ab; auf dem letzten Frontalschnitt, der die Zellwuche- rung noch enthält, stellt diese nur noch einen ganz kleinen, fast quadratischen, mit der Lidfurche zusammenhängenden Zapfen dar. Die schon früher geschilderte Lage- und Richtungsveränderung der Zeilwucherung bei Annäherung an das Auge, vermöge deren der weiter vorn nach innen unten gerichtete Grund nach unten außen gedreht und zur Epidermis parallel gestellt wird, ist auch jetzt noch deutlich zu erkennen. Dagegen konnte ich bei Schweinsembryonen ein Divergiren des Epithelzapfens am Augenende in 2 gespaltene Fortsätze, wie sie v. EwErsKY für Rindsembryonen beschreibt, nicht bemerken. Aus den beiden Fortsätzen entstehen nach v. EwETSKY die Thränenkanälchen. Beim Schwein werden dieselben nicht so zeitig angelegt. Hier bemerkt man in einem etwas späteren Stadium auf Fron- talschnitten in der Nähe des Auges, dass die anfänglich kreisférmige Anschwellung ovale Gestalt annimmt. Der Längsdurchmesser der- selben steht parallel der Wangenfläche von oben nach unten. Der »Hals«, welcher von der Epidermis zu diesem Oval zieht, heftet sich aber nicht mehr in der Mitte desselben, sondern am obern Drittel an, ein Beweis, dass die Bildung des Ovales durch Auswachsen aus dem untern Ende der kreisförmigen Anschwellung erfolgte (siehe Fig. 3). Erst nachträglich schnürt sich das untere Ende des Ovales vom obern etwas ab und wächst selbständig nach hinten aus; das- selbe stellt die erste Anlage des untern (rudimentären\ Thränen- röhrchens dar; der Rest der Einwachsung, der die Verlängerung des obern Endes dieses Ovales nach hinten bildet, stellt das obere Thränenröhrehen dar. Das rudimentäre untere entsteht also durch Auswachsen aus der Grenze zwischen oberen Thränenröhrchen und Thränencanal (s. Fig. 4—7). 364 2 E. Legal Die Abschnürung ist am Nasenende eher vollendet als am Augen- ende, wo der Anfangs kurze, breite Hals, welcher die kreisförmige Anschwellung mit der Epidermis verbindet, erst ganz allmählich dünner wird und verschwindet; ganz hinten endlich bleibt beständig eine Verbindung mit der Lidfurche erhalten. Das an der Epidermis bleibende Stück der Zellwucherung wird in dieselbe wieder eingezogen und trägt zur Abflachung der Thränen- rinne bei. Das abgeschniirte Stück enthält in der Mitte Anfangs kernreiches Protoplasma, das sehr bald zu deutlich geschiedenen polygonalen Zellen sich umwandelt. Auf diese folgen nach außen eylindrische mit großen, in Karmin sich stark färbenden Kernen versehene Zellen. Diese ruhen auf einer Basalmembran auf, die am nasalen Ende dicker und deutlicher als am Augenende ist, wesswegen es hier auch schwer fällt, die Zellwucherung von dem umgebenden Keimgewebe zu unterscheiden. Die Kerne desselben legen sich nicht, wie beim Hühnchen oder der Eidechse, koncentrisch gruppirt um die Abschniirung, und dadurch wird die Schwierigkeit der Unter- scheidung der Thränenkanalanlage von der Umgebung noch erhöht. Für das äußere Relief sind diese Wachsthumsvorgiinge nur in so fern von Einfluss, als die Thränenfurche verschwindet. Ein Rest der- selben erhält sich am Auge noch längere Zeit und mündet in den innern Augenwinkel, welcher sich inzwischen dadurch ausbildete, dass sich über den Augenhügel auch eine obere Lidfalte hinweg- schiebt. Der Winkel, in welchem obere und untere Lidfurche zu- sammentreffen, ist der innere Augenwinkel. Da der Thränenkanal nun bald zur Nasenhöhle in Beziehung tritt, so müssen wir zunächst die Veränderungen verfolgen, welche inzwischen an derselben stattgefunden haben. Abgesehen von einem knorpligen Stützgerüst, das sich jetzt im Septum und um die Nasenhöhlen herum (als blattförmiger, vom Sep- tum entspringender und in der untern Muschel endender Fortsatz) entwickelt, handelt es sich da weniger um die Anbildung neuer, als um die weitere Ausbildung schon vorher angelegter Organe. Das vordem kurze, breite Nasenseptum wird länger und relativ schmiiler, die Jacobson’schen Organe schnüren sich mehr und mehr ab und wachsen röhrenförmig von vorn nach hinten aus. An der Choane sitzt dem Nasenseptum an beiden äußern, untern Rändern ein blattförmiger Fortsatz auf, der, auf dem Querschnitt dreieckig, die abgerundete Dreiecksspitze nach außen wendet. Der Ausgang Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 365 der Nasenhöhle kriimmt sich um diesen Fortsatz winklig nach innen und unten herum. Der Frontalschnitt der Nasenhöhle stellt zwischen äußerer Nasen- apertur und primitiver Choane ein von innen oben nach außen unten gestelltes Oval dar; über dem vordern Theil der Choane ein eben solches, das aber nach unten zipflig ausgezogen und daher birn- förmig ist, über dem hintern Theil derselben wird es schmal und steht parallel dem Nasenseptum, um hinter der Choane im trans- versalen Durchmesser wieder etwas zuzunehmen. Das Lumen der Nasenhöhle wird durch die mächtig dicken Muschelwiilste anfänglich sehr beeinträchtigt. Durch Spalten, welche von der Nasenhöhle aus immer tiefer in dieselben eindringen, findet erst allmählich eine Vergrößerung des Lumens Statt, wie dies im Genaueren für die untere Muschel zu schildern ist, da die Einmün- dung des Thränenkanales hierdurch beeinflusst wird. Die untere Muschel stellt bei Schweinsembryonen von etwa 4 cm Umfangslänge nur eine flache Erhebung an der äußeren Wand der Nasenhöhle dar und ist, wie schon früher bemerkt, nur über dem vordern Theil der primitiven Choane besser abgegrenzt durch eine zunächst noch mit Epithel gefüllte Spalte, welche von der Nasen- höhle aus bogenförmig unter den untern Muschelwulst eindringt. Die Konvexität dieses Bogens sieht nach unten und ein wenig nach außen. Diese Spalte wird sehr bald tiefer und erhält ein deutliches Lumen; man kann sie mit einer Nische vergleichen (Born). Weiter- hin wächst die Nische auch im sagittalen Durchmesser aus, da einerseits die primitive Choane sich verlängert, andrerseits auch über die vordere Grenze derselben hinaus oberhalb des hintersten Endes der Verschmelzungsstelle die nischenartige Einstülpung der Nasen- höhle sich ausbildet. Um diese Zeit (bei Embryonen von ca. 5 em Länge) erhält die untere Muschel aber auch von oben her durch eine in ähnlicher Weise einschneidende Spalte, die aufwärts konvex gebogen ist, eine scharfe Abgrenzung. Die Muschel gleicht daher über dem vordern Theil der Choane einer von rechts nach links plattgedrückten Walze, die mit ihrer äußern Fläche an die äußere Nasenhöhlenwand ange- wachsen ist (siehe Fig. 10). Die Spalte oberhalb der untern Muschel erstreckt sich bedeutend weiter nach vorn, als die Nische unter derselben, nämlich bis in die Nähe des äußern Nasenloches, hat aber hier nicht mehr eine bogen- förmige Gestalt; sondern ist von geradem Verlaufe und in scharfem 366 E. Legal Winkel gegen die innere Fläche der untern Muschel abgeknickt. Diese Fläche geht unmittelbar vor der Stelle, wo die untere Nische aufhört, direkt oder mit geringer lateralwärts gerichteter Einbiegung in den Nasenhöhlenboden über (s. Fig. 9). Noch weiter nach vorn findet unter der Muschel nochmals eine nischenähnliche Einstülpung der Nasenhöhle in die äußere Nasenhöhlenwand Statt, die aber nicht so tief und auch nicht bogenförmig ist, sondern gerade von oben innen nach unten außen dringt und wie die obere Spalte winklich gegen die innere Fläche abgeknickt ist (s. Fig. 8). Daher gleicht hier die untere Muschel nicht einer platten Walze (sie bildet auf dem Durchschnitt nicht mehr ein Oval), sondern einem. vierseitigen Prisma, ist also auf dem Durchschnitt viereckig. Die nach außen unten sehende Fläche dieses Prismas ist mit der Nasenhöhlenwand verwachsen. Der zwischen dem walzenförmigen und prismatischen Stücke gelegene Theil der untern Muschel steht mit zwei Flächen, der inneren und oberen frei in die Nasenhöhle, mit der untern und äußern ist er an Boden und Seitenwand derselben angewachsen. Das knorpelige Stützgerüst der Nase verhält sich zu diesen drei hinter einander liegenden Stücken der untern Muschel ver- schieden. — Es ist schon gesagt worden, dass dasselbe im Wesent- lichen aus einer Knorpelplatte im Septum und aus zwei symmetrischen Lamellen besteht, welche vom obern Rande dieser Septumplatte bogenförmig um die äußere Nasenhöhlenwand herumgreifen: letztere enden nun in dem walzenförmigen und prismatischen Theile der Muschel frei mit einer Anschwellung, in dem dazwischen gelegenen Stücke dagegen treten sie mit der untern Fläche des Septumknorpels in eine allerdings nicht ganz kontinuirliche, sondern hier und da durch schmale Keimparenchymbriicken unterbrochene (s. Fig. 9) Ver- bindung. Nach hinten zu verschwindet die Nische unter der untern Muschel in ähnlicher Weise wie vorn, dadurch, dass die innere Fläche der letztern direkt in die Seitenwand der Nasenhöhle sich fortsetzt, doch bleibt noch ein Stück weit zwischen dieser und der äußern Muschelfläche ein nach unten und hinten geschlossener, blind- sackartiger Recessus, der nur von vorn von der Nische aus zugäng- lich ist. Die geschilderten Formverhältnisse der untern Muschel erfahren weiterhin keine wesentlichen Veränderungen mehr, nur wird durch Verbreiterung der Spalten und Nischen die Muschel dünner und schlanker. Was die sonstigen, zur Entwickelung des Thränenkanals in Be- Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 367 ziehung stehenden Wachsthumsvorgänge anbetrifit, so schreiten die- jenigen Processe, welche zur Bildung oder zum Verschwinden von Furchen und Fortsätzen beitrugen, jetzt weiter fort. Die Furche zwischen äußerer Nasenöffnung und primitiver Choane, welche von der Gesichts- zur Gaumenfläche zieht, wird immer seichter und ver- wischt sich endlich ganz. Dagegen vertieft und verlängert sich die Lippenfurche des Oberkiefers; sie greift auch nach vorn auf den Stirnfortsatz über, indem sich zwischen beiden Nasenlöchern eine transversale Furche ausbildet, die als Fortsetzung der Oberkiefer- lippenfurche betrachtet werden kann. Die Gaumenleisten wachsen zu blattförmigen Fortsätzen aus, welche zum sekundären Gaumen sich schließen sollen; eine Zeit lang werden sie allerdings daran durch den Hochstand der Zunge gehindert und verlängern sich zunächst nach abwärts parallel den Seitenflächen der Zunge. Erst nachdem diese vom Nasenseptum, dessen Unterfläche sie vorher mit ihrem Rücken berührte, in den Grund der Mundhöhle sich zurückgezogen hat, können die Gaumen- fortsätze sich medianwärts wenden und unter einander sowohl als mit dem nach unten verlängerten Nasenseptum verschmelzen. Nur vorn bleibt eine ständige Verbindung zwischen Mundhöhle und Na- senhöhle erhalten, welche unter dem Namen der Stenson’schen Gänge oder Ductus ineisivi bekannt ist. In diese münden auch die sonst vollständig abgeschlossenen Jacobson’schen Röhren mit kleiner Öffnung ein. Wir verließen den Thränennasengang als einen soliden, unter der Haut zwischen Auge und Nase verlaufenden Zellcylinder, wel- cher am Nasenende mitten im Keimgewebe blind endigte, am Auge aber mit der Epidermis der Lidfurche in Verbindung stand. Kurz vor dieser Verbindung geht, wie ebenfalls schon geschildert, aus seiner untern Peripherie eine Zellsprossung hervor, welche bald mächtiger sich entwickelt als der Muttertheil und zu diesem in einem ziemlich scharfen, nach außen nach der Lidfurche offenen, abgerun- deten Winkel geknickt ist, so dass das ausgesprosste Stück jetzt im untern Lidwulst liegt, während das Mutterstück dem oberen an- gehört. Hinter der Aussprossung wird letzteres bald wieder dicker und mündet in der Lidrinne nach außen; die Mündungsstelle liegt jedoch nicht im Grunde der letzteren, sondern an der Innenfläche des (oberen) Lidwulstes. Sie ist anfänglich bei Embryonen von 4,5 bis 5,5 cm Länge wenig deutlich. Die Mündung selbst geht in der Weise vor sich, dass da, wo das tiefe Epidermisepithel mit dem 368 E. Legal Cylinderepithel des Thränenkanals in Berührung kommt, beide Epi- thelarten schwinden, so dass der polygonale Zellkomplex aus der Mitte des letzteren sich mit den höher gelegenen Epithelschichten der Lidrinne verbindet, während das tiefe Epithel der letzteren bo- genförmig in den Rest des peripheren Oylinderepithels des Thränen- kanals umbiegt. In späteren Stadien wird die Verbindung deutlicher. Dann findet auch ein Umbiegen des Thränenkanals kurz vor seiner Mün- dung aus der sagittalen in die frontale Richtung Statt, so dass von der Miindungsstelle, dem Thränenpunkte aus, das Thränenröhrehen erst nach aufwärts steigt, um hierauf nach vorn sich umzuwenden. Auf Frontalschnitten macht sich dies innerhalb des obern Lides stattfindende Umbiegen dadurch kenntlich, dass man nicht mehr Quer- sondern Längsschnitte des Thränenröhrehens zu Gesichte be- kommt. Die Zellsprossung, welche noch vor dem Auge vom untern Halb- kreis des Thränenkanals sich abgelöst hatte (die Ablösung findet bei Embryonen von etwa 4,6 em Länge Statt), rückt in dem untern Augenlide ebenfalls nach hinten vor, ohne jedoch je die freie Ober- fläche zu erreichen; sie endet vielmehr blind innerhalb des Lides. Die hier geschilderten Verlaufsverhältnisse erleiden keine Ver- änderungen mehr, sie stimmen mit der Schilderung von REINHARD! nnd WALZBERG? für erwachsene Thiere überein. REINHARD betrachtete nur das im obern Lid verlaufende Ende als Thränenröhrehen, das im untern dagegen als blindes Ende des Thrinennasenganges. Wenn WALZBERG schon aus anatomischen Gründen diese Auffassung bekämpfte, so muss ich der geschilderten Entwicklung zufolge ihm vollkommen beistimmen. Ich habe ge- zeigt, dass das fragliche Gebilde im untern Lide dem Hauptstamme des Thränennasenganges nicht eigentlich zugehört, obwohl es mäch- tiger als dieser selbst ist, sondern dass es sekundär durch Sprossung aus demselben hervorgegangen ist. Nur die beträchtliche Dicke des- selben mag REINHARD veranlasst haben, in ihm die eigentliche Fort- setzung des Thränenkanals zu suchen. Auch das Nasenende des letzteren bietet beim Schwein gewisse Eigenthümlichkeiten dar, auf welche WALZBERG zuerst aufmerksam ı H. REINHARD, Diss. de viarum lacrymalium in’homine ceterisque anima- libus anatome et physiologia collectanea. Lips. 2 Tu. WALZBERG, Uber den Bau der Thränenwege der Hanssäugethiere und des Menschen Preisschrift. Rostock 1876. Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 369 gemacht hat. Nach diesem Autor mündet der Thränenkanal, wenn er vom Auge an die Seitenfläche der Nasenhöhle herabgestiegen ist, in jenem oben beschriebenen blindsackartigen Recessus unter dem hintersten Ende der nnteren Muschel. Hierauf folgt eine lange Kon- tinuitätsunterbrechung, eine Lücke von meist 60—70 cm Länge; nur bei einem der Untersuchungsobjekte lag in derselben ein ge- schlossenes Kanalstück von etwa 6—7 mm Länge. Auf diese Lücke folgt der Rest des Thränenkanals, der etwa 25 mm hinter dem Nasenloch beginnt und mehr oder minder weit bis unter die Muschel vordringt, um hier mit einer nach hinten und medianwärts gerichte- ten Öffnung zu endigen. Wie entwickelt sich dieser Zustand? v. EwETsKY sagt über die Verbindung mit der Nasenhöhle Fol- gendes: »An Schnitten durch das vordere Ende der Thränenfurche, die in der Gegend des Randes der Riechgrube geführt sind, kann man kurze Zeit vor Anlage des Thränenganges die Thränen- furche am Boden der primitiven Nasenhöhle durch einen kurzen soliden Epithelstrang mit der äußeren Wand in Verbindung treten sehen (Tafel IX Fig. 13). Diese Verbindung halte ich ihrer Lage und ihrem Verhältnisse zur Thränenfurche und Nasenhöhle nach für das vordere Ende des Thränenkanals.« Die Art der Mittheilung gestattet die Vermuthung, dass von Ewersky diesen Punkt seiner Untersuchungen weniger berücksich- tigt hat. Aus diesem Grunde, und weil ich ähnliche Bilder wie v. Ewersky’s Fig. 13 erhalten habe, die aber bei genauer Nach- forschung sich nicht als die Verbindung von Nasenhöhle und Thrä- nennasengang herausstellten, glaube ich die Angabe dieses Autors in Zweifel ziehen zu müssen, obwohl mir die Verhältnisse von Rinds- embryonen unbekannt sind. — Es handelt sich nämlich in der ge- nannten Fig. 13 wahrscheinlich um einen etwas schräg ausgefallenen Frontalschnitt, der durch die Spitze des Oberkiefers gerade da dringt, wo derselbe mit innerem und äußerem Nasenfortsatz nur noch durch Epithel verschmolzen ist. Es ist erklärlich, dass man auf einem solehen Schnitte einen Epithelstreif vom Grunde der Thränenrinne zum Epithel der Nasenhöhle und Gesichtsfläche zu ziehen sieht. — In Wirklichkeit findet aber die Verbindung des Thränenkanals mit der Nasenhöhle erst weit später Statt. Nach der Abschnürung senkt sich zunächst das vordere Stück des Thränenkanals in die Tiefe, und zwar stärker als das hin- tere; gleichzeitig wird es mit der Wangengegend verlängert und Morpholog. Jahrbuch. 8, 25 ” 370 E. Legal dabei stark gedehnt, so dass es auf dem Querschnitt äußerst schmal und klein erscheint. Auf Frontalschnitten findet man den Thrä- nenkanal im vorderen Theile medianwärts von der Art. maxill. ext., weiter hinten über derselben (s. Fig. 4). — Bald findet aber auch ein aktives, nach vorn und innen gerichtetes Auswachsen des vor- deren, blind endigenden Stückes Statt; auf diese Weise geräth es in die Nähe des untern Muschelwulstes, schließlich in diesen selbst hinein und zwar in denjenigen Theil, welcher oben als prismatisches Stück der untern Muschel geschildert wurde (s. Fig. 9). An der untern, freien Fläche desselben setzt sich der solide Zellkomplex des Thränenganges mit dem Nasenhöhlenepithel in Verbindung (s. Fig. 8). In Folge der nischenartigen Einstülpung unter dem hintern Theil der untern Muschel tritt derselbe aber noch in einer ganzen Strecke seines Verlaufes der Nasenhöhle nahe. Somit ist die Vorbereitung zu einer zweiten Kommunikation zwischen Thränenkanal und Nasen- höhle getroffen, dies Mal jedoch durch aktive Wachsthumsprocesse von Seiten der letzteren, nicht durch solche des Thränenkanals. — Auf Frontalschnitten findet man das kreisförmige Durchschnittsbild desselben (schon bei Embryonen von 5 cm Umfangslänge) dem Grunde der Nische und des blinden Recessus unterhalb der untern Muschel dicht angelagert (s. Fig. 10). Die Bindegewebsschicht, welche den Thränengang vom Nasenhöhlenepithel scheidet, wird bei älteren Em- bryonen immer dünner und schwindet endlich ganz, so dass Epithel auf Epithel stößt. Zu bemerken ist, dass bei älteren Thieren (9 em und darüber) das sonst mehrschichtige, hohe Epithel der Nasenhöhle an der Stelle, wo es den Thränenkanal überzieht, sich verdünnt. Den endlichen Durchbruch, wie er nach WALzZBERG's Darstellung wahrscheinlich ist, habe ich nicht beobachtet, obwohl mir Fötuse bis zu 15 em Länge vorlagen. Im Grunde der Muschelnische liegt der Thränenkanal unter der Knorpellamelle, welche in die untere Muschel umbiegt; weiter nach vorn befindet er sich an deren Außenfläche; durch eine Lücke, die noch weiter nach vorn sich findet, gelangt er endlich an die In- nenfläche derselben (s. Fig. 8—10). Die histologischen Verhältnisse, die sich nach der Abschnürung an dem soliden Zellstrange vollziehen, hat v. EwErsky sehr ein- gehend geschildert. Im Allgemeinen sind die Verhältnisse bei Schweinsembryonen ähnlich. Die peripheren kubisch-eylindrischen Zellen bleiben unverändert und färben sich nach wie vor in Karmin sehr deutlich: die centralen Zellen dagegen quellen auf und verlieren Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. 371 diese Färbefähigkeit (nur die Kerne färben sich ganz schwach röth- lich). Auf dem somit verdickten Querschnitt hat man in Folge dessen das Bild eines schmalen rothen Ringes; gleichzeitig beginnt die Bildung einer Art Mucosa, indem sich um diesen Zellenring die Bindegewebskerne koncentrisch in mehreren Lagen gruppiren. Die Kanalisation nimmt erst spät ihren Anfang. Bei Embryonen von 8 em Länge traf ich die ersten Andeutungen einer solchen in Gestalt eines schmalen, rundlichen, mehr oder weniger central gelager- ten Lumens am Augenende. Die Bildung desselben schreitet vom Auge nach der Nase hin fort, aber nicht ganz regelmäßig, denn man trifft auf den verschiedenen Schnitten einer Serie das Lumen bald kleiner, bald größer, bald endlich fehlt es noch gänzlich. Die Lumenbildung hat ihren Grund in dem Auseinanderweichen der polygonalen Innenzellen, welches seinerseits wiederum durch die Ausbildung einer sich stetig verbreiternden, stark glänzenden Inter- cellularsubstanz zwischen denselben herbeigeführt wird. Die weiteren Veränderungen an der Thränenkanalanlage, das Verhalten zum knorpligen und knöchernen Stützgerüst, die Ausbil- dung der Anhangsorgane (Drüsen) und des Gefäßnetzes habe ich nicht weiter verfolgt. Die hauptsächlichsten Resultate meiner Untersuchungen fasse ich kurz dahin zusammen: Bei Schweinsembryonen ist die Thränen- kanalanlage eine solide, von der tiefen Epidermisschicht des Thränen- furchengrundes ins Bindegewebe einwuchernde Leiste, die sich bis auf das hinterste Ende am innern Augenwinkel von der Epidermis abschnürt, und mit dem vordern, stark auswachsenden Ende mit der Nasenhöhle verbindet; der abgelöste, solide Epithelstrang stellt den spätern einfachen Thränennasengang und das obere Thränenröhrchen dar, das untere sprosst aus demselben hervor, bleibt aber, da es die freie Lidfläche nicht erreicht, funktionell unbrauchbar ; die Lumen- bildung beginnt am Augenende und beruht auf einem Auseinander- weichen der Epithelzellen. Nach meinen oben erwähnten Untersuchungen an Kaninchen und Mäusen, nach denen von v. Ewersky an Rindsembryonen, ist die Vermuthung gerechtfertigt, dass auch bei allen übrigen Säugethieren und beim Menschen der Thränenkanal eine Anfangs solide Zell- wucherung ist, die von dem Grunde der Thränenrinne ausgeht, sich abschnürt und nachträglich kanalisirt. Somit ist für sämmtliche Amnioten ein im Wesentlichen einheit- licher Bildungsmodus dieses Organes nachgewiesen. TEEN 25* Erklärung der Abbildungen. Tafel XV. Allgemein gültige Bezeichnungen. N Nasenhöhle. aN äußerer Nasenfortsatz, iN innerer Nasenfortsatz, O Oberkieferfortsatz, S Septum, Z Zahnanlage, Og Gaumenleiste des Oberkieferfortsatzes, M, primäre oder untere Muschel, Ms sekundäre oder Riechmuschel, JO Jacobson’sches Organ, Ch primitive Choane, Thr Thränenrinne, The Thrinenkanalleiste, Th "Thränenkanal, Th! oberes Thränenröhrchen. Th? unteres Thränenröhrchen, SS G Bilutgefäß (Art. maxill. externa). Punktirte Theile entsprechen knorpligen, schraffirte knöchernen Gebilden. Fig. 1. Profilansicht des Kopfes eines 4,2 cm langen (siehe Anmerk. pag. 362) Schweinsembryo, etwa 5,5mal vergrößert. Fig. 2. Erste Anlage des Thränenkanals auf dem Frontalschnitt von dem in Fig. 1 dargestellten Embryo. Fig. 3. Stück eines Frontalschnittes in der Nähe des Auges von einem etwas älteren Embryo. 50mal vergr. Fig. 4— 7. Entstammen einer Serie von Frontalschnitten durch den Kopf eines 4,5 cm langen Schweinsembryo. 18mal vergr. Wenn Fig. 4 als er- ster Schnitt von 20 « Dicke bezeichnet wird, so ist 5 der 5., 6 der 9., 7 der 12. Schnitt. F 18mal vergr. g.8—10. Entstammen einer Serie von Frontalschnitten durch den Kopf eines 6,8 cm langen Schweinsembryo. Wenn Fig. 8 als erster. Schnitt von 40 uw Dicke bezeichnet wird, so ist 9 der 12., 10 der 26. Schnitt. Die Fig. 1 hatte mein Freund und Kollege REICHEL die Güte anzufertigen, die übrigen Figuren sind von mir mit dem Oberhäuser’schen Zeichenprisma in den angegebenen Vergrößerungen gezeichnet. © Morphol. Jahrbuch Bad. Vill. Taf XV. Fig 3 Rn - N N > v Wilh. Engelmann Der Bau der Hydroidpolypen. Von Dr. Carl F. Jickeli. I. Über den histiologischen Bau von Eudendrium Ehrbg. und Hydra L. Mit Tafel XVI—XVIII. Die nachfolgende Untersuchung behandelt als Abschnitt einer umfangreicheren morphologischen Studie, welche sich über alle grö- ßeren Abtheilungen der Hydroidpolypen verbreiten soll, zwei Vertreter der Ordnung der Gymnoblastea (1): der eine Eudendrium, der Familie der Eudendridae, der andre Hydra, derjenigen der Hydridae zuge- hörig. Die ersten Anfänge dieser Studie datiren aus dem zoolo- gischen Institute der Universität Graz, wo ich mich während des Wintersemesters 1880/1 unter der Leitung von Herrn Professor F. E. SCHULZE zum Zwecke allgemeinerer Orientirung mit Coelenteraten beschäftigte und besonders durch die Lektüre der weit ausgreifenden Arbeiten der Gebrüder HEerTwıG auf diesem Gebiete zu einem spe- eielleren Studium der Hydroidpolypen veranlasst wurde. Während des folgenden Sommersemesters nahmen mich andere Studien in An- spruch, ich konnte aber bei Beginn der Ferien wieder zum Gegen- stand zurückkehren, und als Herr Prof. ScHuLzE sodann die Güte hatte, mir für zwei Monate einen Arbeitsplatz in der k. k. zoolo- gischen Station zu Triest zu gewähren, war mir reichlich Gelegen- heit geboten Material zu sammeln und für die Untersuchung vorzu- bereiten. Diese begann ich planmäßig mit dem Wintersemester 1881/2 im zoologischen Institute der hiesigen Universität. Für alle 374 Carl F. Jickeli Förderung, welche ich dabei von Herrn Professor O. BürscHLı ge- noss, wiederhole ich ihm auch hier meinen aufrichtigsten Dank. Heidelberg, im April 1582. Methode der Untersuchung. Da meine ganze Untersuchung wesentlich bestimmt wurde durch den Wunsch, das so lange schon vergeblich gesuchte, aber in der letzten Zeit wieder wahrscheinlicher gemachte Nervensystem der Hydroidpolypen aufzufinden, versuchte ich in verschiedenen Modifi- kationen zwei Methoden der Behandlung der frischen Gewebe mit Goldehlorid. Einmal Goldehloridlösungen unter Anwendung der Ba- STIAN-PRICHARD’schen Reduktionsflüssigkeit, sodann die von FISCHER (2) angegebene Kombination von Goldchloridlésung mit Ameisensäure. Der Erfolg war in beiden Fällen ein negativer. Höchstens ist von mikrochemischem Interesse, dass bei der ersten Behandlungsweise die Nesselkapseln intensiv braun bis schwarz gefärbt wurden, und dass die Chlorophyllkérper der Hydra viridis bei nachherigem Ein- schluss in Glycerin ihre Form und Färbung behielten und selbst heute nach einem Jahr noch den feineren Bau unverändert zeigen. Mehr Glück hatte ich bei Anwendung von Überosmiumsäure, die in 0,5°/,igen Lösungen gebraucht, besonders bei nachheriger Färbung mit Pikrokarmin, schön differenzirte Flächenbilder und ein Material für Schnittserien liefert, welches ich jedem anderen vorziehe. Auf die Gefahr hin Bekanntes zu wiederholen, bemerke ich, dass es sich mir als besonders günstig erwies, die Überosmiumsäure, mit welcher das ausgestreckte Thier, um Kontraktionen zu vermeiden, plötzlich in vollem Strahle übergossen wurde, so lange einwirken zu lassen, bis der gewöhnlich weiß gefärbte Polyp eine grauliche Färbung erhielt, sodann wiederholt mit destillirtem Wasser auszuwaschen und das Gleiche vor der Übertragung aus Pikrokarmin in Alkohol zu thun. Zur Aufhellung wurde das Material bis zwei Tage in Nelkenöl be- lassen. Als Einbettungsmasse bewährte sich mir, nachdem ich Ge- mische von Talg und Paraffin, Wachs und Paraffin, Vaselin und Paraffin, auch Walrath versucht hatte, zuletzt am meisten ganz hartes Gussparaffin. So eingebettetes Material im kalten Zimmer geschnit- ten, lieferte Serien von Schnitten von 0,005—0,01 mm Dicke. Außer Pikrokarmin versuchte ich als Tinktionsmittel ammoniakalisches Kar- min, Boraxkarmin, GRENACHER’s Alaunkarmin, Eosin, Gemische von Eosin und Pikrokarmin nach Lane’s (3) Vorschrift, Methylgriin, Bis- Der Bau der Hydroidpolypen. 375 marckbraun, Rosanilinsulfat, BeaLe’s Karmin und Hämatoxylin nach Ranvier (4). Ich kehrte aber immer wieder zum Pikrokarmin als dem geeignetsten Tinktionsmittel zurück. Zur Kontrolle des mit Überosmiumsäure behandelten Materials benutzte ich solches, welches mit Lane’scher Flüssigkeit behandelt worden war. Eine einstündige Einwirkung von koncentrirter Ameisensäure auf Thiere, die in Über- osmiumsäure getödtet worden waren, zeichnete die Zellgrenzen dun- kelschwarz, die Kerne wurden grau gefärbt. Als Reagens für die kontraktive Substanz der Muskelfasern versuchte ich in Jodkalium gelöstes Jod vergeblich, es wurden aber die Nesselkapseln braun gefärbt. Zur Isolation der Elemente benutzte ich das von den Gebrüder Hertwic (5) empfohlene Gemisch von Überosmiumsäure und Essig- säure. So gut sich dasselbe bei Hydra besonders für das Studium des »interstitiellen Gewebes« und für Abpinselungspräparate bewäbrte, so erfolglos war es bei Seematerial, indem sich, wie ich leider erst später erkannte, die Elemente des in Glycerin aufbewahrten Mate- | rials nur sehr unvollständig isoliren ließen. Ich hatte dieses um so mehr zu bedauern, weil sich wirklich brauchbare Isolationspräparate aus dem Alkoholmaterial trotz der Anwendung aller möglichen Me- thoden nicht darstellen ließen. Ich blieb in dieser Beziehung auf Hydra angewiesen, von der Herr Dr. BLocuman, Assistent am hie- sigen zoologischen Institute, mir sein ganzes lebendes Material zu überlassen die Freundlichkeit hatte. Bei solchem frischen Material wandte ich außer der Herrwie’schen Flüssigkeit mit Erfolg zur Iso- lation Gemische von 1%,iger Essigsäure und Chlornatrium, nach Ran- vIER’s (4) Methode bereitetes Jodserum, Gemische von Jodserum und Mürrer’scher Flüssigkeit, wie auch Oxalsäure an. Oxalsäure be- wirkte eine Trennung von Ektoderm und Entoderm in großen zu- sammenhängenden Fetzen, veränderte aber zugleich die Elemente in störender Weise. Die Gemische von Essigsäure und Chlornatrium erwiesen sich am geeignetsten zur Isolation der Epithelmuskelzellen, Mürrer'sche Flüssigkeit bewährte sich aber am meisten beim Stu- dium der Nesselkapseln. Während nämlich die anderen Isolations- mittel das Thier rasch tödten und beinahe alle Nesselkapseln dabei geladen bleiben, stirbt das mit MÜLLeEr’scher Flüssigkeit übergossene Thier nicht sofort, wird aber doch so weit gelähmt, dass die Nes- selkapseln nur theilweise entladen werden und außerdem in allen Stadien ihrer Aktion im Präparate aufzufinden sind. Ich fand am zweckmäßigsten das Thier 24 Stunden in der MÜLLEr’schen Flüssig- 376 Carl F. Jickeli keit zu lassen, dann mit Hämatoxylin und darauf noch mit Eosin zu färben (RANVIER, 4, pag. 588). Als ein vortreffliches Mittel zur Isolirung der Cutieula erwies sich mir Chlorpalladium. Endlich be- nutzte ich besonders zum Studium der Stützlamelle ein Verfahren, welches mein Studienfreund Dr. F. v. CzESCHKA zuerst anwendete und welches darin bestand, das Thier erst für einen Tag in ein Gemisch von Überosmiumsäure und Chromsäure, darauf für 1—2 Tage in Holzessig zu legen. Der Organismus der Hydroidpolypen setzt sich bekanntlich aus zwei Gewebsschichten, dem Ektoderm und Entoderm, zwischen wel- chen eine gallertige Substanz, die man als Stützlamelle zu bezeichnen pflegt, lagert, zusammen. Ich werde nun die einzelnen Gewebs- lagen der Reihe nach zuerst bei Eudendrium und darauf bei Hydra schildern und sodann an meine Befunde einige allgemeine Betrach- tungen knüpfen. Was die allgemeinen äußeren Formverhältnisse betrifft, verweise ich auf ALLMAN’s großes Werk, Gymnoblastie Hy- droids (11), von wo ich auch die für die verschiedenen Körper- regionen des Polypen gebrauchten Kunstausdrücke entnommen habe. Eudendrium ramosum L. ALLMAN, Gymnoblastie Hydroids Bd. II. Das Ektoderm setzt sich aus verschiedenen histiologischen Elementen zusammen. Es finden sich in demselben die den Polypen allgemein zukommenden, hauptsächlich als äußere Körperdecke fun- girenden, schlechtweg als Ektodermzellen zu bezeichnenden Elemente, ferner Drüsenzellen, Nesselkapselzellen mit zwei Arten von Nessel- kapseln, Nesselkapselbildungszellen, endlich Gebilde, die ich theils als Ganglienzellen, theils als Sinneszellen deute. Die Ektodermzellen zeigen in verschiedenen Regionen des Körpers ein abweichendes Verhalten. Zunächst fällt auf, dass die Grenzen derselben, während sie sonst überall sofort zu erkennen, auf Flächenbildern der Arme nur bei Färbung mit Hämatoxylin, sonst aber nur auf optischen oder wirk- lichen Schnitten zu unterscheiden sind. Ein Verhalten, welches, so störend es auch in mancher Hinsicht ist, doch die Orientirung über die mikroskopischen Verhältnisse sehr erleichtert. Thatsächlich ist es mir auch an den Armen von Eudendrium zuerst gelungen, das Nerven- system der Hydroidpolypen aufzufinden, nachdem ich mich be- Der Bau der Hydroidpolypen. 377 reits längere Zeit vergeblich bemüht hatte, die bezüglichen Verhält- nisse bei anderen Formen aufzuklären. Eigenthümlich ist ferner den Ektodermzellen der Arme (Taf. XVI Fig. 1, 5, 6) ihre geringe Höhe und eine sehr zarte Cuticula. Von den Armen abwärts nimmt die Höhe der Ektodermzellen bedeutend zu, wird am beträchtlichsten oberhalb und unterhalb eines an der Basis der Hydranthen gelegenen Ringes von Drüsenzellen und sinkt dann wieder beim Übergang in das Hydrophyton (Taf. XVI Fig. 11, 12, 13, Taf. XVII Fig. 7, 8). Auf dem Hypostom erscheinen die Ektodermzellen noch flacher als auf den Armen. Bei Behandlung mit Überosmiumsäure erscheint das Plasma in den Ektodermzellen des Hydranthenleibes als ein proto- plasmatischer, der Cuticula anliegender Wandbelag, während der weitaus überwiegende übrige Theil des Zelllumens leer ist. Wurde das Thier mit Lane’scher Flüssigkeit behandelt, so ist das Plasma um den central gelegenen Kern angesammelt und verbindet sich durch Ausläufer mit der Zellwandung (Taf. XVI Fig. 18). Den Ektoderm- zellen dicht unterhalb des Drüsenzellenringes ist eine gleichmäßigere Vertheilung ihres Inhaltes und eine blätterige Zerschlitzung ihrer oberen Begrenzungsfläche eigenthiimlich. Auf dem Hypostom, be- sonders in der Rinne, wo Armbasis und Hypostom in einander über- gehen, zeigen die Ektodermzellen einen mehr körnigen Inhalt und erinnern dadurch, wie auch durch ihre größere Neigung Farbstoffe anzunehmen, etwas an Drüsenzellen (Taf. XVI Fig. 8). Der Zellkern ist verhältnismäßig am größten in den Ektodermzellen des Hypostoms und unterscheidet sich von demjenigen anderer Polypen dadurch, dass er stets nur ein Kernkörperchen enthält. Die Ektodermzellen erscheinen auch hier, aber nicht überall, als Epithelmuskelzellen. Der Zusammenhang der Zelle mit dem muskulösen Ausläufer konnte zwar nicht an Isolationspräparaten erwiesen werden, diagonal zur Längsachse des Polypen geführte Schnitte ließen jedoch den Über- gang der Zelle in die Faser mit voller Sicherheit feststellen. Als Epithelmuskelzellen erscheinen die Ektodermzellen auf den Armen, auf dem Hypostom und wie es scheint auch im Hydrophyton, wäh- rend sie auf dem übrigen Leib des Hydranthen nur die Rolle ein- facher Deckzellen spielen; ich konnte wenigstens hier mit den stärksten Vergrößerungen nichts von Längsfasern erkennen, auch dünne Querschnitte ergaben kein anderes Resultat. Die Fasern selbst erscheinen nicht glatt, sondern höckerig. Im Kontraktionszustande der Arme erscheinen sie leicht geschlängelt. Der Mangel von ektoder- malen Muskelfasern auf dem Leib des Hydranthen ist nicht so auffal- 378 Carl F. Jickeli lend wie es auf den ersten Blick erscheinen mag, da sich während des Lebens die Beweglichkeit und Gestaltveränderung so ziemlich auf die Arme und das Hydrophyton beschränken. Überdies finden sich entodermale Epithelmuskelzellen, wie wir später sehen werden, vor. An die Beschreibung der Ektodermzellen reiht sich wohl am besten die Schilderung der Drüsenzellen. Diese histiologischen Ele- mente wurden erst unlängst von WEISMANN (6) entdeckt und bei Eudendrium racemosum Cay. und capillare Ald. beschrieben. Wie bei jenen Arten so entsteht auch hier (Taf. XVI Fig. 12, 13), indem die Ektodermzellen aus einander weichen, an der Basis des Hydran- thenleibes eine Furche, die dadurch, dass die Ektodermzellen hier zugleich höher werden und sich über dieser Furche gegen einander neigen, nach außen mehr oder weniger geschlossen erscheint. In dieser Furche, dicht auf der Stützlamelle, zu zwei bis drei über ein- einder gedrängt lagern die Drüsenzellen zu einem vollständigen Ring um den Polypen geschlossen. Dieselben zeigen ein konsistentes Protoplasma, welches alle Farbstoffe reichlich aufnimmt, ihre Ober- fläche erscheint oft stark zerschlitzt. Dadurch wie auch durch ihre Lagerung geben sie sich als Elemente zu erkennen, welche wohl eher von den unteren als den oberen Begrenzungszellen der Rinne abzuleiten sind. Die kleineren, den größeren Drüsenzellen aufgela- gerten, die auch auf Flächenbildern zu unterscheiden sind (Taf. XVI Fig. 14), tragen auch dazu bei diesen Eindruck zu unterstützen, in- dem sie als Nachschiibe erscheinen. Zuweilen trifft man auch auf schmale Lücken in dem Drüsenring und da sieht es dann aus, als sollte eben erst eine Drüsenzelle in die Reihe geschoben werden ‘Taf. XVI Fig. 13). Die Ektodermzellen, welche die Rinne begrenzen, sind sich nicht selten bis zum vollständigen Verschluss genähert. Die Nesselkapseln treten in zwei Formen auf, einer kleineren und einer größeren. Die erste Art ist auf die Arme beschränkt, wo sie seltener einzeln, häufiger in Gruppen von zwei bis drei und mehr vereinigt, an Zahl von der Basis gegen die Spitze der Arme zunehmen. Die Lage der Nesselkapseln ist dabei eine sehr verschie- dene, indem sie das eine Mal mit der Spitze nach vorn, ein ander Mal nach der Seite, ja selbst nach rückwärts gerichtet sein können (Taf. XVI Fig. 1, 2). Die zweite Art von Nesselkapseln findet sich oberhalb des Ringes von Drüsenzellen (Taf. XVI Fig. 10) und in der Rinne, wo Tentakelwirtel und Hypostom zusammenstoßen, hier aber nur in einzelnen wenigen Exemplaren. Der ganze übrige Theil des Hydranthen zeigt nur hier und da am Grunde der Ektoderm- Der Bau der Hydroidpolypen. 379 zellen eine Nesselkapsel, die den Eindruck macht, als hätte sie sich nur dahin verirrt. Beide Arten von Nesselkapseln stimmen in ihrer Form, so wie auch darin überein, dass sich nichts von einem Nesselfaden durch die Kapselwandung hindurch erkennen lässt; nur bei den klei- neren konnte ich das Vorhandensein eines Cnidocils konstatiren. Jede Nesselkapsel steckt in einer besonderen Umhüllung, welche auf dem optischen Durchschnitt als heller Saum erscheint (Taf. XVI Fig. 3). Dieser Umhüllung lagert sich von außen das Protoplasma der Nesselkapselzelle an, in welchem man häufig durch Osmium geschwärzte Kérnchen erkennen, selten aber den Zellkern unter- scheiden kann. Den genaueren Bau der Nesselkapselzelle werden wir bei Hydra kennen lernen. Zuweilen finden sich in den Armen Gebilde (Taf. XVI Fig. 19), welche möglicherweise Nesselkapselbil- dungszellen oder im Polypenkörper zurückbleibende Reste entlade- ner Nesselkapselzellen darstellen. Ich habe mich vergeblich be- müht, ihre Natur festzustellen. Außer auf dem Hydranthen finden sich Nesselkapseln beider Formen und Entwicklungsstadien von Nesselkapseln in erstaunlicher Menge im Hydrophyton, so dass die- ser Körpertheil als Vorrathskammer für diese Gebilde erscheint. Da in den Armen nur höchst zweifelhafte Nesselkapselbildungszellen, und auch diese nur in sehr geringer Zahl vorkommen, könnte man vermuthen, der Hydranth empfange aus der großen Vorrathskammer des Hydrophytons für die verbrauchten Nesselkapseln Nachschübe. Dagegen spricht aber die Armuth an Nesselkapseln im Leib des Hydranthen, was doch auf dieser Zwischenstation nicht der Fall sein dürfte. Es ist mir daher sehr wahrscheinlich, dass der Hy- dranth alle seine Nesselkapseln als Lebensausstattung bereits erhält, wenn er als Knospe aus dem Hydrophyton bricht. Dorthin scheinen auch später die während des Lebens nicht verbrauchten Nesselkap- seln wieder zurückzukehren. Man begegnet nämlich nicht selten Polypen, welche in Rückbildung begriffen sind, und an denen die geschrumpften Armstummel aus lauter Nesselkapselzellen zu beste- hen scheinen, die wohl erhalten sind, während die Reste der anderen histiologischen Elemente deutlich die Zeichen des Zerfalles erkennen lassen. Eine solche größere Lebensfähigkeit der Nesselkapselzellen würde nur in Übereinstimmung stehen mit den Angaben yon W. THom- sON (7), dass Nesselkapselzellen selbst in fremde Organismen ver- pflanzt das Leben weiterzuführen im Stande seien, dass er selbst solche zahlreich in der Haut von Synapta und besonders häufig in Amphidetus gefunden habe. 380 Carl F. Jickeli Man könnte versucht sein, an diese Beobachtung von THomson anknüpfend, das immerhin auffallende Auftreten von Nesselkapseln bei den Protozoen auf eine solche Verpflanzung zurückführen zu wollen, dem steht aber vor Allem im Wege, dass meines Wissens bei diesen Nesselkapseln noch Niemand mit Sicherheit Zellkerne nachgewiesen hat, dass dieselben somit nicht den morphologischen Werth von Zellen besitzen, sondern als Differenzirungen des bezüg- lichen einzelligen Protozoenorganismus aufgefasst werden müssen. Die Ganglienzellen, über deren Auffinden ich bereits (8) vor- läufig berichtet habe, lassen sich am leichtesten bei Behandlung mit Überosmiumsäure nachweisen, sind aber, einmal erkannt, auch bei anders dargestellten Präparaten leicht wieder zu erkennen. So habe ich dieselben nicht nur an Kontrollpräparaten von Thieren, die durch Lana’sche Flüssigkeit (9) getödtet worden waren, sondern auch an solehen, die in Oxalsäure macerirt worden waren und in alten Präparaten unterscheiden können. Präparate, die durch Be- handeln mit Überosmiumsäure, Färben mit Pikrokarmin und nach- heriges Aufhellen in Nelkenöl dargestellt worden waren, lassen auf Flächenbildern der Arme die ganzen Verhältnisse mit jeder nur wiinschenswerthen Klarheit erkennen. Die Protoplasmakörper der einzelnen Ganglienzellen (Taf. XVI Fig. 1—4) erscheinen hier scharf geschnitten. Auch da, wo die Lei- ber der einzelnen Zellen dicht neben einander rücken, legt sich die bogige Vorwölbung des einen dicht an die eben so scharfe Einbuch- tung des andern, ohne aber zur Verschmelzung zu gelangen. Die Ausläufer der Zellen verjüngen sich sehr rasch, übersteigen nicht selten die doppelte Länge des Zellleibes, verlaufen gerade oder etwas wenig gekrümmt, selten leicht wellig und zeigen noch seltener die Neigung sich in sekundäre Zweige zu zerspalten. Solcher Ausläufer gehen gewöhnlich von einer Zelle drei aus, seltener nur zwei, vier ist die größte Anzahl, die ich beobachtete. Dieses sind im Ganzen die Formen der Ganglienzellen auf den Armen. Am Leib des Hy- dranthen, am Drüsenring und auf dem Hypostom, eben so im Hydro- phyton sind die Formverhältnisse andere (Taf. XVI Fig. 12, 13, 15, 16, 17). Hier gewinnt die Ganglienzelle ein ungeformteres Aussehen. Sie sinkt gewöhnlich zu einem zwischen den Ektodermzellen auf der Stützlamelle gelegenen Klümpehen zusammen, an welchem höchstens ein zwischen den Ektodermzellen aufsteigender Ausläufer zu sehen ist. Zuweilen hebt sich die Ganglienzelle auch etwas höher hinauf und namentlich oberhalb des Drüsenstranges sieht man nicht selten Der Bau der Hydroidpolypen. 381 solche, welehe, bis etwa zur halben Höhe der Zelle hinauf gerückt, wieder bipolar werden, indem sie sich nach aufwärts und abwärts zu einem Ausläufer verschmälern. Der ganze Leib der Ganglien- zelle zeigt sich bei Behandlung mit Überosmiumsäure dicht erfüllt von schwarzen Körnchen. Das eine Mal treten diese Körnchen, größere und kleinere, deutlich von einander geschieden auf, das andere Mal sinken sie zu größeren Krümeln und Klümpehen zusam- men. Beim Wechsel der Einstellung verändern diese Körnchen ihr Aussehen, indem sie das eine Mal beim Heben, das andere Mal beim Senken des Tubus stark lichtbrechend erscheinen. Der Wechsel des Bildes ist dabei entweder ein vollständiger, indem an Stelle des schwarzen Körnchens ein stark lichtbrechendes erscheint, oder es tritt an Stelle desselben ein lichtbrechendes, welches mehr oder weniger vollständig schwarz umrandet ist. Die gleichen Körnchen finden sich noch reichlich an der Ursprungsstelle der Ausläufer der Ganglienzellen, während sie im weiteren Verlauf der Faser nur ein- zeln oder stellenweise zu mehreren hinter einander gereiht oder in Gruppen vereinigt auftreten. Nicht selten begegnet man längeren Strecken der Nervenfaser, welche gar keine schwarzen Körnchen enthalten, wo solche aber in nächster Umgebung außerhalb der Faser zerstreut liegen. Da die Ganglienzellen in die Ektodermzellen oder zwischen dieselben eingelagert sind, diese Ektodermzellen niemals irgend welche Einlagerungen oder gar solche schwarze Körnchen zeigen, so können dieselben nur von den nervösen Elementen stam- men. Das geschilderte optische Verhalten der schwarzen Körnchen als auch die letztgenannte Erscheinung möchte ich erklären, indem ich annehme, es habe sich in Folge des Reagens um einzelne Pro- toplasmakörnchen eine fettartige durch Überosmiumsäure geschwärzte Substanz ausgeschieden. Je nachdem der Tubus des Mikroskopes auf einen peripheren oder centralen Theil der von Fettpartikelchen theilweise umhüllten Protoplasmakörner eingestellt wird, erscheinen dieselben schwarz oder lichtbrechend. Da die Protoplasmakörner nicht vollständige Kugeln sind und die Fettumhüllung keine konti- nuirliche ist, kann auch der Wechsel der optischen Bilder kein regel- mäßiger sein und es wird vor Allem verständlich, warum beim Sinken des Tubus das schwarze Körnchen nicht regelmäßig erst zu einem lichtbrechenden schwarz umrandeten und dann wieder zu einem schwarzen wird. Da wo schwarze Körnchen außerhalb einer Net- venfaser liegen, mögen dieselben in Folge besonders energischer Re- aktion aus derselben herausgedrängt haben. Der Reichthum soleher 382 Carl F. Jickeli Körnehen ist nicht in allen Zellen gleich: während die einen sie nur einzeln zeigen, treten sie in anderen so reichlich auf, dass man nicht selten kaum etwas vom roth gefärbten Kern zu erkennen ver- mag. Dieses letztere gilt besonders von jenen Ganglienzellen, welche sich auf dem Leib des Hydranthen und am Drüsenring finden. Der Kern der Ganglienzelle färbt sich mit Pikrokarmin rosa, ist im Gan- zen bei denjenigen der Arme dunkler als bei den übrigen, selten in seiner ganzen Form zu überblicken, weil ihn die Körnchen zum größeren Theil verdecken, und da wo solcher weniger vorhanden sind, bleibt man sich auch oft zweifelhaft, ob man es mit einem in seiner ganzen Gestalt veränderten Zellkern oder mit dem roth ge- färbten Protoplasma zu thun habe. Ein Kernkörperchen konnte bei- nahe nie sicher nachgewiesen werden, da eine Verwechselung mit einem der schwarzen Körnchen zu leicht möglich ist. Überall findet man die Ganglienzellen zwischen die Ektodermzellen, welche beson- ders an der Basis aus einander weichen, gelagert, aber besonders in der Nähe des Drüsenringes auch in die Ektodermzellen eben so wie die Nesselkapselzellen hinein gelagert. Auf den Armen kann man die Ganglienzellen unter einander durch lange Ausläufer oder durch breitere Protoplasmabrücken verbunden sehen, Die Ausläufer, welche nicht Ganglienzellen unter einander verbinden, verlieren sich zwischen den Muskelfasern, wo es mir aber nicht gelungen ist eine sichere Verbindung zwischen Nerv und Muskel zu erkennen, oder aber sie begeben sich zu einzelnen oder Gruppen von Nesselkapsel- zellen. Dort begegnen sie den Ausläufern von anderen Ganglien- zellen, die den Nesselkapselzellen dieht angeschmiegt, oder verbinden sich, wie es nach anderen Bildern erscheint, mit den Nesselkapsel- zellen selbst, endigen vielleicht sogar dicht an dem Cnidocil der- selben (Taf. XVI Fig. 6). Was den Nesselkapselzellen von Ganglien- zellen dicht angeschmiegt ist, bleibt in seiner Deutung oft zweifelhaft. Wie die Schilderung bei Hydra ergeben wird, liegt die Nesselkapsel in einer stark lichtbrechenden Umhüllung. An diese Umhüllung schließt sich, sie theilweise verdeckend, das Protoplasma und der Kern der Bildungszelle an. Da, wo nun die Ganglienzellen sich den Nesselkapselzellen dicht anschmiegen, wird man oft zweifelhaft, was den ersteren. was den letzteren zuzurechnen sei (Taf. XVI Fig. 2, 3). Anfangs meinte ich in der chemischen Reaktion der Ganglienzelle ein sicheres Kriterium zu haben, später überzeugte ich mich aber, dass darauf durchaus kein Verlass sei, denn wenn auch die Gan- glienzellen überall mehr oder weniger schwarze Körnchen zeigen, Der Bau der Hydroidpolypen. 383 so finden sich auch nicht selten im Protoplasma der Nesselkapsel- zellen solehe vor. Man könnte geneigt sein, dieses durch die früher ausgesprochene Vermuthung über die Art der Reaktion in der Sub- stanz der Ganglienzelle zu erklären, indem man geltend machte, es sei da etwas von dem Inhalt der Ganglienzelle bei recht energischer Wirkung übergetreten. Dagegen spricht aber das Verhalten der Nesselkapselzellen, die man im Hydrophyton in Entwickelung beob- achten kann. Dort finden sich nämlich ebenfalls Körnchen, woraus hervorgeht, dass das Protoplasma der Nesselkapselzellen eine ähn- liche Zusammensetzung besitzen dürfte, wie das der Ganglienzellen. Wie bereits geschildert wurde, zeigen die Ganglienzellen in den übrigen Theilen des Polypenkörpers ein anderes Aussehen als in den Armen. Die Verschiedenheit beschränkt sich aber nicht darauf, denn auch die Verbindungsweise derselben unter einander ist eine abwei- chende. Niemals konnte ich auf den vielen Flächenbildern, die ich betrachtete, deutlich etwas von den langen, die einzelnen Zellen unter einander verbindenden Ausläufern erkennen (Taf. XVI Fig. 10, 7), vielmehr imponirten sie, von der Fläche betrachtet, gewöhnlich als schwarzkörnige Plasmaklümpchen, aus welchen der röthliche Kern hervorblickte. Auf feinen Schnitten war zu erkennen, dass diese Ganglienzellen gewöhnlich einzeln, oder zu Klumpen von zwei bis drei Individuen vereinigt, zwischen die an ihrer Basis aus ein- ander weichenden Ektodermzellen gelagert waren. Zuweilen, wenn auch seltener, findet eine noch größere Anhäufung von Ganglien- zellen statt und diese bedeckt dann in größerer Ausdehnung die Stützlamelle. Treten auf diese Weise mehrere Zellen zu einem grö- Beren nervösen Komplex zusammen, so verschmelzen sie oft so innig, dass von ihren Grenzen gar nichts mehr zu erkennen ist und ihre Anzahl nur aus der Zahl der kenntlichen Kerne zu schätzen ist. Die Endigungsweise dieser Ganglienzellen auf der Stützlamelle oder ein Durchsetzen der Stützlamelle, um die entodermalen Epithelmus- kelzellen zu innerviren, konnte nicht sicher gestellt werden. Dagegen konnte ich zuweilen den Übergang einer von der Ganglienzelle zwi- schen der Ektodermzelle aufsteigenden Faser in eine äußerst schmale Zelle, die ich als eine Art Sinneszelle ansprechen möchte, konsta- tiren (Taf. XVI Fig. 17). Diese Zellen zeigen einen kleinen lang- sestreckten dunkelroth tingirten Kern und ihr höchst dürftiges Pro- toplasma lässt einzelne dunkle Körnchen erkennen. Es lassen sich diese Zellen nieht nur auf Schnitten, sondern auch auf Flächenbil- dern nachweisen und sind auf letzteren immer durch ihre kleineren 354 - Carl F. Jickeli Kerne und das diese Kerne häufig umgebende schwarzkörnige Pro- toplasma zu erkennen (Taf. XVI Fig. 7). Mit Bestimmtheit glaube ich außer dieser Art peripherer Endigungsweise der Ganglienzellen auch eine solche in Form freier Nervenenden behaupten zu können. Nicht nur begegnet man auf Schnitten Ganglienzellen, welche einen Ausläufer zwischen den Ektodermzellen aufwärts schicken, ohne dass dort auch nur eine Spur jener zweifelhaften Sinneszellen zu erkennen wäre, auch optische Längsschnitte der Arme lassen häufig ein solches Verhalten erkennen (Taf. XVI Fig. 5 u. 16). An dem Drüsenstrang erweckt das Verhalten der Nervenzellen die Vermuthung, es möchte da eine Innervation stattfinden, indessen ist es mir trotz wiederholter Untersuchung niemals gelungen, weder auf feinen Schnitten noch in Zerzupfungspräparaten einen Zusammenhang zwischen Nervenzelle und Drüsenzelle nachzuweisen. Als gewiss ist anzunehmen, dass die großen Nesselkapseln, welche über dem Drüsenring liegen, in irgend welcher Beziehung zu den Ganglienzellen stehen. Im Hydrophyton sind die Ganglienzellen in großer Menge vorhanden und zwar be- gegnen wir hier sowohl solchen, welehe sich mehr denjenigen For- men, die wir in den Armen kennen lernten, anschließen, wie auch solchen, welche mehr mit jenen der übrigen Körpertheile überein- stimmen. Der Reichthum an Ganglienzellen ist hier ein so großer, dass wir diesen Theil des Polypoids nicht nur als eine Vorraths- kammer von Nesselkapselzellen, sondern auch von Ganglienzellen aufzufassen haben. Überblieken wir nun, nachdem wir seine einzelnen Elemente analysirt haben, das topographische Verhalten des Nervensystemes, so erscheint uns dasselbe besonders auf den Armen als ein reichver- zweigtes Geflecht, welches sich von da weiter auf das Hypostom und über den Leib des Hydranthen bis auf das Hydrophyton fort- spinnt. Während aber auf den Armen sowohl durch die Mannig- faltigkeit der Gestaltung, wie auch durch die lückenlose Verflech- tung der Ganglienzellen die Vorstellung eines in voller Kontinuität stehenden und wirkenden Organsystemes erweckt wird, verliert diese bei Betrachtung der mehr gleichförmig erscheinenden, vielfach eines nachweisbaren Zusammenhanges unter einander entbehrenden ner- vösen Elemente des übrigen Hydranthenleibes sehr an Lebhaftigkeit. Nur dicht oberhalb des Drüsenstranges, wo auch wieder Nesselkap- selzellen auftreten, häufen sich die Ganglienzellen zu einem kräf- tigen, aber in seinem Verlauf in wechselnder Mächtigkeit erschei- nenden Nervenring an. Auch unmittelbar unterhalb des Drüsenringes Der Bau der Hydroidpolypen. 385 ist zuweilen eine größere Anhäufung von Ganglienzellen zu erkennen, fehlt aber eben so oft auch, und es treten dann erst im Hydrophyton wieder reichlich Ganglienzellen auf. Ob die sich sofort aufdrängende Vermuthung, es liege hier oberhalb des Drüsenringes ein nervöses Centralorgan, richtig ist, vermag nur die vergleichende Untersuchung anderer Polypen zu entscheiden. Ist die heute so ziemlich aner- kannte Art der Reduktion von Hydroidpolyp und Hydroidmeduse der Gebrüder Hertwie (45) auf dieselbe morphologische Größe richtig, dann hätten wir eigentlich ein Centralorgan eher an der Basis der Arme zu erwarten gehabt. Das Entoderm setzt sich aus vier verschiedenen Arten von Zellen zusammen. In den Armen finden sich große prismatische Zellen, welche sich wie die Münzen einer Geldrolle auf einander legen und in einfacher Reihe als Achse den ganzen Arm ausfüllen. Den Gastralraum und das Hydrophyton kleiden fast vollständig schlechtweg als Entodermzellen zu bezeichnende Elemente aus. Im Hypostom finden sich Drüsenzellen und endlich in der Verengerung, wo Hypostom und Gastralraum in einander übergehen, überaus schmale, fast immer vollständig in eine kleine, stark gefärbte Kerne führende, Masse aufgelöste Zellen. Betrachten wir zuerst die Entodermzellen. Dieselben erscheinen im Gastralraum als hohe Fleischprismen, je nach dem Ernährungs- zustande des Polypen von den verschiedensten Inhaltskörpern erfüllt. Die Masse dieser Inhaltskörper kann eine so große werden, dass der Kern der Zelle nur bei sehr genauer Betrachtung aufzufinden ist. Die Beschreibung dieser Inhaltskörper wollen wir hier unterlassen, da dieselbe nur bei lebendem Material und in Verbindung mit mikro- chemischen Untersuchungen von Werth sein würde. Hat sich der Polyp weniger angefressen, so begegnen wir statt der Masse der Inhaltskörper in seinen Entodermzellen nur einem protoplasmatischen Wandbelag, welcher auch den Kern umschließt. An der Stelle, wo Gastralraum und Hydrophyton in einander übergehen, sind die Zellen kleiner, schmaler, ihr Protoplasma sammt Kern ist an ihr oberes Ende gerückt und zeigt keine Nahrungskörper (Taf. XVII Fig. 7). Im Hydrophyton sind die Entodermzellen niedriger aber breiter, zeigen ein sie gleichförmig erfüllendes, trübes Protoplasma und sind besonders reich an Nesselkapseln. Diese Nesselkapseln sind durchaus nicht als solche zu betrachten, welche mit der Nahrung in den Gastral- raum und die Entodermzellen daselbst gelangt sind. Dass dem nicht so sei, geht daraus hervor, dass diese Nesselkapseln noch alle ge- Morpholog. Jahrbuch. 8. 26 386 Carl F. Jickeli laden sind und noch das Protoplasma und den Kern der Bildungs- zelle erkennen lassen (Taf. XVII Fig. 8, 9). Die Kerne der Ento- dermzellen färben sich durch Karmin alle stärker als diejenigen der Ektodermzellen und sind im Allgemeinen auch größer. Das Ver- halten der Entodermzellen zu einander ist ein verschiedenes, je nach- dem, in welchem Zustande ihrer Funktion, sie sich befinden. Das eine Mal erscheinen auf den Schnitten die einzelnen Zellen in ge- schlossener Gewebslage, aber als Individuen genau unterscheidbar, das andere Mal treten die einzelnen Zellen sogar aus einander (Taf. XVII Fig. 6), häufiger jedoch verschmelzen alle Zellen des Entoderms zu einer formlosen protoplasmatischen Masse, welche sogar aus dem Gastralraum durch das weitgeöffnete Hypostom nach auswärts treten kann und in der nur die Kerne und die als ein regelloses Netzwerk erscheinenden Zellwände Zellindividualitäten andeuten. Ein solches Verhalten des Entoderms ist schon wiederholt geschildert worden. Denn im Grunde ist es das gleiche, welches GREEFF (10) bei Proto- hydra Leuckarti und in jüngster Zeit noch ALLMAN (29) bei Myrio- thela beschrieben. Geißeln sind an den Entodermzellen der konser- virten Thiere nieht zu erkennen. Im Gastralraum laufen die Ento- dermzellen an ihrer Basis in eirkulär gerichtete Muskelfasern aus, was auf Flächenbildern von der ektodermalen Seite aus (Taf. XVI Fig. 7) zu erkennen und auch durch Längsschnitte zu erweisen ist. Die entodermalen Drüsenzellen finden sich besonders reich im Hypostom, nur einzeln im Gastralraum. Diese Zellen (Taf. XVII Fig. 1—5) zeigen sowohl in ihrer Form als auch mit Rücksicht auf ihren Inhalt ein wechselvolles Aussehen. Oft werden sie von der Basis nach oben wenig breiter, ein anderes Mal schwellen sie von unten nach oben stark an und erinnern dann lebhaft an die Form der bekannten Becherzellen, zuweilen erscheinen sie wieder gerade in halber Höhe besonders verschmälert, dagegen oben und unten verbreitert. Allen gemein ist eine größere oder geringere Zahl durch Überosmiumsäure in gleicher Weise wie bei Ganglienzellen geschwärzter und auch sonst ein gleiches Verhalten zeigender Kör- ner und Krümel, während aber bei einigen dieser Zellen die Körner in einer gleichmäßig hell erscheinenden von der Basis bis zum Rand der Zelle gleichmäßig verbreiteten Plasmamasse liegen, begegnen wir bei anderen einer durch Pikrokarmin braun gefärbten Borte, welche das Zelllumen nach außen abschließt. Noch hiufiger-findet sich ein kugeliger Pfropf, welcher die Zelle an ihrer weitesten Stelle erfüllt, oder auch ganz nach oben gerückt wie die Hervorquellung eines Der Bau der Hydroidpolypen. 387 secernirten Zellinhaltes erscheint. Im letzteren Falle ist die Plasma- borte, welehe sonst häufig das Zelllumen nach oben abschließt, nach abwärts gerückt und umschmiegt den kugeligen Pfropf an seiner unteren Seite. Der Zellkern, durch Pikrokarmin hellrosa gefärbt, lagert niemals wandständig; zuweilen, aber sehr selten, finden sich in einer Zelle zwei Kerne. Zwischen diesen eigenthümlichen Zellen stehen andere, welche von unten nach oben verschmälert sind, einen wandständigen Kern haben und geradezu leer erscheinen, aber nach außen als Verschluss auch die braune Borte erkennen lassen. Alle diese verschiedenen Zellformen des Hypostomes möchte ich dersel- ben Art von Drüsenzellen zurechnen und in den einzelnen Formen nur verschiedene physiologische Zustände im periodisch wieder- kehrenden Lebenskreislauf dieser Zellen sehen. Dieses hat nichts Auffallendes, wenn wir uns an die zahlreichen Untersuchungen Het- DENHAIN’S erinnern, durch die der Beweis erbracht wurde, dass sowohl einzellige, als auch mehrzellige Drüsen, je nachdem sie in Ruhe sind oder sich in verschiedenen Stadien ihrer Funktion be- finden, ein verändertes Aussehen haben und sich auch gegen Rea- gentien verschieden verhalten. Am zweifelhaftesten bleibt mir die zuletzt beschriebene Zellform. Wenn ich dieselbe auch in den wech- selvollen Formenkreis dieser Drüsenzelle ziehe, geschieht es haupt- sächlich wegen der auch da vorhandenen als Verschluss der Zelle erscheinenden braunen Borte, und weil ich in diesen Zellen niemals Nahrungskörper wie in den gewöhnlichen Entodermzellen auffinden konnte. In Übereinstimmung mit den Becherzellen möchte ich die- jenigen dieser Drüsenzellen, welche den Sekretionspfropf am äußer- sten Ende zeigen als diejenigen betrachten, welche auf der Höhe ihrer Funktion stehen. Über die Zellen, welehe das Entoderm im Hals des Hypostomes bilden, vermag ich leider wenig Auskunft zu geben, da diese bei allen Exemplaren von Eudendrium, die ich in Längs- oder Quer- schnitte zerlegte, in eine formlose, zahlreiche, durch Pikrokarmin rothbraun tingirte Kerne führende Masse zerfallen war. Ein einziges mit Lane’scher Flüssigkeit behandeltes Exemplar ließ Grenzen überaus schmaler, eylindrischer, oben abgerundeter Zellen erkennen, die Ver- hältnisse waren aber auch hier noch so unbestimmt. dass ich es lieber unterlasse eine ausführliche Beschreibung oder Zeichnung zu geben. Wie an den ektodermalen Drüsenzellen so habe ich auch an den entodermalen vergeblich nach einem Zusammenhang mit Nerven- 26" 388 Carl F. Jiekeli fasern gesucht. Es bleibt mir nichts Anderes iibrig als von allen diesen Driisenzellen anzunehmen, dass sie durch einen sie direkt von außen treffenden Reiz, sei dieses nun ein mechanischer oder ein rein chemischer, zur Funktion gebracht werden. Die großen Zellen, welche den Achsenstrang der Arme in ein- zeiliger Aufreihung bilden, sind von einander durch Scheidewände, welche die Stützlamelle zwischen ihnen bildet, getrennt. Sie zeigen eine in der Mitte gelegene, den Kern umschließende Protoplasma- masse, welche sich durch Ausläufer mit der Zellwandung verbindet. Vor Allem nimmt aber hier unser Interesse ein zur Längsachse des Armes eirkulär verlaufendes Fasersystem in Anspruch. Anfangs geneigt, diese Faser als Gebilde aufzufassen, welche zwischen Ekto- derm und axialen Zellen gelegen, habe ich mich erst später nach wiederholter sorgfältiger Untersuchung von Flächenbildern und fei- nen Längsschnitten überzeugt, dass wir es hier vielmehr mit Bil- dung: n zu thun haben, welche den Zellwänden von innen auflagern. Auf Flächenbildern eben so wie auf gespaltenen oder gerissenen Zellen (Taf. XVII Fig. 11) erkennt man scharf gezogene Leisten, welche oft die ganze Wandung in geschlossenem Ring umkreisen, eben so oft aber auch nach kurzem Verlauf wieder aufhören; zuweilen spalten sich diese Rippen auch, und die so entstandenen Äste laufen ge- trennt weiter oder aber verschmelzen mit benachbarten. Im Verlauf längerer Rippen erkennt man oft ungemein schmale Unterbrechungen, welche besonders, wenn sie in rascher Aufeinanderfolge wiederkehren und man noch in der Vorstellung lebt, es handele sich um Muskel- fasern, als Querstreifung derselben gedeutet werden können. Diese Unterbrechungen der Rippen sind es, wo sich die plasmatischen Aus- läufer des Zellkörpers ansetzen. Betrachtet man die Wandung aufgerissener Zellen an solchen Stellen von innen, so erkennt man die Reste dieser Plasmaausläufer als kleine Zipfelchen. Auf fei- nen Längsschnitten der Arme erscheint der Querschnitt dieser Rip- pen dreieckig (Taf. XVII Fig. 10). Dieses zu wissen ist desshalb wichtig, weil wir so die Bilder verstehen, welche der optische Längs- schnitt der Arme zeigt. Hier macht es nämlich oft den Eindruck, als sei die Zellwandung durch eine scheinbar äußerlich verlaufende Faser eingeschnürt. Zu dieser falschen Deutung des Bildes gelangt man besonders dann leicht, wenn man die oft sehr schmale Stütz- lamelle übersieht, die starke Zellwandung als Stützlamelle betrach- tet und nur in der inneren Begrenzung der Wandung der axialen Zelle die ganze Zellwandung sieht, dann betrachtet man am Rand Der Bau der Hydroidpolypen. 389 der Zelle den mittleren stärksten und dunkelsten Theil der Rippe als Faser, die seitliche stärker lichtbrechende Begrenzung derselben als Einbuchtung der Zellwandung. Wie haben wir nun diese Fasern zu deuten? Haben sie direkt etwas mit der Gestaltsveränderung der Zelle zu thun? Spielt die axiale Zelle bei der Gestaltsveränderung des Armes eine aktive Rolle, oder wird sie nur, je nachdem der Arm unter dem Einflusse der ekto- dermalen Epithelmuskeln sich ausstreckt oder zusammenzieht, eben- falls nur in die Linge oder Breite gestreckt? Ich glaube, es lisst sich die Ansicht, es komme den axialen Zellen eine aktive Gestalt- veränderung zu, vertheidigen. Ich möchte aber dabei nicht jene die Wandung der Zellen bedeckenden Rippen als eine muskulöse Sub- stanz auffassen, von der eine Gestaltsveränderung ausgeht, indem bei aktiver Verkürzung dieser Rippen eine Streckung in der Längsachse, bei aktiver Verlängerung eine Streckung in der Breitenachse der Tentakel für die axialen Zellen statthabe. Denn nicht nur färben sich diese Rippen durch Karmin, was bei den Muskelfasern nicht der Fall ist, sie unterscheiden sich auch noch dadurch von solchen, dass sie nicht an ihren Enden zugespitzt, sondern gewöhnlich gerade ab- geschnitten erscheinen. Der Sitz für die aktive Gestaltveränderung der axialen Zelle scheint mir in dem centralen Protoplasma der Zelle zu liegen. Erfolgt die Kontraktion dieser Protoplasmamasse in der Längsachse des Armes, so wird zugleich ein Abfluss derselben in die an die Seitenwandung der Zelle gespreitzten Ausläufer erfolgen und mit dem Zug in der Längsachse wird sich ein Druck in der Querachse der Zelle vereinigen. Lässt dagegen die Kontraktion in der Längsachse nach, so mag umgekehrt das aus den seitlichen Aus- läufern in die centrale Masse zurückfließende Protoplasma eben so einen Zug auf die Seitenwand ausüben, wie das centrale Plasma in diesem Falle die Zellwandung in der Längsachse aus einander zu drücken streben wird. Die Rippen auf der Innenseite der Zellwan- dung würden bei dieser Art der Aktion nur zur Vergrößerung der Angriffsfläche dienen und wohl als verhärtetes Protoplasma aufzu- fassen sein. Will man diesen Zellen nur passive Gestaltveränderun- gen zugestehen und die ganze gestaltverändernde Kraft in die Längs- muskelfasern der Arme verlegen, so würde man sich vorstellen müssen, es fließe das Protoplasma, je nach Wechsel des Druckes auf die Zellwandung, einmal mehr in den centralen Theil, ein an-- deres Mal mehr in die seitlichen Ausläufer des Leibes. Es wäre aber dann nicht recht einzusehen, wesshalb das Protoplasma dieser 390 Carl F. Jickeli Zellen eine so eigenthümliche und feste Vereinigung mit der Zell- wandung zeigt. Wollte man aber einen Ausgleich zwischen diesen beiden eben dargelegten Erklärungsversuchen anstreben, indem man nur dem Protoplasma die Fähigkeit in eine bestimmte Anordnung, eine Art stabilen Gleichgewichtes zurückzukehren, beilegte, so wäre damit eigentlich doch schon der Zelle eine aktive Gestaltsverände- rung zugestanden. Für eine energische nach dem Centrum des Plasmaleibes dieser Zelle gravitirende Kontraktion spricht noch die Erscheinung, dass man oft bei Thieren, die mit Reagentien behan- delt wurden, alle seitlichen Ausläufer von der Zellwandung losge- rissen findet, eben so die Zellwandungen vorn und hinten eingerissen sind. hier aber der Zusammenhang des Plasmas der auf einander folgenden Zellen erhalten blieb, und so ein aus der ee gewiche- ner Strang den Polypenarm durchzieht. Die Stützlamelle ist bei unserer Art verhältnismäßig schmal, am stärksten wohl an der Basis des Hydranthenkelches. Sie scheint eine Art Scheidewand zwischen den Achsenzellen der Arme und den übrigen entodermalen Zellen zu bilden; jedenfalls sendet sie tren- nende Lamellen zwischen die Achsenzellen der Arme. Überaus feine Fäserchen durchsetzen sie stellenweise senkrecht oder etwas schief zu ihrer Fläche. Über die Natur dieser Fäserchen bei dieser Art etwas festzustellen war mir nicht möglich. Der anfängliche Gedanke, es möchten dies Nervenfäserchen, die aus dem Ektoderm in das Entoderm dringen, sein, musste nach Vergleich mit ähnlichen leichter zu erforschenden Gebilden von Hydra aufgegeben werden. Auch ob die Stützlamelle nach ektodermaler oder entodermaler Seite durch eine Membran begrenzt sei, bemühte ich mich vergeblich zu entscheiden. 4 Das Perisark habe ich nicht genauer studirt, vermag daher dem dariiber Bekannten auch nichts hinzuzufiigen. Litteratur. Die vielfachen Erwähnungen, welche Eudendrium in der zoologischen Litteratur findet, beziehen sich fast ausschließlich auf die äußeren Formverhältnisse und die Fortpflanzung. Die er- ste genauere Analyse des histiologischen Baues gab WEISMANN (6) gelegentlich der Besprechung besonderer von ihm als Cnidophore bezeichneter Organe von Eudendrium racemosum. An dieser Stelle beschrieb WEIısmann bei Eudendrium racemosum und capillare den auch bei unserer Art geschilderten Drüsenring. Wir erfahren bei dieser Gelegenheit zugleich, dass sich auch bei Eudendrium race- Der Bau der Hydroidpolypen. 391 mosum nicht aber bei Eudendrium capillare oberhalb des Drüsen- ringes ein Nesselwulst befinde. Die Wirkung dieser Zellen als Drüsenzellen, die ein klebriges Sekret absondern, konnte WEISMANN dadurch wahrscheinlich machen, dass sich an jener Stelle des Hy- dranthenleibes oft ein Kranz von allerhand Schmutztheilchen vorfand. Von ganz besonderem Interesse sind die aus dem Cnidophor beschrie- benen eirkulären Muskelfasern, nicht nur weil sie im Entoderm sub- epithelial liegen, sondern auch weil sie sehr wenig Protoplasma um den Kern und die Fäserchen selbst stellenweise eine Querstreifung zeigen. Hydra L. Bevor ich auf die histiologischen Verhältnisse eingehe, bin ich gezwungen, einige Bemerkungen über den Unterschied der Arten dieser Gattung zur Verständigung vorauszuschicken. Wenn wir von der allgemein anerkannten Hydra viridis absehen, sind die Autoren in der Trennung und Deutung der anderen Formen mehr oder we- niger zweifelhaft geblieben. Die meisten unterschieden, wie dieses schon TREMBLEY (12) gethan, mit Einschluss der Hydra viridis nach den äußeren Formverhältnissen drei Arten. In jüngster Zeit haben dann, erst MERESCHKOWSKY (13), später HAacke (14) die Arten je nachdem sich die Arme bei frischen Knospen anlegten, unterschieden. Die Formen, welche mir bis jetzt in Graz, Triest und hier in Hei- delberg vorgekommen sind, lassen sich, außer nach den äußeren Formverhältnissen, nach histiologischen Merkmalen so sicher unter- scheiden, dass schon die Untersuchung eines Stückchens Ektoderm ge- nügt, um zu erkennen, mit welcher dieser drei Arten man es zu thun hat. Diese Unterschiede liegen neben anderen Merkmalen vor Allem in der Form der Nesselkapseln. An dieses Unterscheidungsmerkmal will ich mich hier vorläufig halten, behalte mir aber vor in einer besonderen Arbeit später ausführlich auf die einzelnen Arten einzu- gehen und dann auch zugleich die Synonymie zu ordnen, was bei solehen Untersuchungen eine unangenehme aber stets berechtigte Forderung bleibt. Ich habe auf Taf. XVIII Fig. 1—3 zum leichte- ren Vergleich die Nesselkapseln von den drei untersuchten Arten bei gleicher Vergrößerung mittels der Camera lucida abgebildet und die Benennungen Hydra viridis, grisea und vulgaris nach vorläufiger Orientirung in der Litteratur gewählt. Jede dieser Formen von Nesselkapseln ist nur in der Größe etwas variabel, sonst aber so 392 Carl F. Jickeli ~ beständig, dass schon die Entwicklungsstadien unterschieden werden können und damit dem Einwand eines mit dem Gegenstand weniger Vertrauten, es möchte sich da etwa um Altersunterschiede der Nessel- kapseln handeln, begegnet wird. Die nun folgenden histiologischen Befunde beziehen sich auf Hydra grisea, wo dieses nicht der Fall, ist das an betreffender Stelle bemerkt. Das Ektoderm. Es finden sich in demselben Epithelmuskelzellen, Drüsenzellen, Nesselkapselzellen mit vier Formen von Nesselkapseln, Nesselkapselbildungszellen, Zellen, die einen indifferenten, wie es scheint embryonalen Charakter tragen, endlich Zellen, die ich eben so wie ähnliche bei Eudendrium beschriebene als Ganglienzellen deute. Die Epithelmuskelzellen kennen wir bereits aus der klassi- schen Untersuchung von F. E. ScHhuLzE (15) über Cordylophora la- custris und Hydra und der gedankenreichen Studie KLEINENBERG’s (16) über Hydra. Ich möchte höchstens darauf aufmerksam machen, dass bei einer unserer Hydra-Arten, nämlich Hydra vulgaris, die äußere Cutieula eine solehe Mächtigkeit gewinnt, dass man dieselbe durch geeignete Macerationsmittel, z. B. Chlorpalladium in großen Schollen ablösen kann. Flächenbilder dieser Schollen lassen mit voller Schärfe als wellige Linien die Territorien der einzelnen Zellen erkennen und zahlreiche Durchbohrungen zeigen die Stellen, an wel- chen die Nesselkapseln ihre Cnidoeils hervorstrecken. Dass die letz- tere Bedeutung diesen Durchbohrungen zukommt, davon kann man sich unschwer überzeugen, wenn man auf der Kante liegende Cuti- cularschollen, an welchen die Nesselkapseln hängen geblieben sind, betrachtet (Taf. XVIII Fig. 3c und 8). Der Kern der Epithelmus- kelzellen ist von Interesse, weil derselbe weniger auf den Armen als auf der übrigen Leibesfläche ungemein häufig zwei Kernkérperchen zeigt. Eine Erscheinung, die ich bei Eudendrium niemals beobach- tete, die aber bereits von GREEFF (10) bei Protohydra beschrieben wurde. Die Auffassung KLEINENBERG’s, dass die Längsmuskelfasern der Hydra als Ausläufer der Ektodermzellen aufzufassen seien, muss ich mit allen meinen Vorgängern bestätigen. Ich kann aber nicht umhin zu bekennen, dass ich mich trotz der damit gegebenen Über- einstimmung mit verschiedenen anderen Coelenteraten-Typen, lange gegen diese Auffassung gewehrt habe, selbst dann noch, als ich auf verschiedene Weise ganz vortreffliche Macerationspräparate erzielt hatte. Es störte mich dasselbe, was KOROTNEFF (17) störte, näm- lich das eigenthümliche von der ganzen übrigen Zelle abweichende optische Verhalten dieser Fasern. Auf gelungenen Querschnitten habe Der Bau der Hydroidpolypen. 393 ich mich dann überzeugt, dass die Muskelfibrille wirklich zur Ek- todermzelle gehört. Es ist da nämlich — am besten bei H. viridis, welche die stärksten Fasern besitzt — zu erkennen, dass die Zell- membran sich über die Muskelfaser fortsetzt, dass die Faser inner- halb der Zelle liegt, also ein Theil von ihr ist. Wir werden auf dieses Verhältnis zurückkommen, wenn wir die Stützlamelle näher kennen lernen. Hier genügt nur noch hervorzuheben, dass die Fasern nicht glatt sind, wie KLEINENBERG angiebt, sondern jene höckerige Oberfläche zeigen, welche wir aus der Beschreibung und Abbildung von F. E. Scuurze kennen. Es ist dieses desshalb wichtig, weil, wie wir sehen werden, die Nesselkapselzellen ebenfalls glänzende, mus- kulöse Ausläufer zeigen, welche aber glatt sind. Allen bis jetzt von mir bei Hydra untersuchten Nesselkapseln ist eigenthümlich, dass die reife nicht entladene Kapsel von einem glänzenden, stark lichtbrechenden Häutchen bis auf eine kleine Off- nung an der Spitze vollständig umschlossen wird (Taf. XVII Fig. 4 bis 6). Diese Umhüllung der Nesselkapsel erweist sich als eine Fortsetzung einer in 2—7 Ausläufer zerspaltenen Faser, welche sich bei den größten Nesselkapselzellen sogar zu einer Lamelle verbrei- tert. Faser und Kapselumhüllung zeigen das gleiche, starke Licht- brechungsvermögen und nehmen keine Farbstoffe auf. Da, wo Kapselumhüllung und Faser in einander übergehen, findet sich das Protoplasma und der Kern der Nesselkapselzelle. Die Ausläufer der Nesselkapselzellen liegen den Längsmuskelfasern auf, scheinen aber mit diesen eine sehr wenig innige Verbindung einzugehen, da ich unter etwa dreißig, durch Abpinseln des Ektoderms hergestellten Präparaten ein einziges Mal eine Nesselkapselzelle, allerdings ohne Nesselkapsel (Taf. XVIII Fig. 7), mit Längsmuskelfasern in Verbindung erhielt. An diesem Präparat ist zu erkennen, was schon die ver- schiedene Struktur der Längsmuskelfaser und der Nesselkapselfaser wahrscheinlich machte, nämlich dass die letztere nicht etwa als eine Fortsetzung der ersteren aufgefasst werden darf, sondern dass die Nesselkapselzellen ihre eigenen muskulösen Ausläufer besitzen. Außer den muskulösen Ausläufern sind zuweilen an den Nesselkap- seln auch noch andere feinere direkt vom Protoplasma abgehende Ausläufer vorhanden, welche ich als Verbindungen mit den spä- ter zu beschreibenden Ganglienzellen deute. Das Cnidocil steigt bei allen Nesselkapselzellen außerhalb der Kapselumhüllung, dieser dicht angeschmiegt, nach aufwärts, nur die großen Nesselkapseln von Hy- dra grisea — bei den großen Nesselkapseln von Hydra viridis und 394 Carl F. Jickeli vulgaris blieb ich zweifelhaft — zeigen in dieser Beziehung eine in- teressante Abweichung. Hier scheint das Cnidocil unten in die Kapselumhüllung hineinzutreten, daselbst in einer geschlossenen Rinne zu verlaufen und oben die Hülle wieder zu verlassen, um frei zu endigen (Taf. XVIII Fig. 2 a). Ich habe dieses Verhältnis einem sehr genauen Studium unterworfen, weil ich, nachdem einmal die Gan- glienzellen aufgefunden waren, in den Cnidocils Ausläufer besonderer Sinneszellen vermuthete. Betrachtet man eine Nesselkapsel bei guter Beleuchtung mit starker Vergrößerung, so erkennt man das Cnidocil als eine in einem Cylinder aufsteigende Faser, welche in einer ge- wissen Höhe frei hervortritt. Bei macerirten Nesselkapselzellen vermisst man diese Faser oft, erkennt dagegen an aufgerissenen Nesselkapselumhüllungen, wenn dieselben so liegen, dass ihre innere Wandung der direkten Beobachtung zugänglich ist, oder durch einen im Präparat erregten Strom zugänglich wird, eine meridional verlau- fende gerundete Leiste, welche in Länge und Stärke mit jener das Cnidocil umhüllenden Röhre übereinstimmt. Dieses Verhalten des Cnidocils beobachtete ich nur bei Hydra grisea nicht aber bei viridis und vulgaris. Dagegen scheint dasselbe bei Syncoryne Sarsii wieder- zukehren. Dort schilderte F. E. SCHULZE (18) bereits vor längerer Zeit ein Cnidocil, welches sich aus drei parallelen Fäden, zwei seit- lichen und einem mittleren, die beiden ersteren nach oben und un- ten überragenden, zusammensetze. Die Schilderungen SCHULZE’S stimmen ganz gut mit meiner Auffassung, wenn wir den nach oben und unten verlängerten Faden als das Cnidocil, die beiden seitlichen kürzeren als den optischen Längsschnitt der Cnidocilröhre betrachten. Die vorstehende Schilderung der Nesselkapselzellen weicht etwas ab von den Beschreibungen, die wir über dieselben in der Litteratur über Hydra und die Coelenteraten überhaupt kennen. Seit F. E. SCHULZE (18) darauf aufmerksam machte, dass sich von dem Grunde der Nesselkapselzellen Ausläufer nach abwärts erstreckten, sind solche wiederholt beschrieben worden. C. GROBBEN (19) zeigte in seiner Abhandlung über Podocoryne carnea Sars, dass diese Ausläufer bis zur Muskelschicht reichten, das Gleiche bewies Cramician (20) für Tubularia und zuletzt beschrieben die Gebrüder Herrwie zahlreiche solche Ausläufer bei den Nesselkapselzellen der Actinien. F. K. SCHULZE, noch bestimmter die Gebrüder Herrwie, neigten der An- sicht zu, diese Ausläufer seien nervöser Natur, daneben machte sich aber auch die Vermuthung geltend, man habe es nach dem optischen Verhalten doch eher mit Muskelfasern zu thun. Entschieden für die Der Bau der Hydroidpolypen. 3y5 letztere Vermuthung sprach die Entdeckung von Craus (21), dass sich bei Charybdaea marsupialis drei Muskelfasern auf die Nessel- kapsel erstreckten. Zuletzt hat dann Cuun (22) durch ein sorgfälti- ges Studium der Nesselkapselzellen der Siphonophoren nachgewiesen, dass dort ein Geflecht von feinsten sogar stellenweise quergestreiften Muskelfibrillen die Nesselkapsel umkleiden, dass diese Fibrillen nach unten zu einem starken kürzeren oder längeren Muskelstämmchen vereinigt werden, und dass die Nesselkapselzellen als hoch differen- zirte Muskelzellen aufzufassen seien. Alle diese Beobachtungen kann ich nach meinen Beobachtungen an den Nesselkapselzellen von Euden- drium und besonders Hydra noch dahin ergänzen, dass die ganze Nesselkapsel von einer Fortsetzung der Muskelfaser vollständig um- hüllt wird. Wie aus Cuun’s (23) Holzschnittfiguren zu erkennen ist, fehlt diese Umhüllung auch bei den Nesselkapseln der Siphonophoren nicht und die quergestreiften Fibrillen legen sich erst auf dieselbe von außen auf. Diese Umhüllung lassen die Abbildungen in F. E. SCHULZE’s Cordylophora ebenfalls erkennen, und pag. 24 spricht der- selbe sogar von einer zarthäutigen Decke, welche sich von der Ba- sis des Cnidocils über den Entladungspol der Nesselkapsel ausbreiten soll. Nur die bereits geschilderte Behandlungsweise mit MÜLLER- scher Flüssigkeit, Hämatoxylin und Eosin hat es mir ermöglicht, diese Verhältnisse bei dem vergleichsweise immerhin ungünstigen Objekt, der Hydra, zu erkennen. Ich erhielt durch dieses Reagens nicht nur die Nesselkapselzellen wie nie vorher isolirt, sondern es fanden sich zugleich alle möglichen Stadien der Aktion derselben, von der ganz unberührt gebliebenen bis zur vollständig entladenen. So ist Taf. XVII Fig. 4 dieselbe Form der Nesselkapselzellen noch in vollständiger Ladung zu sehen, während Fig. 5 a—c entladene, aber noch nicht aus der Zelle herausgeschleuderte Nesselkapseln, Fig. 5 d die Zelle, aus welcher die Kapsel bereits herausgeschossen wurde, zeigt. Mit dem Vorzug verschiedene Stadien der Funktion der Nesselkapselzellen zu liefern, vereinigt dieses Macerationsmaterial auch noch den weiteren Vorzug, dass die Nesselkapseln (Taf. XVIII Fig. 25, c) blau gefärbt werden, die muskulöse Substanz aber unge- färbt bleibt. Auf die viel behandelte Art der Entladungsweise der Nesselkapselzellen komme ich später zurück, ich möchte hier nur noch bemerken, dass sich außer den zweifellosen muskulösen Ausläufern an denselben auch andere zweifellos nervöser Natur finden, welche als abgerissene Fäserchen der nervösen Elemente, zu deren Be- schreibung ich mich jetzt wende, gelten müssen. 396 Carl F. Jickeli So rasch es gelang sich über diese Elemente bei Eudendrium zu orientiren, so viel Mühe verlangte ein vergleichsweise immer nur noch halbes Resultat bei Hydra. Fürs erste erschweren die hier viel zahlreicher vorhandenen Nesselkapseln wesentlich die Erkennung der anderen Gebilde auf Flächenbildern oder Schnitten, fürs zweite dif- ferenziren sich die Ganglienzellen hier nur sehr wenig unter dem Einfluss der Reagentien. Während dort der Nervenplexus auf Flä- chenbildern von Armen bei Behandlung mit Überosmiumsäure sofort als ein schwarzes Geflecht hervortrat, sind hier kaum die Differen- zen zwischen den Nervenzellen und den Nesselkapselzellen zu er- kennen. Das Präparat, nach welchem ich das (Taf. XVII Fig. 12) gegebene Flächenbild gezeichnet, ist das beste von mehr denn 100. Auch auf diesem Präparat ist eine Differenz zwischen den Ganglienzel- len und dem sichtbaren protoplasmatischen Antheil der Nesselkapselzelle nicht so scharf ausgesprochen, wie ich ihn darstellte, indem ich die den ersteren zugerechneten viel dunkler anlegte. Im Ganzen er- scheinen die Territorien der einzelnen Ektodermzellen durch die deutlichen Zellgrenzen so wie durch den großen Kern bestimmt ab- gegrenzt. Die Nesselkapselzellen erscheinen in den einzelnen Zellen zusammengehäuft und die Ganglienzellen zwischen die Nesselkapsel- zellen, welche sich auch nicht immer scharf gegen einander abgren- zen, gedrängt; selten gestatten vereinzelter gelagerte Nesselkapsel- zellen, noch seltener gesonderter liegende Ganglienzellen ein genaueres Studium. Die Gestalt der Ganglienzellen weicht von der bei Euden- drium geschilderten ab. Das Protoplasma, welches den ovalen großen immer ein Kernkörperchen zeigenden Kern umgiebt, erscheint nicht so reichlich und selten so ausgesprochen körnig wie in Fig. 15 auf Taf. XVII. Die Ausläufer sind in größerer Zahl als bei Eudendrium — bis sieben — vorhanden, erscheinen zarter und besitzen hier mehr die Neigung, sich in sekundäre Fasern zu spalten (Taf. XVII Fig. 13, 14). Der Zusammenhang zwischen Nerven und Muskelfaser konnte auch hier nicht eruirt werden, dagegen werden wir später zeigen, dass Ganglienzellen in Zusammenhang mit Nesselkapselbil- dungszellen zu finden sind. Über die topographische Verbreitung der Ganglienzellen vermag ich auch nur dürftige Angaben zu machen. Wenn schon die vielen Nesselkapseln eine Orientirung auf Flächen- bildern der Arme erschweren, so treten zu diesen in den anderen Körpertheilen noch Entwicklungsstadien von Nesselkapseln und das sogenannte interstitielle Gewebe störend hinzu. Ich konnte bis jetzt nur konstatiren, dass sich die nervösen Elemente im ganzen Ekto- Der Bau der Hydroidpolypen. 397 derm vorfinden, über weitere Verhältnisse vermag ich vorläufig keine . Mittheilung zu machen. Die Drüsenzellen des Ektoderms (Taf. XVIII Fig. 20—23) fin- den sich an der Fußscheibe und sind am reichlichsten bei H. grisea entwickelt; sie dienen bekanntlich zur Anheftung der Thiere. Schon am lebenden Thier, noch besser bei Behandlung mit Reagentien, lassen sie einen aus lauter Körnchen bestehenden Inhalt, dessen An- ordnung in Längsreihen auch schon bei schwächerer Vergrößerung hervortritt, erkennen. Sie erinnern dadurch an das körnerstreifige Aussehen, welches schon bei den Drüsenzellen verschiedener Thier- gruppen beschrieben wurde. Gute Isolationspräparate zeigen ferner an der Basis dieser Zellen eben solche als Muskelfasern zu deutende Ausläufer, wie bei den anderen Ektodermzellen. Bei geeigneter Mace- ration lässt sich der ganze Zellinhalt in Fasern zerlegen, an welchen die Drüsenkörnchen, wie Beeren an einem Zweige hängen. Der Kern kann nur auf feinen Längsschnitten oder gezupften Zellen er- kannt werden und zeigt nichts von den gewöhnlichen Ektodermzellen Abweichendes. Diese Struktur der Zelle ist, wie mir scheint, ge- eignet, die verwandten histiologischen Elemente bei anderen Coelen- teraten auffinden zu helfen. Diese homologen Elemente möchte ich in den Klebzellen der Ctenophoren suchen, welche einen Vergleich ungezwungener zulassen, als auf den ersten Blick scheinen mag. Cuun (24) gebührt das Verdienst nachgewiesen zu haben, dass diese Klebzellen nicht Nesselkapseln sind, wofür man sie früher hielt, er ist aber wohl nicht im Recht, wenn er dieselben in einen genetischen Zusammenhang mit den Nesselkapseln bringt. Zu einem solchen Versuch lag allerdings die Aufforderung nahe. Nicht nur waren die- selben, wie gesagt, früher als Nesselkapseln gedeutet worden, son- dern dieselben als etwas von den Nesselkapseln ganz Verschiedenes auffassen, hieß auch zugleich, einen sehr wichtigen Charakter der Cnidaria aufgeben. Wir werden dieses trotzdem thun müssen. Ich vermag weder in dem gewundenen Faden der Klebzellen ein Homo- logon des Nesselfadens zu sehen, noch spricht mir für eine Ver- wandtschaft, dass bei Entwickelung der Nesselkapseln in deren Pro- toplasma ebenfalls Körnchen auftreten. Dagegen dürfte sich eher ein Vergleich der Klebzellen der Ctenophoren mit den Drüsenzellen am Fuße von Hydra, die zugleich dieselbe physiologische Funktion haben, durchführen lassen. Denkt man sieh die zahlreichen Fäser- chen mehr konsolidirt, so dass sie schließlich eine stärkere Faser bilden, lässt man alsdann die Klebkörnchen sich mehr lokalisiren, 398 Carl F. Jickeli so sind unsere Driisenzellen auf die Form der Klebzellen zuriickge- führt, ohne dass wir dabei mehr gethan hätten, als dass wir eine lokale Koncentration der verschiedenen Eigenschaften des Protoplas- mas der Zellen zugegeben haben. Unterstiitzt wird diese Auffassung durch das Studium der iibrigen Ektodermzellen. Es zeigt sich da bei genauer Untersuchung, dass auch die andern Ektodermzellen, in welchen Nesselkapselzellen lagern, vorübergehend die Funktion und damit etwas von den Strukturverhältnissen der Klebzellen annehmen können. Oft kann man an der Spitze der Arme eine leichte Ver- diekung wahrnehmen. Untersucht man einen solchen Arm, beson- ders wenn das Thier vorher gezwungen worden war, sich mit den Armen festzuhalten, indem man ein Festsetzen mit dem Fußende verhinderte, so erkennt man an dem wieder vollkommen ausge- streckten Arm Stellen, wo das Protoplasma der Ektodermzellen blasig vorgewölbt erscheint und eine ähnliche körnige Beschaffen- heit zeigt, wie wir sie an den Drüsenzellen des Fußes beschrieben ‘Taf. XVIII Fig. 24). Eine solche Umgestaltung des Protoplasmas der Ektodermzellen beschreibt auch F. E. ScuuLze (15) an jenen Stellen im Hydrophyton von Cordylophora lacustris, wo das Coeno- sare durch vorragende Zipfel an das Perisare befestigt wird. Aus allen diesen Beobachtungen schließe ich, dass den Ektodermzellen vieler Polypen die Potenz zukommt, gegebenen Falles als Klebzellen zu wirken, dass diese Potenz sich in den Drüsenzellen des Fußes von Hydra zur morphologischen Individualität gesteigert und dann eine noch höhere Entwickelung in den Klebzellen der Ctenopho- ren gefunden hat. Einen Zusammenhang der ektodermalen Drü- senzellen oder, wie ich künftig sagen will, Klebzellen mit Ganglien der Polypen habe ich trotz vielen Suchens nicht auffinden können und ich nehme daher äußere, die Drüse direkt treffende Reize an, um ihre Wirksamkeit zu erklären. Ich möchte diesen Reiz allein suchen in dem Gewicht, mit welchem der Polyp auf seine Unterlage drückt, und wodurch er die Körnchen, die wir uns als Bläschen denken können, zum Bersten und Erguss ihres Inhaltes bringt. Dieser Inhalt würde sich dann ausbreiten, und, als eine klebrige Substanz die Fäserchen der Klebzellen und damit den ganzen Polypen fest- halten. Mit dieser Vorstellung stimmt, dass man zwischen Kleb- zelle und Anheftungsfläche eine geschichtete Substanz vorfindet, welehe eben so wie die Körnehen der Klebzellen Farbstoffe lebhaft aufnimmt. Trennt man einen Polypen von seiner Befestigungsstelle, so sieht man oft längere Zeit an seinem basalen Ende Theile dieser Der Bau der Hydroidpolypen. 399 Klebzellen frei herabhängen, die sich allmählich ablösen und dann herabfallen. Auf eine solehe Erscheinung ist die von Hancock (25) mitgetheilte Beobachtung, er habe am unteren Ende einer Hydra Nährstoffe austreten sehen, zurückzuführen. In der That erweckt der allmählich sich ablösende Theil der Klebzellen leicht diese Vor- stellung; dünne Längsschnitte durch Hydra erweisen aber eine voll- ständige Abschließung der Gastralhöhle nach unten. Den Schluss der Analyse des ektodermalen Gewebes bildet die Betrachtung des sogenannten interstitiellen Gewebes. Wir begegnen hier einer großen Menge kleiner, in Isolationspräparaten gewöhnlich zu Gruppen vereinigter Zellen, die einen körnigen Inhalt zeigen und auch nicht selten Theilungsstadien erkennen lassen, so dass sie den Eindruck eines in lebhaftem Wachsthum befindlichen Gewebstheiles machen. Sodann finden wir zahlreiche Entwickelungsstadien von Nesselkapseln. Die Entwickelung der Nesselkapseln in Zellen ist schon wieder- holt geschildert worden. Ich muss trotzdem wegen einiger neuer Befunde nochmals auf den Gegenstand eingehen. Wie ich schon anzugeben Gelegenheit hatte, sind die verschiedenen Formen der Nesselkapseln bereits in den Entwickelungsstadien zu unterscheiden. Diese verschiedenen Formen entstehen regelmäßig jede für sich in größeren Gruppen. Die bedeutendste Wandlung der Form während der Entwickelung macht die (Taf. XVIII Fig. 20) abgebildete Kap- selgattung durch, indem dieselben aus der Form von Pistolenschäften in die gestreckte Eiform übergehen. Allen Nesselkapseln ist eigen- thiimlich , dass der Faden wenigstens zum Theil außerhalb der Kapsel angelegt und nachträglich erst eingestülpt wird. Entwicke- lungsstadien wie Taf. XVII Fig. 19 6, y, 0, Fig. 22 @ machen diesen schon ziemlich sicher; Präparate, die ich erhielt, indem ich Hydra mit ganz schwacher Überosmiumsäure behandelte, dann für einen Tag in BEALE’s Karmin legte und nach Auswaschen in destil- lirtem Wasser in Glycerin zerzupfte, lassen keinen Zweifel mehr zu. Auf diese Weise behandelt färbten sich die Entwicklungsstadien der Nesselkapseln rosenroth und hatten zugleich bei der Maceration des Protoplasma ihre Bildungszelle verloren. Dieses gilt für alle Stadien, vom ersten bis zum letzten. Selbst wenn die Kapsel bereits ihre Umhüllung erhalten hat, aber noch nicht vollendet ist, nimmt sie den Farbstoff noch auf, sobald sie aber ganz fertig ist, bleibt sie gegen denselben unempfänglich. In verschiedenen Präparaten. welche ich auf diese Weise anfertigte, ließ sich feststellen, dass wy v . a » » 400 Carl F. Jickeli wirklich die Kapsel sich nach vorn in einen Ausläufer fortsetzte, und außerdem waren Stadien der Einstülpung dieses Ausläufers vor- handen (Taf. XVII Fig. 22, 23). Dieser Vorgang der Entwicklung ist noch von besonderem Interesse. Denn er stimmt überein mit der Entwieklung der Nesselkapseln bei Protozoen, die in der jüngsten Zeit zum ersten Male von BürschLı (26) bei den Fischsporospermien an den sogenannten Polkörperchen, deren Natur er zugleich festge- stellt, beobachtet wurde. Dort ist der Faden der Kapsel auch außen angelegt und wird erst nachträglich eingestülpt. Dieses ist zugleich ein Beweis, dass wir es in beiden Fällen, bei Protozoen und Meta- zoen, mit denselben Gebilden zu thun haben. Gewissermaßen dau- ernd im ausgestülpten Zustande beharrende Nesselkapseln sind die von ALLMAN als Palpocil bezeichneten Gebilde, welche nach F. E. SCHULZE (18) auch bei Syncoiyne Sarsii vorkommen, ganz wie Nessel- kapseln aussehen, aber im Innern keinen Nesselfaden zeigen, dagegen nach vorn in eine ziemlich lange, und wie ich mich bei Cladonema tiberzeugen konnte, sehr starre leicht zerbrechliche Spitze auslaufen. Meine Reihe von Entwicklungsstadien der einzelnen Nesselkap- selformen ist nicht ganz lückenlos. Vor Allem vermag ich beinahe gar keine Angabe über die Entwicklung der muskulösen Ausläufer, der Anlage der Umhüllung der Nesselkapsel und des Cnidocils zu machen. Was ich an beziiglichen Beobachtungen mittheilen kann, be- schränkt sich darauf, dass ich einige Male an dem Protoplasma sehr vorgeschrittener Entwieklungsstadien Differenzirungen erkannte, welche zweifellos die Anlage des Muskels darstellten (Taf. XVII Fig. 19 f), dass mir dann weiter große Nesselkapseln der Hydra grisea vor- kamen, welche ziemlich nahe der Vollendung von einer glänzenden Hülle umschlossen waren, an welcher eine Verdiekung die Anlage der Cnidocilréhre darstellen mochte (Taf. XVII Fig. 22 ¢). Noch auf einige Bilder in der Reihe von Entwicklungsstadien der Nesselkapseln möchte ich hinweisen. Man begegnet zuweilen Entwicklungsstadien, welche außer den angelegten Nesselkapseln nicht einen sondern zwei Zellkerne enthalten und andere, wo der einkernigen Bildungszelle noch eine zweite Bildungszelle, ohne Nes- selkapselanlage, dicht verbunden erscheint (Taf. XVII Fig. 17, 19 a, 20 g). Obwohl ich mich nun wiederholt überzeugt hatte, dass in ihrem Entwicklungszustande wenig differente Nesselkapseln der- selben Form auf Isolationspräparaten gewöhnlich in größerer An- zahl zu einer Gruppe vereinigt erschienen, dass somit auch Grup- pen von Nesselkapselbildungszellen auf einmal in Nesselkapseln Der Bau der Hydroidpolypen. 401 übergehen mussten, meinte ich schließlich doch, ich hätte es in allen diesen Fällen mit in der Entwicklung zurückgebliebenen Bildungs- zellen zu thun. Ich fand zwar auch einige Male Entwicklungsstadien von Nesselkapseln mit Gebilden im Zusammenhang, welche noch am ehesten als zweifelhafte Ganglienzellen gedeutet werden konnten, deren Deutung aber doch so zweifelhaft blieb, dass ich eine Diskus- sion derselben für fruchtlos hielt und desshalb auch keine Zeichnung entwarf. Erst später. begegnete ich der Taf. XVII Fig. 16 darge- stellten Nesselkapselzelle, welche mit einer zweifellosen Ganglienzelle in Zusammenhang war und selbst bei Erregung einer Strömung unter dem Deckglas in Zusammenhang blieb. Aus diesen Befunden möchte ich nun schließen, dass jene scheinbaren Nesselkapselbildungszellen, welche mit Entwicklungsstadien von Nesselkapseln in Verbindung angetroffen werden, eben so wie die zweiten Kerne der letzteren. auf embryonale Ganglienzellen zu beziehen seien, und es gäbe dann das interstitielle Gewebe nicht nur Nesselkapseln sondern auch un- unterbrochen neuen Ganglienzellen den Ursprung. Noch mehr, es liegen mir auch Befunde vor, welche die Vermuthung erwecken, dass die Epithelmuskelzellen ebenfalls von da aus eine Vermehrung erfah- ren, und während sie von der Stützlamelle in die Höhe wachsen, bereits Nesselkapselzellen und Ganglienzellen umschließen. Auf die Frage der Entladungsweise der Nesselkapselzellen möchte ich erst in der allgemeinen Betrachtung eingehen, am Schlusse der Betrachtung des Ektoderms aber noch einige Beobachtungen, die ich speciell bei Hydra gemacht, einflechten. Zunächst habe ich darauf aufmerksam zu machen, dass der Faden in dreierlei Arten in den Nesselkapseln aufgewickelt erscheint. Die großen Nesselkapseln und zwei der langgestreckten Formen (Taf. XVIII Fig. 1 a, 2 a 3, 3 a) zeigen eine zur Längsachse spirale Aufwindung des Fadens, die Taf. XVII Fig. 2d, 36 abgebildeten eine Zusammenlegung des- selben in mehrere Längsschlingen und die kleinsten (Taf. XVIII Fig. 1—3 c) übereinstimmend bei allen drei Hydra-Arten eine einfache Schlinge, deren stets gleiche Anlage deutlich wird, wenn man diese Kapseln in zwei zu einander um 90° gedrehten Ebenen betrachtet (Taf. XVIII Fig. 3 c’ u. c”). Der Nesselfaden dieser letzten Art von Nesselkapseln rollt sich ausgeschnellt sofort korkzieherartig! zusam- men, während er bei den anderen herausgeschnellt ziemlich gerade ' Eine in mancher Beziehung ähnliche Zusammenrollung des Fadens be- schrieb ALLMAN (29) bei einer Kapselform von Myriothela. Morpholog. Jahrbuch. 8. 