Morphologische Arbeiten. Herausgegeben Dr. GtistaY Sclnnralbe, 0. 5. Professor der Anatomie und Director des anatomischen Instituts an der Universität zu Strassburg i/Els. DRITTER BAND. Mit 22 Tafeln und 98 Abbildungen im Text. Jena, Verlag von Gustav Fischer. 1894. Inhaltsübersicht. Erstes Heft. Seite Keibel, Dr. med. Franz, Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweins (Sus scrofa domesticus). Mit Tafel I — VI u. 29 Abbilduno-en im Text . . 1 Zweites Heft. Zaieski , Karl , Untersuchungen über die Vertheilung der Blutgefässe an der menschlichen Wirbelsäule. Mit Tafel VII— IX 141 Röse, Dr. med. C, Ueber den Zahnbau und Zahnwechsel von Elephas indicus. Mit Tafel X u. 11 Abbildungen im Text 173 Röse, Dr. med. C, Ueber die Zahnentwicklung der Crocodile mit 45 Abbil- dungen im Text 195 Hoyer, Dr. H., Ueber den Bau der Milz, Mit Tafel XI und XII 229 Mettenheimer, Dr. H., Ein Beitrag zur topographischen Anatomie der Brust-, Bauch- und Beckenhöhle des neugeborenen Kindes. Mit Tafel XIII — XVII 301 Drittes Heft. Gaupp, Dr. E., Beiträge zur Morphologie des Schädels. II. Das Hyo-Branchial- Skelett der Anuren und seine Umwandlung. Mit Tafel XVIII u. XIX u. 1 Abbildung im Text 399 Bauer, Konrad, stud. med., Beiträge zur Kenntniss der Talgdrüsen der mensch- lichen Haut. Mit Tafel XX— XXII u. 1 Abbildung im Text .... 439 Schwalbe, G. u. Pfitzner, W., Varietäten-Statistik und Anthropologie. Dritte Mittheilung 459 Schwalbe, G., Ueber eine seltene Anomalie des Milch-Gebisses beim Menschen und ihre Bedeutung für die Lehre von den Dentitionen 491 2I'^4-^ ■ > O X 1 S 1 1^1 li =31 • - 13 fi 3S a> S-Q- o cj.S A O^ o 03 H Q O P ,^ o c3 fl .2 15 E E cd o cd E E cd •1^ CO •25o o S ja o S J « ■'s» ^}f! 2 08. I uaSoa^ »,5 2 EH o u o © — ^ H-< CJ O io > o a d d =« £3 M S" ' — * ». upo oSi\o uBoog; I 8 Dr. med. Franz Keibel. fact is becomin^ more acd more evideDt. the near affinity of the early Primates, Carnivores, Ungulates aud Rodents, with each other and with Insectivores and more remotely with the Marsiipials." Es wird also durch die allerneuesteu Forschungen die alte Annahme bestätigt, dass der Stamm der Säuger erst im Tertiär zu voller Blüthe und zu seiner vielgestaltigen Ausbildung kommt. Dem heutigen Stande der Frage dürfte wohl, soweit die Paleontologie in Frage kommt, der Stammbaum der Mammalier in den Elementen der Paläontologie von Steinmann und DOEDERLEIN S. 822 entsprechen, der auf Seite 7 wiedergegeben ist. Der Stammbaum deutet an, wie sich schon im unteren Eocän die Charaktere der Vorfahren, der Primaten und Ungulaten ausserordentlich nähern. Erst im oberen Eocän spaltet sich der Stamm der Artiodactyla non ruminantia (Flusspferd und Schweine) von den Artiodactyla rumi- nantia. Dabei kann es wohl kaum zweifelhaft sein, dass die Art. non ruminantia die ursprünglicheren Charaktere bewahrt haben, und dass die Vorfahren der heutigen Wiederkäuer aus den heutigen nicht wieder- käuenden Artiodactylen ähnlichen Formen hervorgegangen sind. ') Unter den heute lebenden Art. non ruminantia ist das Schwein, Sus, 4 3 o 5 - 1 P ~A ^ "ö~) wie nach dem Bau des Skelets (vorzüglich der Extremitäten) und des Verdauungs- tractus als verhältnissmässig ursprünglich zu betrachten. Auch ist die Gattung Sus alt ; sie findet sich in Europa seit dem Obermiocän. Eine Zusammenstellung des Stammbaumes der Suidae nach paläontologischen Forschungen giebt DOEDERLEIN. S. 796. 3 1 jedenfalls sowohl nach Gebiss (i -^; c ~ Afrika Indien Europa Nordamerika Südamerika Quartär Phacochoerus Babirusa 1 i Sus Sus S US Dicotylea — Dicolyles Pliocän Sus Listriodon 1 Sus Platygc Di )nus coty] es Miocän Listriodon Hyotberium Sua Listriod. 1 Hyother um Bothr olabis Oligocän Hyott Ceboc eri Il0( um ;rns —Hyot ler.? •) Vergl. GAUDRY , A. , Les enchainements du monde animal dans les temps geologiques. Mammiferes tertiaires. Paris 1878. Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 9 Nicht unerwähnt darf ich dann hier die Arbeiten von Schlosser^), COPE und KoWALEV.sKY lassen. Ich citire hier vor allen SciiLOiSSER, in dessen leicht zugänglicher Arbeit man die einschlägige Literatur bis 1886 findet. Nach Schlosser ist die von Cupe aufgestellte Ordnung der Condylarthra für uns von besonderer Wichtigkeit. Schl'■• med. Franz Keibel. manche Schnitte anderer Keimsclieiben in noch höherem Maasse erinnern an die van BENEDEX'sche Zeichnung, welche Hert\\ IG (46) in seinem Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte S. 114 Fig. 98 zur Darstellung bringt. In noch viel höherem Grade erinnert dann meine Fig. 6 an Hekt\vig"s Fig. 99, die der bekannten Arbeit von Spee (120) entnommen ist. Der Uebergang von dem Bilde Fig. 5 zu dem Bilde Fig. 6 voll- zieht sich ganz allmählich, indem von beiden Seiten die in Reih und Glied epithelialer Anordnung stehenden Ektoblastzellen gegeneinanderrücken und den zwischen ihnen gelegenen ungeordneten Zellpfropf in die Tiefe drücken. Es ist hierbei vor allem auf den feinen y förmigen Spaltraum aufmerksam zu machen, der sich in der Mitte der Mesoblastmasse be- findet. Von den Schenkeln dieses Spaltraums ist der eine der Ober- Hache der Keimscheibe zugerichtet, erreicht aber die (3bei-fläche der Keimscheibe nicht, weil in der Nähe der Oberfläche die beiden seitlichen Ektoblastlager schon zui' festen Aneinanderlagerung gekommen sind. Die beiden anderen Fortsätze des Spaltes gehen jeder eine Strecke seit- lich in den Mesoblast und theilen denselben so in eine dorsale und eine ventrale Masse. Es liegt nahe, in dieser Anordnung Beste einer typi- schen Coelombildung zu sehen. Doch komme ich auf die theoretischen Auseinandersetzungen über diese Frage an anderer Stelle zurück. Hier nur noch soviel, dass sich schon frühzeitig auch im seitlichen Mesoblast der Schweine-Keimscheiben eine Zellanordnnng nachweisen lässt, welche freilich, ohne dass ein wirklicher Spaltraum vorhanden ist, einer (Iruppi- rung in visceralen und jiarietalen Mesol)last zu entsprechen sciieint. Wenden wir uns jetzt vom Primitivstreifen zum Kopffortsatz, so giebt über dessen feinere Verhältnisse die Fig. 7 Auskunft. Eine kleine Zell- gruppe liegt hier frei zwischen Ektoljlast und Entoblast. Eine Bethei- ligung des Entoblast an der Bildung des Koj^ffortsatzes ist in diesem Stadium auszuschliessen. Somit hat also auch das Schwein — ebenso wie das Kaninchen, das Meerschweinchen und die Fledermaus — in frühen Stadien einen freien Kopffortsatz aufzuweisen. Eine theore- tische Würdigung dieser Verhältnisse habe ich ))ereits in meiner Arbeit über die Entwicklung der Ohorda (70) gegeben: sie sind gegen eine Be- theiligung des Entoblast an der Bildung der Chorda zu verwerthen. Die Abgrenzung des Kopffortsatzes nach vorn hat übrigens Schwierig- keiten, da sich auch in der mesoblastfreien Zone zwischen Ekto- derra und Entoderm vereinzelte Zellen finden. Immerhin kann man den Kopffortsatz, wie das auf der Reconstruction zur Darstellung ge- kommen ist, mit Sicherheit recht weit nach vorn verfolgen. — Einen Schnitt durch die mesoblastfreie Zone bildet Fig. 8 ab. Man sieht auf derselben auch die schon erwähnten vereinzelten Zellen, die in ihrem Character den Mesoblastzellen zuneigen. Der Entoblast ist einschich- tig; von einer Protochordalplatte im Sinne HuBRECirr's (62) konnte ich keine Andeutung finden; auch sonst wies nichts darauf hin, dass sich Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 19 dem Kopffortsatze vorn eine entoblastogene Fortsetzung anfügen solle, um so die entoblastogene Chorda zu bilden. — Verhältuissmässig schwierige Bilder über die Herkunft des Mesoblast giebt der Rand des mesodermfreien Bezirkes. Hier legt sich der Mesoblast zuweilen so dicht an den Entoblast an, dass der Anschein erweckt werden kann, der Mesoblast werde hier vom Entoblast ge1)ildet. Die rechte Seite von Fig. 7 zeigt eine solche Stelle. — Forscht man jedoch bei starken Ver- grösserungen genauer nach, so ergiebt es sich immer, dass dem nicht so ist. Zudem ergeben sich auch häufig schon auf den benachbarten Schnitten Bilder, wie auf der linken Seite von Fig. 8, wo die Tren- nung von Mesoblast und Entoblast an Deutlichkeit nichts zu wün- schen übrig lässt. Ein sorgfältiges Studium der Kt^rntheilungstiguren sprach übrigens gleichfalls durchaus gegen eine Betheiligung des Entoblast an der Mesoblastbildung. Als weiteres accessorisches Be- weismittel mag erwälmt werden, dass in meinen Schnitten der Meso- blast einen etwas anderen Farbenton zeigt als der Entoblast. ') Der Entoblast zeigt einen gelblichen Ton , der Mesoblast ist intensiv roth gefärbt. — Um dann schliesslich noch einmal auf die vereinzelten Meso- blastzellen zurückzukommen, welche mehr oder weniger weit von dem Rande der mesoblastfreien Zone und von den lateralen Rändern des Kopffortsatzes in die mesoblastfreie Zone vordringen, so würden manche Autoren versucht sein, auch diese vom Entoderm abzuleiten. Ich habe nie einen Befund gemacht, der zu einer solchen Annahme berechtigte ; dagegen last sich manches gegen eine solche Annahme anführen; der gaUze Habitus der Zellen, die sich dem Mesoblasttypus anschliessen, das Verhalten der Kerntheilungeu und schliesslich wohl auch die (Joelom- verhältnisse. Das Coelom, das ja sonst beim Säuger erst entfernt vom eigentlichen Bildungsort des Mesoblast deutlich und klar aus- gebildet auftritt, geht mehr oder weniger deutlich bis dicht ;in den Rand der mesodermfreien Zone heran. Versuchen wir jetzt eine gesonderte Characterisirung des Ektoblast, des Mesol)last und des Entoblast der vorliegenden Keimscheibe. Der Ektoblast besteht im vorderen T heil der Keimscheibe aus einer einschichtigen Ijage von Gylinderzellen, deren Kerne aber nicht alle in gleicher Höhe liegen, so dass eine in der That nicht vorhandene mehr- fache Schichtung vorgetäuscht werden kann. Dicht neben dem Rande der Keimscheibe ist der Ektoblast ein wenig verdickt und fällt am Rande selbst ziemlich steil gegen den ganz dünnen Ektoblast des Eies ab. Noch auffallender al)er als die Dickeudifferenz ist ein ganz plötzlich auf- tretender Farbenunterschied. Während der Ektoblast der Keimscheibe einen ziemlich satten, rothen Ton angenommen liat, aus dem die in *) Die betreffende Serie war vor dem Eindecken in Canadabalsam ganz kurz mit absolutem Alkohol und Xylol , in welchem etwas Picrinsäure gelöst war. be- handelt worden. 2* 20 J^i". med. Franz Keihel. Ruhe betindlichen Kerne nur wenig hervortreten, zeigt der ausser- embryonale Ektoblast ein dunkelgelbes Protoplasma mit rosa Kernen. Im Bereich des Kopffortsatzes ist der Ektoblast in der Mitte nicht nur, wie schon hervorgehoben, vorgewölbt, sondern auch verdickt. Die abweichenden Verhältnisse des Ektoblast im Bereiche der Pri- mitivrinne siudschongeschildert, aber auch nach dem Rande bin verhält sich hier der Ektoblast anders als im vorderen Bezirk ; er geht ziemlich allmählich ohne Randverdickung in den ausserembryonalen Ektoblast über, aber auch hier ist die verschiedene Farbenreaction scharf ausgesprochen. Bei der Characterisirung des Meso})last sei hervorgehoben, dass der- selbe in diesem Stadium durchaus keinen meseuchymatischen (Jharacter zeigt, weder in der Keimscheibe selbst noch ausserhalb derselben. Im ausserembryonalen Bezirk, dort, wo der ]\1 esoblast in Körperseitenplatte und Darmseitenplatte gespalten ist, bestehen beide Mesoblastplatten aus weit ausgezogenen Zellen, die zu dünnen Häutchen verbunden sind. Ueberall dort wo ein Kern liegt, zeigt sich eine Hervorwölbung. Meist ist der Mesoblast bis unmittelbar an seine Peripherie gespalten, stellen- weise finden wir al^er auch, dass noch vereinzelte Zellen sich weiter peripher zwischen Ektoblast und Eutoblast einschieben, ja zuweilen ist ein Zusammenhang zwischen diesen Zellen und der Haujitmasse des Mesoblast nicht nachzuweisen. Trotzdem ist es hier ganz zweifellos, dass auch diese Zellen zum übrigen Mesoblast gehören und nicht etwa an Ort und »Stelle entstandene Abkömmlinge des Eutoblast sind. Es ist übrigens au'^h möglich, dass diese Zellen in der That gar nicht so ver- einzelt sind als es den Anschein hat, sondern dass sie durch lang aus- gezogene Protoplasniabrücken mit dem übrigen Mesoblast zusammen- hängen. Solche Verbindungen entziehen sich, wenn sie in den Bereich mehrerer Schnitte fallen der Beobachtung. Der Eutoblast ist überall im Bereich der Keimscheibe verdickt. Vor dem Pj-imitivstreifen ist er ein- schichtig und auch im Primitivstreifengebiet nur stellenweise (vergl. Fig. 5 und 6) zu zwei Schichten verdickt. Der ausserembryonale Eutoblast ist sehr dünn, auch beim Entoblast ist der Ilebergang von dem embryonalen zum ausserembryonalen Bezirk deutlich ausgesprochen. Sowohl die Gestalt der Zellen (vergl. Fig. 8) ist verändert als auch ihre Tinctionsweise ; denn den ausserembryonalen Entoblastzellen kommt ebenso wie den ausserembryonalen Ektoblastzelleii eine gelbliche Tönung zu. Freilich ist hier der Farbenunterschied weniger ausgeprägt, da auch schon im Keim Scheibengebiet der Entoblast einen leichten Anflug von Gelb hat. Im Randgebiete des vorderen Theils der Keimscheibe zeigt sich, wie schliesslicli noch erwähnt sein mag, im Entoblast eine Falte, die unzweifelhaft präformirt ist (vergl. Fig. 8). Eine Tabelle über die Zahl und die Vertheilung der Kerutheilungen mag hier folgen (S. 24). Diese Tabelle zeigt für jeden Schnitt an : die Menge der Kerutheilungen im Ektoblast, im Mesoblast und im Eutoblast der Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 21 ganzen Keimscheibe; dann die Anzahl der Kerntheihingen in der Primitiv- streifengegend, auch diese nach den 3 Keimblättern geordnet; dann die Kerntheiliingsverhältuisse im Gebiet der mesodermfreien Zone und schliess- lich die entsprechenden Verhältnisse in dem Gebiet des Kopffortsatzes. Da nun die laugen Zahlentabellen wenig geeignet sind, eine schnelle Uebersicht zu gewähren, habe ich auch eine andere Art der Darstellung versucht. Ich wählte eine graphische Darstellungsweise, die eine directe Beziehung auf die 50 fach vergrösserten Flächenconstructionen erlaubt. Die Länge der Absciase in der graphischen Darstellung entspricht der 50 mal vergrösserten Länge der Keimscheibe ; auf diese sind in ent- sprechenden Entfernungen % resp. ^/g .mm je nach einer Schnittdicke von 775 ofl^r V'^Q^ mm Ordinaten eingetragen, deren Höhe zu der An- zahl der in jedem Schnitt vorhandenen Kerntheilungen in festem Ver- hältniss steht. Bei den Y^- mm geschnittenen Serien entspricht die Höhe von je "% mm einer Kerntheilung, von den Vioo geschnittenen Serien die Höhe von je V2 i^im. Auf diese Weise sind alle Darstellungen direct auf einander zu beziehen. Aus praktischen Rücksichten wurden diese graphischen Darstellungen zunächst in doppelter Grösse hergestellt und dann verkleinert.') Die Resultate, welche mau von derartigen Unter- ') Die Rechnung stellt sich so: Wenn bei einer Schnittdicke von */ioo »^ni jede Kerntheilung mit '/a mm Abscisse bewerthet wird, so muss eine Ken theilung in 1 mm mit '/»oo bewerthet werden, in '/^r, mm mit ''/s; umgekehrt, wenn man bei einer Schnittdicke von Vi 00 mm die Schnitte in Abständen von ^U mm einzeichnet, so muss man Schnitte von 1 mm mit 50 bewerthen , Schnitte von '/tr mit ^/.,. Es giebt übrigens noch eine genauere Methode, die Menge und Vertheilung der Kern- theilungen einzuzeichnen. Ausser den im Text besprochenen Mängeln, die jeder der- artigen Methode anhaften werden, hat die angewandte Methode noch den Mangel, dass die Grösse des Schnittes nicht berücksichtigt wird. So werden bei den gra- phischen Darstellungen, die die ganze Keimscheibe berücksichtigen, die Kern- theilungen der Schnitte zu Anfang und zu Ende zu gering bewerthet. Man könnte dem so abhelfen, dass man die Fläche der graphischen Reconstruction in eine An- zahl gleicher Quadrate theilt und nun durch Vergleichung mit den Schnitten die Anzahl der Kerntheilungen in diesen einzelnen Quadraten ermittelt ; man könnte ja dann die entsprechenden Zahlen in die betrett'enden Quadrate eintragen. Wollte man dann graphische Darstellungen mit Ordinate und Abscisse , so dürfte man immer nur Streifen von überall gleicher Breite berücksichtigen. Diese Forderung triift übrigens annähernd für meine Darstellung der Kernvermehrung im Kopffort- satz und Primitivstreifen zu. Will man noch weiter in der Präcision gehen , so müsste auch die dritte Dimension berücksichtigt werden; man würde also auch die Dicke des Ektoderms, Mesoderms und Entoderms in den einzelnen Bezirken der Keimscbeibe berücksichtigen müssen. Erst nach Abschluss der umfangreichen Zählungen und nach Anfertigung der graphischen Darstellung fiel mir eine Methode ein, die um vieles exactere Resultate ergeben muss. Man füge in das Ocular des Mikroskopes ein in Quadrate getheiltes Ocularmicrometer ein und bestimme nun die Anzahl der Kerntheilungen in Bezug auf die Quadrate. Durch die gleiche Methode erhalten wir eine Uebersicht darüber, ob die Zellen sich bei fortschreitender Entwicklung verkleinern oder gleich gross 22 Dr. med. Franz Keibel. suchiiugen erwarten kann, mögen gleich hier in Kürze angedeutet werden. Solche Untersuchungen scheinen mir eine unerlässliche Vorbedingung, wenn man einen genaueren Einblick in die Wachsthumsenergien im Ge- biet einer Keimscheibe gewinnen will. Doch kommt die Wachsthums- energie und ihre Vertheilung durchaus nicht ohne weiteres in diesen Tabellen und graphischen Darstellungen zum Ausdruck, denn mit der Energie des Zellvermehrungsprocesses und der eventuellen morphologischen Ausgestaltung braucht die Energie des Wachsthums nicht uothwendig Hand in Hand zu gehen. ^) Nur dann, wenn die Zellen immer wieder zur gleichen Grösse anwachsen, bevor sie sich von neuem theilen, kann man das annehmen. Auch da Avird mau voraussetzen müssen, dass die Zellen des ganzen Bezirks, den mau untersucht, gleich gross sind, oder man wird immer ganz entsprechende Bezirke berücksichtigen müssen. Bis zu einer derartigen Vollkommenheit, die es erlauben würde, die Wachsthumsenergie direct abzulesen, habe ich meine Methode aus prak- tischen Gründen nicht durchgebildet. Es würden dazu gehören ausgedehnte genaue Messungen der Zellgrössen und eine Vergleichung der gewonnenen Maasse in den verschiedenen Entwickelungsstadieu. Solche Messungen lassen sich aber abgesehen von dem ungeheuren Zeitaufwande an Schnitt- serien schwer durchführen. Zunächst thut das Messer uns nicht den Ge- fallen, die einzelneu Zellen ganz zu lassen, und was noch schlimmer ist : es ist den Schnitten optisch nicht möglich, die einzelnen Zellindividuen zu isoliren. Einfacher würde die Sache liegen, wenn man nur die Kerne zu berücksichtigen brauchte, was vielleicht für diese frühen Zustände der Entwicklung zulässig ist, wenn man immer nur die Kerne der einzelnen Keimblätter mit einander vergleichen würde. Später kann man aus der Kerngrösse durchaus nicht immer auf die Zellgrösse schliessen. Nach einigen fruchtlosen Versuchen bin ich schliesslich aber doch noch zu einer brauchbaren Methode gekommen. Ich bestimmte (vergl. Anm. z. S. 21) die Kernanzahl in gleichen Raumtheilen von Zellcomplexen (Ektoderm, Mesoderm, Entoderm). Dehnt man diese Unter- suchungen auf genügend viele Raumeinheiten aus, so bekommt man brauchbare Durchschnittszahlen für den Volumgehalt der Zellen und bleiben. Einer gleichen Anzahl von Kernen entspricht immer eine gleiche Anzahl von Zellen. Sind in gleich viel Quadraten (natürlich bei gleicher Schnittdicke) gleich viel Zellkerne, so ist die Zellgrösse die gleiche geblieben, finden sich mehr Kerne, so hat die Zellgrösse abgenommen, und umgekehrt. Diese Methode giebt sichere Resultate, sobald man eine genügende Anzahl von Quadraten durchzählt. Ich versuchte sie noch nachträglich in Anwendung zu bringen, scheiterte aber bis dahin an der Langwierigkeit der Ausführung. Besonders wurde die Untersuchung bei meinen Objecten dadurch erschwert, dass ich die Zählung der Kerne mit der erwünschten Genauigkeit nur mit einem Immersionssystem erreichen konnte, wo- durch dann der Abschluss der Arbeit auf lange Zeit in Frage gestellt worden wäre. *) Vergleiche meine Arbeit: Zur Entwicklungsgeschichte der Chorda. S. Arch. f. Anat. u. Phys., Anat. Abth. 1889. S. 24—26. Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 23 kann durch Vergleichung desselben in verschiedenen Stadien ihr Wachs- thum recht genau bestimmen. Leider war es mir nicht mehr möglich, auch diese Untersuchungen noch zum Abschluss zu bringen, und ich zweifle, ob mir das bei dem vorliegenden Material überhaupt gelingen wird. Für diesmal muss ich mich mit den hier gegebenen Tabellen und graphi- schen Darstellungen Tafel VI Kg. 52 — 56 bescheiden, durch die denn frei- lich nicht die Wachsthumsenergie in den verschiedenen Bezirken des Keims, sondern nur die Intensität der Kernvermehruug erhellt ; es ist also nicht das erstrebte Endziel, sondern nur eine Etappe erreicht. Im Anschluss an diese Bemerkungen mögen einige Fehlerquellen hervorgehoben werden, welche in anderer Beziehung den Werth derartiger Untersuchungen be- einträchtigen. Zunächst ist es nicht gut möglich, eine ganz scharfe Grenze zwischen ruhenden Kernen und Kernen in Theilung zu ziehen. Es liegt hierin freilich weniger eine Gefahr für die Vergleichbarkeit der Tabellen des einzelnen Autors, aber wohl ein schwer zu überwindendes Hinderniss, wenn man daran wird gehen wollen, die Resultate ver- schiedener Autoren zu vergleichen. Wenn auch der einzelne Autor wohl annähernd immer mit gleichem Masse messen dürfte, so dürfte es doch schwer sein, eine allgemeine Uebereinstimmung herbeizuführen. Ein zweites Hinderniss ergiebt sich auch für jeden Einzelnen, der derartige Tabellen aufstellt. — Man kann zwei Kerntheilungsfiguren neben einander constatiren ; ein genaues Nachsehen ergiebt aber, dass es sich um zwei nebeneinanderliegende Tochterknäuel handelt, die in der Umbildung zu ruhenden Kernen begriffen sind. Sind diese Kerntheilungen doppelt zu zählen ? Wenn man einzig theoretische Gründe zur Entscheidung heranzieht wohl nicht, denn beide Kerne sind nur der Beweis für eine Kerntheilung. Ich habe solche Kerne aber dennoch doppelt gezählt und, zwar aus der Ueber- legung, dass sie ja ebensogut in zwei Schnitten hintereinander, wie in einem Schnitte nebeneinander liegen können ; so ist denn wenigstens über- all mit gleichem Masse gemessen. Weitere Schwierigkeiten geben dann angeschnittene und durchgeschnittene Kerntheilungen. So haben Avir also eine Reihe von Fehlerquellen, welche den Werth von Tabellen und Darstellungen, wie ich sie hier vorlege, beeinträchtigen, sie aber doch wohl nicht werthlos machen, da es ja weniger auf die po- sitiven Zahlen, als auf das Verhältniss der Zahlen in den verschiedenen Rubriken zu einander ankommt und man wohl annehmen darf, dass die Fehlerquellen bei Zählungen desselben Autors in allen Rubriken an- nähernd gleich stark wirken werden. 24 Dr. med. Franz Keibel, Keimsch eil be Nr 1. Schnittdicke V,5 . Serien- Reihen- - j[ : 1 nummer 49 nummer des Schnittes Keim- scheibe Primitiv- streifen Meso- blastfreie Zone Kopffortsatz 1 Serien- bezeich- vom Beginn der Keim- scheibe an ge- rechnet ^ es :3 ^ N 3 _2 nung des Schnittes a 0 s a <0 a a TS 0 'S m a TS 0 Kl e a a 3 g lg TS , -TS 0 ! 0 M . ö a a 3 a| t3 0 -SM "es m kl 0 w aj a 0) 1 3 CO 3. I. 2 I I I 2 3- I- I 2 4 — I 5 1 2. 3. io 3 3 — — 3 2. 3- 9 4 I I — 2 5 — 5 2. 3. 8 5 2 — 2 4 2 2 2. 3- 7 6 4 — — 4 2 — 2 2. 3- 6 7 3 — — 3 3 — 3 2. 3- 5 8 — 3 3 6 2 2 2. 3- 4 9 2 I 2 5 I I 2 2. 3- 3 IO 2 — — 2 — — — 2. 3- 2 II 2 — I 3 I I 2 2. 3- I 12 3 — — 3 2. 2. 12 13 6 — I 7 5 — 5 2. 2. II 14 4 — I 5 2 — 2 2. 2. lO 15 5 — 3 8 3 2 5 2. 2. 9 16 3 — — 3 I — I 2. 2. 8 17 4 — — 4 4 — 4 I — — I 2. 2. 7 18 6 — 2 8 3 I 4 I — — I 2. 2. 6 19 7 — — 7 4 — 4 I — — I 2. 2. 5 20 4 — I 5 2 I 3 — — — — 2. 2. 4 21 4 — — 4 4 — 4 — — — — 2. 2. 3 22 4 — 3 7 2 — 2 I — 3 4 2. 2. 2 23 4 — — 4 3 — 3 — — — — 2. 2. I 24 3 I 2 6 — — I 2 3 2. I. II 25 5 — — 5 I — I 2 — — 2 2. I. IO 26 5 — 2 7 2 2 4 I — — f 2. I. 9 27 7 I 3 11 I I 2 4 I 2 7 2. I. 8 28 II 2 2 15 2 I 3 6 I I 8 2. I. 7 29 4 — — 4 2 2 2. I. 6 30 5 2 — 7 — I I 2. I. 5 31 5 2 — 7 — I I 2. I. 4 32 5 I — 6 — — 2. I. 3 33 6 2 I 9 2 I I 4 2. I. 2 34 7 — — 7 — — 1! — 2. I. I 35 4 — — 4 I — ii I I. 3- II 36 10 — — 10 2 — — \ 2 I. 3. IO 37 4 I — 5 I — — I I- 3. 9 38 5 2 — 7 I I ~'i "" I. 3- 8 39 6 3 — 9 2 2 -il 4 I- 3- 7 40 4 — 3 7 I — I 2 I. 3- 6 41 4 I I 6 — — — — I- 3- 5 42 4 I 2 7 I — — I I- 3. 4 43 7 4 2 13 I 4 I 6 I. 3- 3 44 3 I — 4 — ^- — — I. 3- 2 45 3 I — 4 I — — I I. 3- I 46 6 2 — 8 5 I — 6 1 I. 2. II 47 4 I — 5 3 — — 3 1 I. 2. IG 48 5 2 I 8 4 I i|' 5 I. 2. 9 49 7 — I 8 5 — _!! 6 I. 2. 8 50. 2 — — 2 — — — I — I. 2. 7 51 3 — — 3 2 — — 2 1. 2. 6 5* — — — — Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 25 Im Anscliluss an die Tabelle wollen wir noch einen Blick auf die ent- sprechenden graphischen Darstellungen werfen. Betrachten wir die graphische Darstellung der gesammten Kerntheilungen in der Keimscheibe (Fig. 52), so sehen wir die Kerntheilungen ziemlich allmählich ansteigen bis zum vorderen Ende des Primitivstreifens und dort ihr Maximum erreichen. Im Bereich des Primitivstreifens ist dann die Zahl der Kerntheilungen in der gesammten Keimscheibe ziemlich hoch und fällt gegen den hinteren Rand der Keimscheibe stark ab. Wenden wir uns zu der Vertheilung der Kerntheilungen in den einzelnen Keimblättern, so sehen wir mit einem Blick, dass das Ektoderm den Löwenantheil hat. Die Vertheilung der Kerntheilungen im - Ekto- derm ist dabei dieselbe, wie wir sie schon für die Gesammtkeimscheibe charakterisirt haben. Der Antheil, den das Ektoderm an den Kern- theilungen hat, ist eben so überwiegend, dass er fast allein die Gestalt- ung der Curve für die Gesammtkeimscheibe bedingt. Im Mesoderm finden wir nach der graphischen Darstellung Kerntheilungen wesentlich im hinteren Theil der Keimscheibe, soweit dieselbe vom Primitivstreifen durchzogen ist, und umgekehrt liegen die Kerntheilungen des Entoderm vorwiegend in dem Gebiete der Keimscheibe vor dem Primitivstreifen. Die sehr geringe Zahl der Kerntheilungen im Mesoderm vor dem Pri- mitivstreifen darf übrigens nicht auffallen, da hier ja die grosse mesoderm- freie Zone liegt. Von den übrigen Befunden ist die geringe Anzahl der Kerntheilungen, die das Entoderm im Bereich des Primitivstreifens auf- zuweisen hat, hervorzuheben. Keimscheibe 2 (R 2). (Sammlungsnummer 51. Bez. S. s. I 4 b.) Eine zweite Keimscheibe, die wir hier näher betrachten wollen, ist, wie ein Blick auf die graphische Reconstruction (R 2) lehrt, zwar nicht unwesentlich grösser, aber im grossen und ganzen noch auf dem gleichen Entwicklungsstadium, wie unser jüngstes Stadium. Sie stammt von dem gleichen Mutterthiere. dem sie natürlich zu gleicher Zeit, also 14 Tage 6 Stunden nach der Copulation, entnommen wurde. Ausser der graphi- schen Reconstruction möge man bei der folgenden Beschreibung die in den Fig. 9 a — 1 dargestellte Schnittreihe im Auge behalten. Die grösste Länge der graphischen Reconstruction beträgt 58 mm (umgerechnet 1,16 mm), die grösste Breite 45 mm (0,9 mm). Auch bei dieser Keim- scheibe reicht der Primitivstreifen bis unmittelbar an das Hinterende. Die Länge des Primitivstreifens beträgt 39 mm (entspr. 0,78 mm). Auf dem vorderen Theile des Primitivstreifens findet sich eine Primitivrinne. Dieselbe beginnt 3 mm (entspr. 0,06 mm) vom vorderen Ende des Primi- tivstreifens entfernt, ihre Länge beträgt 19 mm (entspr. 0,38) und sie er- 26 Dr. med. Franz Keibel. reicht 11 mm (entspr. 0,22 mm) vom hinteren Rande der Keimscheibe ihr Ende. Der mesodermfreie Bezirk hat etwa dieselbe Gestalt, wie im vorigen Stadium. Seine grösste Länge beträgt 9 mm (entspr. 0,18 mm), die grösste Breite 20 mm (entspr. 0,4 mm). Die Grenze des Coeloms fällt bis auf einen kleinen Bezirk am hinteren Ende der Keimscheibe mit dem Keimscheibenrande zusammen. Hinter der Keimscheibe finden sich uocli 6 mm (entspr. 0,12 mm) ungetheilter Mesoblast. Die vordere periphere Grenze des Mesoblast liegt 66 Schnitte vor der vorderen Grenze der Keimscheibe, also nahezu 1 mm (genau 0,88), Ganz nahe bis au diese Grenze dehnt sich auch das Coelom peripher aus. Hinten reicht der Mesoblast 127 Schnitte über den Keimscheibenrand hinweg. Das Coelom verschwindet erst 4 Schnitte vor dem Aufhören des Mesoblast. Von dem Mesoblast ausserhalb der Keimscheibe mag sonst noch bemerkt Averden, dass sowohl sein viscerales, wie sein parie- tales Blatt einschichtig ist. Der Character dieser beiden Lagen ist aber etwas verschieden , da die Mesoblastzellen , welche dem Entoderm auf- liegen, vollsaftiger erscheinen als die dem Ektoderm angelagerten Zellen, deren Protoplasmaleib ausserordentlich dünn ist. Das Entoderm des ausserembryonalen Bezirks ist übrigens auch seinerseits, soweit der Mesoblost reicht, verdickt und fällt dann ziemlich stark ab, um die ganz dünne Zelltapete zu liefern, welche das übrige Ei auskleidet.^) Kehren wir zur Keimscheibe zurück, so können wir da vor allem als einen wesentlichen Fortschritt gegen das vorige Stadium constatireu, dass der Kopffortsatz mit dem Entoderm verschmolzen ist. Die meso- dermfreie Zone ist freilich grösser als im vorigen Stadium, aber weniger scharf begrenzt ; auch haben die Zellen, welche sich zwischen Ektoderm und Entoderm finden, beträchtlich an Zahl zugenommen. Trotzdem er- scheint es in diesem Falle leichter, die Spitze des Kopffortsatzes zu bestim- men, weil die Anlagerung desselben an den Entoblast stattgefunden hat. Eine Hindeutung darauf, dass der Entoblast an irgend einer Stelle Mesoderm- zellen producirt, habe ich nicht finden können. Trotzdem jede einzelne Kerntheilungsfigur genau beachtet wurde, fand sich doch nur in einem Schnitte eine Kerntheilung, die auf den ersten Blick dafür zu sprechen schien, dass der Entoblast Zellen für den Mesoblast liefert. Ich habe die betreffende Stelle in Fig. 11 abgebildet. Ein sorgfältiges Studium hat mir aber gezeigt, dass auch diese Stelle sich nicht als Beleg für die Bildung des Mesoblast aus dem Entoblast aufführen lässt. Die feineren Verhältnisse im Primitivstreifengebiet entsprechen im wesentlichen den bei der Keimscheibe 1 beschriebenen Verhältnissen. *) Es werden diese Verhältnisse durch Fig. 19 dargestellt, an der das ver- schiedene Verhalten der drei Keimblätter an der peripheren Grenze des Mesoblast ganz gut zu erkennen ist. Studien zur Eatwickluugsgeschichte des Schweines. 27 Das gilt besonders auch für das vordere Ende. Indem ich, um die Zahl der Abbildungen nicht zu sehr zu vermehren, darauf verzichte, diese Dinge bei stärkeren Vergrösserungeu darzustellen, verweise ich noch ein- mal auf die Fig. 9 a — 1. aus denen sich die Hauptsachen ja auch schon einigermaassen ergeben. Besondere Erwähnungen verdienen schliesslich dann noch Riesen- zellen im ausserembryonalen Bezirk des Entoderm. Entsprechende Ge- bilde finden sich übrigens, obwohl spärlicher, auch im ausserembryonalen Entoderm des Eies, welchem die Keimscheibe 1 (Nr. 49) angehört. Es mögen von diesen Biesenzellen hier zwei abgebildet werden. Beide scheinen sich in typischer, mitotischer Kerntheilung zu befinden. Da aber die Kerne durch mehrere Schnitte reichen, ist das genaue Stadium schwer zu bestimmen und vor allen Dingen in der Figur nicht zur Darstellung zu bringen. Um ein richtiges Verständniss für die Grösse dieser eigenthümlichen Zellen zu gewähren, sind auch ihre nächsten Nachbarn mit in die Zeichnung (Fig. IIa) aufgenommen worden. Die Zählung der Kerntheilungen ergab folgende Tabelle: Keim Scheibe Nr. 2. Schnittdicke ^L. Serien- Reiben- 1' nummer 51 Serien- nummer des Schnittes Keim- scheibe Primitiv- streifen Meso- blastfreie Zone Kop ffort satz bezeich- nung des vom Beginn der s i s Ü g s S a :3 00 a^s Schnittes Keim- scheibe n3 u TS Ol u t3 1 u 4) a T3 0 O) g an ge- rechnet 0 -U 0 00 0 a s 0 0 3 1 0 0 a 5b£l 3M S 'S 3 . -^ «5 S d 3 ' «2 ^ w CO 0 a . 5 2. 4- 15 I _ _ _ _ 2. 4 16 2 I — — I 2. 4 17 3 I 2 — 3 2. 4 18 4 I — I 2 1 2. 5 I 5 2 — — 2 2- 5 2- 5 2. 5 2 6 7 8 i I I 3 1 -5 4 2 2 _ — 2. 5 5 9 7 I — 8 2 — 2 2. 5 6 i 10 6 ^ 2 8 I — I 2. 5 7 ; II 3 2 — 5 3 — 3 2. 5 8 i ^^ 5 2 I 8 4 — 4 2. 5 9 13 6 2 — 8 4 — 4 2. 5 10 14 8 2 — 10 5 — 5 2. 5 II 15 6 — 2 8 5 I 6 2. s 12 16 4 I — ' 5 4 — 4 2- 5 13 17 4 I — 5 3 — 3 2. 5 14 18 6 — 2 8 3 2 5 2. 5 15 19 9 I 3 13 5 2 7 2H Dr. med. Franz Keibel. Serien- Reihen- 1 "■•" nummerBl Serien- nummer des Schnittes Keim- seheibe Primitiv- : streifen 1 1 Meso- blastfreie Zone Kopffortsatz bezeich- nung des Schnittes vom Beginn der Keim- scheibe an ge- rechnet S 4) 0 Mesoderm Entoderm Summe a « 0 tz3 B 0 TS 0 0 0 g g 1 ^ 5. I. 8 I p ' 1 j 5 I. 7 2 2 — — 2 •' 5 I. 6 3 I — — ;■ 1 5 I- 5 4 4 — — 4 5 1. 4 i 5 2 2 — 4 5 1- 3 6 2 — — 2 5 I. 2 7 3 , ' — 3 5 I. I 8 I 2 1 — i ^ 4 4. 2o 9 3I- — 1 3 4 4- 19 10 2 I — lä 3 4 4. iS II 3 I — !i 4 4 4. 17 12 3 I ~li 4' 4 4. 16 13 4 I -!l 5: 4 4- 15 14 4, — — ii 4I1 4 4. 14 15 7 2 — ii 9 4 4- 13 16 5 — -!' 5 4 4. 12 17 4 3 — 7 4 4. II 18 7 I 3 II 1 4 4 4. 10 4- 9 19 20 6 5 I I 2 9 I 7 4 4. s 21 6 — I 7 4 4- 7 22 II I I 13 4 4. 6 ~3 7 — I 8 4 4. 5 24 II — 3 14 4 4. 4 25 8 — — 8 2 — 2 4 4- 3 26 8 — -; 8|' 4 — 4 4 4. 2 27 IG 2 12 4 — 4 4 4. I 28 13 I - 14 3 3 4 3. 21 29 8 — — ; « 3 — 3 4 3- 20 30 9 2 I 12 3 I 4 4 3- 19 31 12 — 5 17' 3 3 6 4 3- I« 32 II 3 I 15 6 I 7 4 3. 17 33 II 2 3 1^' i i 6 1 7 4 3. 16 34 5 I 4 10 ' 4 2 6 4 3- 15 35 4 I 3 8 3 I ' 4 4 3- 14 36 8 3 I 12 4 I 5 0 4 3- 13 37 16 — I 17 ! 5 I 6 2 2 4 3. 12 38 13 3 2 18 1' 3 I 4 2 I r' 3 4 3- II 39 8 I 3 12 1' 2 — 2 4 4 3. 10 40 IG 2 2 14, ] — — 2 2 4 3- 9 41 II 4 3„i8i: I I ^ 2 4 3- 8 42 6 4 I II I 0 I 4 3- 7 43 12 3 I 16! 1 I 2 — 0 2 4 3. 6 44 14 4 I 19 2 — 3 2 0 4 3- 5 45 8 5 3 16 ji 1 2 1 g , 3 4 3- 4 1 46 6 4 10 1 i 1 3 I a 4 Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 35 Serien- Reihen- 1 1 numraer 83 1 nummer des Schnittes Keim- j Scheibe Primitiv- streifen Meso- 1 biastfreie Zone 1 Kopffortsatz Serien- bezeich- nuiig vom Beginn der Keim- scheibe an ge- rechnet i S TS S 0 05 S u 0 Ol s s -c 0 Ja: S 0 CO S 1 "3 B 3 ! s ij 1' 0 il 'S c 03 s a 3 ,s£ HS gl 'S = N "c« .0 0 1 02 4- 3- 3 47 9 1 I II . 2 2 4 3 2 48 10 3 2 15 5 2 — 7 4 3 I 49 9 2 I 12 2 — — 2 4 2 20 50 8 -l 3 II 3 2 5 : 4 2 19 51 10 5 3 18 I 2 - 3i 4 2 i8 52 16 4I I 21 2 I I 4 4 2 17 53 15 51 3 23 2 — I 3 4 2 i6 54 1 9 — 3 12 — — — 1 4 2 15 55 8 5 3 16 2 I — 3 4 2 14 56 i ^^ 41 3 19 2 — — 2 4 2 13 57 13 61 I 20 4 I — 5 4 2 12 58 i 9 6 — 15 I — I 4 2 II 59 In 4 3 18 I I 2 4 i 4 2 10 60 116 2 2 20 4 — — 4 4 2 9 61 12 7' 2 21 I I — 2 4 2 8 62 7 31- 10 I I — 2 4 2 7 63 ■ 8 3 6 17 — — 4 2 6 64 15 5 2 |22 5 ' — — 5 4 2 5 65 8 5 I 14 1,2 — 3 4 2 4 66 10 6 I i^7 1,2 — 3 4 2 3 67 12 5 I 18 2 2 4 2 2 68 9 8 I I18 3 I — . 4 4 2 I 69 7 4 6 17 I — 2 1 3 4 22 70 7 5 I 13 — — I I 4 21 71 16 6 3 25 3 I I 5 4 20 72 10 9 — 19 3 — — 3 4 H) 73 15 5 3 ij 23 1 3|— — 3 4 18 74 18 4 2 il 24 i 3 ! 2 — 5 4 17 75 12 5 - : 17 3 3i — 6 4 16 76 11 8 I 20 2 3 ' I 6 4 15 77 iH 5 1 2j 21 3 I 2 6 4 14 78 II 3 j-'lH; I 1 I ■ — 2 4 13 79 14 5 2 , 21 I -- I 2 4 12 TS T3 TS S Fi TS O O o o CO ^ IGC) 5 3- 3 23 I 10 5 3- 3 22 III 9 3- 3 21 112 9 3- 3 20 113 7 3- 3 19 114 7 3- 3 i8 "5 8 3- j 17 116 IG 3- 3 i6 117 3 3- 3 15 118 7 3- 3 14 119 6 3- 3 13 120 IG 3- 3 12 121 IG 3- 3 11 122 7 3- 3 10 123 9 3- 3 • 9 124 4 3- 3 . 8 •25 7 3- 3 7 126 6 3- 3 . 6 127 7 3- 3 5 128 I 3- 3 • 4 129 4 3- 3 3 130 3 3- 3 2 ^K 3 3- 3 I I 3- 2 25 133 4 3- 2 24 134 2 3- 2 23 135 2 3- 2 22 136 — 3. 2 21 ■37 I 3- 2 20 138 2 3- 2 19 139 — 3- 2 18 140 I 3- 2 17 141 2 3- 2 16 142 2 3- 2 'S 143 — 3- 2 H 144 — 3- 2 13 145 I 3- 2 12 146 I 3- 2 II 147 3- 2 IG 148 — I 16 8 ,; 25 1 13 2 19 2 21 1 23 2 ' 22 3 15 — 23 2 21 5 25 — 9 2 14 1 12 — 12 2 13 2 12 ' 8 3 19 4 5 I 16 4 S 2 10 I 8 I 16 2 3 __. 9 2 5 3 18 2 2 I 13! 4 2 — 9, 4 5 2 16 3 S I IG I 4 2 13 I 4 I II I 3 I II 2 S — 6 I 3 I 8 2 3 8 7 5 1 1 5 8 3 4 2 3 4 I 3 I 2 2 4 2 — 3 — 2 I — 3 — 2 — 2' — 2,- 2 j — 3 — 2 I — I fßblt " I 3 1 / I i 3 I i 4 I 1 5 — ! 4 2 ! 6 I i 3l I 1 2 I i ^ — i: 4' iii 2I 21 3 1 — II 2 Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 37 Eine Betrachtung der den Tabellen entsprechenden graphischen Dar- stellung (Fig. .54) zeigt, dass die Kerntheilungen der Gesaiumtkeimscheibe ihr Maxinium etwas vor der Mitte des Primitivstreifeus haben. Auch hier überwiegt das Ektoderm bei weitem, doch auch das Mesoderni hat zahl- reiche Kerntheilungen aufzuweisen. Das Entoderm steht auch bei dieser Keimscheibe sehr zurück. Bei der Yertheilung der Kerntheilungen im Primitivstreifen fällt besonders der Mangel au Kerntheilungen am hinteren Ende auf, ein Verhalten, das vielleicht mit Degenerationsvorgängen in diesem Gebiet in Zusammenhang gebracht werden kann. Ich deutete darauf hin, wie wichtig es für die Geschichte der Aftermembran wäre, wenn wir eine solche Degeneration für den hinteren Theil des Primitivstreifens annehmen dürften. Aber nicht allein für die Aftermembran dürfte ein solcher Vorgang wichtig sein, sondern, worauf ich später komme, auch für die theoretische Auffassung des Primitivstreifens. Keimscheibe Nr. 4. (R4). (Sammlungsnummer 145. Bez. S. 1. '6.) Eine Keimscheibe, die in ihrer Entwickelung unmittelbar der eben beschriebenen Keirascheibe folgt, stammt von dem gleichen Mutterthiere wie die unter 1 und 2 beschriebenen Keimscheiben. Ihre Fixirung er- folgte mit Primitivschwefelchromsäure, sie wurde mit Boraxcarmin ge- färbt und quer zum Primitivstreifen in Schnitte von ^loo ^^ Dicke zerlegt. "Wii- finden als wesentlichen Fortschritt gegenüber der vorigen Keim- scheibe den Schwund der mesodermfreien Zone. Die Allantoisanlage ist etwa gleichweit, wie bei der Keimscheibe 3 entwickelt, dazu ist nun auch das Amnion gekommen, dass sich gleichzeitig am vorderen und hinteren Ende der Keimscheibe zu bilden beginnt. Die Allantois zeigt auch bei dieser Keimscheibe die fraglichen Bildungen, welche an Blut- gefässe erinnern. Dagegen waren von Blutgefässbildungen auf dem Dottersack höchstens Andeutungen zu erkennen, die Keimscheibe also in dieser Hinsicht weniger weit entwickelt als die vorige. Von den Beziehungen der Keimscheibe zum Gesammtei sei bemerkt, dass wie Fig. 18, eine bei 10 facher Vergrösserung mit dem Hiö'schen Embryographen aufgenommene Skizze, zeigt, die Lage der Keimscheibe zum Ei sich geändert hat. Während früher die Richtung des Primitiv- streifens und damit die Längsachse des Keimes die Längsachse des Eies etwa senkrecht kreuzte, laufen jetzt Primitivstreifeu und Längsachse des Eies annähernd gleich. Die Form der Keimscheibe hat sich dabei, wie das gleichfalls die Figur zeigt, etwas geändert ; sie ist aus einer ovalen Form in eine mehr birnförmige übergegangen. 38 Dl", med. Franz Keibel. Nach der Keconstruction ergiebt sich die Länge der Keiinscheibe 77 mm (1,54 mm) die Breite 50 mm (entspr. 1 mm). Der Primitivstreif geht bis ganz nahe an das hintere Ende der Keimsoheibe. Er hat eine Länge von 57 mm (entspr. 1.14 mm). Die Längenansdehnung des Be- zirkes vor dem Primitivstreifen beträgt 18 mm (0,36). Die Länge des Kopffortsatzes ist 8 mm (entspr. 0,16). Die Primitivrinne beginnt 18 mm (entspr. 0,36) vom vorderen Ende des Primitivstreifens entfernt. Die Länge der Primitivrinne beträgt 39 mm (entspr. 0,78), in ihrem vor- deren 20 mm (0,4 mm) langen Bezirk ist die Primitivrinne flach, wird dann recht tief, um gegen das Ende allmählich wieder flach zu werden. Die Primitivrinne endet mit einer Bildung, die eine beginnende After- membran sein könnte. Der seitliche Mesoblast ist zwar vom Ektoblast an dieser Stelle noch nicht gelöst, aber der Entoblast zeigt eine Ver- dickung. Diese Verhältnisse sollen später noch näher besprochen werden. Der hinter dieser Stelle gelegene Theil des Primitivstreifens ist nur 5 mm (entspr. 0,1 mm) lang. Er ist also kürzer wie der entsprechende Theil des vorigen Stadiums. Der Gedanke, dass es sich hier schon um einen weiter fortgeschrittenen Rückbildungsvorgang handelt, liegt nahe, und auch die feineren Verhältnisse dieser Gegend des Primitivstreifens würden nicht dagegen sprechen. Einen ganz guten Ueber blick über die inneren Verhältnisse der Keimscheibe gewährt die Figurenserie Fgg. 19 a— q. Auf Fig. 19 a sei auf die sich erhebenden Amnionfalten aufmerksam gemacht, das Coelom ist, wie die Figur zeigt, unter die Keimscheibe vorgedrungen, und da der Gesammtdurchschnitt des Eies zur Darstellung kommt, kann man sich leicht einen Ueberblick auch über die periphere Ausbreitung des Coeloms und des Mesoderms verschaffen. Die Verhältnisse des Kopffortsatzes und des Primitivstreifens können natürlich bei so schwacher Vergrösserung nicht erschöpfend zur Darstellung gebracht werden und werden an einer Reihe von bei stärkerer Vergrösserung wiedergegebenen Schnitten noch genauer besprochen. Hingewiesen sei auf zwei laterale Falten, welche im Bereich der ganzen Keimscheibe meist recht deutlich einen mittleren Entodermbezirk von dem peripheren Entoderm abgrenzen. In diesem mittleren Entodermbezirk ist der ganze Charakter des Entoderms ein anderer als weiter peripher. Im vorderen Bezirk der Keimscheibe ist das Entoderm hier mehrschichtig und, wie auch schon in den Fig. 19 b bis 19 f angedeutet, die Dicke des Entoderms recht bedeutend. Weiter nach hinten ist das Entoderm nur einschichtig, aber immerhin im Bereich der Keimscheibe — sehen wir von der Primitivstreifengegend ab — be- deutend dicker als peripher, wo es nur eine ausserordentlich dünne Zell- platte bildet. Hinzuzufügen ist dieser Schilderung, dass auch die Splanchnopleura der lateralen Falte des Entoderms genau folgt, so dass also schon in diesem Stadium die Abschinirung des Dottersackes zu beginnen scheint. Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 39 Wenden wir uns jetzt zu den feineren Verhältnissen, die wir an der Hand der Figuren 20 — 26 besprechen wollen. Fig. 20 stellt uns den mittleren Theil des siebzehnten Schnittes durch die Keimscheibe dar. Der Schnitt liegt ganz nahe vor dem Beginn des Kopffortsatzes. Dei- Ektoblast zeigt zwei Kernreilieu, dürfte aber doch, wie man an günstigen Stellen erkennen kann, nur als einschichtig zu betrachten sein. Der Mesoblast besteht dort, wo fi-üher die mesoblastfreie Zone lag, aus einer dünnen einschichtigen Zellplatte, und wird lateral nach beiden Seiton hin dicker, wie das eben noch in der Fig. 20 zur Darstellung kommt. Der Entoblast ist auffallend dick, zwei- bis dreischichtig. Stelleuweise — es ist das auf der Schnittstelle, die hier abgebildet, gerade nicht der Fall — kommen geradezu knotige Vorwucherungen gegen das Lumen der Keimblase zu Stande. ISIoch stärker als bei der Keirascheibe 4 ti-at das bei der Keimscheibe 3 hervor, wo man diese AVucherungen sogar Ijei schwacher Vergrösserung (in den Fgg. 12 c und 12 d) erkennen kann. Fig. 21 stellt den fünften Schnitt hinterwärts von Fig. 20 dar. Derselbe fällt durch das vorderste Gebiet des Kopffortsatzes, welcher zwei Schnitte zuvor etwa (ganz genau lässt sich das nicht angeben) be- gonnen hat. Für den Ektoblast gilt für diesen wie für die folgenden Schnitte das schon Gesagte. Der Mesoblast ist in der Mitte durch den in das Entoderm eingeschalteten Kopffortsatz unterbrochen. Wälu-end er an der rechten Seite unmittelbar mit dem Kopffortsatz in Berührung steht, ist links der Mesoblast vom Kopffortsatz zu trennen. Das Entoderm hat lateral denselben Charakter wie im vorigen Schnitt, seine Mitte nimmt der Kopf fortsatz ein, der untrennbar mit ihm vereinigt ist. Der Kopffortsatz ist dicker wie das laterale Entoderm, 3 — 4 Zellen liegen hier, wie man das aus den Kernen entnehmen kann, übereinander. Im Inneren des Kopffortsatzes gelingt es in diesem Schnitte ein kleines Lumen zu erkennen, das ich bemerken will, ohne es etwa ohne weiteres mit einem Chordacanal zu identificiren. Das Ver- halten des Kopffortsatzes zum seitlichen Mesoblast ist schon erwähnt. Gleich an dieser Stelle mag auf die Frage hingewiesen werden, ob der Kopffortsatz hier als aus dem Entoderm entstanden zu betrachten ist, oder als secundär eingeschaltet. Diese Frage ist, wie gerade die Fig. 21 zeigen wird, ausserordentlich schwer zu beantworten. Für die directe Entstehung aus dem Entoderm spricht der unmittelbare Augenschein, die untrennbare Verschmelzung des Kopffortsatzes mit dem Entoderm, dafür auch, — und das sind die gewichtigsten Gründe, auf die ich in einem besonderen Abschnitte der Arbeit noch genauer eingehen will, — die ver- gleichenden Messungen der Keimscheiben 1 und 2, welche ergeben, dass das vordere Ende des Kopffortsatzes dem vorderen Rande der Keim- scheibe beträchtlich näher gerückt ist. Es wäre das nur möglich, wenn in dem mesodermaleu Kopf fortsatz ein kräftigeres Wachsthum läge, als in dem darüber liegenden Ektoderm und dem darunter gelegenen Entoderm, 40 Dr. med. Franz Keibel. und dafür spricht, wie wir sehen werden, die Vertheiluug der Kern- theilungen nicht. Gegen die Betheiligung des Entoderms an dem Auf- bau des Kopffortsatzes und der Chorda spricht der Umstand, dass auch beim Schwein der Kopffortsatz zunächst ohne Verbindung mit dem Ekto- derm war, und dass in den späteren Stadien eine Entstehung aus dem Mesoderm wiederum ganz ausser Frage steht, man müsste also für das vordere Ende des Kopffortsatzes resp. der Chorda einen anderen Ur- sprung annehmen, als für den bei weitem grösseren hinteren Theil dieses Organes. Die feste Verbindung des Entoderms mit dem Kopffortsatz welche auf den ersten Blick auch noch in späteren Stadien so einleuch- tend für die entodermale Abkunft der Chorda zu sprechen scheint, wird entkräftet durch den unumstösslichen Nachweis, dass es sich in späteren Stadien trotz des untrennbaren Zusammenhanges fraglos um eine secundäre Einschaltung handelt. Die vergleichenden Massverhältnisse sollen, wie schon erwähnt, noch eine gesonderte Besprechung erfahren. Betont sei aber hier schon, dass selbst, wenn diese eine Betheiligung des Entoblasts am Aufbau der Chorda nahelegen, sich das nur auf das allervorderste Ende des Organs beziehen kann. — Schnitte durch die Mitte des Kopffort- satzes geben Bilder wie Fig. 22, die einen Schnitt sieben Schnitte hinter Fig. 21 darstellt. Auch hier ist der Kopffortsatz noch fest mit dem Entoblast verschmolzen, doch ist immerhin an den Bandpartien schon eine Abgrenzung möglich. Sehr bedeutsam erscheint mir die beiderseitige Verbindung des Kopffortsatzes mit dem Mesoblast, die sich in diesem Stadium, wenn wir vom ganz vordersten Ende, siehe Fig. 21 links, ab- sehen, im ganzen Bereich des Kopffortsatzes findet. Sie dürfte wohl darauf hinweisen, dass der Kopffortsatz durch Auswucherung von seinen seitlichen Bezirken mit zum Verschwinden der mesodermfreien Zone bei- getragen hat. Man könnte versucht sein, auch diesen Zusammenhang des Kopffortsatzes mit seitlichen Mesoblastmassen gegen seine entodermale Entstehung zu verwerthen. Findet ferner wirklich von den Seiten der ersten Kopffortsatzanlage Mesoblastproduction statt, so ist schliesslich gleich hier darauf hinzuweisen, dass alsdann der Kopffortsatz in seinen frühen Stadien nicht einfach als Vorläufer der Chorda aufzufassen ist. Ich stimme hierin vollkommen mit VAN Beneden (9) und Mehnert (92) überein; betone aber, dass in älteren Stadien (vergl. Keimscheibe 5 und 6) die Anlage der Chorda schon selbstständig ohne Beimengung fremder Elemente gebildet wird. Das Entoderm lateral vom Kopffortsatz ist in Fig. 22 nicht mehr so dick wie in Fig. 20 und 21. Es zog meine ganz besondere Aufmerk- samkeit auf sich, weil dieser Schnitt eines der wenigen Bilder in den von mir untersuchten Schweine-Keimscheiben aufsuweisen hat, die auf den ersten Blick für eine Betheiligung des Entoderms an der Bildung des Mesoderms sprechen. Die betreffende Stelle ist an der rechten Seite der Figur noch zur Abbildung gebracht. Es handelt sich um eine Kern- Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 41 theiluDg, die im Begriff zu sein scheint, ihre eine Hälfte in das über dem Entoderm gelegene Mesoderm abzugeben. Solche Kerntheilungen fand ich unter den Tausenden, die ich genau daraufhin untersuchte, drei oder vier. AVenn man aber genauer zusieht, so beweisen diese Kerntheilungen zudem nichts für eine entodermale Entstehung des Mesoderms. In dem vorliegenden Falle handelt es sich um zwei Tochterknäuel, die Lage der- selben wird sich, wenn sie in das Ruhestadium übergegangen sind, nicht von der anderer Kerne im Entoderm zu einander unterscheiden. Dazu muss noch weiter bemerkt werden, dass weder die Lage der Kernspindel, noch selbst die der Tochterkerne definitiv für die Lage der fertigen Zellen entscheidend ist. Besonders unverfänglich sind für solche Be- trachtungen Kerntheilungen, deren eine Hälfte gegen das Lumen des Eies vorspringt, man wird von den aus denselben hervorgehenden Zellen — abgesehen von gelegentlichen Abschnürungen, die aber wohl erst in späteren Stadien eintreten — mit Sicherheit annehmen können, dass sie sich alsbald wieder in Reih und Glied stellen werden. Wir kommen jetzt in das Gebiet des Primitivstreifens. Fig. 23 stellt den zweiten Schnitt durch den Primitivstreifen " dar. Im Gebiet des Ektoblast ist hier eine Zelle bemerkenswerth, an welcher sich nachweisen lässt, dass sie die ganze Dicke des Ektoblast durchsetzt. Sie findet sich nicht weit von der Mitte an der linken Seite. Dadurch, dass diese Zelle im Beginn der Kerntheilung begriffen ist, ist es möglich, ihren leicht aufgehellten Zellleib von den Nachbarzellen zu sondern. In der Mitte des Schnittes tritt uns dann die beginnende Primitivstreifen- bildung entgegen. Ein Keil von Mesodermzellen dringt von unten her in das Ektoderm ein, erreicht aber noch nicht die Oberfläche der Keim- scheibe. An der Basis ist der^Keil noch eine kurze Strecke vom Ekto- derm zu sondern, dann verschmilzt er mit ihm, so dass keine scharfe Abgrenzung gegen das Ektoderm möglich ist. Das Entoderm zeigt lateral in Fig. 23, die einem neun Schnitte weiter hinten gelegenen Schnitte nachgebildet ist, etwa dieselbe Be- schaffenheit wie in Fig. 22. Mit dem Mesoderm der Mitte ist es in ziem- licher Ausdehnung fest verschmolzen, so dass eine genaue Abgrenzung zwischen Mesoderm und Entoderm in diesem Bezirk unmöglich ist. Das Mesoderm hat keine Besonderheiten aufzuweisen, ausser einer kleinen Lücke, die sich gerade unter dem Primitivstreifen in der Nähe des Ei- lumens findet. Ein Bild viel weiter nach hinten zeigt uns Fig. 24; es entspricht einem Schnitt 47 Schnitte weiter hinten als Fig. 23, dem fünfundachtzig- sten Schnitte durch die Keimscheibe. Wir sind im Gebiet des flachen Theiles der Primitivrinne. Im Bereich der Primitivrinne hängt das Mesoderm mit dem Ektoderm zusammen und geht unzweifelhaft aus ihm hervor. Das Entoderm zieht scharf abgegrenzt unter dem Primitivstreifen hinweg und ist im Vergleich zu den früheren Bildern dünn zu nennen. 42 Dr. med. Franz Keibel. Das Verlialteii des Mesoderm und Ektodenii im Bereich der Primitiv- riüDe ist hier das gleiche, wie es bereits in Fig. 5 von Keimscheibe 2 wiedergegeben wurde. Die palisadenförmige Anordnung des Ektoblasts erscheint im Primitivriuneugebiet unterbrochen, und wie ein Keil schiebt sich mesoblastähnlich angeordnetes Gewebe bis an den Boden der Pri- mitivrinne vor. Einen Unterschied gegenüber von Fig. 5 sehen wir darin, dass hier der Mesoblast lateral von dem Primitivstreifeu zweischichtig ist, und dass man an einzelneu Stellen nach der Anordnung der Kerne wohl eine obere und untere Schicht des Mesoblast angedeutet sehen kann. Sehr viel deutlicher finden wir aber diese Verhältnisse an anderen Stellen ausgeprägt, wie uns das Fig. 25 zeigt. Fig. 25 stellt einen Schnitt dar, der vierundvierzig Schnitte weiter hinten liegt, also den ein- hundertneunundzwanzigsten Schnitt der Keimscheibe. Wir befinden uns in dem Bereich der ausklingenden Primitivrinne, dieselbe ist, nachdem sie eine Strecke Aveit recht tief gewesen war, wieder flach geworden. Das Entoderm zieht auch in der Mitte unbetheiligt unter dem Mesoderm der Keimscheibe hinweg; es ist einschichtig und etwa ebenso stark wie in der Fig. 24, aber seine Kerne stehen viel näher. Das Mesoderm besteht in der Nähe des Primitivstreifens — besonders deutlich sind diese Verhältnisse an der rechten Seite der Figur — aus 2 Schichten. Von der oberen dieser Schichten kann man geradezu sagen, dass sie sich in den Ektoblast der Keimscheibe umschlägt, oder umge- gekehrt. Zwischen die beiden Umschlagsränder des Ektoblast in den Mesoblast schiebt sich ein schmaler Keil von Mesoblast ein, welcher von der unteren Schicht des Mesoblast ausgeht. Ich brauche kaum darauf hinzuweisen, wie wichtig derartige Bilder für die Auffassung des Primitiv- streifens als Urmund und für die Auffassung des Mesoderms sind. — Eine letzte Abbildung bei stärkerer Vergrösserung sei in dieser Keim- scheibe der Stelle gewidmet, die wir, wie oben bereits angedeutet, vielleicht als eine im Entstehen begriffene Aftermembran aufzufassen haben. Der abgebildete Schnitt ist der einhundertachtunddreissigste der Keimscheibe, liegt also neun Schnitte weiter hinten als der vorhin abge- bildete am Ende der Primitivrinne; er zeigt ein sehr wesentlich ver- schiedenes Aussehen. Während in den Fig. 23 — 25 der Mesoblast keil- förmig gegen den Ektoblast vordrang, haben wir hier das umgekehrte Verhalten. In Fig. 26 sehen wir, wie eine Zellmasse von Ektoblast- gefüge sich abwärts in den Mesoblast eindrängt und diesen durchbricht oder auseinandersprengt. Wenn aber diese Zellen auch nach unten hin direct an den Entoblast grenzen, so sind sie doch seitlich roch mit dem Mesoblast verbunden. Recht ausgedehnt sehen wir eine solche Verbin- dung an der rechten Seite der Figur, während allerdings links die ent- sprechende Verbindung nur eben noch angedeutet erscheint. Der Entoblast verhält sich an der fraglichen Stelle auf diesen und den angrenzenden Schnitten, wie ihn die Fig. 26 zeigt; er ist lateral einschichtig und in Studien zur Entwicklungsoreschichte des Schweines. 43 der Mitte verdickt. So Hessen sich denn die Verhältnisse des Ektoderms, die des Mesoderms und auch die des Entoderms Avohl darauf deuten, dass wir hier eine im Entstehen begriffene Aftermembran ^or uns haben. Hinter derselben läge dann noch ein recht beträchtliches Ende des Pri- mitivstreifens. Die Zählung der Kerntheilungen in unserer Keimscheibe ergab folgende Tabelle: Keim Scheibe Nr. 4. Schnittdicke Vioo- Serien - nummer 145 Serien- JReihen- nummer des Schnittes Keim- scheibe Primitiv- streifen Meso- blastfreie Zone i Kopffortsatz bezeich- vom Beginn 1 X2 1« :3 cQ N 11 a| nungf des Schnittes der Keim- $-1 s u S ! a> '1 4) §3 1 « 'O S i ! 6 S « 1 i Ti t3 S ' ■) 0 0 Ol 0 02 4 _ 5 I 4 — 10 4 I — r 1 — — —: I — i- — — 4 2 2 — 4 — 1 — 4 I 2 I 5 — i 3 1 4 — 3 - 4 — 4 — 4 ! 5 6 ^ Kopffortsatz 1 ^ °S c8 _ ^< H.O Sh (1 S .0 'S °' 5M c fc*1 H'd Bei Betrachtung dei' gi-aphischeu Darstelliiog (Fig. 54) fällt, wenn wir zunächst wieder die Gesannntkeimscheibe ins Auge fassen, das Ueberwiegen der Kerntheilungeu im vorderen Bereich der Keimscheibe auf. Gleich zu Beginn steigen die Kerntheilungen steil an und bleiben bis zum ersten Drittheil des Primitivstreifens auf der Höhe, dann sinken sie alhnählich gegen das Ende ah. Das sich am Ende der Keimscheibe noch verhält- nissmässig viele Kerntheilungen vorfinden, ist der Allautoisanlage zuzu- schreiben, deren Kerntheilungen mit in die Tabelle aufgenommen wurden ; dieselben bewirken in dei' Kurve des JMesoderm gegen das Ende hin geradezu noch einmal eine Anschwellung, während die Kerntheilungen in Ektoderm und Entoderm jener Gegend nur spärlich sind. Betrachten wir die Kui've des Ektoderms gesondert, so tritt hier das Ueberwiegen des vorderen Bezirkes der Keinisclieibe noch stärker hervor wie im Gesammtbilde, und das Gleiche gilt vom Entoderm, wogegen das Mesoderm im vorderen Gebiet der Keimscheibe weniger Kerntheilungen aufzuweisen hat, sich aber dafür auch weiter nach hinten hin einer ver- hältnissmässig grossen Anzahl von Kerntheilungen zu erfreuen hat. Die- selben sind hier bis in das Gebiet des letzten Viertels des Primitivstreifens recht zahlreich, um dann plötzlich abzufallen. Die Kerntheiluugscurve des Primitivstreifens zeigt allerdings mit starken Schwankungen das Maximum im Gebiet der ersten 2 Drittel. Die Zahl der Kerntheilungen im letzten Drittel und besonders gegen das Ende ist gering. Den Löwenantheil der Kerntheilungen hat das Ekto- derm, es folgt das Mesoderm und ganz verschwindend ist die Zahl der Kerntheilungen im Entoderm. 47 Im Kopffortsatz haben wir eine ganze Anzahl von Kerntheiluugen zu verzeichnen ; doch sind die Kerntheilungen im Mesoderm und Entoderm- gebiet des Kopffortsatzes zusammen noch geringer an Zahl, wie die Kerntheilungen des Ektodernis über diesem Gebiet. Wollten wir also direct ans den Kerntheilungen die Wachsthumsverhältnisse ablesen, so vvüi'de sieb daraus ergeben, dass der Kopffortsatz weniger sclinell wächst, als das über ihm gelegene Ektodefm. Keims cheibe 5 (R. 5). (Sammlungsnummer 146. Bez. S. s. N. 6 R. 2.) Die nächst ältere Keimscbeibe , welche wir hier berücksichtigen wollen, stammt von einer Sau, die 15 Tage 18 Stunden nach der ersten Copulation geschlachtet worden war. Während ich sonst so lange Zeit nach der Copulation schon Embryonen mit Urwirbeln fand, waren die beiden Embryonen, welche dieses Mutterthier lieferte, noch auf dem Keim- scheibenstadium. Ausser den beiden Keimscheibeu tragenden Eiern fanden sich dann noch eine Anzahl rückgebildeter Eier im Uterus. Mau darf wahrscheinlich sowohl das Zurückbleiben in der Entwicklung der beiden gefundenen Embryonen, als auch die geringe Zahl gut ausge- bildeter Keime darauf zurückführen, dass das Mutterthier selbst sehr klein und für sein Alter wenig entwickelt war. Ganz ausserordentlich war die Länge der beiden gut ausgebildeten Eier. Das Ei, dem die hier zu besprechende Keinischeibe angehörte, hatte die Tjänge von 1 m 5 cm. Fig. 27 giebt eine Vorstellung von diesem kleinen Ungeheuer. Die Figur ist mit zu (irrundelegung einer gleich nach der Herausnahme des Eies entworfenen Skizze gezeichnet. Ohne mich weiter auf die Beschreibung des Eies, das keine be- merkenswerthen Besonderheiten bot, einzulassen, wende ich mich gleich zur Keimscheibe. Die Keimscheibe lag mit ihrer durch den Primitiv- streifen gekennzeichneten Längsaxe schräg zur Längsaxe des Eies. Leider war ihr hinteres Ende abwärts gebogen und so konnte für die graphische Reconstruction (Beconstruction 5 i nur der vordere Theil der Keimscheibe in Bei lacht kommen. Die Fixirung des Keimes erfolgte durch 4 "/o Salpetersäure ; die Färbung mit Boraxcarmin ; die Schnittrichtung wurde quer zum Kopf- fortsatz gewählt. Die Schnittdicke betrug '/-,(,o ^^^^- Die Keimscheibe 5 ist grösser als die Keimscbeibe 4; sie zeigt die erste Amnion- und Allantoisanlage, doch ist wieder Amnion noch Allantois in der Entwick- lung wesentlich weiter als im vorigen Stadium. Das Gleiche gilt von den (fraglichen) Aulagen von Blut und Gelassen. Von den Maassen der Keimscheibe lassen sich an der Reconstruction bestimmen: die Breite R2 mm (entspr. 1,24); die Länge vor dem Pri- mitivstreif 34 mm (entspr. U,G8) ; die Länge des Kopffortsatzes 22 mm 48 Dr. med. Franz Keibel. (entspr. 0,44). Die Grenze des Goeloms liegt etwas central von der Grenze der Keimscheibe, — Von diesen Befunden ist besonders die starke Verlängerung des Kopffortsatzes und die Vergrösserung der Ent- fernung zwischen dem Vorderende des Primitivstreifens und dem vorderen Rande der Keimscheibe hervorzuheben. Auch sonst finden wir im Bereich des Kopffortsatzes interessante Varhältnisse, die wir nach einem Blick auf die Uebersichtsserie Fig. 28 a bis 28 m würdigen wollen. Auf der Fig. 28 a erkennen wir, das der Keimscheibenrand vom Coelom unterminiert ist, wir sehen rechts und links die Amnionfalten, die nur ganz vorn eine kurze Strecke schon ge- schlossen erscheinen. Fig. 28 c sehen wir in der Mitte des Schnittes eine mesodermfreie Stelle, die aber nur eine aiiinimale Ausdehnung hat und deren Stelle alsbald der Kopffortsatz einnimmt. In das Gebiet des Kopf- fortsatzes fallen die Schnitte Fig. 28 d — g. Sie zeigen den Kopffortsatz von wechselnder Breite, das Entoderm können wir meist unter ihm ver- folgen, aber diese feineren Verhältnisse sollen später berücksichtigt werden. Die Amnionfalten sind schon in Fig. 28 c vollkommen ver- schwunden, • Die gesammte KeimscheiTje hebt sich , wie die Schnitte zeigen, schildförmig vom übrigen Ei ab. Die aus dem Gebiet des Primitivstreifens wiedergegebenen Schnitte Fig. 28 h — 28 m zeigen keine Besonderheiten. Der grosse Zwischenraum, welcher auf Fig. 28 1 und m zwischen Mesoderm und Entoderm klafft, ist wohl schon der starken Abbiegung des hinteren Keimscheibenrandes zuzuschreiben. Irgend eine Zerrung des Keimes hat nicht statt gehabt, und wenn man eine künstliche Entstehung der eben erwähnten Abhebung des Mesoderm vom Entoderm annehmen Avill, müsste man dieselbe der Fixirung schuld geben, die jedoch auch sorgfältig ausgeführt wurde. Auf alle Fälle spricht, selbst wenn man künstliche Ursachen annehmen wollte, eine derartige Ablösung des Entoderms vom Mesoderm, wie sie hier sich darbietet, dafür, dass zwischen beiden Keimblättern in diesem ganzen Gebiet keine innigen Beziehungen bestanden. Wenden wir uns jetzt zu den feineren Verhältnissen im Gebiete des Kopffortsatzes und im vordersten Primitivstreifengel )iet. Die Fig, 29 bis 33 geben uns darüber bei starker Vergrösserung Auskunft. Fig. 29 giebt uns einen Schnitt kurz vor dem Beginn des Kopffortsatzes. Das Ento- derm ist hier ziemlich ungleichmässig gestaltet. Es ist theilweise ziemlich stark verdickt, so dass drei Kerne übereinander zu liegen kommen; an anderen Stellen unmittelbar daneben liegen die Kerne nur in einfacher Schicht. Das Mesoderm lässt — auf dies Verhalten wurde schon bei der Uebersichtsserie hingewiesen — in der Mitte des Schnittes einen freien Raum, so dass Ektoderm und Entoderm hier durch nichts getrennt werden. Fig, 30 stellt den dritten auf Fig. 29 folgenden Schnitt dar, liegt also 30 ^i weiter hinten. Der Kopffortsatz ist hier mit dem Ento- derm untrennbar verschmolzen, und eben deswegen hat es seine Schwierig- Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 49 keiten, ganz genau sein vorderstes Ende zu bestimmen. In dem be- treffenden Schnitte findet sich ein kleines Lumen im Bereich des Kopf- fortsatzes, das auch in der Abbildung wiedergegeben ist. Solche Lumina finden sich in diesem und im folgenden Stadium auf mehreren Schnitten, zuweilen zwei auf einem Schnitt. Es wäre wohl möglich, dass wir in ihnen Andeutungen eines Chordacanals zu sehen hätten, doch liegen sie zu un- regelmässig, um mit Sicherheit diesen Schluss zu erlauben. — Die un- trennbare Verschmelzung des Entoderm mit dem Koj^ffortsatz erstreckt sich übrigens nur auf wenige Schnitte, immer deutlicher und deutlicher hebt sich das Entoderm vom Kopffortsatz ab und elf Schnitte weiter hinten ist es, wie Fig. 31 zeigt, schon möglich, das Entoderm im Bereich des ganzen Kopffortsatzes zu erkennen. Das Entoderm stellt im Bereiche des sehr breiten Kopffortsatzes eine ausserordentlich dünne, stark gefärbte Zell- lage dar, die sich von den seitlichen dickeren Partien deutlich abhebt. Die Anlagerung des Entoblast an den Kopffortsatz ist übrigens auch in diesem Bezirk eine ausserordentlich innige. Meiner Ansicht nach kann es keinem Zweifel unterliegen, dass wir es hier noch mit ursprünglichen Verhältnissen zu thun haben, dass die Entodermplatte unter dem Kopf- fortsatz nicht etwa neugebildet, sondern im Schwinden begriffen ist, und dass auch in dieser Gegend in nicht gar zu langer Zeit die Einschaltung der Chorda in das Entoderm erfolgen wird, um weiter und weiter nach hinten Platz zu greifen. Die Ausscheidung der Chorda in den ent- sprechenden Gebieten ist dann erst ein viel späterer Vorgang. — Einen Schnitt zwölf Schnitte weiter hinten führt uns Fig. 32 vor. Das Ento- derm verhält sich hier etwa ebenso zum Kopffortsatz wie in Fig. 31, d. h. es liegt ihm als ein dünnes Zellplättchen eng an , ist aber optisch deutlich genug zu isoliren. Auffallend ist, wie viel schmaler der Kopf- fortsatz in diesem Gebiet ist. Auch in diesem Schnitt finden wir ein Lumen im Kopffortsatz, wie ein solches schon in der Fig. 30 kenntlich war; das Lumen liegt hier viel regelmässiger als in jenem Schnitte und liegt deswegen hier die Deutung als Chordacanal noch näher. An der rechten Seite sehen wir dann das laterale Mesoderm mit dem Kopffort- satz im breiten Zusammenhange, links ist der Kopffortsatz deutlich vom Mesoderm getrennt. Es ist diese Verbindung des seitlichen Mesoderms mit dem Kopffortsatz an mehreren Schnitten bald mehr, bald weniger deutlich, bald einseitig, bald doppelseitig zu constatiren. Es handelt sich, wie später auszuführen sein wird, hier um Reminiscenzen an den Primitiv- streifen, auf den dies Gebiet des Kopffortsatzes zweifellos zurückzu- führen ist. Einen Schnitt fünfzehn Schnitte weiter nach hinten stellt Fig. 33 dar. Der Kopffortsatz ist hier massiger; ist er auch etwas schmaler, wie in Fig. 32, so ist doch sein Höhendurchmesser dafür desto stärker ausgebildet. An der rechten Seite der Figur findet sich eine schwache Verbindung mit dem lateralen Mesoderm. Das Mesoderm ist weniger Morpbolog. Arbeiteu hrsg. v. Q. Schwalbe III. ^ 50 Dr. med. Franz Keibel. compact, wie in den Schnitten, die vorher dargestellt wurden, und vor allem wie in den jüngeren Stadien; es erscheint geradezu aufgelockert — mit Absicht vermeide ich den Ausdruck mesenchymatisch — . Das Entoderm ist sehr deutlich unter dem Kopffortsatz zu verfolgen, es hat noch dieselbe Dicke wie das Entoderm weiter lateral, der Einschaltungs- process des Kopffortsatzes in das Entoderm hat also hier noch nicht be- gonnen. In dieser Gegend hat nun auch das Ektoderm Beziehungen zum Kopffortsatz gewonnen, es hat sich ihm, Avie die Figur zeigt, so zu sagen angepasst, der Kopffortsatz wölbt das Ektoderm in der Mittellinie ganz leicht empor. Rechts und links vom Kopffortsatz finden wir diesem zu- gekehrt, eine Ektodermleiste. Nur wenige Schnitte weiter nach hinten werden die Bezielmngen des Kopffortsatzes zum Ektoderm noch innigere, schon am vierten Schnitte weiter sind Ektoderm und Kopffortsatz an einer Stelle miteinander verschmolzen, der Primitivstreifen hat begonnen. Den zweiten Schnitt des Primitivstreifens stellt Fig. 34 dar. Auf den ersten Blick fällt es auf, dass die Fig. 34 nicht das gewöhnliche Bild des Primitivstreifens wiedergiebt. Nur auf einem ganz kleinen Bezirk in der Mittellinie ist der Ektoblast mit dem darunter liegenden Gewebe ver- schmolzen, und dieses Gewebe, das noch ganz die Configuration zeigt, wie wir sie wenige Schnitte weiter vorn am Kopffortsatz kennen lernten, ist beiderseits scharf vom seitlichen Mesoblast geschieden. Dasselbe Ver- halten finden wir auch noch einige (drei) Schnitte weiter hinterwärts, auch hier erscheint der mittlere, mit dem Ektoblast in Verbindung stehende Theil des Mesoblast — • den man wohl kurzweg als Anlage des Kopffortsatzes oder auch der Chorda bezeichnen kann — wie aus dem übrigen Mesoblast herausgeschnitten. Die Chordaanlage erscheint daher wie aus zwei Hälften bestehend, deren je eine zu jeder Seite ihres Ektoblaststieles liegt. Es gewinnt also so den Anschein, als würde in diesem Stadium im vorderen Theil des Primitivstreifens nur Chorda und diese gewissermassen paarig angelegt. Die thatsächlichen Verhält- nisse dürften aber die sein, dass wir in diesem Bezirk einen Primitiv- streifen vor uns haben, der in der Rückbildung oder besser in der Um- bildung begriffen ist, und dass eine zeitliche Verschiebung gegen die Norm insofern eingetreten ist, als die seitliche Lösung des Mesoblast von der Chordaanlage und die Lösung der Chordaanlage vom Ektoblast nicht gleichzeitig erfolgten. Erst mit Fig. 35 kommen wir zum richtigen, voll- ständigen Primitivstreifen. Hier hängt auch der seitliche Mesoblast mit dem Ektoderm zusammen, freilich zunächst noch unbedeutend, und erst allmählich, noch weiter hinten, finden wir die typischen altbekannten Bilder, die man ja auch in den Uebersichtschnitten Fig. 28 i — m wieder- erkennen wird. ■ Eine Bildung des Mesoblast auf Kosten des Entoblast lässt sich bei dieser Keimscheibe, wenn wir von dem allervordersten Ende des Kopf- fortsatzes absehen, überall mit Sicherheit ausschliessen. Im Mesoblast Studien zur Entwicklungfs^eschichte des Schweines. 55 der Keimscheibe fällt zuweilen eino Anordnung auf, durch die ein Coelora im Gebiet der Keinischeibe angedeutet wird, wenn es aucb nicht direct in die Erscheinung tritt. Auch in der Peripherie der Keimscheibe sind die Coelomverhältnisse interessant. Es sind dort von Zeit zu Zeit kleine Höhlungen im Mesoblast zu erkennen, die sich theils als isolirte Bläschen darstellen, theilweise aber auch mit dem lateralen Coelom in Verbindung zu treten scheinen. Da solche Bildungen in der nächst älteren Keimscheibe deutlicher hervortreten, sollen sie dort genauer be- schrieben werden. Eine Tabelle der Kerntheilungen dieser Keimscheibe habe ich nicht aufgestellt, weil die Faltung der Keimscheibe am hinteren Ende eine Ueber- sicht über die Vertheilung der Kerntheilungen doch nicht erlaubt hätte. Bemerkenswerth ist gegenüber dem früheren Stadium schliesslich für diese und auch für die folgende Keimscheibe eine beträchtliche Ver- ringerung der Kerngrösse, die besonders im Mesoblast und Entoblast auffällt. Ausgedehntere Messungen darüber habe ich nicht vorgenommen. Keimscheibe 6 (Rß). (Sammlungsnummer 148. Bez. S. s. N. 6. r. 1.) Die letzte Keimscheibe, welche wir in diesem Abschnitte berück- sichtigen wollen, stammt von dem gleichen Mutterthier, wie die Keim- scheibe 5. Sie ist etwas weiter entwickelt. Fig. 36 zeigt uns die Keim- scheibe mit dem angrenzenden , vielfach gefalteten Theile des Eies, bei zehnfacher Vergrösserung. Wie die Figur zeigt, fällt die Längsachse des Eies hier annähernd mit der Längsachse der Keimscheibe zusammen. Die Gestalt der Keimscheibe erscheint gegenüber den früheren Stadien be- deutend in die Länge gestreckt. Wie die Querschnittserie (Fig. 37a — -37v) zeigt, wird diese auffallende Streckung zum Theil dadurch bewirkt, dass die Keimscheibe von rechts nach links theilweise ziemlich stark gewölbt ist ; doch zeigt ja auch die Reconstruction 6, bei welcher diese Wölbung ausgeglichen wurde, die Längsstreckung noch deutlich genug. Auch diese Keimscheibe wurde in vierprocentiger .Salpetersäure fixirt, mit Boraxcarmin gefärbt und quer zum Primitivstreifen in Schnitte von ^/loo mm Dicke zerlegt. Während der Primitivstreifen auf dem Oberflächenbilde (Fig. 36) nicht bis an das hintere Ende der Keimscheibe zu reichen scheint, er- giebt die Schnittserie (vergl. Fig. 37t — •37v), dass dies doch der Fall ist. Amnion und Allantois haben selbst im Vergleich zum Stadium 4 keine wesentlichen Fortschritte gemacht. Wir sehen das Amnion so- wohl am Vorderende, wie am Hinterende geschlossen (Fig. 37a u. 37v). Die Entwicklung des Blutes und der Blutgefässe hat auch keine Fort- schritte gemacht ; ja die Bilder, welche darauf hinweisen, sind hier so 4* 52 Dl'- med. Franz Keibel. wenig klar, dass es mir scheint, man wird auch die Bilder der früheren Stadien noch mit Reserve aufnehmen müssen, vor allem, da mir die Uebergangsstadien von dieser Keimscheibe zu den älteren Stadien, bei denen das Blut und die Blutgefässe deutlich und unzweifelhaft gebildet sind, fehlen. Immerhin möchte ich zunächst an der gegebenen Deutung festhalten, da dieselbe in Bonnet's Beobachtungen beim Schaf eine wesentliche Stütze findet. Wenden wir uns jetzt zur Keimscheibe, so ergeben sich nach der Reconstruction folgende Maasse: Die grösste Länge beträgt 105 mm (entspr. 2,1), die grösste Breite 55 (entspr. 1,1). Die Länge des Primitiv- streifens beträgt 64 mm (entspr. 1,28), die Länge der Primitivrinne 38 mm (entspr. 0,76). Auch bei dieser Keimscheibe beginnt die Primitiv- rinne seicht und wird nach hintenhin tiefer, um dann schliesslich wieder flach auszulaufen. Nach dem Erlöschen der Primitivrinne können wir den Primitivstreifen noch auf einer Strecke von 13 mm (entspr. 0,26 mm) verfolgen. Diese Verhältnisse werden sofort klar werden, wenn man die Fig. 37 k — 37 V vergleicht. Erst am Ende des Primitivstreifens Fig. 37v erkennen wir eine Bildung, die wohl als Aftermembran zu deuten ist. Das Ektoderm ist hier, wie das aus Fig. 37 v ersichtlich, in der Mittellinie verdickt und sendet dem Entoderm so einen keilförmigen Fort- satz zu. Mit dem Mesoblast hängt dieser Fortsatz nicht zusammen. Eine umschriebene Verdickung des Entoblast findet sich an der betreffen- den Stelle nicht, doch ist der Entoblast in dieser Gegend überhaupt verdickt und hat bereits eine wohl ausgebildete Darmrinne gebildet. Hinter der Aftermembran ist wie auch in sj^äteren Stadien kein Primitiv- streifen mehr nachzuweisen. Die feineren Verhältnisse des Kopffortsatzes und des Primitivstreifens sind bei dieser Keimscheibe im Wesentlichen die gleichen, wie beim vori- gen Stadium. Ich verzichte deswegen darauf, dieselben noch einmal bei starker Vergrösserung zur Abbildung zu bringen. Der wesentliche Unter- schied gegenüber dem vorigen Stadium ist eine bedeutende Längenzunahme des Kopffortsatzes und ein entsprechendes Zurückweichen des vorderen Endes des Primitivstreifens. Auch der Kopffortsatz der vorliegenden Keimscheibe ist , wie der der Keimscheibe 5 , nicht gleichmässig breit. Er ist vorn breiter, wird dann allmählich schmaler, um gegen das vordere Ende des Primitivstreifens wieder breiter zu werden. Auf den Fig. 37 c — 37 f. kann man das genauer verfolgen. Auch erkennen wir hier schon, trotz der schwachen Vergrösserung, wie sich das Ektoderm dem Kopffortsatz streckenweise (vergleiche besonders Fig. 37 d u. 37 e) ganz genau anschmiegt. So kommt es denn, dass die Verhältnisse des Kopf- fortsatzes in ihren gröberen Umrissen auch schon bei Oberflächeubetrach- tung zur Geltung kommen, und so sind dieselben denn auch in Fig. 36 zum Ausdruck gekommen. Ueber das feinere Detail nur einige Be- merkungen. Im vordersten Bezirk des Kopffortsatzes ist das laterale Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 53 Mesoderm gut zu isoliren. Im Kopflbrtsatz selbst zeigen sich hier Spuren einer besonderen Zellanordnuug, die wohl auf einen Chordacanal zu deuten sind, doch kommt es auch bei dieser Keimscheibe nicht zur Ausbildung eines regelrechten Chordacauals , wenn auch auf manchen Schnitten Lumina, zuweilen mehrere auf einem Schnitt, deutlich werden. Das Entoderm ist in diesem Bezirk des Kopffortsatzes theils stark ver- dünnt, theils überhaupt nicht als gesonderte Zelllage nachweisbar. Gehen wir weiter nach hinten, so finden wir auch in diesem Stadium das late- rale Mesoderm noch mehrfach dem Kopffortsatz dicht anliegend und mit ihm verschmolzen ; während wieder eine Strecke weiter nach hinten der Kopffortsatz klar und deutlich isolirt ist. und so klar und deutlich gesondert bleibt der seitliche Mesoblast vom Kopffortsatz auch auf einer Reihe von Schnitten (10 Schnitte = lOU /.i) noch nachdem der Primitivstreifen bereits begonnen hat. So erscheint denn hier, wie in dem vorigen Sta- dium, der Kopffortsatz resp. die Chorda auf dieser Strecke allein aus dem Primitivstreifen hervorzugehen und man bekommt auch hier den- selben Eindruck einer paarigen Anlage der Chorda, wie im vorigen Stadium. Im Ektoderm der Keimscheibe finden wir überall mehrere Kern- lagen übereinander. Ob trotz dieser mehrfachen Kernlagen das Ekto- derm einschichtig ist, konnte ich an meinen Präparaten nicht nachweisen. Jedenfalls aber durchqueren einzelne Zellen auch jetzt noch die ganze Dicke des Ektoderm und zwar selbst dort, wo dasselbe verhältnissmässig stark ist. Es Hess sich das an einzelnen in Kerntheilung befindlichen Zellen deutlich nachweisen. Bemerkenswerthe Stellen finden sich dann im ausserembryonalen Ektoderm. Hier finden sich stellenweise Ver- dickungen, die wohl mit der Ernährung des Eies resp. mit der Placenta- tion in Beziehung stehen. An den betreffenden Stellen ist das einschich- tige Ektoderm bedeutend verdickt, hat aber dieselbe gelbliche Farben- nuance, welche auch sonst dem ausserembryonalen Ektoderm zukommt. Unsere besondere Aufmerksamkeit verdient schliesslich das Verhalten des Coelom. "Wie das auch schon bei der Keimscheibe 5 erwähnt wurde, zeigen sich nämlich am Rande des Keimscheibenmesoblastes Bläschen, die theils isolirt sind, theils aber auch in Verbindung mit dem peri- pheren Coelom treten. So scheint denn das periphere Coelom in eigen- thümlicher Weise auf das Mesoderm der Keimscheibe überzugreifen. Die fraglichen Bläschen beginnen etwa mit dem vorderen Ende des Kopf- fortsatzes. Eine solche Bildung und die angrenzenden Schnitte, welche für ein richtiges Verständniss nöthig sind, habe ich aus dem Rand- bezirk in der Gegend des zweiten Drittels des Kopffortsatzes zur Dar- stellung gebracht. Die allgemeinen Verhältnisse des Schnittes liegen wie in Fig. 37 e ; es ist der rechte Rand der Keimscheibe bei starker Ver- grösserung zur Darstellung gebracht. Auf den vier dargestellten auf einander folgenden Schnitten sehen wir immer das Ektoderm zur Bildung 54 Dr. med. Franz Keibel. der Amnionfalte nach oben umbiegen und das Bntoderm in der ent- gegengesetzten Richtung abschwenken. Dem Ektoderm folgt die Somato- pleura, dem Entoderm die Splanchnopleura. Auf dem Schnitt, der in Fig. 38 dargestellt ist, sehen wir nun im Mesoderm noch nichts beson- deres. Das Mesoderm ist, bevor es sich in Somato- und Splanchnopleura auftheilt, stark eingeschnürt und nur eine Zelle stark, während wir un- mittelbar medial davon noch 2 — 3 Zellkerne übereinandergethürmt finden konnten. Die nächste Figur (Fig. 39) zeigt eine vollständige Unterbre- chung zwischen dem centralen Mesoblast einer- und Somato- und Splanchno- pleura andererseits. Dazu ist in dem etwas kolbig aufgetriebenen late- ralen Ende des centralen Mesoblastes ein kleines Bläschen entstanden, dessen Wände durch vollkommen epithelial angeordnete Zellen gebildet werden. Der nächste Schnitt (Fig. 40) zeigt uns schon das Lumen des Bläs- chens nicht mehr; wohl aber lässt die Anordnung der Zellen an der lateralen Grenze des centralen Mesoblast noch erkennen, dass hier ein Anschnitt der im vorigen Schnitte deutlichen Bildung vorliegt; auch in diesem Schnitte ist, wie das die Figur deutlich genug zeigt, der peri- phere Mesoblast vollkommen von dem centralen Mesoblast getrennt. Der nächste Schnitt Fig. 41 zeigt dann wieder ähnliche Verhältnisse wie Fig. 38. In diesem Falle ist das fragliche Bläschen also wohl zweifellos ohne Verbindung mit dem perij)heren Coelom, aber es giebt andere Fälle, wo sich ein solcher Zusammenhang nachweisen lässt. Von solchen Bläs- chen nun zählte ich an jedem Bande der Keimscheibe etwa 24. Bald sind dieselben sehr deutlich, wie in dem Schnitte, welcher der Fig. 39 zu Grunde liegt, bald sind sie nur mit Mühe nachzuweisen, und so konnte ich über ihre Zahl nicht ganz ins Beine kommen. Den Abstand der Bläschen fand ich zwischen 150 und 30 f.i (15 und 3 Schnitten) wechseln. "Während sie am vorderen Ende des Kopffortsatzes und am hinteren Ende des Primitivstreifens einander ziemlich nahe gerückt sind, kann man sie im mittleren Primitivstreifengebiet theilweise in ziemlich gleichmässigen Abständen von 100 zu 100 /t (10 zu 10 Schnitten) nachweisen. Eine Gesetzmässigkeit in dem Vorkommen der beschriebenen Gebilde konnte ich an den mir vorliegenden Keimscheiben nicht nachweisen; da aber die Anlagen der Bläschen sehr verschieden deutlich sind, so mag möglicherweise eine gesetzmässige Vertheilung bestehen, die mir deshalb entging, weil ich nicht alle Bläschen wirklich erkennen konnte, üeber die Bedeutung des Befundes wage ich noch kein Urtheil auszusprechen. Die Lage der fraglichen Gebilde Hess mich Beziehungen zum Excretions- apparat vermuthen. Ausser diesen in ihrer Deutung noch durchaus zweifelhaften Bläs- chen verdient Erwähnung, dass die Anordnung des Mesoderms an ein- zelnen Stellen der Keimscheibe uns, wie auch schon im vorigen Stadium, Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 55 ein embryonales Coelom andeutet," wenn ein solches auch nicht wirklich in die Erscheinung tritt. Die Tabelle der Kerntheilung ist hier schon recht umfangreich ge- worden : K e i m s c h e i b e Nr. 6. Schnittdicke Serien- nummer 148 i Serien- Reihen- nummer des Schnittes Keim- scheibe Primitiv- streifen Meso- blastfreie Zone { Kopffortsatz bezeich- nung . des 1 vom Beginn der a S s ! a g ; S :diS "c« S=2 Schnittes Keim- scheibe an ge- rechnet 0 0 CO TS 0 : +-> 0 <» 1 0) ii T3 0 <» -^ S 3 ,,03 0 -kl §3 0 d s ö 02 ^ ein 0 1^ 0) S a I. 4. 20 I I I I. 4. 21 2 5 I — 6 2. I. I 3 5 I — 6 2. I. 2 4 I I 2 i 2. I. 3 5 3 I I 5 2. I. 4 6 5 I I 7 2. I. 5 7 2 I — 3 i 2. I. 6 8 3 4 I 8 1 2. I. 7 9 11 3 4 18 2. I. 8 10 8 2 4 14 2. I. 9 II 8 I I 10 2. I. 10 12 8 3 4 IS 2. 1. II 13 5 4 3 12 2. I. 12 14 II 2 3 16 2. I. 13 15 5 8 3 16 2. 1. 14 16 4 2 4 10 2. I. 15 17 5 3 2 10 2. I. 16 18 5 5 4 14 — — 2 2 2. I. 17 19 6 3 4 13 — — ^ 2. I. 18 2. I. 19 20 21 8 3 3 14 I i • • I 2 *) 2. I. 20 22 : II 5 6 22 3 2 I 6 2. I. 21 23 15 4 9 28 3 2 2 7 2. 2. I 24 9 I 2 12 2 I I 4 2. 2. 2 25 8 3 4 15 2 3 2 7 2. 2. 3 26 12 4 3 19 II 3 — I 4 2. 2. 4 27 ; ^ 3 7 18 ': 2 I 2 5 2. 2. 5 28 II 5 4 20 — I — I 2. 2. 6 29 6' 3 5;!H:i 2 — 2 2. 2. 7 30 5 3 2 10 il I I 2 2. 2. 8 31 7 8 3 18 ]i I I I 3 2. 2. 9 32 8 2 4 14 , — — — 1 — 2. 2. 10 33 II I 3 15 '1 — — — — 2. 2. II 34 j 10 2 5'!i7'i — 2 I 3 2. 2. 12 35 6 j 5 2 13 1 *') Schlechter Schnitt. 56 Dr. med. Franz Keibel. Serien- Reihen- Meso- blastfreie Zone — nummer 148 Serien- nummer des Schnittes Keim- scheibe Primitiv- streifen Kopffortsatz bezeich- vom Beginn der X5 "c3 a c3 3^2 aS nung des S 2 a 1 a a a a a :3^ aj i3 CO Schnittes Keim- scheibe an ge- rechnet u a> 0 TS 0 0 C Summe Ektoder u ^ ^ Primitiv- streifen s s ^H kl f^ a Meso- blastfreie i Zone Kopffortsatz W ! 1 N 1 '1-^ 1^ _l ^ 03 S t2 .^ ^ '<-' ® , 0^ &. o S '^ o S StA Vi Ö -^ . o C» jiB^nS w es Li d ^O ^ <;-; <» n TS o o M c W TS 3 4 5 6 7 8 9 lO II 12 13 14 IS i6 17 i8 19 20 21 22 i 4 5 6 7 8 9 10 II 12 13 H 15 16 17 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 ''74 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 9 15 II 3 12 7 5:' — 14 — 5 7 4 7 5 — 2 I I — 4 — 5 — 2 — 2 I — I 2 — 3 — 2 — ' 4 _! I — I I — I 2 4 — 5 I 2 — I 2 I I I 2 I I X 2 4 — ' I — i 3 1 I 1 3 — I I 2 I I 3 — "2 Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 59 Serien- ßeiben- 1 ' nummer 148 Serien- nummer des Schnittes Keim- scheibe Primitiv- streifen Meso- blastfreie Zone Kopffortsatz N t K.-I bezeich- nung des vom Beginn der ' 1 s 1 s a a g B a a CO ö"1 ac2 Schnittes Keim- scheibe tri ' t~t (D (U s ■T3 4) t3 u s ^3 13 TS a 1^ ^ 0 ^ ^ ^3 0 S an ge- rechnet q 0 0 !3 0 0 CO 3 S 0 0 1 a SiA 5M a ä H OD ,!H 0) ^ w 3 M 0 Öil'O I CO 3. 4. i8 186 2 _ 2 I \ — I 3 4 19 187 2 2 I — 1 I 3 4 20 188 4 2 6 2 — — 2 3 4 21 189 3 — I 4 I — — 1 4 I 190 3 3 6 — — • — — 4 2 191 2 2 I 5 I — I , 2 4 3 192 2 3 — 5 I I 2 4 4 193 I 2 3 — I — 1 4 5 194 4 I I 6 2 I — 3 4 6 195 3 I 4 — I — I 4 7 ig6 3 I 2 6 I — I 2 4 8 197 4 I — 5 I I — 2 4 9 198 3 I 4 2 fehlt I 3 4 lO 199 — I I 2 — n I I 4 II 200 2 — 2 2 )) — 2 4 12 201 3 3 6 2 n — 2 4 13 202 I — I — — — — 4 14 203 — 2 I 3 — — — — 4 15 204 — 3 — 3 — — — — 4 16 205 — — 4 17 206 Blicken wir zur kurzen Orientirung auf die graphische Darstellung (Fig. 56 auf Taf. YI) , so zeigt uns die Gesammtübersicht über die Kern- theilungen zwei Maxima. Das vordere liegt in der Gegend des vorderen Endes des Kopffortsatzes, das zweite in der vorderen Primitivstreifen- gegend. Am hinteren Ende der Keimscheibe ist die Zahl der Kern- theilungen verhältnissmässig gering. Der Mesoblast der Keimscheibe zeichnet sich durch reichliche Kerntheilungen im Primitivstreifengebiet der Keimscheibe aus, im Entoblast fallen verhältnissmässig zahlreiche Kerntheilungen im vorderen Gebiet der Keimscheibe auf. Die Vertheilung der Kerntheilungen im Primitivstreifen zeigt gegen das hintere Ende des Primitivstreifens wenig Kerntheilungen. Das interessanteste Ergebniss giebt eigentlich eine Vergleichung der graphischen Darstellung 6 mit den Darstellungen zu 3 und 4 (Fig. 54 u. 55 auf Taf. VI). Hier zeigt sich eine Abnahme der Intensität der Kerntheilungen auf den ersten Blick ; besonders muss das für den Pri- mitivstreifen auffallen. 60 Dr. med. Franz Keibel. Vergleichende Betrachtung der Keimscheiben. Vergleichen wir die eben einzeln besprochenen sechs Keimscheibeu jetzt untereinander, um uns die Entwicldungsvorgänge dieser frühen Periode in ihrem Zusammenhange klar zu machen , so werden wir zu- nächst mit Bedauern noch einmal hervorheben müssen , dass durch das Studium der vorliegenden Stadien weder das erste Auftreten des Primitiv- streifen noch auch das erste Auftreten des Mesoblastes beim Schwein klar gestellt wird. Wir können nicht sagen, ob beim Schwein die erste Anlage des Primitivstreifens im Inneren der Keimsclieibe entsteht und der Primitivstreifen von einer centralen Ursprungsstelle dem Rande der Keimscheibe zuwächst, oder ob der Primitivstreifen vom hinteren Rande der Keimscheibe aus entsteht und von hier aus nach vorn hin auswächst. Das aber lässt sich feststellen, dass in dem jüngsten uns vorliegenden Stadium der Primitivstreifen liis an das hintere Ende der Keimscheibe reicht. Jedenfalls ist also, selbst wenn die erste Anlage des Primitiv- streifens innerhalb der Keimscheibe statt hat, die Periode, in welcher der Primitivstreifen nach rückwärts wächst, schon in sehr früher Zeit abge- schlossen. — Von den Eigenthümlichkeiten der jüngsten beobachteten Keimscheibe bringe ich dann noch einige andere in die Erinnerung. Wir fanden eine wenig ausgebildete in der vorderen Hälfte des Primitiv- streifens gelegene Primitivrinne, einen freien, von Ektoderm und Ento- derm wohl gesonderten, Kopffortsatz und eine mesodermfreie Zone von beträchtlicher Ausdehnung. Die centrale Grenze des Coelom verläuft bis auf einen kleinen Bezirk jederseits am vorderen Rande der Keim- scheibe peripher vom Keimscheibenrande. Ein Blick auf die Recoustruc- tion (R 1) bringt alle diese Verhältnisse wieder in die Erinnerung und auch für die folgenden Auseinandersetzungen wird es sich empfehlen immer die Reconstructionen (R 1 — R 6) vor Augen zu behalten. Vergleichen wir nun mit der eben kurz skizzirten jüngsten Keim- scheibe die nächst ältere. Wir haben da zunächst ein recht bedeutendes Wachsthum der Gesammtkeimscheibe festzustellen, das sich auf den ersten Blick aus der Betrachtung der Reconstructionen ergiebt, und das man mit Zirkel und Massstab leicht bis in beliebige Einzelheiten ver- folgen kann. Fassen wir den Primitivstreifen in's Auge, so finden wir, dass er nahezu um das doppelte gewachsen ist. Die Primitivrinne hat sich sogar auf das dreifache ausgedehnt. Dabei ist der Anfangspunkt der Primitivrinne vom Anfange des Primitivstreifens gleich weit entfernt geblieben, während das hintere Ende der Primitivrinne vom hinteren Ende des Primitivstreifens bei der zweiten Keimscheibe noch weiter entfernt ist als bei der ersten. Die Länge des Kopffortsatzes ist um eine Kleinig- keit geringer bei der zweiten Keimscheibe als bei der ersten. Als einen wesentlichen Fortschritt haben wir festzustellen, dass die Spitze des Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 61 Kopffortsatzes mit dem Eutoderm verschmolzen ist. Die mesodermfreie Zone hat au absoluter Grösse bedeutend zugenommen , doch sind ihre Grenzen weniger deutlich. Der vordere Rand der Keimscheibe ist vom vorderen Ende [des Primitivstreifens im älteren Stadium etwa um ein Drittel weiter entfernt als im jüngeren. Der centrale Rand des Coelom fällt abgesehen vom hinteren Rande der Keimscheibe ziemlich genau mit dem Keimscheibenrande zusammen. — Suchen wir uns nach diesen Daten eine Vorstellung darüber zu bilden , wie sich die Keimscheibe 2 aus einem der Keimscheibe 1 entsprechenden Stadium entwickelt hat, so stossen wir auf manche Schwierigkeit. Die wichtigste Frage dürfte wohl die sein, wie haben wir uns das Wachs- thum des Primitiv Streifens zu denken ? Hat der Primitivstreifen sich durch Uebergreifen auf den vorderen Bezirk der Keimscheibe weiter ausgedehnt oder erklärt sich sein Gesanmitwachsthum aus dem Wachsthum aller seiner Theile in sich ? Mit einem Wort also, ist der Primitivstreifen durch Appo- sition oder durch Intussusception gewachsen ? Die Schwierigkeit diese Frage zu entscheiden liegt darin, dass ja überall Wachsthum und Veränderung herrscht. So kann man daraus, dass der Bezirk vor dem vorderen Ende des Primitivstreifens bei der Keimscheibe 2 grösser ist als der entspre- chende Bezirk in der Keimscheibe 1 nicht schliessen, dass keine Aus- dehnung des Primitivstreifeus nach vorn stattgefunden hat, zumal nicht, wenn wir bedenken , dass die Zählung der Kerntheilungen eine lebhafte Kernvermehrung im vorderen Bezirk der Keimscheibe nachgewiesen hat. Ich möchte es im Gegentheil für wahrscheinlich halten, dass neben einem kräftigen Wachsthum durch Intussusception auch bei der Herausbildung der Keimscheibe 2 aus einem der Keimscheibe 1 , entsprechenden Stadium ein Appositionswachsthum des Primitivstreifens statt hatte. Es sprechen zwei Gründe dafür. Erstlich ist das Wachsthum des Primitivstreifens — sagen wir einmal kurz — vom Stadium 1 zu Stadium 2 so ausserordent- lich stark, dass uns diese Annahme nahe gelegt wird, dann aber lässt sich für die unmittelbar folgenden Stadien ein solches Wachsthum durch Apposition mit zwingender Nothwendigkeit nachweisen. — Von den wei- teren Vorgängen, die sich zwischen Stadium 1 und 2 abspielen ist die Verschmelzung des Kopffortsatzes mit dem Entoblast wohl leicht ver- ständlich. Hervorgehoben zu werden verdient aber, dass der Kopffort- satz nicht länger, sondern etwas kürzer geworden ist. Es liegt nahe, so- fort hieraus zu schliessen , dass eine Betheihgung des Entoblast an der Bildung des Kopffortsatzes schon aus diesem Grunde unmöglich ange- nommen w^erden könne. Dieser Schluss ist aber so nicht berechtigt. Wenn wir annehmen, dass der Primitivstreifen durch Apposition nach vorn wächst, so kann er nicht anders wachsen als auf Kosten des Kopf- fortsatzes. In wieweit durch Eigenwachsthum dieser Verlust ausgegUchen wird, muss dahingestellt bleiben. Wenn aber freilich eine geringe Be- theiligung des Entoblast an der Bildung des vorderen Endes des Kopf- 62 Dr. merl. Franz Keibel. fortsatzes in dieser Entwicklungsperiode nicht strenge auszuschliessen ist, so muss dem gegenüber auch hervorgehoben werden, dass keine positiven Data für eine solche Annahme verwerthet werden können. Ja ein anderer Umstand fällt sehr gewichtig gegen diese Annahme in die Wage. Das vordere Ende des Kopffortsatzes ist im Stadium 2 fast noch einmal so weit vom vorderen Rande der Keimscheibe entfernt als im Stadium 1, im Stadium 1 aber war das Entoderm noch ganz unbetheiligt an dem Kopffortsatz. Wollten wir annehmen, dass eine Strecke Entoderm sich dem vorderen Ende des mesodermalen Kopf fortsatzes angefügt hätte, so würde diese Thatsache schwer erklärlich sein, wir würden alsdann doch eher erwarten, dass vordere Ende des Kopffortsatzes dem vorderen Rande der Keimscheibe genähert zu finden. Eine andere, wenn auch theoretisch bei weitem nicht so wichtige Frage betrifft die Verschiebung der centralen Coelomgrenze vom Stadium 1 zu 2. Auf welche Weise haben sich die centrale Coelomgrenze und der Rand der Keimscheibe zu einander verschoben? Es giebt hier zwei Möglichkeiten , entweder kann das Coelom weiter central vorgedrungen sein, oder aber das Ektoderm der Keimscheibe ist durch grössere Wachs- thumsenergie relativ weiter peripherwärts vorgerückt, wie das Mesoderm der Keimscheibe. Da durch die Formation des Keimscheiben-Ektoblast der Rand der Keimscheibe bestimmt wird, können wir so zu demselben Resultate kommen , wie durch eine central vorschreitende Spaltung des Mesoderm bei gleicher Wachsthumsenergie in Ektoderm und Mesoderm. Mir will es nun scheinen, dass die relative Yorlagerung der centralen Coelomgrenze wesentlich darauf zurückzuführen ist, dass der Ektoblast der Keimscheibe den Mesoblast überwächst. Für diese Annahme spricht erstlich das starke Ueberwiegen der Kerntheilungen im Ektoblast, ob- wohl dafür auch noch andere Gründe geltend gemacht werden können — , dann macht der Process des Centralwärtsrückens des Coeloms in den nächsten Stadien keinerlei Fortschritte und auch die feineren Verhält- nisse an der Grenze des Coeloms gewähren keinerlei Anhalt zu der An- nahme, dass hier eine centralwärts vordringende Spaltung des Mesoderm eintritt. Damit stimmt denn gut überein, dass, wenn wir die Entfernung von Coelomgrenze zu Coelomgrenze quer über die Keimscheibe bei Sta- dium 1 u. 2 vergleichen, wir finden, dass diese Entfernung bei der zweiten Keimscheibe nicht unwesentlich grösser ist als bei der ersten. Schreiten wir nun von Keimscheibe 2 zu Keimscheibe 3 weiter vor, so finden wir wiederum, abgesehen vom allgemeinen Grössenwachsthum, zunächst eine bedeutende Verlängerung des Primitivstreifens. Dabei zeigt das hintere Ende des Primitivstreifens, wie das in der Special- beschreibung der Keimscheibe genauer ausgeführt wurde, Zeichen der Rückbildung. Ob wür am Ende der Primitivrinne, beträchtlich entfernt vom Ende des Primitivstreifens eine Aftermembran anzunehmen haben oder nicht, blieb zweifelhaft und wurde an der gleichen Stelle eingehender Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 63 besprochen. Die Primitivrinue ist wesentlich verändert. Ein ganz kleines Rinnenstück findet sich im vorderen Bezirk der Keimscheibe, dann folgt nach einer ziemlich langen Unterbrechung eine wohl ausgebildete Primitiv- rinne, die um ein Drittel länger ist als die Primitivrinne der Keim- sclioibe 2. Das Ende dieser Primitivrinne bildet eben die fragliche, vielleicht als Aftermembran zu deutende Bildung. Die Primitivrinne zerfällt in einen längeren vorn gelegenen seichten Theil, und in einen kurzen tiefen Theil. Das hintere Ende des Primitivstreifens ist vom hinteren Ende der Primitivrinne annähernd ebensoweit (nicht ganz) ent- fernt, als bei der Keimscheibe 2. — Von höchstem Interesse sind die Veränderungen im vorderen Theile der Keimscheibe. Hier ist zunächst festzustellen , dass der vordere Rand der Keimscheibe vom vorderen Ende des Primitivstreifens weniger weit entfernt ist als bei Keim- scheibe 2. Der Kopffortsatz erscheint wiederum etwas kürzer, er ist mit dem Entoderm verschmolzen und nach vorn hin nicht genau abzugrenzen. Sein Vorderende ist von dem vorderen Rande der Keimscheibe etwa ebensoweit entfernt wie in der Keimscheil)e 2. Die mesodermfreie Zone ist sehr klein geworden und ihre Grenzen sind sehr undeutlich. Die Grenze des Coeloms liegt etwas central von der Grenze der Keimscheibe. — lieber das Verhalten des Coelom habe ich dem bei Vergleichung von Keimscheibe 1 und 2 gesagten hier nichts wesentliches hinzuzufügen. Die mesodermfreie Zone schrumpft offenbar trotz eigenen Wachsthums dadurch zusannnen, dass an ihren Rändern von allen Seiten Mesodermzellen zwischen Ektoderm und Entoderm drin- gen. Der Kopffortsatz hat, wie die Tabellen der Kerntheilungen zeigen wahrscheinlich kein sehr bedeutendes Eigenwachsthum. und wenn er bei der Keinischeibe 3 sogar kürzer erscheint als bei der Keimscheibe 2, so könnte man an eine weitergehende Verschmelzung mit dem Entoderm denken, das die vordere Grenze des Kopffortsatzes undeutlich macht und ihn kürzer erscheinen lässt als er wirklich ist. Das Wesentliche ist das aber sicher nicht, es kommt vielmehr hier das Vorrücken des Primitiv- streifens in Frage, auf das ich schon bei Vergleichung der Keimscheiben 1 und 2 hingewiesen hatte. — Entschieden ist die wichtigste und auf- fallendste Thatsache, welche uns die Vergleichung der Keimscheiben 1 und 2 mit den Keimscheiben 3 und 4 lehrt, die, dass die Entfernung vom vorderen Ende des Primitivstreifens zum vorderen Rande der Keim- scheibe kleiner wird. Wenn wir also annehmen wollen, dass die Keim- scheiben 3 und 4 sich aus einem Stadium, das der Keimscheibe 2 ent- spricht, entwickelt haben, so müssen wir zugleich annehmen, dass der Primitivstreifen in den vorderen Bezirk der Keimscheibe vorgewachsen ist. Es ist also, da die erste Annahme nicht zu umgehen sein dürfte, das Vorrücken des Primitivstreifens nach vorn nachgewiesen. Ich habe mich — vor allem wegen der Schwierigkeiten, die sich dadurch für die Auffassung der Entwicklung des Kopffortsatzes ergeben — zunächst 64 Dr- med. Franz Keibel. gegen diesen Schluss gesträubt und mit darum der Keimscheibe 3 ein ihr sehr nahe stehendes Stadium in der Keimscheibe 4 angeschlossen; aber auch aus dieser Reconstruction ergab sich mit Nothwendigkeit die gleiche Annahme. Noch zwingender wird der oben gezogene Schluss dadurch, dass gleichzeitig in den Stadien 3 und 4 lebhafte Kerntheilungs- vorgänge auf ein kräftiges Eigenwachsthum im vorderen Bezirk der Keimscheibe hinweisen. Ich darf dann die Yergleichung von Keimscheibe 2 und 3 nicht schliessen, ohne die Allantoisanlage zu erwähnen, welche die Keimscheibe 3 auszeichnet Durch die Allantoisanlage gewinnt der Primitivstreifen jetzt auch noch abgesehen vom Rande der Keimscheibe einen festen Ab- schluss. Der Schritt von Keimscheibe 3 zu Keimscheibe 4 ist, wenn wir von dem Neuauftreten des Amnion absehen , wie schon zu verschiedenen Malen hervorgehoben, sehr gering. Der Primitivstreifen ist noch länger geworden und seine Spitze ist noch weniger Aveit vom vorderen Rande der Keimscheibe entfernt, wie in der Keimscheibe 3. Jedenfalls haben wir in der Keimscheibe 4 das Eutwicklungsstadium dej- Schweinekeim- scheibe vor uns, in welchem das Wachsthum des Primitivstreifens nach vorn seinen Höhepunkt erreicht oder vielleicht schon eben überschritten hat. Dieser letzte Gedanke wird durch die Verhältnisse des Kopffort- satzes angeregt. Wie die späteren Stadien zeigen, wächst derselbe von nun an wesentlich auf Kosten des Primitivstreifens dadurch, dass das vordere Ende des Primitivstreifens zurückweicht. Nun erscheint der Kopf- fortsatz in Keimscheibe 4 verhältnissmässig lang, nämlich fast noch ein- mal so lang als in Keimscheibe 3, und die Mesodermverhältnisse des Kopffortsatzes legen auch die Annahme nahe, dass der Primitivstreifen eben begonnen haben könnte, sich zurück zu ziehen. Doch verdient gleichzeitig auch hervorgehoben zu werden, dass sich in diesem Falle verhältnissmässig viel Kerntheilungen im Kopffortsatze finden. Das vordere Ende des Kopffortsatzes liegt dem vorderen Rande der Keim- scheibe bedeutend näher als im vorigen Stadium. — Die Primitivrinne ist einheitlich; wir finden sie auch hier vorn seicht, hinten tief; sie schliesst mit einer entsprechenden, vielleicht auf eine Aftermembran hin- weisenden Bildung ab, wie bei der Keimscheibe 3. Auch hier liegt die betreffende Stelle eine ganze Strecke vom hinteren Rande der Keim- scheibe und dem hinteren Ende des Primitivstreifeus entfernt. Während aber bei der Keimscheibe 3 der Primitivstreifen eine Unterbrechung zeigte, ist bei der Keimscheibe 4 der Primitivstreifen bis an das Ende deutlich, wenn auch schwach ausgebildet. Sehr wesentlich ist der Fortschritt von der Keimscheibe 4 zu den Keimscheiben 5 u. 6, zu denen wir uns jetzt wenden wollen. Von Keim- scheibe 5 wurde nur der vordere Teil der Keimscheibe reconstruirt (R 5). Es fällt vor allem das Längenwachsthuui des Ivopffortsatzes auf, den Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 65 wir hier wohl schon kurzweg als Chordaanlage bezeichnen dürfen. Dabei ist das vordere Ende des Kopffortsatzes ziemlich genau so weit von dem vorderen Rande der Keimscheibe entfernt, wie bei der Keimscheibe 4; das vordere Ende des Primitivstreifens dagegen ist sehr viel weiter vom vorderen Rande der Keimscheibe entfernt, wie in den Keimscheiben 3 und 4. Das eben Gesagte gilt im wesentlichen auch für die ganz recon- struirte Keimscheibe 6. Wir erkennen an derselben ausserdem noch eine wesentliche Verlängerung des Primitivstreifens, der bis an das Ende der jetzt schon recht lang gestreckten Keimscheibe reicht. Hier am Ende des Primitivstreifens findet sich eine wohl als Aftermembran zu deutende Bildung. Ich bin in der Deutung hier unbedenklicher, trotzdem mir unmittelbar anschliessende Stadien fehlen, weil die Lage der späteren Lage der Aftermembran beim Schwein am Ende des Primitivstreifens entspricht. Wenn wir also annehmen wollten, dass auch die bei den Keimscheiben 3 und 4 beschriebenen Bildungen schon Andeutungen der Aftermembran sind, so müssten wir zugleich annehmen, dass das hintere Ende des Primitivstreifens sich zurückbilde, und zwar mit einem ent- sprechenden Theil der Keimscheibe, eine Annahme, die grosse Schwierig- keiten hat. Immerhin muss darauf hingewiesen werden, dass ja in anderen Fällen von einem anderen Beobachter Strahl (129) und von mir Primitivstreifenbildung hinter der Aftermembran nachgewiesen wurde. ^) Es gelang das Strahl (129) für das Kaninchen, mir (69) für das Meerschweinchen. Versuchen wir uns nun Klarheit darüber zu verschaffen, wie das starke Wachsthum des Kopffortsatzes von dem Stadium der Keim- scheiben 3 und 4 Su dem Stadium der Keimscheiben 5 und 6 zu stände gekommen ist. Drei Möglichkeiten wären hier denkbar. Der Kopffort- satz könnte sich erstlich durch Eigenwachsthum vergrössert haben, er könnte zweitens auf Kosten des Entoderms nach vorn gewachsen sein, es kann drittens das Wachsthum des Kopffortsatzes dadurch bewirkt sein, dass das vordere Ende des Primitivstr^ifens zurückweicht und aus dem in der Achse des Primitivstreifens gelegenen Gewebe der Kopffort- satz hervorgeht. Natürlich sind dann auch noch Combinationen dieser drei Wachsthumsarten möglich, von denen ich jedoch zunächst hier ab- sehe. Erwägen wir zuerst, ob wir die Gross enzunahme des Kopffort- satzes seinem Eigenwachsthum werden zuschreiben dürfen. Abgesehen von den spärlichen Kerntheilungen , welche auf kein sehr bedeutendes Eigenwachsthum des Kopffortsatzes hinweisen, spricht gegen eine solche Annahme der Umstand, dass das vordere Ende des Kopffortsatzes bei den Keimscheiben 5 und 6 etwa ebensoweit von dem Rande der Keim- scheibe entfernt ist, als bei der Keimscheibe 4. Dabei liegt kein Grund vor, anzunehmen, dass der ganze vordere Bezirk der Keimscheibe mit *) Vergl. S. 33. Morphol. Arbeiten hrsg. v. G. Schwalbe. III. 66 Dr. med. Franz Keibel. sammt dem Kopffortsatz so bedeutend gewachsen sein sollte, dass sich hieraus das Gleichbleiben der Entfernung zwischen dem vorderen Ende des Kopffortsatzes und dem vorderen Keimscheibenrande und zugleich das starke A¥achsthum des Kopffortsatzes erklären Hesse. — Dass das starke Wachsthum des Kopffortsatzes auf Kosten des Entoderms zu setzen wäre, ist nicht anzunehmen; es wäre bei dieser Annahme nicht denkbar, wie die Entfernung des vorderen Endes des Kopffortsatzes vom Rande der Keimscheibe dieselbe bleiben könnte. Uebrigens weisen auch sonst keinerlei Vorgänge im Entoderm auf eine beträchtliche Betheiligung des Entoderm an dem Wachsthum des Kopffortsatzes hin. So bleibt denn als wesentliches Moment des Wachsthums des Kopffortsatzes nur die dritte Möglichkeit. Der Kopffortsatz muss auf Kosten des Primitiv- streifens gewachsen sein. Dies Wachsthum müssten wir uns so vor- stellen, dass immer der vorderste Theil des Primitivstreifens sich in den Kopffortsatz umbildet, und damit dem entsprechend das voixlere Ende des Primitivstreifens zurückweicht. Für die Annahme dieses Entwick- lungsmodus lassen sich nun auch noch eine ganze Reihe von positiven Gründen gewichtiger Art anführen. Es lässt sich dafür geltend machen, dass das vordere Ende des Kopffortsatzes in den Keimscheiben 5 und 6 etwa gleich weit vom vorderen Rande der Keimscheibe entfeint ist, wie bei der Keimscheibe 4. Dann entspricht die Strecke, um welche das vordere Ende des Primitivstreifens vom vorderen Rande der Keim- scheibe abgerückt ist, ziemlich genau der Längenzunahme des Kopffort- satzes. Obgleich diese beiden Gründe mir schon ausschlaggebend zu sein scheinen, sollen auch noch die feineren Verhältnisse des Kopffort- satzes und des Primitivstreifens mit ins Feld geführt werden. Sowohl in der Keimscheibe 5 wie 6 findet mau Uebergangsstadien von Primitiv- streif enbilduug zum Kopffortsatz. Der Kopffortsatz erinnert durch seine Beziehungen zum lateralen Mesoblast a,uf manchen Schnitten an die Primitivstreifenformatiou , während andererseits am vorderen Ende des Primitivstreifens die Anlage des Kopffortsatzes schon wohl ausgebildet und vom lateralen Mesoblast gesondert in Erscheinung tritt. Schliess- lich sei als ein weiterer nicht gering anzuschlagender Grund für die ge- schilderte Entstehung des Kopffortsatzes resp. der Chorda angeführt, dass in späteren Stadien die Bildung der Chorda zweifellos in dieser AVeise erfolgt, wie ich das nicht nur beim Schwein, sondern auch beim Meer- schweinchen, beim Kaninchen, bei Huhn und Ente beobachtet habe. Ist nun aber die eben vertretene Bildungsweise des Kopffortsatzes resp. der Chordaanlage richtig, und ich glaube, man wird daran nach dem vorgebrachten Beweismaterial kaum zweifeln dürfen, so ergiebt sich daraus unmittelbar, dass in frühen Stadien der Primitivstreifen bis an das vordere Ende der Chorda und somit bis an das vordere Ende des Embryo überhaupt reicht. Es hat somit das Material für den Kopftheil des Embryo seiner Zeit im Primitivstreifen und. zu beiden Seiten des- Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 67 selben gelegen. Im Moment, wo die Aftermembran deutlich geworden ist, kann man in seinen Schlüssen noch weiter gehen. Wir können dann feststellen, dass das Material für den ganzen Embryo sich seiner Zeit im Bereich des Primitivstreifens befunden hat. Mit anderen Worten, der Primitivstreifeu durchsetzte den Embryo einmal in ganzer Ausdehnung. Finden wir Primitivstreifen noch hinter der Aftermembran, so ist damit das Uebergreifen des Primitivstreifens auf ausser- embryonalen Bezirk dargethan, da das Gebiet des Embryo zunächst mit der Aftermembran abgeschlossen ist. Wie sofort einleuchten wird, sind wir hier zur Feststellung von Thatsachen gekommen, welche die His'sche *) neuer- dings auch von (3. Hertwig ^) aufgenommene Lehre von der Entwick- lung des Wirbelthierembryos aus paariger Anlage zu stützen scheint. Die Thatsache, ob wir auch hinter der Aftermembran noch Primitiv- streifen finden, oder nicht, ist von Belang dafür, ob wir den Primitiv- streifen dem ganzen Urmunde oder nur einem Theil des Urmundes gleich zu setzen haben. Doch deute ich hier auf diese Fragen nur hin , sie sollen in einem besonderen Abschnitt zusammen mit den Theorien über die Gastrulatiou und die Mesodermbildung (Coelombildung) der Säuger besprochen werden. Fassen wir an dieser Stelle noch einmal die gewonnenen thatsäch- lichen Befunde und die sich unmittelbar daraus ergebenden Schlüsse zusammen : 1) Bei der jüngsten vom Schwein beobachteten Keim- scheibe reicht der Primitivstreifen bis an das hintere Ende derselben. 2) Es kommt beim Schwein ein Stadium mit freiem me- soder malen Kopffortsatz vor. 3) Der Rand des Kopffortsatzes ist häufig mit dem seitlichen M esoblast verschmolzen und trägt wahrschein- lich zu seiner Bildung bei. 4) In frühen Entwicklungsstadien Hess sich ein Vor- wachsen desPrimiti vstreifens in dem vorderen Bezirk der Keimscheibe nachweisen. Dieses Vorwachsen kann nicht anders als aufKosten des freien Kopffortsatzes erfolgen, und dadurch wird auch das vom Kopffortsatz gebildete MesodermindenBereichdes Primitivstreifens einbezogen. Daraus folgt, dass das gesammte Mesoderm des künftigen *) HIS, Zur Frage der Längenverwachsung von Wirbelthierembryonen. Ver- handlungen der Anat. Gesellschaft. Mai 1891 und an anderen Orten seit 1875. (50, 51, 52, 53, 54, 55, 56). ") Hertwig, 0. (47). 5* 68 Dr. med. Franz Keibel. Embryonalkörpers mit dem Primitivs treif en direct in Beziehung steht. 5) In späteren Stadien weicht das vordere Ende des Primitivstreife US wieder zurück. 6) Aus dem Material des zurückweichenden Primitiv - Streifens bildet sich Kopffortsatz resp. die Chorda. 7) AnderChordabildungbotheiligtsich, abgesehenvon einer ganz kurzen Strecke am vorderen Ende, für welche sich die Entscheidung nicht mit voller Sicherheit treffen lässt, das Entoderm nicht. 8) Eine andere Quelle des Mesoderms als der Primitiv- streifen Hess sich beim Schweine nicht nachweisen; von einem peripheren Mesoblastkeim konnten trotz genauer Nachforschung keine Spuren entdeckt werden. 9) Der Primitivstreifen reichte seiner Zeit bis an das Vorder ende des Embryo. 10) Im Moment, wo durch die Bildung der Aftermem- bran das hintere Ende des künftigen Embryo gekenn- zeichnet ist, kann man sagen, dass der ganze Embryo von dem Primitivstreifengebiet durchsetzt, so zu sagen beherrscht wird. 11) Ein Hinausgreifen des Primitivstreifens über die Aftermembran konnte beim Schweine nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden, ist aber bei anderen Säugern (Ka- ninchen, Meerschweinchen) beobachtet. Es bedeutet ein Uebergreifeu des Primitivstreifens auf den ausser embryo- nalen Bezirk des Eies und ist wichtig für die Entschei- dung der Frage, ob der Primitivstreifen dem ganzen Ur- mund oder nur einemTheil des Urmundes entspricht. Dieser Zusammenfassung sei auf Veranlassung der MEHNERT'schen Arbeit über die Gastrulation und Keimblätterbildung bei Emys lutaria taurica (92), die mir erst zu Händen kam, als ich meine Untersuchung soweit abgeschlossen hatte, noch einiges über den Darmentoblast des Schweines hinzugefügt. Dass das Darmentoderm des Schweines, ebenso wie das des Meerschweinchens und Kaninchens, aus dem unteren Blatte des zweischichtigen Keimes hervorgeht, lässt sich für den grössteu Theil des Darmentoderms nachweisen. Ich kann mich darüber heute mit noch grösserer Sicherheit aussprechen als ich das in meiner Arbeit über die Chorda (70) gethan habe. Doch damals schon wies ich nach, dass das Darmentoderm nur auf einer Strecke , welche vom vorderen Ende des Medullarrohres bis in die Gegend des 6 ten bis 7 ten Urwirbelpaares reicht, je in Beziehung zur Chorda oder zum Chordacanal gestanden hat. Ich halte daran fest, dass es ganz unmöglich ist, dass von dieser Strecke der ganze übrige Darmentoblast abstammt. Mehnert sagt freilich, Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 69 nachdem er die Einschaltung der Chorda besprochen (1. c. S. 417). „In einem späteren Stadium „schaltet" sich die Chorda aus dieser Zellen- masse heraus. Es ist von vielen Autoreu behauptet worden, dass die nach der Elimination der Chorda unter derselben liegende dünne Zellen- lage das ursprüngliche Paraderm repräsentirt. Der Beweis ist aber noch nicht erbracht und kann auch nicht erbracht werden, da es keinerlei charakteristische Merkmale giebt, welche es ermöglichen die Paraderm- zellen während ihrer Verwachsung mit dem Kopffortsatze von den Zellen des letzteren unterscheiden zu können. Die Behauptung, dass der Chordatheil des Kopffortsatzes in das Paraderm eingeschaltet wird und doch die ganze morphologisch demselben homologe Zellenmasse wieder als Chorda ausgeschaltet wird, ohne dass zwischen beiden ein Zellenaus- tausch, eine Umgruppirung der Zellenelemente stattfindet, ist weder auf Beobachtung basirt noch berechtigen vergleichend embryologische Mo- mente zu einer solchen Auslegung des Entwicklungsganges. Ueberhaupt müssen, ohne vergleichend embryologische Anhaltungspunkte, der ganze „Einschaltungsprocess'' des Chordatheiles des Kopffortsatzes, das Auf- treten des „Chordacanales", sein Durchbruch, die schliessliche Ausschal- tung der Chorda, als gänzlich „unerklärliche mystische Entwicklungsvor- gänge gelten''. — Demgegenüber muss ich denn doch zunächst ganz allgemein bemerken, dass auch wenn ein Entwicklungsvorgang unerklärlich ist, dieser Entwicklungsvorgang darum doch wohl noch nicht mystisch zu sein braucht. Auch ich versuche, wie Mehnert, mich nach Möglichkeit vergleichend embryologischer und vergleichend anatomischer Gesichtspunkte zu bedienen, habe aber bei diesen wie bei allen sonstigen Gesichtspunkten die Erfahrung an Anderen und mir gemacht, dass sie irre leiten können. — Ich werde in dem Abschnitt, in welchem ich die Gastrulation , die Coelombildung und die Concrescenztheorie mit Rücksicht auf die Entwicklung der Säuger bespreche, noch Gelegenheit haben, zu untersuchen, ob Mehnert in der Anwendung seiner vergleichend anatomischen und vergleichend embryo- logischen Gesichtspunkte, immer glücklich war; hier nur soviel, dass ihm seine Gesichtspunkte die Herkunft des Darmentoblast beim Schwein und bei den sonst von mir untersuchten Säugern nicht erschlossen haben. — Ausser den schon angeführten Gesichtspunkten, welche eine Ableitung des gesammten Darmepithels des Säugers vom Kopffortsatz nicht nur unwahrscheinlich, sondern auch schon unmöglich machen, hatte ich in meiner Arbeit über die Chorda für Kaninchen und Meerschwein- chen schon nachgewiesen, dass an gewissen Stelleu des Darmes eine Be- theiligung des Chordaentoblastes an der Bildung des Darmepithels rund- weg ausgeschlossen war. Das Gleiche gilt vom Schwein. — Dazu kommt nun aber noch eine andere Beobachtung. Vielfach grenzt sich der Darmentoblast schon gegen den seitlichen Entoblast ab, bevor die Chorda in das Entoderm eingeschaltet ist. Kommt in solchen Stadien später 70 Dr. med. Franz Keibel. aiicli eine Einschaltung der Chorda in das Entoderm zu Stande, so kann immer nur die Frage sein, ob im mittleren Theile des Darmes, dort wo die Chorda sich eingeschaltet hat, eine oder die andere Chordazelle vom Entoderm zur Chorda oder von der Chorda zum Entoderm hinüber wandert. Ob das geschieht oder nicht, lässt sich aus allgemeinen Gründen und durch die Untersuchung der Wachsthumsverhältnisse mehr oder we- niger wahrscheinlich machen, mit Sicherheit kann man darüber jedoch nichts entscheiden. Dies und nicht mehr kann ich Mehnert zugeben. Im Uebrigen möchte ich auch auf die BoNNET'schen Arbeiten (12, 13, 14, 15, 16) hinweisen, aus denen man ersehen kann, dass beim Schafe die Dinge im wesentlichen ebenso liegen, wie bei anderen Säugern und dem Schwein. Ausser auf die Abbildungen möchte ich die Aufmerk- samkeit unter anderem auf eine Stelle des BoNKET'schen Grundrisses lenken (16). "Wir lesen dort S. 53: „Parallel der Chordabildung aus dem Primitivstreifen muss also der letztere immer kürzer werden, und schliesslich wird das caudale Ende der Chorda auf dem als Rest des Primitivstreifens längere Zeit bestehenden Endwulst fussen müssen. Dieser Theil der Chorda war und wird nie canalisirt und ist und bleibt natürlich auch von vornherein vom Darm- entoblast unt erwachsen." Das ist eine Thatsache, ob sie erklär- lich oder „mystisch" ist, ist eine andere Frage. IV. Vergleich meiner Befunde beim Schwein mit den Beobachtungen anderer Autoren. Schon in der Einleitung habe ich darauf hingedeutet, dass die Ent- stehung der Chorda und des Mesoblast bei Säugern noch streitig ist. In gleicher Weise gilt dies von den übrigen Amnioten, während die Ver- hältnisse bei den iVnamnia im Grossen und Ganzen einfacher liegen. Ich sehe davon ab, hier eine ausführliche historische Darstellung über die Lehre von Mesoderm und Chorda zu geben und darf das wohl um so mehr, als wir ja Mehnert erst ganz kürzlich in seiner Arbeit über die Gastrulation und Keimblätterbildung der Emys lutaria taurica (92) eine umfassende Literaturübersicht verdanken. Meine kurze Darstellung bescliränkt sich wesentlich auf die Amnioten, und auch unter ihnen soll den Säugern der Ehrenplatz gewahrt werden. Eine Uebersicht über die betreffenden Verhältnisse bei den Vögeln soll nur in den Umrissen gegeben werden, während bei den Eeptilien wieder Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 71 ein genaueres Eingehen nothwendig wird. Sind ja doch die Yögel ein aberranter Zweig am Wirbelthierstamme, während wir anzunehmen haben, dass die Reptilien — freiHch wohl keine der lebenden Formen, und vor Allem nicht die Schildkröten — ein Durchgangsstadium für Vogel und für Säuger gebildet haben. Von diesem Standpunkte aus haben denn auch, wie wir später sehen w^erden, die neuesten Untersucher über die Reptiheuentwicklung (Wenckebach (133), Will (134, 135), Mehnert (92)) ihre Beobachtungen verwerthet und sich nicht gescheut, direct von den Reptilien aus die weitgehendsten Schlüsse auf die Entwicklung der Säuger und ihre theoretische Bedeutung zu machen. Mit welchem Rechte das geschieht, soll dann später auch untersucht werden. Wenden wir uns hier zunächst zu einer Darstellung der thatsäch- lichen Befunde. Die Autoreu, welche über die Bildung des Mesoderms bei den Amnioten berichten, kann man — wenn ich vom Parablast ab- sehe, der beim Säugethier nicht in Frage kommt und ja auch bei den übrigen Amnioten immer fraglicher wird — in drei Gruppen bringen. I. Die einen Autoren leiten den Mesoblast von der oberen Keim- schicht, dem Ektoderm, ab und lassen ihn vom Primitivstreifen resp. von dem zum Primitivstreifen gehörenden Kopffortsatz ausgehen. II. Eine andere Reihe von Autoren leitet den Mesoblast von der unteren Schicht des zweischichtigen Keimes vom Entoderm ab. III. Eine Anzahl weiterer Autoren leitet den Mesoblast von den beiden primären Schichten des Keimes, dem Ektoderm und Entoderm ab. Diese Eiutheilung ist etwas schematisch. Es wird bei ihr nicht be- rücksichtigt, dass die einzelnen Autoren der unteren und oberen Keim- schicht der Amnioten, dem historischen Ektoderm und Entoderm, eine durchaus verschiedene Bedeutung beilegen. Trotzdem ziehe ich es vor, an der historischen Nomenclatur festzuhalten, anstatt — wie z. B. Mehnert (92) — schon bei der Eiutheilung die Differenzen in der ver- schiedenen Auffassung von Ektoderm und Entoderm zu berücksichtigen. Es kann sonst kommen, dass zwei Autoren, welche thatsächlich voll- kommen dasselbe behaupten, in zwei entgegengesetzte Kategorien kommen. So fasse ich, um ein Beispiel aufzuführen, die Gastrulation der Säuger als in zwei Phasen verlaufend auf. Im Chordacanal sehe ich einen Theil der Gastrulahöhle. Wenn da^er Mehnert mich — wie ich selbst — zu den Autoren stellt, welche direct oder indirect die Chorda der Säuger vom Ektoderm ableiten, so muss er hier die Bezeichnung Ektoderm durchaus im histori- schen Sinne als obere Schicht eines zweischichtigen Keimes fassen. Würde er nicht den nackten Befund, sondern die Deutung in den Vordergrund stellen, so müsste er mich zu den Autoren stellen, welche die Chorda vom Entoderm ableiten. Auf diesen zweiten Standpunkt nun stellt sich Mehnert bei der Besprechung der Literatur über die Reptilien. Auch bei den Reptilien leiten Will, Wenckebach und Mehnert die Chorda 72 Dr. med. Franz Keibel. ganz oder theilweise aus dem oberen der beiden primären Keimblätter ab, das, rein historisch betrachtet, als Ektoderm zu bezeichnen wäre. Trotzdem folgt Mehnert hier nicht dem objectiven Befunde, sondern lässt die theoretische Deutung den Ausschlag geben, und wir finden Wenckebach und Will unter denjenigen Autoreu, die einen entodermalen Chorda-Ürsprung vertreten sollen, verzeichnet. Für die Säuger finden wir, was das Mesoderm anlangt, wenn wir — dies immer vorausgesetzt — die obere Keimschicht als Ektoderm be- zeichnen wollen, ohne zunächst auf phylogenetische Speculationen Rück- sicht zu nehmen, als Vertreter der Ansicht, dass das Mesoderm aus dem Ektoderm gebildet wird: LiEBERKÜHN (86—89) (Maulwurf, Meer- schweinchen); KÖLLIKER (74—78) (Kaninöheu); FLEISCHMANN (27— 29) (Katze); Keibel (69, 70, 72) (Meerschweinchen, Kaninchen, Schwein); VAN Beneden und Julin (10) (Kaninchen, Fledermaus); Rabl (99) (Kaninchen). Die Meinung, dass der Mesoblast nur vom Entoblast ohne jede Be- theiligung des Ektoblast gebildet wird, hat für Säuger keine Vertreter gefunden. Vom Ektoderm und vom Entoderm wird der Mesoblast abgeleitet von Henöen (43) (Kaninchen, Meerschweinchen); Heape (40—42) (Maul- wurf); BONNET (12 — 16) (Schaf); HußRECiiT (62) (Sorex vulgaris), und Robinson (104) (Maus, Ratte). Lassen wir gleich die Uebersicht über die Entwicklung der Chorda bei den Säugern folgen, um dann Chorda- und Mesodermbildung, wie sie sich bei den Autoren darstellt, eine kurze Besprechung zu widmen und die Angaben der Autoren mit meinen Befunden beim Schwein zu vergleichen. Bei Säugern leiten die Chorda dorsalis vom Ektoderm ab direct oder durch Vermitteluug des Mesoblast: Lieberkühn (86—89) (Maul- wurf, Kaninchen, Meerschweinchen); KöLLlKER (76 — 78) (Kaninchen); Keibel (Kaninchen, Meerschweinchen, Schwein); Strahl (130, 131) (Meerschweinchen); Carius (131. 