21 402 Carl F. Jickeli gestreckt bleibt oder in einige große weite Schlingen zusammen- gelegt ist. Die Nesselfäden ersterer Art sind stets glatt und kurz, die der letzten Art erreichen selbst das 14fache der Länge der Nes- selkapsel und sind stets durch Spiralrippchen, Wärzchen ete. für ihre Wirksamkeit als Fanggarne ausgerüstet. Wird eine Hydra gereitzt, so ist es immer eine Nesselkapsel der zweiten Art und zwar gewöhnlich eine der größten, welche zuerst herausgeschleudert wird. Bei Hydra fliegt dabei immer nur die Nesselkapsel heraus, die Nesselkapselzelle aber bleibt im Thier und ist dann durch die offene Kapselhülle auch in Präparaten noch aufzufinden (Taf. XVII Fig. 12 z). Die ganz kleinen Nesselkapseln werden bei Insulten. des Thieres sehr selten entladen, so selten, dass ich lange vergeblich nach solehen suchte und schon geneigt war, diesen Gebilden eine andere Funktion als diejenige von Nesselkapseln zuzuschreiben, zumal da ich auch lange im Irrthum anderer Autoren befangen war, das lange Cnidocil derselben als Fortsetzung der inneren Fadenschlinge zu betrachten. Die Bedeutung dieser Nesselkapseln ist mir erst näher gebracht worden, als ich einmal eine Hydra in dem Augenblick unter das Mikroskop brachte, als dieselbe eben einen eingefangenen Krebs in das Hypostom einzuführen im Begriffe stand. Zu meinem Er- staunen fand ich den Krebs ganz bespickt mit solchen kleinen Nes- selkapseln. Wohl an hundert mochten denselben bedecken. Dieses überraschte mich um so mehr weil ich mich wiederholt davon über- zeugt hatte, dass schon einige der größeren Nesselkapseln genügten um die Beute zu immobilisiren, und man ja eben aus diesem Grunde den Nesselkapseln einen giftigen Inhalt zuschrieb, welcher, indem er aus der Nesselkapsel nach Abbrechen des Fadens ausfloss, die töd- liche Wirkung auf die eingefangene Beute äußern sollte. Wozu dienen nun diese kleinen Nesselkapseln? Zum Einfangen der Beute können sie nicht gebraucht werden, dazu sind ihre Nesselfäden zu kurz, und ist die Beute durch die großen Kapseln eingefangen, hätte es keinen Zweck, sie noch weiter mit kleinen Nesselkapseln zu belasten. Ich habe verschiedene Möglichkeiten zur Erklärung dieser Erscheinung herbeigezogen, sogar in Erinnerung daran, dass nach Kruxensere’s Mittheilung, es vermöge bei den Spongien nur das Ektoderm, nicht aber das Entoderm eine Fibrinflocke zu verdauen, einige Zeit dem kecken Gedanken Raum gegeben, es möchten vielleicht diese kleinen Nesselkapseln ein verdauendes Se- kret führen und bin in dieser Vermuthung dadurch bestärkt worden, dass ich im Gastralraum der Hydra oft verschlungene Krebse, nie Der Bau der Hydroidpolypen. 403 aber diese kleinen, doch in so großer Menge eingeführten Nessel-: kapseln auffinden konnte, was mir darauf hinzudeuten schien, dass dieselben gleich Anfangs zerstört würden, um das Sekret zu ver- brauchen, ich habe aber dann diese Idee wieder aufgegeben, weil sie mir doch zu abenteuerlich erschien und weil ich später zwei Arten von Drüsenzellen im Gastralraum von Hydra auffand. Vielleicht klingt die Vermuthung, bei welcher ich jetzt als der mir wahrschein- lichsten stehen geblieben, nicht weniger befremdend; wenigstens Anfangs. Ich betrachte diese kleinen Nesselkapseln jetzt als Gebilde, dazu bestimmt, indem sie dem gefangenen Thiere in großer Menge angehängt werden, dessen Gewicht zu erleichtern. Diese Ansicht ist nicht so uneben, wenn man sich überzeugt, dass die ausgeschnell- ten Nesselkapseln auf dem Wasser schwimmen und nicht zu Boden sinken, und wenn man das im Vergleich zu einer Hydra große Ge- wicht eines der als Nahrung dienenden Kruster vergleicht. Ist also die Beute durch die großen Nesselkapseln gefangen und immobilisirt, so wird sie mit diesen kleineren zur Erleichterung ihres Gewichtes bespickt und dann erst in die Mundöffnung eingeführt. Ob den ver- schiedenen Formen der Fangkapseln verschiedene Funktionen zu- kommen, indem vielleicht die einen nur Jagdgeschosse, die anderen Vertheidigungswaffen und je nach Art und Größe des Jagdobjektes die eine oder die andere Form derselben gewählt wird, darüber können nur weitere Beobachtungen Aufschluss geben. Das Entoderm, welchem alle früheren Beobachter nur eine Art von Zellen zuschrieben, zeigt deren drei. Zwei Formen von Drüsen- zellen und Epithelmuskelzellen, welche als die eigentlichen Nähr- zellen erscheinen, die ich aber schlechtweg als Entodermzellen be- zeichnen werde. Die erste Art dieser Zellen findet sich besonders reichlich im Hypostom, mehr vereinzelt im Gastralraum, wo die Entodermzellen dominiren, die dritte Art von Zellen ist auf die Ba- sis des Gastralraumes beschränkt. In den verschiedenen Regionen des Leibes wechselt die Höhe der Zellen. Im Allgemeinen werden sie vom Hypostom nach abwärts höher. An manchen Stellen er- scheinen die Entodermzellen als Trabekel vorgewölbt. Geißeln habe ich am lebenden Thiere vielfach beobachtet, am konservirten ver- misst. Als wichtigste Ergänzung zu der Schilderung, welche andere Forscher von den Entodermzellen geben, habe ich hinzuzufügen, dass dieselben an ihrer Basis ebenfalls in Muskelfasern auslaufen wie die Ektodermzellen. Der Ausläufer dieser Zellen (Taf. XVIII Fig. 9 2 27* 404 Carl F. Jickeli erreicht hier zuweilen eine so bedeutende Länge wie ich nirgend sonst beobachtete. Man kann sich von dem Vorhandensein dieser Fasern auch an Stücken der Stützlamelle, von welcher man durch Pinseln die Zellen entfernt hat, überzeugen (Taf. XVIII Fig. 11), selbst auf guten Flächenbildern des ganzen Thieres und auf feinen Längsschnitten waren diese Fasern zu erkennen, auf den Armen vermisste ich sie stets. Die Oberfläche der Fasern erscheint eben so höckerig wie im Ektoderm. Die Zellkerne, viel größer als im Ektoderm, zeigen oft auffallende Einbuchtungen (Taf. XVIII Fig. 10). Auf die sonstigen Inhaltskörper der Zelle gehe ich hier nicht ein. Der ersten Art von Drüsenzellen begegnet man besonders reich- lich im Hypostom (Taf. XVIII Fig. 16). Nach den Bildern, die man von denselben hier erhält, deutlicher nach solehen von Körperregionen, wo sie weniger häufig sind und man sie daher besser überblicken kann, erscheinen dieselben in ihrer unteren Partie stark zusammen- gedrückt, beinahe zu einer Faser redueirt, während sie sich nach oben zu kleinen Kelchen erweitern. Hier zeigen sie sich erfüllt von einem blasigen Protoplasma und bergen am Grunde gewöhnlich den Kern. Auf Flächenbildern des Entoderms kann man sich überzeu- gen, dass im Gastralraum die Drüsenzellen ziemlich gleichmäßig vertheilt zwischen den Entodermzellen stehen (Taf. XVII Fig. 18, 19). Ob die im Hypostom zwischen den Drüsenzellen gelegenen Zellen, in welchen nur Reste des Protoplasmas nachzuweisen sind, und welche eine gleiche Lagebeziehung zeigen wie die ihnen ähnlichen, bei Eudendrium beschriebenen, ist nicht zu entscheiden. Etwas einem Übergang Gleichenden zwischen diesen Zellformen und den Drüsenzellen konnte nicht nachgewiesen werden, dagegen liegt ein sicherer Unterschied von den gewöhnlichen Entodermzellen darin, dass keinerlei Inhaltskörper oder Nahrungskörper in denselben vor- kommen. Dieses letztere gilt auch von den als zweifellose Drü- senzellen beschriebenen Elementen und kann wohl als ein Beweis dafür gelten, dass wir es nicht mit gewöhnlichen Entodermzel- len zu thun haben, die durch Wasseraufnahme oder sonst verändert wurden. Das basale Entoderm des Polypen besteht aus einer zweiten Art von Drüsenzellen (Taf. XVIII Fig. 20, 21). Diese sind mit den andern verglichen viel kleiner, ihr Protoplasma erscheint sehr trüb und feinkörnig. In jeder Zelle ist eine Vakuole zu erkennen, welche ein Häufehen Konkremente birgt. Zwei solcher Zellen erwecken die Vermuthung, dass diese Konkremente zeitweilig entleert werden, in- Der Bau der Hydroidpolypen. 405 dem in der einen diese Konkremente unmittelbar vor der leeren Va- kuole, der andern schon beträchtlich davon entfernt lagern. Geladene Nesselkapselzellen finden sich in den gewöhnlichen Entodermzellen nicht selten, ja selbst in der eben geschilderten Zell- form begegnete ich denselben. Diese entodermalen Nesselkapseln. nach PARKER (27) bereits von HuxtLey in HuxLey und Marrın, Elementary biology pag. 100 — das Werk selbst ist mir nicht zu- gänglich — beschrieben, sind ein das Entoderm mit konstituirender Theil. Sie stammen weder von der eingeführten Beute, noch gelan- gen sie dorthin wie Harroe (28) will, wenn Hydra zeitweilig die Arme in den Gastralraum steckt. In beiden Fällen könnten die Nes- selkapseln dann nicht mehr geladen erscheinen, wie dieses doch der Fall ist. Ich kann übrigens der Ansicht Harroe’s, die Hydren steck- ten nur zeitweilig, z. B. wenn der zu große Nahrungsbrocken wieder ausgespieen worden sei, die Arme in den Gastralraum, nicht beistim- men. Dieses ist vielmehr bei verschiedenen Arten verschieden. Bei den Formen, die gewöhnlich als die vulgaris, grisea’ und viridis bezeichnet werden, habe ich dieses niemals gesehen, dagegen beob- achtete ich einmal einige Zeit in Graz eine Farbenvarietät von Grisea in hunderten von Exemplaren und sah sie stets die Arme abwech- selnd in den Gastralraum schieben und wieder hervorziehen. Die Stützlamelle lässt auf dünnen Schnitten bei sorgfältiger Untersuchung (Taf. XVIII Fig. 12, 13) besonders bei der Behand- lungsweise nach Czescaka's Methode, aber auch bei starker Ein- wirkung von Überosmiumsäure deutliche, ihre Dicke durchsetzende Fäserchen erkennen. Je nachdem man Quer- oder Längsschnitte untersucht, endigen diese Fasern an der ektodermalen oder entoder- malen Seite scheinbar als Verdiekungen der Begrenzung der Stütz- lamelle. Bei sehr guter Beleuchtung zeigt eine starke Vergrößerung. dass die Verdickungen Querschnitte von Muskelfasern sind, dass also diese Fäserchen an den Muskelfasern endigen. An manchen Stellen von Schnitten durch Hydra viridis, welche die stärksten Muskelfasern besitzt, ließ sich ferner konstatiren, dass diese Fäserchen als Fort- setzungen der ektodermalen, beziehungsweise entodermalen Zellwan- dungen, die, nachdem sie die Muskelfaser umschlossen, sich zum Fäserchen auszogen, aufzufassen sind. Es war auch auf besonders guten und etwas schief gelegten Schnitten zu erkennen, dass durch diese Fäserchen die ektodermalen und entodermalen Epithelmuskel- zellen verbunden waren, dass also die Stützlamelle sich als Gallerte zwischen einem so gebildeten Gerüstwerk ausbreitet. Ein Verhalten, 406 Carl F. Jickeli welches bereits auf Pinselpräparaten durch knotige Verdickung der Kreuzungsstellen der beiden Muskellagen zum Ausdruck kommt und es erklärt, wesshalb die Muskelfasern so fest an der Stützlamelle haften, dass man eher diese zerstört als einzelne Fasern vollständig ablöst. Auch die höckerige Beschaffenheit der Muskelfasern wird durch diese Beobachtung verständlich, denn wenn sich die Zell- membran über die Muskelfasern fortsetzt und stellenweise in Fäser- chen ausgezogen eine Verbindung zwischen den zwei Gewebsschichten darstellt, so würden jene Höckerchen eben Ausdruck der Runzelung der Zellmembran sein. Ob die Stützlamelle nach der ektodermalen oder entodermalen Seite durch eine Membran begrenzt wird, kann ich nicht angeben. Ich glaube mich eben so oft von dem Fehlen dieser Membran an beiden Seiten überzeugt zu haben, wie ich vielfach Schnitte beob- achtete, die eine solche demonstrirten. Es ist aber zu bedenken, dass auf Querschnitten die entodermalen, auf Längsschnitten die ektoder- malen Muskelfasern leicht als solehe Membranen imponiren können. Litteratur. Seit KLEMENBERG's Abhandlung über Hydra und F. E. Schurze's Studie über Cordylophora, wo auch viele Verhält- nisse von Hydra klar gelegt wurden, haben sich verschiedene For- scher mit diesem Polypen beschäftigt, es ist aber dabei nichts nen- nenswerthes Neues über den Bau desselben geliefert worden. Die Arbeiten beschränken sich, sofern sie auf die histiologischen Ver- hältnisse eingehen, gewöhnlich darauf, das Vorhandensein der »Neuro- muskelzellen« zu konstatiren. Was den feineren Bau wirklich berührte, habe ich an betreffender Stelle bereits herangezogen. Auf die Lit- teratur vor KLEINENBERG's Hydra glaube ich hier um so weniger eingehen zu müssen als dort die ganze historische Entwieklung un- serer Kenntnisse des Gegenstandes kritisch geschildert ist. Allgemeine Betrachtungen. Von den in der vorangegangenen Analyse dargelegten Befunden ist es vor Allem das als Nervensystem bezeichnete Gewebe, welches ein allgemeineres Interesse beanspruchen darf. Durch Nachweis desselben für die Hydroidpolypen ist eine nun bereits seit 10 Jahren viel besprochene Theorie an dem Objekte, von dem sie ausgegangen, als unhaltbar erwiesen. Ich meine die von KLEINENBERG in seiner gedankenreichen Abhandlung über Hydra aufgestellte Theorie der Neuromuskelzellen. Der Bau der Hydroidpolypen. 407 Man wusste damals noch wenig über den feineren Bau der Coelenteraten. Als KLEINENBERG seine Arbeit bereits abgeschlos- sen hatte, erschien erst die klassische Untersuchung von F. E. SCHULZE über den Bau von Cordylophora lacustris All. und beide Forscher hatten sogar noch den zelligen Bau der Hydra zu verthei- digen. In der ganzen großen Abtheilung der Coelenteraten waren es nur die Medusen, bei welchen 1865 Ernst HaEckEL (30) zwei- fellos ein Nervensystem nachgewiesen hatte, nachdem L. Acassız bereits 1849 das Vorhandensein eines solchen behauptet, aber später wieder geleugnet hatte. Reichlicher als die Angaben über ein Nervensystem der Coelen- teraten waren jene über Muskelfasern, selbst bei Hydra beschrieb KOLLIKER (31) bereits 1865 solche Fasern, zu einer Zeit, wo man noch darüber stritt, ob Gestaltveränderungen mehrzelliger Organis- men ohne Muskelfasern nur als Resultirende der aktiven Bewegung jeder einzelnen dieser Zellen möglich sei. Wie war nun die Aktion einer Muskelzelle ohne Nervenzelle zu deuten? War überhaupt die Funktion einer Muskelzelle möglich, wenn sich derselben kein Nerv zugesellte? Die neuere Physiolo- gie (32) hat die letzte Frage mit ja beantwortet, indem sie experi- mentell nachwies, dass der isolirte Muskel auf mechanische und chemische Reize reagire, dass ferner bei vollständig gelähmtem Ner- vensystem das Muskelsystem selbständig zu wirken im Stande sei, dass dem Muskel also eine »vis insita« zukomme, wenn sie damit auch nicht die gleiche Vorstellung verband, welche HALLER dersel- ben seiner Zeit beigelegt hatte. Die KLEINENBERG’sche Neuromuskel- zellentheorie schloss noch die frühere Annahme in sich, dass Nerv und Muskel etwas in engster gegenseitiger Abhängigkeit Bestehendes sei, dass eigentlich der Muskel das Werkzeug des Nerven sei, sie war in der Morphologie die logische Konsequenz dessen, was die Physiologie lehrte. Dass dem wirklich so war beweist die vielsei- tige, um nicht zu sagen allseitige Zustimmung, deren sich diese Theorie zu erfreuen hatte. Sie wurde nicht nur immer wieder von Neuem durch Befunde an den Polypen bestätigt, sondern van BENE- DEN (33) und Ermer (34) bildeten sie noch weiter aus und hervor- ragende Nervenhistiologen wie RANVIER (35) gaben ihr ihre Zu- stimmmung. Huxtey (36) war wohl der Erste, welcher sich gegen die KLEINEnBERG’sche Deutung der Befunde bei den Polypen aus- sprach. Zur selben Zeit begannen die Gebrüder Herrwic ihre Coelenteratenstudien und wiesen in einer Reihe großer Arbeiten (5, 408 Carl F. Jickeli 37, 38) ein bei den Coelenteraten engeren Sinnes weit verbreitetes und zum Theil sehon reich differenzirtes Nervensystem nach. Sie schlossen daraus, dass auch bei den Hydroidpolypen ein Nerven- system vorhanden sein müsse und vertheidigten auf Grund verschie- dener histiologischer Befunde die Ansicht, dass Muskel und Nerv selbständig entstanden seien, dass aber die Verbindung derselben ontogenetisch schon frühzeitig stattfinde. Außer den Lehren der neueren Physiologie sprachen für die Herrwie’sche Ansicht auch die neueren Arbeiten der Histiologen. F. E. SCHULZE wies bei den Spongien eine große Verbreitung von Muskelfasern ohne Nervenzellen, die er desshalb kontraktile Faserzellen nannte, nach, und W. FLEu- mıng (41) schilderte die Entwicklung glatter Muskelfasern aus stern- förmigen Bindegewebszellen in der Harnblase von Salamandra ma- culata. Die Muskelzelle trat also auch ohne Ganglienzelle weit verbreitet im Thierreich auf, und sie entwickelte sich aus Gewebs- elementen, welche nichts mit Nervenzellen zu thun haben. Diesen Thatsachen gegenüber wiesen die Vertheidiger der Theorie der Neuro- muskelzellen aber immer wieder auf die Polypen, als jene Thiere hin, wo sich die Neuromuskelzellen vorfinden sollten. Man hätte nun allerdings auch daran denken können, die Ansicht zu vertheidi- gen, es fänden sich bei den Polypen eben so wie bei den Spongien nur Muskelzellen, indem man den Dualismus der »Neuromuskelzellen« aufgab und alle Bewegungserscheinungen wie bei den Spongien nur von den Muskelzellen ableitete, dagegen sprachen aber die immerhin schon komplieirteren Lebensäußerungen der Polypen nicht minder wie die große Übereinstimmung im histiologischen Bau mit den höheren Coelenteraten. Wohl unter dem Einflusse aller dieser Thatsachen hat in aller- letzter Zeit J. Auuman (29) ein höchst eigenthümliches Gewebe, welches er bei Myriothela beschrieb, als ein Nervensystem gedeutet. Wie ich schon auszusprechen Gelegenheit hatte (8), ist diese Deu- tung mehr als zweifelhaft, da die Elemente dieses Gewebes mit allem dem was wir bis jetzt von nervösen Geweben kennen, gar keinen rechten Vergleich zulassen. Dagegen wird sich gegen die Deutung des von mir als Nervensystem der Hydroidpolypen Beschrie- benen wenig geltend machen lassen. Ich wüsste auch thatsächlich nicht, welche andere Natur ich demselben beilegen sollte und wel- chen Einwänden ich da zu begegnen hätte. Welcher Art ist nun die Funktion dieses Nervensystemes, vor Allem in welcher Beziehung steht dasselbe zu den ausgesprochensten Der Bau der Hydroidpolypen. 409 Organen der Sinnesäußerung bei Polypen, den Nesselkapselzellen? Es liegt sehr nahe anzunehmen, dass den Nesselkapselzellen der äußere Reiz durch die Ganglienzelle vermittelt werde, dass somit die Nesselkapselzelle allein unter dem Einfluss der Ganglienzelle zur Funktion, also zum Herausschleudern der Nesselkapsel gelangen könne und man wird daher, wofern man nicht freie Nervenenden anneh- men will, nach Sinneszellen um so mehr suchen, als bei den übri- gen Coelenteraten da, wo Nervenzellen nachgewiesen wurden, zugleich auch Sinneszellen beschrieben werden. Es liegt eben so nahe in den Cnidoeils äußere Endigungen von Sinneszellen zu vermuthen. Ich habe daher auch lange das den Nesselkapselzellen von anderen Forschern zugerechnete Cnidocil diesen wieder zu nehmen und mit einer Sinneszelle in. Zusammenhang zu bringen versucht, mich zu- letzt aber auf jede Weise überzeugt, dass das Cnidoeil den Nessel- kapselzellen nicht abzustreiten ist. Zugleich habe ich aber an den Nesselkapselzellen außer den muskulösen Ausläufern auch Fäserchen, welche nur als Nervenfäserchen gedeutet werden konnten, beobach- tet und zuletzt habe ich Entwicklungsstadien von Nesselkapseln in zweifellosem Zusammenhang mit Ganglienzellen gefunden. Endlich konnte ich bei Eudendrium Ganglienzellen nachweisen, welche zwi- schen den Ektodermzellen Ausläufer in Form freier Nervenenden aufwärts schickten, stellenweise sogar mit Gebilden in Zusammen- hang traten, welche ich als Sinneszellen deutete. Es ist wohl nicht zu bestreiten, dass durch diese fraglichen Sinneszellen und durch die freien Nervenenden dem Thier bestimmte äußere Eindrücke ver- mittelt werden, es deutet aber auch Vieles darauf hin, dass die Entladung der Nesselkapseln ohne die Kontrolle des Nervensystems stattfindet. Fürs Erste findet man sowohl bei Eudendrium als auch bei Hydra zuweilen einzelne oder auch mehrere Nesselkapselzellen. in deren unmittelbarer Nähe gar keine Ganglienzellen aufzufinden sind, und eben so begegnet man Polypenarten, bei welchen zwischen überaus reichlich vorhandenen Nesselkapselzellen kaum eine Gan- glienzelle aufzufinden ist. Fürs Zweite wäre die Natur des bei Hydra schon sehr langen aber bei anderen Polypen noch viel längeren Cni- docils nicht zu erklären, wenn man behaupten wollte, die Nessel- kapsel empfinge nur durch Vermittlung der Ganglienzelle den zur Entladung nothwendigen Reiz. Mit dem Cnidocil hat denn auch F. E. ScauLze (15) die Entladung der Nesselkapseln zu einer Zeit in Zusammenhang gebracht, als man noch gar nichts von einem Ner- vensystem der Polypen wusste. Die Ansicht Scuunze’s ging dahin. 410 Carl F. Jickeli dass durch dieses »Sinneshärchen« ein äußerer Druck entweder direkt auf die Nesselkapsel übertragen werde und so das Ausschnellen des Fadens bewirkt werde, oder aber, dass durch einen solchen Druck auf das Sinneshärchen zuerst das Protoplasma der Nesselkapsel- zelle zur Kontraktion und dadurch erst sekundär die Endladung der Kapsel bewirkt werde. An dieser letzteren Erklärungsweise halte ich fest, möchte aber, nachdem wir nunmehr wissen, dass die Nesselkapselzellen Muskelzellen sind, dieselbe nur dahin erweitert wissen, dass sowohl mechanische als auch chemische Reize die Entladung der Nesselkapselzelle direkt zur Folge habe. Wir würden uns also vorzustellen haben, dass durch einen äußeren Reiz die Nesselkapselzelle zu energischer Kontraktion gebracht würde, dass dadurch die Kapselumhüllung gesprengt und die Nesselkapsel her- ausgeschleudert würde. Dieser letzte Moment im Mechanismus der Entladung der Nesselkapsel würde dann wohl zur Erklärung dafür, dass zugleich der Nesselfaden herausgekrempelt wird, die Ansicht von Mozsıus (44), dass in der Nesselkapsel eine Flüssigkeit enthal- ten sei, welche dem äußeren Druck der elastischen Kapselwandung das Gleichgewicht halte, sobald aber der Druck auf die Kapselwan- dung zunimmt, ausweicht und dadurch den Faden herausschnellt, als die wahrscheinlichste annehmen können. Der Druck würde entste- hen durch Reißen der Kapselumhiillung. Ist die Nesselkapsel herausgeschleudert, so bleibt die Nesselkapsel- zelle im Körper des Thieres zurück, bildet vielleicht sogar eine neue Nesselkapsel. Sicheres vermag ich über den letzteren Punkt nicht zu sagen, es spricht mir aber dagegen, dass ich in den Armen nie- mals eine ganz zweifellose Nesselkapselbildungszelle gefunden habe. Mit der an Hydra gemachten Beobachtung, dass nur die Nesselkap- sel aus der Zelle herausgeschleudert,wird, diese selbst aber im Thier zuriickbleibt, steht im Widerspruch, dass man besonders bei Tubo- laria oft reichlich entladene Nesselkapseln findet, welche durch mus- kulöse Ausläufer mit dem Thier in Verbindung blieben. Es scheinen somit in dieser Beziehung bei verschiedenen Thieren bedeutende Differenzen zu bestehen. Bei der dargelegten Wirkungsweise der Nesselkapselzellen würde - nicht ausgeschlossen sein, dass den Ganglienzellen auch ein Antheil bei der Gesammtwirkung des Organismus zukäme. Die heftige Wirkung, welche eine Nesselkapselzelle beim Herausschleudern der Nesselkapsel äußern muss, mag vielleicht durch die verbundene Ganglienzelle zu anderen, vom Reiz nicht betroffenen Nesselkapsel- Der Bau der Hydroidpolypen. 411 zellen weiter geleitet werden und so eine größere Kontinuität in der Wirkung vieler Nesselkapseln gesichert sein. Die Ganglienzellen würden also hauptsächlich als Leitungsbahnen fungiren, sie würden, wenigstens bei der Funktion der Nesselkapseln, dem Organismus nicht Reize zuleiten, sondern solche nur in dem Organismus verbrei- ten helfen, eine direkte Aufnahme und Vermittlung äußerer Reize an den Organismus würden sie aber an jenen Stellen übernehmen, wo sie als freie Nervenenden oder in Verbindung mit Sinneszellen auftreten. Den Epithelmuskelzellen ist damit die Fähigkeit auf äußere Reize zu wirken nicht genommen, im Gegentheil, wenn wir eine solche Wirkung bei den Nesselkapselzellen annehmen, dürfen wir dieselbe bei den Epithelmuskelzellen nicht wohl in Abrede stellen. Damit bleibt diesen Elementen des Polypenkörpers die Funktion, welche KLEINENBERG denselben zuschrieb, und nur ihre morphologische Be- deutung ist eine andere geworden. Unterstützt wird die Vermuthung, dass die Epithelmuskelzelle auch unabhängig von der Ganglienzelle funktionirt, wenig dadurch, dass ich keine Verbindungen dieser bei- den Elemente im Ektoderm nachweisen konnte, denn das kann seine Erklärung in der großen Schwierigkeit, solehe Verhältnisse festzu- stellen, finden, wohl aber dadurch, dass im Entoderm, wo doch auch Epithelmuskeln vorhanden sind, nicht eine Spur von einer Ganglien- zelle, oder überhaupt von etwas Ähnlichem zu finden war, auch nir- gends ein Durchtreten von Nervenfasern durch die Stützlamelle trotz sorgfältigster Prüfung konstatirt werden konnte. Was von den hier ausgesprochenen Vermuthungen der Wahrheit am nächsten kommt, in wie weit die Vertheilung der verschiedenen physiologischen Potenzen des Polypenorganismus eine richtige gewe- sen, darüber können nur ausgedehntere morphologische und physiolo- gische Untersuchungen, die ich bereits vorbereitet habe, entscheiden. Benutzte Litteratur. 1) €. CLaus, Grundzüge der Zoologie. Vierte Auflage. 1880. 2) FISCHER, Über den Bau der Meısswer’schen Tastkörperchen. Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. 12. 3) A. LANG, Ein neues Tinktionsmittel. Zoologischer Anzeiger Nr. 19. 4) L. Ranvier, Technisches Lehrbuch der Histologie. 1877. 5) O. und R. Hertwie, Die Aktinien. 1879. 412 Carl F. Jickeli A. Weismann, Über eigenthümliche Organe bei Eudendrium racemosum Cav. Mittheilungen aus der zoologischen Station zu Neapel. Bd.II. WYwıLLE-THoMmPson, in: Nature July 30 1874, nach E. F. SCHULZE Spon- gicola fistularis. Archiv f. mikroskopische Anatomie. Bd. 13. C. F. JıckeLı, Vorläufige Mittheilung über das Nervensystem der Hydroid- polypen. Zoologischer Anzeiger Nr. 102. A. LANG, Eine Konservirungsflüssigkeit für Planarien. Zoologischer An- zeiger Nr. 1. GREEFF, Protohydra Leuckarti Greeff. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. 20. ALLMAN, Gymnoblastic Hydroids. Bd. 1 u. 2. 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Foster, M., A Text book of physiology. 1879. Der Bau der Hydroidpolypen. 413 33) BENEDEN, E. van, Sur la distinction originelle du testicule et de l’ovaire. Bull. de l'acad. de Belgique. Ser. II. t. 37. 34) Ermer, T., Über Beroé ovatus. 1873. 35) RANVIER, Legons sur l'histologie du systeme nerveux. Paris 1878. 36) Huxrtey, TH., A manuel of the anatomy of invertebrated animals. 1877. 37) HERTWIG, 0. und R., Das Nervensystem und die Sinnesorgane der Me- dusen. 1878. 38) Herrwic, R., Über ‘den Bau der Ctenophoren. 1880. 39) SCHULZE, F. E., Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie der Spongidae. Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie. Bd. 32. 40) —— Die Gattung Spongelia. Daselbst. 41) —— Die Gattung Hireinia und Oligoceras. Zeitschrift für wissenschaftl. Zool. Bd. 33. 42) —— Die Familie der Aplysidae. Zeitschrift für wissenschaftl. Zool. Bd. 30. 43) Fremainc, W., Über Formen und Bedeutung der organischen Muskelzellen. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. 30. Supplement. 44) Morsgıus, C., Über den Bau, den Mechanismus und die Entwicklung der Nesselkapseln. Im fünften Band der Abhandlungen des naturwissen- schaftl. Vereins zu Hamburg. 1866. 45) HERTWIG, O. und R., Der Organismus der Medusen und seine Stellung zur Keimblättertheorie. 1878. Erklärung der Abbildungen. Auf allen Tateln wiederkehrende Bezeichnungen. ec Ektoderm, st Stützlamelle, en Entoderm. Die nachfolgenden Bezeichnungen für die verschiedenen Gewebselemente gelten zugleich auch für die Kerne derselben. a Ektodermzelle, 6 Entodermzelle, e Cuticula, dı Drüsenzellen aus dem Ektoderm, ds und da’ Drüsenzellen aus dem Entoderm, e Sinneszellen, 9 Ganglienzellen, h Hypostom, hf Hydrophyton, ny Muskelfasern des Ektoderms, mz Muskelfasern des Entoderms, n Nesselkapsel, nz Nesselkapselzelle, ne Nesselkapsel in Entwicklung, sf Fasern in der Stützlamelle. Die Angaben über Vergrößerungen beziehen sich auf ein Mikroskop von R. WINKEL in Göttingen. 414 Fig. Carl F. Jickeli Tafel XVI. (Alle Figuren von Eudendrium ramosum.) 1. Flächenbild eines Armes. Das Protoplasma der Entodermzellen zur Erleichterung der Orientirung nicht in natürlicher Lage. (Osm. Pikrok.) 2. Nervenplexus des Armes. Flächenbild unter Weglassung der übrigen Elemente. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 8.) 3. Dasselbe. (Oc. 2 Obj. 10.) 4. Einzelne Ganglienzellen eines Armes. Flächenbild. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. Im. C.) 5. Optischer Längsschnitt eines Armes. Frei endigende Ganglienzelle. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 10.) 6. Dasselbe. Macht die Endigung der Ganglienzelle am Cnidocil der Nes- selkapselzelle wahrscheinlich. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 10.) 7. Flächenbild vom Leib des Hydranthen. Ektodermale Seite. Vom En- toderm nur die ringförmig verlaufenden Muskelfasern gezeichnet. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 8.) 8. Einzelne Ektodermzelle aus derselben Körperregion. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 10.) 9. Ektoderm-Flächenbild vom Hypostom. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 6.) . 10. Ektoderm-Flächenbild aus der Region dicht oberhalb des Kranzes ektodermaler Driisenzellen. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 10.) .11. Ektoderm. Querschnitt. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 6.) . 12 und 13. Ektoderm. Längsschnitte in der Gegend der Drüsenzellen. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 6.) 14. Ektoderm-Flächenbild aus der Region der Driisenzellen. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 6.) .15 u. 16. Ektoderm. Querschnitt. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 10.) .17. Dasselbe, aber die Ganglienzelle mit Sinneszelle in Verbindung. . 18. Ektodermzelle aus einem Längsschnitt. (LANG’sche Flüssigkeit. Hä- matoxylin. Oc. 2 Obj. 10.) .19. Nesselkapsel in Entwicklung mit zwei Ganglienzellen. Aus dem Arm. Deutung zweifelhaft. (Oc. 2 Obj. 10.) Tafel XVII. (Fig. 1—11 von Eudendrium ramosum, Fig. 12—15, 22—23 von Hydra grisea, Fig. 16—21 von Hydra vulgaris.) 1. Entoderm aus dem Hypostom. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 6.) 2 u. 3. Verschiedene physiologische Zustände der Drüsenzellen des Hy- postomes. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 10.) 4. Dieselbe Drüsenzelle aus dem Gastralraum. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 10.) 5. Drüsenzelle aus dem Hypostom. (Lana’sche Flüssigkeit. Pikrok. Oc. 2 Obj. 10.) 6. Entodermzellen aus dem Gastralraum. (LANG’sche Flüssigkeit. Hamat. Oc. 2 Obj. 6,) co | Fig. Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12. Der Bau der Hydroidpolypen. 415 Entodermzellen am Beginn des Hydrophyton. (Lane sche Flüssigkeit. GRENACHER’S Karmin. Oc. 2 Obj. 6.) Entodermzellen mit eingebetteten geladenen Nesselkapseln aus dem Hydrophyton. (LAN@’sche Flüssigkeit. Pikrok. Oc. 2 Obj. 6.) Entodermzelle aus derselben Region. (LANG’sche Flüssigkeit. Oc. 2 Obj. 10.) Längsschnitt durch einen Arm. (LanG’sche Flüssigkeit. Oc. 2 Obj. 6.) Ganze und Theilstiicke von Entodermzellen des Armes. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 10.) Armfliichenbild. Um die Deutlichkeit nicht zu stören sind Muskel- fasern und Entodermzellen weggelassen. (Osm. GRENACHER’s Karm. Oc. 2 Obj. 6.) Durch die dunklere Schattirung sollen die Ganglien- zellen bezeichnet sein. Fig. 13 u. 14. Einzelne Ganglienzelle aus Flichenbildern. (Osm. GRENACHER’s Fig. 15. Fig. 16. Fig. 17. Fig. 18. Karm. Oc. 2 Obj. I. C.) Zwei Ganglienzellen mit einer Nesselkapselzelle. (Osm. Gren. Karm. Oc. 2 Obj. I. C.) Nesselkapsel in Entwicklung, bereits mit Ganglienzelle verbunden. (Osm. und Essigsäure macerirt, Pikrok. Oc. 2 I. C.) Nesselkapsel in Entwicklung. Im Zusammenhange mit embryonaler Ganglienzelle? (Gleiche Behandlung und Vergrößerung wie vorige.) Embryonale Nesselkapselbildungszellen. Fig. 19—21. Drei Formen von Nesselkapseln in ihren verschiedenen Entwick- lungsstadien. (Osm. und Essigsäure macerirt. Pikrok. Oc. 2. Imm. C.) Fig. 22 u. 23. Zwei Formen von Nesselkapseln in Entwicklung. (Osm. BEALE’s Fig.- 1 Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4— Fig. 7 Fig. 8 Fig. 9 Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12. Karmin.) Tafel XVIII. Die Nesselkapseln von Hydra viridis. (Oc. 2. Imm. C.) - - - - grisea. (Oc. 2. Imm. C.) = - - - vulgaris. (Oc. 2. Imm. C. 6. Hydra grisea. Nesselkapselzellen. (MÜLLER's Flüssigkeit. Häma- toxylin, Eosin. Oc. 2 Obj. I. C.) Hydra grisea. Unterer Theil einer Nesselkapselzelle in Verbindung mit Muskelfasern. (Behandelt wie vorige und dann abgepinselt. Oc. 2 Obj. 10.) Cuticula der Ektodermzellen von Hydra vulgaris. (Durch Chlorpalla- dium macerirt. Oc. 2 Obj. 6.) Hydra grisea. Ektodermale Epithelmuskelzellen. (Essigsäure und Chlornatrium isolirt. Pikrok. Oc. 2 Obj. 6.), 95 Entodermale Epi- thelmuskelzelle. (Wie vorige.) Verschiedene Kernformen aus Epithelmuskelzellen des Entoderms von Hydra grisea. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 10.) Hydra vulgaris. Ektodermale und Entodermale Muskelfasern. Flächen- bild. (Osm. und Essigsäure, macerirt, durch Abpinseln dargestellt. Oc. 2 Obj. I. C.) Hydra viridis. Längsschnitt. Fasern der Stiitzlamelle. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. I. C.) 416 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. : Fig. 3 Carl F. Jickeli, Der Bau der Hydroidpolypen. Hydra grisea. Querschnitt. Fasern der Stiitzlamelle. (ÜZESCHKA’S Methode. Oc. 2 Obj. I. ©.) Hydra viridis. Querschnitt. Fasern der Stützlamelle im Zusammen- hang mit ektodermalen Muskelfasern und Zellwänden. (Osm. Pikrok. Oe: 2°1L) C.) Hydra grisea. Entodermaler Querschnitt. (Schwache Vergrößerung um die Trabekelbildung zu zeigen.) Hydra grisea. Hypostom. Längsschnitt. Überwiegend Drüsenzellen. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 4.) Dasselbe aus dem Gastralraum näherer Region. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 4.) Hydra grisea. Entodermale Nährzellen. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 4.) 19. Entoderm derselben Art auf Flächenbildern. (Osm. Ameisensäure. Oc. 2 Obj. 4 und Oc. 2 Obj. 6.) Hydra grisea. Längsschnitt. Basale Klebzellen und entodermale zweite Form von Driisenzellen. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 4.) Vom gleichen Präparat die Driisenzellen bei Oc. 2 Obj. 6. Klebzellen. (MÜLLERr’s Flüssigkeit. Hämatoxylin, Eosin. Oc.2 Obj. 6.) Theile gleicher Priparate. (Oc. 2 Obj. 10.) Ektodermzelle des Armes in Driisenzellenfunktion. Past N j : t ae ra: pers 14 UN! | m Uke rs aay An > 2 N 4 1 ict i ._— Erg oe dr saa) Tu a ‘* 3 Fig & Der Tarsus der Vögel und Dinosaurier. Eine morphologische Studie. Von Georg Baur aus München. Mit Tafel XIX und XX. »La position que les membres ont dans l'embryon est, de toutes celles quel’onpeutdonneräces organes pour établir la comparaison des piöces qui les composent, celle qui permet d’ar- river aux résultats les plus certains.« GERVAIS. Seit Darwin mit seinem epochemachenden Werk über die Ent- stehung der Arten vor die Welt getreten ist, wurden vielfache Ver- suche gemacht, Arten mit Arten, Familien mit Familien, Ordnungen mit Ordnungen, Klassen mit Klassen durch Übergangsformen zu verbinden. Speeiell für die Wirbelthiere nenne ich Namen wie: Corr, GAUDRY, GEGENBAUR, HUxLEY, KOWALEVSKY, LEIDY, MARsH, RÜTIMEYER. Die paläontologischen Funde, das genaue Studium der- selben auf der sicheren Basis der vergleichenden Osteologie lieferten zum Theil erstaunenerregende Resultate. Die Morphogenese des Skeletsystems ist leider, einige Forscher wie: GEGENBAUR, GÖTTE, Huxtey, PARKER, RATHKE, WIEDERSHEIM ausgenommen, bisher ver- hältnismäßig nur wenig gewürdigt worden und gerade auf diesem Wege können für die richtige Deutung der paläontologischen Reste die schönsten Resultate erhalten werden. Darwin sagt einmal in seiner Entstehung der Arten!: »Da der Bau des Embryo uns im Allgemeinen mehr oder weniger deutlich den Bau seiner alten noch ı Cu. Darwin, Über die Entstehung der Arten. Deutsch nach der sechs- ten englischen Auflage von J. V. Carus. 1876. pag. 534. Morpholog. Jahrbuch. 8. 28 418 G. Baur wenig modifieirten Stammform überliefert, so sehen wir auch ein, warum alte und erloschene Lebensformen so oft den Embryonen der heutigen Arten derselben Klasse gleichen.« Dieser Satz muss auf jedes Organsystem anwendbar sein, mit sicherem Erfolg auf das Skeletsystem der Wirbelthiere; dies war der Gedanke, der diese Arbeit entstehen ließ. Die Dinosaurier und Vögel wählte ich, weil zwischen diesen beiden Gruppen verwandte Charaktere existiren, wie namentlich HuxLey, Cope und neuerdings MArsH gezeigt haben. Speciell den Tarsus wählte ich, weil dieser bei den Dinosauriern verhältnismäßig gut bekannt, über seine Formverhiltnisse bei den Vögeln aber die Meinungen aus einander gehen. Die bestehenden Verhältnisse klar zu legen war mein Ziel, ob mir gelungen ist, es zu erreichen, muss der Verlauf meiner Untersuchungen zeigen. Die Arbeit zerfällt in drei Theile: I. Der Tarsus der Vögel. ll. Der Tarsus der Dinosaurier. III. Vergleichender Theil. Ich begann meine Untersuchungen im Mai 1881 im zoologischen Institut des Herrn Geheimrath Prof. Dr. LEUCKART in Leipzig, setzte sie im Wintersemester 1881/82 im histiologischen Institut des Herrn . Prof. Dr. Kuprrer und im paläontologischen Institut des Herrn Prof. Dr. ZrtteL in München fort, und beendete sie im Mai 1882. Den genannten Herren gebührt mein Dank. I. Der Tarsus der Vögel. Historischer Überblick. Ich halte es für überflüssig, die älteren Ansichten über den Tar- sus der Vögel hier anzugeben. Dieselben sind ausführlich bespro- chen in MEcker’s System der vergleiebenden Anatomie ?. Der erste wohl, welcher den Gedanken aussprach, dass das distale Ende der Tibia der Vögel einem Theile des Tarsus entsprechen dürfte, war W. KırcHEn PARKER, jener für die Morphologie des Skeletes der Wirbelthiere so verdienstvolle Forscher. In seiner Osteologie von Balaeniceps rex? sagt er: »The inferior, or distal end of the tibia 2 J. F. MECKEL, System der vergleichenden Anatomie. 2. Theil. 2. Abth. pag. 134—145. Halle 1825. 3 W. KircHEN PARKER, On the Osteology of Balaeniceps rex (Gould). Transact. Zool. Soc. London. Vol. IV. 1862. pag. 343. Der Tarsus der Vögel und Dinosaurier. 419 is developed from a distinet osseous centre in young birds, which piece forms all the artieular part, and send supwards a wedge-sha- ped process in front — the seat of the ossification which makes the large, wide, oblique tendon — bridge. Below this bridge the bone is deeply scooped, and the concavity between the condyloid margins of the trochlea is very considerable. Query — Is this lower artieu- lar portion of the tibia an epiphysis of the tibia itself, or is it the homologue of the mammalian astragalus?« Dies wurde am 26. Juni 1860 von PARKER in der zoologischen Gesellschaft in Lon- don ausgesprochen. GEGENBAUR’s großes Verdienst ist es, die Verhältnisse am Vogel- tarsus richtig erwiesen zu haben. GEGENBAUR hat zwei diesbezüg- liche Arbeiten geliefert: 1) Vergleichend- anatomische Bemerkungen über das Fußskelet der Vögel?; 2) Untersuchungen zur vergleichen- den Anatomie der Wirbelthiere. I. Heft. Carpus und Tarsus’. In diesen beiden Arbeiten kommt er zu den Resultaten, welche ich nun kurz angeben will. Er findet, »dass der Tarso-Metatarsalknochen der Vögel nicht aus den verschmolzenen drei Metatarsalknochen und dem gesammten Tarsus besteht, sondern dass nur ein Theil des Tar- sus in den »Laufknochen« eingeht, indess ein anderer, der dem Calca- neus und Astragalus entspricht, sich mit der Tibia verbindet«. (4 pag. 463.) Diese Deutung ist die allein richtige und auch allge- mein angenommene, wenn wir RICHARD OWEN ausnehmen, welcher sich noch im Jahre 1875° nicht entschließen kann, seine alte An- schauung, das mit dem distalen Ende der Tibia verwachsende Stiick sei eine Epiphyse, aufzugeben. Ob Owen diese Anschauung auch heute noch festhält, konnte ich nicht ermitteln. Die nun folgenden Arbeiten bestätigen im Wesentlichen GEGENBAUr's Untersuchungs- resultate, ergänzen Verschiedenes, liefern zum Theil Neues. Die erste den klassischen Untersuchungen GEGENBAUR’s folgende Arbeit stammt von E. S. Morse?: On the Tarsus and Carpus of Birds. Morse hat folgende Embryonen untersucht: 4 ©. GEGENBAUR, Vergleichend-anatomische Bemerkungen über das Fuß- skelet der Vögel. Arch. f. Anat., Phys. u. wissensch. Med. Jahrg. 1863. pag. 450—472. 5 C. GEGENBAUR, Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wir- belthiere. I. Heft. Carpus und Tarsus. 1864. pag. 93—111. 6 R. Owen, Monographs on the Brit. Foss. Rept. of the Mesoz. Form. Part II. London 1875. pag. 80 ff. 7 E. S. Morse, On the Tarsus and Carpus of Birds. Annals Lyc. Nat. Hist. of New York. Vol. X. 1874. pag, 141—157. Read 29. I. 1872. 28" 420 G. Baur Cotyle riparia, Sialia sialis, Hirundo lunifrons, Spizella socialis, Tyrannus Carolinensis, Dendraera aestiva, Quisealus versicolor, Turdus fuscescens, Molothrus pecoris, Tringoides macularius. In allen untersuchten ‘Embryonen findet Morse drei Stücke, welche den Tarsus bilden; diese Stücke sind von einander getrennt. Zwei der Stücke gehören der proximalen Tarsusreihe an, das eine entspricht der Tibia ‘Astragalus), das andere der Fibula (Caleaneus). Das dritte Stück gehört der distalen Reihe an. Das Stück, welches der Tibia entspricht, nennt Morse nach GEGENBAUR’S Bezeichnungs- weise Tibiale, das der Fibula entsprechende Fibulare. Das dritte Stück bezeichnet Morse mit »Centrale«. Im Allgemeinen ist das Tibiale am stärksten, das Fibulare vereinigt sich sehr früh mit dem Tibiale. In allen untersuchten Embryonen verschmelzen beide, ehe sie sich mit der Tibia verbinden, mit Ausnahme von Tyrannus Ca- rolinensis, wo Tibiale und Fibulare einzeln mit der Tibia verwach- sen. Am Reiher findet MorsE, dass ein vom Astragalus ausgehender und aufsteigender Fortsatz mit GEGENBAUR's Intermedium homolog ist. Dies sind in kurzen Worten die Resultate von Morse. Nun ist eine Arbeit von ALEXANDER ROSENBERG zu nennen: ‚Über die Entwicklung des Extremitätenskeletes bei einigen durch Reduktion ihrer Gliedmaßen charakterisirten Wirbelthieren«®. Ro- SENBERG bestätigt im Allgemeinen die Angaben GEGENBAUR's. Er findet, dass die Metatarsalien sich eher mit der zweiten Tarsusreihe, dem Homologon von Tars. ,_; der Reptilien, vereinigt, wie die erste Tarsusreihe mit der Tibia. GEGENBAUR hatte das umgekehrte Ver- hältnis angegeben. Das Metat., ist in frühen Stadien proximal nicht vollständig ausgebildet und nicht in Kontinuität mit dem Abschnitt des Tars.ı_;, welcher Tars., repräsentirt. ROSENBERG findet ein Metat.;, welches transitorisch zur Entwicklung kommt, und sich topographisch, wie morphologisch wie das Metat., bei manchen Reptilien verhält. Es verschwindet im Laufe der Entwicklung wieder. | Die neueste, den Tarsus der Vögel betreffende Arbeit stammt von MORSE: On the Identity of the Ascending Process of the Astra- 5 Ar. ROSENBERG , Über die Entwicklung des Extremitäten-Skeletes bei einigen durch die Reduktion ihrer Gliedmaßen charakterisirten Wirbelthieren. Zeitschr. f. wissensch. Zool. Bd. 23. 1873. pag. 116—169. Der Tarsus der Vögel und Dinosaurier. 42] galus in Birds with the Intermedium’. Morse hat frühe Stadien folgender Embryonen untersucht : Sterna hirundo, Lomvia troile, Procella pelagica, Larus argentätus, Somateria molissima, Utamania torda, Uria grylle, Larus dominicanus, Aptenodytes Pennati. Morse theilt folgende Resultate mit: Das »Intermedium« ist bei den Vögeln im embryonalen Zustand als gesondertes Stück vorhan- den. Anfangs liegt es zwischen Tibiale und Fibulare und in einer Linie mit diesen. Wenn Tibiale und Fibulare verschmelzen, ist das Intermedium nach außen und oben gekrümmt. Zugleich ver- breitert sich die Tibia an ihrem distalen Ende, so dass sie an dieser Stelle denselben Durchmesser erreicht, wie die erste Tarsus- reihe. Das Intermedium füllt nun eine Grube an der vorderen Seite der Tibia aus. Das Intermedium verbindet sich mit dem verschmol- zenen Tibiale und Fibulare zuletzt. Es ist bei Embryonen verschie- dener Vögel in seiner Form verschieden. Bei jungen Vögeln ge- wisser Arten liegt es als aufsteigender Sporn in der Grube an dem unteren und vorderen Theil der Tibia. Bei erwachsenen Vögeln ver- schwindet es. Die knöcherne Brüeke, welche über die genannte Grube geht, hat keine Beziehungen zum Intermedium. Eigene Untersuchungen. Untersuchtes Material. Meine Untersuchungen wurden hauptsächlich an Embryonen vom Huhn gemacht. Mit Hilfe der Brutmaschine war es leicht mög- lich, eine fortlaufende Reihe von Stadien zu erhalten. Stadien vom 5. bis 10. Bruttag wurden untersucht. Die sich folgenden Stadien liegen vom 5. bis 8. Tag 12 Stunden, von da an 24 Stunden in der Entwicklung aus einander. Ferner konnte ich Embryonen sehr frü- her Stadien von Ente, Amsel, Sperling untersuchen. Auch Tauben- embryonen standen mir zur Verfügung. Untersuchungsmethode. Die Embryonen wurden, nachdem sie mit einer verdünnten Koch- 9 E. S. Morse, On the Identity of the Ascending Process of the Astra- galus in Birds with the Intermedium. Anniv. Mem. Boston Soc. Nat. Hist. 1580. 422 G. Baur salzlösung abgespült waren, in '/,%/,iger Chromsäure, welche später durch !/,°/oige ersetzt wurde, je nach ihrem Alter 3—8 Tage gehärtet, hierauf in Wasser, das öfters gewechselt wurde, ausgewaschen. Die Auswaschung dauerte 2—5 Tage. Nun wurden die Embryonen zuerst in 36°, dann in,90°, zuletzt in absoluten Alkohol gebracht und län- gere Zeit in letzterem gelassen. Embryonen bis zum siebenten Brut- tag wurden in Karmin in toto gefärbt. Die Extremitäten wurden in Seife eingebettet und dann in feine Schnitte zerlegt. Das Recept der Seife, welches ich im zoologischen Institut in Leipzig kennen lernte, ist: 55 g möglichst reine Kernseife, 245 g 90° Alkohol, 10 g Wasser. Dieses Gemenge wird einige Mal stärker erwärmt, bis eine kompakte Masse entsteht. Die Seife ist schön durchsichtig, so dass es leicht ist, die Objekte in jeder gewünschten Lage einzu- betten. Es wurden Längs-, Sagittal- und Querschnitte hergestellt, und zwar nur Schnittserien. Schnitt für Schnitt wurde mit dem Zeichenprisma aufgenommen. Die besten Dienste leistete das Mi- krotom von JunG in HEIDELBERG. Vom 8. Bruttage an wurden die einzelnen Schnitte entweder mit Karmin oder Hämatoxylin gefärbt. Namentlich das Hämatoxylin lieferte schöne Bilder. Es handelte sich vor Allem darum, möglichst frühe embryonale Stadien zu untersuchen, wo die erste Verknorpelung auftritt, um sehen zu können, ob Tibiale und Fibulare wirklich getrennt auftreten, und wie es sich mit dem aufsteigenden Fortsatz verhält. Wenn wir Stadien untersuchen, welche etwa solchen vom Huhn am fünften Bruttage entsprechen, so sehen wir Folgendes: Der ganze Fuß besteht noch aus einer gleichförmigen Blastemmasse, nur ein etwas stärker gefärbter Streif durchzieht in der Längsrichtung den Fuß, er reicht jedoch nicht bis zum distalen Ende des Stummels; dies ist die erste Andeu- tung der Skeletanlage. Die Zellen dieses Streifes lassen sich von den umliegenden nicht unterscheiden. Bei Embryonen, welche einem Hühnchen vom sechsten Bruttage entsprechen, sind die Hauptabschnitte des Fußes in Differenzirung begriffen. Femur, Tibia und Fibula sind schon deutlich knorpelig angelegt, und zwar jedes für sich, nicht in gegenseitigem Zusammenhang. Auf Tibia und Fibula folgt eine Gewebsmasse, welche vom umgebenden Gewebe durch etwas stärkere Färbung abgegrenzt erscheint. In dem der Fibula ent- sprechenden Theil finden wir eine stark tingirte, deutlich abgegrenzte Knorpelmasse von längsovaler Gestalt; dieses Stück stellt das Fibu- lare vor: es fällt genau in die Verlängerung der Fibula. Hierauf folgt eine undeutlich abgegrenzte querovale Masse von Zellen, von Er; Der Tarsus der Vögel und Dinosaurier. 423 derselben Beschaffenheit wie die des Fibulare. Diese Zellmasse stellt die zweite Tarsusreihe dar. Von den Metatarsalien sind ent- wickelt Met.2, Met.;, Met.,, Met.;. Von Met., ist noch nichts wahrzunehmen. Die Metatarsalien divergiren bedeutend, und gehen distal in das umgebende Blastem über. Die Formverhältnisse der einzelnen Theile sind aus den Fig. 1—6 der Schnittserie ersichtlich. Von einem Intermedium konnte ich nichts finden. Wenn wir mit diesen Ergebnissen die Angaben GrGENBAUR’s vergleichen, stoßen wir auf einige Unterschiede. Nach GEGENBAUR (5 pag. 95) geht schon am fünften Tage die Sonderung der Extremitätentheile vor sich; ich habe am fünften Bruttage immer nur gleichartiges Gewebe vorgefunden. Dieser Unterschied ist jedoch von sekundärer Bedeu- tung, da Embryonen derselben Brutdauer oft sehr verschieden in ihrer Entwicklung fortgeschritten sind. Schon GEGENBAUR hat im Tarsus eine scharf abgegrenzte aus Knorpelzellen bestehende Stelle gefunden, welche nach außen zu liegt; ich halte dieses Knorpelstück für das Fibulare; hierin würden also GrGENBAUR’s Angaben mit meinen Ergebnissen stimmen. GEGENBAUR konnte in diesem Stadium noch keine Trennung der ersten und zweiten Tarsusreihe finden; ich fand diese immer angedeutet, wenn auch öfters sehr undeutlich; am klarsten war noch die Trennung am fibularen Abschnitt bemerkbar. Die Gewebsmasse, aus welcher die erste und zweite Tarsusreihe hervorgeht, zeigt folgende Verhältnisse. Sie ist von Tibia und Fi- bula ziemlich deutlich, von den Metatarsalien weniger deutlich abge- grenzt; sie ist, wie schon bemerkt, dunkler gefärbt, wie das umge- bende Blastem. In dieser Masse selbst ist das Fibulare und die zweite Tarsusreihe wieder dunkler gefärbt, wie der dem Tibiale ent- sprechende Theil. In diesem Theile können wir jedoch eine Zunahme der Färbung gegen die Peripherie hin bemerken. Man kann daher wohl sagen, dass Fibulare, Tibiale und die zweite Tarsusreihe aus ge- trennten Centren verknorpeln. Die Verknorpelung des Fibulare beginnt zuerst, hierauf folgt die zweite Tarsusreihe, zuletzt das Tibiale. In Betreff der Metatarsalien kann ich GeGEBAUR’s Angaben bestätigen. Met., ist GEGENBAUR entgangen; meine Untersuchungen bestätigen die Angaben ROSENBER@’s über dasselbe. Ich komme nun zur Besprechung des Intermedium, welches nach Morse isolirt zwi- schen Tibiale und Fibulare entstehen soll. Ich habe etwa 20 Em- bryonen von Huhn, Ente, Sperling, Amsel in den Stadien, wo die erste Differenzirung der Skelettheile beginnt, in Schnitte zerlegt, ich konnte nichts Derartiges entdecken. Leider war es mir nicht 424 G. Baur vergönnt, dieselben Objekte, welche Morse zur Verfügung standen, zu erhalten und einer Untersuchung zu unterwerfen. Einen direkten Beweis für die falsche Beobachtung von Morse besitze ich demnach nicht. Trotzdem ist es mir vielleicht gestattet, einige Worte über diesen Punkt zu reden. Zuerst muss ich die Frage aufwerfen, wie hat Morse untersucht? Hat er Schnitte gemacht oder nicht? MorsE selbst giebt seine Untersuchungsmethode nicht an. Aus seinen An- gaben scheint mir jedoch hervorzugehen, und auch ROsENBERG® hat hierauf schon aufmerksam gemacht, dass Morse nicht mit Hilfe der Schnittmethode, sondern das betreffende ganze Objekt unter Druck untersucht hat. Es macht mir den Eindruck, als hätte Morse, nach- dem er den Embryo aus dem Ei genommen und die Extremitäten abgeschnitten hatte, die Extremität direkt unter das Mikroskop ge- -bracht. Er schreibt: »As all these studies were made from living specimens, more dependence can be placed upon the results obtained, than if they had been drawn from alcoholic specimens, in which the tissues are opaque.« Wenn die Gewebe von in Alkohol gehärteten Embryonen auch »opaque« sind, kann man dennoch die Formverhält- nisse der Skelettheile mit Hilfe der Schnittmethode aufs genaueste erkennen; dass Morse unter Druck untersucht hat, dürfte aus pag. 157 derselben Arbeit mit Recht geschlossen werden’; er schreibt dort bei Erklärung von Fig. 48 Tyrannus Carolinensis: »An other specimen under pressure« und zu derselben Figur bemerkt er pag. 147: »As I found it (nimlich ein drittes Carpale) in no other specimen, it may have been the result of aceidental pressure in exa- mination.« Einen weiteren Beweis für die Druckmethode von MoRSE liefern mir die Fig. 2 auf Taf. IV seiner ersten Arbeit, und die Fig. 8 auf Taf. I seiner zweiten Arbeit®. Dort kreuzen sich Tibia und Fibula in der Mitte etwa unter einem Winkel von 20°; kann diese unnatürliche Lage durch etwas Anderes, als durch Druck her- vorgebracht sein? Mit Hilfe dieser Methode war allerdings ein Ge- trenntsein von Tibiale und Fibulare leicht zu konstatiren. Sehr wunderbar ist es, dass Morsn, welcher diese detaillirten Verhältnisse konstatiren konnte, das Met.; übersehen hat, welches wohl allge- mein bei Vogelembryonen vorhanden sein wird, wenigstens fand ich 8 Av. ROSENBERG, Uber die Entwicklung des Extremitiiten-Skeletes. pag. 168. 7 E. S. Morse, On the Tarsus and Carpus of Birds. pag. 144. 9 E. S. Morse, On the Identity of the Ascending Process of the Astra- galus. Der Tarsus der Vögel und Dinosaurier. 425 es bei allen von mir untersuchten Embryonen, auch beim Sperling, welchem es nach ROSENBERG * nicht zukommen soll; und Morse hat doch Embryonen untersucht von Vögeln, bei welchen dieses Met.- höchst wahrscheinlich in ziemlicher Ausdehnung vorhanden sein wird. wie ROSENBERG pag. 155 erwähnt. Wie Morse dazu kam, die zweite Tarsusreihe als »Centrale« zu betrachten, ist mir unverständ- lich geblieben, eine Motivirung dieser Bezeichnung hätte man er- warten können. Ich verstehe nicht, wie bei den Vögeln auf einmal wieder ein Centrale auftreten soll, welches schon bei den Crocodi- linen, deren Tarsus dem der Vögel nicht gar zu fern steht, nicht mehr isolirt vorhanden ist. Dasselbe gilt auch für das Intermedium. Ich halte es darum von vorn herein verfehlt, im embryonalen Tarsus der Vögel nach einem Intermedium zu suchen. Für was dieser auf- steigende Fortsatz zu halten ist, werde ich aus einander setzen, wenn ich seine Entstehung und sein Wachsthum bei den Vögeln und sein Verhalten bei den Dinosauriern beschrieben habe. Fassen wir nun die Formverhältnisse des Vogelfußes am sechs- ten Bruttag zusammen. Die Tibia ist verhältnismäßig sehr kurz, von gedrungener Gestalt, die Fibula schwächer wie die Tibia, und von gleicher Länge, ihr distales Ende ist eben so breit wie ihr pro- ximales. Zwischen beiden liegt ein Raum, welcher beinahe eben so breit ist wie die Tibia. Das Fibulare wird selbständig angelegt, von gleicher Breite wie die Fibula, zuweilen sogar etwas breiter, von längsovaler Form. Das Tibiale differenzirt sich später, wie das Fibulare und zwar beginnt die Verknorpelung an seinen äußeren Absehnitten. Die zweite Tarsusreihe bildet eine gesonderte quer- ovale Masse und stellt Tars.;_; vor. An sie schließt sich nament- lich Met., an; Met., und Met., sind deutlicher als Met.;, Met., undeutlich, Met., noch gar nicht entwickelt. Während des siebenten Bruttages (Fig. 7—11) verändern sich die Verhältnisse wenig. Die knorpelige Struktur der einzelnen Theile tritt deutlicher hervor. Das Tibiale entwickelt sich mehr und mehr und wächst gegen das Fibulare hin. Die ersten Spuren des auf- steigenden Fortsatzes fand ich in diesen Stadien. Diese Verhältnisse sind ziemlich schwer zu erkennen, am deutlichsten lassen sie sich an sehr feinen Quer- und Sagittalschnitten studiren, während an Längsschnitten wenig zu sehen ist. Betrachten wir einen Quer- 8 Ar. ROSENBERG, Uber die Entwicklung des Extremitäten-Skeletes. pag. 155—156. 426 G. Baur schnitt durch den unteren Theil des Tibiale und Fibulare. Wir ha- ben eine dunkler gefärbte ziemlich deutlich abgegrenzte ovale Zell- masse vor uns. Inder einen Hälfte liegt etwas excentrisch eine Gruppe von Zellen, welche durch Karmin stark roth gefärbt sind, so dass diese Zellgruppe vollkommen isolirt erscheint. Dies ist das Verknor- pelungscentrum des Fibulare: die andere Hälfte, welche dem Tibiale entspricht, ist beinahe ganz gleichmäßig tingirt, nur nach außen zu finden wir dunkler gefärbte Zellen. Von einer stärker gefärbten Stelle zwischen Fibulare und Tibiale ist nichts zu sehen. Beim nächsten höher gelegenen Schnitt, welcher Tibiale und Fibulare etwa in der Mitte durchschneidet, sind dieselben Verhältnisse zu sehen. Bei dem nun folgenden Schnitt sieht man, wie sich die etwas stärker tingir- ten Zellen des Tibiale gegen das Fibulare vorschieben, die letzten Zellen dieser Art liegen vorn zwischen dem eigentlichen Körper des Tibiale und dem Fibulare; diese äußersten Zellen bilden den auf- steigenden Fortsatz. Beim vierten Schnitt ist der aufsteigende Fort- satz schon zu unterscheiden, er liegt vorn zwischen Tibiale und Fibulare. Der fünfte Schnitt, welcher schon das distale Ende der Tibia und Fibula trifft, zeigt den aufsteigenden Fortsatz ziemlich isolirt zwischen Tibia und Fibula vorn gelegen; natürlich hängt er mit dem Tibiale vollkommen zusammen. Beim nächsten Schnitt ist von dem Fortsatz nichts mehr zu sehen. Sicher ist es, dass diese Zellen des aufsteigenden Fortsatzes nicht mit dem Verknorpe- lungseentrum des Fibulare zusammenhängen. Sie gehen von der inneren frontalen Seite des noch wenig charakterisirten Tibiale aus und entstehen nicht selbständig. Sagittalschnitte bestärken mich in dieser Anschauung. Der Vorgang der Bildung des aufsteigenden Fortsatzes war bei Huhn, Ente, Sperling, Amsel genau derselbe. Gegen den achten Bruttag (Fig. 12—16) sind Tibia und Fibula etwas schlanker geworden. Fibulare und Tibiale sind deutlich er- kennbar und jedes selbständig als Knorpel differenzirt, zeigen aber deutlich das Bestreben zu verschmelzen. Besonders deutlich knorp- lig differenzirt ist das Tibiale in seinen äußeren Theilen; gegen das Fibulare hin geht es allmählich in die ursprünglichen embryo- nalen Zellen über. Das Fibulare ist vollkommen abgegrenzt, und liegt nieht mehr ganz in einer Linie mit der Fibula, sondern ist etwas gegen das Tibiale hin verschoben. Die zweite Tarsusreihe ist deutlicher geworden. Es ist immer noch Met. ,, welches sich haupt- sächlieh. daran anschließt, doch auch Met., und Met., legen sich zum Theil daran an. Met., beginnt sich zu differenziren, es ist ver Tarsus der Vögel und Dinosaurier. 427 jedoch proximal unvollständig. Met.; ist mehr kugelförmig ge- worden und etwas näher an Met., und die zweite Tarsusreihe her- angerückt. Der Zellenstrang des aufsteigenden Fortsatzes hat sich noch etwas nach oben erstreckt und man sieht nun deutlich , dass dieser Fortsatz vorn vom Tibiale ausgeht und zwar von dem Theil, welcher gegen das Fibulare gelegen ist. Zwischen dem achten und neunten Bruttage beginnt die Ver- schmelzung von Tibiale und Fibulare, beide bilden nun eine zusam- menhängende Knorpelmasse. Die Gestalt des Fibulare ist übrigens noch ziemlich lange nachher erkennbar. Die Tibia verlängert sich und wird schlanker, die Fibula bleibt in ihrem Wachsthum hinter der Tibia zurück und ist distal verkürzt, sie hängt jedoch mit dem das Fibulare repräsentirenden Theil der ersten Tarsusreihe durch einen Bindegewebsstrang zusammen. Die Tibia verbreitert sich distal, indem sie einen Vorsprung gegen das Fibulare hin schickt, so dass das Fibulare nun etwa zur Hälfte unter die Tibia zu liegen kommt. Allmählich kommt das Fibulare ganz unter die Tibia zu liegen; aber auch dann noch hängt die Fibula mit demselben durch den genannten Bindegewebsstrang in Zusammenhang. Dieser Zusam- menhang existirt auch noch beim erwachsenen Huhn, wo die Fi- bula ganz rudimentär geworden ist, wie schon BRucH gezeigt hat. Der aufsteigende Fortsatz (Fig. 17—23) beginnt, nachdem Tibiale und Fibulare verschmolzen sind, stark zu wachsen. Anfangs liegt er vorn an der äußeren Seite der Tibia, welehe der Fibula zugekehrt ist, später aber, wenn sich die Tibia distal verbreitert und das Fi- bulare unter sie zu liegen kommt, wird er mehr nach der inneren Seite der Tibia gerückt, zuletzt kommt er in die Vertiefung zu lie- gen, welche sich vorn am distalen Ende der Tibia befindet. Er nimmt dabei sehr an Länge zu und ist nach oben spitz auslaufend. Die Figuren 30—33, 49 zeigen die Lage des aufsteigenden Fortsatzes in den verschiedenen Stadien. Zuletzt verwächst der Fortsatz mit der Tibia und zwar schon ehe der Vogel das Ei verlässt. Mit der knöchernen Brücke, welche sich später über die Grube am distalen Ende der Tibia legt und unter welcher die Sehnen des Extensor com- munis weggehen, steht der Fortsatz, wie Morse richtig angegeben hat, in keiner Beziehung. Die zweite Tarsusreihe breitet sich late- ral mehr und mehr aus, so dass nun auch Met., und Met., mei- stens mit ihr in Verbindung treten. Bei verschiedenen Vogelarten ist die zweite Tarsusplatte verschieden gestaltet. Die Figuren 25, 26, 24, 27—29 zeigen die Verhältnisse bei Huhn, Ente, Taube, 498 G. Baur Amsel. Beim Huhn und bei der Ente verschmälert sich die Platte lateral, in der Mitte ist sie am stärksten. Bei der Taube ist die Platte mächtig entwickelt, Met.. und Met., sind vollständig mit ihr in Verbindung, die Platte ist in ihrer ganzen Ausdehnung ziem- lich gleich hoch. Bei der Amsel ist die Platte sehr breit, auch an den Stellen, wo sich Met., und Met., anschließen, in der Mitte jedoch am breitesten. In Betreff des Verschmelzens der ersten und zweiten Tarsusreihe mit Tibia und den Metatarsalien muss ich Ro- SENBERG beistimmen; ich fand, dass sich die Tibia später mit der ersten Tarsusreihe verband, wie die Metatarsalien mit der zweiten. Es sind wenigstens zwischen Tibia und der ersten Tarsusreihe noch sehr spät im Innern Trennungsräume vorhanden. Was das Verhal- ten der Metatarsalien im weiteren Verlauf der Entwieklung betrifft, so kann ich GEGENBAUR’S ausführliche Angaben hierüber bestätigen. Ich habe nur die weitere Entwicklung des Met., noch zu bespre- chen. Am deutlichsten entwickelt fand ich es bei der Amsel. Hier bestand es noch, nachdem die Metatarsalien mit der zweiten Tarsus- reihe schon zu verwachsen begannen. Es war mit der zweiten Tarsusreihe verbunden. Es bildete einen ziemlich stark und lang entwickelten Griffel (Fig. 29). Wie RosENBERG beobachtet hat, schwindet das Met.; in späteren Stadien. Auch über das erste Me- tatarsale möchte ich noch Einiges bemerken. Es hing nie mit der zweiten Tarsusreihe zusammen. Am vollständigsten sah ich es beim Sperling, wo es ziemlich nahe, in den ersten Stadien, an die zweite Tarsusreihe herantritt. Die weiteren äußeren Veränderungen am Vogeltarsus sind morphologisch von ganz sekundärer Bedeutung und ich vernachlässige sie hier. Zusammenfassung. Fig. 1—33. Der Tarsus der Vögel besteht ursprünglich aus drei Stücken. Zwei, welche sich zeitlich verschieden entwickeln, Fibulare vor dem Tibiale, liegen in der ersten Reihe. Ein Stück, welches Tars. ,_; repräsentirt, liegt in der zweiten Reihe. Vom Tibiale geht ein Fort- satz nach oben, welcher, nachdem Tibiale und Fibulare verschmol- zen sind, rasch zu wachsen beginnt. Zuerst liegt er vorn und gegen die Fibula zu, an der Tibia, später wird er in die Vertiefung am distalen Ende der Tibia verschoben; endlich verwächst er mit der Ti- bia. Das Fibulare liegt zuerst in einer Linie mit der Fibula, rückt aber allmählich ganz unter die Tibia, oder vielmehr die Tibia wächst über Der Tarsus der Vögel und Dinosaurier. 429 das Fibulare. Nachdem sich Tibiale und Fibulare vereinigt, ver- wachsen sie mit der Tibia. Die aus einem Knorpelstück bestehende zweite Tarsusreihe verschmilzt mit Met.,_,. Ursprünglich sind fünf Metatarsalien entwickelt; Met., ist proximal unvollständig; Met. ; ist rudimentär und geht im Laufe der Entwicklung verloren. Met.,_, verschmelzen später mit einander. Tibia und Fibula zuerst sehr kurz und gedrungen erscheinend, sind Anfangs gleich lang. Später wird die Tibia schlanker, die Fibula bleibt im Wachsthum hinter der Tibia zurück und wird zu einem Griffel. II. Der Tarsus der Dinosaurier. Ich halte es für zweckmäßiger die einzelnen Angaben über den Tarsus der Dinosaurier nicht nach chronologischer Folge der Arbei- ten zu geben, sondern systematisch vorzugehen. Mir sind drei Sy- steme der Dinosaurier bekannt. Zwei ältere von Core !" und Huxrey !! und ein ganz neues von MaArsn !2. Ich führe diese drei Systeme kurz an. 1) System von Cope. Core theilt die Dinosaurier in die folgenden Gruppen; die Dino- saurier der Trias zieht er außer Betracht. I. Orthopoda Cope. Therosauria Haeckel. Proximale Tarsusstücke unter einander und von der Tibia ge- trennt, mit Tibia und der terminalen Fläche der wohl entwickelten Fibula artikulirend. [lium mit einer massiven verschmälerten, vor- deren Verlängerung. 1) Hadrosauridae. Zähne in einzelnen Reihen, eine vertikale Pflasterung (pavement) bildend, drei? Metatarsalien. Hadrosaurus Leidy. 10 E. D. Core, Synopsis of the extinct Batrachia, Rept. and Aves of North America. Transact. Americ. Philosoph. Soc. Read Sept. 18, 1868 and April 2, 1869. pag. 86—122. J. ıı T. H. Huxiey, On the Classification of the Dinosauria, with observa- tions on the Dinosauria of the Trias. Quart. Journ. Geol: Soc. Vol. XXVI. 1870. pag. 32—51. 20. C. Marsu, Classification of the Dinosauria. Americ. Journal of Science. Vol. XXIII. January 1882. pag. 81—86. 430 G. Baur 2) Iguanodontidae. Zähne in einer einzigen Reihe, scharf; drei zehentragende Me- tatarsalien. Iguanodon Buckl. Hylaeosaurus Mant.? Palaeoscincus Leidy. 3) Scelidosauridae. Zähne in einer einzigen Reihe, scharf; vier zehentragende Me- tatarsalien. Seelidosaurus Owen. Stenopelix v. Meyer (? Zähne). I. Goniopoda Cope, Harpagmosauria Haeckel. Proximale Tarsusstiicke von der Tibia getrennt; letztere eng umschlossen von dem sehr vergrößerten Astragalus, an ihren unteren und vorderen Flächen eine unbewegliche Artikulation bildend. Astra- galus unten mit einem deutlichen vorderen artikulirenden Condylus, oben mit der Fibula in Kontakt, welche namentlich distal sehr redu- eirt ist. Vorderer Theil des Ilium verbreitert und glatt. Laelaps Cope; Poikilopleuron Deslongchamps ; Megalosaurus Buckland*: Coelosaurus Leidy: vielleicht, Bathygnathus Leidy ; Aublysodon Leidy. Core vergleicht diese Gruppe in Bezug auf die hintere Extre- mität mit einem Hühnerembryo vom etwa neunten Bruttag. x Ill. Symphypoda Cope. Die Stiicke der ersten Tarsusreihe unter einander und mit der Tibia verschmolzen. Fibula distal sehr reducirt. Vorderer Theil des {lium verbreitert und glatt. Ornithotarsus Cope. Compsognathus Wagner. 2) System von HUXLEY. Hvuxvey theilt die Dinosaurier in folgende Gruppen ein: I. Megalosauridae. Teratosaurus, Palaeosaurus, Megalosaurus, Poikilopleuron, Lae- laps vielleicht Euskelosaurus. * Nach J. W. Hurke ist Poikilopleuron und Megalosaurus identisch. Cf. Note on Poikilopleuron Buckl. of EupEs DESLONGCHAMPS (pére), identifying it with Megalosaurus Bucklandi. Quart. Journ. Geol. Soc. London. , Vol. XXXV. 1879. pag. 233—238. Der Tarsus der Vögel und Dinosaurier. 431 I. Scelidosauridae. Thecodontosaurus, Hylaeosaurus, Polacanthus?, Acanthopholis, Scelidosaurus. II. Iguanodontidae. Cetiosaurus, Iguanodon, Hypsilophodon, Hadrosaurus, Stenopelyx wahrscheinlich. Compsognathus bringt HuxLry in eine besondere den drei ge- nannten Gruppen gegenüber stehende Abtheilung: die Compsognatha. Er stellt hierauf die Ordnung der Ornithosceliden auf, welche aus den zwei Gruppen der Dinosaurier und Compsognathen besteht. Die Dinosaurier umfassen die Megalosauridae, Scelidosauridae und Igua- nodontidae. Bei ihnen sind die Halswirbel verhältnismäßig kurz, der Femur eben so lang oder länger als die Tibia. Bei den Com- psognatha sind die Halswirbel verhältnismäßig kurz und der Femur kürzer als die Tibia. 3) System von Marsu. Marsu, welcher augenblicklich wohl der beste Kenner der Dino- saurier ist, und welcher nicht nur mit den amerikanischen, sondern auch mit den europäischen Dinosauriern vertraut ist, betrachtet die Dinosaurier als eine Unterklasse der Reptilien, und charakterisirt sie folgendermaßen (12 pag. 83): »Praemaxillaria getrennt; obere und untere Schläfenbogen; die Äste des Unterkiefers vorn nur durch Knorpel verbunden; Palatinum ohne Zähne; die Neuralbogen der Wirbel durch Nähte mit den Wir- belcentren verbunden; Halswirbel zahlreich; Sacralwirbel verschmol- zen. Halsrippen mit den Wirbeln durch Nähte verbunden oder ver- wachsen; Rippen des Thorax mit doppeltem Kopf. Beckenknochen von einander getrennt, eben so vom Sacrum; Ilium vorn am Aceta- bulum verlängert; Acetabulum zum Theil vom Schambein gebildet; die Sitzbeine treffen distal in der Mittellinie zusammen. Vordere und hintere Extremitäten vorhanden, die letzteren zum Gehen ein- gerichtet und stärker als die vorderen; Femurkopf mit zwei Condy- len unter rechtem Winkel; Tibia mit procnemialem Kamm; Fibula vollständig. Die erste Tarsusreihe nur aus Astragalus und Calcaneus bestehend, welche zusammen den oberen Theil des Fußgelenks bilden.« Ich führe die mir ‘bekannten Angaben über den Tarsus der Dinosaurier nach dem System von Marsn an, da es das vollstän- digste ist, obgleich CorE's System auch sehr geeignet wäre, da es besonders auf die Verhältnisse der hinteren Extremität begründet ist. MarsH theilt die Dinosaurier in folgende Ordnungen: 432 G. Baur I. Sauropoda (Fuß eidechsenartig). Pflanzenfresser. »Fuß plantigrad, hufförmig? (ungulate) ; fünf Finger in Hand und Fuß; zweite Carpus- und Tarsusreihe unverknöchert. Schambeine nach vorn ragend und distal durch Knorpel verbunden; kein »Post- pubis«. Vordere Schwanzwirbel hohl. Vordere und hintere Extre- mitäten nahezu gleich; Extremitätenknochen solid. Brustbein paarig. Praemaxillaria mit Zähnen. « 1. Familie. Atlantosauridae. Vordere Wirbel opistocoel. Sitzbeine nach unten gerichtet, die Enden berühren sich median. Genera Atlantosaurus, Apatosaurus, Brontosaurus, Diplodorus, ? Camarasaurus (Amphicoelias), ? Dystrophaeus. Diese Dinosaurier, mit welchen uns Marsu !3 !4 15 bekannt gemacht hat, gehören zu den größten bis jetzt bekannten Reptilien. So er- reichte Apastosaurus!? nach Marsu eine Länge von etwa 50 Fuß, dieselbe Länge soll Diplodous! besitzen. Atlantosaurus !? hält MARSH für das größte bis jetzt bekannte Landthier. Von eben solcher enor- men Größe soll Brontosaurus!5 15° gewesen sein. Der Fuß war nach MARsH ganz ähnlich gestaltet wie bei Morosaurus, welchen ich gleich schildern werde. Wir hätten demnach in der ersten Tarsusreihe Astragalus und Caleaneus getrennt von Tibia und Fibula und in der zweiten Reihe wahrscheinlich auch zwei Knochenstücke, welche die robusten Metatarsalien trügen. 2. Familie Morosauridae. Vordere Wirbel opistocoel, Sitzbeine nach hinten gerichtet, ihre Seiten begegnen sich in der Medianlinie. Genus Morosaurus. Europäische Formen dieser ganzen Ordnung: Bothryospondylus, Cetiosaurus, Chondrosteosaurus, Eucamerotus, Ornithopsis, Peloro- saurus. 13 QO. C. MARSH, Principal Characters of American Jurassic Dinosaurs. Part Il. Amer. Journ. of Se. and Arts. Vol. XVII. Jan. 1879. pag. 86—92. 14 Q. C. Marsu, Part I. ibid. Vol. XVI. Nov. 1878. pag. 411—416. 15 0. C. Mars, Notice of New Jurassic Reptiles. American Journ. of Se. and Arts. Vol. XVIII. Dec. 1879. pag. 503—504. !5a QO. C. Marsu, Principal Characters of American Jurassic Dinosaurs. Part V. Amer. Journ. of Science, Vol. XXI. May, 1881. pag. 417—421. Der Tarsus der Vögel und Dinosaurier. 4 Le} Mit Morosaurus hat uns Mars !* bekannt gemacht. Das Thier war etwa 40 Fuß lang. Die Tibia ist kürzer als der Femur, das distale Ende der Tibia zeigt, dass der Astragalus von der Tibia ge- trennt war. Die Fibula ist stark, ihre beiden Enden beinahe gleich, und ihr distales Ende trägt den Caleaneus. In der zweiten Tarsus- reihe liegen zwei kurze Knochenstücke. Met. , ist bei Weitem das größte. Fig. 34, eine Kopie nach Marsu, zeigt die Formverhältnisse des Fußes. Morosaurus stammt aus dem Jura. Von den europäi- schen Formen ist mir nur Cetiosaurus!® (Ceteosaurus) und Bothrio- spondylus bekannt geworden. Leider ist vom Tarsus gar nichts bekannt. Der Femur ist viel länger als die Tibia, Verhältnis 51: 38,5. PhıtLıps ist pag. 283 der Meinung, dass vielleicht wie bei Megalosaurus ein aufsteigender Fortsatz des Astragalus vorhan- den war. Einige Metatarsalien sind erhalten geblieben; ob der Fuß nur drei, oder mehr Metatarsalien besessen hat, lässt PrıLLıps unent- schieden. R. OweEn® theilt uns noch Einiges über Cetiosaurus mit. Pag. 39 sagt er zu der Ansicht PrıtLıps, dass vielleicht nur drei Metatarsalien vorhanden waren: »That these bones are homologous with those determined as the second, third, and fourth of the pen- tadactyle foot in Scelidosaurus and Iguanodon I deem more probable than that they answered to the metatarsals of the first, second, and third digits in Crocodilus. If a first or a fifth digit existed in the hind foot of Cetiosaurus, their shortness or rudimental condition may have prevented their recognition.« Wir werden es, wie auch Marsh meint, wohl mit einem fiinfzehigen Fuß zu thun haben; der Tarsus war vielleicht ähnlich oder eben so wie der Tarsus von Morosaurus. Von der hinteren Extremität von Bothriospondylus ® ist nichts bekannt. Cetiosaurus stammt aus dem »Great Oolite«. Bothriospondylus ist bekannt aus dem Kimmeridge und dem Wealden. 40. C. Marsu, Principal Characters of Americ. Jurassic Dinosaurs. Part I. American Journ. of Science and Arts. Vol. XVI. Nov. 1878. pag. 412—414. 16 J. Puinuies, Geology of Oxford and the valley of the Thames 1871. pag. 245—294, 6 R. Owen, Monographs of the British Fossil Reptilia of the Mesoz. Form. Part IL. pag. 27—43. Palaeontograph. Soc. London. Vol. for 1875. 6 R. Owen, Ibid. Monograph of the Genus Bothriospondylus. pag. 15 bis 26. Morpholog. Jahrbuch. 8. 29 434 G. Baur II. Stegosauria. Pflanzenfresser. »Fuß plantigrad, hufförmig? (ungulate) ; fünf Finger in Hand und Fuß; zweite Carpusreihe unverknöchert. Schambeine frei nach vorn ragend; »Post-pubis« vorhanden. Vordere Extremitäten sehr klein; Bewegung hauptsächlich auf den hinteren Extremitäten. Wirbel und Extremitätenknochen solid; verknöcherte Hautstacheln.« 1. Familie: Stegosauridae. Wirbel bikonkav. Neuralkanal im Sacrum zu einer Kammer sich erweiternd; Sitzbeine nach hinten gerichtet, ihre Seiten begeg- nen sich in der Mittellinie. Astragalus mit der Tibia verwachsen ; Mittelfußknochen sehr kurz. Genera Stegosaurus (Hypsirhophus), Diracodon; in Europa Omosaurus Owen. »Bei Stegosaurus '7 ist die Tibia viel kürzer als der Femur. Der Schaft der Tibia ist median zusammengeschniirt, so dass ein weite- rer Raum zwischen Tibia und Fibula besteht. Das distale Ende der Tibia ist vollständig mit dem konvexen Astragalus verschmolzen, so dass es äußerst ähnlich ist dem entsprechenden Theil bei den Vögeln. Die Fibula ist schlank und hat ihr schmaleres Ende oben. Das distale Ende der Fibula ist verbreitert und fest mit dem Caleaneus verbunden. Beide verschmelzen mit der Tibia und dem Astragalus und bilden eine sanft konvexe Artikulationsfliche für die distale Tarsusreihe (Fig. 35). Diese Reihe besteht aus drei Stücken. Das erste an der inneren Seite ist massiv und halbkreisförmig ; es trägt nach MarsH’s Figur, welche Fig. 36 kopirt ist, das erste und zweite Me- tatarsale, würde also Tars. ‚+, repräsentiren. Das mittlere Tarsus- stück ist das größte und steht mit Met., und Met., in Verbindung, entspricht also dem Tars. 3,,. Das dritte Tarsusstück ist sehr klein und trägt Met.;, es stellt also Tars., vor. Uber die Metatarsalien und Zehen sagt MarsH: »Die äußere Zehe trägt nur einen »Tubercle« an ihrem Ende. Die erste Zehe ist von einem starken, breiten Ze- henglied begrenzt, welches von allen das stärkste ist«. Die Anzahl der Zehenglieder der vierten und fünften Zehe konnte MArRsH nicht genau ermitteln, er ist jedoch der Ansicht, dass ihre Zahl geringer war wie gewöhnlich. Stegosaurus stammt aus dem Jura. Mit Omo- 17 0. C. MARSH, Principal Characters of American Jurassic Dinosaurs. Part III. Vol. XIX. March 1880. pag. 257. Part IV. Vol. XXI. Fehr. 1881. pag. 169. Der Tarsus der Vögel und Dinosaurier. 435 saurus macht uns Owen bekannt. Leider sind von den hinteren Extremitäten nur wenige unsichere Stücke erhalten. Von der Tibia ist das distale Ende nicht erhalten. OwEn® schreibt drei von Par- Lips in seiner »Geology of Oxford« beschriebene Metatarsalien, welche Prıtuıps von Megalosaurus herrührend betrachtet, Omosaurus zu und bemerkt hierzu pag. 66: »These bones exemplify the »leptopodal« character of the Dinosaurian foot, due to the reduction of thickness or breadth by suppression of two of the toes, and a consequent depar- ture from the short, thick, or broad »pachypodal« character of the pentadactyle hind foot of the existing and exstinct terrestrial Che- lonia.« Ob der Fuß von Omosaurus wirklich nur dreizehig gewesen, oder ob eine rudimentäre erste oder fünfte Zehe, oder beides? vor- handen war, lässt sich bislang nicht entscheiden. Omosaurus stammt aus dem Kimmeridge. In der weiteren Beschreibung von Omosau- rus berichtet Owen nichts über den Tarsus. 2. Familie: Scelidosauridae. »Astragalus nicht mit der Tibia verschmolzen; Metatarsalien verlängert; vier funktionirende Zehen im Fuß. Alle bekannten For- men europäisch.« . Genera Scelidosaurus, Acanthopholis, Crataeomus, Hylaeosau- rus, Polacanthus. Scelidosaurus ist von R. Owen !$8 beschrieben worden; das Thier war etwa 12 Fuß lang. Die Tibia ist kleiner als der Femur, die Fibula ist wenig kürzer wie die Tibia. Der Astragalus artikulirt mit beinahe zwei Dritttheilen des distalen Endes der Tibia (Fig. 37). Der Caleaneus artikulirt mit dem distalen Ende der Fibula und mit dem äußeren Dritttheil des distalen Endes der Tibia. In der dista- len Tarsusreihe sind zwei Stücke erhalten; eines artikulirt mit dem Calcaneus und den zwei äußeren Metatarsalien, es entspricht dem Tars.,+;; das andere Stück artikulirt mit dem Astragalus, dem Met., (zum Theil auch noch mit Met.,?). Dieses Stück, welches dem Tars. 1-34) homolog sein dürfte, verschmälert sich gegen das Met., zu und artikulirt mit diesem nur noch theilweise. Vielleicht war der dem Tars.,_, entsprechende Theil knorpligan gelegt, für die Erhaltung also unfähig. Es sind fünf Metatarsalien vorhanden. 6 R. Owen, Monographs on the Brit. Foss. Rept. of the Mesoz. Form. Part II. Monograph of a Foss. Dinos. (Omos. armatus) of the Kimmeridge Clay. pag. 45—93. London 1875. Palaeontographical Soc. ‘8 R. OWEN, Monographs on the British Fossil Rept. of the Liassie Formations. Part I, II. London 1861. 1863. 29% 436 G. Baur Das erste trägt zwei, das zweite drei, das dritte vier, das vierte fünf Phalangen mit Einschluss der Zehen-Klauen. Das Met., ist rudimentär; topographisch wie morphologisch gleicht es dem Met. , des embryonalen Vogels. Es liegt mit seinem proximalen Theile etwas höher, wie die übrigen Metatarsalien und legt sich an das Tars. ‚+; und das Met., an. Scelidosaurus stammt aus dem unteren Lias. Über den Tarsus der übrigen hierher gehörigen Formen ist mir nichts bekannt geworden. IH. Ornithopoda (Fuß vogelartig). Pflanzenfresser. »Fuß digitigrad, fünf funktionirende Finger in der Hand und drei im Fuß. Schambeine frei nach vorn ragend; »Post-pubis« vorhanden. Wirbel solid. Vordere Extremitäten klein; Extremitätenknochen hohl. Praemaxillaria vorn zahnlos.« 1. Familie. Camptonotidae. Die Claviceln fehlen ; »Post-pubis« vollständig. Genera Camptonotus, Loasaurus, Nanosaurus, in Europa Hypsilophodon. Camptonotus amplus war nach MArsnu !5 etwa 30 Fuß lang. Die Tibia ist kräftig und etwas kleiner als der Femur. Die Fibula ist schlank und kürzer als die Tibia. Astragalus und Calcaneus sind ge- trennt. Die zweite Tarsusreihe enthält nur zwei Stücke; die erste Zehe ist rudimentär und die fünfte fehlt vollkommen. Von der er- sten Zehe sagt Marsu: »The metatarsal of the first digit is a splint much curved, and with the apex above. The terminal phalanx of this digit is much compressed, not round as in the smaller species (C. dispar).« Met., ist viel größer wie Met.,. Die dritte und vierte Zehe ist groß und mächtig. Von einem höheren Horizont stammt Camptonotus dispar (Fig. 38). Dieses Thier war etwa § bis 10 Fuß lang. Ein Unterschied liegt nur in dem schon erwähnten Met., und der dazu gehörenden Phalange. Die Zahl der Phalan- gen mit Einschluss des Klauengliedes betrug von der ersten bis vier- ten Zehe: 2, 3, 4, 5. Camptonotus gehört dem Jura an. Bei Loasaurus !# ist die Tibia um ein weniges länger, wie der 15 Q. C. Marsu, Notice of New Jurassic Dinosaurs. Am. Journ. of Se. and Arts. Vol. XVIII. Dec. 1879. pag. 501—503. 14 O. C. Marsu, Principal Characters of Amer. Jur. Dinos. Part I. March 1878. Am. Journ. of Science and Arts. Vol. XVI. Nov. 1878. pag. 415—416. Der Tarsus der Vögel und Dinosaurier. 437 Femur. Die Fibula ist schlank und ihr distales Ende ist schmäler, als ihr proximales. Der Astragalus ist von der Tibia gesondert; der Calcaneus trägt die Fibula. In der zweiten Tarsusreihe sind nur zwei Stücke. Aus der von MArsH gegebenen Figur, die ich hier kopirt habe, ist zu sehen, dass das eine Stück nur mit Met., in Verbindung steht, das andere, in die Länge gezogene, mit Met. , und Met... Auch Met., scheint sich zum Theil noch daran anzu- schließen. Es sind vier getrennte Metatarsalien vorhanden. Met., ist rudimentär, nur in seinem proximalen Theile erhalten. Met. 54 sind wohl entwickelt und schlank angelegt. Met., trägt drei, Met., vier, Met., fünf Zehenglieder. Met., ist nicht vorhanden (Fig. 39). Vom Tarsus von Nanosaurus ist mir nichts bekannt. Hypsilophodon haben wir durch Huxrey!? kennen gelernt. Die proximale Tarsusreihe besteht aus Astragalus und Calcaneus, die distale Reihe besitzt ebenfalls zwei Stücke, welche sich wohl ähnlich wie bei Loasaurus verhalten haben werden. HuxLevY kommt zum Schluss, dass der Fuß von Hypsilophodon entweder vier- oder fünfzehig gewesen ist. Auf dieses hin erwiedert jedoch HuLKE in der Diskussion pag. 31, dass er bei Mr. Fox zwei Platten mit Re- sten von Hypsilophodon gesehen habe; die Tibia wäre dort länger wie der Femur, und vier lange Metatarsalien seien vorhanden. 2. Familie. Iguanodontidae. »Claviculae vorhanden; »Post-pubis« unvollständig. Praemaxil- laria zahnlos. Alle bekannten Formen europäisch.« Genera Iguanodon, Vectisaurus. Im Jahre 1849 berichtet uns MANTELL?, dass man vom Tarsus von Iguanodon noch nichts kenne. Die ersten Angaben iiber seine Zusammensetzung giebt R. Owmn?!, 1858 beschreibt Owen Metatarsus und Phalangen des rechten hinteren Fußes von Iguanodon. Es sind nach ihm drei vollständig entwickelte Metatarsalien und ein viertes rudimentäres vorhanden. Das rudimentäre ist Met.,; Met., trägt drei, Met.,; vier, Met., fünf Phalangen, Met., fehlt vollkommen. J. W. Hurke? lehrt uns Astragalus und Calcaneus von Iguanodon » T. H. Huxiey, On Hypsilophodon Foxii, a new Dinos. from the Weal- den. Quart. Journ. Geol. Soc. Lond. Vol. XXVI. 1870. Part I. pag. 11, 12. 20 G. A. MAnTELL, Additional Observations on the Osteology of the Igua- nodon and Hylaeosaurus. Phylos. Transaet. London 1849. Part I pag. 282. 1 R. Owen, Note on the bones of the Hind-foot of the Iguanodon. Quart. Journ. Geol. Soe. Vol. XIV. 1858. pag. 174—175. 22 J. W. HULKE, Iguanodon Prestwighii .... . Quart. Journ. Geol. Soc. Vol. 36. Part II. 1880. pag. 433—456. 438 G. Baur kennen. Bei Iguanodon Prestwighii besteht die erste Tarsusreihe aus zwei getrennten Stücken, einem größeren inneren, dem Äquiva- lent des Astragalus und einem kleineren äußeren, dem Äquivalent des Caleaneus. Die obere Fläche des Astragalus artikulirt mit den inneren zwei Dritteln des distalen Endes der Tibia. Unten ist der Astragalus konvex von hinten nach vorn und schwach konkav von außen nach innen. Vorn am Astragalus geht der aufsteigende Fortsatz, welcher die Grube am frontalen distalen Ende der Tibia ausfüllt, nach oben. Gegen den Calcaneus hin verdünnt und verschmälert sich der Astragalus bedeutend. Der Calcaneus ist kleiner wie der Astragalus. Seine untere Fläche ist von vorn nach hinten stark, von links nach rechts schwach konvex. Seine innere (tibiale) Seite ist viel dünner, wie seine äußere. Die obere Fläche wird durch einen von vorn nach hinten gehenden Wulst getheilt. Der innere Theil artikulirt mit dem Rest des distalen Endes der Tibia, welcher vom Astragalus noch frei gelassen ist; der äußere Theil mit der Fibula. Hurke macht nun auf die große Ähnlichkeit der ersten Tarsusreihe von Iguanodon mit der eines embryonalen Hühnchens aufmerksam. Er sagt: »In Dinosauria the astragalus and caleaneum together are the homologue of the astragalus of the young bird.« Dies ist richtig, denn HuLkE betrachtet als Astragalus des jungen Vogels das verschmolzene Tibiale und Fibulare. Die Ähnlichkeit ist aber noch viel größer, als man bisher annahm. Ich glaube, wenn man sich die erste Tarsusreihe eines Hühnerembryo vom 8. bis 9. Bruttag, wie Fig. 13, 14 es darstellt, stark vergrößert denkt, kaum ein Unterschied zwischen der ersten Tarsusreihe dieses Hühnerembryos und der von Iguanodon gefunden werden kann. Wie beim embryona- len Vogel dieses Stadiums, ist bei Iguanodon das Fibulare zur Hälfte unter die Tibia gerückt. Der aufsteigende Fortsatz liegt genau so bei beiden. Die unteren Flächen vom embryonalen Vogel-Astragalus und Calcaneus zeigen dieselben Verhältnisse wie die von Iguanodon. Die zweite Tarsusreihe von Iguanodon ist leider noch unbekannt. HuuKe ist der Ansicht, dass die Tarsalien der zweiten Reihe mit den Metatarsalien verschmolzen sein könnten, und dass bei embryo- nalen Iguanodonten die Verhältnisse ähnlich wie bei Compsognathus, wo drei getrennte Tarsalien der zweiten Reihe vorhanden sind, sein möchten. Ich kann mich dieser Ansicht nicht anschließen, ich glaube, dass Iguanodon zwei Tarsalien in der zweiten Reihe besessen hat, von ähnlicher Form vielleicht wie Loasaurus. Sicher kann ich dies na- türlich nicht behaupten, jedoch halte ich diesen Schluss der Analo- Der Tarsus der Vögel und Dinosaurier. 439 gie wegen nicht für unmöglich. Vielleicht geben uns die neuen belgischen Exemplare von Dinosauriern darüber Aufschluss. Diesel- ben sind leider noch nicht beschrieben. Nach HuLke, welcher diese neuen Dinosaurier (es sind Iguanodonten) bei M. E. Dupont, dem Direktor des naturhistorischen Museums in Bruxelles sah, sollen die Extremitäten in ihrer natürlichen Lage erhalten sein. (HuLkE: Igua- nodon Prestwighii. pag. 452.) | HuLkE % beschreibt auch einen Astragalus von Iguanodon Man- telli. Die Formverhältnisse sind im Wesentlichen dieselben wie bei Iguanodon Prestwighii. Bemerkenswerth ist, dass der aufsteigende Fortsatz mehr der äußeren (fibularen) Hälfte des Astragalus ange- hört, als der inneren, was bei embryonalen Vögeln eben so ist. Hurk& spricht die Ansicht aus, dass sich der Fuß der Dinosaurier genau so wie der der Vögel in einem Intertarsalgelenk bewegt habe. Im vergleichenden Theile werde ich hierauf zurückkommen. Iguano- don war etwa 28 Fuß lang. - Vom Tarsus von Vectisaurus kenne ich nichts. 3. Familie. Hadrosauridae. »Zähne in verschiedenen Reihen, gewöhnlich eine mosaikartige Mahlfläche bildend. Vordere Wirbel opistocoel.« Genera Hadrosaurus, ? Agathaumas, Cyonodon. Hadrosaurus war nach CopE etwa 28 Fuß lang. Die Tibia war kleiner wie der Femur. Vom Tarsus ist leider bis jetzt noch nichts bekannt geworden, jedoch nach den Abbildungen, welche Leıpy?! auf Taf. XVI seiner »Cretaceous Reptiles« giebt, zu schließen, mag die erste Tarsusreihe ähnlich wie bei Iguanodon gestaltet gewesen sein. Ein Astragalus mit? einem aufsteigenden Fortsatz, welcher sich in die Grube am distalen vorderen Ende der Tibia legte, wird vorhanden gewesen sein. An den Astragalus schloss sich wohl in ähnlicher Weise wie bei Iguanodon ein mit der Fibula artikulirender Calcaneus an. Die Fibula ist, wie schon CopE!° bemerkt, offenbar von LEIDY verkehrt gedeutet worden. Das proximale Stück Lempy’s ist in Wirk- lichkeit das distale. Vom Tarsus von Cyonodon ist mir nichts bekannt. 23 J. W. HuLkE, Note on an Astragalus of Iguanodon Mantelli. Quart. Journ. Geol. Soc. London. Vol. XXX. 1574. pag. 24—26. 24 J. Lerpy, Cretaceous Reptiles of the United States 1864. pag. 76—97. 10 E. D. CoPE, Synopsis of the extinct Batrachia. ... pag. 105. 440 G. Baur IV. Theropoda. Fleischfresser. »Fuß digitigrad; Zehen mit Greifklauen. Schambein nach unten vorspringend und distal verwachsen. Wirbel mehr oder weniger ka- vernös. Vordere Extremitäten sehr klein; Extremitätenknochen hohl. Praemaxillaria mit Zähnen.« 1. Familie. Megalosauridae. »Wirbel bikonkav. Schambeine schlank, und distal vereinigt. Astragalus mit aufsteigendem Fortsatz. Vier Zehen im Fuß, fünf in der Hand.« Genera Megalosaurus (Poikilopleuron), Europa. Allosaurus, Coe- losaurus, Creosaurus, Dryptosaurus (Laelaps), amerikanisch. Uber den Tarsus von Megalosaurus kenne ich Angaben von: CUVIER?, DESLONGCHAMPS 26, HUXLEY?’, PHILLIPS !6. Hure glaubt, wie schon pag. 430 erwähnt, dass Poikilopleuron mit Megalosaurus identisch ist. Es ist nur der Astragalus bekannt. Die ersten Mittheilungen über Megalosaurus stammen von BUCKLAND ®; über den Tarsus vernehmen wir hier noch nichts. Cuvıer’s Abbildungen des distalen Endes der Tibia mit dem Astragalus habe ich in Fig. 40 und 41 wiedergegeben. Die beiden von DESLONGCHAMPS aufgefun- denen Astragali sind dem Astragalus, welchen Cuvier abgebildet hat, äußerst ähnlich. Huxtey hat auf die ähnlichen Verhältnisse der Tibia von Megalosaurus und der eines Vogels hingewiesen; vom Tarsus spricht HuxLey nur, dass der Astragalus einen aufsteigenden Fortsatz besessen habe, welcher sich in die Grube am distalen vorderen Ende der Tibia legte. PmıLLıps theilt uns mit (16, p. 214): »The lower end of the tibia is peculiar in the mode of articulation with the astraga- lus. For that bone instead of being as usual partly posterior, and occupying the whole breadth of the tibia, rises upward in front in a broad flat plate, which fits to a well-defined hollow on the 25 G. Cuvier, Rech. sur les Ossemens Fossiles. Tome V. Ile. Partie pag. 353 Pl. XXI Fig. 34—38. Nouv. Edit. 1824. *6 M. EuUDES DESLONGCHAMPS, Mémoire sur le Poikilopleuron Bucklandi, grand Saurien fossile. Mém. de la Soc. Linn. de Normandie. Tome VI. 1838. 27 T. H. HuxLeyv, Further Evidence of the Affinity between the Dinosau- rian Reptiles and Birds. Quart. Journ. Geol. Soc. Vol. XXVI. pag. 12—31. ‘6 J. PHıLLips, Geology of Oxford and the Valley of the Thames. 1871. pag. 214. °8 BUCKLAND, Megalosaurus. Transactions of the Geological Society of London. 2d ser. Vol. I. Pt. II. 1824. Der Tarsus der Vögel und Dinosaurier. 441 flattened face. Its extension towards the fibula is cut off in that direction by a nearly vertical surface which is marked by the attachment of the caleaneum.« Vom Calcaneus wissen wir lei- der noch nichts. Cuvier bemerkt darüber (25, pag. 353): »mais on voit que le calcaneum a dü étre tout-a-fait en arriere et fort petit«. Nach Pururs besaß Megalosaurus wahrscheinlich einen Fuß mit drei Zehen. Cope ist derselben Ansicht (10, pag. 111), glaubt so- gar, dass Megalosaurus auch noch eine vierte rudimentäre Zehe besessen habe. DESLONGCHAMPS hat Poikilopleuron fünf Zehen zuge- schrieben ; Cope hält dies für falsch und ist der Ansicht (10, pag. 111), dass die zweite Zehe gestrichen werden kann. Klarheit hierüber müssen neue Funde bringen. Megalosaurus war etwa 30 Fuß lang. Allosaurus und Creosaurus sind nach MArsn '? Dinosaurier von etwa 25 Fuß Länge. Von den hinteren Extremitäten theilt Marsu nur mit, dass die Knochen hohl und die Metatarsalien schlank waren. Mit einigen Verhältnissen des Tarsus von Laelaps hat uns Cope ' bekannt gemacht. Tibia, Fibula und Astragalus sind gut erhalten. Das distale Ende der Tibia gleicht dem distalen Ende der Tibia eines jungen Hühnchen, wo die erste Tarsusplatte abgenommen ist. Die Fibula ist nicht so lang wie die Tibia und verjüngt sich distal. Der Astragalus, welcher, so viel ich aus CorpeE’s Beschreibung und Abbildungen ersehen konnte, nur das Tibiale repräsentirt, zeigt einen aufsteigenden Fortsatz, welcher sich in die Vertiefung am vorderen distalen Ende der Tibia und zwar an dem der Fibula zugekehrten Theile legt. Cope glaubte Anfangs, das distale Ende der Tibia wäre mit dem aufsteigenden Fortsatz in Verbindung gewesen. Später zog er jedoch diese irrige Ansicht zurück. Er kommt nach Vergleichung des Astragalus von Laelaps mit den von Cuvier und DESLONGCHAMPS beschriebenen zu folgendem Resultat (10, pag. 106): »There is howe- ver an objection to this position (Fibula mit aufsteigendem Fortsatz vereinigt). On is that the astragalus does not extend across the entire end of the tibia, and presents a smooth surface, perhaps an artieular, at its outer extremity. This must have been in contact with a small astragalus (soll jedenfalls calcaneus heißen) or with a malleolar extremity of the fibula. The thin external expan- 13 0. ©. MARSH, Principal characters of Am. Jur. Din. Part II. pag. 89 bis 92. 10 E. D. Cope, Synopsis. ... pag. 104—107. Pl. IX. 442 G. Baur sion of the tibia could support but little wight, and as the condyloid convexities of the astragaloid piece are nearly equal, there would seeme to be little need of additional condyloid face. Should however the fibula have descended to this point, its course must necessary have been along side the ascending process of the astragalus, but not in contact with it. There is no trace of such contact.« Meine diesen Punkt betreffende Ansicht ist, indem ich mich auf die Ver- hältnisse stütze, wie sie uns bei einem Hühnerembryo vom etwa achten Bruttag gegeben sind, dass sich an den Astragalus ein fibu- lares Stück angeschlossen hat, welches sich um den Vorsprung der Tibia legte und mit dem distalen Ende der Fibula durch Knor- pel verbunden war. Leider ist bis jetzt von einer zweiten Tar- susreihe und den Verhältnissen der Metatarsalien zu dieser noch nichts bekannt geworden. Laelaps war etwa 24 Fuß lang. Mega- losaurus ist vom Lias bis zum Wealden bekannt. Allosaurus und Creosaurus sind jurassisch. Laelaps stammt nach Cope aus dem Grünsand *. 2. Familie. Zanclodontidae. »Wirbel bikonkav. Schambeine breite verlängerte Platten, mit den vorderen Grenzen vereinigt. Astragalus ohne aufsteigenden Fortsatz; fünf Zehen in Hand und Fuß. Die bekannten Formen europäisch. « Genera Zanelodon, ? Teratosaurus. Diese Dinosaurier stammen aus der Trias; über die hinteren Extremitäten ist sehr wenig bekannt geworden. TH. PLIENINGER?® hat uns über Zanclodon, welches er zuerst Smilodon nannte, berich- tet. Vom Tarsus weiß man nichts. Mit Teratosaurus hat uns eben- falls PLIENINGER, welcher seine Stücke Belodon zurechnete, bekannt gemacht. H. v. Meyer" hat diesen Irrthum erkannt und berichtigt. Vom Tarsus kennt man ebenfalls nichts. Ich kann nur bemerken, dass die Tibia kleiner als der Femur war. * MARSH verneint dies und sagt, die betreffenden Schichten wären juras- sisch. Prine. Charact. Amer. Jur. Dinos. Part I. pag. 412. 239 Tu. PLIENINGER, Uber ein neues Sauriergenus. Jahreshefte des Ver- eins für vaterländische Naturkunde in Württemberg. II. Jahrgang. I. Heft. 1846. pag. 148—154. Nachträgliche Bemerkungen hierzu pag. 247— 254. 0° H. v. MEYER, Reptilien aus dem Stubensandstein des oberen Keuper. Palaeontographiea. Band VII. Der Tarsus der Vögel und Dinosaurier. 443 3. Familie. Amphisauridae. »Wirbel bikonkav. Schambeine speichenförmig. Fünf Zehen in der Hand, drei im Fuß.« Genera Amphisaurus (Megadactylus), ? Bathygnathus, ? Cle- psysaurus; in Europa, Palaeosaurus, Theeodontosaurus. Amphisaurus stammt aus dem Red-sandstone und ist von Cope 1° beschrieben worden. Die Knochen sind sehr dünn, erinnern in die- ser Beziehung an die der Vögel. Nach Core ist vom Tarsus nur ein Cuboideum (Tars.,+;)| erhalten, welches von ähnlicher Form wie das betreffende Stück beim Alligator sein soll. Auch der sich daran anschließende Metatarsusknochen soll Alligator ähnlich sein. CorE glaubt aus der Stellung des Cuboideum auf die Existenz eines fünften rudimentären Metatarsale, ähnlich wie es bei den Krokodiliern vorkommt, schließen zu können. Außerdem sind noch zwei Zehen erhalten geblieben, eine zeichnet sich besonders durch Größe aus. Core hält aus diesem Grund den Fuß nur für dreizehig ; warum dies ein Grund sein soll, weiß ich nicht. Wenn wirklich eine fünfte ru- dimentäre Zehe vorhanden war, so ist höchst wahrscheinlich auch die erste Zehe vorhanden gewesen, mir wenigstens ist unter den Dinosauriern kein Fall bekannt, wo die äußerste und innerste Zehe zugleich rudimentär wäre. Der Tarsus von Clepsysaurus ist mir nicht bekannt, eben so wenig von Bathygnathus. Die europäischen Formen, Palaeosaurus und Thecodontosaurus haben RıLey und STUTCHBURY®! beschrieben. Auch bei diesen For- men ist der Tarsus noch nicht bekannt. Der von FiTzinGer 2 be- schriebene und später von H. v. MEYER als Sphenosaurus 333% be- zeichnete Palaeosaurus giebt uns keine Aufschlüsse über die Zusam- mensetzung des Fußes. Diese europäischen Formen stammen aus der Trias. 4. Familie. Labrosauridae. Vordere Wirbel stark opistocoel und kavernös. Metatarsalien 10 E. D. Corr, Synopsis etc. pag. 122 A—122 G. 3 Henry Rivey and STUTCHBURY, A Description of various Fossil. Re- mains of three distinet Saurian Animals, recently discovered in the Magnesian Conglomerate near Bristol. Transact. Geol. Soc. London. II. Ser. Vol. V. 1840. pag. 349—357. 32 L. J. Firzincer, Uber Palaeosaurus Sterbergeri. Annalen des Wiener Museums der Naturgeschichte, Bd. II. 1840. pag. 171—187. 33 Neues Jahrbuch für Mineralogie. Jahrgang 1847. pag. 181—122. 3a H. y. MEYER, Die Saurier des Muschelkalks. 1847—1$55. 444 G. Baur sehr verlängert. Schambeine schlank, an den vorderen Grenzen vereinigt. Genus Labrosaurus. Über Labrosaurus kenne ich nur einige kleine Mittheilungen von Marsu!%, Die hinteren Extremitäten sind viel größer wie die vor- deren. Labrosaurus hat sich wahrscheinlich nur auf den hinteren Extremitäten bewegt; durch das kavernöse Skelet war Labrosaurus zu sehr schnellen Bewegungen befähigt. Vom Tarsus kenne ich nichts. Zu den Theropoda stellt Marsa als Unterordnungen die von ihm entdeckten Coeluria und die Compsognatha. Unterordnung Coeluria (Schwanz hohl). 5. Familie. Coeluridae. »Knochen pneumatisch oder hohl. Vordere Halswirbel opistocoel, die übrigen bikonkav. Metatarsalien sehr lang und schlank.« Diese Thiere sind nach Marsu !%3! den Dinosauriern, Pterodactylen und Vögeln verwandt. Sie sind aber doch mehr Reptilien wie Vögel. Ihre Knochen sind leichter als die aller bis jetzt bekannten Thiere. Leider hören wir von den Extremitäten durch MArsH nur, dass die Mittelfußknochen sehr lang und schlank waren. Unterordnung Compsognatha. 6. Familie Compsognathidae. »Vordere Wirbel opistocoel. Drei funktionirende Zehen in Hand und Fuß. Sitzbeine mit langen Symphysen in der Mittellinie. Ein- zige bekannte Art europäisch.« Genus Compsognathus. Compsognathus ist der einzige Dinosaurier, dessen Tarsus ich am Original studiren konnte. Durch genaue Studien an diesem werthvollen Objekt konnte ich Verhältnisse konstatiren, welche zum Theil noch unbekannt waren. A. WAGNER*>, welcher Compsogna- thus zuerst beschrieb, sagt: »Das Wadenbein in seiner ganzen 13 0.0. Marsu, Principal Characters of Amer. Jur. Dinos. Part. II. pag. 91. 15 0. C. Marsu, Notice of New Jurassic Reptiles. American Journal of Se. and Arts. Vol. XVIII. Dec. 1879. pag. 404—405. 440.0. Marsu, A new Order of Extinct Jurassic Reptiles (Coeluria). Ame- rican Journal of Science Vol. XXI. April 1881. pag. 339—340. 35 A. WAGNER, Neue Beitriige zur Kenntnis der urweltlichen Fauna des lithographischen Schiefers. II. Abth. Schildkröten und Saurier. Abhandl. der K. bair. Akademie d. Wissensch. II. Kl. Bd. IX. Abth. 1. München 1561. pag. 35. Der Tarsus der Vögel und Dinosaurier. 445 Erstreckung von der Tibia getrennt, beginnt oben mit einer Erwei- terung, die sich indess bald zusammenzieht und als langer, dünner Griffelknochen abwärts sich fortsetzt. Auch die Knochen, welche den Fuß zusammensetzen sind lang und kräftig. Sehr kurz ist die Fußwurzel, sehr lang und stark dagegen der Mittelfuß, der am lin- ken“ drei lange, neben einander liegende Knochen aufweist.« — »Auch die kleine Zehe ist nicht völlig fehlend, wenigstens wird sie durch einen kurzen, dünnen etwas gebogenen fünften Metatarsus ange- zeigt, der jedoch keine Phalangen aufzuweisen hat.« Die Zehen wurden von WAGNER richtig gedeutet; die erste Zehe mit einem Metatarsus, welcher nicht bis zur zweiten Tarsusreihe reicht, wie bei den Vögeln, besaß zwei, die zweite drei, die dritte vier, die vierte fünf Phalan- gen. GEGENBAUR? macht weitere Mittheilungen über die Fußwurzel : »Aus der (von WAGNER) beigegebenen Abbildung (Taf. III) ist viel mehr zu sehen. An der gerade an diesem Abschnitte ziemlich gut erhaltenen linken Extremität finden sich drei glatte Tarsusstücke zwischen Metatarsus und Tibia, zwei davon entsprechen je einem sehr langen Metatarsus, das dritte einem eben solchen und einem gekrümmten, mit den drei langen Metatarsen verlaufenden Knochen- stücke, welches als das Metatarsusrudiment einer Außenzehe gedeu- tet ist.« Von der ersten Zehe sagt GEGENBAUR, dass man für sie einen den Tarsus erreichenden Metatarsus nicht mit Sicherheit nach- weisen könne. Astragalus und Calcaneus hält GEGENBAUR, wie bei den Vögeln, mit der Tibia verschmolzen. GEGENBAUR scheint nur die Abbildung WAGnER’s zu kennen, die Originalplatte aber nicht ge- sehen zu haben. AL. ROSENBERG®, welcher das Original studirte, bestätigt, was den Tarsus betrifft, WAGNER’s und GEGENBAUR’s An- gaben. Vom Met.; sagt er: »Compsognathus besitzt ein langes und schmales leicht gekrümmtes Met.,, welches mit der lateralen Fläche des Tars.,,; artikulirt und mit seiner distalen Spitze bis gegen das mittlere Dritttheil des Met., hinabreicht.« Ich gehe nun zu meinen eigenen Untersuchungen über. Herrn Professor Dr. ZıntEL, weleher mir mit großer Bereitwilligkeit die werthvolle Originalplatte aus der Münchner paläontologischen Samm- * WAGNER hat die rechte Extremität als linke, die linke als rechte be- trachtet, wie GEGENBAUR aus WAGNER’s Figur schon bemerkt hat. 4 C. GEGENBAUR, Vergleichend anatomische Bemerkungen über das Fub- skelet der Vögel. pag. 467. 3 Ar. ROSENBERG, Uber die Entwicklung des Extremitäten-Skeletes . . . ‘pag. 156. 446 G. Baur lung zum Studium überließ, spreche ich an dieser Stelle meinen tiefsten Dank aus. Die genaue Betrachtung des Originals war be- gleitet von dem Gedanken, der Tarsus von Compsognathus wird ähnliche Verhältnisse zeigen, wie der Tarsus des embryonalen Vogels. Ich unterwarf darum das distale Ende der Tibia einer sorgfältigen Prüfung, hoffend, noch Trennungsspuren zwischen Tibia und der er- sten Tarsusreihe nachweisen zu können. Meine Hoffnung täuschte mich nicht. Beim rechten Fuß war es möglich, das distale Ende der Tibia aus der Gesteinsmasse herauszulösen; es zeigten sich nun Verhältnisse, wie ich sie schöner nicht hätte erwarten können. Das losgelöste Stück ist auf Fig. 45 mit einer Klammer versehen. In den beiden Fig. 42 und 43 habe ich das Stück in etwa siebenfacher Vergrößerung mit möglichster Genauigkeit abgebildet. Fig. 44 zeigt dieses Stick von rechts außen, von der Seite demnach, an welche sich die Fibula anlegen würde. Der innere Theil der Tibia ist weg- gebrochen. Es ist deutlich die Artikulationsfläche, oder vielmehr die Anheftungsstelle (eine Artikulation hat wohl nicht stattgefunden) zwischen Tibia und der ersten Tarsusreihe zu erkennen. Die Poren an der distalen Fläche der Tibia, welche in großer Schönheit zu sehen sind, sind die Ausmündungsstellen der Markkanälchen; ganz genau so finden wir diese Poren am distalen Ende der Tibia eines jungen Vogels, wenn die erste Tarsusplatte noch ablösbar ist. Leider ist bei diesem losgelösten Stück der rechten Tibia nichts von den Ge- lenkflächen mit der zweiten Tarsusreihe erhalten. Die Tibia des linken Fußes wird uns jedoch hierüber einige Aufschlüsse geben können. Sehr schön erhalten ist der aufsteigende Fortsatz Fig. 43. Ich gebe keine weitere Beschreibung der einzelnen Theile dieses Stückes, da ihre Formverhältnisse aus den beiden beigegebenen Figuren, wie ich glaube, deutlich zu ersehen sind. Auffallend ist die große Schlankheit des aufsteigenden Fortsatzes; es hängt dies offenbar mit der ebenfalls sehr schlanken Form der Tibia zusammen, wie ich im vergleichenden Theil noch näher begründen werde. Da die Abbil- dung WAGner’s in mancher Beziehung zu wünschen übrig lässt, habe ich den Fuß von Compsognathus nochmals abgebildet Fig. 44, 45. Die Zeichnungen sind nach dem Original in natürlicher Größe, mit möglichster Genauigkeit ausgeführt worden. Ich halte es bei Be- schreibung paläontologischer Reste von höchster Wichtigkeit, recht naturgetreue Abbildungen, womöglich in verschiedenen Lagen zu geben. Sie geben ein viel deutlicheres Bild des Gegenstandes, als eine auch noch so detaillirte Beschreibung. Musterhaft in dieser Der Tarsus der Vögel und Dinosaurier. 447 Beziehung ist Marsu’s*° herrliches Werk über die Kreidevögel Nord- amerikas. Der linke Fuß von Compsognathus (Fig. 44) zeigt folgende Verhältnisse: die Fibula, F, reicht bis zur ersten Tarsusreihe und ist mit dem Theile derselben, welcher dem Fibulare, f, entspricht, in Verbindung. Das Fibulare ist eng mit dem Tibiale (Astragalus) verbunden, doch ist, wie mir scheint, eine Trennungslinie zwischen beiden am linken Fuße zu erkennen, und zwar liegt dieselbe mehr tibiawärts und es würde sich demnach das Fibulare noch mit einem Theile des distalen Endes der Tibia verbunden haben. An dieser Trennungslinie scheint die erste Tarsusplatte am schwächsten gewe- sen zu sein, denn sie ist konkav eingesenkt. Die Hauptmasse von Fibulare und Tibiale gehört dem vorderen Theil der Fibula und Tibia an, nach hinten hin verdünnen sich beide, und umgreifen in einer dünnen Schicht Fibula und Tibia. Letzteres gilt namentlich für die Tibia. Die Gelenkfläche der ersten Tarsusreihe ist von ähn- licher Gestalt wie die der Vögel, nur flacher; die beiden Condylen, welche bei den Vögeln so deutlich hervortreten, sind hier nur schwach angedeutet. Der eine wird durch das Fibulare, der andere durch das Tibiale gebildet. Für die zweite Tarsusreihe und die Zehen kann ich GEGENBAUR'Ss Angaben bestätigen. Am linken Fuß ist Tars., vollkommen, am rechten als Abdruck vorhanden; es steht mit dem Met., in Verbindung; das proximale Stück des rudimentä- ren fünften Metatarsale schließt sich auch noch daran an. Dieses Stück der zweiten Reihe entspricht den Tars.;+;. Es scheint etwas niederer gewesen zu sein als Tars., und Tars.,. Tars., schließt sich an das dritte, Tars., an das zweite Metatarsale an, wie na- mentlich am rechten Fuß (Fig. 45) deutlich zu sehen ist. Tars., ist nicht vorhanden, Met., reicht nicht bis zur zweiten Tarsusreihe: Met., gleicht darin demselben Stück bei den Vögeln. Werfen wir noch auf die Formverhältnisse der drei Tarsalien einen Blick. Tars., ist minimal höher wie Tars.,, ziemlich höher jedoch wie Tars.,. Tars., legte sich wahrscheinlich in die seichte Vertiefung der Gelenkfläche der ersten Tarsusreihe. Alles dies stimmt mit den Formverhältnissen der zweiten Tarsusplatte bei embryonalen Vögeln. Dort ist auch meist der mittlere, dem Met., sich anlegende Theil, verdickt, während sich die äußeren Theile, wenn auch nicht immer 3% Q.C.MARrsH, Odontornithes, a Monograph of the extinct Toothed Birds of North America. — Memoirs of the Peabody Museum of the Yale College. Vol. I. New Haven 1580. 448 G. Baur (Taube), gegen Met.. und Met., hin verdünnen. Compsognathus steht jedenfalls in den Formverhältnissen des Fußes von allen mir bekannten Dinosauriern den Vögeln am nächsten. Als eine fünfte Ordnung bezeichnet MarsH endlich die Hallo- poda mit Springfuß; er ist jedoch nicht sicher ob es wahre Dino- saurier sind. Er charakterisirt diese Gruppe folgendermaßen. »Fuß digitigrad, mit Klauen; drei Zehen im Fuß; Metatarsalien bedeutend verlängert; Calcaneus weit nach hinten gerückt. Vordere Extremitäten sehr kurz. Wirbel und Extremitätenknochen hohl. Wirbel bikonkay.« Familie Hallopodidae. Genus Hallopus. Hallopus war nach Marsu !# etwa so groß wie ein Fuchs. Die Tibia war größer wie der Femur und die Metatarsalien halb so lang wie die Tibia. Zum Schlusse muss ich noch eines Dinosauriers erwähnen, welchen uns Core!" mittheilt, und der von Marsu in seiner Klas- sifikation der Dinosaurier nicht aufgeführt wird: Ornithotarsus. Nach Cope bildet Ornithotarsus mit Compsognathus die Gruppe der Symphypoden; ef. pag. 430. Es ist nur das distale Ende der Tibia und Fibula und der damit verschmolzene Astragalus erhalten (Fig. 46). Core charakterisirt .Ornithotarsus folgendermaßen: Astragalus mit dem Caleaneus verschmolzen: Artikulationsfläche abwärts und etwas vorwärts gerichtet. Fibula schlank, in Artikulation mit der ersten Tarsusreihe. Die Sutur zwischen Tibia und Astragalus ist deutlich sichtbar, so dass Core annimmt, im Jugendzustand des Thieres wäre Astragalus von der Tibia getrennt. Nach Copr’s Figur war ein kurzer aufsteigender Fortsatz vorhanden, welcher in einer Grube der Tibia liegt, welche mehr gegen die Fibula zu gelegen ist. Ich halte es für verfehlt Ornithotarsus, welcher nach Corr ein riesiger Dinosaurier gewesen sein soll, mit Compsognathus zusammenzustellen. Ich halte es für richtiger, Ornithotarsus zu den Ornithopoden (MARSH) zu stellen. Vielleicht zwischen Iguanodonten und Hadrosauridae, mit Bestimmtheit kann dies natürlich nicht behauptet werden. 15a Principal Characters of Amer. Jur. Dinos. Part V. Vol. XXI. 1581. 10 E. D. CopE, Synopsis ete. pag. 121—123. Der Tarsus der Vögel und Dinosaurier. 449 Ill. Vergleichender Theil. Die nahe Verwandtschaft zwischen Dinosauriern und Vögeln ist zuerst von Huxvey *7,27,!! und Cope !" erkannt worden. R. Owen 6 vertritt diese Ansicht nicht. Dass die Dinosaurier in Wirklichkeit die Stammeltern der Vögel sind, glaube ich nach meinen Unter- suchungen als sicher hinstellen zu dürfen. Wie wir gesehen haben, gleicht der Tarsus des embryonalen Vogels dem der Dinosaurier in hohem Grade, namentlich was die erste Tarsusreihe betrifft. Ja ich möchte geradezu den Satz aussprechen, dass die Formverhältnisse des Tarsus der Vögel in den verschiedenen embryonalen Stadien die Formverhältnisse des Dinosauriertarsus in den verschiedenen Ord- nungen rekapituliren. Für diesen Satz dürften folgende Punkte beweiskräftig sein: 1) das allmähliche Schlankerwerden der Tibia und Fibula während der embryonalen Entwicklung der Vögel und während der Fortentwicklung der Dinosaurier. In den ältesten bekannten Dinosauriern finden wir eine kurze stämmige Tibia, eine schwächere, aber dennoch kräftige eben so lange Fibula, beide durch einen Zwischenraum getrennt. Bei den jüngsten embryona- len Stadien der Vögel, da wo die Skeletdifferenzirung beginnt, finden wir dieselben Verhältnisse. Bei den jüngeren Dinosauriern finden wir das Bestreben die Tibia und Fibula schlanker zu gestal- ten, die Fibula zum Theil zu verkürzen. Dasselbe Bestreben zeigen die Vögel in ihrer embryonalen Entwicklung. 2) Das allmähliche Vesschmelzen von Tibiale und Fibulare und die Rückung des Fibu- lare unter die Tibia. In den ältesten und älteren Dinosauriern sind Tibiale und Fibulare vollkommen getrennt und schließen sich an Tibia und Fibula an. Im Laufe der Entwicklung der Dinosaurier zeigen Tibiale und Fibulare mehr und mehr das Bestreben mit ein- ander zu verwachsen. Während dieses Processes kommt das Fibu- lare immer mehr unter die Tibia zu liegen. Bei den Vögeln finden wir in frühen Stadien Tibiale und Fibulare getrennt, Tibiale an die Tibia, Fibulare an die Fibula angeschlossen. Im Laufe der 3 T. H. HuxtLey, On the Animals, which are most nearly intermed. be- tween Birds and Reptiles. Ann. and Mag. of Nat. Hist. Vol. II. Ser. 4. London 1868. pag. 66—75. 27 T. H. Huxtey, Further Evidence of the Affinity between the Dino- saurian Reptiles and Birds, Quart. Journ. Geol. Soc. Vol. XXVI. P. I. 1870. pag. 12—31. ıı T. H. Huxtey, On the Classific. of Dinos., ebend. pag. 32—51. 10 E. D. CopE, Synopsis .. . 6 R. Owen, Monograph of the British Fossil Rept... . Morpholog. Jahrbuch. 8. 30 450 G. Baur Entwicklung verschmelzen sie immer fester, während zugleich das Fibulare unter die Tibia zu liegen kommt. 3) Das allmähliche Ver- schmelzen der Tibia mit der ersten Tarsusreihe. Im Anfang bei Dino- sauriern und Vögeln vollständiges Getrenntsein, im Lauf der Entwieklung Verschmelzung. 4) Die morphologischen Verhältnisse des aufsteigenden Fortsatzes. Bei den ältesten Dinosauriern, so wie bei den jüngsten Embryonen * der Vögel fehlt dieser Fortsatz. Er entwickelt sich erst allmählich in den jüngeren Gruppen der Dinosaurier, bis er bei den Jüngsten bekannten Formen sich zu einem schlanken griffelartigen Fortsatz ausbildet. Dasselbe gilt von seiner Entwicklung bei den Vögeln. 5) Die Verhältnisse der Metatarsalien. Dieselben sind bei den älteren Dinosauriern kurz, robust und weit von einander ge- trennt, zeigen jedoch in der späteren Entwicklung der Dinosaurier das Streben schlanker zu werden und sich enger an einander zu legen. Bei sehr jungen Vogelembryonen haben wir ebenfalls kurze, stämmige, stark divergirende Metatarsalien, im Laufe der Entwicklung werden sie schlank und verwachsen. 6) Die allmähliche Verringerung der Zahl der Zehen. In den ältesten Dinosauriern haben wir fünf wohl entwickelte Zehen, im Laufe der Entwicklung der Dinosaurier-Klasse wird die erste oder fünfte Zehe rudimentär. Bei den Vögeln finden wir in frühen Stadien noch eine fünfte Zehe, durch ein rudimentäres Metatarsale angedeutet, welches später vollständig schwindet. Die- ser letzte Punkt scheint weniger exakt zu sein, wie die vorhergehen- den. Ich glaube dennoch, dass er von Bedeutung ist. Die Verhält- nisse sind hier bei der embryonalen Entwicklung der Vögel ziemlich verwischt. Das distale Ende der Extremitäten ist viel mehr ver- änderlich, wie das proximale; und es werden sich demnach die Verhältnisse am proximalen Abschnitte viel länger deutlich erhalten, wie am distalen. Auch RoOsENnBERG hat hierauf schon aufmerksam gemacht’. Die proximalen Theile der Extremität eines Embryo werden daher viel deutlicher die einstigen Formverhältnisse derselben Theile der Stammeltern erkennen lassen, wie die distalen. Unwillkürlich musste sich nun die Frage erheben, ob bei den älteren fossilen Vögeln im Tarsus ähnliche Verhältnisse vorhanden wären, wie bei den jüngeren Dinosauriern. Archaeopteryx aus dem Jura ist der älteste bis jetzt bekannte Vogel, bei welchem die hin- * Jüngst in Beziehung auf Korpeldifferenzirung. 8 Au. ROSENBERG, Über die Entwicklung des Extremitätenskelettes. pag. 154. Der Tarsus der Vögel und Dinosaurier. 451 teren Extremitäten erhalten sind. Nach R. Owen 3S gleicht der Fuß von Archaeopteryx vollkommen dem der heutigen Vögel. Neuerdings theilt uns jedoch Marsu*’, welcher Gelegenheit hatte die beiden Platten von Archaeopteryx einem genauen Studium zu unterwerfen, in einer werthvollen Notiz mit, dass die hintere Extremität von Archaeopteryx und Compsognathus im Wesentlichen dieselbe Struktur zeigen. Er sagt ferner pag. 339: »The metatarsal bones of Archae- opteryx show, on the outer face at last, deep grooves between the three elements, which imply that the latter are distinet, or unite late together.« Die Odontornithes, jene bezahnten Vögel der nordamerikani- schen Kreide, mit welchen uns MArs#:% in einer herrlichen Mono- graphie bekannt gemacht hat, zeigen schon ganz dieselben Verhält- nisse in ihren hinteren Extremitäten wie die erwachsenen Vögel der Jetztzeit. Ser Ley? berichtet uns noch über die hinteren Extremitä- ten einiger Kreidevégel. Es scheinen mir bei diesen noch einige Anklänge an ältere Verhältnisse vorhanden zu sein. Er sagt pag. 507 von Enaliornis: »There is a deep channel in front on the fibular side, but it does not appear to have been arched over by a bridge, but was defended by a strong process direeted ontward from above the inner condyle. This is one of the most distinctive parts of the Sceleton of Enaliornis.« Dieser » process« ist der aufsteigende Fortsatz. Von den jetzt lebenden Vögeln scheinen die Ratitae in ihren proximalen Extremitätentheilen noch am meisten die alten Verhältnisse bewahrt zu haben. Ich konnte die Tibia eines jungen Casuars studiren. Dort war der aufsteigende Fortsatz sehr deutlich erhalten, ähnlich wie ihn HuxLEY vom Strauß abgebildet hat (die Fig. 47 und 48 sind Ko- pien hiervon). Von einer knöchernen Brücke konnte ich hier eben- falls nichts entdecken. Der aufsteigende Fortsatz lag eng an die Tibia angeschmiegt in der Grube an ihrem distalen Ende. Ich komme nun auf die Beantwortung der Frage, welche Be- deutung hat wohl der aufsteigende Fortsatz? Bei den älteren Dino- 38 R. OWEN, On the Archeopteryx of von MEYER, with a description of the Fossil Remains of a Long-tailed Species. Philos. Transact. London 1863. Vol. 153. pag. 33—47. 39 0. C. Marsu, Jurassic-Birds and their Allies. Amer. Journ. of Science Vol. XXII. Nov. 1881. pag. 337—340. 36 0). C. MARSH, Odontornithes. ... 40 H. G. SEELEY, On the British Fossil Cretaceous Birds. Quart. Journ. Geol. Soc. Vol. XXXII, 1876. 30* 452 G. Baur sauriern fehlt er. Morse? welcher den aufsteigenden Fortsatz der Dinosaurier und Vögel vergleicht, glaubt, er möchte bei einigen Dino- sauriern als gesondertes Stück aufgetreten sein (Ornithotarsus). Dies halte ich für unrichtig, denn wir kennen weder bei den älte- sten Dinosauriern, noch bei den jüngsten embryonalen Vögeln einen derartigen Fall. Ein Intermedium im Sinne GEGENBAUR’S ist es nicht, wie ich bei der Entwicklung des Vogelfußes nachgewiesen habe. Wie Morse zur Vergleichung die Salamandrinen herbeiziehen konnte, verstehe ich nicht, da diese mit den Dinosauriern in gar keiner ge- netischen Beziehung stehen. Was ist also der aufsteigende Fortsatz ? Ich kann ihn nach langem Erwägen und Überlegen für nichts Ande- res halten, als für einen sekundär gebildeten Fortsatz des Tibiale, der lediglich dazu dienen soll, die Befestigung zwischen Tibia und erster Tarsusreihe zu vermehren. Der Fortsatz wird um so größer und legt sich um so fester an die Tibia, je mehr die erste Tarsus- reihe nach vorn gedreht wird und je mehr sich der Fuß zu einem solchen mit reinem Intertarsalgelenk umbildet. Ich komme nun noch mit einigen Worten darauf, wie sich Marsu’s neuestes System der Dinosaurier zu meinen Untersuchungen verhält. Weit entfernt, dieses System vom ersten Kenner der Dino- saurier einer Kontrolle zu unterwerfen, möchte ich nur einige kurze Bemerkungen dazu geben. Ich glaube, das System lässt sich ganz genau mit meinen Untersuchungsresultaten vereinigen, wenn wir herbivore und carnivore Dinosaurier in je eine parallel zur andern verlaufende Reihe bringen, den Familien der Theropoden den Rang von Ordnungen verleihen und zugleich die älteren Zanclodonten und Amphisauriden vor die jüngeren Megalosauriden stellen. Das System würde sich danach folgendermaßen gestalten: Herbivore Dinosaurier Carnivore Dinosaurier. 1) Sauropoda. 1) Zauclodontidae. 2) Stegosauria. 2) ? Amphisauridae. 3) Ornithopoda. 3) Megalosauridae. 4) Labrosauridae. 5) Coeluria. 6) Compsognatha. 7) ? Hallopoda. Die ganze vorgeschlagene Änderung bestünde demnach nur in einer Umstellung einiger Familien und ihrer Rangerhöhung. 9 On the Idendity.... pag. 8 und 9 Fig. 1—12. Der Tarsus der Vögel und Dinosaurier. 453 Ich komme zum Schluss. Wenn in dieser meiner Arbeit sicher Vieles vorhanden ist, was noch nicht ganz fest dasteht, so glaube ich dennoch verschiedenes Altes berichtigt und einiges Neues ge- bracht zu haben. Vor Allem aber möchte ich auf den von GERVAIS ausgesprochenen Satz nochmals hinweisen. Nur auf diesem Wege können wir vergleichende Osteologie der Wirbelthiere mit Erfolg studiren. Paläontologie und Entwicklungsgeschichte des Skelet- systems müssen Hand in Hand gehen. Wenn wir paläontologische Reste studiren wollen, so müssen wir die Skeletogenese des Thieres, welches ihm am nächsten verwandt ist, zuvor kennen. Die sicher- sten Erfolge werden wir bei solchen Thieren erzielen, welche vivi- par oder ovo-vivipar sind, bei oviparen Thieren werden die Verhält- nisse verwischt erscheinen. Denn ein vivipares Thier, welches sich fern von äußeren störenden Einflüssen, namentlich mechanischer Art, im Uterus entwickelt, wird, wenn es zur Welt gebracht ist, uns ein ziemlich deutliches Bild seiner Voreltern liefern können; denn was es in diesem Moment besitzt, hat es geerbt. Ein ovipares Thier dagegen, welches schon als Ei den störendsten äußeren Einflüssen ausgesetzt ist, wird uns mit viel geringerer Sicherheit ein Bild sei- ner Stammeseltern liefern können, denn ovipare Thiere neigen viel mehr zu Abänderung, wie ovo-vivipare und vivipare. Ich halte da- her die Genese des Skeletsystems der Wirbelthiere von eben so hoher Bedeutung, wie die ersten Vorgänge am Ei und die Entstehung der Keimblätter. München, im Juni 1882. Litteraturverzeichnis. (Die einzelnen Werke und Abhandlungen sind so geordnet, wie sie sich in der Arbeit folgen.) 1) Cu. Darwin, Uber die Entstehung der Arten. Deutsch nach der sechsten englischen Auflage von J. V. Carus. 1876. 2) J. F. MecKEL, System der vergleichenden Anatomie. 1825. 3) W. Kircnen PARKER, On the Osteology of Balaeniceps rex (Gould). Transact. Zool. Soc. London Vol. IV. 1862. 4) ©. GEGENBAUR, Vergleichend-anatomische Bemerkungen über das Fußskelet der Vögel. Arch. für Anat., Phys. und wissenschaftl. Med. Jahrg. 1863. Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. 1. Heft. Carpus und Tarsus. 1864. 454 G. Baur 6) R. Owen, Monograph of the Brit. Foss. Rept. of the Mesoz. Form. Part II. Palaeontogr. Soc. London Vol. for 1875. 7) E. S. MorsE, On the Tarsus and Carpus of Birds. Annals Lye. Nat. Hist. New York. Vol. X. 1874. 8) Au. ROSENBERG, Über die Entwicklung des Extremitäten-Skeletes bei einigen durch die Reduktion ihrer Gliedmaßen charakterisirten Wirbelthieren. Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. 23. 1873. 9) E. S. MorRSE, On the Identity of the Ascending Process of the Astragalus in Birds with the Intermedium. Anniv. Mem. Boston Soc. Nat. Hist. 1880. 10) E. D. Core, Synopsis of the extinct Batrachia, Reptilia, and Aves of North America. Transact. Amer. Philos. Soc. 1868—1869. 11) T.H. Huxtey, On the Classification of the Dinosauria, with Observ. on the Dinos. of the Trias. Quart. Journ. Geol. Soc. Lond. Vol. XXVI. 1870. 12) O. C. Marsu, Classification of the Dinosauria. Americ. Journ. of Se. Vol. XXIII. 1882. 13) —— Principal Characters of American Jurassic Dinosaurs. Part II. Amer. Journ. of Se. and Arts. Vol. XVII. 1879. 14) —— Part I. Vol. XVI. 1878. 15) —— Notice of new Jurassic Reptiles. Am. Journ. of Se. and Arts. Vol. XVII, 1879. 152) —— Principal Characters of American Jurassic Dinosaurs. Part V. Vol. XXI. 1881. 16) J. Pumiuips, Geology of Oxford and the Valley of the Thames. 1871. 17) O. C. MArsu, Principal Characters of American Jurassic Dinosaurs. Part III. Vol. XIX. 1880. Part IV. Vol. XXI. 1881. 18) R. Owen, A Monograph of the Fossil Reptilia of the Liassic Formations. Palaeontogr. Soc. London 1861, 1863. 19) T.H. Huxrey, On Hypsilophodon Foxii, a new Dinos. from the Wealden. Quart. Journ. Geol. Soe. Lond. Vol. XXVI. 1870. 20) G. A. MAntELL, Additional Observations on the Osteology of the Iguano- don and Hylaeosaurus. Phylos. Transact. Lond. 1849. 21) R. Owen, Note on the bones of the Hind-foot of the Iguanodon. Quart, Journ. Geol. Soc. Lond. Vol. XIV. 1858. 22) J. W. Hunks, Iguanodon Prestwighii. Quart. Journ. Geol. Soc. Lond. Vol. XXXVI. 1880. 23) —— Note on an Astragalus of Iguanodon Mantelli. Quart. Journ. Geol. Soc. Lond. Vol. XXX. 1874. 24) J. Lerpy, Cretaceous Reptiles of the United States. 1864. 25) G. Cuvier, Recherches sur les Ossemens Fossiles. Nouy. Edit. 1824. 26) M. EuDEs DESLONGCHAMPS, Mémoire sur le Poikilopleuron Bucklandi, grand Saurien fossile. Mém. de la Soc. Linn. de Normandie, Tome VI. 1838. 27) T. H. Huxrey, Further Evidence of the Affinity between the Dinosaurian Reptiles and Birds. Quart. Journ. Geol. Soe. Lond. Vol. XXVI. 1870. 28) BUCKLAND, Megalosaurus. Transact. Geol. Soc. London 1854. 29) To. PLIENINGER, Uber ein neues Sauriergenus Jahreshefte des Vereins fiir vaterliindische Naturkunde in Wiirttemberg. II. Jahrgang I. Heft. 1846. 30) H. v. Mayer, Reptilien aus dem Stubensandstein des oberen Keuper. Pa- laeontographiea. Bd. VII. Der Tarsus der Vögel und Dinosaurier. 455 31) H. RıLey and STUTCHBURY, A Description of Various Fossil Remains of three distinct Saurian Animals, recently discovered in the Magnesian Conglomerate near Bristol. Transact. Geol. Soc. Lond. II. Ser. Vol. V. 1840. 32) L. J. Frrazinanr, Uber Palaeosaurus Sternbergeri. Annalen des Wiener Museums der Naturgeschichte. Bd. II. 1840. 33) H. v. MeyER, Palaeosaurus: Sphenosaurus. Neues Jahrbuch für Mineralogie. Jahrg. 1847. 334) Die Saurier des Muschelkalks. 1847—1855. 34) O. C. Marsu, A New Order of Extinct Jurassic. Reptiles (Coeluria) Am. Journ. of Se. Vol. XXI, 1881. 35) A. WAGNER, Neue Beiträge zur Kenntnis der urweltlichen Fauna des litho- graphischen Schiefers. Abh. der k. bair. Akad. d. Wissensch. II. Kl. Bd. IX. Abth. I. 1861. 36) O. C. MArsH, Odontornithes, a Monograph of the extinct Toothed Birds of North America. Memoirs of the Peabody Museum of the Yale College. Vol. I. New Haven 1880. 37) T. H. Huxtey, On the Animals, which are most nearly intermed. between Birds and Reptiles. Ann. and Mag. of Nat. Hist. Vol. II. Ser. 4. London 1868. 38) R. Owen, On the Archeopteryx of von MEYER, with a description of the Fossil Remains of a Long-tailed Species. Philos. Transact. Lond. 1863. Vol. 153: 39) O.C. MArsH, Jurassic Birds and their Allies. Am. Journ. of Se. Vol. XXII. 1881. 40) H. G. SEELEY, On the British Fossil Cretaceous Birds. Quart. Journ. Geol. Soc. Lond. Vol. XXXII. 1876. Erklärung der Abbildungen. Tafel XIX—XX. Allgemeine Bezeichnungen: Fe Femur. a aufsteigender Fortsatz. y heme WAC t(1—5) Tarsale(,—s). F Fibula. m, Metatarsale. t Tibiale. mz Metatarsale o. Ff Fibulare. etc. Fig. 1—6. Längsschnitte durch den Fuß eines Hühnchens vom sechsten Brut- tag. Schnittserie. Färbung mit Pikrokarmin in toto. Vergr. 13. Fig. 7—11. Längsschnitte durch den Fuß eines Hiihnchens vom 7.—8. Bruttag. Schnittserie. Färbung mit Pikrokarmin in toto. Vergr. 14. Fig. 12—16. Längsschnitte durch den Fuß eines Hühnchens vom achten Brut. tag. Theile aus einer Schnittserie. Färbung mit Hämatoxylin in toto. Vergr. 14. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. G. Baur, Der Tarsus der Vögel und Dinosaurier. 17—23. Sagittalschnitte durch den Fuß eines neun Tage bebrüteten Hühn- chens. Schnittserie. Färbung mit Pikrokarmin in toto. Vergr. 14. 24. Längsschnitt durch den Fuß einer 10 Tage bebriiteten Ente. Die ein- zelnen Schnitte mit Karmin gefärbt. Vergr. 14. .25—26. Längsschnitte durch den Fuß eines Hühnchens 10—11 Tage be- brütet. Die einzelnen Schnitte in Karmin gefärbt. Vergr. 14. .27—28. Längsschnitte durch den Fuß einer 10 Tage bebrüteten Taube. Die einzelnen Schnitte mit Hämatoxylin gefärbt Vergr. 14. .29. Sehnitt durch den Fuß einer Amsel vom circa achten Bruttag. Fär- bung mit Hämatoxylin. Vergr. 14. .30—33. Schematische Figuren um die Lage des aufsteigenden Fortsatzes zu zeigen. a aufsteigender Fortsatz. .34. Fuß von Morosaurus grandis. Kopie nach MARSH. 1/9). .35. Tibia, Fibula, Tibiale, Fibulare von Stegosaurus ungulatus nach Marsh. 1/jo. . 36. Fuß von Stegosaurus ungulatus nach MARSH. 1/;¢. . 37. Fuß von Seelidosaurus nach OWEN. 1/4. . 38. Fuß von Camptonotus dispar nach MARSH. 1/9. . 39. Fuß von Loasaurus altus nach MARSH. 1/s. .40. Distales Ende der Tibia mit Tibiale von Megalosaurus von hinten. Nach Cuvier. 1/4. .41. Dasselbe von vorn. 1/4. 4 2. Distales Ende der rechten Tibia von Compsognathus. 7mal ver- größert. Von außen. a Seite der Tibia, an welche sich die Fibula legt. b Theil des Tibiale, wovon der aufsteigende Fortsatz d ausgeht. e Artikulationsstelle der Tibia und des Tibiale. e Innere abgebrochene Seite der Tibia. f Theil des Tibiale. 43. Dasselbe von vorn. Vergr. 7. 44. Linker Fuß von Compsognathus. Natürliche Größe. 45. Rechter Fuß von Compsognathus. Natürliche Größe. 46. Distales Ende der Tibia und der Fibula von Ornithotarsus nach CoPE 47. Distales Ende der Tibia eines jungen Straußes von vorn. Nach Hux- LEY. Vergrößerung ? 48. Dasselbe von der Seite. 49. Schnitt durch das distale Ende der Tibia einer etwa 14 Tage bebrü- teten Taube. [an _ Ursse Mi nig is mys Fig. 37 4. { Fig. 44. Fig. 46. z Fı 1g, 4M, 779 UM, | N if 4 Aint Ansty’ Wea & inter: Trachfiert 6 Verlag v Wilh, Degemann Leipzig FR x! * Du |) A Beiträge zur näheren Kenntnis der Entwicklung der Wirbelsäule der Teleostier. Von Dr. B. Grassi aus Rovellasea. (Auszug.) e Der Zweck der in diesem Betreffe angestellten Untersuchungen war, das Typische der Wirbelsäule der Knochenfische kennen zu lernen und durch diese Erkenntnis den Versuch zu machen, ihre Homologien zu entziffern. Einige Thatsachen boten mir Gelegenheit, einen Blick auf die allgemeine Frage des lees der Knorpel- und Knochenskelete zu werfen. Meine Folgerungen sind begründet: 1) auf die schon bekannten Zustände der Wirbelsäule der erwachsenen Knochenfische, 2) auf die speeielle Erforschung von der Entwicklung, welche Forschungen theilweise die vorhergehenden desselben Arguments bestätigen. Meine Beobachtungen sind an Formen angestellt, welche, wie die vergleichende Anatomie beweist, in ihrer Gesammtorganisation sichere Anzeiehen primitiver Zustände besitzen, d. h. an Esoeiden, Salmonen und Cyprinoiden; überdies studirte ich auch etwas die Clupeiden und die Anguillen. Die Forschungen Anderer, auch an anderen Teleostiern, habe ich dabei nicht vernachlässigt, beeile mich jedoch zu sagen, dass ich letzteren nur einen sekundären Werth zugestehen kann, da sie oft sehr unvollständig sind und häufig auch sehr abweichende Formen betreffen. Beim Feststellen der Homologien habe ich auf die Stellung der Teleostier im Stammbaum der Vertebraten einen großen Werth ge- legt; eine Stellung, welehe hauptsächlich durch die Deduktionen GEGENBAUR’s näher begründet wurde. Man kann behaupten, dass die Teleostier sich von den Ganoiden abgezweigt haben, jedoch nicht von 458 B. Grassi den heut zu Tage noch lebenden; die Teleostier zeigen jedoch mit den noch lebenden Ganoiden, hauptsächlich mit Amia, eine größere Ver- wandtschaft, als mit den anderen lebenden Fischen. Die Ganoiden erscheinen zugleich sehr unabhängig von einander und stimmen nur darin überein, dass sie alle mit den Urformen der Gnatho- stomen verwandt sind, wenn auch viel weniger nah als die Se- lachier. Die höheren Wirbelthiere offenbaren eine viel nähere Ver- wandtschaft mit den Selachiern als mit den Teleostiern. Die Te- leostier repriisentiren sonach einen divergirenden, terminalen Zweig. Dies schließt jedoch nicht aus, dass sich in ihnen nicht für irgend ein Organsystem eine primitive Einrichtung erhalten haben kann, welche sich bei den Selachiern verloren oder bei denselben weniger deutlich geblieben ist. Ich gehe nun zur Darstellung meiner Ergebnisse iiber. I. Die Chorda dorsalis und ihre Membranen. Die Chorda von Embryonen, welche im Begriffe sind auszu- schliipfen, besteht aus folgenden Schichten, die ich, vom Centrum zur Peripherie gehend, aufzählen werde: 1) aus Blasenzellen, die das eigentliche Gewebe der Chorda repräsentiren ; 2) aus einer einfachen und dünnen epitheliomorphen Schicht ; 3) aus der eigentlichen Scheide der Chorda; 4) aus einer sehr dünnen elastischen und structurlosen Scheide (Elastica) . Bis zur Bildung des Wirbelkörpers wächst die Chorda und ihre Membranen auf beinahe gleichmäßige Weise in die Länge und Dicke. An Horizontalschnitten bemerkt man aber eine sehr leichte An- schwellung der Chorda in Übereinstimmung mit den Septa inter- muscularia, eine Anschwellung, die man leicht für künstlich halten könnte. Ferner besteht eine allgemeine Dickenzunahme der Chorda in ihrer eigentlichen Membran in größerem Maße, als in der epithe- liomorphen Schicht. Es ist in hohem Grade wahrscheinlich, dass die eigentliche Scheide der Chorda durch Abscheidung aus dieser epitheliomorphen Schicht entsteht und dass die elastische Scheide auf Kosten des sie umgebenden Bindegewebes wächst. Ein wenig vor der Zeit, in welcher sich der Wirbelkörper ent- wickelt, erscheint die eigentliche Chordascheide in den intervertebra- len Regionen verdickt, beinahe fibrös und ragt dabei in die eigentliche Beiträge zur näheren Kenntnis d. Entw. d. Wirbelsäule d. Teleostier. 459 Substanz der Chorda hinein. In diesem Theil zeigt sich die epi- theliomorphe Schicht sehr reich an Zellen, und die embryonalen Zellen außerhalb der Elastica externa sind gleichfalls wie in einer Schicht von Epithelium angeordnet. Bei der Bildung des Wirbelkörpers findet vorzugsweise in den intervertebralen Abschnitten ein Wachsen des eigentlichen Chorda- gewebes statt. Mit diesem Wachsthum stehen die bekannten An- schwellungen in Verbindung, welche die Chorda bald aufweist, und die um so deutlicher werden, je mehr ihr Wachsthum fortschreitet. Beinahe zur gleichen Zeit zeigen uns Schnitte die folgende Be- schaffenheit: die eigentliche Membran der Chorda ist in dem inter- vertebralen Abschnitt sehr dünn und fibrös; von hier aus erstreckt sie sich dünn über die angrenzenden Hälften einer jeden der beiden Kegelfacetten; späterhin kann man sie nicht mehr mit Sicherheit verfolgen; doch vor dem mittelsten Theil des Wirbels erscheint sie wiederum dünn, aber hyalin anstatt fibrös; am mittleren Theil wird sie ziemlich dick, wenn auch weniger dick als in den interverte- bralen Abschnitten und bewahrt das hyaline Aussehen. Die Elastica externa ist daselbst kaum deutlich erkennbar. Während diese Zustände obwalten, bereitet sich im Gewebe der Chorda eine große Modifikation vor, welche sich erst später voll- endet; es bilden sich Lücken wahrscheinlich durch Auflösung der Zellen. Die Anordnung dieser Lücken ist folgende: Die Chorda reducirt sich mit Ausnahme der intervertebralen Partien zu einem fibrösen, dicken Strang. Dieser befindet sich im Centrum des Wir- bels und verliert sich mit seinen Enden in einem Septum interverte- brale, welches aus der eigentlichen Chordasubstanz besteht, in wel- cher man noch Blasenzellen deutlich unterscheiden kann. An der Peripherie faltet sich dieses Septum und fährt fort, den größten Theil der Facette zu bedeeken. Auf dieser bildet die Falte eine mehr oder weniger dieke Schicht; im ersten Fall bleibt die Lücke groß, im zweiten klein. Die epitheliomorphe Schicht bleibt überall deutlich (ich habe sie z. B. in Hechten von 14cm Länge gefunden), sie setzt sich auch in den mittleren Theil des Wirbels fort. In den entstandenen Lücken befindet sich eine wässerige Flüssig- keit !. ! Diese Lücken, welehe die durch das Aufhören der Thätigkeit der Chorda- elemente entstandene Atrophie andeuten, sind bei erwachsenen Teleostiern und 460 B. Grassi Ich wage es nicht, die Frage nach der speciellen Homologie dieser Theile der Chorda aufzunehmen. Die Kenntnisse in Beziehung auf andere Fische sind ungenügend. II. A. Bogen, obere Schlussstücke und Flossenträger. Die erste Anlage der Segmentation (Metamerie) der Wirbel- säule ist durch die Bogenbildung gegeben, welche der Bildung der Chorda und ihrer Membranen folgt und der Wirbelkörperbildung vor- ausgeht. Wenn man von den durch die Bildung der ersten Schwanzflosse modifieirten Bogen absieht; so bleibt die Regel, dass die oberen Bogen sich früher als die unteren und die Querfortsätze entwickeln, und dass die Entwicklung der oberen Bogen im vorderen Theile des Rumpfes anfängt und nach hinten zu fortschreitet. In allen Teleostiern erscheinen die oberen und unteren Bogen des hinteren Rumpf- und Schwanztheiles eylinderförmig; die des Rumpfes dagegen kurz, diek und beinahe stumpfartig. Sie beginnen sehr oft mit knorpeliger Anlage, bei den Cyprinoiden (in allen?) entwickeln sich jedoch deren bereits knöchern, mit Ausnahme der er- sten und letzten, und der unteren des hinteren Rumpftheiles und des vorderen und mittleren Schwanztheiles. Um die Stellung dieser Knorpel zu verstehen, müssen wir uns vorstellen: 1) dass der Bogen sehr nahe an der Chorda sieh zu ent- wickeln beginnt; 2) dass der Knorpel des Bogens fortwährend zu- nimmt und zwar hauptsächlich in der Nähe der Chorda; 3) dass die unteren Bogen des Rumpfes sich allmählich von den oberen ent- fernen, je mehr wir von dem vorderen Theil zum hinteren über- gehen. Der Knorpel erlangt eine größere oder geringere Entwicklung, bleibt stehen oder verwandelt sich je nach der Familie, zu welcher der Teleostier gehört, und nach den Regionen des Körpers, die in Betracht kommen. Das Maximum des Knorpels im Großen und Ganzen bildet sich Plagiostomen schon genügend bekannt. Bei den Tunicaten ist das ganze Chorda- gewebe zerstört und es bleibt nichts als die epitheliomorphe peripherische Schicht. Ich eitire diese Ähnlichkeiten als ein Argument, welches vielleicht leichter als jedes andere den kürzlich ausgesprochenen Verdacht, dass der Achseneylinder des Schwanzes der Tunieaten keine Chorda sein könne, weil er sich in einen mit einer wässerigen Flüssigkeit angefüllten Kanal verwandle, aufhebt. Beiträge zur näheren Kenntnis d. Entw. d. Wirbelsäule d. Teleostier. 461 in den Bogen des Hechtes, im vorderen und mittleren Rumpftheil ; bis zu einem gewissen Zeitpunkt wetteifert der Lachs mit dem Hecht in der Masse des Knorpels, aber dann bleibt er zurück. Selbst beim Hecht entwickelt sich in der kritischen Region des Rumpfes und der vorderen und mittleren Schwanzregion eine verhältnismäßig nur ge- ringe Menge von Knorpel. Das Minimum desselben fand ich bei den Cyprinoiden in einem Schwanzwirbel, welcher der letzte der- jenigen war, die noch nicht zum Dienste der Schwanzflosse modi- fieirt waren. Auch bei den Cyprinoiden sind die Querfortsätze sehr knorpel- reich, der Knorpel vermindert sich aber, je mehr man von dem vor- deren Rumpftheil zum hinteren gelangt; dieser allmähliche Verlust wird hauptsächlich am hinteren Theil des Wirbels und da, wo er dem oberen Bogen am nächsten, wahrgenommen. In dem vierten und fünften Wirbel der Cyprinoiden! entwickelt sich eine große Menge von Knorpel. Zwischen dem Knorpel des oberen Bogen und dem des unteren (in Individuen von 20—60 mm Länge) bleibt nur Raum für eine dünne, knöcherne Schicht; zwischen den oberen Stücken jeder Seite, eben so wie zwischen den unteren, ist der Raum ein wenig größer. Zu derselben Zeit berührt im vor- deren Theil des fünften Wirbels der Knorpel der oberen Bogen den der unteren. Beim Hechte ist die Masse des Knorpels der genannten beiden Wirbel niemals so mächtig. Später fährt (im vierten bis fünften Wirbel der Cyprinoiden) der Theil des Knorpels, weleher den-Wirbelkérper berührt, fort, sich an der Oberfläche auszudehnen, gerade so wie in den anderen Quer- fortsätzen, und wie in diesen erleidet der distale Theil eine fettige Degeneration. Am Schwanz (der Cyprinoiden von 40—60 mm) kann der knorpelige untere Bogen einer Seite an der Basis mit dem der anderen Seite verschmelzen. | Beim Lachs und Hecht giebt es ein Moment, in welchem alle Bogen entwickelt sind und nur aus Knorpelsubstanz bestehen: zu dieser Zeit ist die Breite ihrer Basis sehr ansehnlich ; die oberen Bogen des größten Theils des Rumpfes erreichen das obere Niveau des Rücken- ! Einige Worte über ihre vier ersten Wirbel, welche mit dem Gehörappa- rate Verbindung gewinnen, mögen hier am Platze sein. Der größte und pricis der distale Theil des oberen Bogen bildet den Stapes; ein gleicher Theil des zweiten den Incus, der Querfortsatz des dritten den Malleus. Das Claustrum scheint mir vom Schädel ableitbar. Die ersten vier Wirbel haben keine Rippen. Dies zur Berichtigung der kürzlich von NussBAuMm erschienenen Arbeit. 462 B. Grassi marks, verbinden sich jedoch nicht unter einander: dagegen thun dies die oberen Bogen der hinteren Rumpfregion und alle Bogen des Schwanztheiles. Auch die Dornfortsätze sind schon mehr oder we- niger angedeutet. An dem hinteren Rumpftheil vergrößern sich die unteren Bogen und können eben so wie bei den erwachsenen Indivi- duen durch Brücken verbunden sein (mit großer individueller Ver- schiedenheit in Zahl und Form); nicht selten findet man Übergangs- formen dieser Brücken zu den wahren unteren Bogen mit Dornfort- sätzen. In dieser Periode sind die Rippen noch nicht entwickelt. In einem folgenden Zeitabschnitt, d. h. wenn sich Knochen ent- wickelt hat, beschränkt sich der Knorpel der oberen und unteren mit Dornfortsätzen versehenen Bogen beinah auf die Basis derselben ; für kurze Zeit kann sich noch ein wenig Knorpel an dem Punkte, wo der Dornfortsatz beginnt, forterhalten. Der distale Theil des Knor- pels der oberen Rumpfbogen erhält sich sehr lange, wenigstens im Hecht, doch erreicht er bald nicht mehr das Niveau der Oberfläche des Rückenmarks; dagegen fährt er in dem proximalen Theile, wel- cher vom Wirbelkörper eingeschlossen wird, fort, sich nach jeder Riehtung hin auszubreiten. Der distale Theil des Bogens vergrößert sich indessen durch Knochengewebe. Im Ganzen beweisen die ausgesprochenen Thatsachen, dass der Knorpel bei den Teleostiern in großer Riickbildung begriffen, und gestatten die Vermuthung, dass da, wo sich jetzt kein Knorpel bildet, sich eine Verkürzung der Entwieklung ereignet hat. So begründet sich der Gedanke, dass er bei den Vorfahren der Teleostier in weit größerer Menge bestand. Die sekundäre Verschmelzung der Knor- pel der unteren Bogen im Schwanz und jene der oberen mit den unteren im vierten Wirbel, sind vielleicht Spuren des alten Baues und Zeugen der Herrschaft, welche der Knorpel selbst ehemals ein- genommen. | Auf dem oberen Theil des Rückenmarks läuft das Ligamentum vertebrale superius. Es entwickelt sich ungefähr gleichzeitig mit den Bogen. Am unteren Theil desselben, oberhalb des Rückenmarks und zwischen den oberen Bogen des Rumpfes, erscheinen zu einer verhältnismäßig späten Zeit, d. h. wenn die oberen Bogen einen knöchernen Überzug erhalten haben und ihre Spitze schon ganz knöchern ist (bei Salmoniden, Esociden und Clupeiden) je zwei Knorpelstücke, eins an jeder Seite, welche sich bald an der Mittel- linie berühren; sie können auch eine komplicirte Form annehmen, Beiträge zur näheren Kenntnis d. Entw. d. Wirbelsäule d. Teleostier. 463 hauptsächlich an den vorderen Wirbeln. In den vorderen Wirbeln der Esoeiden können diese Knorpelstücke sich schon bei jungen In- dividuen abwärts bis über die halbe Höhe des Rückenmarks aus- dehnen; ihr Knorpel aber verschmilzt, wenigstens in vielen Wirbeln, nicht mit dem der Bogen; wohl aber verschmilzt der Knochen, welcher sie bald überzieht, mit demjenigen, welcher die Bogen selbst umgiebt. Bei noch jungen Cyprinoiden entwickeln sich aus den oberen Bogen die schon bei den Erwachsenen bekannten Dornfortsätze, welche unterhalb des Ligamentum vertebrale und oberhalb des Rückenmarks sich finden. Sie sind höchst wahrscheinlich den vorhin erwähnten Knorpelstücken des Hechtes und des Lachses homolog. Auch die beiden Stücke, welche das Rückenmark der ersten Wirbel bedecken, entwickeln sich bei den Cyprinoiden knorpelig; das vorderste dieser Knorpelstücke verliert sich in dem vordersten Ende des Ligamen- tum vertebrale superius, das zweite bedeckt das Ligamentum selbst. Wegen dieser Lagerung kann man die besprochenen Stücke nicht mit den anderen oben beschriebenen vergleichen. Andere mit den Bogen in Beziehung stehende Stücke sind die sogenannten Flossen- träger (Ossa interspinalia von J. MÜLLER). Ich habe schon erwähnt und es ist auch längst bekannt, dass die oberen Bogen im größten Theil des Rumpfes bei Lachs und Hecht sich nicht unter einander verbinden. Bei den Jungen, so lange die Bogen selbst im Ganzen knorpelig sind und mit ihren freien Enden ungefähr bis zum Niveau des Ligamentum vertebrale superius reichen, entwickeln sich ein wenig über diesen die knorpeligen Flossenträger, einer für jeden Wirbel (auch da, wo die Flossen fehlen). Wenn wir uns vorstellten, dass in dieser Periode das proxi- male Ende der Flossenträger sich in zwei sehr kurze Zweige spal- tete, welche sich mit dem freien Ende der oberen Bogen verbänden, würden wir einen Bogen mit Dornfortsatz haben, ungefähr so, wie diejenigen in der Schwanzregion. Bei einer Verlängerung der Bogen werden die Flossenträger zwischen denselben mehr oder minder tief hinabreichen. Bei den Cyprinoiden verbinden sich die oberen Bogen eben so am Rumpfe wie am Schwanze und bilden früh einen langen Dornfortsatz. | Die Flossenträger können sich auch da entwickeln, wo sich Dorn- fortsätze bilden, zu welchen sie aber immer eine deutliche Beziehung aufweisen. Auch bei den Cyprinoiden entwickeln sich die Flossen- träger knorpelig, während der korrespondirende Dornfortsatz knöchern entsteht. 464 B. Grassi Aus diesen Thatsachen geht der Grund zu der Vermuthung hervor, dass die Flossenträger abgegliederte Stücke der oberen Bogen sind, die aber hier schon in der Anlage eine Selbständigkeit gewonnen haben. B. Rippen. Die Rippen entwickeln sich an der peritonealen Grenze der Liga- menta intermuscularia ventralia, später als die Bogen und in ihrer Gesammtheit von dem vorderen Theil des Rumpfes nach hinten zu. Zuerst bemerkt man eine Anhäufung von embryonalem Bindegewebe. Beim Hecht und Lachs präformiren die Rippen sich knorpelig (der Knorpel ist beim Hecht viel reicher vorhanden als beim Lachs). Er er- hält bald einen knöchernen Überzug, welcher sich jedoch nicht über das distale Ende der Rippe ausdehnt. - Hier fährt die Rippe fort, sich zu verlängern, zuerst neuen Knorpel bildend, welcher nachher, wie an dem vorhergehenden Theil einen knöchernen Überzug erhält; nicht sehr selten kommt es vor (hauptsächlich in der hintersten Rippe), dass der Knochen auch das distale Ende überzieht, aber sehr bald entwickelt sich jenseits dieses Knochens neuer Knorpel, und so fährt die Rippe fort zu wachsen; nur erscheint ihr Knorpel an einem oder an mehreren Punkten unterbrochen. Von den Cyprinoiden kann man sagen, dass diese Unterbrechungen zur Regel geworden sind. Eine erste und große Strecke der Rippe entwickelt sich ohne Knorpel und dann beginnt der Knorpel, welcher an vielen Punkten von Knochen unterbrochen wird. Auf einem Querschnitt befindet sich der Knorpel fast immer in größerer Menge an dem distalen Ende als vor demselben. Bei den Teleostiern sind die Rippen selbständigen Ursprungs, wenn man nur dann von Rippen spricht, wenn sich bereits Knorpel oder Knochen gebildet hat. Beim Hecht und Lachs bleibt zwischen den Querfortsätzen und der Rippe anfänglich eine dünne Schicht von embryonalem Binde- gewebe, welche sich beim Hecht in seinem centralen Theil rasch in Knorpel verwandelt, so dass der Querfortsatz mit der Rippe kon- tinuirlich erscheint und man nicht zu bestimmen weiß, wo die Rippe beginnt und wo der Bogen endigt; nur das Aufhören des knöchernen Überzugs, welcher schon früh die Rippe umhüllt, giebt die Grenze an. Jene Verbindung entwickelt sich auch beim Lachs, nur dass hier der Knorpel, welcher die Verbindung ausmacht, verhältnismäßig immer sehr wenig intercellulare Substanz besitzt, die leicht Karmin aufnimmt; sie bleibt unverändert in Lachsen von fünf Monaten. Beiträge zur näheren Kenntnis d. Entw. d. Wirbelsäule d. Teleostier. 465 Bei den Cyprinoiden ist das embryonale Bindegewebe, welches die Rippen von dem Querfortsatze trennt, reichlicher als im Lachs und Hecht, verwandelt sich aber sehr rasch in Knorpel gleich dem des Lachses. Erst viel später geht der mit ihm kontinuirliche Knorpel des Bogens verloren, der Verbindungsknorpel bleibt mit diesem zu- sammen und konservirt sich für lange Zeit. Die hinteren Rippen verdienen besondere Betrachtung. Auch den sich durch Querbrücken verbindenden Bogen können Rippen kor- respondiren. Die Rippen dieser Bogen, und nicht selten auch einige der vorhergehenden, welche sich nicht durch Brücken verbinden (in allen untersuchten Familien), treten nicht durch Knorpel mit den Bogen in Verbindung, sondern es entwickelt sich zwischen der Rippe und dem Bogen fibröses Gewebe. Eben so wie die letzten Querfort- sätze, so zeigen auch die letzten Rippen häufig individuelle Varia- tionen und speeifische Verschiedenheiten. Nicht selten bleiben einige der hinteren Rippen rudimentär. Bogen, welche in einigen Individuen Rippen tragen, können in an- deren derselben entbehren. Einerseits kann es ein Querfortsatz mit einer großen Rippe, andererseits nur ein etwas größerer Querfortsatz sein. Bei den Cyprinoiden entwickeln sich die letzten rippentragenden Querfortsiitze bald ganz knöchern, bald bilden sich theilweise knorpe- lige Querfortsätze, welche keine Rippen tragen. Die letzten kippen können in verschiedene (2—3) kurze Stücke aufgelöst sein. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen begünstigen die auf die vergleichende Anatomie begründete Annahme, dass die unteren Schwanzbogen der Teleostier den Querfortsiitzen des Rumpfes ho- molog sind. Ich betone hier, dass ich eine Periode angetroffen, in welcher die Rippen noch nicht entwickelt, wohl aber die Querfort- sätze so wie die unteren Bogen schon zu finden waren. In dieser Periode scheint es klar, dass die unteren Bogen den Querfortsätzen homolog sind. Die Zweifel gegen diese Auffassung werden durch folgende Thatsachen gehoben: 1) Die Rippen entwickeln sich in einem gewissen Sinn unab- hängig von den Bogen. 2) In den hinteren Rippen ist diese Unabhängigkeit größer und bleibt permanent. 3) Die Entwieklung der Rippen findet von vorn nach hinten Statt. 4) Die Rippen neigen, im Gegensatz zu den Querfortsätzen, am hinteren Theil des Rumpfes zur Rückbildung, wo die Leibeshöhle Morpholog. Jahrbuch. 8. 31 466 B. Grassi sich redueirt, nähern sie sich ein wenig unter einander und setzen sich zwischen den Septa intermuscularia ventralia fort. 5) Untere, durch Dornfortsätze oder durch Brücken verbundene Bogen, in welchen man Spuren von einer Gliederung in zwei Stücke (Rippe und Querfortsatz andeutend) bemerken könnte, sind in keiner Epoche zu finden. C. Fleischgräten. Diese Gräten entwickeln sich viel später als die Rippen, ohne sich knorpelig zu präformiren!. Diejenigen, welche in erwachsenen Individuen mit den Wirbelbogen kontinuirlich sind (vordere Schief- rückengräten des Hechtes) entwickeln sich zu gleicher Zeit kontinuir- lich mit dem Knochengewebe, welches den Knorpel umhüllt. In allen anderen Fällen ist die Verbindung mit der Wirbelsäule nur durch Sehnen hergestellt. D. Vergleichungen. Suchen wir die vorgeführten Befunde mit denen anderer Fisch- klassen zusammenzuhalten. Die Knochenfische haben im Allgemei- nen eine viel kleinere Anzahl von Wirbeln als die anderen Fische; es scheint vernünftig zu vermuthen, dass sie auch in den Vorfahren der Teleostier sehr zahlreich waren. Da nun die Bogen und die Wirbelkörper (mit Ausnahme der letzten schon für die Schwanzflosse modifieirten, welche sehr früh erscheinen) sich von vorn nach hinten entwickeln, kann man vielleicht annehmen, dass der Verlust der Wirbel sich etwa in der mittleren Schwanzregion, d. h. da, wo die Wirbel sich zuletzt entwickeln, ereignet hat (diese Wirbel sind auch beim Hecht die ärmsten an Knorpel). Dieser Process wird nun mit aller Wahrscheinlichkeit darin zu suchen sein, dass Wirbel des Rumpfes allmählich zu solchen des Schwanzes wurden. Es ist mög- lich, dass dieser Process noch nicht ganz zum Abschluss gekommen ist. Die häufigen Abnormitäten der kritischen Region des Rumpfes deuten dieses wohl an. Diese Betrachtung ermahnt bei der Vergleichung eines Knochen- fischbogens mit dem Bogen irgend eines anderen Fisches zu großer Vorsicht. Denn es ist klar, dass z. B. die kritische Region des Rumpfes eines Störs derjenigen eines Teleostier ähnlich sehen kann, 1 So auch im Barsch; dessen Rippen sich wie diejenigen der Cyprinoiden entwickeln. Beiträge zur näheren Kenntnis d. Entw. d. Wirbelsäule d. Teleostier. 467 obgleich sie in Wirklichkeit sehr verschieden ist, was uns übrigens schon die nicht sehr nahe Verwandtschaft der Teleostier und Störe eingiebt. Fundamental jedoch stimmen die Teleostier mit anderen Fischen überein: so befinden sich ursprünglich in allen Fischen vier knorpelige Bogen, zwei obere und zwei untere. Die Vergleichung der einzelnen Theile der Wirbelsäule unter den verschiedenen Klassen ist um so sicherer, je früher die Ent- wicklungsstadien sind, welche zum Vergleichungsobjekte dienen. Die oberen Bogen der Selachierembryonen (von schlanker, ey- linderartiger Gestalt wie in den Teleostiern) erstrecken sich wie bei den Embryonen des Hechtes und des Lachses am Rumpfe beinah bis zu dem Niveau des Ligamentum vertebrale superius. Die Flossen- träger der Selachier sind vergleichbar mit jenen der Teleostier (in oben bezeichneter Region). Das Ligamentum vertebrale superius scheint unzweifelhaft homolog. Aber es giebt andere Theile, für welche die Vergleichung nicht gut Stand hält. Die Intercalaria neuralia der Se- lachier nehmen nicht die nämliche Stelle ein wie die Stücke, die wir am Rumpfe des Hechtes und Lachses beschrieben haben und ent- wickeln sich viel früher als jene. Somit sind die Interealaria neu- ralia der Selachier nicht mit diesen Stücken ohne Weiteres vergleich- bar. So wie jedoch die Intercalaria neuralia und spinalia mithelfen die obere Hälfte des Rückenmarks zu umhüllen und so zu sagen dem Ligamentum vertebrale ein Bett zu bilden, haben sie eine un- leugbare Ähnlichkeit mit den Stücken der Teleostier. Wir wollen aber nicht vergessen, dass schon im Embryo der Selachier die knor- pelige Umhüllung des Spinal-Kanals viel vollständiger ist als bei den Teleostiern. Der Stir hat, was die oberen Bogen anbetrifft, mit den Teleostiern beinah dieselben Ähnlichkeiten und Unähnlich- keiten wie die Selachier. Diejenigen der Knochenganoiden nähern sich durch die geringe Verbreitung des Knorpel- und die große des Knochengewebes sehr den Teleostiern. Einige V erschiedenheiten der oberen Bogen in diesen beiden Klassen können erklärt werden durch die Vermuthung einer von den Ganoiden ausgehenden progressiven Riickbildung des Knorpels bis zu den bei den Teleostiern bestehen- den Verhältnissen. Die Stücke, welche sich auf dem Rückenmark und unter dem Ligamentum befinden, wiederholen sich bei den Knochenganoiden. Wir schließen diese Vergleichung der oberen Bogen, indem wir die Frage aufwerfen, ob die frühere Entwicklung der oberen Bogen als die der unteren in Verbindung mit der Thatsache ist, dass in 31* 468 B. Grassi den Cyclostomen die unteren Bogen rudimentär und in einer Art auf den Schwanz beschränkt sind ? Bei den unteren Bogen sind die Divergenzen noch größer, als bei den oberen. Einige dieser Divergenzen sind vollständig klar; so z. B., dass die unteren Bogen am Schwanze der Teleostier nicht mit denjenigen der Knochenganoiden homolog sind, während es die Querfortsätze und die Rippen am Rumpfe sind. Ob die Rippen der Selachier und der Störe mit denjenigen der Teleostier homolog sind, ist gleichfalls eine Frage. Die Beziehun- gen, welche die Rippen der Selachier während ihrer Entwicklung zu den Querfortsätzen zeigen (wenn wir einige summarische Bemer- kungen über die Selachier von BALFOUR acceptiren), sind denjenigen der Teleostier, mit Ausnahme der letzten Rippen, welche sich bei den Selachiern wie die vorderen entwickeln, sehr ähnlich. Es bleibt aber immer noch die Verschiedenheit der Lage, die indessen nicht so fundamental ist, wie es dem ersten Blicke sich darstellt. In allen Fällen sind die Rippen in intermuskulärer Lage anzutreffen, und proximal sind die der Selachier: wie jene der Teleostier auch in gleicher Beziehung zur Leibeshöhle. Nur distal tritt eine Differenz hervor, indem sie hier bei den Selachiern höher im Zwischenmuskel- bande emportreten und damit von der Leibeshöhle sich entfernen. Die Rippen der jungen Störe zeigen dieselben Beziehungen mit der Leibeshöhle, wie die der Teleostier. GOTTE glaubt, dass diejenigen Seitengräten, die sich durch den ganzen Körper hindurch mit den Querfortsätzen verbinden, den Rippen der Selachier homolog sind. Durch diese Meinung lässt er eine wesentliche Verschiedenheit zwischen den erwähnten Seitengräten und jenen entstehen, deren Verbindung mit der Wirbelsäule veränder- lich ist je nach der Region des Körpers. Außerdem haben nach Gérre nur wenige aberrante Teleostier Rippen. Die Entwieklungs- geschichte der Rippen und der Seitengräten widerlegt diese eigen- thümliche Meinung, zumal die Beobachtungen GöTTE's an Mon- acanthus nicht als beweiskräftig gelten können. III. Wirbelkörper. Die Wirbelkörper bilden sich erst sehr spät aus dem Binde- gewebe, welches die Chorda umgiebt und ohne sich knorpelig zu präformiren. Der Doppelkegel erscheint zuerst und in direkter Ver- bindung mit ihm auf seiner äußersten Oberfläche, zwischen der Bogen- basis, besonders am Mitteltheil des Wirbels, entstehen bald Knochen- Beiträge zur näheren Kenntnis d. Entw. d. Wirbelsäule d. Teleostier. 469 leisten (komplicirte im Hecht, einfache und symmetrische in den Cyprinoiden). In der kritischen Rumpfregion einiger Exemplare des Hechtes fand ich Knorpel inmitten des Knochens des Doppelkegels; zusammen mit diesem kommen auch in der Ordnung der Bogen Anomalien vor. Nun fragt es sich, ob diese Anomalien von der ersten Bildung her- rühren oder ob sie Folgen eines Bruches sind, der mit Knorpel re- parirt wurde. Es ist bekannt und auch natürlich, dass in dieser Region Brüche sehr häufig vorkommen. Man muss, aber nicht ver- gessen, dass in Plectognathen und in einigen Acanthopteren alle Wirbelkörper aus Knochenlamellen bestehen, zwischen denen sich sekundär Knorpel bildet. Die Bogen, welche sich ohne Knorpel entwickeln, sind schon bei ihrem ersten Erscheinen mit dem Wirbel- körper verbunden; in den Bogen, in welchen sich wenig Knorpel entwickelt. geschieht diese Verbindung später, dagegen nie in den- jenigen, welche reich an Knorpel erscheinen. Das letzte scheint der primitive Zustand zu sein. Wenn der Bogen getrennt vom Wirbel- körper bleibt, kann er sich früh in zwei mehr oder weniger vollstän- dige Stücke scheiden durch die Ebene, in welcher der Knochen des Bogens aufgehört und der des Wirbelkörpers noch nicht angefangen hat. IV. Betrachtungen über die Entwicklung des Knorpelskelets. Bei der Entwicklung der Teleostier giebt es einen Moment, in welchem die Muskulatur schon in einen dorsalen und ventralen Theil und in Myocommata geschieden ist und sich nur die Chorda findet, so dass dieser Muskulatur die Stütze des Skeletes fehlt. Auf dem Niveau der Ligamenta intermuscularia bemerkt man um die Chorda zwei obere und zwei untere Zwischenräume, welche von embryo- nalem Gewebe ausgefüllt sind. Inmitten dieser Zwischenräume ent- wickelt sich der Knorpel der Bogen; er beginnt mit sehr wenigen Zellen und mit sehr geringer Intercellularsubstanz. Es liegt auf der Hand, dass dieser Knorpel, bevor er sich vermehrt hat, nicht im Stande ist, als Schutz oder als Muskelbefestigung zu dienen; mit anderen Worten, er kann noch nicht, wie es später der Fall ist, funktioniren, die erste Anlage hat noch keinen Skeletwerth. Wenn wir denken, dass ein soleher Zustand auch phylogene- tisch wiederholt worden sein muss, gelangen wir zu folgendem Di- lemma: entweder fängt dies Skelet zufällig und ohne Funktion an, oder es hat einmal eine andere Funktion gehabt. Mir scheint nur die zweite Hypothese annehmbar. GEGENBAUR hat schon ge- 470 B. Grassi zeigt, dass in der Entwicklungsgeschichte der Organe ein Funktions- wechsel eines der Prineipien ist, welches sich sehr häufig in der Geschichte der Organe erkennen lässt. Welch’ andere Funktion kann die Skeletanlage gehabt haben? Während des Wachsthums des Organismus vergrößern sich allmählich die vier Zwischenräume; die sie ausfüllenden Zellen müssen sich, wenn keine Lücke entstehen soll, entweder vermehren oder vergrößern, oder Intercellularsubstanz ausscheiden. Dies Letztere ist der Fall. Darin drückt sich eine Arbeitsersparnis aus, von welcher wir im Bau der Thiere viele Bei- spiele finden. Nach dieser Meinung beschränkt sich die Funktion der vier Bogen bei ihrem ersten Erscheinen auf die bloße Ausfüllung der Lücken, welche durch benachbarte Organe, Chorda dorsalis, Muskel- platten, große Körperarterie und Rückenmark bedingt sind. Diese Erklärung zeigt uns noch nicht, wesshalb sich Knorpel anstatt eines anderen ökonomischen Gewebes entwickelt hat. Folgende Betrach- tung vermag vielleicht ein wenig Licht in diese Frage zu bringen. Wir schließen nicht aus, dass bei einem Theile der hypothetischen Wirbelthierformen ohne Muskelskelet sich irgend ein anderes Ge- webe, z. B. Fettgewebe, gebildet hat. \ Es ist aber natürlich, dass diejenigen Formen, in welchen sich Knorpel entwickelte, in einer gewissen Zeit (d. h., nachdem der Knorpel an Umfang zugenommen hatte, so dass er den Muskeln Befestigungsstellen bieten konnte) im Kampf ums Dasein einen großen Vortheil vor jenen anderen er-_ langten. Selbstverständlich handelt es sich hier um einen äußerst langsam vorschreitenden Process, den man wohl von einer einzigen Zelle, oder doch von wenigen derselben seinen Anfang nehmend sich vorstellen darf. Diese repräsentiren das Vorläuferstadium des Skeletes. Wir wagen diese Vermuthungen, weil wir sie von vielen Thatsachen unterstützt sehen, welehe man auch bei anderen Ab- theilungen der Fische bemerken kann. Die vier Bogen sind in diesen Abtheilungen überall fundamentale Gebilde. Wenn man bedenkt, wie sehr jene Klassen, in denen sie auftreten, von einander divergiren, kann man die große Bedeutung dieser Konvergenz nicht verkennen. Ein Moment, in welchem die Bogen noch gar nicht funktioniren können, weder zum Schutz noch als Muskelbefestigung, findet sich wahrscheinlich bei allen jenen Abtheilungen vor, und dieser onto- genetisch vergängliche Zustand muss nothwendig den phylogeneti- schen Ausgangspunkt des Achsenskeletes vorgestellt haben. Sobald die Funktion der Muskelbefestigung einmal zu Tage ge- Beiträge zur näheren Kenntnis d. Entw. d. Wirbelsäule d. Teleostier. 471 treten, ist auch ein Zustand entstanden, welcher eine immer bedeu- tendere Entwicklung dieses Skeletes bedingt, da nunmehr durch jene Verbindung mit der Muskulatur der Anlass zu neuer Differenzirung gegeben ist. Auch hier (wie in vielen anderen Skelettheilen) wird die Muskulatur ihrerseits Ursache einer größeren Entfaltung der Bogen geworden sein. Das intermuskulare Bindegewebe giebt den Weg an, auf welchem die Bogen sich fortsetzten, indem das Knorpelgewebe sich in jenes entfaltete. Endlich wird wie in anderen Theilen des Skeletes eine Zeit gekommen sein, in welcher die Ablösung nützlich geworden war. Durch sie erhielten wir die Flossenträger und Rippen. Wenn wir erwägen, dass von der Wirbelsäule das Kopfskelet ableitbar und von diesem die Gliedmaßen, so sieht man, auf welch’ einfache Verhältnisse ein so verwickelter Apparat wie das Wirbel- thierskelet zurückgeführt werden kann. V. Uber die Entwicklung des Knochenskelets. Es ist bekannt, dass über die Urheimat des Knochenskelets die Meinungen sehr verschieden sind. Einige behaupten einen Dualis- mus, Andere nehmen einen Monismus an. Da in dieser Beziehung die Teleostier schon viele wichtige Thatsachen geliefert, versuche ich die von mir gesammelten Beobachtungen über dieselben für die eine oder für die andere Hypothese sprechen zu lassen. Ich habe eine Mitwirkung der Membran der Chorda an der Bil- dung des knöchernen Wirbelkörpers ausgeschlossen. Diese That- sache ebnet nach meiner Meinung den Weg für diejenigen, welche sich zum Monismus neigen. Ich habe bewiesen, dass unzweifelhaft primordiale Knochen (Wirbelbogen) sich entwickeln können, ohne knorpelig präformirt zu sein. Dies bildet eine große Ausnahme von der von KÖLLIKER angegebenen Regel (1879): die Primordialknochen seien ohne Ausnahme knorpelig präformirt. Auch die folgenden Betrachtungen sind der monistischen Hypo- these günstig. 1) Es besteht zwischen den Primordialknochen des Schädels und jenen der Wirbelsäule ein Parallelismus, d. h. hier wie dort ent- stehen alle Verknöcherungen perichondral; hier wie dort kann sich Knorpel in einem Theil der Knochen des erwachsenen Zustandes er- halten, jedoch in verschiedener Masse in den verschiedenen Teleostiern!. ! Mit dieser Frage vermischt sich eine andere: Wesshalb präformiren sich 472 B. Grassi 2) Wir haben Gründe zu glauben, dass die oberen Rumpfbogen des Hechtes und Lachses sich größtentheils (die distalen, d. h. jene jenseits des Ligamentum vertebrale superius) entwickeln, ohne jemals knorpelig präformirt zu sein; diese Bogen sind daher in einer ge- wissen Weise in einem Theil Primordial- und in einem anderen Se- kundärknochen. 3) Das Knochenskelet wird für eine nicht kurze Embryonal- periode und in einem nicht unbedeutenden Umfange bei den Teleo- stiern nur durch eine zellenlose Substanz, welche vollständig dem Dentin vergleichbar, repräsentirt. Diese wenig modifieirte Substanz kann in den Erwachsenen das ganze Skelet (die Fleischgräten mit inbegriffen) bilden. Aus den Untersuchungen KOLLIKER’s an aus- gebildeten Fischen resultirt, dass die Gruppe, welche echte Knochen- zellen besitzt, die große Mehrzahl der höher organisirten Knochen- fische in sich schließt; er fügt zugleich hinzu, dass eine Analogie des inneren Skelets mit dem Hautskelet besteht, so dass kein Fisch, dessen inneres Skelet der Knochenkörperchen entbehrt, solche im Hautskelet besitzt, wogegen allerdings von den Fischen mit echtem Knochengewebe nicht alle solches auch in den Schuppen führen. Es besteht also für die erste Skeletbildung eine unbestreit- bare Gemeinsamkeit des Verhaltens. Das Dentingewebe erscheint als das Urspriingliche. Mit seiner Bildung beginnt auch das Kunochen- gewebe, welches somit als eine Modifikation des ersteren sich darstellt. Beim ersten Anblick können die folgenden Thatsachen dem Mo- nismus entgegen scheinen: 1) Die Ossifikation der Bogen im primitiven Zustand ist sehr wahrscheinlich von derjenigen des Wirbelkörpers gesondert. 2) Die Gräten sind manchmal durch einfache Sehnen repräsen- tirt; das lässt uns annehmen, dass das junge Bindegewebe ohne Zusammenhang mit Hautossifikationen verknöcherte. Diese Thatsache erwirbt besonderen Werth durch die Beziehungen, welche einige Gräten mit den Bogen zeigen. ¥ Diese beiden Einwiirfe beweisen nur, dass die Thatsachen, einige Theile der Wirbelsäule knorpelig und andere nicht? Im Ganzen führt mich Alles zu der Annahme, dass da, wo noch Knorpel erscheint, er einmal in größerer Masse vorhanden war als da, wo er bereits vollständig verschwunden, folglich hat der Knochen im Kampfe gegen den Knorpel größeren Widerstand gefunden und der Knorpel ist noch nicht gewichen. Man kann sich also vor- stellen, dass das Knorpelgewebe allmählich gegen das Knochengewebe zurück- tritt. Beiträge zur näheren Kenntnis d. Entw. d. Wirbelsäule d. Teleostier. 473 welche die Frage lösen können, in viel primitiveren Formen, als die Teleostier es sind, gesucht werden müssen!. Vordem ich diesen kurzen Abriss beendige, drängt es mich wissen zu lassen, dass ich die hier angedeuteten Untersuchungen unter der Leitung des Herrn Prof. GEGENBAUR angestellt habe, dem ich mich zu großem Dank verpflichtet fühle. Heidelberg, Juli 1882, ! Jedoch nicht in den Selachiern; das vorgebliche Knochengewebe (GÖTTE) ihrer Wirbelsäule ist überhaupt kein Knochengewebe, sondern nur modificirtes Knorpelgewebe. Über eine Hypothese bezüglich der phylogenetischen Herleitung des Blutgefälsapparates eines Theils der Metazoén. Von 0. Bütschli. In dem Kollegienheft, welches ich mir im Jahre 1878 zusammen- stellte, notirte ich mir bei der Besprechung des ontogenetischen Entwick- lungsganges des Wirbelthierherzens Folgendes: »Ein eigenthümliches Verhalten zeigt sich dabei auch bei der Bildung des Herzens, dessen Höhle sich als ein Abkömmling des, zwischen Mesoderm und Ento- derm gelegenen, spaltförmigen Hohlraumes darstellt, indem das Herz sich durch Einstülpung der Darmfaserplatte in die Parietalhöhle des mittleren Blattes bildet. Da nun diese spaltförmige Höhle als ein Rest der ursprünglichen Leibeshöhle (d. h. Furchungshöhle) zu be- trachten sein dürfte, so würde sich vielleicht dadurch, hinsichtlich der allgemeinen Bildungsweise des Gefäßsystems, die Möglichkeit er- geben, dass dasselbe ursprünglich als Rest der primitiven Leibeshöhle, nach Ausbildung der sekundären, aufgetreten sei und dieser Satz dürfte vielleicht auf sämmtliche schizocoelen bilateralen Thiere aus- zudehnen sein.« Der letzte Abschnitt dieses Passus ist, wie man leicht sieht, inkorrekt gefasst; die Bezeichnung schizocoele Thiere soll hier nicht einen Gegensatz zu den als enterocoelen neuerdings bezeichneten Formen ausdrücken, sondern vielmehr diejenigen Meta- zoén, bei welchen eine ursprüngliche, primitive Leibes- oder Fur- chungshöhle später durch die Ausbildung einer sekundären Leibes- höhle verdrängt wird. Die Vermuthung, welche ich in den wiedergegebenen Sätzen aussprach, hatte ich schon früher gefasst und zwar beim Studium der ersten Arbeiten Lupwie’s über den Bau der Echinodermen. Die _ allseitige Ausbreitung, welche nach Lupwie’s Untersuchungen die * Ub. eine Hypothese bez. d. phy]. Herleitung d. Blutgefäßapparatesd. Metazoön. 475 sog. perihämalen, die Blutgefäße umschließenden Räume im Kör- per und speciell den Leibeswandungen der Asteroideen besitzen, brachte mich auf die Vermuthung, dass diese Räume vielleicht Über- reste der ursprünglichen Leibeshöhle, d. h. des aus der Furchungs- höhle hervorgehenden Leibeshohlraumes der Larve, seien, welche bei deren Verdrängung durch die sekundäre Leibeshöhle oder das sog. Enterocoel erhalten geblieben seien. Die Hervorbildung der Blutgefäße in diesen Räumen konnte man sich als einen sekundären, erst später eingetretenen Vorgang denken, wobei jedoch sowohl die Lumina der perihämalen Räume, wie die der Blutgefäße, als Reste der ursprüng- lichen Leibeshöhle aufgefasst werden müssten !. Die neueren Funde über die Entwicklung des Herzens der Wir- belthiere bestärkten mich bis zu einem gewissen Grade in dieser Ver- muthung, was ja in den oben wiedergegebenen Sätzen seinen Aus- druck fand. Dennoch erachtete ich diese Vermuthungen für zu wenig gesichert, um sie vor weiteren Kreisen auszusprechen. In neuester Zeit erhielten wir aber durch SALENSKy Kenntnis von der Ent- wieklung der Blutgefäße bei einigen Polychaeten, welche im Hin- blick auf meine Vermuthung von hohem Interesse sind. Die Bildung der Blutgefäße verläuft hier in einer Weise, welche ganz der oben ausgesprochenen Hypothese entspricht. Sie stülpen sich von dem Darmfaserblatt in die sekundäre Leibeshöhle ein und schnüren sich schließlich ab. Diese Bestätigung der Hypothese veranlasst mich, meine schon lange gehegte Vermuthung öffentlich auszusprechen, in der Hoffnung, dass dieselbe vielleicht zu weiteren Nachforschungen Veranlassung geben dürfte. Ich halte diese Lösung des Problems der Blutgefäß- entwieklung für eine sehr ansprechende, da sie keiner eigentlichen 1 Während ich diesen Aufsatz niederschreibe finde ich beim Studium der neuesten Arbeit Lupwia’s »Entwicklungsgeschichte der Asterina gibbosa« (Zeitschr. f. wissensch. Zoologie Bd. 37), dass er auf Grund seiner entwick- lungsgeschichtlichen Untersuchungen über diesen Seestern gleichfalls zu der Ver- muthung geführt wurde: die Lumina der Blutgefäße seien Reste der primitiven Leibes- oder Furchungshöhle. Obgleich LupwiG selbst hervorhebt, dass es ihm nicht gelang, den genauen Nachweis hierfür zu erbringen, scheinen mir für diese Vermuthung doch die gewichtigsten Gründe zu sprechen, namentlich, wie später hervorzuheben, die bedeutsame Erleichterung und Natürlichkeit, welche auf dieser Basis die Vorstellung der ersten phylogenetischen Entstehung eines Blut- gefäßapparates erlangt. Ich freue mich, dass meine Spekulationen auf diesem Gebiet sich mit denen eines so sorgfältigen wie kritischen Forschers begegnen. 2 W. SALENSKY, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Anneliden. Biolog. Centralblatt II. Bd. pag. 198. 476 0. Bütschli Neubildungen, deren funktioneller Werth ja stets sehr schwer ver- ständlich ist, bedarf, sondern das herzuleitende Organsystem als den Rest eines früheren Körperbestandtheiles auffasst, dessen funktioneller Werth schon ein ähnlicher war. Es lässt sich leicht verstehen, dass sich das neu entstandene Organsystem nach Bedürfnis weiter ent- wickelte und differenzirte, kontraktile Abschnitte zur Bewegung der Blutflüssigkeit ausbildete und wie von ihm aus Gefäßausbreitungen in - entlegenere Bezirke neugebildet werden konnten. Ich bin leider jetzt nicht in der Lage, diesen Gedanken auf Grund unsrer heutigen thatsächlichen Erfahrungen so weit zu ver- folgen, als ich gern möchte, da ich {mit dringenden anderweitigen Arbeiten zu sehr beschäftigt bin. Ich begnüge mich daher, auf einige weitere Erfahrungen hinzuweisen, welche in gewissem Grade für die vorgetragene Hypothese sprechen. Schon oben habe ich die Herz- bildung der Wirbelthiere in diesem Sinne angeführt. Doch sind nicht alle Zweifel bezüglich dieser Vorgänge gehoben. Es bildet sich das Herz, nach den übereinstimmenden Angaben der Beobachter, zwar wesentlich durch eine Einstülpung des Darmfaserblattes in die Leibes- höhle, doch wird das eigentliche Herzlumen gewöhnlich nicht als eine direkte Fortsetzung der Spalte zwischen Darmfaserblatt und Entoderm betrachtet. BALFOUR! lässt es durch eine Spaltbildung in dem sich einfaltenden Darmfaserblatt entstehen; KÖLLIKER u. A.? lei- ten das Endothel des Herzens, sammt dem von ihm umschlossenen Herzlumen, von einer Einwucherung der früher gebildeten Gefäße des Fruchthofes her und diese sollen im Darmfaserblatt durch Spalten- bildung entstehen. Es dürften jedoch immerhin noch einige Zweifel darüber erlaubt sein, ob diese Ansichten über die Herzentwicklung ganz richtig sind und ob nicht doch das frühzeitig röhrenförmig ge- schlossen erscheinende Herzendothel gleichfalls der Einstülpung des Darmfaserblattes seine Entstehung verdankt und sich nur sehr zeitig vom Reste dieses Blattes, welches die muskulöse Herzwand erzeugt, löst und röhrig abschnürt. Diese Ansicht scheint mir sogar, durch die genauen Untersuchungen meines Landsmannes GAssER ® über die Herz- entwicklung der Vögel, in hohem Grade wahrscheinlich geworden zu sein. Nach seinen Erfahrungen scheint eben so die BALFour’sche Her- leitung des Herzlumens durch eine Spaltung zurückgewiesen zu sein, ' Siehe dessen »Vergleichende Embryologie«. 2 Siehe bei KöLLiker, Entwicklungsgeschichte des Menschen. 2. Aufl. 3 E. GASSER, Über die Entstehung des Herzens bei Vogelembryonen. Arch. f. mikrosk. Anatomie. Bd. 14. 1877. pag. 459. Üb.eine Hypothese bez.d. phyl. Herleitung d. Blutgefäßapparates d. Metazo@n. 477 wie anderseits die KÖLLIKER'sche Herleitung des Endothels des Her- zens und der großen Gefäßstämme von einer Einwucherung der Ge- fäße des Fruchthofes. Seine Resultate sprechen vielmehr dafür, dass dies Endothel sich als eine dünne Zellenschicht in loco zwischen Darmfaserblatt und Entoderm hervorbildet und daher auch das früh- zeitig geschlossene Endothelrohr des Herzens doch wohl nur durch eine Einfaltung dieser ursprünglich flach 'ausgebreiteten Zellschicht, eben so wie die Muskelhaut des Herzens, entsteht. Weiterhin dürfte die Entstehung dieses Endothels in loco wohl darauf hindeuten, dass es aller Wahrscheinlichkeit nach genetisch zu der Darmfaserplatte zu rechnen ist. Auch für die Gefäßbildungen im Fruchthof behauptet GASSER die Entstehung zwischen Entoderm und Darmfaserplatte, ohne jedoch den Process, der hier an ein entsprechendes Endothel an- knüpfen soll, näher zu erläutern. Bekanntlich wird die erste Entstehung von Gefäßen bei den Wirbelthieren gewöhnlich in zweierlei Weise beschrieben. Entweder sollen die Gefäße durch allmähliches Hohlwerden ursprünglich soli- der Anlagen oder durch Auftreten spaltartiger Lücken im Darmfaser- blatt entstehen. Ich glaube wohl, man darf mit ziemlicher Be- reehtigung annehmen, dass diese beiden Modi der Gefäßentstehung nicht die ursprüngliche, phylogenetische Entstehungsweise der Ge- fäße repräsentiren können, sondern, in so fern sie thatsächlich in der Ontogenese auftreten, durch sekundäre Modifikationen des ur- sprünglichen Entwicklungsganges entstanden gedacht werden müssen. Jedermann wird wohl der Ansicht beistimmen, dass die Gefäße phylogenetisch nicht zuerst als solide Anlagen aufgetreten sein kön- nen; doch auch die Theorie, welche die Gefäße durch Auftreten von Spalt- und Lückenräumen im Mesoderm erklärt, hat ihre Bedenklich- keiten. Solche Spalt- und Lückenräume muss man sich doch zuerst als ein ‚System unter einander nicht, oder doch nur unvollständig, zusammenhängender Bluträume vorstellen, so dass in einem in dieser Weise hervorgebildeten primitiven Gefäßapparat, die physiologisch wichtigste Bedeutung des Apparates nieht zur Ausführung gelangen konnte, nämlich der Umtrieb der Blutflüssigkeit im Körper. Anders jedoch, wenn wir uns die Entstehung des Gefäßapparats nach der früher aufgestellten Hypothese zu erklären versuchen. Nach dieser ist gerade das Lumen der Gefäße das primitive; die Gefäße nehmen ihren Ursprung durch Sonderung eines ursprünglich einheit- lichen Hohlraumes in zahlreiche untergeordnete Gefäßräume. Letz- terer Umstand bedingt jedoch auch, dass unsere Hypothese den Blut- 478 O. Biitschli gefäßapparat als ein durchaus zusammenhängendes System entstehen sieht und daher die oben aufgestellte Bedingung erfüllt. Sehen wir jedoch weiter, ob man noch anderwärts bei den Me- tazoén eine unserer Hypothese entsprechende Entstehung des Gefäß- apparates wahrscheinlich machen kann. Bei den Arthropoden lässt sich dies, meiner Ansicht nach, bis zu gewissem Grade bewerk- stelligen. Was wir von der Entstehung des Gefäßapparates der Arthropoden wissen, ist zwar im Allgemeinen sehr geringfügig, doch glaube ich zunächst meine eigenen Beobachtungen über die Entwick- lung des Rückengefäßes oder Herzens der Insekten (speciell der Biene) für unsere Hypothese heranziehen zu dürfen!. Nach meinen Er- fahrungen bildet sich das Herz in der Weise, dass ziemlich früh- zeitig, schon bevor die dorsale Region des Dotters durch Meso- und Ektoderm überwachsen ist, zu beiden Seiten der späteren Rücken- linie des Embryo je ein schmaler, dieser Rückenlinie parallel lau- fender Gewebsstreif auftritt, welcher aus kleinen Embryonalzellen zusammengesetzt ist. Ich bemerkte seiner Zeit, dass dieser Gewebs- streif eigentlich die dorsalen Ränder der embryonalen Leibeswandung bilde. Nach unseren seither verbesserten Erfahrungen über die In- sektenentwicklung kann ich diese Gewebsstreifen für nichts Anderes halten, wie für die freien dorsalen Ränder der jederseits auf den Seiten des Embryo gegen die Rückenlinie hinaufwachsenden Meso- dermstreifen, in welch letzteren die Spaltung in Haut- und Darm- faserblatt sich noch auf die ventrale Region beschränkt. Aus diesen beiden Gewebsstreifen, respektive also den freien dorsalen Rändern der beiden Mesodermstreifen, bildet sich nun das Herz in der Weise, dass sie sich in der Mittellinie des Rückens mehr und mehr nähern und schließlich zu einem Rohr verwachsen, dem Herzen. Diese Ver- wachsung geschieht jedoch ohne Zweifel so, dass das Lumen des Herzrohrs nicht eine Neubildung ist, sondern der Theil der primi- tiven Leibes- resp. Furchungshöhle, welcher sich als eine spalt- artige, longitudinale Lücke zwischen den beiden dicht genäherten Mesodermstreifen in der Rückenlinie des Embryo hinzog. Dass dem so ist, ergiebt sich wohl unzweifelhaft aus der Beobachtung, dass sich in jenem Theil der primitiven Leibeshöhle eine Menge eigenthümlicher, großer körniger Zellen findet, welche nach Aus- bildung des Herzrohres dessen Lumen in Masse anfüllen. Dies 1 0. BürscHuı, Zur Entwicklungsgeschichte der Biene. Zeitschr. f. w. Zoo- logie Bd. 20, pag. 519, 1870, Ub. eine Hypothese bez. d. phyl. Herleitung d. Blutgefäßapparates d. Metazoén. 479 aber ist nur so erklärlich, dass eben die sich nähernden Meso- dermränder, welche an der Rückenlinie des Embryo zur Bildung des Herzens zusammentreten, einen großen Theil dieser Zellen und damit natürlich auch den Raum der primitiven Leibeshöhle, in welcher sie liegen, umwachsen. Mir scheint daher diese Beobach- tung über die Herzentwicklung der Biene mit ziemlicher Sicherheit darauf hinzuweisen, dass das Herz auch hier ursprünglich aus einem longitudinalen Lückenraum zwischen den sehr genäherten dorsalen Rändern der beiden Mesodermstreifen, dem Ekto- und Entoderm her- vorgeht, der später besondere Wandungen von Seiten des Meso- derms, vielleicht auch hier unter vorzugsweiser Betheiligung des Darmfasertheils desselben, erhält. Überhaupt bedarf der specielle Vorgang des Zusammentritts der Mesodermstreifen und der Bildung des Herzrohrs noch genauerer Feststellung. Sehr bezeichnend ist jedoch die reichliche Aufnahme der besprochenen körnigen Zellen der primitiven Leibeshöhle, welche sich meiner Ansicht nach nur dadurch erklären lässt, dass ein Rest der letzteren als Herzlumen er- halten bleibt. Es wäre möglich, dass sich auch die Angaben Donrn’s über die Entwicklung des Herzens bei Gryllotalpa für unsere Hypothese gün- stig erweisen könnten, da auch er namentlich die Aufnahme zahl- reicher solcher körnigen Zellen in das sich entwickelnde Herz betont, jedoch bin ich leider nicht im Stande mir nach der ohne Abbildun- gen veröffentlichten Beschreibung Donrn’s ein einigermaßen klares Bild der bei Gryllotalpa statthabenden Entwicklungsvorgänge des Herzens zu machen '. Mit der Herzentwicklung der Biene scheint jedoch die der Myrio- poden (Geophilus), wie sie uns METSCHNIKOFF? schildert, principiell ganz übereinzustimmen. Hier findet sich nur die Differenz, dass die beiden Mesodermstreifen, bevor sie mit ihren der dorsalen Mittellinie zugekehrten Rändern zur Bildung des Herzens zusammentreten, schon in ihrer Totalität in einzelne Somiten (Urwirbelkörper METSCHNIKOFF's) zerfallen sind. Das Herz bildet sich also hier durch Gegeneinander- und schließliches Zusammenwachsen der dorsalen Ränder der Meso- ' A. Donrn, Notizen zur Kenntnis der Insektenentwicklung. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie Bd. 26, pag. 112. Donrn macht in dieser Schrift die ganz irrthümliche Angabe, dass ich das Herz der Biene aus jenen erwähnten kör- nigen Zellen hervorgehen lasse, wovon sich bei mir durchaus nichts findet. 2 E. METSCHNIKOFF, Embryologisches über Geophilus. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie Bd. 25, 1875, pag. 313. 480 O. Bütschli dermsomiten, welche Ränder mit besonders verdickten Wandungen versehen sind. Ohne Zweifel entsprechen diese verdickten Ränder dem verdiekten Gewebsstreif am dorsalen Rande der beiden Meso- dermstreifen der Biene, welcher noch nicht segmentirt ist. Vielleicht ist die Differenz nur eine scheinbare, da es ja leicht möglich ist, dass auch bei der Biene die Segmentirung der Mesodermstreifen, schon kurz vor dem dorsalen Schluss zur Ausbildung des Herzens, eine vollständige geworden ist und mir ein solches Stadium nur nicht zu Gesicht kam. METSCHNIKOFF giebt weiter an, dass das in der ge- schilderten Weise, durch seitliche Verwachsung gebildete Herz all- mählich zu einem ganz soliden Strang werde, das Herzlumen also erst später, in nicht näher ermittelter Weise, auftrete. Wenn diese Angabe ganz richtig ist, was ich bezweifeln möchte, so dürfte meiner Auffassung nach daraus zu folgern sein, dass die Herzentwicklung bei Geophilus nicht mehr das ursprünglichste Verhalten zeigt, son- dern etwas modifieirt ist. Zugleich würde dieser Fall eine Vermitt- lung zu denjenigen bilden, in welchen, durch noch weitergehende Um- bildung des ursprünglichen Entwicklungsprocesses, das Herz als ein einheitlicher solider Zellstrang entsteht, in welchem ein Lumen erst später auftritt. Dass derartige Fälle unter den Artlıropoden zu finden sind, ist nicht unwahrscheinlich und ein soleher möchte nach BArL- Four's Mittheilungen vielleicht bei den Araneinen vorkommen, wor- über weiter unten noch Einiges mitzutheilen sein wird. Es ist gewiss von großem Interesse, dass wir auch von einer Crustacee eine mit den eben geschilderten ganz übereinstimmende Herzentwieklung kennen gelernt haben. Ich meine nämlich die Bil- dungsgeschichte des Herzens bei Branchipus, welche CLAus in seiner interessanten Arbeit über die Entwicklung von Branchipus und Apus beschrieben hat!. Diese Übereinstimmung der Herzentwicklung bei drei Abtheilungen der Arthropoden ist um so bedeutsamer, als sie von drei verschiedenen Beobachtern selbständig aufgefunden wurde. Weder METSCHNIKOFF noch CLAus waren sich bewusst, dass ich schon vor ihnen eine prineipiell entsprechende Entwicklung des Herzens bei der Biene geschildert hatte, eben so wie METSCHNIKOFF in seiner Arbeit der zwei Jahre früher erschienenen von CLAus nicht gedenkt. Aus den Beobachtungen des letzterwähnten Forschers an Branchipus 1 C.Craus, Zur Kenntnis des Baues und der Entwicklung von Branchipus stagnalis und Apus eaneriformis. Abhandl. d. K. Gesellsch. d. Wissensch. zu Göttingen. Bd. 18, 1873, pag. 93. Ub. eine Hypothese bez. d. phyl. Herleitung d. Blutgefäßapparates d. Metazo@n. 481 brauche ich, nachdem schon die Besprechung der Herzentwicklung bei der Biene und Geophilus vorausgegangen ist, nicht viel her- vorzuheben. Das Studium von Branchipus ist jedenfalls sehr belehrend, weil hier, mit der fortdauernden Erzeugung neuer Segmente am Hinter- ende, auch das Analende des Herzens durch Entwicklung neuer Kammern weiter wächst, wobei die Bildungsgeschichte dieser Kam- mern wohl verhältnismäßig leicht zur Anschauung zu bringen sein dürfte. Aus Craus’ Darstellung geht nun mit Sicherheit hervor, dass die Entwicklung der neuen Herzkammern ganz die bei Geophilus und schließlich auch der Biene gefundene ist. Auch hier »sind die bei- den seitlichen Hälften der Kammeranlage nichts als die dorsalen Randwülste des Keimstreifens, welche kontinuirlich am zweiten Blatte zur Abgliederung gelangen«. Schon wenn diese Randwülste der Keim- streifen auf dem Rücken noch weit von einander getrennt sind, greift die segmentale Gliederung auf sie über. Es findet sich also in dieser Hinsicht ein Verhalten ähnlich dem von Geophilus. Die weitere Ent- wicklung des Herzens geschieht einfach in der Weise, dass diese Randwülste der Keimstreifen in der dorsalen Mittellinie dicht zusam- menrücken und schließlich zu dem Herzrohr verwachsen, wobei aus jedem Segmentabschnitt der Randwülste ein Kammerabschnitt her- vorgeht. Da Craus den Moment der Verwachsung nicht direkt und in allen seinen Phasen verfolgen konnte, so lässt er es zweifel- haft, ob dabei sofort ein mit Lumen versehenes Herzrohr oder vor- übergehend ein solider Herzstrang gebildet werde, der sich nach- träglich wieder aushöhle. Ich glaube jedoch, dass Manches für eine von Anfang an röhrenförmige Anlage der sich successive bildenden hinteren Herzkammern spricht. Einmal der Umstand, dass CLaus eine solide Herzkammer nie beobachtete, weiterhin jedoch auch die Erscheinung, dass der wohlausgebildete vordere Theil des Herzens schon während der fortdauernden Entwicklung neuer Herzkammern lebhaft pulsirt, was es unwahrscheinlich machen dürfte, dass an dem in voller Thätigkeit begriffenen Herzen abwechselnd ein Verschluss und eine Wiedereröffnung des hinteren Herzendes eintrete. Sollte jedoch wider Erwarten ein vorübergehendes solides Stadium in die Entwicklung der Herzkammern eingeschoben sein, so dürfen wir dasselbe wohl eben so als eine sekundäre Modifikation des ursprüng- lichen Entwicklungsganges betrachten, wie dies schon bei Geophilus betont wurde. Morpholog. Jahrbuch. 8. 32 482 0. Biitschli, Über eine Hypothese ete. Bekanntlich hat BALrour! für die Araneinen eine Darstellung der Entstehung des Herzens gegeben, nach welcher sich dieses Organ ursprünglich als ein solider Zellenstrang aus dem nicht in Darm- und Hautfaserplatte gesonderten Mesoblast der Rückenlinie differenzire. Erst nachträglich soll die Herzanlage sich aushöhlen, indem ihre inneren Zellen zu Blutkörperchen, die äußeren dagegen zu der Herzwand werden. Die Richtigkeit dieser Darstellung vorausgesetzt, kann ich diesen Entwicklungsgang aus schon früher betonten Gründen nicht als einen ursprünglichen erachten, da ich eben eine solide Herz- anlage einstweilen für phylogenetisch im höchsten Grade unwahr- scheinlich halte. Hiermit habe ich dasjenige, was ich augenblicklich zu Gunsten meiner Hypothese beizubringen im Stande bin, aufgeführt. Ich ver- kenne nicht, dass es nur wenig ist; vielleicht lässt sich bei ein- gehenderer Durchsicht der Litteratur noch Einiges ihr Günstige fin- den. Sollte sich die Hypothese für einige Metazoéngruppen sichern lassen, so glaube ich, dass sie wohl für den Blutgefäßapparat der meisten, wenn nicht aller, Gültigkeit erlangen dürfte. Zunächst ist sie jedoch nur Hypothese, welche vielleicht einige Anregung zur Aufklärung der Frage nach der Herkunft des Blutgefäßapparats geben dürfte. Heidelberg, den 30. September 1882. 1 F.M. BALFoUR, Notes on the development of the Araneina. Quarterly Journ. of microscop. se. N. S. Vol. XX. BALroURr hat in seiner »Vergleichen- den Embryologie« gewiss mit Unrecht dem Modus der Herzentwicklung, wie wir ihn soeben bei verschiedenen Arthropoden geschildert haben, sehr wenig Be- deutung beigelegt. Er erwähnt zwar die Angaben von CLAUS und METSCHNIKOFF kurz, gedenkt dagegen der meinigen über die Biene, welche ja die ältesten sind, nicht. Seine ganze Darstellung dieser Befunde zeigt jedoch, dass er sie mehr als etwas Absonderliches, denn als etwas phylogenetisch Bedeutungsvolles betrachtet, worauf doch ihre Verbreitung bei,Insekten, Myriopoden und Crusta- ceen wohl hindeuten dürfte. 2 Nur darauf hinweisen möchte ich an dieser Stelle noch, dass unsere Hypo- these vielleicht auch zur Erklärung einer Anzahl bis jetzt wenig verständlicher vergleichend-anatomischer Thatsachen beizutragen im Stande sein dürfte. Ich meine nämlich die bei den Echinodermen und Anneliden auftretende Erschei- nung, dass gewisse Organe im Innern der Blutgefäße oder ansehnlicher Blut- räume eingeschlossen sind. Bekanntlich liegen die Geschlechtsorgane der Crinoi- deen und Seesterne im Innern von Bluträumen und dasselbe gilt wohl für die Echinodermen überhaupt. Bei Hirudineen wie Polychaeten soll der Darm zu- weilen streckenweis von einem Blutsinus völlig umschlossen werden und andrer- seits ist bekanntlich das Bauchmark der Blutigel in das Bauchgefäß eingelagert. Immerhin erscheinen mir diese anatomischen Thatsachen, speciell die aus dem Kreis der Anneliden, noch nicht genügend aufgehellt, namentlich in ihrem onto- genetischen Entstehen noch zu unsicher, um eine direkte Stütze unserer Hypo- these bilden zu können. Kleinere Mittheilungen. Anzeigen und Besprechungen. Arby, Cur., Der Bronchialbaum der Säugethiere und des Menschen nebst Bemerkungen über den Bronchialbaum der Vögel und Reptilien. Mit 6 lithographischen, 4 Lichtdrucktafeln und 9 Holzschnitten. gr. 8. Leipzig 1880. (98 8.) Es ist eine seit längerer Zeit im Schwange befindliche Meinung, dass im Gebiete der Anthropotomie keine bedeutendere Entdeckung mehr möglich sei und dass das Material jener Diseiplin, so weit es nicht durch die mikroskopische Technik eruirt wird, bereits so gut wie codifieirt angesehen werden müsse. »Höhere und niedere«, »gröbere und feinere Anatomie«, sind Begriffe, die sich auf jene Meinung begründeten und in dem Grade als man wenigstens in früherer Zeit auch die anatomische Wissenschaft als Lehrfach danach zu scheiden ver- suchte, nicht wenig zur Verwirrung dessen, was man überhaupt unter Anatomie sich vorzustellen habe, beitrugen. Wie sehr aber jene Meinung eine irrige ist, dafür liefert wiederum einen Beweis die oben benannte Schrift, welche die bis dahin ziemlich allgemein für abgeschlossen erachtete Kenntnis eines Organs, des Bronchialbaums, nicht nur einer neuen und in jeder Hinsicht sorgfältigen Untersuchung unterzieht, sondern auch in den Ergebnissen derselben eine von der früheren völlig verschiedene Auffassungsweise jenes Gebildes begründet. Wir müssen in dieser Schrift die thatsächlichen Nachweise, welche den umfänglichsten Antheil am Ganzen haben, von den Folgerungen sondern, zu denen der Verfasser geleitet wird. Von den ersteren heben wir vor Allem den Satz hervor, dass der Bronchialbaum keine dichotomische Verzweigung besitzt, sondern je durch einen Stammbronchus dargestellt wird, von welchem sich Seitenbronchien in mehrfachen Reihen abzweigen. Dieses fundamentale Ver- halten wird beim Menschen wie bei Säugethieren nachgewiesen und in Uber- einstimmung mit dem bei Vögeln und Reptilien (Krokodilen und Schildkröten) Bestehenden erkannt. Wo es sich um den Anschein einer Bifurkation handelt, ist die bedeuten- dere Ausbildung eines Seitenbronchus nachweisbar gewesen. Daran knüpft sich das Verhalten zu dem arteriellen Gefäßapparat der Lungen. Es wird von der Thatsache ausgegangen, dass die Lungenarterie die Begleiterin der Bronchien ist, denen ihre Verzweigungen überall in engem Anschlusse folgen. Diese bestimmte Beziehung der Lungenarterie zu den Bronchien lässt den Arterien- stamm im Gefolge des Bronchialstammes erscheinen, die Aste des ersteren den Seitenzweigen des Bronchialstammes. Die Lage der Lungenarterie zu den. Seitenbronchien lässt letztere in eparterielle und hyparterielle sondern. Eparte- riell ist der erste beiderseits bei Bradypus, Equus, Elephas, Phoca. Auch bei Delphinus und Auchenia besteht jederseits ein eparterieller Bronchus, der jedoch rechts von der Trachea, links vom Bronchialstamm entspringt. Einen eparteriellen, gleichfalls von der Trachea ausgehenden rechtsseitigen Bronchus besitzen die Artiodactylen mit Ausnahme von Auchenia. Einen rechtsseitigen eparteriellen Bronchus, der vom Bronchialstamme entspringt, besitzt die über- wiegende Mehrzahl der Säugethiere wie auch der Mensch. Dagegen fehlen eparterielle Bronchien bei Hystrix. Den Beschreibungen dieser Befunde sind ausführliche Tabellen über Maßverhältnisse beigefügt. Sie betreffen die Diver- genz des Stammbronchus, den Neigungswinkel der Seitenbronchen zum Stamm- bronchus, die Verhältnisse des Stammbronchus bezüglich seiner Länge und Breite an den einzelnen Strecken sowohl in der rechten als der linken Lunge, ferner die Verhältnisse des eparteriellen Abschnittes der letzten zum hyparte- riellen. Eben so sind die Seitenbronchien behandelt, die Kaliberverhältnisse der Trachea, der Stamm- und der Seitenbronchien für sich wie in ihren gegen- seitigen Proportionen. Kurz, es dürfte kaum ein den Bronchialbaum betreffen- 32* 484 Kleinere Mittheilungen. der Punkt bestehen, der nicht in den genauesten Messungen und Berechnungen seine Darstellung in Zahlen gefunden hiitte. Das Verhalten des jederseitigen Lungenarterienastes zu den Bronchien, die durch ihn in eparterielle und hyparterielle sich sondern, fiihrt den Verfasser zu einer anderen Auffassung der Werthigkeit der Lungenlappen. Von seiner Voraussetzung ausgehend, giebt er die Richtigkeit der Vergleichung der beider- seitigen Lappen nur so weit zu, als sie von gleichwerthigen ep- oder hypar- teriellen Bronchien versorgt werden. Demgemi sind nur bei Hystrix die oberen Lappen einander gleichwerthig, bei allen iibrigen sind sie ungleichwerthig. Es besteht also, sagen wir, an den Lungen eine bemerkenswerthe Asymmetrie, die nur äußerlich, durch die von der Einbettung der Lungen in die Thoraxhöhle bedingte Oberflächengestaltung scheinbar überwunden wird. Diese Folgerung für die Deutung der Lungenlappen ist einleuchtend. Es fragt sich aber, ob diese Asymmetrie ein primitives Verhalten darstellt oder ob es ein in den einzelnen Abtheilungen auf verschiedene Art erworbenes ist. Die von Arpy darauf untersuchten Reptilien und Vögel bieten in dem Besitze eparte- rieller und hyparterieller Bronchien ein symmetrisches Verhältnis. Daraus so wie aus dem Vorkommen desselben Befundes in sehr weit von einander ent- fernten Formen, wie Bradypus, Equus, Elephas, Phoca, denen noch Delphinus und Auchenia beizuzählen ist, bei denen der eparterielle Bronchus rechts tracheal, links bronchial sich findet, dürfte wohl der ursprüngliche Zustand zu erschließen sein, von dem die anderen durch Reduktion sich ableiten. Diese wäre bei Hystrix am weitesten gediehen. An den ursprünglichen schlösse sich Auchenia und Delphinus an, bei denen aber der rechte eparterielle Bronchus tracheale Verbindung besitzt. Auchenia würde für die Artiodaetylen den Aus- gangspunkt bilden, indem hier der linke eparterielle Bronchus wie bei der iiberwiegenden Mehrzahl der Säugethiere verschwand. Lässt sich auch so einige Einsicht in den Zusammenhang der Erscheinungen, die doch das wissenschaftliche Endziel sein muss, gewinnen, so bleibt immer noch zu ermitteln übrig, ob die Natur wirklich jenen Weg ging. Dieses wird durch die Ontogenie zu erfahren sein. Sie kann möglicherweise die Fingerzeige bieten, indem sie Spuren von nicht sich weiter entwickelnden eparteriellen Bronchen nachweist. So entsteht eine neue Aufgabe, und das ist das Gepräge jeder bedeutenden Leistung, dass sie, wie sie immer auch das vorgesteckte Ziel erreichen mag, doch stets wieder neue Ziele erkennen lässt. SWIRSKI, G., Untersuchungen über die Entwicklung des Schultergürtels und des Skeletes der Brustflosse des Hechtes. Inauguraldissertation. 