20) (Meerschweinchen, Maulwurf, Schaf); Fleischmann (27—29) (Katze). Vom Entoderm leiten die Chorda der Säuger ab: Hensen (43) (Kaninchen, Meerschweinchen); Heape (40 — 42) (Maulwurf); Hertwig (46) (Kaninchen); Selenka (117) (Opossum); Kann (65) (Schaf, Maul- wurf, Opossum); Spee (120) (Mensch); KOLLMANN (82) (Mensch), und schliesslich der neueste Autor, RoBiNSON (104), (Ratte und Maus). Für eine Entstehung aus doppelter Quelle tritt neuerdings Bonnet (15, 16) (Schaf) und ebenso HuBRECHT (62) (Sorex) ein. Die Ansicht derjenigen Autoren, welche den Mesoblast und die Chorda aus dem Ektoderm ableiten, lässt sich kurz so zusammenfassen: Nachdem das Stadium des 2 schichtigen Säugethierkeimes eine Zeit lang angedauert hat, bildet sich an einer Stelle des Keimscheibenektoblastes Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 73 eine Verdickung. Von dieser Verdickung, die wir als Primitivknoten bezeichnen können, wachsen Zellen zwischen die beiden primären Keim- blätter, zwischen Ektoderm und Entoderm, und in diesen Zellen haben wir die erste Anlage von Mesoblast und Chorda zu sehen. Der Primitiv- knoten wächst zum Primitivstreifen aus, und auf dem Primitivstreifen entsteht früher oder später in grösserer oder geringerer Ausdehnung eine Rinne, die Primitivrinne. Wie im ersten Anfang der Primitivknoten die alleinige Ursprungsstelle des Mesoblast war, so ist es jetzt der Primitiv- streifen mit der Primitivrinne, Von ihm aus erfolgt jetzt die Entwicklung des Mesoblast in der Art, dass derselbe nach beiden Seiten und un- getheilt nach hinten wuchert. Nach vorn rückt er — so zu sagen — in 3 gesonderten Kolonnen vor (Strahl, Carius, Keibel, vergl. auch Selenka, Opossum Taf. XVIII Fig. 7). Von diesen 3 Kolonnen sind die beiden seitlichen bei weitem die stärkeren und überholen auch im Vorwärtswachsen bald die mittlere Kolonne, den Kopffortsatz. Nachdem die seitlichen Mesoblastkolonnen den Kopffortsatz überholt haben, ver- einigen sie sich vor demselben. Durch diese Eutwickluugsvorgänge kommt vor dem vorderen Ende des Primitivstreifens, dem HENSEN'schen Knoten, eine mesodermfreie Zone zu Stande, in die von hinten her der Kopf- fortsatz hineinragt. Diese mesodermfreie Zone, in deren Bereiche also der Ektoblast dem Entoblast unmittelbar anliegt, darf nicht mit der weiter vorn gelegenen mesodermfreien Zone, welche bei der Bildung des Kopfamnions so vieler Thiere von grosser Bedeutung ist, verwechselt werden. In dem Mesodermfortsatz, oder wenn mau so sagen will, der Ekto- dermwucherung, welche vom vorderen Ende des Primitivstreifens in die mesodermfreie Zone hineinragt, wird von den in diese Gruppe gehörenden Autoren insgesammt die erste Anlage der Chorda gesucht. Nur darin gehen die Ansichten auseinander, dass die Einen in diesem Kopffortsatz nur die Anlage der Chorda, Andere in ihm ausserdem auch noch die Anlage von seitlichem Mesoblast enthalten sein lassen. KÖLLIKER scheint die Frage offen zu lassen, er bezeichnet den Kopffortsatz nur als den Vorläufer der Chorda. LiEBERKÜHN, Strahl, Carius, ich (in meinen früheren Arbeiten), neigen dazu, im Kopffortsatz nur die Chordaanlage zu sehen, und be- sonders die beim Meerschweinchen gewonnenen Bilder legen eine solche Auffassung nahe; VAX Beneden (für das Kaninchen), und ich neige nach meinen Untersuchungen am Schwein jetzt mehr zu seiner Ansicht, findet im Kopffortsatz auch noch Mesoblastelemente. Aus dem Kopf- fortsatz bildet sich nun die Chordaanlage in der Weise, dass ein mehr oder weniger deutlicher Kanal im Kopffortsatz auftritt. Der Kopffortsatz tritt dann oder wohl auch schon bevor der Kanal, der sogenannte Chorda- kanal, in seinem Innern aufgetreten ist, in Verbindung mit der unteren Keimschicht, mit dem Entoderm. Der Verschmelzung mit dem Entoderm folgt bald die Einschaltung des kanalisirten oder nichtkanalisirten Kopf- 74 Dr. med. Franz Keibel. fortsatzes in das untere Keimblatt nach. Die Chorda liegt jetzt nach der übereinstimmenden Meinung aller hier angeführten Autoren im Ento- derm, aus dem sie sich in der Folge, wenigstens in diesem Bezirk des zukünftigen Embryo, wieder ausschalten, und von dem sie wieder unter- wachsen werden muss. Bei den Autoren, welche diese Frage genauer geprüft haben (Strahl, Carius, Keibel), finden wir die Angabe, dass in 'diesen frühen Stadien die Chorda bis an das vorderste, durch die primäre Rachenhaut repräsentirte Ende des zukünftigen Embryo reicht. Auch aus den kurzen Mittheilungen VAN Beneden's im Anat. Anz. geht dasselbe hervor. Ja aus denselben lässt sich gerade besonders schön darthun, dass die C/hordaaulage bis an das vorderste Ende des Embryo vom Kopffortsatz gebildet wird, da bei der Fledermaus auch dann noch das vorderste Ende des Chordakanals erhalten ist, wenn sich das Vorder- ende des Embryo schon ganz deutlich erkennen lässt. So bildet sich die erste Anlage der Chorda. Später bildet sich die Chorda auf Kosten des Primitivstreifens, und für diese Ansicht können wir auch BoNNET (15, 16) zu den unsrigen rechnen. Bei dieser Bildung auf Kosten des Primitivstreifens kann sich, Avie ich das wohl am genauesten in meiner Arbeit über die Chorda dargestellt habe, zunächst noch eine rudimentäre Kanalbildung finden. Eine Zeit lang wird die Chorda noch in das Ento- derm eingeschaltet, obwohl ein Chordakanal nicht mehr gebildet wird, und schliesslich unterbleibt die Einschaltung der Chorda in das Ento- derm ganz. Dem Gesagten ist nun noch etwas über das Verhalten des Primitiv- streifens hinzuzufügen. Der Primitivknoten entsteht, wie das seiner Zeit schon aus den Untersuchungen Kölliker's beim Kaninchen hervorging, am hinteren Ende der Area embryonalis, und vom Primitivknoten aus wächst der Primitivstreifen dem vorderen Ende der area embryonalis zu, der er sich bis auf eine verhältnissmässig kleine Entfernung nähert. Dieser Ansicht huldigten, so scheint es auch, zum Theil ohne dieselbe direct auszusprechen, die meisten anderen Autoren. Von neueren Unter- suchern, welche eine Betheiligung des Entoderm an der Bildung des Mesoblast annehmen, gehört, ganz ausgesprochen, HuBRECHT (62) hierher, welcher auch vom Primitivstreifen des Sorex dasselbe berichtet. Im Gegensatz zu dieser herrschenden Ansicht fand Bonnet (12) beim Schaf das Auftreten des Primitivknotens im Innern der Area embryonalis ; von hier aus wächst beim Schaf der Primitivstreifen zunächst nach hinten bis zum hinteren Rande der Keimscheibe. Dann aber, so geht es wenigstens aus den Bildern von Bonnet hervor, erfolgt auch beim Schaf ein Vorwachsen des Primitivstreifens nach dem vorderen Ende der Area embryonalis. Dass ein solches Vorwachsen des Primitivstreifens nach dem vorderen Rande der Area embryonalis statt hat, scheinen also alle Autoren, welche dieser Frage ihre Aufmerksamkeit schenkten, gesehen zu haben. Wie Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 75 der Kopffortsatz sich aber einem solchen Yorwachsen des Primitivstreifens gegenüber verhält , wenn er auftritt , bevor der Primitivstreifen das Maxiraum seines Wachsens nach vorn erreicht hat, — mit dieser Frage scheinen sich die Autoreu bis dahin noch nicht beschäftigt zu haben. Wir begegnen wohl allgemein der Vorstellung, dass der Kopffortsatz einfach nach vorn wächst. So sagt Oarius (20) vom Kopffortsatz des Meer- schweinchens S. 26 : ,.Man muss daher wohl annehmen, dass dieser teil- weise durch Vermehrung in sich, theilweise durch Vorschieben von Zellen von dem Primitivstreifen aus nach vorn wächst.'' Bei einer solchen Auffassung wurde nicht berücksichtigt , dass wenn Primitivstreifen und Kopffortsatz beide dem vorderen Ende de)- Keimschei1)e zuwachsen, der Kopffortsatz an seinem hinteren Ende zum grösseren oder kleineren Theil wieder in das Gebiet des Primitivstreifens wird einbezogen werden müssen. Haben wir bis jetzt den Ort der Mesoblastbildung und sein Verhalten nach der Schilderung der Mehrzahl der Autoren betrachtet, so sei auch noch die Art kurz geschildert, in welcher der Mesoblast entsteht. Da verdient hervorgehoben zu werden, dass die Mehrzahl der älteren Autoren den Mesoblast als eine solide Einwucherung vom Ekto- blast des Primitivstreifens ansahen, die sich in keiner Weise mit der Mesoblastbildung der Anamnia vor allem nicht mit der Einstülpung der Coelomdivertikel des Amphioxus vergleichen lässt. Bemerkens- werth ist ferner die übereinstimmende Angabe, dass das Coelom bei Säugern zunächst ausserhalb der Area embryonalis entsteht und viel später in dem Gebiet der area embryonalis resp. erst des Embryo erscheint. Neuere sorgfältigste Untersuchungen, welche ihre Aufmerksamkeit besonders auf diesen Punkt richteten, haben aber doch Andeutungen von Coelombildungen zu Tage gefördert, Spalten oder Andeutungen von Spalten, welche sich von der Primitivrinne aus in das Mesoderm hinein verfolgen Hessen. Ich nenne hier die Beobachtungen von van Beneden (vgl. Hertwig's Lehrbuch S. 114 Fig. 98); Spee (Heetwig's Lehrbuch S. 115 Fig. 99 u. Spee 120, Fig. 21; dann: 119 S. 314 ff. Fig. 1), Carius (20 Fig. 5), und mir selbst (Fig. 6 und andere). Den hier citirten Beobachtern ist theilweise aufgefallen, wie durch diese Spaltbildung im Grunde der Primitivrinne eine Zellmasse isolirt wird. Dieselbe wird von van Beneden geradezu als Dotterpropf auf- gefasst und der gleichnamigen Bildung der Amphibien verglichen. Ob freilich dieser Vergleich zutrifft, das ist eine andere Frage, die wir später erwägen wollen, da sie eng mit der Auffassung van Beneden's von der Gastrulation in Zusammenhang steht. Die Frage hat für uns doppeltes Interesse, insofern als auch bei den Reptilien von Will u. Mehnert eine Bildung beschrieben wird, welche diese Autoren dem Dotterpropf vergleichen. 76 Dr. med. Franz Keibel. Andeutungen eines Coeloms in frühen Stadien ohne Zusammenhang mit dem Primitivstreifen beschreibt Hubrecht (62) und bildet in Fig. 87 einen derartigen Schnitt ab. Schhesslich ist an dieser Stelle auch noch eine Beobachtung von van Beneden (Fig. 95 des HERTWici'schen Lehrbuchs) beim Kaninchen und ein von mir (72) beim Schwein gemachter Befund zu verzeichnen. Beide Male Hessen sich im Primitivstreifengebiet vom Bntoderm Spalt- bildungen in den Mesoblast verfolgen. Das van BENEDEN'sche Bild weist wohl ziemlich sicher auf Coelomanlage hin und auch bei meiner Beobachtung lag natürlich der Gledanke an Beziehungen zum Coelom nahe, indessen möclite ich vorziehen, den Befund nur als eiue Bestäti- gung dafür anzusehen, dass wir in dem Primitivstreifen den alten Ur- mund oder einen Theil desselben zu sehen haben. Doch über die Theo- rien später. Hier nur gleich so viel, dass der damals mitgetheilte Befund durchaus vereinzelt blieb, und dass es wohl möglich ist, dass es sich bei ihm um eine abnorme Bildung handelte, der Jedoch selbst unter dieser Voraussetzung ihre theoretische Bedeutung nicht abzusprechen sein dürfte. Dagegen halte ich die Figuren von Heetwig (Lehrbuch 3. Aufl. Fig. 94 und 97) in unserer Frage nicht für beweisend; sie entsprechen den Figuren 40 und 41 in Heape's Arbeit (41), haben aber bei Hertwig durch die Schraffirungen eine ganz andere und bedeutsamere Livree be- kommen. Wenden wir uns jetzt zu der Gruppe von Autoren, welche den Entoblast sich an der Bildung des Mesoblast und der Chorda betheiligen lassen, so scheint es mir zweckmässig, hier zunächst eine Anzalil von Autoren herauszugreifen, welche auf das bestimmteste die Abstammung der Chorda der Säuger aus dem Eutoderm behaupten, ohne auf den Kernpunkt der Frage genügend einzugehen. Es gehören hierher Hensen, Heape, Spee, Selenka, Kann, Hertwig u. Küllmann. All diese Autoren haben für die wirkliche Entscheidung der Frage, ob die Zellen der Chorda aus dem primitiven oberen, oder dem primitiven unteren Blatt der Säugethierkeimscheibe herstammen, viel zu alte Stadien be- rücksichtigt, Stadien, an denen die Frage gar nicht entschieden werden konnte. Die älteren Autoren trifft dabei kein Vorwurf, vor allem Hensen nicht, dem wir ja mit die ersten zuverlässigen Angaben über die feineren Verhältnisse bei der Entwicklung der Säuger ver- danken. Damals hatte sich die Fragestellung noch gar nicht in der heutigen Weise zugeschärft. Aber auch von den neueren Autoren trägt eigentlich nur Kollmann dem Stande der Frage einigermaassen Rech- nung, und selbst bei Kollmann (82) lesen wir (S. 309): „Die zum Auf- bau der Chorda bestimmten Zellen stammen augenscheinlich von dem Entoderm, und zwar nicht bloss an dieser Stelle, sondern auf der ganzen erwähnten Strecke des primitiven Darmrohres, Mesoderm als Herkunft Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 77 ist ausgeschlossen; denn in unmittelbarer Nähe finden sich keine in dieser Hinsicht verdächtige Zellen". Demgegenüber möchte ich denn doch betonen, dass ich gar nicht darüber verwundert bin, dass Kollmann keinerlei verdächtige Elemente gefunden hat. Dass die Chorda in dem entsprechenden Säugethierstadium in die untere Keimschicht des Ento- derm eingeschaltet ist und sich aus ihm abschnürt, ist den Vertretern der directen oder indirecten ektodermalen Chorda-Abstammung wohl heute allen vollkommen bekannt. Man kann sogar in meiner Arbeit (70) lesen (S. 26), dass die Chorda, „nachdem sie einmal in das Entoderm eingeschaltet ist, in gar keine Verbindung mehr^' mit dem Mesoderm tritt. Darum dreht sich aber die Frage garnicht und auch nicht darum, ob die Chorda phylogenetisch als entodermal oder ektodermal aufzu- fassen ist. Sonst hätten Kollmann und Mehnert mich auf der Seite derer gefunden, welche die Chorda als entodermal betrachten. Ja, eigentlich hätten sie mich bei ihrer Auffassung der Frage schon jetzt unter jenen Autoren aufführen müssen; denn aus meiner Arbeit über die Chorda geht hervor, dass ich die Zellen, aus denen die Chorda entsteht, als durch eine zweite Phase der Gastrulation gebildete Zell- masse auffasse. Dass die Chorda der Amnioten und der Säuger der Chorda der niederen Amnioten homolog zu setzen ist, daran habe ich selbst vor meinen Untersuchungen über die Chordaentwicklung nie ge- zweifelt und nach denselben erst recht nicht. Es handelte sich für mich jedoch zunächst garnicht darum, sondern um eine nackte Feststellung der Thatsachen ohne jede Deutung, und da musste ich natürlich, wenn ich fand, dass die Chorda ihren ersten Ur- sprung aus dem oberen Keimblatt, dem Ektoderm, nimmt, die Chorda als ektodermal bezeichnen, ganz gleichgültig, was ich für eine Ansicht über ihre Phylogenie hatte. Soviel über den rein ektodermalen Ursprung der Chorda bei den Säugern. Wenden wir uns jetzt zu den Dar- stellungen, welche Bonnet, Hubrecht u, Robinson über die Entstehung des Mesoblast und der Chorda geben. Bonnet (12 — 16) berichtet in mehreren Arbeiten über das Schaf, dass dort der Mesoblast einen doppelten Ursprung habe. Beim Schaf entsteht der Mesoblast zunächst vom Primitivknopf und vom Primitiv- streifen etwa in derselben Weise, wie das vorher bei den übrigen Säugern geschildert wurde, vom Ektoblast. Ausserdem aber findet sich beim Schaf eine periphere, am Rande der Keimscheibe gelegene Mesoderm- quelle, denn auch an dem wallartig verdickten Rande des Darmento- blasten entsteht Mesoblast, und zwar tritt er hier früher auf, als im Be- reich der Keimscheibe. Ferner betont Bonnet, dass der Mesoblast gleich nach seinem Auftreten mesenchymatischen Charakter zeigt und ist deshalb der Uebertragung der Coelomtheorie auf die Säuger abhold, die er sogar als Schizocoelier auffassen möchte. In diesem Sinne betont 78 ^^- nied. Franz Keibel. BoNNET auch das frühe Auftreten des pheripheren uüd das verzögerte Auftreten des embryonalen Coeloms. "Wir lesen (15 S. 63) bei ihm: „Ich muss demnach von Kölliker beistimmen, wenn er sagt, dass die höheren Wirbelthiere eher dem Schizo- als den Enterocoeliern zugezählt werden müssea/' freilich schränkt er diesen Satz denn doch in der Folge ein, indem er es nicht für aus- geschlossen hält, dass eine Zurückführuug der bei den Säugethieren be- schriebenen Verhältnisse auf die Anlage des Coeloms und Mesoblasts im Sinne der Brüder Hertwio in Gestalt von paarigen, auf einander ge- pressten Coelomdivertikeln überhaupt möglich sei. Dass sich beim Schaf der Primitivknoten zunächst im Innern der Keimscheibe findet und der Primitivstreifen zuerst von vorn nach hinten auswächst, um so den hinteren Band der Keimscheibe zu gewinnen, wurde schon oben er- wähnt, und der Gegensatz gegenüber dem Verhalten beim Kaninchen hervorgehoben. Während Bonnet für die Chorda früher die Ansicht vertrat, dass sie rein entodermaler Herkunft sei, hat er jetzt seine Mei- nung dahin modificirt, dass er auch für das Schaf annimmt, dass der Haupttheil der Chorda in der von mir oben schon näher dargestellten Weise auf Kosten des Ektoderms gebildet wird. Den so entstandenen Chordatheil nennt er den „Primitivstreifentheil der Chorda" oder „die ektoblastogene Chordaanlage''. „Ganz vorn aber,'' so berichtet Bonnet, „betheiligt sich wahrscheinlich noch eine axiale Abschnürüng des Ento- blasts, welche mit dem vorderen Kopffortsatzende verschmilzt, an der Chordabildung.'' Diesen Theil der Chorda nennt Bonnet Chorda- entoblast. Nahe an Bonnet schliessen sich die Angaben von Hübeecht (62) für Sorex vulgaris. Dieselben sind, wie mir scheinen will, von Mehnert (92 S. 431) nicht ganz richtig wiedergegeben worden, Hubeecht nimmt nicht nur wie Bonnet zwei, sondern sogar drei Quellen für die Entste- hung des Mesoblasts an (s. 509) : (1) „The protochordal plate. (2) The gastrula ridge and its median Prolongation forwards, which advances between epi- and hypoblast, and which I have proposed to de- signate by the name of protochordal wedge (Kopffortsatz, auct.). (3) An annular zone of hypoblast situated just outside the iimits of the embryonic shield, and thus enclosing — but at the outset independent from the protochordal plate." Zuerst entsteht der Mesoblast von der Protochordalplatte einer ver- dickten Zellplatte, die dadurch zu Stande kommt, dass die Hypoblast- zellen im Bereiche des Vordertheils der Keimscheibe sich verdicken und Cylindergestalt annehmen. Hubeecht wählt den Namen, weil aus dieser Zellplatte später neben Mesoblast auch der vordere Theil der Chorda entsteht. Der Mesoblast bildet sich hier durch Abspaltung (Fig. 28, 40, 41). Die von Hubeecht geschilderte Bildung des Mesoblasts in der Primi- Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 79 tivstreifengegend entspricht in allem Wesentlichen den Angaben der schon referirten Autoren, so dass hier jetzt im positiven Befunde eine seltene und sehr erfreuliche Uebereiustimmung herrscht. Sehr interessant und wichtig ist die Fig. 39 Hucrecht's. Hier hat Hubrecht das erste Auftreten des Primitivknotens erfasst und kann zeigen, dass derselbe unmittelbar am hinteren Ende der Area embryonalis gelegen ist. In Be- zug auf die periphere Quelle des Mesoblasts schliesst sich Hubeecht eng an BüNNET an. Seine Figuren 51, 58 und andere sollen von diesem Vorgang Rechenschaft geben. Die Chorda leitet Hubeecht wie Bonnet aus Ektoblast und Hypo- blast ab, vom Kopffortsatz, dem Primitivstreifen und von seiner Proto- chordalplatte. Der Kopffortsatz lässt nicht nur die Chorda, sondern auch Mesoblast aus sich hervorgehen. „Forward from it there is a growth that gives rise to notochord (pro parte) and gastral mesoblast (Rabl) ; posteriorly we find the region of the peristomal mesoblast." In Bezug auf die spätere Umbildung des Primitivstreifens stehen die Angaben mit den schon referirten Beobachtungen der ül)rigen Autoren in Einklang. Wir kommen jetzt zu dem neuesten Autor, der sich durch eine Untersuchung an Ratte und Maus auf unserem Gebiete bethätigt hat, zu Robinson (104). Hier müssen wir bei unserem Referat etwas weiter ausholen und auch über die erste Entwicklung der Eier berichten, nicht nur über die Entstehung von Mesoblast und Chorda, denn der Autor basirt auf die ersten Entwicklungsvorgänge, über die er sehr eigenthüm- liche Beobachtungen zu verzeichnen hat, eine höchst eigenartige Auf- fassung der Gastrulation, und wir müssen ja später auch auf die Frage der Gastrulation eingehen. Die Resultate Robinson's sind kurz folgende : Im Ei der Maus und Ratte entsteht frühzeitig eine Furchungshöhle, die mit der späteren Höhle des Eies nichts zu thun hat, und mit der Bildung derselben, des Urd armes — denn als solchen fasst er die spätere Eihöhle auf — verschwindet. Der Urdarm erscheint mitten im Hypoblast. Das junge Ei besteht hauptsächlich aus Hypoblast, „which becomes vacuolated to form the cavity of the yolksac. The cavity of the yolksac is never bounded by epiblast alone. The epiblast extends ov er the outer surface of the hypoblast, not the hypoblast over the inner surface of the epiblast. The hypoblast never becomes entirely surrounded by epiblast." Ueber die Bildung des Mesoblast berichtet der Autor: „The meso- blast is formed partly from the peristomal cells in the region of the primitive streak, partly from the embryonic hypoblast, and partly from the extraembryonic hypoblast. Mesoblastic formation commences at the posterior end of the embryonic area, not anteriorly as in the hedgehog. In the embryonic area the pericardial mesoblast is the last formed." Die Chorda dorsalis soll sich ganz vom primitiven Hypoblast bilden, 80 Dr. med. Franz Keibel. „to wliich it last remains adherent at the dorsal end of the bucco -pharyn- geal membrane aud the anterior end of the primitive streak. There is no „Kopffortsatz" of the primitive streak." Ich komme jetzt dazu, meine beim Schwein gewonnenen Resultate mit den Beobachtungen der Autoren zu vergleichen und kann wohl, in- dem ich auf meine Schlusszusammenfassung auf S. 67 u. 68 verweise, betonen, dass nach meinen Beobachtungen am Schwein die Bildung des Mesoderms und die erste Anlage der Chorda in derselben Weise geschieht, wie das von Kölliker, van Beneden, Lieberkühn, Strahl, Carius und mir für Kaninchen, Meerschweinchen und Fledermaus geschildert ist. Eine Frage, die auch beim Schwein nicht ganz klargestellt werden konnte, ist die, ob vom Kopffortsatz ausser der Chorda Mesoblast ge- bildet ist. Ein Zusammenhang mit seitlichem Mesoblast ist im Kopf- fortsatz häufig zu beobachten ; auch habe ich den Eindruck gehabt, als ob von den Seiten des Kopffortsatzes Zellen in die mesodermfreie Zone wandern und diese mit zum Verschwinden bringen. Mit absoluter Sicherheit lässt sich bis dahin hierüber nicht Klarheit gewinnen und ähnlich scheint nach VAN Beneden's, Carius', Rabl's, Bonnet's und meinen Untersuchungen die Sache bei anderen Säugern zu liegen. Die Beurtheilung der Be- funde fällt freilich trotz offenbar ähnlicher Bildung verschieden aus. Von dem Kopffortsatz des Kaninchens und der Fledermaus berichtet van Beneden (s. 710, Anatom. Anz. 1888): „Der Kopffortsatz wächst aus vom vorderen Ende des Primitivstreifens als massige Bildung. Im Me- soblast muss man zwei verschiedene Theile unterscheiden : 1) Ein Theil entsteht unter der Form von 2 symmetrischen Anlagen, einer rechten und einer linken, von den Räudern des Kopffortsatzes. 2) Ein anderer, ein Haupttheil, vom hinteren Ende — von den Rändern des Primitivstreifens." Unbestimmter drückt sich Carius aus (20) : „Beim Kaninchen (ebensowohl beim Maulwurf und beim Schaf) ist das Verhalten der Chordaanlage zum Entoblast anders als beim Meerschwein. Es besteht hier bereits vor Bildung des Chordacanals ein sehr enger Zusammenhang der Chordaanlage und des neben ihr gelegenen Mesoblasts mit dem En- toblast. Doch lassen auch diese Objekte die Erklärung zu, dass die vom Primitivstreifen gebildete mesoblastische Chorda sich secundär an den Entoblast angelagert hat." Für die Beurtheilung der thatsächlichen Verhältnisse vergleiche man Carius' (20) Figuren 10, 11 und 12, und für das Meerschweinchen Strahl's Fig. 26 (130 S. 741). Mit vollkom- mener Sicherheit spricht sich übrigens Rabl aus (99 S. 661) : „Das Me- soderm, das bei den Vögeln und Säugern rechts und links aus der Chordaplatte hervorwuchert, oder mit anderen Worten, das Mesoderm des Kopffortsatzes ist durchaus dem gastralen Mesoderm der übrigen Wirbelthiere zu vergleichen , während das Mesoderm des Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 81 Primitivstreifens iu jeder Beziehung dem peristomalen Mesoderm ent- spricht.'^ Zum Belege für diese Behauptung möge man die schönen Tafeln VIII und IX in Rabl's Theorie des Mesoderms (99) vergleichen, mit denen meine eigenen Befunde (an Huhn, Ente und Kaninchen) voll- kommen übereinstimmen. Eine andere Auffassung vertritt Bonnet (16 S. 53) : „Vom Boden der Medullär furche resp. des Medullarrohres ist die Chorda stets scharf getrennt. Ihre Flanken können im Kopffortsatztheil vorübergehend mit dem Mesenchym verwachsen ; niemals aber handelt es sich meiner Erfahrung nach um eine Mesenchymproduktion von Seite des Kopffortsatzes oder der Chorda. So finde ich es wenigstens beim Schaf. Bei anderen Thieren, z. B. dem Kaninchen, sollen auch die Flanken des Kopffortsatzes Mesenchym produciren.'' — Mir erscheint, wie gesagt, eine ganz sichere Entscheidung für und wider nicht möglich, wenn ein- mal eine Verschmelzung von Mesoderm mit den Seitentheilen des Kopf- fortsatzes eingetreten ist, doch neige ich der Auffassung van Beneden's und Ralb's zu. Die Frage ist für das Schwein übrigens verhältniss- mässig von untergeordneter Bedeutung, da der Kopffortsatz ja durch das Vorwachsen des Primitivstreifens wieder in diesen mit einbezogen wird, so dass wir, worauf ich später genauer einzugehen habe, beim Schwein wohl überhaupt nur peristomales Mesoderm zu verzeichnen haben. Wir kommen jetzt zu der Frage, wie sich meine Beobachtungen über den Ursprung des Mesoderm in Einklang bringen lassen mit den Beobachtungen derjenigen Autoren, welche eine Abstammung des Meso- derms aus doppelter Quelle, vom Ektoderm und vom Entoderm, zu ver- zeichnen haben, also mit den Angaben Heape's, Bonnet's, Hubrecht's, Robinson's. Auf die Beobachtungen von Heape bei Talpa europaea will ich in dieser Arbeit nicht weiter eingehen ; ich halte sie keineswegs für be- weisend und durch Lieberkühn's entgegenstehende Beobachtungen wider- legt (vergl. auch meine Arbeit über die Chorda S. 22). Sehr eingehend habe ich die Angaben Bonnet's während meiner Untersuchung berück- sichtigt, aber ich kann dieselben für das Schwein an den mir vorliegenden Stadien nicht bestätigen. Vom Schaf habe ich bis jetzt nur Gelegenheit gehabt eine Keimscheibe zu untersuchen. Diese Keimscheibe war dem Mutterthiere 13 Tage 23 Stunden nach der Begattung entnommen und in 4 % Salpetersäure fixirt worden. Die Länge des Embryoualschildes betrug frisch nach einer Skizze bestimmt 430 ^i, die Breite 240 {.i. (Nach der Serie die Länge 380 (.i.) Die Keimscheibe glich ausserordentlich der Keimscheibe VI Bonnet's (12 Fig. 14), doch war bereits Primitiv- streifen vorhanden, und zwar reichte derselbe bis an das hintere Ende der Keimscheibe, wenn man auch auf dem Oberflächenbilde nichts von ihm wahrnehmen konnte. Bei Oberflächenbetrachtuug zeigte sich der Mesoblasthof vortrefflich; die Schnittserie aber Hess mich auch hier Morpbolog. Arbeiten hrsg. v. G. Schwalbe. III. ** 82 Dr» med. Franz Keibel. keinen peripheren entodermalen Ursprung des Mesoblast erkennen. Ich wollte und will es nicht bei dieser einen Beobachtung bewenden lassen, obwohl ich sie für ziemlich entscheidend halte, sondern hatte mir schon eine kleine Schafherde angekauft, um mir zugleich mit den fehlenden Stadien der Schweineentwicklung auch die wichtigsten Stadien für die Mesodermbilduug des Schafes zu verschaffen. Meine Schweine starben mir, wie in der Einleitung berichtet, an Rothlauf, und so musste auch die Untersuchung der Schafe verschoben werden, da ich allein ihretwegen die weite und kostspielige Reise nach dem Osten (ich sammele mein Material in Westpreussen , wo durch persönliche Be- ziehungen die Verhältnisse für meine Untersuchungen besonders günstig liegen) nicht unternehmen wollte ; ich' hoffe meinen Plan das nächste Jahr ausführen zu können. Immerhin halte ich mich jetzt schon für berechtigt, die Angaben von Bonnet, soweit sie den peripheren Ur- sprung des Mesoblast betreffen, für sehr unwahrscheinlich zu halten. Ich sagte in meiner Chordaarbeit S. 521: „Auf Bonnet's Lehre vom eutoblastogenen Mesoblast kann ich hier leider nicht weiter ein- gehen. Weder bei Kaninchen noch bei Meerschweinchen kommt etwas derartiges vor, und selbst die eigenen Bilder Bonnet's liaben mich nicht überzeugt. Mir ist bei ihnen immer der Verdacht aufgestiegen, dass durch Faltungen, welche in der geschnittenen Keimscheibe vorhan- den waren, der Zusammenhang von Entoblast und Mesoblast vorgetäuscht sein konnte. Dass man, wenn Falten in der Keimscheibe aufgetreten sind, in der That Bilder, wie sie Bonnet abbildet, erhält — davon konnte ich mich oft genug überzeugen, und nach der Schilderung Bonnet's müssen solche Faltungen beim Schaf schwer zu vermeiden sein.'' Mein Verdacht von damals ist mir nach eingehender und sorgfältiger Unter- suchung meines Scliweineinaterials und der einen mir vorliegenden Schaf- keimscheibe fast zur Gewissheit geworden. Die Schwierigkeit, die das Material für die Frage nach der Herkunft des Mesoblast bietet, ist aller- dings gross, und wer weiss, -ob nicht auch ich in derselben Richtung wie Bonnet geirrt hätte, wenn mich nicht die einfacheren und klareren Bilder bei Meerschweinchen und Kaninchen zu äusserster Vorsicht gemahnt hätten. Mit dem peripheren Mesoblast fällt bei Bonnet auch die ge- wichtigste Stütze für die Auffassung des Säugethiermesoblastes als Me- senchym und die besondere Stellung ihrer Coelomverhältnisse. Ich hoffe, es durch meine Befunde wahrscheinlich machen zu können, dass wir das Schwein, ebenso wie Kaninchen und Meerschweinchen nicht als Schizocoelier aufzufassen brauchen, und ich glaube, die übereinstimmenden Befunde bei allen Säugern und die vergleichend anatomischen Gesichts- punkte, welche die Untersuchung aller Vertebraten an die Hand giebt, genügen, den Gedanken zurückzuweisen, dass wir im Schaf einen Schizo- colier vor uns haben sollten. "Wende ich mich jetzt zu einer Kritik von der HuBRECHT'schen Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. Ö3 Arbeit über Sorex vulgaris, so miiss ich leider gestehen, dass ich durch dieselbe mich nicht habe überzeugen können, dass die Verhältnisse bei Sorex wirklich so liegen , wie Hubrecht sie aufgefasst hat. Wenn ich auch das Vorhandensein seiner Protochordalplatte bei Sorex nicht anzweifeln will, so erscheint mir doch die ausgedehnte Betheiligung derselben an der Bildung von Chorda und Mesoblast durch Hubeecht noch nicht für genügend erwiesen. Die periphere Bildung des Mesoblast auf ento- dermaler Grundlage möchte ich aber nach Hubrecht's eigenen Bildern bei Sorex sogar für unwahrscheinlich halten. Es gilt hier dasselbe, was ich zu Bonnet's Bildern bemerkt habe: ich halte sie theils für die Producte von Faltungen, theils sind sie vorgetäuscht durch eine ungün- stige Schnittrichtung, vielleicht auch durch ungenügende Conservirung. Dass Hubeecht trotz aller Sorgfalt und Mühe an diesen Klippen, wie ich glaube, Schiffbruch litt , daran ist zum Theil seine Methode schuld, die Keimscheiben mitsammt dem Uterus zu conserviren und zu schneiden. Schon die Fixirungsflüssigkeiten dringen da häufig nicht genügend ein. die Durchtränkung mit Paraffin hat grosse Schwierigkeiten, und schliess- lich ist die Schuittrichtung nicht genau zu bestimmen, — alles Schwie- rigkeiten, welche für die für unsere Frage wichtigsten Stadien sehr in Betracht kommen. Dass die Bilder auf Hubrecht's Tafeln mit aller Sorgfalt gezeichnet sind und dem thatsächhchen Befund in seinen Prä- paraten entsj)rechen, daran erlaube ich mir nicht zu zweifeln. Von dem freundlichen Anerbieten Hubrecht's, die Präparate selbst einzusehen, habe ich aber nicht Gebrauch gemacht. Hubrecht sagt (62 S. 517): „The preparations have been very carefully reproduced in the figures, that were first sketched with the camera, and for criticism of the views here advanced the original preparations are at the disposal of such in- vertigators, as should wish to convince themselves by personal iuquiry." Ich darf doch wohl überzeugt sein, dass Hubrecht diejenigen Präparate abbildete, welche ihm seine Ansicht am klarsten zur Darstellung brachten, und dass er in seinen Zeichnungen auch die wichtigsten Stellen, welche für seine Auffassung sprachen, eher betont, als vernachlässigt hat. Da mich nun seine Zeichnungen nicht überzeugten, dürfte das mit den Prä- paraten ebensowenig der Fall sein. ^ Aus Hubrecht's Arbeit möchte ich dann noch zum Schluss die Angabe verzeichnen, dass Kopffortsatz und Primitivrinne zur Bildung des Darmentoblasten beitragen (S. 524) : „The gastrula ridge and its for- ward Prolongation — both of them palingenetic hypoblast — thus con- tribute material to the formation of the dorsal wall of the intestine." Auch der Beweis hierfür erscheint mir nicht erbracht, obgleich ich zu- gebe, dass auch bei den übrigen Säugern für einen kleinen Bezirk des Darmes die Möglichkeit dieses Vorganges nicht auszuschliessen ist. Ich habe über diese Frage genauer am Ende des vorigen Abschnittes und in meiner Chordaarbeit gesprochen. «♦ 84 -Dr. med. Franz Keibel. Wir kommen jetzt zu Robinson (104), dem dritten Autor, welcher für Säuger das Vorhandensein eines peripheren entodermalen Mesoblastes behauptet, und ausserdem freilich noch manches Andere gesehen hat, was mit den Beobachtungen anderer Autoren, und ich glaube auch, mit den wirklich vorliegenden Verhältnissen schwer in Uebereinstimmung zu bringen ist. Was Robinson's Angaben und seine Figuren über die Ent- Avicklung des Mesoblast und der Chorda anlangt, so scheinen mir die- selben nur den einen Beweis zu liefern, dass die dem Verfasser vorliegenden Präparate keine klaren Bilder über diese Entwicklungsvorgänge geben. Wenn wir von der Besprechung der Säugethierlitteratur zu der Litteratur über die Entwicklung des Mesoblast und der Chorda bei Vögeln übergehen, so finden wir besonders mit Berücksichtigung der älteren Autoreu eine bunte Mannigfaltigkeit der Angaben. Die folgende Zusammenstellung möge einen Begriff davon geben. Für einen rein ektodermaleu Ursprung des Mesoderms treten ein KÖLLiKER (Huhn 74, 75. 78), Rauber (Taube und Huhn, ältere Ansicht, 101), Braun (Wellenpapagei 17, 18, 19), Koller (Huhn 79, 80, 81), Gerlach (Huhn 35), Baluour (Huhn, ältere Ansicht, 4). Vom Entoblast lassen den Mesoblast entstehen His (Huhn 54), Rauber (jüngere Ansicht 103), Disse (Huhn 21), C. K. Hoffmann (ver- schiedene Sumpf- und Wasservögel 59). Für einen gemischten Ursprung aus Ektoderm und Entoderm treten bei Vögeln ein Balfour und Deighton (5), Rauber (dritte Ansicht 102), Duval (Huhn 24, 25, 26), Willy Wolff (Huhn 136, 137), Gasser (Huhn und Gans 30, 31, 32), Zumstein (Huhn und Ente 138), Rabl (Huhn und Taube 99). Für die Chorda finden sich folgende Angaben : Vom Mesoderm also indirect vom Ektoderm leiten dieselben ab Kölliker (Huhn 74, 75, 78), Koller (Huhn 79), Max Braun (Wellenpapagei 19), und auch Rauber (Huhn 101) könnten wir hier noch anführen. Aus dem Entoderm soll die Chorda ihren Ursprung nehmen nach C. K. Hoffmann (verschiedene Sumpfvögel 59), Leo Gerlach (Huhn 35), Balfour und Deighton (Huhn 5), Schauinsland (Pinguine 111). Duval (Huhn und andere Vögel 24, 25), Zumstein (Huhn, Ente 138) und Rabl (Huhn, Taube 99) nehmen einen gemischten Ursprung der Vogelchorda aus Ektoderm und Entoderm an. Mir selbst stehen eine ganze Reihe von Hühner- und Entenembryonen zu Gebote, welche beweisen, dass die Verhältnisse des Mesoderm und der Chorda im Bereich des Primitivstreifens auch bei diesen Geschöpfen wesentlich dieselben sind, wie bei Säugern. In der Region vor dem Primitivstreifeu liegen die Dinge weniger klar. Da aber ein genaueres Eingehen auf diese Frage nur an der Hand von Abbildungen möglich sein würde, will ich von einer genaueren Diskussion abstehen und mich darauf beschränken, die Angaben von nur zwei Forschern kurz wieder- Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 85 zugeben, die Angaben Duval's, wegen ihrer für allgemeine Fragen so grossen Bedeutung, und die Resultate Balfouk's und Deighton's, mit denen die Resultate der neuesten trefflichen Untersuchungen Rabl's vollkommen übereinstimmen. Wir lesen bei Balfour und Deighton (5), und Rabl macht diese Darstellung zu seiner eigenen: ,,The first part of the mesoblast to be formed is that which arises in connection with the primitive streak. This part is in the main formed by a proliferation from an axial strip of the epiblast along the line of the primitive streak, but in part also from a simultaneous diöerentiation of hypoblast cells also along the axial line of the primitive streak. The two parts of the mesoblast so formed become subsequently indistingui- shable. The second part of the mesoblast to be formed is that, which gives rise to the lateral plates of mesoblast of the head and trunk of the embryo. This part appears as two plates — one on each side of the middle line — which arise by direct differentiation from the hypo- blast in front of the primitive streak. They are continuous behind with the lateral wings of mesoblast, which grow out from the primitive streak, and on their inner side are also at first continuous with the cells, which form the notochord." ^) Auf die Bedeutung der DuvAL'schen Arbeiten habe ich schon in meinem Aufsatz über die Entwicklungsgeschichte der Chorda (S. 52) hingewiesen. Die Untersuchungen Duval's sind seither mehr gewürdigt worden, und ihre Resultate sind auch in das HEßTwiG'sche Lehrbuch übergegangen. (Vergl. S. 103—105 Fig. 82, 83, 84.) Es gelang Duval beim Vogelei (Nachtigall) die Rudimente einer Furchungshöhle nachzu- weisen. Duval beschreibt beim Vogel eine an die Verhältnisse bei Se- lachiern erinnernde Gastrulation, einen Umschlag des oberen in das untere Keimblatt. Der Primitivstreifen entstellt zunächst auf dem Rande der Keimscheibe und kommt durch Einfaltung dieses Randes erst in das l Fig. 1. Schemata für die Centralverlagerung des Primitivstreifens der Amuioteu uach Duval. Bei a das Primitivstieifengebiet noch ganz randständig. Bei d die Abschnürung des Primitivstreifens vom Rande der Keimscheibe eben vollzogen. h und c Zwischenstadien. *) F. M. BALFOUR and F. DEIGHTON. A reuewed study of the germinal layers of the chick. Quart, journ. of micr. sc. Vol. XXII. N. S. — Memorial edi- tion. I vol. 8g Dr. med. Franz Keibel. Innere der Keimscheibe zu liegen. Zunächst hängt er noch mit dem Rande zusammen und verliert diesen Zusammenhang erst secundär. Wie auf diese Weise der Primitivstreifen centralwärts verlagert Averden kann, zeigen die umstehenden Schemata Textfig. la — d. Die subgerminale Höhle des Hühnchens fasst Duval als Urdarmhöhle auf. Der Urdarm liegt also nach Duval unter der unteren Schicht des zweiblättrigen Vogelkeimes. Wir kommen jetzt zu der Mesoderm- und Chordabildung bei den Reptilien, von der wir lieber der Verwirrung der Nomenclatur wegen gar keine schematische Uebersicht geben wollen. Wir wollen diese wich- tigen Entwicklungsvorgänge bei den Reptilien nur an der Hand der neueren Beobachter betrachten, deren Befunde unser besonderes Interesse erregen müssen, weil diese Autoren von den Reptilien aus auch weit- gehende Schlüsse auf die Entwicklung der Säuger und die Theorie ihrer GastrulatioD gezogen haben. Will (134, 135), Wenckebach (133) und Mehneet (92) sind es, die wir hier hauptsächlich berücksichtigen wollen, wenn wir es auch nicht vergessen dürfen, an die Aufsätze von Mitsukuri und JscHJKAWA (94, 95) und Ostroumoff (96, 97), an die älteren Ar- beiten von Weldon (132), C. K. Hopfmann (57, 60) und vor Allem an Steahl's (122, 123, 124, 125, 126, 127, 128) vorzügliche Publikations- serie zu erinnern. Wenckebach (133) berichtet von Lacerta, dass das zweiblättrige Stadium der Keimscheibe durch die Furchung und nicht durch Einstül- pung entsteht. Nach Bildung des zweiblättrigen Stadiums stülpt das obere Keimblatt sich ein und bildet den Urdarm (es ist das dieselbe Höhlung, welche Strahl nur als Canalis neurentericus auffasst). Aus dieser Einstülpung bildet sich „ein kleiner Theil der Darm- wand". „In ihrer dorsalen Wand bildet sich die Chorda ; neben der Chorda entwickelt sich das gastrale Mesoderm; von dem ganzen Umfang des Blasto- porus (d. h. des Einstülpungsrandes) entwickelt sich das peristomale Mesoderm. Die Bildung von Chorda und gastralem Mesoderm setzt sich cranialwärts in die untere Schicht des Keimes fort." Mit dieser Darstellung stimmen im ganzen. die Angaben von Will (134, 135), der einen Gecko, Platydactylus mauritanicus, untersuchte, gut überein; nur ist beim Gecko die Einstülpung grösser, die ganze Chorda nimmt aus ihr den Ursprung und ebenso wohl der gesamrate Darmentoblast , obwohl ich eine ganz bestimmte Angabe darüber nicht gefunden habe. Nur im unwesentlichen weicht von dem eben beschriebenen Verhalten nach den ausgedehnten und sorgfältigen Untersuchungen von Mehnert (92) Emys lutaria taurica ab. Durch den Purchungsprocess entsteht auch bei Emys ein zweischichtiger Keim. Durch den in gleicher Weise wie bei Platydactylus und Lacerta eintretenden Einstülpungsprocess des oberen Keimblattes (S. 409) „schieben sich zwischen die beiden primären Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 87 Keimschicliten noch die beiden Wände des Eiustülpungssackes, so dass von jetzt ab in dem Gebiete vor dem Primitivknoten im ganzen 4 Schichten unterschieden werden : 1) Obere Keimschicht (jetzt zum Ektoderm geworden). Unter der- selben durch den Fnrchungsspalt getrennt : 2) Obere Wand des Biustülpnngscanales (Urdarmes). Unter der- selben durch das Urdarmlumen getrennt : 3) Untere Wand des Einstülpungscanales (Urdarmes). Unter der- selben durch den Furchungsspalt getrennt: 4) Die untere Schicht des zweischichtigen Keimes, die Mehneet be- zeichnet als „Paraderm und Clasmatocytenlager" (subgermiuale Zone)." (S. 413.) „Die obere Wand des Einstülpuugssackes liefert das alleinige Urmaterial für den gesaramten Darmentoblasten und seine Derivate." „Ausserdem entstehen aus den Zellen des Urdarmes die Chorda und der gesammte Rumpfmesoblast." Bevor ich über die Entstehung des übrigen Mesoblastes nach Meh- KERT berichte, muss ich noch kurz vorausschicken, was dieser Autor unter Primitivkuoten versteht. Mehnert sagt (398): „Nach der Eta- blirung des Furchungsspaltes resp, der Furchungshöhle beginnt die obere Keimschicht au einer circumscripteu Stelle sich zu verdicken. Ich (Mehnert) nenne dieses Gebiet in Uebereinstimmung mit AViLii „Pri- mi t i v p 1 a 1 1 e " . Die P r i m i t i V p 1 a 1 1 e verdickt sich rinnenförmig und von der unteren Fläche derselben beginnen Zellen in die Furchungshöhle hinein zu wachsen. Diese locale Zellwucherung führt zur Bildung eines „P r i m i t i V k n o t en s", welcher wegen der geringen Höhe des Furchungs- spaltes mit dem Paraderm verwächst und, solange die subgerminale Schicht noch in ihrer ursprünglichen Continuität besteht, die obere Keim- schicht leicht emporhebt." Gleichzeitig mit der Anlage des Primitivknotens vertieft sich die Rinne der Primitivplatte und kommt in das Zellennest des Primitiv- knotens zu liegen. Durch die weitere Ausbildung dieser Rinne entsteht ein zwischen dem Ektoderm und Paraderm in der Achse des späteren Embryo ver- laufender Zellensack, welcher den Urdarmcanal der Emys repräsentirt." Im allgemeinen wächst der Primitivknoten bis zu einer gewissen Grösse; dann bleibt er stabil, um sich schliesslich wieder zu verkleinern: seine Reduktion vollzieht sich in craniocaudaler Richtung. Den Primitivknoten homologisirt Mehnert in Uebereinstimmung mit Straht. (Strahl, Arch. f. Anat. 82 S. 243) mit dem Primitivstreifen der Säuger und Vögel. Dicht hinter dem Primitivknopf, in der hinter dem Pro- stoma gelegenen Region, findet Mehnert dann übereinstimmend mit den älteren Autoren auf Querschnitten Bilder, die direct dem quergeschnittenen Primitivstreifen der Vögel und Säuger gleichen. (Fig. 25, 26, 32.) Wir 88 Dr. med. Franz Keibel. sind dort im Gebiet seiner Sichel. „Die Sichel der Emys lutaria tau- rica tritt in der hinter dem Prostoma gelegenen Region unter dem Bilde der Primitivstreifenbildung (sei. der Vögel und Säugethierkeime) als mediane Ektodermwucherung in Erscheinung, In späteren Stadien mi- schen sich Elemente des Primitivknopfes der Sichel bei.'^ Die Sichel resp. die Sichelhörner geben das Material für die Bildung des Gefäss- hofes ab. Die Sichel ist die zweite Quelle des Mesoblast. „Durch die periphere Ausbreitung des Rumpfmesoblastes (Mehnert S. 468 u. 469) wird der im Flächenbilde netzförmig erscheinende „Rumpfmesoblast- hof" gekennzeichnet, welcher seinerseits rings von einer mesodermfreien Zone umgeben wird, in welcher Ektoderm und Paraderm durch keinerlei morphotische Elemente von einander getrennt sind. Erst in einer spä- teren Zeit vereinigen sich Rumpfmesoblast und Gefässmesoblast (sei. Sichelhörner) und die zwischen ilmen gelegene mesodermfreie Zone schwindet.'' In dem hintersten Abschnitte des Embryo treten neben der Chorda- anschwellung jederseits noch kleine von dem Urdarme ausgehende Diver- tikelbildungen auf, von Avelchen aus zahlreiche Mesoblastelemente ihren Ursprung nehmen. Diese Divertikel der Emys sind als Rudi- mente von Coelomsäcken aufzufassen. Die Pleuro-Peritonealhöhle (Remak) geht bei Emys nicht aus dem Lumen der Coelomsäcke hervor, sondern entsteht (zuerst im vorderen Körperabschnitte) als eine neu auftretende intercelluläre Spaltbildung. Eine subgerminale oder periphere Mesoblastbildungsstätte kann für Emys nicht nachgewiesen werden. Eine Art von peripherem Mesoblast wird in späteren Stadien gebildet durch die von dem hinteren Prostoma- rande ausgehenden Sichelhörner. Auch die Chorda dorsalis differenzirt sich zuerst in dem vorderen Abschnitte des Urdarmepithelholes. In diesem Gebiete tritt die Chorda als rein mesodermale Bildung in Gestalt eines soliden prominenten Chordawulstes auf. In einer mehr caudal gelegenen, relativ kurzen Partie steht die Chorda von Anfang an im innigen Zusammenhange mit dem Darmentoblaste und erscheint gewissermassen als eine mediane Verdickung desselben. In dem caudalen Endabschnitte des Embryo bildet die obere Urdarmwand eine nach unten zu offene mediane Längs- rinne, welche sich erst später zur Chorda umformt und sich abschnürt. Im unmittelbaren Anschlüsse an die Chordarinnenbildung geht von neuem eine Canalbildung vor sich, welche an der Stelle des ursprüng- lichen Prostoma, vom Caudalknoten von hinten überlagert, in das Medullarrohr durchbricht. Mehneet nennt denselben „neurenterischen Chordacanal". — Betrachten wir nun noch die Umbildungen des Primitivknotens bei Emys. Aus einem Theil der unteren Urdarmwand (resp. des Primitiv- knotens) und des eigentlichen Primitivstreifens (hintere Urmundlippe) Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 89 bildet sich der Caiidalknoten Mehneet's. Man erblickt ihn in der Tiefe des Urdarmeinganges als „eine von der unteren resp. hinteren Urdarmwand ausgehende, wulstige mediane Verdickung ; durch ihn „er- scheint der Prostomaspalt jetzt nach vorn (cranial) ausgebogen, somit in diesem Stadium seiner anfänglichen Lage entgegengesetzt gerichtet". Der Caudalkuoten verkleinert sich allmählich und schliesslich verschmilzt er mit den Endabschuitten der beiden Medullarfalten und bildet bei der Abschnürung des Schwanzes das äusserste Ende desselben. Ein dem Caudalkuoten entsprechendes Gebilde haben auch Strahl, Kupffer, Will, Mitsukuri und Jschikawa beobachtet. Will, Mitsukubi und JscHiKAWA vergleichen es mit dem Dotterpfropf. Für uns gewinnt es besonderes Interesse, weil Mehnert in den Beschreibungen von Säuge- thierembryonen eine entsprechende Bildung wieder zu erkennen glaubt, so beim Maulwurf nach Heape's und beim Schaf nach Bonnet's Be- richten und Bildern. Er citirt Bonnet: „Schliesslich erhält sich der Primitivstreifen nur als ein kurzer knotenförmiger, das Caudalende der Schwanzzone bildender Wulst, als Caudalkuoten oder Endwulst, noch längere Zeit und wird für die Ausbildung des Schweifes von Bedeutung." Mit VAN Beneden, der, wie erwähnt, einen von ihm, Carius, Spee und mir bei verschiedenen Säugern im Grunde der Primitivrinne gefundenen Zellcomplex als dem Dotterpfropf der Amphibien homolog deutete, scheint Mehnert demnach nicht übereinzustimmen. Dagegen glaubt er auch bei Fischen eine ähnliche Bildung wieder zu erkennen. Er glaubt die Schwanzknospe (Ollacher), Bandknospe (His), Endknospe oder Eandhügel (Kupffer), Nodulus caudalis (Rauber) der Teleostier seinem Caudalkuoten vergleichen zu sollen. Uebrigens fast er seinen Caudalkuoten als peristomales Rudiment auf und denkt auch, wie Max Braun bei seinem Schwanzfaden, an ein rudimentäres Sinnesorgan. Zu dieser Deutung des theilweise aus dem Primitivknoten hervorgegangenen Gebildes sei nun auch noch die Deutung des Primitiv- knotens selbst gefügt. Mehnert sagt (S. 405) : „Die Lage des Primi- tivknotens, seine Betheiligung an der Bildung der unteren Urdarmwand, stimmt völlig übereiu mit der Situation des unteren von den „Dotter- zellen" gebildeten Eipoles der ürodelen. Auch die relativen Propor- tionen des Urdarmlumens zu der unter demselben liegenden Zellkugel sind in beiden Fällen annähernd die gleichen. Gestützt wird diese Ana- logie noch durch die Thatsache, dass auch bei Emys lutaria taurica der Primitivknoten die Zellmasse des, dem Dotterpfropf der Amphibien ana- logen, Caudalknotens liefert." Schliesslich resumirt Mehnert, dass eine Analogie des Primitiv- knotens der Emys mit der „Dotterhalbkugel" des Urodeleneies wohl nicht von der Hand zu weisen sei." Mir ist hier zunächst nicht ganz klar, was mau nur unter Analogie und analog zu verstehen hat. Gegenbaub (Grundriss S. 66) sagt: 90 t)r, med. Franz Keibel. „Wir scheiden demnacli die physiologische Gleichartigkeit als Analo- gie von der morphologischen als Homologie und betrachten nur den Nachweis der letzteren als unserer Aufgabe gemäss." Gemäss dieser Definition gebraucht Mehnert den Ausdruck analog auch an einer anderen Stelle, wo er den Durchbruch des Einstülpuugssackes bei Emys in die subgerminale Höhle mit der Stomodaeumbildung bei gewissen Evertebraten vergleicht. Mehneet sagt da (S. 412): „Im Principe ge- nau die gleichen Erscheinungen treten auch bei der ventralen Fenste- rung des Urdarmkanales der Emys auf, so dass ich nicht davon abstehe, in dem ventralen Durchbruche der Emysgastrula einen der Stomodae- umbildung einiger Evertebraten analogen Vorgang zu erblicken. An den vorher citirten Stellen aber kann analog, wie mir scheint, gar nicht in diesem Sinne gebraucht sein. Es kann sich dort nur um eine complete resp. eine incomplete Homologie im Sinne Gegenbaur's han- deln. Ich glaube im Sinne Mehnekt's mindestens eine incomplete Ho- mologie annehmen zu müssen, von der Gegenbaur sagt, sie besteht darin, dass ein Organ im Verhältniss zu einem anderen, ihm sonst völlig homologen, noch andere jenem fehlende Theile mit umfasst, oder umge- kehrt: dass ein Organ im Verhältniss zu einem anderen um einen Be- standtheil vermindert ist." Deute ich aber Mehnert's „analog" in dieser Weise, so ist es mir unmöglich, aus seinen Angaben einen für mich verständlichen Sinn herauszulesen. Ich kann hier die vergleichend anatomischen und embryo- logischen Gesichtspunkte nicht erkennen, welche ihn geleitet haben. Doch wenden wir uns zum Schluss noch einmal von den Deutungen zu den Angaben über die thatsächlicheu Befunde, so verdient hier doch noch hervorgehoben zu werden, dass der Hohlraum, den Will, Wencke- BACH und Mehnert als Urdarm auffassen, bei Strahl nach seinen Untersuchungen an verschiedenen Eidechsen einfach als ein Canalis neur- entericus gedeutet wird , und dass die Wände dieses Canales wohl die Chorda aber nicht den Darmentoblast bilden sollen. Damit möge die Uebersicht über die Mesoblast- und Chordabildung der Amnioten abgeschlossen sein. Ein Ausblick auf die Anamnia zeigt uns, dass dort der Mesoblast fast durchweg vom Entoderm abgeleitet wird, und das Gleiche kann man wohl von der Chorda sagen, wo in letzter Zeit nur O. Schulze (113, 114) einen abweichenden Standpunkt einnimmt. Gerne wäre ich auch auf die Angaben Prenant's eingegangen, welche in seinen „Elements d'embryologie de l'homme et des vertebres. Paris, Steinheil 1891" niedergelegt sind; aber ich konnte das Werk weder hier in Freiburg noch in der Landes- und Universitätsbibliothek zu Strassburg im Elsass erhalten. Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. ,91 V. Betrachtungen über die Gastrulation, die Coelomtheorie und die Concrescenztheorie bei den Amnioten mit besonderer BerücksicMigung der Säuger. Nachdem Haeckel (1874, 36; vergl. auch 37 — 39) mit genial vor- schauendem BHck, aber auf einer verhältnissmässig noch schmalen that- sächlichen Basis fussend, seine Gastraeatheorie aufgestellt hatte, gelang es der im schnellen Anwachsen begriffenen embryologischen Forschung, bald in immer grösserer und grösserer Fülle die Beweise zu erbringen, dass aUe Metazoen dem neu gefundenen Gesetze unterworfen seien. Nur die Amnioten setzten allen Versuchen, auch bei ihnen eine Gastrulation in aller Form des Eechts nachzuweisen, einen hartnäckigen Widerstand entgegen, und ebenso wollte es zunächst nicht gelingen, als HuxLET (63, 64), Lankestee (84, 85), Balfour (1 — 4) und vor allem die Gebrüder Heetwig (44, 45, 48, 49) in ihrer Coelomtheorie helleres Licht über die Entwicklung des Mesoderms und der Leibeshöhle ver- breiteten, die hier gefundenen Gesetze einwandsfrei auf die Amnioten anzuwenden. Erst ganz allmählich bahnte sich ein Fortschritt an ; mehr und mehr Forscher bekannten sich zu der Ansicht, dass der Pri- mitivstreifen der Säuger und Yögel und der Primitivknoten bei den Rep- tilien mit der in seinem Gebiet liegenden Einstülpungsöffnung zu dem Urmunde in enger Beziehung stehen müsse, und auch die Bildung des Mesoderms im Bereiche des Primitivstreifens bot Vergleichungspunkte mit der Bildung des Mesoderms durch Urdarmdivertikel. Gleich aber entstand eine weitere neue Frage. Ist es der ganze Urmund, welcher dem Primitivstreifen gleich zu setzen ist, oder entspricht der Primitivstreifen nur einem kleinen Theil des Urmundes? Bei dieser Frage müssen wir einen Augenblick ver- weilen. Bei den meroblastischen Eiern ist die Keimscheibe wie eine kleine Kuppe dem grossen Dotter aufgesetzt, und nur sie ist die Trä- gerin der Entwicklungsvorgänge. — Bei dem einfachsten meroblastischen Ei, welches wir kennen, dem Ei der Selachier, lässt sich nun nach- weisen, dass die Gastrulation durch Einstülpung an dem ganzen Rande der Keimscheibe erfolgt, und dass auch die Mesoblastbildung im ganzen oder doch fast im ganzen Umfange des Keimbezirkes statt hat. Beifolgende Skizze zeigt diese Verhältnisse bei Selachiern an einem schematischen Sagittalschnitt nach Rabl (s. Textfigur 2). (99 S. 160.) Vergleichen wir damit eine Amphioxusgastrula (Textfigur 3) und eine Amphibiengastrula (Textfigur 4), so lässt sich leicht erkennen, wie 92 Dr. med. Franz Keibel. wir bei h überall die dorsale, bei a die ventrale Blastoporuslippe vor uns haben. FH bezeichnet die Furchungshöhle. Sie liegt zwischen Entoderm und Ektodenn. Bei der Amphibiengastrula ist sie im Begriff in 2 Höhlen zu zer- fallen; der mit FH* bezeichnete Theil ist nämlich in der Abschnürung von dem spaltförmigen Theil der Furchungshöhle begriffen. Diese Ab- schnürung geschieht dadurch, dass der Dotter diesen Theil der Fur- chungshöhle umwächst, und so kommt ein Theil der Furchungshöhle ganz in das Innere des Dotters zu liegen. Wir werden später auf diesen FH Fig. 2. Gastrula von Pristiurus nach Rabl (Theorie des Mesoderms. Morpholog. Jahrbuch Bd. 15 Fig. 2.^A.). b dorsale, a ventrale Blastoporuslippe.' FJf 'TB Fig. 3. Gastrula von Amphioxus. Fig. 4. Amphibiengastrula (Rana fusca). Entwicklungsvorgang und auf die Verschmelzung, welche zwischen diesem Theil der Furchungshöhle und der Gastrulahöhle eintritt, nochmals zurückkommen. Es ist klar und oft genug auseinandergesetzt, dass man die Gastrula der Selachier aus einer der Amphioxus- oder Amphibiengastrula ähn- lichen Gastrulationsform einfach durch Dotterzunahnie ableiten kann, und dass umgekehrt, wenn man sich den Dotter in der Selachier- gastrula schwinden denkt, man wieder zur Amphibien- und bei weiterem Schwund zur Amphioxusgastrula kommt. Bei der weiteren Entwicklung Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 93 des Selachiers wird nur ein kleiner Theil des Blastoporus in den definitiven Embryo aufgenommen; der grössere Theil umwächst den Dotter und verliert dabei allmählich mehr und mehr die deutlichen Charaktere eines Blastoporus. Man kann demnach einen Embryonal- theil des Blastoporus — in seinem Bereiche kommt der bekannte Canalis neurentericus zur Anlage — und einen ausserembryonalen Theil des Blastoporus, den Dotterblastoporus , Umwachsungsblastoporus unter- scheiden. Beide Theile des Blastoporus sind eine. Zeitlang durch eine Nahtlinie verbunden. Auch dies wichtige Verhalten mag durch ein Schema erläutert werden. (Textfigur 5.) cn ist der Canalis neurente- C/i --^ rira.Il. Fig. 5. Schema eines medianen Sagittalschnitts durch einen Selachieremhryo. cn = canalis neurentericus, Aft. = Aftermembran, N = Nahtlinie zwischen After und dem Umwachungsrand {Uio.B.) des Dotters (Z)), Ch = Chorda dorsalis. ricus, Aft der After ; er ist die hintere Grenze des embryonalen Theiles des Blastoporus, ihm folgt die Naht, welche auf Kosten des Umwach- sungsblastoporus sich gebildet hat und schliesslich der Umwachsungs- blastoporus selbst. Die vordere Grenze des Embryonaltheils des Blasto- porus , bin ich nicht genau im Stande wiederzugeben , da ich mir noch nicht darüber klar geworden bin, ob ich bei Selachiern mit His, Minot und neuerdings Hertwig die Concrescenztheorie annehmen, oder mich der älteren BALFOUR'schen noch neuerdings so energisch von Rabl vertretenen Ansicht anschliessen soll. Durch Kastschenko's Experimente (66) schien die Sache definitiv zu Gunsten von Balfoüe und Rabl entschieden, aber die neueren E,ücKERT'schen (109) Versuche haben zu anderen Re- 94^ Dr. med. Franz Keibel. sultateu geführt und von neuem Zweifel auftauchen lassen. Doch kommen wir später noch einmal auf die Concrescenztheorie zurück. — Ganz in derselben Weise, wie wir eben die Gastrulation bei Sela- chiern geschildert haben, fasst nun Duval (24, 25. 26) die Gastrulation der Vögel auf. Er fand eine kleine, bald verschwindende Furchungs- höhle und eine Einstülpung im ganzen Umkreise der Keimscheibe. (Man vergleiche dazu die Figuren auf der Tafel III seines schönen Atlasses.) Wie kommt nun aber der Primitivstreifen in die untere Keimscheibe zu liegen ? Dafür giebt uns Duval die Erklärung : durch ungleiches Wachsthum kommt es zu einer Einfaltung des Keimscheiben- randes und im Verlauf der weiteren Entwicklung löst sich der so in das Innere der Area embryonalis verlagerte Theil des Keimscheiben- randes resp. Gastrulamundes von dem Theil des Urmundrandes, welchem die Umwachsung des Dotters obliegt. Infolge des schnellen Tempos der Umwachsung kommt eine ver- .'/' ' "'^ ■' 1 ; ; ■ , < ' •' ■ ■ e Fig. 6. Schemata für die Centralverlagerung des Primitivstreifens der Aranioten nach Duval Bei a das Primitivstieifengebiet noch ganz randständig. Bei d die Abschnürung des Primitivstreifens vom Rande der Keimscheibe eben vollzogen. h und c Zwischenstadien. bindende Naht nicht zur Ausbildung oder verschwindet doch bald. Diese Darstellung hat Duval nun, wie betont werden mag, nicht diu'ch Speculation, sondern an der Hand von Beobachtungen gefunden, die leider bis dahin von anderer Seite noch nicht wiederholt sind. Duval's Schemata, welche ich hier mit unwesentlicher Abänderung wiedergebe, geben davon eine klare Darstellung. (Textfigur 6 a— d.) Nach Duval's Beobachtungen und Erwägungen ist also die Vogelgastrula im Sinne Haeckel's eine typische Discogastrula. Der Primitivstreif ist der embryonale Theil des Blastoporus, der Umwachsungsrand der Keim- scheibe gehört auch dem Blastoporus an und kann zugleich als Dotter- blastoporus bezeichnet werden. Der Eand des Dotterblastoporus ist richtiger Urmundrand, wenn auch freilich in sehr modificirter Form. Wenn Duval nun seine Auffassung der Gastrulation bei Vögeln auch nicht auf Reptilien und Säuger verallgemeinerte, so werden wir sie trotzdem nicht ausser Acht lassen dürfen, wenn wir über die Ga- strulation bei diesen Thieren Betrachtungen anstellen, da es ja klar ist, dass die Vögel von reptilienartigen Vorfahren stammen, und diese Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. '95 dürften denn doch jedenfalls eine Grastrulationsfonn gehabt haben, auf die sich die Gastrulation ihrer aberranten Nachkommen zurückführen lassen muss. Für die Säuger hat die Gastrulationsform der Vögel Interesse , weil die Säuger Avohl ebenso wie die Vögel von reptilien- ähulichen Vorfahren abstammen. Zu ganz anderen Ergebnissen führten die Untersuchungen van Beneden's (9) und Rabl's (99), denen sich im wesentlichen Will (135), Wenckebach (133) und Mehneet (92) anschliessen. Alle diese For- scher beanspruchen für ihre Theorien Geltung für alle Amnioten. Ich habe schon einmal Gelegenheit gehabt, mich in meiner Arbeit über die Chorda mit den Theorien von van Beneden und Rabl ziemlich eingehend zu beschäftigen und fand sie damals in sich widerspruchsvoll und für das Säugethier nicht durchführbar. Da aber Rabl seither seine Theorie durch eine glänzende Arbeit „die Theorie des Mesoderms" neu begrün- det hat, da ferner die Untersuchungen an Reptilien, denen man mit Recht für die Lösung des Problems die grösste Bedeutung beimisst, nach "Will, Wenckebach und vor Allem nach Mehneet übereinstimmend eine Bestätigung der Theorien von van Beneden und von Rabl ge- bracht haben, so ist es wohl am Platze, den Gastrulationstheorien dieser Forscher noch einmal nahe zu treten, und sie sowohl in sich zu prüfen, wie an der Hand der Thatsachen zu messen. Gemeinsam ist den ge- nannten Autoren, welche sich, wie schon hervorgehoben, im wesentlichen an VAN Beneden anschliessen, allen, dass sie nur den Primitivstreifen als Blastoporus auffassen. Am deutlichsten, man kann vielleicht sogar sagen drastisch, drückt sich darüber Heetwig (47) aus, der die Frage nach der Gastrulation der Säuger in seiner letzten Arbeit über Urmund und Spina bifida auch berührt, ohne sie jedoch ausführlich zu behandeln. Er sagt (S. 443): „Ich muss mich daher entschieden gegen eine noch immer weit verbreitete Ansicht aussprechen, nach welcher der ganze Rand der Keimscheibe bei meroblastischen Eiern als Urmundrand be- zeichnet wird. Nichts ist verkehrter als eine solche Ver- gleichung." Der eigentliche Vater der Theorie, welcher die eben aufgeführten Forscher folgen, ist wohl unzweifelhaft van Beneden, Da Avir aber die genauere Veröffentlichung, welche uns dieser hervorragende Forscher in Aussicht gestellt hat, noch nicht besitzen, so will ich zu- nächst der Darstellung Rabl's folgen. Diese Darstellung ist übrigens in mancher Beziehung originell, und ich habe den neuen Gesichtspunkt in Rabl's Auffassung schon früher hervorgehoben. In meiner Arbeit über die Entwicklungsgeschichte der Chorda heisst es (S. 8 u. 9): „Rabl hat es auf dem Anatomencongress zu Würzburg unternommen, zu zeigen, wie eine im Laufe der Phylogenie öfter wiederholte Zunahme und Abnahme des Dotters die Gastrulationsformen der verschiedenen Thiertypen erklären lässt. Rabl ist es hier zum ersten Male gelungen. 96 Dr. med, Franz Keibel. einen Weg zu zeigen, auf dem man sich den Primitivstreifen der Am- niotenkeimscheibe direct aus dem Gastrulamund der Amphibien ableiten kann. Es soll in diesem Falle bei erneuter Dotterzunahme nicht mehr der Blastoporus auseinaudergedrängt werden, sondern die vorzugsweise in der ventralen Wand des Darmes auftretende Dotteranhäufung soll den Embryo an der ventralen Seite auseinanderdrängen. Um uns recht anschaulich auszudrücken, wollen wir sagen, die Gastrula eines Amphibiums (Textfig. 7) werde bei x durch eine sich an der schwarz gehaltenen Stelle entwickelnde Dottermasse auseinander gerissen und auf der sich immer mehr vergrössernden Dotterkugel flächenhalt ausgebreitet, wie das etwa Fig. 7. Amphibiengastrula. h dorsale, a ventrale Blastoporuslippe. B Dotterpfropf. Die schwarz gehaltene Dottermasse ist im Begriff die Gastrula zu sprengen. (Schema zur Erläuterung der RABL'schen Theorie.) Fig. 8. Amphibiengastrula durch Dotter- zunahme an der ventralen Seite gesprengt. (Schema zur Erläuterung der RABL'schen Theorie.) h dorsale, a ventrale Blastoporuslippe, D Dotterpfropf. Textfig. 8 darstellt, xx würde dann das sein, was Rabl und Heetwig den Umwachsungsrand des Dotters nennen und was man früher häufig als Dotterblastoporus zu bezeichnen pflegte. Dabei darf natürlich nicht vergessen werden, dass die Zellen des Blastoderms mit dem Dotter organisch zusammengehören. Der Dotter ist eben keine todte Masse, sondern er ist einem mit Nahrungsstoffen überhäuften Zellklumpen gleich zu setzen. Er ist von Protoplasma durchdrungen und in seinen oberen Schichten finden sich vielfach Kerne. Doch giebt dieser Vor- behalt durchaus keinen Einwurf gegen Kabl's Theorie. Diese lässt sich auch mit Beriicksichtigung der wahren Natur des Dotters voll- kommen durchführen, und ich habe, wie gesagt, auch nur um die erste Anschauung zu erleichtern, die obige Darstellung gewählt. Jeder, der Studien zur Entwicklungsgeachiclite des Schweines. 97 ihr gefolgt ist, wird zugeben, dass mau schliesslich zu demselben Re- sultate kommt, wenn man statt einer unorganisirten Masse, die sich allmählich ausdehnen soll, einen lebenden Zellcomplex annimmt, welcher mehr und mehr Nahrungsmaterial in sich aufhäuft. Eine andere Frage ist es, ob es für eine derartige Dotteransammlung, welche nicht den Blasto- porus, sondern die ventrale Wand des Embryo auseinanderdi-ängen soll, schon Beweise in Gestalt von Uebergangsstufen giebt. Mir ist bis dahin eine solche Uebergangsstufe nicht bekannt geworden ; doch werden ^^dr wohl in diesem Punkte noch Eabl's ausführliche Mittheilungen abwarten müssen. Vorerst scheint mir Rabl's Hypothese allerdings den einzig möglichen Weg anzuzeigen, auf dem man von der Gastrula der Amphi- bien zur Primitivstreifen tragenden Keimscheibe der Amnioteu, und zwar X X Fig. 9. Schema einer Säugergastrula zur Erläuterung der RABL'schen Theorie. Die Erklärung der Bezeichnungen im untenstehenden Text. zun ächst der Amnioten mit meroblastischen Eiern, gelangen kann, ohne wie Balfoub und Räuber den Rand der Keimscheibe mit einem Theil des Urmundes zu vergleichen." Das Schema, das ich damals im Sinne der RABL'schen Theorie für das Säugethier entworfen habe, Textfigur 9, kann auch heute wohl noch gelten, wenn auch Rabl es inzwischen als belanglos erklärt hat, ob der Kopffortsatz des Meerschweinchens primär mit der unteren Keimschicht der Autoren zusammenhängt oder nicht. In dem Schema, Textfigur 9, würde die Strecke ha dem Primitivstreif entsprechen, hc dem Kopffort- satz, c der Stelle, an der der Kopffortsatz zunächst mit dem Entoderm verschmilzt. Es entsprechen dann in den Textfiguren 7, 8 und 9 die Strecken hc augenscheinlich einander; und auch ca (die ventrale Darm- wand der Amphibiengastrula in Fig. 7) würde, wenn wir der neuen Inter- pretation Rabl's folgen überall einander entsprechen, da ja nach der- selben die Höhle im Kopffortsatz allein dem Urdarm homolog ist. Morpholog. Arbeiten hrsg. t. G. Schwalbe. III. ' 98 Dr. med. Franz Keibel. Doch wenden wir uns nach dieser Uebersicht Rabl's eigenen Aus- führungen zu. Rabl sagt (99 S. 162, 163, 164): „Bei der Betrachtung der Amphi- biengastrula sehen wir aber, dass der Dotterpfropf nur den kleinsten Theil des Nahrungsdotters umfasst, dass dagegen die Hauptmasse der Dotterzellen an der ventralen Wand des Urdarmes, also vor und ven- tralwärts vom Blastoporus angesammelt ist. Es ist daher viel wahrscheinlicher anzunehmen, dass der Na hrungs dotter bei den Protamnioten dort wieder aufgetreten sei, wo die Hauptmasse der Dotterzellen bei ihren Vorfahren aus der Amphibienreihe gelegen war, also vor und ven- tralwärts vom Blastoporus. Wir würden daher von der Gastrula eines Protamnioten ein Bild erhalten müssen, ähnlich dem, welches ich in der Fig. 2D (= meiner Textfigur 10)^) entworfen habe. Verfolgen wir nun in Gedanken die Entwicklung eines solchen Keimes vom Beginn der Furchung an. Da der Nahrungsdotter, unserer Fig. 10. Schema einer Protamniotengastrula nach RaBL- (Theorie des Me.soderms. Morpholog. Jahrbuch Bd. XV S. 160 Fig. 2 D.) Annahme gemäss, keine rein polare Lage hatte, sondern excentrisch an- geordnet Avar, musste natürlich auch der animale Pol aus der Mitte des Bildungsdotters nach vorn verschoben sein. Infolge dessen wird auch die Furchung eine mehr oder weniger auffallende Excentricität gezeigt haben müssen. Aus der Furchung wird sich eine Keimscheibe gebil- det haben, die flächenhaft auf dem Nahruugsdotter ausgebreitet war und excentrische Anordnung der Furchungskugeln noch erkennen liess. An einer Stelle der Keimscheibe , die dem Hinterrande näher gelegen Avar als dem Vorderrande, wird sich eine Einstülpung gebildet haben, die sich namenthch nach vorn erhebUch vertiefte und zur Bildung des Ur- darmes führte. Der Vorderrand der Einstülpungsöffnung wird, wie ein Vergleich der Textfig. 7 und 10 zeigt, dem dorsalen, der Hinterrand dem ventralen Urmundrand der Amphibien entsprochen haben. Eine solche Gastrula wird einige Aehnlichkeit mit einer „Perigastrula'^, wie sie sich etwa bei Astacus findet, gezeigt haben. Immerhin wird sie sich aber von einer solchen dadurch unterschieden haben, dass das Blasto- derm nicht den ganzen Dotter einliüllte, sondern eine kleine Scheibe an dessen Oberfläche bildete. Andererseits tritt aber auch die Difierenz gegenüber einer Discogastrula eines Selachiers (Textfig. 2) oder Teleostiers *) Im folgenden sind einfach die Nummern genannt, welche die betreffenden oder entsprechenden Figuren in meiner Arbeit tragen. Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 99 Fig. 11. Schema einer Tritongastrula nach Rabl- (Theorie des Mesoderms. IMorpholog. Jahrb. Bd. XV Fig. 3 S. 163.) scharf genug hervor; hier erfolgt die Einstülpung am Rande der Keim- scheibe, dort hinter der Mitte der oberen Fläche. Ich (Rabl) will daher diese Form der Gastrula als Epigastrula bezeichnen. Vielleicht wird die Ableitung einer solchen Epigastrula von der Amphigastrula der Amphibien noch verständlicher werden, wenn wir von dem Bild ausgehen, welches der Keim von Triton im Stadium der beginnenden Einstülpung zeigt. (S. Textfig. 11.) Man denke sich einen solchen Keim dm-ch die Schnittebene ab in zwei Hälften zerlegt und die linke untere Hälfte durch einen mäch- tigen Nahrungsdotter ersetzt, wel- chem die rechte obere Hälfte flächen- haft ausgebreitet autliegt. Man wird nun erkennen, dass der animale Pol nicht der Mitte der Keimscheibe ent- sprechen kann, sondern weiter vorn gelegen sein muss, und dass ferner die Einstülpungsöffnung der hinteren Hälfte der Keimscheibe angehören muss." In Rabl's vorläufiger Mittheilung finden wir eine entsprechende Darstellung, wir lesen dort (98 S. 658 Anat. Anz. 1888): „Es wird gewiss jeder zugeben müssen, dass es mit ganz eigenthümlichen Dingen zugehen müsste, wenn sich zunächst der Dotterpfropf vergrösserte und den Bla- stoporus auseinanderdrängte, um Verhältnisse zu schaffen, wie sie die Ganoiden zeigen, von denen wir dann bei weiterer Vermehrung des Dotters mit geringer Mühe das Bild einer Discogastrula ableiten könnten. Nun hat aber trotz vieler darauf gerichteter Aufmerksamkeit bisher in keinem Falle bei einem Amnioten eine Discogastrula nachgewiesen werden können. Bei der Betrachtung einer Ampliibiengastrula sehen wir aber auch, dass der Dotterpfropf nur den kleinsten Theil des Nahrungsdotters um- fasst, dass dagegen die Hauptmasse der Dotterzellen an der ventralen Seite des Urdarms, also vor imd ventralwärts vom Blastoporus ange- sammelt ist. Es ist daher viel wahrscheinlicher, dass der Nahrungs- dotter bei den Protamnioten dort aufgetreten sei, wo die Haupt- masse der Dotterzellen bei den Amphibien gelegen war, also vor und ventralwärts vom Blastoporus." Ich muss gestehen, dass ich leider weder durch die vorläufige Mit- theilung, noch durch die genauere Auseinandersetzung überzeugt bin. "Wenn wir uns zunächst Rabl's Fig. 3 (die Textfig. 11 dieser Arbeit) (S. 163), welche uns Rabl's Anschauung verdeutlichen soll, ansehen, so 7* 100 ßr. med. Franz Keibel. dürfte die Menge des Dotters oberhalb der Linie a — b bei der darge- stellten Amphibiengastrula nicht wesentlich geringer sein, als die unter- halb gelegene Dottermenge. Auch kann ich überhaupt die Anschauung Rabl's über die Dottervertheilung im Amphibienei nicht theilen. Es muss hervorgehoben werden, dass der Dotterpfropf eine sehr wechselnde Grösse hat; in frühen Stadien der Gastrulation ist er ausserordent- lich gross, später Avird er kleiner und kleiner. Ebenso verändert sich auch die Lage des Dotters zu dem sich entwickelnden Keim fortwährend. Nun wii'kt aber doch die grössere Dottermenge nicht nur schon in den frühesten Stadien der Gastrulation, sondern sogar noch früher ein. Es liegt nach meiner Auffassung in dem RABL'schen Gedanken, dass die Avachsende Dottermenge den Blastoporus auseinanderdrängen oder nicht auseinanderdrängen und die Gastrula so zu sagen — natürlich nur bild- lich — an einer anderen Stelle sprengen soll, ein Trugschluss. Das Eizellenstadium, in dem die Dottermenge erworben wird, geht der Gastrulation voraus; es kann somit die Dottermenge die Bildung des Gastrulastadiums modificiren, ja im äussersten Fall die Bildung einer typischen Gastrula unmöglich machen, aber die Anschauung, dass die Dotterzunahme des Eies den Blastoporus auseinanderdrängen soll, ist doch nur als eine Hilfsvorstellung zuzulassen, eigentlich kann der Dotter den Blastoporus nur am Schlüsse hindern, und die andere Vor- stellung, dass gar eine Sprengung der Gastrula durch die Dotterzu- nahme statthaben soll, dürfte ganz von der Hand zu weisen sein. Doch sehen Avir hiervon zunächst ab und folgen der RABL'scheu Darstellung Aveiter. Bei der Zunahme des Nahrungsdotters nimmt E.ABL an (99 S. 164, 165), tritt eine Arbeitstheilung zwischen den Zellen des Entoderm ein , „wenn Avie bei den Sauropsiden , und wohl auch bei den Protamnioten der Nahrungsdotter zu einer ungemein mächtigen Masse auAvächst, so wird es dazu kommen können, dass nur ein Theil des Entoderms die Funktion beibehält, Deutoplasmaträger zu sein. Wir haben hierin eine Art Arbeitstheilung zu erblicken, welche, wie ich glaube, das stetige Anwachsen des Nahrungsdotters mit sich bringen kann : Die Zellen, welche den Dotter enthalten, haben so zu sagen auch die Pflicht, ihn zu verarbeiten, und sie können daher nicht in derselben Weise, Avie ihre Genossen Antheil an dem Aulbau des Embryo nehmen. Es Avird sich also diejenige Schicht des Ento- derms, die dem Dotter direct aufliegt, in einen gewissen Gegensatz zu dem übrigen Entoderm stellen, ein Gegensatz, der in einer mehr oder weniger scharfen Scheidung des Entoderms in ein embryonales und ein Dotterentoderm zum Ausdrucke kommen muss." Wie das Dotterentoderm ohne Gastrulation an seine definitive Stelle kommt, dafür erhalten Avir nur für Säuger eine Andeutung. Rabl sagt darüber (99 S. 166) : „Wir stehen nun hier zunächst der inter- essanten Erscheinung gegenüber, dass die Zellen des Keimes sich schon Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 101 ungemein frühzeitig in zwei Gruppen sondern, deren eine die Zellen des Dotterblattes, deren andere alle übrigen Zellen hervorgehen lässt. So ist also bei den Säugethieren zwar der Dotter geschwunden, aber das Dotterblatt , das sie von den Protamnioten geerbt haben , ist erhalten geblieben." Die Gastrulation findet durch die Einstülpung der oberen Keim- schicht statt. Rabl's Schema (meine Textfig. 12) zeigt uns einen me- dianen Sagittalschnitt durch eine Amniotengastrula. Fig. 12. Schematischer medianer Sagittalschnitt durch eine Amniotengastrula nach Kabl. (Theorie des Mesoderms. Morpholog. Jahrb. Bd. XV S. 172 Fig. 4.) Die Strecke a — b würde dem Gastrulamund oder, mit Rücksicht auf die Amnioten, der Primitivrinne entsprechen ; das von b — ^c vordrin- gende Eutodermsäckchen würde den Kopffortsatz vorstellen und die dünne über den Dotter ausgebreitete Schicht d—e würde das in der oben angegebenen Weise vom Entoderm abgeleitete Paraderm Kitpffer's oder den Lecitophor van Beneden"s repräsentiren. Es bleibt dabei im Fig. 13. Fig. 14. Fig. 13. Querschnitt durch den Kopffortsatz eines Säugers. Schema nach Rabl. (Theorie des Mesoderms. Morpholog. Jahrb. Bd. XV. Fig. 5. A. S. 173.) Fig. 14. Querschnitt durch die Primitivrinne eines Säugers. Schema nach Eabl. (Ebenda. Fig. 5. B.) Grunde genommen ziemlich einerlei, ob und in welcher Ausdehnung diese Schicht mit dem Boden des Entodermsäckchens in Zusammenhang steht. B,egelmässig tritt, wenn nicht sclion früher ein solcher Zusammenhang besteht, in späterer Zeit eine Verlnndung zwischen Paraderm und eigentlichem oder embryonalem Entoderm ein, so dass dann die Gastral- höhle und Dotterhöhle einen einheitlichen Hohlraum bilden. Diese Auf- fassung entspricht in allen wesentlichen Punkten den Erörterungen, die VAN Beneden an seine Beobachtungen über die Keimblätterbildung der Säugethiere geknüpft hat. Die Beziehungen des Mesoderms zum Urdarm würden an Querschnitten durch den Kopffortsatz (Textfig. 13) und die Primitivrinne (Textfig. 14) 102 Dr. med. Franz Keibel. sehr deutlich zum Ausdrucke kommen. Die beiden Figuren entsprechen in jeder Hinsicht den thatsächlichen Verhältnis sen^ abgesehen davon, dass im KoplTorlsatz ein spalti'örmiges Lumen, wie ein solches etwas später bei den Säugethieren als „Chordacanal" auftritt, dargestellt ist, und dass die Primitivriune tiefer gezeichnet ist, als sie in Wirklich- keit erscheint. Ferner besteht bei den Vögeln in den von mir untersuchten Sta- dien eine Verbindung des Kopffortsatzes mit dem Dotterblatt oder Pa- raderm, die sich wahrscheinlich bald nach dem Auftreten des Primitiv- streifens ausgebildet haben dürfte. Jedenfalls ist dieselbe, wie ich ge- zeigt habe, beim Beginn der Bildung des Kopffortsatzes schon vollzogen. Die dorsale Hälfte des Kopffortsatzes würde die eigentliche Chordaplatte vorstellen (ch)." Die Ausführungen Rabl's erscheinen so klar und einleuchtend, dass es schwer ist, ihnen zu widerstehen, und sie scheinen fast zwingend zu werden, wenn wir die Befunde mit ihnen vergleichen, welche die Unter- suchungen Will's, Wenckebach's und Mehnert's ergeben ; und so schliesseu sich denn auch Wenckebach, Will und Mehnert fast ein- schräukuugslos der Theorie van Beneden's und Rabl's an. Wir lesen bei Will : „Die Geckoentwicklung führt mithin zu ganz denselben allgemeinen Resultaten, in betreff der hier behandelten Fra- gen, zu denen jüngst van Beneden auf ganz anderem Wege, von der FledermausentwickluDg her gekommen ist." Ebenso steht Mehnert voll- kommen auf dem Boden der van Beneden — ^RABL'schen Theorie. Wir rufen uns ins Gedächtniss, dass Mehnert den Spalt zwischen der oberen und unteren Schicht des aus der Furchung hervorgegangenen zweischichtigen Keimes von Emys als Furchungsspalt bezeichnet und der Furchungshöhle homologisirt. Leider wählt Mehnert nicht den schönen von Rabl vorgeschlagenen Namen Dotterentoderm für das untere Keim- blatt, sondern nennt es Paraderm, was nur verwirren kann. Die Höhle unter dem Paraderm, der subgerminale Spalt, erscheint spät und ist nach Mehnert eine sekundäre Bildung. Der Urdarm von Emys wird durch Einstülpung vom oberen Keimblatt gebildet; von ihm entsteht der gesammte Darmeutoblast, die Chorda und der Mesoblast. Das Ver- schmelzen der Urdarmhöhle mit der subgerminalen Höhle ist eine secundäre, der Storno daeumbildimg bei Evertebraten vergleichbare Bildung. Entschieden eine Weiterbildung, die, wie ich glaube, auch den Keim zur richtigen Lösung schon voll in sich trägt, giebt die Darstellung von Wenckebach, die sich überhaupt durch Klarheit und Bestimmtheit aus- zeichnet. Wir lesen bei Wenckebach (133 S. 74): „Bei den primär holoblastischen Eiern des Amphioxus sind in dem Blastulastadium die zukünftigen Entodermzellen zwar dotterreicher und grösser als die übrigen Zellen, können aber durch die Einstülpung alle Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 103 noch bewältigt werden. In den sekundär lioloblastischen Eiern der Amphibien wird der Dotter zwar noch gefurcht, aber die dotterreichen Zellen sind in so grosser Menge vorhanden, dass nur ein kleiner Theil eingestülpt werden kann. Ein Theil des Eütoderms kommt schon durch die Furchung ins Innere der Keimblase zu liegen und wird später, wenn die Einstülpung auf der Grenze der grossen Dotterzellen aufgetreten ist, dem Einstülpungsentoderm zugetheilt. Bei den Reptilien hat die Dottermasse dermassen zugenommen, dass nur ein kleiner Theil des Dotters gefurcht wird, an eine Einstülpung von Dotterelementen aber nicht mehr gedacht werden kann. Die oberflächlich auftretende Ein- stülpung muss sich sekundär verbinden mit den Dotterzellen, welche nicht mehr wie im Amphibienei ein in der Keimblase sich befindender Zellklumpen sind, sondern durch die Flächenausdehnung des Blasto- derms in der Form einer unteren Zellschicht sich ausbilden. Meine (Wenckebach's) Meinung wird durch die schematischen Figuren A — D illustrirt ; nur C ist eine hypothetische Zwischenform. A, ß und D geben thatsächlich den Vorgang resp. bei Amphioxus, Amphibien und Lacerta wieder. Aus dieser Anschauung geht hervor, dass die primäre untere Schicht des zweiblättrigen Keimes der Reptilien (und der Säugethiere) den Dotterzellen des Amphibieneies gleich zu setzen sei. Die Dotterhöhle unter dem Blastoderm ist, wie dies von van Beneden und Keibel^) für möglich erachtet wurde, ein intercellulärer Raum, mit den Räumen zwischen den Dotterzellen des Amphibieneies vergleichbar. Die Zellen der primären unteren Schicht sind mit den Zellen des eingestülpten Ur- darms durchaus gleichwerthig, nur sind die ersteren auf cenogenetischem Wege in die Lage einer unteren Keimschicht gekommen, indem durch die Einstülpung des primären oberen Keimblattes die palingenetische Entodermbildung durch Gastrulation sich erhalten hat. Es liegt also auch nichts Wunderbares oder Widersinniges mehr darin, dass beide Entodermabtheiluugen gesondert auftreten, aber bald innig mit einander verwachsen. Weiter ist es durchaus verständlich, dass das cenogenetische Entoderm Theil nimmt an der Bildung des Embryo, namentlich an dem cranialen Wachsthum von Chorda und gastralem Mesoderm. Auch bei den Amphibien findet mau, dass die von vornherein in der Keimblase vorhandenen dotterreichen Entodermzellen sich vorne an die Chordaanlage anreihen. Man achte z. B. auf die Fig. 2—8 Taf. II aus Hehtwig's Entwicklung des mittleren Keimblattes der Wirbelthiere. Ebenso wie sich dabei die Gastrulahöhle mit den so zu sagen frei kommenden (frei werdenden) Räumen zwischen den Dotterzellen vergrössert, vergrössert sich die IJrdarmhöhle des Reptilieneies mit der subblastodermalen Höhle, um diesen Raum für die spätere Darmhöhle zu benutzen. Es ist übri- ^) Vergl. meine Chordaarbeit S. 33 — 35. 104 Dr- med. Franz Keibel. gens nicht der Raum, sondern die Wand, die eine Höhle charakteri- sirt." Ich sehe den Fortschritt in der Darstellung Wenckebach's darin, dass er betont, dass ein Theil des Entoderms schon bei der Furchung in das Innere der Keimblase zu liegen kommt; so würde sich ergeben, dass "Wenckebach, wie ich das in meiner Chordaarbeit für Säuger vor- schlug, auch für Reptilien eine Gastrulation in 2 Phasen annimmt ; doch spricht er diesen Gedanken freilich nicht deuthch aus. Uebrigens ist der gleiche Gedanke auch schon bei Rabl in dem citirten Satz über die Säugergastrulation angeklungen. Bei van Beneden und Mehneet vermisse ich ihn ganz, und es ist mein Hauptvorwurf gegen die von diesen Autoren vertretene Auffassung der Gastrulation, dass sie die Bildung des Kopffortsatzes bei Säugern und Vögeln und die entsiorechenden Vor- gänge bei Reptilien als homolog der gesammten Gastrulation auffassen. Das kann man allenfalls, wenn man wie Mehneet findet, dass das ge- sammte Darmentoderm, der gesammte Mesoblast und die gesammte Chorda durch den beobachteten Einstülpungsvorgang gebildet wird, aber nicht, wenn bei anderen Reptilien nur ein Theil (Wenckebach, Steahl) dieser Zellkomplexe aus den Wänden des Eiustülpungssackes hervorgehen. Eine Ausdehnung dieses Gastrulationsschemas auf die Säuger gar erscheint ganz ausgeschlossen, weil bei diesen, wie ja genügend hervorgehoben wurde, der bei weitem grösste Theil des Darmepithels und vielleicht ein ganz geringer Theil des vorderen Chordaendes (Bonnet) aus der unteren Keimschicht hervorgeht. Diese Verhältnisse scheinen mir denn doch noch schwere Bedenken gegen die van BENEDEN-RABL'sche Gastrulations- theorie zu bedingen. Dass ich die gleichen Bedenken gegen die RABL'sche Erklärung für die Verlegung des Blastoporus in das Innere des Keimes habe, sprach ich schon aus. Auch scheint mir ein Vergleich des Cau- dalendes der Selachier und Amuioten noch weitere Bedenken zu ergeben. Die Verhältnisse am Schwanz und vor Allem der Canalis neurentericus und sein Verhältniss zum After entspricht bei Selachiern so vollkommen dem Verhalten bei Amuioten, dass schwer eine Homologie von der Hand zu weisen ist; bei Selachiern aber giebt es unzweifelhaft einen Um- wachsungsblastoporus, der in späteren Stadien durch eine Naht mit dem Embryonalblastoporus zusammenhängt und durch die Afteranlage von ihm abgegrenzt wird. Bestärkt werden meine Bedenken dadurch, dass sich bei Säugern auch noch hinter der Aftermembran Primitivstreifen- bildung nachweisen Hess, wie ich das ja in dem beschreibenden Theil der Arbeit betont habe. Sind dies die Bedenken gegen die Grundzüge der vorgetragenen Theorien, so habe ich auch noch Einiges gegen be- sondere Homologien, Avelche die Vertreter dieser Theorien gezogen haben, einzuwenden. So lässt sich VAN Beneden, wenn er den unregelmässigen Zellpfropf, welcher im Grunde der Primitivrinne steckt, als Dotterpfropf auffasst Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 105 und dem Dotterpfropf der Amphibien homologisirt, meiner Meinung nach, nur von einer äusserlichen Aehulichkeit leiten, die sich, wenn man den Dingen näher nachforscht, als trügerisch erweist. Zunächst muss es auffallen, wie bei Eiern von so extremer Dotterarmuth, wie es die Säuge- thiereier sind, ein Dotterpfropf sich bilden und denBlastoporus auseinander- drängen kann oder, besser gesagt, am Verschlusse hindern soll. Er ist ein Erbtheil von den Amphibien, könnte man antworten. Wie will man sich das aber vorstellen ? Der Dotterpfropf hat bei den Amphibien keine grosse morphologische Bedeutung, er ist ein Entwicklungs h i n d e r n i s s , er hat keine Funktion. Warum sollte gerade diese Bildung so zäh fest- gehalten werden, während doch so vieles Andere, das von ungleich grösserer Bedeutung ist, undeutlich wird und verschwindet. Bei den Sauropsiden aber hat sich der Theil des Urmundes, der dem Primitiv- streifen der Säuger entspricht, auch schon in eine Primitivstreifenbildung umgewandelt. — Doch nicht nur durch phylogenetische Spekulationen, sondern directer noch lässt sich van Benedeis's Auffassung widerlegen. Der Dotterpfropf der Amphibien ist Darmentoderm, das, wenn es erhalten bleibt , zum Darmentoderm sich umwandelt und sogar zum Entoderm der ventralen Darmwand. Der Zellkomplex, den VAN Beneden als Dotterpfi-opf bei Säugern auffasst, jene Zellmasse, welche sich bei verschiedenen Säugern im Grunde der Primitivrinne nachweisen lässt, wird aber bei Säugern Mesoderm und liefert auf keinen Fall Material für die ventrale Darmwand. Das Homologon des Dotter- pfropfes hätte VAN Beneden im Bereiche der unteren Keimschicht, im Be- reiche seines Lecitophors, suchen müssen. Ganz räthselhaft erscheinen mir ferner die Beziehungen, die Mehneet zwischen seinem Caudalknoten und dem Dotterpfropf und zwischen dem Primitivknoten und dem unteren von Dotterzellen gebildeten Eipol der Urodelen findet. Auch hier müsste der Dotterpfropf in der unteren Keimschicht, in Mehneet's Paraderm, gesucht werden. Ganz unklar ist es auch, wie der Dotterpfropf mit dem hinteren Theil des Primitiv- streifens der Säuger und deren Schwanzknopf resp. Schwanzfaden Be- ziehungen haben soll. Ein Verständniss für die vergleichend anatomischen Gesichtspunkte, welche Mehneet hier geleitet haben, geht mir voll- kommen ab. Einen von den bis dahin berücksichtigten Autoren recht ab- weichenden Standpunkt nimmt Huerecht ein, mit dem ich lebhaft darin übereinstimme, dass er die Gastrulation der Säuger und Anmioten in 2 Phasen zerlegt. Im Uebrigen aber ist es mir unmöglich, seinen An- schauungen zu folgen, — beruhen sie doch auf einer Auffassung der thatsächlichen Verhältnisse, mit der ich, wie des weiteren auseinander- gesetzt wurde, nicht übereinstimmen kann. Mit Recht nimmt übrigens HuBEECHT die Priorität für den Gedanken in Anspruch, dass die Gastru- lation bei Säugern und Amnioten in 2 Phasen verlaufe. 106 Dl'- nied. Franz Keibel. (The developmeut of germmal layers of Sorex vulgaris 1. c. S. 520 Anm. c. 552.) Er beruft sich auf eine Stelle seines Aufsatzes „Die erste Anlage des Hypoblastes bei den Säugethieren" (61). Wir lesen dort (S. 911): „Ist es eben nicht wahrscheinlicher, dass in der That die Chordahöhle nicht, wie es van Beneden will, dem Archenteron, sondern nur einem Theil desselben entspräche, und dass der andere Theil vom primitiven Hypoblast umschlossen ist? Es kann ja doch eine getrennte Entwicklung der dorsalen Wand des Archenteron (Chorda- entoblast) und der seitlichen und ventralen Wandabschnitte (Darmento- blast) aufgetreten sein, welche Trennung um so leichter verständlich ist, wenn wir bedenken, dass bei der mehrmaligen phylogenetischen Dotterzu- und Dotterabnahme eben der dorsomediane Abschnitt des Hypoblasts in diesem continuirlichen Wechsel nie mit einbezogen zu werden brauchte. Und dass dieser dorsomediane Theil dann auch in seiner Entwicklung, als vorwärts gerichtete Ausstülpung von der dorsalen Blastoporuslippe aus, die primitiven Charaktere der Amphioxusgastrulation beibehielt, kann Niemand auffallend erscheinen." Mir war diese Stelle entgangen ; ich bin seiner Zeit ganz selbstständig auf die damals und noch jetzt von mir vertretene Auffassung gekommen und konnte in der Correctur meiner Chordaarbeit Hubeecht's Aufsatz nur noch als Anmerkung citiren. Wäre es anders gcAvesen, so hätte ich natürlich schon damals Hubrecht's Ausführungen eingehender berücksichtigt. Jetzt suche ich so das Versäumte nachzuholen und brauche kaum zu betonen, dass wie ich unabhängig von Hfbrecht zu meiner Auffassung der Säugethier- gastrulation gekommen bin, so sich meine Gedanken auch — und zwar vom ersten Augenblick an — nach ganz anderer Richtung hin bewegten, als die HuBRECHT'schen. Das Thatsachenmaterial, das mir vorlag, war ein anderes und auch die Begründung des Satzes: „Es kann ja doch eine getrennte Entwicklung der dorsalen Wand des Archeuteron (Chorda- entoblast) und der seitlichen und ventralen Wandabschnitte (Darmento- blast) aufgetreten sein, welche Trennung um so leichter verständlich ist, wenn wir bedenken, dass bei der mehrmahgen phylogenetischen Dotterzu- und Dotterabnahme eben der dorsomediane Abschnitt des Hypoblasts in diesem continuirlichen Wechsel nie mit einbezogen zu werden brauchte", widerspricht ganz meiner theoretischen Auffassung. Hubrecht bewegt sich hier auf E,ABL'schen AVegen, während ich ja ausdrücklich betone, dass, da die Dotterzunahme im Stadium der Eizelle stattgehabt hat, es schwer ist, einen solchen auf besondere Zellkomplexe isolirten Einfluss des Dotters vorzustellen oder ihn gar zu beweisen. Es verdient übrigens an dieser Stelle hervorgehoben zu werden, dass auch ein anderer Autor, W. Ruux (106), bereits 1888, also sicher auch unabhängig von Hubrecht, einen ganz entsprechenden Gedanken — freilich in anderem Zusammenhange — ausgesprochen hat. Wir finden denselben in einer Anmerkung zu seinen „Y Beiträgen zur Entwicklungs- Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 107 meclianik des Embryo" (Vircli. Arcli. Bd. 114 Jg. 1888, Auui. z. S. 143). Mir war diese Amnerkimg bei dem ersten Lesen des Aufsatzes ent- gangen und so erhielt icli auch von ilir erst Kenntniss, als ich nach Vollendung der vorliegenden Arbeit noch einmal die Literatur durchsah. Roux sagt: „Zugleich wirft diese Bildung der Semichorda auch ein Licht auf die grossen Yerscliiedenheiten der Abstammung der Chorda- zellen vom Ekto-, Ento- oder Mesoblast bei nahestehenden Klassen, ja sogar Ordnungen und FamilieUj wie sie wohl aus der Verschiedenheit der Angaben zahlreicher gewissenhafter Forscher als thatsächlich be- stehend gefolgert werden muss. Da die Chorda dorsalis aus dem Epithel des seitlichen freien Bandes der seitlichen Urmundslippen gebildet wird und sich diese Lippen normaler Weise schon während der Gastrulation mit einander vereinigen derart, dass gewöhnlich zuerst das Ektoblast ^) mit dem Ektoblast der anderen Hälfte verschmilzt und sich dabei meist zugleich vollkommen von dem Chordaei^ithel sondert, so erscheint dann die Chorda mit dem Eutoblast im Zusammenhang und formirt eine Binne, welche sich in die Urdarmhöhle öffnet. Da das Mittelblatt in dieser selben Uebergangsgegend der Blätter angelegt wird, so steht es anfangs mit dem Chordaepithel in Zusammenhang, welches sich alsdann, wie ich oben mittheilte, in raetamerer Weise löst. Erst wenn dies geschehen ist, sondert sich das Chordaepithel vom Entoblast durch Umordnung seiner Zellen und letzteres vereinigt sich von beiden Seiten her in der oben beschriebenen Weise. Nun kommen aber kleine Anachronismen in diesen dreierlei Trennungen beim Frosche vor, und dann „stammt", nach der Auffassung der blos beschreibenden Embryologie, welche das Wesen der Vorgänge unberücksichtigt lässt, die Chorda bald vom Entoblast, bald vom Ektoblast, bald vom Mesoblast ab. Und auch bei Thierklassen, wo der Mechanismus der Gastrulation nicht mehr ein der- artiger ist, sondern wo, wie ich gesagt habe, schon während der Furch ung ein Theil der Arbeit der Gastrulation in der Material- lagerung geleistet wird, werden in Folge dieser ursprünglich so geringen Unterschiede auch schon relativ geringe, später typisch gewordene Variationen in der Sonderung genügen, um das Material der Chorda ganz oder theils zum Ekto-, Ento- oder Mesoblast zu schlagen. Ich bin mir wohl bewusst, mit diesen entwicklungsmechanischen Gedanken in hohem Maasse von der Auffassung der beschreibenden Entwicklungs- geschichte, insbesondere von dem in ihr herrschenden Dogma der voll- kommenen entwicklungsgeschichtlichen Homologie der Keimblätter der Wirbelthiere abzuweichen. Ich denke jedoch, dass meine Auffassung allmählich Anklang finden wird," Bevor ich jetzt zu meiner eigenen Auffassung der Gastrulation bei ') Roux sagt: das Ekto-, Ento-, Mesoblast, ich gebrauche diese Woi-te, in- dem ich sie von o plaaröi ableite, als Masculina. 108 ßr. med. Franz Keibel. den Säugern übergehe, noch einige Worte über die Auffassung, welche Robinson (104) über das Säugethierei äussert. Von seinen schon ge- schilderten und kritisirten Befunden ausgehend, sagt er: „The ova of mammals do not differ essentially from the ova of other vertebrates. They do not consist in the early stages of an epiblastic vesicle containing an inner mass of epiblast and hypoblast, but of a large hypoblastic mass which Supports a small epiblastic disc. The ova of mammals present all the characteristic features of comparatively large-yolked ova." Ich theile diese Auffassung des Säugethiereies mit, muss aber be- merken, dass ich sie für völlig verfehlt halte ; sie ist auf durchaus unge- nügende Beobachtungeu gestützt, und diese Beobachtungen widersprechen dazu den Angaben von Kupffer, Selenka und Biehringee, welche mir in den Hauptpunkten als durchaus einwandsfrei erscheinen, und denen wir es verdanken, dass die so lange Zeit dunkle Umkehr der Keim- blätter bei manchen Nagern endlich ihre befriedigende Erklärung fand. Vereinzelte Serien, welche mir von der frühen Entwicklung von Ratte und Arvicola zu Gebote stehen, sprechen auch durchaus für die Angaben von KuPEFER und von Selenka. Fragt man nun, wie ich mir die Gastrulation der Säuger vorstelle, so habe ich auf dem Grunde weiter gebaut, den ich schon in meiner Arbeit über die Chordaentwicklung gewonnen hatte, auf der Erkennt- niss, dass die Gastrulation der Säuger in zwei Phasen verläuft, und diese Zustände linde ich auch schon bei Reptilien und Vögeln vorge- bildet, ja sogar bei Amphibien zum Theil augebahnt. Wenn möglich bringe ich die Belege dafür in einer anderen Arbeit. Hier nur soviel, dass sich so die Beobachtungen von Schultze (113) „über die Bildung des Mesoderms und der Chorda bei Rana fusca", welche ich in vielen Punkten bestätigen kann, erklären dürften. In der ersten dieser Gastru- lationsphasen wird bei den Säugern das Entoderm des Darmes und des Dottersacks gebildet, in der zweiten Mesoderm und Chorda. Um bei der weiteren Diskussion mit Anschauungen rechnen zu können, will ich meine Theorie zunächst durch einige Schemata erläutern. Auf dem ersten Schema (Fig. 42) stellt sich uns das Säugethierei kurz nach dem Auftreten der Furchungshöhle dar. Das künftige Darm- und Dotterentoderm soll schon hier durch einen besonderen grünen Farbenton gekennzeichnet sein. Ich erinnere bei diesem Schema an die Beobach- tungen von VAN Beneuen (7) bei Kaninchen und von van Beneden und JuLiN (10) an der Fledermaus, die auch von Heape (42) für den Maul- wurf und von mir (68) für das Kaninchen bestätigt wurden. Auch die Fig. 8, 10, 11 in Selenka's (117, Hft. 4) Werk über das Opossum möge man vergleichen. Die erste Phase der Gastrulation hat in diesem Stadium schon begonnen. Sie wird bei mit einer RAUBEE'schen Deck- schicht ausgerüsteten Säugern und bei den Nagern mit Umkehr der Keimblätter durch andere Vorgänge complicirt, die ich aber hier nicht Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 100 weiter berücksichtige. Das Schema 2 (Fig. 43) zeigt nun das Auftreten einer Gastrulahöhle und eines Urmundes. Ich habe eine grosse Fur- chungshöhle und eine kleine Gastrulahöhle in das Schema eingezeichnet ; beide sind durch einige Entodermzellen getrennt. In Schema 3 (Fig. 44) sehen wir den Blastoporus geschlossen; Furchungs- und Gastrulahöhle sind zusammengeflossen. Wir denken uns diesen Vorgang dadurch ein- getreten, dass die dünne Scheidewand zwischen beiden Höhlen einriss. Diesem Stadium entspricht die Fig. 11 Taf. 17. Fig. 2, 3, 4 und 9 auf Taf. 18 bei Selenka (117 Hft. 4), welche Entwickkmgsstadien beim Opossum darstellen, die Fig. 31 auf Taf. 30 von Heape (41), die den Maulwurf betrifft und meine Fig. 46 a und 46 b, in der Arbeit über die Chorda, welche nach Präparaten vom Kaninchen gezeichnet sind. Das Stadium 4 (Fig. 45) entwickelt sich aus dem Stadium 3 da- durch, dass der Zusammenhang zwischen oberer und unterer Keimschicht, welcher schon im Stadium 3 allein die Stelle des Blastoporus anzeigte, verschwindet. Die Wand des Eies besteht jetzt am embryonalen Pol aus einer doppelten Schicht, da das Entoderm noch nicht das ganze Lumen der Keimblase umwachsen hat. Das Stadium 5 (Fig. 46) soll uns dann zeigen, wie von einer Stelle des Entoderm, nehmen wir an, dass dieselbe etwa der Stelle der ersten Einstülpung entsprach, eine zweite Gastrulation, ein zweiter Einstülpungs- process eintritt. Die Zellen, welche jetzt eingestülpt werden, sind in einem roten Ton gehalten, und ich habe deswegen die entsprechenden Zellcomplexe auch schon in den vorhergehenden Stadien mit dem gleichen Ton bezeichnet. Im folgenden Stadium, welches Schema 6 (Fig. 47) aufweist, ist das Lumen der zweiten Einstülpung, der zweite Theil der Gastrulahöhle, durch Aneinanderlagenmg der Wände des Hohlraums bis auf Andeu- tungen verschwunden. Im Stadium 7 (Fig. 48) differenzirt sich Chorda und Rumpfmesoderm. Der Blastoporus, der sich schon im vorigen Stadium geschlossen hatte, ist ver- schwunden, der Zusammenhang zwischen Ektoderm und Mesoderm gelöst. Das nächste Stadium, Schema 8 (Fig. 49), lässt.uns in der Chorda- anlage ein neues Lumen erkennen, das wir als einen wieder auflebenden Theil der Höhle der zweiten Gastrulationsphase auffassen; es ist der Chordacanal. Zugleich sind im Mesoderm periphere Spalten aufgetreten, das Coelom. Auch diese Spalträume des Coeloms würden wir als einen Theil der zur zweiten Gastrulationsphase gehörenden Gastrulahöhle auf- zufassen haben, doch sei hierzu bemerkt, dass ich durchaus nicht darauf bestehe, dass die erste Anlage des Coeloms durch eingestülpte Blindsäcke zu Stande kommen muss; ich halte es sogar für wahrscheinlicher, dass diese Art der Coelombildung bei Amnioteu in der Regel nicht mehr vorkommt, und dass das Coelom durch solide Zellwucherungen gebildet wird. Das kommt aber im Grunde auf dasselbe hinaus, und ich wähle hier eine übersichtliche, schematische Darstellung. 110 ßr. med. Franz Keibel. Das Schema 9 (Fig. 50) zeigt den gegen das Eütoderm eröiTneten Chordacanal. Im Ektoderm ist die Medullarrinne aufgetreten. Ist nun, wie das — vielleicht zum Ueberfluss — das Schema 10 (Fig. 51) zeigt, die Ausschaltung der definitiven Chorda aus dem Entoderm erfolgt, so haben wir die gewohnten und altbekannten Verhältnisse vor uns. Von den hier aufgestellten Stadien — und das darf ich wohl für meine Theorie anführen — ist nur das Stadium 2 und 5 (Fig. 43 und Fig. 46) hypothetisch, alle übrigen sind nicht nur durch meine eigenen Beobachtungen , sondern sämmtlich auch durch andere Beobachter ver- bürgt. Prüfen wir jetzt die Stadien 2 und 5, die beiden schwachen Punkte der Beihe. Das Stadium 2 (Fig. 43) zeigt einen offenen Blasto- porus und eine Gastrulahöhle. Weder die eine noch die andere Bildung ist beim Säugethier beobachtet worden. Was den oÖenen Blastoporus betrifft, so wird man ihn nicht als Widerlegung gegen die Möglichkeit dieses Stadiums ins Feld führen können. Ich habe ihn nur der schema- tischen Uebersichtlichkeit wegen in das Schema aufgenommen ; theore- tisch spricht er ebenso laut mit geschlossenen Lippen, wie ihn das Schema 3 (Fig. 44) aufweist, für das die schon citirten Beobachtungen vorliegen. Schwieriger ist die Gastrulahöhle zu rechtfertigen. Directe Beobachtungen liegen für ihr Auftreten nicht vor. Aber es würde wohl möglich sein, dass sie in diesem Stadium der Säuger gar nicht in Er- scheinung tritt; sie hätte im Laufe der Phylogenie zunächst zu einem lumenlosen Spalt zusammen schrumpfen und dann ganz unkenntlich werden können. Beispiele für derartige Entwicklungsvorgänge giebt es ja genug ; ich erinnere nur an die solide Anlage des Gehirns und Bückenmarks bei Knochenfischen. So dürfte denn das Vorhandensein oder das Fehlen einer deutlichen Gastrulahöhle in diesem Eutwicklungs- stadium als principiell belanglos keine weitere Discussion erfordern. Aber auch ausserdem bleibt noch ein weiterer Punkt zu erörtern. Das Schwierigste und das wesentlich Neue in meiner Auffas- sung ist, dass ich annehme, die Höhle der ersten Gastrula- tionsphase fliesse mit der Für chungshöhle zusammen. Versuche ich diese Annahme zu rechtfertigen. Thatsächlich haben — um das zunächst zu betonen — die Resultate dieser Annahme statt. Die als Ergebniss der Furchung auftretende Höhle des Säugethiereies geht ohne w^eiteres in eine Höhle über , von der auch die zukünftige Darmhöhle abgeleitet werden muss; denn dass in der Chordahöhle der Säuger nicht, wie van Beneden und neuerdings Mehneet behaupten, die ganze Gastrulahöhle, also auch die ganze Darmhöhle enthalten ist, geht schon aus meiner Arbeit über die Chordaentwicklung hervor. Doch komme ich darauf später noch zurück. Wie kann aber das Ausfallen der ersten Gastrulahöhle erklärt w^erden ? Wäre es erlaubt für die Ent- wicklung bei Säugern die Beobachtung bei Wirbellosen als bindende Beweise herbeizubringen, so wären wir sofort aus der Verlegenheit. Wir Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 111 finden im Reiche der Wirbellosen nicht nur die Invaginationsgastrulaj sondern auch die Immigrationsgastrula, und zwar bei nah verwandten Thieren bald die eine, bald die andere Form der Gastrulation. Bei der Gastrulation durch Einwanderung von Zellen geht aber die Furchungs- höhle ohne weiteres in die Gastrulationshöhle über. Doch ich selbst gebe die Vergleiche zwischen Wirbelthieren und Wirbellosen nur ungern zu, es sei denn, dass man sie nur zu erklärenden Analogien verwerthen will. Versuchen wir, unsere Annahme des Zusammenflusses der Gastrulahöhle der 1. Phase mit der Furchungshöhle auf eine andere Weise zu rechtfer- tigen. Da scheint es mir nun 2 Wege zu geben. Zunächst ist hervor- zuheben, dass ein Zusammenfliessen der Gastrulahöhle und der Furchungs- höhle auch bei Wirbelthieren vorkommt, und zwar bei den höchsten Wirbel- thieren, denen eine deutlich ausgebildete Gastrula zukommt, bei den Amphi- bien. Hier wird die Scheidewand zwischen der Gastrulahöhle und der Furchungshöhle ausserordentlich dünn, und wie mirBeobachtungen beiRana temporaria und einer Krötenart (Bufo vulgaris) gezeigt haben, kann es wohl auch zum Zusammenfluss beider Höhlen kommen ; wenigstens finde ich in meinen Serien Bilder , die kaum anders zu deuten sind. Andere Au- toren berichten übrigens auch darüber, so beobachtete O. Schultze (113) dasselbe Verhalten bei Rana temporaria. Wir lesen bei ihm über die Umbildungen der Furchungshöhle (S. 2): „Bei diesem Vorgange können, wie ich auf Grund neuerer Prüfung wieder hervorheben will, zweierlei Typen beobachtet werden. In dem einen Falle erfolgt die Verschiebung der Dotterzellen langsam im Vergleich mit der Ausbil- dung des Urdarmes, so dass am Ende des Gastrulations Stadiums ein Theil der Furchungshöhle noch ausschliesslich vom Ektoblast begrenzt ist, in dem zweiten Falle verläuft die Verschiebung rapider, und haben die Dotterzellen schon zur Zeit des noch hufeisenförmigen Blastoporus und spalttörmigen Urdarmes die Höhle der ßlastula umwachsen, so dass die Furchungshöhle nunmehr ganz von Dotterzellen umgeben ist. Letzterer Typus ist bezeichnend für besonders grosse Eier; bei Pelo- bates ist derselbe nach van Bambeke konstantes Vorkommniss. Es kann bei diesen grossen Eiern eine weite Commu- n i c a t i 0 n des Urdarmes mit dem Hohlraum der B 1 a s t u 1 a eintreten dadurch, dass die zarte Scheidewand zwi- schen Urdarm und Für chungshöhle bei der zunehmenden Erweiterung des ersteren einreisst. Furchungshöhle und Urdarm sind dann zu einem Räume geworden.*)" Uebrigens sei an dieser Stelle gleich ein zweiter, für uns wesent- licher Vorgang aus der Amphibienentwicklung erwähnt, die Theilung der Furchungshöhle in zwei Höhlen. Diese Theilung kommt dadurch zu Stande, dass ein Theil der Furchungshöhle von Dotterzellen um- *) Im Originale nicht gesperrt gedruckt. IIa Dr. med. Franz Keibel. wachsen wird. Auch bei dieser Beobachtung befinde ich mich voll- kommen mit 0. ScHULTZE in üebereinstimmung. 3 Schemata (Fig. 15, 16 und 17) mögen den Vorgang erläutern. Fig. 15. Fig. 16. Fig. 17. Fig. 15, 16, 17. 3 aufeinander folgende Stadien der Gastrulation von Rana fusca. h dorsale, a ventrale Blastoporuslippe. D Dotterpfropf. G. H. Gastrulahöhle. F. H, Furchungshöhle. In Fig. 15 beginnt der Dotter einen Theil der Furchungshöhle F. H* zu umwachsen, in Fig. 16 ist die Umwachsung vollendet. F. E* bildet eine rings vom Dotter umschlossene Höhle, die von dem spaltförmig gewordenen Eest der Furchungshöhle völlig ge- trennt ist. In Fig. 17 ist das Divertikel F. H* der Furchungshöhle, dessen Entstehung Fig. 16 und 17 verdeutlichen mit der Gastrulahöhle ((?. H.) verschmolzen. Der Blastoporus führt also jetzt in eine Höhle, welche durch die Verschmelzung der Gastrulahöhle [G. H.) mit einem Theil der Furchungshöhle {F. H*.) entstanden ist. Das Schema Textfig. 15 zeigt, wie die Dotterzellen eine Niesche der Furchungshöhle umgreifen. Im Schema 2 (Textfig. 16) ist die Abschnürung des betreffenden Theiles der Furchungshöhle vollzogeu und zugleich die Scheidewand dieses Theiles der Furchungshöhle gegen die Gastrulahöhle Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 115 sehr dünn geworden. Im Schema 3 (Textfig. 17) ist der abgeschnürte Theil der Furchungshöhle mit der Gastnilahöhle verschmolzen. Eine zweite Rechtfertigung für unsere Annahme würde ich darin sehen, wenn sich durch Erwägung der Verhältnisse des Säugethiereies mit Wahrscheinlichkeit eine derartige Abänderung der Entwicklung, wie das Zusammenfliessen von Furchungs- und Gastrulahöhle ergeben würde. Ich glaube auch auf diesem Wege kommen wir weiter. Die erste Gastrulation der Säuger findet frühzeitig statt, nur we- nige Zellen werden eingestülpt. Der Umstand, dass nur so wenig Zellen eingestülpt werden, hat seinen doppelten Grund. Ein Grund liegt in der Frühzeitigkeit des Auftretens der Gastrulation, ein zweiter darin, dass ja die Gastrulation der Säuger in 2 Phasen zerlegt wird — und bei der ersten Phase nur ein verhältnissmässig kleiner Theil des Gesaramtentoderms — das Säugethierei hat keinen Dotter — eingestülpt Avird. Soll ein Hohlraum, eine richtige Gastrulahöhle, zu Staude kommen, so ist immer eine gewisse Anzahl von Zellen von Nöthen ; 2 ja selbst 4 und unter den besonderen Verhältnissen des Säugethiereies eine noch grössere Anzahl Zellen können keinen Hohlraum, keine Gastrulahöhle begrenzen, und so muss denn nothwendig die Gastrulahöhle mit der Furchungshöhle zusammenfliessen. Begünstigt würde dieser Vorgang, wenn wir annehmen, dass er zuerst beim Säugethier eintrat, noch durch Folgendes werden. Das Ei des Säugers ist, wie das aus der ganzen Entwicklungsweise und neuerdings aus den Beobachtungen von Haacke und Caldwell über die Eier der Monotremen folgt, — darin stimme ich mit Rabl vollkommen überein, — secundär dotterarm ; es ist darauf angewiesen, schon in einer sehr frühen Entwicklungsperiode seine Nahrung von aussen zu nehmen. Da muss es alsbald seine Oberfläche vergrössern, stark wachsen. Gerade das Schweineei zeigt ein solches, jedenfalls durch die Ernährungsverhält- nisse bedingtes Wachsthum auf seinem Höhepunkt. — Aus diesen Gründen verdient es gleich an dieser Stelle in Erwägung gezogen zu werden, ob man Grund hat anzunehmen, dass die Verschmel- zung der Gastrulahöhle mit der Furchungshöhle erst im Stamme der Säuger erworben ist. Mir scheint es nun, dass diese Verschmelzung der Gastrulahöhle mit der Furchungshöhle, wie ich sie für Säuger annehme, keine Neuerwerbung des Säugethierstammes ist, sondern dass wir auch schon bei Vögeln und Reptilien damit zu rechnen haben oder doch damit rechnen können. Ich möchte hier nicht nur den Spalt zwischen der oberen und unteren Keim- schicht, sondern auch die Keimhöhle, die Subgerminalhöhle als einen Theil der Furchungshöhle auffassen. Das späte Auftreten dieser Höhle spricht nicht dagegen. Solch zeitliche Verschiebungen kommen vor. Auch ist es ja, wie Wenckebach (133, S. 76) mit vollem Recht hervorhebt, „nicht der Raum, sondern die Wand, welche eine Höhle charakterisirt". Wenn man sich scheut das ohne weiteres anzu- Morpholog. Arbeiten hrsg. v. G. Schwalbe III. ö 114 Dr. med. Franz Keibel. erkennen, so kann man noch eine Ueberlegung anstellen, wie ich eine ähn- liche, um einen analogen Vorgang klar zu stellen , in meiner Arbeit : ,,Zur Entwicklungsgeschichte der Chorda'' (S. 34, 35 Fig. 60, 61, 62) vorschlug. Die Furchungshöhle des Amphioxus wird von allen Zellen der Blastula begrenzt. Nehmen wir an, erst in diesem Stadium trete eine Dotterver- mehrung ein, die bei Raumbeschränkung nach aussen einzelne Zellen nach innen drängte, so würde das Lumen der Furchungshöhle beschränkt werden, zunächst aber würden wohl noch Spalten zwischen den Zellen darauf hin- Fig. 18. Fis. 19. Fig. 20. Fi?. 21. weisen, dass das Gebiet der Furchungshöhle sich früher weiter ausge- dehnt hat; auch diese »Spalten könnten schwinden, mehr und mehr Zellen nach innen rücken, und von den Zellen, deren jede früher an der Begrenzung der Blastulahöhlen theilnahm , werden jetzt nur noch we- nige die Furchungshöhle erreichen. Wenn man aber so will, könnte man die feinen Spalten zwischen den Zellen als erloschene Theile der Furchungshöhle auffassen, die jederzeit wieder aufleben könnten, wenn der Dotter in dem ganzen Zellcomplex oder partiell zu schwenden be- ginnt. Im letzteren Falle würde man isolirte Holilräume zwischen den Zellen erhalten, die man trotzdem mit einem gewissen Recht auf die Furchungshöhle zurückführen könnte. Eine Vorstellung davon, wie ich mir die Sache denke , mögen die 4 Schemata Textfig. 