8. Dorpat. 1880. Mit 2 Tafeln. (60 8.) mm In dieser unter E. ROSENBERG'S Anleitung verfassten Schrift wird ein aus- gezeichneter Beitrag zur Morphologie des Gliedmaßenskeletes geboten, für den wir um so dankbarer sein müssen, als bis jetzt nur sehr wenig brauchbare Arbeiten über dieses Thema vorliegen. Die Gliedmaße wird von ihrer ersten Anlage, die sich äußerlich als eine Ektodermfalte zu erkennen giebt, bis in den entwickelten Zustand verfolgt. Wir heben aus den zahlreichen Detailangaben hervor, dass die Schultergürtelanlage am frühesten auftritt, aus einer einheit- lichen Gewebsmasse sich differenzirt »und in ihrer Entwicklung den anderen Theilen der Extremität, stets voraus ist«. Auch die Skelettheile der freien Gliedmaße besitzen eine gemeinsame Anlage. In der auf die Basalia folgenden Knorpelstückreihe tritt eine Reduktion und ein Schwund einiger Stücke ein, so dass die Anlage auf einen größeren Reichthum hinweist. In dem ganzen Ent- wieklungsgange finden wir keine Thatsache gegeben, welche darauf deutete, dass das Brustflossenskelet phylogenetisch aus einem Zusammentreten metamerer Skelet- theile sich ableite, wie das zuerst von THACHER angegeben ward. CG: Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. Von Dr. J. E. V. Boas Assistent am Zoologischen Museum der Universität Kopenhagen. Mit Tafel XXI—XXIV. / In der vorliegenden Arbeit habe ich es nach Vermögen ver- sucht, den Zusammenhang der größeren Malakostraken-Abtheilungen unter einander zu ermitteln, was bisher nur in sehr beschränktem Maße geschehen ist. Eben so wie bei meiner früher publieirten Dekapoden-Arbeit ging ich dabei von einer, wie ich hoffe eingehen- den, eigenen Untersuchung/des Hautskelettes, namentlich der Glied- maßen, aus, habe aber dazu noch andere Organsysteme und die Entwicklungsgeschichte, so weit solches nach der vorliegenden Lit- teratur möglich war!, in ausgedehntem Maße berücksichtigt. Aus diesem empirischen Material sind dann meine Schlüsse gezogen ?. Die Haupt-Ergebnisse meiner Arbeit sind folgende. Die Mala- kostraken sind von den Phyllopoden, unter denen die Gattung ! Nur an einzelnen Punkten, wo die Litteratur keine Aufschlüsse gab und es mir besonders wichtig war solche zu bekommen, habe ich die eigene Unter- suchung auf andere Organe ausgedehnt. 2 Es ist mir eine angenehme Pflicht an dieser Stelle den Herren Professo- ren LILLJEBORG, SARS und STEENSTRUP so wie Herrn Cand. mag. TRAUSTEDT, einen aufrichtigen Dank fiir die Bereitwilligkeit auszusprechen, womit sie mir mit Material geholfen haben. Auch dem »Carlsberg-Fond« (einer hiesigen Stiftung für die Förderung der Wissenschaften) bin ich für eine pekuniäre Subvention, wodurch mir der Abschluss der schon im Frühling 1880 angefange- nen Arbeit ermöglicht wurde, zum größten Danke verpflichtet. Morpholog. Jahrbuch. 8. 33 486 J. E. V. Boas Nebalia am nächsten mit ihnen verwandt ist, ausgegangen. Die- jenige Malakostraken-Gruppe, welche den Phyllopoden im Ganzen am nächsten steht, sind die Euphausiden, besonders die Gattung Thysanopus. Von einer Form, die mit Thysanopus verwandt war, ist die große Dekapoden-Gruppe ausgegangen; dieselbe hat übrigens selbst in ihren primitivsten Formen (den Penaeiden) ein von - dem Stammvater sehr abweichendes Gepräge angenommen, wess- halb es als verfehlt bezeichnet werden muss die Euphausiden und Dekapoden, wie es öfters geschah, in einer Ordnung zu vereinigen. Von einer Thysanopus-ähnlichen Form sind ebenfalls die Mysida- ceen (Mysiden und Lophogastriden) abzuleiten; auch diese Gruppe, die bisher mit den Euphausiden zu einer Abtheilung, den Schizopoden, vereinigt wurde, ist in der That von diesen so ver- schieden, dass eine eigene Ordnung für sie zu errichten ist; zu den Dekapoden, mit denen sie nebst den Euphausiden und Squilliden oft zusammengestellt werden, haben sie gar keine näheren Bezie- hungen. Von den beiden Unterabtheilungen der Mysidaceen dürften die Lophogastriden im Ganzen dem Ausgangspunkte am nächsten stehen. Von einer Form, welche den Mysiden nahe verwandt war, sind die Cumaceen ausgegangen. Die Hedriophthalmen (Iso- und Amphipoden) sind, was wohl den Meisten unerwartet sein wird, von Formen abzuleiten, die zwischen den Mysiden und Cu- maceen standen; sie sind also keineswegs als eine niedrig stehende, ursprüngliche Gruppe aufzufassen, haben auch nicht, wie es wohl häufig angenommen wird, zu den »Podophthalmen« nur ganz ent- fernte Beziehungen, sondern sind eben mit hoch entwickelten Po- dophthalmen ziemlich nahe verwandt. Die Iso- und Amphipoden sind übrigens unter einander so verschieden, dass ich eine Vereini- gung beider zu einer Ordnung nicht ganz glücklich finde. — Eine sehr isolirte Stellung wird von den Squillaceen eingenommen; am nächsten — wenn auch freilich sehr entfernt — sind sie mit den Euphausiden verwandt, zeigen jedoch in einzelnen Hinsichten ursprünglichere Züge als irgend eine andere Malakostraken-Gruppe, während sie übrigens im Ganzen als sehr wenig primitiv bezeichnet werden müssen. — Zur Illustration des oben Entwickelten kann der folgende Stammbaum dienen. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 487 ‚Amphipoden Isopoden /“ AV \ \ \ ‚Cumaceen / 2 uf Mysiden / / Lophogastriden \./ y Squilliden ae | Dekapoden causes ; ay Euphausiden Phyllopoden Ich schlage alsdann vor, -— und glaube dass man dadurch eine Eintheilung bekommen wird, welche den natürlichen Verhältnissen einigermaßen entspricht, — die Unterklasse der Malokostraken in die folgenden sieben Ordnungen zu theilen: Subelassis Malacostraca. Ordo I. mee a Euphausiacea. Mysidacea. Subordo 1. Lophogastrida. - 2. Mysida. Cumacea. Isopoda. Amphipoda. 33” 488 J. E. V. Boas Ordo VI. Decapoda. Subordo 1. Natantia. - 2. Reptantia. - VO. Squillacea. Wie schon oben erwähnt ging ich bei meinen Studien von einer Untersuchung der Gliedmaßen der Malokostraken aus, und ich finde es desshalb nothwendig, mit einigen Bemerkungen über die- selben zu beginnen!. Diese Bemerkungen stehen wesentlich nur in einem dienenden Verhältnis zu der folgenden Darstellung, und es ist, was ich um eventuelle Missdeutungen zu vermeiden ausdriicklich hervorhebe, keineswegs meine Absicht gewesen eine Morphologie der Malakostraken-Gliedmaßen zu liefern, wenn auch meine Darstel- lung einige Beiträge zu einer solehen enthalten dürfte. A. Einleitung: Bemerkungen über die Gliedmafsen der Malakostraken. Die für die Malakostraken-Gliedmaßen allgemein geltende No- menklatur hat die sehr wesentliche Schwäche, dass dasselbe Glied- maßenpaar innerhalb der verschiedenen Ordnungen öfters mit ver- schiedenen Namen ausgestattet ist, und was noch schlimmer ist, ! Dies erscheint um so nothwendiger als die Malakostrakengliedmaßen morphologisch sehr wenig bearbeitet sind, namentlich wenn wir von den Dekapoden absehen, über welche besonders H. MILNE EDWARDS nennenswerthe Angaben publicirt hat. Es ist eine sehr wenig ersprießliche Aufgabe, die zahlreichen Beschreibungen verschiedener Autoren — deren Arbeiten übrigens in anderen Beziehungen sehr werthvoll sein können — durchzugehen und den hervortretenden Mangel einigermaßen rationeller Vergleichung zu beobachten. Dieses gilt sogar — und nicht am wenigsten — von solchen Arbeiten, wie z. B. ScHIODTE’s »Krebsdyrenes Sugemund« (Naturhist. Tidsskrift 3. Raekke 4. und 10. Bd.), die mit nicht kleinen morphologischen Ansprüchen auftreten. Was letztere Arbeit betrifft, möchte ich besonders den sehr unglücklichen Versuch erwähnen, den der Verfasser, welcher bekanntlich Entomolog ist, gemacht hat, die Mundgliedmaßen der Isopoden und Amphipoden in das von der Insekten- Maxille bekannte Schema (cardo, stipes, malae, palpus) ohne jegliche Motivirung hineinzuzwängen; und es wird dieses Schema sowohl auf die Mandibeln wie auf die Maxillen und die Maxillarfüße übergeführt! Die Verstöße, welche der geehrte Verfasser hierbei gegen das morphologische Abc begeht, sind übrigens desshalb um so mehr zu bedauern, als seine Untersuchung von der rein empi- rischen Seite betrachtet, wenn auch keineswegs fehlerfrei, zu dem Besten ge- hört, was auf diesem Gebiete geliefert wurde. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 489 derselbe Name wird für ganz verschiedene Gliedmaßen ge- braucht: der 3. Kieferfuß eines Dekapoden entspricht z. B. dem 2. Tho- raxfuße eines Amphipoden, während andererseits der 1. Thoraxfuß eines Isopoden z. B. etwas ganz Anderes ist als der erste Thoraxfuß eines Dekapoden. Wenn man innerhalb einer einzelnen Ordnung arbei- tet, ist dieses gleichgültig; sobald man aber den Blick auf die ganze Unterklasse ausdehnt, wenn man dasselbe Gliedmaßenpaar durch mehrere Ordnungen verfolgt, so wird dieser Mangel sehr peinlich, um so mehr, als man ja eben bei den Malakostraken im Stande ist. ohne jegliche Schwierigkeit die Gliedmaßen Paar fiir’ Paar durch die ganze Gruppe hindurch zu vergleichen. In Folge dessen habe ich mich entschließen müssen, in der fol- genden Darstellung ein paar Modifikationen in die gewöhnliche No- menklatur einzuführen. Diese Änderungen berühren nur diejeni- gen Gliedmaßen, die als Kieferfüße (pedes maxillares) und als Thoraxfüße bezeichnet werden: ich fasse dieselben unter dem Namen Rumpffüße oder Kormopoden zusammen, deren bei allen Malakostraken! acht Paare vorhanden sind. Meine Gründe hierfür sind folgende: Bei der Gattung Nebalia, die unter den Phyllopoden den Malakostraken am nächsten steht (vgl. unten) und desshalb in vieler Hinsicht der Ausgangspunkt unserer Betrach- tungen wird, zerfällt der Körper sehr natürlich in drei Abschnitte, die als Kopf, Rumpf und Schwanz bezeichnet werden können. Der Kopf, der vorderste unsegmentirte Abschnitt des Körpers, trägt die Augen, Antennen, Mandibeln, die zwei Maxillenpaare und außerdem noch das Schild, und ist deutlich von dem aus acht kurzen Segmen- ten bestehenden Rumpf abgesetzt, welcher acht Gliedmaßenpaare trägt, die alle mit einander genau übereinstimmen, während sie sowohl von den vorhergehenden, so wie von den nachfolgenden bedeutend abweichen: ich nenne dieselben desshalb mit einem ge- meinsamen Namen Rumpffüße. Sie entsprechen aber denjenigen Gliedmaßen der Malakostraken, die als Kieferfüße und Thoraxfüße bezeichnet werden, welche demnach sehr natürlich mit jenem Namen benannt werden können, wodurch der oben erwähnte Übelstand be- seitigt wird. Die Gliedmaßen der Malakostraken bestehen — wenn wir von den Antennulen (vgl. unten) absehen — aus zwei Haupttheilen, ! Von den sehr vereinzelten Ausnahmen (Leucifer) abgesehen, wo einige Paare ganz abortirt sind. 490 J. E. V. Boas einem Endopodit (Stamme) und einem Exopodit, welcher immer — wenn vorhanden — vom zweiten Gliede des Endopodites ent- springt. Die Rumpffüße besitzen (ursprünglich und typisch) außer- dem noch einen Epipodit!, der vom ersten (Basal-)Gliede des Endopodites entspringt. Derselbe ist niemals an den übrigen Glied- maßen vorhanden. a. Antennulen. Die Antennulen (vordere Antennen) nehmen unter den Glied- maßen eine eigenthümliche Stellung ein. Eben so wie andere Glied- maßen sind sie zwar gewöhnlich »zweiästig«, und beim ersten An- blick sieht es recht plausibel aus, den Schaft und den Innenast als Endopodit, den Außenast als Exopodit aufzufassen, was bisher auch immer geschah?. Dabei muss aber bemerkt werden, dass der ver- meintliche Exopodit immer vom dritten Glied des Endopodites ent- springt, nicht vom zweiten, wie an allen übrigen Gliedmaßen. Man könnte sich vielleicht durch die Annahme zu helfen versuchen, dass zwei der Schaftglieder durch eine Theilung eines ursprünglichen Gliedes entstanden wären; eine solche Annahme würde aber ganz hypothetisch sein, denn wir kennen kein einziges Malakostrak, ja kein Crustacee überhaupt, das mit einem zweigliedrigen Antennulen- schaft versehen ist. Ein weit gewichtigerer Einwand gegen die Auf- fassung des Außenastes als Exopodit liegt aber darin, dass bei den niedrigeren Crustaceen, z. B. bei den Phyllopoden (Nebalia ausge- nommen) und Copepoden, die gewöhnlich, und zum Theil mit vollem Rechte, als primitiver als die Malakostraken betrachtet werden, und ! Die oben gebrauchten Benennungen sind die von H. MILNE EDWARDS für die Dekapoden eingeführten (Squelette tégument. d. Crust. décap., Annales d. Sciences natur. Zool. 3. Ser. XVI, 1851), mit der Änderung, dass ich die homologen Theile immer mit demselben Namen bezeichne, während MILNE EDWARDS, wenn von Mundgliedmaßen die Rede ist, statt Endo-, Exo- und Epipodit, Endo- Exo- und Epignath schreibt. (Der Name Endopodit findet sich übrigens nicht in der Minne Epwarps’schen Abhandlung, scheint aber nur durch ein Versehen ausgelassen zu sein; dagegen wird Endognath für den zweiten und dritten Kieferfuß der Dekapoden ganz wie Endopodit hier gebraucht.) Huxrey (The Crayfish, 1580) nennt die zwei ersten Glieder des Endopodites Protopodit, beschränkt den Namen Endopddit auf den übrigen Theil des Stammes; die siimmtlichen Glieder unseres Endopodites schließen sich jedoch gewöhnlich so eng an einander, dass eine solche Trennung ganz will- kürlich und wenig angemessen erscheint. 2 In meiner Dekapoden - Arbeit (Danske Vidensk. Selsk. Skrifter, naturv. oz math. Afdel. 6. Raekke I, pag. 32) habe ich mich jedoch schon gegen diese Annahme, aber ganz kurz, ausgesprochen. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 491 bei welchen die übrigen Gliedmaßen einen ähnlichen Bau wie die der Malakostraken besitzen, sind die Antennulen immer einfach, un- geistelt. Die Entwicklungsgeschichte zeigt uns dasselbe: bei allen echten Nauplii sind die Antennulen einfach, während die zwei an- deren Gliedmaßenpaare zweiästig sind; überhaupt werden die Anten- nulen erst spät während der Entwicklung zweiästig. Demnach scheint es festzustehen, dass die Antennulen eben so ursprünglich einfach, als die übrigen Gliedmaßen zweiästig sind. Der eine Ast ist demnach eine Neubildung. Welcher der Äste der ursprüngliche ist, ist nicht ichwierig festzustellen, denn nur der Außenast ist mit den bekannten ‘iechhaaren versehen, die an den Antennulen der Phyllopoden, Cla- Qeeren etc. auf der einzigen Geißel vorhanden sind, während solche ai dem Innenast ganz fehlen. Dazu kommt noch, dass dieser onto- geetisch später als der Außenast auftritt!. Es kann demnach kaum beweifelt werden, dass der Innenast der Antennulen ein den Mala- kosaken (und Nebalia) allein zukommendes, phylogenetisch spät auf- getitenes Element ist. Jie Antennulen treten somit in einen bestimmten Gegensatz zu den rigen Gliedmaßen. Ich glaube sie dürfen sogar gar nicht mit dieseizusammengestellt werden, oder, um es präeiser zu formuli- ren: ie sind den folgenden Gliedmaßen nicht gleich- wertle und desshalb am richtigsten gar nicht als Gliedmaßen zu bezeichn. Es ist vielmehr meine Ansicht, dass sie eben so wie die gestielte Augen als gliedmaßen-ähnliche Sinnesorgane aufgefasst werden üssen 2. ! Vglmeine Studier o. Decap. Slaegtskabsforhold (Videnskab. Selsk. Skrifter, Nery, og math. Afd. 6. R. I) Tab. V Fig. 158 und 160 (Palaemone- tes); FR. Murr, Die Verwandl. d. Garneelen (Archiv f. Naturgesch. 1863, 1. Bd.) Tab{ Fig. 7, wo der Außenast ganz deutlich, der Innenast noch gar nicht entwicit ist (Penaeus); dasselbe erhellt auch aus mehreren Figuren in Craus, Untelz, Erforsch. d. geneal. Grundl. d. Crustaceen-Systems, 1876. > Die n: Verwandtschaft (sit venia verbo) zwischen Antennulen und Augen der Maostraken wird recht gut durch die von A. MıLnE EDWARDS (Comptes rend\IV, 1864, pag. 710—712) beschriebene Missbildung des einen Auges eines Pagrus penicillatus illustrirt; das Auge war eben, wenn ich die Beschreibung My Epwarps richtig verstehe, halbwegs zu einer Antennule ohne den Innenay etamorphosirt. »Le pédoncule oculaire, schreibt der Verf., a conservé da08 partie basilaire sa forme ordinaire: on voit méme 4 son extrémité une COr judimentaire, du centre de laquelle nait la tigelle dont je viens de parler, nt Ja longueur est d’environ 4 centimétres. Elle est fine- ment articulée et Sie de poils sur le bord supérieur de sa partie terminale, disposition que presy gcalement le filet inférieur de l'antennule.« (Die Worte 499 J. E. V. Boas Die Antennulen bieten iibrigens im Einzelnen innerhalb der Ma- lakostraken nur ein geringes Interesse dar. Der Innenast ist öfters wieder abortiv (die meisten Isopoden, viele Amphipoden), anderer- seits ist zuweilen (Eukyphoten, Squillaceen) der Außenast theilweise in zwei Äste gespalten. b. Antennen. Im Gegensatz zu den Antennulen sind die Antennen (gewöhn- lich als untere oder hintere Antennen bezeichnet) nach demselben | Typus wie die folgenden Gliedmaßen gebaut. Der Endopodit be-, steht aus einem fünfgliedrigen »Schaft« und einer geringelten Geißel. Im ersten Glied mündet »die grüne Drüse«, wenn eine solche vorhan; den ist: vom zweiten Glied entspringt die sogenannte Squama, de Exopodit, welcher bei den erwachsenen Malakostraken niemals, ve die übrigen Exopoditen es gewöhnlich sind, geringelt ist, wogenn dies jedoch häufig im Larvenzustande der Fall ist (Euphausia, B- naeiden, Eukyphoten'). Die Squama ist, wenn gut entwickelt, je- wöhnlich am Außenrande etwas innerhalb der Spitze mit ejem kurzen Stachel versehen; der Innenrand so wie diejenige Partiedes Außenrandes, welche außerhalb des erwähnten Stachels liegt, if mit einer Reihe langer Fiederhaare besetzt, während der übrige fheil des Außenrandes nackt ist. Wesentlich nach diesem Typus sill die Antennen bei den Euphausiden, Lophogastriden, Mysiden, Squiden, bei den niederen Dekapoden, so wie bei Apseudes (Fig. 77) ebaut. Größere Schwierigkeiten bieten die Amphipoden, so wie dieleisten Isopoden dar. | Bei Asellus und anderen (jedoch nicht allen) Isopoden flet man merkwürdigerweise anscheinend sechs Schaftglieder (Fig75—76) und bei typischen Amphipoden, wie z. B. Gammarus und ™phithoé (Fig. 73—74), wo allerdings nur fünf solche vorhanden zusin schei- nen, mündet die Antennendrüse (grüne Drüse) in dem zw£n dersel- »superieur« und »inferieur« im letzten Satz scheinen verwechselt! sein, denn der erwähnte Haarstreifen, welcher eben die Riechhaare enthälfitzt bei Pa- linurus wie bei anderen Dekapoden am unteren Rande deistalen Partie des äußeren, oberen, Astes der Antennule.) ı Vel. für Euphausia und die Penaeiden Craus, Crustacedystem Tab. I, II und VI, so wie Fr. MÜLLer, Verwandl. der Garneelen T;H- Fig. 4 und 18 (Archiv f. Naturg. 29. Jahrg. 1. Bd. 1863). Für die Eukpten vgl. meine Studier o. Decapod. Slaegtskabsf. Tab. V Fig. 159 und de€Xt passim (ich fand eine geringelte Antennen-Squama bei den Zoéen von p/Monetes, Panda- lus und Alpheus). Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 493 ben aus, während die genannte Drüse sonst immer im ersten Anten- nenglied ausmündet. Diese Verhältnisse werden erst, wenn wir die Mysiden-Antennen mit in den Vergleich ziehen, verständlich. Bei Mysis sitzt die Antenne auf einer kleinen besonderen Partie des Kopfes! (Fig. 72, X), deren oberer Theil vom Schilde bedeekt wird. so dass nur der untere angeschwollene Theil, welcher das Endsäck- chen der Antennendrüse enthält?, frei hervorragt; dieselbe ist scharf von dem wirklichen ersten Antennengliede, das die Ausmündungs- stelle der Antennendrüse trägt, gesondert. Der Partie X von Mysis ist das sogenannte erste Antennenglied von Gammarus und anderen Amphipoden aber zweifellos homolog ; dasselbe enthält nämlich eben so wie jene das Endsäckchen und einen Theil des Harnkanälchens der Antennendriise. Das anscheinend zweite Glied der Amphipodenan- tenne wird demnach in der That das erste, und die Antennendrüse mündet hier wie immer am ersten Gliede. Der Schaft der Antenne besteht also bei den Amphipoden nur aus vier Gliedern, eine ähn- liche Beschränkung der Gliederzahl wie bei anderen Malakostraken (Brachyuren ete.), wo die Squama fehlt (beruht wohl auf einer Ver- wachsung des zweiten und dritten Gliedes). — Was bei Asellus ete. anscheinend das erste Glied ist, muss nach meiner Ansicht in derselben Weise wie bei den Amphipoden erklärt werden, wenn es auch nicht mehr die Antennendrüse enthält, die bekanntlich den Isopoden gänz- lich abgeht. Somit erhalten wir auch für die Isopoden eine, wie es mir scheint, genügende Erklärung der anscheinend abnormen Verhält- nisse des Antennenschaftes. Das Pseudoglied X fehlt bei vielen Iso- poden (Onisken, Isopodes nageurs); dagegen scheint eine Beschränkung‘ der Zahl der echten Glieder nur ganz ausnahmsweise vorzukommen. — Bei den Amphipoden und bei den echten Isopoden (den Isopoden mit Ausnahme der Tanaiden) fehlt die Sqama; nur bei einer einzigen Form, dem Aselliden-Genus Janira (maculosa) fand ich ein — sehr deutliches — Rudiment der Squama?, die vom zweiten (dem 1G. O. Sars, welcher die betreffende Partie gesehen hat, fasst dieselbe als das erste Glied der Antenne auf (Crustacés d’eau douce de Norvége, pag.16). Überhaupt ist dieselbe, wie es scheint, bisher nicht richtig erkannt worden. 2 Vgl. GROBBEN, Die Antennendrüse der Crustaceen, pag. 6 und Fig. 5 (Arbeit. aus dem Zool. Inst. d. Univers. Wien. III. 1881). 3 Das Vorhandensein einer Squama bei einem echten Isopod war bis jetzt unbekannt. Das betreffende Gebilde wurde übrigens schon von KRÖYER so- wohl bei Janira maculosa (Henopomus mutieus Kr.) als bei einer verwandten Art (Henopomus tricornis) erwähnt (Naturhistorisk Tidsskr. 2. Raekke, 2. Bind r 494 J. E. V. Boas anscheinend dritten) Gliede entspringt (Fig. 78); bei den anderen von mir untersuchten Aselliden (Asellus und Jaera) fehlt dieselbe ganz. — Auch die Cumaceen vermissen eine Squama. e. Die Mandibeln. An der Mandibel fehlt bei allen erwachsenen Malakostraken der Exopodit, während derselbe bei einigen Larven, nämlich bei Pe- naeus, Leucifer und Euphausia im Nauplius-Stadium, vorhanden ist. Der Endopodit besteht aus einem festen, verhältnismäßig umfang- reichen Corpus und einem — höchstens — dreigliedrigen »Pal- pus«, welcher jedoch bei vielen Formen innerhalb verschiedener Gruppen fehlt (bei Leucifer, bei gewissen Eukyphoten, Iso- und Am- phipoden, bei allen Cumaceen). Das Corpus mandibulae entspricht dem Basalgliede der übrigen Gliedmaßen, ist nicht, wie es vielfach angegeben wird, durch eine Concrescenz mehrerer Glieder entstanden. Dass das Mandibel-Corpus wirklich einem ersten Gliede entspricht, erhellt unter anderem aus Folgendem. Bei den Copepoden ist die Mandibel mit einem Exopodit ausgestattet, welcher (Fig. 56) vom ersten Glied des Palpus entspringt; dieses ist demnach das zweite Glied des Endopodites, und das Corpus das erste Glied desselben. Der medianwärts gerichtete Theil des Mandibel-Corpus be- steht aus einer vorderen, schneidenden, und einer hinteren, kauenden Partie!. Bei den Euphausiden, den Dekapoden und den Squilliden (Fig. 64—65a, Fig. 61) ist die schneidende Partie einfach, gewöhnlich in mehrere kurze Zähne getheilt, und geht hinten in den kauenden Theil über. Bei den Mysiden, Cumaceen, Iso- und Amphi- poden (Fig. 66—70a«) ist zwischen dem schneidenden und kauenden Theil eine Reihe borstenähnlicher, nach innen und hinten gerichteter pag. 367 und 374) und abgebildet (im unvollendeten GAIMArRD'schen Reise- werke: Voyages en Scandinavie ete., Zoologie, Crustacés Pl. 30 Fig. le und 2c); auch Spence Bate & WESTwooD machen dessen Erwähnung (A History of the British Sessile-eyed Crustacea. Vol. 2 pag. 339); weder sie noch KROYER scheinen jedoch yon dessen morphologischer Bedeutung eine Ahnung gehabt zu haben. ! Auch bei Nebalia besitzt das Mandibel-Corpus eine schneidende und eine kauende Partie, die sich ähnlich wie bei Thysanopus und Euphausia ver- halten, nur ist der Schneidetheil relativ kleiner, der Kautheil hat noch ganz das Ubergewicht (Fig. 57—58). Die schneidende Partie wurde bisher bei Nebalia entweder übersehen oder nicht genügend gewürdigt (vgl. KRÖYER, Naturhist. Tidsskr. 2. Raekke II pag. 440; Craus, Ü. d. Bau u. d. system. Stell. von Nebalia, Zeitschr. f. wiss. Zool. XXII, 1872 pag. 325 und Fig. 7; Minne Ep- WARDS, Hist. natur. des Crustacés, Tome III pag. 354 und Pl. 35 Fig. 2a). Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 495 Gebilde (@) eingeschaltet; dicht an der schneidenden Partie findet sich ein starker, in mehrere Zähnchen getheilte Fortsatz, Processus accessorius (a), welcher immer an der linken Mandibel stärker ist als an der rechten, wo derselbe oft nur wenig stärker ist als die vorderen Borsten; der Fortsatz kann als das vorderste, stark ent- wickelte Glied der Borstenreihe betrachtet werden. — Die Mandibel- palpen sind in der Regel nach vorn gerichtet (Euphausiden, Mysi- daceen, Iso- und Amphipoden, Decapoda natantia) und liegen ge- wöhnlich zwischen den Basalpartien der Antennen; bei den Decapoda reptantia ist die Spitze des Mandibelpalpus dagegen oberhalb der schneidenden Partie des Corpus verborgen. d. Die erste Maxille. Die erste Maxille, die eben so wie die zweite fast immer platt- gedrückt ist, besteht aus einem Endopodit und einem gewöhnlich kleinen Exopodit, der jedoch bei sehr vielen fehlt. Vom zwei- ten Gliede des Endopodites entspringt eine Kaulade, die Lacinia interna, und vom dritten Gliede eine ähnliche, Lacinia externa; beide sind einfach, nicht wie die Kauladen der zweiten Maxille ge- spalten, und werden beinahe ohne Ausnahme bei allen Malakostraken wiedergefunden. Die distale Kaulade, Lacinia externa, zeichnet sich dadurch aus, dass sie außer den gewöhnlichen Borsten eine Anzahl stärkere Dorne besitzt, während die Borsten an der Lacinia interna selten stachelartig werden. Nach dem Gliede, von dem die Lacinia externa entspringt, folgen noch bei vielen Malakostraken ein oder ein paar Glieder, die als Palpus bezeichnet werden. Dass die Lacinia interna wirklich vom-z weiten Gliede entspringt, wird sehr schön bei Thysanopus (oder Euphausia) gesehen (Fig. 41). Bei dieser Gattung ist die erste Maxille in vier Glieder getheilt. Das erste ist nur in seiner auswendigen Partie derb. die innere Partie ist dünnhäutig und weich wie eine Gelenkhaut. Das zweite Glied trägt die Laeinia interna, außerdem aber einen Exopodit, dessen Innenrand in den Vorderrand der Lac. int. sich fortsetzt, woraus es erhellt — da der Exopodit immer vom zweiten Gliede entspringt — dass das Glied, von dem die Laeinia interna entspringt, wirklich das zweite ist. Das folgende, also das dritte, Glied trägt die Lacinia externa. Der Vergleich zwischen der ersten Maxille bei Thysanopus und bei den übrigen Malakostraken bietet im Ganzen keine Schwierig- keit dar. Der Exopodit fehlt bei den meisten, findet sich jedoch bei vielen Dekapoden (vgl. meine »Studier 0. Decap. Slaegtskabsf.«), 496 J. E. V. Boas wenn auch nur schwach entwickelt, und bei den Mysiden. Der Pal- pus fehlt ebenfalls häufig, ist aber bei den Euphausiden, Dekapoden, Squilliden, einigen Lophogastriden, bei den Cumaceen und Tanaiden vorhanden. Man hat bisher der ersten Maxille der Amphipoden einen Palpus beigelegt. Betrachtet man ohne weitere Vorbereitung die erste Maxille, z. B. von Gammarus (Fig. 51), so scheint gewiss auch keine andere Deutung möglich; es sieht aus, als besäße dieselbe eine La- cinia interna und externa und einen zweigliedrigen Palpus. Bei einer näheren Betrachtung zeigt es sich jedoch, dass dieser Auffassung ver- schiedene Momente entgegenstehen. Erstens kann hervorgehoben werden, dass der Palpus bei denjenigen Formen, die den Amphipo- den am nächsten stehen, nämlich bei den Mysidaceen, Cumaceen und Isopoden, wenn vorhanden, sich ganz anders als dieser soge- nannte Palpus der Amphipoden verhält. Sowohl bei Gnathophau- sia! (einem Lophogastriden; bei allen übrigen Mysidaceen fehlt der Palpus), wie bei den Cumaceen (Fig. 44) und bei den Tanaiden (Fig. 45) — den einzigen Isopoden, die einen Palpus besitzen — ist derselbe nach außen und hinten gerichtet und an der Spitze mit lan- gen Haaren versehen. Nach der systematischen Stellung, welche die Amphipoden zu den genannten Formen einnehmen, kann es als un- zweifelhaft hingestellt werden, dass ein ähnlicher Palpus auch bei den Vorfahren der Amphipoden vorhanden gewesen ist, und wir müssten dann annehmen, wenn wir den sogenannten Palpus bei den Amphipoden als einen wirklichen Palpus auffassten, dass jener eigen- thümlich modifieirte Palpus der Mysidaceen ete. hier wieder nach vorn, je sogar nach vorn und innen gerichtet worden wäre. Der »Palpus« ist nämlich bei den Amphipoden mehr nach innen als nach vorn ge- richtet, dazu noch am Ende abgeschnitten und mit kurzen Dornen versehen, verhält sich kurz und gut ähnlich wie die Lacinia externa der Isopoden und Anderer. Ferner ist der Theil der Amphipoden- Maxille, welcher als Lacinia interna aufgefasst wird, keineswegs immer bei den Amphipoden vorhanden; derselbe fehlt bei vielen, z. B. bei Corophium, und ist bei vielen anderen nur ganz klein; eine Entwicklung wie bei Gammarus erhält er nur ganz ausnahmsweise. Nachdem ich Apseudes — eine Form, welche den Amphipo- ! v. WILLEMOES-SUHM, Atlantie Crustacea from the »Challenger« Expedition (Trans. of the-Linnean Society of London 2. Ser. Vol. I. Zoology, 1879, Tab. 9 Fig. 5). Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 497 den näher steht als irgend eine andere es thut — untersucht hatte, stellte sich denn auch eine ganz andere Deutung als sehr wahr- scheinlich heraus. Die erste Maxille (Fig. 45) von Apseudes, wel- cher zur Tanaiden-Familie gehört, ist mit einem nach hinten gerich- teten zweigliedrigen Palpus! versehen. Die zwei Kauladen sind nach innen und vorn gerichtet. Die Lacinia externa ist ziemlich schmal und lang, am Innenrande mit den gewöhnlichen Dornen ver- sehen. Die Lac. interna besitzt am medianen Rande eine geringe Anzahl ziemlich starker Haare, die wie bei anderen Isopoden mit feinsten Härchen besetzt sind, sich aber dadurch auszeichnen, dass ihre Spitze gabelig getheilt ist. Wenn wir die erste Maxille von Corophium (Fig. 48) hiermit vergleichen, wird es uns gleich deutlich, dass der »Palpus« der Amphipoden kein Palpus ist, son- dern der Lacinia externa von Apseudes entspricht, und dass die »Laeinia externa« von Corophium in der That eine Lacinia interna ist. Dieselbe ist bei Corophium am medianen Rande mit einer An- zahl kurzer Borsten besetzt, die eben so wie diejenigen der Lacinia interna von Apseudes (Fig. 45 5) an der Spitze gabelig getheilt sind (Fig. 48 a) und sich nur von jenen dadurch unterscheiden, dass sie kürzer sind und dass die feinen Härchen ganz oder fast ganz fehlen. Die Laeinia externa ist derjenigen von Apseudes im Gan- zen ähnlich; das einzig Befremdende ist die Gliederung, welche dieselbe erfahren hat. Der Palpus fehlt ganz?. — Die proximale ! Der Palpus der ersten Maxille von Apseudes wird eben so wie der ent- sprechende Theil der ersten Maxille der Cumaceen von G. O. Sars als Epignath bezeichnet (Revision af Gruppen Isopoda chelifera, in Archiv for Mathem. og Naturvidenskab Bd. 7, pag. 8 des Separatabdr.; ferner: Beskriv. af de paa Freg. Josephines Exped. fundne Cumaceer, in Kongl. Svenska Vetenskaps Akad. Handl. Band 9 Nr. 13. pag. 11); das Irrthümliche dieser Auffassung er- hellt leicht aus einer Betrachtung der Ursprungsstelle des betreffenden Theiles (Fig. 44a und 45a). ? Die hier entwickelte Theorie ist gewissermaßen nicht neu. In seiner berühmten Arbeit über die Mundgliedmaßen der Arthropoden (Mem. s. 1- Ani- maux vertebres. I. Partie) behandelt Saviany auch ganz kurz die der Amphipo- den, ohne übrigens im Text specieller auf den Bau derselben einzugehen. Auf seiner Pl. IV (2. M&m.) hat er aber, wahrscheinlich ganz zufällig, die erste Maxille eines Amphipoden abgebildet, welcher zu denjenigen gehört, die keine Lacinia »interna« besitzen, und bezeichnet an der betreffenden Figur (10) die Lac. externa nobis mit e, die L. interna nobis mit 7; diese Buchstaben bedeuten aber nach der gemeinsamen Tafel-Erklärung pag. 102 beziehungsweise lame extérieure und lame intérieure, — welche Namen meinen Lac. ext. und int. äquivalent sind. Andere erste Maxillen von Amphipoden hat Saviany nicht abgebildet und die Lac. »interna« autorum war ihm wahrscheinlich unbekannt. 498 J. E. V. Boas Kaulade, die man bei Gammarus und Anderen findet, ist dann, wie man begreift, eine Neubildung, die bei Corophium noch gar nicht. bei Amphithoé (einem Corophiiden) und Anderen noch wenig ausge- bildet ist, während sie bei Gammarus eine relativ hohe Entwicklung erlangt hat (vgl. Fig. 48 — 51); ich werde dieselbe fernerhin als Lacinia fallax bezeichnen. e. Die zweite Maxille. Die zweite Maxille besteht eben so wie die erste aus einem Endo- und Exopodit; letzterer ist aber gewöhnlich stärker entwickelt als an der ersten Maxille und findet sich bei einer größeren Anzahl der Malakostraken. Von der proximalen Partie der Maxille ent- springen zwei Kauladen, die auch hier als Lacinia interna und externa bezeichnet werden; die distale Partie der Maxille wird als Palpus bezeichnet. Am einfachsten und leichtesten verständlich gestalten sich die Verhältnisse bei Thysanopus (Fig. 24). Der Endopodit besteht aus drei deutlich geschiedenen Gliedern (bei den meisten Malako- straken ist die Sonderung zwischen den proximalen Gliedern dagegen sehr undeutlich), von welchen das erste die zweigespaltene Lacinia interna, das zweite die Lacinia externa, die ebenfalls gespalten ist, trägt. Vom zweiten Glied entspringt außerdem der kurze rand- haarige Exopodit. Die Lacinia interna und externa der zweiten Maxille dürfen demnach, wie man begreift, nicht mit den gleich- namigen Theilen der ersten Maxille parallelisirt werden. Der Pal- pus ist eingliedrig!. Die zweite Maxille von Thysanopus schließt sich eng an die entsprechende von Nebalia; bei dieser ist der Pal- pus zweigliedrig und länger als bei Thysanopus, auch der Exopodit ist länger und schmaler; übrigens aber stimmt die zweite Maxille von Nebalia mit der von Thysanopus sehr überein (vgl. Fig. 24 und 23). Ziemlich groß ist der Unterschied zwischen der zweiten Maxille von Thysanopus und derjenigen der Mysiden (Fig. 26—26a). Die Lacinia interna ist hier ungespalten, aber von bedeutender Größe; der proximale Theil des langen medianen Randes derselben ist im Verhältnis zur distalen Partie gleichsam abgerückt und mit einem Gebräme langer Haare garnirt, das sich an der Oberseite der dista- ! Die zweite Maxille von Euphausia ist mit derjenigen von Thysanopus fast ganz übereinstimmend. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 499 len Partie der Kaulade mit einer Haarreihe fortsetzt (Fig. 26«); der distale Theil der Laeinia interna ist übrigens am Innenrande mit den gewöhnlichen Kauborsten besetzt, die sich auch an der zwei- gespaltenen Lacinia externa finden. Die Lacinia interna und die zwei Lappen der Lacinia externa sind nach innen und vorn gerichtet (bei den Euphausiden gerade nach innen) ; ferner sind sie mit ihren Rändern in der Weise über einander geschoben, dass der vordere (äußere) Rand der Laeinia interna und des proximalen Lappens der Lacinia externa nicht gesehen werden, wenn man die Maxille von unten betrachtet (Fig. 26). Der Palpus ist zweigliedrig und der Exopodit wohl ent- wickelt, jedoch nicht (wie bei den Dekapoden) nach hinten verlängert. Die zweite Maxille von Lophogaster (typicus) besitzt eben so wie die der Mysiden eine ungespaltene Lacinia interna, die aber eine einfachere Form besitzt und nicht mit der oben erwähnten charak- teristischen Haarreihe ausgestattet ist (Fig. 25—25a). Die Lacinia externa ist sehr schwach gespalten, ja zuweilen selbst gar nicht (wie ich bei einem der von mir untersuchten Exemplare es fand). Die Kauladen sind nicht über einander geschoben — also wie bei Thysa- nopus; dagegen sind dieselben eben so wie bei den Mysiden schräg nach innen und vorn gerichtet. Der Palpus ist dreigliedrig, sein proximales Glied ist sehr breit, an der Außenseite mit einem abge- rundeten Fortsatz versehen. Der Exopodit ist groß, dem der Mysiden ähnlich. — Bei dem von WILLEMOES-SUHM beschriebenen Lophoga- striden Gnathophausia! ist die Lacinia externa tiefer als bei Lophogaster gespalten; übrigens ist die zweite Maxille derselben mit derjenigen von Lophogaster übereinstimmend. Bei den Cumaceen (Fig. 27—27 a) fehlt der Palpus, übrigens schließt sich die zweite Maxille derselben eng an die der Mysiden. Die Lacinia interna ist relativ größer als bei diesen, sonst aber ähn- lich gestaltet; die proximale Partie des Innenrandes ist mit einem Haargebräme garnirt, das sich an der Oberseite der distalen Partie der Kaulade fortsetzt, jedoch nicht wie bei den Mysiden bis an den äußeren Rand derselben. Die zwei Lappen der Lacinia externa und die Lacinia interna sind in ähnlicher Weise wie bei den Mysi- den über einander geschoben; ferner sind dieselben wie bei diesen schräg nach vorn gerichtet. Es ist ein kleiner, aber deutlicher Exo- podit vorhanden. ! Atlantic Crustacea from the »Challenger« Expedition. (Trans. of the Lin- nean Society of London 2. Ser. Vol. I. Zoology. Tab. 9 Fig. 6.) 500 J. E. V. Boas Die zweite Maxille der Isopoden! (Fig. 23—29 a) schließt sich an diejenige der Mysiden und Cumaceen. Der Exopodit so wie der Palpus fehlt. Die Laeinia interna ist ungespalten, die Lacinia externa dagegen, gewöhnlich tief, gespalten, beide schräg nach vorn und innen gerichtet. Bei Apseudes (Fig. 28—28a) hat die Lacinia interna fast ganz dieselbe Form ete. wie bei Mysis: die proximale Partie der Kaulade tritt in einen bestimmten Gegensatz zur distalen Partie und ist am Rande mit derselben Borstenreihe wie bei Mysis garnirt; die- selbe setzt sich ferner an der oberen Seite der distalen Partie fort, wenn auch, äbnlich wie bei den Cumaceen, nur über einen Theil derselben. Bei den übrigen Isopoden ist die proximale Partie der Lacinia interna nicht besonders ausgeprägt, und die einzige Form unter den von mir untersuchten, welche die charakteristische Borsten- reihe noch bewahrt hat, ist Asellus; hier ist dieselbe aber auch sehr schön ausgeprägt (Fig. 29a), während sie bei den übrigen nicht, oder nicht deutlich ausgebildet ist. Die Lacinia externa ist mit langen Kauborsten versehen, die bei vielen Isopoden (ich fand es so bei Asellus?, Idothea und Sphaeroma) an ihrem Innenrande mit einer Reihe - kurzer, ziemlich starker Zähnchen versehen sind; ganz ähnlich ge- baute Kauborsten findet man auch an der Laeinia externa der Cu- maceen*. — Bei den Land-Isopoden und bei den schmarotzenden ‚Isopoden erscheint die zweite Maxille in verschiedener Weise stark rückgebildet. In sehr redueirter Form erscheint die zweite Maxille der Am- phipoden (Fig. 30—30a). Eben so wie bei den Isopoden fehlt der Exopodit und der Palpus; ferner sind beide Lacinien einfach, indem auch die äußere ungespalten ist, oder, wie es vielleicht aufzufassen ist, der eine Lappen derselben ist abortirt. An der Oberseite der ! Die sehr wenigen Verfasser welche bisher die Isopoden-Maxille des zweiten Paares einer etwas näheren Analyse unterzogen, haben dieselbe nicht richtig aufgefasst; SCHIÖDTE (Krebsdyrenes Sugemund, Naturh. Tidsskr. 3. R. 4. B.) deutet den äußeren Lappen der Lac. externa als Palpus; G. O. Sars (Crust. d’eau douce pag. 98) betrachtet die ganze Lac. externa »comme une és- pece de palpe bifurquee«. Der Vergleich mit der Mysiden-Maxille stellt jedoch meine Deutung außer Zweitel. 2 G. O. Sars hat in seiner Hist. nat. d. Crust. d’eau douce, Pl. IX Fig. 4 eine solche Borste von Asellus abgebildet. 3 Ähnlich sind auch die Kauborsten der Lac. ext. von Boreomysis; die Zähnchen sind jedoch feiner als bei den Cumaceen und Isopoden. Bei Mysis sind ein paar Zähnchen stärker ausgebildet und die übrigen (distalen) entweder ganz fehlend (M. flexuosa) oder äußerst klein (M. vulgaris). Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 501 Laeinia interna findet sich häufig die charakteristische Borstenreihe, sehr deutlich z. B. bei Gammarus und Amphithoé; dieselbe fehlt jedoch öfters. Die zweite Maxille der Dekapoden (Fig. 33) schließt sich eng an die entsprechende von Thysanopus, wenn auch charakteristische Unterschiede bemerkbar sind. Die zwei Kauladen sind gewöhnlich eben so wie bei Thysanopus gespalten, ziemlich stark entwickelt, der Palpus dagegen schmal und gewöhnlich klein, niemals deutlich gegliedert. Der Exopodit ist sehr groß, mit einem nach hinten ge- richteten Fortsatz versehen, übrigens eben so wie bei Thysanopus etc. mit Randhaaren ausgestattet!. Für die Modifikationen, welche die zweite Maxille innerhalb der Dekapoden erleidet, verweise ich auf meine Abhandlung über die Verwandtschaftsverhältnisse der De- kapoden. Die zweite Maxille der Squilliden (Fig. 31—32) ist ziemlich schwierig zu verstehen, und der folgenden Deutung kann ich selbst nur einen relativen Werth beimessen. Meiner Ansicht nach ist die Maxille folgendermaßen aufzufassen: dieselbe ist viergliedrig, die zwei ersten Glieder sind jedoch nicht scharf geschieden; das erste Glied trägt eine zweigespaltene Lacinia interna, das zweite eine ein- fache, ungespaltene Lacinia externa und einen rudimentären Exopodit; die zwei letzten ziemlich starken und breiten Glieder stellen den Palpus vor?. Mit der zweiten Maxille von Thysanopus hat die ! Während H. Minne Epwarps in der Einleitung zu seiner Hist. nat. d. Crust., worin er eine vortreffliche Skizze der Morphologie der Crustaceen- Gliedmaßen giebt, eine richtige Auffassung der Athemplatte der Dekapoden hat (l. c. Tom. I pag. 46), deutet er später (Squel. tég. d. Crust. déc., Ann. d. Se. nat. Zool. 3. Ser. Tome XVI. Pl. 10) dieselbe als Epipodit. Ich bemerke hierzu nur, dass der berühmte Verfasser gewiss diese Deutung nicht hervor- gesetzt hätte, falls er die zweite Maxille von Nebalia und Thysanopus näher gekannt hätte. — HuxLey meint (Crayfish pag. 170), dass dieselbe entweder ein Epipodit sei oder einem Epi- und Exopodit zusammen entspreche. Was letz- tere Deutung betrifft, so ist es offenbar HuxLey’s Auffassung, dass der nach hinten gerichtete Zipfel “der Athemplatte der Epipodit sein sollte; aber weder die. direkte Beobachtung (derselbe ist kontinuirlich mit dem vorderen Theil verbunden und ganz wie dieser mit Randhaaren besetzt, während die Epipodi- ten nicht oder ganz anders behaart sind), noch der Vergleich mit anderen Ma- lakostraken (Thysanopus etc.), endlich auch nicht die Ontogenese (die Athemplatte ist gewöhnlich Anfangs mehr palpiform und erst allmählich wächst der Hinter- zipfel von derselben aus: CLAus, Crust.-Syst. Tab. II Fig. 5, Tab. IV Fig. 5, Tab. VII Fig. 3 und 9; meine »Studier« Tab. II Fig. 80 und 79) bietet jedoch dieser Theorie den geringsten Anhalt. 2 Bei Gonodactylus ist der distale Lappen der Lacinia interna sehr klein, Morpholog. Jahrbuch. 8. 34 502 J. E. V. Boas Squilliden-Maxille trotz aller Verschiedenheit dennoch keine geringe Ähnlichkeit. f. Die Rumpffüße (Kormopoden). Die acht Rumpffußpaare bestehen aus einem sieben-gliedri- gen Endopodit, einem von der Außenseite des ersten Gliedes des Endopodites entspringenden Epipodit, und einem vom zweiten Gliede entspringenden Exopodit. Der Epipodit und der Exopodit fehlen jedoch häufig, entweder alle beide oder nur einer derselben ; öfters sind auch einige Glieder des Endopodites mit einander verwachsen oder abortirt, zuweilen ist ferner das Basalglied mehr oder weniger innig mit dem Rumpfskelette verbunden. Wie schon vorhin erwähnt sind alle acht Rumpffußpaare von Nebalia (Fig. 1) wesentlich mit einander übereinstimmend. Die zwei ersten Glieder des siebengliedrigen Endopodites sind ziemlich groß, die fünf letzten kurz und schmal. Der Epipodit ist groß, borstenlos, zweizipfelig; der Exopodit ist ebenfalls stark entwickelt, breit und plattenförmig. Der ganze Fuß hat die Gestalt einer brei- ten, eingeschnittenen Platte. Die Rumpffüße von Thysanopus (Fig. 2) bestehen ebenfalls alle aus einem Endo-, Exo- und Epipodit, und ersterer ist auch hier siebengliedrig. Eine gewichtige Übereinstimmung mit Nebalia ist es ferner, dass die verschiedenen Rumpffußpaare — wenn wir vom letzten Paar, vgl. unten, absehen — mit einander wesentlich übereinstimmen, namentlich sind das erste oder die ersten Paare nicht als Mundgliedmaßen ausgebildet, sondern ähnlich wie die fol- genden gestaltet. Das erste und zweite Glied des Endopodites sind breiter als die folgenden, eben so wie bei Nebalia, die fünf letzten Glieder dagegen weit länger als bei dieser. Der vom ersten Gliede entspringende Epipodit ist am ersten Rumpffuß klein und ein- fach; an den übrigen Rumpffüßen sind sie dagegen mehr oder weniger reich verästelt und fungiren offenbar als Kiemen!. [Die der proximale sehr groß. Bei Larven habe ich die als Te gedeutete Par- tie nicht gefunden. 1 Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich hervorheben, dass die Kiemen von Thysanopus morphologisch ganz andere Gebilde sind als die Dekapoden- Kiemen. Bei Thysanopus sind die Kiemen die stark eingeschnittenen Epipo- diten selbst; die Kiemen der Dekapoden sind dagegen ganz selbständige Ge- bilde, die vom Rumpfe (Thorax), von den Gelenkhäuten zwischen diesem und - den Rumpffüßen, und von der Basis der Epipoditen, die immer als einfache Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 503 Epipoditen können folgendermaßen näher beschrieben werden: Der Epipodit des ersten Rumpffußes ist eine einfache, kleine, zweizipfe- lige Platte (Fig. 34). Am zweiten bis siebenten Paare ist derselbe ebenfalls eine zweizipfelige Platte, die jedoch schmal und an ihrem hinteren gebogenen Rande mit einer Reihe langer Fäden versehen ist (Fig. 35 —36). Am sechsten und siebenten Rumpffuß sind einige der Fäden am oberen Zipfel gespalten und am achten Rumpffuß ist dieses so weit gegangen, dass wir anstatt einer Reihe einfacher Fäden an dem mächtig entwickelten oberen Zipfel des Epipodites eine Reihe tief kammförmig eingeschnittener Blätter finden, während der untere Zipfel einfach bleibt. An der Basis des Epipodites (des zweiten bis achten Paares) entspringt ferner ein Fortsatz, — den ich als Innenast des Epipodites bezeichne —, welcher mit zwei Rei- hen von Nebenästen versehen ist, die am distalen Ende des Astes einfache Fäden sind, nach dem proximalen Ende zu kräftiger wer- den und erst als gespaltene Fäden erscheinen, dann aber je mit einer ganzen Reihe von Fäden besetzt werden, so dass die am proximalen Ende des Fortsatzes sitzenden Nebenäste dem Haupttheil des Epipo- dites selbst ähnlich werden. An den vorderen Rumpffüßen ist der Innenast des Endopodites nur schwach entwickelt, wird aber nach hinten zu immer stärker. Der hinterste Epipodit wird somit ein gewaltig komplieirtes Ding, das nur durch den Vergleich mit den vorderen verständlich wird.] — Der Exopodit ist in Schaft und Geißel gegliedert; letzterer ist flach, geringelt und mit langen Randhaaren versehen. — Das letzte Rumpffußpaar von Thysanopus ist dadurch abweichend, dass nur das erste und zweite Glied des Endopodites entwickelt sind, während die fünf letzten Glieder des- selben ganz abortirt sind; dagegen sind sowohl der Exo- wie der Epipodit gut ausgebildet. Am siebenten Rumpffuß ist der Endopo- dit etwas kürzer als am vorhergehenden, aber ähnlich gestaltet und aus derselben Anzahl Glieder bestehend. Bemerkenswerth sind die bedeutenden Veränderungen, die bei Thysanopus in Vergleich mit Nebalia eingetreten sind: Der En- dopodit ist verhältnismäßig weit mächtiger entfaltet, der Epipodit dagegen als bloß respiratorischer Anhang ausgebildet, der Exopodit ist schmäler geworden , in Schaft und Geißel differenzirt, und be- werkstelligt jetzt allein (neben den Schwanzfüßen) das Schwim- Gebilde erscheinen, entspringen. Überhaupt sind bei den verschiedenen Mala- kostraken sehr verschiedene Theile als Kiemen verwerthet. 34* 504 J. E. V. Boas men, was vorher von dem ganzen plattenförmigen Fuß ausgeführt wurde!. Die Rumpffüße der Gattung Euphausia stimmen im Ganzen mit denen von Thysanopus, unterscheiden sich wesentlich nur da- durch, dass die zwei letzten Paare bedeutend rückgebildet sind. Nicht nur fehlt der distale Theil des Endopodites derselben ganz, sondern auch die zwei proximalen Glieder sind nur schwach ausge- bildet und mit einander verwachsen. Beide Fußpaare tragen einen Epipodit (Kieme) und einen Exopodit, welcher nur klein ist, kaum größer als einer der größeren Kiemenfäden, von welchen er jedoch sofort unter Anderem durch seine Randhaare kenntlich ist; derselbe ist nicht in Schaft und Geißel gegliedert und wird leicht dureh die große Kieme verdeckt und somit übersehen. (Die Epipoditen von Eu- phausia sind im Vergleich mit denen des Thysanopus etwas modificirt.) Bei Lophogaster ist der Endopodit an allen acht Rumpffuß- paaren siebengliedrig, und es ist ein ähnlicher Exopodit wie bei Thysanopus vorhanden: dagegen ist ein Epipodit nur am ersten Paare entwickelt (vgl. unten). Ein wichtiger Unterschied von Thysanopus besteht darin, dass das vorderste Rumpffußpaar (Fig. 5) von den übrigen bedeutend abweichend gestaltet ist, was bei Thysanopus eben so wenig wie bei Nebalia der Fall war. Dasselbe ist nämlich bier — eben so wie bei den Mysiden, Cumaceen, Iso- und Amphipoden — als Kieferfüße ausgebildet worden. Der Endopo- dit desselben ist kräftig, weit kürzer als an den folgenden, übrigens (noch) nieht mit der für den entsprechenden Fuß der Mysiden ete. charakteristischen Kaulade versehen. Der Epipodit ist groß, zungen- förmig. (Der Exopodit ist verhältnismäßig klein, nicht in Schaft und Geißel gegliedert, was uns aber weniger interessirt, da es eine dem Lophogaster speciell zukommende Eigenthümlichkeit ist, die weder bei Thysanopus nech bei Mysis wiedergefunden wird.) — Auch das zweite Paar ist nicht ganz mit den folgenden übereinstimmend, die Unterschiede sind jedoch nicht bedeutend (das letzte Glied ist na- ! Ich kann kaum bezweifeln, dass Nebalia sich in ähnlicher Weise wie Apus ete. bewegt, das heißt durch rückwärts gerichtete Schläge des ganzen Fußes. — Bei einer von WILLEMOES-SUHM beschriebenen Nebalia- Art (Atl. Crustacea of the »Challenger« Exp. Trans. of the Linn. Soc. Zool. Sec. Ser. I, Tab. VI Fig. 3) soll der Exopodit schmäler, der Epipodit kleiner als bei den übrigen Arten sein. Ähnliches kann auch bei anderen Phyllopoden stattfinden und ist gewiss nur als eine Analogie zu den Verhältnissen, die wir bei Thy- sanopus finden, aufzufassen. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 505 mentlich etwas anders behaart). — Ferner ist das äußerste Glied sämmtlicher Fußpaare am Ende mit einem kräftigen Dorn versehen, welcher bei Thysanopus (und Nebalia) noch nicht ausgebildet ist, während er durchweg bei den Mysiden, Cumaceen, Iso- und Amphi- poden gefunden wird. Derselbe ist nicht beweglich, aber dennoch selbständig, durch eine deutliche Grenze von der Spitze des Gliedes gesondert. — Endlich finden wir bei Lophogaster eine sehr interes- sante und wichtige Neubildung an den Rumpffüßen: vom Basalgliede des zweiten bis achten Paares des Weibchens entspringt je eine dünne, gewölbte Platte; diese vierzehn Brutplatten bilden zusammen eine Bruthöhle für die Aufnahme der Eier und sind eben so, wenn auch gewöhnlich in geringerer Anzahl, bei den Mysiden, Cumaceen, Iso- und Amphipoden entwickelt. Wie oben angegeben wurde, ist Lophogaster nur am ersten Rumpf- fuß mit einem Epipodit versehen. Dieses stimmt nicht mit den früheren Angaben von M. Sars!, nach welchen man nicht anders schließen könnte, als dass Lophogaster mit ähnlichen Epipoditen wie Thysanopus am zweiten bis siebenten Rumpffuß versehen wäre. Er beschreibt nämlich eine Reihe eigenthümlicher Kiemen, die nach ihm vom Basalgliede des zweiten bis siebenten Rumpffußes ent- springen sollen, und welche demnach kaum anders denn als Epipo- diten zu deuten wären. Meine eigene Untersuchung dieser Gebilde wurde angefangen, ohne dass es mir eingefallen war, daran zu zwei- feln, dass die Angaben von Sars in diesem Punkte richtig waren, und es hat mich desshalb nieht wenig verwundert, als es sich heraus- stellte, dass die Kiemen des Lophogasters keineswegs vom Basalglied der genannten Rumpffüße entspringen, son- dern von den Rumpfsegmenten selbst dicht hinter dem Ursprunge der Füße. Das Basalglied ist durch eine deutliche Gelenkhaut von dem Rumpfskelet, welches die Kiemen trägt, geschieden, eben so wie es auch von dem folgenden, Exopodit-tragenden Glied sehr deutlich ge- sondert ist. Die Kiemen von Lophogaster sind also nicht Epipodi- ten und können desshalb auch nicht mit den Kiemen des Thysanopus morphologisch verglichen werden. Eher könnte man daran denken, sie mit denjenigen der Dekapoden-Kiemen, welche von den Seiten- partien des Thoraxskelettes entspringen, zu vergleichen; aber wenn wir auch davon absehen. dass sie in ihrem Bau von Dekapoden-Kie- 1 Beskrivelse af Lophogaster typicus, Christiania 1862 (Universitätspro- gramm), pag. 14. 506 J. E. V. Boas men erheblich abweichen (vgl. die Monographie von Sars), so steht Lophogaster doch den Dekapoden im System zu fern, als dass wir von dieser Ähnlichkeit in dem Ursprung (denn identisch ist der Ursprung nicht einmal) auf eine Homologie schließen dürfen. Eher wollen wir annehmen, dass die Kiemen der Lophogastriden, ähnlich wie die am Außenblatt der Squilliden-Schwanzfüße, oder die am In- nenblatt der Schwanzfüße von Seriella entspringenden Kiemen, eigen- artige Auswüchse sind, welche als Kiemen fungiren und welche ohne Homologa dastehen. Die Rumpffüße der Mysiden schließen sich zwar in vielen Hin- sichten an die des Lophogasters, bieten jedoch andererseits mehrere Verschiedenheiten dar. Das Basalglied ist an allen Rumpffüßen sehr kurz! und wurde bisher, wie es scheint, ganz übersehen?. Das zweite Glied ist an sämmtlichen Füßen, eben so wie bei Lophogaster (nicht bei Thysanopus) ziemlich lang, und der Exopodit entspringt nahe am proximalen Ende desselben. Das sechste Glied des dritten bis achten Rumpffußes ist bei allen Mysiden, mit alleiniger Ausnahme des von WILLEMOES-SUHM beschriebenen Petalophthalmus?, ge- ringelt, bald in mehrere, bald in wenigere kleine Ringe getheilt (Fig. 13). Ein wohl entwickelter Exopodit ist an allen Rumpffüßen vorhanden. Ein Epipodit ist eben so wie bei Lophogaster nur am ersten Paare entwickelt und besitzt eine ähnliche Form wie bei die- sem. Die Brutplatten sind nur ausnahmsweise — Petalophthal- mus, Boreomysis — an den sämmtlichen sieben letzten Fußpaaren, wie bei Lophogaster, vorhanden; gewöhnlich sind nur die zwei oder drei letzten Fußpaare damit versehen. — Der erste Rumpffuß (Fig. 3—4a; erster Maxillenfuß autorum) ist ähnlich wie bei Lophogaster gestaltet, unterscheidet sich jedoch dadurch, dass am distalen Ende des zweiten Gliedes oben und innen eine Kaulade entspringt, die wir auch ähnlich bei den Cumaceen, Iso- und Amphipoden wiederfinden. Das zweite Paar ist (vgl. Lophogaster) ebenfalls, jedoch im geringe- ren Grade, von den folgenden verschieden: es ist kürzer, die Be- ! Wird am leichtesten gesehen, wenn man einer Mysis das Schild weg- nimmt, den Rumpf median mit einem scharfen Messer in zwei Hälften theilt und dann eine derselben von außen betrachtet. 2 Selbst von einem Verfasser wie G. O. Sars, welcher bekanntlich meh- rere umfassende und werthvolle Arbeiten über die Mysiden geliefert hat. 3 WILLEMOES-SUHM, Atlantic Crustacea from the »Challenger« Expedition, Transact. of the Linnean Society of London, Zoology, Sec. Ser. Tome I, 1879, Tab. 7 Fig. 12—13. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 507 haarung ist etwas abweichend, und das sechste Glied nicht ge- ringelt. Auch bei den Cumaceen sind alle acht Rumpffußpaare sie- bengliedrig. Das Basalglied ist kurz, das zweite Glied (gewöhnlich als erstes Glied beschrieben, indem das Basalglied übersehen wurde!) ist an allen Füßen langgestreckt, das dritte dagegen kurz, am ersten Rumpffuß sogar so kurz, dass es recht schwierig fällt, das- selbe zu -entdecken?. Der Exopodit fehlt immer am ersten, zwei- ten und achten Rumpffuße, beim Weibchen gewöhnlich auch am sechsten und siebenten?; er entspringt am unteren Ende des langen zweiten Gliedes. Ein Epipodit findet sich nur am ersten Rumpffuß, ist hier aber auch sehr mächtig entwickelt, nicht nur nach hinten stark verlängert, sondern auch in einen nach vorn gerichteten Zipfel ausgezogen; am hinteren Theil des Epipodites entspringt gewöhnlich ein blätteriger Fortsatz, der als Kieme fungirt?. Vom Basalgliede des zweiten bis sechsten Rumpffußes entspringt je eine Brutplatte; ich fasse nämlich auch die vom Basalgliede des zweiten Rumpffußes entspringende, bei den eiertragenden Weibchen randhaarige, kleine Platte (Fig. 14) als Brutplatte auf. — Der erste Rumpffuß (Fig. 6 und 6a) ist eben so wie bei den Mysiden als Kieferfuß ausgebildet; am zweiten Glied entspringt eine ähnliche Kaulade, wie bei diesen, 1G. O0. Sars, welcher auch über Cumaceen sehr werthvolle und gründ- liche Arbeiten geliefert hat, sagt von den drei letzten Fußpaaren (Beskr. af de paa Freg. Josephines Exp. fundne Cumaceer, Sv. Vetensk.-Akad. Handl. Bd. IX Nr. 13, pag. 16), dass dieselben von einem »viereckigen Stück, das viel- leicht als ein eigenes Grundglied dieser Gliedmaßen zu betrachten ist«, ent- springen, beschreibt übrigens immer unser zweites Glied als erstes Glied. 2 Desshalb wird auch der erste Rumpffuß selbst von G. O. Sars als nur fünfgliedrig beschrieben, indem der Verfasser sowohl das Basalglied als auch das dritte Glied übersehen hat. 3 Für speciellere Angaben vgl. G. O. Sars, Nye Bidr. t. Kundsk. om Middelh. Invertebratfauna. II. Middelhavets Cumaceer (Archiv f. Mathematik og Naturvidenskab 3.—4. Bind). 4 Nähere Angaben über den Epipodit und die Kieme der Cumaceen findet man bei Sars (z. B. Josephin. Cumaceer oder Middelh. Cumaceer). — Sars ist übrigens der Ansicht (Middelh. Cum., Arch. f. Math. og Nat. 3. Bd. pag. 463), dass derjenige Theil, den ich oben als den vorderen Zipfel des Epipodites gedeutet habe, als Exopodit zu deuten sei. Dieser Anschauung muss ich bestimmt entgegentreten. Die genannte Partie entspringt nicht, wie die Exopoditen es immer thun, vom zweiten Gliede, sie ist vielmehr nur ein integrirender Theil des vom Basalgliede entspringenden Epipodites und mit der hinteren Partie desselben auf das engste verbunden. Demnach wird es unmög- lich die Deutung von SARS zu acceptiren. 508 J. E. V. Boas welche sich wesentlich nur dadurch unterscheidet, dass am Innen- rande einige Haken vorhanden sind, wodurch der Kieferfuß mit seinem Gegenüber zusammengeheftet werden kann. — Auch das zweite Rumpffußpaar ist von den nachfolgenden, wenn auch weni- ger, verschieden (vgl. die Mysiden). Die drei folgenden Fußpaare (3.—5. Rumpffuß) sind im Wesentlichen mit einander übereinstim- mend!. Etwas abweichend verhalten sich wieder die drei letzten Paare (Fig. 15). | Den Rumpffüßen der Mysiden und Cumaceen schließen sich die entsprechenden der Tanaiden-Gattung Apseudes (Fig. 16—18) an. Das Basalglied ist kurz, das zweite Glied sehr lang (vgl. die Cu- maceen), das dritte sehr kurz, das siebente an der Spitze mit einem selbständigen Dorn versehen. Ein Exopodit ist nur am zweiten und dritten Rumpffuß (Fig. 16—18, ez) vorhanden und ist selbst hier ganz rudimentär. Ein Epipodit ist wie bei den Mysiden und Cumaceen nur am ersten Rumpffuß (Fig. 8) vorhanden;. derselbe verhält sich ähnlich wie bei den Mysiden. Auch hier sind Brutplatten vom Ba- salgliede einiger Rumpffüße entwickelt. — Der erste Rumpffuß (Fig. 8) ist weit kleiner als die folgenden und wie bei den Cumaceen ete. als Kieferfuß ausgebildet. Das Basalglied ist kurz, das zweite Glied lang; von diesem entspringt eine Kaulade, die eben so wie bei den Cumaceen mit Haken versehen ist. Nach dem zweiten Gliede folgen anscheinend nur vier andere Glieder; ich vermuthe aber, dass zwischen dem zweiten und dem anscheinend dritten Gliede ein kleines Glied versteckt ist, welches dann das wirkliche dritte Glied sein würde; ich glaube auch eine Andeutung eines solchen gesehen zu haben, darf mich jedoch über diesen Punkt nicht bestimmter aussprechen (vgl. auch das Verhältnis bei den Cumaceen). Ein Enddorn findet sich an diesem Fußpaare nicht?. — Das zweite Rumpffußpaar schließt sich eben so wie bei den übrigen Isopoden und bei den Amphipoden an die folgenden Paare. Dasselbe ist bekanntlich. was uns hier weniger interessirt, bei Apseudes cheli- 1 Es scheint sehr wenig angemessen den dritten Rumpffuß als »den dritten Maxillenfuß« zu bezeichnen, da er eben mit den zwei nachfolgenden, die nicht als Kieferfüße bezeichnet werden, genau übereinstimmt. 2 Die Angabe von G. QO. Sars (Rev. af Gruppen Isopoda chelifera, Archiv f. Math. og Naturv. B. 7, Sep. pag. 8), dass bei den »Isopoda chelifera« (Ta- naidae Dana) die Kieferfüße »basi connati« seien, ist jedenfalls für Apseudes unrichtig. Sie sind vielmehr eben so wie bei den übrigen Isopoden im Gegen- satz zu den Amphipoden vollkommen von einander frei. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 509 form; es besteht aus sieben Gliedern, von welchen das 3. und 4. jedoch unbeweglich verbunden sind, wenn auch (Fig. 18) durch eine deutliche Grenze getrennt. Vom dritten Rumpffuß (Fig. 16) sei nur bemerkt, dass das 7. Glied sehr schmal ist, nicht viel stärker als die dem 6. Gliede eingefügten großen Stachel. Dass es jedoch wirklich ein siebentes Glied repräsentirt erhellt nicht nur aus dem Vergleich mit den nachfolgenden Fußpaaren, sondern auch daraus, dass das- selbe an der Spitze mit dem gewöhnlichen selbständigen Enddorn und, eben so wie die vorhergehenden Glieder, mit zerstreuten Haa- ren versehen ist. (Von den Rumpffüßen der Gattung Tanais und deren nächster Verwandten — welche überhaupt nur als verkiim- merte Apseuden aufzufassen sind — bemerke ich nur, dass die Exo- poditen hier ganz fehlen.) Bei den echten Isopoden! ist das zweite Glied der Rumpf- füße eben so wie bei Apseudes und den Cumaceen sehr lang, das dritte Glied dagegen länger als bei jenen, gewöhnlich eben so lang oder länger als die folgenden; das siebente Glied trägt in der Regel einen Dorn an der Spitze. Die Exopoditen fehlen immer ganz. Ein Epipodit ist nur am ersten Rumpffuß vorhanden, übrigens in we- sentlich umgestalteter Form; denn anstatt wie bei den vorhergehen- den — noch bei den Tanaiden ist dieses der Fall — zart, dünn- häutig zu sein, stellt er eine derbe, mit einer dieken harten Cuticula bekleidete Platte dar, welche mit dem Endopodit zusammen dazu dient, die übrigen Mundtheile unten zu decken; dass dieselbe dem Epipodit entspricht, kann ich jedoch nicht bezweifeln, denn sie ent- springt an derselben Stelle wie der Epipodit von Apseudes und an- deren. Brutplatten werden vom Basalgliede einiger Rumpffüße (in verschiedener Zahl bei verschiedenen Formen) entwickelt (vgl. die unten, , pag.511, gegebene Liste). — Der erste Rumpffuß — Kieferfuß — ist gewöhnlich deutlich siebengliedrig?; das Basalglied ist kurz, das wohl entwickelte zweite Glied ist mit einer Kaulade ? versehen, die _ } Die »echten Isopoden« umfassen sämmtliche Isopoden mit Ausnahme der Übergangsfamilie der Tanaiden. Es sind übrigens nur die allgemeineren Züge, die oben hervorgehoben werden. 2 Ich fand sieben Glieder bei Arcturus longicornis, Sphaeroma rugicaudum, Cirolana sp., Aega crenulata (bei welcher das siebente Glied kurz, aber voll- kommen deutlich war), ferner bei einer Ligia-Art; bei Idothea balthica wa- ren das sechste und siebente. Glied verschmolzen, am Innenrande fand sich jedoch eine Einbuchtung als Andeutung der früheren Grenze; bei Oniscus und Philoseia waren statt der letzten fünf Glieder nur zwei vorhanden. 3 Die Benennung »Kaulade« involvirt nicht, dass ich von der betreffenden 510 J. E. V. Boas eben so wie bei den Mysiden, Cumaceen etc. vom oberen, inneren Theil des vorderen Endes des Gliedes entspringt: dieselbe ist ge- wöhnlich (vgl. die Cumaceen) mit einem, zwei oder mehreren Heft- haken versehen. Das dritte Glied des KieferfuBes ist recht wohl entwickelt. Interessant ist das Verhalten des Basalgliedes der sieben letz- ten Rumpffußpaare bei den Isopoden. Bei Asellus und der mit ihm nahe verwandten Janira ist das Basalglied der sechs letzten Paare ganz frei, von den betreffenden Rumpfsegmenten durch eine deutliche Gelenkhaut geschieden; dagegen ist das Basalglied des ‚zweiten Rumpffußes (des ersten Fußpaares autt.) mit dem ersten freien Rumpfsegmente, von dem es entspringt, fest verwachsen. Hieran schließen sich die Verhältnisse, die wir bei Idothea (Fig. 38), Sphaeroma (Fig. 39), Aega ete. finden. Bei diesen ist das Basal- glied der sechs letzten Paare zwar mit den respektiven Segmenten un- beweglich verbunden, andererseits aber von diesen — als dessen »Epi- meren« sie gewöhnlich, aber unrichtig, bezeichnet werden —, namentlich außen und oben, durch eine deutliche Grenzfurche getrennt: das Basalglied des zweiten Rumpffußes ist dagegen ganz in das erste freie Rumpfsegment aufgegangen — während es bei Asellus, wenn auch mit diesem verwachsen, dennoch recht deutlich unterscheidbar ist —, und nur der Vergleich mit den folgenden Füßen zeigt, dass das »Epimer« des ersten Segmentes wenigstens z. Th. aus dem Basalgliede des zweiten Rumpffußes gebildet ist, und dass das erste freie Glied dieses Fußpaares in der That das zweite Glied reprä- sentirt. Auch bei Ligia, dieser interessanten Ubergangsform zwi- schen den marinen und den landlebenden Isopoden, verhalten sich die Basalglieder noch ähnlich wie bei Sphaeroma ete.; bei Oniscus und wohl bei den meisten übrigen Land-Isopoden ist aber auch das Basalglied der sechs letzten Rumpffußpaare in die betreffenden Rumpfsegmente ganz aufgegangen, die frühere Grenze gänzlich verschwunden; die Verhältnisse sind somit hier an allen sieben Seg- menten wie am ersten Segmente bei Sphaeroma etc. Es versteht sich demnach von selbst, dass das anscheinend erste Glied der Onisken-Füße in der That das zweite ist, und dass dieselben, anstatt wie gewöhn- lich angenommen sechsgliedrig zu sein, wirklich siebengliedrig sind. Partie glaube, dass sie zum Kauen verwendet wird; ich gebrauche diesen Namen nur, um nicht beständig das, allerdings neutrale, lateinische »Lacinia« an- zuwenden. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 511 Bei den Amphipoden ist das zweite Glied lang, das dritte dagegen kurz, eben so wie bei den Cumaceen und bei Apseu- des. Die Exopoditen fehlen an sämmtlichen Füßen. Dasselbe gilt ebenfalls für die Epipoditen, indem auch der Epipodit des ersten Rumpffußes, den wir noch bei den meisten Isopoden finden, hier ganz abortirt ist. Es entspringen allerdings vom Basalgliede einiger (jedoch niemals des ersten und zweiten) der Rumpffüße eine dünn- häutige Platte, die als Kieme fungirt und allgemein als Epipodit gedeutet wurde. Ich kann mich jedoch dieser Deutung nicht an- schließen. Erstens entspringt dieser vermeintliche Epipodit nicht wie die wirklichen Epipoditen es immer thun, von der Außenseite des Basalgliedes, sondern von der Innenseite desselben etwas nach hinten zu, was ein Moment von der größten Gewichtigkeit ist. Dazu kommt aber noch, dass weder bei den echten Isopoden noch bei Apseudes, welcher der gemeinsamen Stammform der Amphi- und Isopoden nahe steht (vgl. späterhin), ferner weder bei den Cumaceen noch bei den Mysidaceen an den betreffenden Rumpffüßen jemals ein Epipodit vorhanden ist; die Existenz von Epipoditen an denselben bei den Amphipoden würde demnach als höchst fremdartig erscheinen nach der Stellung, welche die Amphipoden zu den ge- nannten Gruppen im »System« einnehmen (vgl. unten). Es scheint mir desshalb am meisten wahrscheinlich, dass die Kiemen der Amphipoden den Epipoditen von Nebalia, Thysanopus ete. nicht homolog sondern lediglich analog sind, dass sie mit anderen Wor- ten als Neubildungen aufzufassen sind. — Vom Basalgliede der Rumpffüße des dritten bis sechsten Paares (zuweilen jedoch nur von einigen derselben) entspringt je eine Brütplatte!. ! In dem nachstehenden Schema bedeutet ein + in der mit Rfa (Rf; etc.) überschriebenen Colonne, dass eine Brutplatte am zweiten (dritten etc.) Rumpffuß vorhanden ist: I#r| Bs Ef Rfs| Rfe| Bf,| Bf Lophogaster . ...... . | ae | spiel MEG Wi ls clad Bay te Bgreomysig ....-, «sauricinns + | + +1 +ı+|1+1'+ Mysis flexuosa ..... / +* +. + | * ist sehr klein. Diasiylia no ... . nya nah + +/+|+[+| Asellngia tees: 1: 9 ka +/+/+|+ | DET BR RE TE He + +++ | Idothea balthica. . ... t+iti+i +i t+ Arcturamer +. 00 +/+!/+J+ 512 J. E. V. Boas Das erste Rumpffußpaar (Fig. 9—9«a) ist eben so wie bei den vorhergehenden als Kieferfüße ausgebildet. Sie sind siebenglie- drig, das Basalglied ist immer mit seinem Gegenüber zu einem un- paarigen Stück verwachsen, während die übrigen Glieder (ge- wöhnlich) frei sind. Vom zweiten Gliede entspringt dieselbe Kau- lade wie bei den Isopoden ete., sie verhält sich ähnlich wie vorhin, entbehrt jedoch der Hefthaken, die wir bei den Isopoden und Cu- maceen fanden. Außerdem entspringt noch vom dritten Glied eine ähnliche Kaulade (die wir als die distale im Gegensatz zu der an- deren, der proximalen, bezeichnen wollen), welche den Amphipoden allein zukommt. Über das Basalglied der Rumpffüße des zweiten bis achten Paa- res theile ich Folgendes mit. Dasselbe ist gewöhnlich ziemlich groß, meistens plattenförmig, zusammengedrückt; es ist immer mit dem Rumpf unbeweglich verbunden, jedoch fast immer sowohl innen als außen durch eine deutliche Grenzlinie von demselben getrennt; es wird meistens als Epimer bezeichnet. Bei den Formen, welche wohl- entwickelte Basalglieder besitzen, sind dieselben am 2.—5. Rumpf- fuß sehr groß, und das zweite Glied dieser vier Fußpaare wird außen vom unteren Rande des Basalgliedes gedeckt. An den drei letzten Fußpaaren ist das Basalglied bedeutend kürzer, das zweite Glied da- kfy Rfs| Rfa| Bfs| Bfo| Rfı ifs Oniseus, Poreellio. . . . | +) +/+ {+ {+ Spliveromia sos Wess oh. +) +] + Oymothoa 4. sau], +i +)/+} +t) ei + Amiphithoe... fos Oye | + +!+1+ FEIDGlISeH, «2.0 ala + +++ Deordamme.s\. 7 7 U ae + +!+'+ Bypemmsare.. SENKEN | +/+/ + + GapRellaenr.s.,.: . Kur a ee ! Bei den Hyperihen ist das Kieferfußpaar (Fig. 10) Sir reducirt, be- steht aus einer unpaarigen Platte, deren vorderes Ende einen unbeweglichen behaarten Fortsatz und ein Paar beweglicher Blätter trägt. Ich glaube letz- tere sind als die dritten Glieder nebst den von selbigen’ entspringenden distalen Kauladen aufzufassen, während die unpaare Basalplatte: aus den ersten und zweiten Gliedern und der mediane Process aus den verschmolzenen pro- ximalen Kauladen gebildet ist, welche Deutung mit den gegenseitigen Lage- rungsbeziehungen der Theile in bestem Einklang ist. Bei Vibilia ist von der distalen Partie der Kieferfüße noch ein Rudiment vorhanden’ (M. EDWARDS, Hist. nat. d. Crust. Pl. 30 Fig. 2; selbst hatte ich leider nicht‘ gic diese interessante Gattung zu untersuchen]. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 513 für aber stark zusammengedrückt, und die zwei Glieder sind in der Weise mit einander verbunden, dass das Basalglied des 6.—7. Rumpf- fußes den vorderen oberen Winkel des zweiten Gliedes außen deckt, und selbst vom hinteren oberen Winkel desselben Gliedes gedeckt wird (Fig. 21). Am achten Rumpffuße ist es dagegen an- ders: hier wird der hintere obere Winkel des zweiten Gliedes vom Basalgliede gedeckt (Fig. 22). ; Die Rumpffüße der Dekapoden habe ich schon in einer frühe- ren Arbeit recht ausfiihrlich behandelt und hebe an dieser Stelle nur einzelne Punkte hervor. Ein Exopodit ist an den drei vorderen Rumpffußpaaren (den Kieferfüßen) fast immer vorhanden, ist hier selbst noch bei den höch- sten Dekapoden, den Brachyuren, wohl entwickelt, für die Lokomotion jedoch (bei den Erwachsenen) ohne jegliche Bedeutung. Dagegen ist ein Exopodit nur ganz ausnahmsweise bei erwachsenen Dekapoden an den fünf hinteren Rumpffußpaaren (den Thoraxfüßen), und selbst dann nur schwach, entwickelt (bei Penaeus und einzelnen Eukypho- ten); die meisten Dekapoden (excl. Astacus, Anomala, Brachyura) durchlaufen aber ein »Mysis-Stadium«, in welehem auch die Thorax- füße einen Exopodit besitzen!. — Ein Epipodit kann an allen Rumpffüßen mit Ausnahme des letzten Paares vorhanden sein; häufig fehlen jedoch einige derselben, während sie andererseits sehr selten sämmtlich ausgefallen sind (Leueifer). Sie haben keine oder eine sehr geringe respiratorische Bedeutung und sind immer einfache Platten. Das Basalglied des ersten Rumpffubes (ersten Kieferfußes) trägt eine Kaulade (»Lacinia interna«), das zweite eine eben solche (»Lacinia media«); letztere ist nicht wie das ähnliche Gebilde bei den Mysi- den, Cumaceen, Iso- und Amphipoden ein von der oberen inneren Partie des Gliedes entspringender Process, sondern der vergrößerte Innenrand selbst, und wird desshalb auch nicht von der distalen Par- tie des Endopodites, wie bei jenen, gedeckt: die Laeinia media der Dekapoden ist der Kaulade des Maxillenfußes der genannten Grup- pen nur analog. Der distale Theil des Endopodites ist immer nur ziemlich schwach und wird als »Lacinia externa« bezeichnet. Im Gegensatz zu den folgenden Fußpaaren ist der Endopodit des ersten Kieferfußes nur ausnahmsweise, bei einigen Penaeiden (Penaeus, sehr 1 Die Eukyphoten entbehren im Mysis-Stadium am letzten Thoraxfu8 den Exopodit. 514 J. E. V. Boas schön bei Cerataspis, Fig. 38 meiner »Decapodernes Slaegtskabsfor- hold«), siebengliedrig; gewöhflieh ist die »Lacinia externa« anstatt fünfgliedrig auf wenigere Glieder beschränkt. An den zwei folgenden Kieferfüßen ist das zweite Glied immer mit dem dritten verwachsen, eine Grenze ist jedoch gewöhnlich vor- handen. Der zweite Kieferfuß ist immer von den Thoraxfüßen sehr verschieden; dasselbe gilt ebenfalls für den dritten Kieferfuß der höheren Formen (Reptantia) ; aber selbst bei den Penaeiden, wo der dritte Kieferfuß sogar etwas länger ist als der erste Thoraxfuß, ist der Unterschied zwischen ihm und den Thoraxfüßen, wie ich auch schon früher (Decap. Slaegtskabsf. pag. 29—30 [7—8]) hervorgeho- ben habe, dennoch sehr groß. Schon bei Penaeus gestaltet das dritte Kieferfußpaar sich als eine, wenn auch noch wenig vollkom- mene, untere Decke für die übrigen Mundfüße, was dasselbe bekannt- lich bei den Brachyuren in vorzüglichem Grade wird; schon bei Penaeus ist dasselbe nach vorn gerichtet, das dritte Glied ist im Gegensatz zu dem entsprechenden der Thoraxfüße sehr lang und mit einer bei den meisten Dekapoden sich wiederfindenden »Crista den- tata« versehen, die Behaarung ist reichlich und eigenthümlich, und der Exopodit ist wohl entwickelt und hilft die Decke bilden. Die fünf letzten Rumpffußpaare der Dekapoden, die Thoraxfüße, bestehen bei den Natantia aus sieben freien Gliedern. Bei den Reptantia ist am ersten Thoraxfuß immer das zweite und dritte Glied mit einander verwachsen, und bei allen Reptantia mit Ausnahme der Homariden ist dasselbe auch mit den übrigen Thoraxfüßen der Fall!. Eine deutliche Grenze ist jedoch immer zwischen den zwei verwachsenen Gliedern vorhanden; an der Stelle der früheren Gelenkhaut scheint ein äußerst kurzer unverkalkter Chitinring (von außen als eine scharfe Linie erscheinend ?2), gewissermaßen eine un- 1 Spence BATE hat im zweiten Band der von ihm und WESTWOOD ver- fassten Arbeit »British Sessile-eyed Crustacea« pag. XVIII-XIX die wunder- bare Ansicht ausgesprochen, dass das Basal-Glied der Thoraxfüße bei den Brachyuren mit dem Sternum verschmolzen sei, vermuthlich um somit die Sechs- Gliedrigkeit der Thoraxfüße zu erklären: ich bemerke hierzu ‘ur so viel, dass ein einigermaßen genauer Vergleich eines beliebigen Brachyuren mit ein paar anderen Reptantia den Verfasser leicht vor diesem groben Irrthum hätte be- wahren können. Sehr merkwürdig erscheint es, dass auch ein Forscher wie CLAaus (Crustaceen-System pag. 67—68) dieselbe Anschauung wie Sp. BATE, wenn auch nicht mit der gleichen Bestimmtheit, ausspricht. 2 Dieselbe darf nicht mit den verschiedenen anderen Linien und Furchen verwechselt werden, welche an dem Doppelgliede vorhanden sein kénnen und Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 515 gemein verkürzte Gelenkhaut, vorhanden zu sein: der Thoraxfuß bricht an dieser Stelle sehr leicht entzwei und die Bruchfläche ist immer ganz eben und regelmäßig; öfters sind auch Spuren der frü- heren Gelenkknöpfe vorhanden’. Das siebente Glied der Thoraxfüße der Dekapoden ist öfters zugespitzt. Dies beruht jedoch nicht wie bei den Mysiden, Cuma- ceen, Iso- und Amphipoden darauf, dass ein selbständiger Dorn dem Ende des Gliedes angefügt ist, sondern fast immer: auf einer einfachen Zuspitzung des Gliedes selbst. Während die Verhältnisse der Malakostraken-Rumpffüße sich sonst sehr klar gestalten, ist dies nicht ganz so bei den Squilli- den der Fall. Die fünf vorderen Paare sind alle wesentlich mit einander übereinstimmend; der Endopodit derselben besteht aus sechs Gliedern; wie die typische Anzahl von sieben Gliedern hier auf sechs beschränkt wurde, ob durch Verwachsung zweier Glieder oder dadurch, dass eines abortirte, kann ich nach einer Untersuchung sowohl Erwachsener als Larven nicht entscheiden. Der erste Rumpf- fuß zeichnet sich im Vergleich mit den vier folgenden Paaren durch seine Dünnheit und durch das ziemlich große vierte Glied aus; der zweite durch seine bedeutende Stärke und durch die Kürze des zwei- ten Gliedes. Die fünf ersten Paare sind mit einem Epipodit ver- sehen, welcher an der gewöhnlichen Stelle entspringt und von ein- facher, plattenförmiger Gestalt ist; dagegen fehlt ein Exopodit an diesen Fußpaaren gänzlich. — Sehr abnorm sind die drei letzten Fußpaare gebaut. Wir finden an ihnen ein kurzes Basalglied, dann folgt ein langes zweites Glied, dann ein kurzes, unregelmäßig ge- formtes und gefurchtes drittes Glied, schließlich zwei ziemlich lange Endglieder. Von dem dritten Gliede entspringt außen ein Anhang, den ich als Geißel des Exopodites deute; der Schaft dessel- ben ist nach meiner Meinung mit dem kurzen dritten Glied verwach- sen, wodurch der Anschein entsteht, als ob der Exopodit vom drit- ten Gliede entspringe. Ich darf jedoch nicht verhehlen, dass ich selbst diese Erklärung lediglich nur als einen Versuch betrachte; die Untersuchung von Larven hat mich auch hier keinen Schritt wei- ter gebracht. An den drei letzten Fußpaaren fehlt der Epipodit. deren Homologa mit einiger Aufmerksamkeit an den zwei entsprechenden freien Gliedern von Homarus nachgewiesen werden können, 1 Selten ist auch das dritte Glied mit dem vierten verwachsen, wie ich es bei einigen Oxystomen am ersten Thoraxfuß gefunden habe. 516 J. E. V. Boas Die folgenden kurzen Bemerkungen über die Richtungen der Malakostraken-Rumpffüße — ein Thema, das bis jetzt so gut wie gar nicht bearbeitet wurde, und dennoch vielfach Interesse darbietet — möchte ich als eine Skizze betrachtet bitten. Bei den Euphausiden liegt die Hauptbiegungsstelle aller Rumpffüße im Gelenke 4—5!; die proximale Partie des Fußes, aus den ersten vier Gliedern. bestehend, ist nach vorn, die Spitze des Fußes nach hinten und unten gerichtet”. — Bei den Pe- naeiden sind die Verhältnisse (vom ersten Kieferfuß abgesehen) ähnlich, nur sieht die Spitze des vierten Gliedes nicht nur nach vorn sondern auch, in so fern von den Thoraxfüßen die Rede ist, etwas nach außen; ferner kann die Spitze des vierten Gliedes nach vorn und oben gerichtet werden, und wenn dann der Fuß nicht sehr stark im Gelenk 4—5 gebogen ist, ist die Spitze des Fußes nach unten und vorn gerichtet. An die Penaeiden schließen sich mehr oder weniger eng die übrigen Dekapoden. Bei den Mysiden liegt die Hauptbiegungsstelle dagegen im Gelenk 5—6. Der proximale Theil des Fußes ist nach vorn ge- richtet. An den vorderen Rumpffüßen ist die Spitze des Fußes (wenn derselbe im Gelenk 5—6 gebogen ist) nach hinten und etwas nach innen, an den hinteren Paaren dagegen nach innen und etwas nach vorn gerichtet. Wenn die Füße im Gelenk 4—5 gebogen sind, ist der Winkel zwischen den zwei Gliedern (vierten und fünften) vorn und außen offen, in geradem Gegensatz zu den Euphausiden, wo dieser Winkel nach hinten offen war. — Ähnlich wie bei den Mysiden verhalten sich auch die Cumaceen®. Bei Asellus (vgl. Fig. 19—20) ist die Hauptbiegungsstelle ebenfalls im Gelenke 5—6. Das lange zweite Glied ist nach 1 Das Gelenk 4—5 ist das Gelenk, welches das vierte und fünfte Glied verbindet. Dieselbe Bezeichnungsweise habe ich schon in meinen Dekapoden- Studien angewendet. 2 Hier wie im Folgenden ist nur von den gewöhnlichen Richtungen der Füße die Rede. Die Füße können natürlich auch in anderer Weise gerichtet werden; aber eben so wie man gewiss vom Hunde sagen kann, dass das Knie nach vorn, die Ferse nach hinten, die Spitze des Fußes nach vorn gerichtet sind, so kann man auch von den Euphausiden sagen, dass die Spitze der Rumpf- füße nach hinten gerichtet ist ete. 3 Die hier erwähnten Verhältnisse werden durch mehrere der Profilfiguren in Sars, Careinol. Bidrag,t. Norges Fauna I, Mysider, und in desselben Verf. Arbeit über die Mittelmeer-Cumaceen (Archiv f. Math. og Naturvid. 3. u. 4. Bd.) recht gut illustrirt. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 517 unten gerichtet, die drei folgenden Glieder, welche unter einan-. der nur wenig beweglich sind, sind nach außen, an den vorderen Füßen dazu etwas nach vorn, am (fünften)! sechsten, siebenten und achten Rumpffuß etwas nach hinten gerichtet. Wenn der Fuß im Gelenke 5—6 gebogen ist, ist die Spitze des Fußes an den vorde- ren nach innen und hinten, an den drei hinteren Paaren nach innen und vorn gerichtet. Die verschiedenen Richtungen der einzelnen Fußpaare beruhen bei Asellus (und wohl auch bei den Mysiden) dar- auf, dass das Basalglied sich, wenn man von vorn nach hinten geht, allmählich dreht. — Ähnlich sind die Verhältnisse bei Sphaeroma, Eurydice (einem Cirolaniden), bei Ligia, Oniscus ete.; bei den Land-Isopoden ist das zweite Glied jedoch nicht nur nach unten, sondern auch stark nach innen gerichtet ?. Die Verhältnisse, die wir bei den Amphipoden finden, sind von solchen wie bei Asellus abzuleiten. Sie unterscheiden sich eigentlich nur dadurch, dass das dritte bis fünfte Glied nicht mehr nach außen gerichtet sind, sondern entweder gerade nach vorn (und unten) oder, an den drei hinteren Paaren, nach hinten gerichtet sind. Der Gegensatz zwischen den vorderen und den drei hinteren Rumpffußpaaren wird dadurch ein ganz schroffer und unvermittelter. Übrigens sind die Verhältnisse wesentlich wie bei Asellus: das zweite Glied nach unten gerichtet, Hauptbiegungsstelle im Gelenke 5—6, die Spitze der vorderen Füße nach hinten, der hinteren nach vorn gerichtet. g. Die Schwanzfüße (Fig 80 u. fig.). Es sind bei den Malakostraken typisch sechs Schwanzfußpaare vorhanden, von welchen jedoch nicht ganz selten ein oder mehrere Paare fehlen. Jeder Schwanzfuß besteht aus einem Endo- und Exopodit; jener wird wieder aus einem zweigliedrigen Schaft und einem ungegliederten aber gewöhnlich geringelten Endblatt zusam- mengesetzt; am Ende des Schaftes, also wie immer vom zweiten 1 Das fünfte Rumpffußpaar nimmt in seinen Verhältnissen eine Zwischen- stellung zwischen den vorhergehenden und den nachfolgenden ein. 2 Etwas geändert sind die Verhältnisse bei Idothea,‘in so fern als das Gelenk 5—6 nur wenig beweglich ist und das sechste Glied mit den drei vor- hergehenden in einer Reihe liegt, während das Gelenk 6—7 dagegen sehr be- weglich ist (das siebente, verhältnismäßig sehr große Glied vertritt gewisser- maßen physiologisch das 6. + 7. Glied bei anderen Isopoden). Morpholog. Jahrbuch. 8. 35 518 J. E. V. Boas Gliede des Endopodites, entspringt außen der Exopodit, welcher in der Regel dem Endblatte des Endopodites ähnlich ist. Von den zwei Schaftgliedern ist das basale immer sehr kurz, das zweite dagegen gewöhnlich recht lang. Das Außenblatt (der Exopodit) bietet nur wenig Interessantes dar. Am Innenblatte findet man bei den Euphausiden, bei vielen Dekapoden (Eukyphoten, Thalassini- den etc.) und bei noch mehreren Dekapod-Larven (im Natant- Stadium !) so wie bei den Squilliden? — dagegen niemals bei den übrigen vier Hauptabtheilungen der Malakostraken — eine Appen- dix interna, d. h. einen kleinen vom Innenrande entspringenden, an der Spitze mit Haken versehenen Anhang, wodurch die Schwanz- füße mit ihren Gegenüber zusammengeheftet werden. Bei den Cu- maceen und bei sehr vielen Iso- und Amphipoden (bei der letzt- genannten Abtheilung nur an den drei vorderen Paaren) wird das- selbe durch eine analoge Einrichtung bewerkstelligt; es entspringt hier am Schafte eine kleine Gruppe von Haken, welche dieselbe Funktion wie die Appendix interna bei jenen haben. Die genannten Einrichtungen (Appendix interna und Hefthaken) fehlen jedoch immer am letzten Schwanzfußpaare, das überhaupt in mehreren Rücksichten eine eigenthümliche Stellung einnimmt. Das- selbe ist immer nach hinten gerichtet, gewöhnlich anders als die vorhergehenden gestaltet — der Schaft ist in der Regel kurz, die zwei Blätter nicht oder nur spurweise geringelt —, und bildet mit dem siebenten (fußlosen) Segment zusammen die für die Malakostra- ken eigenthümliche »Schwanzflosse«, die jedoch nur bei den Euphausiden, Dekapoden, Squilliden und Mysidaceen gut ausgebil- det ist, während sie bei den übrigen — Cumaceen, Iso- und Amphi- poden mehr oder weniger rückgebildet erscheint. — Auch das erste oder die zwei ersten Fußpaare sind öfters abweichend gestaltet; namentlich erinnere ich daran, dass bei Euphausiden, Squilliden, Dekapoden und Isopoden das erste und zweite Fußpaar beim Männ- chen in verschiedener Weise als Copulationsorgane ausgebildet sind ; ferner ist bei allen Dekapoden, namentlich aber bei den Reptantia, das erste Paar beim Weibehen mehr oder weniger rückgebildet. 1 Vgl. meine »Studier over Decap. Slaegtskabsforh.« 2 Auch bei Nebalia sind die vorderen Schwanzfußpaare mit einer Ap- pendix interna am Innenblatte versehen (Fig. 81). Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 519 B. Die Euphausiden. _ Eine der interessantesten Crustaceen ist die Gattung Nebalia, welche besonders dadurch sehr wichtig wird, dass sie eine Übergangs- form! zwischen den Phyllopoden? und Malakostraken dar- stellt. Sie wird von einigen Verfassern mit jenen, von anderen mit diesen zusammengestellt, und in der That schließt sie sich auch in vielen Hinsichten näher an die Phyllopoden, in anderen an die Malakostraken. Das Schild ist noch wesentlich das der Phyllo- poden: es umgiebt mantelförmig einen großen Theil des Körpers und der Gliedmaßen, wogegen dasselbe bei den Malakostraken immer nur den eigentlichen Rumpf umschließt, während die Gliedmaßen und der Schwanz frei sind; die acht Rumpffußpaare sind ebenfalls ganz phyllopod-artig: es sind breite Platten mit einem blattförmigen Exopodit. Andererseits ist der hintere Abschnitt des Körpers in einem bestimmten Gegensatz zu dem vorangehenden entwickelt, namentlich ist die betreffende Partie, der Schwanz, mit ähnlichen Gliedmaßen wie bei den Malakostraken versehen: und der Rumpf- Abschnitt besitzt dieselbe Anzahl von Gliedmaßen wie bei diesen. Der Schwanz besteht aber aus einer größeren Anzahl von Gliedern (acht) als bei den Malakostraken und ist an der Spitze mit den ! Dies ist schon vor vielen Jahren von MILNE EDwARDS hervorgehoben worden (Note s. le genre Nébalie. Ann. d. Sc. nat. 2. Ser. Tome 3, Zool., 1835, pag. 311): »Il me parait evident que d’apres leur mode d’organisation, ils tendent 4 établir le passage entre les Mysis et les Apus.« (CrAus [Bau und syst. Stell. von Nebalia, Zeitschr. f. wiss. Zool. 22. Bd. pag. 324] schreibt unrichtig diese Bemerkung LATREILLE zu und weist auf Regne animal, 2. Edit. Tome 4 pag. 584 hin, wo ich jedoch eine solche Bemerkung nicht habe finden können.) ? Die Abtheilung Phyllopoda wurde 1802 von LATREILLE (Hist. nat. d. Cru- stacés et d. Insect. Tome 3, An X, pag. 16) für die Gattung Apus errichtet. In Regne animal (Tome 3, 1817, pag. 66—68) wurden die Gattungen Artemia und Branchipus in dieselbe von LATREILLE aufgenommen. Die Gruppe Bran- chiopoda desselben Verfassers (Regne animal Tome 3, 1817) umschließt Phyllo- poden, Cladoceren, Ostrakoden etc. und wurde von MILNE Epwarps (Hist. nat. d. Crust. Tome 3, 1840) — welcher Nebalia und Limnadia mit den Phyllopo- den vereinigte — auf die zwei ersteren Abtheilungen beschränkt. Es muss demnach gewiss befremden, wenn einige spätere Verfasser, z. B. CLaus, die Namen Branchiopoda und Phyllopoda mit einander umtauschen; bei CLAus (Grundz. d. Zool. 4. Aufl.) sind die Branchiopoden eine Unterabtheilung der Phyllopoden, während bei den älteren die Phyllopoden eine der Unterabtheilun- gen der Branchiopoden bilden; die Phyllopoden Craus’ entsprechen ganz den Branchiopoden M.E., die Branchiopoden CLAus’ den Phyllopoden M. E. (+ Ne- balia). Ein solcher Namensumtausch ist gewiss unberechtigt und keineswegs gliick- lich. Ich gebrauche die Benennungen Branchiopoda und Phyilopoda eben so wie M. EDWARDS. 35* 520 J. E. V. Boas zwei bekannten Phyllopoden-Anhängen versehen ete. Unter diesen Umständen erscheint es ziemlich willkürlich, ob man Nebalia unter die Malakostraken oder unter die Phyllopoden einrangirt; da dieselbe jedoch unter den Malakostraken, welche sonst in hohem Grade ein abgerundetes Ganzes darstellen, trotz der unverkennbaren Verwandt- schaft etwas fremdartig erscheinen würde, scheint es mir am meisten angemessen dieselbe den Phyllopoden einzuverleiben, von welchen jenes nicht in demselben Grade gilt!. Dies ist übrigens ein Punkt von ganz untergeordneter Bedeu- tung. Dasjenige, worauf es uns hier ankommt, ist, dass Nebalia ganz zweifellos eine Übergangsform zwischen den Phyllopoden und den Malakostraken ist. Da aber ferner die Phyllopoden im Ver- gleich mit den Malakostraken die primitivere Gruppe ist, oder, um uns in einer Weise auszudrücken, welche sicher keinen Widerspruch finden wird, eine Gruppe ist, welche Formen ? umfasst, die primiti- ver sind als irgend ein Malakostrak, so ist Nebalia eine Übergangs- form von den Phyllopoden zu den Malakostraken, und dieselbe wird uns desshalb als Ausgangspunkt von der größten Bedeutung. Ich muss jedoch sofort bemerken, dass Nebalia nicht in dem. Sinne eine Übergangsform von den Phyllopoden zu den Malakostra- ken ist, dass die letztere Gruppe direkt von ihr abzuleiten sei; sie steht nicht auf dem geraden Weg von den Phyllopoden zu den Ma- 1 Prof. Craus (Ü. d. Bau u. d. system. Stellung v. Nebalia, Zeitschr. f. wiss. Zool. 22. Bd. pag. 323 u. flg. und Crustaceen-System) hat, wie es mir scheint etwas einseitig, diese Form als Malakostrak in Anspruch genommen. Die Gründe, welche der Verf. dafür aufführt, sind nicht immer stichhaltig; er meint z.B. die gestielten Augen der Nebalia (Zeitschr. f. wiss. Zool. 22. Bd. pag. 325) sollten einen Malokostraken-Charakter abgeben, ohne jedoch, wie es scheint, zu erinnern, dass auch Branchipus mit beweglichen Stielaugen ausgestattet ist; ferner spricht er (l. e. pag. 326) aus, dass die »Annäherung« der »sogenannten Phyllopodenfüße der Nebalia« »zu den Spaltfüßen der Podophthalmen« »sogar so weit geht, dass wir sämmtliche Theile und Abschnitte der letzteren in dem Nebaliafuße vertreten finden«; aber auch bei den Phyllopoden, ja sogar bei den Cladoceren findet man dieselben Theile — Endo-, Exo- und Epipodit — wie im NebaliafuBe; der einzige Malakostraken-Charakter, den ich überhaupt in den Rumpffüßen der Nebalia finden kann, ist die Siebengliedrigkeit des Endopodites, die jedenfalls nicht mit derselben Deutlichkeit bei den übrigen von mir unter- suchten Phyllopoden hervortritt — ein Charakter, welcher übrigens nicht beson- ders von Prof. CLAUS hervorgehoben wurde. 2 Solehe Formen wie Apus und Branchipus, mit einer großen Anzahl von Segmenten und von gleichgebildeten Gliedmaßen, mit einem langen röhrenför- migen Herz, welches eine große Anzahl von Spalten besitzt, die eben so wie die zahlreichen, gesonderten Ganglien metamerisch geordnet sind. Stulien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 524 lakostraken, sondern etwas seitlich. Dies zeigt sich in verschiedenen Verhältnissen. Wenn wir z. B. bei verschiedenen Phyllopoden (Limnetis ete.) und bei den von diesen abzuleitenden Cladoceren an den Antennen (hinteren Antennen) einen Exopodit finden, wenn wir ferner einen Exopodit an demselben Gliedmaßenpaar vieler Ma- lakostraken finden, so ist es klar, dass derselbe aller Wahrschein- lichkeit nach bei einer Übergangsform 8. str. zwischen den Phyllo- poden und den Malakostraken ebenfalls vorhanden gewesen ist: bei Nebalia fehlt aber der genannte Exopodit. — Bei Nebalia ist ferner das fünfte und sechste Schwanzfußpaar beinahe rudimentär, welches nicht bei einem der Vorfahren der Malakostraken der Fall gewesen sein kann; denn bei den Malakostraken sind sie gewöhnlich sehr wohl entwickelt. — Bei den Phyllopoden und bei gewissen Mala- kostraken schlüpft das Junge als Nauplius aus dem Ei heraus; hier- aus müssen wir schließen, dass auch die Zwischenformen zwischen Phyllopoden und Malakostraken ein freies Nauplius-Stadium be- saßen; bei Nebalia fehlt jedoch ein solches, das Junge ist, wenn es das Ei verlässt, weiter entwickelt. Aus diesen verschiedenen Mo- menten dürfen wir schließen, dass Nebalia keine direkte Ubergangs- form zwischen den Phyllopoden und den Malakostraken ist, während übrigens ihr Bau deutlich genug zeigt, dass sie einer solchen nahe gestanden hat. Das Verhältnis der Nebalia zu den mehr typischen Phyllopoden und zu den Malakostraken wird durch das folgende Schema illustrirt: Malakostraken Nebalia Phyllopoden. Unter den Malakostraken ist die Gattung Thysanopus nach meinem Dafürhalten unbedingt diejenige Form, welche den Phyllo- poden, besonders der Nebalia, am nächsten steht, oder was auf das- selbe auskommt: Thysanopus nimmt im Ganzen unter den Malakostraken die primitivste Stellung ein. 522 J. E. V. Boas Besonders für die Stellung des Thysanopus charakteristisch sind die Verhältnisse, welche die Rumpffüße darbieten. Eben so wie bei Nebalia, aber im Gegensatz zu allen im Folgenden behandelten Gruppen, ist keiner der Rumpffüße als Kieferfuß entwickelt, die vor- deren Rumpffußpaare verhalten sich morphologisch und physiologisch wie die hinteren. Ferner ist Thysanopus dadurch von allen übrigen Malakostraken! abweichend, dass simmtliche Rumpffüße eben so wie bei Nebalia mit einem wohlentwickelten Exo- und Epipodit ver- sehen sind, während bei den übrigen entweder der Exopodit oder Epipodit oder alle beide an einigen (oder allen) Rumpffüßen fehlen. Auch das Endglied der Rumpffüße zeigt ein charakteristisches Ver- halten: es ist am Ende eben so wie bei Nebalia einfach abgerundet, nicht wie bei den Squilliden oder bei den Dekapoden zugespitzt, auch nicht wie bei den übrigen (Mysiden, Cumaceen, Iso- und Amphipoden) mit einem Enddorn versehen. Ferner ist die Übereinstimmung zwischen der zweiten Maxille von Thysanopus und von Nebalia eine sehr innige (vgl. Fig. 24 und 23). Der Palpus ist zwar bei dieser zweigliedrig, bei jener nur eingliedrig, und der Exopodit ist kleiner bei Thysanopus als bei Nebalia, übrigens ist aber eine überraschende Ähnlichkeit vor- handen: die Kauladen sind bei beiden zweispaltig und gerade nach innen gerichtet ete.; die Übereinstimmung wird namentlich dann augenfällig, wenn man die Maxillen mit den entsprechenden anderer Malakostraken vergleicht (vgl. die folg. Figuren). Wir haben diese Charaktere zuerst genannt, weil dieselben di Thysanopus (und den übrigen Euphausiden) allein zukommen: alle übrigen Malakostraken haben sich in den betreffenden Verhältnissen weiter vom ursprünglichen entfernt. Die folgenden Charaktere hat Thysanopus wohl mit einigen der übrigen gemein, aber dennoch illustriren dieselben sehr gut seine »systematische« Stellung. Die Antennen sind z. B., eben so wie bei vielen Phyllopoden und Cladoceren, mit einem wohl entwickelten Exopodit versehen, welcher im Jugendzustande ganz ähnlich wie bei der erwachsenen Estheria, Limnadia und Limnetis geißelförmig ist; dasselbe ist auch noch bei einigen Penaeiden-Larven der Fall. — Die erste Maxille besitzt einen großen Exopodit, welcher nur noch bei Mysiden und Dekapoden vorhanden sein kann, und wenn vorhanden 1 Unter »den übrigen Malakostraken« begreife ich hier die Malakostraken mit Ausnahme der Euphausiden. Die zwei anderen Gattungen, die außer Thysano- pus dieser Gruppe angehören, schließen sich im Ganzen sehr genau an denselben. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 593 sonst gewöhnlich in rudimentärster Form erscheint. — Die Schwanz- füße sind eben so wie bei Nebalia mit einer Appendix interna versehen und eben so wie bei dieser sind sie kräftige Schwimm- werkzeuge. — Die Spermatozoen (Fig. 90), die bisher unbekannt waren, sind ganz einfache, rundliche oder ovale Zellen. ohne Fort- sätze irgend einer Art, dagegen mit einem deutlichen Kern, welcher sich durch Karmin lebhaft färbt. Ähnliche Spermatozoen findet man auch bei den Squilliden !, sonst aber bei keinen anderen Malakostra-. ken; dagegen sind die Spermatozoen der Phyllopoden ebenfalls einfache kernhaltige Zellen ohne Fortsätze?. — Sehr charakteri- stisch ist auch die Entwicklung. Eben so wie Phyllopoden, Cla- doceren und andere niedere Crustaceen durchläuft Euphausia? — für Thysanopus sind die frühen Entwicklungsstufen des Larvenlebens unbekannt — ein frei herumschwimmendes Nauplius-Stadium, welches sonst bei keinen Malakostraken mit Ausnahme gewisser Pe- naeiden vorhanden ist. Sehr interessant ist die eigenthümliche Ge- stalt des Schildes an gewissen Entwicklungsstufen, indem dasselbe mantelförmig nicht nur den Rumpf und einen Theil des Schwanzes sondern auch die Rumpffüße umhüllt* (vgl. die Phyllopoden). Aus allen diesen Momenten geht wohl deutlich hervor, dass Thysanopus — und die mit ihm nahe verwandte Euphausia — unter den Mala- kostraken eine primitive Stellung einnimmt; recht deutlich wird dies jedoch erst werden, wenn wir die übrigen Malakostraken-Ordnungen betrachtet haben °. Eben so wenig wie Nebalia im strengsten Sinne des Wortes eine 1 GROBBEN, Beitr. z. Kenntn. d. männlich. Geschlechtsorg. d. Dekap. pag. 25 (Arb. d. zoolog. Inst. z. Wien I). 