18—21 geben. Textfig. 18 versinnbildlicht uns die Verhältnisse der Amphioxusblastula. Alle Zellen der Keimblase begrenzen Studien zur Entwicklungsgescliichte des Schweines. 115 die'Furchungshöhle. In Textfig. 19 sehen wir in Folge von Dotterzu- nahme, bei gleichzeitiger Beschränkung der Ausdehnungsmöglichkeit nach aussen, einzelne Zellen in das Innere der Furclumgshöhle treten. Von der Furchungshöhle dringen Spalten zwischen diese Zellen ein. Im Schema 3 Textfig. 20 ist nahezu die Hälfte der Furchungshöhle von Zellen erfüllt, von der Furchungshöhle dringen nur noch vereinzelte Spalten tiefer in den Zellcomplex ein, welcher an die Stelle des ven- tralen Theiles der Furchungshöhle getreten ist. Das 4. Schema Textfig. 21 zeigt uns, wie bei partiellem Dotterschwund ein Hohlraum in diesem Zellcomplex auftritt, der nach den vorstehenden Ausführungen genetisch auf die Furchungshöhle zurückgeführt werden könnte. Doch kehren wir nach dieser Abschweifung zu der Besprechung der Schemata ziuück, welche ich für die Gastrulation der Säuger ge- geben habe. Die Schemata 3 und 4 Fig. 44 und 45 sind gut be- glaubigt. Für mein Schema 3 konnte ich die Beobachtungen von Selenka, Heape und mir für Opossum, Maulwurf und Kaninchen anführen. Ueber das Stadium 4 stimmen alle Beobachter überein. Das Schema 5 Fig. 46, das allenfalls noch Anstoss erregen könnte, ist, wie ich schon hervorgehoben habe, nicht von allzugrosser Bedeutung, da es, wie schon ausgeführt, im Grunde auf das Gleiche hinaus kommt, ob das Mesoderm solide angelegt wird oder sich Cölomsäcke bilden. Für das Stadium 6 Fig. 47 citire ich van Beneden, Caeius, Hubreoht und mich. Die späteren Stadien sind allgemein beglaubigt. Lässt sich nun meine Auffassung der Gastrulation auch mit den Verhältnissen bei Vögeln und Reptilien vereinigen oder gar auf sie zurückführen? Ich glaube j a und muss diese Zurückführung in der That als eine Probe auf das Exempel betrachten, da die Säuger ja wahrscheinlich von Reptilien ähnlichen Vorfahren abstammen. Den Schlüssel finde ich in Wenckebach's Angaben. Auch bei Lacerta kommt nämlich, wenn man der Sache auf den Grund geht, eine in 2 Phasen verlaufende Gastrulation vor, denn ein Theil desEntoderms kommt, nach Wenckebach's Angabe, schon durch die Fur- chung in das Innere der Keimblase zu liegen. Diese schon in frühen Ent- wicklungsstadien während der Furchung verlaufende Gastrulationsphase mag bald mehr, bald weniger Entoderm in das Innere des Keimes schaifen, wenig vielleicht bei Emys. wo Chorda, Mesoderm und das ge- sammte Darmentoderm von der bei der zweiten Gastrulationsphase ent- stehenden Einstülpung abzuleiten sind. Aber auch hier ist die Gastru- lationsphase, welche das Material für die Chorda, für das Mesoderm und das Darmentoderm in das Innere des Eies schafft, wohl nicht als die einzige zu betrachten, denn es dürfte doch schwer sein, einen principiellen Unterschied zwischen Dotter und Darmentoderm zu" be- gründen, und die Verhältnisse müssten wohl in gleicher Weise aufgefasst 8* Jlß Dr. med. I'ranz Keibel, •Werden wie bei Lacerta, bei der freilich auch noch ein Theil der Chorda, des Mesodernis und des Darmentoblast schon bei der ersten Gastrula- tionsphase nach innen verlagert werden. So wäre meine Aufgabe, so weit sie die Gastrulation der Säuger anbetrifft, gelöst. Für die Sauropsiden bleibt meiner Meinung nach die Frage noch streitig und unentschieden, wie die Verlagerung des Ur- mundes (Primitivstreifens) in die Area embryonalis statt hat. Ich neige zu der DuvAL'schen Auffassung, wenn ich auch eine breitere that- sächliche Grundlage entschieden für wünschenswerth halten muss. Bei Annahme der DuvAL'schen Anschauung aber muss ich nothgedrungen den Umwachsungsrand der Keimscheibe als, wenn auch noch so sehr veränderten, Urmundrand auffassen. Wie Hertavig, trotzdem er die thatsächlichen Befunde Duval's anerkennt und Ditval's Theorie von der centralwärts Verlagerung des Primitivstreifens annimmt, zu einer Auffassung des Umwachsungsrandes als einer dem Urmund ganz fremden Bildung kommt, ist für mich schwer einzusehen. HertwiCt sagt auf S. 443 seiner Arbeit über Urmund und Spina bifida : „AVie aus dieser Zusammenstellung hervorgeht, zeigt der Urmund bei dem Amphioxus und bei den Amphibien eine ganze Summe wichtiger Merkmale. Nur soweit wir entsprechende Merkmale bei den mero- blastischen Eiern nachweisen können, dürfen Avir die so gekennzeichnete Stelle als Urmund defiuiren. Ich muss mich daher entschieden gegen eine noch immer Aveit verbreitete Ansicht aussprechen, nach Avelcher der ganze Rand der Keimscheibe bei meroblastischen Eiern als Urmund- rand bezeichnet Avird. Nichts ist verkehrter als eine solche Vergleichung. Zum Urmund Avird der Rand der Keimscheibe nur, soweit an ihm eine Einstülpung entsteht und dadurch eine Urmundlippe gebildet Avird [ — das ist übrigens bei S e 1 a c h i e r n ohne Frage im ganzen Um- fange der Keim Scheibe der Fall, und das Gleiche gilt nach Duval's von Hertavig sogar in seinem Lehrbuch Aviedergegebenen Befunden für Vögel — ], an Avelcher die äussere in die innere Epithelschicht übergeht. Das ist aber beim Be- ginn der Gastrulation nur an einem sehr kleinen Bezirk, vor Avelchen dann später der quere HirnAvulst zu liegen kommt, der Fall. Der weitaus grössere Theil des Keimscheibenraudes dagegen zeigt nach Avie vor Merk- male, wie sie dem ganzen Rande vor Beginn der Gastrulation zukamen." Dagegen ist, abgesehen von den Beobachtungen an Selachiem und den DuvAL'schen Befunden an Vögeln, einzuwenden, dass es zAvischen Blastoponisbezirk im Sinne O. IIerta\'^ig's und Umwachsungsrand keine scharfe Grenze giebt; soll doch selbst bei Selachiern (Pristiurus), Avie Rabl im Gegensatz zu Rückert angiebt, am vorderen Rande der Keim- scheibe keine Mesodermproduction statthaben. Auch den Befund von Primitivstreifenbildungen hinter der Aftermembran könnte man gegen die HEETWiG'sche Auffassung anführen. Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 117 Ich möchte mich übrigens, auch von solchen Einwänden ganz abge- sehen, an dieser Stelle gegen die HERTWiG'sche Art der Beweisführung überhaupt wenden. Hertwig sagt : „Der Urmund ist die Ausmündung eines Hohlraumes, der sich durch Einstülpung aus der Keimblase anlegt, und weiterhin Darm und Leibes- höhle aus sich hervorgehen lässt" und schliesst dann weiter daraus, dass der Umwachsungsrand diese Merkmale nicht hat, er habe mit dem Urmund nichts zu thun. Natürlich aus einer Definition geht nie mehr heraus, als man in sie hineingelegt hat, aber die Basis, auf der diese Definition aufgebaut ist, ist zu schmal; Amphioxus und allenfalls Am- phibien — alles Uebrige bleibt unberücksichtigt, und ich muss denn doch daran festhalten, dass morphologisch Organe zu homologisiren sind, selbst wenn sie ihre Function geändert haben. Wollte man das nicht thun, so würde es mit der Vergleichung vielfach überhaupt bald zu Ende sein. Wenden wir uns jetzt zur Concrescenztheorie, welche ihrem ganzen Wesen nach — und neuerdings ist das ja von Hertwig auf das stärkste betont — • die innigsten Beziehungen zur Gastrulationstheorie hat. Die Coucrescenztheorie ist etwa ebenso alt als die Gastrulationstheorie. Ihr Begründer und eifriger Verfechter ist His (50- — 56), der sie trotz allen Widerspruchs und allen Unglaubens immer aufrecht erhalten hat und sie auch auf dem Münchener Anatomencongress von Neuem vor- trug. Ausser His fand die Coucrescenztheorie einen sehr energischen Vertreter in Minot (93), und auch die genialen experimentellen Unter- suchungen ßoux' (106, 107) am Froschei liessen sich zu ihren Gunsten deuten. In ganz besonderer Weise ausgeführt wurde die Theorie neuestens durch 0. Hertwig (47) dadurch, dass er die übrigens auch schon von Roux erkannten Beziehungen zwischen Concrescenztheorie und Gastru- lationstheorie scharf hervorhob. Nach Hertw^ig gehören Urmundtheorie und Concrescenztheorie zusammen, und die letztere ist nur auf Grund- lage der ersteren verständlich. Bevor ich einen Blick darauf werfe, mit welchem Recht Hertwig die Concrescenztheorie durch alle Wirbelthier- klassen durchzuführen sucht, wollen wir sehen, ob sie sich auf unser Object, das Schwein, anwenden lässt. Hier scheint sie nun in der That anerkannt werden zu müssen. Wir haben gesehen, wie in einem ge- wissen Stadium der Entwicklung (R4) der Primitivstreifen bei seinem Wachsthum nach vorn bis nahe an das vordere Ende der Keimscheibe vordrang, und wie er dann (R 5 und R 6) wieder zurückwich. Wir fanden, dass der Primitivstreifen zeitweise bis in das vordere Ende der Chorda- anlage und somit an das vordere Ende des zukünftigen Embryo reichte. Bei dem allmählichen Zurückweichen des Primitivstreifens kommt dann immer neues Material, was ursprünglich zur Seite des Primitivstreifens gelegen hat, in den Embryonalkörper zu liegen, und die Chordaanlage zeigt hierbei an ihrem hinteren Ende theilweise sogar einen paarigen Charakter, Die Aftermembran des Embryo legt sich im hinteren Be- 118 Dr. med. Frans Keibel reiche — ob gauz am hinteren Ende, das bleibt fraglich — des Primitiv- streifens an. Da die Aftermembran das hintere Ende des Embryo be- deutet, so können wir feststellen, dass das Primitivstreifengebiet durch die ganze Länge des künftigen Embryo geht. Der Primitivstreifen ist ein Theil des Urmundes. folglich ist der Embryo aus Material gebildet, das ursprünglich zu beiden Seiten des Urmundes lag. Die Symmetrie- ebene (sagittale Medianebene"» giebt die Grenze an für die Gebiete, welche aus der rechten resp. der linken Seite des Primitivstreifens gebildet werden. Auch ohne experimentelle Untersuchung wird der Gedanke hier nahe gelegt, dass — einen normalen Entwicklungsverlauf voraus- gesetzt — jeder einzelne Zellcomplex schon im Stadium der Primitiv- rinne seine ganz bestimmte Stelle im künftigen Embryo bildet, dass der künftige Embryo, um mit Roux zu sprechen, eine Mosaikarbeit aus solchen Zellcomplexen ist. Für die Auffassung des Mesoderms ergiebt sich aus der Lage des zukünftigen Embryo zum Primitivstreif, dass beim Schwein, wo der Primitivstreifen bis in das vorderste Gebiet des Kopf- fortsatzes vordringt, eigentlich nur Urmundmesoderm, peristomales Meso- derm, vorkommt, das mit dem Zurückrücken des vorderen Primitivstreifen- endes erst secundär in gastrales Mesoderm übergeht. Ich stimme also in diesen Punkten mit Heetwig, soweit meine Untersuchungen am Schwein in Frage kommen, völlig überein. Wenn aber Heetwig sagt (47 S. 451): „bei ihrer ersten Entstehung gehört die Primitivrinne dem Kopfgebiet des Embryo an, indem sie sich daselbst in die verschiedenen Axenorgane differenzirt, wächst sie an ihrem hinteren Ende der Wachs- thumszone durch die Einschiebung neu gebildeter Embryonalzellen weiter," so muss es zunächst für Primitivrinne Primitivstreifen heissen, und zweitens kann beim Schwein schon in sehr frühen Stadien von einem Rückwärts- wachsen des Primitivstreifens keine Rede sein, und mit den Beobachtungen am Schwein stimmen die Angaben für Kaninchen und Spitzmaus voll- kommen überein. Nur für das Schaf lauten Bonnet's Angaben anders, und auch beim Schaf nur für sehr frühe Stadien. Dass aber gerade am hinteren Ende des Primitivstreifens eine besondere Wachsthumszoue liegen soll, dagegen sprechen die Tabellen der Kerntheilungen ganz ent- schieden. Ebensowenig stimme ich mit Heetwig überein, was den Canalis neurentericus anlangt; derselbe ist an das vordere Ende des Primitiv- streifens gebunden und rückt mit dem vorderen Ende des Primitivstreifens allmählich zurück ; ob er nun im vordersten Bereich des künftigen Embryo oder weiter hinten als wirklicher Kanal in die Erscheinung tritt, ist dabei von ganz secundärer Bedeutung. Darauf, dass ich die Auffassung vom Schwanz und Schwanzdarm, welche Heetwig vertritt, nicht zu der meinen machen kann, werde ich in einem späteren Theile meiner Arbeit ein- zugehen haben. Hier nur so viel, dass ich ja sogar beim Menschen (73) nicht nur einen Entodermstrang des Schwanzes, sondern eine Schwanzdarm- höhle und ventrales Mesoderm nachweisen konnte, und dass das Schwariz- Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. II9 gebiet gegen das Rumpfgebiet durchaus nicht scharf abgegrenzt ist (Wanderung des Beckens) ; wie soll man da einen Gegensatz zwischen dem Schwanz und dem ganzen übrigen Theil des Rumpfes verstehen. AVenn ferner Hkrjwk; (47) über die Chordahöhle der Säuger sagt (S.463), ,.dass nach seiner Ansicht die Chordahöhle nur einen vorübergehend abgetrennten Theil des Urdarmes jepräsentirt, während der übrige grössere Theil in der Höhle der Keimblase gegeben ist", so kann ich ihm im Avesentlichen wohl beistimmen, wenn ich aucli nicht über den grösseren oder kleineren Theil des Urdarms discutiren will. Meine Schemata präci- siren meinen Standpunkt ja auf das genaueste und dürfte eine Ver- gleichung mit den Reptilien und vor allem der Schildkröte (Mehnert) doch dem Chordakaual resp. der au entsprecheuder Stelle vorkommenden homologen Höhle eine grössere Bedeutung zuweisen, als Hertwig dies thut. — Bevor ich nun auf die Frage eingehe, ob Hertwig nach der heutigen Lage der Beobachtung die Concrescenztheorie auf das ganze Gebiet der Wirbelthiere ausdehnen durfte, noch eine kleine Abschweifung. Hebtwkt (4:7) greift die Theorie von Roux an, dass der Embryo gCAvissei-massen eine Mosaikarbeit ist, einen Satz, den Roux aufgestellt hat, Aveil im normalen Verlaufe der Entwicklung es jeder Zelle des Furchungsstadiums schon prädestinirt ist, welchen Theil des Embryo sie bilden wird. Demgegenüber sagt Hertwig: 1. „Die Entwicklung des Organismus ist keine Mosaikarbeit. 2. Die Theile eines Organismus entwickeln sich in Beziehung zu einander oder die Entwicklung eines Theiles ist abhängig von der Ent- wicklung des Ganzen," Von diesen beiden Sätzen beruht nun , glaube ich , der erste auf einem Missverständniss dei- Roux'schen Ansicht und kann jedenfalls nicht durch Hertwig's Beobachtungen begründet werden, und auch die zweite These triift meiner Meinung nach Roux's Lehre nicht; wir müssen uns doch erinnern, dass Roux der Verfasser ,.des Kampfes der Theile im Organismus" ist. Es ist mir schwer begreiflich, wie ein verständiger Morphologe Hertwig's zweite These je in Zweifel gezogen haben sollte. Wenn dann Hertwk; weiter ausführt: „Nach meiner Auffassung enthält daher jede der beiden ersten Furchungszellen nicht nur diffe- renzirende und gestaltende Kräfte für eine Körperhälfte, sondern für den ganzen Organismus, und nur dadurch entwickelt sich normaler- weise die linke Furchungszelle zur linken Körperhälfte, dass sie zu einer rechten Furchungszelle in Beziehung gesetzt ist," so dürfte der Satz umgekehrt lichtig sein : wenn man der rechten Furchungskugel die linke raubt, so stellt sich in ihr eine vorher nicht bestehende An- ordnung der Theile her, welche jetzt die linke Furchungskugel in den Stand setzt, den ganzen Organismus zu liefern. Aber nicht darum 120 I^r- med. Franz Keibel. tändelt es sich, aucli nicht darum, wie bei Missbil düngen die Sachen hegen , sondern wie normalerweise die Entwicklung vor sich gehtj und da erscheint mir die Roux'sche Auffassung als durchaus berechtigt. Dieselben Erwägungen gelten in Bezug auf die Angriffe von DßiESCH (22, 23) gegen die Roux'sche Theorie. WennÜEiEscH sich übrigens in seiner neulichen Mittheilung dagegen sträubt, dass es sich bei der von ihm beschriebenen selbstständigen Entwicklung einer der beiden ersten Furchungszellen der Echiniden zu einer normalen, vollständigen Larve, um eine Art Regeneration handelt, so muss denn doch betont werden, dass diese Vorgänge trotz äusserlicher Unterschiede ihrem inneren Wesen nach durchaus unter den Begriff der Regeneration fallen und vollkommen den Vorgängen bei Hydra vergleichbar sind, bei der aus einem kleinen Stück des Thierkörpers, wenn derselbe nur Ektoderm und Entoderm erhält, sich ein ganzer neuer Polyp regenerirt. (Trembley, NUSSBAUM.) Doch kehren wir nach dieser Abschweifimg zur Concrescenztheorie zurück und fragen uns, ob dieselbe sich in gleicher Weise wie auf die erste Entwicklung des Schweines auch auf die Entwicklung der übrigen Säuger anwenden lässt. Es will fast so scheinen, obwohl genauere Unter- suchungen darüber fehlen. Für eine solche Auffassung Hessen sich vor allem die schönen Fi- guren Koelliker's (76) in seiner Arbeit „die Entwicklung der Keim- blätter des Kaninchens" anführen. Auf denselben sehen wir den Primi- tivstreifen dem vorderen Rande der Keimscheibe zuwachsen; aber freilich nie kommt er demselben so nahe, wie beim Schwein. Aus den HEAPE'schen (41) Untersuchungen könnte man in gleichem Sinne die Fig. 11, 12 und 13 seiner Arbeit von 1883 anführen. Dann könnten wir die Fig. 1 — 5 in van Beneden's und Julin's Arbeit (10): Recherches sur la formation des annexes foetales chez les mammiferes — es handelt sich bei den Figuren um Kaninchen — heran- ziehen, auch Bonnet's (12) Fig. 39, 40, 41, 50 und 51 in seinen ersten Beiträgen zur Embryologie der Wiederkäuer, und mit vielleicht noch grösserem Recht Hubrecht's (62) Reconstructionen, welche sich auf Keimscheiben von Sorex vulgaris beziehen. Vergleicht man z. B. die Fig. 35 mit den Fig. 62 und 65, so dürfte wohl aus ihnen ein Vor- wachsen des Primitivstreifens in cranialer Richtung zu schliessen sein. Die Fig. 79, 80 und 81 demonstriren das Zurückweichen des vorderen Endes des Primitivstreifens unzweifelhaft. Alles in Allem aber kann es sich denn aber doch nicht um den sicheren Nachweis , sondern nur um das Wahrscheinlichmachen ähnlicher Verhältnisse, wie beim Schwein, handeln. Bei den Vögeln stehen die Dinge eher noch unsicherer. Bei der Durchsicht der einschlägigen Literatur finden wir besonders in Duval's Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 121 Atlas (26) Taf. IV Fig. 64 — 70 Belege für die Concrescenztheorie. Doch lässt sich bei der Vergleicliimg der Fig. 66 und 67 nicht durch Messung enveisen, ob der Kopffortsatz (ch) im früheren Primitivstreifen- gebiet entstanden ist, oder ob er sich vor diesem Gebiete bildete. Da- gegen tritt in Duval's Abbildungen das Zurückweichen des vorderen Endes des Primitivstreifens, das ja unzweifelhaft ist, deutlich hervor. Derselbe Vorgang kommt auch in der graphischen Darstellung von D. Schwarz (115 S. 14) klar zur Anschauung, und wir könnten ihn im Sinne der Concrescenztheorie deuten. Bei den Reptilien aber erleiden wir Schiffbruch. Mehnert sagt dii'ect, dass von einer paarigen Anlage der Chorda nicht die Rede sein könne. Aber wenn wir auch auf diese Angabe kein Gewicht legen wollten, weil ja die paarige Anlage verwischt sein könnte, und in der Thatsache eine Stütze suchen , dass der Primitivknoten sich in cranio- caudaler Richtung zurückbildet, so überführen uns die trefflichen Abbil- dungen, dass hier an eine Concrescenz des Embryo aus den beiden Seiten des Urmundes nicht zu denken ist. Der Embryo tritt vor dem Blastoporus auf. Ich will nicht versuchen mir durch theoretische Spe- culationen zu helfen, etwa durch die Annahme, dass die erste der von mir angenommenen Phasen der Gastrulation in dem Bezirk vor dem Blastoporus der zweiten Phase abgelaufen sein könne. Ich will mich mit der Feststellung begnügen, dass die bei Reptilienembryonen durch sorg- fältige Beobachtung festgestellten Thatsachen eine Uebertragung der Concrescenztheorie auf die Reptilien — vor allem habe ich hier Meh- nert's Untersuchungen an Emysembryonen im Auge — bis dahin nicht erlauben. Das ist aber auch für die Deutung der Vögel- und der Säugethier- entwicklung von grosser Bedeutung, denn sehr wahrscheinlich stammen, v^e das verschiedene Male im Laufe der Arbeit hervorgehoben wurde, die Säuger und Vögel von Reptilien ähnlichen Vorfahren ab; es wird daher schwer sein anzunehmen, dass Vögel oder Säuger sich nach einem Mo- dus entwickeln, der für die Reptilien keine Geltung hat. Kurz und gut, wir werden die Vorgänge bei den Säugern und in unserem Fall beim Schwein nicht ohne weiteres im Sinne der Concrescenztheorie deuten dürfen, bis es uns auch für die Reptilien gelungen ist, die Geltung dieser Theorie nachzuweisen. So will ich denn auch meine Betrach- tungen hier schliessen und sie nicht auf die Anamnia oder gar die Evertebraten ausdehnen. Niu' darauf sei noch hingewiesen, dass wenn die Concrescenztheorie für die Anamnia und vor allem die Amphibien auf breiterer Basis nach- gewiesen werden sollte, man vielleicht von dieser Einschränkung wird abgehen können, denn es darf doch auch nicht vergessen werden, dass, wie die Säuger von Reptilien ähnlichen Vorfahren abstammen, die Vor- fahren der Reptilien zu den Amphibien gehört haben müssen. 122 Dr. med. Franz Reibe Fasse ich zum Scliluss noch einmal die Ergebnisse meiner theore- tischen Erwägungen und Vergleicliuugen kurz zusammen, so lauten sie: 1. Bei den Säugern verläuft die Gastrulation in 2 Phasen. Bei der ersten Phase der Gastrulation wird die untere Keimschicht, das En- toderm der Autoren, gebildet, bei der zweiten Chorda und Mesoderm. Aus dem sogenannten Entoderm der Säuger geht im wesentlichen nur das Darmepithel und das E^jithel des Dottersackes hervor. Dass von den bei der zweiten CTastrulatiousphase nach innuen ver- lagerten Zellmassen Zuschüsse zur Bildung des Darmepithels ge- geben werden , lässt sich mit absoluter Sicherheit nicht ausschliessen ; jedenfalls sind dieselben aber unbedeutend und nur auf kleine Bezirke des Darms beschränkt. Bei den anderen Amnioten dürfte die Gastrulation ebenfalls in 2 Phasen verlaufen ; doch entsprechen sich die bei den beiden Gastrulationsphasen nach innen verlagerten Zell- complexe bei den verschiedenen Amnioten qualitativ und quantitativ nicht vollkommen ; so scheint bei den Reptilien, und zwar besonders bei den Schildkröten, die zweite Phase der Gastrulation auch noch das Ganze oder doch einen bedeutenden Theil des Darmepithels in das Innere zu verlagern, während das Darmepithel ja bei den Säugern schon bei der ersten Gastrulationsphase zusammen mit dem Epithel des Dottersackes an seine definitive Stelle gelangt. 2. Die Gastrulationshöhle der ersten Gastrulationsphase verschmilzt, wenn sie überhaupt je auftreten sollte, bei Säugern sehr früh oder un- mittelbar mit der Furchungshöhle ; wahrscheinlich aber tritt sie überhaupt nicht in die Erscheinung. Die Eihöhle im zweischichtigen Stadium des Säugethiereies ist daher als die Summe von einem Theil der Gastrula- -|- einem Theil der Furchungshöhle aufzufassen. Einen anderen Theil der Furchungs- höhle haben wir in dem Spaltraum zwischen den beiden primären Keim- blättern zu suchen. Entsprechende V^orgänge, welche ich zunächst nur als Analogien deuten möchte, finden wir bei den Amphibien. — Auch bei Vögeln und Reptilien dürfte die Keimliöhle oder subger- minale Höhle als ein Theil der Furchungshöhle -j- einem Theil der Gastrulahöhle aufzufassen sein. Ein zweiter Theil der Furchungshöhle ist auch bei den Sauropsiden der Spaltraum zwischen der oberen und unteren Schicht des zweischich- tigen Keimes. 3. Die Chordahöhle der Säuger ist als ein Theil der Gastrulahöhle aufzufassen. Sie gehört zur zweiten Phase der Gastrulation. Nur aus- nahmsweise finden sich während der zweiten Phase der Gastrulation Spalten, welche als Reste von Coelomdivertikeln der Urdarmhöhle zu deuten wären. 4. Der Primitivstreifen ist bei Säugern dem Urmund gleich zu setzen. Studien zur Entwlcklungagfeschichte des Schweines. 123 5. Bei Vögeln und Eeptilien selie ich auch im Umwachsuugsraud der Keimscheibe ein Homologon (morphologisch gleichwerthigen Theil) eines Theiles des Urmundes; freilich ist derselbe aufs Aeusserste ab- geändert. 6. Da der Primitivst reifen des Schweines zeitweise bis an das vor- dere Ende der künftigen Embryonalanlage reicht, so ist das gesanimte Mesoderm des Schweines als peristomales Mesoderm im Sinne Eabl's aufzufassen. 7. Die Entwicklungsverhältnisse beim Schweiueembryo lassen sich gut mit der Concrescenztheorie in Uebereinstimmung bringen ; da aber bei keinem sonstigen Amnioten die Entwicklung mit Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes genau genug untersucht ist, und die Verhältnisse bei Reptilien (Schildkröten) sogar der Concrescenztheorie bis dahin geradezu unüberwindliche Schwierigkeiten darbieten, so ist vor der Ueber- tragung der Concrescenztheorie auf die Säuger oder gar vor der Statu- irung ihrer allgemeinen Geltung für die Amnioten noch das AbAvarten weiteren Beweismaterials angezeigt. VI. Verzeichniss der citirten Literatur, alphabetisch geordnet. 1. Balfouk, f. M., A comparison of the early stages in the development of vertebrates. Quarterl. journ. of micr. sc. vol. 15. 1875. 2. Balfoue, f. M., On the early development of the Lacertilia together with some observations on the uature and relations of the pri- mitive streak. Ebenda vol. 19. 1879. 3. BALrouß, F. M., On the structure and homologies of the germinal layers of the embryo. Ebenda, vol. 20. 1880. 4. Balfour, f. M., Handbuch der vergleichenden Embryologie. Deutsch von Vettee. Bd. II. Jena 1881. 5. Balfoue, F. M. and Deighton, J., x\ renewed study of germinal layers of the chick. Quart. Journal of micr. sc. vol. 22. 1882. S. 176. 6. Bambeke, Ch. van, Recherches sur le developpement du pelobate brun. t. 34. des memoires in 4*^ de l'academie royale de Bel- gique. 1868. 7. V. Beneden, Bd., Recherches sur l'embryologie des mammiferes. La formation des feuillets chez le lapin. Arch. de Biologie. Bd. I. 1880. S. 136. 8. V. Beneden, Ed., Erste Entwicklungsstadien von Säugethieren. Tageblatt der 59. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Berlin. 1886. 9. V. Beneden, Ed., Vortrag über seine Untersuchungen über die Blätterbildung, den Chordacanal und die Gastrulation bei Säuge- thieren (Kaninchen und Vespertilio murinus). Verhandlungen der Anatom. Gesellschaft 1888 zu Würzburg und Anatom. Anz. III. Jg. 1888. S. 709 ff. 10. VAN Beneden, E. und Julin, Gh., Recherches sur la formation des annexes foetales chez les mammiferes (lapin et cheiropteres). Ai-ch. de Biolog. 1885. T. V. Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 125 11. BiEHRiNGEE, J., lieber die Umkehrung der Keimblätter bei der Scheermaus (Arvicola amphibius). Arcli. f. Anatom, u. Physiol. Anat. Abth. 1888. S. 279. 12. Bonnet, R., Beiträge zur Embryologie der Wiederkäuer, gewonnen am Schafei. Arch. f. Anatom, u. Phys. 1884. Anat. Abth. 13. Bonnet, R., Ueber die Entwicklung der Allantois und die Bildung des Afters bei den Wiederkäuern und über die Bedeutung der Primitivrinne und des Primitiv streifs bei den Embryonen der Säugethiere. Anatom. Anz. Jg. III. 1888. S. 105. 14. Bonnet, R., lieber den Primitivstreifen und die Chorda bei Wieder- käuern. Sitzungsber. der Gesellschaft f. Morphologie und Phy- siologie zu München. 1888. S. 106/107. 15. Bonnet, R., Beiträge zur Embryologie der Wiederkäuer u. s. w. Arch. f. Anat. u. Phys. Anat. Abth. 1889. 16. Bonnet, R., Grundriss der Entwicklungsgeschichte der Haussäuge- thiere. Beilin bei P. Parey. 1891. 17. Braun, M., Aus der Entwicklungsgeschichte der Papageien. Ver- handlungen der phys. med. Gesellschaft zu Würzburg. N. F. Bd. 14. 1880. 18. Braun, M., Aus der Entwicklungsgeschichte der Papageien. III u. IV. Ebenda. Bd. 15, 1 u. 2. 1881. S. 120. 19. Braun, M., Die Entwicklung des Wellenpapagei (Melopsittacus uu- dulatus). Arbeiten aus dem zoologisch-zootomischen Institute zu Würzburg. Bd. V, 2 u. 3. 7 Taf. S. 161—322. 1882. 20. Carius, f., Ueber die Entwicklung der Chorda und der primitiven Rachenhaut bei Meerschweinchen und Kaninchen. Marb. Diss. Marburg 1888. 21. DissE, J., Die Entwicklung des mittleren Keimblattes am Hühnerei. Arch. f. mikroscop. Anatomie Bd. 15. S. 67. 1878. 22. Driesch, H., Entwicklungsmechanische Studien. Der Werth der beiden ersten Furchungszellen in der Echinodermenentwicklung. Experimentelle Erzeugung von Theil- und Doppelbildungen. Zeitschrift für wiss. Zoologie. Bd. 53, 1. 1891. 23. Driesch, H., Entwicklungsmechanisches. Anat. Anz. VII. Jg. 1892. S. 584 ff. 24. DuvAL, M., Etudes sur la ligne primitive de l'embryon du poulet. Annales des sciences naturelles. Zoologie 1880. t. 7. 25. DuvAL, M., De la formation du blastoderme dans l'oeuf d'oiseau. Annales des sciences naturelles. Zoologie 1884. t. 18. 26. DuvAL, M., Atlas d'embryologie. Paris 1889. 27. Fleischmann, Albert, Zur Entwicklungsgeschichte der Raubthiere. Biologisches Centralblatt Bd. VII N. 1 S. 9. März 87. 28. Fleischmann, Albert, Mittelblatt und Amnion der Katze. Habili- tationsschrift. Erlangen 1887. 1S6 Dr. med. Franz Keibel. 29. Fleischmann, Albert, Embrjologisclie Untersuchungen. Heft 1. Untersuchungen über einheimische Raubthiere. AViesbaden. 1889. Heft. 2. a) Die Stammesgeschichte der Nagethiere. b) Die Um- kehr der Keimblätter. Wiesbaden 1891. 30. Gassee, E., Ueber den Primitivstreifen bei Vogelembryonen. Mar- burger Sitzungsber. 1877. S. 100. 31. Gasser. E., Der Primitivstreifen bei Vogelembryonen. Schriften der Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Naturwissenschaft in Marburg. Bd. XL 1878. 32. Gasser, E., Beiträge zur Kenntuiss der Vogelkeimscheibe. Arch. f. Anatom, u. Phys. Auat. Abth. 1882. 33. Gegenbaur, C„ Grundriss der vergleichenden Anatomie. 2. Aufl. Lpz. 1878. 34. Gaudrt, A., Les enchainements du monde auimal dans les temps geologiques. Mammiferes tertiaires. Paris 1878. 35. Gerlagh. Leo, Ueber die entodermale Entstehungsweise der Chorda dorsalis. Biolog. Centralblatt. 1881. S. 21 u. 38. 36. Haeckel, E.. Die Gastraentheorie. die phylogenetische Classification des Thierreiclis und die Homologie der Keimblätter. Jenaische Zeitschrift Bd. VIII. 1874. S. 1—55. 37. Haeckel, E.. Die Gastrula und die Eifurchung der Thiere. Jena- ische Zeitschrift Bd. IX. 1875. S. 402. 38. Haeckel, E., Nachträge zur Gastraeatheorie. Ebenda Bd. XI S. 55. 1877. 39. Haeckel, E., Ursprung und Entwicklung der thierischen Gewebe. Ein histogenetischer Beitrag zur Gastraeatheorie. Ebenda Bd. 18. 1885. 40. Heape, W., On the germinal layers and early development of the mole. Proceed. of the Royal Soc. of London. 1882. vol. 33. 41. Heape, W. , The development of the mole (Talpa europaea), Quaterl. Journ. of microsc. sc. 1883. 42. Heape, W., The development of the mole. Ebenda. 1886. 43. Hensen, V., Beobachtungen über die Befruchtung und Entwicklung des Kaninchens und Meerschweinchens. Arch. f. Anatomie und Entwicklungsgeschichte I. 1876. 44. HertwiCt, Oscar, Ueber die Entwicklung des mittleren Keimblattes der Wirbelthiere. Sitzungsber. der Jeu. Gesellschaft f. Med. u. Naturw. Jg. 1880. Sitz. 5. Nov. 1880. 45. Hertwig, Oscar, Die Entwicklung des mittleren Keimblattes der Wirbelthiere. Jenaische Zeitschrift f. Naturw. Bd. 15 S. '287 bis 340, 1882 u. Bd. 16 S. 247, 1883. 46. Hertwiü, Oscar, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Men- schen und der Wirbelthiere. 3. Aufl. Jena 1890. 47. Hertwig, Oscar, Urmund und Spina bifida. Eine vergleichend Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 127 morphologische, teratologische Studie an missgebildeten Frosch- eiern. Mit 4 Tafeln. Arch. f. microsc. Anatomie Bd. 39 Hft. 3 S. 353 ff. Jg. 1892. 48. Oscar u. Richard Hertwig, Die Coelomtheorie. Versuch einer Erklärung des mittleren Keimblattes. Jenaische Zeitschrift für Naturw. Bd. 15 S. 1—150. 1832. Gesammelt und separat sind die hier in Betracht kommenden Ab- handlungen der Gebrüder Heetwig auch erschienen als: 49. Oscar u. Richard Hertwig, Studien zur Blättertheorie. 5 Hefte mit 35 Taf. Jena 1879-83. G.Fischer. I. Anat. u. Histolog. der Actinien. II. Anat., System, u. Entwickl. der Chaetognathen. III. Bau der Cteuophoren. IV. Die Ceolomtheorie. V. Die Ent- wicklung des mittleren Keimblattes der "Wirbelthiere. 50. His, W., Verhandlungen der Leipziger naturforschenden Gesellschaft vom 5. Juni 1874. 51. His. W., Briefe über unsere Körperform und das physiologische Problem ihrer Entstehung. Leipzig 1874. 52. His , W.. Untersuchungen über die Entwicklung von Knochen- fischen, besonders über diejenige des Salmens. Arch. f. Anat. u. Entwicklungsgesch. Bd. I. 1876. 53. His, W., Ueber die Bildung von Haifischembryonen. Ebenda. Bd. II. 1877. S. 108. 54. His, W., Neue Untersuchungen über die Bildung des Hühnerembryo. Arch. f. Anat. u. Physiol. Anat. Abth. Jg. 1877 S. 112. 55. His, W., Untersuchungen über die Bildung des Knochenfischembryo (Salmen). Ebenda. Jg. 1878 S. 180. 56. His, W. , Zur Frage der Längsverwachsung von Wirbelthier- embryonen. Verhandl. d. Anat. Gesellschaft 1891 (München). S. 70. 57. Hoffmann, C. K., Contribution a Fhistoire du developpement des Reptiles. Archives neerlandaises T. 17 p. 168-192. 2 Tafeln. 1882. 58. Hoffmann, C. K., Ueber die Entwicklungsgeschichte der Chorda dorsalis. Festschrift für Henle. 1882. S. 41—52. 2 Tafeln. 59. Hoffmann, C. K., Die Bildung des Mesoderms , die Anlage der Chorda dorsalis und die Entwicklung des Canalis neurentericus bei Vogelembryonen. Veröffentlicht durch die Königl. Academie der Wiss. zu Amsterdam. 5 Tafeln. Amsterdam, J. Müller. 1883. 60. Hoffmann, C. K., Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Rep- tilien. Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Bd. 40. S. 214. 2 Tafeln. 1884. 61. Hubrecht, A. A. W., Die erste Anlage des Hypoblastes bei den Säugethieren. Anat. Anz. IIL Jg. 1888. S. 906 ff. 12Ö I^r- Daed. Franz Keibel. 62. HuBEECHT, A, A. W., Studies iu mammaliau embryology. II. The development of the germiual layers of Sorex vulgaris. Quart, journ. of micr. sc. vol. 31. part. 4. new. ser. 1890. S. 499 ff. mit 7 Tafeln. 63. HüXLEYj On the Classification of the animal kingdom. Quaterly Journal of micr. sc. vol. 15. 1875. 64. HuxLEY, The anatomy of iuvertebrated aninials 1877. Deutsche Ausgabe von Spengel. Grundzüge der Anatomie der wirbel- losen Thiere. 1878. 65. Kann, Max, Das vordere Chordaende. Diss. Erlangen. 1888. 66. Kastschenko, N., Zur Entwicklungsgeschichte des Selachierembryo. Anat. Anz. III. Jg. 1888. S. 445—467. 67. KowALEWSKY, W,, Monographie der Gattung Anthracotherium Cuv. und Versuch einer natürlichen Classification der fossilen Huf- thiere. Palaeontographica Bd. 22. N. F. II. S. 131—210. 1876. 68. Keibel, F., van Beneden's Blastoporus und die RAUBEü'sche Deck- schicht. Anatomischer Anzeiger Jg. 2. 1887. S. 769. 69. Keibel, F., Die Entwicklungs Vorgänge am hinteren Ende des Meerschweinchenembryos. Arch. f. Anat. u. Phys. Anat. Abth. Jg. 1888. 70. Keibel, F., Zur Entwicklungsgeschichte der Chorda bei Säugern. (Meerschweinchen und Kaninchen). Arch. f. Anatom, u. Physiol. Anatom. Abth. Jg. 1889. 71. Keebel, f., Ein sehr junges menschliches Ei. Ebenda. Jg. 1890. S. 250. 72. Keibel, F., Ueber die Entwicklungsgeschichte des Schweines. Anatom. Anz. Jg. 6. 1891. S. 193 fi'. 73. Keibel, F., Ueber den Schwanz des menschlichen Embryo.*) Arch. f. Anat. u. Physiol. Anat. Abt. 1891. S. 352. 74. KoELLiKEE, A., Zur Entwicklung der Keimblätter im Hühnerei. Verhandl. der phys.-med. Gesellschaft zu Würzburg. Bd. 8. 1875. 75. KoELLiKER, A., Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. 2. Aufl. Lpz. 1879. 76. KoELLiKER, A., Die Entwicklung der Keimblätter des Kaninchens. Festschrift zur dritten Saecularfeier der Alma Julia Maximiliana. Bd. 1. Lpz. 1882. 77. KoELLiKER, A., Ueber die Chordahöhle und die Bildung der Chorda beim Kaninchen. Sitzungsber. der physikal.-medicin. Gesellschaft zu Würzburg. Jg. 1883. 78. KöLLiKER, A., Grundriss der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. 2. Aufl. Lpz. 1884. *) Dazu vorläufige Mittheilung. Anat. Anz. Jg. 6. 1891 S. 670. Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 129 79. KoLLEK, C, Beiträge zur Kenntniss des Hühnerkeimes im Beginn der Bebrütung. Sitzungsber. der Kais. Akademie der Wiss. zu Wien. Bd. 80. Abth. 3. 1879. 80. KoLLEK, C, Ueber die Bildung der Keimblätter am Hühnerei. An- zeiger der Wiener Akademie 1880 Nr. 27 S. 249. 81. Koller, C, Untersuchungen über die Blätterbildung am Hühuer- keim. Arch. f. mikr. Anatomie. Bd. 20 S. 174. 1881. 82. Kollmann, Julius, Die Entwicklung der Chorda dorsalis beim Menschen. Anatom. Anz. Jg. Y. 1890. S. 308. 83. KuPFFER, Das Ei von Arvicola ai^valis und die vermeintliche Umkehr der Keimblätter an demselben. Sitzungsber. der bair. Akademie der Wiss. II. Gl. 1882. 4. Nov. S. 621. 84. E. Ray Lankaster, On the primitive cell-layers of the embryo as the basis of genealogical Classification of animals and of the origin of vascular and lymph Systems. Annais a. Magaz. N. Hist. Vol. 11. 1873. 85. E. Ray Lankaster, Notes on the embryology and Classification of the animal kingdom : comprising a revision of speculations re- lative to the origin and significance of the germ.-layers. Quart, journ. of micr. sc. vol. 17. 1877. 86. LieberkIthn, N., Ueber die Keimblätter der Säugethiere. Gratu- lationsschrift an Nasse. 1879. 87. Lieberkühn, N., Marburger Sitzungsberichte. April 1882. 88. Lieberkühn, N., Marburger Sitzungsberichte. Juli 1882. 89. Lieberkühn, N., Ueber die Chorda bei Säugethieren. Arch. f. Anatomie u. Physiol. Anat. Abth. 1882 u. 1884. 90. Marsh, 0. C, Discovery of cretaceous mammalia (Part. III). The american Journal of sc. Nr. 255. March 1892. 91. Marsh, O. C, A new order of extinct eocene mammals. Ebenda Nr. 257. Mai 1892. 92. Mehnert, E., Gastrulation und Keimblätterbildung der Emys lutaria taurica. Erster Theil einer Entwicklungsgeschichte der Emys lutaria taurica. Mit 5 Tafeln. Morpholog. Arbeiten. Heraus- gegeben von G. Schwalbe. Bd. I. Heft 3. 1891. 93. MiNOT, Charles Sedgwick, The concrescence theory of the vertebrate embryo. American naturalist Juni 1889, July 1890, August 1890. 94. MiTSUKURi, K., On the paired origin of the mesoblast in vertebrata. Anatom. Anz. Jg. VI. 1891. 95. MiTsuKURi, K., und Ishikawa, C, On the formation of germinal layers in Chelonia. Quart, journ. of micr. sc. August 1886. 96. OsTROUMOFF, A., Zur Entwicklungsgeschichte der Eidechsen (Phryno- cephalus helioscop.). Arb. der naturf. Gesellschaft z. Kasan. Bd. 19. 1888. (russisch.) Hermann Schwalbe's, JBer. für 1888. S. 583 fi'. Referent Hoyer. Morpholog. Arbeiten hrsg. v. Q. Bchwalbe III. * \2() Dr. med. Franz Keibel. 97. OsTEOUMOFF, A., Zur Entwicklungsgeschichte d. Eidechsen. Zoolog. Anz. Nr. 292 S. 620. 1888. 98. Rabl, C, lieber die Bildung des Mesoderms. Verhandl. d. anatom. Gesellschaft zu Würzburg 1888. Anatom. Anz. Jg. TU. 1888. S. 654 ff. 99. Rabl, C, Theorie d. Mesoderms. Morpholog. Jahrbuch 1889. Bd. 15. 100. Rauber, A., Die embryonale Anlage des Hühnchens und die Gastrula des Hühnerkeimes. Medic. Centralblatt 1875. Nr. 4. (S. 17 u. 22.) 101. Rauber, A., lieber die Stellung des Hühnchens im Entwicklungs- plane. Lpz. Engelmann. 1876. 102. Rauber, A., Primitivrinne und Urmund. Beitrag zur Entwicklungs- geschichte des Hühnchens. Morphol. JB. II. S. 550. 1876. 103. Rauber, A., Ueber den Ursprung des Blutes und der Bindesubstanz. Sitzungsber. der naturf. Gesellschaft zu Lpz. 1877. Nr. 5. S. 27. 104. Robinson, Arthur, Observations upon the development of the seg- mentation cavity, the archenteron, the germinal layers, and the amnion in mammals. Quart, journ. of micr. sc. New. ser. Nr. 131. (vol. 33 p. 3.) March 1892. 105. Roux, W., Der Kampf der Theile im Organismus. Leipzig. Engel- mann. 1881. 106. Roux, W., Beiträge zur Entwicklungsmechanik des Embryo. V. Virchow's Arch. Bd. 114. 1888. 107. Roux, W., Ueber die Lagerung des Materials des Medullarrohres im gefurchten Froschei. Verhandlungen der anatomischen Ge- sellschaft. 1888. Auch Anatom. Anz. IIL Jg. 1888. 108. Roux, W., Entwicklungsmechanik der Organismen. Eine ana- tomische Wissenschaft der Zukunft. 1890. 109. RüCKEET, Verhandlungen der Anatom. Gesellschaft zu München. Mai 1891. S. 84. 110. RüTiMEYER, L., Ueber die Herkunft unserer Thierwelt; eine zoo- graphische Skizze. Basel u. Genf 1867. 111. Schauinsland, Zur Entwicklung der Pinguine. Verhandl. der Ge- sellschaft deutscher Naturforscher u. Aerzte. 63. Versammlung zu Bremen. 1890. 112. Schlosser, M., Beiträge zur Kenntniss der Stammesgeschichte der Hufthiere und Versuch einer Systematik der Paar- und Unpaar- hufer, mit Taf. I— IV. Morpholog. JB. Bd. 12. 1887. S. 1-136. 113. Schultze, Oskar, Die Entwicklung der Keimblätter und der Chorda dorsalis von Rana fusca. Würzburger Habilitationsschrift. Lpz. 1888, und Zeitschrift für wiss. Zoologie Bd. 47. 1888. 114. Schultze, Oskar, Verhandlungen der Anatom. Gesellschaft zu Würzburg 1888 in der Discuss, zu den Vorträgen v. Rabl u. Hatschek, auch Auat. Anz. Jg. III. 1888. S. 678. Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 131 115. Schwarz, Daniel, Untersuchimgen des Schwanzendes bei den Embryonen der Wirbelthiere, nach Beobachtungen an Selachiern, Knochenfischen und Vögeln vergleichend dargestellt. Strass- burger Inaug.-Diss. 1889. Auch Zeitschrift für wiss. Zoologie Bd. XL VIII. 1889. 116. Selenka. E., Keimblätter u. Gastrulaform der Maus. Biolog. Centralblatt II. 1882. S. 550. 117. Selexka, E., Studien zur Entwicklungsgeschichte der Thiere. AVies- baden 1886 — 87. Heft 1 Keimblätter und Primitivorgane der Maus. 1883. — Heft 3 Die Blätterunikehrung im Ei der Nage- thiere. 1884. — Heft 4 u. 5 Das Opossum (Didelphys virginiana) 1886 u. 1887. 118. Spee, Graf F., Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der früheren Stadien des Meerschweinchens bis zur Vollendung der Keimblase. Arch. f. Anat. u. Phys. Anat. Abth. 1883. 119. Spee, Graf F., Ueber die Eutwicklungsvorgänge vom Knoten aus in Säugethierkeimscheiben. Anatom. Anz. 1888. 120. Spee, Graf F., Beobachtungen an einer menschlichen Keimscheibe mit offener MeduUarrinne und Canalis neurentericus. Arch. f. Anatom, u. Physich Anat. Abth. 1889. 121. Steinmann u. Döderlein, Elemente d. Palaeontologie. Lpz. 1890. 122. Strahl, H., Ueber die Entwicklung des Canalis myelo-entericus und der Allantois der Eidechse. Arch. f. Anat. u. Phys. Anat. Abth. Jg. 1881 S. 122—160. 2 Taf. 123. Strahl, H., Beiträge zur Entwicklung von Lacerta agilis (aus dem anatomischen Institut zu Marburg). Arch. f. Anat. u. Phys. Anat. Abth. Jg. 1882 S. 242. 2 Taf. 124. Strahl, H., Beiträge zur Entwicklung der Reptilien. Habilitations- schrift. Marburg 1882. 1 Tafel. (Noch einmal im Arch. f. Anat. u. Physich Anat. Abth. Jg. 1883.) 125. Strahl, H., Beiträge zur Entwicklung der Reptilien. Arch. f. Anatomie u. Physich Anat. Abth. Jg. 1883 S. 1. 126. Strahl, H., Ueber frühe Entwicklungsstadien von Lacerta agilis. Zoolog. Anz. 1883. Nr. 142. S. 347. 1 27. Strahl, H., Ueb. Canalis neurentericus u. Allantois bei Lacerta viridis. Arch. f. Anat. u. Phys. Anat. Abth. 1883. S. 323 -.340. 1 Tafel. 128. Strahl, H., Ueber Wachsthumsvorgänge an Embryonen von Lacerta agilis. Abhandlungen der Senkenberg. Naturforschergesellschaft. 63 Stn. 5 Taf. 1884. 129. Strahl, H., Zur Bildung der Cloake des Kaninchenembryo. Arch. f. Anatomie u. Physiol. Anat. Abth. 1886. 130. Strahl, H., Demonstrationen auf der Anatomenversammlung zu Würzburg 1888. In den betreff. Verhandlungen u. Anat. Anz. Jg. III. 1888. S. 740. 9* 132 Dr. med. Franz Keibel. 131. Strahl und Camus, Untersuchungen über den Kopffortsatz des Kaninchens. Marburger Sitzungsber. 1887. 132. Weldon, A. R., Note ou the early development of Lacerta muralis. Quart, journ. of microsc. sc. Jan. 1883. vol. 23. N. S. 133. Wenckebach, K. F., Der Gastrulationsprocess bei Lacerta agilis. Anatomischer Anzeiger. Jg. VI. 1891. S. 57—60 u. 72—77. 134. Will, L., Bericht über Studien zur Entwicklungsgeschichte von Platodactylus mauritanicus. Sitzungsber. d. kgl. preuss. Akademie der Wiss. Berlin 1889, 12. Dec. 135. Will, L., Zur Entwicklungsgeschichte des Gecko's. Biologisches Centralblatt. Bd. 10. 1890/91. S. 592 ff. 136. WoLEF, W., lieber die Keimblätter des Huhnes. Arch. f. mikroscop. Anatom. Bd. 21 S. 45—64. 1 Tafel. 1882. 137. Wolfe, W., Die beiden Keimblätter und der Mittelkeim. Ebenda Bd. 28 S. 425—448. 1 Taf. 1886. 138. Zumstein, J. J., Heber das Mesoderm der Vogelkeimscheibe (Huhn und Ente). Diss. Bern 1887. Nachschrift. Dass Prenant's Werk: A. Peenant, Elements d'embryologie de l'homme et des vertebres. Livr. I. Embryogenie. Paris 1890. 8 ". G. Steinbeil, mir bei Abfassung der Arbeit nicht zugänglich war, ist schon erwähnt worden. Da der Abschluss der Arbeit drängte, Hess sich das Werk nicht mehr rechtzeitig herbeischaffen, was ich um so mehr bedauere, als ich durch die freundliche Mittheilung Peenant's wusste, dass wir in vielen Beziehungen übereinstimmende Anschauungen vertreten. Inzwischen hat zu meiner Freude Peenant's Arbeit eine Würdigung durch Bonnet und — soweit es die Gastrulation und ver- wandte Fragen anlangt — durch G. Böen erfahren. Auch auf die wich- tigen Aufsätze dieser Forscher, welche in den „Ergebnissen der Anatomie und Entwicklungsgeschichte" Bd. I 1891 niedergelegt sind, sei an dieser Stelle noch verwiesen. Besonders bedaure ich, dass mir G. Born's licht- volle Darstellung der ersten Entwicklungsvorgänge (Furchung, Gastru- lation und die sich daran anschliessenden Processe) nicht schon bei der Ausarbeitung meines Aufsatzes vorgelegen hat. Erklärung der Abbildungen auf den Tafeln I— VI. Wiederkehrende Abkürzun;^ eii. Afm. = Aftermembran. Amn. = Amnion. Amn. F. = Amnionfalte. Amn. H. = Amnionhöhle. Big, ^ Blutgefäss. C. = Coelom. C. Gr. = Coelomgrenze. Chor. = amniogenes Chorion. D. Spl. = Darmseitenplatte. Ekt. = Ektoblast. En. = Entobiast. K. Seh. = Keimscheibe. Kpf. F. = Kopffortsatz. K. Spl. = Körperseitenplatte. Ms. = Mesoblast. Pr. R, = Primitivrinne. Pr. St. = Primitivstreifen. Rl— ß,6 graphische Reconstructionen von Keimscheiben, vergl. Text S. 13. Vergr. 50 mal. Rechts sind die Ordnungsnummern der Schnitte eingetragen auf Grund deren die Reconstructionen vorgenommen wurden; zugleich ist die Nummer der Figur bemerkt, unter welcher der betreffende Schnitt abgebildet wurde. 134 Dl"- naed. Franz Keibel. Taf. I. El u. R2 und Fig. 1— Ha. R 1. Reconstruction einer Schweinekeimscheibe (Serienuummer 49, Bez. S. s. I 2. b), im Alter von 14 Tagen 6 Std. Im Text als Keim- scheibe 1 beschrieben. (S. 13—25). Die Linie zeigt die centrale Grenze des Coeloms an. Das herzförmige Feld vor dem Kopffortsatz hat kein Meso- derm aufzuweisen. R 2. Reconstruction einer Schweinekeimscheibe (Seriennummer 51 Bez. S. s. I. 4 b) ; im Alter von 14 Tagen 6 Stunden. Im Text als Keimscheibe 2 beschrieben. (S. 25 — 30). Die Linie zeigt die centrale Grenze des Coeloms an, soweit dasselbe nicht mit dem Rand der Keimscheibe zu- sammenfällt. Das herzförmige Feld vor dem Kopffortsatz (Kpf. F.) hat kein Mesoderm aufzuweisen. Fig. 1. Ein Schweineei 14 Tage 6 Stunden nach der ersten Copulation dem Mutterthiere eutnonnnen. Natürliche Grösse. K. Seh. die Keimscheibe. Fig. 2. Die Keimscheibe 1 (49, Bz. S. s. I 2b), 10 mal vergrössert. Fig. 3. Der 35. Schnitt durch die Keimscheilie 1. 75 mal vergrössert. Der Schnitt zeigt den Bau des ganzen Eies. En*, Darmento- blast. Wenn auf diesem Schnitt auch auf der der Keimscheibe entgegengesetzten Wand sich Mesoblast und Coelom findet, so ist das auf eine Faltenbildung zurückzuführen. Fig. 4a — f. Schnitte durch die Keimscheibe 2. 50 mal vergrössert. Ihre Lage entspricht den in die Keimscheibe eingezeichneten Linien. Fig. 5. Die Primitivrinnengegend des 35. Schnittes durch die Keim- scheibe 1. Im Bereich der Primitivrinne (Pr. R.) zeigt das Ektoderm kein epitheliales Gefüge. Die Umrisse der Figuren sind mit dem ABBE'schen Zeichenapparat entworfen mittelst Zeiss Obj. DD. Oc. 2. Tubuslänge 160. Die Details einge- zeichnet mit Zeiss Apochr. 2 mm 1,30. Die Figuren nach- träglich auf ^/g verkleinert. Fig. 6. Der 29. Schnitt durch die Keimscheibe 1. Vergrösserung wie bei Fig. 5. Primitivstreifengegend. Bemerkenswert der y-förmige Spaltraum im Mesoderm. Fig. 7. Der 22. Schnitt durch die Keimscheibe 1; derselbe trifft die Kopffortsatzgegend. Der Kopffortsatz liegt frei zwischen Ekto- derm und Entoderm. Im Entoderm 2 Kerntheilungen be- merkenswert. Vergrösserung wie Fig. 5. Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 135 Fig. 8. Der 12. Schnitt durch die Keimscheibe 1. Gegend vor dem Kopffortsatz. Zeiss Obj. A. Oc. 4 ausgez. Tubus, auf -/g verkleinert. Das Mesoderm legt sich dem Entoderm dicht an ; das Entoderm im Bereich der Keimscheibe gegen das seitliche Entoderm deut- lich abgesetzt. Fig. 9 a— 1. Querschnitte durch die Keimscheibe 2. 50 mal vergrössert. Vergl. R2. Fig. 10. Ein Stück aus dem Schnitt 55 durch die Keimscheibe 2. Vergr. Zeiss DD. Oc. orthosc. 2. Tubusl. 160. Details mit Zeiss Aprchrom. 2 mm, 1. 30 Ap. Auf -/s verkleinert. Im Entoderm das plötzliche Dünnerwerden an der peripheren Grenze des Mesoblast auffallend. Fig. 11. Der Rand der Keimscheibe im 44. Schnitt durch die Keim- scheibe 2. Vergrösserung wie Fig. 10. Der Mesoblast theilt sich ziemlich genau am Rande der Keimscheibe in Körper- seitenplatte und Darmseitenplatte. Die Kerntheilungen (Mit.) im Entoderm beachtenswerth. Fig. 11 a. Periphere Partie der Keimblase aus dem 42. Schnitt durch die Keimscheibe 2. Die Wand des Eies besteht an der be- treffenden Stelle nur aus Ektoblast und Entoblast. Im Ento- blast zwei Riesenzellen in Mitose. (S. 27). Taf. li. R3 und Fig. 12 a— o, Fig. 13—18 und 20—26. R 3. Recoustruction einer 14 Tage alten Keimscheibe (Seriennummer 83 Bez. S. s. V 2 a). Im Text als Keimscheibe 3 beschrieben. (S. 30—37). Die -- — Linie zeigt die centrale Grenze des Coeloms an. Das Feld vor dem Kopffortsatz (Kpf. F.) hat kein Mesoderm aufzuweisen. Primitivstreifen und Primitivrinne nicht einheitlich. Fig. 12a — 0. Querschnitte durch die Keimscheibe 3. 50 mal ver- grössert. Vergl. R 3. Anstatt des 16. Schnittes ist in Fig. 12 a der 15. wiedergegeben. Fig. 13. Die linke Hälfte des 144. Schnittes durch die Keimscheibe 3. Vergr. Zeiss DD. Oc. orthosc. 2 eingesch. Tubus; auf % verkleinert. Details mit Zeiss Apochr. 2 mm 1,30 eingezeichnet. Das Entoderm im Bereich des Primitivstreifens verdickt. Allantoisanlage (AU.); Big.? vielleicht Blutgefässanlagen ; xx scheinbar freie Zellen in denselben. 136 ^^- T^^^- Franz Keibel. Fig. 14. 114. Schnitt durch die Keimscheibe 3. Vergrössening wie Fig. 13. Tiefe Primitivrinne ; bei x scheinbare Verdickung des Ento- derm. durch eine kleine Falte bedingt. Fig. 15. 125. Schnitt durch die Keimscheibe 3. Vergrösserung wie Fig. 13. Vielleicht beginnende Aftermembran. (Afm, ?) Fig. 16. Der 126. Schnitt durch die Keimscheibe 3. Vergrösserung wie bei Fig. 13. Afm. Vielleicht erste Anlage der After- membran. Fig. 17. Der 132. Schnitt durch die Keimscheibe 3. Dieselbe Vergr. Fig. 18. Die Keimscheibe 4 (S. s. I. 3. Nr. 145), 10 mal mit dem His'schen Embryographen vergrössert. Fig. 20. Der mittlere Theil des 17. Schnittes vor dem Kopffortsatz durch die Keimscheibe 4. Zeiss Obj. DD. Oc. orthosc. 2. eingeschobener Tubus. Auf ^/g verkleinert. Details mit Zeiss Apochr. 2 mm 1,30 Ap. Fig. 21. Der mittlere Theil des 22. Schnittes durch die Keimscheibe 4. Vergrösserung wie Fig. 20. Beginn des Kopffortsatzes, im Kopffortsatz eine Lücke, vielleicht eine Andeutung eines Chorda- kanales. (x) Rechts ist der Mesoblast mit dem Kopffortsatz verschmolzen. Fig. 22. Der mittlere Theil des 29. Schnittes durch die Keimscheibe 4. Vergrösserung wie Fig. 20. Mesoblast beiderseits mit dem Kopf- fortsatz in Zusammenhang; auch die Abgrenzung gegen den Mesoblast nicht möglich. Bei x eine bemerkenswerthe Kern- theilung im Entoderm. Fig. 23. Der mittlere Theil des 38. Schnittes durch die Keimscheibe 4. Vergrösserung wie Fig. 20. Beginn des Primitivstreifens; das Entoderm unter dem Primitivstreifen nicht scharf abgegrenzt. Bei X eine Lücke, die vielleicht auf einen Chordakanal hinweist, bei y eine Ektodermzelle im Stadium des Mutterknäuels, bei der man sieht, dass sie das ganze Ektoderm durchsetzt. Fig. 24. Die Mitte des 85. Schnittes durch die Keimscheibe 4. Ver- grösserung wie Fig. 20. Beachteuswerth die Anordnung der Zellen im Grunde der Primitivrinne. (Pr. R.) Fig. 25. Die Mitte des 129. Schnittes durch die Keimscheibe 4. Ver- grösserung wie Fig. 20. Bemerkensvverth die Gegend der Pri- raitivrinne, die von derselben ausgehenden Spalten im Mesoderm und der Umschlag von Ektoderm in Mesoderm. Fig. 26. Die Mitte des 138. Schnittes durch die Keimscheibe. Ver- grösserung wie Fig. 20. Vielleicht frühe Anlage der After- membran. (Afm. '?). Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 137 Taf. III. R4 und R5. Fig. 19 a— q und 28 a— m. E4. Reconstruction einer 14 Tage 6 Stunden alten Schweinekeimscheibe (Seriennummer 145 S. I. 3). Im Text als Keirascheibe 4 be- schrieben. (S. 37—47.) Die Linie zeigt die centrale Grenze des Coeloms vor. E 5. Reconstruction des cranialen Theiles einer Schweinekeimscheibe im Alter von 15 Tagen 18 Std. (Sammlungsnnmmer 146. Bez. S. s. N. 6 R 2). Im Text beschrieben als Keimscheibe 5. (S. 47—51.) Die Linie bezeichnet die centrale Grenze des Coeloms. Fig. 19a— q. Querschnitt durch die Keimscheibe 4. 50 mal vergrössert. Zwischen Fig. 191 und 19 m nur 8, nicht 10 Schnitte. Das Darmentoderm schon bei schwacher Vergrösserung ziemlich gut gegen das Dottersackentoderm abgesetzt. Fig. 28 a— m. Querschnitte durch den vorderen Theil der Keimscheibe 5. 50 mal vergrössert. Taf. IV. Fig. 27; Fig. 29—35 u. die farbigen Schemata für die Gastrulation Fig. 42—52. Fig. 27. Schweineei von 15 Tagen 18 Stunden (Nr. 146 Bez. S. s. N.6 R 2) in natürlicher Grösse. K. Seh. die Keimscheibe. Fig. 29. Der mittlere Theil des 24. Schnittes durch die Keimscheibe 5. Vergröss. wie Fig. 20. Der Schnitt durchquert die Keimscheibe unmittelbar vor dem Kopffortsatz. Fig. 30. Der mittlere Theil des 27. Schnittes durch die Keimscheibe 5. Vergr. wie Fig. 20. Der Kopffortsatz im Entoderm gelegen; im Kopffortsatz eine Lücke. Fig. 31. Der mittlere Theil des 38. Schnittes. Vergr. wie Fig. 20. Der breite Kopffortsatz (Kpf. F.) vom Entoderm deutlich ge- sondert. Fig. 32. Der mittlere Theil des 49. Schnittes durch die Keimscheibe 5. Vergr. wie Fig. 20. Der Schnitt hat etwa die Mitte des Kopf- fortsatzes getroffen. Im Kopffortsatz eine Lücke. Rechts hängt das Mesoderm mit dem Kopffortsatz zusammen. Fig. 33. Der mittlere Theil des 44. Schnittes durch die Keimscheibe 5. Vergrösserung wie Fig. 20. Der Kopffortsatz ist kurz vor dem Beginn des Primitivstreifens getroffen. Rechts hängt der laterale Mesoblast mit dem Kopffortsatz zusammen. Fig. 34. Der mittlere Theil des 69. Schnittes durch die Keimscheibe 5. Vergrösserung wie Fig. 20. 138 Dr. med. Franz Keibel. Die Kopffortsatz- resp. die Chordaanlage ist, trotzdem wir im Primitivstreifengebiet sind, vom lateralen Mesoderm getrennt. Pig. 35. Der mittlere Theil des 73. Schnittes dnreh die Keimscheibe 5. Vergrösserung wie Fig. 20. Beginn einer typischen Primitiv- streifenbildung. Fig. 42 — 51. Schemata für die Gastrulation der Säuger. Erklärung vergl. Text S. 108—116. Grün: das Material der ersten Gastrulationsphase. (Darm- -|- Dottersackentoderm). Roth: das Material der zweiten Gastrulationsphase, (Chorda und Mesoderm). Schwarz: das Zellmaterial des definitiven Ektoderm. Taf. V. R 6 und Fig. 36, 37 a— v und Fig. 38—41. R 6. Reconstruction einer Schweinekeimscheibe im Alter von 15 Tagen 18 Stunden (Sammlungsnummer 148 Bez. S. s. N. 6 R 1. Im Text als Keimscheibe 6 beschrieben. (S. 51 — 59). Die Linie bezeichnet die centrale Grenze des Coeloms. Die drei Kreuze +++ (V. Anm. Gr.) bezeichnen die vordere Grenze des Amnion. Fig. 36. Keimscheibe von 15 Tagen 18 Stunden (N. 148 S. s. N. 6 R 1) mittelst des His'schen Embryographen, 10 mal vergrössert. Die Keimscheibe 6 des Textes. Fig. 37a — V. Die ersten 6 Schnitte durch die Keimscheibe sind, weil dieselben theilweise verletzt waren, in der Tabelle nicht berück- sichtigt worden. In der Tabelle ist Schnitt 7 der Keimscheibe mit 1 bezeichnet und entsprechend weiter gezählt. Fig. 38—41. Laterale Theile der Keimscheibe auf 4 aufeinander fol- genden Schnitten (und zwar der 48.— 51. der Keimscheibe, der 42. — 45. der Tabelle). Vergrösserung wie Fig. 20. In Fig. 39 bei X eine der im Text beschriebenen Bläschenbildungen im Mesoblast der Keimscheibe. Taf. VI. Neben den Reconstructionen 1—6 sind die graphischen Darstellungen über die Intensität der Kernvermehrungen eingetragen. 1. Betrifft die Kerntheilungen im Ektoderm der Keimscheibe. 2. Die Kerntheilungen im Mesoderm. 3. Die Kerntheilungen im Entoderm. Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweines. 139 4. Die Summe der Kerntheilimgen in Ektoderm, Mesoderm und Eütoderm der Keimscheibe. 5. Die Kerntheilungen im Ektoderm der mesodermfreien Zone. 6. Die Kerntheilungen im Entoderm der mesodermfreien Zone. 7. Die Gesammtsumme der Kerntheilungen in der mesodermfreien Zone. 8. Die Kerntheilungen im Ektoderm über dem Kopffortsatz. 9. Die Kerntheilungen im Kopffortsatz. 10. Die Kerntheilungen im Entoderm unter dem Kopffortsatz. 11. Die Summe der Kerntheilungen im Kopffortsatzgebiet. 12. Die Kerntheilungen im Ektoblast des Primitivstreifen. 13. Die Kerntheilungen im Mesoblast des Primitivstreifen. 14. Die Kerntheilungen im Entoblast des Primitivstreifen. 15. Die Summe der Kerntheilungen im Priinitivstreifeu. Die nähere Erklärung siehe im Text (Absch. III S. 21 — 23). Bei der Verkleinerung auf die Hälfte sind die Curven vielfach nicht exact ausgefallen ; im Allgemeinen gewähren sie aber einen richtigen Ueberblick. Genaue Auskunft über die Zahl der Kerntheilungen in den einzelnen SchDitten jfiudet mau in den Tabellen. Lippert A Co. (G. Pätz'eche Buchdruckerei), Naumburg a. S. Morph.Ai'b.heraiisj'i; v Schwalbe. IIL Vsr'.iS •••si. Gustav Fischer ;:i .%..£. Morph . Arb. herausge^/f Schwalbe. HI Verlag von GuslavFischer ui I Morph Arb. e^. V Schwalb e.nr. Taf.m U .3.2 3) F%a ZSa.. ;i GustarFischer n .Tsr>a. Moi-pK.Arb. herausge^.v .SclLwaLbe.IIL "Verlag v Gustav Fisclier m Jei^L Morph. Arb.herausgeg v. Schwalbe. IH. Taf.Y. Veiii^ von Gustav Fischer in Jer^o Morph. Arbiiera,usge| V Schwalbe. E. / 2 3it 3 61 S 3101) uants TafAI. Fiff.52. ' ' ^ / ■'aIaK' ' f^ h ■Li " ! 1 — Y t \\ ' " r ■ ■ ' 1 ! 1 / / r\ ^ ^1 t " ii - E l ^ ; 1 ^ L : ^ " . 1 L ' ; L 1 \ i 1 / k i ^ ■ - \ 1 / 1 ^ ; = ; I 1 ' -■ k f / ^ ! i r. t --T- ! ^TT'^ FiffM. Fiß.53. / ' ö? ♦ 5 67 SB10I1 «ß»IS k^" U;, "TN L \ ! - 1 1 /' / \ s [ t =- 1 B 1. l\ / \ \ ir 1 h r 1 \ fe Sr 1 i' 1 l V J v. _y '\ i-i ^ ^ . [ = A L : pT^ '~ - A 1 / fc t ; L \ ^H p ■ - \ B / ^ 1 - ; t ' ■ ; 1 \ B / : ' ; p. \ B / c ■ , ■ f L " X, vj^ X Nf i ' 1 1 i .' .. 1 .1--' 1 Li_ Fiff.SS. 1 2 3 ^ — • -\ / 2 3 ■» 89 10n -ß 13H1S /. N E — 1 - 1 i S=4- 1 1 <■■ \ s P^ ^^ ^ \ ^Sr- E ^. ^^ 1 : :- i '■ \ ^r^ b r »^ ! ■ r mr r . • - ,/ ^ t \. " / ^ l =; r A / ^ p " ■^ - - m K f t -_ - ■ : mL t= F r f m ^ --- m= 1 1 ■- I / i- t ; ^ - "; [^ ■ 7^^" P 1 |- : : \ — I :/": = ^- :_ jr^ y j ~i fc - ; \\\ :M / i" t ^ _ - :^ 1 W i t- r 1 _ -r — \ ^E ir !: :_ =" L , 1 "Y |a W ; ■ ! r __'-.j ^ \ ~W / E • - -J ; ^_L_. — ^ ^ -.r ! 1 ' ■- i 1 i L J_ i — '''^«afo Ldh.v.W633CT,dera Verlag v OuslavFischcr m Jena. Untersucliungen über die Vertheilung der Blutgefässe an der menscUiclieii Wirbelsäule. Von Karl Zaleski, pract. Arzt. (Aus dem histologischen Laboratorium der Warschauer Universität.) Hierzu Tafel VII— IX. Die mit dem Gefässsystem der Knochen sich befassende Literatur ist, mit Ausnahme der Mittheihingen über die Histologie und V^ascu- larisation des Knochenmarkes, eine bisher nur sehr dürftige. Ausser den mehr weniger eingehenden Beschreibungen der gröberen Gefäss- vertheilung an den Knochen in den verschiedenen anatomischen Hand- büchern befassen sich, soviel mir bekannt geworden ist, nur die zwei in den Jahren 1875 und 1877 erschienenen Abhandlungen von Karl Langer eingehend mit der feineren Gefässvertheilung in Röhrenknochen und den platten Knochen des Schädeldaches (s. Literaturverzeichniss 1 und 2). Aus älterer Zeit datirt zwar die bekannte Abhandlung von G. Breschet „Essai sur les veines du rachis", doch befasst sich auch dieser Forscher nur mit der Vertheilung der gröberen Gefässe an der Wirbelsäule (3). Da ich das Originalwerk, sowie auch die spätere er- neute Bearbeitung desselben (4) hier in Warschau nicht zu erlangen vermocht habe, so war ich genöthigt, aus dem von RiBES im „Dic- tionnaire de sciences medicales" (5) gelieferten ausführlichen Auszuge aus der BRESCHET'schen Abhandlung die für die vorliegende Arbeit erforderlichen Daten zu schöpfen. Den grössten Theil des unten zu- sammengestellten Materiales zur gröberen Anatomie des Gefässsystems an der Wirbelsäule habe ich den Handbüchern von Sappey (6), Hirschfeld (7), Henle (8), W. Krause (9), Gegenbaur (10), Langer (11) , sowie dem Artikel von Bouchard im Dictionnaire encycl. de sciences med. (12) entnommen. Den Beschreibungen dieser Forscher habe ich selbst nichts wesentlich Neues beizufügen vermocht, Morpholog. Arbeiten hrsg. v. Gr. Schwalbe. III. 10 142 Karl 2aleski. doch sind sämmtliche in der folgenden Zusammenstellung niedergelegte Angaben an eigenen Präparaten von mir geprüft worden. Von den Arbeiten über das Knochenmark liabe ich in der vorliegenden Mit- theilung nur die von HOYER (13) und L. Neumann (14) näher be- rücksichtigt, welche zum Theil auch die Gefässe der Knochensubstanz in den Bereich ihrer Untersuchung gezogen haben. Die Abhand- lung von Schwalbe (15) über die Ernährungskanäle im Knochen lieferte mir Fingerzeige über die Rolle, welche die Gefässe beim Wachsthumsvorgange der Knochen spielen und aus der Abhandlung von Kadyi über die Gefässe des Rückenmarkes (16) schöpite ich werth- volle Angaben über die Gefässe des Wirbelkanales. Gröbere Gefässinjectionen habe ich meist mittelst der Teichmann- 'schen von Kadyi modificirten Kittmasse ausgeführt. Zur Herstellung von Injectionen der feinsten Gefässe für mikroskopische Untersuchung benutzte ich in Leinöl verriebenes und in ätherischen Gelen suspen- dirtes Berlinerblau, seltener blaue Leimmasse oder in verdünntem Glycerin gelöstes Berlinerblau. Die Schwierigkeit der Herstellung vollkommener Injectionen der Knochengefässe und insbesondere des venösen Abschnittes derselben wird die zahlreichen Mängel und Unzu- länglichkeiten der vorliegenden Arbeit einigermassen entschuldigen. Auch war meine zu selbstständiger wissenschaftlicher Arbeit disponible Zeit zu knapp bemessen, um eine erschöpfende Darstellung aller Einzel- heiten in den Circulationsverhältnissen selbst eines beschränkten Ab- schnittes der Wirbelsäule zu liefern. Endlich war auch die Beschaffung des geeigneten Untersuchungsmateriales mit mancherlei Schwierigkeiten verknüpft. Am reichlichsten standen mir Kinderleichen zu Gebote, sehr sparsam dagegen frische zu Injectionen geeignete Embryonen. Das Material von erwachsenen Leichen wurde mir, soweit möglich, durch den Leiter der hiesigen anatomischen Anstalt, Herrn Prof. TsCHAUSSOW zu Gebote gestellt, der mir auch mehrere fertig conser- virte Gefässpräparate von der Wirbelsäule aus der hiesigen anatomi- schen Sammlung zur Benutzung überlassen hat, wofür ich ihm zu auf- richtigem Danke verpflichtet bin. Auch Herrn Dr. R. Jasinski in Warschau fühle ich mich verbunden für mehrfache wichtige literarische Hinweise. Liter aturverzeichniss: 1. Prof. Karl LANGER. Ueber das Gefässsystem der Röhrenknochen, mit Beiträgen zur Kenntniss des Baues und der Entwickelung des Knochengewebes. Wien 1875. Separat- abdruck aus dem XXXVI Bande der Denkschr. der math.-naturwiss. Classe der Akad. der Wiss. — 2. Prof. Karl Langer. Die Blutge- fässe der Knochen des Schädeldaches und der harten Hirnhaut. Wien 1877. Ibidem Bd. XXXVII. — 3. G. Breschet. Essai sur les veines du rachis. Abgedruckt im: Concours pour la place de chef des travaux anatomiques. Paris 1819. — 4. Breschet. Recherches ana- Untersuchungen über d. Vertheilung d. Blutgefässe an d. menschl. Wirbelsäule. 143 tomiques , physiolop^iques et pathologiques sur le Systeme veiiieux. Paris 1827. — 5. F. Ribes im: Dictionnaire de sciences medicales (par une societe de medecins et de chirurgiens). Paris 1820, tome 46, pg. 559. — 6. Ph. C. Sappey. Traite d'anatomie descriptive. Paris 1853. — 7. L. HiRSHFELD. Anatomia ciala ludzkiego. Warschau 1863 (polnisch). — 8. J. Henle. Handbuch der systematischen Ana- tomie des Menschen. Braunschweig 1868, Bd. 3. — 9. W. Krause. Handbuch der menschlichen Anatomie. Bd. 2. Specielle und makros- kopische Anatomie. Hannover 1879. — 10. C. Gegenbauk. Lehr- buch der Anatomie des Menschen. Leipzig 1888. — 11. C. Langer. Lehrbuch der systematischen und topographischen Anatomie. Wien 1890. — 12. BOUCHARD im: Dictionnaire encyclopedique de sciences medicales, vol. I, ser. 3, 1874. — 13. H. HoYER. Neuer Beitrag zur Histologie des Knochenmarkes. Denkschriften der Warsch. ärztl. Ge- sellsch., Warschau 1873 (polnisch, referirt vom Verf. in den Jahresber. über die Fortschr. der Anat. und Physich für 1873, S. 113). — 14. L. Neumann, Zur histologischen Structur des Knochenmarks. Inaug. Diss. Warschau 1882 (russisch, referirt ebenda im Bericht für 1882, S. 60). — 15. G. Schwalbe. lieber die Ernährungskanäle der Kno- chen und das Knochenwachsthum. Zeitschr. für Anatomie und Ent- wickelungsgeschichte von His und Braune. Bd. 1, Leipzig 1876, S. 307. — 16. H. Kadyi. üeber die Blutgefässe des menschlichen Rücken- marks. Nach einer im XV. Bande der Denkschr. der naturwiss.-math. Classe der Acad. der Wiss. in Krakau erschienenen Monographie vom Verf. aus dem Polnischen übersetzt. Lemberg 1889. — 17. W. Betz. Morphologie der Osteogenese. Eine systemat. Skizze der Entwickelungs- geschichte und des Wachsthums der menschl. Knochen. Kiew 1889 (russisch, referirt in Hoffmann's und Schwalbe's Jahresbericht für 1887, S. 230). Die arteriellen und venösen Gefässstämme, welche die Wirbelsäule mit nutritiven Aesten versorgen. L Die Arterien der Wirbelsäule. Die Hals Wirbel (Fig. 1 und 3). Die hauptsächlichen Ernährungsgefässe der Halswirbel entstammen den beiden Arteriae vertebrales. Der Verlauf derselben ist allgemein bekannt und bedarf keiner näheren Erörterung. Ihr Durchmesser ist nicht immer ein gleicher; nach Henle erscheint am häufigsten die linke Arterie etwas dünner als die rechte. In selteneren Fällen ent- 10* 144 ß^arl Zaleski. springen eine oder beide Arterien anstatt aus der Art. subclavia un- mittelbar aus der Aorta; die entspreciienden Aeste treten alsdann nicht in das Foramen transversarium des 6. Halswirbels, sondern das des 7. (Henle, Hirschfeld). Es werden aber auch von Henle, Weber u. A. Fälle beschrieben, in welchen bei einem Ursprünge aus der Subclavia der Eintritt bald der rechten, bald der linken Vertebral- arterie erst in das Foramen transversarium des 5., 4., ja selbst des 2. Halswirbels erfolgte. In jedem Foramen intervertebrale, mit Ausnahme des 5. (zwischen 6, u. 7. Wirbel), finden wir gewöhnlich je 4 Aeste der Vertebralarterien, von denen je 2 von deren Vorderwand, 2 von der Hinterwand, selten lateral entspringen. Der eine der an der vorderen Seite entspringen- den Aeste verläuft unmittelbar nach seinem Ursprünge zunächst hori- zontal zwischen den Wirbelquerfortsätzen in medialer Richtung und etwas nach aufwärts (zum Kopfe) gebogen zum Körper des entsprechen- den Wirbels und vereinigt sich an dessen Vorderfläche verlaufend mit dem entsprechenden Aste der entgegengesetzten Körperseite zu einem gemeinsamen anastomotischen Bogen. Aus diesen queren Bögen ent- springen ausser einer grösseren Anzahl unbeständiger Aeste, welche theils in den Wirbelkörper eindringen, theils in den benachbarten Weichtheilen sich verzweigen, je zwei mehr beständige Aeste in der Richtung nach vorn (zum Kopfe) und nach hinten, welche mit den betreflenden Aesten der benachbarten Bögen anastomosirend ziemlich regelmässige länglich viereckige Maschen auf der Vorderfläche der Halswirbelsäule bilden. Von diesen anastomotischen Aesten gehen feinere Zweige zum Periost und den angrenzenden Weichtheilen. Der zweite von der Vorderfläche ausgehende Ast der Vertebral- arterie ist weniger beständig als der erste, indem er häufig nur einen Zweig der letzteren bildet. Er wendet sich nach vorn zum Querfort- satz des nächst höheren Wirbels und verläuft auf dessen Vorderfläche bis zum lateralen Rande. Seine Verzweigungen breiten sich haupt- sächlich im Periost aus und treten zu den Bündeln und Sehnen der an die Fortsätze sich inserirenden Muskeln, aus denen anderseits zahlreiche Gefässe in den Knochen eindringen. Der dritte an der Hinterfläche entspringende Ast stellt den soge- nannten Ramus spinalis dar. Derselbe tritt durch das Foramen inter- vertebrale in den Wirbelkanal und theilt sich beim Eintritt in den- selben in drei Zweige: R. spinalis anterior, medullaris und spinalis posterior. Der erste derselben zieht zur hinteren Oberfläche des Wirbel- körpers und bildet auf derselben weitere Verzweigungen, von denen mehrere in den Wirbelkörper selbst eindringen, andere mit den ent- sprechenden Gefässen der entgegengesetzten Körperseite und andere wieder mit den entsprechenden Arterien der benachbarten Wirbel anastomosiren. Auf diese Weise entsteht auf der Hinterfläche der Untersuchungen über d. Vertheilung d. Blutgefässe an d. menschl. Wirbelsäule. 145 Wirbelkörper ein ähnliches Netz feiner Arterien, wie auf der Vorder- fläche. — Der Ramus medullaris der Art. spinalis begleitet den zum Rückenmark tretenden Spinalnerv (Kadyi). — Der Ramus spinalis posterior entspringt von der Arterie fast unter rechtem Winkel und verbreitet sich an der Vorderfläche des Wirbelbogens, wobei er im ganzen nicht sehr zahlreiche Anastomosen eingeht mit den entsprechen- den Gefässen der benachbarten Bogen, sowie mit den Verzweigungen des Ramus dorsalis. — Dieser ebenfalls von der Hinterfläche der Wirbelarterie entsprin- gende vierte Ast, Ramus dorsalis, wendet sich nach hinten, bildet einen nach unten leicht convexen Bogen und verläuft an der unteren .Fläche des Wirbelbogens entlang auf dem Lig. intercrurale s. flavum zum Processus spinosus, wo er mit der entsprechenden Arterie der entgegengesetzten Seite anastomosirt. (Fig. 3 auf Taf.I.) Auf diesem Verlaufe giebt die Arterie zahlreiche dünne Zweige ab, von denen die ein^n das Lig. intervertebrale durchbohrend mit Zweigen des Ramus spinalis posterior anastomosiren (s. o.), die anderen zu den Muskeln ziehen, welche den Wirbelbogen aufliegen, die übrigen sehr zahlreichen im Periost sich auflösen. Da die Vertebralarterien in den häufigsten Fällen in das Foramen transversarium des 6. Halswirbels eintreten und auf ihrem ganzen Ver- laufe bis zu diesem Eintritt kaum drei dünne Seiten zweige abgeben und zwar zwei Muskelzweige und einen anastomotischen Zweig zur Arteria cervicalis profunda, so erhält der 7. Halswirbel keine ernährenden Ge- fässe von der Vertebralarterie. Ersatz für dieselben bieten, ausser mehreren schwachen von den Arterien des 6. Wirbels bis zum 7. Wirbel übertretenden Gefässzweigen, im Wesentlichen die Art. cervicalis pro- funda, welche an den letzteren gewöhnlich die gleichen Zweige ab- giebt, wie die Vertebralarterie an die übrigen Halswirbel. Zahl und Vertheilung derselben ist fast völlig identisch mit der oben beschrie- benen. Abweichungen von diesem Typus machen sich nur in sofern be- merkbar, als sie durch den grösseren Abstand der Art. cervicalis prof. von der Wirbelsäule bedingt werden. Dementsprechend zeigen die zum 7. Halswirbel tretenden Zweige eine grössere Länge und anasto- mosiren nicht nur mit den Arterien des 6. Halswirbels, sondern auch denen des L Brustwirbels. Es kommen jedoch Fälle vor, in denen die Vertebralarterie auch Zweige zum 7. Halswirbel abgiebt (Krause, Gegenbaue). Ich selbst habe keine Gelegenheit gehabt, eine derartige Abweichung zu constatiren, dafür fand ich eine Abnormität im Ver- halten der Vertebralarterie. Als ich nämlich dieselbe an der Leiche eines halbjährigen Kindes mit Oelmasse injicirte, ergoss sich dieselbe trotz fester ümschnürung der Canüle in reichem Strome rückwärts in die Art. subclavia. Bei der Präparation fand ich dann einen etwa 1 mm im Durchmcsaer haltenden Zweig der Art. subclavia, welcher 146 Karl Zaleski. vor der Wirbelsäule hinziehend im 3. Foramen intertransversarium mit der an der entsprechenden Seite bedeutend schwächeren Vertebral- arterie anastomosirte ; dieser Communicationszweig bildete somit eine Art von accessorischer Vertebralarterie. — Die Rückenwirbel. Die Arterien für die Rückenwirbel entstammen den Art. inter- costales. Am häufigsten finden sich je 9 derselben auf jeder Seite, es kommen aber auch nur 8 oder selbst 10 Paar derselben vor, je nach der Zahl der Aeste, welche von der Art. intercostalis suprema ent- springen. Gewöhnlich versehen die letzteren die 3 ersten Intercostal- räume, seltener nur 2 und nur hin und wieder einen vereinzelten solchen Raum. Die Zahl der Ursprünge der Intercostalarterien kann aber auch noch dadurch vermindert werden , dass 2 oder 3 der oberen Arterien aus einem gemeinsamen Stämmchen hervorgehen (HiRSCHFELD, Krause, Henle). In Folge der linksseitigen Lagerung der Aorta an der Rücken- wirbelsäule zeigen die linksseitigen Intercostalarterien einen kürzeren und geraden Verlauf bis zu den entsprechenden Foramina interverte- bralia, während die rechtsseitigen bedeutend länger sind und in ihrem Verlauf am Wirbelkörper einen relativ grossen Bogen beschreiben. Ausserdem liegt in Folge des erwähnten Ursprunges der 1.--3. Inter- costalarterie aus einem gemeinsamen Stamme die Abgangsstelle der 1. resp. 3. Intercostalarterie von der Aorta um die Höhe von 3 Wirbel- körpern tiefer als der von ihr versehene Intercostalraum, die der 2. resp. 4. um die Höhe von 2, und endlich die der 3. resp. 5. um die Höhe eines Wirbelkörpers (Krause). Diese Anordnung der Arterien bedingt einen aufsteigenden Verlauf derselben an der Wirbelsäule bis zu dem entsprechenden Intercostalraum. Aus dieser Darlegung der Gefässverhältnisse folgt, dass nur die Rückenwirbel vom 3. bis zum 12. incl. eigene Arterienstämme erhalten, während der 1. und 2. Rückenwirbel entweder nur von Gefässen er- nährt werden, welche von den benachbarten Wirbeln zu ihnen über- treten, oder von weiteren Verzweigungen der Art. intercostalis suprema; so gelangen insbesondere zum 1. Rückenwirbel Aeste von derselben Art. cervicalis profunda, wie zum 7. Halswirbel, während der 2. Rücken- wirbel von Arterien des 3. Rückenwirbels versorgt wird. — Am mitt- leren Theile der Rückenwirbelsäule, insbesondere vom 6. bis zum 8. Wirbel, entspringen die Intercostalarterien unter rechten Winkeln von der Aorta, die weiteren zeigen wieder einen schrägen nach unten und lateral gerichteten Verlauf, Jede Intercostalarterie theilt sich unterhalb des Köpfchens der entsprechenden Rippe in folgende Endäste: 1. den Ramus intercostalis s. intercostalis anterior, 2. den Ramus spinalis und 3. den Ramus dor- salis. Zwischen Ursprungsstelle und diesen Endästen giebt aber jede Untersuchungen über d. Verlheilung d. Blutgefässe an d. menschl. Wirbelsäule. 147 Intercostalarterie noch 6—8 dünnere Zweige ab, welche in den Wirbel- körper direkt eindringen, und ausserdem eine Anzahl anastomotischer Zweige zum Periost und den benachbarten Wirbeln. Die letzteren verlaufen in auf- und absteigender Richtung und erzeugen auf diese Weise eine ähnliche Configuration der anastomosirenden Arterien, wie wir sie an dem Halstheile der Wirbelsäule kennen gelernt haben. Wir übergehen hier die weiteren Verzweigungen des Ramus inter- costalis, da derselbe ernährende Gefässe an die Wirbel nicht abgiebt, und verfolgen nur den weiteren Verlauf des Ramus spinalis. Derselbe theilt sich beim Eintritt in den Wirbelcanal in den Ramus spinalis an- terior und posterior und den Ramus medullaris. Letzterer tritt ebenso wie im Halstheile der Wirbelsäule zum Rückenmark und können seine weiteren Verzweigungen hier füglich übergangen werden. Nur die beiden ersteren Zweige treten in nähere Beziehung zum Wirbel. Der Ramus spinalis anterior giebt zunächst je einen auf- und einen absteigenden stärkeren anastomotischen Zweig ab zu den betreffenden Arterien der benachbarten Wirbel. Dieselben liegen auf der Hinter- fläche des Wirbelkörpers nahe der Ansatzstelle der Wirbelbogen und geben kurze Zweige zu der letzteren ab. Die weiteren Verzweigungen des R. spinalis anterior verlaufen horizontal an der Hinterfläche des Wirbelkörpers; die Mehrzahl derselben dringt in die Markräume des letzteren, nur 2 — 3 Zweige anastomosiren mit den entsprechenden Arterien der entgegengesetzten Seite , nachdem sie vorher zahlreiche anastomotische Zweigchen zu den Arterien des Periosts und der Dura mater abgegeben haben. Der Ramus spinalis posterior wendet sich zur Vorderfläche der Wirbelbogen, welche er ebenso wie das Ligamentum intercrurale reichlich mit Gefässen versieht, und anastomosirt schliesslich mit dem der entgegengesetzten Seite. Seine Verzweigungen verbreiten sich nicht nur in dem Periost des Bogens und der Dura mater, sondern per- foriren auch mehrfach das Ligamentum intercrurale und treten in Anastomose mit den Verzweigungen des Ramus dorsalis art. intercost. Dieser dorsale Zweig der Intercostalarterie wendet sich gleich nach seinem Ursprünge nach hinten und etwas nach unten (unterhalb des Processus transversus s. costalis des entsprechenden Wirbels und an der hinteren Seite des Lig. costotransversarium breve posterius) und tritt zur Hinterfläche der Wirbelsäule. Er verläuft zunächst zwischen Muskeln, indem er sich etwas schräg nach aussen wendet, nähert sich jedoch darauf wieder dem Knochen, verläuft auf dem Periost nahe dem unteren Rande des Wirbelbogens, um schliesslich sich vom Knochen wieder abzuwenden und, nach Bildung eines dichten Gefässnetzes an der Spitze des Processus spinosus in Gemeinschaft mit den Endver- zweigungen der gleichnamigen Arterie der entgegengesetzten Körper- seite, in den umgebenden Muskeln seine letzten Endigungen zu bilden. — 148 Karl Zaleski. Unmittelbar nach seinem Uebertritt auf den Rücken giebt der Ramus dorsalis einen Zweig ab, welcher sich nach oben wendet, auf der Hinter- fiäche des Processus transversus eine leichte Krümmung bildet und mit ihrem Endtheil auch auf die Vorderfläche des Fortsatzes übertritt. Dieses Gefäss bildet reichliche Verzweigungen, welche nicht nur das Periost des Fortsatzes selbst versorgen, sondern auch das des Processus obliquus, und ausserdem auch die Articulatio costotransversaria. Ausser zahlreichen Muskelästen giebt der Ramus dorsalis auch reichliche Zweige ab zum Periost und zur Knochensubstanz der Wirbelbogen und endlich auch die bereits oben erwähnten anastomotischen Zweige zu den Gefässen des Wirbelkanals, insbesondere zum Ramus spinalis posterior. Auf diese Weise wird auf dem Periost der Wirbelbogen ein dichtes arterielles Netz gebildet, an dessen Bildung sich in gleicher Weise der Ramus spinalis anterior und posterior, sowie der Ramus dorsalis betheiligen. Der R. spinalis anterior versieht insbesondere die Ansatztheile des Bogens an den Wirbelkörper und die Innenfläche der Processus obliqui. — Die Lendenwirbel (Fig. 5 und 7). Die Arterien für die Lendenwirbel entstammen 4 Paaren von Arteriae lumbales , welche unter rechten Winkeln von der hinteren Wand der Aorta abdominalis entspringen. Sie verlaufen ungefähr zwischen mittlerem und unterem Drittheil des Wirbelkörpers lateral und nach hinten gewendet zum Foramen intervertebrale, an welchem sie in ihre Endäste zerfallen. Auf diesem Verlaufe an der Vorder- fläche des Wirbelkörpers (Fig. 5) geben sie eine Anzahl dünner Zweige ab und zwar zum Periost, zum Ligamentum longitudinale anterius der Wirbelsäule und 4 — 6 von ihrer Hinterfläche entspringende direct zu den Markräumen des Wirbelkörpers. Ausser diesen senden sie auch noch je 2 ziemlich parallele anastomotische absteigende Zweige zur nächstfolgenden Lumbaiarterie, sowie einen kleinen derartigen Zweig am oberen Rande des Wirbelkörpers zur entsprechenden Lumbararterie der entgegengesetzten Seite. Diese anastomotischen Zweige bilden somit ein ähnliches arterielles Gefässnetz mit viereckigen Maschen, wie wir es an der Halswirbelsäule kennen gelernt haben, nur werden an der Lendenwirbelsäule die oberen und unteren Seiten der Vierecke durch die Stämme der Lumbararterien selbst gebildet. Am Foramen intervertebrale zerfällt die Lumbaiarterie in folgende Aeste : den Ramus musculo-anastomoticus, den Ramus anterior (s. ab- dominalis) und den R. dorsalis. Der R. musculo-anastomoticus bildet im Wesentlichen nur einen anastomotischen Ast zur nächstfolgenden Lumbaiarterie und giebt Zweige zu den Muskeln ab, zwischen welchen er verläuft. Er entspringt vor der Ansatzstelle des Wirbelbogens und zieht an dessen Vorderfläche entlang nach unten zur nächsten Lumbaiarterie. Untersuchungen über d. Vertheilung d. Blutgefässe an d. menschl. Wirbelsäule. 149 Der R. anterior bildet nach seinem Ursprünge einen leicht nach oben und vorn convexen Bogen und verläuft an der Vorderfläche des Processus transversus, welchen er mit Gefässen versorgt, und endigt in den Muskeln der seitlichen Bauchwand. Ausserdem entsendet er noch 2 — 3 anastomotische Zweige zu den entsprechenden benachbarten Arterien und zu den Ligg. intertransversalia. Der R. dorsalis giebt zunächst am Foramen intervertebrale den E.. spinalis ab und theilt sich noch vor seinem Durchtritt durch das Lig. intertransversarium in zwei gleich starke Aeste (Fig. 7), von denen der eine im Allgemeinen sich mehr medial und nach oben, der andere lateral und nach unten wendet. Der zwischen Muskeln gelegene laterale Ast (a) giebt alsbald drei ziemlich starke Muskelzweige ab, nähert sich demnächst mehr der Wirbelsäule, sendet feine Zweige zur Hinterfläche des Processus transversus und endigt schliesslich in Muskeln. Der zweite Ast des R. dorsalis (b) verläuft gleichfalls zwischen Muskeln, versieht aber auch die Processus obliqui s. articulares benach- barter Wirbel mit Gefässen, zieht am unteren Rande des Processus spinosus entlang und entsendet dabei zu dessen Substanz und Periost zahlreiche Zweige, um schliesslich am Gipfel des Dornfortsatzes mit der gleichnamigen anderseitigen Arterie unter Bildung eines reichen in Muskeln gelegenen arteriellen Gefässnetzes zu anastomosiren. Der Ramus spinalis des R. dorsalis, welcher auch als vierter Ast der Lumbaiarterie aufgefasst werden kann, giebt ebenso wie am Hais- und Brusttheile der Wirbelsäule zunächst einen an den Nervenwurzeln verlaufenden R. medullaris (Kadyi) ab und theilt sich dann in den R. anterior und posterior. Der R. anterior bildet einen leicht nach innen und unten convexen Bogen und zieht zur Hinterfläche des Wirbel- körpers. Hier giebt er zunächst feine anastomotische Zweige zur ent- sprechenden Arterie der anderen Körperseite ab, ferner 7—10 dünne Zweige zum Wirbelkörper, mehrere dergleichen Zweige zur Dura mater und zum Periost und wendet sich schliesslich zum nächst höher liegenden Foramen intervertebrale, wo er mit einem entsprechenden ab- steigenden Zweig des R. spinalis anterior des höher gelegenen Wirbels anastomosirt. (Am 1. Lendenwirbel erfolgt die Anastomose natürlich mit einem entsprechenden Zweige der letzten Art. intercostalis.) — Der R. posterior des R. spinalis entspringt zuweilen direct vom Stamme des R, spinalis, doch häufiger bildet er nur einen Endzweig des R. anterior. Derselbe wendet sich nach hinten zur Vorderfläche des Wirbelbogens und giebt Zweige ab zu den Bogen selbst, den Dornfortsätzen, Gelenk- fortsätzen der Wirbel, zum Periost, sparsamer zur Dura mater. Anasto- motische Zweige derselben gehen nach Perforation der Lig. intercruralia zu den Verzweigungen des R. dorsalis. — Da die Aorta meistentheils im Niveau des Intervertebralknorpels zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbel oder auch am 4. Lendenwirbel- 150 Karl Zaleski. körper ihr Ende erreicht, so erhält der 5. Lendenwirbel von derselben keine directen Gefässstämme. Deren Stelle wird ersetzt durch den oberen oder aufsteigenden Ast der Arteria ileo-lumbalis, welcher nach oben gewendet an den 5. Lendenwirbel herantritt und an demselben die gleichen Verzweigungen bildet, wie die Art. lumbales an den 4 ersten Lendenwirbeln. Durch anastomotische Zweige steht diese Arterie in Verbindung mit den Rami musculo-anastomotici der Lumbaiarterien, weshalb mehrere Autoren (Gegenbauk, Hirschfeld) der Ansicht zuneigen, dass diese anastomotischen Zweige die eigentlichen Arterien des 5, Lendenwirbels darstellen. Sappey und Krause behaupten ausserdem, dass von der Art. sacralis media die rechte und linke Arteria lumbalis quinta s. ima entspringen. Dies ist in der That der Fall, aber nur bei gleichzeitigem Mangel der Art. ileo-lumbalis (DuBREUIL, Henle). Ueberhaupt sind Varietäten der Lumbaiarterien selten und beschränken sich entweder auf das Vorhandensein von nur 3 Paaren von Lumbaiarterien oder den Ursprung der ersten Lumbaiarterie von der letzten Intercostalarterie ; es kommt aber auch vor, dass die 3. und 4. Lumbaiarterie aus einem gemeinsamen Stamme entspringen (Henle). — Kreuzbein und Steissbein (Fig. 13). Das Os sacrum erhält zahlreiche Gefässverzweigungen von der Art. sacralis media und den beiden Art. sacrales laterales. — Die Art. sacralis media bildet gewissermassen die Fortsetzung der Aorta und entspringt an der Theilungsstelle der letzteren in die 2 Art. iliacae communes (zu- weilen auch etwas höher). Ihr oberer Abschnitt verläuft über die Ober- fläche des 5. Lendenwirbels und tritt am Promontorium auf den Kör- per des' Kreuzbeins über (Fig. 13). In ihrem Verlaufe über den medialen Theil der Vorderfläche des letzteren und des Steissbeins hält sie selten die gerade Richtung inne, vielmehr schlängelt sie sich bald mehr nach rechts, bald nach links, Am 5. Kreuzbeinwirbel theilt sie sich in 2 Aeste, von denen der eine in den benachbarten Muskeln sich verliert, während der andere nach Bildung eines nach rechts convexen Bogens weiter seinen medialen Weg fortsetzt. An der Grenze zwischen erstem und zweitem Steissbeinwirbel giebt der letztere unter spitzen Winkeln einen rechten und linken anastomotischen Zweig zu den Art. sacrales laterales ab. Gleiche Anastomosen finden sich am 3. Steiss- beinwirbel, wodurch eine Art von Gefässring entsteht, welcher durch die Art. sacralis media in eine rechte und linke Hälfte getheilt wird. Vor der Spitze des letzten Steissbeinwirbels zerfällt die Arterie in zwei Endzweige, welche sich in die Glandula coccygea einsenken. In dem soeben geschilderten Verlaufe entsendet die mittlere Kreuz- beinarterie zahlreiche seitliche Zweige zu den einzelnen Kreuzbein- wirbeln und zwar je 2 rechte und 2 linke zum 2., 3, und 4. Wirbel, während der 1. und 5. nur je einen einzelnen rechten und linken Zweig erhalten. Diese quergerichteten Zweige geben wiederum ihrerseits Untersuchungen über d. Vertheilung d. Blutgefässe an d. menschl. Wirbelsäule. 151 Zweige ab zum Knochen und Periost, sowie auf- und absteigende dünne anastomotische Zweige zu den benachbarten gleichwerthigen Arterien, ziehen zu den Foramina sacralia anteriora, endigen hier aber rechts und links in verschiedener Weise. Während nämlich die rechts- seitigen in die rechte Art. sacralis lateralis einmünden, entsenden die linksseitigen entweder gesonderte anastomotische Zweige zur linken Art. sacr. lateralis, oder je zwei derselben vereinigen sich zu einem solchen anastomotischen Zweige, oder endlich dringen sie in die Fora- mina sacralia anteriora ein und anastomosiren erst im Canalis sacralis mit den von der Art. sacralis lateralis sinistra abgehenden Zweigen, welche auf die Rückenfläche des Kreuzbeins übertreten. Ausser diesen Quei'ästen entsendet die Art. sacralis media auch noch mindestens je einen ziemlich starken, aber sehr kurzen Ast zu jedem Körper der Kreuzbeinwirbel. Diese Aeste entspringen an der Rückenfläche der Sacralarterie in der Mitte eines jeden Körpers, häufiger mehr an der rechten als an der linken Seite der Arterie, und dringen nach hinten gewandt unmittelbar in den Knochen. Die Art. sacrales laterales bilden Aeste der rechten und linken Art. iliaca interna s. hypogastrica, und zwar entsendet jede der letzteren je zwei seitliche Kreuzbeinarterien : die Art. sacralis lateralis superior und inferior. In bedeutend selteneren Fällen entsendet die Art. hypo- gastrica einen einzelnen gemeinsamen Stamm, welcher erst weiterhin in einen oberen und unteren Ast sich theilt, und nur sehr selten ent- springt die seitliche Kreuzbeiuarterie aus einem anderen Stamm, z. B. der Art. glutea superior oder inferior s. ischiadica (Hieschfeld, Henle ; ich selbst habe eine solche Varietät niemals angetroffen). Die seit- lichen Kreuzbeinarterien verlaufen am Seitenrande der Vorderfläche des Kreuzbeins nach unten und jede derselben endigt in gesonderter Weise (Hieschfeld, Henle). Die Art. sacrales laterales superiores entspringen aus der Art. hypo- gastrica etwas unterhalb ihrer Austrittsstelle aus der Art. iliaca communis, an der der Mitte des oberen Randes der Massae laterales entsprechen- den Stelle (Hieschfeld). In ihrem nach unten und medial gerichteten Verlaufe bilden sie einen nach aussen convexen Bogen , geben Zweige ab zum Periost und zu den Querästen der Art. sacralis media am ersten und zweiten Kreuzbeinwirbel und treten schliesslich in die obersten Foramina sacralia anteriora. In letzterem zerfällt die Arterie in ihre Endzweige : den Ramus anterior s. spinalis, welcher sich seitlich wendet und in den Canalis sacralis übertritt, und den Ramus posterior s. dor- salis, welcher sich auf die Rückenfläche des Kreuzbeines fortsetzt. Die Art. sacrales laterales inferiores begeben sich von der Art. hypo- gastrica zum Kreuzbein im Niveau von dessen zweitem Wirbel. Jede derselben erhält bei ihrem Verlaufe am 2. Foramen sacrale einen ana- stomotischen Zweig von der gleichseitigen Art. sacralis lateralis superior. 152 Karl Zaleski. Beide seitlichen unteren Sacralarterien ziehen weiterhin an der Vorder- fläche des Kreuzbeins zu dessen unterem Ende , bald dem medialen, bald dem lateralen Rande der Foramina sacralia entlang, und erreichen schliesslich an der Grenze zwischen 1. und 2. Steissbeinwirbel die von der Art. sacralis media ausgehenden anastomotischen Seitenzweige, welche oben näher beschrieben worden sind. Das Verhalten der Endzweige des Art. sacrales laterales inferiores ist wesentlich das gleiche, wie das der entsprechenden oberen Arterien. Auch hier begeben sich dieselben in die Foramina sacralia anteriora und zerfallen in den Ramus spinalis und dorsalis, nur erfolgt die Theilung weiter in der Tiefe der Oeffnungen. Ihr weiterer Verlauf gestaltet sich folgendermassen : Der Ramus spinalis theilt sich nach seinem Eintritt in den Canalis sacralis in zwei dünne Aeste. von denen der eine an der Vorderwand, der andere an der Hinterwand des Kreuzbeinkanales sich verzweigt. Von dem vorderen Ast entspringt ein ziemlich starker Zweig (von etwa 2 — 2,5 mm Durchmesser) zu der hier austretenden Nervenwurzel, 3 bis 4 kurze Zweige zum Körper des entsprechenden Wirbels, ebenso viel anastomotische Zweige zu den analogen Gefässen der benachbarten Wirbel, ferner Zweige zu den Massae laterales des Kreuzbeins und zur Dura mater. Schliesslich anastomosirt das Ende des Zweiges mit dem entsprechenden der entgegengesetzten Seite. Der hintere Ast zer- fällt an der Hinterwand des Kreuzbeinkanales in eine grosse Zahl feiner Zweige, welche theils im Periost, theils in der Dura mater sich verbreiten und zum Theil mit den der entgegengesetzten Seite und den benachbarten anastomosiren. Der Ramus dorsalis theilt sich noch im hinteren Poramen sacrale in 2 auf die Hinterfläche des Kreuzbeins übertretende Zweige. Die weiteren reichlichen Verzweigungen der letzteren vertheilen sich vor- zugsweise in Muskeln und dem Periost j während der Knochen selbst nur sparsame Gefässe erhält. Man kann eigentlich nur zwei stärkere Zweige des R. dorsalis als wahre Vasa nutritia des Knochens ansehen; dieselben sind zwar durch Muskelschichten vom Knochen gesondert, entsenden aber doch in diesen direct ihre Verlängerungen. Der eine der eben erwähnten Zweige wendet sich nach dem Austritt aus dem Foramen sacrale posterius zunächst nach unten, dann medial, giebt eine grosse Zahl anastomotischer Zweige ab zu benachbarten Gefässen, anastomosirt an der Crista sacralis media mit den der entgegengesetzten Seite und bildet ein die Crista umspinnendes Gefässnetz. Der andere Zweig wendet sich gleich nach dem Austritt aus dem Foramen sacrale posterius lateral, verbreitet sich an den Massae laterales und versieht ebenso wie der mediale Zweig nicht nur den Knochen selbst mit Ge- fässen, sondern auch das Periost und die benachbarten Muskeln. Die Arterienausbreitung an der Vorderfläche des Os coccygis ist Untersuchungen über d. Vertheilung d. Blutgefässe an d. menschl. Wirbelsäule. 153 bereits oben näher dargelegt bei Beschreibung des Verlaufes der Art. sacralis media. Die Arterien an der Hinterfiäche desselben entstammen theils von den ßami dorsales der Sacralarterien, theils vom E,amus spi- nalis anterior des 5, Kreuzbeinwirbels. Der rechte und linke E.. dorsalis dieses letzteren setzen sich nämlich unmittelbar über dem Verbindungs- knorpel zwischen Kreuz- und Steissbein auf das letztere fort und ana- stomosiren hier mit den vom Ramus anterior entspringenden rechten und linken Zweige. Die so gebildeten zwei Arterien verlaufen der ganzen lateralen Rückenfläche des Steissbeins entlang und endigen in den das letztere umgebenden Muskeln. In medialer Richtung zieht auch noch ein dritter dünner Zweig an der Rückenfläche des Steissbeins von oben nach unten, welcher mit den lateralen Gefässen mehrfach anastomosirt. Auf diese Weise entsteht an der Rückseite des Os coccygis eine Art von arteriellem Gitter mit viereckigen Maschen. Die soeben beschrie- benen Gefässe entsenden sämmtlich feine Zweige, welche im Knochen, Periost und den benachbarten Muskeln endigen. Versuchen wir nun zum Schlüsse dieses Abschnittes uns ein über- sichtliches Bild herzustellen von der Vertheilung der stärkeren Arterien an der Wirbelsäule, so können wir zunächst eine wesentliche Ueber- einstimmung constatiren zwischen dem betreffenden Verhalten der ein- zelnen Abschnitte der Wirbelsäule. Die grösste üebereinstimmung zeigt vor allem die Vertheilung der in den Wirbelkanal eintretenden Gefässe, speciell der Verzweigungen der Rami spinales und medulläres, welche nur insoweit geringfügige Abweichungen darbieten , als solche durch Grösse und Form der Wirbel und andere örtliche Verhältnisse an Hals, Kreuzbein und den übrigen Abschnitten der Wirbelsäule be- dingt werden. Aber auch die Vertheilung der Arterien an der Vorder- fläche der Wirbelsäule zeigt überall eine wesentlich übereinstimmende Anordnung, wenngleich durch den Verlauf der Aorta vor den Rücken- und Lendenwirbeln andere Bedingungen für die Gefässvertheilung er- zeugt werden, als am Halstheile, wo an Stelle der Aorta die Art. verte- brales treten, oder an dem Kreuzbein, wo die Art. sacralis media die Fortsetzung der Aorta herstellt. An allen diesen Theilen finden wir ein ziemlich gleichmässiges aus quer- und längsverlaufenden Gefässen hergestelltes Maschenwerk von unter einander reichlich anastomosiren- den Arterien. Am Halse stammen die queren Aeste von den Verte- bralarterien, am Rücken- und Lendentheile von der Aorta, am Kreuz- und Steissbein von der A. sacralis media. Von den längsverlaufenden Anastomosen sind an Rücken- und Lendenwirbelsäule diejenigen stärker entwickelt, welche von den Interconstal- und Lumbaiarterien vor den Litervertebralöffnungen sich abzweigen. Diesen entsprechen am Kreuz- bein die Art. sacrales laterales, während am Halse die Stämme der Vertebralarterien gewissermassen die Stelle dieser anastomotischen 154 ß^arl Zaleski. Zweige vertreten. Grössere durch den aufsteigenden Verlauf uiul theil- weise gemeinsamen Ursprung der ersten Intercostalarterien bedingte Abweichungen bieten nur die Arterien der ersten Rückenwirbel. Die Vertheilung der Arterien an der Rückenfläche der Wirbel- säule unterscheidet sich zwar in wesentlichen Punkten von der der Vorderfläche, dafür zeigt aber deren Anordnung an verschiedenen Ab- schnitten der Wirbelsäule noch eine vollständigere Uebereinstimmung, als an der Vorderfläche. Die Rami dorsales verlaufen hier am unteren Rande der Wirbelbogen entlang, steigen an den Processus spinosi empor oder wenden sich vielmehr nach hinten und bilden am freien Rande der Fortsätze ein reiches Gefässnetz, welches jedoch den benach- barten Muskeln eingelagert ist. Die Wirbelsäule ist mithin in allen ihren Theilen, sowohl den mehr ebenen, als den vorspringenden, von einem arteriellen Gitterwerk um- sponnen; letzteres ist jedoch mehr entwickelt an der Vordei-fläche, als an der Hinterfläche, und gleichraässiger gestaltet innerhalb des Wirbel- kanales, als an der Aussenfläche der Wirbelsäule. 2. Die Venen der Wirbelsäule. Die Ausbreitung der Venen an der Wirbelsäule unterscheidet sich von der der Arterien durch eine ungleich grössere Unbeständigkeit in der Zahl und Anordnung der stärkeren Gefässstämme, sowie durch die Neigung zur Herstellung von reichen Geflechten. Letztere umspinnen die Wirbelsäule allseitig in ihrer ganzen Ausdehnung und stellen auch die Verbindungen zwischen den gesonderten Gefässabschnitten her; sie ergiessen sich schliesslich in wenige grössere, mehr beständige, an der Vorderfläche der Wirbelsäule verlaufende Gefässstämme, welche das Blut zu den Hauptstämmen des venösen Systems überleiten. Man kann an der Wirbelsäule zwei Hauptschichten solcher venösen Plexus unterscheiden und zwar eine äussere und eine innere. Die äussere um- spinnt die ganze äussere Oberfläche der Wirbelsäule, die innere über- zieht die ganze Innenfläche des Wirbelkanales. Beide stehen mit ein- ander in unmittelbarer Verbindung vermöge reichlicher Anastomosen, von denen die bedeutendsten durch die Foramina intervertebralia hin- durchtreten. An der ganzen Vorderfläche der Wirbelsäule breitet sich ein Netz feiner Venen aus, welche Anastomosen herstellen zwischen den stärkeren Venen der gesonderten Wirbel. Die Stämme der Intercostal-, Lumbal- und seitlichen Sacralvenen gehen aus dichten venösen Plexus hervor, welche rechts und links in den Intervertebralöffnungen gelagert sind und die austretenden Nervenstämme einscheiden. In diese Plexus er- giessen sich einerseits die venösen Netze des Wirbelkanales und anderer- Untersuchungen über d. Vertheüung d. Blutgefässe an d. menschl. Wirbelsäule. 165 seits die Gefässäste, welche das Blut aus den auf der Rückenfläche der Wirbelsäule sich ausbreitenden venösen Geflechten aufnehmen. Diese letzteren sind weniger reich entwickelt an der Hinterfläche der Wirbelbogen, nehmen jedoch an der Basis des Processus spinosi an Dichte zu und erreichen die reichste Ausbildung an dem freien Rande der letzteren. Sie sondern sich hier in zwei Schichten, von denen die innere dem Knochen fast unmittelbar aufliegt, weitmaschigere Netze herstellt und aus mehr dickwandigen Gefässen gebildet wird, während die äussere, nach Brechet am lateralen Rande des M. sacro- spinalis gelegene ^) und von ihm als „veines dorsi-spinales" bezeichnete, von der inneren durch eine dünne Muskelschicht geschiedene, ein dichtes Netz feinster Venen darstellt. Das tiefe Netz entsendet reichliche Anastomosen einerseits zum hinteren venösen Geflecht des Wirbel- kanales, welche die Lig. flava perforiren, andererseits nach hinten ge- richtete zu den an der hinteren Körperoberfläche sich ausbreitenden Venen. Die Anordnung der Stämme dieses tiefen Gefässnetzes an der Hinterfläche der Wirbelsäule harmonirt im W^esentlichen mit der der entsprechenden Arterien. Was nun die Besonderheiten der Gefässvertheilung an den ein- zelnen Abschnitten der Wirbelsäule anbetrifft, so sind folgende Punkte hervorzuheben: Am Halstheile verläuft neben jeder Arteria vertebralis je eine begleitende Vene (V. vertebralis interna nach Henle und Krause, V. lateralis nach Langer). Im Grunde genommen bildet die V. verte- bralis keinen einfachen Gefässstamm, sondern einen sehr dichten Plexus weiter Gefässe, welche die Gelenkfortsätze der Wirbel überziehen, die Intervertebralöffnuugen ausfüllen und nur in dem von den Foramina transversalia gebildeten Kanäle einigermassen den Anschein eines ge- sonderten Stammes herstellen (zuweilen auch den von 2 Stämmen). In diese Hauptstämme ergiesst sich das Blut aus den venösen Plexus an der ventralen und dorsalen Seite der Halswirbelsäule und den Venen des Wirbelkanales und der Processus transversi des 6. und 7. Hals- wirbels. Ausser diesen Hauptstämmen findet sich noch jederseits eine hinter den Processus transversi der Halswirbel absteigende Vene (V. vertebralis externa s. cervicalis profunda nach Henle, Krause, Gegen- BAUR, s. vertebralis posterior nach Langer), welche das Blut aus dem hinteren Plexus vertebralis cervicalis aufnimmt. Ferner verläuft auch zuweilen ein stärkerer venöser Stamm entlang der Furche zwischen den Zacken der Processus spinosi der Halswirbel. Endlich findet sich zuweilen auch noch an der Vorderseite der Halswirbel eine stärkere aus dem Plexus vertebralis entstehende Vene (V. vertebralis adscendens nach Krause). — Die Vena vertebralis interna und externa vereinigen ^) Ribes. Diction. de scienc. med. T. 46. 156 Karl Zaleski. sich zu einem kurzen gemeinsamen Stamme, der V. vertebralis communis, welcher sich in die V. anonyma ergiesst. Am Rückentheil der Wirbelsäule bilden die Venae intercostales posteriores wahre Yenae comitantes der entsprechenden Arterien. Sie nehmen an den Foramina intervertebralia die Rami dorsales auf, welche das Blut aus dem Plexus vertebralis dorsalis sammeln, sowie die Rami spinales und treten schliesslich als V. intercostales auf die Vorderfläche der Wirbelkörper über. Die drei oder vier obersten Intercostalvenen der rechten Seite confluiren zu einem gemeinsamen Stamm, V. inter- costalis suprema, welcher sich meist in die V. anonyma derselben Seite ergiesst, seltener in die V. azygos; letztere nimmt auch die unteren Intercostalvenen der rechten Seite auf. Die oberen Intercostalvenen der linken Seite bilden ebenfalls eine gemeinsame V. intercostalis suprema, welche aber meist in die V. hemiazygos einmündet und nur ausnahms- weise in die V. anonyma sinistra. Häufig findet sich aber eine Anasto- mose zwischen der letzteren und der V. intercostalis suprema sinistra und somit auch mit der V. hemiazygos als üeberrest der embryonalen V. cardinalis sinistra. Ich selbst habe unter 8 Fällen 5 mal eine solche Anastomose angetroffen. Die unteren Intercostalvenen der linken Seite endigen ebenfalls in der V. hemiazygos. — Im Uebrigen bieten aber die Venen an dem Brusttheile der Wirbelsäule so zahlreiche Variationen ihres Verlaufes und ihrer gegenseitigen Verbindungen, dass die Auf- stellung einer typischen Anordnung zur Unmöglichkeit wird. Jeder Stamm der Lumbaiarterien wird in seinem Verlaufe an der Vorderfläche der Wirbel von paarigen, oft ungleich starken V. lum- bales (transversae) begleitet. Gewöhnlich sind jederseits 4 Lumbaivenen vorhanden, zuweilen aber auch 5; letzteres in den Fällen, in welchen die Venen des 1. und 2. Lendenwirbels nicht zu einem gemeinschaft- lichen Stamm vereinigt sich in die V. cava inferior ergiessen. Die übrigen paarigen Lumbaivenen endigen, entweder je ein Paar Begleit- venen zu einem gemeinsamen Stamme verbunden oder auch einzelne der- selben gesondert, ebenfalls in der V. cava inferior. Auf ihrem Verlaufe an der Vorderfläche der Wirbelkörper bilden die paarigen Begleit- venen sowohl unter einander, als auch mit den der benachbarten Wirbel, mehrfache Anastomosen. Der periphere Abschnitt jeder Lumbal vene nimmt in der Gegend des Foramen intervertebrale 4 Aeste auf, und zwar einen lateralen, einen dorsalen, einen oberen und unteren Ast. — Der laterale (resp. vordere oder abdominale) Ast verläuft transversal und entsteht theils aus feinen Muskelzweigen, theils aus Gefässen der Processus transversi, an deren unterem Rande sie vorüberziehen ; er bildet vielfache Anasto- mosen mit den Venae epigastricae und der V. circumflexa ilei. — Der dorsale Ast entsteht aus den Muskelgefässen und venösen Geflechten an der Rückenfläche, von denen bereits oben die Rede war. Bei Untersucliungen über d. Vertheilung d. Blutgefässe an d. menschl. Wirbelsäule. 157 ihrem Durchtritt durch das Foramen intervertebrale nehmen die dorsalen Aeste reichliche Zweige auf von den venösen Plexus des "Wirbel- kanales, vom Rückenmark und dessen Hüllen. — Die beiden vor den Querfortsätzen der Wirbel auf- und absteigenden Aeste anastomosiren mit den entsprechenden Aesten der benachbarten Lumbaivenen. Auf diese Weise entsteht ein die Venae lumbales trausversae lateral ver- einigender, vor den Processus transversi der Lumbaiwirbel aufsteigender Stamm, die Vena lumbalis adscendens nach W. Krause und Langer, V. longitudinalis anterior nach Bouchard, Y. azygos und hemiazygos lumbalis nach Henle und Hirschfeld. Dieselbe setzt sich oben beim Uebertritt in die Brusthöhle rechterseits in die V. azygos, linkerseits in die Hemiazygos fort; nach unten steht sie mit dem Plexus sacralis und der V. iliolumbalis in anastomotischer Verbindung. Die venösen Gefässzweige am Kreuz- und Steissbein ver- einigen sich zu einer rechten und linken vereinzelten V. sacralis lateralis und einer (nur zuweilen paarigen) V. sacralis media. Quere Anasto- mosen zwischen ersteren und letzterer, sowie weitere Anastomosen dieser transversalen Zweige bilden den Plexus sacralis anterior. Durch die Foramina sacralia hindurchtretende Zweige der seitlichen Sacral- venen vereinigen diesen Plexus mit dem dorsalen Venennetz des Kreuz- und Steissbeins und nehmen auch die Venen aus dem Sacralkanal und vom Rückenmark und dessen Hüllen auf. Die Sacralvenen münden theils in die V. hypogastricae, theils in die V. iliacae communes und stehen mittelst Anastomosen auch mit den V. lumbales adscendentes in Verbindung. Eine speciellere Darlegung erfordert die Anordnung der venösen Gefässe im Wirbelkanal e. In demselben verlaufen seiner ganzen Länge nach vier parallele Geflechte, Plexus spinales, und zwar zwei vordere und zwei hintere, welche in der Höhe eines jeden Wirbels durch reichliche Seitenzweige mit einander in anastomotischer Ver- bindung stehen. Sie erfüllen den Zwischenraum zwischen Dura mater und Knochen und entsenden durch die Foramina intervertebralia (resp. sacralia) plexusartige Fortsetzungen zu den Venengefiechten an der Vorderfläche der Wirbelsäule, in welche sie sich entleeren. Durch die V. vertebrales, intercostales supremae, azygos und hemiazygos treten sie in Verbindung mit der V. cava superior, durch die V. lumbales und sacrales mit der V. cava inferior. Ausserdem stehen sie am Foramen occipitale magnum in unmittelbarer Communication mit den venösen Sinus der Schädelhöhle. Krause liefert von den Plexus spinales folgende eingehende Schilderung, welcher ich aus eigener Untersuchung nichts Neues beizufügen habe : Die Plexus spinales anteriores (les grandes veines meningo-rachi- diennes nach Brechet) bestehen aus einem rechten und linken Ge- flecht oder aus zwei sich wiederholt theilenden und wieder vereinigen- Morpholog. Arbeiten hrsg. v. (i. Schwalbe. III. 11 158 ^arl Zaleski. den Venen (Venae spinales longitudinales anteriores nach Krause oder Sinus spinales nach Gegenbaur). Dieselben erstrecken sich vom Hinter- hauptsloch bis fast zum unteren Ende des Kreuzbeins. Sie liegen in mehreren Schichten der Hinterfläche der Wirbelkörper an und werden an ihrer hinteren Seite von den verdünnten Rändern des Ligamentum longitudinale posterius bekleidet und dadurch in ihrer Lage fixirt, aber auch gleichzeitig plattgedrückt. Ihre Wandungen sind sehr dünn und bilden im Lumen keine Klappen, sondern nur zahlreiche niedrige Falten. Hinter jeder Fibrocartilago intervertebralis verengern sich die Venen, hinter jedem Wirbelkörper bilden sie dagegen eine beträcht- liche Erweiterung und der rechte und linke Plexus anastomosiren hier mittelst etwas schwächerer Plexus (Plexus transversi) mit einander, welche von dem Ligamentum longitudinale posterius völlig verdeckt werden. Am Rücken- und Lendentheil der Wirbelsäule erscheinen diese Plexus am reichsten entwickelt. Sie entsenden durch die Foramina intervertebralia (resp. sacralia) seitliche kurze plexusförmige Fortsätze, welche die Rückenmarksnerven umspinnen (Rami spinales n. Krause, veines medulli-spinales nach Brechet, v. medianes rachidiennes nach Chaussier), und die Venen der dura mater und des Rückenmarkes aufnehmen. Die Rami spinales stellen die Verbindung dieser Venen mit den grösseren venösen Gefässstämmen an der Vorderfläche der Wirbelsäule her und zwar den Venae vertebrales, intercostales, lum- bales und sacrales laterales. Am Foramen occipitale raagnum anasto- mosiren die Plexus spinales anteriores mit dem Plexus circularis fora- minis magni, den Sinus basilares und mittelst eines kleinen durch das Foramen condyloideum anterius tretenden Zweiges mit den Venae jugulares. Am sacralen Ende des Wirbelkanales stehen die Plexus spinales mit den Venen der Muskeln, der letzten Kreuz- und Steiss- beinwirbel in Verbindung und nehmen nach Brechet ihren Ausgang von dem äusserst feinen Venennetz, welches die letzten Nervenwurzeln umspinnt. Die Plexus spinales posteriores (oder Venae spinales longitudinales posteriores nach Krause) bestehen ebenfalls aus einem rechten und linken Geflecht und zeigen viel Uebereinstimmung mit den vorderen Geflechten. Sie liegen locker zwischen Dura mater und der hinteren Wand des Wirbelkanales, anastomosiren sowohl unter ein- ander durch quere Geflechte, als auch vermittelst kurzer, aber stark entwickelter seitlicher Geflechte (les reseaux veineux rachidiennes nach Brechet) mit den Plexus spinales anteriores, und endlich mittelst der bereits früher, erwähnten die Ligamenta flava durchbohrenden Aeste mit den venösen Plexus an der Hinterfläche der Wirbelsäule. Durch die Queräste der vorderen und hinteren Plexus spinales wird in jedem Wirbel eine Art von Gefässkranz hergestellt, die sogenannten Circelli Tenosi spinales, als deren oberster der Plexus circularis foraminis LTntersuchungen über d. Vertheilung d. Blutgefässe an d. inenschl. Wirbelsäule. 159 magni zu betrachten sein dürfte. Die erwähnten Anastomosen spielen sicherlich eine wesentliche Rolle bei der Ausgleichung zeitweiser Circulationsstauungen in den verschiedenen Venenplexus der Wirbel- säule, wie sie dureh deren mannigfache Bewegungen und insbesondere durch Beugungen nach vorn, rückwärts und lateral herbeigeführt werden. Ausser den eben erwähnten Anastomosen und Abflüssen des Blutes aus den Plexus spinales existirt noch ein zuerst von Breschet be- schriebener und als Venae basivertebrales bezeichneter Abflussweg, welcher auch von Krause besonders hervorgehoben wird. Es sind dies wahre, nur aus einer Tunica intima bestehende Knochenvenen, welche den Wirbelkörper in der Richtung von hinten nach vorn quer durch- setzen und somit eine weitere Verbindung der Venengeflechte im Wirbelkanal mit den Venengeflechten an der Vorderfläche der Wirbel- säule herstellen (Fig. 9). Dieselben verlaufen nach Breschet in der Spongiosa der Wirbelkörper mehr weniger in einer mittleren Lage zwischen deren unterem und oberem Faserknorpel, ^) Gewöhnlich finden sich zwei kurze von den Plexus spinales anteriores beginnende Stämme, welche auf ihrem Wege Venen aus den Wirbelbogen auf- nehmen und im hinteren Theile des Wirbelkörpers zu einem venösen Ringe confluiren, aus welchem meist drei weitere Stämme divergirend und radiär zur Vorderfläche der Wirbelkörper ziehen, wo sie in die periostalen Venen des vorderen Plexus sich ergiessen. Breschet giebt indessen selbst an, dass diese venösen Kanäle nicht überall gleiche Ausbildung zeigen, vielmehr häufig zwischen den Knochenbälkchen des Wirbelkörpers mit nicht mehr wahrnehmbaren Enden (insensiblement) sich verlieren, doch finden sich wieder in anderen Fällen an der Vorder- und Hinterfläche der Wirbelkörper deutliche, bereits von Chaussieb und Dupuytren beschriebene Mündungsöffnungen dieser Venen. Breschet hebt auch ausdrücklich hervor, dass sie keineswegs in gerader Richtung von vorn nach hinten verlaufen. Bei meinen eigenen Unter- suchungen benutzte ich theils einfache Injectionen der Venen mit Oel- masse, theils Corrosionspräparate und gelangte dabei zu dem Schlüsse, dass die betreffenden Verbindungen keine ständigen Bildungen sind, und dass ihrer Function als anastomotische Kanäle zwischen den Venenplexus des Wirbelkanales und den an der Vorderfläche der Wirbelkörper nur eine secundäre Bedeutung zu vindiciren ist. Während alle typischen Venengeflechte und die Hauptabflusswege des venösen Blutes schon in sehr früher Zeit, wenn auch noch in einfachster Form, beim Embryo zur Entwickelung gelangen, vermochte ich bei einem ^) „Au milieu de l'epaisseur du corps des vertebres ä une distance presque ^gale de leur face superieure et de l'inf^rieure." Ribes. Dictionnaire des sciences medicales. Paris 1820. 11* 160 Karl Zaleskl. achtmonatlichen Fötus noch keine Spur der in Rede stehenden Communicationswege aufzufinden. Erst im Verlaufe des ersten Lebens- jahres zeigen sich die ersten Anfänge dieser Kanäle in Gestalt von mehreren weiten Venenstämmen, welche von der Vorderfläche und vom Wirbelkanal aus in die sich immer weiter entwickelnde spongiöse Knochensubstanz vordringend im mittleren Theile des Wirbelkörpers ein- ander begegnen und mittelst dünner Zweige mit einander anastomosiren (Fig. 10). Zu völliger Entwickelung gelangen sie somit erst im weiter vorgerückten Alter und zeigen dann einen sehr ungleichmässigen ge- schlängelten Verlauf, so dass derselbe auf einem einfachen horizontalen Durchschnitt des Wirbelkörpers niemals in allen seinen Theilen zu übersehen ist. Ihrem Wesen nach stellen sie wahre Knochenvenen der Wirbelkörper dar, deren Zweige aus allen peripheren Theilen des- selben nach dem Centrum convergirend sich zu grösseren Stämmen vereinigen, welche das venöse Blut aus dem Wirbelkörper einerseits zu dem Plexus an der Vorderfläche, andererseits zu den Plexus spinales im Wirbelcanale ableiten. Ausser diesen Hauptabflusskanälen des Blutes dringen in jeden Wirbel noch eine grössere Zahl kleinerer venöser Gefässe, welche meist zu zweien die in dieselbe Oeffnung eintretende Arterie bis zu ihren letzten Verzweigungen begleiten. Bei ihrem Austritt aus dem Knochen er- giessen sich die Venen in die im Periost sich ausbreitenden Plexus und büssen dann auch meist ihren Charakter als Venae comitantes ein. Die Plexus an der Vorderfläche der Wirbelsäule zeigen im Wesent- lichen die gleiche, ziemlich regelmässige gitterförmige Anordnung mit viereckigen Maschen, wie die Arterien. Am Rücken- und Lendentheil correspondiren meist nur vereinzelte Venen mit der Ausbreitung der Arterien in diesen Netzen, am Kreuzbein werden die anastomotischen Ver- bindungen zwischen mittlerer und seitlicher Sacralarterie meist von paarigen Venen begleitet, am Halse entsprechen fast sämmtlichen längs- und querverlaufenden Zweigen des arteriellen Plexus doppelte und selbst dreifache Venen. Die Plexus des Kreuzbeines stehen in Anastomose mit den Venen der den Beckenraum ausfüllenden Organe. Eine ausgiebige Injection der feinsten Venenausbreitung an der Wirbelsäule von den Stämmen aus wird unmöglich gemacht durch das Vorhandensein reichlicher venöser Klappen. Die Füllung der Venen gelingt meist nur von den Arterien aus durch Injection mit leicht sich ausbreitender Oelmasse. Die ersten Klappen treten bereits auf an den Uebergangsstellen der feinen Plexus des Periosts, welche die aus dem Knochen heraustretenden Venen aufnehmen, in die Stämmchen der stärkeren Plexus. Weiterhin finden sie sich an den Zusammenflüssen der letzteren zu ableitenden Hauptstämmen (den V. vertebrales, inter- costales, lumbales, sacrales), sowie beim Uebergang dieser in die Hauptvenen des Körpers, z. B. an der Einmündungsstelle der V. verte- Untersuchungen über d. Vertheilung d. Blutgefässe an d. menschl. Wirbelsäule. 