2 Für Branchipus und Artemia vgl. LEYDIG in Zeitschr. f. wissensch. Zool. 3. Bd. pag. 298—299; fiir Apus KozusowskxI in Archiv f. Naturg. 23. Jahrg. 1. Bd. pag. 316. 3 METSCHNIKOFF, U. d. Naupliuszustand von Euphausia in Zeitschr. f. wiss. Zool. 21. Bd. pag. 397 u. fig. 4 CLAUS, Einige Schizopoden etc. in Z. f. wiss. Zool. 13. Bd. Taf. 29 Fig. 47, und desselben Verf. Crustaceen-System Taf. 1 Fig. 3—4. ; 5 Am letzten Schwanzsegment der Euphausiden, etwas vor dem zugespitz- ten Ende desselben, ist ein Paar ziemlich großer, schmaler zugespitzter Blätter seitlich eingelenkt, welche den bekannten Anhängen, die sich typisch am Ende des Schwanzes der Branchiopoden finden — noch bei Nebalia sind sie in guter Ausbildung vorhanden —, entsprechen dürften. Ist diese Auffassung richtig, dann ist das Vorhandensein dieser Gebilde ein weiteres Anzeichen der primiti- ven Stelle der Euphausiden, denn solche Anhänge finden sich sonst bei keinen Malakostraken. 594 J. E V. Boas Übergangsform war, eben so wenig ist aber Thysanopus in dem Sinne eine Stammform der ganzen Malakostraken-Gruppe, dass alle übri- gen Malakostraken von ihm direkt abzuleiten seien. Die gemeinsame Stammform des Thysanopus und der übrigen hat ihm sicher nahe gestanden, dieselbe hat sich jedoch zweifellos in mehreren Hinsich- ten von Thysanopus abweichend verhalten. Es versteht sich von selbst, - dass die genannte Stammform mit einem wohl entwickelten Endopodit am achten Rumpffuße versehen war, nicht wie bei Thy- sanopus mit einem sehr rückgebildeten. Sie hat ferner, da sowohl die Dekapoden wie die Squilliden — wie auch Nebalia — einfache, unverästelte Epipoditen besitzen, kaum solche verästelte Epipoditen wie Thysanopus gehabt. Bei dieser Gattung ist der Palpus der ersten Maxille nur eingliedrig, während derselbe bei Apseudes und anderen zweigliedrig, bei Penaeus sogar drei- bis viergliedrig ist; man muss demnach gewiss annehmen, dass der Palpus auch bei der Stammform viergliedrig gewesen ist. In ähnlicher Weise müssen wir schließen, dass die zweite Maxille unseres Malakostraken-Ahnes mit einem mindestens dreigliedrigen Palpus, nicht wie Thysanopus mit einem eingliedrigen, versehen war. Es ist wohl auch wahr- scheinlich, dass derselbe eine größere Anzahl freier, vollständiger Rumpfringe als Thysanopus besaß. (Bei diesem ist nur das hinterste Rumpfsegment mit einer Dorsalpartie versehen, an den übrigen fehlt dieselbe, sie bestehen nur aus einem sternalen und zwei seitlichen Theilen; übrigens ist nur das vorderste Rumpfsegment mit dem Kopf verschmolzen, die sieben folgenden sind frei und durch Gelenkhäute unter einander und mit dem vordersten verbunden. Die Mysiden | verhalten sich wie Thysanopus mit der Ausnahme, dass bei ihnen die fünf letzten Rumpfsegmente vollständig, das heißt mit Dor- salpartien versehen sind; vgl. die späterhin gegebenen näheren Aufschlüsse.) Trotzdem muss es jedoch bestimmt hervorgehoben werden, dass Thysanopus im Ganzen die primitivste Form unter allen bekannten Malakostraken i-t. Wenn wir Nebalia — den äußersten Punkt innerhalb der Phyllopoden gegen die Malakostraken hin — und Thysanopus — denjenigen der Malakostraken, welcher den Phyllopoden am nächsten steht — mit einander vergleichen, dann kann man nicht umhin zu bemerken, dass trotz aller Übereinstimmung tiefe und eingreifende Unterschiede vorhanden sind. Sehr charakteristisch ist die Kleinheit Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 525 des Schildes des Thysanopus im Vergleich mit dem großen Mantel, den Nebalia und die meisten anderen Phyllopoden tragen. Sehr augenfällig ist auch die verschiedenartige Entwicklung der Rumpf- füße; denn obgleich diese noch nicht bei Thysanopus wie bei vielen anderen Malakostraken als Gehfüße entwickelt sind, ist dennoch der Unterschied zwischen den blattförmigen Schwimmfüßen der Nebalia und den Rumpffüßen des Thysanopus mit dem langen schlanken Endopodit, mit dem schmalen, in Schaft und Geißel differenzirten, Exopodit und dem zu einem nur respiratorischen Anhang umgebil- deten Epipodit ein sehr großer zu nennen. Eine sehr bedeutende Änderung hat auch mit dem Schwanz stattgefunden, namentlich ist die Entwicklung der Schwanzflosse, die wir hiernach, wenn auch zum Theil sehr modifieirt, bei den meisten Malakostraken wieder- finden, ein sehr wichtiges und durchgreifendes Verhältnis. Die Gattung Euphausia (Dana) ist schlechtweg ein Thysano- pus, dessen siebenter und achter Rumpffuß stark rückgebildet sind (vgl. pag. 504). Bei der von Branpr (MIDDENDORF'S Reise in Sibi- rien, Zoologie, Theil 1 1851 pag. 128—129) aufgestellten Gattung (B. nennt sie »Subgenus«) Thysanoéssa ist der zweite Rumpffub weit länger und stärker als die folgenden; übrigens scheint sich dieselbe ebenfalls dem Thysanopus nahe anzuschließen. C. Die Mysidaceen. a. Mysiden. In die nächste Nähe der Euphausiden wurden bisher immer die Mysiden gestellt, gewöhnlich mit jenen zusammen eine Fa- milie, die Schizopoden, bildend. Die. bedeutende habituelle Ähnlichkeit, welche sich zwischen den beiden Gruppen findet, ist hier wie so oft allein maßgebend gewesen, und man ist nicht genügend darauf aufmerksam geworden, dass neben den nicht wenigen engen Übereinstimmungen, die sich auf den ersten Anblick darbieten, sehr zahlreiche, aber weit verstecktere, eingreifende Unterschiede vor- handen sind. Diese Unterschiede werden aber namentlich dadurch vom größten Interesse, dass sie fast eben so viele Annäherungen an die im Folgenden zu behandelnden Abtheilungen, die Cumaceen, Iso- und Amphipoden, bilden. Die Übereinstimmungen mit den Euphausiden sind, wie schon 526 J. E. V. Boas bemerkt, recht augenfällig, so dass wir nicht lange bei denselben zu verweilen brauchen. Die Mysiden besitzen ein ähnliches Rücken- schild wie jene und die hinteren Rumpfsegmente sind vollständig (Näheres über die Rumpfsegmente der Mysiden wird unten bei der Behandlung der Isopoden mitgetheilt werden). Der Schwanz ist lang und kräftig, mit einer echten Schwimmflosse versehen, die Schwanz- füße sind bei den Männchen der meisten Mysiden-Gattungen starke Schwimmwerkzeuge mit einem kräftigen Schaft und zwei länglichen Blättern (während die fünf ersten Schwanzfußpaare der Weibchen im Gegensatz zu denen der Euphausiden immer rudimentär sind). Bei den Mysiden sind ferner, eben so wie bei Thysanopus, im Gegen- satz aber zu allen übrigen (erwachsenen) Malakostraken, die Exo- poditen an allen acht Rumpffußpaaren als Schwimmpalpen ent- wickelt; dann sind auch die Endopoditen der Mysiden eben so wie die der Euphausiden dünn und schwach, während sie übrigens (vgl. unten) in anderen Hinsichten sich abweichend verhalten. Die Augen, Antennulen und Antennen haben wesentlich denselben Bau in den beiden Gruppen. Die erste und zweite Maxille sind sowohl bei den Euphausiden wie bei den Mysiden mit einem recht gut entwickelten Exopodit versehen. Das Hautskelet ist von hornartiger Konsistenz. Das Junge verlässt das Ei als Nauplius (vgl. unten). Andererseits findet man aber auch bedeutende Unterschiede. Schon im Habitus sind solche einer etwas näheren Betrachtung be- merkbar. Bei den Euphausiden ist der Körper, namentlich der Schwanz, zusammengedrückt, letzterer dazu stark zusammengebogen, überhaupt ist die Körperform der der Garneelen, namentlich der Penaeiden, un- gemein ähnlich. Bei den Mysiden ist der Körper, der Schwanz mit einbegriffen, abgerundet, eher platt- als zusammengedrückt zu nen- nen; der Schwanz ist nur sanft gebogen, dessen Spitze mehr nach hinten gerichtet, die Körperform weit weniger penaeidenartig; dazu ist die Haut gewöhnlich pigmentirt, was bei den Euphausiden niemals der Fall ist. — Die Mandibeln sind sehr verschieden. Bei den Euphausiden — eben so wie bei der Mehrzahl der Dekapoden — sind dieselben mit einer schneidenden Partie versehen, welche sich hinten mit der kauenden Partie verbindet. Bei den Mysiden ist der schneidende Theil klein und zwischen ihm und dem kauenden Theil findet sich eine Reihe borstenähnliche Gebilde; dieht an der schnei- denden Partie findet sich dann noch ein starker kurzer Dorn, welcher an der linken Mandibel kräftiger als an der rechten entwickelt ist (Fig. 66 und 66 a); von all diesem ist bei den Euphausiden nicht die Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 527 Spur vorhanden. — Auch die erste Maxille (Fig. 43) ist ziem- lich abweichend: der Exopodit ist verhältnismäßig klein (wurde bis- her ganz übersehen), die Kauladen sind nicht — man bemerke wohl diesen Punkt — wie bei den Euphausiden, gerade nach innen ge- richtet, sondern sind etwas nach vorn gedreht; der Palpus fehlt, ein Moment, worauf wir jedoch kein großes Gewicht legen dürfen, da derselbe öfters bei Formen fehlt, die mit anderen, welche ihn be- sitzen, nahe verwandt sind. — Besonders charakteristisch ist die zweite Maxille (Fig. 26—26«) gestaltet. Eben so wie an der ersten Maxille sind die Kauladen, im Gegensatz zu den Euphausi- den, nach vorn und innen gerichtet, und zwar in sehr ausgeprägtem Grade. Die Lacinia interna ist nicht gespalten, eigenthümlich ge- formt und am hinteren Theil ihres Innenrandes mit einer Reihe lan- ger Haare versehen, die sich an der Oberseite der Kaulade fortsetzt. Dagegen ist die Lacinia externa tief gespalten und die zwei Lappen derselben sammt der Lacinia interna sind über einander in der Weise geschoben, dass der hintere (innere) Rand der zwei Lappen der La- einia externa nicht gesehen wird, wenn man die Maxille von oben betrachtet, während der vordere (äußere) Rand der Lacinia interna und des proximalen Lappens der Lacinia externa gedeckt sind, wenn man die Maxille von der Unterseite ansieht. In diesen Punkten ist die Maxille somit von der entsprechenden der Euphausiden sehr abweichend; sie ist derselben aber darin ähnlich, dass ein wohl entwickelter Exopodit und ein Palpus vorhanden sind, welcher letzterer bei den Mysiden zweigliedrig, bei den Euphausiden nur ein- gliedrig ist. — Auch zwischen den Rumpffüßen der Mysiden und der Euphausiden finden wir sehr bedeutsame Unterschiede. Das erste Rumpffußpaar der Mysiden ist als Kieferfüße ausgebildet: der Endopo- dit ist kurz und kräftig und vom zweiten Glied entspringt am distalen Ende eine Kaulade, die, wenn man den Fuß von unten betrachtet, theilweise von den folgenden Gliedern gedeckt wird (Fig. 3—4 a). Auch der zweite Rumpffuß ist etwas von den folgenden verschieden ; das letzte Glied ist größer und anders behaart etc.; derselbe wird gewöhnlich als zweiter Kieferfuß bezeichnet. Das Basalglied ist im Gegensatz zu den Euphausiden an allen Rumpffüßen sehr kurz, das Endglied mit einem Dorn an der Spitze versehen; das sechste Glied ist am ersten und zweiten Rumpffuß bei allen Mysiden eben so wie bei den Euphausiden einfach, an den übrigen dagegen geringelt, nur die Gattung Petalophthalmus (vgl. pag. 506) macht hierin eine Ausnahme; im Gegensatz zu den Euphausiden fehlt ferner ein 525 J. E. V. Boas Epipodit immer am zweiten bis achten Rumpffube. — An den Sehwanzfüßen, welche höchstens nur bei den Männchen wohl entwickelt sind, fehlen immer die Appendix interna und die bei den Euphausiden-Männchen am ersten und zweiten Paare vorhandenen Organe zur Übertragung der Spermatophoren (Fig. 85—86q). Die Mysiden besitzen dann ein Bauelement, das den Euphausi- den ganz abgeht, nämlich die Brutplatten, welche vom Basalglied mehrerer oder wenigerer der Rumpffüße entspringt, bei den Gattun- gen Boreomysis und Petalophthalmus ! von den sieben, bei den übrigen nur von den zwei oder drei hinteren Paaren, und welche zusammen die bekannte Bruthöhle bilden. Die Anwesenheit dersel- ben steht in der genauesten Verbindung mit dem Unterschied, wel- cher zwischen der Entwieklung der Euphausiden und der Mysiden vorhanden ist. Bei diesen verlässt das Junge zwar die Eihülle eben so wie bei jenen als Nauplius?, mit den drei bekannten Glied- maßenpaaren versehen; dieser Nauplius ist aber nicht im Stande ein selbständiges Dasein zu führen, alle drei Gliedmaßenpaare sind ein- fach, ungespalten, fast gänzlich borstenlos, das Thierchen ist voll- kommen unbeholfen und muss sich noch lange in der Bruthöhle seiner Mutter aufhalten und erst in einem weit entwickelteren Zustand, wenn schon mehrere Häutungen durchgemacht und alle acht Rumpf- fußpaare entfaltet sind, verlässt es die Mutter. Auch in den inneren Organen sind bemerkenswerthe Unterschiede zu notiren. Bei den Euphausiden ist die Leber? eben so wie bei den Dekapoden aus einer großen Anzahl kurzer Schläuche zusam- mengesetzt, bei den Mysiden dagegen nur aus zehn Schläuchen, von welchen sechs längere nach hinten gerichtet sind, vier kürzere 1 Vgl. für Boreomysis G. 0. Sars, Carcinolog. Bidrag til Norges Fauna. I. Mysider. 3. Hefte (Christiania Univers.-Program f. 1880) pag. 9; für Petaloph- thalmus, WILLEMOES-SUHM, Atl. Crustacea fr. the »Challenger« Exp. (Trans. Linn. Soc. 2. Ser. Vol. I Zoology, pag. 42). 2 Vgl. z. B. E. Van BENEDEN, Rech. s. lembr. d. Crust. II. Dev. d. Mysis (Bull. de l’Acad. de Belgique 2. Ser. Tome XXVIII, pag. 232—249). 3 Über die inneren Organe der Euphausiden war bisher so gut wie gar nichts bekannt. Das Wenige, was ich oben darüber mittheile, ist ein Resultat einer Untersuchung, die ich an wohl erhaltenen Spiritus-Exemplaren angestellt habe. 4 Fir die innere Anatomie der Mysiden verweise ich auf G. 0. SARs, Care. Bidr. t. Norges Fauna I. Mysider. 1. Hefte (Udg. af Videnskabsselsk. i Throndhjem), pag. 6—7, und namentlich auf »Crustacés d’eau douce« desselben Verfassers. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 529 mehr nach vorn. Das Herz ist bei den Euphausiden von einer eben solchen Form wie bei den Dekapoden, breit und kurz, kaum so lang wie breit, mit drei venösen Spaltenpaaren versehen; bei den Mysiden ist es dagegen bedeutend gestreckter, übrigens eben so wie bei jenen mit drei Paar Spalten versehen. Das Ovarium ist bei den Euphau- siden (Fig. SS) ziemlich breit, besteht aus zwei Hälften, die erst ganz hinten wirklich vereinigt sind, wenn auch an einer größeren Strecke durch Bindegewebe zusammengeheftet; an der Mitte des Außenrandes entsteht jederseits ein Ovidukt. Der Eierstock der Euphausiden ist, wie man sieht, demjenigen der Dekapoden recht ähnlich. Bei den Mysiden besteht er ebenfalls aus zwei Hälften, die aber langge- streckt, cylindrisch sind; etwas vor der Mitte sind sie durch eine kleine unpaare Partie mit einander verbunden: die Ovidukte ent- springen am hinteren Ende jeder Eierstock-Hälfte. Eine größere Ähnlichkeit ist zwischen den Hoden der Euphausiden und der My- siden vorhanden; bei beiden Gruppen sind sie unpaarig und gelappt (Fig. 89). Dagegen sind die Spermatozoen äußerst verschieden. Während sie nämlich bei den Euphausiden, wie schon vorhin erwähnt, ganz einfache, rundliche, kernhaltige Zellen sind (Fig. 90), finden wir bei den Mysiden Spermatozoen, welche aus einem langgestreck- ten Kopf und einem sehr langen Schwanz bestehen, der sich mit jenem unter einem sehr spitzen Winkel, verbindet. Es sind somit bedeutende Unterschiede , welche ein genauerer Vergleich zwischen den Euphausiden und den Mysiden offenbart. Eine Betrachtung dieser Unterschiede zeigt ferner, dass die Primiti- vität durchgehend auf der Seite der Euphausiden ist; es wird mit anderen Worten deutlich, dass die unbekannte gemeinsame Stamm- form der Mysiden und der Euphausiden den letzteren — besonders dem Thysanopus — näher als den Mysiden stand. Es ist z. B. deutlich, dass der Bau, den die zweite Maxille von Thysanopus be- sitzt — Kauladen einfach gespalten und gerade nach innen gerich- tet —, primitiver ist als derjenige der zweiten Maxille der Mysiden, was schon an und für sich deutlich sein würde, aber vollkommen einleuchtend wird, wenn wir die zweite Maxille der Nebalia mit in die Vergleichung ziehen. Dasselbe gilt auch den Rumpffüßen, die bei den Euphausiden eben so wie bei Nebalia gleichartig sind, ein wohl entwickeltes Basalglied und Epipoditen besitzen, während sie bei den Mysiden ungleichartig, mit rudimentärem Basalglied und, mit Ausnahme des ersten Paares, ohne Epipodit sind, während an- dererseits Brutplatten entwickelt sind ete. Es gilt ferner den Schwanz- 530 J. E. V. Boas füßen (Appendix interna bei den Euphausiden und bei Nebalia, nicht bei den Mysiden), der Mandibel (vgl. die Mandibel der Nebalia, Fig. 58) der ersten Maxille, den Spermatozoen; und es ist klar, dass die Entwicklung der Euphausiden ursprünglicher ist als die der Mysiden. In anderen, wenn auch wenigeren Punkten nehmen jedoch die Mysiden den ursprünglicheren Platz ein, und es zeigt sich hierdurch, dass die genannte Stammform jedenfalls nicht mit einem der bis jetzt bekannten Euphausiden zusammenfällt. Wir müssen z. B. gewiss annehmen, dass dieselbe an allen acht Rumpffußpaaren mit siebengliedrigen Endopoditen versehen war (eben so wie die Mysiden), der Palpus ihrer zweiten Maxille war (wenigstens) zweigliedrig, nicht wie bei den Euphausiden eingliedrig, und die fünf letzten Rumpf- ringe waren wohl eben so wie bei Mysis vollständig. Ob das Herz bei der Stammform so wie bei den Mysiden etwas langgestreckt war oder kurz wie bei den Euphausiden, ist schwieriger zu ent- scheiden; die Mysiden sind zwar in diesem Punkte den Phyllopoden ähnlicher als die Euphausiden es sind, wir können jedoch nicht bestimmt sagen. ob dies mehr als Analogie ist, es ist keineswegs unmöglich, dass die Stammform dennoch ein kurzes Herz besaß, und dass das gestreckte Herz der Mysiden eine sekundäre Erscheinung ist. Dasselbe gilt auch von der Leber der Mysiden. Ähnlich wie bei Nebalia! ist bei diesen nur eine geringe Anzahl Leberschläuche vor- handen, während wir bei den Euphausiden eine große Anzahl fanden. Ob jedoch jene geringe Zahl durch Reduktion entstanden ist oder etwas Ursprüngliches ist, dürfte zur Zeit nicht entscheidbar sein. Wenn aber vielleicht auch in diesen Hinsichten die Mysiden eine primitivere Stellung einnehmen sollten, dürfen wir dennoch dreist behaupten, dass ihre und der Euphausiden gemeinsame Stammform letzteren weit näher als jenen verwandt war: die Mysiden sind von einer den Euphausiden nahe verwandten Form ab- leitbar. b. Lophogastriden. Im Jahre 1862 publieirte M. Sars eine ausführliche, von zahl- reichen Figuren begleitete Beschreibung? eines sehr interessanten Krebsthieres, das er Lophogaster typicus nannte und von wel- 1 CLAUS, Crustaceen-System pag. 28. 2 Beskriv. over Lophogaster typicus. Christiania. (Universitetsprogram f. 2. Halvaar 1862.) Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 531 chem er schon einige Jahre vorher eine vorläufige Mittheilung'! ge- macht hatte. Später hat WILLEMOES-SUHM zwei andere, mit Lo- phogaster nahe verwandte Gattungen, Gnathophausia und Chalaraspis, ebenfalls recht ausführlich beschrieben2. Durch die Güte des Herrn Prof. G. 0. Sars konnte ich die Gattung Lopho- gaster selbst untersuchen. Die Lophogastriden — Lophogaster, Gnathophausia und Chalaraspis — sind in den meisten Hinsichten den Mysiden nahe verwandt, nähern sich jedoch in einigen Punkten mehr den Euphau- siden, während sie wieder in anderen eine eigenthümliche Stellung einnehmen (vgl. das Schema pag. 487). Bei Lophogaster und Gna- thophausia sind die fünf (bei Chalaraspis nach WILLEMOES-Sunn’s Beschreibung nur die vier) hinteren Rumpfsegmente, eben so wie bei den Mysiden, frei und vollständig. Sie besitzen denselben abgerundeten und wenig gekrümmten Schwanz wie die Mysiden. Die Mandibeln (Fig. 63—63 a) sind dadurch ausgezeichnet, dass der Kautheil rudimentär ist; der Schneidetheil ist dem der Euphau- siden ähnlich. An der ersten Maxille fehlt (jedenfalls bei Lo- phogaster) im Gegensatz sowohl zu den Mysiden wie zu den Euphau- siden der Exopodit; bei Gnathophausia ist dagegen ein Palpus vorhanden (W.-SuHm, l.c. Taf. 9 Fig. 5), welcher eben so wie der entsprechende bei den Cumaeeen und bei den Tanaiden nach hinten und außen gerichtet und an der Spitze mit langen Haaren versehen ist (bei den zwei anderen Gattungen fehlt derselbe). An der zweiten Maxille ist, Fig. 25 u. 25a eben so wie bei den Mysiden, die La- einia interna ungespalten; die Lacinien sind ferner wie bei diesen nach vorn und innen gerichtet, aber nicht über einander geschoben, und an der Laeinia interna fehlt die den Mysiden so charakteristi- sche Reihe langer Haare. Der Palpus ist dreigliedrig, der Exopo- dit groß, dem der Mysiden ähnlich. (Ein der Gattung Lophogaster allein zukommender Charakter ist es, dass die Lacinia externa der zweiten Maxille sehr wenig tief gespalten ist, ja sogar, wie ich es bei einem Exemplare fand, bisweilen ungespalten; bei den beiden anderen Gattungen ist sie dagegen tief gespalten.) Die Rumpf- füße des ersten Paares (Fig. 5) sind zwar eben so wie die der Mysiden als Kieferfüße entwickelt, aber am zweiten Glied ist keine ! Forhandl. ved de skand. Naturforskeres Mode i Christiania 1856, pag. 160 ff. 2 Atlantic Crustacea from the »Challenger« Exped. Trans. of the Linnean Soc. Sec. Ser. Vol. 1 Zoology. 532 J. E. V. Boas Kaulade vorhanden; ob dies jedoch als eine Annäherung an die Euphausiden zu betrachten ist, ob also der Mangel ein primirer ist, erscheint zweifelhaft. Auch bei einigen Mysiden fehlt diese Kaulade; aber eben bei denjenigen Formen, Petalophthalmus und Boreomysis, die unter den Mysiden in jeder Beziehung die ursprünglichste Stelle einnehmen, ist sie vorhanden, und der Mangel bei jenen Mysiden ist demnach zweifellos ein sekundärer, was vielleicht auch bei Lo- phogaster der Fall sein könnte; jedenfalls dürfen wir nicht diesen negativen Charakter ohne Weiteres als eine Annäherung an die Euphausiden in Anspruch nehmen. Das Basalglied dieses Rumpf- fußes ist, eben so wie bei den Euphausiden, weit größer als bei den Mysiden. Das zweite Rumpffußpaar ist eben so wie bei den Mysi- den etwas anders als die folgenden gebaut, namentlich ist das letzte Glied eigenthümlich behaart. Die folgenden Paare sind dagegen wesentlich übereinstimmend, nur bei Chalaraspis sind sie verschie- denartig ausgebildet, besonders ist das fünfte bis siebente Rumpf- fußpaar abweichend gestaltet. Es finden sich an sämmtlichen Füßen die gewöhnlichen sieben Glieder; alle sind ungeringelt!, eben so wie bei Petalophthalmus, im Gegensatz zu den Mysiden im Allgemeinen ; das Endglied ist an allen Füßen mit einem Enddorn versehen. An sämmtlichen Rumpffüßen ist ein Exopodit vorhanden, welcher jedoch am ersten verhältnismäßig schwach (bei einer Gnathophausia - Art sogar, nach W.-Sunm, gar nicht) entwickelt ist. Der am ersten Rumpffuße vorhandene Epipodit ist dem entsprechenden der Mysiden sehr ähnlich; an den übrigen Füßen fehlt derselbe eben so wie diesen, denn die charakteristischen Kiemen, welche die Lophogastri- den besitzen, entspringen, wie schon vorhin (pag. 505) erwähnt, nicht vom Basalglied und sind demnach keine Epipoditen, sondern Körper- anhänge sui generis. Brutplatten sind eben so wie bei gewissen Mysiden an den sieben hinteren Rumpffußpaaren entwickelt. Die Schwanzfüße sind wie bei den Euphausiden in beiden Geschlech- tern kräftig entwickelt, aber eben so wie bei den Mysiden ohne Appendix interna; auch sind die Blätter schmal wie bei diesen und 1 Auch bei Gnathophausia scheinen alle Glieder an sämmtlichen Füßen ungeringelt zu sein. WILLEMOES-SUHM spricht zwar an verschiedenen Stellen von »subjoints«, aber aus seiner übrigens nicht besonders klaren Beschrei- bung (l. e. pag. 31) schließe ich, dass die Glieder, von welchen er angiebt, dass sie in subjoints getheilt seien, nicht wirklich geringelt, sondern ‘nur mit einseitigen Furchen versehen sind, von welchen Querreihen von Haaren entspringen. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 533 die ersten Paare sind nicht beim Männchen besonders entwickelt. Die Entwicklung ist der der Mysiden sehr ähnlich; das Junge verlässt die Eihüllen als Nauplius, aber dieser Nauplius ist eine regungslose Made; eben so wie bei Mysis ist das letzte der drei Gliedmaßenpaare desselben weit kürzer als die zwei vorderen: in der Bruthöhle sind die Jungen in derselben Weise wie bei Mysis zu- sammengepackt (vgl. M. Sars, |. e. Tab. III Fig. 57). Der innere Bau ist leider bislang ganz unbekannt. Dass die Lophogastriden mit den Mysiden nächst verwandt sind, brauche ich nach der obigen Darstellung kaum zu wiederholen. Nur in einzelnen Punkten nähern sie sich etwas mehr als diese an die Euphausiden: ich erinnere an den Schneidetheil der Mandibel, an den Palpus der ersten Maxille bei Gnathophausia, die zweite Maxille, das Basalglied des ersten Rumpffußes, an die Schwanz- füße des Weibchens; in diesen Hinsichten nehmen sie eine Stellung ein, die sogar primitiver ist, als die der niedrigsten Mysiden (Petalopb- thalmus). In anderen Hinsichten sind sie dagegen weniger ursprüng- lich als die Mysiden: der Kautheil der Mandibel ist rudimentär, der Exopodit der ersten Maxille fehlt, der Exopodit des ersten Rumpf- fußes ist schwächer als bei den Mysiden. Hiermit dürfte die Stel- lung, die ich den Lophogastriden im Stammbaum gegeben habe (pag. 487), gerechtfertigt sein. D. Die Cumaceen. Eng an die Mysiden schließt sich nach meinen Untersuchungen die Gruppe der Cumaceen, deren Schicksal bekanntlich gewesen ist, nach mehr oberflächlichen Charakteren bald den »Podophthalmen«, bald den »Hedriophthalmen« zugesellt zu werden. Ihr Verhältnis zu den letzteren wird später erwägt werden; an dieser Stelle ist es nur unsere Aufgabe ihre Verwandtschaft mit den Mysiden darzu- legen. | Schon in den Mandibeln manifestirt sich diese Verwandtschaft aufs deutlichste. Bei den Mysiden ist die Mandibel, wie wir schon ge- sehen haben, von der Euphausiden- oder Lophogastriden-Mandibel sehr verschieden ; zwischen dem Schneidetheil und dem Kautheil findet sich eine Borstenreihe (?), und dicht an dem Schneidetheil sitzt ein star- ker Fortsatz («), welcher an der linken Mandibel kräftiger als an der rechten entwickelt ist. Diese Beschreibung passt aber ganz Morpholog. Jahrbuch. 8. 36 534 J. E. V. Beas eben so auf die Mandibel der Cumaceen (Fig. 67 und 67a), die sich nur durch mehr untergeordnete Momente von der der Mysiden unter- scheidet: die genannte Borstenreihe besteht aus zahlreicheren Borsten, und der Kautheil sitzt wie auf einem kurzen Schaft; der Palpus fehlt immer. — Von der ersten Maxille bemerken wir an die- ser Stelle nur, dass die Kauladen, eben so wie bei den Mysiden, etwas noch vorn gedreht sind; ferner mache ich auf die nicht ge- ringe Ähnlichkeit in der Form und im Borstenbesatz aufmerksam (vgl. Fig. 44 und 43, und als Gegensatz die Maxillen des Thysa- nopus und des Lophogaster, Fig. 41 und 42); auf die Unterschiede werden wir weiter unten zurückkommen. — Für den ersten An- blick ist die zweite Maxille der Cumaceen (Fig. 27 und 27a) und die entsprechende der Mysiden (Fig. 26 und 26 a) einander sehr unähn- lich und dennoch bieten dieselben bei einer näheren Betrachtung einen schlagenden Beweis für die innige Verwandtschaft unserer Gruppen. Der hauptsächlichste Unterschied — ein Unterschied, welcher allerdings für den Habitus der Maxillen sehr bedeutsam ist — ist der, dass der Palpus, welcher bei den Mysiden zweigliedrig und wohl entwickelt ist, bei den Cumaceen in Wegfall kommt. Sonst ist aber die größte Übereinstimmung vorhanden, wenn auch bestän- dig mit kleineren Unähnlichkeiten gemischt. Die Lacinia interna ist auch bei den Cumaceen ungespalten, ungefähr von ähnlicher Form wie bei den Mysiden, aber verhältnismäßig weit stärker als bei diesen; die proximale Partie ihres Innenrandes ist mit einer ähnlichen Borstenreihe versehen, die sich auf der Oberseite der Kau- lade fortsetzt, wenn auch nicht, wie bei den Mysiden, bis an den äußeren Rand derselben. Ziemlich schmal, namentlich wenn wir sie mit der Lacinia interna vergleichen, sind die zwei Lappen der Laci- nia externa; dieselben sind über einander und über die Lacinia in- terna wie bei den Mysiden geschoben, jedoch mit dem Unterschied, dass, wenn man die Maxille von unten betrachtet, ist ein größerer Theil der Lacinia interna gedeckt, während dagegen nur ein kleiner Theil des Außenrandes des proximalen (inneren) Lappens der Laci- nia externa von dem anderen Lappen gedeckt wird; aber die Weise, in welcher sie über einander geschoben sind, ist genau dieselbe. Die Kauladen sind ferner nach vorn gerichtet, und dies in noch höherem Grade als bei den Mysiden. Der Exopodit ist kleiner als bei diesen, aber vollkommen deutlich. (Auch für die Schätzung der hervorgehobenen Übereinstimmungen wird es gut sein zugleich einen Blick auf die zweite Maxille der Euphausiden und Lophogastriden Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 535 zu werfen.) — Der erste Rumpffuß (Fig. 6 und 6) ist in dersel- ben Weise wie bei den Mysiden als Kieferfuß ausgebildet: es ist vom langen zweiten Gliede eine Kaulade entwickelt, die an derselben Stelle entspringt und dieselbe Stellung zum distalen Theil des Fußes einnimmt wie bei diesen; der Fuß ist ferner in derselben Weise gebogen. Vom Basalgliede entspringt ein Epipodit, welcher sich nur dadurch von dem der Mysiden unterscheidet, dass er einen starken nach vorn gerichteten Zipfel besitzt, welcher den Mysiden abgeht; am Epipodit ist eine »Kieme« entwickelt. Für die folgenden Rumpf- füße ist es namentlich bemerkenswerth, dass das siebente Glied einen Enddorn besitzt und dass der zweite bis sechste! Fuß des Weibchens mit einer Brutplatte versehen ist — eine weitere sehr wichtige Übereinstimmung mit den Mysiden. Ein Epipodit ist nur am ersten Rumpffuß (vgl. die Mysiden), ein Exopodit, welcher zum Schwimmen dient, an den meisten Rumpffüßen des Männchens entwickelt. — An den Schwanzfüßen fehlt die Appendix interna. — Die Cuma- ceen besitzen, eben so wie Mysis etc., fünf vollständige und freie Rumpfsegmente; der Schwanz ist abgerundet und ohne Garneelen- knick (vgl. die Mysiden). — Bei den Cumaceen sind dieselben drei nach hinten gerichteten Leberschlauchpaare, wie bei den Mysiden, vorhanden, während die zwei kürzeren vorderen Paare, welche diese besitzen, hier nicht vorhanden sind. Sie besitzen im Kopf und Rumpf zusammen außer den Supraoesophageal-Ganglien dieselben zehn Ganglien, wie die Mysiden?. — Die Entwicklungsgeschichte® der Cumaceen ist eben so, wie der innere Bau, nur wenig bearbeitet worden; aus den Angaben und Figuren von Donen ist es jedoch ersichtlich, dass sie die Eihüllen als Nauplius, oder richtiger von der Nauplius-Cuticula umhüllt, verlassen. Sie scheinen jedoch in so fern von den Mysiden abzuweichen, als die Kiefer und Rumpffüße ! Diese Angabe gilt nur für Diastylis; ob dieselben fünf Fußpaare auch bei den übrigen Cumaceen alle mit Brutplatten versehen sind, weiß ich nicht; es ist übrigens für unsere hiesigen Betrachtungen von untergeordnetem Interesse. 2 Für den inneren Bau der Cumaceen vgl. G. O. Sars, Om den aberr. Krebsdyrgr. Cumacea, Forh. i Vidensk.-Selsk. i Christ. Aar 1864, pag. 139 ff. und desselben Verfassers, De paa Freg. Joseph. Exp. funden Cumaceer, Svenska Vetenskaps-Akad. Handlingar 9 Nr. 13, Taf. 9. — Die Spermatozoen werden als einfache Fäden (?) beschrieben, die Eierstöcke und Hoden sind nicht mehr in der Mitte verbunden. 3 Donrn, Bau unl Entwicklung d. Cumaceen, Jenaische Zeitschrift Bu. V, pag. 54 ff. 36* 536 - J. E. V. Boas schon unterhalb der Chitinhaut des Nauplius angelegt sind, vordem der Nauplius das Ei verlässt. Ob der Cumaceen-Nauplius die drei bekannten Gliedmaßenpaare besitzt oder ganz ohne Körperanhänge ist, geht aus den Angaben nicht hervor; derselbe hat aber, was uns hier am meisten interessirt, dieselbe madenförmige Gestalt, wie bei den Mysiden!, und das Junge verlässt erst, nachdem die meisten Gliedmaßen entwickelt sind, die Mutter. Andererseits sind die Unterschiede zwischen Mysiden und Cumaceen sehr groß. Die Augen sind nicht mehr gestielt, gewöhn- lieh — mit alleiniger Ausnahme der Gattung Nannastacus, wo noch zwei getrennte Augen vorhanden sind? — zu einem verschmolzen, aus wenigen Ocellen zusammengesetzt. Die Antennulen sind stark verkürzt, die Antennen beim Weibchen fast rudimentär, beim Männ- chen allerdings stärker entwiekelt, jedoch immer ohne Exopodit (Squama). Es fehlt der Palpus an der Mandibel und an der zwei- ten Maxille, der Exopodit an mehreren oder wenigeren Rumpffüßen. Am letzten Schwanzfußpaar ist der Schaft lang und dünn, die Blät- ter schmal: von -einer Schwanzflosse kann selbst bei denjenigen For- men, bei welchen das häufig vermisste siebente Schwanzglied vor- handen ist, kaum gesprochen werden. Bei den Weibehen sind die übrigen Schwanzfüße nieht mehr vorhanden. Das Schild ist verkürzt und deckt gar nicht die letzten fünf Rumpfsegmente. Wenn das Junge die Bruthöhle verlässt, besitzt es nicht, wie bei den Mysiden, alle acht Rumpffußpaare, sondern nur die sieben ersten; das letzte Paar wird erst später ausgebildet?. — An der Kaulade des ersten Rumpffußes so wie am Schaft der Schwanzfüße sind einige Heft- haken entwickelt, die bei den Mysiden noch nicht vorhanden waren. Am Epipodit des ersten Rumpffußes ist eine Kieme entwickelt wor- den, ete. Aus der obigen Darstellung ergiebt sich zur Geniige, dass die Cumaceen in Vergleich mit den Mysiden im Ganzen als die abge- leiteten, weniger urspriinglichen aufzufassen sind. Sie diirfen jedoch nicht direkt von einem der bis jetzt bekannten Mysiden abgeleitet werden. In ein paar Punkten nehmen sie nämlich eine ursprüng- lichere Stellung als jene ein. Sie besitzen namentlich einen Palpus 1 DoHrn hat 1. c. Taf. II Fig. 3 einen solchen Cumaceen-Nauplius abge- bildet. 2 Vgl. G. O. Sars, Middelhavets Cumaceer. Archiv f. Mathem. og Natur- videnskab 4. Bind. 3 G. O. Sars, Crust. d’eau douce. pag. 122. Doury, |. ce. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 537 an der ersten Maxille, welcher bei keinem Mysiden vorkommt, wäh- rend ein ganz ähnlieber Palpus bei dem Lophogastriden-Genus Gna- thophausia sich findet; ferner ist das Basalglied namentlich des ersten Rumpffußes stärker als bei den Mysiden, wo dasselbe — jedenfalls bei den von mir untersuchten — fast rudimentär erscheint. In diesen Punkten nähern die Cumaceen sich den Lophogastriden, während sie übrigens (vgl. namentlich die Mandibel und die zweite Maxille) den Mysiden weit näher stehen. — Die Stellung, welche ich den Cumaceen im Stammbaum (pag. 478) angewiesen habe, dürfte demnach genügend gerechtfertigt sein. E. Iso- und Amphipoden. a. Allgemeinere Bemerkungen. Es ist, wenn ich mich nicht sehr irre, eine allgemein verbrei- tete Anschauung, dass die »Hedriophthalmen« eine niedrige, ur- sprüngliche Stellung unter den Malakostraken einnehmen. Die erste flüchtige Untersuchung spricht sehr für eine solche Auffassung: das Fehlen des Schildes, die sitzenden Augen, die ziemlich große Anzahl einigermaßen gleichartiger Segmente verleihen ihnen etwas würmerhaftes, das wohl jener Anschauung maßgebend gewesen ist. Wenn dazu noch kommt, dass nicht nur das Nervensystem eine sehr schöne und augenfällige Metamerie aufweist, sondern auch dass das Herz häufig (Amphipoden) recht lang und röhrenförmig ist und nach einem bis vor Kurzem allgemein herrschenden Glauben mit einer größeren Anzahl metamerisch angeordneter venöser Spalten versehen sein sollte, kann man sich nicht darüber wundern, dass die ge- nannte Anschauung tiefe Wurzeln geschlagen hat. Eine etwas tiefer gehende Betrachtung zeigt jedoch etwas ganz Anderes. Erstens haben neuere Untersuchungen nachgewiesen, dass die Angaben von einer größeren Anzahl venöser Spalten im Herz der Amphipoden unrichtig sind!: in der Wirklichkeit finden sich bei diesen, eben so wie bei allen übrigen Malakostraken mit alleiniger Ausnahme der Squilliden, niemals mehr als drei venöse Spalten- paare. Das Herz streckt sich bekanntlich bei vielen Hedriophthal- ! Frirz MÜLLER, Für Darwin (1864), pag. 26. Cuaus, Ub. Herz u. Ge- fäßsystem der Hyperiden, Zoolog. Anzeiger 1878, pag. 270. Yves DELAGE, Con- tribution & l’&tude de l’Appareil circulatoire des Crustacés Edriophthalmes marins, Archives de Zoologie expérim. et génér. Tome IX (1881), pag. 87 ff. 538 J. E. V. Boas men — in schroffem Gegensatz zum Herz der Dekapoden — durch den größten Theil des Rumpfes; dasselbe ist aber auch bei Mysis! der Fall, so dass dieses Verhältnis nicht als Anzeichen einer beson- ders primitiven Stellung hervorgezogen werden kann; das Herz ist zwar, z. B. bei Gammarus, im Verhältnis zum ganzen Körper länger - als bei Mysis, aber dieses ist einfach davon abzuleiten, dass der Rumpf bei Gammarus überhaupt stärker als bei Mysis entwickelt ist. Das Herz weist somit den Hedriophthalmen keinen besonders ur- sprünglichen Platz an. Noch weniger ist dies mit den sitzenden Augen der Fall: denn bei demjenigen Phyllopod, welcher den Mala- kostraken am nächsten steht, nämlich bei Nebalia, sind die Augen eben so wie bei gewissen anderen Phyllopoden (Branchipus) und eben so wie bei den Euphausiden, Mysiden, Dekapoden etc. ge- stielt; die Augenstiele sind demnach nicht Organe, die erst inner- halb der Malakostraken erworben sind, sondern sie sind von den Phyllopoden ererbt, und wenn die Hedriophthalmen im Allge- meinen nicht stieläugig sind, dann ist dieses Verhältnis so weit davon entfernt, fiir ihre ursprüngliche Stellung zu sprechen, dass es vielmehr deutlich anzeigt, dass sie in diesem Punkte sogar einen weniger primitiven Platz als die höchsten Dekapoden einnehmen. Auch das Nervensystem spricht für ihre Ursprünglichkeit nicht. Es sind z. B. bei Gammarus nur vier Schwanzganglien vorhanden ‘eine höhere Anzahl scheint überhaupt bei den Amphipoden nicht vorzukommen). während bei Mysis?, ja sogar bei Palaemon? und Astacus! ete. sechs Ganglien im Schwanze vorhanden sind, und wenn auch bei gewissen Isopoden (Cymothoa5) dieselbe Anzahl (sechs) vorkommt, sind sie jedoch dicht zusammengerückt, während sie bei jenen durch lange Kommissuren getrennt sind. Die Anzahl der Ganglienpaare im Kopf und Rumpf zusammen ist — außer den Su- praoesophagealganglien — bei Mysis nicht weniger als zehn, während die höchste Anzahl, die für Hedriophthalmen (Gamma- rus, Asellus und Idothea®) bekannt ist, sich auf neun beschränkt. 1G. O. Sars, Crustaces d’eau douce Pl. III Fig. 1—2. 2 Für Gammarus und Mysis vgl. G. O. Sars, Crust. d’eau douce, pag. 59 und 30, Pl. VI, Fig. 1, Pl. III Fig. 4. 3 H. MILNE Epwarps, Hist. nat. d. Crust. Pl. 11 Fig. 4. 4 HuxLey, The Crayfish, pag. 105. 5 Cuvier, Regne Animal, Edit. accomp. de planches gravées, Crust. Pl. 2 Fig. 2. 6 Sars, Crust. d’eau douce Pl. X Fig. 5. — BRANDT, Zool. Anzeiger III. 1880. pag. 187. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 539 Diese Ganglienpaare sind bei Mysis durch unpaare Längskommissu- ren verbunden, während dieselben bei den Iso- und Amphipoden doppelt sind, was allerdings ein ursprünglicheres Verhältnis ist, — welches sie jedoch sogar mit Astacus gemeinsam haben. Wie wenig die Hedriophthalmen eine ursprüngliche Stellung beanspruchen können, wird noch deutlicher, wenn wir andere Seiten ihres Baues betrachten. Das gilt z. B. vom Fehlen eines Rücken- schildes. Bekanntlich besitzen Nebalia und die meisten anderen Phyllopoden ein wohl entwickeltes Schild, das auch bei den meisten Malakostraken sich findet. Die Malakostraken haben also das Schild von den Phyllopoden ererbt, wenn man denn nicht verneinen wird — wofür allerdings nicht der geringste Grund vorliegt und was mei- nes Wissens auch Niemand gethan hat —, dass das Schild der Mala- kostraken dem der Phyllopoden entspricht. Diejenigen Malakostraken, die des Schildes entbehren, haben es demnach verloren, und die Iso- und Amphipoden stehen wieder in dieser Beziehung auf einem weniger ursprünglichen Standpunkte als die übrigen Malakostraken. — Eine ganz ähnliche Betrachtung kann für die Antennen (hintere Antennen) in Geltung gebracht werden; bei den Hedriophthalmen fehlt immer, wenn wir von ein paar Formen absehen, der Exopodit (die Squama), welcher sowohl bei gewissen Phyllopoden, wie bei vielen Malakostraken, vorhanden ist. Weiter sind die Mundglied- maßen — vgl. unten —, namentlich die Maxillen, weit davon ent- fernt ursprüngliche Verhältnisse darzubieten; sie sind im Gegentheil nicht nur im Vergleich mit einer solchen primitiven Form wie Thy- sanopus stark umgebildet, sondern selbst eine Gruppe wie die De- kapoden stehen in Bezug auf die Maxillen entschieden der Primitivität näher als die Hedriophthalmen. Die sieben Beinpaare (die sieben letzten Rumpffußpaare), die immer ohne Epipodit und ohne Exopo- dit sind — nur bei Apseudes ist ein rudimentärer Exopodit an den zwei ersten Beinpaaren vorhanden —, stehen auch dem ur- sprünglichen Verhältnisse sehr fern; dasselbe gilt der Entwick- lung etc. etc. Nachdem wir somit nachgewiesen haben, dass die Iso- und Amphipoden nur anscheinend eine urspriingliche Stelle einnehmen (einen einzelnen noch nicht berührten Punkt, nämlich die große Anzahl freier Rumpfsegmente, werden wir später behandeln), können wir zu der Untersuchung ihrer näheren systematischen Stellung über- gehen. Es wird sich dabei zeigen, dass sie mit den Mysiden und Cumaceen am nächsten verwandt sind, ferner aber auch heraus- 540 J. E. V. Boas stellen, dass sie in Vergleich mit diesen beiden Gruppen im Ganzen als die abgeleiteten aufzufassen sind (vgl. das Schema pag. 487). b. Vergleich zwischen den Isopoden und den Mysiden. Wir werden zuerst die mehr typischen Isopoden betrachten und dann später für sich die in mehreren Hinsichten abweichende und ein besonderes Interesse darbietende Tanaiden-Familie. Jene (das heißt alle Isopoden mit Ausnahme der Tanaiden) bezeichnen wir kurz als »echte Isopoden«, ohne übrigens damit eine systematische Einthei- lung zu bezwecken. Eines der Verhältnisse, wodurch die Mysiden in einen bestimm- ten Gegensatz nicht nur zu den Euphausiden sondern auch zu den Dekapoden und Squilliden treten, ist die Anwesenheit der charak- teristischen Brutplatten, die vom Basalgliede mehrerer oder we- nigerer der Rumpffüße des Weibchens entwickelt sind, nämlich der sieben hinteren Rumpffußpaare bei Petalophthalmus und Boreomysis, während sie bei den übrigen auf die zwei oder drei hinteren Paare beschränkt sind. Dieselben Brutplatten finden wir bei den Isopoden (so wie bei den Amphipoden) wieder: sie sind gewöhnlich (vgl. die Tabelle pag. 511— 512) am zweiten bis fünften oder zweiten bis sechsten Rumpffußpaare entwickelt. Diese Platten entspringen an derselben Stelle, haben dieselbe Funktion und sehen wesentlich eben so aus wie bei den Mysiden, so dass die Brutplatten der Mysiden und der Isopoden ganz zweifellos homologe Gebilde sind. Das ist eine wichtige Übereinstimmung mit den Mysiden. Weiter erinnert die Entwieklung der Isopoden, von den bis jetzt untersuchten namentlich des Asellus, in einer sehr auffallen- den Weise an die Entwicklung der Mysiden. Das Asellus - Junge verlässt, eben so wie das Junge von Mysis, das Ei als ein Nauplius (Fig. 91), welcher außer Stande ist ein selbständiges Dasein zu füh- ren und noch eine Zeit lang sich in der Bruthöhle der Mutter auf- halten muss. Derselbe ist, eben so wie das entsprechende Stadium von Mysis, mit der Konkavität nach oben gekrümmt! und mit den 1 Nach den bisherigen Angaben soll der Embryo der Isopoden schon in- nerhalb der Eihäute dieselbe Krümmung besitzen, während sonst die Malako- straken-Embryonen (Dekapoden, Squilliden (FR. MÜLLER, Für DARWın pag. 45], Amphipoden, Mysiden) im Ei in entgegengesetzter Richtung gekrümmt sind (die Konkavität an der Bauchseite, Schwanz nach unten geschlagen). Ob die Iso- Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 541 drei Naupliusgliedmaßenpaaren versehen, die auch hier alle einfach, ungespalten sind; das dritte Paar, die Mandibeln, ist das kürzeste, übrigens noch kürzer als bei Mysis!. In welcher Ausstreckung ein solcher freier madenförmiger Nauplius bei den Isopoden vorkommt, ist zur Zeit nieht ganz leicht zu entscheiden?. Nach dem in der Litteratur Vorliegenden kann man jedoch sagen, das auch Idothea? Ligia® und Uryptoniscus?, also Repräsentanten für sehr ver- poden aber schon vom Anfang an diese Stellung innerhalb der Eihaut einneh- men, scheint mir allerdings durch die bisherigen Untersuchungen keineswegs bewiesen; bekanntlich wurde dasselbe früher auch für Mysis behauptet, bis E. VAN BENEDEN (Developm. d. Mysis, Bull. de l’Acad. de Belgique 2. Ser. Tome XXVIII pag. 232—249) nachgewiesen hat, dass beim Mysis-Embryo der Schwanz nach unten geschlagen ist, und dass erst der freie Nauplius eine Kon- kavität auf der Rückenseite besitzt. Ob nicht dasselbe bei Asellus der Fall sei? ! Das dritte Gliedmaßenpaar wurde bisher, selbst von so guten Beobach- tern wie G. O. Sars (Crust. d’eau douce) und Ep. VAN BENEDEN (Devel. de PAsellus aquat., Bull. de Acad. de Belgique 2. Ser. Tome XXVIII pag. 54 —87), übersehen, was mich übrigens nicht wundern kann, da es mir selbst erst nach langem Suchen, speciell auf diesen Punkt gerichtet, gelang, das be- treffende Gliedmaßenpaar zu entdecken, das sehr schwach entwickelt ist. Bei den jüngsten Asellus-Nauplien, die ich untersuchte, waren schon die folgenden Gliedmaßen unterhalb der Nauplius-Cutieula angelegt, — dies ist vielleicht schon beim Entschlüpfen aus dem Ei der Fall —, was gerade nicht die Unter- suchung erleichterte, und erst an Exemplaren, die in einer schwachen™Chrom- säurelösung gelegen, wodurch die genannte Cuticula sich etwas abhebt, gelang es mir, wenn ich dieselben halb von der Seite, halb von unten betrachtete, die winzigen Ausbuchtungen an der Cuticula zu entdecken, welche das dritte Paar ~ repräsentirt. — Ich darf übrigens nicht bestimmt behaupten, das dasselbe bei allen Exemplaren vorhanden ist. 2 So interessant die Beantwortung dieser Frage an und für sich sein möchte, so ist sie übrigens für unsere hiesigen Betrachtungen von mehr unter- geordneter Bedeutung. Das Vorhandensein eines freien madenförmigen Nau- plius bei Asellus beweist nämlich, mit anderen Verhältnissen zusammen, die Verwandtschaft dieser Form mit den Mysiden; und da die Verwandtschaft des Asellus mit den übrigen Isopoden außer Zweifel steht, ist damit auch die Ver- wandtschaft der Isopoden im Allgemeinen mit den Mysiden bewiesen. Ich mache hier diese allerdings ziemlich selbstverständliche Bemerkung, da ich fürchte, dass etwa Jemand ‚den hervorgehobenen Charakter als nicht »gut« erklären sollte, weil er nicht für alle Isopoden zutrifft; nach meiner Ansicht ist es eben ein sehr guter, ja ausgezeichneter Charakter. 3 RATHKE, Zur Morphologie, Reise-Bemerk. aus Taurien, Taf. II Fig. 9 und 10. 4 RATHKE, |. c., Taf. II Fig. 7; Fr. MÜLLER, Für Darwin, pag. 46, Fig. 37. 5 FRAISSE, Die Gatt. Cryptoniscus, Arb. aus dem zool.-zoot. Inst.{zu Würz- burg, 4. Band. Taf. XV Fig. 50. 5a J. E. V. Boas schiedene Abtheilungen der Isopoden, von einer Nauplius-Cuticula umhüllt das Ei verlassen: dieser Nauplius scheint jedoch glied- maßenlos zu sein, also noch reducirter als das entsprechende Sta- dium von Asellus. Dagegen scheint Oniscus!-nicht die Eihüllen als Nauplius zu verlassen, sondern erst wenn er ungefähr so weit ausgebildet ist wie Asellus beim Verlassen der Bruthöhle. — Sehr interessant ist auch die Entdeckung, die E. Van BENEDEN gemacht hat, dass das eigenthümliche dreilappige Blatt, das sich an jeder Seite des Asellus- Jungen findet (Fig. 91 2) und das zuerst von RATHKE? beschrieben wurde, ebenfalls beim Mysis-Nauplius, wenn auch nur in der Gestalt eines jederseitigen einfachen Auswuch- ses, vorhanden ist?”. — Die Isopoden stimmen darin mit den My- siden, dass die Jungen erst die Bruthöhle verlassen, wenn sie fast ganz die Gestalt der Erwachsenen erlangt haben, weichen jedoch dadurch ab, dass das letzte Rumpffußpaar dann noch gar nicht ent- wickelt ist +. | Wo möglich noch charakteristischere Ubereinstimmungen finden wir zwischen den verschiedenen Mundgliedmaßen bei den Mysiden und bei den Isopoden (wobei wir natürlich nur die typischen Ver- hältnisse betrachten und von den durch ein parasitisches Leben ete. umgebildeten Isopoden gänzlich absehen). Ein Blick auf Fig. 66 und 66« (von Mysis) und auf Fig. 69 und 694 (von Asellus) wird dieses für die Mandibeln bestätigen. Wir ha- ben wiederholt auf die Eigenthümlichkeiten, welche die Mysiden- Mandibel in Vergleich mit der der Euphausiden und Lophogastriden darbietet. aufmerksam gemacht. Eben dieselben Eigenthümlichkeiten finden wir der Hauptsache nach bei den Isopoden wieder. An der (Fig. 69) abgebildeten linken Asellus-Mandibel — die im Wesent- 1 RATHKE, Abhandlungen z. Bildungs- und Entwicklungs-Gesch. d. Men- schen und der Thiere. Zweiter Theil, Taf. VI. 2 RATHKE, Abh. z. Bild.- u. Entw.-Gesch. Erster Theil pag. 7 und spä- ter, DTafıl. 3 E. Van BENEDEN, Dével. des Mysis. Bull. de Acad. de Belg. 2. Ser. Tom. XXVIII pag. 244—246, Taf. I Fig. 13. 4 Es scheint dieser Charakter durchgängig bei den Isopoden vorzukommen; vgl. z. B. für Asellus, bei dem ich es auch selbst beobachtete, RATHKE, Abh. z. Bild.- u. Entw.-Gesch. Erster Theil, pag. 17, Sars, Crustacés d’eau douce pag. 119, Taf. X Fig. 38; für Oniscus, RATHKE H}. c. Zweiter Th. pag. 81; für . Ligia, Idothea, Sphaeroma, Cassidina und,Bopyriden, Fritz MÜLLER, Für DAR- WIN pag. 47—48; für Agiden, SCHIÖDTE & MEINERT, Symbolae ad Monogr. Cy- mothoarum, Naturhistorisk Tidsskrift 3. Raekke XII— XII. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 543 lichen als Paradigma der entsprechenden Mandibel der normalen Isopoden gelten kann — sieht man innerhalb des kurzen Schneide- theils den starken Fortsatz («) von Mysis, dann folgt die Borstenreihe und dann erst der Kautheil. Die rechte Mandibel verhält sich ähnlich, nur ist der Fortsatz a — eben so wie bei den Mysiden — schwächer entwickelt, gewöhnlich übrigens bei den Isopoden nicht so klein wie bei Asellus, wo er kaum von den folgenden Borsten verschieden ist. — Die Maxillen des ersten Paares (Fig. 46) sind in noch höhe- rem Grade als bei den Mysiden nach vorn gedreht; bei den echten Isopoden fehlt sowohl der Exopodit wie der Palpus; letzterer fehlt bekanntlich auch bei den Mysiden, es ist dieses aber, wie wir spä- ter sehen werden, nur eine Analogie. — Ungemein lehrreich sind die Verhältnisse der zweiten Maxille (Fig. 29 und 29a, vgl. Fig. 26 und 26a). Die ungespaltene Lacinia interna und die beiden Lap- pen der Lacinia externa sind ganz in derselben Weise, wie bei den Mysiden über einander geschoben, also derart, dass, wenn man die Maxille von unten betrachtet, ist der äußere Rand der Lacinia interna und des proximalen Lappens der Lacinia externa gedeckt und zwar genau so wie bei den Mysiden: die Übereinstimmung ist in diesem Punkt sogar größer, z. B. zwischen Asellus und Mysis, als zwischen letzterer und den Cumaceen; die Kauladen sind ferner schräg nach vorn gerichtet. Die charakteristische Borstenreihe, die an der Oberseite und am proximalen Theil des Innenrandes der La- einia interna bei den Mysiden sich findet, fehlt bei den meisten Iso- poden oder ist jedenfalls verwischt; sie ist aber noch, und zwar in der größten Deutlichkeit, bei Asellus (Fig. 29a) vorhanden. Als Unterschiede müssen hervorgehoben werden, dass der Exopodit und der Palpus fehlen und dass die Lacinia interna etwas anderer Form ist als bei den Mysiden. — Einen schönen Beleg für die Verwandtschaft der Mysiden und der Isopoden geben auch die Ver- hältnisse des ersten Rumpffußes: das große zweite Glied ist mit einer Kaulade versehen, die an derselben Stelle wie bei den Mysiden entspringt und dieselbe Lage zu den folgenden Gliedern einnimmt: das dritte Glied ist wie bei diesen kurz; im Gelenk zwischen dem fünften und sechsten Glied ist der Fuß gebogen. Der erste Rumpffuß weicht unter Anderem dadurch ab, dass das Basalglied besser entwickelt ist, dass der Exopodit fehlt und der Epipodit zu einer festen Platte ausgebildet ist. — Von den übrigen Rumpffüßen. die im Ganzen von den der Mysiden erheblich ver- schieden entwickelt sind, bemerke ich hier nur, dass das siebente 544 J. E. V. Boas Glied mit demselben Dorn an der Spitze wie bei jenen versehen ist. — Auch die inneren Organe sind für unsere Aufgabe von Interesse. Die Leber besteht, eben so wie bei den Mysiden, aus einer gerin- gen Anzahl großer Schläuche; von den zehn bei jenen vorhandenen Leberschläuchen sind jedoch nur vier oder sechs, die nach hinten ge- richtet sind, erhalten!. Das Herz ist meistens ziemlich langgestreckt (vgl. die Mysiden), weicht jedoch gewöhnlich dadureh vom Mysiden- Herz ab, dass es zum großen Theil in den Schwanz gerückt ist; bei Asellus, bei dem es sehr langgestreckt ist und sich bis in den vorderen Theil des Rumpfes fortsetzt, ist dieses jedoch nur in sehr geringem Grade der Fall?. Der Eierstock und der Hoden sind zwar im Gegensatz zu denjenigen der Mysiden in zwei selbst- ständige (nicht verbundene) Hälften getheilt; aber die Hodenhälften werden auch hier gewöhnlich je aus einer Anzahl (drei) Schläuche zu- sammengesetzt, die bei Asellus von ähnlicher abgerundeter Form sind, wie die etwas zahlreicheren Schläuche bei Mysis, und die Eierstocks- hälften sind meistens ungefähr von derselben Form, wie bei dieser3. Sehr bezeichnend ist der Bau der Spermatozoen: dieselben sind bei den- jenigen Formen, wo man sie in neuerer Zeit mit den verbesserten optischen Hilfsmitteln untersucht hat, denen der Mysiden ganz ähn- lich: sie bestehen aus einem langgestreckten Kopf, welcher unter einem spitzen Winkel mit dem sehr langen Schwanz verbunden ist?. ! Vier bei Asellus (SARS, Crust. d’eau douce Pl. X Fig. 1) und Onisken (BRANDT und RATZEBURG, Medic. Zool. 2. Band Tat. XV Fig. 39; LEREBOUL- LET, Mém. s. la fam. des Cloportides, in: Mém. de la Soc. du Museum d'Histoire nat. de Strasbourg. Tome 4, pag. 96); sechs bei Ligia (MILNE ED- WARDS, Hist. nat. des Crust. Pl. 4 Fig. 3), Aega (RATHKE, Beitr. z. Fauna Norwegens, Nova Acta. Tome XX. Pars 1 pag. 30), Anilocra (DELAGE, Circul. des Edriophthalmes , Arch. de Zool. exp. Tome IX PI. 2, Fig. 3), Idothea (SIEBOLD in MÜLLER’S Archiv f. 1837. pag. 435). 2 Vgl. für das Herz der Isopoden besonders DELAGE |. c., fiir Asellus G. O. Sars, |. e. Taf. X Fig. 3, für Onisken z. B. LEREBOULLET |. c. PI.VH Fig. 150. 3 Vgl. für die Geschlechtsorgane G. O. Sars, 1. c. Taf. X (Asellus), P. Maver, Carcinol. Mitth. VI. Ub. d. Hermaphrod. bei einigen Isopoden, Mitth. a. d Zool. Station z. Neapel. 1. Band Taf. V (Cymothoiden), LEREBOULLET, l. c. Pl. VIII Fig. 158 und Pl. IX Fig. 166 (Onisken), SIEBOLD, Fernere Be- obacht. ii. d. Spermatozoen, MÜLLER'S Archiv f. 1837 pag. 435 (Idothea). 4 Die Spermatozoen von Asellus findet man bei Sars, 1. ¢. Pl. X Fig. 20 abgebildet, die von Nerocila bei MAvEr, 1. e. Taf. V Fig. 13. — Auch bei den Onisken dürfte man vielleicht nach LEREBOULLET, |. c. Pl. VIII Fig. 160 ähnliche Spermatozoen annehmen; seine Beschreibung klingt allerdings anders. Ältere Angaben beschreiben gewöhnlich die Spermatozoen der Isopoden (und Anıphipoden) als »haarfürmig«. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 545 Nach alledem dürfte die Verwandtschaft, und in vielen Punkten sehr nahe Verwandtschaft, der Isopoden. mit den Mysiden sicher- gestellt sein. Es dürfte namentlich auch einleuchten, dass die Iso- poden weit inniger mit diesen als mit den Euphausiden, De- kapoden, Squilliden und Lophogastriden verwandt sind, überhaupt also den Mysiden näher stehen als irgend einer anderen Malakostraken-Abtheilung mit Ausnahme der Cumaceen und Amphi- poden, deren Verhältnis zu den Isopoden später behandelt werden wird. Dass die Isopoden den Mysiden näher verwandt sind als den Euphausiden, Dekapoden und Squilliden, geht leicht aus einer Be- trachtung der Entwicklung, der Mandibel, der zweiten Maxille, des ersten Rumpffußes ete. etc. hervor, den drei genannten Abtheilungen gehen auch Brutplatten gänzlich ab. Solche sind dagegen sowohl bei Isopoden als bei Mysiden und Lophogastriden vorhanden, welche letztgenannte Gruppe überhaupt mehrere Charaktere mit den Mysiden und Isopoden gemeinsam hat (madenförmiger Näuplius, der erste Rumpffuß ist als Kieferfuß ausgebildet ete.); dass die Isopo- den jedoch auch ihnen ferner stehen als den Mysiden beweisen namentlich die Verhältnisse der Mandibel und der zweiten Maxille. Nur in einigen weniger bedeutenden Punkten nähern sich die Iso- poden etwas den Lophogastriden: das Basalglied des ersten Rumpf- fußes ist bei beiden gut entwickelt, bei den Mysiden dagegen fast rudimentär; die Schwanzfüße sind bei den Isopoden-Weibchen eben so wie bei den Lophogastriden-Weibchen wohl entwickelt. Eine nähere Betrachtung der Differenzen, die wir zwischen den Isopoden und den Mysiden finden, zeigt ferner, dass letztere im Ganzen eine primitivere Stellung einnehmen, mit anderen Worten: sie stehen der gemeinsamen Stammform näher als die Isopoden. Das Schild und die Augenstiele, die Squama der Antennen, der Exopodit der ersten Maxille, der Exopodit und der Palpus der zwei- ten Maxille, die Exopoditen der Rumpffüße, das siebente Schwanz- glied, — all Dieses ist bei den Isopoden verloren gegangen, während es bei den Mysiden noch wohl entwickelt vorhanden ist. Der Schwanz der Isopoden ist reducirt, der ganze Körper platt- gedrückt geworden, das Hautskelet ist verkalkt etc. ete. Fast in jedem Punkt zeigen sich die Isopoden als die abgeleiteten, die Mysiden als die ursprünglicheren. Es sind überhaupt nur ganz einzelne Momente, die es verbieten, die Isopoden direkt von der Mysiden-Gruppe abzuleiten. Das Basalglied des ersten Rumpffußes (des Kieferfußes) der Isopoden 546 J. E. V.’Boas ist wohl entwickelt, bei den Mysiden dagegen fast rudimentär; bei deren gemeinsamen Stammform miissen wir annehmen , dis es wie bei den Isopoden und bei den Lophogastriden ete. gut ent- wickelt war. Ferner ist es wohl wahrscheinlich, dass die Weibchen dieser Stammform nicht mit solchen rückgebildeten Schwanzfüßen wie die der Mysiden versehen waren, sondern mit wohl entwickelten eben so wie die Isopoden-Weibchen. — In dem Verhältnisse der Rumpfsegmente möchte es auf den ersten Blick den Anschein haben, als ob die echten Isopoden eine bestimmt ursprünglichere Stellung als die Mysiden einnähmen, indem die sieben letzten Rumpfseg- mente vollkommen frei ind vollständig sind und nur das vorderste mit dem Kopfe verschmolzen (vgl. Nebalia). Bei Mysis (flexuosa) finde ich aber, dass die letzten sieben Rumpfsegmente ebenfalls frei sind und mit einander — und mit dem vordersten Segment, das mit dem Kopfe verschmolzen ist, — durch Gelenkhäute verbunden sind (vgl. Fig. 37) und von diesen sieben Segmenten sind wieder die fünf hinteren vollständig, stellen geschlossene Ringe dar, und nur die zwei vorderen sind oben in der Mitte unterbrochen'. (Auch bei Lophogaster sind die fünf hinteren Rumpfsegmente frei und vollständig, die Dorsalpartie des vordersten derselben ist jedoch sehr kurz und schwach chitinisirt. Bei Th ysanopus sind, eben so wie bei Mysis, die sieben hinteren Segmente frei, aber nur das hin- terste ist dorsalwärts abgeschlossen.) Es scheint mir nun keineswegs unmöglich, dass die Isopoden von einer Form abgeleitet sind, die Sich in den Rumpfsegmenten ganz wie Mysis verhielt, und dass am zweiten und dritten Rumpfsegmente bei der Reduktion des Schildes wieder eine Dorsalpartie entwickelt worden ist — und andere Mo- mente sprechen gewiss, wie wir später berühren werden, hierfür. Andererseits kann jedoch die Annahme nicht ganz abgewiesen wer- den, dass die gemeinsame Stammform der Isopoden und Mysiden etwa mit sieben vollständigen Rumpfsegmenten versehen wire; übri- gens würde, wie man begreift, der Abstand zwischen einer solchen Form und Mysis kein allzugroßer sein, so dass der Unterschied ! An den zwei vordersten der fünf vollständigen Segmente (am vierten und fünften Rumpfsegment) ist die Dorsalpartie zwar sehr kurz aber doch voll- kommen deutlich. — Es erhellt übrigens aus der gegebenen Darstellung, dass die Anschauung WILLEMOES-SuHm’s (Atlantic Crust. fr. the »Challenger« Exp., Trans. of the Linn. Soc. 2. Ser. Zool. Vol. 1 pag. 44 ete.), dass nur seine Tief- seeformen der Mysidaceen mit einem »freien Schild« und fünf vollständigen Segmenten ausgestattet seien, hinfällig wird. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 547 zwischen den beiden erwähnten Möglichkeiten schließlich nicht be- deutend wird. Demnach dürfte der nachstehende Stammbaum genügend moti- virt sein. Es müssen die Isopoden von einer Form abgeleitet wer-- den, welche den Mysiden, namentlich den primitiveren Mysiden, Petalophthalmus und Boreomysis, nahe verwandt war. In einzelnen Punkten nahm dieselbe jedoch eine ursprünglichere Stelle sogar als Petalophthalmus ein, stand aber im Ganzen den Mysiden so nahe, dass ich keinen Augenblick daran zweifle, dass man sie, wenn sie bekannt wäre, dieser Abtheilung einverleiben würde. Isopoden Kysracuhf‘ ysi = N, *\ Lophogastriden \/ vi Euphausiden x Es sind übrigens sehr große und tief eingreifende Modifikatio- nen, welche die Isopoden, in Vergleich mit den Mysiden, erlitten haben. Während die Mysiden einen ausgeprägten Schwimmtypus darstellen, sind die Isopoden eben so ausgeprägte Laufformen. Viele der Unterschiede zwischen Isopoden und Mysiden — keines- wegs aber alle — können hiervon abgeleitet werden. Die Exopo- diten der Rumpffüße sind verloren gegangen, und deren Endopodit ist, anstatt wie bei den Mysiden dünn und schwach zu sein, ver- hältnismäßig robust geworden. Der Schwanz ist kürzer geworden, das Endglied sogar gänzlich eingegangen, und wenn auch die Schwanzfüße, jedenfalls bei vielen (ich selbst beobachtete es bei Idothea, Eurydice und Sphaeroma), im Stande sind als Schwimm- werkzeuge zu wirken, so ist das Schwimmvermögen jedoch beschränkt und die Thiere werden meistens schnell müde. Der Rumpf und 548 J. E. V. Boas Schwanz sind platter, das Hautskelet fester und dieker gewor- den. Dass die Augenstiele und die Antennen-Squama eingegangen sind, scheint ebenfalls mit der total veränderten Bewegungsweise in nächster Verbindung zu stehen. (Auch bei anderen Malakostraken beobachten wir Ähnliches: der Augenstiel und die Squama der De- capoda reptantia sind weit weniger als die der Decapoda natantia entwickelt, die Squama sogar bei den höchsten Reptantia, den Bra- chyuren, abortirt; vgl. auch Alpheus mit den übrigen Eukyphoten!.) Von der Verdickung des Hautskelettes dürfte wieder die Entwicklung der Schwanzfüße als Kiemen abzuleiten sein (durch den veränderten Zustand des Chitinüberzuges ist das Respirationsvermögen der Ober- fläche des Thieres erheblich beschränkt worden und dadurch eine Entwicklung besonderer Respirationsorgane nothwendig gemacht, um so mehr als das Schild, das bei den Mysiden wohl für die Respira- tion von ziemlicher Bedeutung ist, verloren gegangen ist). Eine interessante Übergangsform zwischen den Mysiden und den echten Isopoden stellt die Tanaiden-Gattung Apseudes dar, die, wenn auch im Ganzen als ein wohl ausgeprägter Isopod aufzufassen, dennoch an vielen Punkten auf die Mysiden zurück weist. Bekanntlich sitzen die Augen von Apseudes auf kurzen unbe- weglichen Stielen. Auch bei einigen echten Isopoden (Munna?) kommen Andeutungen von Augenstielen vor, dieselben sind jedoch bei diesen bloße Erhöhungen am Kopfe, während sie bei Apseudes sich als selbständige, dem Kopfe eingefügte Gebilde darstellen, wenn sie auch schon nicht mehr beweglich sind. An den Antennulen finden sich zwei Geißeln, während die echten Isopoden immer nur eine besitzen. Die Antennen (Fig. 77) sind mit einer recht wohl ent- wickelten Squama versehen, die bekanntlich den meisten Isopoden ab- geht und sonst nur in rudimentärem Zustande bei einer einzelnen Form Janira, Fig. 78) vorkommt. Die Mandibeln (Fig. 68 u. 68a) sind von typischer Isopoden-Gestalt und bieten kein besonderes Interesse dar. Dagegen ist die erste Maxille (Fig. 45 u. 45a) besonders da- durch von Interesse, dass sie eben so wie bei der zu den Lophogastriden gehörenden Gattung Gnathophausia (vgl. pag. 531) einen nach hinten 1 Meine »Studier 0. Decap. Slaegtskabsf.« Danske Vidensk. Selsk. Skr., math. easier. Afd. 6. R. 1. B. 2 Vgl. z. B. die Figuren von KRÖYER in GAYMARD, Vo en Scandi- navie, Laponie etc. Zoologie. Crustacés. Pl. 31. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 549 gerichteten an der Spitze mit einer Anzahl langer Haare versehenen Palpus besitzt, während die echten Isopoden, eben so wie die Mysi- den, immer ohne Palpus sind. Es zeigt dieses, dass die gemeinsame Stammform (2 ) der Isopoden und Mysiden, eben so wie Gnathophausia, einen Ben an der ersten Maxille besaß, und dass es lediglich als Analogie aufzufassen ist, wenn der Palpus sowohl bei den echten Isopoden wie bei den Mysiden fehlt. Übrigens ist die erste Maxille des Apseudes derjenigen anderer Isopoden, z. B. des Asellus (Fig. 46), recht ähnlich. — Die Lacinia interna der zweiten Maxille (Fig. 28a) erinnert in hohem Grade, noch weit mehr als bei Asellus, an den entsprechenden Theil bei den Mysiden; die Lacinia hat fast ganz dieselbe charakteristische Form wie bei diesen; an der proximalen Partie des Innenrandes ist die Haarreihe schön ent- wickelt, und dieselbe setzt sich an der Oberseite der Lacinia fort, wenn auch nicht, eben so wenig wie bei Asellus, bis an ihren Außenrand (vgl. die Mysslonk Die Übereinstimmung mit ‘den Mysiden geht sogar so weit, dass wir eine charakteristische starke Borste, die im Winkel zwischen dem proximalen und distalen Theil des Innenran- des bei den Mysiden sitzt, auch hier wiederfinden (s in Fig. 26 und 28). Übrigens schließt die zweite Maxille von Apseudes sich eng an die anderer Isopoden. — Der erste Rumpffuß (Kiefer- fuß) der echten Isopoden besitzt einen Epipodit, welcher dadurch von dem entsprechenden der Mysiden abweicht, dass er als eine feste Platte ausgebildet ist, welche dazu beiträgt die übrigen Mund- theile zu decken. Bei Apseudes (Fig. 8) stellt derselbe dagegen einen der Hauptsache nach ganz ähnlichen weichen, respiratorischen Anhang! wie bei den Mysiden dar. — Während das erste und das vierte bis achte Rumpffußpaar eben. so wie bei den übrigen Isopo- den jede Spur eines Exopodites entbehren, findet sich dagegen am zweiten und dritten Rumpffuße (also am Scherenfuß und am fol- genden Fußpaar) ein rudimentärer Exopodit? (Fig. 16—18), 1 Dieser Anhang — welcher eben so bei den übrigen Tanaiden vorhan- den ist — wurde erst von G. O. Sars (Isop. chelif., Archiv f. Mathem. og Naturw. 7. Bd. Sep. pag. 3) richtig als Epipodit des Kieferfußes erkannt. Eben so wie das entsprechende Organ bei den Mysiden und Cumaceen bewirkt derselbe durch seine Bewegungen, dass ein steter Wasserstrom durch die von den Seitentheilen des Schildes gebildete Höhle hindurchgeht. 2 Schon von Lin LJEBORG (Bidrag til Kännedomen om... Tanaidernas familj, Upsala Univ. Arsskrift 1865, Mathem. och Naturv. I, pag. 10) gesehen, aber unrichtig als Epipodit önste, »svepan« gedeutet; G. O. Sars (Isopoda Morpholog. Jahrbuch. 8. 37 550 J. E. V. Boas welcher am unteren Ende des zweiten Gliedes, eben so wie bei den Mysiden, entspringt; derselbe ist übrigens so schwach entwickelt, dass von einer lokomotorischen Bedeutung keine Rede mehr sein kann. — Die Schwanzfüße nehmen eine mehr indifferente Stelle als bei den echten Isopoden ein; im Gegensatz zu den meisten ech- ten Isopoden sind keine derselben als besondere Respirationsorgane ausgebildet, und die vorderen Paare sind beim Männchen nicht an- ders als beim Weibchen gebaut und von den folgenden Paaren nicht abweichend. Apseudes ist ferner mit einem allerdings sehr kleinen Schild versehen, welches die Dorsalpartie des zweiten Rumpfsegmentes ab- sorbirt hat, so dass wir bei Apseudes nur sechs freie und voll- ständige Rumpfsegmente finden, während die Mysiden (so weit sie hierauf untersucht sind) nur fünf solche, die echten Isopoden da- gegen fast ohne Ausnahme sieben vollständige Rumpfsegmente besitzen. Apseudes nimmt also auch in dieser Beziehung eine Zwi- schenstellung zwischen den Mysiden und den echten Isopoden ein und stützt dadurch in wesentlichem Grade die oben entwickelte Ver- muthung, dass das Vorhandensein einer größeren Anzahl freier und vollständiger Rumpfsegmente bei den echten Isopoden nicht als etwas Primitives im Verhältnis zu der geringeren Anzahl bei den Mysiden aufzufassen sei, sondern als etwas Erworbenes. — Die Seitenpartieen des kleinen Schildes bilden jederseits eine Art Kiemenhöhle, worin der Epipodit des ersten Rumpffußes verbor- gen ist. In den hier nicht speciell erwähnten Verhältnissen steht Apseu- des, so weit sein Bau bekannt ist!, den echten Isopoden nahe: er hat die plattgedrückte Form derselben, den kurzen Schwanz, dessen letztes Glied verloren gegangen ist, die kräftigen Lauffüße, die fast ganz denselben Bau und dieselben Richtungen wie bei normalen echten Isopoden besitzen; an seiner zweiten Maxille fehlen der Pal- pus und der Exopodit; das Hautskelet hat eine ähnliche Festigkeit und fast glasartige Sprödigkeit wie z. B. bei Asellus ete. Seine systematische Stellung kann demnach kurz folgendermaßen präeisirt werden: er ist derjenige aller bekannten Isopoden, welcher die ursprünglichste Stellung einnimmt und zwar sind seine Beziehungen chelifera, Archiv f. Math. og Naturv. 1881, Bd. 7, Sep. pag. 3) hat dagegen die richtige Deutung. | Dessen, innerer Bau wurde bis jetzt noch nicht untersucht. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 551 zu den echten Isopoden solche, dass dieselben von einer Form ab- geleitet werden können, welche dem Apseudes sehr nahe stand. Die Gattung Tanais und ihre nächst Verwandten (Leptochelia, Paratanais etc.) sind einfach als reducirte Apseuden aufzufassen. Es fehlt ihnen der Exopodit der Antenne, der Mandibel-Palpus und der Exopodit des zweiten bis dritten Rumpffußpaares, ferner ist die zweite Maxille rudimentär geworden ; sie stimmen aber darin mit Apseudes überein, dass sie den Palpus der ersten Maxille, den wei- chen Epipodit des Maxillenfußes, das Schildehen und die einfachen Sehwanzfüße haben, und die Augen sitzen jedenfalls bei einigen Formen auf besonderen Stielen. — Weniger von Apseudes abwei- chend sind die von G. O. Sars! charakterisirten Gattungen Par- apseudes und Sphyrapus ?. 1]. c. Sep. pag. 16—20. 2 Obgleich es nicht meine Absicht ist in dieser Arbeit auf die systemati- sche Gliederung der Isopoden-Ordnung im Einzelnen einzugehen, glaube ‘ich doch hier ein paar Worte über die? merkwiirdigerweise noch von CLAUS mit den Tanaiden in niihere Verbindung gebrachten Praniziden sagen zu miis- sen. Diese Gruppe ist nach meiner Ansicht von MıLne Epwarps (Hist. nat. d. Crust. III pag. 191), welcher dieselbe seinen »Isopodes nageurs« zuzählt, vollkommen richtig aufgefasst worden. Mit diesen stimmt sie im Verhalten des Basalgliedes der Lauffüße, das sich ähnlich wie bei Sphaeroma etc. verhält. Das dritte Glied der Füße ist eben so wie bei den übrigen echten Isopoden ziemlich lang, nicht wie bei den Tanaiden ganz kurz. An der Innenseite des Schaftes der Schwanzfüße sitzen ein paar ganz ähnliche Hefthaken wie bei Sphaeroma, während solche den Tanaiden ganz abgehen. Das Endglied (das sechste Glied) des Schwanzes und das letzte Schwanzfußpaar sind ganz von demselben Typus wie bei den Isopodes nageurs; auch die Antennulen und An- tennen von Praniza scheinen mir an die entsprechenden Theile bei jenen leb- haft zu erinnern. Das kurze Herz (DELAGE, |. c., Archiv. de Zool. expér. Tome IX, Tab. VI) liegt eben so wie bei den meisten anderen echten Isopoden im Schwanz; es ist mit vier venösen Spalten. versehen, die wie gewöhnlich bei den echten Isopoden nicht paarig angeordnet sind; die vom Herz entspringen- den Arterien verhalten sich nach Anzahl und Arrangement fast genau eben so wie bei Anilocra (DELAGE, l.c. Tab.I), mit der Ausnahme, dass das letzte Baar: welches bei anderen echten Isopoden das letzte Rumpffußpaar versorgt, mit diesem, — das bekanntlich bei den Pranizen fehlt —, verloren gegangen ist; gänzlich verschieden sind die Verhältnisse in dieser Beziehung bei Tanais, wo das Herz gar nicht im Schwanze liegt, wo die venösen Spalten paarig sind, und wo außer der Schwanzarterie nur die vorderste der Arterien vorhanden ist. — Der einzige Punkt, in welchem die Praniziden eine auffallendere Ähn- lichkeit mit den Tanaiden aufweisen, ist der, dass keine der Schwanzfußpaare besonders respiratorisch ausgebildet sind; wenn wir aber dieses mit dem oben Erwähnten zusammenhalten, müssen wir nach meiner Ansicht gleich zu der be- stimmten Überzeugung gelangen, dass die Ähnlichkeit der Schwanzfüße nur als 3i* >52 J. E. V. Boas Das folgende Schema mag dazu dienen das oben Entwickelte zu erläutern: Echte Isopoden /_ Apseudes — 'T'anais ete. = / / Mysiden / \ y ~ we ec. Die Amphipoden. Die Verwandtschaft der Amphipoden mit den Isopoden ist schon seit vielen Jahren so allgemein erkannt, dass es überflüssig erscheint an dieser Stelle dieselbe ausführlicher zu begründen; nur einige wenige bisher nicht genügend beachtete Übereinstimmungen möchte ich hier hervorheben. er Die Mandibeln haben wesentlich denselben Bau in beiden Gruppen (vgl. Fig. 69 und 70). Das erste Rumpffußpaar ist als Kieferfüße entwickelt; das zweite Glied ist mit demselben Fort- satz versehen. der Exopodit fehlt. Für die folgenden Rumpffüße bitte ich die in der Einleitung pag. 511—513 u. 517 gegebenen Bemerkungen zu vergleichen; es wird daraus erhellen, dass die Rumpffüße der Am- phipoden mit denen der Isopoden trotz gewisser Verschiedenheiten sehr genau übereinstimmen, mehr als mit den Rumpffüßen irgend weleher anderen Malakostraken. Der Schaft des ersten bis dritten Schwanzfußpaares trägt am distalen Ende des Innenrandes einige Hefthaken. Auch in den allgemeinen Verhältnissen des Körpers schließen die Amphipoden sich an die Isopoden. Es wird wohl gewöhnlich hervorgehoben, dass die Amphipoden einen zusammengedrückten Kör- per besitzen, die Isopoden dagegen einen plattgedrückten. Für den Analogie aufzufassen ist: bei den Pranizen ist die specielle respiratorische Aus- bildung einiger Schwanzfüße, welche den echten Isopoden charakteristisch ist, wieder verloren gegangen. Demnach dürfte es wohl klar geworden sein, dass die Pranizen mit den Tanaiden nichts zu thun haben, sondern jedenfalls echte Iso- poden sind; unter diesen stehen sie nun wieder zweifellos den Aselliden, Ido- theen und Onisken entfernter, wogegen sie sich in mehrfacher Beziehung den Isopodes nageurs anschließen, von denen sie wahrscheinlich abzuleiten sind. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 553 Schwanz kann dies im Allgemeinen recht zutreffend sein; für den Rumpf wird es aber dabei übersehen, dass derselbe nur durch die plattenförmigen, senkrecht gestellten Basalglieder der Rumpffüße ein zusammengedrücktes Aussehen bekommt; der Rumpf selbst kann keineswegs zusammengedrückt genannt werden, wenn er auch meistens etwas gewölbter ist als bei den Isopoden. Der Sehwanz ist ferner, eben so wie bei den Isopoden (im Gegensatz zu den Mysiden und an- deren), meistens kürzer oder doch nicht länger als der Rumpf und Kopf zusammen. Auch im inneren Baue finden wir innige Übereinstimmungen mit den Isopoden. Bei den Isopoden sind, wie schon vorhin erwähnt, zwei oder drei große Leberschlauchpaare vorhanden, die nach hinten gerichtet sind; bei den Amphipoden finden sich ein oder zwei eben solche Paare’. Die Geschlechtsorgane sind eben so wie bei den Isopoden, aber im Gegensatz zu den meisten anderen Malakostraken, vollkommen paarig ohne ein unpaares Verbindungs- stück?. Die Spermatozoen® haben ganz denselben charakteristi- schen Bau wie bei den Isopoden ete. Andererseits sind aber auch sehr große Unterschiede bemerkbar und es scheint mir wenig angemessen die Iso- und Amphipoden, wie es häufig geschah, zu einer Ordnung zu vereinigen. In den meisten Punkten, wo wir Unterschiede finden, ist die Primitivität auf der Seite der Isopoden. Der Schaft der Antennen ist bei den Amphi- poden nur viergliedrig und besitzt niemals einen Exopodit; bei den Iso- poden ist er fünfgliedrig, eben so wie bei den Mysiden, und zuweilen (Apseudes, Janira) mit einem Exopodit versehen. Die erste Maxille ist ebenfalls bedeutend mehr als bei den Isopoden modifieirt (vgl. pag. 496— 498). An der zweiten Maxille vermissen wir nicht nur, wie bei den Isopoden, den Exopodit und den Palpus, sondern die Lacinia ex- terna ist auf einen Lappen redueirt. Es ist übrigens bei manchen Am- phipoden, eben so wie bei Apseudes und Asellus, dieselbe charakter- 1 Zwei Paare bei Gammarus (Sars, Crust. d’eau douce Pl. V Fig. 25) und Amphithoé (Bruzeuıus, Beitrag z. Kenntnis d. inneren Baues der Amphipoden, Archiv f. Naturgesch. 25. Jahrg. 1. Bd. pag. 298); ein Paar bei Caprella (GAm- ROTH, Beitr. z. K. d. Naturg. d. Capr. Zeitschr. f. wiss. Zool. 31. Bd. pag.115) und bei Cyamus (ROUSSEL DE VAUZEME, Mém. s. 1. Cyamus ceti, Ann. d. Scienc. nat. Zool. 2. Ser. Tome I pag. 252). 2 Sars (l. c. Pl. V Fig. 22 und 25), BRUZELIUS (l. c. pag. 303), GAMROTH (l. & Taf. IX Fig. 3 u. 5), ROUSSEL DE VAUZEME (I. c. pag. 252—253). 3 Sars (l. c. Pl. V Fig. 23a), BRUZELIVS (1. ce. pag. 304), Dourn (Z. Na- turg. d. Capr. in Zeitschr. f. wiss. Zool. 16. Bd. Taf. XIII Fig. 2e). 554 J. E. V. Boas istische Borstenreihe an der Lacinia interna wie bei den Mysiden vorhanden. Am ersten Rumpffuße (Kieferfuß) fehlt der bei den Isopoden meistens vorhandene Epipodit ganz, und das Basalglied des Rumpffußes ist mit seinem Gegenüber verwachsen, was bei den Iso- poden niemals vorkommt. Der erste Rumpffuß ist ferner dadurch abweichend, dass sich vom dritten Gliede eine ähnliche Kaulade .wie am zweiten Gliede entwickelt hat. Bekanntlich ist bei den Amphi- poden nicht nur das letzte SchwanzfuBpaar sondern auch die zwei vorhergehenden Paare nach hinten gerichtet, und nur die drei ersten Paare sind als Schwimmwerkzeuge ausgebildet. Was die Entwieklung betrifft ist es bemerkenswerth, dass ein freier Nau- plius beiden Amphipoden, so weit bekannt, nicht vorkommt; wenn der Embryo die Eihülle verlässt sind vielmehr sämmtliche Körper- anhänge entwickelt, und er ist nicht von einer Nauplius-Hülle um- schlossen (vgl. z. B. Sars, Crust. d’eau douce, pag. 65). — Nur in einzelnen Punkten dürften die Amphipoden eine primitivere Stel- lung als irgend ein Isopod einnehmen: es ist ein, wenn auch kleines, siebentes Schwanzglied vorhanden, das bei den Isopoden immer fehlt; es findet sich ferner jedenfalls bei vielen Amphipoden eine Anten- nendrüse, eben so wie bei den Mysiden und anderen Malakostra- ken, während dieselbe den Isopoden immer abgeht. Unter den Isopoden sind es dann offenbar die Tanaiden, na- mentlich Apseudes, welche im Ganzen den Amphipoden am nächsten verwandt sind, und so viel dürfte wohl mit einiger Sicherheit ausge- sprochen werden, dass die Isopoden und die Amphipoden von einer gemeinsamen Stammformabstammen, welche dem Apseudes ziemlich nahe verwandt war. Apseudes und seine nächsten Verwandten sind die einzigen Isopoden, welche zwei An- tennulengeißeln besitzen; bei den Amphipoden ist dasselbe typisch der Fall. Das dritte Glied der Rumpffüße des zweiten bis achten Paares ist bei den Tanaiden eben so wie bei den Amphipoden sehr kurz, bei den echten Isopoden dagegen mehr verlängert. Die Schwanz- füße sind bei den Tanaiden nicht für die Respiration besonders aus- gebildet und bei den Männchen sind sie im Gegensatz zu den echten Isopoden, aber eben so wie bei den Amphipoden, nicht anders als bei den Weibchen gestaltet. — Sehr bezeichnend nicht nur für ihr Verhältnis zu den Amphipoden, sondern für ihre systematische Stel- lung überhaupt, ist auch das Cirkulationssystem der Tanaiden, das von Yves DELAGE in seiner. wichtigen Arbeit über das Gefäß- system der Hedriophthalmen bei Leptochelia Savignyi geschildert Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 555 wurde !. Das Herz ist langgestreckt und ebenso wie bei den Mysi- den und Amphipoden ganz im Rumpf gelegen, während es bei den echten Isopoden sich mehr oder weniger weit in den Schwanz hin- ein streckt, häufig sogar zum größten Theile im Schwanz gelegen ist. Das Herz der echten Isopoden ist unter Anderem dadurch charakterisirt, dass seitliche Arterien von ihm entspringen, die zu den Rumpffüßen gehen; solche Arterien finden sich sonst nicht bei den Malakostraken, namentlich nicht bei den Mysiden und Amphipoden, ferner auch nicht bei den Tanaiden. Dagegen stimmen diese mit den echten Isopoden darin, dass vom, hinteren Theil des Herzens ein Paar Schwanzarterien entspringen, während bei den Amphipoden, eben so wie bei Mysis eine unpaare Schwanzarterie vorhanden ist ?. Der Umstand, dass bei den Tanaiden »das Herz im Mittelleib gelegen ist und dass die Pedes spurii keine Athmungsorgane« sind, hat GERSTÄCKER (Bronn’s Klassen u. Ordnungen d. Thierreichs 5. Bd. II. Abth. pag. 188) bewogen, die genannte Gruppe ganz von den Isopoden zu trennen und sie mit den Amphipoden zu vereinigen. Ich muss dies als sehr wenig glücklich bezeichnen. Die Tanaiden sind allerdings, wie ich es auch wiederholt hervorgehoben habe, keine recht typischen Isopoden, nehmen vielmehr eine ausgeprägt ursprünglichere Stellung als die übrigen Isopoden ein; trotzdem ste- hen sie jedoch im Ganzen den echten Isopoden, namentlich den Aselliden?, nahe. Diejenigen Punkte, in welchen sie mit den Amphipoden übereinstimmen, sind eben nur solche, worin diese mit den tiefer stehenden Malakostraken, namentlich mit den Mysiden ! Cireulat. des Edriophthalmes. Arch. de Zool. expér. Tome 9 pag. 134 u. fig. 2 Für das Gefäßsystem der Iso- und Amphipoden vgl. Yves DELAGE, 1. c. Das Gefüßsystem der Aselliden (das nicht von DELAGE beschrieben wird) ist von Sars (Crust. d’eau douce pag. 106—108) behandelt worden. Für die Mysi- den vgl. Sars (I. e. pag. 24—26) und P. J. VAN BENEDEN, Rech. s. 1. Crust. du Littoral de Belgique, Mém. de l’Acad. de Belg. XXXIII, pag. 45 u. fig. 3 H. Minne Epwarps vereinigt in seiner Hist. nat. d. Crust. Tome 3 die Tanaiden mit den Aselliden zu einer Familie, Asellotes, innerhalb der Iso- podes marcheurs. Während Prof. GERSTÄCKER sonst im Ganzen die MILNE Epwarps’sche Eintheilung der Isopoden lobt, verwirft er in starken Ausdrücken diese Zusammenstellung: »die Aufnahme der Tanaiden unter die Ordnung der Isopoda und besonders die enge Verkettung mit den völlig heterogenen Asel- linen« wird als ein »wirklicher Missgriff« (l. e. pag. 189) bezeichnet. Obgleich ich natürlich nicht die Vereinigung der Tanaiden mit den Aselliden in einer Familie befürworten möchte, kann ich doch nicht umhin, in direktem Gegen- satz zu der Auffassung GERSTÄCKER’S, in dieser Zusammenstellung eben eine der vielen Feinheiten zu erblicken, die sich in dem Buche MıLn& EpwaArps’ finden. 556 J. E. V. Boas übereinstimmen ; diejenigen Charaktere, welche die Amphipoden be- sonders im Gegensatz zu den übrigen Malakostraken auszeichnen — die Kiemen, der viergliedrige Antennenschaft, die merkwürdige erste Maxille, die ungespaltene Lacinia externa der zweiten Maxille, die verwachsenen Maxillenfüße, die eigenthümlich entwickelten drei letzten Schwanzfußpaare ete. — sind dagegen sämmtlich den Ta- naiden ganz fremd. Während sie somit in einen ganz bestimmten ~ Gegensatz zu den Amphipoden treten, sind dagegen die Unterschiede zwischen ihnen und den echten Isopoden weit geringer und weit mehr vermittelt. Was speciell den ersten der von GERSTÄCKER her- vorgehobenen Charaktere angeht, so ist der Unterschied zwischen den Tanaiden, wo das Herz lang ist und ganz im Rumpf liegt, und vie- len echten Isopoden, wo es stark verkürzt und größtentheils im Schwanz gelagert ist, allerdings nicht gering, bei den Aselliden aber liegt nur eben die hinterste Spitze des sehr langen Herzens im Schwanz, der weitaus größere Theil dagegen im Rumpf, so dass der Unterschied zwischen ihnen und den Tanaiden in diesem Punkte jedenfalls nicht bedeutender ist als z. B. zwischen Sphaeroma und Asellus. Was die Pedes spurii betrifft, so kann ich auch nicht sehen, dass der Unterschied zwischen den Tanaiden-Schwanzfüßen und denen der echten Isopoden so sehr groß sei. Bei den Tanaiden trägt jeder Schwanzfuß der fünf ersten Paare zwei einfache, unge- gliederte (nicht wie bei den Amphipoden gegliederte oder geringelte), einander ähnliche Blätter. Bei den echten Isopoden ist dasselbe typisch mit den zwei ersten Paaren der Fall: keines derselben ist als Respirationsorgan besonders entwickelt. Dagegen ist das innere Blatt an den drei folgenden Paaren gewöhnlich besonders für die Respiration ausgebildet: es erscheint dünnhäutiger, mehr undurchsichtig und spärlicher oder gar nicht behaart. Bei manchen Isopoden ist der Unterschied zwischen ihm und dem äußeren Blatte, das meistens gar nicht umgebildet ist, sondern eine gut chitinisirte, randhaarige, durchsichtige Platte darstellt, jedoch keineswegs sehr groß; bei der Eurydice pulehra (einem Cirolanide) ist z. B. das in- nere Blatt nur am fünften Paar unbehaart, an den zwei vorhergehen- den Paaren dagegen recht gut mit langen Randhaaren ausgestattet. Auch in diesem Punkte ist der Unterschied zwischen den Tanaiden und den echten Isopoden demnach nicht so sehr groß. Mehr Gewicht möchte ich auf die von DELAGE hervorgehobenen vielfachen Unter- schiede im Gefäßsystem legen; leider ist aber das Gefäßsystem der Aselliden bis jetzt nur sehr mangelhaft bekannt; vielleicht werden Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 557 dieselben auch hier einen vermittelnden Platz einnehmen. Wenn aber auch die Aselliden sich vielleicht in diesem Punkte ganz an die tibrigen echten Isopoden anschließen, so ist die Übereinstimmung zwischen den Tanaiden und den echten Isopoden dennoch so groß, dass es keineswegs angeht, sie von diesen im System zu trennen: ich erinnere an die Körperform, die Antennen, die zweite Maxille, den ersten Rumpffuß, an die folgenden Rumpffüße, -die jedenfalls bei Apseudes ganz ähnliche Wandelbeine wie bei Asellus sind, an den Schwanz, dem ein siebentes Glied abgeht, während das sechste Glied, eben so wie bei den echten Isopoden, den vorhergehenden kurzen gegenüber sehr stark entwickelt ist, an die paarigen Schwanz- arterien. Höchstens könnte man, wie G. O. Sars es gethan hat, einen besonderen Isopoden-Tribus für sie errichten. Es ist nicht ganz leicht zu entscheiden, welche der Amphipoden- Gruppen die primitivste ist oder, was auf dasselbe herausläuft, der genannten Apseudes-ähnlichen Stammform am nächsten kommt. Es ist leicht genug zu sehen, dass hierbei von solchen aberranten Grup- pen wie die Hyperinen und die Laemodipoden nicht die Rede sein kann: unter der übrigen großen Menge von Amphipoden ist aber die Uniformität so groß, dass es eine sehr schwierige Frage ist, welchen die primitive Stelle gebührt. Nach meinem Dafürhalten ist es jedoch wahrscheinlich, dass die Corophiiden dem Apseudes näher ste- hen als die übrigen. Der Körper ist platter, das Hautskelet häufig mehr verkalkt als z. B. bei Gammarus ; die, Hautpigmentirung häufig sehr bedeutend. Das Basalglied des zweiten bis achten Rumpffuß- paares ist kurz, zuweilen sehr kurz. An der ersten Maxille fehlt die Lacinia fallax oder ist schwach entwickelt! (vgl. Gammarus). Unter den Corophiiden scheinen wieder Formen wie Corophium die primitivere Stelle einzunehmen, während Amphithoé und andere sich den Gammariden mehr nähern. Von den Corophiiden ist der in manchen Hinsichten eigenthüm- liche und interessante Hyperiden-Typus wahrscheinlich ausge- gangen?. Die Lacinia fallax der ersten Maxille fehlt immer (jeden- ! Außer meinen Fig. 48—49 vgl. auch z, B. die Figuren und Angaben in BRUZELIUS, Bidrag till Kinnedomen om Skandinaviens Amphipoda Gammaridea in Kongl. Svenska Vetenskaps-Akad. Handlingar, Ny Följd, 3. Bandet. 2 Meine Bemerkungen über die speciellere Systematik der Amphipoden sind, was ich ausdrücklich hervorhebe, nur skizzirt. 558 J. E. V. Boas falls bei den von mir untersuchten Formen) eben so wie bei Coro- phium, der Rumpf ist gewöhnlich ziemlich plattgedrückt (dies ist z. B. bei Hyperia und Typhis sehr ausgeprägt), das Hautskelet häufig fest oder sogar spröde (unter den von mir untersuchten war dies bei Hyperia, Typhis und Paraprono& der Fall), das Basalglied der Füße immer kurz. Den Übergang zwischen den Corophiiden und den Hy- periden bildet die Gattung Vibilia'!. Dieselbe besitzt noch ein Rudiment der letzten vier Glieder des ersten Rumpffußes (des Kie- ferfußes), die bei den übrigen Hyperiden abortirt sind, eben so wie sie auch in anderen Hinsichten eine normalere Stellung als jene einnimmt (die übrigen Rumpffüße, die Augen, die Körperform). Es ist übrigens interessant und bezeichnend, dass das fünfte Glied des dritten Rumpffußpaares bei Vibilia ganz ähnlich wie bei gewissen Corophiiden gestaltet ist (man vgl. z.B. M. Epwarps, Hist. nat. d. Crust. Tab. 30 Fig. 1 und Tab. 29 Fig. 12). Auch die Caprelliden sind wohl von den Corophiiden abzu- leiten. Die Lacinia fallax fehlt ganz, was namentlich dadurch von Bedeutung wird, weil die Mundgliedmaßen sich im Ganzen vollkom- men normal verhalten: das Basalglied der Rumpffüße ist sehr kurz. Die Gattung Dulichia scheint, wie schon Kröyer bemerkt, eine Übergangsform von den Corophiiden zu den Caprelliden zu sein (man vergleiche die Form des Rumpfes und der Gliedmaßen; der Schwanz ist nur mit fünf Schwanzfußpaaren versehen). d. Vergleich zwischen den Iso- und Amphipoden und den Cumaceen. Es war erst auf einem ziemlich vorgerückten Stadium meiner Untersuchung, dass ich darüber ganz klar wurde, ob zwischen den Iso- und Amphipoden einerseits, den Cumaceen andererseits eine engere Verwandtschaft vorhanden ist. Dass es verwandte Grup- pen sind, war allerdings schon daraus deutlich, dass sowohl jene als diese, wie wir sahen, von Formen abgeleitet werden müssten, welche den Mysiden nahe standen; es kam nur darauf an zu kon- statiren, ob die Hedriophthalmen und die Cumaceen jede für sich von Mysis-artigen Formen ausgegangen seien, oder ob sie vielleicht beide von einer Form abgeleitet werden können, welche sich schon 1 Für diese Gattung, die ich selbst nicht untersuchen konnte, stütze ich mich auf die Angaben und Figuren in MıLnE Epwarps’ Hist. nat. des Crustacés. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 559 kenntlich von den Mysiden entfernt hätte, ob sie sich mit anderen Worten wie im beistehenden Stammbaum zu einander verhalten. Amphipoden Isopoden / 79 LEN Cumaceen Ni of Mysiden \ \/ m “ Das Resultat war, dass letzteres der Fall ist. Dass dieses mir erst spät klar wurde, liegt daran, dass es von vielen der Ähnlichkeiten, die sich allerdings gleich namentlich zwischen Isopoden und Cuma- - ceen darboten, sehr schwierig ist zu entscheiden, ob sie nur Analo- gien oder wirklich tiefere Übereinstimmungen sind. Nach und nach wurden aber mehrere Übereinstimmungen aufgefunden, die z. Th. der Art waren, dass die Entscheidung der Frage nicht mehr zwei- felhaft sein konnte. Die Mandibeln zeichnen sich bei den Isopoden, namentlich bei solchen Formen wie Apseudes und Asellus — also bei den pri- mitiveren Formen, welche bei diesen Betrachtungen natürlich von besonderer Wichtigkeit sind — dadurch aus, dass ihr Kautheil so zu sagen gestielt ist, während der entsprechende Theil der Mysiden- Mandibel im Gegensatz hierzu als »sitzend« bezeichnet werden könnte. Bei den Cumaceen verhalten sich die Mandibeln in dieser Bezie- hung ganz wie bei den Isopoden. — Die erste Maxille ist zwar bei den Cumaceen mit einem ganz ähnlichen Palpus wie bei den Tanaiden versehen, während den Mysiden ein Palpus gänzlich ab- geht; wir dürfen jedoch aber hierin keine Stütze für unseren obigen Stammbaum sehen, denn auch bei dem Lophogastriden Gnathophau- sia ist ein solcher Palpus vorhanden, und wir müssen demnach gewiss annehmen, dass ein Palpus wie bei Cumaceen und Tanaiden schon bei der Form y (Stammbaum pag. 487) vorhanden war. Übrigens kann man nicht umhin in der Form und dem Borstenbe- satz der Lacinia interna der Cumaceen eine entschiedene Annäherung 560 J. E. V. Boas an die Isopoden zu sehen. — Für die zweite Maxille kann es bemerkt werden, dass der Palpus sowohl bei den Cumaceen wie bei den Hedriophthalmen fehlt, ohne dass ich iibrigens diesem Punkte eine größere Bedeutung beimesse (man vgl. frühere Bemerkungen). Ferner erinnere ich daran, dass die charakteristische Borstenreihe an der Oberseite der Lacinia interna bei den Cumaceen eben so wenig wie bei den Isopoden bis an den Außenrand der Kaulade sich fortsetzt (vgl. die Mysiden); und der Borstenbesatz der Laeinia externa ist, wie schon früher bemerkt (Einleitung pag. 500), bei Cu- maceen und bei Isopoden ähnlich. — Von Interesse dürfte es auch sein, dass die Kaulade des ersten Rumpffußes sowohl bei den Isopoden wie bei den Cumaceen, dagegen nicht bei den Mysidaceen, mit Hefthaken versehen ist, wodurch die zwei Rumpffüße zusam- mengeheftet werden: der Exopodit fehlt sowohl bei Hedriophthalmen wie bei Cumaceen. — Die drei letzten Rumpffußpaare der Cumaceen nähern sich entschieden den entsprechenden Beinpaaren der Isopoden: sie sind robust, das zweite Glied bedeutend verlän- gert, der Exopodit fehlt immer an dem letzten, häufig auch an den zwei anderen Paaren; diese Füße werden offenbar, eben so wie bei den Isopoden, als Lauffüße verwendet. — An der Innenseite des Schaftes der Schwanzfüße (das letzte Paar natürlich ausgenommen) finden wir bei den Cumaceen, eben so wie bei vielen Isopoden (jedoch nicht bei denjenigen Formen, die in anderen Hinsichten eben den Cuma- ceen am nächsten stehen, nämlich den Tanaiden und den Aselliden) und bei den Amphipoden, eine kleine Gruppe von Haken, durch welche die Schwanzfüße paarweise zusammengeheftet werden; diese Hefthaken finden sich sonst bei keinen Malakostraken. — Das Hautskelet ist bei den Cumaceen, eben so wie bei Apseudes und den meisten anderen Isopoden, sehr fest und spröde. — Das Schild der Cumaceen ist stark redueirt, so dass die fünf vollständigen Rumpfsegmente alle unbedeckt sind; die genannten Rumpfsegmente sind stärker als bei den Mysiden entwickelt (vgl. die Hedriophthal- men). — Was den inneren Bau betrifft, so kann bemerkt werden, dass die Leber bei den Cumaceen, eben so wie bei den Iso- und Amphipoden, aus einer geringen Anzahl nach hinten gerichteter Schläuche besteht, nämlich eben so wie bei vielen Isopoden aus drei Paaren. Bei den Cumaceen! sind die zwei Eierstöcke und Ho- ! Sars, Beskriv. af de paa Joseph. Exp. funden Cumac., Svenska Vetensk.- Akad. Handlingar 9. Bd. Tab. IX Fig. 43. DoHrx, Jenaische Zeitschr. 5. Bd. pag. 79. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 561 den, eben so wenig wie bei den Hedriophthalmen, durch einen unpaa- ren Abschnitt mit einander verbunden, während dies bei allen übri- gen Malakostraken-Gruppen der Fall ist; jeder Hode ist nach Donrn! »mit drei bis vier kleinen Aussackungen am oberen Ende« versehen (vgl. die Isopoden). — Von besonderem Interesse ist es auch, dass die jungen Cumaceen, eben so wie die Isopoden — aber im Gegen- satz zu den Mysiden — die Bruthöhle ihrer Mutter mit nur sieben Rumpffußpaaren verlassen; das achte Paar wird erst später ent- wickelt. Es wird aus dem oben Entwickelten deutlich sein, dass keine geringe Zahl der Charaktere, welche namentlich die Isopoden in Ver- gleich mit den Mysiden erworben haben, eben so, jedenfalls an- nähernd, bei den Cumaceen gefunden werden. Mögen auch einige der speciellen gemeinsamen Charaktere der Cumaceen und Isopoden nur Analogien sein oder möglicherweise schon bei der unbekannten Form z vorhanden gewesen sein, so wird dies unter allen Umstän- den nicht mit sämmtlichen Übereinstimmungen der Fall sein kön- nen und die Richtigkeit des oben gegebenen Stammbaumes dürfte demnach als genügend dargelegt erscheinen. Dagegen kann man nicht die Hedriophthalmen direkt von den Cumaceen ableiten. Es ist deutlich, dass eine Form wie Apseudes, welche mit gestielten Augen, mit einer Squama, mit wohl entwickelten Schwanzfüßen in beiden Geschlechtern versehen ist, nicht von den Cumaceen abgeleitet wer- den kann, wo die Augen sitzend sind, die Squama fehlt und die Weibchen keine Schwanzfüße (mit Ausnahme des letzten Paares) be- sitzen; es muss auch z. B. erinnert werden, dass die Amphipoden, eben so wie die Mysiden, eine Antennendrüse besitzen, während eine solche den Cumaceen abgeht. Die Form z, in unserem Stammbaum fällt somit nicht mit einem der jetzt lebenden Cumaceen zusammen. F. Die Dekapoden. Die bedeutende habituelle Ähnlichkeit, die man zwischen den niederen Dekapoden (den Garneelen, Decapoda natantia mihi) und den »Schizopoden« (Euphausiacea und Mysidacea mihi) findet, hat bewirkt, dass es eine allgemein herrschende Vorstellung ist, dass erstere und letztere mit einander nahe verwandt seien, ja von Man- 562 J. E. V. Boas chen werden die Schizopoden sogar einfach zu den Dekapoden ge- rechnet. In der That ist aber die Verwandtschaft der Dekapoden mit den beiden Ordnungen, in welche wir die Schizopoden haben spalten müssen, eine recht entfernte zu nennen. Dies gilt namentlich für das Verhältnis der Dekapoden zu den Mysidaceen. Das Schild, der Schwanz und die Schwanzflosse, die Antennen und die Augenstiele sind zwar in ähnlicher Weise bei diesen wie bei den niederen Dekapoden entwickelt; hiermit hört aber die Übereinstimmung so ziemlich auf. Das vorderste Paar Rumpffüße ist allerdings bei den Dekapoden wie auch bei den My- siden als Mundgliedmaßen verwendet und eine Kaulade ist in bei- den Gruppen vom zweiten Glied derselben entwickelt; wie schon früher (pag. 513) erwähnt, ist jedoch trotzdem eine wirkliche Über- einstimmung hier kaum vorhanden und man darf jedenfalls hiervon keineswegs auf eine nähere Verwandtschaft schließen: die Ähnlich- keit in diesem Punkte macht eben nur den Eindruck eine Analogie zu sein. Dasselbe muss auch für die Kiemen der Lophogastriden in Geltung gebracht werden: sie entspringen zwar eben so wie einige der Kiemen der Dekapoden von dem Rumpfskelette; hiervon aber zu schließen, dass sie jenen homolog seien, dürfte jedoch sehr gewagt sein: denn die Ähnlichkeit zwischen den Lophogastriden-Kie- men und den Pleurobranchien der Dekapoden ist nicht an und für sich groß genug um ihre Identität wahrscheinlich zu machen, und es muss erinnert werden, dass innerhalb der Malakostraken selbst bei nahe verwandten Gruppen ganz verschiedene Theile als Kiemen ver- wendet werden. Weit näher ist die Verwandtschaft der Dekapoden mit den Euphausiden, die in der That diejenige Malakostraken-Gruppe ist, welcher sie im Ganzen am nächsten 'stehen; trotzdem ist die Verwandtschaft keine sehr innige zu nennen. Selbst zwischen den Euphausiden und den Penaeiden, denjenigen der Dekapoden, welche ihnen am nächsten stehen, sind die Unterschiede sehr bedeutend ; ja wenn mir ein immerhin schwer anzustellender Vergleich erlaubt sein dürfte, möchte ich die Unterschiede zwischen Euphausiden und Penaeiden keineswegs geringer als die Unterschiede z. B. zwischen Mysiden und Aselliden anschlagen. Betrachten wir diese Verschie- denheiten etwas näher. Die Exopoditen sind bei der größeren Mehrzahl der (erwachse- nen) Dekapoden an den fünf hinteren Rumpffußpaaren (den Thorax- füßen) gänzlich verschwunden; nur bei einzelnen (Penaeus, einigen Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 563 Eukyphoten) ist ein kleiner Exopodit vorhanden. An den drei vorderen Rumpffußpaaren ist er dagegen typisch vorhanden, besitzt jedoch keine lokomotorische Bedeutung. Die drei letztgenannten Gliedmaßenpaare zeichnen sich sehr von den entsprechenden der Euphausiden dadurch aus, dass sie als Kieferfüße ausgebildet sind und selbst bei den Pe- naeiden erheblich von den folgenden Füßen abweichen, während sie bei jenen kaum von diesen verschieden waren; ferner sind die drei Kieferfußpaare unter einander verschieden, so dass hiermit eine ganze Reihe Unterschiede von den Euphausiden gegeben ist (vgl. pag.513—514). Die Endopoditen der Thoraxfüße sind im Vergleich mit denen der Euphausiden, selbst bei den Penaeiden immerhin als kräftig zu bezeichnen; ein oder mehrere Paare sind als Greiforgane entwickelt. Durch die Ausbildung: eines mächtigen eigenthümlichen Kiemenapparates ist ein fernerer, tief eingreifender Unterschied gegeben: hiermit steht auch die Ausbildung des Exopodites der zwei- ten Maxille als Athemplatte in nächster Beziehung. Bei allen Dekapoden fehlen die Dorsalpartien sämmtlicher Rumpfsegmente !. Andererseits finden wir aber auch viele Übereinstimmungen zwischen den Euphausiden und den niederen Dekapoden (Natantia). Einige dieser gemeinsamen Charaktere sind so augenfällig, dass ich sie nur beiläufig zu berühren brauche: der Garneelen-Habitus, das corneate Hautskelet, das Schild, der kräftige Schwimmschwanz mit dem zugespitzten letzten Gliede, die Schwanzflosse, die Schwanzfüße, die Antennen. Eben so wie die Euphausiden besitzen die Penaeiden und viele andere Dekapoden an mehreren -Rumpffüßen Epipodi- ten, die bei den meisten übrigen Malakostraken nur am ersten Paare oder gar nicht vorhanden sind. Das Innenblatt des-ersten Schwanzfußpaares ist bei den Dekapoden-Männchen, eben so wie bei den Euphausiden, für die Copulation ausgebildet und erinnert namentlich bei gewissen Penaeiden lebhaft an den entsprechenden Theil bei den Euphausiden: ferner ist das zweite Paar des Männ- chens eben so wie bei diesen mit einer Appendix masculina aus- gestattet (vgl. Fig. S6 und meine Dekapoden-Studien). Die Form des Herzens ist dieselbe; in beiden Ordnungen finden wir Sper- ! Die meisten Rumpfsegmente sind bei der Mehrzahl der Dekapoden an der Ventralseite mit einander verwachsen; nur bei Penaeus fand ich die meisten etwas, wenn auch nur wenig, unter einander beweglich. — Die freie Beweg- lichkeit des letzten Rumpfsegmentes bei vielen Reptantia (Astacus, Thalassini- den ete.) muss zweifelsohne als ein sekundär erworbener Charakter aufgefasst werden. 