161 brales communes oder der intercostales supremae in die V. anonymae. Sehr wesentlich ist das Vorhandensein der Klappen an den aus dem Wirbelkanal heraustretenden Venen ; nach Kadyi sind selbst die Venen des Rückenmarkes bei ihrer Mündung in die ableitenden Zweige der Plexus spinales mit Klappen versehen. An der Lendengegend erhielt ich wiederholt Injectionen der feineren Venenverzweigungen von den stärkeren Stämmen aus, wohl in Folge einer an der Leiche künstlich entstandenen Insufficienz der Klappen, doch scheinen dieselben an diesem Abschnitt des Venensystems überhaupt schwächer entwickelt zu sein. Die Resultate der im Vorstehenden gelieferten Darstellung der gröberen Gefässvertheilung an der Wirbelsäule lassen sich in folgenden Sätzen kurz zusammenfassen: Die gleichmässige Blutvertheilung an den einzelnen Abschnitten der Wirbelsäule bei deren verschiedenen Beu- gungszuständen wird geregelt durch ein höchst reichentwickeltes Netz- werk von Arterien und Venen. Die Arterienverzweigungen bilden zahlreiche Anastomosen bis zu ihrem Uebertritt in die Gefässcanäle des Knochens ; die venösen Geflechte werden sogar noch dichter innerhalb des letzteren und setzen sich bis zu ihrem Ursprünge aus den arteriellen Capillaren fort. Von dem auf diese Weise hergestellten continuirlichen, arteriellen und venösen Geflecht wird die Wirbelsäule in ihrer ganzen Ausdehnung vom Hinterhauptsloch bis zur Steissbein- spitze sowohl an der Aussenfläche, als im Wirbelcanale übersponnen. Die äusseren Geflechte werden durch die von der Wirbelsäule entspringenden Brust- und Bauchwandungen in eine vordere und eine hintere Schicht geschieden. Die vordere arterielle Schicht ent- steht unmittelbar aus den die Wirbelsäule versorgenden Stämmen, welche gleichzeitig durch die Intervertebralöffnungen Zweige sowohl zu dem arteriellen Netz des Wirbelkanales, als zu dem Netz an der Rückenfläche der Wirbelsäule abgeben; von ersteren entspringen wiederum die Zweige für das Rückenmark und seine Hüllen. In wesentlich gleicher Weise entsenden auch die an der Vorderfläche der Wirbelsäule verlaufenden Venenstämme ihre Verzweigungen zur Bildung der venösen Plexus an der Vorderfläche, der Hinterfläche und im Wirbelkanale. Die arteriellen und venösen Geflechte der Hinterfläche vereinigen sich vielfältig mit denen des Wirbelkanales durch anastomotische Zweige, welche die Ligamenta flava durchbohren; nach der Vorderfläche entsenden nur die venösen Plexus spinosi anastomo- tische Zweige durch die Wirbelkörper (die V. basi-vertebrales). Da jedoch die die Wirbelsäule versorgenden Arterien gleichzeitig auch reichliche Zweige abgeben zu den an derselben sich inserirendcn Muskeln und Bändern, sowie zur Brust- und Bauchwand, zu der den ganzen Rumpf überkleidenden Hautdecke, so ist es auch begreiflich, dass die Gefässe der Wirbelsäule mit diesen Aesten vielfache Anastomosen eingehen, 162 Karl Zaleski, und insbesondere dass die diesen Arterien entsprechenden Venen eben- falls dichte anastomotische Verbindungen herstellen mit den Venen- geflechten der Wirbelsäule. — Die Gefässe am Halstheile der Wirbel- säule entspringen, wie wir gesehen haben, zum grössten Theile aus der Arteria und Vena vertebralis. Die Brustwirbelsäule erhält ihre Gefässe aus den Intercostalarterien und -venen; erstere entspringen aus der Aorta, letztere münden theils in die V. anonymae, theils in die V- azy- gos und hemiazygos. Die Lendenwirbelsäule wird von den Lumbai- arterien und -venen versorgt, welche aus Aorta und Vena cava inferior entspingen, die Venen anastomosiren aber auch mit dem Bauchtheile der V. azygos und hemiazygos. Die Gefässe des Kreuz- und Steissbeins nehmen hauptsächlich ihren Ursprung von den Arteriae und Venae sacrales mediae und laterales, welche ihrerseits wieder Aeste der Arteriae und Venae iliacae communes und hypogastricae darstellen, — Die venösen Geflechte bilden innerhalb des von knöchernen Wänden rings umschlossenen Wirbelkanales ebenso wie in den Mark- höhlen der Knochen ein continuirliches netzförmiges von Klappen völlig freies Kanalsystem (die Arterien stellen ein solches continuir- liches Netz auch auf beiden äusseren Flächen der Wirbelsäule her). Von den äusseren Plexus werden aber die Veuenplexus des Wirbelkanales durch Klappen geschieden, welche jede Rückstauung von ersteren in letztere verhindern. Bei Stauung des Abflusses nach aussen in irgend einem Abschnitte der Plexus spinales kann das Veneublut sehr leicht in die Abflusswege eines anderen Abschnittes abgeleitet werden, also z. B. bei Stauungen in der V. cava inferior durch die Venen der Brust- oder Halswirbelsäule oder selbst durch die Sinus der Schädelhöhle in die V. cava superior. Doch scheint es nach meinen Inj ectionsresul taten nicht unmöglich, dass bei stärkeren Stauungen in der unteren Hohl- vene das venöse Blut aus den Lumbaivenen nicht nur durch die V. azygos zur oberen Hohlvene gelangen kann, sondern auch durch die Plexus spinales. Die im Periost und der Knochensubstanz der Wirbel sich ausbreitenden Gefässe. Die im Vorhergehenden beschriebenen Geflechte der stärkeren Arterien und Venen verlaufen theils in den den Wirbeln aufhegenden Muskelschichten, in deren Scheiden und den an das Periost sich in- serirenden Fascien und serösen Membranen (Pleura, Peritoneum), theils sind sie mittelst lockeren Bindegewebes dem Periost unmittelbar ange- heftet. Die von diesen Geflechten in das Periost eindringenden Zweige Untersuchungen über d. Vertheilung d. Blutgeiässe an d. menschl. Wirbelsäule. 163 bilden ebenfalls Geflechte, welche sich in beiden Schichten des letz- teren ausbreiten, mit einander in unmittelbarer Verbindung stehen und zum Theil in den betreffenden Schichten sich in Capillaren auflösen. Die äussere Schicht enthält ein dichteres Geflecht stärkerer Gefässe und ein relativ weitmaschiges Netz von Capillaren, in der inneren ist d?s Capillarnetz dichter, das Geflecht der Arterien und Venen besteht dagegen aus schwächeren Gefässen mit weiteren Maschen. Gewöhn- lich werden die Arterien im Periost von zwei Venen begleitet. Ein Theil dieser Gefässe breitet sich in der tiefsten Schicht des Periosts aus und verläuft selbst in rinnenförmigen Vertiefungen an der Ober- fläche des Knochens (resp. des Knorpels an der Wirbelsäule von Kin- dern). Von diesen tiefen Gefässen des Periosts dringen zahlreiche Zweige in die compacte Knochensubstanz, welche an den Bögen und Fortsätzen der Wirbel stärker, an deren Körpern dagegen nur sehr schwach ausgebildet ist, und vereinigen sich schliesslich mit den Ge- fässen in den Markräumen der spongiösen Substanz. Das Geflecht der periostalen Gefässe ist dichter am mittleren Theile der Wirbelkörper, als an deren den intervertebralen Faser- knorpeln benachbarten oberen und unteren Rändern , dafür sind die Gefässstämmchen an diesen letzteren Stellen stärker. Zu dem Periost der Wirbelbogen und -fortsätze gelangen vorzugsweise Gefässe von den Muskeln , welche sich an dieselben inseriren. Da die compacte Knochensubstanz an diesen Theilen wesentlich stärker ausgebildet ist, als an den Körpern der Wirbel, so finden wir in derselben auch wahre HAVERö'sche Kanäle. Letztere sowie die in ihnen verlaufenden Ge- fässe zeigen sehr verschiedene Durchmesser. Der grössere Theil dieser Kanäle enthält nur je ein einzelnes Gefäss und zwar eine Vene oder ein venöses Capillar, welche an den von Langer als Knotenpunkte bezeichneten Stellen mit einander communiciren (Fig. 16). Ausser venösen Gefässen kommen in den eigentlichen HAVERS'schen Kanälen nur sparsam arterielle Capillaren vor, aber keine eigentlichen mit Muskelhaut versehene Arterien, welche nur durch kurze, gerade und weite Kanäle direct in die Markräume eindringen. Bei Embryonen ist die Gefässvertheilung im Periost relativ sehr sparsam ; erst bei weiter fortgeschrittener Entwickelung des Embryo wird die Zahl der Gefässe eine ansehnlichere. Im Verlaufe des ersten Lebensjahres nach der Geburt gelangen erst zahlreichere directe Ver- bindungen zwischen den Gefässen des Markes und des Periosts zur Ausbildung, während noch bei 8 monatlichen Föten nur relativ sparsame derartige Verbindungen sich nachweisen lassen. Ausser diesen vom Periost aus in die Markräume eindringenden Gefässen erhält der Wirbelknochen noch seine speciellen nutri- tiven Gefässe, welche theils durch grössere gesonderte Oeffnungen in denselben gelangen, so insbesondere an den Wirbelkörpern, theils auch 164 K:arl Zaleski. von den lusertionsstellen der Muskeln und Bänder aus in denselben eindringen, wie an den Bögen und Fortsätzen der Wirbel. Acht bis zehn solcher nutritiver Arterien entspringen von den an der Yorderfläche der Wirbelsäule sich ausbreitenden Geflechten stär- kerer Zweige der Art. vertebrales, intercostales, lumbales und sacrales und dringen in senkrechter Richtung in den Knochen ein. Ungefähr ebensoviel Zweige, aber meist zu nur zwei Bündeln mit einander ver- einigt, werden von den im Wirbelkanale sich verzweigenden Rami spinales in umgekehrter Richtung in den Wirbelkörper entsendet. Die letzteren nehmen unter den im Knochen sich ausbreitenden Gefässen die wich- tigste Stelle ein , insofern sie bei der beginnenden Ossification des Wirbels beim Embryo die ersten in den Knorpel vordringenden Zweige liefern. Bei jungen Embryonen ziehen nur 2 — 3 Arterienzweige aus dem stark verdickten Periost im Wirbelkanale zusammen mit ihren Begleitveuen in die sich entwickelnden Markkanäle des Ossifications- punktes. Bei Erwachsenen finden wir dagegen an der entsprechenden Stelle eine grössere Zahl arterieller Stämmchen , welche durch zwei benachbarte, nur durch eine etwa 1 — 1,5 mm dicke Knochenlamelle von einander gesonderte Canäle von nur etwa 5 mm Länge in die Markräume des Wirbelkörpers eindringen (Fig. 11). Die Oeffnungen derselben finden sich ungefähr in der Mitte der hinteren Fläche des Wirbelkörpers, rechts und links von der longitudinalen Mittellinie. In den rechten Kanal tritt gewöhnlich eine grössere Zahl von arteriellen Zweigen (4 — 6) als in den linken. Kurz nach dem Eintritt in den Kanal divergirt einer dieser Zweige nach oben, der andere nach unten und beide zerfallen in eine grosse Zahl von dünnsten Bndzweigen. Die anderen Zweige anastomosiren auf ihrem Verlaufe durch den Kanal unter einander, ebenso am Ende des Kanales, wo sie auch mit ihren Nachbarn, sowie mit den von der Vorderfläche des Wirbelkörpers aus eingedrungenen Arterien Anastomosen eingehen. An der Ver- einigungsstelle aller dieser Gefässe entsteht ein kurzer dicker gemein- samer Stamm, welcher aber alsbald in eine grosse Zahl von nach allen Seiten divergirenden Zweigen zerfällt. Letztere vertheilen sich in den Markkanälen, verzweigen sich dichotomisch, anastomosiren unter einander und entsenden ihre Endzweige zur Peripherie des Wirbelkörpers. Da ich meine mikroskopischen Untersuchungen nur an den Wirbeln von Kinderleichen angestellt habe, so vermag ich über die letzten Enden dieser perijjheren Zweige keine bestimmten Angaben zu machen. Nach den Befunden an kleineren Thieren kann es aber kaum einem Zweifel unterliegen, dass sie mit den vom Periost eindringenden Zweigen un- mittelbare Verbindungen eingehen und so ein den Knochen in allen Richtungen durchsetzendes Netz herstellen. Bei Kindern besteht im 1. Lebensjahre die periphere Schicht des Wirbelkörpers zum grösseren Theile noch aus Knorpel. Dement- TJnterBuchungen über d. Vertheilung d. Blutgefässe an d. menschl. "Wirbelsäule. 165 sprechend bietet die Ausbreitung der Gefässe an der Grenze von Knochen und Knorpel eine analoge Anordnung dar, wie am Grenz- knorpel der ossificirenden Epiphysen langer Knochen. Die den Wirbel- körper versorgenden Arterien entstammen hier nicht nur den vom "Wirbelkanale aus eindringenden Aesten der Arteriae spinales, sondern auch den an der Vorderfläche der Wirbel sich ausbreitenden Geflechten, welche von vorn nach hinten vordringende Zweige entsenden. Beide Arteriengebiete stehen im mittleren Theile des Wirbelkörpers mittelst zahlreicher Anastomosen mit einander im Zusammenhange, doch wer- den von hinteren Arterien vorzugsweise die hinteren, von den vorderen die vorderen Abschnitte der Wirbelkörper versorgt. Die von den cen- tralen Stämmen zur Peripherie ausstrahlenden Zweige bilden auch unter einander zahlreiche Anastomosen, welche jedoch weiter nach aussen immer sparsamer werden, so dass in die an den Knorpel heran- reichenden Markkanäle nur dünnste Endzweige der Arterien resp. arterielle Capillaren gelangen, welche am blinden Ende jeden Markkanales mit trichterförmiger Erweiterung in die schlingenförmigen Anfänge der capillaren Venen übergehen, wie dies bereits von HoYER und Langer^) für die Gefässe des ossificirenden Knorpels nachgewiesen worden ist (s. Fig. 19). Solche Uebergänge arterieller Capillaren in dünnste Venen mit einfacher endothelialer Wandung finden sich übrigens auch zahlreich im Verlaufe weiterer Markkanäle sowohl im Wirbelkörper, als auch im Bogen und den Fortsätzen. Die den vorbeschriebenen Arterienverzweigungen entsprechenden und ebenfalls radial verlaufenden Venen bilden nach der Peripherie zu reiche Verzweigungen und Anastomosen (Geflechte), vereinigen sich aber allmählich zu wenigen weiten Stämmen, welche jedoch nicht im Centrum der Wirbelkörper zu einem gemeinsamen ableitenden Stamme zusammenfliessen, sondern zwei gesonderte Abflussgebiete herstellen, und zwar für den vorderen und den hinteren Abschnitt des Wirbel- körpers. Die Venen des hinteren Abschnittes vereinigen sich zu zwei Stämmen, welche durch dieselben Knochenkanäle zu den Plexus spinosi im Wirbelkanale ziehen, durch welche die oben beschriebenen Arterien eintreten ; die Venen verlaufen in der Axe der Kanäle, die Arterien an deren Peripherie. Durch die ebenfalls erwähnte aus spongiöser Knochensubstanz gebildete Scheidewand beider Kanäle treten mehr- fache anastomotische Zweige von dem einen zum anderen Venen- stamme (Fig. 10). Die Venen im vorderen Abschnitte des Wirbel- körpers verlaufen ebenfalls radial, vereinigen sich aber nahe der Mitte des Wirbelkörpers zu 2 oder 3 Stämmen, welche eine entgegengesetzte Anordnung zeigen, wie die vorerwähnten, indem sie sich zur Vorder- ^) S. Fig. 47 und 49 der Abhandlung von Langer über das Gefässsystem der Röhrenknochen. 166 Karl Zaleski. fläche des Wirbels begeben und in die an der letzteren sich ausbrei- tenden Venengeflechte ergiessen. Zwischen beiden Venengebieten existiren zwar bei Kindern im 1. Lebensjahre bereits mehrfache dünne Anastomosen, aber die auf S. 159 erwähnten Venae basivertebrales Bre- scheti sind noch nicht vorhanden und entwickeln sich erst im weiter vorgeschrittenen Alter. Die Bögen und Fortsätze der Wirbel erhalten ihre Gefässe aus ge- meinsamen Stämmen, welche einerseits von der Aussenfläche und andererseits vom Wirbelkanale aus an der Vereinigungsstelle der Bögen und Querfortsätze in die Markräume eindringen. Nahe der Eintritts- stelle bilden die Gefässe zunächst in weiten mit einander communici- renden Räumen vielfache Anastomosen und entsenden dann weiter ge- sonderte Zweige zu den queren und Gelenkfortsätzen. In diesen divergiren die Arterien und Venen ebenso wie in den Wirbelkörpern nach allen Seiten unter Bildung von Geflechten. Die Enden der arte- riellen Capillaren münden auch hier in die Geflechte der venösen Ca- pillaren. Ein Theil der letzteren sammelt sich zu venösen Stämmchen, welche die Markkanäle auf denselben Bahnen verlassen, auf welchen die Arterien hineingelangen; ein anderer Theil derselben begiebt sich aber zu den HAVERs'schen Kanälen. In den Wirbelbögen ist der Ver- lauf der Markkanäle und Gefässe ein mehr longitudinaler von vorn nach hinten gerichteter, somit dem der Röhrenknochen mehr ange- näherter, ausserdem ist auch schon bei Kindern die corticale compacte Knochensubstanz hier wesentlich stärker ausgebildet als an den Wirbel- körpern. Die HAVEEs'schen Kanäle in derselben sind an aus Kinder- leichen entnommenen Präparaten sehr breit, kurz, anastomosiren viel- fach unter einander und gehen nach innen zu allmählich in Markkanäle über. Während in diesen Uebergangsstellen die Gefässe von Knochen- mark eingehüllt sind, werden sie in den HAVERs'schen Kanälen von Zügen fasserigen Bindegewebes begleitet, welche vom Periost aus in die letzteren eindringen (Fig. 18). Meist verlaufen in diesen Kanälen neben einander mehrere weite Gefässe mit wesentlich venösem Charakter, welche gewissermaassen Anastomosen herstellen zwischen den Venen des Markes und des Periosts, doch scheinen auch einzelne arterielle Endzweige vom Periost aus auf eine gewisse Strecke in dieselben ein- zudringen. An den noch knorpeligen Verbindungsstellen der Bögen mit dem Wirbelkörper bei Kindern bilden die Gefässe der ersteren wieder die gleichen charakteristischen Uebergänge der arteriellen in die schlingenförmigen Anfänge der venösen Capillaren, wie an der Verknöcherungszone des Diaphysenknorpels von Röhrenknochen. Die gleichen Bildungen finden sich auch an dem hinteren Ende jeder Wirbelbogenhälfte bei Embryonen, bei welchen die hintere Verschmel- zung der Hälfte noch nicht erfolgt ist. Durchschnitte der Wirbel von erwachsenen Menschen an der Untersuchungen über d. Vertheilung d. Blutgefässe an d. menschl. Wirbelsäule. 167 Ansatzstelle der Bögen an die Körper zeigen den unmittelbaren Zu- sammenhang der Markräume der ersteren mit den der letzteren, woraus auch entsprechende Anastomos'en der in den Markräumen beider Theile sich ausbreitenden Gefässe zu erschliessen sind. Die besondere Form dieser Verbindungen vermag ich aber selbst nicht näher darzulegen, da meine mikroskopischen Untersuchungen nur an Embryonen und an Leichen von Kindern aus dem ersten Lebensjahre angestellt sind. In diesem Alter wird der ossificirte Theil des Wirbelkörpers von dem des Bogens noch durch Knorpel gesondert, dessen Gefässe noch keine Verbindungen hergestellt haben mit den der beiderseitigen Knochen. Diese Knorpelgefässe sind ganz wie am Epiphysenknorpel von Röhren- knochen in breiten kanalartigen Räumen eingeschlossen, die an den blinden sackartigen Enden besonders reich entwickelt sind. Die Knorpel- kanäle communiciren nicht unter einander, verzweigen sich aber mehr- fach und entsenden ihre sackartigen Ausläufer in entgegengesetzten Richtungen und zwar nach dem Wirbelkörper und nach dem Bogen zu. Es kann kaum einem Zweifel unterliegen , dass die in diesen Kanälen eingeschlossenen Gefässe bei der Herstellung der späteren Verbindungen zwischen den Gefässen des Wirbelbogens und -körpers in gleicher Weise sich betheiligen, wie dies Langer für die Knorpel- gefässe an dem Grenzknorpel der Dia- und Epiphyse von Röhren- knochen nachgewiesen hat. An entsprechenden Schnitten injicirter Wirbel von kleineren Thieren lässt sich der in Rede stehende Zu- sammenhang der Gefässe in Bogen und Wirbelkörper mikroskopisch direct nachweisen , doch auch an gleichen Durchschnitten injicirter Wirbel von erwachsenen Menschen kann man mit der Loupe sehr wohl die Fortsetzung der kleinsten Arterien des Wirbelkörpers bis in die Ansatzstelle des Bogens verfolgen. Aus der vorstehenden Darstellung ergiebt sich , dass der Wirbel ebenso wie der Röhrenknochen von zahlreichen Gefässen versorgt wird, die einerseits durch die Foraraina nutritia und andererseits von dem feineren Gefässnetz der inneren Periostschicht in die HAVERs'schen Kanälchen eindringen. Während aber an den Diaphysen der Röhren- knochen letztere Ernährungsweise überwiegt und meist nur ein ver- einzeltes grösseres Foramen nutritium vorhanden ist, finden sich an der ganzen Oberfläche des Wirbelkörpers sehr zahlreiche stärkere Oeff- nungen für den Durchtritt arterieller und venöser Gefässe, in analoger Weise wie an den Epiphysenenden der Röhrenknochen, und nur die Wirbelbögen und Fortsätze zeigen ein den der Diaphysen der Röhren- knochen mehr angenähertes Verhalten. Diese Abweichungen in der Gefässversorgung beider Theile stehen im Zusammenhange mit der ver- schiedenen Ausbildung der compacten Substanz, deren Entwicklung am Wirbelkörper eine relativ nur sehr schwache ist, während die Bögen und Fortsätze mit einer wesentlich stärkeren Schicht derselben 168 l'^arl Zaleski. bekleidet sind. Die sämmtlichen Foramina nutritia am Wirbelkörper können entsprechend den an den Epiphysen der Röhrenknochen als accessorische (Langee) bezeichnet werden, mit Ausnahme des grossen, an der Hinterfläche des Körpers in den Wirbelkanal sich öffnenden und meist verdoppelten Gefässkanales, welcher als primär zu betrachten ist. Von dieser letzteren Stelle aus dringen die ersten Gefässe für den primären Ossificationspunkt in den embryonalen Knor- pel des Wirbelkörpers ein, während die accessorischen Gefässkanäle unzweifelhaft den wesentlich später von der Peripherie aus in den Knorpel eindringenden, unten noch näher zu beschreibenden, Gefäss- schlingen ihren Ursprung verdanken. Was nun die speciellere Entwicklungsgeschichte der Gefässe an der Wirbelsäule anbetrifft, so kann es wohl kaum einem Zweifel unter- liegen , dass auch hier ebenso wie an anderen Theilen des Skelettes das Auftreten der ersten Verknöcherungspunkte zu dem Eindringen der ersten Gefässe in den Knorpel in innigster Beziehung steht. Ueber den Beginn der Verknöcherung in den Wirbeln lauten die Angaben der verschiedenen Forscher sehr abweichend. Nach Köllikee sollen bereits am Ende des zweiten Monates die ersten Ossificationspunkte beim menschlichen Embryo zum Vorschein kommen und zwar zunächst in den Bogenknorpeln und erst später in den AVirbelkörpern , doch fügt er in seinem grösseren entwicklungsgeschichtlichen Werke dazu die Bemerkung, dass in den unteren Wirbeln das umgekehrte Ver- halten statt hat. Heetwig urgirt gleichfalls das frühere Auftreten der Ossificationspunkte in den Wirbelbögen, macht aber keine Mittheilung über den Zeitpunkt dieses Vorganges. Nach Betz's ausführlicher Abhandlung über die Verknöcherung (No. 17 des Literaturverzeich- nisses) treten die ersten Ossificationspunkte zwischen dem 75. und 90. Tage gleichzeitig im Wirbelkörper und beiden Bogenhälften auf. Ich selbst fand an Lumbaiwirbeln aus der gleichen Periode nur einen bereits ziemlich vorgeschrittenen Knochenpunkt im Wirbelkörper; die Bögen bestanden noch ganz aus Knorpel und waren mit den Körpern und unter einander am hinteren Ende noch mittelst faserigen embryo- nalen Gewebes verbunden. Von Gefässen, welche beim Erwachsenen die Wirbelsäule umspinnen, finden sich die ersten Anlagen bereits in ziemlich frühen Stadien auch schon bei Embryonen vor. Mit der fortschreitenden Entwicklung der Organe vermehren sich mit der Zahl auch die gegenseitigen Verbin- dungen der Gefässe. Die Zweige für die ersten Ossificationspunkte entstammen den im Wirbelkanale sich entwickelnden arteriellen und venösen Spinalgefässen. Ich selbst untersuchte den Vorgang an Schnitten von einem viermonatlichen injicirten Embryo und fand hier gewöhnlich 2 — 3 in den Wirbelkörper von hinten eindringende Arterien- stämmchen, die meist nur von einer stärkeren Vene begleitet wurden. Untersuchungen über d. Vertheilung d. Blutgefässe an d. menschl. "Wirbelsäule. 169 In der mehr der hinteren Oberfläche des Wirbelkörpers angenäherten Verknöcherungszone zerfallen die Arterien in nach allen Seiten aus- strahlende und wiederholt unter einander anastomosirende Aeste. Die letzten capillaren, von Anastomosen freien Endzweige derselben reichen in gleicher Weise, wie an der Ossificationsgrenze der Röhrenknochen, über die bereits ossificirte Zone hinaus in die Schicht der säulen- förmig angeordneten Knorpelzellreihen und bilden hier mit den An- fängen der venösen Capillaren die oben erwähnten Endschlingen. Die venösen Gefässe vereinigen sich in der bereits ossificirten Zone zu reichen Netzen, aus denen die abführenden Stämmchen sich sammeln. Die Ausbreitung des ossificirenden Abschnittes im Wirbelkörper erfolgt bei fortschreitender Entwicklung nicht gleichmässig nach allen Dimensionen desselben , sondern schreitet in gewissen Richtungen schneller vor, als in anderen. Insbesondere schieben sich beim vier- monatlichen Embryo die Ossificationszonen von hinten nach vorn auf der rechten und linken Seite stärker vor, als in sagittaler Richtung, so dass die Zone gewissermassen zwei Hörner bildet, ein rechtes und ein linkes, von denen jedes wieder eine doppelte kolbige Ausbuchtung entsendet und zwar die eine schräg nach vorn und oben, die andere nach vorn und unten. Der obere Zapfen erscheint etwas länger als der untere. Die beiden seitlichen Ausläufer oder Hörner treten im mitt- leren Theile des Körpers mittelst einer Art von Commissur mit ein- ander in Verbindung. Diesem Verhalten entsprechend findet man auf verschiedenen Durchschnitten des Wirbelkörpers verschiedene Ge- staltungen des Knochenkernes: so an horizontalen Durchschnitten durch die Mitte des Körpers einen mehr viereckigen grossen Kern mit einer von demselben scheinbar rings umschlossenen kleinen Knorpelinsel ; an dem Intervertebralknorpel mehr angenäherten Horizontalschnitten je zwei scheinbar gesonderte Knochenkerne ; endlich an mehr nach vorn gelegten Prontalschnitten vier scheinbar gesonderte Knochenkerne und zwar zwei obere und zwei untere.^) Im weiteren Fortschritt des Wachsthums des Embryo schieben sich einzelne umfangreiche Gefässplexus in isolirten Knorpelkanälen ') Diese eigenthüraliche Gestaltung des ossificirenden Kernes im Wirbelkörper wandelt sich allmählich in eine ziemlich gleichmässige ellipsoide um. In den letzten Monaten des Fötallebens erreicht dieser ellipsoide Knochenkern nur an der Hinter- und Vorderfläche des Wirbelkörpers das Periost, im übrigen bleibt er bis nach der Geburt allseitig von Knorpel eingeschlossen. Beim Neugeborenen bildet noch eine recht bedeutende Schicht von Knorpelgewebe die oberen, unteren und seitlichen Abschnitte des Körpers, an der Vorderfläche verdünnt sie sich aber zu einer schwachen Lamelle und erst in der Mitte der Vorderfläche schwindet sie ganz, während an der Hinterfläche des Wirbelkörpers die Verbindung des Knochens mit dem Periost be- reits eine wesentlich grössere Ausdehnung erreicht hat. — Nebenbei sei hier auch noch bemerkt, dass beim Neugeborenen sämmtliche Balken der spongiösen Substanz des Wirbelkörpers noch „Knorpelreste" enthalten. 170 Karl Zaleski. über die Verknöcherungszone weiter hinaus in das Knorpelgewebe hin- ein, ohne unmittelbar Ossification zu bewirken (Fig. 17). Diese gefäss- führenden Zapfen zeigen wesentlich die gleiche Structur, wie die vas- culären Plexus, welche vom Ende des 4. Monats ab vom Perichondrium der äusseren Oberfläche des Wirbelkörpers aus in den peripheren Theil von dessen Knorpel einzudringen beginnen. Die ersteren, d. h. die ge- fässführenden Zapfen des Knochenkerns entsprechen den von Langer beschriebenen Gefässschlingen, welche aus der ossificirenden Diapbyse der Röhrenknochen über die Zone der Knorpelzellsäulen hinaus in die Epiphyse eindringen, um mit den Gefässen in deren Knorpelkanälen in Verbindung zu treten. Die Gefässschlingen in dem peripheren Theil des Wirbelknorpels stimmen völlig mit den von Langer an den Epi- physenknorpeln der Röhrenknochen beschriebenen Bildungen überein. Sie entstammen zum grösseren Theile den an der Vorderfläche der Wirbelsäule sich ausbreitenden Gefässstämmen und dringen auch meist auf der Mitte der Höhe des Wirbelkörpers in den Knorpel ein. Hier ziehen sie von der Peripherie nach dem bereits ossificirten centralen Abschnitt, aber nicht in direct radialer Richtungj sondern mehr schräg nach unten und oben, in Folge dessen auf Horizontalschnitten des Kör- pers meist nur schräge Durchschnitte dieser Knorpelkanäle angetrofi'en werden. Anfänglich sind diese gefässführenden Kanäle wenig zahlreich, erscheinen einfach schlauchförmig und kurz und enthalten wenige Ge- fässschlingen ; im weiteren Fortschritte der Entwicklung werden sie jedoch zahlreicher und umfangreicher, verlaufen oft gebogen und bilden Verzweigungen in Gestalt von kurzen schlauchförmigen Endausbuch- tungen, welche aber niemals unter einander communiciren. Bei einem 8 monatlichen Fötus zählte ich bis zu 8 solcher Knorpelkanäle auf jedem Querschnitte der Lendenwirbel. Dieselben umschliessen ein mehr weniger reiches Gefässnetz, welches wesentlich aus weiten peripher gelagerten venösen Capillaren hergestellt wird, während das enge zu- führende arterielle Capillar meist nur in der Axe des Kanales ver- läuft und mit einem oder mehreren trichterförmig sich erweiternden Aesten am blinden Ende des Kanales in die venösen Gefässe sich er- giesst (Fig. 15 und 21). Die Wandung der letzteren besteht nur aus einer einfachen Schicht dünner platter Zellen (Endothel). Die Gefässe sind in embryonales, fasseriges zahlreiche Spindelzellen einschliessendes Bindegewebe eingebettet. Der Kanal erscheint einfach im Knorpel- gewebe ausgeschachtet und zeigt somit keine aus gesonderten Elementen hergestellte Wandung. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass in dem Maasse, als bei der fortschreitenden Entwickelung der ossificirende Centraltheil des Wirbelkörpers mit diesen Knorpelkanälen in nächste Berührung tritt, die in diesen enthaltenen Gefässe in gleicher Weise wie am ossificirenden Epiphysenknorpel des Röhrenknochens (nach Langer) mit den Gefässen des ersteren verschmelzen und Anastomosen Untersuchungen über d. Vertheilung d. Blutgefässe an d. menschl. Wirbelsäule. 171 herstellen. Es gehen somit aus den Gefässen der Knorpelkanäle die „accessorischen" Yasa nutritia hervor, doch liefern dieselben unzweifel- haft auch die Gefässe für die später auftretenden zahlreichen unten nach näher zu erwähnenden accessorischen Ossificationspunkte , in gleicher Weise wie dies der Fall ist bei der Bildung der Ossifications- punkte an den Bpiphysen der Röhrenknochen; doch habe ich keine Gelegenheit gehabt, diese interessanten Vorgänge specieller zu verfolgen. Die Entwicklung der ersten ossificirenden Anlagen für die Quer- und Gelenkfortsätze erfolgt von denselben Gefässen aus, welche die Ossificationspunkte für die beiden Hälften der knorpeligen Wirbel- bögen liefern. Diese Gefässe dringen von den Vasa spinalia aus in die Wirbelbögen in der Nähe von deren Ansatzstelle an den Körper, bilden ganz wie an den Enden der Diaphysen von Röhrenknochen Verknöche- rungszonen mit Knorpelsäulen und capillaren Gefässschlingen sowohl in der Richtung nach hinten (gegen den noch nicht vorhandenen Dorn- fortsatz), als nach vorn (gegen die Wirbelkörper) und entsenden erst bei weiter fortgeschrittener Entwicklung gleiche Gefässzweige zu den Gelenk- und Querfortsätzen, welche auch hier Ossificationszonen mit entsprechender Anordnung der Gefässe und Knorpelzellen herstellen. Erst nach der Geburt entstehen im weiter vorgeschrittenen Alter die accessorischen Knochenpunkte an der Ober- und Unterfläche der Wirbel- körper, sowie an sämmtlichen Fortsätzen. Den speciellen Modus von deren Entwicklung habe ich jedoch nicht untersuchen können, da das entsprechende Material mir nicht zu Gebote stand. lieber die feineren Texturverhältnisse der Gefässe in der com- pacten Knochensubstanz, sowie des Periosts und des Knochenmarkes habe ich keine eigenen speciellen Untersuchungen angestellt und ver- mag in dieser Beziehung nur auf die betreffende Literatur hinzuweisen. Hervorheben will ich hier nur, dass ich das Verhältniss der letzten Arterienverzweigungen zu den venösen Anfängen (venösen Capillaren) an meinen Präparaten stets in der Gestaltung angetroffen habe, wie dies von HoYER, Langer und L. Neumann beschrieben worden ist, und dass ich dieser Anschauung in der obigen Darstellung überall Ausdruck verliehen habe. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VII bis IX. Fig. 1 und 2. Arterielle und venöse Gefässausbreitung an der Vorder- fläche der Halswirbelsäule. Fig. 3 und 4. Dieselbe an der Hinterfläche der Halswirbelsäule. Fig. 5 und 6. Dieselbe an der Vorderfläche der Lendenwirbelsäule. Fig. 7 und 8. Dieselbe an deren Hinterfläche. Fig. 9. Horizontaler Durchschnitt eines Lendenwirbels mit den Venae basivertebrales Breschet's nach der Darstellung von Henle (im Handb. d. syst. Anat. 1868, Bd. 3, Gelässlehre, Fig. 152 auf S. 359). Fig. 10. Derselbe nach meinen eigenen Befunden. Fig. 11. Sagittaler Durchschnitt eines Lendenwirbels mit den zutreten- den Hauptarterienstämmen. Fig. 12. Ein gleicher Durchschnitt mit den zutretenden Venen und den venösen Geflechten des Wirbelkanales. Fig. 13 und 14. Arterielle und venöse Gefässausbreitung an der Vorder- fläche des Kreuzbeins. Fig. 15. Die Gefässe eines Knorpelkanales aus dem Lendenwirbel eines 6-monatlichen menschlichen Fötus. Vergr. 90. Fig. 16. HAVEBs'scheKanäle mit Gefässen im Querfortsatz eines Lenden- wirbels beim Neugeborenen. Vergr. 120. Fig. 17. Schnitt aus dem Lendenwirbel eines 8-monatlichen mensch- lichen Fötus. Gefässplexus in einem über die Verknöcherungs- zone hinaus sich vorschiebenden Knorpelkanale. Vergr. 120. Fig. 18. Eindringen von Gefässen in den Querfortsatz eines Lenden- wirbels beim Neugeborenen von der Ansatzstelle der Muskeln aus. Vergr. 90. Fig. 19. Gefässschlingen an der Ossificationszone des centralen Knochen- kernes im Wirbelkörper von einem Neugeborenen. Vergr. 80. Fig. 20. Uebergang eines arteriellen Zweiges in den venösen Plexus in einem Knorpelkanal bei einem 8-monatlichen menschlichen Fötus. Vergr. 80. Fig. 21. Vom Periost aus in die Knorpelkanäle an der Peripherie eines Lendenwirbels vom Neugeborenen eindringende Gefäss- plexus. Vergr. 90. Die Fig. 5, 7 und 11 verdanke ich der Gefälligkeit meines Collegen Stawinski. Von der Gefässvertheilung an den Brustwirbeln habe ich keine gesonderten Zeichnungen angefertigt, da dieselbe im Wesent- lichen mit der an den Lendenwirbeln übereinstimmt, — Die mikro- skopischen Zeichnungen sind theils mit der Camera lucida von Abbe, theils mit der von Milen-Edwards und Doyere hergestellt. lieber den Zalinbau und Zahnwechsel von Elephas indicus. Von Dr. med. C. Rose, Privatdocent. (Aus dem anatomischen Institute zu Freiburg i. B.) Hierzu Tafel X und 1 1 Textabbildungen. Schon seit den ältesten Zeiten hat die ganz eigenartige Bezahnung der Proboscidier die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich gelenkt. Gestützt auf ausserordentlich reichliche Funde fossiler Proboscidier haben seit Mitte dieses Jahrhunderts eine Reihe von Autoren festgestellt, dass sich von den rein jochzahnigen Molaren des Dinotherium aus dem mittleren Miocän bis zu den recenten Elephantenmolaren alle nur denk- baren Uebergänge in schönster Reihenfolge finden lassen, und dass durch allmähliche Reduction der Zahnzahl aus dem rein diphyodonten Dinotheriumgebisse das als monophyodont bezeichnete Gebiss der heutigen Elephanten entstanden sei. Ungelöst blieb bisher nur die Frage, ob man berechtigt sei die ausserordentlich complicirten hinteren Molaren der Elephanten mit den einfachen Dinotheriummolaren direkt zu homologisiren. Nach der bisher giltigen älteren x^nschauungsweise, wonach die Mahlzähne der Säugethiere durch allmähliche Umwandlung je eines kegelförmigen Reptilienzahnes entstanden sein sollen, würde man folgerichtig auch die letzten äusserst complicirten Molaren von Elephas indicus oder E. primige nius mit je einem Kegelzahne der Urs äuger in Homologie setzen müssen. Gegen eine derartige Anschauung sträubte sich jedoch anscheinend das natürliche Gefühl vieler Autoren und es wurde die Ver- muthung laut, dass wenigstens die letzten Molaren der Elephanten mög- licherweise durch Vereinigung mehrerer Molaren der Dino- Horpholog. Arbeiten hrsg. v. G. Schwalbe. lU. 1« 174 C. Rose. therium-ähnlichen Vorfahren entstanden seien. Gegen diese Anschau- ungsweise wendet sich Hans Pohlig, indem er sagt: „Aus der Stammesgeschichte einerseits und aus der ontogenetischen Entwicklung der Milchdentition andererseits folgt, dass selbst die so sehr polysyn- thetischen letzten Molaren eines E. j)rimiginius nicht eine Combination von Molaren sind, wie man früher wohl häufig angenommen hat, sondern eine Zahneinheit, völlig derjenigen genetisch aequivalent, welche in dem hintersten Molaren der meisten übrigen Säugethiere vorliegt." Meine eigenen Untersuchungen über vorliegendes Thema wurden unternommen in der Absicht, nachzuforschen, inwieweit das Gebiss der Proboscidier als Stütze dienen könnte für die von Gaudey, Magitot u. a. als Hypothese aufgestellte und von mir neuerdings näher begründeten Verwachsungstheorie der Molaren. Als Untersuchungs- objecte dienten mir zwei jugendliche Schädel vonElephas indicus aus dem anatomischen Institute zu Freiburg i. B. Der kleinere Schädel gehört zu einem ganzen Skelette, dessen Rückenhöhe 85 cm beträgt. Nach den Angaben von Coese ist ein neugeborener indischer Elephant 8.5 cm hoch, und es weisen alle Merkmale darauf hin, dass das hiesige Skelett einem Elephantenjungen angehörte, welches nur wenige Monate alt war. Der grössere Schädel gehört einem etwa 5 Jahre alten jugendlichen Elephanten an, dessen bleibende Stosszähne noch nicht abgenützt waren und etwa 6^.^ cm aus der Alveole hervor- ragten. Durch das vorliegende Material bin ich in der Lage, einige bisher unsichere Angaben der Literatur über die Milchincisiven und deren Bau sicherstellen zu können. Im Jahre 1799 beschrieb der Engländer Coese, welcher sich 10 Jahre lang in Indien eingehend mit dem Stu- dium der Elephanten beschäftigt und ungefähr 40 Schädel derselben anatomisch untersucht hatte u. a. sehr eingehend das Gebiss derselben. Danach befindet sich zur Zeit der Geburt des Elephantenjungen in jedem Zwischenkiefer ein etwa 6 cm langer Milchstosszahn mit kurzer konischer Krone und schlanker, mehrfach bogenförmig geschwungener Wurzel, die völlig solid ist und keine centrale Pulpahöhle besitzt, wie die bleibenden Stosszähne. Zwischen dem fünften und siebenten Lebens- monate durchschneiden die Milchincisiven das Zahnfleisch. Um diese Zeit bilden sich an ihrer inneren Seite die Alveolen für die bleibenden Stosszähne aus. Zwischen dem 13.— 16. Monate werden die Milch- incisiven abgeworfen, nachdem zuvor der grösste Theil ihrer Wurzeln resorbirt worden ist. Sie stellen um diese Zeit nur noch zwei schwarz gefärbte Zahnstümpfe dar. AVenige Monate nachher brechen die blei- benden Incisiven oder Stosszähne durch , die bekanntlich zeitlebens mit offener Pulpa weiterwachsen. Ihre Spitzen sind anfangs rauh und dunkelgefärbt. Bei weiterem Wachsthume kommen sie jedoch mit den üeber den Zahnbau und Zahnwechsel von Elephas indicus. 175 Lippen und dem Rüssel in Berührung und werden dadurch geglättet. Ueber die histologische Structur der Stosszähne beider Zahnserien macht CoRSE keine näheren Mittheilungen. Die angeführten Angaben Corse's liegen allen diesbezüglichen Daten späterer Autoren, wie Cuvier, Owen, Giebel u. a. zu Grunde. Owen bildet in seiner Odontography den Überkiefer eines jungen Ele- phanten ab, in welchem Milchincisivus und bleibender gleichzeitig zu sehen sind. Owen's Figur, welche auch von Giebel wiedergegeben wird, dürfte indessen, wie Hans Pohliü sehr richtig bemerkt, wohl nur schematisch sein und der Wirklichkeit kaum entsprechen. In neuerer Fig. 1. Oberkiefer eines jungen Elephas indicus in halber Grösse. JD = Milchincisiven (Milchstosszähne), 3f I = Molar I, 31 II =^ Molar II, Pmx = Prämaxillare (Zwischenkiefer), Mx = Maxillare (Oberkiefer). Vergr. = '/,, der natürlichen Grösse. Zeit ist die Richtigkeit der Angabe von Corse über das Vorkommen von Milchschneidezähnen beim indischen Elephanten direct bestritten worden von Sanderson, welcher 13 Jahre lang in Indien mit Ele- phanten zu thun hatte. Danach sollen beim männlichen Eleiahantenkalbe fast unmittelbar nach der Geburt sogleich die bleibenden Stosszähne 12* 176 C. Rose. durclibrechen, ohne dass Milchzähne vorangingen. Sandeeson hat keine anatomischen Untersuchungen angestellt und beruft sich hauptsächlich auf das Urtheil erfahrener Elephantenwärter, welche niemals einen Zahn- wechsel beobachtet hätten. Der Ansicht von Sanderson gegenüber kann ich auf Grund meiner Untersuchung des jungen Elephantenschädels der hiesigen anatomischen Sammlung die Angaben von Coese vollauf bestätigen und erweitern. In Figur 1 sieht man jederseits im Zwischenkiefer, nahe der Grenze des Oberkiefers einen Zahn, der nur wenig aus dem Knochen hervor- ragt und aller Wahrscheinlichkeit nach das Zahnfleisch noch nicht durchbrochen hatte. In Figur 2 sind diese Zähne in natürlicher Grösse dargestellt. Sie besitzen eine an der Spitze bereits theilweise resorbirte spindelförmige Krone, welche sich nach unten verjüngt und mittels einer schwach markirten Linie (Fig. 2 S. gr.) gegen die Elephas indicus. Beide Milchstoss- zähne in natürlicher Grösse. 8 = theil- weise resorbirter Schmelzmantel, C = Cementschicht,-welche ursprünglich Krone und Wurzel gleichmässig deckte , D = durch Resorption des Cementmantels blossgelegterDentinkern.Ä. • ". * • Fig. 30. Crocodilus porosus. Kopflänge 27 mm. Frontalschuitt durch den Unterkiefer. ZL. = Siebförmig durchlöcherte Zahuleiste zwischen 5. und 6. Zahnanlage der zweiten Serie; ZF. ^ Zahnfurche, E. = Kiefer- epithel. Vergr. = 160. Fig. 31. Crocodilus porosus. Kopflänge 27 mm. Frontalschnitt durch den Unterkiefer. Z.S.I. = Drittes Zähnchen der ersten Zahnserie, noch in losem Zusammenhange mit seinem Schmelzorgane, in Resorption begriffen, Z.S.U. = Neunte Zahnanlage der zweiten Zahnserie, EL. = Ersatzleiste (unteres Ende der Zahnleiste), Z.F. = Zahnfurche, iV = Nerv, K— Os dentale, CM. = Cartilago Meckelii. Vergr. = 80. üeber die Zahnentwffcklung der Crocodile. 217 Von den vier Zähncben der ersten Zahnserie ist das erste bereits innerhalb des Kiefers völlig resorbirt worden. Nur sein rudimentäres Schmelzorgan mit typischer Schmelzpulpa ist als Rest des früher vor- handenen embryonalen Zähnchens übrig geblieben (Figur 29 S). Die drei anderen Zähnchen der ersten Serie, sowie das ihnen gleich ge- staltete letzte Zähnchen der zweiten Serie von Modell II (Figur 19 Z Sil*) liegen in der Tiefe des Kiefers, theils in losem, theils bereits ohne Zu- sammenhang (Figur 32) mit ihrem Schmelzorgane und in voller Re- ;'e>;Ä/' '*/■'• Ir''^./' r» 'm' ' , •• ' Fig. 32. Crocodilus porosus. Kopflänge 27 mm. Frontalschnitt durch den Unterkiefer. ZI. = Viertes Zähnchen der ersten Zahnserie, bereits ohne Zusammenhang mit seinem Schmelz- organe SI., in Resorption begriffen, SU. = Schnitt durch die Peripherie vom Schmelzorgane der 14. Zahnanlage der zweiten Serie in innigem Zusammenhange mit der Zahnleiste = ZL. Vergr. = 160. Sorption begriffen. Die Resorption beginnt an der Pulpaoberfläche der Zähnchen. Die früheren Odontoblasten haben die Function von Odont oklasten angenommen. Abgesehen von dem einen bereits in Resorption begriffenen Zähnchen der zweiten Zahnserie, sehe ich im Unterkiefer vorliegenden Stadiums noch 17 Zahnanlagen dieser Serie, welche sämmtlich, mit Ausnahme der 12. und 17., Zahnscherbchen mit Schmelz und Dentinkappe be- sitzen. Diese Zahnanlagen stehen entweder noch in breitem Zusammen- 218 C. Rose. hange mit der Zahnleiste (Fig. 32 und 33) oder sie sind von derselben be- reits völlig abgeschnürt bis auf eine schmale Verbindungsbrücke (Fig. 34). In letzterem Falle ist das Ende der Zahnleiste angeschwollen und hat seitlich die Dentinkeime der dritten Dentition umwachsen (Fig. 34 DK III). Derartige Zahnkeime dritter Dentition finden sich in vorliegendem ^ZL. , * -. V. . O.cf: «I' . . * . • "-'^ • t Fig. 33. Crocodilus porosus. Kopflänge 27 mm. Frontalschnitt durch den Unterkiefer. Z. = Vierte Zahnanlage der zweiten Serie, ZL. = Zahnleiste, O.d. = Os dentale, C. = Capillaren. Vergr. = 80. a^. 2?ir.7//. Fig. 34. Crocodilus porosus. Kopflänge 27 mm. Frontalschnitt durch den Unterkiefer. 8. == Schmelz, D. — Dentin, DK.II. = Dentinkeim der löten Zahnanlage aus der zweiten Zahnserie, Z.L. — Zahnleiste, DK. III. — Dentinkeim der fünften Zahnanlage aus der dritten Zahnserie, O.d. = Os dentale. Vergr. = 80. Ueber die Zahnentwicklung der Crocodile. 219 Unterkiefer fünf. Die Aufeinanderfolge der einzelnen Zahnanlagen von vorn nach hinten ist folgende: 1. 2. 2. 3. 2. 2. 2. 3. 1. 2. 2. 3. 2. 1. 2. 3. 2. 2. 2. 2. 1. 2. 2. 3. 2. 2. 2. S RR RR 1 bezeichnet die erste Dentition, 2 die zweite, 3 die dritte, S unter 1 giebt an, dass nur noch das Schmelzorgan des resorbirten Zähnchens vorhanden ist. E, bedeutet: In Resorption begriffen. Der älteste von mir untersuchte Embryo von Crocodilus porosus war nahezu ausgewachsen mit 41 mm Kopflänge und 25 cm Körper- länge. Sein Kopf ist bei doppelter Vergrösserung in Figur 35 dar- £.S- Fig. 35. Crocodilus porosus, Kopflänge 41 mm. Kopf von der Seite gesehen, £.5. = Eischwiele, iV = Nasenloch, Doppelte Vergrösserung, Crocodilus porosus. Kopflänge 41 mm. Spitze des Oberkiefers von unten be- trachtet. E.8. = Eischwiele. Doppelte Vergrösserung. Plg, 36. gestellt. Ausserdem wurde der vordere Theil des Oberkiefers in Figur 36 von unten gesehen gezeichnet. Man sieht vorn in der Mittel- linie eine deutliche Papilla palatina. Die Zahnspitzen sind genau auf der Höhe der bereits in Figur 28 dargestellten zitzenförmigen Er- hebungen des Kieferrandes durchgebrochen. In Figur 37 ist der skelettirte Oberkiefer dieses Embryo wiedergegeben. Es waren auf jeder Seite 18 ausgebildete Zahnanlagen der zweiten Serie vorhanden. Einige derselben sind dem Ausfallen nahe und ihre Nachfolger aus der dritten Serie sind unter ihnen sichtbar. Auf einer Seite wurden die Zahnanlagen entfernt, um die Gestalt der Alveolen wiederzugeben. Wir sehen, dass nur die vorderen Zähne im vorliegenden Stadium aus- gebildete Alveolen mit knöchernen Scheidewänden zwischen je zwei Zähnen besitzen. Weiter nach hinten werden die Scheidewände immer 220 C. Rose. niedriger und die hintersten Zähne stehen in einer gemeinsamen Knochenrinne. Ganz ähnlich verhält sich, wie Ztjckerkandl zeigte, auch die Alveolenbildung beim Menschen. Die Zahl der ünterkieferzähne aus der zweiten Zahnserie beträgt 17. Die Zähnchen der ersten placoiden Serie sind sammt ihrem Schmelz- organe spurlos verschwunden. Diejenigen der zweiten Serie sind grösstentheils bereits durch's Zahnfleisch durchgebrochen. Einige von Flg. b7. Crocodilus porosus. Ausgewachsener Embryo von 25 cm Körperlänge. Skeleitirter Oberkiefer. Pmx. = Prämaxillare, Mx. = Maxillare, Pal. = Palatinum, Ptg = Pterygoid, Tr. — Transversum, Qu = Quadratum, Jg. = Jugale, For.i. = Foramen incisivum, N = Nasenhöhle nach Wegnahme des knöchernen Bodens, J ;:= Rudimentäres Jacobsonorgan, Ng = Nasengang, S = Septum zwischen den Nasengängen, Ch = Choane. Vergr. = 3. ihnen sind in ihrem Wurzeltheile bereits der Resorption verfallen und ihre Nachfolger aus der dritten Serie drängen nach (Fig. 38). Der erste Zahn aus der zweiten Zahnserie des Oberkiefers ist noch nicht durch's Zahnfleisch durchgebrochen. Seine Spitze wird von den Resten des Schmelzorganes bedeckt. Da wo der Schmelz der Krone aufhört, Ueber die Zahnentwicklung der Crocodile. 221 endigt auch die zusammenhängende Kappe des Schmelzorganes. Am Wurzelende des Zahnes ist eine typische Epithelscheide vorhanden und Epithelreste derselben umgeben die ganze Wurzel in Gestalt eines siebartig durchlöcherten Epithelmantels. Die Befestigung der Zähne in den Alveolen wird durch Bindegewebsstränge erzielt, die in schräger Richtung von unten innen nach oben aussen verlaufen und sich an die Knochenbälkchen der Alveole ansetzen. Der Zahn ist gleich- Fig. 38. Crocodilus porös us. Körperlänge 25 cm. Frontalschnitt durch den Ober- kiefer. Z.S.n. = Zweiter Zahn der zweiten Serie in Eesorption begriffen, Z.S.III. = Sein Nachfolger aus der dritten Serie, E.L. = Ersatzleiste, N = Nerv, V =^ Vene, A == Arterien. Vergr. = 30. sam an diesen Bindegewebszügen aufgehängt. Beim Beissen spannen dieselben sich an und verhindern, dass der Zahn tiefer in die Alveole eingepresst wird, als den dort liegenden Nerven und Gefässen dienlich ist. Die Zahnleiste ist in vorliegendem Stadium sehr reducirt, hat die Verbindung mit dem Kieferepithele in ihrer ganzen Ausdehnung ver- loren und stellt nur noch ein mitten im Mesoderme liegendes, dünnes, oft fadenförmiges Epithelband dar, welches gleichwohl in continuo hinter sämmtlichen in Entwicklung begriffenen Zahnanlagen der dritten Serie hinweg verläuft (Figur 41). Hinter einigen wenigen Zahnanlagen ist das Epithelband der Zahnleiste breiter, am unteren Rande verdickt, Morpholog. Arbeiten hrsg. t. G. Schwalbe. III. lo 222 C. Rose. uikI hat hier wiederum seitlich den Dentinkeim einer Zahnanlage der vierten Serie umwachsen (Figur 40. 41). In Modell III sind die drei ersten Zähne zweiter Serie des rechten Oberkiefers sammt ihren Ersatzzähnen, der Zahnleiste und den knöcher- nen Alveolen modellirt. Der erste Zahn ist noch nicht durch's Zahn- fleisch durchgebrochen. Seine Spitze ist mit den in Figur 39 darge- stellten Resten des Schmelzorganes (S.O.) bedeckt, die ich in Figur 41 mit jK/Scä =• Epithels ch ei de bezeichnet habe. Im Wurzeltheile der Zähne bildet- diese Epithelscheide, wie bereits erwähnt, rings um das £S.k WK Fig. 39. Crocodilus porosus. Körperlänge 25 cm. Frontalschuitt durch den Oberkiefer. D.K. = Dentinkeitn (Pulpa) vom ersten Zahne der zweiten Serie. Das Zahnbein ist schwarz ge- zeichnet, der Schmelz S. weiss, SO. = Reste des Schmelzorganes, welche die Krone be- decken, S.E a. = Ueberreste der Epithelscheide, welche die Wurzel umkleiden, E.Sch. — Ge- schlossener Ring der Epithelscheide um das Wurzelende des Zahnes, M.E. = Kieferepithel. Vergr. == 40. Ueber die Zahnentwicklung der Crocodile. 223 Dentin einen geschlossenen, siebförmig durchlöcherten Epithelmantel. Das untere Ende desselben in der Umgrenzung des Foramen apicale ist nicht durchlöchert, sondern stellt einen geschlossenen Epithelring dar (Figur 39 E. Seh). Die zweite Zahnanlage der zweiten Serie ist in ihrem Wurzel- theile bereits völlig resorbirt und dem Ausfallen nahe. Ihre Alveole , , ' I : ii'/- i-ar . ZSir •E.Si 4,8 + 1,4 4,6 4,8 Differenz 3.«^^«'-^^ ) Lappen unterer 1 — 0,3 5,6 4,2 + 0,9 2,2 2,2 + 0,2 1,8 3.1 Differenz oberer t 4. > Lappen unterer — 1,4 6,3 5,3 + 0 2,2 3,1 + 1,3 4,5 4,5 Differenz — 1,0 + 0,9 + — 0 Es ergaben sich in transversaler und in sagittaler Richtung für den unteren linken Lungenlappen grössere Werthe, als für den oberen, dafür übertrifft der letztere den ersteren aber auch um ein bedeutendes im Vertikaldurchmesser. In zwei Fällen dürfte der untere Lappen an Grösse überwiegen, in den beiden anderen dagegen ziemliche Gleichheit beider Hälften der linken Lunge bestehen. Brust-, Baucli- und Beckenhöhle des neugeborenen Kindes. 327 Das Brustfell. Beim neugeborenen Kinde, das nicht geathmet hat, erfüllen die Lungen die sogenannten complementären Pleuraräume noch in ge- ringerem Grade, wie nach der Athmung, sodass namentlich vorn hinter dem Sternum die parietalen Blätter der Brustfelle eine verhältniss- mässig grosse Strecke weit auf einander zu liegen kommen. Mit dem Lufteintritt dehnt sich namentlich die an Grösse prävalirende rechte Lunge weiter in den Sinus mediastinocostalis hinein aus und kann denselben sogar (s. z. B. Schnitt II — V) beinahe vollständig ausfüllen. Damit wird die rechte Lunge gewiss auch einigen Einfluss auf die Gestaltung dieses Raumes und ein weiteres Hinüberreichen der rechten vorderen Umschlagsstelle der Pleura nach links hin gewinnen. Linkerseits dagegen vermag die Lunge durch Herz und Tliymus, zumal wenn letztere, wie gewöhnlich stärker links entwickelt ist, behindert, nicht so weit in den Pleuraraum vorzudringen ; die parietalen Brustfellblätter bleiben auch nach der Athmung in ziemlicher Ausdehnung mit einander in Be- rührung und die Umschlagsstelle verläuft mehr weniger weit vom linken Sternalrande entfernt. Die bisherigen Untersuchungen haben nun eine grosse Mannigfaltigkeit des Verlaufs der vorderen Pleuragrenzen ergeben. Dennoch sind schon wiederholt Versuche gemacht worden trotz der bestehenden Unregelmässigkeit einzelne zusammengehörige Fälle zu Gruppen zu vereinen und hierdurch ein klares Bild über die Verlaufs- weisen der vorderen Grenzen zu bekommen. Nach Henke (1 a S. 173) verlaufen beide Brustfelle beim Ngb. in der oberen Hälfte ziemlich parallel und gleich weit von der Mittellinie entfernt herab, um ungefähr eine Strecke, welche der Breite des Brustbeins entspricht, unbedeckt zu lassen. Weiter unten tritt die rechte Pleura bis an oder selbst hinter den Rand des Sternum, die linke dagegen weit davon zurück. Schon früher hatte Bochdalek (10) für das Kindesalter (darunter 45 Kinder im Alter bis zu 8 Tagen) zwei Kategorieen des Verlaufs angegeben, welche am häufigsten gefunden werden sollten. Entweder verlaufen nach ihm beide Brustfelle mehr oder minder parallel nach abwärts, indem das rechte verschieden weit nach links bis zum linken Sternalrand reicht, das linke andererseits mehr oder weniger weit von demselben entfernt herabzieht. Dadurch, das letzteres früher oder später nach aussen abweicht, bleibt hinter dem Knorpel der 2 — 4 unteren wahren Rippen eine grössere oder kleinere Strecke vom Brustfell unbedeckt. Oder aber beide Brust- felle laufen dicht vereint am linken Sternalrande herab. Diese gegen- seitige Berührung der sternalen Pleuragrenzen in ihrem Verlauf hinter einem Theil oder der ganzen Länge des Brustbeins hat auch Tanja (70) wiederholt beobachtet. Dabei fand sich gleichzeitig eine wohlentwickelte Thymusdrüse vor, sodass er das Vorhandensein der Thymus nicht als das zunächst bestimmende Moment, wie dies Luschka angiebt, beim 328 H. Mettenheimer. Fehlen eines Mesocardiura verantwortlich machen kann. Das Vor- handensein eines solchen Mesocardium, wie es auch Sick (64) in zwei Fällen erwähnt, hält Tanja für ein Bestehenbleiben eines primitiven Zustandes. Auch nach ihm findet sich normaler Weise, wie es Bochdalek in seiner ersten Gruppe annimmt, eine sog. Herzabweichung der linken Pleura (auch Sahli S. 45 beschreibt in einem Fall eine starke Abbiegung.) Es bleibt abzuwarten , ob zahlreichere Unter- suchungen dies Verhalten der linken vorderen Pleuragrenzen bestätigen werden ; für den E. fand Joessel (39 a S. 49) kein derartiges Zurück- weichen. Jedenfalls muss man mit Henke (la S. 174) annehmen, dass die Incisura cardiaca eine veränderliche Grösse darstellt, „veränderlich sowohl bei der Inspiration und Exspiration, als auch im Laufe der Zeit." Da auch von Sick einige genauere Untersuchungen vorliegen, so habe ich versucht, 10 von Tanja und 5 von Sick genauer beschriebene Fälle nach dem von ersterem angegebenen Schema, unter Weglassung der beim Ngb. nicht gefundenen Verlaufsweisen (Tanja 70 S. 192 bis 194) zu ordnen, um eventuell einige Uebereinstimmung einzelner Fälle zu finden: Vordere Pleuragrenzen Anzahl der Fälle TANJA Sick Summa I. 1. Die Pleurablätter sind hinter der ganzen Länge des Corpus sterni ein- ander angelagert, so dass ein Meso- cardium besteht. 2. Die beiderseitigen Pleuragrenzen er- reichen einander in der sternalen Medianlinie. 3. Die Pleurablätter erreichen einander rechts von der sternalen Median- linie. IL l. Links erreicht die Pleuragrenze das Sternum nicht. III. 1. Die beiderseitigen Pleurablätter er- reichen einander an der vorderen Thorax wand nicht. IV. Die linke Pleuragrenze verlässt das Sternum in der Höhe: 1. der 7. Rippe 2. zwischen der 6. und 7. Rippe 3. der 6. Rippe 4. der 4. Rippe 3 4 I 4 5 2 I 2 I I 2 2 I 3 5 I 4 5 4 3 3 I Brust-, ßaucli- und Beckenhöhle des neugeborenen Kindes. 329 Vordere Pleuragrenzen Anzahl der Fälle Tanja SICK Summa V. Die rechte Pleuragrenze verlässt das Sternum lateral in der Höhe: 1. des Processus ensiformis 2. der 7. Rippe 3. die rechte Pleuragrenze verlässt das Sternum zwischen 6. u. 7, Rippe 2 5 3 3 I 5 6 3 Es stellt sich nach dieser Tabelle allerdings heraus, dass die Ver- schiedenheit der einzelnen Fälle eine derartige ist, dass nur 6 von 15 wenigstens in einer Beziehung sich gleich verhalten. Ich selbst konnte mich an Querschnitten von dem verschiedenen Verlauf der Pleura über- zeugen. In drei von mir daraufhin untersuchten Fällen bestand niemals ein Mesocardium, sondern die beiden vorderen Grenzen der Brustfelle liefen mehr oder weniger weit getrennt von einander herab ; während die linke Pleura in einem Fall sich dem linken Sternalrande bald näherte, bald sich von ihm entfernte, kurz einen wellenförmigen Verlauf nahm, blieb dieselbe in den anderen Fällen im ganzen Verlauf von dem Brustbein entfernt hinter den Knorpeln der linken Rippen zurück; die rechte vordere Grenze erreichte in zwei von den erwähnten Fällen den rechten Sternalrand in der Höhe der 2. und 3. Rippe, in dem dritten trat der- selbe etwas hinter das Brustbein. Von besonderem Interesse ist der Verlauf der unteren Pleura- grenzen beim Ngb. Derselbe ist nach meinen Beobachtungen (Nadel- fixation an Sagittalschnitten) beiderseits ein gleichartiger. Die Grenzen beginnen hinten am oberen Rande der 12. Rippe und steigen nach vorn verlaufend an, um in dem 6. Intercostalraum in die vorderen Grenzen überzugehen. Der genaue Stand derselben beiderseits ist folgender: 1. neben der Wirbelsäule 12 R oberer Rand, 2. Scapularlinie 3. Axillarlinie 4. Mammillarlinie Tanja nimmt auch für die unteren Pleuragrenzen des Ngb. eine bedeutende individuelle Variabilität des Verlaufs an. Nach ihm kann die Umschlagsstelle an der Wirbelsäule in der Höhe des 12. Brust- bis 1. Lendenwirbels angetroffen werden und zwar lag dieselbe an den von ihm untersuchten Fällen beiderseits symmetrisch. Nach seiner Tabelle findet der Umschlag am häufigsten jedoch (6 von 10 Fällen) an der 12. Rippe statt. Tanja macht dann noch besonders auf den tiefen Verlauf der Pleuren des Ngb. in den mittleren und vorderen Theilen aufmerksam, indem in 5 (von 10) Fällen die unteren Pleura- 11 R 8 R unterer Rand, 6 R Intercostalraum. 