564 J. E. V. Boas matophoren, während solche, ‘so weit ich weiß, bei keinen der übrigen Malakostraken vorhanden sind; die Spermatozoen der Euphausiden sind einfache Zellen, bei den Eukyphoten sind es eben- falls einfache Zellen, die nur mit einem kurzen Fortsatz versehen sind! (die Spermatozoen der Penaeiden sind, so viel ich weiß, noch unbekannt). Von allen Malakostraken sind die Penaeiden, wie schon her- vorgehoben wurde, diejenigen, welche den Euphausiden im Ganzen am nächsten stehen. Sehr bezeiehnend ist in dieser Beziehung die Entwicklung, wie dieselbe durch Fr. MÜLLER und Brooks für Penaeus und Leucifer (Zoolog. Anzeiger 1580 pag. 563—567) be- kannt wurde: die Penaeiden und Euphausiden sind die einzigen Ma- lakostraken, bei welchen ein frei umherschwimmender Nauplius vorkommt. Die Epimeren des Schwanzes verhalten sich auch in beiden Gruppen in genau derselben Weise: die Epimeren des ersten Schwanzsegmentes sind wohl entwickelt und decken den Vorderrand derjenigen des zweiten Segmentes. Der Endopodit des dritten Rumpffußes ist bei den Penaeiden lang und siebengliedrig (bei den Eukyphoten fünfgliedrig, bei den Reptantia allerdings gewöhnlich sie- bengliedrig, dabei aber sehr verkürzt). Die Penaeiden sind die einzi- gen Dekapoden, bei welchen ein siebengliedriger erster Rumpf- fuß vorkommt (vgl. Fig. 38 und 40 meiner Dekapoden-Studien). Die Unterschiede zwischen den Euphausiden und. den Dekapoden sind fast alle derart, dass wir sagen müssen, dass jene einen pri- mitiveren Standpunkt als diese einnehmen. Ich brauche dies nicht im Einzelnen darzulegen, denn die oben erwähnten Haupt-Unter- schiede gehören sämmtlich zu dieser Kategorie. Nur in einigen weniger augenfälligen Punkten dürfte die Primitivität den Penaeiden ! Vgl. GROBBEN, Männliche Geschlechtsorg. d. Dekap. Taf. IH Fig. 14, Taf. IV Fig. 43—45 (Arbeiten des zool. Inst. zu Wien I). 2 Ich habe versucht an einem Spiritus-Exemplar von Sergestes Frisii den Bau der Spermatozoen festzustellen, bin aber zu keinem ganz sicheren Resultat gekommen. Die Spermatozoen bestehen, eben so wie bei den Euky- photen, aus einem großen Kern und einer spärlichen Protoplasma-Umhüllung ; ob aber diese einen solchen Fortsatz wie bei den Eukyphoten besitzt oder nicht, wage ich nicht zu entscheiden; ich habe allerdings keinen gefunden, der Protoplasma-Mantel scheint aber zu weich zu sein, als dass man von diesem negativen Befunde auf die Nicht-Existenz von Fortsiitzen am lebenden Spermatozoon mit Bestimmtheit schließen darf. (Bei den Euphausiden sind die Spermatozoen festere Körper, mit einem relativ kleinen Kern; sie sind weit größer als bei Sergestes.) Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 565 zukommen: die Penaeiden so wie die Dekapoden überhaupt besitzen, eben so wie die Phyllopoden, einfache unverästelte Epipoditen, wäh- rend diese bei den Euphausiden — mit Ausnahme derjenigen des ersten Rumpffußpaares — verästelt sind; — bei Penaeus ist der Pal- pus der ersten Maxille viergliedrig, bei den Euphausiden nur ein- gliedrig (vgl. Nebalia, Fig. 40). Es wird wohl demnach ohne Weiteres deutlich sein, dass die Dekapoden von einer Form abgeleitet werden müssen, welche den Euphausiden nahe stand, ohne jedoch mit einer der wenigen bis jetzt bekannten Formen dieser Gruppe zusammenzufallen (vgl. den Stamm- baum pag. 487). Innerhalb der Dekapoden ist die Entwicklung eine außerordent- lich große und mannigfaltige gewesen: die Dekapoden bilden ohne Vergleich die reichste und interessanteste der Malakostraken-Ordnun- gen. In einer anderen Arbeit! habe ich diese Entwicklung im Ein- zelnen verfolgt und habe nichts Neues zuzufügen. Eine ganz kurze Übersicht über einige Hauptmomente des Entwicklungsganges ist am Ende des französischen Resumés der genannten Arbeit gegeben 2. 6. Die Squillaceen. Die Squilliden nehmen unter den Malakostraken eine sehr iso- lirte Stelle ein. Während sie deutlich genug das Malakostraken- Gepräge an sich tragen (vgl. die unten gegebene allgemeine Charak- teristik der Malakostraken), haben sie übrigens keine näheren Beziehungen zu anderen Malakostraken-Ordnungen, stehen ihnen ! Studier over Decapodernes Slaegtskabsforhold. Danske Vid. Selsk. Skr., naturv. og mathem. Afdel. 6. R. I. Bd. 2 Ich habe |. e. pag.206 die Bemerkung gemacht, dass die Dekapoden eine Entwicklung durchlaufen haben, »qui, en petit, présente quant a4 son trait fonda- mental une grande analogie avec celui du developpement phylogénétique chez le type si riche des vertébrés«. Um etwaige Missverständnisse zu verhüten erlaube ich mir dies mit ein paar Worten näher zu erklären. Eben so wie bei den niedersten Vertebraten (den Fischen) ist auch bei den niederen Dekapoden (Natantia) der Kör- per mit einem sehr kräftigen muskulösen Endabschnitt (dem »Schwanz«) versehen, welcher wesentlich die Lokomotion des Thieres bewerkstelligt, während die Rumpf- gliedmaßen eine verhältnismäßig untergeordnete Rolle spielen. Bei den höchsten Vertebraten (den Säugethieren) ist der betreffende Endabschnitt, eben so wie die analoge Partie bei den höchsten Dekapoden (den Brachyuren), ein fast bedeutungsloser Anhang geworden, während die Rumpfgliedmaßen die Lokomo- tion ganz übernommen haben. Zwischenstadien sind unter den Vertebraten die Reptilien und Amphibien, unter den Dekapoden die niederen Reptantia. Morpholog. Jahrbuch. 8. 38 566 J. E. V. Boas vielmehr schroff gegenüber; die nächste, immerhin aber sehr entfernte Verwandtschaft dürften sie zu den Euphausiden zeigen. Wir heben im Folgenden einige Momente hervor, welche uns für die Beurthei- lung ihrer systematischen Stellung maßgebend erscheinen. Die Mandibeln (Fig. 60 und 61) schließen sich an diejenigen der Euphausiden und Dekapoden; der Kautheil ist zusammengedrückt und stark entwickelt. Von weniger ausgeprägter Form ist die Maxille des ersten Paares. Die zweite Maxille (Fig. 32) steht offenbar in ihrer Form der entsprechenden der Euphausiden näher als der irgend eines anderen Malakostraken. Die Rumpffüße stimmen dadurch mit denjenigen der Euphausiden, dass das erste Paar ähnlich wie die nächstfolgenden gebildet ist (vgl. Dekapoden, Mysiden etc.); es muss ferner auch an dieser Stelle daran erinnert werden, dass mehrere der Rumpffüße mit einem einfachen Epipodit, andere mit einem Exopodit versehen sind. Übrigens sind die Rumpf- füße bekanntlich denen anderer Malakostraken durchaus unähnlich. Die Schwanzfüße sind, eben so wie bei Nebalia, wie bei den Euphau- siden und vielen Dekapoden, mit einer Appendix interna am Innenblatte versehen, während den übrigen Malakostraken eine solche Einrich- tung abgeht. Beim Männchen findet sich, eben so wie bei den Euphausiden, ein komplieirter Kopulations- Apparat am Innenblatte des ersten Schwanzfußes; ein ähnlicher Apparat findet sich sonst nur bei einigen der niedersten Dekapoden!. Das Schild der Squilliden ist ähnlich wie bei den Cumaceen etwas rückgebil- det2, welche Ähnlichkeit natürlich nur als Analogie aufzufassen ist. ! Die einzelnen Stücke der Kopulations-Einrichtung der Squilliden (Fig. 87) habe ich allerdings nicht mit derjenigen der Euphausiden zu parallelisiren ge- wagt; die allgemeine Ähnlichkeit ist aber recht groß und es ist wohl kaum Grund vorhanden an der Homologie zu zweifeln. — Das Innenblatt des zwei- ten Schwanzfußpaares des Männchens ist von dem der folgenden Paare nicht verschieden, es fehlt also eine Appendix masculina (vgl. Euphausiden und De- kapoden). Dagegen ist das äußere Blatt desselben Fußpaares von dem ent- sprechenden des Weibchens und der folgenden Paare verschieden gestaltet: es ist mit einem erhabenen Längskamm versehen, welcher an den übrigen nicht oder nur angedeutet vorhanden ist; an der Spitze ist ein Einschnitt, welcher außen von einem eigenthümlichen kleinen Wulst begrenzt ist, welcher zwar in der Fortsetzung des Längskammes liegt, jedoch von demselben selbst- ständig abgegrenzt ist. Obgleich diese Bildung als eine den Squilliden allein zukommende für uns hier kein besonderes Interesse darbietet, habe ich sie doch nicht unerwähnt lassen wollen, da sie meines Wissens bisher der Beobachtung entgangen ist. 2 Bekanntlich sind die Dorsalpartien der vier letzten Rumpfsegmente der Squilliden vollkommen frei und wohl entwickelt. Vor diesen finde ich aber Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 567 Die Eierstöcke und Hoden stimmen darin mit den entsprechen- den der Euphausiden, Dekapoden und Mysiden, dass ein unpaariger Abschnitt ihre beiden Hälften verbindet!. Sehr interessant sind die Spermatozoen?: eben so wie bei den Euphausiden (und Phyllopo- den) sind sie einfache, abgerundete, kernhaltige Zellen, wie wir sie sonst nirgends unter den Malakostraken finden (vielleicht mit allei- niger Ausnahme der Penaeiden, vgl. pag. 564, Anm.). Das Herz? ist dadurch von demjenigen aller übrigen Malakostraken verschie- den, dass es von einer größeren Anzahl venöser Ostienpaare durch- brochen ist (vgl. Nebalia und andere Phyllopoden) ; in dieser Be- ziehung nehmen die Squilliden eine ursprünglichere Stellung ein als irgend welche der übrigen Malakostraken. Auch die Ent- wicklungsgeschichte bietet mehrere wichtige Punkte dar: es ist bei jungen Larven‘ eine Schalendrüse vorhanden, die sonst, so weit ich weiß, unter den Malakostraken nur bei Sergestes-Larven ge- funden wurde; auf gewissen Entwicklungs-Stufen umhüllt das Schild nicht nur den Rumpf, sondern auch einen Theil des Schwanzes und die Rumpffüße (vgl. die Phyllopoden und die Euphausia-Larven) ; das letzte Schwanzfußpaar wird, obgleich es beim Erwachsenen kräftig entwickelt ist, nicht wie bei den Euphausiden und Dekapo- den‘ früher als die anderen Schwanzfüße angelegt, sondern später als die vorhergehenden’, was ohne Zweifel als ein primitives Ver- hältnis aufgefasst werden muss. Die Squilliden sind demnach Thiere, welche in gewissen Punk- ten eine sehr primitive Stelle unter den Malakostraken einnehmen, in einzelnen sogar eine primitivere als alle anderen Malakostraken, wäh- rend sie in anderen Hinsichten als sehr modifieirt erscheinen ; sie haben noch sowohl bei Gonodactylus als bei Squilla eine kurze selbständige Dorsal- partie. Bei Squilla ist noch eine sechste Dorsalpartie, welche vor den fünf anderen Platz hat, andeutungsweise vorhanden; dieselbe ist jedoch sehr schwach entwickelt, von den Gelenkhäuten nur undeutlich abgegrenzt. ! GROBBEN, Die Geschlechtsorgane von Squilla mantis. Sitzungsber. d. math.-naturw. Klasse der Akad. zu Wien LXXIV, 1. Abth. pag. 389. 2 GROBBEN, Männl. Geschlechtsorg. d. Dekap. pag. 25. Arbeit. aus dem zool. Inst. zu Wien I. 3 Vgl. Cuaus, in Zool. Anz. 1880 pag. 612. 4 Cuaus, Unters. z. Erforschung d. genealog. Grundl. d. Crustaceen- Systems Taf. IV Fig. 8. 5 CLAUS, |. ec. pag. 35—36 und Holzschnitt Fig. 12. 6 Bei den Brachyuren scheint das letzte SchwanzfuBpaar allerdings auch später als die anderen entwickelt zu werden; dies hängt aber offenbar damit zusammen, dass sie überhaupt nur eine geringe Entwicklung erreichen. 7 CLAUS, 1. c. pag. 4. 38* 568 J. E. V. Boas nur mit den tiefest stehenden der übrigen Malakostraken einige nähere Berührungspunkte. Der Platz, den ich ihnen im Stammbaum (pag. 487) angewiesen habe, dürfte nach dem oben Entwickelten wohl ge- nügend motivirt sein. H. Allgemeine Übersicht '. Subclassis Malacostraca. Körper aus einem Kopf, einem achtgliedrigen Rumpf und einem siebengliedrigen Schwanz bestehend ; Kopf immer mit einer kleineren oder größeren Partie des Rumpfes innig verbunden. Ein Schild, das vom Kopfe entspringt, außerdem aber mit einem Theil der Rückenseite des Rumpfes verbunden ist, ist meistens vorhanden; dasselbe deckt nur den Rumpf, nicht den Schwanz und die Gliedmaßen. Der Kopf trägt zwei gestielte oder (durch Rückbildung) ungestielte, zusammen- gesetzte Augen; ein Paar Antennulen, die aus einem dreigliedrigen Schaft und zwei (oder einem) Geißeln bestehen; zwei Antennen, deren Endopodit aus einem meistens fünfgliedrigen Schaft und einer (langen) Geißel besteht und deren Exopodit, wenn vorhanden, eine ungegliederte Platte ist; ein Paar Mandibeln, immer (beim Erwach- senen) ohne Exopodit, aber mit einem dreigliedrigen Palpus (welcher übrigens nicht selten fehlt); ein erstes Maxillenpaar mit einem klei- — nen oder keinem Exopodit, mit zwei einfachen Kauladen und einem häufig fehlenden) Palpus; ein zweites Maxillenpaar mit einem plat- ten Exopodit (oder ohne Exopodit), mit zwei Kauladen, von welchen die distale fast immer, die proximale häufig gespalten ist, und einem Palpus. Der Rumpf trägt acht typisch siebengliedrige Rumpffuß- paare mit oder ohne Exo- und Epipodit; der Exopodit ist schmal, typisch in Schaft und Geibßel gegliedert, der Epipodit meistens ziemlich klein. Von Sehwanzfüßen sind höchstens sechs Paare — die typische Anzahl — vorhanden, indem das letzte Schwanzsegment gliedmaßenlos ist; sie bestehen aus einem zweigliedrigen Schaft und zwei randhaarigen Blättern: das letzte Paar ist nach hinten gerichtet und meistens von den vorhergehenden verschieden. — Sie sind mit einem Kaumagen ausgestattet. Das Herz besitzt typisch drei Spaltenpaare (zuweilen nur ein oder zwei Paare, nur bei den Squilliden mehr als drei Paare). Die Ganglien desselben Paares sind dicht an einander 1 In den nachstehenden kurzen Charakteristiken sind nur solche Charak- tere mit aufgenommen, welche in wenigen Worten ausgedrückt werden konnten. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 569 gelagert. Eine Antennendrüse ist bei der Mehrzahl vorhanden, eine Schalendrüse (bei den Erwachsenen) niemals. — Die Malakostraken verlassen allgemein (Ausnahmen: alle Amphipoden und Squilliden, die meisten Dekapoden und einige andere) das Ei als Nauplii, welche jedoch meistens madenförmig sind. Ordo I. Euphausiacea. Rumpf und Schwanz zusammengedrückt. Schwanz kräftig mit starkem Garneelenknick. Schild gut entwickelt. Das letzte Rumpfseg- ment vollständig. Augen gestielt, Antennen mit großer Squama. Man- dibeln einfach; die erste Maxille mit breitem, eingliedrigem Palpus und mit wohlentwickeltem Exopodit; die zweite Maxille mit ähnlichem Pal- pus und mit Exopodit, die Lacinia interna gespalten. Die Rumpffüße besitzen sämmtlich einen kräftigen Exopodit und einen Epipodit, wel- cher nur am vordersten Paare einfach, übrigens aber verästelt ist; der Endopodit ist dünn und schwach, ohne Enddorn (an den zwei hinteren Paaren mehr oder weniger riickgebildet). Die vorderen Rumpffüße sind nicht als Kieferfüße ausgebildet, sondern den folgenden gleich- werthig. Die Schwanzfüße sind kräftige Schwimmwerkzeuge mit einer Appendix interna; beim Männchen sind die zwei ersten zugleich als Kopulationswerkzeuge ausgebildet. Schwanzflosse wohlentwickelt. — Leber aus vielen kleinen Schläuchen bestehend. Herz kurz und breit. Die zwei Hälften der Geschlechtsorgane durch ein unpaares Stück verbunden. Spermatophoren vorhanden. Spermatozoen ein- fache abgerundete Zellen. Antennendrüse vorhanden. — Das Junge verlässt das Ei als ein Nauplius, welcher im Stande ist frei im Meere herumzuschwimmen; etwas ältere Larven sind mit einem großen mantelförmigen Schild versehen. Ordo Il. Mysidacea. Rumpf und Schwanz abgerundet. Schwanz kriftig, ohne aus- geprägten Garneelenknick. Schild gut entwickelt. Die fünf letzten Rumpfsegmente sind vollständige Ringe. Augen gestielt, Antennen mit wohlentwickelter Squama. Die erste Maxille mit oder ohne Pal- pus und Exopodit; die zweite Maxille mit zwei- bis dreigliedrigem Palpus und mit wohlentwickeltem Exopodit, Lacinia interna immer ungespalten. Rumpffüße sämmtlich mit einem kräftigen Exopodit: ein Epipodit ist nur am ersten Paare entwickelt, derselbe ist groß, zungenförmig; der Endopodit ist an den meisten Paaren ziemlich 570 J. E. V. Boas dünn und schwach, mit einem Enddorn. Das erste Rumpffußpaar ist kurz und kräftig, von den folgenden sehr verschieden , meistens mit einer Kaulade am zweiten Gliede (Kieferfüße): das zweite Paar etwas, aber weniger, von den folgenden verschieden. Brutplatten sind beim Weibchen vorhanden. Schwanzfüße beim Männchen mei- stens gut entwickelte Schwimmwerkzeuge, aber ohne Appendix in- terna, beim Weibchen meistens riickgebildet (mit Ausnahme des letzten Paares): die zwei ersten Paare des Männchens sind nicht Kopulationswerkzeuge. Schwanzflosse wohl entwickelt. — Leber! aus zehn großen Schläuchen bestehend. Herz langgestreckt. Die beiden Hälften der Geschlechtsorgane durch ein unpaares Stück ver- bunden. Keine Spermatophoren. Spermatozoen aus einem langen Kopf und einem sehr langen Schwanz bestehend, welche mit ein- ander unter einem spitzen Winkel verbunden sind. Antennendrüse vorhanden. — Die Jungen verlassen das Ei als madenförmige, un- bewegliche Nauplien: wenn sie die Bruthöhle der Mutter verlassen, sind sie mit sämmtlichen Rumpffüßen ausgestattet. Subordo 1. Lophogastrida. Mandibeln ohne Processus accessorius und Borstenreihe, Kautheil rudimentär. Die erste Maxille ohne Exopodit; Palpus, wenn vorhan- den, zweigliedrig, nach hinten gerichtet. Die Kauladen der zweiten Maxille sind nicht über einander geschoben; an der Oberseite der Lacinia interna ist keine Borstenreihe entwickelt. Das sechste Glied der Rumpffüße ist niemals geringelt; das Basalglied des ersten Rumpffußes groß. Brutplatten vom Basalgliede des zweiten bis ach- ten Rumpffußes. Dicht an der Ursprungsstelle des zweiten bis sie- benten Rumpffußes entspringt jederseits eine Reihe komplieirter Kiemen. Schwanzfüße in beiden Geschlechtern gut entwickelt. ” Subordo 2.. Mysida. Mandibeln mit Processus accessorius und Borstenreihe, Kautheil wohl entwickelt. Die erste Maxille mit Exopodit, Palpus niemals vorhanden. Die Kauladen sind in bestimmter Weise iiber einander geschoben; an der Oberseite der Lacinia interna eine eigenthümliche Borstenreihe. Das sechste Glied der Rumpffüße ist fast immer ge- ringelt; das Basalglied des ersten Rumpffußes rudimentär. Brut- platten nur ausnahmsweise vom Basalglied des zweiten bis achten 1 Die Angaben von inneren Organen gelten eigentlich nur für die Mysiden, da der innere Bau der Lophogastriden bislang unbekannt ist. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 571 Rumpffußes, gewöhnlich nur von dem der zwei oder drei letzten Rumpffußpaare. Keine Kiemen. Schwanzfüße beim Weibchen immer rückgebildet. Ordo III. Cumacea. Rumpf und Schwanz abgerundet. Schwanz ziemlich lang, aber dünn, gerade. Schild klein, deckt nicht die fünf letzten Rumpf- segmente, welche vollständige Ringe bilden. Augen sitzend, meistens zu einem vereinigt, schwach entwickelt. Antennen immer ohne Squama, beim Weibehen rückgebildet. Mandibeln mit Processus ac- cessorius und mit Borstenreihe (ohne Palpus). Die erste Maxille mit einem rückwärts gerichteten Palpus, ohne Exopodit. Die zweite Maxille ohne Palpus, mit einem kleinen Exopodit; Laeinien nach vorn ge- richtet, über einander geschoben; Lacinia interna ungespalten, mit einer Borstenreihe auf der Oberseite. Rumpffüße z. Th. mit, z. Th. ohne Exopodit; ein Epipodit ist nur am ersten Rumpffuß vorhanden, ist aber hier sehr groß und trägt eine Kieme; die Endopoditen sind namentlich an den letzten Paaren kräftig entwickelt, sie besitzen einen Enddorn. Das erste Paar ist als Kieferfüße entwickelt, mit einer Kaulade am zweiten Glied versehen, welche einige Hefthaken trägt. Brutplatten sind beim Weibchen vorhanden. Das sechste Schwanz- fußpaar immer vorhanden; die übrigen sind beim Weibchen niemals, beim Männchen dagegen meistens, und dann recht kräftig entwickelt, mit Hefthaken am Innenrande des Schaftes; keine derselben sind als Kopulationsorgane ausgebildet. — Leber aus sechs nach hinten gerichteten großen Schläuchen bestehend. Herz langgestreckt. Ge- schlechtsorgane ohne einen unpaaren Abschnitt. Keine Spermato- phoren. (Spermatophozoen ungenügend bekannt.) Keine Antennen- drüse. — Sie verlassen das Ei als madenförmige Nauplien. Wenn die Jungen die Bruthöhle der Mutter verlassen, fehlt ihnen noch das letzte Rumpffußpaar. Ordo IV. Isopoda. Der ganze Körper plattgedriickt. Der Schwanz ist kürzer als der Rumpf. Das Schild fehlt (meistens) oder ist sehr klein (Tanai- den). Sieben vollständige und wohlentwickelte Rumpfsegmente (aus- nahmsweise nur sechs: Tanaiden). Sechstes Schwanzglied groß, siebentes immer fehlend. Augen meistens sitzend, selten kurzgestielt 572 J. E. V. Boas und dann immer unbeweglich (Tanaiden) ; Antennulen meistens ein- ästig (Ausnahme: Apseudes) ; Antennenschaft fünfgliedrig, Squama nur ausnahmsweise vorhanden (Apseudes, Janira). Mandibeln mit Processus accessorius und Borstenreihe. An der ersten Maxille fehlt der Palpus gewöhnlich; wenn derselbe vorhanden ist (Tanaiden), ist er nach hinten gerichtet; die Kauladen stark nach vorn gedreht. Die zweite Maxille ohne Palpus und Exopodit; Lacinien nach vorn gerich- tet, über einander geschoben; Lacinia externa gespalten, Lacinia interna ungespalten, zuweilen (Apseudes, Asellus) mit einer Borsten- reihe auf der Oberseite. Rumpffüße ohne Exopodit (nur ganz aus- nahmsweise — Apseudes — ist ein ganz rudimentärer Exopodit an einigen Rumpffüßen vorhanden); ein Epipodit nur am ersten Rumpf- fuß, meistens (Ausnahme: Tanaiden) zu einer festen Platte umge- staltet. Der erste Rumpffuß ist als Kieferfuß angebildet, mit einer Kaulade vom zweiten Glied, die mit Hefthaken versehen ist (der erste Rumpffuß ist nicht am Grunde mit seinem Gegenüber verwachsen). Die sieben letzten Rumpffußpaare sind starke Lauffüße mit einem Dorn an der Spitze des Endgliedes; das Basalglied ist immer klein, das zweite Glied lang, das dritte bei den Tanaiden kleiner als die folgenden, bei den übrigen ungefähr von derselben Größe wie diese. Brutplatten sind bei dem Weibchen entwickelt. An dem Schafte der Sehwanzfüße, die sowohl beim Weibehen wie beim Männchen gut entwiekelt sind, sind häufig Hefthaken vorhanden; beim Männchen sind die zwei ersten Paare meistens als Kopulationswerkzeuge aus- gebildet. Das Innenblatt einiger Schwanzfüße fungirt gewöhnlich als Kieme. — Leber aus vier oder sechs nach hinten gerichteten großen Schläuchen bestehend. Herz langgestreckt, oder kürzer, meistens z. Th. im Schwanze gelagert und mit seitlichen Arteri für die Rumpffüße (Ausnahme: Tanaiden). Geschlechtsorgane A einen unpaaren Abschnitt. Keine Spermatophoren. Spermatozoen aus einem langen Kopf und einem sehr langen Schwanz bestehend, die mit einander unter einem spitzen Winkel verbunden sind. Keine Antennendrüse. — Die meisten verlassen das Ei als madenförmige Nauplien. Wenn die Jungen die Bruthöhle der Mutter verlassen, ist das letzte Rumpffußpaar noch nicht entwickelt. Ordo V. Amphipoda. Rumpf platt oder abgerundet, Schwanz gewöhnlich komprimirt, ungefähr von Kopf-Rumpf-Länge. Das Schild fehlt ganz. Sie- Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 573 ben vollständige und stark entwickelte Rumpfsegmente. Siebentes Schwanzglied klein. Augen sitzend; Antennulen meistens zweiästig: Antennenschaft viergliedrig, Squama fehlt immer. Mandibeln mit Processüs accessorius und Borstenreihe. Der Palpus der ersten Maxille fehlt, die Lacinien sind nach vorn gerichtet, Lacinia externa gegliedert, eine »Lacinia fallax« meistens vorhanden. Die zweite Maxille ohne Palpus und Exopodit, Kauladen nach vorn gerichtet, beide ungespalten, Lacinia interna häufig mit einer Borstenreihe auf der Oberseite. Rumpffüße sämmtlich ohne Exo- und Epipodit. Das Basalglied des ersten Rumpffußes — des Kieferfußes — ist mit sei- nem Gegenüber verwachsen; eine Kaulade ist nicht nur vom zweiten sondern auch vom dritten Glied entwickelt; keine Hefthaken. Die sieben letzten Rumpffußpaare sind starke Lauffüße (die vorderen zu- gleich Greiffüße) mit einem Dorn an der Spitze; das Basalglied ist meistens groß, zusammengedrückt, nach unten gerichtet, das zweite Glied lang, das dritte kurz. Eine Epipodit-ähnliche Platte, die als Kieme fungirt, ist von der Innenseite einiger Rumpffüße entwickelt. Brutplatten beim Weibchen. Die drei ersten Schwanzfußpaare sind starke Schwimmwerkzeuge mit Hefthaken am Schafte, die drei letz- ten dagegen schwach, nach hinten gerichtet; Schwanzfüße des Männ- chens und des Weibchens nicht verschieden. — Leber aus zwei oder vier nach hinten gerichteten großen Schläuchen bestehend. Herz langgestreckt, ganz im Rumpf gelegen, olıne seitliche Arterien. Die zwei Hälften der Geschlechtsorgane sind nicht durch einen unpaa- ren Abschnitt verbunden, sondern vollständig getrennt. Keine Sper- matophoren. Spermatozoen wie bei den Isopoden. Eine Antennen- drüse ist meistens vorhanden. — Wenn sie das Ei verlassen, sind sie mit, sämmtlichen Gliedmaßen versehen. Ordo VI. Decapoda. Rumpf und Schwanz bei den niederen Dekapoden zusammen- gedrückt, bei den höheren mehr oder weniger plattgedrückt. Schwanz meistens kräftig entwickelt. Das Schild ist immer gut entwickelt, deckt den ganzen Rumpf, mit dessen Rückenseite es verwachsen ist. Augen gestielt, Antennen meistens mit einer mehr oder weniger ent- wickelten Squama. Mandibeln einfach; die erste Maxille mit einem schmalen Palpus und öfters mit einem kleinen Exopodit; die zweite Maxille mit einem kleinen schmalen Palpus und einem großen Exo- podit, welcher als Ventilirapparat der Kiemenhöhle fungirt. Von 574 J. E. V. Boas den Rumpffüßen besitzen die drei ersten Paare (die Kieferfüße) mei- stens einen wohl entwickelten Exopodit; an den letzten fünf Paaren, den Thoraxfüßen, ist dagegen nur ausnahmsweise ein kleiner Exo- podit vorhanden; ein einfacher Epipodit ist meistens an mehreren Rumpffüßen, jedoch niemals am letzten Paare, entwickelt. Die drei ersten Rumpffußpaare sind als Kieferfüße entwickelt: der Exopodit des ersten Paares ist kurz und mit zwei Kauladen versehen, derjenige des zweiten Paares ist zusammengebogen, am dritten Glied des drit- ten Paares findet sich meistens eine Crista dentata; der erste Kie- ferfuß ist nur ausnahmsweise siebengliedrig, was dagegen in der Regel mit den zwei anderen der Fall ist, jedoch so, dass das zweite und dritte Glied verwachsen sind. Von den folgenden Rumpffüßen sind fast ohne Ausnahme ein oder mehrere Paare mit Scheren aus- gestattet. Von der Basis der Epipoditen, von den Gelenkhäuten zwischen Rumpffüßen und Rumpf, und vom Rumpf selbst entspringt eine größere oder kleinere Anzahl von Kiemen. Schwanzfüße kräf- tig oder schwach, mit oder ohne Appendix interna, erstes und zwei- tes Paar des Männchens der Kopulation dienend. Schwanzflosse meistens kräftig entwickelt. — Leber aus vielen kleinen Schläuchen bestehend. Herz kurz und breit. Die zwei Hälften der Geschlechts- organe durch ein unpaares Stück verbunden. Spermatophoren vor- handen. Die Spermatozoen sind meistens »Strahlenzellen« mit radiär gestellten Fortsätzen. Antennendrüse vorhanden. — Nur bei einigen niedrigstehenden Dekapoden verlässt das Junge das Ei als ein — frei umherschwimmender — Nauplius, sonst sind sie beim Verlassen der Eihüllen schon weiter entwickelt; die meisten machen ein Zoéa- Stadium (Bewegung durch die Exopoditen der Kieferfüße) durch, die Mehrzahl ferner ein Mysis-Stadium (Bewegung durch die Exopo- diten der Kiefer- und Thoraxfüße), fast alle ein Garneelen-Stadium (Bewegung durch die Schwanzfüße). Ordo VII. Squillacea. Rumpf und Schwanz niedergedrückt; Schwanz kräftig: Schild klein, die Dorsalpartien mehrerer Rumpfsegmente vorhanden und vom Schilde unbedeckt. Augen gestielt, Antennen mit Squama. Mandibeln einfach mit zusammengedrücktem Kautheil. Die fünf er- sten Rumpffußpaare einander ähnlich, sechsgliedrige Greiffüße mit Epipodit, aber ohne Exopodit, das zweite Paar stark entwickelt; die drei letzten Paare sind schwach, mit Exopodit. ohne Epipodit. Die fünf Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 575 ersten Schwanzfußpaare mit einer großen verästelten, von dem äuße- ren Blatte entspringenden Kieme; Appendix interna vorhanden, ein Kopulations-Apparat am inneren Blatte des ersten Paares beim Männ- chen. Schwanzflosse gut entwickelt. — Herz lang, mit einer größe- ren Anzahl venöser Spalten versehen. Die zwei Hälften der zum srößten Theil im Schwanz gelegenen Ovarien und Hoden durch ein unpaares Stück verbunden. Keine Spermatophoren. Spermatozoen einfache, abgerundete Zellen. Keine Antennendrüse. — Sie ver- lassen nicht das Ei als Nauplien, sondern sind dann schon weiter entwickelt. In frühen Stadien sind die Larven von einem großen mantelförmigen Schild umhüllt. Kopenhagen, 1. November 1882. Erklärung der Abbildungen. ex Exopodit. f Lacinia fallax (bei den Amphipoden). ep Epipodit. kt Kautheil der Mandibel. 1—7 die Glieder des Endopodites. st Schneidetheil derselben. d Enddorn. « Processus accessorius derselben. k Kaulade, die bei vielen Malakostra- | 8 Borstenreihe zwischen Kautheil und ken vom zweiten Glied des ersten Schneidetheil. Rumpffußes entspringt. ad Mündungsstelle der Antennendrüse. h Haken an dieser Kaulade. fl Geißel. u) ai Appendix interna. p Palpus. am Appendix masculina. e Lacinia externa!. h Haken am Schafte der Schwanz- Ü - interna. fiiBe. Tafel XXI. Fig. 1—9a stellen den ersten rechten Rumpffuß von Nebalia und von ver- schiedenen Malakostraken dar; mit Ausnahme der Fig. 4a und 9a sind sie sämmtlich von der Unterseite gesehen. Fig. 1. Nebalia bipes. Fig. 2. Thysanopus sp. Fig. 3. Mysis flexuosa; etwas gepresst. 1 Es sei auch an dieser Stelle ausdrücklich bemerkt, dass die Lacinia externa der ersten Maxille der gleichnamigen der zweiten Maxille nicht ent- spricht. Dasselbe gilt eben so von der Lacinia interna. 4. 4a. or 12% J. E. V. Boas Boreomysis megalops. - - der distale Theil des Endopodites von der Oberseite gesehen. Lophogaster typicus. Diastylis Rathkii. Der Rumpffuß ist so weit möglich in der natür- lichen Lage dargestellt; die von dem hinteren Theil des Epipodites entspringende Kieme wird in dieser Stellung nicht gesehen. Behaa- rung ausgelassen. ep’ hinterer, ep’ vorderer Zipfel des Epipodites. Endopodit desselben, mehr vergrößert, etwas gepresst. Asellus aquaticus ©, etwas gepresst. Apseudes spinosus. Gammarus locusta, von unten. - - von oben. In Fig. 9 ist das erste bis zweite Glied des linken Rumpffußes mit gezeichnet, in Fig. 9a nur das erste Glied, welches mit dem entsprechenden des rechten Rumpffußes ver- wachsen ist. % die proximale, %' die distale Kaulade. Hyperia sp. Das erste Rumpffußpaar von der Oberseite. 4% die ver- wachsenen proximalen Kauladen. Dritterrechter Rumpffuß vonCerataspis longiremis (Penaeiden-Larve) von unten gesehen. Zweiter rechter Rumpffuß einer Mysis, von unten (hinten) gesehen. Fünfter rechter Rumpffuß von Seriella sp., $, von unten (hinten) gesehen. Zweiter rechter Rumpffuß von Diastylis Rathkii, © jun., von unten. Die Haare sind ausgelassen. Fünfter rechter Rumpffuß von Diastylis Rathkii, © jun., von unten (hinten) gesehen. Dritter rechter Rumpffuß des Apseudes spinosus von außen und hinten gesehen. Der proximale Theil desselben stärker vergrößert. Zweiter rechter Rumpffuß des Apseudes. Das Basalglied ist aus- gelassen. Dritter linker Rumpffuß von Asellus aquaticus ©, von außen und etwas von hinten gesehen. Sechster linker Rumpffuß desselben Exemplares von außen und etwas von vorn gesehen. Die Vergrößerung ist dieselbe wie in Fig. 19. Sechster linker Rumpffuß von Orchestia littorea, von außen gesehen. Das erste und zweite Glied des achten linken Rumpffußes derselben, von außen. Tafel XXII. Fig. 23—33 stellen die zweite rechte Maxille der Nebalia und verschiedener Malakostraken dar. Diejenigen, welche mit a bezeichnet sind (25« ete.), sind von oben, die übrigen von unten gesehen. Der leichteren Auffassung wegen ist das erste Glied in einigen Figuren roth, das zweite (nebst dem von dem- Fig. Fig. 23. 24. selben entspringenden Exopodit) gelb gemalt worden. Nebalia bipes. Die Haare des Palpus sind ausgelassen. Thysanopus sp. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. - Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 577 IE: 26 u. 27 u. 28 u. 29 u. 30 u. Sl. 32, 38. 34, 35. 36. 37. 38. 39. 25a. Lophogaster typicus. 26a. Mysis flexuosa. s eine den Mysiden und Apseudes charak- teristische Borste an der Lacinia interna. 27a. Diastylis Rathkii. -28a. Apseudes spinosus. s vgl. Fig. 26. 29a. Asellus aquaticus. 30a. Gammarus locusta. Squilliden-Larve. Squilla empusa. Stenopus hispidus. Epipodit des ersten linken Rumpffußes von Thysanopus von außen gesehen. o oberes, « unteres Ende. Epipodit des dritten linken Rumpffußes desselben. Epipodit des siebenten linken Rumpffußes desselben. Der »Innenast« (vgl. pag. 503) ist in dieser und der vorhergehenden Figur ausge- lassen. Skizze des Sternums der Mysis flexuosa © von der Unterseite. Mz; und Mz die Stelle, wo die erste und zweite Maxille eingelenkt sind ; I—VIII erstes bis achtes Rumpfsegment; g die Gelenkhäute zwischen den Rumpfsegmenten. Die rechte Hälfte der sieben freien Rumpfsegmente (S,—Sg) und des ersten Schwanzsegmentes (sı) mit den Basalgliedern der Rumpffüße (ZT—-VIII) von Idothea balthica, von oben und etwas von außen gesehen. Dasselbe von Sphaeroma rugicaudum. Tafel XXIII. Fig. 40—55 stellen die erste rechte Maxille der Nebalia und verschiedener Malakostraken dar; wo das Gegentheil nicht ausdrücklich bemerkt ist, sind sie Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 40. von der Unterseite gesehen. Nebalia bipes. Der größte Theil des langen Endgliedes und die Haare des Palpus sind ausgelassen. Thysanopus. Lophogaster typicus, Mysis flexuosa. — Diastylis Rathkii, von unten. = - von oben; die Haare sind ausgelassen. Apseudes spinosus, von unten. - - von oben; die Haare sind ausgelassen- ©: - - Borste von der Lacinia interna. Asellus aquaticus. Aega crenulata. Corophium sp. - - Borste von der Lacinia interna, Amphithoé podoceroides, etwas gepresst. Ampelisca Eschrichtii. Gammarus locusta. Orchesta littorea. 578 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 5 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 62. 63. . 63a. . 64. . 64a. . 65. . 65a. . 66. . 664. 67. ADLINZ: 08% . 68a. . 69. . 69a. g. 70. . 10a. J. E. V. Boas Hyperia sp. Penaeus caramote. Squilliden-Larve. Die rechte Mandibel von Cetochilus sp. Die Behaarung ist ausge- lassen. 1 Corpus mandibulae, 2—4 die drei Glieder des Palpus. Die rechte Mandibel von Nebalia bipes, von unten gesehen. Das Corpus der linken Mandibel derselben, stärker vergr. Die rechte Mandibel des Thysanopus, von dem medianen Rande gesehen. Die rechte Mandibel von Squilla empusa, eben so gesehen. Der mediane Theil der rechten Mandibel yon Squilla empusa, von unten gesehen. Rechte Mandibel von Cirolana sp., von oben. Fig. 63— 70a stellen den medianen Theil verschiedener Malakostraken- Mandibeln dar. Lophogaster typicus, rechte Mandibel von unten. - - linke - - - Thysanopus, rechte Mandibel, von unten. = linke E - oben. - rechte - - - M ys sis flexuosa, linke - - - - rechte = - - nn, Rathkii, linke - - - - - rechte - - - Apseudes spinosus, linke Mandibel, von oben. - - rechte - - - Asellus aquatieus, linke - - - 5 - rechte - 4 2 Gammarus locusta, linke - = 2 - - rechte - - - Tafel XXIV. Rechte Antenne des Thysanopus von innen und unten; der distale Theil der Squama (ex) und des fünften Schaftgliedes, so wie die Geißel, sind ausgelassen. Rechte Antenne von Mysis flexuosa von außen und etwas von unten; der distale Theil der Squama und der Geißel sind ausgelassen. X vgl. den Text pag. 493. Schaft der rechten Antenne von Amphithoé podoceroides von außen gesehen. o Auge, ant, Basalglied der Antennule. Derselbe von innen. Schaft der rechten Antenne des Gammarus locusta, von außen. Derselbe von innen. Schaft der rechten Antenne des Asellus aquaticus, von außen. Derselbe von Idothea balthica, von außen. eee Morphol.Jah. N “ : Lith. Anst.v J.6.Bach, Leipzig. HI Lirn.Anst,v.J.6 Bach, Leipzig Ss Boas det Verlag Wilh. Engelmann, Leipzig. ae a a2 ds zu a Fe 7 ey 2 FE . ne er - =D » 54: ay =P, rs . m m: ee 1 z - . > j 4 4 “ n a} a! ; “ 7 . je “ Een +, N 4 5 : ; 6 , : , TR wer pr eo Lith,Anstx.d6.Bach, Leipzig. innen : j Lil, Ansty J6.Bach, Leipzig, > S f = ed | N See 5 = | | ing DIN ies DD Al BD al Tan \ | me | N el lie ie re é we wi a) op le Verlag y Wilh Engelmann, Leipzig. + FES nn . Taf. xx. [ith Anstw.d.6 Bach, Leipzig. ch. Ba. VII. = N 3 Ss = as ee 4 Fig #7. Figubains Fig bha. Fig. 65a. Verlag vy Wilh. Engelmann, Leipzig. Fig. 68. Fig. 68«. Taf. Xxil/. Fig 69. Fig. 70. Fig. 69 a. st Lith Anst «AG Bach, Leipzig. , ee 7 Taf. XXIV. \ IE 9 - Boas del. hinten —————————__—,— Lith. Anot.v J. Bach, Leipzig Morphol Jahrbuch Bd. vill. 5 Taf. XXIV. Lith.Anst.v.J.0. Bach, Leipzig Boas del. r Verlag v Wilh. Engelmann, Leipaig Ar ie BL A Pr. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Malakostraken. 579 —ı PX =I [0 0) 79. 80. 81. 82. 83. 84. 85. . 85a. 86. 86a. 87. 88. 89. 90. 91. Antenne von Apseudes spinosus. Schaft der linken Antenne der Janira maculosa, von oben, mit Aus- lassung der Haare. Antenne einer Squilliden-Larve. 3—5-+ fl Anlage des distalen Theiles des Endopodites. Rechter Schwanzfuß des zweiten Paares einer Squilliden-Larve. - - - ersten Paares von Nebalia bipes. - - - - - - Thysanopus Q. - - - - - - Gammarus locusta. - - - dritten - - Idothea balthica. - - - ersten - - Thysamopus 6. Das innere Blatt des ersten linken Schwanzfußes von Thysano- pus 34, von vorn gesehen, etwas gepresst. Rechter Schwanzfuß des zweiten Paares von Thysanopus 6. Das innere Blatt desselben stärker vergr. Das innere Blatt des linken Schwanzfußes des ersten Paares von Squilla 6. Eierstock von Thysanopus. Hoden (ho) und Vasa deferentia (vd; der äußere Theil derselben ist ausgelassen) von Thysanopus. Spermatozoen von Thysanopus, aus einem Spermatophor heraus- genommen. Nauplius von Asellus aquaticus von der rechten Seite und etwas von unten gesehen. ant, Antennule, ant, Antenne, md Mandibel, bl das dreilappige Blatt. Der Bau der Hydroidpolypen. Von Dr. Carl F. Jickeli. II. Über den histiologischen Bau von Tubularia L., Cordylo- phora Allm., Cladonema Duj., Coryne Gärtn., Gemmaria M’Crady, Perigonimus Sars, Podocoryne Sars, Camponopsis Claus, Lafoéa Lam., Campanularia Lam., Obelia Per., Anisocola Kirchenp., Isocola Kirchenp., Kirchenpaueria Jick. Mit Tafel XXV—XXVIII. In dieser Fortsetzung meiner Polypenstudien habe ich das ganze mir vorläufig in geeigneter Konservirung zugängliche Material verwerthet. Das- selbe wurde von mir während eines zweimonatlichen Aufenthaltes in der k.k.zool. Station zu Triest im Herbst 1881 gesammelt und im letzten Som- mer noch vermehrt durch einige Hydroidpolypen, welche mir mein verehr- ter Lehrer Herr Prof. F. E. ScHuLzE in Graz zu schicken die Güte hatte. Für leihweise Überlassung von Litteratur bin ich den Vorständen der Bibliotheken zu Göttingen und Strassburg, für Bestimmung meiner Plumulari- den Herrn Dr. G. H. KIRCHENPAUER, Bürgermeister zu Hamburg, verpflichtet. Tubularia mesembryanthemum Allm. ALLMAN, Gymnoblastic Hydroids pag. 418. t. 23 f. 18—24. Allgemeine Formverhältnisse. Schon die Betrachtung mit schwa- cher Vergrößerung lässt erkennen, dass die Arme des Hydranthen in zwei Wirteln angeordnet sind: der eine die Mundöffnung eng umgrenzend, der zweite beträchtlich tiefer gelegen. Da ich über den morphologischen Werth dieser zwei Wirtel noch nicht urtheilen kann, so werde ich den der Mundöffnung zunächst gelegenen als ersten, den anderen als zweiten Armwirtel bezeichnen. Die Zahl der Arme, welche diese Wirtel bilden, ist beträcht- lichen Schwankungen unterworfen. Unter zehn Exemplaren zeigte eines vierzehn, eines fünfzehn, drei sechzehn, vier siebzehn und eines achtzehn Arme im ersten Wirtel; dagegen zählte ich bei fünf anderen Exemplaren im zweiten Wirtel fünfzehn, sechzehn, ein- ee A nn a Der Bau der Hydroidpolypen. II. 581 undzwanzig, zweiundzwanzig und vierundzwanzig Arme. Dabei war keine sichere Abhängigkeit der Anzahl der Arme von der Größe des Hydranthen zu konstatiren, indem oft gerade kleinere Individuen eine bedeutendere Zahl Arme zeigten als größere. Aus diesen Zah- len wie auch daraus, dass zwischen den Armen desselben Wirtels immer einige auftreten, welche viel geringeren Durchmesser als die übrigen zeigen, geht hervor, dass es nicht richtig ist, wenn ME- RESCHKOWSKY (40) annimmt, es entständen bei Tubularia alle Arme auf einmal. Diese individuelle Schwankung in der Zahl der Arme beginnt schon in frühen Entwicklungsstadien, indem nach Cramician (11) sobald die zwei ersten Arme, welche gleichzeitig auftreten, angelegt sind, Acti- nulae mit vier, sechs und sieben Armen vorkommen. Ein medianer Längsschnitt lässt bedeutende Differenzirungen in der Entwickelung der inneren Körperräume erkennen (Taf. XXV Fig. 1). Die Gastralöffnung führt in einen Raum, welcher sich in der Höhe des zweiten Armwirtels nach unten trichterférmig verengt und zwar so sehr, dass die Entodermzellen der gegenüber liegenden Wandungen sich nahezu berühren. Dieser Trichter öffnet sich in einen zweiten kleineren Raum, der sich schließlich zum Hydrocaulus verjüngt. Ich glaube nun wohl nicht fehl zu gehen, wenn ich den ersten Raum als homolog dem Hypostom, den zweiten als homolog dem Gastralraum der anderen Polypen betrachte, ziehe aber doch vor, die Bezeichnung erster und zweiter Gastralraum.zu gebrauchen. Bei den Polypen, welche ich bereits beschrieben, bei Hydra und Eudendrium, habe ich zwei Gewebslagen, Ektoderm und Entoderm unterschieden. Den letzteren rechnete ich, wie das früher gebräuch- lich, auch jene Zellen zu, welche als solider Strang den Arm von Eudendrium erfüllen. Ich habe nunmehr Gründe anzunehmen, dass die Fortsetzung der entodermalen Zellenlage, welche die hohlen Arme von Hydra auskleidet, nicht homolog ist den soliden Achsen- strängen anderer Polypen, desshalb will ich dieses Gewebe künftig- hin als dritte Körperschicht neben dem Ektoderm und Entoderm aufführen. Wo dieses Gewebe als Armachse auftritt, werde ich dasselbe, wie schon gebräuchlich, als axiales Gewebe bezeichnen, da wo dasselbe eine weitere Verbreitung hat wird sich eine entspre- chende Bezeichnung dafür ergeben. Eine solche ist gleich hier bei Tubularia zu konstatiren. Verfolgt man auf einem Längsschnitt die Stützlamelle von oben nach unten, so erkennt man, dass sich dieselbe oberbalb des zweiten Armwirtels in zwei Blätter spaltet, von denen das innere unmittelbar den Entodermzellen anliegt, das Morpholog. Jahrbuch. §. 39 582 Carl F. Jickeli äußere aber nicht nur in weiterer Fortsetzung das axiale Gewebe der Arme des zweiten Wirtels sondern auch eine mächtige Wuche- rung dieses Gewebes gegen den Gastralraum, wodurch die genannte trichterförmige Einschnürung entsteht, gegen das Ektoderm ab- grenzt. Am zweiten Gastralraum vereinigen sich diese beiden Blätter der Stützlamelle wieder zu einer einzigen Lamelle. Ich werde nun der Reihenfolge nach beschreiben: das Ekto- derm. das Entoderm, die dritte Körperschicht, bei welcher ich zu- gleich das axiale Gewebe der Arme behandele, und zuletzt die Stützlamelle. Das Ektoderm setzt sich zusammen aus den gewöhnlichen Ek- todermzellen, die theilweise zu Epithelmuskelzellen gestaltet sind. aus Ganglienzellen, Nesselkapselzellen, einzelnen Nesselkapselbil- dungszellen, Drüsenzellen, Stützzellen und endlich Elementen, deren Natur mir zweifelhaft geblieben. Die Ektodermzellen (Taf. XXV Fig. 2—7) sind am niedrigsten auf dem ersten Gastralraum, höher auf den Tentakeln, besonders hoch aber da, wo am unteren Theil des Hydranthen ganz plötzlich die später zu beschreibenden Drüsenzellen beginnen. Hier errei- chen die Ektodermzellen selbst das Neunfache der Höhe, welche sie auf dem ersten Gastralraum zeigten. Mit der Änderung der Größenverhältnisse gehen auch andere Unterschiede Hand in Hand. Je niedriger die Zellen sind, um so protoplasmareicher erscheinen dieselben und je höher sie sind, um so kräftiger ist auch ihr Cuti- eularsaum. Während also die Ektodermzellen auf dem ersten Ga- stralraum kaum eine Cuticula nachzuweisen gestatten, erscheint eine solche auf dem zweiten Gastralraum gut entwickelt. Bemerkens- werth ist wohl auch, dass sich Kerne dieser Zellen auf dem ersten Gastralraum am lebhaftesten färben. Längsmuskelfasern konnte ich von der oberen Gastralöffnung bis an den Grund des zweiten Arm- wirtels sowohl auf Flächenbildern als auf Querschnitten konstatiren, dagegen vermochte ich dieselben von da weiter nach abwärts nicht mehr aufzufinden. Da hier die Stützlamelle, wie wir später sehen werden, bedeutend an Mächtigkeit gewinnt, so ist eine Gestaltver- änderung in dieser Körperregion nieht wahrscheinlich: und darauf wohl auch das Fehlen der Muskelfasern daselbst zurückzuführen. Die Mus- kelfasern zeigen höckerige Begrenzungsflächen, erscheinen auf Quer- schnitten dunkel umrandet und besonders in der Nähe der Gastralöffnung lassen sich Fäserehen konstatiren, welche die Stützlamelle durchsetzen. Eine Verbindung der Ektodermzellen mit den Entodermzellen durch Der Bau der Hydroidpolypen. II. 583 Vermittlung dieser Fäserchen konnte ich hier nicht konstatiren. Dass die Muskelfasern Ausläufer der Ektodermzellen sind. vermochte ich nicht an Isolationspräparaten, wohl aber an schief zur Längsachse des Hydranthen geführten Schnitten zu erweisen. Die Angaben aus früherer und jüngster Zeit, es gehörten bei Tubularia die Muskel- fasern einer selbständigen von den als Deckzellen fungirenden Ekto- dermzellen getrennten Gewebslage an, dieselben seien hier also nicht mehr Epithelmuskelzellen, beruht auf einem Inrthum. wie ich in der litterarischen Kritik darlegen werde. Wie bei vielen anderen Polypen so auch hier finden sich in den Kernen der Ektodermzellen zuweilen zwei Kernkörperchen. Als sehr auffallend verdient erwähnt zu werden, dass ich in den Extodermzellen einmal in den fertigen Präparaten kleinen grünlichen Inhaltskörpern begegnete. Diese Erschei- nung lässt sich vielleicht in Zusammenhang bringen mit Beobachtun- gen, die ich in Graz an einigen Exemplaren von Hydra im Spätsom- mer machte, wo das gesammte Ektoderm mit durch Überosmiumsäure geschwärzten Körperehen erfüllt erschien. Auf das Verhalten der Ektodermzellen im Hydrocaulus komme ich bei Beschreibung der Drüsenzellen, zu der ich mich jetzt wende, zu sprechen. Die Drüsenzellen (Taf. XXV Fig. 2, 19, 20) beginnen etwa in halber Höhe des zweiten Gastralraums als geschlossene Gewebslage. Auf Querschnitten und Längsschnitten ist zu erkennen, dass diese Gewebslage sowohl durch längslaufende als auch durch eirkuläre Faltenbildungen der Stützlamelle in ihrer Oberflächengestaltung be- einflusst wird. Diese Modifikation beschränkt sich aber wesentlich auf die Zellen selbst und erstreckt sich nieht’ auch auf ihre mächtige Sekretlage. Man erhält also auf Querschnitten Bilder, in welchen die äußere Begrenzung als wenig modifieirte Kreislinie erscheint, während die Zellen selbst eine wellige Begrenzungslinie zeigen. Das Aussehen dieser Drüsenzellen ändert sich in den tiefer gelegenen Theilen der Hydranthen. Am oberen Anfang der Gewebslage er- scheinen dieselben als langgestreckte Prismen mit mehr oder weni- ger verwischten Kanten, endigen oben mit abgerundeten Kuppen, unten aber das eine Mal sehr stark, das andere Mal gar nicht ver- schmälert, immer erscheinen sie an ihrer Basis pinselförmig zerfasert, oft sogar so beträchtlich, dass man in Erinnerung an die Verhält- nisse bei Hydra den einen oder den anderen längeren Ausläufer als Muskelfaser zu deuten geneigt sein könnte, um so mehr da diese Ausläufer, indem sie an der Basis der Zelle von ihrer ursprüng- lichen der Längsachse der Zellen parallelen Richtung abbiegen, nicht 39* 584 Carl F. Jickeli selten eine beträchtliche Strecke auf der Stützlamelle fortlaufen. Die Unregelmäßigkeit in der Gestalt dieser Ausläufer, der Mangel scharfer Begrenzungskonturen und die Übereinstimmung mit dem ‘übrigen Zellinhalt im Lichtbrechungsvermégen sprechen aber ganz entschieden dafür, dass hier nicht eine morphologische Differenzirung vorliegt, wie ich dieselbe bei Hydra schilderte, sondern vielmehr ein Befund, wie er schon oft bei den Drüsenzellen höherer Thiere geschildert wurde. Der Inhalt der Drüsenzellen erscheint granulirt, die einzelnen Strukturelemente sind jedoch zu unregelmäßig, um als Körnchen be- zeichnet werden zu können. Eine deutliche Differenzirung des gan- zen Zellinhaltes giebt sich ferner noch darin zu erkennen, dass der oberste Theil sich durch Pikrokarmin nach Behandlung mit Überosmiumsäure intensiv färbt, während der untere weitaus be- trächtlichere Theil der Zelle ungefärbt bleibt. Die Kerne dieser Zellen sind von bedeutenderer Größe, zuweilen beträchtlich in die Länge gestreckt, zeigen ein bis zwei Kernkérperchen und lassen auch nicht selten in ihrem Stroma eine netzartige Struktur erkennen. Das Sekret dieser Zellen ist in einer Lage von bedeutender Dieke abgelagert, indem es der Länge der Zellen beinahe gleich- kommt. Die Faltungen, welche dasselbe zeigt, wie auch der Um- stand, dass sich der Hydranth während des Lebens auf seinem Hydrocaulus hin und her neigt, deuten bestimmt darauf hin, dass der ganzen Sekretlage in ähnlicher Weise wie der Stützlamelle im Leben eine gallertartige Konsistenz zukommt. Die ganze Sekretlage lässt eine Zusammensetzung aus zwei Schichten erkennen, einer äußeren viel schmäleren dunkleren, von offenbar größerer Konsistenz und einer inneren viel breiteren helleren, von feinen Fältehen durchsetz- ten. Da und dort sieht es aus als würde durch diese feinen Fält- chen der Antheil der einzelnen Zellen an der Sekretlage abgegrenzt. Von oben nach unten nehmen die Drüsenzellen an Höhe ab und an Breite zu. Ihre Kerne werden runder, die lebhaft Farbstoffe aufnehmenden Kuppen verschwinden und schließlieh gewinnen sie unter Schwinden des Gesammtvolumens ganz das Aussehen der ge- wöhnlichen Ektodermzellen. Mit der Volumsabnahme der Drüsen- zellen geht das Schwinden der inneren, breiteren Sekretlage Hand in Hand, bis schließlich die äußere, schmälere Sekretlage auf diese Weise dieht an die Zellenlage heranrückt. Verfolgt man diesen Um- gestaltungsprocess noch weiter nach abwärts, so überzeugt man sich, dass schließlich das ganze Ektoderm verhärtet und auf diese Weise zu Der Bau der Hydroidpolypen. II. 585 einem Theil des Perisares wird. Man erkennt dann noch auf Schnit- ten die Nesselkapseln, welche in die harte Perisareröhre eingebacken sind und auf Flächenbildern kann man selbst die Zellkerne noch deutlich wahrnehmen, welche aber hier Farbstoffen nieht mehr zu- gänglich sind, was wohl am deutlichsten beweist, dass sie von der chitinartigen Masse des Perisares vollständig umschlossen sind (Taf. XXV Fig. 23). Eine solche Verödung des Ektoderms be- ginnt nicht weit unterhalb des Polypen, setzt sich aber nicht bis zum unteren Ende des Hydrocaulus fort, sondern hier ist das Ektoderm wieder in lebendiger Funktion. Dieses Verhalten trifft nur für ganz alte Exemplare zu, jüngere Individuen zeigen lebendes Ektoderm durch die ganze Länge des Hyürocaulus. Nehmen wir an, dass der Hydranth und der Hydrocaulus von unten nach aufwärts wachsen, also auch die Verhärtung der Ektodermzellen einerseits, das Schwin- den der zweiten Sekretlage andererseits in dieser Richtung stattfin- det, so wird verständlich, warum an dem Perisare zwei Schichten zu unterscheiden möglich ist, eine äußere mehr blätterige und eine innere, konsistentere. Die äußere Schicht und die innere Schicht entstammen wohl verschiedenen Lebensaltern derselben Zelle, wäh- rend aber die äußere Schicht zu jener Zeit gebildet wurde, 'als die Zelle noch auf der Höhe ihrer Funktion als Drüsenzelle stand und also jener Sekretlage entsprechen dürfte, welche ich bei Schilderung der voll aktiven Zellen als die äußere bezeichnete (Taf. XXV Fig. 19 und 23 a), entstammt die innere Schicht (Taf. XXV Fig. 23 e) zum größten Theil dem Processe des theilweisen, beziehungsweise ganzen Verhärtens der Ektodermzellen. Ob die innere Sekretlage (Taf. XXV Fig. 19 u. 23 6) dabei zur Verstärkung der äußeren oder inneren Schicht verwendet wird, vermag ich nicht anzugeben. Ich habe vergeblich versucht das festzustellen. Über das Perisare ist noch zu bemerken, dass man an demselben zeitweilig ringförmige Einschnü- rungen findet. Über das Verhalten von Ektoderm und Perisare in der Hydrorhyza vermag ich nichts anzugeben. da ich versäumt, Stücke derselben zu konserviren. Die Ganglienzellen (Taf. XXV Fig. 2—6, 8—11, 16—17) sind am besten auf Flächenbildern zu studiren. Sie sind im Ganzen we- nig zahlreich, meistens sehr protoplasmaarm, obwohl auch proto- plasmareichere unter ihnen auftreten. Die meisten dieser Zellen sind bipolar, was mit dem Umstande, dass diese Ausläufer häufig den Muskelfasern parallel gerichtet sind, verständlich macht, dass die Kerne dieser Ganglienzellen den Muskelfasern zugerechnet wurden, 586 Carl F. Jickeli denn auf diesem Irrthum beruhen zum Theil die Angaben, es seien die Muskelzellen bei Tubularia von der Begrenzung der Ektoderm- fläche ausgeschieden. Neben den Ganglienzellen mit zwei Aus- läufern kommen häufig auch solche mit drei, viel seltener solche mit vier Ausläufern vor. Verbindungen unter den Ganglienzellen konnte ich nur selten konstatiren. Es fanden sich zwar Stellen, wo zwei bis drei Ganglienzellen durch ihre Ausläufer verbunden erschienen, oder breitere Protoplasmabrücken die Leiber zweier Zel- len vereinigten, im Ganzen gelang aber der Nachweis der Verflech- tung der Zellen nur in wenig befriedigender Weise. Auf dem Leib des Hydranthen waren die Ganglienzellen ebenfalls nachzuweisen, im Ganzen aber spärlicher als auf den Armen. Vielleicht besteht eine Anhäufung von Ganglienzellen an der Basis des Hydranthen. Hier findet sich nämlich eine massenhafte Anhäufung von Nesselkapselzellen und zwischen diesen Nesselkapselzellen eben so wie an der Basis der unmittelbar sich anschließenden Drüsenzellen erkennt man in beträchtlicher Zahl auch Kerne, welche weder auf die eine noch auf die andere dieser beiden Zellgattungen zu beziehen sind. Von diesen Kernen glaube ich, dass dieselben Ganglienzellen zugehören, um so mehr, da ich eine gleiche topographische Verbreitung der Ganglienzellen bereits bei Eudendrium konstatiren konnte. Alles Bemühen, ein positives Resultat zu gewinnen, war vergeblich. Die Kerne der Ganglienzellen sind viel kleiner als diejenigen der Ekto- dermzellen, sie färben sich gewöhnlich dunkler und zeigen ein klei- nes oft kaum zu konstatirendes Kernkérperchen. Man wird gewöhn- lieh erst durch den intensiver gefärbten Kern auf die Ganglienzellen aufmerksam und vermag dann nur bei sorgfältigster Untersuchung mittels starker Vergrößerung das geringe Protoplasma von trüb- molekularem Aussehen wahrzunehmen, welches nichts von den dun- kelen Körnchen, durch die die Sieherung des ganzen Befundes bei Eudendrium so sehr erleichtert wurde, erkennen lässt. Was das Verhalten der Ganglienzellen zu den übrigen Elementen des Ekto- dermes angeht, so lässt sich im Allgemeinen sagen, dass dieselben besonders häufig an jenen Stellen sitzen, wo die Ektodermzellen an einander grenzen und dann nicht selten einen ihrer Ausläufer zwi- schen den Wandungen der Ektodermzellen eine Strecke weit nach aufwärts senden. Außerdem begegnet man aber auch häufig Gan- glienzellen, welche in die Ektodermzellen hineingelagert sind. Sehr auffallend und mit der von mir früher dargelegten Art der Funktion der Nesselkapselzellen in Übereinstimmung ist. dass man oft in dem Der Bau der Hydroidpolypen. II. 587 Territorium einer größeren Zahl von Nesselkapselzellen nicht einer einzigen Ganglienzelle begegnet. Hier ist wohl die Stelle auch auf eine Zellform aufmerksam zu machen, für die ich keine bestimmte Deutung zu geben vermag. Es finden sich zuweilen, aber sehr selten, im Ektoderm Zellen mit zwei Ausläufern, die sich von den gewöhnlichen bipolaren Ganglien- zellen dadurch unterscheiden, dass sie größer und protoplasmareicher sind, dass ihre Ausläufer sich an der Ursprungsstelle gar nicht abschnüren, wenig verschmälern und so die ganze Zelle ein plumpe- res Aussehen behält (Taf. XXV Fig. 12). Obgleich nun die Ganglien- zelle zu jenen histiologischen. Elementen gehört, welche bei dersel- ben Thierart am meisten in der Größe variirt, so kann ich mich doch nicht entschließen diese Gebilde als Ganglienzellen anzuneh- men, da mir alle verbindenden Übergänge fehlen. Die Größe des Kernes weist auch auf eine Vergleichung mit den ektodermalen Epithelmuskeln hin. Wollte man bei diesem Vergleich bleiben, dann könnte man daran denken, es handele sich hier um Gebilde, welche den vollen Reifezustand nicht erreicht, sondern auf einem mehr em- bryonalen Stadium verharıten. Für eine solche abnormale Bildung derselben spricht auch die Seltenheit dieser Elemente. Die Nesselkapselzellen (Taf. XXV Fig. 13—18) führen vier Ar- ten von Nesselkapseln. Da bestimmte Formtypen dieser Gebilde durch verschiedene Polypen zu verfolgen sind, werde ich künftighin zur einfacheren Verständigung die kleinsten (Fig. 14) der hier in Rede stehenden Gebilde als birnförmige, die längeren als langge- streckte (Fig. 15) und diejenige Form, welche hier in zwei Größen auftritt, als eiförmige Nesselkapseln (Fig. 18) bezeichnen. In den birnförmigen Nesselkapseln ist der Faden zu einer einfachen Schlinge zusammengelegt, bei den lang gestreckten konnte durch die Kap- selwandung hindurch nichts von der Aufwindungsweise erkannt werden und bei den eiförmigen ließ sich die am häufigsten vor- kommende zur Längsachse der Kapsel spirale Anordnung erkennen. An allen Kapseln war die von der basalen Faser ausgehende Um- hiillungsmembran zu erkennen, bei den eiförmigen Kapseln besteht in so weit ein noch nicht beobachtetes Verhalten als hier durch die Kapselumhüllung am Entladungspol eine Einschnürung nicht un- ähnlich dem Halse einer Flasche gebildet wird. Bemerkenswerth ist bei dieser letzten Form von Nesselkapseln auch, dass die Kapsel- umhüllung gegen ihr unteres Ende, wo sie dann in die Faser über- geht, ungemein zart wird, so dass gewöhnlich schwer wird diese 988 Carl F. Jickeli Fortsetzung zu erkennen und man ursprünglich geneigt ist, statt einer vollständigen Kapselumhüllung nur eine Art Kappe anzunehmen, welche die Nesselkapsel am Entladungspol zum größeren Theil über- deckt und mit der Faser selbst nur dort in Verbindung ist, wo zu- gleich das Plasma und der Kern der ganzen Zelle liegen. Es dürfte daher hier die Nesselkapsel nicht an dem oberen Ende der Umhül- lung bei der Aktion der Zelle herausgeschleudert werden, sondern vielmehr seitlich durch Bersten der Umhülluug frei werden. Für diese Art der Entladung spricht jedenfalls der Umstand, dass man in Isolationspräparaten häufig Nesselkapselzellen begegnet, welche, obgleich anscheinend ganz unversehrt, doch der Nesselkapsel ent- behren. Bei sorgfältiger Betrachtung lässt sich aber dann gewöhnlich konstatiren, dass die Kapselumhüllung im unteren Theil nur noch in Fetzen erhalten ist (Fig. 13). Das Cnidocil ist bei den birnför- migen Kapseln am längsten, bei der eiförmigen scheint eine Cni- docilréhre vorhanden zu sein. Der Zellkern stimmt mit demjenigen der Ganglienzellen überein, lässt selten deutlich ein Kernkörperchen erkennen. Das Protoplasma ist am reichsten bei den langgestreck- ten Kapseln vorhanden, die auch dadurch noch besonders ausge- zeichnet sind, dass außer der Ansatzstelle der muskulösen Faser gewöhnlich noch ein bis zwei Zipfelchen vorhanden sind, welche ich als Reste der Verbindung mit Ganglienzellen oder anderen Nessel- kapselzellen deute. Auch in dem Verhalten der muskulösen Faser unterscheiden sich diese Nesselkapselzellen von den übrigen. Zunächst fällt es auf, dass im Vergleich mit den anderen gleichen Gebilden die Faser überhaupt sehr selten zur Beobachtung kommt, vielmehr die Kapsel sammt ihrer Umhüllung und dem anhängenden Proto- plasma sammt Kern, da wo die Faser ansetzt, abgerissen erscheint. In den seltenen Fällen, wo die Faser in längeren Stücken erhalten bleibt, erscheint sie wellig gebogen, von leicht fibrillärer Struktur, weniger lichtbrechend als die Fasern der zwei anderen Arten von Nesselkapselzellen und erweckt stets die Vorstellung großer Ver- gänglichkeit. Das basale Ende der Faser habe ich niemals genau beobachten können, in den seltenen Fällen, wo ein Herantreten bis dieht an die Stützlamellen zu erkennen war, blieb doch die Endi- gungsweise unklar. Die beiden anderen Formen von Nesselkapsel- zellen besitzen eine anscheinend sehr feste Muskelfaser. Dieselbe ist stark lichtbrechend, verhältnismäßig dünn und langgestreckt und endigt mit einer der Stützlamelle angelegten kurzen Verbreiterung. Die Verkittung mit der Stützlamelle erscheint als eine sehr feste, Der Bau der Hydroidpolypen. II. >59 indem bei Abpinselungspräparaten oft, nachdem die übrigen Elemente des Ektoderms bereits abgestreift wurden, nur diese Fasern mit oder ohne ihre Nesselkapseln an der Stützlamelle haften bleiben‘; auch an isolirten Nesselkapselzellen gewahrt man häufig am basalen Ende der Faser Reste der Stiitzlamelle. Die Fasern behalten stets die gleiche Dieke und die gleichen relativen Verhältnisse in der Länge, an ihren unteren Theilen pflegen sie wellige Verkürzungen zu zei- gen. Daraus scheint mir hervorzugehen, dass die Fasern sich hier bei der Aktion der Zelle nicht verkürzen, sondern vielmehr in ähn- licher Weise zusammenkrümmen, wie wir dieses vom Stiel der Vor- ticellen kennen. Bei der Aktion scheinen bald nur deren Kapseln herausgeschleudert zu werden, während die Kapselumhüllung ete. im Polypen zurückbleiben, bald die Nesselkapsel sammt einem Theil der Umhüllung und dem Zellkern fortgerissen zu werden. Auf die erste Art der Wirkungsweise deuten wohl erhaltene Kapsel- umhüllungen, die man ohne Kapsel und Zellkern zuweilen im Ekto- derm der Arme antrifft, für die letzte Art der Wirkungsweise spre- chen die halbverdauten entladenen Nesselkapseln, denen man nicht selten sammt dem Zellkern im Gastralraum begegnet. Jene bis auf die Kapselumhüllung vollständig resorbirten Reste der entladenen Nesselkapselzellen waren mir noch desshalb wichtig, weil sie bewei- sen, dass die Zelle, wenn einmal die Kapsel verwendet worden ist, zu Grunde geht, jedenfalls aber keine neue Kapsel entwickelt. Im Ganzen sitzen die Kapseln bei Tubularia sehr fest in ihren Bildungs- zellen, denn sowohl an konservirten Thieren, als auch an lebenden Thieren kann man oft eine ganze Anzahl aus der Ektodermlage frei herausgestreckte, an der Stützlamelle haftende Nesselkapselzellen be- obachten, welche noch ihre Kapseln enthalten. Die Verbreitung der Nesselkapselzellen anlangend, lässt sich konstatiren, dass dieselben besonders reichlich an der inneren und äußeren Seite der Arme erscheinen, was, wie wir später sehen wer- den, mit dem Bau des axialen Stranges der Arme in einem gewissen Zusammenhang steht. Im Ektoderm des ersten Gastralraumes kom- men die Nesselkapselzellen nur vereinzelt vor, unterhalb des zweiten Tentakelwirtels sind sie dann reichlicher vorhanden, um von da weiter nach abwärts stetig an Zahl zuzunehmen, bis sie dann schließ- lich da, wo die gewöhnlichen Ektodermzellen aufhören und die Drü- senzellen beginnen, in dicht gedrängte Züge angesammelt, von der Stützlamelle nach aufwärts ziehen (Taf. XXV Fig. 7). Da wo die Nesselkapseln in Gruppen vereinigt erscheinen. bleiben die Glieder 590 Carl F. Jickeli solcher Gruppen gewöhnlich auch in sorgfältiger angefertigten Prä- paraten nachweisbar, man erhält da Stückchen der Stützlamelle, von der die Nesselkapselzellen wie von einer gemeinsamen Wurzel diver- girend aufwärts steigen. Eine Vereinigung der basalen Enden der Fasern der Nesselkapselzellen zu einer Gewebslage, wie dieses Cra- MICIAN (11) angegeben, konnte ich nicht konstatiren. Verbindungen von Ganglienzellen mit Nesselkapselzellen habe ich einige Male, aber durchaus nicht häufig, in Isolationspräparaten aufgefunden ‘Taf. XXV Fig. 16, 17), einmal begegnete ich auch einer dicht am Cnidocil endigenden Ganglienzelle, wie ich dieses auch bei Euden- drium zu beobachten Gelegenheit hatte. Nesselkapselbildungszellen habe ich sehr selten, und nur ver- einzelt ausschließlich im Ektoderm des ersten Gastralraumes gefun- den. Dieselben entwickeln sich bei Tubularia, wie es scheint, noch im Embryonalleben, denn reifere Actinulae in den Gonophoren sind immer ganz erfüllt mit solchen Bildungsstadien. Über die Entwick- lung der Nesselkapselzellen habe ich hier keine nennenswerthen neuen Beobachtungen gemacht. Diejenigen Zellen, welche ich als Stützzellen bezeichnen möchte ‘Taf. XXV Fig. 4, 7, 20), erscheinen ganz vereinzelt auf dem Leib des Hydranthen, besonders an jener Stelle. wo die gewöhnlichen Ektodermzellen an die Drüsenzellen grenzen und wie bereits erwähnt eine beträchtliche Höhe erreichen. Es sind lange. schmale Zellen, welche in ihrem obersten Theile zugleich mit einer leichten Verbrei- terung einen stark tinktionsfähigen Kern ohne Kernkörperchen zeigen. Zuweilen schwindet das Protoplasma, welches diesen Kern umgiebt, fast vollständig und man erbält dann in Isolationspräparaten starre Stäbe, deren Ende, einem Knopfe vergleichbar, der Zellkern bildet. Ich kann die Analyse des Ektodermes nicht schließen, ohne noch einer Zellform zu erwähnen, die ich daselbst außer den bereits geschilderten Elementen aufgefunden und die ich am ehesten als reifende Eizellen deuten möchte (Taf. XXV Fig. 5). Da wir in der nächsten Zeit eine größere Arbeit von WEısmann über die Geschlechts- produkte der Polypen erwarten dürfen, würde ich diesen Gegenstand ganz übergangen haben, zumal mein bezüglicher Befund doch nur ein dürftiger. Derselbe giebt mir aber zu einer Vermuthung Veran- lassung, die ich doch aussprechen möchte. Bekanntlich hat Weıs- MANN (56) in einer Reihe vorläufiger Mittheilungen den Nachweis geliefert, dass die Geschlechtsprodukte bei den Hydroidpolypen so- wohl im Ektoderm als auch im Entoderm auftreten und KLEINEN- Der Bau der Hydroidpolypen. II. 591 BERG (33) hat dann darauf hingewiesen, dass eine Wanderung der Geschlechtsprodukte aus einer Gewebslage in die andere durch die Stützlamelle hindurch stattfinden könne. Immer wird angenommen es sei die Eizelle durch Umwandelung einer Ektoderm- beziehungs- weise Entodermzelle hervorgegangen. Die Elemente, welche ich nun bei Tubularia als Eizellen deuten möchte, halten aber die Mitte zwischen den Zellen embryonalen Charakters, welche man im Ekto- derm findet und als Nesselkapselbildungszellen oder mit dem unbe- stimmteren Namen des interstitiellen Gewebes zu bezeichnen pflegt, sie liegen eben so in die Ektodermzellen hineingelagert, wie die an- deren Elemente dieser Schicht. Ich möchte an diesen Befund die Frage knüpfen, ob denn nicht alle Geschlechtsprodukte der Hydroid- polypen aus jenem »interstitiellen« Gewebe hervorgehen und von da erst in das Ektoderm oder Entoderm zur weiteren Entwickelung einwandern. Könnte diese Vermuthung als richtig erwiesen werden. dann wäre auch wieder eine stets gleiche Abstammung der in Rede stehenden Elemente gefunden, da jenes interstitielle Gewebe nur im Ektoderm vorkommt. Das Entoderm ist hier wie bei allen Polypen einer großen Ge- staltsveränderung fähig. Querschnitte durch den ersten Gastralraum zeigen im Beginn der Gastralöffnung als Ausdruck von Längswülsten vier zipfelförmige Vorragungen, das Lumen erscheint also als vier- strahliger Stern. In tiefer gelegenen Regionen desselben Raumes mehren sich diese Vorragungen und damit die Strahlen des Sternes. Diese Vermehrung erfolgt fast ausnahmslos in der Weise, dass ein Sternstrahl von seinem peripheren Ende her durch Anlage eines neuen Längswulstes eine Spaltung erfährt. Die Vermehrung der Langswiilste findet also nicht statt, indem die schon vorhandenen eine Spaltung erfahren, sondern indem zwischen diesen in dem Maße als der Gastralraum sich erweitert neue angelegt werden. Dieses ist wenigstens die gewöhnliche Art der Vermehrung der Längswülste; nur selten gewahrt man die Spaltung eines bereits vorhandenen. Eine solehe Flächenvergrößerung der Entodermlage findet auch im zweiten Gastralraum statt, sie zeigt hier aber eine große Unbeständigkeit. Das eine Mal sind es nur einzelne Gruppen von Zellen, welche über die Umgebung hervorragen, das andere Mal ist das ganze Entoderm in Längswülste zertheilt, ja man be- gegnet sogar Individuen, wo gegenüber liegende Längswülste voll- ständig verschmelzen und auf Querschnitten als Wandung den pri- mären einheitlichen Raum in zwei sekundäre Räume zerlegen. Bei 592 Carl F. Jickeli alten Individuen setzt sich das Entoderm nur eine kurze Strecke in den Hydrocaulus fort hört dort auf, wo das Ektoderm verhärtet, und beginnt erst wieder an dem unteren Ende des Hydrocaulus, wo auch das Ektoderm wieder lebendig ist. Das größte in Längsschnitte zerlegte Exemplar zeigte ein besonders bemerkenswerthes Verhalten des Entoderms, indem die ganze Gewebslage von der Stelle an, wo das Ektoderm erhärtet erschien, losgerissen und in den zweiten Gastralraum hineingestülpt, daselbst in Form einer aus zwei Zell- schichten zusammengesetzten Wand gerade gestreckt bis zu der Öffnung, durch welche erster und zweiter Gastralraum kommunieiren, emporragte und daselbst mit dem Entoderm der Gastralwandung verschmolz. Im Hydrocaulus war noch deutlich an Resten von Zell- wandungen der Raum zu erkennen, von wo das umgestülpte Ento- derm stammte. Durch diese Umstülpung des Entoderms erschien der ganze zweite Gastralraum in zwei sekundäre Räume, die aller- dings neben der so gebildeten Wand im Zusammenhang waren, ge- theilt. Eine große Zahl nicht entladener Nesselkapselzellen, welche sich daselbst frei, nicht in Entodermzellen eingebettet vorfanden, waren jedenfalls vom Entoderm bei seiner Umstülpung aus dem Ek- toderm des Hydrocaulus mitgerissen worden. Das Verhalten des Entoderms in diesem Fall ist wohl genügend, zu beweisen, dass jene Angaben, welche sich auf die große Beweglichkeit dieser Gewebs- lage beziehen, auf richtig beobachteten Thatsachen beruhen. Ob eine solche weitgehende Beweglichkeit des Entoderms oft vorkommt und ob bei ganz alten Exemplaren von Tubularia immer in dieser Weise die Abtrennung des Individuums von der Kolonie und Ver- schluss seiner Gastralräume gegen den Hydrocaulus erfolgt, bleibt noch zweifelhaft, fest steht aber, dass alte Individuen den lebendi- gen Zusammenhang mit der Kolonie aufgeben und nur noch durch die todte Perisareröhre mit derselben verbunden erscheinen. Die Entodermzellen zeigen erst etwas unterhalb der Gastral- öffnung eirkulär angeordnete Muskelfasern und diese Muskelfasern hören bereits da, wo sich die Stützlamelle spaltet, wieder auf. An- gaben, es fänden sich auch an anderen Stellen des Hydranthenleibes und besonders an der Stelle, wo sich die Gastralräume verengern, Muskelfasern, beruhen ganz bestimmt auf unriebtigen Beobachtungen und sind zurückzuführen auf Reliefverhältnisse und Beginn fibrillärer Differenzirung der Stiitzlamelle. Zu einer solchen Täuschung ver- leiten nicht nur Flächenbilder. sondern auch Längsschnitte, indem die Stützlamelle fast regelmäßig zwischen die Entodermzellen hinein- Der Bau der Hydroidpolypen. II. 593 drängt und auf Schnitten dann wohl als Faser imponiren kann, es ist indessen in dem Verhalten von Muskelfaser und Stützlamelle gegenüber Farbstoffen ein ziemlich sicheres Kriterium zur Unter- scheidung gegeben, indem die Muskelfasern durch Pikrokarmin nicht, die Stützlamelle aber, wenigstens bei Tubularia, lebhaft gefärbt wird, außerdem lassen die Muskelfasern gewöhnlich jene dunkle Umran- dung, die ich bei Hydra beschrieben, erkennen. Dem Protoplasma und der Gestalt nach lassen die Entodermzellen eine Differenzi- rung in zwei Formen erkennen: in die Drüsenzellen des obersten Theiles des ersten Gastralraumes und die gewöhnlichen Entoderm- zellen, welche ich als Nährzellen bezeichnet habe. Die Drüsenzellen zeigen. besonders wenn keine Nahrung im Gastralraum liegt, das Verhalten, wie ich es bei Hydra geschildert. Da wo das Entoderm in Nahrungsaufnahme begriffen, tritt ein zweifaches Verhalten der Entodermzellen hervor. Dasselbe erscheint nämlich nicht immer farblos, sondern bei einer beträchtlichen Anzahl Zellen lebhaft durch Pikrokarmin gefärbt und zugleich vakuolisirt. Da die Drüsenzellen solche Vakuolen zeigen, würde ich auch diese Elemente ohne Weite- res als solche gedeutet haben, indessen macht diese Deutung etwas zweifelhaft. Der Umstand, dass theilweise im Nahrungsbrei aufgelöste Kruster im Gastralraum sich in gleicher Weise färben und dass solche Nahrungsmassen auch ähnliche Vakuolen zeigen wie jene ‘Zellen, es könnte sich also auch um gewöhnliche Entodermzellen handeln, welche durch Nahrungsaufnahme jenes veränderte Aussehen gewonnen. Die rothe Färbung dieser Nahrungsmassen möchte ich auf die in denselben vorhandenen Nukleinmengen zurückführen. Bemerkenswerth ist auch noch, dass diese rothgefärbten Zellen ge- wöhnlich von der Oberfläche des Entoderms zurücktreten, gleichsam als hätten sie sich nach erlangter Beute aus der Phalanx zurück- gezogen, um in Ruhe des Geschäftes der Verdauung zu pflegen. In den Entodermzellen finden sich reichlich grünliche Körper und nicht selten halb verdaute Nesselkapseln. Die dritte Körperschicht besteht außer dem axialen Gewebe der Arme aus einer mächtigen Zellenlage, welche am basalen Ende der Arme des zweiten Wirtels beginnend sich gegen den Gastral- raum vordrängt und auf diese Weise jene Verengerung bedingt, durch welche erster und zweiter Gastralraum mit einander in Ver- bindung stehen. Dieser letztere Theil der Gewebslage (Taf. XXV Fig. 26) besteht bei alten Exemplaren aus mächtigen, langgestreck- ten, prismatischen Zellen. welche mit ihrer längeren Achse der 594 Carl F. Jickeli Polypenlängsachse parallel orientirt sind. Dieselben erscheinenin zwei Sehiehten über einander gelagert, nehmen vom Centrum nach der Peripherie an Größe ab, sind besonders groß in der ersten dem En- toderm angrenzenden Zellenreihe, und am -kleinsten da, wo sie zwi- schen die Arme gedrängt sind. Von Protoplasma ist namentlich in den größeren Zellräumen kaum etwas zu erkennen, dagegen finden sich dureh Karmin intensiv gefärbte Fetzen einer detritusartigen Masse nicht selten. Zellkerne sind spärlich vorhanden, am häufigsten zu zweien, zuweilen auch zu dreien auf ein Haufchen zusammengerückt, nieht selten finden sie sich auch zwischen zwei zu einer Lamelle ver- schmolzenen Zellwänden eingeschlossen, oder mitsammt einer Zell- wandung fest an die Stützlamelle gepresst, oder selbst zum Theil in dieselbe hineingedrückt. Untersucht man jüngere Exemplare, so er- giebt sich, dass die Zellen dieser Gewebslage je jünger das Thier ist um so kleiner sind, dass sie um so weniger in der Größe ver- schieden sind, dass sie um so protoplasmareicher sind, und dass seltener jene Vereinigung von zwei bis drei Zellkernen zu einem einzigen Haufen in den einzelnen Zellräumen vorkommt. Zur Er- klärung dieser auffallenden Erscheinung bleibt nur die allerdings eben so auffallende Annahme übrig, dass mit dem fortschreitenden Wachsthum des Thieres ein Wachsthum der einzelnen Zellen dieses Gewebes und eine theilweise Resorption der Zellwände stattfindet, und dass auf diese Weise die viel größeren Zellräume der älteren Exemplare und die Vermehrung der Kerne in dem einzelnen Zell- raum sich ergeben. Man könnte geneigt sein die größere Anzahl der Kerne im einzelnen Zellraum auf eine Kerntheilung zurückfüh- ren zu wollen. Ich habe dieses auch versucht. indessen niemals ein Theilungsstadium auffinden können, dagegen außer jenen erwähnten Detritusfetzen nicht selten Gebilden in diesen Zellen begegnet, welche ich als rückgebildete Kerne aufzufassen geneigt bin. Zuweilen fin- den sich in den Zellen dieser Gewebslage einzelne nicht entladene Nesselkapselzellen. Das axiale Gewebe der Arme (Taf. XXV Fig. 22) besteht bei Tubularia im Gegensatz zu allen anderen mir bis jetzt bekannt ge- wordenen gleichen Geweben nicht aus einer einzigen Reihe von Zellen, sondern aus mehreren über einander gelegten Reihen. Die Orienti- rung dieser Zellen ist eine ganz regelmäßige (Taf. XXV Fig. 22 a) und zwar so, dass sowohl in den Armen des ersten als des zweiten Wirtels die kleineren Flächen der prismatischen Zellen benachbarter Arme gegen einander sehen. Betrachtet man also einen Arm von Der Bau der Hydroidpolypen. II. 595 einer Seite, und das axiale Gewebe erscheint bei dieser Ansicht in Form von gestreckten, das ganze Lumen innerhalb der Stützlamelle senkrecht zur Armachse durchsetzender Zellen, so erhält man von denselben Zellen ein engmaschiges, aus polygonalen Räumen zu- sammengesetztes Netz, sobald man den ganzen Arm um 90° um seine Längsachse dreht, weil nunmehr die schmalen Flächen der Zellen der Betrachtung zugänglich werden. Diese Lagerung der Zellen des axialen Gewebes entspricht den Anforderungen, die man vom Stand- punkte der Mechanik mit Rücksicht auf die Vertheilung der Nessel- kapseln machen wird. Die Nesselkapselzellen liegen, wie ich bereits geschildert, besonders auf der oberen und unteren Seite der Arme angehäuft, sie werden daher bei ihrer Aktion, zumal sie der Stütz- lamelle sehr fest anhaften, immer den runden Querschnitt des Armes nach oben und unten zur Ellipse zu verändern streben. Diese Wir- kung wird durch die Lagerung der axialen Zellen augenscheinlich kompensirt, indem gerade in der angedeuteten Richtung eine Ver- änderung des runden Querschnittes am allerwenigsten zulässig er- scheint. | Die geschilderte Orientirung der Zellen des axialen Gewebes wird an der Basis der Arme allmählich gestört, indem dieselben mehr und mehr nach den beiden Seiten aus einander rücken, dabei zugleich aus der prismatischen Gestalt in eine pyramidenförmige übergehen um dann nur noch nach der einen peripheren Seite den Zusammenhang mit der Stützlamelle zu bewahren, nach dem Cen- trum zu-aber an eine gleich veränderte Zelle zu grenzen. Macht man in dieser Höhe einen Querschnitt, so könnte man meinen, es liege ein hohler Arm vor, dessen entodermale Zellen bis zu voll- ständiger Berührung gewachsen seien. Setzt man die Querschnitte bis zum basalen Ende des Armes fort, so sieht man die Zahl der Zellen jenes Gewebes abnehmen und zuletzt endigt der ganze Zell- strang mit einer einzigen Zelle. Dieses Verhalten des axialen Ge- webes kommt auch an der ganzen äußeren Form des Tentakels zum Ausdruck, indem derselbe basal zugespitzt endigt. In dem letzteren Theil der Armstrecke, wo also die Zellen des axialen Gewebes im Centrum des Armes an einander stoßen, kommt es zuweilen vor, dass durch Zurückweichen der Zellen wirklich ein Lumen entsteht (Taf. XXV Fig. 22 5) und man also eine Bildung wie bei Hydra vor sich hat. Ich meinte anfänglich an der Hand die- ses Befundes volle Klarheit über die Entwickelung des axialen Ge- webes bei Tubularia gewinnen zu können und zerlegte desshalb ganz 596 Carl F. Jickeli Junge Tubularien in Schnittserien, in der Voraussetzung, dort auf weitere Strecken hohle Arme zu finden. Auf diese Weise wäre dann die Entwickelung der soliden Arme aus den hohlen erwiesen gewesen. Was ich fand entsprach nicht meiner Erwartung. Gerade bei jungen Thieren fand ich durchweg ganz solide Arme, ‚nur bei drei ausgewachsenen Exemplaren begegnete ich jenen geschilderten hohlen Strecken. Trotzdem wird diese Beobachtung in der angedeuteten Richtung zu verwerthen sein. Der Kern der axialen Zelle ist sehr klein und gewöhnlich wandständig, Verstärkungsleisten der Zellwandung finden sich be- sonders gegen die Basis der Arme. Das Lumen der Zellen ist be- sonders gegen die Spitze der Arme von bräunlichen Pigmentballen erfüllt, über deren Bedeutung ich nur vage Vermuthung habe. Die Stützlamelle, deren topographische Verbreitung im Allge- meinen bereits geschildert wurde, gewinnt im zweiten Leibesraum eine solche Mächtigkeit, wie ich das bis jetzt noch bei keinem an- deren Hydroidpolypen beobachtet habe. An manchen Längsschnitten, aber durchaus nicht immer, ist an derselben eine Zusammensetzung aus drei Schichten zu erkennen. Von diesen drei Schichten nimmt die schmälste, mittelste, am besten Farbstoffe auf, von den beiden an- dern die an die Entodermzellen grenzende besser als diejenige, welche der ektodermalen Seite zugekehrt ist. Trotz der Dieke der Stütz- lamelle am zweiten Leibesraume habe ich nichts von eingewanderten Zellen in derselben auffinden können, dagegen konnte ich eine Nei- gung zu fibrillärem Zerfall erkennen, eben so drängen sich leisten- artige Erhebungen zwischen die ektodermalen und entodermalen Zellen. Solche Leisten gewinnen besonders nach der entodermalen Seite stellenweise eine bedeutende Höhe, können selbst von ihrer Basis nach oben eine Verbreiterung erfahren und dann auf Schnitten so getroffen werden, dass der Zusammenhang des oberen breiteren Theiles mit der Stützlamelle nicht mehr recht zu erkennen ist. Solche querdurchschnittene Leisten der Stützlamelle können leicht als Muskelfasern imponiren, sie unterscheiden sich aber doch sicher von letzteren dadurch, dass sie durch Pikrokarmin gefärbt werden. Flächenbilder der abgepinselten ektodermalen Seite zeigen stellen- weise eine regelmäßige Reliefbildung, hervorgerufen durch längs- und quer verlaufende leistenartige Erhebungen. Die längslaufenden Leisten sind besonders zahlreich und dicht gedrängt an jener Ver- engerung, welche ersten und zweiten Gastralraum mit einander ver- bindet. Auf den Armen nimmt die Stützlamelle gegen die Spitze Der Bau der Hydroidpolypen. II. 597 sehr an Dicke zu, so dass gegen das Ende derselben auf optischen Längsschnitten der Raum, welchen die Stützlamelle zu beiden Seiten der axialen Zellen beansprucht, zusammengenommen eben so breit erscheint, wie derjenige, welchen die Zellen erfüllen. Das axiale Gewebe der Arme steigt sowohl am ersten als auch am zweiten Tentakelwirtel tiefer als bis zur Stelle, wo die Stützlamelle von den Seiten an dasselbe herantritt, hinab und wird dann von der Stütz- lamelle eben so wie in seiner Erstreckung nach aufwärts auch auf seiner Fortsetzung nach abwärts umschlossen. Ob dabei auch das zugespitzte basale Ende des Armes durch die Stützlamelle gegen das angrenzende Gewebe vollständig abgeschlossen ist, oder doch noch eine enge Kommunikation übrig bleibt, habe ich trotz der sorgfäl- tigsten Untersuchung nicht feststellen können, ich bin aber geneigt einen vollständigen Abschluss anzunehmen, da selbst im zweiten Armwirtel das Ende der Arme, gegen das hier übereinstimmende Gewebe der nächsten Umgebung stets scharf unterschieden ist. Litteratur. G. H. Auıman (1) giebt in seinem bekannten großen Werke auch die erste genauere Histiologie von Tubularia. Die An- gaben beziehen sich fast ausschließlich auf Tubularia indivisa. Es wurde hier zuerst auf die starken Trabekelbildungen im Gastralraum des Hydranthen hingewiesen und eine reichliche Entwickelung von Längswülsten im Hydrocaulus beschrieben, deren für Tubularia in- divisa 7, für Tubularia mesembryanthemum 2 abgebildet werden. Die Angabe, dass bei letzterer Art sich jene beiden Längswülste berühren und so der Raum des Hydrocaulus in zwei parallel lau- fende Kanäle zerlegt wird, hat nach der ausgedehnten Gestaltsver- änderung, deren das Entoderm fähig ist, nicht viel gegen sich, da wohl bei dem einen oder dem anderen Exemplar eine solehe Modi- fikation der Wulstbildung vorkommen kann. Dagegen möchte ich mir zu der Beschreibung, die ALLMAN für die gleichen Verhältnisse bei Tubularia indivisa giebt, eine abweichende Deutung erlauben. Dort soll nämlich außer den sieben Längswülsten ein centraler Strang von Entodermzellen vorhanden sein und es sollen durch den diehten Anschluss der Kanten der Längswülste an jenen centralen Strang geschlossene aber stellenweise doch mit einander in Kom- munikation stehende längslaufende Kanäle entstehen. Es kommt auf diese Weise ein Verhalten zu Stande, welches ALLMAN zutreffend mit dem Namen cannaliculation of the endoderm bezeichnet. Da Morpholog. Jahrbuch. 8. 40 598. Carl F. Jickeli man nicht annehmen darf, dass ALLMAN sich täuschen ließ, indem er Nahrungsstoffe mit Entodermgewebe verwechselte, auf der ande- ren Seite aber ein solches Verhalten doch zu auffallend wäre, so möchte ich die ganzen Verhältnisse auf eine solche Umstülpung des losgelösten Entodermes, wie ich dieselbe auf den vorangegangenen Sei- ten beschrieben, zurückführen, indem ich den eentralen Theil des En- todermes als die umgestülpte Partie betrachte. Riicksichtlich der ektodermalen Muskulatur findet sich bei ALLMAN die, wohl auch für Tubularia indivisa nicht richtige Angabe, dass dieselbe aus be- sondere Kerne besitzenden Fibrillen bestände; ich halte dafür, dass die isolirten Fibrillen anklebenden Kerne von jenen Zellen stammen, die ich als Ganglienzellen gedeutet. Die Angabe über Auftreten einer eirkulären Muskulatur ist gewiss nicht richtig, ALLMAN stellt sie übrigens selbst als zweifelhaft hin. Die Angabe, dass die Zel- len des Ektodermes unmittelbar unter dem Hydranthen nicht bis an die äußere dünne Perisaredecke reiche, ist eine richtige Beobachtung, welche ALLMAN seinen Nachfolgern voraus hat. indessen ist der Raum zwischen Zellen und äußerer Decke von einer Sekretmasse erfüllt, wie ich es bereits geschildert. Die Differenz in dem Ver- halten des axialen Gewebes des ersten und zweiten Armwirtels, welche ALLMAN durch Fig. 5 und Fig. 4 auf Taf. 23 1. e. illustrirt, beruht, wie aus meinen Schilderungen hervorgeht, auf einem Orien- tirungsunterschiede der Arme um 90°. v. Kocu (35) entdeckte zuerst bei Tubularia larynx die Gewebslage zwischen Ektoderm und Entoderm und erkannte auch richtig die Fortsetzung des Entodermes über jene Gewebslage hinweg. Von be- sonderem Interesse ist, dass diese dritte Körperschicht vom Entoderm des Embryo abstammen soll. Die Tentakeln des zweiten Wirtels sollen nur auf der äußeren Seite Nesselkapselzellen tragen. Für die Anlage der Arme wurde festgestellt, dass erst vier auftreten und dann acht. STUDER (55) untersuchte Tubularia coronata, beobachtete ebenfalls jene Gewebslage, welche zwischen axialem Gewebe und Entoderm gelegen, er übersah aber, wenigstens nach dem Längsschnittbild, das eigentliche Entoderm und bezeichnete daher jene Gewebslage als ein Entoderm aus »sehr großen verdiekten Zellen«. Auf Querschnitten konstatirte derselbe das Vorhandensein von mehreren Längswülsten innerhalb des Gastralraums. Mit dem sphärischen Hohlraum im obe- ren Ende des Stieles ist wohl der zweite Gastralraum gemeint. Die Angabe über das Auftreten einer starken Ringmuskulatur zwischen Der Bau der Hydroidpolypen. II. 599 den zwei Gastralräumen wird wohl auf die Differenzirungen der Stütz- lamelle zurückzuführen sein. CraMIcIAN (11) untersuchte Tubularia mesembryanthemum All. Der- selbe weist in seiner Arbeit nach, dass der solide Achsenstrang der Arme aus mehreren Zellschichten besteht und giebt 1. e. Taf. XVIIL' Fig. 1, 2, 8 Abbildungen von optischen Längsschnitten dieses Ge- webes. Es geht aus diesen Bildern hervor, dass sich dieselben alle auf solche Orientirungen beziehen, wo die kleinen Flächen der prisma- tischen Zellen des axialen Gewebes der Betrachtung zugewendet sind. CramIcIan hat die langen muskulösen Ausläufer der Nessel- kapselzellen, wie auch die wellige Zusammenkrümmung derselben gesehen und abgebildet, sich aber getäuscht, indem er die Vereini- gung der basalen Enden jener Fasern zu einer starken Gewebslage annahm. Das was in seiner Figur 9 als jene Schicht vereinigter muskulöser Ausläufer gedeutet und mit m bezeichnet wird, ist ganz gewiss die Stiitzlamelle. Eben so muss ich einen Irrthum Crami- CIAN’s annehmen, wenn derselbe behauptet, dass die Längsmuskel- fasern ihre besonderen Kerne besäßen und also nicht mehr mit den Epithelzellen in Zusammenhang seien, wie auch zweifellos die An- gabe, es fänden sich eirkulär verlaufende ebenfalls Kerne führende Muskelfasern zwischen jenen Längsmuskelfasern und den Epithelzel- len als eine besondere Schicht eingeschoben. Die letztere Angabe beruht, wie besonders aus Figur 7 und 9 hervorgeht, auf theilweise isolirten und zugleich gerissenen Zellen des axialen Gewebes. In diesen Zellen findet man, wie ich bereits beschrieben, den Kern ge- wöhnlich der längeren Zellwandung in etwa halber Höhe dicht an- geschmiegt. Kommen nun solche Zellen einzeln oder in ganzer Gewebslage von der Seite ihrer größeren Flächen zur Ansicht und sind dieselben dabei noch durch Maceration theilweise zerstört, so können sie leicht als Fasern, welchen ein Kern anklebt, imponiren, besonders dann, wenn man nicht erkannt hat, dass die axialen Zel- len in bestimmter Weise regelmäßig orientirt sind und etwa Figuren wie 2 und 7 bei CıamIcIan gegen einander hält, welche eben An- sichten des axialen Gewebes der Arme in Lagen zeigen, die um 90° gegen einander gedreht sind. Auch die von Cıamicıan als ganz isolirte Längsmuskelfasern bezeichneten und abgebildeten Elemente sind solche theilweise zerstörte Zellen des axialen Gewebes. Aus der von CIamIcıAn verfolgten Entwickelung desselben Thie- res, die allerdings ebenfalls durch Weısmann, Hamann und H. W. Conn (12) in der letzten Zeit manche Berichtigung erfahren, geht hervor, 40* 600 Carl F. Jickeli dass die beiden Tentakelwirtel gesondert, der zweite viel früher als der erste, angelegt werden und dass die Tentakeln selbst nicht alle zugleich entstehen, auch nur theilweise paarig angelegt werden. Von besonderem Interesse ist noch die Angabe, dass die Actinula durch langgestreckte Drüsenzellen ihre Anheftung besorgt. Ob die zwei Anschwellungen, welche man an jüngeren und älteren Actinu- lae im Verlauf von deren Längsachse erkennt, etwas mit dem ersten und zweiten Gastralraum zu thun haben, mag dahingestellt bleiben. O. Hamann (21) untersuchte Tubularia coronata, larynx und mesem- bryanthemum. Er weist zuerst das Vorhandensein von zwei Gastral- räumen, von denen er den zweiten, kleineren als Knopf bezeichnete, nach, beschrieb ebenfalls jene dritte von v. Koch entdeckte Gewebs- schicht, die sich zwischen dem axialen Gewebe der Arme und dem- Entoderm ausbreitet. Nach Hamann sollen — es ist nicht angege- ben, . welche Art gemeint ist — sowohl am ersten als auch am zwei- ten Tentakelwirtel solche Gewebslagen vorkommen. Hamann be- zeichnet diese beiden Gewebslagen als oralen und aboralen Wulst. Richtig ist die Kritik HaAMANN’s, wenn er behauptet, dass die Ge- websschicht, zu welcher nach Cramıcıan die Fasern der Nessel- kapselzellen verschmelzen sollen, nicht existirt, eben so hat er den Irrthum jenes Forschers erkannt, welcher Veranlassung zur Annahme von eirkulären Muskelfasern gab, Hamann verfällt aber der gleichen Täuschung, wenn er behauptet, dass die Längsmuskelfasern selbst- ständige Kerne besäßen. Was Hamann als isolirte Längsmuskel- fasern abbildet sind offenbar auch nichts Anderes als Stücke des axialen Gewebes. Wenn dieses nach den Abbildungen 1. c. Taf. 4 Fig. 9 noch zweifelhaft wäre, so würde das aus dem Verfahren, wie die einzelnen Elemente erhalten wurden, hervorgehen, denn wenn man, wie Hamann angiebt, von in Alkohol erhärtetem Material Schnitte anfertigt und diese dann durch Klopfen auf das Deckglas weiter zerlegt, so bringt man keine Muskelfaser frei, wohl aber ein- zelne Stücke der Zellen des axialen Gewebes. Da die Kerne dieser Zellen den Kernen der von mir als Ganglienzellen beschriebenen Ele- mente sehr ähnlich sind, jene Zellen aber im Ektoderm liegen und oft den Längsmuskelfasern parallel gerichtete Ausläufer besitzen, man also bei Flächenbildern der Arme den Längsmuskelfasern angeklebte Kerne gesehen zu haben meint, so mögen wohl Stücke der Wan- dung der axialen Zellen, welchen ein ganz ähnlicher Kern anliegt, als identisch mit jenen Längsmuskelfasern erscheinen können. Außer - dieser Angabe Hamann’s über die Längsmuskelfasern halte ich auch Der Bau der Hydroidpolypen. Il. 601 für unrichtig seine Angabe, es lägen die axialen Zellen der Arme regellos durch einander, und das Gewebe der Arme geht in den Oral- und Aboralwulst als Verbreiterung kontinuirlich über, selbst wenn ich annehme, es habe seiner speciellen Untersuchung eine von der meinigen verschiedene Art vorgelegen. Cordylophora lacustris Allm. ALLMAN, Report of the British Assoc. for the avanc. of science for 1843. - Gymnoblastic Hydroids. Aus meiner Grazer Studienzeit besitze ich einige Exemplare dieses Hydroidpolypen, die noch yon dem Materiale stammen, an welchem mein verehrter Lehrer seine klassischen Untersuchungen angestellt. Obwohl noch gut brauchbar für allgemeine histiologische Orientirungen, genügt der Erhaltungszustand doch nicht mehr zur Erforschung neuer Strukturverhältnisse. Trotzdem konnte ich Dank der nunmehr erlangten Übung in der Unterscheidung der histiologi- schen Elemente der Polypen feststellen, dass sich auch hier im Ektoderm jene Zellen vorfinden, die ich als Ganglienzellen gedeutet habe. Auch andere für bereits geschilderte Polypen festgestellte Verhältnisse, waren wieder zu erkennen, so, dass das Entoderm auch hier bei manchen Exemplaren in Längswülsten erscheint, und dass sich im Hypostom Drüsenzellen am ähnlichsten den bei Euden- drium geschilderten vorfinden. Die Kerne in den axialen Zellen zeigen häufig mehr als ein Kernkörperchen. ScHuLzE giebt an außer dem regelmäßig vorhandenen größeren runden Kernkörperchen nicht selten noch ein zweites nicht so regelmäßig gestaltetes beob- achtet zu haben. Außer solehen Kernen fand ich auch zuweilen andere, welche ein größeres grünlich und zwei kleinere intensiv durch Karmin gefärbte Körperchen zeigten. Von besonderem Inter- esse bei Cordylophora ist auch die breite an allen meinen Präpara- ten durch Karmin nicht gefärbte Stützlamelle desshalb, weil SCHULZE hier zuerst jene feinen die Dieke derselben durchsetzenden Fäser- chen beschrieb, die ich nunmehr auch für andere Polypen nachge- wiesen und noch nachweisen werde. Von der Stützlamelle sagt SCHULZE, dass dieselbe nicht einen vollständigen Abschluss des axialen Gewebes der Arme gegen das Entoderm bewirke, sondern ein Loch offen lasse, giebt aber zu, dass wohl auch dieses Loch zu- weilen schwinden werde. Ich hoffe wohl später noch in den Besitz frischen Materials zu gelangen und werde dann auch die Stützlamelle 602 Carl F. Jickeli einem erneuerten Studium unterwerfen. Da fortwährend neue Ten- takeln entstehen, ist dieser Polyp auch sehr dazu geeignet, darüber ins Klare zu kommen, wie sich dieses Gewebe bildet. Die Angabe über den Inhalt der Scauzze’schen Abhandlung glaube ich wohl unterlassen zu können, da doch Jeder, der sich über den Gegenstand unterrichten will, immer nach jener Abhandlung selbst greifen wird. Cladonema radiatum Dujard. DUJARDIN, Ann. Sc. Nat. XX pag. 370 (t. ALLMAN). ALLMAN, Gymnoblastic Hydroids pag. 357. t. 17 f. 1—10. Der Hydranth besitzt zwei Armwirtel mit je vier Armen. Die Arme der beiden Wirtel liegen in denselben Meridianen, diejenigen des ersten Wirtels haben einen terminalen Nesselknopf, jene des zweiten Wirtels nicht. Das Ektoderm. Die Ektodermzellen (Taf. XXVI Fig. 1—3) er- scheinen mit Ausnahme der Stolonen iiberall als Epithelmuskelzel- len, sie wechseln in der Höhe, sind am höchsten auf dem Hypostom, am niedrigsten auf den Armen. Eine Cuticula ist auf dem Leib des Hydranthen kaum nachzuweisen, an der Stelle, wo der Stolon beginnt, erscheint die äußere Begrenzung der Ektodermzellen zerschlitzt, das kräftige Perisare der Stolonen lässt eine Zusammensetzung aus zwei Schichten erkennen. Nesselkapselzellen finden sich mit drei Formen von Nesselkap- seln: zwei Größen von den eiförmigen (Taf. XXVI Fig. 5) und eine, welche ich künftighin als bohnenförmige bezeichnen werde (Taf. XXVI Fig. 10). Die bohnenförmigen Nesselkapseln finden sich ‘nur im Stolonen, die eiférmigen eben da und außerdem bilden sie die bekann- ten terminalen Endknöpfe der Tentakeln des oberen Wirtels, selten und nur zerstreut treten dieselben am Metastom des Hydranthen auf, noch seltener finden sie sich auf dem Armstiel. An den bohnenförmigen Kapseln habe ich niemals etwas einem Cnidocil Vergleichbares auffinden können, sondern nur rudimentäre Anhänge, welche als muskulöse Ausläufer gedeutet werden könnten. An den Zellen mit eiförmigen Nesselkapseln ist eine deutliche Cnidoeilröhre zu erkennen. Die Zellen, welchen die letzteren Nesselkapseln zu- gehören, sind ein günstiges Objekt, um die wechselnde Länge des muskulösen Ausläufers zu erkennen. Man begegnet in den Nessel- knöpfen ganzen Lagen von Nesselkapselzellen, deren muskulöse Der Bau der Hydroidpolypen. II. 603 Ausläufer so sehr verkürzt sind, dass die Kapsel beinahe die Stütz- lamelle berührt, dazwischen finden sich andere Zellen, deren Faser so langgestreckt erscheint, dass dieselbe die Länge der Nesselkapsel zweimal erreicht. Gelangen soleche Fasern in günstiger Lage zur Betrachtung, so kann man sowohl eine Zerfaserung an ihrem basa- len Ende als auch eine leichte fibrilläre Streifung ihrer Länge nach erkennen. Den Nesselkapselzellen jedenfalls verwandte Gebilde, von denen das eine bereits von RiICHARD HERTWIG bei den Ctenophoren! ent- deckt und als Stiftzelle bezeichnet wurde, das andere noch ganz — unbekannt zu sein scheint, finden sich ebenfalls bei Cladonema. Ich will zunächst die ersteren dieser Elemente schildern (Taf. XXVI Fig. 9). Schon bei Beobachtung des lebenden Thieres gewahrt man zwischen den Nesselkapselzellen der Nesselknöpfe einzelne langge- streckte, in Form von Sinnesborsten vorragende Gebilde, welche beim ersten Anblick an die von F. E. SCHULZE bei Syncoryne Sarsii beschriebenen Palpocil erinnern. Auch so lange wir nur diese Borste an sich berücksichtigen und auf ihre Fortsetzung in die Gewebslage nicht eingehen, ergeben sich aber bemerkenswerthe Unterschiede von jenen Palpocil. Die Palpocil sind nach Scuuuzx’s Angaben biegsam, während diese Borsten der Cladonema gerade durch ihre Brüchigkeit auffallen. Das geht nicht nur daraus hervor, dass am lebenden Thier immer einige solcher abgebrochenen Borsten in dem Wasser- strom, welcher an den Armen kreist, treiben, sondern auch daraus, dass ich in allen meinen zahlreichen Isolationspräparaten nur ein einziges Mal ein vollständig erhaltenes diesbezügliches Element auf- finden konnte, obwohl einzelne Borsten, immer in mehreren Exem- plaren vorhanden waren. Weder an den einzelnen Stiften noch an jenem, welchen ich im Zusammenhang mit seinen weiteren Theilen erhielt, ist etwas von einem weiteren Strukturverhältnisse zu erken- nen. Derselbe erscheint als ein wenig lichtbrechender durchaus homogener, in keine besonders feine Spitze ausgezogener nach unten an Stärke zunehmender Stift, der sich wohl am besten mit einem Pfriemen vergleichen lässt. Da wo der Stift die Fläche der Ekto- dermzellen erreicht, geht derselbe in einen leicht geschwellten Zell- leib über, welcher sich dann wieder zu einer Faser allmählich ver- jiingt. In dem Zellleib sitzt ein ovaler Kern, in welchem ich nichts ! Das große Werk von CHun über die Ctenophoren ist mir leider im Augen- blick nicht zugänglich. 604 Carl F. Jickeli von einem Kernkörperchen zu erkennen vermochte. Die Achse des Stiftes fällt nicht mit der Fortsetzung desselben in die Tiefe der Gewebslage zusammen, sondern ist etwas gegen dieselbe geneigt, eben so zeigt die basale Faser eine leichte Krümmung. Ich sagte, es sei dieses wohl eine den Nesselkapselzellen verwandte Bildung. Diese Vermuthung erweckte das optische Verhalten jenes Theiles. welcher in der Tiefe des Ektodermes liegt. indem derselbe in seinem Liehtbreehungsvermögen etwas mit den Fasern und Kap- selhüllen der Nesselkapselzellen übereinstimmt aber verschieden er- scheint von dem gewöhnlichen Protoplasma der Zellen, mit denen eine Vergleichung versucht werden könnte. Dabei stehen diese Ele- mente nicht unvermittelt neben den Nesselkapselzellen, sondern die von SCHULZE |. ¢. beschriebenen Elemente bilden eine ganz ent- sprechende Vermittlung, indem nach ScHuzze’s Abbildung zu urthei- len das kolbige Basalstück seiner Palpocil wohl als eine Nesselkap- sel, welche aber keinen Nesselfaden mehr entwickelt hat, aufgefasst werden könnte. Ich habe diese Auffassung jener Gebilde bereits früher geltend zu machen gesucht, dabei aber den Fehler begangen, diese Auffassung auf angeblich bestimmte Angaben SCHULzZE’s zu stützen. Ich musste mich damals auf ein Excerpt und Kopien der Ab- bildungen der betreffenden Abhandlung verlassen, finde aber nun, wo ich das Buch selbst nochmals vergleichen kann, dass der Autor sich nicht bestimmt über die in Rede stehenden Theile ausgesprochen hatte. Die zweite Art histiologischer Elemente, welche ich bei Clado- nema aufgefunden und noch sicherer als die oben geschilderten dem Formenkreis der Nesselkapselzellen zurechne, sind Gebilde, welche man kurz entladenen Nesselkapseln, welche aber in ihren Zellen geblieben. vergleichen kann und die ich als Geißelkapselzellen be- zeichnen werde ‘Taf. XXVI Fig. 8). Geht man genauer auf die Ge- staltsverhältnisse ein. so lassen sich diese Geißelkapselzellen als ovale Nesselkapseln bezeichnen, die sich an ihrem Entladungspol zu einem cylindrischen Halse verjüngen, von welchem eine ziemlich lange Geißel ausgeht. die aus der Tiefe der Kapsel entspringen oder eine direkte Fortsetzung jener Verschmälerung der Kapsel sein mag; feststellen ließen sich die letzteren Verhältnisse nicht. Der Kapsel liegt ein deutlich sichtbarer Kern an. Über die der Stützlamelle zugekehrten Theile vermag ich hier keine genauen Angaben zu machen. komme aber darauf bei Schilderung der Geißelkapselzellen von Coryne, wo sich dieselben ebenfalls finden, nochmals zurück. Der Bau der Hydroidpolypen. II. 605 Was die topographische Verbreitung der Geißelkapselzellen anlangt, so lässt sich sagen, dass die Basis der Nesselknöpfe des ersten Armwirtels, und die Spitze der Arme des zweiten Wirtels, diejenigen Stellen sind, wo sich dieselben am häufigsten finden, we- niger regelmäßig und mehr zerstreut treten sie auf den übrigen Theilen der Arme auf, zuweilen lässt sich auch auf optischen Längs- schnitten eine Anordnung zu einer Längsreihe erkennen. Die Ganglienzellen (Taf. XXVI Fig. 1, 6, 7) finden sich bei Cladonema sehr spärlich, sind aber durch das ganze Ektoderm des Hydranthen verbreitet. Hat man dieselben einmal an einer günsti- gen Stelle in gutem Zustande beobachtet, dann ist es leicht ihr Vor- handensein auch an anderen Stellen, wo nur der Kern sichtbar geblieben ist, festzustellen, da sich dieser Kern von demjenigen der gewöhn- lichen Ektodermzellen durch geringere Größe und ovale Gestalt unterscheidet. Auf diesen dürftigen Befund musste ich mich im Allgemeinen beschränken, da der Erhaltungszustand meines Materials nicht der beste ist. An den wenigen guten Stellen, welche zur Be- obachtung kamen, erschien das den Kern umgebende Protoplasma ziemlich homogen, wenig körnig und in zwei bis vier Ausläufer aus- gezogen. Nur einmal sah ich die Verbindung zweier solcher Zellen durch ihre Ausläufer. Aus der Betrachtung einer größeren Zahl von Präparaten ließ sich erschließen, dass die reichlichste Ansammlung von Ganglienzellen an der Basis der Nesselknöpfe vorkam und dass wohl auch eine Beziehung der Ganglienzellen zu den Geißelkapsel- zellen stattbaben dürfte, wenigstens sah ich wiederholt in unmittel- barer Nähe der letzteren Kerne, welche nur auf Ganglienzellen zu beziehen waren. Endlich finden sich in den Nesselknöpfen noch Zellen, welche wohl als Stützzellen zu deuten sind. Betrachtet man einen Nessel- knopf von der Fläche, so gewahrt man zwischen den Nesselkapsel- zellen einzeln und nicht regelmäßig kleine dunkel tingirte Kerne (Taf. XXVI Fig. 2). Isolationspräparate, welche man durch Klopfen auf das Deckgläschen darstellt, lassen die nähere Bedeutung jener Kerne erkennen. Man findet da langgestreckte ziemlich starre Zellen, welche in verschiedener Höhe, bald ganz oben, bald in etwa halber Höhe, bald ganz an der Basis gelagert, den Zellkern bergen (Taf. XXVI Fig. 4). Das Protoplasma dieser Zellen ist gewöhnlich auf ein Mi- nimum redueirt. Es sind dieses dieselben Zellen, deren Kerne zwi- schen den Nesselkapselzellen bei der Flächenbetrachtung zu erken- nen waren. Wollte man noch daran zweifeln, so kann man sich 606 P Carl F. Jickeli leicht überzeugen, dass dem wirklich so ist, wenn man im Präparat unter dem Deckglas e.nen Strom erzeugt und so einzelne Stücke des Nesselknopfes in verschiedenen Lagen zur Ansicht erhält. Nach Kernen in den Zellräumen, welche die Nesselkapselzellen im Nessel- - knopf bergen, habe ich vergeblich gesucht; ich bin daher geneigt anzunehmen, dass jene Zellen, welche ich soeben geschildert und als Stützzellen bezeichnet habe, zum Theil als rückgebildete Reste der Ektodermzellen zu deuten sind und dass jene Kerne, welche scheinbar im Verlauf langgestreckter protoplasmaarmer Zellen liegen, eigentlich den innig verschmolzenen Wandungen benachbarter Ekto- dermzellen ankleben. Aus Verhältnissen, die ich im weiteren Ver- lauf dieser Mittbeilung schildern werde, wird hervorgehen, dass diese Vermuthung nicht» ganz von der Hand zu weisen ist. Zweifellos beziehen sich übrigens manche der langgestreckten Zellen, denen man in Isolationspräparaten begegnet oder die man auf Flächenbildern er- kennt, auf Stiftzellen, welche ihre Stifte verloren. Ein Vergleich der bezüglichen Figuren macht dies ziemlich sicher. An den von mir untersuchten Cladonemen fanden sich auch viele Medusenknospen und Eier. Die Eier traten besonders häufig in den Spitzen der Arme des zweiten Wirtels auf. Der die Eizelle nach außen bedeckende Plasmatheil der Epithelmuskelzelle zeigte eine feine körnige Streifung senkrecht zur Fläche des Metastoms. Da die Medusenknospen immer am Leib des Hydranthen entstehen und nicht an den Armen, ist dieses eine erneuerte Bestätigung für die ‚aktive Wanderung der Eizellen. Das Entoderm zeigt im Hypostom schmälere, von einem fein vakuolisirten Plasma erfüllte Drüsenzellen. In dem Gastralraum fin- den sich die gewöhnlichen Entodermzellen, welche reichlich grün- liche Inhaltskörper bergen. Der Hydranth, welchen ich in eine Serie von Längsschnitten zerlegt, birgt in der Gastralhöhle einen halb- verdauten Kruster. An jener Stelle, wo der Gastralraum des Hy- dranthen in den Stolon übergeht, quillt hier das Entoderm in Form eines Pfropfes, welcher sich in dem Gastralraum selbst fächerförmig verbreitert, hervor.” Die einzelnen Zellen dieses Pfropfes zeigen ein von kleinen Krümelchen erfülltes ganz trübes Protoplasma und einen kleinen geschrumpften Kern. Es blieb mir zweifelhaft, ob es sich da um eine Art Drüsenzellen handelt oder ob es etwa nur ein Theil der gewöhnlichen Entodermzellen des Stolon ist, welcher zur Nah- rungsaufnahme in den Gastralraum des Hydranthen drängt. Nach Muskelfasern habe ich im Entoderm vergeblich gesucht. Der Bau der Hydroidpolypen. II. 607 Die dritte Körperschicht ist nur durch das axiale Gewebe der Arme vertreten. Dasselbe besteht aus einer einzigen Reihe von Zel- len, die keine Verstärkungsleisten zeigen, deren Protoplasma keinerlei Inhaltskérper und nur einen kleinen Kern aufweist. Die Stützlamelle schließt das axiale Gewebe vollständig gegen das Entoderm ab, die einzelnen Arme endigen an ihrer Basis stumpf, nicht zugespitzt wie bei Tubularia, und stehen unter einander nicht in Verbindung. Die Stützlamelle ist sehr dünn und färbt sich durch Pikrokar- min nicht. Coryne Graeffei n. sp. (Taf. XXVIII Fig. 4). Das Ektoderm zeigt die gewöhnlichen Epithelmuskelzellen. Nesselkapselzellen treten an dem terminalen Ende aller Arme zu Nesselknöpfen vereinigt auf, außerdem sind sie wie immer reichlich im Stolonen, nur vereinzelt auf dem Leibe des Hydranthen und hier häufiger in der oberen als der unteren Region. Die Nesselkap- seln erscheinen in zwei Größen von eiförmiger Gestalt und als boh- nenförmige. Die bohnenförmigen Nesselkapseln (Taf. XXVI Fig. 22) finden sieh nur im Stolon und auf dem Leib des Hydranthen in der Nähe des ersten Tentakelwirtels. Ein Cnidocil konnte ich auch hier an denselben nicht auffinden, eben so wenig muskulöse Fa- sern. Die eiförmigen Nesselkapseln (Taf. XXVI Fig. 15—19) sind vorzüglich in den Nesselknöpfen angehäuft. Sowohl an den größe- ren als auch an den kleineren lässt sich eine Cnidocilröhre erken- nen, welche hier auffallenderweise oft oben aufgespalten erscheint ‘Taf. XXVI Fig. 16 4). Die muskulösen Fasern der Nesselkapselzellen sind hier dadurch noch besonders interessant, dass sie im Kontrak- tionszustande eine Zerspaltung in sekundäre Stämmcehen, die an sich dann wieder eine weitere feine Faserung erkennen lassen, zei- gen (Taf. XXVI Fig. 20). An solchen verkürzten und zerspalte- nen l'aserstämmehen, welche nicht selten eine bedeutende Diver- genz ihrer Spaltzweige aufweisen, ist zuweilen eine gegenseitige Annäherung dieser Zweige zu erkennen, welche wohl selbst zu ge- genseitiger Berührung führen mag. — Die ausgestreckte, dann sehr verjüngte Faser zeigt die doppelte Länge der kontrahirten, lässt in ihrem Verlauf nichts von einer Streifung erkennen und nur an ihrem basalen Ende eine leichte Zerfaserung. Die Faser der größeren eiförmigen Nesselkapselzellen zeigte rauhe Längskonturen. 608 Carl F. Jickeli Der Kern der Nesselkapselzellen lässt deutlich ein Kernkörperchen er- kennen und liegt ziemlich regelmäßig bei denjenigen Zellen mit kontra- hirter Faser in halber Höhe der Kapsel, dagegen bei denjenigen mit gestreckter Faser an der Basis der Kapsel. Der Kern der Zelle wird also offenbar bei den Gestaltsveränderungen der Zelle bewegt. Es fanden sich, wie wohl sehr selten, in meinen Isolationspräparaten Nesselkapselzellen, deren Umhüllung in stark welligen Konturen erschienen und die ich als fixirte Kontraktionswellen der Kapsel- umhüllung deute (Taf. XXVI Fig. 20). Entwickelungsstadien von Nesselkapselzellen finden sich auf dem Hydranthen keine, sondern nur im Stolonen. Stiftzellen sind vorhanden, wie ich mich bei Beobachtung des lebenden Thieres überzeugt und wie einzelne abgebrochene Stifte in meinen Präparaten beweisen; ganze Elemente dieser Art konnte ich _ nicht auffinden, vermuthe aber, dass dieselben sich in allen Nessel- knöpfen finden, da die Nesselknöpfe ganz gleich aussehen und in allen reichlich Elemente vorkommen, welche ich als Stiftzellen, welche die Stifte verloren, deute. Durch die lockere Verbindung die- ser Stifte mit ihrem Protoplasmatheil erinnern dieselben an die von SEMPER (54) beschriebenen, zu Büscheln vereinigten, leicht gebogenen, mit Widerhaken versehenen Gebilde, welche die Sarcostyle von Aglao- phenia Philippina besitzen und bei leiehter Berührung abwerfen. Vielleicht liegt hier sogar die gleiche, nur etwas weiter entwickelte Bildung vor. Die Geißelkapselzellen (Fig. XXVI Fig. 13, 14) fin- den sich hier in den Nesselknöpfen und auf den Armen, im Ganzen Jedenfalls häufiger als bei Cladonema. Beim Studium der ganzen Gewebslage lässt sich nieht mehr erkennen als ich bereits bei Cla- donema angegeben. Trotzdem bin ich hier ein Stück weiter gekom- men, da es mir gelang diese Gebilde isolirt zu erhalten. An solchen isolirten Zellen ist eine eylindrische Kapsel, welche unten abgerun- det, oben zu einem ebenfalls eylindrischen Halse. welcher sich dann selbst wieder in eine Geißel fortsetzt, verjüngt, zu erkennen. Unten geht das Ganze in eine der Kapsel an Länge ungefähr gleichkom- mende, breite. längsgestreifte, zugespitzt endigende Faser über. Die Kapsel selbst zeigt ungefähr das Lichtbrechungsvermégen der Nes- selkapseln, während die Faser dunkler erscheint. Die Geißel ist bei Weitem nicht so lang wie bei Cladonema und lässt auch hier ihre Befestigungsweise an der Kapsel nicht sicherstellen. Der Zell- kern erscheint langgestreckt und der Kapsel angelegt, von Proto- plasma war in seiner Nähe nichts zu erkennen. Einmal begegnete Der Bau der Hydroidpolypen. II. 609 ich in einem Isolationspräparat auch zwei Geißelkapselzellen, deren Faserenden mit einander verbunden waren. Vergleicht man isolirte Geißelkapselzellen mit solchen, welche in der intakten Gewebslage liegen, so fällt sofort ein Unterschied in den Dimensionsverhältnissen auf. Die isolirten Zellen erscheinen länger gestreckt, haben einen ovalen, nicht runden Kern und ihre Geißel ist etwas kürzer als bei denjenigen, welche in der Gewebs- lage eingeschlossen sind. Es führt mich dieses auf die Vermuthung, es möchte die Geißel eine direkte Fortsetzung der Kapselwandung sein und durch Druck auf die Kapselwandung, ähnlich wie der Faden der Nesselwandung, herausgekrempelt werden. Der Druck würde zu Stande kommen durch die Ektodermzellen, in welchen oder zwi- schen welchen die Geißelkapselzellen lagern und müsste um so grö- Ber sein, je mehr die Arme gestreckt und je mehr somit die Ekto- dermdecke gespannt wird. Es würden also die Geißeln, wenn der Arm sich lang ausstreckt, am längsten vorragen, sie würden dagegen in die Kapseln zurückweichen, wenn der Arm sich zusammenzieht und damit die Spannung der ektodermalen Decke nachlässt. Ich habe gesagt, es ließen sich die eben geschilderten Gebilde entladenen Nesselkapseln vergleichen, muss daher wohl mit einigen Worten auf die Frage, ob es sich denn nicht etwa nur um solche handele, eingehen. Abgesehen von verschiedenen Differenzen in den Formverhältnissen spricht gegen die Vermuthung, es möchten entla- dene Nesselkapseln vorliegen, der Umstand, dass sich diese Kapseln immer nur mit herausgestreckter Geißel und zwar selbst an jenen Hydranthen, wo keine einzige der zweifellosen Nesselkapseln ent- laden erschienen, vorfinden und eben so, dass man am lebenden Thier einen konstanten Strom längs der Arme erkennt, der jeden- falls hier wie bei Cladonema nur durch diese Geißeln erregt werden kann. Bei aufmerksamer Beobachtung des lebenden Thieres wird man gewiss die Geißeln in Funktion sehen können, leider habe ich seiner Zeit vernachlässigt auf die Erscheinung zu achten, da meine Aufmerksamkeit ganz auf andere Verhältnisse gerichtet war. Die Entwickelung der Geißelkapselzellen zu verfolgen, ist mir bis jetzt nicht gelungen, da all mein Suchen nach Stadien derselben vergeblich war. Die physiologische Bedeutung der Geißelkapselzellen scheint in Berücksichtigung des Baues der Arme zweifellos darin zu‘liegen. durch den stetigen Wasserstrom, welchen sie längs der Arme und damit längs des ganzen Leibes erzeugen, sowohl Beute in die Nähe 610 Carl F. Jiekeli der Nesselknöpfe zu führen als auch sonstige dem Polypen unzu- trägliche Stoffe etc. von dem Leibe fern zu halten. Ganglienzellen (Taf. XXVI Fig. 11, 15, 18) finden sich über den ganzen Leib und die Arme der Hydranthen zerstreut. Auf den Armen treten dieselben zu Gruppen dicht zusammen, lassen aber auch eben so oft große Strecken des Armes ganz frei, am zahl- reichsten finden sie sich an der Basis der Nesselknöpfe und in den Nesselknöpfen selbst. Zwischen den Zellen auf den Armen und im Tentakelknopf ist ein gewisser Unterschied zu bemerken. Die er- steren zeigen nämlich einen größeren Kern und gewöhnlich kein Kernkörperchen, ihr Protoplasma ist wenn auch spärlich doch rei- cher als bei den letzteren und lässt bei Osmiumbehandlung einzelne kleine schwarze Körnchen erkennen, die Zahl der Ausläufer kann hier bis auf sechs steigen. Die Ganglienzellen in den Nesselknöpfen erscheinen hier besonders häufig den Nesselkapselzellen zugesellt. Man findet sie in Isolationspräparaten bald mehr bald weniger fest mit den Nesselkapselzellen verbunden, entweder dem Kapseltheil in etwa halber Höhe angeschmiegt oder an dessen unterem Ende, oder der Faser selbst angelagert. Der Kern ist immer sehr klein und lässt nur Andeutungen des Protoplasmas in Form ganz zarter Kör- perausläufer erkennen. Es erinnern diese Verhältnisse lebhaft an jene Schilderungen, welche Korornerr (36) zuerst für die gleichen Elemente bei Lucernaria gab. Man kann diese den Nesselkapselzellen zugesellten Ganglien- zellen auch sehr oft auf Flächenbildern in der Tiefe der ektoder- malen Zellen erkennen (Taf. XXVI Fig. 12). Auf solchen Flächen- bildern erkennt man zwischen den klar bezeichneten Grenzen der ektodermalen Zellen auch schmale Zellräume, welche in Seitenansicht der gleichen Gewebstheile und in Isolationspräparaten als schmale, nach oben etwas verbreiterte Elemente erscheinen, die im Ganzen den bei Cladonema radiatum beschriebenen gleichen, aber nicht eine solche Mannigfaltigkeit der Gestaltung zeigen. Zum Theil handelt es sich da um Stützzellen, gewiss aber auch um Stiftzellen, welche ihre Stifte verloren haben. Das Entoderm zeigt im Hypostom die gleichen Drüsenzellen, wie Cladonema. Die gewöhnlichen Entodermzellen besitzen eirkulär gerichtete Muskelfasern. Die dritte Körperschicht ist durch das axiale Gewebe der Arme vertreten. Jeder einzelne Arm endigt an der Basis für sich. Die Zellen dieser Lage lassen in ihrer Wandung Verstärkungsleisten Der Bau der Hydroidpolypen. II. 611 erkennen, ihr Protoplasma zeigt Pigmentkörper und Vakuolen und die Ausläufer desselben fallen, wenn der Protoplasmaleib aus der Zelle herausgerissen wird und unter dem Deckglas im Strom der Ein- schlussflüssigkeit treibt, durch ihre Starrheit im Vergleich mit den Protoplasmatheilen anderer Zellen auf. Die Stützlamelle zeigt nichts Bemerkenswerthes. Obwohl ich nicht weiß, ob die Formen, welche man zur Gat- tung Coryne rechnet, die charakteristischen histiologischen Merkmale besitzen, welche ich von diesem Polypen eben geschildert, so glaube ich denselben doch am besten in dieser Gattung unterbringen zu kön- nen. Nächst verwandt scheint diese Art mit C. pusilla zu sein, unter- scheidet sich aber von derselben durch den Mangel der Perisareumhül- lung am Hydrocaulus des einzelnen Hydranthen und dadurch, dass am Metastom jedes Hydranthen immer nur eine einzige Meduse knospt. Ich entdeckte das Hydrosom, welches kriechende Stolonen hat, von welchem die Hydranthen einzeln aufsteigen, in einem Aquarium der zoologischen Station zu Triest und widme die Art dem Herrn Inspektor Dr. E. GRAEFFE, von welchem ich während meines Aufent- haltes daselbst die allseitigste Förderung genoss. Gemmaria implexa Ald. ALDER, Catalogue Zooph. pag. 18. pl. VII figs. 3—6 (t. ALLMAN). ALLMAN, Gymnoblastie Hydroids p. 290. t. 7. Meine in Triest auf Suberites massa gefundenen Stöckehen unter- scheiden sich etwas von ALLMAN’s Beschreibung und Abbildung, indem ihre Hydranthen nicht nur 40 bis 50, sondern selbst bis 70 Arme zeigen, und an der Hydrorhiza sind zwischen den Stolonen schollen- artige Ausbreitungen des Perisares an manchen Stellen vorhanden. Ich möchte aber trotzdem die Triester Form nicht als besondere Art unterscheiden, zumal auch ALLMAN |. e. von der Variabilität die- ses Polypen spricht. Das Ektoderm fällt hier schon bei oberflächlicher Betrachtung durch seine Armuth an verschiedenen Elementen auf. Auf großen Strecken des Hydranthenleibes gewahrt man oft nur Kerne der Ek- todermzellen und auf allen Armen ist äußerst selten ein anderes Element zu erkennen (Taf. XXVI Fig. 25 u. 26). Mit Ausnahme der terminalen Nesselknöpfe der Arme vermochte ich nirgends Grenzen zwischen den Ektodermzellen auf Flächenbildern oder auf Schnitten zu erkennen, nicht einmal durch die Vertheilung der Kerne war eine 612 Carl F. Jickeli territoriale Abgrenzung einzelner Zellen markirt. Auf den sehr dün- nen Armen scheint die ektodermale Decke gebildet zu werden, indem sich die einzelnen Zellen zusammenrollen und, auf diese Weise an ein- ander gefügt, ein Rohr darstellen, welches nur aus einer Reihe Zellen aufgebaut ist, oder, indem die einzelnen Zellen nicht zu einem voll- ständigen Rohr geschlossen sind, die ektodermale Decke aber auch dann höchstens aus zwei Reihen Zellen besteht. Nur auf diese Weise wird verständlich, dass sich auf der ganzen langen Strecke des Armes nicht mehr als sieben Kerne von Ektodermzellen finden und dass auf der ganzen Strecke, die der Länge einer axialen Zelle entspricht, fast immer nur ein einziger Kern im Ektoderm vorhanden ist. Da, wo das Ektoderm des Armes an den Nesselknopf grenzt, werden die sonst fast nur als Blätter erscheinenden Ektodermzellen höher. Es ist aber erst die unmittelbar an den Nesselknopf grenzende Ektoderm- zelle, welche, gegen den Nesselknopf aufsteigend, höher wird und zugleich einen dunkler gefärbten Kern zeigt (Tafel XXVI Fig. 23). Im Ganzen sind es auch hier nur zwei Zellen, welche ringsum an der ganzen Basis des Nesselknopfes den Übergang der ganz flachen Zellen des Armstieles zu den sehr hohen des Nesselknopfes vermit- teln. Auf dem Nesselknopf selbst zeigen Flächenbilder nur die Grenzen der Ektodermzellen, während die Kerne in die Tiefe der Zellen gerückt sind und daher nur auf Schnitten oder Macerations- präparaten beobachtet werden können. Äußerst selten und ganz un- regelmäßig findet man zwischen den Ektodermzellen, welche die Nesselkapselzellen beherbergen, schmale Zellen, welche ebenfalls an der Begrenzung der Oberfläche betheiligt sind, aber keine Nessel- kapselzellen enthalten. Es ist mir nicht unwahrscheinlich, dass dieses gewöhnliche Ektodermzellen sind, deren Nesselkapselzellen bereits verbraucht wurden, und die dann eine bedeutende Volumsabnahme erfahren. Die Ektodermzellen lassen in der Tiefe Längsmuskelfasern er- kennen. Diese Fasern scheinen hier aber nicht als Ausläufer über die Zelle, der sie entstammen, vorzuragen, sondern nur innerhalb der Zelle der Wandung angelagert zu sein, da ich auf Isolations- präparaten niemals Stücke der Ektodermlage mit vorragenden Fasern auffinden konnte, sondern immer nur Blätter erhielt, welche auf der einen Seite jene Fasern erkennen ließen. Auf Flächenbildern ist es mir außerdem niemals gelungen die Individualisirung einer Faser in befriedigender Weise zu erkennen oder die Zugehörigkeit einer bestimmten Anzahl von Fasern zu einem ektodermalen Zellkern nach- Der Bau der Hydroidpolypen. II. 613 zuweisen. Die Fasern, welche bei starker Vergrößerung knotige Verdickungen und Runzeln zeigen, verlaufen vielmehr ununterbrochen über lange Strecken des Ektodermes und lassen kaum jemals zu- gespitzte Enden erkennen, sie gehen also eben so in der ganzen Gewebslage auf wie die Zellen, welchen sie entstammen, es mehr oder weniger thun. Die vorstehende Schilderung der Ektodermzellen, bezieht sich aufden Hydranthen. Schon an dessen Basis, wo derselbe in den Sto- lonen übergeht, ändern sich die Ektodermzellen, indem dieselben von da an, wo das Perisare des Stolonen als feiner Grenzsaum auf den Ektodermzellen verschwindet, oft, aber durchaus nicht immer, bedeu- tend höher werden. Verfolgt man das Verhalten des Ektoderms in tieferen Theilen des Stolonen, so erscheint dasselbe selten durch eine klare Kontour gegen das Perisarc abgegrenzt, sondern vielmehr durch ein regelloses Gespinst von Ausläufern der Ektodermzellen an der Perisareröhre befestigt. Dasjenige, was hier aber am meisten auffällt, ist ein großer Reichthum durch Überosmiumsäure geschwärzter Korn- chen. Diese Kérnchen sind hauptsächlich in zweierlei Anordnung vorhanden. Da wo das Ektoderm in glatter Begrenzung erscheint, erschienen diese Körnchen im optischen Längsschnitt hauptsächlich in die äußere Begrenzungsschicht eingelagert und Flächenbilder las- sen erkennen, dass sie hauptsächlich da angesammelt sind, wo sich die benachbarten Zellen berühren. Man erhält somit auf Flächen- bildern die Zellgrenzen durch diese schwarzen Körnchen gezeichnet. Dort hingegen, wo sich die Ektodermlage des Coenosares in ein Protoplasmagespinst zwischen Stützlamelle und Perisare auflöst, erscheinen diese Körnchen hauptsächlich in die protoplasmatischen Ausläufer und um die Kerne derjenigen Zellen, von welchen diese Ausläufer ausgehen, angesammelt. Es kommen auf diese Weise nicht nur einzelne Formen zu Stande, welche täuschend verästelten Zellen und somit den hier zuerst zur Vergleichung sich aufdrängenden Gan- glienzellen ähnlich sehen, sondern da wo sich solche schwarze Körner führende Protoplasmafäden berühren, kreuzen oder verschmelzen, wird in überraschender Weise geradezu ein Plexus nachgeahmt. Eine Täuschung ist trotzdem nur kurze Zeit möglich, denn man überzeugt sich bald, dass es thatsächlich Kerne der gewöhnlichen Ektodermzellen sind, welche von solehen schwarzen Körnchen um- lagert werden und kann ferner beobachten, dass da, wo diese Körn- chen reichlicher vorkommen, auch die Nesselkapselbildungszellen und Morpholog. Jahrbuch. 8. 41 614 Carl F. Jickeli die Nesselkapseln selbst von den gleichen Körnchen bedeckt sind. Im Ganzen lässt sich also von diesen schwarzen Körnchen sagen, dass dieselben zuerst nur im obersten Randsaum der Ektodermzellen und besonders da, wo die benachbarten Zellen an einander grenzen, eintreten, dass dieselben in dem Maße, als sie reichlicher vorhanden sind, sich besonders um die Kerne der Ektodermzellen ansammeln, dann auch in die protoplasmatischen Ausläufer dieser Zellen eindrin- gen und schließlich überhaupt alle im Ektoderm des Stolonen ent- haltenen Elemente mehr oder minder umlagern. Diese Ablagerung durch Überosmiumsäure geschwärzter Fett- körner ist, wie schon aus vorstehender Schilderung hervorgeht, nicht überall gleich reichlich, es finden sich sogar weite Strecken im Sto- lonen, wo sie gar nicht nachzuweisen sind. Ob das eine Folge un- geniigenden Eindringens des Reagens ist oder thatsächlich diese fett- artige Substanz ungleichmäßig vertheilt ist, vermag ich nicht zu sagen. ‘ Nesselkapselzellen kommen mit drei Formen von Nesselkapseln vor, und zwar einer Größe bohnenförmiger und zwei Größen eiförmi- miger (Taf. XXVI Fig. 27—29). Die bohnenförmigen Nesselkapseln finden sich nur am Hypostom und reichlich im Stolonen, nur einmal beobachtete ich auch ein Exemplar derselben an der Basis eines Armes. Die Umhüllung der Kapsel von einer glänzenden Hülle war hier deutlicher zu sehen als bei anderen Kapseln derselben Form, einmal war an dem einen Kapselende auch ein kurzer Fortsatz zu erkennen. Der Zellkern liegt gewöhnlich in der seitlichen Vertie- fung der Kapsel. Ein Cnidocil habe ich mich auch hier vergeblich aufzufinden bemüht, dagegen konnte ich einmal an einer ausge- schnellten Kapsel erkennen, dass der Nesselfaden verhältnismäßig sehr dünn und wohl auch sehr vergänglich ist. Die Zellen mit eiföürmigen Nesselkapseln finden sich einzeln zerstreut am Metastom des Hydranthen, häufiger an der Basis der Arme, äußerst selten auf der Armstrecke zwischen Armbasis und Nesselknopf, in großer Zahl im Stolonen. Die kleineren eiförmigen Nesselkapseln über- wiegen die größeren bei Weitem an Zahl und setzen auch haupt- sächlich die terminalen Nesselknöpfe der Arme zusammen. Die ein- zelnen Nesselkapseln, welchen man auf dem Leibe des Hydranthen begegnet, erscheinen nicht selten in Rückbildung. Dieses gilt auch von jener einzigen Zelle mit bohnenförmiger Kapsel, der ich aus- nahmsweise an der Basis eines in tieferer Körperregion gelegenen Armes begegnete. Der Bau der Hydroidpolypen. II. 615 Die Zellen mit den kleineren eiförmigen Kapseln fallen durch ihren großen Kern, noch mehr aber dadurch auf, dass stets auf der dem Kern gegenüber liegenden Seite eine reichliche Menge von Proto- plasma, reichlicher als bei irgend einer anderen der von mir beob- achteten Zellen gleicher Art, vorhanden ist. Dieses Protoplasma zeigt in meinen mit Osmium und Pikrokarmin behandelten Präpara- ten immer eine hell gelbliche Färbung und eine bemerkenswerthe Zahl stark lichtbrechender, schwärzlich umrandeter Körner, die sich zuweilen selbst bis in die muskulöse Faser verbreiten. Die verhältnis- mäßig lange, gerundete, an der Basis etwas verbreiterte muskulöse Faser bildet die direkte Fortsetzung jener Protoplasmamasse nach der einen, das Cnidocil nach der anderen Seite. Kontraktions- zustände dieser Faser habe ich niemals beobachtet. Die Zellen mit den größeren eiförmigen Kapseln zeigen jene Protoplasmaanhäufung nicht. Der muskulöse Fortsatz derselben erschien in meinen Macerationspräparaten fast regelmäßig dicht an der Kapsel abgerissen, da wo er erhalten geblieben ließ er eine fibrilläre Längs- streifung erkennen. An beiden Nesselkapselzellen fällt im Vergleich mit den Befunden bei denjenigen anderer Polypen auf, dass die Faser ausgesprochen seitlich von der Kapsel und nicht wie sonst unten von der Mitte entspringt. Eine Cnidocilröhre vermochte ich nicht nachzuweisen. Nesselkapselbildungszellen oder Entwickelungsstadien von Nes- selkapseln finden sich im Metastom keine, aber wie immer reichlich im Stolonen. Ganglienzellen (Taf. XXVI Fig. 24) vermochte ich hier nur sehr spärlich und in Elementen, die mir im Ganzen doch zweifelhaft ge- blieben sind, aufzufinden. Die ganzen Angaben, die ich hier über diese histiologischen Elemente machen kann, beschränken sich auf kleine Zellkerne, die ich im Nesselknopf den Nesselkapselzellen zu- gesellt fand und auf gleiche Zellkerne, die ich neben denselben Zellen auf dem Leib des Hydranthen beobachtete. Ein einziges Mal “vermochte ich um einen solchen Zellkern eine Ansammlung homo - genen Protoplasmas, welches nach einer Seite einen zugespitzten Ausläufer bildete, zu erkennen. Es hat dieser negative Befund ge- rade hier desshalb Bedeutung, weil das ganze Ektoderm außer den Epithelmuskelzellen sehr wenige Elemente enthält und desshalb auf weite Ausdehnung mit großer Sicherheit untersucht werden kann. ja auf den Armen, die ausgestreckt bei ihrem geringen Durchmesser 41* 616 Carl F. Jickeli durch Heben und Senken des Tubus mit starken Vergrößerungen abgesucht werden können, das ganze Ektoderm nur aus Epithelmus- kelzellen besteht. Sind nun jene kleinen Kerne in den Nessel- knöpfen und die gleichen Kerne, wie ich glaube, Ganglienzellen, so können diese Ganglienzellen auf keinen Fall mit einander in Ver- bindung sein, da man doch wohl nicht annehmen kann, dass sich Ausläufer dieser Zellen aus dem Nesselknopf über die ganze Länge der Arme bis auf den Leib des Hydranthen erstrecken, um sich dann dort mit den Zellen derselben Art zu verbinden, und selbst diese Ausläufer zugegeben, dass dieselben auf einer so langen Strecke ganz unsichtbar bleiben sollten. Das Entoderm bildet im Hypostom die bekannten Taeniolen. Die Drüsenzellen (Taf. XXVI Fig. 20) erscheinen daselbst zum größe- ren Theil ungemein schmal und langgestreckt. Meistens von der Basis bis zum oberen Ende von gleicher Stärke, seltener zeigen sie verbreiterte Kuppen oder durch den Druck benachbarter Zellen be- dingte Formveränderungen. Das Protoplasma ist so sehr fein vakuo- lisirt, dass man nur mit starken Vergößerungen dieses Verhalten zu erkennen vermag. Zuweilen beobachtete ich in dem Plasma die- ser Zellen goldgelb glänzende Öltröpfehen. Der Kern ist sehr klein, langgestreckt, zeigt ein punktförmiges Kernkörperchen und la- gert bald höher bald tiefer, ja selbst basal in der Zelle. Die ge- wöhnlichen Entodermzellen in der Tiefe des Gastralraumes fielen mir sowohl an dem Exemplar, welches ich in eine Serie von Quer- schnitten zerlegt, als auch da, wo ich mich mit optischen Längs- schnitten begnügte, besonders durch ihre Reinheit, durch ihren beträchtlichen Breitendurchmesser so wie dadurch auf, dass der Zell- kern der dem Gastralraum zugekehrten Wandung angelagert war, was ich sonst bei keinem Polypen beobachtete. Im Stolonen sind die Entodermzellen dieht erfüllt von rundlichen Körpern, deren Kon- turen wohl in Folge der Osmiumbehandlung geschwärzt erschienen. Einmal sah ich — es war auf Querschnitten — einen ganzen Bal- len dieser Zellen im Gastralraum des Hydranthen liegen. Die dritte Kérperschicht. Das axiale Gewebe der einzelnen Arme besteht im Durchschnitt aus sieben Zellen. Die äußerste die- ser Zellen endigt zugespitzt im Centrum des Nesselknopfes, die in- nerste zugespitzte zwischen die Zellen des Entodermes etwas hin- eingeschoben. Die Wandung der einzelnen Zellen lässt wohl zarte Verstärkungsleisten erkennen, trotzdem scheint sie nur geringe Festigkeit zu besitzen, da optische Längsschnitte immer deutliche Der Bau der Hydroidpolypen. II. 617 Faltungen an derselben erkennen lassen. Das Protoplasma der Zelle erscheint nicht wie sonst derartig gelagert, dass seine Hauptbefesti- gungsstelle an der vorderen und hinteren Wandung ist, sondern spinnt sich ziemlich unregelmäßig durch den Zellraum. Pigment- körper finden sich in demselben zuweilen. Die Stützlamelle lässt ihre Dicke durchsetzende Fäserchen stellen- weise erkennen. An einigen schiefen Schnitten glaube ich die An- satzstelle dieser Fäserchen an die Längsmuskelfaser zu erkennen. Zum Schluss möchte ich noch einige Mittheilungen über das Perisare machen. Es finden sich nämlich zwischen den Stolonen stellenweise schollenartige Verbreiterungen desselben, in welchen zuweilen auch Nesselkapseln eingebacken erscheinen. Perigonimus Steinachi n. sp. Das Hydrosom besteht aus kriechenden Stolonen, von welchen die Hydranthen einzeln gerade aufsteigen. Die Zahl der Arme der Hydranthen wächst mit dem Alter derselben. Bei 18 Indivi- duen, welche ich der Prüfung unterzog, ergaben sich folgende Zahlen. Vier Individuen zeigten je drei, je fünf, je sechs und je sieben Arme, weitere vier Individuen zeigten je acht Arme, bei fünf Individuen waren je zehn, bei vier Individuen je elf und nur eines zeigte zwölf Arme. Das Ektoderm. Die Deckzellen des Ektoderms erscheinen auf dem ganzen Hydranthen als Epithelmuskelzellen. Im Stolonen war die Frage nach dem Fehlen oder Vorhandensein dieser Ausläufer nicht zu entscheiden. Dieselben sind hier besonders auf Abpinse- lungspräparaten als spindelförmige Fasern mit zackiger Kontur zu erkennen, in welchen man bei genauer Beobachtung eine centrale und eine Randpartie zu unterscheiden vermag. Die Deckzellen zei- gen auf dem Leib des Hydranthen eine mächtige Cutieula (Taf. XXVIL Fig. 1). An dieser lassen sich deutlich zwei Schichten, eine ganz schmale innere doppelt konturirte, nicht durch Alaunkarmin tingirbare und eine breitere lebhaft Farbstoffe aufnehmende unterscheiden, zwei- felhaft bleibt noch eine dritte äußerste, ebenfalls tingirbare Schicht. Von den zwei erstgenannten Schichten schwindet in geringer Höhe der Arme die tingirbare Schicht, setzt sich aber über das ganze Hypostom fort. Während des Lebens muss die Cuticula eine gelatinöse Konsistenz 618 Carl F. Jickeli besitzen, da eine Anzahl meiner Hydranthen sich unter dem Einfluss des Reagens zusammengezogen haben und hier bedeutende Einfaltun- gen derselben zu erkennen sind. Auf dem Metastom des Hydranthen ist das interstitielle Gewebe mächtig entwickelt und modifieirt die Deckzellen sehr wesentlich, indem das Protoplasma und der Kern dieser Zellen durch den Reich- thum jenes Gewebes auf kleine Räume zusammengepresst werden. Häufig sind die Grenzen der Deckzellen gar nicht mehr auf Schnit- ten nachweisbar und nur auf der Stützlamelle vermag man dann aus der Gruppirung der Durchschnitte der Muskelfasern und aus Kernen, welche eine Protoplasmaanhäufung an der Cutieula um- schließt, die Abgrenzung jener Zellen zu erkennen. Ich zweifle nicht, dass die auf diese Weise scheinbar entzweigeschnittenen Theile der Zellen durch das interstitielle Gewebe hindurch im Zusammenhang sind, wenn ich diesen Zusammenhang auch nur unsicher nachweisen konnte. Bei dieser räumlichen Modifikation der Epithelmuskelzellen erfahren die Kerne derselben auch eine Umänderung, indem sie selbst an Volum sehr abnehmen, dunkel tingirt werden und kein Kernkérperchen erkennen lassen; ihr ganzes Aussehen erinnert an jene Kerne, welche ich in den Stützzellen von Tubularia beob- achtet. Da, wo die Arme ihren Ursprung nehmen hört das intersti- tielle Gewebe auf und von da an gewinnen auch die Epithelmuskel- zellen wieder das gewöhnliche Aussehen, um dasselbe dann auf dem Hypostom und auf den Armen auch nicht zu verändern. Die Nesselkapselzellen (Taf. XXVII Fig. 3—6) sind über das ganze Ektoderm in großer Zahl verbreitet und zeigen drei Arten von Nesselkapseln, zwei Größen langgestreckter und eine Größe der birnförmigen. Die Aufwindungsweise des Nesselfadens war bei den langgestreckten Kapseln nicht zu erkennen, bei den birnförmigen erschien derselbe in eine einfache Schlinge zusammengelegt. Die größeren der langgestreckten Kapseln finden sich auf den Armen nicht. Die in Herrwia’scher Flüssigkeit isolirten Nesselkapselzellen ließen niemals die muskulösen Ausläufer, wohl aber häufig, außer ihrem von Protoplasma umschlossenen Kern, noch einen zweiten ähn- lichen Kern sammt Plasma erkennen. Häufig ließen sich Ausläufer nachweisen, welche von jener ersten oder zweiten Plasmamasse abgingen. Wie bei anderen Polypen so betrachte ich auch hier diese Ausläufer als Verbindungen mit Ganglienzellen. Entwickelungsstadien von Nesselkapseln oder Nesselkapselbil- Der Bau der Hydroidpolypen. 11. 619 dungszellen finden sich nur auf dem Leib des Hydranthen und bil- den dort das interstitielle Gewebe. Ob sich unter den Elementen jenes Gewebes auch Ganglienzellen finden, vermag ich nicht anzu- geben. Ganglienzellen (Taf. XXVI Fig. 7) finden sich zweifellos auf den Armen. Am häufigsten sind es tripolare Zellen, indessen sind auch solche mit vier Ausläufern nicht selten. Das Plasma der Ganglienzellen zeigt ähnliche durch Überosmiumsäure geschwärzte Körncehen, wie ich solche ausführlich bei Eudendrium beschrieben habe. Der Reichthum an solchen Elementen ist ein auffallend gro- ßer, denn nicht selten findet man selbst am vollständig ausgestreck- ten Arm die Ganglienzellen und Nesselkapselzellen dicht an einander gedrängt. Das Entoderm bildet im Hypostom Taeniolen, welche gegen den Gastralraum verstreichen, stellenweise in ihrem Verlauf mächtiger anschwellen und hier selbst Fortsetzungen der Stützlamelle aufzu- nehmen scheinen, indessen ließ sich letzteres nicht sicher erweisen. Die Zellen der Taeniolen sind Drüsenzellen mit ziemlich fein vakuo- lisirtem Protoplasma, ihr dunkel gefärbter Kern liegt gewöhnlich basal. An einem der Hydranthen, welche ich in Querschnitte zer- legt, erschien das ganze sternförmige Lumen von einer gleichmäßi- gen, nicht tingirten Sekretmasse erfüllt, jeder Sternstrahl zeigte aber außerdem noch eine klar gezeichnete längslaufende Halbirungs- linie, durch welche das Sekret der einander gegenüber liegenden Zell- reihen gesondert war. Zwischen diesen Drüsenzellen fanden sich im Hypostom auch noch einzelne andere, welche sich durch ihr massigeres Protoplasma und den größeren, weniger stark gefärbten Kern unterschieden, sie bilden im Gastralraum die ganze entoder- male Lage und stellen die eigentlichen Nährzellen vor. Endlich will ich noch eine dritte Zellform erwähnen, die sich einzeln durch das ganze Entoderm zerstreut findet und wohl von den Drüsenzellen des Hypostomes, die man ebenfalls zerstreut im Gastralraum findet, ab- zuleiten sind, indem sich Übergänge nachweisen lassen, also wohl einen anderen physiologischen Zustand jener Drüsenzellen darstellen müssen. In ihrer exstremsten Form erscheinen diese Zellen sehr in die Breite gedehnt und erfüllt von großen Vakuolen, die durch eine deutlich Farbstoffe annehmende Zwischensubstanz getrennt sind (Taf. XXVII Fig. 9). Muskulöse Ausläufer sind durch das ganze Entodorm des Hydranthen verbreitet und sowohl auf Längsschnitten als auch auf Abpinselungspräparaten nachzuweisen. Da die sehr dünne Stützlamelle keine Farbstoffe annimmt, so können auf Abpinse- 620 Carl F. Jickeli lungspräparaten die durchscheinenden eirkulären Fasern sehr leicht eine Querstreifung der Längsfasern vortäuschen. Die dritte Körperschicht ist durch das axiale Gewebe der Arme vertreten, welches in einer Reihe von Zellen die Achse der Arme bildet und am basalen Ende der Arme auch nur mit einer Zelle endigt. Gegen das Entoderm erscheint dieses Gewebe durch die Stiitzlamelle abgeschlossen, jedenfalls setzen sich die Entodermzel- len unverändert darüber fort. Die basalen Enden der Arme ver- einigen sich nicht nur nicht unter einander, sondern die bei flüchti- ger Beobachtung scheinbar in gleicher Höhe vom Hydranthenleib abgehenden Arme entspringen thatsächlich nicht im gleichen Aquator, sondern sind, wie dies besonders Schnitte erkennen lassen, in ihren Ansatzstellen unregelmäßig gegen einander verschoben. Die axialen Zellen zeigen hier jene eirkulären Streifen, welche ich als Verstär- kungsleisten bezeichnet habe, in besonders reicher Entwickelung, von besonderem Interesse ist aber hier der Inhalt dieser Zellen (Taf. XX VII Fig. 8). An dem Protoplasma desselben fällt zunächst das Auftre- ten großer Vakuolen auf, die bis zu acht in einer Zelle vorkommen aber auch ganz fehlen können. Häufig sind diese Vakuolen um einen Zellkern zusammengedrängt, finden sich aber auch nicht selten in Portionen des Protoplasmas, welche von dem centralen Theile der ganzen Masse gesondert, nur durch zartere Fäden mit derselben zusammenhängen, oder selbst in den Verlauf eines solehen Fadens eingelagert und bedingen dann an einer solchen Stelle eine An- schwellung desselben. Weiter ist an dem Inhalt dieser Zellen auf- fällig. dass derselbe oft zwei, ja selbst drei Kerne mit deutlichem Kernkörperchen aufweist. Alle diese Kerne erscheinen meistens auf einen Haufen zusammengedrängt, seltener lagern sie, wenn zu zweien vorhanden, gesondert und die einheitliche Protoplasmamasse bildet dann um jeden Kern eine merkliche Anhäufung; einmal habe ich sogar in einer Zelle zwei gesonderte Protoplasmamassen, jede mit einem Zellkern parallel zur Längsachse des Armes neben ein- ander angetroffen. Fast regelmäßig waren die Kerne desselben Zell- | raumes von gleicher Größe und gleichem Aussehen, ganz konstant ist aber auch das nicht. Ich habe auch Zellen gefunden, in welchen ein großer und ein kleiner Kern lag, oder von drei Kernen der eine viel kleiner war als die beiden anderen und einmal erschienen die vorhandenen zwei Kerne fest an einander gedrängt und an der Be- rührungsstelle gegenseitig abgeflacht, so dass diese Stelle auf dem optischen Durchschnitt als gerade Linie erschien. Die Vertheilung Der Bau der Hydroidpolypen. II. 621 dieser mehrkernigen Zellräume auf dem Arm anlangend, lässt sich im Allgemeinen sagen, dass dieselben häufiger in den mittleren Thei- len der Arme auftreten, während an den beiden Enden der Arme hauptsächlich einkernige vorkommen. Die Stützlamelle ist sehr dünn und färbt sich nicht. Die ihre Dieke quer durchsetzenden Fäserchen waren besonders in der Nähe des Hypostoms zahlreich. Diese Art unterscheidet sich von dem nächst verwandten P. vestitus, durch geringere Höhe seiner Hydranthen, bei größerer Anzahl und Länge der Hydranthenarme, ferner dadurch, dass die Cuticula der Hydranthen nicht jene P. vestitus eigenthümliche Bedeckung von Sandpartikelchen zeigt und dass die Nesselkapseln über die Arme ganz gleichmäßig verbreitet sind und keine Ansammlung zu größeren Häufchen zeigen. Vielleicht kann auch als ein speeifischer Charak- ter gelten, dass die Hydranthen alle einzeln vom kriechenden Stolon aufsteigen, während bei P. vestitus nicht selten vom Hydrocaulus eines Hydranthen ein zweiter Hydranth entsprosst, da etwa 40 Hydranthen, welche ich zu beobachten Gelegenheit hatte, alle direkt vom Stolon aufstiegen. Dieser Polyp scheint nicht häufig zu sein, da ich demselben nur einmal auf einem Bryozoenstöckehen im Aquarium der k. k. zoologi- schen Station in Triest begegnete. Ich widme diese Art meinem Studienfreunde STEINACH aus München, mit dem ich zwei arbeitsfrohe Monate in der k. k. zool. Station in Triest verlebt. Podocoryne carnea Sars. Sars, Fauna lit. Norvegiae pag. 4, pl. I f. 7—18 (t. ALLMAN). ALLMAN, Gymnoblastic Hydroids pag. 349, t. 16 f. 1-9. Ich habe während meines Aufenthaltes in Triest nur ganz kleine Exemplare dieses Polypen erhalten können. Da gerade über diese Art eine gute Arbeit von GROBBEN vorliegt, so beschränke ich mich auf einige Ergänzungen, um so mehr, da mein Material nicht sehr gut konservirt ist. Zunächst möchte ich auch hier die Schwankung in der Tenta- kelzahl konstatiren. Von zehn untersuchten Hydranthen zeigte einer sechs, je drei sieben, je vier acht, und je zwei zehn Arme. Be- merkenswerth ist ferner, dass gerade die kleinsten Hydranthen reich- lich Medusenknospen aufwiesen, so jenes Exemplar mit sieben 622 Carl F. Jickeli Armen nicht weniger als fünf derselben. Alle diese fünf Medusen- knospen lagen im selben Äquator des Metastom. An einem Indivi- duum zeigte ein Tentakel an der Spitze eine leichte Ausbuchtung, offenbar als beginnende Spaltung. Im Ektoderm lassen sich außer den Deckzellen und Nesselkap- selzellen auch jene Elemente erkennen, welche ich als Ganglienzellen sedeutet. Es sind Kerne, welche kleiner als diejenigen der Deck- zellen und nur unsicher die Abgrenzung gegen ihr sehr spärliches Protoplasma, welches sich deutlich zu Ausläufern verjüngt, erkennen lassen (Taf. XXVII Fig. 10). Am sichersten vermochte ich diese Elemente auf den Armen zu erkennen, glaube mich aber auch am Metastom des Hydranthen von ihrem Vorhandensein überzeugt zu haben. Die Nesselkapselzellen lassen besonders an der Armspitze, wo sie dicht gedrängt in gleicher Höhe liegen, so dass ihre basalen Kerne bei Färbung mit Karmin wie ein rothes Band erscheinen, ein Onidocil erkennen , welches eine Cnidocilréhre zu besitzen scheint; es lässt sich wenigstens an günstigen Präparaten mit voller Deutlich- keit am Cnidocil ein Absatz erkennen, von welchem sich ein diin- nerer Fortsatz erstreckt. Dieses ist mir desshalb erwähnenswerth, weil die Nesselkapseln zu den langgestreckten gehören und ich bis dahin nur an der eiférmigen eine Cnidocilréhre beobachtet habe. Auf dem Hypostom finden sich ebenfalls einzelne Nesselkapseln, ~ dagegen keine auf dem Metastom. An der Armspitze kann man sich hier deutlich überzeugen, dass selbst die reichlichste Entwickelung der Nesselkapselzellen die Deck- zellen nicht von der Begrenzung der Körperoberfläche verdrängt, denn selbst hier, wo sich zwischen den einzelnen Kapseln nicht der geringste Zwischenraum nachweisen lässt, vermag man auf optischen Längsschnitten der Arme immer 2—3 Kerne von Deckzellen etwa in halber Höhe der Nesselkapseln an der Armspitze zu erkennen. Zur Unterscheidung derselben dienen allerdings nur ihre Größenverhält- nisse. An den Entodermzellen glaube ich auf Längsschnitten mus- kulöse Ausläufer zu erkennen. Die dritte Körperschicht besteht aus dem axialen Gewebe der Arme, welche an dem Hydranthenleibe zugespitzt mit einer Zelle endigen. Die Stützlamelle färbt sieh durch Karmin, sie ist von mäßiger Dicke und bildet einen vollständigen Abschluss zwischen axialem Gewebe und Entoderm. = Der Bau der Hydroidpolypen. II. 62 Campanopsis sp.? Craus, Arbeiten aus dem zool. Inst. d. Univ. Wien 1882 pag. 3, T.1 F. 1—5. Der Stolon, von welchem sich die gerade aufsteigenden Hydranthen erheben, zeigt in so weit ein eigenthiimliches Verhalten, als nicht nur in unregelmäßigen Abständen von irgend einem Zweig desselben, den man als Hauptstamm bezeichnen könnte, alternirend Seitenzweige abgehen, sondern dass stellenweise auf einmal zwei divergirende Zweige entspringen. In dem Stolonen begegnet man auch nicht selten in dem Raume zwischen dem Coneosare und der Wandung des Perisare zu Kugeln geballten Gewebsstücken, von denen aber nicht zu entscheiden, ob sie als ein Haufen von Ektodermzellen aufzufas- sen sind oder auch Entodermzellen enthalten. Über die morphologi- sche oder physiologische Bedeutung dieser Zellhaufen vermag ich nicht einmal eine Vermuthung zu äußern. Der Hydranth dieser Gattung fällt sofort auf durch eine Ekto- dermduplikatur, welche sich zwischen den Armen an deren Basis ausspannt und über deren allgemeines Verhalten ich Cravs |]. e. zu vergleichen bitte. Das Ektoderm zeigt als Deckzellen die gewöhnlichen Epithel- muskelzellen. Dieselben fallen vor Allem durch ihre geringe Höhe auf, besonders an dem Grunde der Arme und auf dem Leib der Hydranthen vermag oft nicht einmal der Zellkern in dem Raume zwischen Stützlamelle und Cuticula Platz zu finden, so dass die Stützlamelle durch denselben hier nicht selten gegen das Entoderm vorgewölbt erscheint. Grenzen zwischen den Deckzellen konnte ich weder auf Flächenbildern noch auf Schnitten erkennen. Die Cuti- cula, welche auf den Armen sehr zart ist, nimmt gegen die Basis des Hydranthen stetig an Dicke zu. Schon auf dem Metastom bil- det sie Faltungen, welche zuweilen bis zur Stützlamelle hinabdrän- gen. Am Hydrocaulus und zum großen Theil auch am Stolonen sind kräftige Schnürringe zu erkennen, welche eine gewisse Regel- mäßigkeit nicht nur durch gleiche Höhe der einzelnen Ringe sondern auch dadurch, dass auf dem optischen Längsschnitt in jeder Ring- breite ein ektodermaler Zellkern liegt, zum Ausdruck bringen. Streng durchgeführt erscheint aber dieses Verhalten nicht, indem man auch weiten Strecken begegnet, welche eine feinere unregel- mäßigere Runzelung des Perisare statt jener regelmäßigen Ringelung zeigen, ja oft erscheint das Perisare in weiter Ausdehnung ganz 624 Carl F. Jickeli glatt. Als sichere Regel kann gelten, dass jene Ringelung am Hy- drocaulus immer vorhanden ist. Auf dem Hydranthen ist die Cuti- cula während des Lebens im ausgestreckten Zustande desselben gewiss glatt, wie auch aus den Abbildungen von Cuaus hervorgeht. Die eirkulären Faltungen, welche dieselbe an allen meinen Exem- plaren zeigt, beruhen daher wohl auf einer theilweisen Kontraktion und lassen auf eine gelatinöse Konsistenz schließen. Eine solche ge- latinöse und zugleich klebrige Cuticula trägt wohl hier die Schuld, dass ein Hydranth dieser Art an Nadeln und sonstigen Instrumenten im Leben sofort anklebt und dann sehr schwer frei zu bekom- men ist. Außer durch die Differenz in der Stärke der Cuticula weichen die Deckzellen auch noch durch das Verhalten ihres Kernes in den verschiedenen Leibesregionen ab, indem sie auf den Armen sehr klein, nach abwärts an Größe sehr zunehmen. Vereinigt mit dem Wechsel in der Größe ist ein Wechsel in der Tinktionsfähigkeit, indem die Kerne sich um so weniger färben, je größer sie werden. Dieses spricht wohl dafür, dass mit der Größenabnahme hier zugleich eine Ver- diehtung der Kernmasse einhergeht. Rücksichtlich der Deckzellen in den Stolonen mag noch bemerkt werden, dass in denselben häufig durch Überosmiumsäure geschwärzte Kérnchen zu erkennen sind. Die Nesselkapselzellen entwickeln drei Größen länglicher gebo- gener Kapseln (Taf. XXVII Fig. 11—17). Die größten dieser Kap- seln finden sich nur auf den Armen, die zwei kleineren nur auf dem Leib des Hydranthen. Die Kapseln der Arme sind ausgezeichnet durch ein langes peitschenförmiges Cnidocil, sie sind beinahe regel- mäßig in Gruppen von je zweien angeordnet und eben so regelmäßig liegt zwei so vereinigten Nesselkapselzellen der Kern einer Epithel- muskelzelle an. Die ungemein schmalen Kapseln auf dem Metastom liegen alle flach, sind auffallend schmal, lassen nichts von einem Cnidocil erkennen und eben so wenig etwas von der Aufwindungs- weise eines Nesselfadens. Auch bei den Nesselkapseln der Arme war durch die Wandung hindurch nichts von einem Faden wahrzu- nehmen, indessen fehlt derselbe hier, wie ausgeschnellte Kapseln erkennen lassen, auf keinen Fail. An allen Kapseln ist die Kapsel- umhüllung zu erkennen, von muskulösen Fäserchen habe ich in meinen Isolationspriparaten nur Andeutungen wahrgenommen. An allen Nesselkapselzellen nimmt hier der Kern sogleich die Aufmerk- samkeit durch sein Verhalten in Anspruch. Zunächst ist derselbe im Verhältnis zur Kapsel, besonders der kleineren, von bedeutender Der Bau der Hydroidpolypen. I. 625 Größe und durch seine Lagerung sehr geeignet, das Vorhandensein von zwei Kernen vorzutäuschen. Die Nesselkapselzelle ist hier mei- stens in der Art ins Ektoderm eingeschlossen, dass die Nesselkapsel bei Flächenbildern nach oben liegt und den Kern in der Mitte auf diese Weise optisch entzwei schneidet. Da die Nesselkapsel undurch- sichtig ist, vermag man beim Senken des Tubus durch sie hindurch den Kern nicht wahrzunehmen und da außerdem noch der glänzende unsichere Kontur der Kapselumhüllung die an den Seiten der Kap- sel vorragenden Kernstiicke nicht bis an die Begrenzungslinie der Kapsel selbst zu verfolgen erlaubt, so wird Jeder hier der irrigen Vermuthung verfallen, es lägen da jeder Nesselkapsel zwei Zellkerne an. Nur Isolationspräparate, in welchen ein unter dem Deckglas erregter Strom die Elemente von allen Seiten zu betrachten erlaubt, können den Beobachter überzeugen, dass jeder Nesselkapsel nur ein Zellkern anliegt Aber selbst wenn dieses wiederholt sicher gestellt wurde, werden neue Präparate immer wieder zu erneuerter Prüfung drängen, so sehr täuschend ist das ganze Verhalten; übrigens liegt allerdings zuweilen der Nesselkapselzelle noch ein zweiter Kern an, wie wir alsbald sehen werden. Nesselkapselbildungszellen und Entwicklungsstadien von Nessel- kapseln finden sich auf den Armen keine, dagegen auf dem Leibe des Hydranthen besonders in seinen obersten Theilen. Da, wo diese Elemente weniger dieht gedrängt sind treten sie zu Gruppen ver- einigt auf und meistens bildet eine gerade Zahl solcher Zellen eine Gruppe. Dieses Verhalten drängt die Vermuthung auf, es möchten alle Entwickelungsstadien einer Gruppe von derselben Bildungszelle abstammen und nachdem eine solche Bildungszelle durch wiederholte regelmäßige Theilung sich vermehrt, die Entwickelung der Nessel- kapseln beginnen. Wäre letzteres nicht der Fall, so wäre unver- ständlich, warum die Nesselkapseln einer Gruppe immer so ziemlich das gleiche Stadium ihrer Entwickelung repräsentiren. Von jenem interessanten Verhalten in der Entwickelung weiter fortgeschrittener Nesselkapselzellen zu anderen in der Entwickelung zurückgebliebener ähnlicher Zellen, wie ich das bei Hydra beschrieben und als eine Vereinigung von unentwickelten Nesselkapselzellen mit ebenfalls unentwickelten oder auch in der Entwickelung weit vorgeschrittenen, ja selbst vollständig ausgebildeten Ganglienzellen deutete, habe ich hier trotz des sehr günstigen Beobachtungsobjektes nichts gefunden. Die Ganglienzellen (Taf. XXVII Fig. 12—14, 16—17) lassen sich hier nur spärlich und in wenig befriedigender Weise nachweisen. 626 Carl F. Jiekeli Man wird für gewöhnlich bei Polypen den ausgestreckten durch Überosmiumsäure fixirten Arm zur ersten Orientirung über das ekto- dermale Gewebe benutzen und die so auf guten Flächenbildern ge- sicherten Befunde dann in der tieferen und immer für die Beobach- tung ungünstigeren Leibesregion weiter verfolgen. Bei Untersuchung der Arme auf weite Strecken kann man sich nun hier mit jeder verlangten Sicherheit überzeugen, dass da keine Ganglienzellen vor- handen sind (Taf. XXVII Fig. 11). Es finden sich da nur Nessel- kapselzellen und eine einzige Form und Größe von Zellkernen außerdem, die nichts Anderes als Kerne der ektodermalen Epithel- muskelzellen sein können. Die Elemente des Armes sind mit an- deren Polypen verglichen spärlich vorhanden, können also leicht überbliekt werden, und außerdem ist kein anderes von den oben angeführten Elementen verschiedenes, welches da in Betracht kom- men könnte, vorhanden. Es bliebe nur die Vermuthung offen, es möchten vielleicht jene als Kerne der ektodermalen Epithelmuskel- zellen gedeuteten Elemente zum Theil Ganglienzellen angehören, da dieselben, wie bereits erwähnt, kleiner sind als die gleichen Theile an anderen Körperstellen und das Protoplasma dieser Zellen wie auch ihre Ausläufer, seien wohl in allen meinen Präparaten nicht sichtbar, wie ich das bei anderen Polypen selbst bereits anzunehmen gezwungen war. Ich habe auch thatsächlich einige Zeit diese Ansicht über die fraglichen Verhältnisse gehabt und erst aufgegeben, als es mir gelang, an den unteren Theilen der aber nur selten hier in günstiger Lage zur Beobachtung gelangenden Arme allerdings immer noch sehr spärlich von den Kernen der Epithelmuskelzellen ver- schiedene Gebilde, die ich nun hier für die Ganglienzellen ansehe und die ich nach wiederholter Prüfung vieler Exemplare aber in den oberen Theilen der Arme durchaus nicht auffinden kann, nachzu- weisen. Es kann also keinem Zweifel unterliegen, dass hier beinahe der ganze Arm der Ganglienzellen entbehrt und man wird wohl hier nieht anders können als eine Übertragung und Leitung von Reizen von Nesselkapselzellen auf Epithelmuskelzellen, also eine Leitung von Muskelzelle zu Muskelzelle anzunehmen. Die Elemente, welche ich hier als Ganglienzellen deute, sind fast immer nur durch ihre Kerne markirt, sehr selten sah ich an denselben geringe Protoplasmareste, nur einmal die Vereinigung der Ausläufer zweier solcher Zellen schief über die Muskellage hinweg. Der Kern dieser Zellen ist kleiner als derjenige der Epithelmuskel- zellen der Arme, lässt kein Kernkérperchen aber eine Anzahl kleine- Der Bau der Hydroidpoiypen. II. 627 rer Pünktchen erkennen. Auf Flächenbildern des unteren Theiles der Arme finden sich die Ganglienzellen immer in unmittelbarer Nähe der Nesselkapselzellen, optische Liingsschnitte zeigen vor der Nesselkapselzelle den größern Kern der Epithelmuskelzelle und dahinter den kleineren der Ganglienzelle. Da, wo die Arme in den Leib des Hydranthen übergehen findet sich sowohl auf der äußeren als auch der inneren, dem Hypostom zugekehrten Seite eine größere Anhäufung der Ganglienzellen. Es hat dieser Befund, wie leicht ein- zusehen, besonders verglichen mit den Verhältnissen, welche die Ge- brüder Herrwie an den Medusen klar gelegt, ein besonderes Inter- esse, um so mehr muss ich bedauern, dass alle Mühe zu einer genaueren Analyse desselben zu ‘gelangen vergeblich war. Weder Flächenpräparate, noch Schnitte, noch Isolationspräparate haben mich auch nur einen Schritt weiter gebracht. Zu den Faltungen der Körperwandung, die hier durch die unmittelbare Ansetzung der Arme gebildet werden, kommen noch jene der tiefgreifenden Furchun- gen durch die erhärtete Cuticula und es werden auf diese Weise alle Elemente derart verzerrt und verschoben, dass alle Formen, welche man da auch in Isolationspräparaten erhält, nichts aussagen können, denn wollte man da Kerne mit Anhäufung von Protoplasma in Form von Ganglienzellen als normale Gebilde annehmen und deuten, dann müsste man den gleichen Werth eines histiologischen Elementes anderen abenteuerlichen Zellformen, die nicht minder individualisirt erscheinen. zugestehen. Verwerthen lässt sich hier nur, was durch die genann- ten störenden Agentien nicht beeinflusst wurde und das sind die Zellkerne. Außer den größeren Nesselkapselzellen aus dem unteren Theil der Arme begegnet man in Isolationspräparaten auch den Zellen mit schmäleren Kapseln, zuweilen einem kleinen Kern, welcher wohl einer Ganglienzelle gehört, zugesellt (Taf. XXVII Fig. 13, 14), häufig kommt das aber nicht vor und auf Flächenbildern der unteren Lei- beshälfte, wo diese Elemente vereinzelt liegen und gut übersehen werden können, konnte ich ein solches Verhalten niemals sicher stellen. Der solchen Nesselkapselzellen angelagerte Kern ist von jenen auf den Arm geschilderten etwas verschieden, indem er ge- wöhnlich größer ist und auch ein Kernkörperchen zu besitzen pflegt. Auf dem Metastom des Hydranthen finden sich die merkwürdi- gen von Craus entdeckten und als Drüsenzellen gedeuteten Elemente ‘Taf. XX VII Fig. 18—20). Die Hauptmasse derselben liegt an derselben Stelle, wo auch die große Ansammlung von Nesselkapselbildungs- 628 Carl F. Jickeli zellen erscheint, also in der oberen Hälfte des Metastom und ist somit der Ansammlung von Ganglienzellen genähert. Von dieser Stelle verbreiten sich die Drüsenzellen nach aufwärts bis auf den unteren Theil der Arme und nach abwärts bis in den Hydrocaulus. Die Betrachtung der einzelnen Zellen lehrt, dass neben Über- einstimmung auch wesentliche Differenzen unter denselben herrschen. Allen diesen Zellen ist bei Untersuchung von Flächenbildern gemein eine unregelmäßige Begrenzung, indem Ausbuchtungen und kürzere oder längere Fortsätze an denselben erscheinen. Ein wechselndes Verhalten zeigt der Inhalt. Häufig ganz homogen und durch Pikro- karmin gelblich gefärbt, lässt er nicht minder häufig geformte Be- standtheile unterscheiden und solche Zustände führen durch Über- gänge zu anderen, wo schließlich die ganze Zelle von einigen wenigen großen Kugeln erfüllt erscheint. In solehen Zuständen ist der Kern, welcher durch ein großes Kernkörperchen ausgezeichnet ist, oft sehr schwer zu demonstriren. Neben diesem morphologischen Ausdruck offenbar verschiedener physiologischer Zustände desselben Elemen- tes, lassen sich auch Entwickelungsstadien unterscheiden. Ich ver- mag wenigstens einzelne Kerne ektodermaler Deckzellen, welchen ganz geringe Mengen des beschriebenen und durch seine Färbung sofort kenntlichen Sekretes anhaftet, nieht anders zu deuten. Bei der Umgestaltung einer gewöhnlichen Deckzelle zur Drüsenzelle müsste sich dann auch der Kern verändern, da der Kern der Drüsenzellen ein viel größeres Kernkörperchen zeigt. Einen Zusammenhang dieser Drüsenzellen mit Nerven konnte ich nirgends auffinden, dagegen begegnete ich mehrere Male Stellen im Ektoderm, wo nach Flächenbildern zu urtheilen ein Zusammen- hang der Drüsenzellen mit Nesselkapselzellen, aber nur mit jenen schmäleren, an welchen ich kein Cnidocil aufgefunden, vermuthet werden könnte (Taf. XXVII Fig. 19). Entoderm. Im Hypostom finden sich fast ausschließlich die be- kannten Drüsenzellen, deren dunkel tingirter Kern hier überall basal gelagert ist. Einzelne dieser Drüsenzellen finden sich dann auch noch im Gastralraum. Außer den Drüsenzellen erscheinen noch zwei Zell- formen, die entweder gar nichts von Protoplasma erkennen lassen oder nur eine geringe Anhäufung desselben an der Zellkuppe zeigen. Beides sind wohl die gewöhnlichen Nährzellen. Die dritte Körperschicht ist durch die axialen Zellen vertreten. Dieselben durchziehen als Achse in einer Reihe die Arme. Die ein- zelnen Zellen zeigen wohl eirkuläre Faltungen ihrer Wandung aber Der Bau der Hydroidpolypen. II. 629 keine Verstärkungsleisten. Das Protoplasma derselben bildet ein sehr lockeres Gespinst, birgt einen lebhaft tingirten Kern, aber keine Pigmentkörper. Da die axialen Zellen hier sehr langgestreckt sind, so fällt die Größendifferenz mehr als sonst auf und man mag wohl daraus, dass oft gerade in halber Länge des Armes viel kür- zere Zellen auftreten, den Schluss ziehen, dass ein Wachsthum der Arme durch Vermehrung der Zellen durch den ganzen Verlauf des- selben stättfindet. Die Stützlamelle scheidet das axiale Gewebe gegen das Ento- derm. Sie ist sehr zart, nimmt Farbstoffe nicht auf, und setzt sich in die Ektodermduplikatur, welche an der Basis der Arme vorhan- den ist, fort. Litteratur. Cuaus (9) hat bereits eine Schilderung der Entwicke- lung der Medusen dieses Polypen gegeben und zugleich Mittheilun- gen über den histiologischen Bau sowohl der Meduse als auch des -Hydranthen gemacht. Er beschrieb in jener Abhandlung die Fort- setzung des Perisares des Stolonen auf das Metastom des Hydranthen als eine bei Kontraktion des letzteren faltig erscheinende Hülle, entdeckte die im Ektoderm auftretenden Drüsenzellen und erwies die zwischen den Armen, an deren Grunde ausgespannte Verbin- dungshaut als Ektodermduplikatur. Die muskulösen Ausläufer feh- len am Grunde der Hydranthen und im Stolonen den ektodermalen Deckzellen. Alle diese Angaben konnte ich in meiner gegebenen Analyse von Campanopsis bestätigen. Lafoéa parasitica Ciam. CIAMICIAN, Zeitschrift f. w. Zool. Bd. 33. Das Ektoderm zeigt die gewöhnlichen Deckzellen, welche auf den Armen und auf dem Leib des Hydranthen zu Epithelmuskel- zellen geworden sind. Im Hydrophyton und im Stolonen sind die Deckzellen sehr niedrig, ihre Kerne stellenweise in die Länge ge- strekt und nur in großen Zwischenräumen sind lange dünne proto- plasmatische Ausläufer zwischen Coenosare und Perisare vorhanden. Das Perisare zeigt da, wo das Hydrophyton in den Stolonen eintritt, äußerlich Einschnürungen, die aber an der inneren Seite nicht zum Ausdruck kommen. Von da setzt sich das Hydrophyton eine Strecke weit glatt fort, und erst nahe dem Hydranthen tritt die gleiche Bil- dung auf, hier entsprechen aber den Vertiefungen auf der äußeren Morpholog. Jahrbuch. 8. 42 630 Carl F. Jickeli Seite des Perisares Vorsprünge auf seiner inneren. An jener Stelle, wo sich das Perisare zur Hydrotheca erweitert, springt ein Sep- tum nach dem Lumen vor, auf weichem die Basis des Hydran- then ruht und eine centrirte Öffnung den Durchtritt seiner verjüngten Fortsetzung gestattet. Die Hydrotheca zeigt scheinbar unregelmäßige Ausbuchtungen ihres Randes, es lässt sich aber doch meistens eine gewisse Regelmäßigkeit erkennen und dann sind drei Systeme von Ausbuchtungen zu unterscheiden, die man am besten überblicken kann, wenn man sich vorstellt, der ursprünglich gerade Rand sei in regelmäßigen Abständen ausgebuchtet worden, das Gleiche habe sich, aber weniger tiefgreifend, für die Zwischenräume dieser Ausbuch- tungen wiederholt und zuletzt hätten dann dritte seichte Einsenkun- gen die Reste des geraden Randes nochmals getheilt. Das Perisare lässt meistens drei Schichten erkennen, von welchen aber nur zwei noch auf der Hydrotheca nachzuweisen sind. Nesselkapselzellen (Taf. XXVII Fig. 22) beobachtete ich nur auf den Armen und im Gegensatz zu allen anderen von mir unter- suchten Polypen war nur eine Form von Nesselkapseln vorhanden. Ein Kern und das Cnidocil sind daran zu erkennen. mehr ließ sich nicht sicher stellen. Nesselkapselbildungszellen habe ich nur im Hydrophyton und im Stolonen aufgefunden. Ganglienzellen (Taf. XXVII Fig. 21) waren nur auf Flächen- bildern der Arme aufzufinden und was ich darüber anzugeben ver- mag beschränkt sich darauf, dass zwei, drei und fünf Ausläufer zu erkennen waren. Das Entoderm besteht im Hypostom aus länger gestreckten zum Theil von vakuolisirtem Protoplasma erfüllten Zellen. In dem Ga- stralraum finden sich die gewöhnlichen Nährzellen und zwar bilden etwa 14 derselben auf Längsschnitten die Strecke von der Basis der Arme bis zur Basis des Hydranthen. Im Hydrocaulus und im Stolonen sind die Entodermzellen nur eine kurze Strecke zu verfolgen, da bald der ganze von der Stützlamelle umschlossene Raum von größe- ren und kleineren rundlichen Körpern, in welchen durch Alaunkar- min ein bis zwei kernartige Gebilde sichtbar gemacht werden, erfüllt ist. Einzelne dieser Körper schienen in Theilung begriffen. Zwischen diesen Körpern begegnet man einzelnen Kernen der Entodermzellen. Es handelt sich hier wohl um jene Gebilde, welche ©. Branpr (5) als Zoochlorellen beschrieben, und denen er die Bedeutung pflanzlicher Der Bau der Hydroidpolypen. II. 631 Miether, welche ihre Wirthe zu ernähren im Stande sein sollen, zu- schreibt. Die dritte Körperschicht ist durch das axiale Gewebe der Arme vertreten, welches jeden Arm von oben bis unten in einer Reihe von Zellen, die an der Basis zu einem geschlossenen Ring zusammen- treten, durchzieht. Gegen das Entoderm ist diese Gewebslage durch die Stützlamelle geschieden. Die einzelnen Zellen zeigten zuweilen, aber sehr selten, zwei Kerne (einmal sogar mit getrennten Zell- leibern) , geformte Körper in ihrem Protoplasma und Verstärkungen der Wandung. Einmal begegnete ich auch einem Arm, welcher in etwa halber Höhe in zwei Zweige gespalten war und zwar in der Art, dass sich an der Spaltungsstelle zwei Zellen als Beginn von den zwei divergirenden Zweigen an die letzte Zelle des ungetheilten Arm- stiickes ansetzten (Taf. XXVII Fig. 23, 24). Die dünne Stützlamelle färbt sich nicht. Litteratur. Die Art wurde von CIAMICIAN (10) beschrieben, dabei aber nur auf die äußeren Formverhältnisse Rücksicht genommen. _ Unbegriindet ist wohl die Vermuthung, es möchte hier desshalb eine ‚ähnliche Fortpflanzung, wie die von ALLMAN bei Schizocladium beob- achtete stattfinden, weil der Autor niemals Geschlechtsprodukte, aber stets einen am Ende offenen Stolon fand. Es frägt sich außerdem ob der letztere Befund zuverlässig ist, da ich am Ende des Stolonen das Perisare überall noch als feines Hautchen nachweisen konnte. Campanularia coliculata Hincks. Hinckxs, R., A history of the British hydroid. Zooph. pag. 164. Date. 12, Das Ektoderm. Die Deckzellen erscheinen als Epithelmuskel- zellen auf dem ganzen Hydranthen; bemerkenswerth an denselben ist, dass sie auf dem Leib des Hydranthen noch niedriger als auf dessen Armen sind. Die Nesselkapselzellen zeigen zwei Größen langgestreckter, ge- bogener Nesselkapseln (Taf. XXVII Fig. 30—31), deren muskulöse Ausläufer, obwohl auch in guten Isolationspräparaten selten erhal- ten. doch in verschiedenen Kontraktionszuständen, entweder kürzer und dicker oder länger und dünner nachzuweisen sind. Außer die- sen muskulösen Ausläufern sind auch hier häufig feinere kurze Zipfel am Protoplasma der Zelle zu erkennen. Der Kern zeigt kein Kern- 42* 632 Carl F. Jiekeli körperchen. Die Kapselumhüllung scheint besonders bei den klei- neren Kapseln sehr kräftig zu sein. Die Nesselkapselzellen sind auf die Arme beschränkt, selten findet sich eine auf dem Leib des Hydranthen. Nesselkapselbildungszellen sind nur im Stolonen vor- handen. Ganglienzellen habe ich einzeln, aber äußerst selten, auf den Ar- men und in Vereinigung mit isolirten Nesselkapselzellen begegnet (Taf. XXVII Fig. 29, Taf. XXVIII Fig. 1). Die auffälligste Erscheinung, welche die Aufmerksamkeit hier sofort fesselt, sind eigenthümliche räthselhafte Körper. welche das Ektoderm in seiner ganzen Ausdehnung erfüllen (Taf. XXVIII Fig. 1, 2). Von der Größe der Kerne der Ektodermzellen bis zu Massen, welche die Länge axialer Zellen am ausgestreckten Arm beträchtlich an Ausdehnung übertreffen, zeigen diese Körper die größte Veränderlichkeit in ihrer Form und können wohl am besten mit in ihrer Bewegung fixirten Amöben verglichen werden. Auf Flächen- bildern erscheinen dieselben bald langgestreckt, bald mehr rundlich. Den Vergleich mit Amöben festgehalten, könnte man ferner unter- scheiden zwischen solehen mit lappigen Pseudopodien und solchen mit zugespitzten bis fadenförmig ausgezogenen. Im Ektoderm von Exemplaren, die mit Überosmiumsäure behandelt und dann mit Pi- krokarmin gefärbt wurden, erscheinen diese Gebilde bräunlich und enthalten schwärzliche Körnchen und größere rundliche oder geschlän- gelte weißliche, schwarz umrandete Räume, welche möglieherweise im Leben Vakuolen repriisentiren. Die räumliche Ausdehnung der einzelnen Körper ist durch die sonstigen Elemente des Ektoderms offenbar nicht im entferntesten beschränkt, Nesselkapselzellen wer- den eben so wie Ganglienzellen oder Kerne der Epithelmuskelzellen von denselben bedeckt oder selbst ganz umhüllt und besonders letz- tere vermögen sehr leicht die Täuschung, es fänden sich in diesen Körpern selbst zeitweilig Kerne, zu bedingen. Isolationspräparate leh- ren, dass dem nicht so ist, dagegen kann man an solchen häufig Epithelmuskelzellen begegnen, welche durch jene Körper derartig ausgebuchtet wurden, dass man sie geradezu als mächtige Ganglien- zellen zu deuten geneigt sein könnte (Taf. XXVII Fig. 28). Die Natur dieser Körper ist mir zweifelhaft geblieben. Die erste Vermuthung, es möchten hier ähnliche Drüsenzellen vorliegen, wie ich dieselben bei Campanopsis beschrieben, musste ich bei ge- nauer Prüfung, besonders als ich keinen Kern nachweisen konnte und mich ferner überzeugte, dass die fraglichen Gebilde selbst da, Der Bau der Hydroidpolypen II. 633 wo sie an der ektodermalen Flächenbegrenzung Theil zu nehmen schie- nen, in die ektodermalen Zellen eingelagert waren, aufgeben. Ich habe aber auch zwischen zwei weiteren, wie mir scheinen will allein zulässigen Deutungen nicht schlüssig werden können, denn man wird jene Gebilde eben so gut als ektodermale Sekret- massen, wie als Parasiten vertheidigen können. Gegen die erste dieser zwei Deutungen spricht aber eine zu ausgesprochene und zu wechselnde Individualisirung dieser Körper und die zweite wird im- mer gegen sich den Umstand haben, dass noch kein zur Vergleichung heranzuziehender ähnlicher Befund vorliegt. Die Frage kann jeden- falls nur am lebenden Thier entschieden werden. Da diese höchst merkwürdige Erscheinung noch von keinem Forscher erwähnt wurde, hatte ich auch in Erwägung gezogen, ob es sich da wohl nicht um eine abnormale Erscheinung handele, in- dessen ergaben Exemplare der Obelia, welche im Frühjahr gesam- melt worden waren, den gleichen Befund wie solche, welehe aus dem Sommer oder Herbst stammten und außerdem werde ich eine ähnliche Erscheinung bei folgenden Gattungen zu schildern haben. Das Entoderm lässt zwei Zellformen erkennen, länger gestreckte im Hypostom, welche Farbstoffe reichlich aufnehmen und kürzere breitere im Gastralraum, welche sich nicht färben. Die letzteren sind nicht selten von kugeligen Körperchen erfüllt (Taf. XXVII Fig. 27). Jene räthselhaften Körper, welche ich aus dem Ektoderm geschildert, kommen auch hier an einzelnen Stellen vor. Die dritte Körperschicht. Das axiale Gewebe der Arme besteht ‚aus einer Reihe von Zellen, welche zuweilen Pigmentkörper in ihrem Protoplasma zeigen. Bei einigen dieser Zellen erfüllt im Gegensatz zu allen anderen Polypen das Protoplasma den ganzen Zellraum, zeigt ein trüb molekulares Aussehen und wird durch BOumer’sches Hämatoxylin etwas gefärbt (Taf. XXVII Fig. 26). Das axiale Ge- webe setzt sich hier von der Ansatzstelle des Armes an noch eine lange Strecke zwischen Ektoderm und Entoderm fort und jeder Arm endigt mit drei statt mit einer Zelle, erscheint daher an seinem unteren Ende etwas verbreitert (Taf. XXVIII Fig. 3). Da das axiale Gewebe der be- nachbarten Arme von da an wo dieselben zwischen Ektoderm und Ento- derm verschwinden dicht an einander rückt, so kommt hier ein sehr ho- her Ring dieser Gewebslage zu Stande, welcher auf Querschnitten eben so viele Zellen zeigt als Arme vorhanden sind und erst wenn die Schnitte das Ende dieses Ringes erreichen verdreifacht sich, dem Bau der Arme entsprechend, die Zahl der den ganzen Kranz bildenden Zellen. 634 Carl F. Jickeli Der Raum zwischen Hypostom und Armen ist hier so redueirt, dass auf Längsschnitten die Wandung des ersteren nur wie eine Ab- zweigung der letzteren erscheint. Die Stützlamelle färbt sich mit Pikrokarmin. Sie nimmt von oben nach unten sehr an Dieke zu, um schließlich an der Basis des Hydranthen, da, wo derselbe seitlich an die Hydrotheca stößt, das Ektoderm zu verdrängen und sogar einen Zusammenhang mit der Hydrotheca zu gewinnen (Taf. XXVII Fig. 32). Auf Querschnitten sieht man hier die Stützlamelle, besonders zwischen den ektodermalen Zellen, Balken, welche zum Theil die Hydrotheca erreichen, nach aufwärts senden. Indem sich diese Balken dann an ihrem terminalen Ende verbreitern und stellenweise sogar mit Nachbarn verschmelzen, werden einzelne ektodermale Zellen sammt ihren Inhaltskörpern von der Stützlamelle tbatsächlich umwachsen, gelangen also auf diese Weise nicht aktiv sondern passiv in die Stützlamelle. Die mächtige Stützlamelle ist hier zugleich ein günstiges Objekt für das Studium jener Fäserchen, welche ihre Dicke durchsetzen. Dieselben sind zwar auch an jenen Stellen nachzuweisen, wo die Stützlamelle dünner ist, dort jedoch, wo dieselbe verstärkt erscheint, gewahrt man einzelne entodermale Zellen, welche durch die Fäser- chen an den ektodermalen Zellen festgehalten, gewissermaßen in die Stützlamelle hineingezogen erscheinen. Hiermit scheint mir jeder Zweifel, dass diese Fäserchen überhaupt eine Verbindung zwischen Ektoderm und Entoderm herstellen, beseitigt. Litteratur. Inder letzten Zeit hat Frarponr (15) über den Bau von Campanulariden Einiges berichtet. Die von ihm geschilderten thränentropfenförmigen, von stark lichtbrechenden Körnern erfüllten und von einer stark lichtbrechenden Membran umschlossenen Gebilde des Ektoderms sind wohl identisch mit den von mir ausführlich be- sonders bei Campanularia geschilderten räthselhaften Inhaltskörpern. Die Angabe, es seien die Muskelfasern nur auf den Armen gleichmäßig in derselben Richtung angeordnet, bildeten dagegen auf dem Meta- stom zu stärkeren oder schwächeren Bündeln vereinigte, in ver- schiedener Weise orientirte Massen (I. e. t. XXXII f. 3), beruht wohl auf einem Irrthum. Obelia plicata Hincks. Hıycks, A history of the british hydroid. Zooph. pag. 159. t. 30 ye Allgemeine Gestalt. Das Hydrosom bildet ein baumförmi- Der Bau der Hydroidpolypen. II. 635 ges Stämmchen, dessen gerade aufsteigender Stamm alternirend oder auch paarweise Seitenzweige abgiebt. Diese Seitenzweige können dann in gleicher Weise sekundäre Seitenzweige entwickeln. Die Seitenzweige endigen in Hydranthen oder stumpf abgerundet. Das Ektoderm. Auf den Hydranthen sind die gewöhnlichen Epithelmuskelzellen zu erkennen. Im Hydrocaulus, besonders an der Basis des Hydranthen, scheinen die ektodermalen Deckzellen des sehr verschmälerten Coenosare in hohem Grade beweglich zu sein, indem nicht nur wie sonst zipfelförmige Ausläufer eine Ver- bindung mit dem Perisare herstellen, sondern diese Ausläufer sich, nachdem sie erst schmäler geworden dann wieder verbreitern, um in Form von Strebepfeilern an der Perisarewandung zu endigen. Diese Verbreiterung kann stellenweise so sehr an Ausdehnung gewinnen, dass ganze Theile der ektodermalen Lage dem Perisare angelagert und nur durch schmale Protoplasmabrücken mit dem Coenosare ver- bunden erscheinen (Taf. XXVIII Fig. 7). An jenen Enden der Sei- tenzweige, welche keine Hydranthen tragen, erscheinen die Deckzel- len, so lange der Perisarcabschluss noch dünn ist, langgestreckt und das körnige Aussehen ihres Protoplasmas deutet darauf hin, dass sich dieselben hier in Drüsenfunktion befinden. Sobald das Perisare an Dieke zunimmt, werden jene Zellen niedriger, verlieren das körnige Aussehen, um schließlich vollständig den gewöhnlichen Deckzellen zu. gleichen (Taf. XXVIII Fig. 8). Das Perisare lässt an den meisten Stellen drei Schichten erken- nen. Eine äußere nicht tingirbare, welche sich gewöhnlich abblät- tert, eine mittlere wenig und eine innerste reichlich Farbstoffe auf- nehmende. Im Verlauf von Stamm und Seitenzweigen erscheinen in gewissen Abständen ringförmige Einschnürungen des Perisare. Diese finden sich regelmäßig am Grunde jedes Hydranthen und es ent- spricht jedem äußeren Schnürring ein in das Lumen des Perisare vorragendes wenig hohes Septum. Das oberste, der Hydranthenbasis unmittelbar angrenzende Septum ist besonders stark entwickelt, so dass es sich zu einer Scheibe gestaltet, auf welcher der Hydranth ruht. GöTTE (17) beschrieb eine solche Bildung bei einem Hydroid- polypen, dem er den Gattungsnamen Hydrella gegeben. Dort ist aber nur ein einziges solches Septum vorhanden. Bemerkenswerth ist noch, dass bei Obelia diesem obersten Septum keine äußere Einschnürung entspricht. Das Gleiche ist bei Görre’s Polypen der Fall, was wohl darauf hindeutet, dass hier homologe Bildungen vor- 636 Carl F. Jickeli liegen, welche eigentlich nicht von den bei Campanularia unmittel- bar folgenden Schnürringen abzuleiten sind. Bei Campanularia finden sich im Ektoderm ebenfalls, wenn auch nicht so reichlich wie bei Obelia, die dort ausführlich beschriebenen Inhaltskörper. Dieselben sind hier aber wenig verschieden in der Gestalt, mehr abgerundet und der Inhalt besteht aus größeren rund- lichen Körnern. Über die weiteren histiologischen Elemente vermag ich hier nur anzugeben, dass ich sehr spärlich auch hier Zellen im Ektoderm gesehen, welche ich als Ganglienzellen deuten möchte (Taf. XXVIII Fig. 5—6). Anisocola haleeioides Ald. var. Plumularia halecioides. ALDErR, Annals and Mag. 1859. t. 12. Anisocalyx pinnatifrons. HELLER, Die Zoophyt. ete. d. adriat. Meeres. T. 2 F.7, 8. (t. KIRCHENPAUER). KIRCHENPAUER, Über die Hydroidenfam. Plumularidae II, pag. 28. An den kleinsten eben so wie an den größten reich verzweigten Hydrosomen sind stets zwei dicht an einander geschmiegte Perisare- röhren zu erkennen. Nur die eine dieser beiden Perisareröhren giebt hydranthentragende Zweige ab, während die andere, welche ich als Stützsäule bezeichnen will, niemals solche entwickelt. An jun- gen Hydrosomen, welche bloß aus einem einzigen, hydranthentragende Seitenzweige abgebenden Hauptstamme bestehen, steigt die Stütz- säule als stellenweise wellig gebogener Stamm aufwärts, ohne aber das obere Ende jenes anderen Stammes zu erreichen. Bei jenen Hydrosomen, wo sich der gerade aufsteigende Hauptstamm wieder- holt gabelt, bis die letzten, allein mit Hydranthen versehenen Zweige abgehen, giebt auch die Stützsäule Seitenzweige ab. Diese Abzwei- gungen der Stützsäule setzen sich aber niemals auf jene Seiten- zweige fort, welche Hydranthen tragen. Jeder dieser beiden an einander geschmiegt aufsteigenden Stämme besitzt sein besonderes Perisare und nur stellenweise besteht an der Berührungsfläche der beiden Perisareröhren eine Unterbrechung der Kontinuität und zugleich eine ektodermale Verschmelzung der beiden Coenosarke (Taf. XXVIII Fig. 23). Diese Kommunikation bindet sich in keiner Weise an die weitere Gestaltung des ganzen Hydrosoms, Der Bau der Hydroidpolypen. I. 637 oft fällt sie zusammen mit Abzweigungen oder Sarcostylen des wei- ter differenzirten Stammes, eben so oft aber auch nicht. Ich sagte vorhin die Hydranthen fänden sich immer nur an den Endzweigen. Dieses gilt nicht auch für die Sarcostyle. Diese finden sich regelmäßig an der Stelle, von wo ein neuer Zweig abgeht, ob das nun ein hydranthentragender ist oder nicht, also auch am Haupt- stamm. Eben so erscheint dicht unterhalb und oberhalb jedes Hydran- then ein solcher Sarcostyl; selten tritt auf der Strecke zwischen je zwei Hydranthen noch ein weiterer hinzu. Die Sarcostyle sind der überraschendsten Gestaltveränderung und Volumszunahme fähig. Das eine Mal füllen sie kaum die Theca aus, das andere Mal quellen sie aus derselben als ungeformte Mas- sen hervor oder strecken sich als lange, schlanke, selbst einen Hydranthen an Länge übertreffende Stränge hervor, endigen dabei zugespitzt, abgerundet oder verbreitert, legen sich geradegestreckt dem Perisare des Stammes beziehungsweise Zweiges an oder um- schlingen denselben rankenartig. Die Hydranthen besitzen ähnlich denjenigen von Tubularia zwei Gastralräume, welche durch eine bedeutende Verengerung mit ein- ander kommuniciren. Das Verhalten der einzelnen Hydranthen lässt eine vorgeschrittene physiologische Individualisirung der einzelnen Zooide erkennen, indem an demselben Endzweige in ganz unregelmäßiger Vertheilung einige Hydranthen in Rückbildung begriffen sind, während andere in vollster Lebenskraft erscheinen. Bei dieser sehr häufigen Erscheinung giebt sich eine enge Abhängigkeit der Sarcostyle von ihren nächsten Hydranthen zu erkennen, indem da, wo der Hydranth in Rückbildung begriffen erscheint, auch die Sarcostyle dieselbe Lebensphase durchmachen. Der Process der Rückbildung scheint sich an den Hydranthen nicht regelmäßig im gleichen Lebensalter zu vollziehen, denn wenn man ein Hydrosom auf größere Ausdehnung nach solchen Individuen, de- ren Leben auf diese Weise im Niedergang ist, absucht, so ist man erstaunt zu finden, dass an den äußersten Zweigen, wo offenbar die zuletzt gebildeten Hydranthen sitzen, Rückbildungen eben so häufig anzutreffen sind, wie an mehr central gelegenen Zweigen, welche die ältesten Hydranthen tragen. Das Kktoderm. Die Deckzellen zeigen auf den Armen ver- gleichsweise kräftige muskulöse Ausläufer, welche auf dem Leib des Hydranthen weniger ausgeprägt im Hydrophyton und, was besonders auffallend, an den Sareostylen nicht nachzuweisen waren. Im Hydro- 638 Carl F. Jickeli phyton werden die Deckzellen durch eine reichliche Entwickelung des interstitiellen Gewebes sehr beeinträchtigt. Man begegnet da- selbst auf Querschnitten und optischen Längsschnitten häufig Stellen, wo die Deckzellen mit ihrem Kern und Resten ihres Protoplasmas dem Perisare anhaften, während das von der Stützlamelle umschlos- sene Entoderm mitsammt dem interstitiellen Gewebe davon losgelöst erscheint und nur noch einzelne Fäden stellenweise die früher vorhan- dene Verbindung andeuten. Wo das stumpfe Ende eines Zweiges erst ein ganz dünnes Perisarchäutchen gebildet, erscheinen die Deckzellen als Drüsenzellen, eben so dort, wo ein Hydranth der vollständigen Zerstörung anheimgefallen und die Hydrotheca eben leer wurde. Hier sind es dann die an die untere Fläche des Hydrothecagrundes grenzenden Ektodermzellen, welche, wie es scheint, als Driisenzellen funktioniren, um den Zugang in das Hydrophyton zu verschließen. Das Perisare bildet an dem Hauptstamm des Hydrosoms, wel- cher keine Hydranthen trägt, regelmäßig zwischen je zwei nach ein- ander abgehenden Seitenzweigen je zwei, auf den hydranthentra- genden Abzweigungen selbst zwischen zwei auf einander folgenden Hydranthen ebenfalls gewöhnlich zwei, aber selbst bis fünf wulstige Ringe, welche lebhaft an die Gliederung der Schachtelhalme erin- nern. An ganz jungen Zweigenden erscheint diese Einschachtelung besonders kräftig, während alle Stammtheile dieselbe äußerlich zu- weilen nicht mehr wohl aber auf optischen Längsschnitten erkennen lassen. Die Hydrotheca erscheint an ihrem Grunde bis auf eine kleine Öffnung zum Durchtritt des Hydrocaulus abgeschlossen. Die Sarcotheca lässt nicht selten im Inneren eine ringförmige Leiste er- kennen. Am Hauptstamm, wo zwei Perisareröhren dicht an einander geschmiegt verlaufen, lässt sich auf Querschnitten erkennen, dass die Röhre von größerem Lumen durch diejenige geringeren Lumens eingedrückt wird. Da das Perisare der beiden Stämmehen gleich dick ist, die Bogenspannung aber dem zugehörigen Radius umgekehrt pro- portional, so kann das nach physikalischen Gesetzen nicht anders sein. Stellenweise schwindet dann zuerst der eingebogene Theil des Peri- sares der weiteren Röhre, darauf der angrenzende Theil der zweiten Röhre und nunmehr setzen sich die weiteren Anwachsstreifen über die anfänglich gesonderten Perisareröhren gleichmäßig fort. Dabei verschmilzt das Ektoderm der benachbarten Coenosarke, während das Entoderm stets getrennt bleibt. Das Perisare lässt drei Schichten erkennen, an vielen Stellen Der Bau der Hydroidpolypen. II. 639 desselben könnte man sogar von vier Lagen sprechen. Von außen nach innen tritt zuerst eine Schicht auf, welche keine Farbstoffe annimmt und durch Faltungen, welche besonders auf Flächen- bildern zu erkennen sind, die Vermuthung erweckt, sie möchte während des Lebens von gallertiger Konsistenz sein. Darauf folgt eine mächtige Schicht, deren obere Lage aufgenommene Farbstoffe unverändert, deren untere nur mit einer schmutzigen Nuaneirung wiedergiebt. Als dritte, beziehungsweise vierte Schicht erscheint ein gegen Farbstoffe unempfindliches dünnes Häutchen, welches als Fortsetzung auf den Hydranthen den cuticularen Saum der ektoder- malen Zellen zu bilden scheint. Auf Querschnitten erscheint das Perisare von feinen seine Dieke durchsetzenden, an Kanälchen erin- nernde Unterbrechungen seiner Kontinuität durchsetzt, es ist mir aber nirgends gelungen sicher zu erweisen, dass es sich nieht nur um Sprünge handle, welche bei Anfertigung der Schnitte ent- standen. Nesselkapselzellen ‘Taf. XXVIII Fig. 13— 20) finden sich mit vier Formen von Nesselkapseln. Von diesen Nesselkapseln sind nur die schlanken, leicht gebogenen und zwar die kleinere Form dersel- ben häufig und bedecken regelmäßig auch ausschließlich die Arme, während die anderen nur einzeln an verschiedenen Stellen des Hy- drosom zu finden sind. An den Formen 19 und 20 ist mir zwei- felhaft, ob dieselben wirklich einen Nesselfaden enthalten. Die Zellen mit den kleineren gebogenen Kapseln, welche ich hier allein einer sorgfältigeren Prüfung unterzogen, fallen sofort durch die beträchtliche Größe ihres gegen das Zellprotoplasma nur undeut- lich abgegrenzten Kernes auf. Es sieht hier überhaupt für gewöhn- lich nicht so aus, als gehörten Protoplasma und Kern zur Nessel- kapsel, sondern vielmehr als sei die Nesselkapsel ein untergeordneterer Theil der Zelle. Ich habe denn auch versucht neben diesem Kern, welcher gewöhnlich mehrere Fortsätze des ihn umgebenden Proto- plasmas erkennen lässt, noch einen zweiten in entsprechendem Größenverhältnis zur Nesselkapsel stehenden viel kleineren Kern aufzufinden und hätte dann den ersten Kern sammt seinem Proto- plasma als Ganglienzelle gedeutet. Es ist mir aber so sehr selten gelungen eine Theilung der einheitlichen, der Nesselkapsel anlagern- den Protoplasma- und Kernmasse nachzuweisen, dass ich wohl diese ungewöhnlichen Größenverhältnisse als normale ansehen muss. Der Kern und das Protoplasma nehmen zur Nesselkapsel jede Orienti- rung.ein. Am häufigsten liegen sie der Seite der Kapsel in der 040 Carl F. Jickeli unteren Hälfte an, rücken aber häufig auch an das untere Ende, viel seltener nach oben dicht an den Entladungspol. Von dem Plasma der Bildungszelle gehen ein bis vier zipfelförmige Ausläufer ab, welche nach einem mir allerdings nur einmal vorgekommenen Fall eine beträchtliche Länge erreichen können (Taf. XXVIII Fig. 14). Außer diesen Ausläufern beobachtete ich auch zuweilen die glänzen- den muskulösen Fortsetzungen. Ob jene zipfelförmigen Ausläufer alle Verbindungen mit Ganglienzellen vermitteln ist mir hier zwei- felhaft geworden, besonders desshalb weil die Ganglienzellen hier nur spärlich vorkommen, diese Ausläufer aber auch dort zu erken- nen sind, wo das Gewebe ausschließlich aus Nesselkapselzellen besteht. Es hat sich mir daher die Vermuthung aufgedrängt, es möchten diese Ausläufer zum Theil eine Verflechtung der Nessel- kapselzellen unter einander und eben eine Leitung empfangener Im- pulse von Zelle zu Zelle vermitteln. Nesselkapselbildungszellen (Taf. XXVII Fig. 22) und Entwicke- lungsstadien von Nesselkapseln habe ich weder auf den Hydranthen noch auf den Sarcostylen gefunden, im Hydrophyton sind dieselben reichlich vorhanden. . Als Ganglienzellen (Taf. XXVIII Fig. 10, 13, 15, 21) deute ich hier Elemente, welche ich zwischen den Nesselkapselzellen der Arme aufgefunden. Dieselben stimmen ziemlich überein, sowohl was ihre Form als auch was ihre Größe betrifft, mit dem Protoplasmatheil der Nesselkapselzellen. Zuweilen sind Andeutungen protoplasmatischer Ausläufer zu erkennen, eben so lässt sich im Gegensatz zu den Nesselkapselzellen gewöhnlich ein Kernkörperchen nachweisen. Im unverletzten Arm liegen die Elemente viel zu dicht, um dieselben einzeln unterscheiden zu können, man ist daher so ziemlich auf Ab- pinselungspräparate angewiesen. In den seltenen Fällen, wo es mir gelang eine günstige Stelle an optischen Längsschnitten der Arme zur Ansicht zu bringen, lag die Ganglienzelle hinter einer Nessel- kapselzelle. Außer auf den Armen habe ich diese Elemente nicht aufgefunden, besonders möchte ich das Fehlen derselben auf den Sareostylen hervorheben. Das Entoderm des Hydranthen zeigt nichts Bemerkenswerthes. Im Hydrophyton sind wohl der Erwähnung werth Zellen, welche dicht erfüllt erscheinen von rundlichen Körpern, die hier aber nicht Branpr’s Zoochlorellen zu entsprechen scheinen. Die dritte Körperschicht (Taf. XXVIII Fig. 11, 12). Sowohl die Arme der Hydrantlten als auch die Sarcostyle sind durchzogen Der Bau der Hydroidpolypen. I. 641 von einem einzeiligen Strang axialer Zellen. Die einzelnen Zellen besitzen auch hier, wie bei Campanularia, nicht immer ein Proto- plasma, welches nur einen Theil ihres Raumes erfüllt, sondern zei- gen nicht selten ein gleichmäßig feinkörniges durch ihren ganzen Raum verbreitetes Protoplasma. An den Armen erscheint die letzte basale Zelle des axialen Gewebes in der Längsachse des Armes verkürzt und in der Querachse verlängert. Auf diese Weise gelan- gen die letzten Zellen benachbarter Arme zur Berührung und bilden einen geschlossenen einzeiligen Zellkranz am Grunde der Arme. Gegen das Entoderm ist dieser Zellkranz durch die Stützlamelle ge- schieden. An den Sarcostylen zählte ich niemals mehr wie vier axiale Zellen. Dieselben scheinen hier auffallenderweise mit der Stützlamelle keine ganz feste Verbindung einzugehen und die Ge- staltveränderung des ganzen Gebildes nur in beschränktem Maße und ganz passiv mitzumachen. Nur so kann ich mir zurecht legen, dass ich diese Zellen in Isolationspräparaten, wo das Ektoderm zum größten Theil von der Stützlamelle abgestreift war, bald näher bald entfernter von dem terminalen Ende des durch die Stützlamelle um dieselben gebildeten Schlauches fand. Das Verhalten des axia- len Gewebes an jener Stelle, wo der Sarcostyl in das Hydro- phyton übergeht, blieb zweifelhaft. Ein Abschluss durch die Stütz- lamelle gegen das Entoderm war eben so wenig zu erweisen wie eine Fortsetzung des letzteren über seine Einmündungsstelle, viel- mehr machte das ganze Verhalten meistens den Eindruck als setze sich das Entoderm direkt in das axiale Gewebe fort. Über die Stützlamelle ist nur zu bemerken, dass dieselbe über- all nachzuweisen ist, dass sie in den Sarcostylen als eine di- rekte Fortsetzung aus dem Hydrophyton erscheint, im Hydrophyton selbst so dünn ist, dass sie auf Schnitten gewöhnlich nur als Linie zu erkennen ist. Anisocola setacea Ellis. Corallina setacea. ErLıs, Corall., 19, No. 16, pl. 11 f. a, A. (t. JOHNSTON). KIRCHENPAUER, Über die Hydroidenfam. Plumularidae II, pag. 27. Bei Vergleichung mit der vorigen Art wird man vor Allem über- rascht sein die Stützsäule hier nicht zu finden. Gegen die Vermuthung, es möchten hier viel jüngere Hydrosome, bei welchen sich jene Bildung 642 Carl F. Jickeli noch nicht entwickelt, vorliegen, spricht der thatsiichliche Befund, in- dem die größten derselben bedeutend die kleinsten bei A. halecioides beobachteten und stets mit der Stützvorrichtung versehenen Exemplare überragen. Auch der Verdacht, meine Exemplare von A. setacea möch- ten nicht tief genug abgeschnitten sein, ist nicht berechtigt, da mehrere Hydrosome dicht an der Hydrorhiza abgelöst wurden. Will man nach einem Ersatz jener Stützvorriehtung bei dieser Art suchen, so könnte man dieselbe finden in drei ringförmig nach innen vorsprin- genden Verstärkungen des Perisares des Stammes, dicht oberhalb jedes abgehenden Seitenzweiges, während solcher bei A. halecioides nur zwei vorkommen. Solche innere ringförmige Verstärkungen finden sich auch an den Hydrocladien zwischen je zwei Hydranthen in sehr wechseln- der Zahl. Die Sarcostyle finden sich am Stamm regelmäßig und zwar einer etwas oberhalb eines abgehenden Seitenzweiges und eben so auf den Seitenzweigen je einer unterhalb, und je zwei neben einander dicht oberhalb eines Hydranthen. Das Gewebe lässt auf Flächenbildern fol- sende Verhältnisse erkennen. Die Hydranthen, welche ebenfalls zwei Gastralräume besitzen, wie bei der vorigen Art, lassen die gleiche Anordnung der axialen Zellen an der Basis der Arme erkennen. Auf dem Metastom lassen sich zwischen den Epithelmuskelzellen von feinen schwarzen Körn- chen erfüllte Zellräume erkennen, welche wohl Ganglienzellen ent- sprechen (Taf. XXVUI Fig. 9). Eine entodermale Muskelfaserlage scheint nach Flächenbildern zu urtheilen im ersten Gastralraum vor- handen zu sein. Die bei A. halecioides beschriebenen kleinen Nes- selkapselzellen mit Kapseln, welche oben eine halsartige Verschmä- lerung zeigen, kommen auch hier vor und auch hier begegnet man häufig Bildern, welche auf eine Verbindung dieser Zellen durch Aus- läufer unter einander deuten. Am Perisare lassen sich auch hier drei Schichten, eine breite mittlere und zwei schmiilere seitliche unterscheiden. Durch die oberste Schicht werden die vorzüglich von der mittleren Schicht gebildeten ringförmigen Verdiekungen, welchen äußerlich Einschnü- rungen entsprechen, zum Theil ausgefüllt. Der Bau der Hydroidpolypen. II. 643 Isocola frutescens Lam. Plumularia frutescens Lam., Anim. s. vert. 2 ed. IL, pag. 166 (t. JOHNSTON). KIRCHENPAUER, Über die Hydroidenfam. Plumularidae II, pag. 26. Während meines Aufenthaltes in Triest erhielt ich mehrere Stöckehen dieses Polypen, an allen waren aber die Hydranthen voll- ständig rückgebildet, ein einziges Mal fand sich ein Hydranth, wel- cher die äußeren Formverhältnisse einigermaßen bewahrt hatte, an welchem sich aber mit Rücksicht auf den histiologischen Bau nur noch feststellen ließ, dass die Arme einen Strang axialer Zellen ent- hielten. An den übrigen Theilen des Hydrosoms ließen sich noch einige histiologische Verhältnisse, welche wohl der Erwähnung werth, feststellen. Die Sarcostyle zeigten wie bei Anisocola alle Schichten des Coenosare, also Ektoderm, Stiitzlamelle und einen centra- len Zellfaden; an Nesselkapselzellen erschienen dieselben nicht reicher als andere Theile des Hydrophyton. Auf guten Schnitten lässt das Ektoderm der Hydrocladien gewöhnlich Deckzellen, Nesselkapsel- zellen, Entwiekelungsstadien von Nesselkapselzellen und veristelte Zellen, deren Kern sich mit Alaunkarmin dunkler färbt, mehr oder weniger gut unterscheiden. In der letzteren Zellform möchte ich die Ganglienzellen vermuthen. So weit die dürftige Analyse der histiologischen Verhältnisse. Mehr bieten hier die allgemeinen Form- verhältnisse, welche sich zum Theil vom Perisare allein ablesen lassen. Verfolgt man den Aufbau eines Hydrosoms von seiner Be- festigungsstelle nach aufwärts, so sieht man aus einer beträchtlich ausgebreiteten, aus unregelmäßig durch einander geflochtenen Peri- sareröhren gebildeten Hydrorhiza ein Bündel dicht an einander ge- drängter zu einem einheitlichen Stamm verbundener Fortsetzungen jener Perisareröhren aufsteigen. Von diesem einheitlichen Stamm lösen sich dann wieder einzelne Röhren oder ganze Bündel derselben, um als Zweige von der Hauptachse seitlich abzugehen. Macht man in den untersten Theilen des Hydrosom Querschnitte, so erkennt man jede einzelne Coenosarcréhre des Bündels von seinem Perisare um- schlossen, nach oben nimmt aber die Anzahl der Perisareröhren ab und schließlich erhält man auf Querschnitten einen einzigen dem Stammesumfang entsprechenden Ring, innerhalb welches einzelne quer oder schief getroffene Coenosarcréhren nebst regellos vertheilten Gewebsmassen liegen. Das Bemühen aus solchen Querschnitten das Verhalten des Coenosares zu rekonstruiren ist ziemlich erfolglos, da 644 Carl F. Jickeli das dicke Perisare gewöhnlich beim Schneiden in mehrere Stücke zersplittert und auf diese Weise auch die von ihm umschlossenen Gewebe mehr oder weniger zerrissen werden. Man muss daher Flächenbilder zu Hilfe nehmen, am besten von Stöckchen, welche stark mit Osmium behandelt und dann gut aufgehellt wurden. An solehen lässt sich unter gleichzeitiger Benutzung der Querschnitte erkennen, dass die einzelnen Coenosarcréhren im Verlauf ihres Aufsteigens von unten nach oben ihre gesonderten Perisareröhren verlieren und schließlich nur noch von der, jetzt allen gemeinschaft- lichen Perisareröhre umschlossen werden. Innerhalb dieser gemein- schaftliehen Röhre verlaufen stellenweise bis 20 Coenosarcréhren neben einander, für gewöhnlich in der Richtung des Stammes und der Röhrenwandung angelagert, so dass an den meisten Stellen von dem gemeinschaftlichen Perisare und der Gesammtheit aller Coeno- sarcréhren ein centrales Lumen des ganzen Stammes umschlossen wird. Das Verhalten ist aber nicht durchweg ein so klar geordne- tes, vielmehr trifft man nicht selten auf Stellen, wo einzelne Coeno- sareröhren von ihrer ursprünglichen Richtung abweichen, um mit ihren Nachbarn zu verschmelzen, oder aber es spaltet sich eine Röhre in zwei Röhren, die dann beide getrennt neben einander weiter zie- hen, oder von denen die eine zur Verbindung mit einer benachbarten Röhre führt. Auf diese Weise kommt ein Röhrengeflecht zu Stande, dessen in den unteren Partien regelmäßige Anordnung fast voll- ständig verwischt wird und erst nach oben hin, wo die Anzahl die- ser Röhren sehr abnimmt, herrscht wieder eine bestimmtere Anord- nung. Alle vom Stamm abgehenden Hydrocladien werden nur von einer Coenosareröhre durchzogen, dagegen finden sich die für den Stamm geschilderten Verhältnisse dort, wo in seinen unteren Theilen zuweilen ganze Bündel von Coenosareröhren abgehen und von diesen sich erst die Hydrocladien abtrennen. Die einzelnen Coenosareröhren bestehen aus Entoderm, Stütz- lamelle und Ektoderm, außerdem breiten sich aber Wucherungen des Ektoderms in Form breiter Lappen zwischen den einzelnen Coeno- sareröhren aus und bedecken stellenweise die ganze innere Fläche des Perisares. Sie vermitteln eine innigere Verbindung zwischen Coenosare und Perisare und sind es wohl auch, welche die Abschei- dung der Masse des gemeinschaftlichen Perisares besorgen (Taf. XXVIII Fig. 24). Querschnitte lassen drei Schichten des Perisarc unterscheiden. Eine sehr breite mittlere, welche durch Alaunkarmin und andere Der Bau der Hydroidpolypen. II. 645 Farbstoffe gefärbt wird, eine schmale äußere und eine kaum kennt- liehe innere Schicht, welche beiden letzteren keine Farbstoffe auf- nehmen. Während ihres ganzen Verlaufes lässt die Perisareröhre des Stammes keine der sonst so verbreiteten Einschnürungen erkennen, dagegen ist an den Hydrocladien in dem Abstande zwischen je zwei Hydranthen regelmäßig ein Schnürring vorhanden. Oberhalb eines solehen Schnürringes erscheint ein Sarcostyl, eben so finden sich regelmäßig zwei derselben dicht oberhalb der Hydrotheca in gleicher Höhe. Da, wo ein Zweig vom Hauptstamme entspringt, sitzt ihm ein Gonagium auf, und an jeder Seite des Gonagiums bricht auch ein Sarcostyl hervor, eben so erscheint ein solcher auch regelmäßig an dem Stamme dicht oberhalb und unterhalb jedes abgehenden Zweiges. Die Sarcotheken zeigen alle ein in ihr Lumen vorspringen- des Septum. Kirchenpaueria sp.? nov. gen. Unter den Plumulariden, die ich am letzten Tage meines Triester Aufenthaltes erhielt und nur noch Zeit fand, ‘in kleinere Stücke zerlegt in die Konservirungsflüssigkeit zu bringen, ohne eine ge- nauere Betrachtung vorzunehmen, fanden sich bei der nachherigen aufmerksameren Unterscheidung drei Fragmente, welche die charak- teristischen Merkmale, die mich zur Aufstellung einer besondern - Gattung veranlassen, noch ganz vollkommen erkennen lassen. Ich würde trotzdem Abstand genommen haben auf solche immerhin dürftige Reste hin eine neue Gattung zu gründen und dieselben ganz übergangen haben, wenn nicht eben jene Merkmale von großem morphologischen Interesse wären. Es handelt sich um die immer noch räthselhaften Sarcostyle. Überall, wo bis jetzt Sareostyle beschrieben wurden, fanden sich zugleich becherförmige Fortsetzungen des Perisares, welche um die- selben in gleicher Weise Hüllen bildeten wie die Hydrotheken um die Hydranthen. An den uns beschäftigenden drei Fragmenten ist nun ein) höchst interessanter Übergang zu einem einfacheren Verhal- ten vorhanden. Hier finden sich unmittelbar unterhalb der Hydran- then statt der sonst ziemlich langgestreckten stengelglasförmigen Sar- cotheken ganz kleine mehr schüsselförmig erscheinende Fortsetzungen des Perisares, von welchen die Sarcostyle nicht umschlossen werden, Morpholog. Jahrbuch. 8. 43 646 Carl F. Jickeli sondern von denen sie an deren Rändern wie halbflüssige Masse herabquellen. Außer diesen Sarcostylen unterhalb der Hydranthen findet sich dicht oberhalb der Hydrotheken je ein weiterer Sarcostyl und in der Achsel eines vom Stamm abgehenden Hydrocladiums sind deren regelmäßig weitere drei vorhanden. Bei diesen Sarcostylen oberhalb der Hydranthen und an der Abzweigungsstelle eines Hydro- cladiums sind nicht einmal jene kleinen schüsselförmigen Sarcotheken vorhanden, sondern dieselben treten einfach durch runde, nicht ein- mal durch vorragende Ränder äußerlich markirte Löcher hervor (Taf. XXVIII Fig. 27 u. 28). Ich werde diese Öffnungen im An- schluss an die schon vorhandenen Termini als Sarcocopen! be- zeichnen. Durch den Mangel der sonst überall an den Sarcostylen vor- handenen Theken ist die Gattung, welche ich mir Herrn Bürger- meister Dr. G. H. KIRCHENPAUER in Hamburg, dem die Polypenkunde so vortreffliche Arbeiten und ich selbst ausführliche briefliche Mit- theilungen über den Gegenstand verdanken, zu widmen erlaube, hin- länglich charakterisirt. Das eben geschilderte Verhalten der Sarcostyle dürfte nicht so sehr selten sein, sondern sich vielmehr nur bis dahin der Beobach- tung entzogen haben. Jene Öffnungen sind nur bei gut aufgehellten Präparaten und mit ganz starken Vergrößerungen zu erkennen, Dess- halb ist mir nicht unwahrscheinlich, dass bei jenen Plumulariden, wo man die bei den meisten Arten oberhalb der Hydranthen ste- henden Sarcostyle vermisste, solche Öffnungen vorkommen, um so mehr da eine sehr große Anzahl Formen nur nach ihrem Perisare bekannt sind, an trockenen, ohne das Thier aufbewahrten oder da- von gereinigten Hydrosomen auf das Fehlen oder Vorhandensein der Sarcostyle aber nur aus den Theken derselben geschlossen wurde. Nach den Abbildungen bei KIRCHENPAUER wären in dieser Richtung folgende Formen nochmals zu prüfen: Isocola Gaymardi Lrx., pin- nata Lam., disticha Heller; Anisocola bifrons Heller, Nemertesia Janinia Lrx., hexasticha Kirchenp. Vielleicht findet sich selbst die Art, welcher meine drei Fragmente entstammen, unter den eben ge- nannten. Herr Bürgermeister KIRCHENPAUER schwankte in der Be- stimmung zwischen Isocola pinnata Lam. und disticha Heller und fasste das Resultat seiner Prüfung dahin zusammen, dass, nachdem 1 69, caoxos Fleisch, zor7 Stoß. Der Bau der Hydroidpolypen. II. 647 die maßgebenden Gonotheken an unseren Fragmenten fehlten, eine zuverlässige Bestimmung nieht möglich sei; die Form der Hydro- cladien lasse auf die nordische I. pinnata schließen. der Fundort aber deute auf I. disticha. Bevor ich das Wenige, was ich über das Coenosare angeben kann, mittheile, möchte ich noch konstatiren, dass das Perisare, wie bei den anderen von mir untersuchten Plumulariden, ebenfalls aus drei Schichten, einer mächtigen mittleren, einer dünnen oberen und einer dünnsten unteren besteht. i Uber das Coenosare (Taf. XXVIII Fig. 25, 26) vermag ich bloß anzugeben, dass dasselbe als einheitliche Röhre das ganze Perisare durchzieht und dass sich in dem Ektoderm jene bei Campanularia und Obelia von mir beschriebenen Inhaltskörper vorfinden. Zum Schlusse bitte ich mir noch einige Bemerkungen über die Sarcostyle zu erlauben. Ich habe für diese Gebilde den von Hıncks vor- geschlagenen indifferenteren Namen gewählt, weil ich der Auffassung, es handele sich hier um besonders ausgezeichnete Nesselkapselträger, nicht beistimmen kann, daher in denselben auch nicht Wehrthiere des Hydrosoms erblicken möchte. Wie schon WEISMANN (57) nachgewiesen lässt sich än diesen Ge- bilden ein Ektoderm, eine Fortsetzung der Stützlamelle und ein cen- traler Zellfaden unterscheiden. Das Ektoderm erscheint, so lange der Sarcostyl in seiner Theca ist, als ein unför.ı lieher häufig mehr- schichtig aussehender Zellhaufen und ist der ausgedehntesten Ge- staltsveränderung fähig, wie ich das bereits bei Anisocola halecioides geschildert. Betrachtet man das zusammengeschrumpfte Ektoderm, so erscheint dasselbe nicht reicher an Nesselkapselzellen als manche nächstgelegenen ektodermalen Theile des Coenosares, im ausgedehnten Zustande aber viel ärmer. Es lässt sich also von dem Ektoderm der Sarcostyle gewiss nicht sagen, dasselbe sei reicher an Nesselkapsel- zellen als andere Theile des Coenosares; dasselbe ist ein Stück Ekto- derm und eben desshalb enthält dasselbe Nesselkapselzellen und es kann nicht auffallen, dass da, wo dasselbe massiger, wie bei Aglao- phenia Philippina, auch die Schutzorgane desselben reichlicher erschei- nen. Es würde also der histiologische Befund nicht eine Auszeichnung der Sarcostyle durch besonderen Reichthum an Nesselkapselzellen er- geben. 43* 648 Carl F. Jickeli Eben so wie der histiologische Befund spricht aber auch die Stellung der Sarcostyle gegen deren Natur als Waffen des Hydrosoms. Dieselben finden sich nämlich am regelmäßigsten unmittelbar ober- halb und unterhalb der Hydranthen und an dem Hauptstamme dort, wo ein Zweig abgeht. In der unmittelbaren Nähe der Hydranthen sind aber die Arme desselben mit ihren großen Massen an Nessel- kapseln bessere Waffen als die Sareostyle und an dem Stamm des- sen mächtige Perisarchülle der allersicherste Schutz. Gerade dort wo aber das Hydrosom am ehesten des Schutzes bedürfte, das ist an den stumpfen nur von einem dürftigen Häutchen geschlossenen Enden der Zweige, fehlen die Sarcostyle. Resultate und allgemeine Betrachtungen. Nach der vorstehenden Analyse und der in einer früheren Abhand- lung (30) gegebenen, kenne ich nunmehr 16 Gattungen durch eigene Untersuchung. Bei Hydra hatte ich ein Ektoderm und ein durch die Stützlamelle davon getrenntes Entoderm zu unterscheiden. Der Gastralraum setzte sich dort ununterbrochen in die Arme fort. Die- ses einfache Verhalten findet sich nach ALLMAN’s (1) ausgedehnter Er- fahrung bei keinem andern Polypen, sondern überall erscheint noch eine vom Ektoderm und Entoderm verschiedene Gewebslage, welche die Achse der Arme und bei Tubularia selbst in größerer Ausbrei- tung den Raum zwischen Ektoderm und Entoderm erfüllt. Bei letz- terer Gattung wurde schon früher durch v. Koc (35) eine Sonderung jener Gewebslage vom Entoderm dureh die Stützlamelle nachgewie- sen, während sonst ein allmählicher Übergang vom Entoderm in dieses Gewebe angenommen wurde, obgleich F. E. Scuunze (44) bereits wahrscheinlich gemacht hatte, dass dieses Gewebe durch ein voll- ständiges Septum der Stützlamelle gegen das Entoderm abgeschlossen werden könnte. Einen solehen Abschluss gegen das Entoderm habe ich that- sächlich außer bei Tubularia bei mehreren Gattungen nachweisen, bei allen wahrscheinlich machen können und nachdem ich außerdem nirgends einen Übergang zwischen den Entodermzellen und den Elementen jenes Gewebes aufzufinden vermochte, unterschied ich das letztere als dritte Körperschicht. Hätte ich annehmen können, dass den Zoologen die von den Gebrüdern HErrwıs gebrauchte Unterscheidung von Ekto-, Meso- und Entoblast im Gegensatze zu Ekto-, Meso- und Entoderm bereits geläufig seien, so würde ich Der Bau der Hydroidpolypen. II. 649 jene Gewebslage als Mesoderm bezeichnet haben. Ich werde aber nunmehr die Bezeichnung Mesoderm gebrauchen und meine also damit im Sinne jener Forscher eine Gewebslage, die sich im Ver- lauf späterer Entwickelung zwischen die embryonal angelegten zwei Blätter Ektoblast und Entoblast einschiebt. Leider ist über die Entwickelung dieses Mesodermes noch nichts Genaueres bekannt. Nach v. Koch (35) soll sich dasselbe bei Tubu- laria aus dem Entoblast entwickeln. Mit Ausnahme jener Polypen. welche konstant zwei Arme besitzen, wie Lar. Sabellarum und Am- phibrachium euplectellae, oder acht wie Cladonema, scheint, wie auch einige von mir vorgenommene Zählungen ergeben, die Zahl der Arme mit dem Alter des Thieres zuzunehmen, es muss sich also die Art, wie sich dieses Gewebe vom Entoblast, beziehungsweise vom Entoderm aus anlegt, auch an ausgebildeten Hydranthen feststellen lassen. Mir ist es an meinem Material nicht gelungen, diese Frage zu erledigen, nicht einmal den morphologischen Werth jener axialen Zellen, welche mehr als einen Zellkern enthielten, konnte ich sicher stellen, da Manches gegen die nächstliegende Vermuthung sprach, es handele sich hier um Theilungsstadien oder um mehrkernige Zellen. Eines der geeignetsten Objekte zur Untersuchung der Ent- wickelung des axialen Gewebes bei der Anlage neuer Arme würde wohl Cordylophora sein, da sich bei diesem Polypen besonders reich- lich ununterbrochen neue Hydranthenarme anlegen. Ich gehe nun zu der Betrachtung der Resultate, welche die Analyse der einzelnen Körperschichten der Hydroidpolypen bis jetzt ergeben hat, über. Das Ektoderm. Im Ektoderm finden sich gewöhnliche Deck- zellen, die oft zu Epithelmuskelzellen, seltener zu Stützzellen gewor- den sind, Drüsenzellen, verschiedene Arten von Nesselkapselzellen, Nesselkapselbildungszellen, embryonale Zellen, die von mir als Geißelkapselzellen bezeichneten Elemente, Stiftzellen, Ganglienzellen und endlich Sinneszellen. Die Deckzellen schwanken beträchtlich in ihren Dimensionsver- hältnissen. Wohl am höchsten bei Tubularia, besonders an jener Stelle, wo sich das Metastom dem Hydrocaulus nähert, verflachen sie sich bei anderen Polypen so sehr, dass schließlich wie bei Gem- maria und Campanopsis nicht einmal ihr Zellkern genügenden Raum findet und die Stützlamelle gegen das Entoderm vorbuchtet. Mit der Abnahme der Höhe der Deckzellen schwinden zugleich ihre genaueren Abgrenzungen, so dass davon auf Flächenbildern, zuweilen 650 Carl F. Jickeli sogar auf Schnitten nicht einmal eine Andeutung zu erkennen ist. Dieses Verschwinden der Zellgrenzen bei Abnahme der Höhe der Zellen lässt sich oft an demselben Hydranthen erweisen, indem auf den Armen, wo die Zellen niedriger sind, nichts mehr von Ab- grenzungen der Zellen zu erkennen ist, während dieselben auf dem Metastom deutlich ausgeprägt sind. In jenen Fällen, wo die Zell- grenzen unsichtbar werden, ist die Individualität der einzelnen Zelle auch selten an den muskulösen Ausläufern abzulesen. Dieselben erscheinen dann als eine einheitliche Lage längslaufender Fibrillen, an welchen sich nicht immer zugespitzte Endigungen nachweisen lassen. Die Deckzellen sind somit zu einem Blatte verschmolzen, an dessen unterer Seite eine Lage von Fibrillen abgesonlert wurde und nicht einmal durch eine regelmäßige Vertheilung der Zellkerne ist eine territoriale Abgrenzung der einzelnen Elemente gekennzeich- net. Von diesem Verhalten finden sich Übergänge bis dann — am deutlichsten bei Perigonimus — zugespitzte, verhältnismäßig kurze Fibrillen auftreten, an welchen sogar eine centrale und Randpartie deutlich zu unterscheiden ist. Die Muskulatur ist immer auf den Armen am besten entwickelt, schwindet oft theilweise auf dem Metastom, hört auch wohl in einer gewissen Höhe des letzteren ganz auf. So ist es bei Tubularia, wo die Deckzellen nur bis zum Grunde des zweiten Armwirtels Muskelfasern besitzen und die von früheren Forschern irrthümlich für den zweiten Gastralraum beschriebenen Fibrillen auf Reliefbildungen der Stütz- lamelle und andere Verhältnisse zurückzuführen sind. Eine Umgestaltung zu Stützzellen erfahren die Deckzellen sel- ten. Da dieses Element sich dort findet, wo das Ektoderm eine besondere Höhe erreicht, wie auf dem Metastom von Tubularia oder den terminalen Nesselknöpfen der Arme von Gemmaria, Coryne und Cladonema, so ist das kausale Moment für seine phylogenetische Entwickelung leicht zu erkennen. Außer diesen zur morphologischen Individualität gewordenen | Veränderungen der indifferenten Deckzellen, sind an denselben auch einige weniger befestigte physiologische Zustände zu erwähnen. Zunächst möchte ich an jenen der Verhornung epidermoidaler Zellen höherer Thiere ähnlichen Vorgang erinnern, welchen ich für das Ektoderm im Hydrocaulus alter Individuen von Tubularia be- schrieben. Sodann wäre hier zu erinnern an eine fettige Veränderung der ektodermalen Elemente von Gemmaria implexa, die ich ebenfalls in der Gewebsanalyse geschildert und auch einmal im Herbste an Der Bau der Hydroidpolypen. II. 651 einigen Exemplaren von Hydra beobachtete. Der letztere Process soll bei Hydra nach einer Mittheilung von KOROTNEFF (37) in dieser Jahreszeit regelmäßig stattfinden und bis zu einem Schwinden der muskulösen Fibrille und des Kernes der Epithelmuskelzelle führen. Eine gleichzeitige Vermehrung der Zellen des interstitiellen Gewebes soll damit einhergehen. In wie weit dieser Process verglichen wer- den darf mit jenem Vorgange, den wir bei höheren Thieren als fettige Degeneration bezeichnen und der in einer Überführung von Eiweißstoffen in Fette bestehen soll, mag vorläufig dahingestellt bleiben (39). Weiter verbreitet und häufiger zu beobachten als die eben ge- schilderten physiologischen Veränderungen der ektodermalen Deck- zellen scheint deren vorübergehende Funktion als Drüsenzelle zu sein. Schon bei Hydra berichtete ich von einem einfachen Experi- ment, durch welches Epithelmuskelzellen das Aussehen von Drüsen- zellen erhielten und wies auf die Schilderung ähnlicher Verhältnisse, welche F. E. SCHULZE (44) von den ektodermalen Zellen des Coenosares von Cordylophora gegeben. Diesen Thatsachen kann ich heute noch weitere hinzufügen. Nach CrAamIcıan (41) sollen die entwickelten Acti- nulae von Tubularia mesembryanthemum an ihrem basalen Ende einige Drüsenzellen besitzen, durch welche sie die Anheftung be- werkstelligen, bei jungen Hydranthen der Art ist aber nach den Zeichnungen des Autors diese besondere Art Zellen’ wieder ver- schwunden. Eine ganz ähnliche Differenzirung der ektodermalen Zellen beschrieb ich an den noch nicht durch ein kräftiges Perisare geschlossenen Enden von Hydranthenzweigen von Obelia und Plu- mularia und eben so dort bei der letzteren, wo ein Hydranth durch Rückbildung vollständig zerstört war, und das an den Hydrotheca- grund angrenzende stumpfe Coenosare einen Verschluss desselben zu bilden im Begriffe war. An die eben geschilderten Verhältnisse erinnert ein Verhalten, welches ich bei Cladonema beobachtet und welches darin besteht. dass da, wo entwickelte Eizellen an der Spitze der Arme des unte- ren Wirtels liegen, das ektodermale Plasma oberhalb derselben eine feinkörnige Streifung zeigt, welche wohl verglichen werden darf mit ähnlichen von den Gebrüdern HErTwiG (25) bei den Actinieneiern ge- schilderten Verhältnissen. Die ektodermalen Deckzellen, welche vorübergehend zu Drüsen- zellen werden können, vermitteln den Übergang zu einem anderen histiologischen Elemente des Polypenorganismus, nämlich zu den 652 Carl F. Jickeli eigentlichen Drüsenzellen. Diese besitzen da, wo die angrenzenden Deckzellen Epithelmuskelzellen sind, ebenfalls muskulöse Ausläu- fer, wie dieses bei den basalen Klebzellen der Hydra zu beobach- ten ist, dort hingegen, wo die benachbarten Deckzellen keine Fibrillen entwiekelt haben, wie bei Tubularia und Eudendrium, fehlen diese auch den Driisenzellen. Bei Campanopsis scheint ebenfalls das erstere Verhalten zu bestehen, indessen blieb mir hier, trotz des beobachteten Überganges von scheinbar einfachen Epithelmuskelzel- len zu Drüsenzellen das Verhältnis zweifelhafter. Die Nesselkapselzellen entwickeln verschiedene Formen von Nesselkapseln. Ich unterschied eiförmige, langgestreckte, birnför- mige, bohnenförmige und gebogene, letztere können außerdem noch durch eine halsartige Verschmälerung an ihrem oberen Ende aus- gezeichnet sein. Zwischen diesen verschiedenen Formtypen finden sich auch vermittelnde Übergänge, wie andererseits sonst hervortre- tende Ähnlichkeiten auch in der Übereinstimmung der Form der Nesselkapseln festgehalten erscheinen. So zeigt Tubularia auch in den Nesselkapselformen eine auch sonst vorhandene Übereinstimmung mit Hydra, die typischen bohnenförmigen Nesselkapseln kommen bei allen drei von mir bis jetzt untersuchten Hydranthenformen mit ge- knöpften Armen, nämlich bei Cladonema, Coryne und Gemmaria vor und die gebogenen Nesselkapseln mit halsartiger Verschmälerung habe ich nur bei den Plumulariden gefunden. Bei allen Nesselkapselzellen konnte ich die schon früher bei Hydra und Eudendrium von mir beschriebene zu einer Umhüllung der Kapsel gestaltete membranöse Fortsetzung der Muskelfaser nachweisen. Die basalen muskulösen Ausläufer dieser Zellen lassen sich un- ter drei verschiedenen Formen unterbringen. Nur bei Tubularia finden sich im Verhältnis zu ihrer Länge sehr schlanke und wie es scheint sehr feste, mit der Stützlamelle innig verbundene Fasern, welche eine Verkürzung erzielen, indem sie sich nach der Art man- cher Vorticellenstiele zusammenlegen. Bei den Gattungen Gemma- ria, Cladonema und Coryne besitzen die muskulösen Fasern die Form dickerer Stämmchen, welche sich unter Zunahme ihres Quer- durchmessers in der Länge kontrahiren. Im kontrahirten Zustande ist häufig eine fibrilläre Längsstreifung und eine Zerspaltung in se- kundäre Fibrillenbündel zu erkennen. Bei den übrigen untersuchten Gattungen vermochte ich die Ausläufer nicht mit befriedigender Klarheit zu erkennen. Nach den zur Untersuchung gelangten Frag- Der Bau der Hydroidpolypen. II. 653 menten zu schließen, scheinen- mir die bei Hydra geschilderten Formen vorzuliegen, in der Hauptsache nämlich langgestreckte lappige Aus- läufer. Eine gewisse Selbständigkeit in ihrer Form bewahren die kleineren Nesselkapselzellen bei Gemmaria, indem an der einen Seite der Kapsel eine auffallend reichliche Kérnchen führende Protoplasma- masse erscheint. Endlich darf wohl auch noch auf eine besondere Art von Ausläufern hingewiesen werden, welche GROBBEN zuerst an den Nesselkapselzellen von Podocoryne carnea beschrieb und ich bei Tubularia ebenfalls beobachtete und zwar an den Zellen mit lang- gestreckten ovalen Kapseln. Diese Ausläufer scheinen sehr vergäng- lich zu sein, indem man denselben in sonst gelungenen Isolations- präparaten immer nur sehr selten begegnet. Sie sind verhältnismäßig dick, immer wellig gekrümmt, und lassen eine fibrilläre Struktur erkennen. Die verschiedenen Formen muskulöser Ausläufer können mit allen Formen von Nesselkapseln vereinigt erscheinen. Dieses be- weisen vor Allem zutreffend die Nesselkapseln von Tubularia, welche in ihrer Form mit Hydra vollständig übereinstimmen, aber ganz an- dere muskulöse Fasern besitzen. Mit Ausnahme der Nesselkapselzellen mit bohnenförmigen Kap- seln konnte ich überall ein Cnidocil nachweisen. Auch die Cnido- eilröhre war bei den meisten eiförmigen Kapseln zu erkennen, zuweilen zeigte sie eine Aufspaltung nach der inneren Seite. Ein Gespinst von Fibrillen auf der Kapselumhüllung, wie die- ses in der letzten Zeit von Cuun (7) für die Nesselkapseln der Sipho- nophoren nachgewiesen wurde, habe ich bei den Polypen nicht gefunden. Außer den muskulösen Ausläufern finden sich an den Nessel- kapselzellen, an manchen derselben sogar recht häufig, noch andere recht zarte Ausläufer, welche bei Behandlung mit einem Gemisch von Überosmiumsäure und Essigsäure zuweilen zarte Knötchen in ihrem Verlauf erkennen lassen. Wie ich schon früher ausgesprochen, betrachte ich diese Fäserchen als Verbindungen zwischen Ganglien- zellen und Nesselkapselzellen, nach den Befunden bei Anisocola sogar als Ausläufer, welche wohl auch die Nesselkapselzellen unter einander in physiologischem Kontakt erhalten. Ich will es nicht unterlassen, auch hier nochmals darauf auf- merksam zu machen, dass man diese nervösen Ausläufer am besten mittels Herrwig'scher Isolationsflüssigkeit erhält, die muskulösen dagegen bei Anwendung von MÜLLER'scher Flüssigkeit, und dass die 654 Carl F. Jickeli Differenz in der Auffassung der Ausläufer, zwischen Cuun und den Ge- brüdern Herrwig sich dahin löst, dass dieselben verschiedenartige Bildungen im Auge hatten. Bei Cuun handelt es sich um die muskulösen, bei den Gebrüdern Hertwic, nach deren Abbildungen zu schließen, stets um die nervösen Ausläufer. Entwickelungsstadien von Nesselkapseln und Nesselkapselbil- dungszellen finden sich nicht bei den Hydranthen aller Polypen und dort, wo sie auch auf dem Hydranthen erscheinen, lassen sie stets die Arme frei. Zu jenen Polypen, deren Hydranthen niemals Nes- selkapselbildungszellen erkennen lassen, gehören Cladonema, Coryne, Gemmaria, Campanularia, Obelia, Plumularia, Podocoryne, Lafo&a und wohl auch Eudendrium, indem jene Gebilde, die ich bei letz- terer Gattung zweifelhaft als Nesselkapselbildungszellen deutete, wohl etwas Anderes sind. Stelle ich die anderen von mir unter- suchten Polypen nach dem Reichthum an diesen Elementen zusammen, so ergiebt sich, wenn ich mit derjenigen Gattung, welche dieselben am spärlichsten zeigt, beginne, folgende Reihe: Tubularia, Cordy- lophora, Perigonimus, Hydra. Bei Tubularia finden sich nur selten Entwickelungsstadien von Nesselkapseln, hier vollzieht sich die Bil- dung dieser Elemente an der Actinula, während dieselbe noch im ~ Gonophor ist. Cordylophora und Campanopsis vermitteln den Über- gang zu Perigonimus und Hydra, wo das ganze Metastom dicht von Nesselkapselbildungszellen erfüllt erscheint. Bei allen Hydranthen der von mir untersuchten Polypen sind somit die Arme diesem histogenetischen Vorgange entwachsen, wäh- rend dieses nicht in gleicher Weise für das Metastom gilt. Auf eine allgemeine Verwerthung der bezüglichen Verhältnisse verzichte ich vorläufig, wohl aber möchte ich hier die Befunde meiner bisherigen Untersuchung über die topographische Verbreitung der ausgebildeten Nesselkapselzellen rekapituliren. Schon eine flüchtige Untersuchung zeigt bei Hydra die gleich- mäßige Verbreitung dieser Elemente durch das ganze Ektoderm, bei genauerer Betrachtung ist sogar eine gewisse Regelmäßigkeit in der Vertheilung der Nesselkapselzellen auf die einzelnen Epithelmuskel- zellen zu erkennen, indem jede einzelne Deckzelle eine ziemlich gleich große Batterie dieser Wurfgeschosse eingeschlossen zeigt. . Bei anderen Formen z. B. Obelia und Plumularia ist das Metastom frei von Nesselkapselzellen und dieselben finden sich nur auf den Armen gleichmäßig vertheilt. Auf den Armen selbst ist dann eine Der Bau der Hydroidpolypen. II. 655 weitere Lokalisirung bei manchen Polypen zu erkennen. Bei Tu- bularia mesembryanthemum finden sich Nesselkapselzellen vornehm- lich auf der oberen und unteren Seite der Arme, bei Tubularia larynx nur auf der unteren Seite. In ähnlicher Weise begegnen wir dem Process der Lokalisirung dieser histiologischen Elemente in zwei Stadien bei den Hydranthen mit geknöpften Armen fixirt, indem SCHULZE’s Amphibrachium einen terminalen Nesselknopf und dicht darunter eine zweite unbedeutendere Ansammlung von Kapseln zeigt, während die Gattungen Cladonema, Gemmaria und Coryne nur einen Endknopf besitzen. Die Lokalisirung der Nesselkapselzellen beschränkt sich nicht auf die äußerliche Aneinanderlagerung derselben, sondern scheint sich vielmehr bis auf eine enge Berührung ihrer muskulösen Ausläu- fer zu erstrecken. Den Nesselkapselzellen nächst verwandt sind die von mir als Geißelkapselzellen bezeichneten Elemente. Eben so möchte ich ScHurze’s Palpocilzellen!, die Stiftzellen und endlich die von SEm- PER bei Aglaophenia Philippina beschriebenen Nesselzellen zu einem enger geschlossenen Formenkreis nächst verwandter histiologischer Elemente vereinigen. Nach den Ergänzungen, die ich zum Theil in Übereinstimmung mit BürscHLı für die Ontogenese der Nesselkapsel- zellen beibringen konnte, ließe sich, wenn man über einige Differenzen hinwegsieht, aus jenen Elementen folgende der ontogenetischen Reihe parallele phylogenetische herstellen. Die Geißelkapselzellen würden dem Stadium der äußeren Anlage des Nesselfadens, die Palpoeil- zellen demjenigen, wo der Faden sich zu einer geraden biegsamen Fortsetzung der Kapsel gestreckt hat, entsprechen, und die Stiftzellen würden dann den Beginn einer divergirenden Reihe kennzeichnen, indem bei den Nesselkapselzellen, die Einstülpung des geraden Fort- satzes zur Entstehung des ausschnelibaren Fadens führte, während derselbe bei jenen zum pfriemenförmigen Stift verhärtete. Es ließe sich vielleicht in diese histogenetische Formenreihe auch jenes Ele- ment einfügen, welches die Gebrüder HERTwIG in ihrem Werke über das Nervensystem der Medusen beschrieben und Taf. IV Fig. 12 abgebildet haben, indem man die in demselben vorhandenen schalen- artigen Bildungen als unvollendete erste Anlagen von Nesselkapseln auffassen könnte. ' Ob wohl ALLMAN’s Palpocil wirklich Fortsetzungen der ektodermalen Deckzellen sind, wie derselbe das anzunehmen scheint! 656 Carl F. Jickeli Die Ganglienzellen konnte ich bei allen jenen Polypen nach- weisen, wo mir Hydranthen zur Untersuchung vorlagen, nur bei Gem- maria implexa war das bezügliche Resultat ein wenig befriedigendes. Aber auch dort, wo mir der Nachweis befriedigender gelang, war keine solche Gestaltungsfülle der einzelnen Zellen und eine so lückenlose Verflechtung selbst langgestreckter Ausläufer, wie ich dieses bei Eudendrium geschildert, vorhanden. Auch die mikrochemische Reak- tion, gegeben in den durch Überosmiumsäure geschwärzten Körnchen des Zellplasmas, habe ich in annähernder Weise nur in den Ganglien- zellen der Arme von Perigonimus gefunden. Die Arme der Hydran- then sind überhaupt nicht nur das günstigste Objekt für die erste Orientirung über den histiologischen Bau eines Polypen, sondern sie sind auch zugleich derjenige Theil eines Hydranthen, an welchem die reichste Differenzirung stattgefunden und wo die Ganglienzellen auch noch dann nachgewiesen werden können, wenn sie sich im Metastom nicht mehr vorfinden. Die einzige Ausnahme macht nach dieser Richtung die Gattung Campanopsis, indem hier erst am Grunde der Arme spärliche Ganglienzellen beginnen. Lokalisirte Anhäufungen von Ganglienzellen habe ich außer der früher bei Eudendrium geschilderten nur bei Tubularia ebenfalls an der Basis des Hydranthen und bei Campanopsis unterhalb jener schirmartigen Ektodermduplikatur, welche sich am Beginn des Me- tastoms ausspannt, auffinden können. Bemerkenswerth ist jedenfalls, dass in allen diesen drei Fällen dicht neben der Anhäufung von Ganglienzellen auch eine Anhäufung von Drüsenzellen vorkam. Eine Verbindung zwischen Drüsenzellen und Ganglienzellen war nirgends aufzufinden, dagegen kamen bei Campanopsis Flächenbilder zur Be- trachtung, welche an eine Vereinigung von Drüsenzellen und Nes- selkapselzellen denken ließen. Ein Befund, welcher sowohl an den von LrypiG in einer Abhandlung — ich vermag im Augenblick nicht anzugeben in welcher — ausgesprochenen Satz, es seien die Sinneszellen umgewandelte Drüsenzellen als auch an jene von Du Boıs-ReymonD als Ammoniakhypothese bekämpfte Wirkungsweise von Nery auf Muskel erinnern. Immer festgehalten, dass die Nes- selkapselzellen Muskelzellen sind. Über die Entwickelung der Ganglienzellen vermag ich nichts anzugeben, als was ich bereits früher bei Hydra wahrscheinlich machen konnte, nämlich ihre Abstammung von denselben embryona- len Zellen, welche einen Theil von KLEINENBERG's interstitiellem Gewebe bilden und auch den Nesselkapselzellen ihren Ursprung geben. Der Bau der Hydroidpolypen. II. 657 Nirgends konnte ich etwas finden, was auf eine späte ontogenetische Einsenkung der Ganglienzellen von der ektodermalen Oberfläche aus gedeutet werden könnte, da jene einzeln beobachteten räthselhaften Zellen, die ich bei Tubularia beschrieben und welche einen ge- wissen Übergang von Epithelmuskelzellen zu Ganglienzellen bilden, wohl nicht nach dieser Richtung verwerthet werden können. Man findet wohl Stellen — besonders bei Eudendrium und Tubularia — wo ein Ausläufer der Ganglienzelle bis zur äußeren Fläche des Ektoderms ragt und könnte in diesen Fällen wohl geneigt sein, von Neuroepithelzellen zu sprechen, viel häufiger sieht es aber aus als seien jene Ausläufer in ihrer Entwickelung aus der Tiefe nach der Oberfläche hin noch nicht — sit venia verbo —- zum Ziele gelangt. Ich empfinde sehr wohl, dass ich bei der Ableitung der Nesselkapselzellen und Gan- glienzellen von den embryonalen Zellen des interstitiellen Gewebes mit einer unbekannten Größe rechne, da über die Entwickelung die- ses Gewebes meines Wissens noch nichts Genaueres festgestellt ist. Wollte ich allerdings jene bei Hydra gemachte Beobachtung, nach welcher sich auch die Epithelmuskelzellen aus dem sogenannten in- terstitiellen Gewebe entwickeln, verwerthen, dann würde mit einiger Modifikation eine Entwickelung, wie sie die neuesten Forschungen verlangen, gewonnen sein. Es würde also dann das interstitielle Gewebe das ursprüngliche Ektoblast repräsentiren und es würden sich aus dieser Lage unter einander verbundener Zellen durch ein Wachs- thum nach der Oberfläche und nach der Tiefe eben so die Deckzellen beziehungsweise Epithelmuskelzellen entwickeln, wie es nach meinen Beobachtungen bei Hydra die Nesselkapselzellen und Ganglienzellen sicher thun. Ich würde auf diese schon früher von mir geäußerte Vermuthung nicht noch einmal zurückgekommen sein, wenn dieselbe nicht eine Stütze fände in jener bereits angeführten, früher aber lei- der übersehenen Beobachtung Korotnerr’s (37), dass bei Hydra die Epithelmuskelzellen im Herbst einer fettigen Entartung anheimfielen, somit neue Epithelmuskelzellen im Frühjahr nur aus den Zellen des interstitiellen Gewebes entstehen können. Iinees Über das Verhalten der Ganglienzellen zu den Epithelmuskel- zellen und Nesselkapselzellen hat meine zweite histielogische Analyse von Polypen ebenfalls nicht mehr ergeben als ich bereits früher aus- sagen konnte. Ich habe wohl auch jetzt wieder häufig dichte An- schmiegung von Ganglienzellen an Nesselkapselzellen beobachtet und in Isolationspräparaten beiden Elementen im Zusammenhang begegnet, aber auch dieses Mal gelang es mir, von einer einzigen bei Campanopsis 658 Carl F. Jickeli berichteten Ausnahme abgesehen, nicht, eine Verbindung zwischen Ganglienzellen und Epithelmuskelzellen aufzufinden. Bei der Zart- heit der Objekte und dem Umstande, dass ich bei meinen Unter- suchungen nicht über Ölimmersionslinsen verfügte, gebe ich aber gern zu, dass diesen Befunden weder positiv noch negativ eine bewei- sende Kraft zugesprochen werden kann. Bei der Unmasse von Präparaten, die ich der Durchsicht unterzog, konnten immerhin Ele- mente selbst während des erregten Flüssigkeitsstromes in Zusammen- hang bleiben, die nicht organisch verbunden waren und eben so kann eine Verbindung zwischen Epithelmuskelzelle und Ganglien- zelle gerade dort stattfinden, wo die letztere der Fibräle der ersteren aufgelagert erscheint. Optische Längsschnitte, die in dieser Weise gedeutet werden können, habe ich bei Eudendrium abgebildet. Der Mangel eines genügenden Beweises für den Zusammenhang der in Rede stehenden Elemente mit Muskelzellen ist kein gewichti- ger Einwand gegen die Deutung derselben als Ganglienzellen. Denn wollte man einen solchen Beweis streng fordern, dann stände es um die Sicherung der nervösen Natur histiologischer Elemente bei den meisten wirbellosen Thieren schlecht und selbst bei Wirbelthieren sind solche Beweise noch nicht überall erbracht. Um nur an zwei Beispiele zu erinnern, ist es den gewiegtesten Forschern noch nicht gelungen, die motorischen Nervenenden im Muskel der Knochenfische und die Endigung der Nerven in den Zellen der Speicheldrüsen der Säugethiere aufzufinden. Viel wichtiger als der eben besprochene Einwand sind andere, welche ich nunmehr einzeln möglichst ausführlich besprechen will. Als erster Einwand wird sich die Frage erheben, wie sich denn meine Ganglienzellen zu KLEINENBERG'S interstitiellem Gewebe ver- hielten und ob wohl beide Bezeichnungen nicht dasselbe Gewebe meinten. Darauf ist Folgendes zu erwiedern. KLEINENBERG fasste unter dem Namen des interstitiellen Gewebes alle Elemente zu- sammen, welche nicht zu seinen Neuromuskelzellen oder zu den Nesselkapselzellen gehörten. Das interstitielle Gewebe besteht so- mit aus verschiedenen Elementen. Es enthält jene Zellen em- bryonalen Charakters, aus welchen sich sowohl Ganglienzellen als auch Nesselkapselzellen entwickeln und außerdem Entwickelungs- stadien dieser beiden Elemente. Nur mit jenen embryonalen Zel- ‘len könnte eine Verwechselung stattfinden. Ich habe zur Erleich- terung des Vergleiches einige dieser embryonalen Zellen von Perigonimus Steinachi Taf. XXVII Fig. 2 abgebildet. Als Unter- Der Bau der Hydroidpolypen. II. 659 schied von den Ganglienzellen fällt das Ungeformte, ich möchte sagen Passive in deren Gestaltung, die verschwindende Kontur des Zellkernes und das große, oft einem zerfließenden Tropfen gleichende Kernkörperchen auf. Längere Ausläufer fehlen diesen Zellen stets und eben so findet man niemals, selbst wenn solche Ausläufer in kurzen Zipfeln angedeutet sind, die Ausläufer verschiedener Zel- len in jener Weise verbunden, wie ich das für die Ganglienzellen bei verschiedenen Polypen geschildert. Dieses wären die Unterschiede in der Form. Ein weiterer Unterschied von den embryonalen Zellen scheint für die Ganglienzellen in ihrer Verbreitung zu liegen, indem dieselben am ständigsten dort auftreten, wo keine embryonalen Nesselkapselzellen vorkommen, wenigstens keine Nesselkapselzellen mehr entwickelt wer- den, das ist auf den Armen sämmtlicher mir bekannten Polypen-Hydran- then, oder man müsste das ganze von mir beschriebene Zellengeflecht, wie es sich besonders schön entwickelt bei Eudendrium vorfindet, auf solche embryonale Zellen deuten wollen, was man doch nicht versuchen wird, wenn man die beiden Zellformen mit einander ver- gleicht. Eine weitere Einwendung gegen die richtige Deutung der Gan- glienzellen könnte geltend machen, es handele sich hier um Binde- gewebszellen. Bis in die letzte Zeit würde man diesem Einwurf mit dem Hinweis auf die Abstammung der Bindegewebszellen aus dem Mesoblast, welches bei den Hydroidpolypen noch nicht entwickelt sei, dessen Elemente somit auch nicht vorkommen könnten, begeg- net haben. Nach den neuesten Studien über die Keimblättertheorie wird man aber wohl nicht mehr zu diesem Argument greifen kön- nen, dagegen könnte wohl eher das Verhalten im polarisirten Licht herangezogen werden, da Bindegewebszellen doppelbrechend sein sollen, Ganglienzellen aber nicht. Ich habe denn auch diese Instanz beschritten und Hydranthen, welche mit Osmium, Pikrokarmin und Alkohol behandelt waren, in Kanadabalsam, welcher die doppelbre- chenden Eigenschaften sehr steigert, zerzupft, um die histiologischen Elemente in verschiedener Orientirung zu erhalten, unter gekreuzten Nikols leuchteten aber nur Stücke des Perisares auf, alles Andere blieb dunkel. Um dem Vorwurf, es möchte durch die Behandlungsweise der Gewebe eine vorhandene Doppelbrechung zerstört worden sein, zu begegnen, habe ich dann in gleicher Weise quergestreifte Muskel- fasern höherer Thiere behandelt und deren Doppelbrechung erhalten gefunden. Trotzdem würde desshalb die Natur von Bindegewebs- 660 Carl F. Jickeli zellen nicht ausgeschlossen sein, da man immerhin einwenden könnte, die Elemente, um die es sich hier handle, seien zu spärlich vorhan- den, um eine vorhandene Doppelbrechung als Aktion erkennen zu lassen. Außerdem wird man das polarisirte Licht bei der histiolo- gischen Analyse künftighin mit sehr großer Vorsicht anwenden müssen, da v. EBxer (13) nicht nur experimentell den Beweis erbracht hat, dass die Doppelbrechung organisirter Substanzen durch Änderung der Spannungsverhältnisse ebenfalls eine Änderung, die selbst bis zur Umlagerung der optischen Konstanten führen kann, erfährt, sondern auch gezeigt hat, dass dasselbe histiologische Element, je nachdem, welche Druckverhältnisse sich bei dessen Entwickelung geltend machen, positiv gar nicht oder negativ doppelbrechend bei gleicher Orientirung der Normalen erscheinen kann, wie dieses in den auf einander folgenden Schichten des Cornea-Epithels besonders schön zu demonstriren ist. Nach dem eben Vorgebrachten wird man gern noch weitere Ar- gumente für die nervöse Natur dieser Polypenzellen hören. Es las- sen sich deren eine ganze Anzahl aufführen. Hält man sich an die Objekte selbst, so wird zunächst deren Verflechtung unter einander durch Ausläufer von zuweilen beträchtlicher Länge, und der Zusam- menhang mit schmalen, die Oberfläche des Ektoderms mit begren- zenden, von mir als Sinneszellen gedeuteten Elementen anzufüh- ren sein. Es wird sodann darauf hinzuweisen sein, dass sich diese nervösen Elemente gerade in jenen Körpertheilen, welche die am leichtesten erregbaren sind, nämlieh auf den Armen, mit allei- niger Ausnahme von Campanopsis, vorfinden und seltener oder gar nicht auf dem weniger sensibelen Metastom. Auch der mit der Außenwelt gegebene oder doch gesuchte Zusammenhang durch ein Eindrängen zwischen die Epithelmuskelzellen darf wohl nicht un- terschätzt werden. Greift man zu dem Vergleich mit den als ner- vös erwiesenen Elementen verwandter Organismen, so wird die reichliche Verbreitung derselben bei den Medusen und Actinien und eine gleiche Lagerung zu den anderen Zellen bei den letz- teren außerdem geltend gemacht werden können. Ich kann auch hier vorläufig berichten, dass bei Polypen der Alcyoniden, die mich gegenwärtig beschäftigen, Ganglienzellen vorkommen, welche den Nesselkapselzellen eben so angeschmiegt erscheinen, wie ich das bei den Hydroidpolypen wiederholt beschrieben, und dass dieselben ebenfalls die durch Überosmiumsäure geschwärzten Körnchen in ihrem Protoplasma zeigen. Der Bau der Hydroidpolypen. II. 661 Ich halte somit an der nervösen Natur der bezüglichen Elemente fest. Eben so halte ich die schon früher geäußerte Vorstellung über die Funktion des Nervensystemes und der verschiedenen muskulösen Elemente der Hydroidpolypen aufrecht. Ich nehme also an, dass die Nesselkapselzellen eben so durch ihr Cnidocil äußere Reize empfan- gen, wie die Epithelmuskelzellen durch denjenigen Theil ihres Lei- bes, welcher als ektodermale Decke des Hydranthen fungirt, dass beide diese Reize durch Kontraktionen auslösen und dass die Gan- glienzellen zum großen Theil nur eine leitende Verbindung unter diesen verschiedenen Muskelzellen herstellen, wodurch natürlich eine direkte Zuführung äußerer Reize durch die Ganglienzellen dort, wo der histiologische Befund dieses wahrscheinlich macht, nicht ausge- schlossen ist. | Nach den nunmehr vorliegenden Thatsachen muss ich in dieser Richtung noch einen Schritt weiter gehen. Ich hatte wiederholt über einen Mangel nervöser Elemente an Stellen des Ektoderms zu be- richten, wo gerade Nesselkapselzellen reichlich vorhanden waren, konnte bei Gemmaria nur zweifelhaft einige Elemente als Ganglien- zellen in Anspruch nehmen und mit voller Sicherheit den ganzen Bau des Ektoderms des Armes von Campanopsis auf Nesselkapsel- zellen und Epithelmuskelzellen, somit auf lauter Muskelzellen zurück- führen. Solche Verhältnisse stimmen mit meiner Annahme einer direkten Erregbarkeit von Nesselkapselzelle und Epithelmuskelzelle, sie zwingen aber auch zu der weiteren Annahme, dass von den Mus- kelzellen aufgenommene Reize von Element zu Element durch den ganzen Muskelplexus geleitet werden, wenn die Kontinuität des ganzen Organismus gesichert sein soll. Sowohl dieses Stadium der phylogenetischen Entwickelung des Nerven-Muskelsystemes als auch jenes, wo einzelne Zellen des Ek- toblasts sich zu Ganglienzellen zu gestalten anfangen und so die Verbindung von Muskelzelle mit Muskelzelle unterbrechen, wider- streiten nicht anderen morphologischen Thatsachen und physiologi- schen Eigenschaften von Muskel- und Ganglienzellen. Ich denke hier an die Stränge kontraktiler Faserzellen von Spongien, an En- GELMANN’S (14) automatische Erregbarkeit der glatten Muskulatur der oberen zwei Drittel des Kaninchenureter, an Erregung eines Muskels durch ein ausgeschnittenes Froschherz bei dessen Berührung, an die sekundäre Muskelzuckung und an das doppelsinnige Leitungsvermö- gen der Nervenfasern. Morpholog. Jahrbuch. 8. 44 662 Carl F. Jickeli Hier wie auch früher habe ich beim Vergleich der muskulösen Elemente der Hydroidpolypen mit denjenigen höherer Thiere nieht zwischen der quergestreiften und glatten Muskulatur der letzteren unterschieden. Ich habe dieses nicht thun können, weil die kontrak- tile Substanz der letzteren weniger bekannt ist, also auch weniger Vergleichspunkte bietet, habe mich aber auf die bekannten That- sachen der ersteren desshalb ohne Weiteres bezogen, weil im Allge- meinen doch die Ansicht herrscht, die glatte Muskulatur besitze die gleichen aber weniger deutlich hervortretenden Eigenschaften wie die quergestreifte. Das Entoderm zeigt die gewöhnlichen Nährzellen häufig mit muskulösen Ausläufern. Drüsenzellen treten am regelmäßigsten im Hypostom auf und sind gewöhnlich nur in einer Form vorhanden. Nur bei Cordylophora und Eudendrium finden sich in der Verenge- rung des Hypostoms, die in den Gastralraum führt, eine zweite Art von Drüsenzellen und eben so am Grunde des Gastralraums bei Hydra und Cladonema. Das Entoderm ist der ausgiebigsten Gestaltsveränderung fähig, was sich sowohl in der Taeniolenbildung als auch in jenem ausge- dehnteren bei Tubularia geschilderten Ortswechsel desselben kund giebt. Das Mesoderm. Seine Elemente sind hier in allen Stadien der Entwickelung zu einer neuen geschlossenen Körperschicht zu er- kennen. Am wenigsten von den Zellen des Entoderms erscheinen die axialen Zellen der Sarcostyle differenzirt und hier findet auch noch kein Abschluss derselben gegen das Entoderm statt, man könnte hier sogar die rein entodermale Natur des ganzen Zellstranges ver- theidigen. Zweifellos verschieden vom Entoderm erscheinen die axialen Zellen in allen Hydranthenarmen, der Abschluss gegen das Entoderm durch die Stützlamelle bleibt aber bei einigen Formen immer noch zweifelhaft. Mit einem vollständigeren Abschluss gegen das Entoderm giebt sich zugleich die Neigung zu einer Lokalisirung des ganzen Gewebes und damit der Arme zu erkennen. Als ein interessantes Stadium dieses Vorganges erscheint Perigonimus. Bei äußerlicher Betrachtung glaubt man hier einen geschlossenen Ring in gleichem Äquator gelegener Arme vor sich zu haben, zerlegt man jedoch Thiere in Längs- und Querschnitte, so überzeugt man sich, dass die Arme nicht in gleicher Höhe an das Metastom ansetzen. In Übereinstimmung mit dem anatomischen Befund ist hier eine Beobachtung Auumav’s (1) am lebenden Hydranthen, nach welcher bei Der Bau der Hydroidpolypen. II. 663 Perigonimus vestitus die Arme des Wirtels alternirend nach aufwärts und nach abwärts geneigt erscheinen. Die vollständige Aneinander- schließung der Zellen des axialen Gewebes am*Grunde der Arme erfolgt bei verschiedenen Polypen nicht in gleicher Weise. Bei einigen, z. B. Lafoéa, legen sich diese Zellen in unveränderter Stel- lung und Form an einander und der Schluss der Zellen zu einem basalen Ring erfolgt somit nur indem die Elemente des unveränder- ten Gewebes näher zusammenrücken. Bei Anisocola wird der Schluss des Ringes erreicht, indem die letzte äxiale Zelle sich umlagert und statt ihren Längsdurchmesser parallel der Richtung des Armes zu stellen, denselben der gleichen Zelle des benachbarten Armes zu- wendet und auf diese Weise den Raum zwischen zwei Armen aus- füllt. Was hier durch Umlagerung der Zellen bewerkstelligt wird, bringt bei Campanularia am Grund der Arme eine Zellvermehrung zu Stande, indem dort an die Stelle einer axialen Endzelle immer deren drei treten. Von diesem letzteren Verhalten lässt sich wohl jenes von F. E. SCHULZE (46) bei Spongicola fistularis geschilderte ab- leiten, wo an dem basalen Ende des axialen Gewebes jedes Armes ebenfalls eine Zellvermehrung stattfindet, die hier aber nicht nur zu einer einfachen Verbindung benachbarter Arme, sondern in vier Meri- dianen des Hydranthen zu weit nach innen vordringenden Wucherun- gen führt. Wie sich die Arme von Tubularia zu dem eben geschilderten phylogenetischen Entwickelungsgang verhalten, vermag ich nicht zu sagen. Bei allen untersuchten Polypen ist, sobald die Arme zu einem Wirtel zusammengerückt sind, das Bestreben zu erkennen, an der Basis zu einem einheitlichen Gewebe zu verschmelzen und dieses wird erreicht durch eine Zunahme der Breite. Bei Tubularia spitzen sich die Arme, wie ich in der histiologischen Analyse dieses Poly- pen ausführlich geschildert, zu, und stecken auf diese Weise wie zugespitzte Pfähle in dem angrenzenden Gewebe. Der Nutzen für die Mechanik eines auf diese Weise dem Metastom angefügten Ar- mes wird für den zweiten Armwirtel verständlich, denn dort erscheint jeder Arm in der mächtigen Lage festwandiger mesodermaler Zellen eingerammt und es ließe sich ein Vortheil dieser Einfügung in einer damit gegebenen größeren Selbständigkeit des einzelnen Armes und der ersten Anbahnung zu einer Art Gelenkverbindung finden; für den ersten Wirtel ist aber eine solche Zweckmäßigkeit nicht zu erweisen, da dort, wenigstens bei Tubularia mesembryanthemum, die Arm- spitzen unmittelbar an die weichen Entodermzellen stoßen. Vielleicht 44* 664 Carl F. Jickeli deutet dieses Verhalten auf die phylogenetische Abstammung jenes ersten Wirtels vom zweiten. Die mesodermale Wucherung in der Höhe des zweiten Armwir- tels ist bis jetzt nur bei Tubularia gefunden, bietet also keine Ver- gleichspunkte, es sei mir aber erlaubt auch hier nochmals auf die in der Gewebsanalyse wahrscheinlich gemachte Vermuthung, es ent- ständen dort die großen Zellräume durch Verschmelzung ursprüng- lich getrennter Zellen, hinzuweisen. Die Stützlamelle lässt da, wo sie am mächtigsten ent- wickelt erscheint, nämlich im zweiten Gastralraum von Tubularia, eine Zusammensetzung aus drei Schichten erkennen. Die mittlere, schmälste Schicht möchte ich als eine embryonale, die äußere als eine ektodermale und die innere als eine entodermale Abscheidung betrachten. Ich kann also hier der von Ciaus und den Gebrüdern Hertwic geäußerten Ansicht, es entstamme die ganze Stützlamelle dem Entoderm, nicht beipflichten. Außer einer solchen Sonderung in drei Schichten scheint mir auch die Thatsache dagegen zu sprechen, dass die cuticulare Abscheidung an der äußeren Oberfläche der ek- todermalen Deckzellen und die Stärke der Stützlamelle in einer gewissen Abhängigkeit von einander sind, indem da, wo die cuti- culare Bildung eine schwächere ist, die Stützlamelle mächtiger ist und umgekehrt. Als Beleg dafür will ich mich nicht auf die bei- nahe verschwindende Stützlamelle im Hydrophyton der Polypen be- rufen, sondern auf ein Beispiel, das einander nahestehende Vergleichs- _ objekte liefert, nämlich auf die Hydraarten. Hier findet sich bei Hydra vulgaris eine mächtige, durch geeignete Macerationsmittel in feste Schollen abtrennbare Cuticula an den Ektodermzellen und eine sehr dünne Stützlamelle, bei Hydra viridis hingegen eine sehr zarte Cutieula, aber eine viel stärkere Stützlamelle. Einen fibrilliren Zerfall der Stützlamelle, wie ihn CLaus ($) für Coelenteraten anderer Abtheilungen geschildert, habe ich nirgends gefunden, höchstens könnte ich bei Tubularia von einer Andeutung einer solchen Differenzirung sprechen. Eine Abgrenzung der Stützlamelle gegen das Ektoderm oder das Entoderm habe ich nirgends auffinden können, dagegen. war häufig ein Eindringen derselben zwischen die Zellen der sie begren- zenden Gewebslagen zu erkennen. Bei Tubularia entstanden auf diese Weise Flächenreliefs der Stützlamelle, bei Campanularia führte die Steigerung dieses Verhaltens sogar zur Umwachsung ektoderma- Der Bau der Hydroidpolypen. II. 665 ler Zellen. Es gelangen hier somit Zellen passiv und nicht aktiv in die Stiitzlameile. Die von F. E. ScHULze (44) für die Polypen entdeckten, die Dicke der Stützlamelle durchsetzenden Fäserchen konnten in großer Verbrei- tung nachgewiesen werden und eben so gelang es mir weitere That- sachen für die Richtigkeit der, wie ich nachträglich sehe, bereits von E. HAEckEL (20) geäußerten Vermuthung eines Zusammenhanges der ektodermalen und entodermalen Zellen durch diese Fäserchen zu erbringen. Nachdem ich trotz vielen Suchens nirgends auch nur eine Andeutung eines solchen Fäserchens in der Stützlamelle der soliden Arme finden konnte, scheint es mir nicht unwahrscheinlich, dass sich von diesen Fäserchen wichtige embryonale Vorgänge nach- träglich ablesen lassen. Über die Stammesgeschichte der Hydroidpolypen kann ich mir noch kein die bereits vorliegenden diesbezüglichen Untersuchungen an der Hand ausreichender Befunde prüfendes Urtheil erlauben, da- gegen möchte ich einige Vermuthungen über die Homologien der armartigen Bildungen, wie sich dieselben bei der Rekapitulation meiner Beobachtungen ergeben, nicht zurückhalten. An den Hydroidpolypen kennen wir bis jetzt drei mit Rücksicht auf die von der Stützlamelle umschlossene Gewebslage verschiedene Formen von Armen: den hohlen von einer entodermalen Schicht ausgekleideten Arm der Gattung Hydra, den aus einem mehrschich- tigen soliden Zellstrang gebildeten Arm der Gattung Tubularia und endlich den ebenfalls soliden aber nur aus einer Reihe axialer Zel- len aufgebauten Arm der übrigen Polypen. Es frägt sich nun, in welchem Verhältnisse stehen diese drei Armarten zu einander, sind dieselben von einander abzuleiten, oder entstammen sie ursprünglich verschiedenen Bildungen. Im Allge- meinen wird angenommen, es sei der hohle Arm der Hydra das ältere Verhalten und es seien die übrigen Arme der Hydroidpolypen von dieser Form abzuleiten. Der erste Theil dieser Annahme scheint mir keinen Zweifel zuzulassen, da er den denkbar einfachsten Vor- gang, den man so oft beobachten kann, nämlich die Entwickelung se- kundärer Räume durch einfache Austülpungen schon vorhandener primärer als den älteren Vorgang annimmt und sich auf GREEFF’s armlose Protohydra! berufen kann, dagegen lassen sich wohl berechtigte 1 Ich darf hier wohl darauf aufmerksam machen, dass GREEFF seine Proto- hydra längere Zeit gezüchtet und wiederholt Fortpflanzung durch einfache 666 Carl F. Jickeli Einwände gegen den zweiten Theil dieser Annahme, gegen eine allgemeine Ableitung der soliden Armformen von dem hohlen Arm geltend machen. Eine solche Ableitung scheint mir nur für den Arm von Tubularia erlaubt. Dort konnte ich an dem basalen Theil der Arme dreimal Stellen konstatiren, welche vollständig den bei Hydra bestehenden Verhältnissen entsprachen. Daran schloss sich ein längerer Abschnitt, wo durch Streckung der Zellen nach dem Armcentrum das Lumen vollständig geschlossen war. Wo, wie das bei fast allen Exemplaren der Fall war, der Arm keine hohle Stelle zeigte, war sein ganzer unterer Theil in der letzt beschriebenen Weise gebildet. Im weitaus größeren weiteren Verlauf des Armes, erschien jede axiale Zelle der Quere nach durch sein ganzes Lumen gelagert. Es sind somit hier Verhältnisse gegeben, welche uns an einem und demselben Arm schrittweise demonstriren, wie die Ent- wickelung des mehrschichtigen soliden Armes von dem hohlen Arm der Hydra stattgefunden haben kann. Man kommt in Verlegenheit, wenn man nun in gleicher Weise von dem Hydraarm den soliden Polypenarm mit einer Reihe axia- ler Zellen ableiten, oder diesen Arm mit demjenigen von Tubularia phylogenetisch verbinden will und wird sieh daher gern nach an- deren Ausgangspunkten umsehen. Ich möchte die Aufmerksamkeit auf die Sarcostyle lenken. Die Sareostyle erscheinen eben so wie die Arme der Hydra als Ausstülpungen eines schlauchförmigen Körpers, dass derselbe hier zuweilen sehr langgestreckt und als Hydrophyton verzweigt erscheint, ist wohl von untergeordneter Bedeutung. Wichtiger ist die Ver- schiedenheit, welche zwischen diesen beiden Bildungen schon bei deren Anlage besteht. Der Hydraarm erscheint gleich bei seiner Anlage hohl, der Sarcostyl von Anfang an solid und scheint gebil- det zu werden, indem sich bei seiner Ausstülpung die entodermalen Zellen zwischen einander schieben. Auf diese Weise kommt hier eine Bildung zu Stande, welche sich von dem soliden Arm nur durch den Mangel eines vollständigen Abschlusses durch die Stützlamelle gegen den Gastralraum, durch geringere Festigkeit der axialen Zellen und eine größere Beweglichkeit des Ektoderms unterscheidet. Um Quertheilung an derselben beobachtet hat, dass also die mir gegenüber wie- derholt im Gespräch mit Fachgenossen geäußerte Vermuthung, es handle sich hier wohl nur um eine gewöhnliche Hydra, welche die Arme verloren, nicht berechtigt ist. Der Bau der Hydroidpolypen. II. 667 so wichtiger ist es, dass andere Übereinstimmungen vorkommen, wie die von Sars (43) bei Ophiodes beschriebenen Sarcostyle, welche vollständig geknöpften Armen, gleichen, und die bis jetzt nur an den Armen nachgewiesenen Stiftzellen (wenn ich die bereits er- wähnte Beobachtung Semper’s bei Aglaophenia Philippina richtig gedeutet habe) an den Sarcostylen auftreten. Die Schwierigkeit für eine ganz befriedigende Durchführung dieses Vergleiches liegt darin, die Zwischenform zwischen den zerstreuten Sarcostylen und dem geschlossenen Armwirtel eines Hydranthen einer Plumularide aufzu- finden. Es ist misslich Hydranthenformen von Gemmaria oder Cor- dylophora dazwischen zu schieben und man wird wohl verlangen können diesen Übergang bei den Plumulariden selbst vollzogen zu sehen, ich zweifle aber nicht, dass die genaue Prüfung auch diese Übergänge hier auffinden lassen wird; als Beginn davon lassen sich wohl die zweiarmigen Sarcostyle mancher Aglaophenien deuten. Zum Schluss seien hier noch die wenigen, aber immerhin inter- essanten Beobachtungen, die ich zur Kenntnis der Stockbildung hin- zufügen konnte, angeführt. Bekanntlich existiren unter den bis jetzt bekannten Hydroidpolypen nur wenige Formen, bei welchen es nicht zur Stockbildung kommt. Zu diesen gehören alle Hydraarten und Schuze’s Thiarella singularis (47). Übergänge zwischen diesen For- men und den vollkommenen Stockbildungen finden sich einzeln. Es ist dahin zu rechnen die Hydra rhaetica des Silsersees, bei welcher nach ASPER (4) das an der Basis des Mutterthiers knospende Tochterthier sich gar nicht oder nur selten loszulösen scheint, ferner Perigonimus vestitus, bei welchem die neuen Hydranthen für gewöhnlich aus dem gemeinsamen Stolonen aber auch zuweilen aus dem Metastom eines schon vorhandenen Hydranthen des Stockes hervorsprossen und im letzteren Fall dann wohl vom Mutterthier und damit vom Stock sich ausnahmsweise loslösen. Zu diesen seltenen Erscheinungen unvoll- kommener Stockbildung gehört auch jenes für Tubularia von mir berichtete Verhalten, wo ein Hydranth nicht durch Ablösen aber durch Absterben des verbindenden lebendigen Gewebes den Zusam- menhang mit dem Mutterstock verliert. Ob in dem von mir bei Anisocola halecioides als Stützsäule beschriebenen Theile des Stockes und jener Verschmelzung einer größeren Anzahl anfänglich getrennter Perisarcréhren zu einem ein- heitlichen Perisarerohre, wie ich das bei Isocola frutescens schil- derte, eine Verschmelzung verschiedener Stücke, und bei Anisocola 668 Carl F. Jickeli halecioides sogar eine Differenzirung dieser verschiedenen Stöcke für verschiedene physiologische Aufgaben stattgefunden hat, mag vorläufig dahingestellt bleiben. Anhangsweise seien hier auch noch einige Bemerkungen darüber erlaubt, in wie weit meine histiologische Untersuchung der Hydroid- polypen Material für oder gegen die Vergleichung dieser Organismen mit den fossilen Graptolithen bietet. Man könnte nämlich geneigt sein, das von mir bei Anisocola :halecioides geschilderte Verhalten jenes dem hydranthentragenden Stämmehen als Stützsäule dienenden Perisarerohres als ein neues Argument für die auch von ALLMAN (1) vertretene allernächste Verwandtschaft zwischen den Graptolithen und den Hydroidpolypen zu verwerthen, indem man die Achse der Graptolithen auf jenes Stützrohr zurückzuführen versuchte, und man wird um so eher geneigt sein, zu diesem Vergleich zu greifen, weil die früher nach dieser Richtung verwerthete Rhabdopleura nunmehr als Bryozoé erkannt ist, damit aber die hornige Achse der Grapto- lithen wieder kein Analogon mehr bei den Hydroidpolypen hat. Wollte man die da und dort vorliegenden Befunde in diesem Sinne mit einander verknüpfen, so würde man sowohl bei den monoprinoi- den als auch bei den diprinoiden Graptolithen das Vorhandensein einer der Stützsäule von Anisocola halecioides ähnlichen Bildung anneh- men, durch vollständiges Schwinden des Coenosares der Stützsäule und enge Verschmelzung des übrig gebliebenen Perisares mit dem- jenigen des hydranthentragenden Stämmehens würde ein monopri- noider Graptolithenstock entstanden sein, während bei einem diprinoi- den Graptolithenstock das von NıcHoLson (41) beschriebene längslau- fende Lumen der Scheidewand den Rest des Coenosares der Stützsäule, welcher hier zwei hydranthentragende Stämmchen angeschmiegt waren, vorstellen könnte. Es würde also ein monoprinoider Grapto- lithenstok entsprechen einer Stützsäule und einem hydranthentragen- den Stiimmchen. ein diprinoider Stock einer Stützsäule und zwei - hydranthentragenden Stämmchen. Außer der Stützsäule könnte von meinen Befunden auch noch die schollenartige Ausbreitung des Perisares zwischen den Stolonen, wie ich das bei Coryne Graeffei beschrieben habe, verwerthet und eine Vergleichung mit der ähnlichen Bildung des Dichograptus octobranchiatus Hall (58) aus dem unteren Silur Canadas versucht werden. : Der Bau der Hydroidpolypen. II. 669 Neben diesen neugewonnenen Vergleichspunkten für die Gerüste der Hydroidpolypen und Graptolithen könnte auch Einiges aus der neue- ren Physiologie der Ernährung hier vorgebracht werden. ALLMAN hat nämlich ganz richtig darauf aufmerksam gemacht, dass die Kelche der Graptolithen nur den Sarcotheken aber nicht den Hydrotheken der Hy- droidpolypen verglichen werden könnten, weil alle bekannten Hydro- theken an ihrem Grunde durch ein Septum gegen das Lumen des Hy- drophyton verengert seien, alle Graptolithenkelche eben so wie die Sareotheken der lebenden Hydroidpolypen aber dieses Septums entbehr- ten. ALLMAN (3) nahm daher an, die Graptolithen hätten keine Hydran- then, sondern nur Sarcostyle besessen und war wohl um so eher geneigt sich einer solchen Vorstellung zu überlassen, weil er die Sarcostyle als ungeformte Protoplasmamassen betrachtete, welche durch ihre Pseudopodien mit an der Nahrungsaufnahme für den Stock theil- nehmen konnten, und es war ganz verlockend Polypenformen anzu- nehmen, wo dieses Geschäft ausschließlich von den Sarcostylen besorgt wurde und damit eine Art Vermittlung zwischen der Er- nährungsweise der niedrigsten Protozoen und höheren Coelenteraten gegeben war. Es wäre nicht berechtigt aus der nunmehr erbrachten zelligen Struktur der Sarcostyle Argumente gegen jene ALLMAN’sche Ansicht von der Möglichkeit einer Ernährung ausschließlich durch Sarcostyle zu schöpfen. Denn nach den Untersuchungen von F. E. ScHULze (49) muss für embryonale Zustände von Spongien eine solche Nahrungs- aufnahme durch äußerliche geschlossene Gewebslagen hindurch statt- finden und nach experimentellen Versuchen KRUKENBERG'S ist es bei ausgebildeten Spongien das Ektoderm, welches angelegte Fibrin- flocken verdaut, während durch den Schwammkörper hindurchgezo- gene Fibrinflocken gar nicht angegriffen werden. Endlich darf ich hier auf das eigenthümliche Verhalten bei Anisocola halecioides hinweisen, wo eine vollständige Umkehr der physiologischen Ver- richtungen von Ektoderm und Entoderm stattgefunden, indem dort das Coenosare der Stützsäule nur dadurch ernährt wird, dass sein Ektoderm mit demjenigen des hydranthentragenden Stämmchen in Verbindung ist, also das Entoderm hier dureh Vermittlung des Ek- toderms die Nahrung empfängt. Beiläufig sei hier bemerkt, dass ich KRUKENBERG (31) beistimme, wenn derselbe die Angaben über das bekannte Umkehrungsexperiment der Hydra von TREMBLEY, trotz der widersprechenden gleichen Versuche aus jüngster Zeit mit allen daran sich knüpfenden Angaben TrEMBLEY's für möglich hält, man 670 Carl F. Jickeli darf zu dem Versuch aber nicht die scheinbar geeignetste gréBte Form, nämlich nicht H. vulgaris wählen, weil deren Ektodermzellen eine zu dicke Cuticula besitzen. Trotz aller dieser für die Hydroidpolypennatur der Graptolithen zu verwerthenden Thatsachen, möchte ich doch die gegnerische An- sicht über diese Organismenreste für die wahrscheinlichere halten. Die Gründe, welche mich dazu bestimmen, sind folgende: Gegen die Identificirung der Stützsäule von Anisocola haleeioi- des mit der soliden Achse der Graptolithen lässt sich einwenden, dass die letztere den kelchtragenden Theil des Stockes nach oben und unten weit überragt, während die erstere bedeutend niedriger als das hydranthentragende Stämmchen erscheint, der weiter von mir berücksichtigte Befund, die schollenartige Ausbreitung des Perisares bei Coryne Graeffei, wird wohl zur Unterstützung weiterer maßge- bender Verhältnisse beitragen können, allein vermag derselbe aber nichts zu beweisen. Betrachtet man dann die Graptolithen selbst, so ist die von RıcHTER (42) geschilderte, von dem Verhalten bei den Hydroidpolypen abweichende Schichtenbildung im Perisare anzufüh- ren. Während bei den Hydroidpolypen bei dem Nachweis mehrerer Schichten eine breite mittlere und eine schmale äußere und innere zu unterscheiden war, findet sich hier eine mächtige innere Schicht, welcher nach außen zwei dünne Lamellen aufgelagert sind. Bei den Hydroidpolypen wird ferner überall die ebenfalls von RıcHTER geschilderte zierliche Ornamentirung der äußeren Oberfläche des Graptolithenskelettes vermisst, dagegen wurde wieder nirgends bei den Graptolithen jene Gliederung des Skelettes in eine Anzahl Folgestöcke, wie dieses bei Plumulariden so häufig zu konstatiren ist, aufgefunden. Resumire ich alle vorgebrachten Argumente, so möchte ich doch lieber bei einer anderen Abtheilung der Coelenteraten als gerade bei den Hydroidpolypen die Graptolithen untergebracht wissen. Schließe ich Formen wie Rastrites Linaei Barr und Coenograptus gracilis Hall. (52), für welche mir die Foraminiferennatur am nächsten zu liegen scheint, aus, so möchte ich in dem größten Theil der Graptolithen den Octactinien nächstverwandte Organismen sehen, wie dieses bereits GEInITZ gethan. Das Gerüst der einzelnen Formen ruft zu lebhaft die äußeren Formverhältnisse der Pennatu- liden ins Gedächtnis. Es ist bei Vergleichung von Coelenteraten nicht von Bedeutung ob ein Skelettheil aus Kalk oder einer chitin- artigen Substanz besteht, da sich diese beiden Substanzen selbst bei Der Bau der Hydroidpolypen. II. 671 nahe verwandten Organismen gegenseitig vertreten. Dort, wo aber chitinartige Substanzen an Stelle von Kalk oder Kieselbildungen treten, erscheinen sie auch zugleich zu einheitlicheren Massen ver- schmolzen. Man darf daher annehmen, dass ein lockeres Gefüge von Kalkgebilden der Cutis durch ein einheitliches chitiniges Ge- rüst ersetzt wurde. Durch ein solches lockeres Kalkgerüst und eine hornige Achse ist aber das chitinige Gerüst der Graptoli- then bei den Pennatuliden vertreten, da dort nicht nur eine solide hornige Achse vorkommt, sondern auch feste Kelche in den von KöL- LIKER in den fleischigen Polypenkelchen nachgewiesenen Kalknadeln vorbereitet erscheinen. Giebt man diesen Vergleich zu, dann wird sowohl die über die Polypenkelche nach abwärts als auch nach aufwärts vorragende solide Achse der Graptolithen nicht unverständ- lich, da gegen eine Fortsetzung der soliden Achse über die Region der Polypen bei den Pennatuliden nichts einzuwenden ist. Als solche Pennatuliden mit hornigem Skelet würden die Graptolithen ein ge- eignetes Bindeglied zwischen den jetzt lebenden Pennatuliden und den Aleyoniden bilden können, zumal bei den letzteren eine Form, Cor- nularia, vorkommt, deren Polypen hornige, ohne ein basales Septum gegen den Stolonen abgeschlossene Kelche besitzen. Will man ein- wenden, die Kalkbildungen der Pennatuliden dürften bei Rekonstrui- rung der Graptolithenreste nicht so ohne Weiteres durch Hornbildun- gen ersetzt werden, dann würde ich der Deutung derselben als Hydroidpolypen doch immer noch die nach dem Zeugnis von RıcH- TER auch von R. LEUCKART vertretene Bryozoennatur der Grapto- lithen vorziehen und zwar wegen der bei Rhabdopleura gegebenen hornigen Stützachse und der ornamentalen Verzierung der Oberfläche der Graptolithenreste, da chitinartige Bildungen solche nur aufzuwei- sen pflegen, wenn sie äußerlich und nicht wenn sie im Inneren eines Organismus angelegt sind. Benutzte Litteratur. ALLMAN, J. G., A Monograph of the Gymnoblastic or Tubularian Hydroids. (Ray Society) Bd. I. 1871. Bd. II. 1872. ) —— On the Structure and Terminology of the Reproductive System in Co- rynidae and Sertularidae. 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Auf allen Tafeln wiederkehrende Bezeichnungen. ec Ektoderm, en Entoderm, ms dritte Körperschicht, st Stützlamelle. Die nachfolgenden Bezeichnungen für die verschiedenen Gewebselemente gelten auch für deren Kerne allein. a Ektodermzelle, b Entodermzelle, e Cuticula, d, Driisenzellen aus dem Ektoderm, da Drüsenzellen aus dem Entoderm, g Ganglienzellen, mı Muskelfasern des Ektoderms, my Muskelfasern des Entoderms, s Stiitzzellen, n Nesselkapsel, nz Nesselkapselzelle, ne Nesselkapsel in Entwickelung, gz GeiBelkapselzelle, sz Stiftzelle, az axiale Zelle, ez Eizelle, p Perisare, in Inhaltskörper. Die Angaben über Vergrößerung beziehen sich auf ein Mikroskop von R. WINKEL in Göttingen. Taf. XXV. Alle Figuren beziehen sich auf Tubularia mesembryanthemum Allm. Fig. 1. Längsschnitt, auf welchem der zweite Gastralraum durch das um- gestülpte Entoderm in zwei Theile geschieden erscheint. (Osm. Pikrok.) Fig. 2. Arm. Flichenbild. Das axiale Gewebe weggelassen. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 6.) Fig. 3. Arm. Lingsschnitt. (Osm. Pikrok. Oc. 2. Obj. Im. C.) 676 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. on 1 16 18. 20. 21. 22. 23. Carl F. Jickeli Ektoderm vom Metastom. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 8.) Dessgleichen. Arm. Flächenbild. Drei Nesselkapselumhüllungen, nachdem die Kapseln herausgeschleudert und die übrigen Theile der Zelle rückgebildet. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 6.) Ektoderm aus der unmittelbaren Nähe des Drüsenskranzes. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 8.) Ganglienzelle vom Arm. (Herrwig'sche Isolationsflüssigkeit, Pikrok. Oc. 2 Obj. Im. C.) Ganglienzellen vom Arm. Flächenbild. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. Im. C.) Dessgleichen. Dessgleichen. Zelle aus dem Ektoderm des Armes, zweifelhafter Natur. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. Im. C.) , Nesselkapselzelle, aus welcher die Nesselkapsel bereits herausgeschleu- dert wurde. (MüLrer’sche Flüssigkeit. Haematoxylin. Oc. 2 Obj. Im. C.) Nesselkapselzelle. (MULuer’sche Flüssigkeit. Haematoxylin. Oc. 2 Obj. Im. C.) Dessgleichen. u. 17. Nesselkapselzellen mit Ganglienzellen in Verbindung. (MÜLLER- sche Flüssigkeit, Haematoxylin. Oc. 2 Obj. Im. C.) Eiförmige Nesselkapseln. (Oc. 2 Obj. Im. C.) Ein Stiick des Driisenzellenkranzes. Die unteren Theile fortgelassen. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 8.) Stiitzzelle. (Herrwia’sche Flüssigkeit. Oc. 2 Obj. 8.) Driisenzelle. (Hertwia’sche Flüssigkeit. Oc. 2 Obj. 8.) Arm an seinem unteren Theil. Querschnitte. Halbschematisch. Stelle aus dem Hydrocaulus, wo das Ektoderm zu verhirten beginnt und bereits Nesselkapselzellen zwischen Stiitzlamelle und Perisare eingepresst erscheinen. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 8.) 24 u. 25. Flächenbild abgepinselter Stiitzlamelle vom zweiten Gastralraum. 26. (Herrwig’sche Flüssigkeit. Oc. 2 Obj. 10 u. Im. ©.) Ganze Lage der dritten Körperschicht auf dem Längsschnitt. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 2.) Taf. XXVI. Fig. 1—10 Cladonema radiatum Dujard. Fig. 11—22 Coryne Graeffei Jick. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 23—30 Gemmaria implexa Ald. Arm. Flächenbild. Von den Ganglienzellen nur noch die Kerne sicht- bar. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 8.) .. Flächenbild vom Nesselknopf des Armes. Die Kerne der Deckzellen nicht sichtbar, dagegen diejenigen der Stiitzzellen zu erkennen. Halb- schematisch. (Osm. Pikrok.) Ektodermale Deckzelle mit eingelagerter Ganglienzelle vom Metastom. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. Im. C.) Stützzellen aus dem Nesselknopf des Armes. (Hertwia'sche Flüssig- keit. Oc. 2 Obj. Im. C.) Fig. 5. Der Bau der Hydroidpolypen. II 677 Nesselkapselzelle, 5 das basale Ende des muskulösen Fortsatzes. (Hertwie'’sche Flüssigkeit. Oc. 2 Obj. Im. ©.) Fig. 6 u. 7. Ganglienzellen vom Arm. Flichenbild. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Fig. 23. Fig. 24. Fig. 25. Fig. 26. Fig. 27. Fig. 28. Fig. 29. Fig. 30. Obj. Im. C.) GeiBelkapselzelle vom zweiten Armwirtel. Flichenbild. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. Im. C.) Stiftzelle aus einem Nesselknopf des ersten Armwirtels. (HERTWIG- sche Fliissigkeit. Oc. 2 Obj. Im. C.) Bohnenförmige Nesselkapsel. (Herrwia’sche Flüssigkeit Oc. 2 Obj. Im. C.) Ganglienzellen vom Arm. Flächenbild. (Osm. Haematoxylin. Oc. 2 Obj. Im. C.) Flichenbild von einem Nesselknopf. (HertTwic sche Flüssigkeit. Halbschematisch. } GeiBelkapselzellen vom zweiten Armwirtel. (HEerrwiG'sche Flüssig- keit. 0e22 Obj. Im. C.) Dessgleichen. Fiiichenbild. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. Im. ©.) Nesselkapselzelle mit angelagerter Ganglienzelle. (Herrwig'sche Flüssigkeit. Oc. 2 Obj. Im. C.) Nesselkapselzelle, 5 aufgespaltene Cnidoeilröhre. (Herrwıg'sche Flüs- sigkeit. Oc. 2 Obj. Im. C.) Nesselkapselzelle mit fixirter Kontraktionswelle der Kapselumhüllung. (Herrtwig’sche Flüssigkeit. Oc. 2 Obj. Im. C.) Nesselkapselzelle mit anliegender Ganglienzelle. (HeRTwia’sche Flüs- sigkeit. Oc. 2 Obj. Im. C.) Nesselkapselzelle. (Herrwic'sche Flüssigkeit. Oc. 2 Obj. Im. C.) Zwei Nesselkapselzellen mit dazwischen liegender Stiitzzelle in hal- ber Kontraktion. (Herrwic’sche Flüssigkeit. Oc. 2 Obj. Im. C.) Stützzelle aus einem Nesselknopf. (HERTwIG'sche Flüssigkeit. Oc. 2 Obj. Im. C.) Bohnenférmige Nesselkapsel. (Oc. 2 Obj. Im. C.) Nesselknopf. Flächenbild. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 8.) Flächenbild vom Metastom. (Osm. Pikrok. Oc. 2. Obj. Im. C.) Armstiick. Flichenbild. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 8.) Flächenbild vom Metastom. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 6.) Nesselkapselzelle mit angelagerter Ganglienzelle. (Herrwigsche Flüs- sigkeit. Oc. 2 Obj. Im. C.) Nesselkapselzelle aus einem Nesselknopf. (HERrwie’sche Flüssigkeit. Oc. 2 Obj. Im. C.) Nesselkapselzelle mit bohnenförmiger Kapsel. (Osm. Pikrok., Oc. 2 Obj. Im. C.) Drüsenzellen aus dem Hypostom. (Herrwie'sche Flüssigkeit. Oc. 2 Obj. Im. C.) Morpholog. Jahrbuch. 8. 45 678 Carl F. Jickeli Taf. XXVII, Fig. 1—9 Perigonimus Steinachi Jick. Fig. 10 Podocoryne carnea Sars. Fig. 11—20 Camponopsis sp.? Fig. 21—25 Lafoéa parasitica Ciam. Fig. 26—32 Campanularia coliculata Hinks. Fig. 1. Ektoderm aus dem Metastom. Längsschnitt. (Osm. Alaunkarm. Oc. 2 Obj. 8. Fig. 2. Isolirte embryonale Zellen aus dem interstitiellen Gewebe des Metastom. (Hertwiıg'sche Flüssigkeit. Oc. 2 Obj. Im. C.) Fig. 3. Nesselkapselzelle mit angeschmiegter Ganglienzelle. (Herrwıg'sche Flüssigkeit. Oc. 2 Obj. Im. ©.) Fig. 4. Nesselkapselzelle mit nervösem Ausläufer. (Herrwig’sche Flüssigkeit. Oc. 2 Obj. Im. C.) Fig. 5 u. 6. Nesselkapselzellen. (HerrwiG sche Flüssigkeit. Oc. 2 Obj. Im. C.) 7. Ganglienzellen von den Armen. Flächenbild. (Osm. Alaunk. Oc. 2 Obj. Im. C.) Fig. 8. Axiale Zelle mit zwei Kernen und Vakuolen im Protoplasma. Die Verdickung der Wandung nicht gezeichnet. (Osm. Alaunk. Oc. 2 Obj. 8.) Fig. 9. Driisenzelle aus dem mittleren Gastralraum. (Osm. Alaunk. Oc. 2 Obj. 8.) Fig. 10. Ektodermales Flichenbild von einem Arm. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. Im. C.) Fig. 11. Arm. Flächenbild von der Länge einer axialen Zelle. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. Im. C.) ; Fig. 12. Arm. Optischer Längsschnitt. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. Im. €.) Fig. 13, 14, 15. Nesselkapselzellen mit drei Formen von Nesselkapseln, Fig. 13 und 14 8 überdies mit angeschmiegter Ganglienzelle. (Hmrrwia’sche Flüssigkeit. Oc. 2 Obj. Im. C.) Fig. 16 u. 47. Flächenbilder von den Armen. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. Im. C.) Fig. 18, 19, 20. Ektodermale Drüsenzellen, in Fig. 19 scheinbar Verbindung zwischen Drüsenzelle und Nesselkapselzelle. Flächenbilder. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. Im. C.) Fig. 21. Ektodermales Flächenbild vom Arm. (Osm. Alaunk. Oc. 2 Obj. Im. €.) Fig. 22. Nesselkapselzelle. Flächenbild. (Osm. Alaunk. Oc. 2 Obj. Im. €.) Fig. 23. Gespaltener Arm. (Schematisch.) Fig. 24. Axiale Zelle mit zwei gesonderten Zellleibern. (Osm. Alaunk. Oc. 2 Obj. Im. ©.) Fig. 25. Rand der Hydrotheka. (Schematisch.) Fig. 26. Stück eines axialen Zellstranges, die einzelnen Zellen von verschiede- nem Aussehen. (MÜüLLer’sche Flüssigkeit, Haematoxylin, Schematisch.) Fig. 27. Zelle aus dem Gastralraum, erfüllt mit rundlichen Körpern. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. Im. C.) Fig. 28. Isolirte ektodermale Deckzelle vom Arm, deren Protoplasma durch Der Bau der Hydroidpolypen. II. 679 die Inhaltskörper ausgebuchtet erscheint. (MÜLLER’sche Flüssigkeit. Oc. 2. Obj. Imsi€.) Fig. 29. Ganglienzellen von den Armen. (MÜLLEr'sche Flüssigkeit, Haema- toxylin. Oc. 2 Obj. Im. C.) Fig. 30, 31. Nesselkapselzellen. (Mürrer’sche Flüssigkeit, Haematoxyl. Oc. 2 Obj. Im. C.) Fig. 32. Ektodermaler Querschnitt von der Basis des Hydranthen, um die miichtige: Entwicklung der Stützlamelle zu zeigen. Taf. XXVIII. Fig. 1—3 Campanularia coliculata Hincks. Fig. 4 Coryne Graeffei Jick. Fig. 5—8 Obelia plicata Hincks. Fig. 9 Anisocola setacea Ellis. Fig. 10—23 Anisocola halecioides Hincks var. Fig. 24 Isocola frutescens Lam. Fig 25 bis 28 Kirchenpaueria sp.? Fig. 1. Arm. Flächenbild. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. Im. C.) Fig. 2. Umrisse einzelner ektodermaler Inhaltskörper. (Oc. 2 Obj. Im. C.) Fig. 3. Längsschnitt. Halbschematisch. Fig. 4. Einzelner Hydranth mit hervorknospender Meduse. Fig. 5. Optischer Längsschnitt vom Arm. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. Im. €.) Fig. 6. Zwei Ganglienzellen. Flächenbild. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. Im. C.) Fig. 7. Optischer Längsschnitt von der Basis des Hydranthen. Halbschema- tisch. _(Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. 2.) Fig. 8. Noch nicht vollständig vom Perisare geschlossenes Ende eines Hy- drocladiums. Optischer Längsschnitt. Halbschematisch.- (Osm. Pikrok. Oc. 2..Obf 4.) Fig. 9. Flächenbild vom Metastom eines Hydranthen. (Osm. Pikrok. Oc. 2 Obj. Im. C.) Fig. 10. Flächenbild eines zum Theil abgepinselten Armes. (M@LLER’sche Flüssigkeit, Haematoxylin. Oc. 2 Obj. Im. C.) Fig. 11. Axiale Zellen vom Grunde zweier benachbarter Arme. (Osm. Pikrok. Halbschematisch. ) Fig. 12. Optischer Längsschnitt eines Sarcostyls und der zugehörigen Sarcotheca. (MÜLLER’sche Flüssigkeit, Haematoxylin. Halbschematisch ) Fig. 13. Optischer Längsschnitt vom Arm. (Osm. Pikrok. Ov. 2 Obj. Im. €.) Fig. 14. Abpinselungspräparat vom Arm. (Müruer'sche Flüssigkeit, Haema- toxylin. Oc. 2 Obj Im. GC.) Fig. 15. Dessgleichen. Nesselkapselzellen und Ganglienzelle. (MÜLLER’sche Flüs- sigkeit. Oc. 2 Obj. Im. C.) Fig. 16— 20. Nesselkapselzellen. (MüLter’sche Flüssigkeit, Haematoxylin. Oc. 2 Obj. Im. C.) Fig. 21. Abpinselungspriparat. Ganglienzellen. (MUvuur’sche Flüssigkeit, Haematoxylin. Oc. 2 Obj. Im. ©.) Fig. 22. Entwickelungsstadium einer Nesselkapsel. (MULLER’ sche Fliissigkeit, Haematoxylin. Oc. 2 Obj. Im. C.) 45* 680 Fig. Fig. Fig. 25. Fig. Fig. Fig. Fig. % Carl F. Jiekeli, Der Bau der Hydroidpolypen. II. Optischer Längsschnitt durch den hydranthentragenden Stamm und die damit verbundene Stützsäule. Schematisch. Flächenbild vom Stamm. Halbschematisch. Optischer Längsschnitt vom Ektoderm des Coenosares, um die Inhalts- körper zu zeigen. Optischer Längsschnitt durch den Stamm. Schematisch. Optischer Längsschnitt durch ein Stück Perisare vom Stamm und vom Hydrocladium. Sep Sarcocope, Sct Sarcotheea. Stelle des Stammes, an welcher ein Hydrocladium entspringt und wo sich drei Sarcostyle Se finden. Ophiodes parasitica. Kopie nach Sars I. e. t. IV f. &. Tith Anser Werner £ un Frarkjart UM, : | i \ | Feriag PAR Deguimazn, Line. [ith dnsteWonar eWinter, Frankfurt 7M Terlag With Zegtimann, apy fs rer Et - Er 2 ‘ ; Se ak ie ma x Lae 28 5 > : “4 + ‘ay » : FE ’ . - > . : rs BP ee EEE Ne ete ie le, WERT ORTE GR ee Ee I pall Magne ei A Finan ate bryce Adele stipe Sins er alana yee Pion bw atl ae As ak re ll 7 ae £ F f ’ 4 f 2 .. ‚ =. ear } ‘ 2 ;. y » = Te ; I , A 3 - R RT 7 - ¥ bd if A hg . I " ‘ ae. i > ky on : i F a - t > = my - 2 i P — « ‘ 7 - P in ‘ : : 5 3 ei 7 ” \ i ; : i Ar . > © a) ‘ 2 = M . ” \ > ° - - R # “ us ~ - is N ad “ - ° . ol ie 5 7 - ‘ - = > : J I as $ N 5 * ‘ . ‘ . 7 Gj 5, ‘ 7 , f . > * fye>1 é % = > ’ L ‘a . v q 2 a x4 ¢ . - « > 4» Bi B : = ” J A or; ’ = [7 . ‘ . 5 ~~ : cy 2 h “ tS r 5 . * 4 4. av 2 - we ” * 7 - 2 7 . . 4 + bd - . ee E r ‘= Fs , A . . Er ws £ ry ‘ an P > Verlag r¥iik Eegelmann Leanziy N a | A RN east gel ee Verlag 0 With Engelmann. Zeinzig * u Kleinere Mittheilungen. Ein Fall von accessorischen Spinalnerven. Von Dr. med. Wilhelm Pfitzner. So weit ich die diesbezügliche Litteratur durchsucht habe, finde ich nur fol- gende Angaben über Zahlvermehrung der Spinalnerven: 1) in Folge von Ver- mehrung der Segmente; 2) als einseitiges oder beiderseitiges Auftreten eines Nervus coccygeus secundus. Dem gegenüber dürfte ein Fall interessant sein, den ich im Winter 1879/80 auf dem hiesigen Secirsaal zu beobachten Gelegen- heit hatte. Er fand sich bei der Leiche eines 65jährigen Mannes mittlerer Größe. Die Zahl der Wirbel in den einzelnen Abtheilungen der Wirbelsäule war nor- mal. Die Wirbelsäule zeigte keine abnormen Krümmungen irgend welcher Art. Speciell am elften und zwölften Brustwirbel war keine Andeutung irgend welcher Abnormität aufzufinden. Nach Aufsägen des Wirbelkanals und Entfernung der hinteren Bögen fand sich nun Folgendes: Zwischen dem elften und zwölften Dorsalnerven entsprang, mit ihnen in gleicher Flucht, links ein accessorischer Spinalnerv, während sich rechts auch nicht die Spur eines Analogon zeigte. Der Nerv war circa 1,5 mm dick und schwoll noch innerhalb des Wirbelkanals zu einem relativ mächtigen Ganglion an; aus letzterem gingen zwei feine Fädchen hervor, von denen der eine durch das elfte, der andere durch das zwölfte Zwischen- wirbelloch austrat. Jedes Fädchen legte sich an das Ganglion des betreffenden Spinalnerven an, schien sich aber noch ‘darüber hinaus in den hinteren Ast fortzusetzen. Genaueres festzustellen war leider unmöglich; die Leiche hatte bereits zu Muskelpräparationen gedient und durch den langen Aufenthalt im Secirsaal war der Zustand der Gewebe ein recht ungünstiger geworden. — Beim Aufschneiden des Duralsacks fand sich leider, dass das Rückenmark be- reits stark macerirt war; bei vorsichtigem Präpariren ließ sich indessen noch Folgendes erkennen: 1) eine vordere Wurzel fehlte gänzlich, 2) die hintere Wurzel war aus 3—4 Wurzelfäden zusammengesetzt, die zwischen denen des elften und denen des zwölften, aber anscheinend näher der hinteren Medianfurche entsprangen. 682 Kleinere Mittheilungen. Auf der rechten Seite fehlte auch jetzt noch jede Andeutung eines Ana- logon. Trotz der vorgeschrittenen Maceration ließ sich durch die mikroskopische Untersuchung noch nachweisen, dass sowohl die Wurzelfäden, wie die aus dem Ganglion austretenden Nerven aus markhaltigen Nervenfasern bestanden; in dem Ganglion konnte man ebenfalls noch Gangl enzellen erkennen. Präparate von den beiden benachbarten Dorsalnerven ergaben genau dieselben Bilder ; so weit man bei der starken Maceration überhaupt noch zu einem derartigen Schluss berechtigt war, konnte man sagen, dass die histologischen Bestand- theile des accessorischen Nerven sich normal verhielten. Wir haben hier also einen einseitig zwischen dem elften und zwölften Dorsalnerven eingeschalteten Spinalnerven, der einer vorderen Wurzel entbehrt, im Übrigen sich aber normal verhält. Der Fall erscheint auf den ersten Anblick ungemein räthselhaft. Man dürfte leicht versucht sein, dem Falle eine, wie ich glaube, unver- diente Wichtigkeit beizulegen, indem man ihn als rudimentäre Bildung auffasst, d. h. annimmt, hier sei von einem Spinalnervenpaar der rechte ganz, der linke nur zum Theil zuriickgebildet. Alsdann müssten wir doch auch wohl anneh- men, dass hier ein Wirbel mitten aus der Reihe der übrigen ausgeschaltet sei. Ich glaube nicht, dass wir hier zu der so bedenklichen Annahme der Aus- schaltung eines ganzen Segmentes zu greifen brauchen Einen Fingerzeig zur richtigen Deutung giebt uns wohl das Verhalten der aus dem Ganglion austretenden Nerven. Anastomosen der Spinalnerven innerhalb des Wirbelkanals sind bisher nicht beobachtet, und doch wären sie wohl erforderlich, wenn aus der Ausschaltung eines Wirbels das vorliegende Verhältnis resultiren sollte. Wohl aber ist eine Art Anastomosen innerhalb des Duralsacks bekannt, und zwar gerade von den hinteren Wurzeln. Hente (Handbuch der Nervenlehre pag. 454) giebt an, dass »die Wurzel- fäden nicht immer scharf von einander geschieden sind, sondern es kommen, besonders an den hinteren Wurzeln, Anastomosen zwischen den Wurzel- fäden eines Nerven, und selbst zwischen den einander nächsten Fäden, je zweier Wurzeln vor, und nicht selten tritt zwischen zwei Wurzeln ein Faden aus, der sich gabelférmig spaltet und sich mit dem einen Ast an die obere, mit dem anderen an die untere Wurzel anlegt«. Ich kann diese Angabe dahin ergänzen, dass das letztere Verhalten für die unteren Spinalnerven fast als das normale zu bezeichnen ist. Nehmen wir nun statt des einen Wurzelfadens ein aus che beste- hendes Fadenbündel an, das sich vereinigt und wieder gabelt, so haben wir schon einen ähnlichen Fall. Die einzelnen Wurzelfäden repräsentiren ja keine bestimmte Einheit, es liegt also weiter nichts Auffallendes drin, wenn sich mehrere Wurzelfäden, die räumlich getrennt aus dem Rückenmark austreten, zu einem abnormen Strang vereinigen würden. Wenn nun der konkrete Fall hiervon noch darin abweicht, dass es zur Bildung eines ausgesprochenen Ganglions kommt, so scheint mir auch das leicht verständlich zu sein, wenn wir annehmen, dass es sich, wie in den Ner- ven, so auch in den Ganglien mehr um ein räumliches Aneinanderlagern der einzelnen histologischen Bestandtheile (Ganglienzellen) handelt, dass also Gan- glion eben so wie Nerv eine anatomische, aber keine physiologische Einheit bildet. Kleinere Mittheilungen. 683 Einen Anhaltspunkt gewähren uns hier die Beobachtungen über sogenannte Ganglia aberrantia, wie sie Hyrrz (Neue Beobachtungen aus dem Gebiete der mensch- lichen und vergleichenden Anatomie; Med. Jahrbücher des k. k. österr, Staates XIX 1836 pag. 449) an den hinteren Wurzeln der oberen Cervicalnerven, so ‘wie diejenigen über zwei- und dreifache Theilungen der Intervertebralganglien, wie sie Davina (Über Multiplieität der Lumbal- und Sacral- Spinalganglien. Centralbl. f. d. med. Wiss. 1880 Nr. 26) an den Lumbal- und Spinalnerven beobachtet haben. Wie dort einzelne Wurzeln ihr eigenes Ganglion bilden, oder die Wurzeln eines Nerven nicht ein sondern mehrere Spinalganglien bilden, so können eben so gut hier eine Anzahl Wurzeln, die zwei verschie- denen Nervengebieten angehören, ein gemeinschaftliches Ganglion bilden. Den Vorgang, der zur Bildung dieses accessorischen Spinalnerven führte, . hätten wir uns also folgendermaßen vorzustellen: Eine Anzahl Wurzelfäden, die theils dem Gebiete des elften, theils dem des zwölften angehören, haben sich an einander gelagert, verlaufen so eine Strecke lang gemeinsam und tren- nen sich dann wieder, um sich in normaler Weise zu ihrem Endgebiete zu begeben. Die Wurzelfäden bilden dabei Ganglia aberrantia, welche sich, ein echtes Ganglion spinale vortäuschend, zu einem großen Ganglion aberrans ver- einigt haben. — Möglicherweise ist auch die Verschmelzung der Ganglia aber- rantia das Primäre gewesen, hat den ersten Anstoß zur Bildung des anscheinend selbständigen Spinalnerven gegeben. Wenn wir zugeben, dass so weit die Entstehung der hier vorliegenden Ab- weichung unschwer verständlich ist, so bleibt nur das eine zurück, dass ein solches Gebilde eine besondere Duralscheide besitzt. Nach dem aber, was wir über die Entwicklungsgeschichte des Duralsacks, der ja nur eine sekundäre und spät auftretende Bildung darstellt, wissen, können wir wohl behaupten: bei der Bildung eines eigentlichen Duralsacks musste dieser accessorische Nerv nothwendig eben so wie die übrigen Spinalnerven eine gesonderte Scheide er- halten. Mag diese Erklärung nun genügend erscheinen oder nicht — eine er- schöpfende könnte uns nur die, bisher aber noch zu wenig festgestellte Ent- wicklungsgeschichte dieser Gebilde geben — immerhin bleibt das Vorkommen einem derartigen accessorischen Spinalnerven sehr interessant. Das Riickenmark ist bis jetzt viel zu wenig untersucht, als dass wir einen genauen Überblick über die dort vorkommenden Varietäten hätten — wie ich in einer demnächst erscheinenden Arbeit zeigen werde, variiren die Verhältnisse des Rückenmarks in viel weiteren Grenzen, als man gemeiniglich anzunehmen geneigt ist. Hof- fentlich hat diese Mittheilung den Erfolg, die Aufmerksamkeit der Anatomen auf diese Frage zu lenken; nicht nur, dass weitere Beobachtungen um so wiinschenswerther sind, als die vorliegende bis jetzt vollständig isolirt dasteht, es werden ‘vielleicht auch Andere glücklicher sein als ich und an einer voll- kommen frischen Leiche Gelegenheit haben, die einschlägigen Verhältnisse makroskopisch und mikroskopisch genau studiren zu können. Heidelberg, 18. December 1852. Anzeige. BAUME, ROBERT Dr., Versuch einer Entwicklungsgeschichte des Ge- bisses. Mit 97 Holzschnitten. 8. Leipzig (ArrHur FELIx) 1882. (IV. 308 $.) Das vorstehende Buch bildet den ersten Theil der »Odontologischen For- schungen« des Verfassers und beansprucht unsere Aufmerksamkeit. Die einlei- tenden Kapitel bringen uns zwar neben vielem Richtigen auch Anderes entgegen, wozu dem Verfasser von kompetenter Seite kaum Zustimmung zu Theil werden wird, allein sie zeigen doch den erfreulichen Versuch einer Vertiefung seines Stu- diums der Zahnbildungen. Von den irrigen Argumentationen sei nur die Ableitung des Hautskelets der Selachier aus einem Zerfalle von großen Panzerplatten er- wähnt , wozu der Verfasser durch paläontologische Gründe verleitet wurde. Viel befriedigender sind die folgenden Kapitel, in denen Verfasser eine verglei- chende Darstellung des Gebisses der Wirbelthiere giebt, mit ausführlicher Be- handlung des Gebisses der Säugethiere. Mit Recht stützt sich der Verfasser überall auf die Entwicklungsgeschichte. Hier begegnen wir manchen neuen An- gaben, die aller Beachtung werth sind. Der Vorstellung der Bildung von Zahn- serien, wie solches in dem Begriffe einer ersten und zweiten Dentition ausge- drückt wird, tritt der Verfasser entgegen, indem er die Gebissanlage als eine einheitliche darstellt. Beiderlei Zahnanlagen sprossen nicht, wie es bisher fast allgemeine Annahme war, von einander, so dass von der Anlage der Milchzähne jene der bleibenden Zähne hervorgehen, sondern beiderlei Zahnanlagen entstehen neben einander, wie es auch bei niederen Wirbelthieren sich trifft. Auch die verschiedenartige Kombination von » Milchzähnen« mit »bleibenden«, über- haupt die so ganz mannigfaltige Rolle, welche beiderlei Zahnbildungen in den Gebissen der einzelnen Ordnungen der Siiugethiere zukommt, begründet die Nothwendigkeit einer Umgestaltung unserer bisherigen Vorstellungen, die viel zu einseitig vom Gebisse des Menschen ihren Ausgang nahmen. Auch über die Zahnformen und ihre Wandelungen finden wir viele treffende Be- merkungen, so dass wir das Buch als ein in hohem Grade anregendes, be- sonders die Erkenntnis und das Verständnis des Gebisses der Säugethiere for- derndes bezeichnen können, wie es denn auch das erste ist, in welchem diese Organe eine genetisch zusammenhängende Darstellung erfahren. C. G. Druck von Breitkopf & Hartel in Leipzig. 4 Fy ‘ 7 N f ART. in M ; u Na BR eva q \y \ | nr | ; ap : ii By i? at il oe i al) | in i ~ a) Norphologische: JUN 12 1964 MAK 3 252 eS | wF RI == Mii 00130340