33(» H. Mettenbeimer. grenzen alle Rippen an den Knorpeln schnitten. Ich selbst fand in 4 Fällen, dass die Pleuren beiderseits erst die Verbindungsstelle des Knorpels mit dem Knochen der 10. Rippe trafen, während dies beim E. nach Lusctika schon an der 8. Rippe stattfindet (nach Pansch 72 an der Vereinigungsstelle des Knochens und Knorpels der 7. Rippe rechts, links etwas tiefer) (vergl. Tanja 70, Tafel XII, Fig. 21 B. und 34 B.). Dies Verhalten der Pleuren findet seine Erklärung einmal in der horizontalen Einspannung der Rippenbogen am kindlichen Thorax; ferner sind die knorpeligen Theile der Rippen im Verhältniss zu den Knochen länger beim Ngb. ; durch die mit dem Wachsthum eintretende Verlängerung des knöchernen Rippentheiles scheinen die unteren Pleura- grenzen im späteren Alter höhere Partien der Rippen zu kreuzen; in Wirklichkeit liegt aber der bestehende Unterschied nur in der gegen- seitigen Wachsthumsverschiebung des Knorpels und des Knochens der Rippe begründet. Nach dem oben von mir angegebenen Stand der unteren Pleuragrenzen würden dieselben vorn und an der Seite im Verhältniss zum E. etwas höher verlaufen. Ausserdem aber nehmen die Pleuren (Pansch 70, Joessel 39 a, Fig. 14 und 15) beim E. von dem Vertebralende der 12. Rippe an zunächst einen horizontalen Ver- lauf und steigen dann sanft nach vorn an; beim Ngb. dagegen ziehen sie erst eine kurze Strecke weit schräg nach abwärts zum tiefsten Punkt an der 11. Rippe und erheben sich dann erst nach vorn und oben. Hiernach müsste man eine wenn auch geringe Aenderuug der Verlaufsrichtung mit der Zeit annehmen, indem sich das Brustfell der Umformung des Thorax anpasst in dem Sinne, dass die späterhin schräg nach vorn sich senkenden Rippenbögen einen mehr gleichmässig ansteigenden Verlauf der Pleuragrenzen zur Folge haben. Das Vorkommen eines sehr tiefen Standes der unteren hinteren Pleuragrenzen (unterer Rand des 12. Brustwirbels, oberer Rand des 1. Lendenwirbels) wie es Tanja in 2 Fällen beim Ngb. beobachtete, ver- dient Beachtung von Seiten der Chirurgen, damit sie sich desselben in dem Falle einer Operation in der Lumbaigegend (Nephrotomie oder Colotomie) zur Vermeidung einer Eröffnung der Pleurahöhle erinnern. Der Uebergang der Pleura costalis auf die Pleura diaphragmatica bildet in seinem Verlauf die untere Grenze des Sinus phrenico-costalis, dessen obere Begrenzung von dem unteren Lungenrande dargestellt wird. Indem ich besagte Grenzlinien mit Nadeln an Sagittalschnitten fixirte, konnte ich in 2 Fällen die Höhe der Sinus in den bekannten Verti- kalen des Körpers bestimmen wie folgt: (Siehe nebenstehende Tabelle.) Hiernach zeigen sich Höhenunterschiede zwischen rechts und links zu Gunsten der rechten Körperhälfte (mit Ausnahme der Höhe inderMammil- larlinie) um 2 — 4 mm, ein Umstand, der durch den etwas tieferen Stand der linken Lunge bedingt erscheint, falls er nicht theilweise innerhalb der möglichen Fehlergrenzen liegt. Brust-, Bauch- und ßeckenhöhle des neugeborenen Kindes. 331 Höhe des rechts links Sinus phrenico-costalis A 1 B A B Neben der Wirbelsäule Scapularlinie Axillarlinie Mammillarlinie 1,7 2,7 2,0 o,4 2,2 2,4 2,4 1,3 1,5 2,4 1,7 o,9 1,9 2,2 2,2 o,6 Das Zwerchfell. Lässt auch der Stand desselben im Allgemeinen (Geehaedt 72 S. 20) selbst im frühesten Kindesalter keine durchaus durchgreifenden Unter- schiede im Vergleich mit dem E. erkennen, so zeigen sich in den ein- zelnen Fällen dennoch, wie im späteren Alter (Hasse 73 S. 198), so auch beim Ngb. immerhin bemerkenswerthe Verschiedenheiten. In der That gehen die Angaben der verschiedenen Autoren über den Stand des Zwerchfells zunächst des reifen Fötus zum Theil weit auseinander. Nur in dem einen Punkte stimmen alle überein, dass die linke Zwerchfellkuppe nicht so weit in den Brustraum hinauf reicht, wie die rechte. Die Kuppe der letzteren kann in der Höhe der 3, Rippe (Keheee), an der 4. Rippe oder in dem 4. Intercostalraum (v. Fabek 6 S. 137, KöLLiKEE 36a) stehen. Nach Caspee-Liman (7) soll die höchste Wölbung des Diaphragma an Todtgeborenen zwischen der 4. — 5. Rippe (bei Lebendgeborenen zwischen 6. und 7. Rippe) sich be- finden ; gleichzeitig geben aber dieselben Autoren ausdrücklich an, dass so häufig Abweichungen von dieser Regel stattfinden, dass der Stand des Zwerchfells zur Beantwortung der Frage, ob das Kind gelebt hat oder nicht, keineswegs als diagnostisch verwerthbares Zeichen anzu- sehen ist. Auch RüDiNGEE (37, S. 35) betont die auffallende individuelle Ver- schiedenheit des Höhenstandes des Diaphragma beim Ngb. und zwar ebensowohl vor Beginn der Athmung, wie nach Eintritt derselben. In zwei von mir beobachteten Fällen (todtgeborene), sowie bei einem Ngb., der 36 Stunden gelebt hatte, stand das Zwerchfell jedesmal rechts an der 5 Rippe (oben), links im tiefsten Punkte des 5. Intercostalraums oder an der 6. Rippe. Den gleichen Stand für die rechte Kuppe, näm- lich in einem Fall (geathmet) 5. Intercostalraum 5 R. unterer Rand und in einem anderen (geathmet?) 5. Rippe giebt Sick (64) an (auch Fleisch- mann [50J 10 Tage altes Kind). Dabei entspricht die Mitte des Zwerch- fells hinten gewöhnlich der Bandscheibe zwischen 8. und 9. Brustwirbel, vorn dem 6. und 7. Rippenknorpel. Dwight and R. (4 S. 331) scheinen geneigt, beim Kind einen tieferen Ansatz des Zwerchfells an dem Brust- bein und der 7. Rippenknorpeln als beim E. anzunehmen. Wenn man überhaupt aus einer so geringen Zahl von Fällen einen Schluss ziehen 332 ^- Mettenheimer. darf, so würde aus obigen hervorgehen, dass der Zwerchfellstand vor und nach der Athmung (in Leichenexspirationsstellung) zunächst nur wenig sich verändert. Auch Ballan'TYNE (3 a S. 62) fand zunächst keinen Unterschied in dem Stand der Centrum tendineum vor und nach der Geburt. An und für sich zeigt das Zwerchfell vor der Athmung, wie man an Frontalschnitten sehen kann, eine mehr flache "Wölbung, indem der Unterschied zwischen den beiden Kuppeln und dem mittleren Theil weniger deutlich zum Vorschein kommt wie späterhin. Dasselbe verläuft vielmehr von seinem höchsten Punkt auf der rechten Seite mit flachem Centr. teud. in schräger Richtung zu dem tiefsten Punkt auf der linken Seite und zwar ist der Höhenunterschied zwischen rechts und links ein relativ bedeutender; die sich anschliessenden Seitentheile verlaufen ziemlich scharf umbiegend steil nach abwärts. Das gegenseitige Verhalten der beiden Zwerchfellkuppeln scheint in gewissem Maasse abhängig zu sein von dem Verhalten der Bauch- eingeweide. Hierfür spricht ein von Ballaktyne beobachteter Fall (s. Plate VI Fig. 2); dort besteht eine bedeutende Hypertrophie der Milz und in Folge dessen steht der linke Theil des Zwerchfells eben so hoch wie der rechte. An Medianschnitten tritt ausserdem noch die wichtige Erscheinung zu Tage, dass die Zwergfellmitte in Folge des Hochstandes des Brust- beins beim Ngb. nach vorn hin gewöhnlich etwas ansteigt. Durch den Beginn der Athmung tritt in so fern eine Veränderung ein, als der Brustkorb gleichsam auseinander „federt" und sich der Einüuss der Nachbarorgaue auf die Scheidewand, welche in dem Rahmen der Rippen ausgespannt ist in höherem Grade zu erkennen giebt. Auf diese Weise treten die beiden Kuppeln rechts und links deutlicher über den sich vertiefenden Herzboden hervor; andrerseits aber nimmt (Ribemüxt) der Höhenunterschied zwischen rechts und links ab. Es dürfte wohl berechtigt erscheinen, an dieser Stelle, etwas näher diejenigen Punkte ins Auge zu fassen, welche auf den Stand des Zwerch- fells beim Ngb. einzuwirken vermögen. Nach Gerhaedt (72 S. 14) ist der Stand des Zwerchfells von dem elastischen Zug der Lungen und der Spannung der Unterleibsorgane auf der einen, von der Kontraktion seiner Muskulatur und seiner Belastung durch die be- nachbarten parenchymatösen Organe auf der anderen Seite abhängig, und zwar wirken letztere Momente den ersteren entgegen. Ueberträgt man dies auf die Verhältnisse beim Ngb., so begünstigt die in den ersten Tagen nach der Geburt theilweise noch bestehende Atelektase der Lungen einen Hochstand des Zwerchfells; in demselben Sinne wirkt die Spannung, unter welcher der Inhalt der Unterleibshöhle durch die Grösse der einzelnen Organe etc. sich befindet. Die Leber, welche hierbei hauptsächlich in Betracht kommt, hilft durch ihr eigenes grosses Brust-, Baucb- und Beckenhöhle des neugeborenen Kindes. 333 Volumen die Spannung erhöhen, und ihr Gewicht^ welches an dem Zwerchfell einen Zug in entgegengesetzter Richtung ausüben sollte, wird durch den Gegendruck der übrigen Unterleibsorgane, andererseits durch den elastischen Zug der Lungen wohl grösstenteils ausge- glichen. Der andere Faktor, welcher in dem Sinne nach abwärts seine Wirkung äussern könnte, die Kontraktion des Zwerchfalls selbst, fällt beim Ngb, in der ersten Zeit so gut wie aus, indem wohl allgemein angenommen wird, dass die Energie der Zwerchfellmuskulatur in dieser Lebensperiode eine minimale ist (s. Preyee 74, Hkinricius 78 u. a.). Jedenfalls vermag dasselbe nicht, das grosse Maass der Widerstände, welches seinen Kontraktionen von Seiten der Unterleibsorgane ent- gegensteht, zu überwinden. Aus allen diesem folgt ein Hochstand des Zwerchfells beim Ngb., wenigstens bei horizontaler Lage, und erst allmählich mit der Aenderung der den Hochstand bedingenden Momente, wobei auch die Senkung des Brustbeins gegenüber der Wirbelsäule zu berücksichtigen ist, tritt das Zwerchfell tiefer. Es scheint aber dabei der Umstand von Wichtigkeit zu sein, in welcher Richtung das Gewicht der Leber einwirkt. Wenn nämlich bei aufrechter Haltung des Individuums mit der Veränderung des Schwerpunktes das Gewicht dieses Organs in höherem Maasse zur Geltung kommt, dann wird dasselbe seine Zugwirkung nach unten um so leichter ausüben können ; andrerseits werden dann die Wider- stände für das Zwerchfell vermindert und dasselbe vermag sich leichter zu kontrahiren. Durch den Zug der Leber nach abwärts wird nun das Lungengewebe in grössere Spannung versetzt, wie es sich beim E. durch Schallerhöhung über den Lungen bei aufrechter Körperhaltung nachweisen lässt. Bei der grossen Elasticität der Lungen beim Ngb, werden dieselben bei jeder derartigen Vergrösserung der Spannung um so schneller sich zu kontrahiren bestrebt sein, d. h. die Athmung wird beschleunigt werden. Anderseits befördert die erleichterte Zusammenziehung des Zwerch- fells den Abfluss des Blutes nach dem Thorax hin, während sonst die Thoraxaspiration beim Ngb. entweder völlig maugelt oder nur in geringem Grade vorhanden zu sein pflegt (Heinricius 75), hierdurch wird der Blutumlauf beschleunigt, das Sauerstoff- und damit das Athmungsbedürfniss gesteigert. Auf diese Weise könnte man vielleicht die auffallende Thatsache erklären, dass (K. v. Vieeodt 13 S. 346) die Körperstellung beim Ngb. einen so grossen Einfluss auf die Athmung hat, dass bei senkrechter Körperhaltung derselbe um ^/g häufiger athmet. Hier zeigt die vertikale Körperstellung jedoch zunächst nur vorübergehend ihren Einfluss; erst wenn dieselbe beim Beginn des Gehens dauernd zur Geltung kommt, senkt sich das Zwerchfell definitiv (MONTi). Morpholog. Arbeiten lirsg. v. G. Scl\walbe. IIL «^ 334 2. Mettenhcljüer. Treten bei der Inspiration vornehmlich die beiden Seitentheile des Zwerchfells tiefer und zwar nach dem Versuchen von Rihemont (32) (Aufblasen der Lungen mit Unterbindung der Trachea) vorzugweise in ihren hinteren Abschnitten, so wird sich beim Ngb. regelmässig auch das Centr. tend. an der Senkung betheiligen müssen ; denn bei jeder Einathmung findet eine Annäherung der mittleren Zwerchfell- partien an die florizontalebene statt. Weil dieser Theil des Diaphragma beim Ngb. nun gegen das Brustbein hin ansteigt, so wird er sich jedesmal zur Horizontalen senken. Damit wird gleichzeitig der auf ihm ruhende Herzabschnitt herabtreten und dies wird sich vor allem durch eine Ver- schiebung der Herzspitze geltend machen. Die damit verbundene Zerrung der Gefässe ist von keinem Nachtheil für dieselben (Hasse). Eine grössere Beweglichkeit des mittleren Zwerchfellabschnittes dürfte beim Ngb. durch die noch lockere (s. oben) Verbindung mit dem Herz- beutel begünstigt werden. Kommt man auf Grund der anatomischen Verhältnisse zu dem Schluss, dass die Zwerchfellmitte beim Ngb. während der Athmung keineswegs in Ruhe verharrt, so findet diese Annahme ihre Bestätigung durch das Experiment. Hasse (73 S. 199) konnte nämlich bei Ein- leitung künstlicher Atmung an der Leiche eines Ngb. an dem Abwärts- gehen der in der Mitte gelegenen Herztheile die Betheiligung des Cent. tend. erkennen. Während dies Verhalten beim Ngb. wohl das gewöhnliche ist, findet beim E. eine Mitbewegung des Centrum wohl nur bei äusserst tiefer Inspiration statt (Landois 16), indem die anders- artigen Beziehungen der mittleren Zwerchfell fasern zu dem Sternum nur eine geringe Veränderung der Verlaufsrichtung derselben zur Folge haben. Die geringe Energie der Zwerchfell-Kontraktionen dürfte nun für ein Ueberwiegen eines thoracalen Athmungsmodus beim. Ngb. sprechen. Die Exkursionen des Zwerchfells sind nur klein, indem es „in gespanntem Zustand weniger nach abwärts, in erschlafftem Zustand weniger konvex nach oben ist"^ als beim E. (Henke 1 a) ; dasselbe vermag daher überhaupt wenig zu einer ausgiebigen Erweiterung des Thorax beizutragen. B. Bauch. Aeusserlich lässt sich eine scharfe Abgrenzung zwischen Thorax und Abdomen, wie dieselbe sich innen in der Scheidewand des Zwerch- fells gegeben findet, beim Ngb. noch kaum angeben. Der Sagittal- contour des Rumpfes (Eckeklein 23) steigt im Anschluss an den unteren Theil des Sternum bis zum Epigastrium an und findet hier seinen höchsten Punkt, um dann allmählich bis zur Symphyse hin ab- zufallen. In diesem Verlauf liegt ein bemerkenswerther Gegensatz zu dem Verhalten beim E.; später nämlich fällt die Mitte des Schwert- Brust-, Bauch- und Beckenhöhle des neugeborenen Kindes. 335 fortsatzes entweder in dieselbe Frontalebene (beim Mann) mit der Symphyse, oder dieselbe bleibt sogar (beim Weib) hinter einer durch die Symphyse gelegten Vertikalen zurück (Langer 29, S. 185). Diese Differenz erklärt sich dadurch, dass die untere Thoraxapertur beim Ngb. noch in weiterem Rahmen um die Wirbelsäule ausgespannt erscheint und, wie oben gezeigt, der Brustkorb hier erst seine grösste Weite findet, während er sich beim E. nach unten wieder verjüngt. Anderer- seits lassen die Eingeweide des Bauches, indem sie sich in den oberen, von den Rippen umgebenen Bauchraum hinauf erstrecken, den Rumpf hier den grössten Umfang gewinnen, sodass in diesem Alter von einer „Taille" noch keine Rede sein kann. Auch die in der Höhe des Proc. ensiform. nach beiden Seiten abwärts verlaufende Ansatzlinie des Zwerchfells (Harrison'sche Furche) macht sich, wie erwähnt, beim ruhigen Athmen wenigstens noch nicht so deutlich bemerkbar wie beim E. Der allmähliche üebergang von dem Thorax auf den Bauch ver- leiht dem Rumpf des Ngb. von vorne betrachtet eine ovoide Gestalt, welche die grösste Breite an der Thoraxbasis zeigt. Will man sich dennoch den Bauchraum äusserlich zur besseren Orientierung eintheilen, so kann man ebenso, wie beim E. eine Regio epigastrica, eine Regio mesogastrica und eine Regio hypogastrica unterscheiden, an welche sich zu b'eiden Seiten die Regio iliaca anschliesst. Einen weiteren Anhaltspunkt bietet der Nabel dar. Derselbe liegt nicht, wie beim E. in der Mitte der Linie, welche man sich von der Spitze des Schwert- fortsatzes zur Schamfuge gezogen denken kann, sondern mehr weniger genau in einer Transversalen, welche die beiden Darmbeinkämme mit einander verbindet, kurz, er liegt beim Ngb. näher der unteren Ex- tremität. Derselbe befindet sich also ungefähr an der unteren Grenze der Regio mesog. , etwas unterhalb der Mitte des Körpers ('s, auch JoESSEL 39 b, S. 188, Schröder 27), während er beim E. mehr minder genau in der Mitte der nach ihm benannten Reg. umbilicalis gelegen ist. Die Nabelschnurinsertion steht vom Scheitel gemessen in gewissem Verhältniss zu der Körperlänge; nimmt man die Länge des Ngb. zu 50 cm an, so ist der Nabel 27 — 28 cm von dem Scheitel ent- fernt (Ballantyne 3 a S. 76); (24—28 cm nach Bulan 129 S. 12); V. Sömmering (79 S. 12 § 8) giebt sogar an, dass die Lage des Nabels bei beiden Geschlechtern eine verschiedene ist, und sich die Nabel- schnur beim männlichen Kind merklich näher an den Geschlechtstheilen befindet, als beim weiblichen ; Bulan findet dagegen im Ganzen keine nennenswerthe Unterschiede bei Knaben und Mädchen. Während die Entfernung des Nabels vom Proc. xiph. Schwankungen unterworfen ist (5 — 7,5 cm), beträgt die Distanz von der Symphyse bei allen Längen ziemlich konstant 3,5 — 4,5 cm. Eine Eintheilung des Innenraums der Bauchhöhle mit seineu Organen durch eine obere und untere Enge in einen oberen Abschnitt 22* 336 H- Mettenheiraer. unter dem Zwerclifell. einen unteren über dem Beckeneingang und die Seitenräume rcclits und links, wie sie Henkk (Ib) neuerdings für den E. angiebt, lässt sich beim Ngb. noch niclit durchführen ; denn einzelne Organe nehmen in diesem Alter noch keineswegs ihren definitiven Platz ein. vielmehr ragen sie ohne Beachtung der von Henkk angenommeneu Grenzen scheinbar regellos in den Raum hinein. Dennoch ist man auch schon hier bestrebt gewesen, sich eine ordnende Eintheilung zu schaffen. So kann man sich mit Ribemont (32) die ganze Bauchhöhle beim Ngb. durch eine Ebene, welche dem unteren Leberrande entlang läuft in zwei grosse Hälften getheilt denken, beide in ihrer Konfiguration je einer Pyramide ähnlich. Die rechte Pyramide mit der Spitze an der rechten Crista iliaca und der Basis nach oben gewandt enthält hauptsächlich die Leber, die linke mit der Spitze im linken hinteren Hypochondrium dagegen Magen, Milz und Därme. Die Leber. Bei der Eröffnung des Bauches beim Ngb. imponirt dieses Organ sogleich durch die Grösse an und für sich, welche demselben in diesem Alter eigenthümlich ist. Dieselbe kommt dadurch noch mehr zum Vor- schein, dass die Leber noch nicht soweit wie späterhin von der in weitem Bogen ausgespannten unteren Brustapertur verdeckt wird. Dieser relativ bedeutenderen Grösse der Leber entspricht auch ein relativ grösseres Ge- wicht beim Ngb. Nach Letoürneau (57 S. 17) wiegt sie bei der Geburt 75 bis 108 gr, im Mittel 91,5 gr, nach Bexeke (25 a) bei Kindern im Alter von 0—11 Tagen 130—170 gr; H. Vierordt (58) giebt ihr Prozent- gewicht im Vergleich zum Körpergewicht für den ersten Monat zu 4,57% (männl.) und 5,47% (weibl.) gegen 2,9 und 3,15 beim E. an. Innerhalb der ersten acht Lebenstage scheint die Leber den veränderten Circulationsverhältnissen gemäss mindestens auf demselben Gewichts- zustand zu beharren (Huschke 47 S. 149), meistens aber wohl sogar vorübergehend eine Gewichtseinbusse zu erleiden. (Elsässer- ViERORDT 13 S. 327, LoMER 59.) In dem einzelnen Fall kommen so grosse Gewichtsschwankungen dieses Organs beim Ngb. vor, dasselbe überschreitet so häufig das Mittelmaass, dass sich eigentlich ein Normal- gewicht für die Leber beim Ngb. kaum angeben lässt und man häufig mit LoMKK geradezu von einem „Riesenwuchs" dieses Organs zu sprechen sich genöthigt sieht, ohne dass eine pathologische Vergrösserung vorzuliegen braucht. Das grosse Volumen der Leber beim Ngb. muss sich natürlich auch in der Gestalt derselben wie in den Lageverhält- nissen zu den anderen Organen der Bauchhöhle widerspiegeln. Die Leber füllt beim Ngb. nicht allein die rechte Bauchhälfte in grösserer Brust-, Bauch- und ßeckenhöhle des neugeborenen Kindes. 337 oder geringerer Ausdehnung aus, sondern erstreckt sich auch mit dem stark entwickelten linken Lappen weit nach links hinüber in die Magen- gegend und gewinnt dort Beziehung zu der Milz und den Därmen. In einem Falle fand ich sie hier durch das Lig. triang. sin, mit der linken Pars, costal. diaphr. verbunden, ein Verlialten, wie es nach Kölliker nicht selten vorkommen soll. Nach dem Vorgange von His (80 a) beim E. kann man auch an der Leber des Ngb. eine obere, vordere, hintere und untere Fläche unterscheiden. Symington (2 b. 725 — 26) hat noch eine fünfte, rechte Fläche angenommen und die Ausdehnung derselben durch ]\[essungen genauer zu bestimmen versucht. Derselbe Autor macht auch darauf aufmerksam, dass die sog. untere Fläche genau ge- nommen besser eine „untere linke" genannt werden muss. Ballantyne (3 a 76) glaubte auf Grnnd einiger Fälle, welche er beobachtete, aller- dings bedingt durch eine so grosse Entwicklung des linken Leberlappens, wie er sie selbst nicht als normal anzusehen wagt, beim Ngb. noch eine sechste linke Fläche den zuvor erwähnten hinzufügen können. Diese einzelnen Flächen der Leber sind theils durch scharfe Ränder von ein- ander getrennt, theils geht die eine von ihnen in die andere ohne deutliche Grenzen über. Die übrigen Flächen an Grösse überragt die vordere Fläche. Gewöhnlich wird ihre Gestalt mit der eines recht- winkligen Dreiecks mit dem abgerundeten rechten Winkel im rechten Hypochondrium verglichen. Dies mag für den E. und häufig auch für den Ngb. (s. Hexke 12 Fig. 44) zutreffen; in den von mir beobachteten Fällen bot dieselbe eher eine trapezoide Form dar. Dieselbe geht mit abgerundeten Rändern in die obere und rechte Fläche über, während sie von der unteren linken Fläche durch einen scharfen Rand sich ab- setzt. Durch das Lig. Suspensorium wird sie in zwei ungleiche Hälften getheilt, eine grössere rechte und eine kleinere linke. Ihre vertikale Ausdehnung reichte in meinen Fällen in der Mittellinie bis zu einem Punkte, der ungefähr 1 — 2 cm oberhalb des Nabels gelegen ist (s. Schnitt XII 1,5 cra), (Huschke dementsprechend '^j^", Ballantyne 3a 2 cm). Unter Umständen kann sie aber selbst bis zum Nabel herab- reichen (s, z. B, Saxdifort 81 Tab. VIII Fig. 2). Der untere Leber- rand überragt die Rippenknorpel nach v. Sömmeeing-Huschke (47 S. 149) um 1'//' nach Kölliker (36 a) um 2,5—4 cm. Nach Sahli (45 S. 133) betrug bei einem Ngb, (39,0 cm lang) der Abstand des unteren Leber- randes von der Spitze des Proc. xiph. 3,5 cm (in einem anderen Fall 3,8), vom Rippenrand in der Mammillarlinie 2,0 cm. Ich selbst fand in einem Fall in den ersteren beiden Linien eine Entfernung von 3,4 und 2,3 cm. An der Wirbelsäule gemessen entspricht die vordere Leberfläche gewöhnlich der Entfernung vom 9. Brust- bis 2. Lenden- wirbel. Der rechte untere Leberrand ragte nur in einem von meinen Fällen soweit hinab, wie es von Huschke, Ribemont und Hünke angegeben 338 H- Mettenheimer. wird, so dass er nämlich nur einige Millimeter von dem Darmbeinkamme entfernt blieb; auch Ballantyne konnte die Annahme obiger Autoren nicht bestätigen. In den Fällen nun. in welchen der untere Rand auf der rechten Seite bis in die Nähe der Crista ilei hinabreicht, pflegt der Höhenunterschied der vorderen Fläche rechts und links ein be- deutender zu sein, und der untere Rand verläuft von vorn herein schräg ansteigend von rechts unten nach links oben. Zieht derselbe dagegen mehr der Horizontalen genähert und nur langsam ansteigend über die Mittellinie hinaus eine Strecke weit nach links, um dann erst steiler nach links oben abzubiegen, so entsteht von vorn gesehen die mehr trapezoide Form der vorderen Leberfläche (s. auch Rüdinger Fig. A Taf. XI). Während die vordere Fläche na,ch rechts hin all- mählig ohne genauer bestimmte Grenze in die rechte Leberfläche über- gelit, erscheint der freilich gleichfalls abgerundete Uebergang nach oben zur oberen Leberfläche doch schärfer gekennzeichnet. In der Mittellinie wird nämlich die Grenze von der oberen zur vorderen Fläche gleichsam durch einen vorspringenden horizontal verlaufenden Wulst gebildet (s. Fig. 12), an den sich rechts wie links je eine flache Furche anschliesst, welche schräg nach aussen und abwärts verläuft und dem Eindruck der unteren Rippenapertur auf das paranchymatöse Organ entspricht. Diese Furche wird links durch eine mehr minder deutliche Leiste (Margo cardiacus Hameenik 66 S. 4 ff.) nach hinten von der ovalen Impressio cardiaca getrennt; rechterseits dagegen er- hebt sich nach hinten und oben der in die rechte Zwerchfellkuppel hinaufreichende Theil des rechten Leberlappens. Die vom Bauchfell freie Stelle der oberen Leberfläche zwischen den 1)eiden Blättern des Lig. trianguläre ist durch lockeres Bindegewebe unmittelbar und zwar beim Ngb. ausserordentlich fest (Landau 83 S. 30) mit dem Zwerch- fell verlninden ; es fand sich niemals ein angeborenes Mesohepar. Rechts reicht die Leber höher hinauf wie links ; es wird aber in dem einzelnen Fall auf die jedesmalige Entwicklung des linken Lappens (eventuell auch der Milz s. oben S. 78) ankommen, um den Unterschied mehr weniger hervortreten zu lassen. Einige Besonderheiten bietet vor Allem noch die hintere Fläche der Leber beim Ngb. dar. Die Höhe derselben, an der Ausdehnung des Lob. Spigelii gemessen, nimmt den 9.— 12. Brustwirbel in Anspruch. Sie zeigt schon auf dieser Entwicklungsstufe die von His (80 a) beim E. angegebene Gestalt eines rechtwinkligen Dreiecks mit abgerundetem rechten Winkel. Die beiden Katheten dieses Dreiecks denkt man sich gebildet von den allerdings nicht genau bestimmbaren Grenzlinien, welche den Uebergang von der hinteren zur oberen und rechten Fläche vermitteln. Um so deutlicher ist die untere Grenze, der Hypothenuse des Dreiecks entsprechend, wenigstens in ihrem weiteren Verlauf; an- fangs dagegen ist derselbe im Gegensatz zu dem Verhalten beim E., Brust-, Biiuch- und Beckenhöhle des neugeborenen Kindes. 3;^9 worauf schon His (80 a, S. 60) hingewiesen hat, beim Ngb. nicht so deutlich zu verfolgen. Während diese Grenzlinie beim E. dem oberen Rande der Impr, renalis, darauf dem unteren Rande der Impr. supra- renalis entlang zieht, ist beim Ngb. dies Verhalten durch die grosse Entwicklung der hier in Betracht kommenden rechten Nebenniere ein etwas anderes. Die grosse Nebenniere lässt nämlich die Höhe der Rückfläche des rechten Leberlappens niedrig erscheinen, indem sie die- selbe in grösserem Bereiche bedeckt als späterhin (in einem Fall war die Impr, supraren. ungefähr 1,5 cm hoch und 2,5 cm breit). Gleich- zeitig ist aber auch eine scharfe Trennung einer Impr. supren. von einer Impr. renalis kaum vorhanden, vielmehr findet ein allmählicher Uebergang von der einen zur anderen mit einer von hinten oben nach vorn unten abschüssigen Ebene statt, welche von links unten her durch die Impr. colica abgegrenzt wird. Der weitere Verlauf der erwähnten Grenzlinie ist aber der nämliche wie beim E. Aber auch hier zeigt sich meiner Meinung nach ein Unterschied insofern, als nach His beim E. das Tub. omentale des linken Leberlappens den tiefsten Punkt darstellt. Mir scheint beim Ngb. dies weniger der Fall zu sein, indem ich nur an einem Objekt ein derartiges Verhalten fand; in den übrigen 3 Fällen schien mir das Tub. papilläre tiefer zu stehen. Vielleicht mag dieser Unterschied seine Erklärung finden in dem äusserst wechseln- den Entwicklungsgrade dieser Theile beim Ngb., und dann wäre es natürlich nicht als etwas diesem Alter Charakteristisches hinzustellen ; oder aber es wäre denkbar, dass beim Ngb. der Theil des linken Lappens, welcher der Curvatura minor anliegt, das Tub, omentale, mit dem Erwachen der Thätigkeit des Magens und Zunahme seiner Capacität unter Verdrängung des linken Lappens nach rechts und vorn, erst mit der Zeit in höherem Maasse als vorspringender Wulst sich ausbildet. Die untere linke Fläche der Leber zeichnet sich durch ihre grosse Ausdehnung aus, die sie auch mit fast allen Organen der Bauchhöhle in Berührung bringt, welche ihrerseits die verschiedensten Eindrücke auf dieser Fläche des parenhymatösen Organs hinterlassen. Im All- gemeinen bietet dieselbe beim Ngb. hierin keinen wesentlichen Unter- schied dar vom E., wenn auch im Laufe der Zeit durch die relative Abnahme ihrer Grösse, sowie durch die Wachsthumsverschiebungen der Bauchorgane ihre Berührungspunkte mit den angrenzenden Organen etwas andere werden müssen. Sehr wichtig ist ihre Beziehung zu dem Magen, den sie beim Ngb. vollständig bedeckt. In der rechten Längsfurche zur Seite des Lob. quadratus, der grösstentheils rechts von der Mittellinie gelegen ist, liegt die Gallen- blase. Die Form derselben ist eine mehr cylindrische, indem sie sich weniger stark zum Duct. cysticus hin verjüngt, wie später (birnförmig) ; sie war in allen meinen (5) Fällen gefüllt und erreichte nur in einem 340 ^- J^lettenheimer. den unteren vorderen Leberrand nicht, wie es als das gewöhnliche Ver- halten beim Ngb. angegeben worden ist. Die Gallenblase lag ungefähr 1,5—2 cm rechts von der Mittellinie und zeigte eine mittlere Länge von 3 cm. Da ihre Grösse in den ersten Tagen nach der Geburt be- deutende Fortschritte macht, so schliesst man hieraus auf eine schnelle Zunahme der Gallenbildung (K. v. Vierordt 13. 327). Diese oben beschriebenen Formenverhältnisse der Leber ändern sich aber in kürzerer oder längerer Zeit nach der Geburt. Durch die Volumsabnahme der Leber selbst, welche durch das Aufhören der Blut- zufuhr durch die Umbilicalvene bedingt erscheint, anderseits unter dem Eiiitiuss der Athmungsbewegungen und der Volumszunahme des Magens geht dieses Organ eine allmähliche Umgestaltung ein. Bei jeder In- spiration erfolgt eine Drehung um eine horizontale Axe ; daneben findet aber auch (SYMiN(iTOK 20, S. 673 — 786) eine Drehung um eine Vertikal- axe statt, hervorgerufen durch die Volumszunahme des Magens l)ei Nahrungszunahme. Aus beiden Bewegungen resultirt nun eine fak- tische Mittelbewegung von links oben und hinten nach rechts unten und vorn. Der Effekt derselben ist im Laufe der Zeit bekanntlich der, dass die Leber mehr und mehr aus dem linken Hypochondrium in die rechte Bauchhälfte hineingedrängt wird (dedoublement organique Floureus 82, S. 24). Damit ist gleichzeitig eine Umformung verbun- den, nämlich eine Abnahme im transversalen Durchmesser, dagegen eine Zunahme des rechten Lappens im vertikalen und sagittalen Sinne. Von vorn gesehen lässt dann die Leber die bekannte dreieckige Figur erkennen. Den verdrängenden Einfluss des Magens konnte ich an einem 10 — 14 Tage alten Kinde mit Magenerweiterung gut beobachten. Der enorm dilatirte Magen reichte bis zum Nabel herab, die Leber war da- durch nach rechts hinüber verschoben und bot eine Form dar, wie sie der späteren des E. sehr nahe stand. Die Milz. Was in Bezug auf die grossen Unterschiede in der Grösse der Entwicklung von der Leber gesagt wurde, gilt in beinahe noch höherem Grade von der Milz in diesem Alter. Das individuelle Verhalten dieses Organs ist ein durchaus ungleichartiges und ungesetzmässiges; häufig zeichnet sich dasselbe durch eine derartige Mächtigkeit aus, dass man sich gezwungen sieht (Lomner 59) unter Umständen gradezu von „natürlichen Milztumoren" zu sprechen. Nach Letourneau beträgt das Gewicht der Milz beim Ngb. 4 — 13 gr, durchschnittlich 8,.5 gr nach Beneke (0 — 11 Tage) 12 — 13 gr. Nach H. Vierordt's Angaben wiegt sie (innerhalb des 1. Monats) 10,6 — 10,8 gr und beansprucht Brust-, Bauch- und I 'eckenhöhle des neugeborenen Kindes. 341 einen grösseren Prozentsatz des Körpergewichts als beim E., nämlich 0,34— 0,36o/o gegen 0,26—0,33. His (80 a) hat beim E. auf die Lagesymmetrie von Milz und Leber von hinten gesehen aufmerksam gemacht, indem sie beide mit ihren unteren Rändern dem Verlauf der 12. Rippe folgen (Luschka Taf. II 11. Rippe). Auch beim Ngb. dürfte ihre Lage zu den Rippen rechter- wie linkerseits eine ähnliche sein, nur schneidet sowohl rechts die Leber als links der untere Milzrand die mehr horizontal verlaufenden Rippen in mehr steiler Richtung. Auch die Beziehungen der Milz zu den Nachbarorganen gestalten sich im Laufe der Zeit anders. Während man beim E. an ihr eine Superf. phrenica, eine Superf. gastrica und renalis unterscheidet, kommt beim Ngb. noch eine vierte, die Superf. hepatica hinzu. Ausserdem ist die Sup. renalis besser als eine Sup. suprarenalis zu bezeichnen, indem die Grösse der linken Nebenniere eine directe Berührung von Milz und linker Niere, wie sie beim E. besteht, nun in geringem Maasse zulässt. Angesichts der oben erwähnten Grössenschwankungen der Milz wird man von vorn herein schliessen können, dass auch die Ausdehnung derselben in Beziehung zu den Rippen eine nicht konstante sein wird. Trotzdem wird man im allgemeinen als Norm für den Ngb. annehmen dürfen, dass die Milz sich von der 9. — 11. Rippe erstreckt; so fand ich es in zwei Fällen, während sie in einem Fall in den 8. Intercostal- raum, in einem weiteren in den 11. Intercostalraura bis nahe an die 12. Rippe heran reichte. Zeigt sich also bezüglich ihrer Lagebeziehung zu den Rippen mehr weniger genau dasselbe Verhalten wie beim E., so scheinen doch beim Ngb. häufig Abweichungen zu bestehen hinsichtlich der Art und Weise, wie sie innerhalb dieser Grenzen liegt. Während sie beim E. als ovales Organ im wesentlichen dem Verlauf der Rippen folgt, fand ich sie bei grösserer Entwicklung beim Ngb. in der Höhe der 9. Rippe und durch den linken Zwerchfellschenkel getrennt der Wirbelsäule eine kurze Strecke weit genähert, um bald durch das Dazwischentreten der Nebenniere nach aussen und oben verdrängt zu werden. Hierdurch gewinnt die Milz eine winklige Form, indem sie mit ihrem oberen Theil kurze Zeit mehr weniger nach unten aussen verläuft, um dann parallel zu den Rippen nach vorn und aussen umzubiegen und die Spitze der 11. Rippe je nach ihrer Grösse zu erreichen oder hinter derselben zurückzubleiben. Nach BiRCH-HiKscHFELD (67 S. 853) reicht sie häufig bei kleinen Kindern weiter nach vorn über die Costoclavicularlinie hinaus, während die oberen Grenzen dem unteren Rande der 8. bis oberen Rande der 9. Rippe entsprechen. Henoch nimmt sogar für das ganze Kindesalter eine tiefere Lage der Milz (weiter nach vorn) an. Früher schon ist 342 M- MetteDheimcr. S.vNDn'DKT (81 S. 40) der Ansicht: lienis volumen insignis et infra marginem thoracis sese extendit. Nach Tkelakd (84 S. 227—28) liegt die Milz beim Ngb. vollkommen horizontal; er unterscheidet einen oberen und einen unterm Rand; mit letzterem ruht die Milz auf dem Lig. phrenico-colic. auf, welches (s. auch JoESSEL 39 b S. 250) gleichsam eine nach aufwärts gerichtete Tasche bildet. Dagegen findet Sahli (45 S. 148) keinen Unterschied zwischen der Lage der Milz beim Ngb. und beim E. Diese Differenzen in den einzelnen Angaben dürften sich wohl durch die verschiedenen Ent- wicklungsgrade, welche die Milz im Kindesalter zeigt, erklären lassen; doch wird man im Allgemeinen an einer Ausdehnung der Milz inner- halb der 9. — 11. Rippe sowie einer mehr horizontalen Lage derselben, welche sie bei einiger Grössenentwicklung leicht die Costoclavicular- linie nach vorn überschreiten lassen wird, festhalten müssen. Erst nach Eintritt der Athmung wird die Milz allmählich durch die Bewegung der Därme und des Magens und mit der Anfüllung der- selben mehr in das linke hintere Hypochondrium zurückgedrängt. Das oben beschriebene Verhalten der Milz giebt auch zum Theil die Ur- sache ab zu der eigenthümlichen Figur, welches dieses Organ auf Querschnitten beim Ngb. wenigstens unter Umständen erkennen lässt (s. Fig. 7 a). Während beim B. mehr weniger die Gestalt eines Dreiecks mit abgerundeten Ecken an Querschnitten zu Tage tritt, springt hier beim Ngb. die Superf. gastrica winklich zurück. Dies hat weiter seinen Grund wohl darin, dass beim Ngb. die beiden Facetten der innern Milzoberfläche nicht gerade bedeutende Unterschiede unter- einander zeigen, während beim E. die Sup. gastrica bedeutend das Uebergewicht hat. Diese Formunterschiede scheinen jedoch eine ziem- lich grosse Entwicklung des Organs zur Voraussetzung zu haben und können deshalb bei einer kleineren Milz, wie ich in einem Fall beob- achten konnte, vollkommen fehlen. Von den einzelnen Flächen sieht die Sup. suprarenal, nach innen und und unten und die Sup. gastrica nach vorn und innen (s. auch Braune 43 Fig. 2 S. 123); hier kann sich zwischen Magen und Milz das Pancreasende sowie die Flexura coli sin. (Fig. 7a) einschieben; nach hinten aussen ist die Sup. phren. dem Zwerchfell und den Rippen zugewandt, während nach aussen und vorn die Sup. hepatica gerichtet ist. Es ist das Vorkommen einer Berührung von Milz und linkem Leberlappen beim Ngb. eine altbekannte That- sache (Sandifokt) und muss wohl auch als das gewöhnliche Verhalten hingestellt werden. Die Grösse der Berührungsfläche zwischen Milz und Leber wird aber in dem einzelnen Fall vor allem immer abhängig sein von der Grössenentwicklung der beiden betheiligten Organe. Daher fand ich sie nur in 2 von 3 Fällen (s. Fig. 7) in grösserer Aus- dehnung bestehen, während Ballantyne (3a) nach seinen Beobach- tungen die Sup. hepatica sogar als die grösste der 4 Flächen der Milz Brust-, Bauch- und IJeckenhöhle des neugeborenen Kindes. 343 hinstellt (nach Hfschke 47 wird 1" der Milz von dem linken Leber- lappen gedeckt). Jedenfalls nimmt sie, wenn in grösserem Maassstabe vorhanden, mit der Zunahme des Magenvolumens mehr und mehr ab. In 4 Fällen habe ich die grössten Durchmesser der Milz in 2 aufein- ander senkrechten Richtungen gemessen : lang breit 4,5 2,7 6,9 3,2 4,1 2,3 5,8 3,3 durchschnittl. 5,3 2,9 nach Steffen-Sahli (45. 147 — 148) 7,0 4,0 4,0 2,0 durchschnittl. 5,5 3,0 Schon diese geringe Anzahl von Fällen dürfte wenigstens ein an- näherndes Bild von der wechselnden Grössenentwicklung dieses Organs beim Ngb. geben. Der Magen. Der Uebergang der schräg nach links herabsteigenden Portio ab- dominalis des Oesophagus in den Cardialtheil des Magens liegt links von der Mittellinie, sodass, wie ich mich in einem Fall überzeugen konnte, eine Nadel, die ungefähr 1 cm nach links von der Medianebene zwischen dem 6. und 7. ßippenknorpel eingestochen wird, die Cardia trifft. Gewöhnlich eröffnet ein Horizontalschnitt durch den 10. Brust- wirbel den Cardialtheil des Magens; derselbe kann aber auch etwas tiefer in der Höhe des 11. Wirbels liegen (s. Schnitt VII). Diese Schwankungen der Lage des Magens gegenüber der Wirbelsäule kommen auch schon in den Angaben früherer Autoren zum Ausdruck ; so nimmt Fleischmann (50) den 10., Klaus (49) (Säuglingsalter überhaupt) den 11. Brustwirbel an. Cunningham (35 8. 140) fand den Magen in einem Fall in der Höhe des 12. Brust- und 1. Lendenwirbels, bei einem zweiten in der Höhe des 1. und 2. Lumbaiwirbels gelegen. Die Speiseröhre bildet an ihrer Einmündungssteile mit der mehr weniger vertikal, parallel zur Wirbelsäule herabsteigenden kleinen Curvatur des Magens einen stumpfen Winkel. In ihrem unteren Theil biegt letztere beinahe rechtwinklich um und verläuft quer zum Pylorus, der in der Höhe des 1. Lendenwirbels ungefähr in der Mitte des Abstandes zwischen dem Nabel und der Spitze des Schwertfortsatzes gelegen ist. Beim leeren oder nur massig gefüllten Magen liegt er genau vor der Wirbelsäule; ob er mit der Nahrungsaufnahme und dem steigenden Volumen des Magens schon in diesem Alter die Mittellinie nach rechts überschreitet. 344 H. Mettenheiraer. dürfte bei der Grösseneiitwicklung der Leber, welcbe dieser Verschie- bung entgegensteht, fraglich erscheinen. Flkischmann verneint diese Möglichkeit, während Hexschel (24) wenigstens für das Säuglingsalter eine derartige strikte Linkslagerung des Organs nicht bestätigen konnte (s. auch Fig. 8). Die kleine Curvatur sieht nach rechts und etwas nach oben , die grosse nach links und etwas nach unten , indem sie im Anschluss an den bekanntlich noch kaum angedeuteten Fundus ventriculi zur Pylorusbucht, dem tiefsten Punkt des Magens herabzieht. Die vordere und hintere Wand liegen bei leerem Magen in erschlafftem Zustand beim Ngb. aufeinander. Ob nun diese Form, wie sie auf Fig. 2 S. 123 von Braune (43) sichtbar ist, für den Ngb. als eine typische aufzufassen ist, wage ich nach meinen wenigen Untersuchungen nicht zu entscheiden. In einem Fall konnte ich zwar einen ganz gleichen Be- fund konstatiren, wie ihn wohl auch die verschiedenen Abbildungen von E.II5EM0KT und Ballantyxe Fig. 2 erkennen lassen; in einem anderen dagegen (Fig. 7a) war der leere Magen ganz ähnlich wie beim E. nach Art eines Darms kontrahirt. Wie es scheint überwiegt bei der noch geringen eigenen Energie der Magenmuskulatur der Druck der umgebenden Organe, namentlich der Leber, derart, dass der Magen beim Ngb. für gewöhnlich in sagittaler Richtung komprimirt wird und auch bei allmählicher Anfüllung zunächst in der Richtung des geringsten Widerstandes nach beiden Seiten, dann erst im geraden Durchmesser sich ausdehnt. In die vordere Magenwand senkt sich der Oesophagus ein, sodass er ungefähr 3 — 4 mm vor einer Ebene, die den Fundus mit dem Pylorus verbindet, zu liegen kommt. Während sich beim E. der Magen im Allgemeinen von seinem grössten Umfang am Fundustheil nacli unten hin verjüngt, zeigt der Magen des Ngb. keine nennenswerthen Unterschiede an seinem oberen und unteren Ende und von vorn betrachtet laufen beide Curvaturen in ziemlich gleichem Abstand von einander herab. Ich habe in drei Fällen die betreffenden Maasse zu bestimmen gesucht, einmal an einem Gipsausguss, in den beiden anderen Fällen an den unter massigem Druck aufgeblasenen Magen. Die Maasse sind sämmtlich in einer Horizontalebene genommen, welche den Winkel der kleinen Curvatur mit der Cardia resp. den Pylorus mit dem je gegenüberliegenden ent- ferntesten Punkt verbindet (s. Fig. 17 a, b u. d). sagittal frontal oben 1 unten oben 1 unten I i,'i 2,1 2,4 2,4 Fl 1,7 2,2 2,1 2,2 111 ^.5 2,3 2,6 2,3 Brust-, BaucVi- \m<\ Beckenhöhle des neugeborenen Kindes. 345 In den beiden ersten Fällen nimmt der Magen nach unten hin feher etwas an Umfang zu; an den Abbildungen (Fig. 17a, b, c, letztere ^3 Modell von His), welche alle in derselben Stellung, indem man nämlich auf die grosse Curvatur hinsieht, auf eine Ebene projicirt sind, tritt das beinahe entgegengesetzte Verhalten dieses Organs beim Ngb. und beim E. deutlich hervor. In dem dritten Fall dagegen waren die Verhältnisse schon denen des E. ähnlicher. Ausserdem erkennt man die elliptische Form des Magens ; die Achse der Ellipse entspricht dem Höhendurchraesser. Vergleicht man denselben (a) mit der Entfernung der Cardia vom Pylorus längs der kleinen Curvatur (b) so ergeben sich für den ersteren Abstand ungefähr doppelt so grosse Werthe, a. b. I. 5,5 2,6 IL 4,7 2,3 III. 6,3 3,7 Alle diese Werthe nehmen schon im Laufe der ersten Woche zu, wie man es aus den von Fleischmann (50) angegebenen durchschnitt- lichen Maassen für die ersten 8 Tage entnehmen kann, nämlich Höhen- durchmesser 6,4 cm, Tiefendurchmesser 3,5, Abstand Pylorus- Cardia 4,2. Auch in den erwähnten 3 Fällen tritt schon eine ziemliche Ver- schiedenheit in der Entwicklung der Grösse des Magens beim Ngb. zu Tage, wie sie nach Beneke (25 b) in ausserordentlichem Maasse diesem Alter eigenthümlich sein soll. Beim Ngb. scheint der Abstand von dem Pylorus zur Cardia relativ grösser zu sein, als späterhin, und da- durch der Pylorus relativ tiefer unterhalb der Cardia zu liegen; der Abstand beträgt an der Wirbelsäule gemessen ungefähr 2^/0 Wirbel Höhe. Der Vergrösserung der Maasse des Magens nach der Geburt entspricht eine schnelle Zunahme seiner Capacität, namentlich in der zweiten Woche. Während der Magen bei der Geburt nur ungefähr 30 ccm fasst (Ballantyne 3 a, Holt 85; nach Beneke's (25 b) An- gaben 35 — 43), steigt sein Volumen (Fleischmann) durchschnittlich von der ersten zur zweiten Woche von 46 auf 78 gr. Neben der Veränderung der Form des Magens kommt es bald nach der Geburt auch zu einem Lagewechsel. Beim Ngb. wird zunächst der Magen nicht wandständig angetroffen, sondern derselbe wird vorn von der Leber bedeckt, vorn unterhalb der grossen Curvatur zieht schräg das Colon transversum empor, nach hinten aussen steht er mit der linken Neben- niere in Berührung, ferner mit dem Ende des Pancreas, nach unten ruht er auf den Därmen, während er sich nach oben in die linke Zwerchfellkuppel bis zum oberen Rande der 6. Rippe hinauf erstreckt. Nach Eintritt der Athmung steigt der nach oben zu wirkende Druck der Därme und das hat wohl auch beim Ngb., wie dies Henschel für das Säuglingsalter nachgewiesen, eine Drehung der grossen Curvatur um die Längsachse des Magens nach vorn und oben zu Folge. Der 346 H- Metteüheiraer. Umstand, dass der Magen des Ngb. in die in diesem Alter so mächtig entwickelten Organe eingebettet erscheint, giebt vielleicht, wie dies Ballaktynk meint, ein begünstigendes Moment ab für das so häufige und leichte Erbrechen der Kinder, Von anderer Seite ist darauf auf- merksam gemacht worden, dass die mehr steile Einpflanzung der Speise- röhre, sowie hauptsächlich der Mangel eines Fundus es mit sich brächten, dass die später vorhandene Ventilwirkung, nämlich eine Abknickung des Oesophagus durch das Zwerchfell nicht oder nur in geringem Grade zur Geltung kommen kann (v. Gubaroff 86). Durch das Fehlen des Fundus ist der Centralstrora des Mageninhalts, dem dieser Blindsack sein Entstehen verdankt (Leshaft 87 a S. 82), beim Ngb. gegen die Cardia selbst gerichtet und vermag bei stärkerer B^üUung nach Ueberwindung des Widerstandes den Verschluss zu durchbrechen. Vielleicht werden spätere Untersuchungen erkennen lassen, ob die bei dem E. bestehende Zunahme der Ringmuskulatur nach dem Pylorus hin, welche den Hauptdruck auf den Inhalt ausübt, schon beim Ngb. besteht, so zwar, dass bei letzterem der Gegensatz zwischen Cardia, an der die Muskulatur nur schwach entwickelt ist, und dem Pylorus noch deutlicher hervortritt. Jedenfalls zeigt nach den Untersuchungen von Demon (88 S. 72) an Embryonen bis zur Zeit der Reife, Fötus aus der Mitte des 9. Monats die Ringmuskulatur eine schnellere Entwicklung als die Längsmuskel- fasern. Der Darmkanal. Die Länge des gesammten Darmkanals ist beim Ngb. bedeutender als beim E. Dieselbe verhält sich nach Beneke (25 b) beim Ngb. zur Körperlänge wie 570:100 gegen 450:100 nach vollendetem Körper- wachsthum. Auch die Längen der einzelnen Darmabschnitte ergeben Unterschiede , indem der Dickdarm zum Dünndarm sich beim Ngb. verhält wie 1:6, beim E. wie r:4 (Huschke 47 S. 109). Nach Treves (Dwight 4 S. 487) misst im Durchschnitt der Dünndarm beim Ngb. 287 cm, der Dickdarm 56 cm. Ausserdem aber unterscheiden sich diese beiden Darmtheile noch weit weniger wie späterhin durch ihre Form. Der Dickdarm zeigt nämlich relativ noch keine so viel grössere Weite wie der Dünndarm. An den Pylorus des Magens schliesst sich in der Höhe des 1. — 2 Lendenwirbels (Cünningham 35 S. 140 einmal 2. u. 3., das zweite mal 2. Lendenwirbels) die Pars horizontalis sup. duodeni unmittelbar an (s. Fig. 8), welche nach rechts und etwas nach hinten verläuft, um hier ungefähr 1 cm rechts von der Mittellinie in die Pars descend. überzugehen. Letztere geht bis zum 3. Lumbaiwirbel herab während die Pars horiz. inf. von hier an quer über die Wirbelsäule nach links hinten und oben hin aufsteigt, sodass das Ende des Duodenum oder der Uebergang in das Jejunum wieder in derselben Höhe wie das Brust-, Bauch- und Beckenhöhle des neugeborenen Kindes. 347 Anfangsstück, wenn auch etwas weiter nach hinten zu liegen kommt (Fig. 12). An einem Medianschnitt lag die Pars hör. inf. ungefähr 3 cm in sagittaler Richtung hinter der Pars sup. Die ganze ring- förmige Schlinge des Duodenum erscheint gegenüber ihrem si:)äteren Verlaufe mit ihrem distalen Ende mehr nach oben verschoben. Anfang und Ende des Duodenum liegen beinahe in demselben Niveau und relativ einander näher als beim E,, bei dem sich die Entfernung dieser beiden Theile mit der Zunahme des Pancreas und dem Herabrücken des Endstücks das Duodenum vergrössert. In dieser Curvatur des Darms liegt der Kopf des Pancreas. Nach vorn und oben liegt der Magen und von rechts unten nach links oben ansteigend kreuzt gewöhnlich durch Dünndarmschlingen getrennt das Colon transversum, meist wegen der Grössenentwicklung der Leber etwas tiefer als beim E., die Pars hör. inf. (beim E. nach His 80 a Abbdg. die Pars desc). An dem Ueber- gang in das Jeiunum steht es linkerseits in Beziehung zu dem unteren Ende der linken Nebenniere; rechts wird der Anfangstheil von der linken unteren Leberfläche (Lob. quadrat.) gedeckt und die Pars desc. ver- läuft in unmittelbarer Nachbarschaft der Gallenblase (s. Fig. 8). Der übrige Dünndarm, Jeiunum und Ileum, vertheilt sich frei in der Bauchhöhle und wird nicht, wie beim E. (Henke b) durch die Enge vor dem linken Psoas in zwei Hälften getheilt; allerdings glaubte ich in 3 Fällen auch jetzt schon eine gewisse Ordnung der Schlingen in dem Sinne wahrnehmen zu können, dass die Windungen links oben mehr horizontal, weiter unten rechts mehr senkrecht liegen, wie es auch RÜDiNGER, falls die Zeichnung nicht schematisch gehalten ist, in Fig. A Taf. XI abbildet. Von oben her werden die Därme bedeckt von dem in diesem Alter durchsichtigen grossen Netz, welches im Anschluss an die grosse Curvatur des Magens von links und oben bis etwas oberhalb des Nabels herab hängt ohne denselben zu erreichen (s. auch Joessel 39 b. S. 193). In letzterem Verhalten liegt wohl auch der Grund dafür, dass in den Nabelbrüchen der Kinder niemals Netz mit vortällt. Die Einsenkung des Ileum in das Coecum geschieht gewöhnlich von unten links und etwas von hinten her, indem das Ileum zuvor mit einigen AVindungen in die Fossa iliaca dextra hinabsteigt (s. Gegenbaub Fig. 356). Die Valvula ileo-coecalis wurde zweimal an Querschnitten durch den 4.-5. Lumbalwirbel eröffnet. Dieselbe Lage nahm sie au einem Sagittalschnitt ein, während sie in Fig. 9 vor dem 1. Sacralwirbel gelegen ist. Dementsprechend reichte das Coecum auf den oberen Theil der Darmbeinschaufel herab, nahm in diesem Falle also noch nicht ganz seine definitive Stellung ein. Nach oben hin gewinnt der Blinddarm beim Ngb. Beziehung zu dem unteren Theile der rechten Niere. An das untere Ende des Blinddarms schliesst sich der Wurm- 348 H- Mettenheimer. fortsatz an. Derselbe zeigt gewöhnlich mehrere Windungen, die durch das Missverhältniss zwischen der Länge dieses Darmstücks und dem Bauchfellüberzug bedingt erscheinen. Er ist 4 — 5 cm lang, liegt ge- wöhnlich hinter dem Coecum (s. Fig. 9) und stellt bekaimtlich mehr eine direkte Fortsetzung des Blinddarms dar, welcher allmählich trichter- förmig sich verjüngend und zwar ohne Klappe in denselben übergeht (Coecum in processum vermiformem degenerat. Röderer 62 S. 88; Sandifokt 81.) Nicht selten wird das Coecum entweder noch in einer höheren Lage bei der Geburt angetroffen, wie es Kih.LiKEii als das normale anzunehmen scheint, oder es hat mehr weniger eine primitive Lagerung beibehalten und findet sich alsdann in der Mittellinie, ja selbst in der Fossa iliaca sin. (Boukcart 89. Bänke 20. Ballaxtyne 3 a u. a.) DwiGHT (4. S. 489) fand das Darmstück in 35 Fällen, der Mehrzahl nach Ngb., gewöhnlich zwischen 2 parallelen Horizontalen liegen, deren eine durch den höchsten Punkt der Crista iliaca, deren andere durch die Spina ant. sup. gezogen gedacht wird. Der weitere Verlauf des Dickdarms gestaltet sich, bedingt durch die grosse Entwicklung der Leber und das tiefe Herabreichen der rechten Niere, insofern anders wie später, als die Flex. coli dextr. noch nicht so deutlich als Umbiegungsstelle des Darms ausgeprägt erscheint. Das Colon transversura stellt beim Ngb. im wesentlichen viel mehr der Richtung nach eine direkte Fortsetzung des nur kurzen Colon asendens dar, indem dieser ganze Darmabschnitt von rechts unten nach links oben hin ansteigt. Das Colon asc. liegt dem unteren Ende der rechten Niere auf und wird von der linken unteren Leberfläche bedeckt, während das Quercolon an dem unteren Bande der Leber entlang läuft und mehr weniger unter demselben nach links hin zum Vorschein kommt und mit der Bauchwand vorn in Berührung tritt. Im linken flypochon- drium bildet es in der Nachbarschaft von Milz, Magen und dem Pancreas (s. Fig. 7 a) oder etwas tiefer vor der Niere die Flex. col. sin. und geht in der Höhe des IL — 12., Brustwirbels in das Colon desc. über. Dieser Darmabschnitt zieht in seinem weiteren Verlaufe an dem äusseren Bande der linken Niere, nur selten vor der Niere, wie dies Führer (Draudt 93. S. 21 ff) angiebt, zur Fossa iliaca sin. hinab. Der- selbe ist schon jetzt in ganzer Ausdehnung an der hinteren Bauchwand fixirt, aber diese Anheftung des Colon desc. macht nach der Geburt nach abwärts weitere Fortschritte (Toldt). Dies ist von Einfluss auf die Länge des folgenden Darmstücks, der Flexura sigmoidea, insofern, als dadurch ein Theil der Flexur bald nach der Geburt noch zu dem Colon descendens gerechnet werden muss. Während die Flexur bei der Geburt ungefähr die Hälfte der Länge des Dickdarms ausmacht, Brust-, JBauck- und BeckenhÖhle des neugeborenen Kindes. 349 sind im Alter von 4 Monaten schon die Verhältnisse wie beim E. erreicht (DwiGHT a. R. 4 S. 487). Das S Romanum bildet beim Ngb. einige Besonderheiten in seinen Lageverhältnissen dar. Die nächste Schwierigkeit liegt in der Be- stimmung einer scharfen Abgrenzung dieses Darmschnittes nach oben und unten hin. Die obere Grenze bildet die Richtungsänderung im Verlauf der beiden Darmabschnitte oder genauer gesagt der Winkel, welchen das Mesocolon mit dem Mesosigmoideum bildet (Büurcart 89 und neuerdings für den E. auch Schieeferdecker). Die untere Grenze kann man mit v, Samson (91 S. 18) dort annehmen, wo der vollständige Peritonealüberzug des Darmes aufhört, indem man alsdann den oberen Mastdarmabschnitt hinzurechnet. Zwischen diesen beiden Punkten ist die Mexur ausgespannt. Dieselbe zeichnet sich beim Ngb., wie erwähnt, vor allem durch ihre oft beträchtliche, doch schwankende Länge aus (nach Draüdt [93 S. 25 fif.] ist sie nie unter 8 cm und nie über 24 cm, durchschnittlich 14 — 20 cm lang). Man kann daher in den meisten Fällen nicht zwei Abschnitte, wie später unterscheiden, sondern wohl besser nach Bourcart's (89) Vorgang deren drei annehmen, nämlich je einen kleineren Abschnitt an jeder der beiden genannten üebergangsstellen und ein grösseres Mittelstück, die eigentliche Schlinge. Diese Annahme scheint bei der grossen Länge der Flexur um so berechtigter, als, wie erwähnt, einige Zeit (3 — 4 AVochen) nach der Geburt der oberste Theil derselben in das Colon einbezogen wird, also eine Verkürzung der Flexur nach oben hin stattfindet. Andererseits unterscheidet zwar v. Samson nur 2 Theile, einen Colonschenkel und einen Mastdarmschenkel, theilt aber seinerseits auch den letzteren wieder in einen Bauchtheil und einen Beckentheil, welch' letzterer dem oben genannten Verbindungsstück Boücart's mit dem Rectum entsprechen dürfte. Bei der Lagebestimmung der Flexur beim Ngb. kommen einerseits die Grössenverhältnisse des Beckens, andererseits der Wachsthumsmodus der Flexur, wie man denselben entwicklungs- geschichtlich verfolgen kann, in Betracht. Im 4. Monat bildet nämlich (M. B. Freund 92. S. 104—112) das Colon desc. zwei Schlingen; entwickelt sich die erste von beiden in grösserem Maasse, so nimmt sie allmählich die Fossa iliaca sin. ein, und auch die kleine zweite Schlinge bleibt gewöhnlich auf der linken Seite liegen. Meistens jedoch bildet sich die zweite Schlinge mehr aus und überschreitet in ihrem weiteren Wachsthum die Mittellinie nach rechts hin bis zur Fossa iliaca dextra aus Raummangel, indem das Wachsthum des fötalen Beckens mit der Entwicklung dieses Darm- abschnittes nicht gleichen Schritt hält. Weiter raumbeengend dürfte Morpholog. Arbeiten brag. t. G. Schwalbe, m. 23 560 ^ Mettenheimer. wohl auch noch die starke Anfüllung des Darms mit Meconium in den letzten Monaten wirken. Mit Beginn des extrauterinen Lebens ändert sich nach Feeund dies Verhältniss, indem der Darm in seinem eigenen Wachsthum hinter der Ausdehnung der Unterlage zurückbleibt, und es erfolgt eine allmühliche Rückkehr zu der ursprünglichen Lagerung. Jedenfalls befindet sich der Darm also bei der Geburt noch nicht in seiner definitiven Lage, sondern nur in einem Uebergangsstadium. Hiernach erscheint aus entwicklungsgeschichtlichen Gründen allerdings die Angabe, welche zuerst wohl von Huguier (94) (Gazette des hopitaux etc.) und nach ihm von verschiedenen Autoren wie Lesshaft (87 b), RüDiNGER (37), Ranke (90) Ballntyne (3 a), u. a. gemacht worden ist, durchaus erklärlich. Dieselben fanden nämlich wiederholt die Flexur beim Ngb. in der rechten Seite gelegen und halten dies (Huguier 94, Draudt 93 S. 26) sogar für die normale Lage. Sappey beobachtete dieselbe unter 14 reifen Föten 8 mal, Stoc- QUART (95) unter 20 Fällen im Alter bis zu 7 Jahren 10 mal. Draudt (S. 46) fand unter 37 Untersuchungsobjekten (reife Föten und Ngb.) 30 mal Rechtslage mit verschiedenen Varietäten und nur 7 mal reine Linkslage, welche er sogar für eine Anomalie (S. 38) beim Ngb. erklärt. Auch ich fand in 4 Fällen einen queren Verlauf der Flexur mit Ueber- schreiten der Mittellinie nach rechts hinüber. Dagegen zeigten von 295 Fällen (Bourcart 89) nur 59 diesen queren Verlauf. Diesem Widerspruch gegenüber könnte man sich nur mit der Ansicht Less- haet's (89 b), welche schon vorher von B^RAUD ausgesprochen worden ist, abzufinden suchen, dass die Flexur nur vor der Defaecation nach der Geburt in der rechten Seite gefunden wird. Dasselbe nimmt auch Joessel (39 b S. 234 und Fig. 52) an. Dies Verhalten würde sich dann so erklären lassen, dass das an- gefüllte Darmrohr an Länge sowohl wie an Umfang einen grösseren Raum beansprucht, als demselben in der Fossa iliaca eingeräumt werden kann. Hierzu kommen vielleicht auch noch begünstigende Druck- niomente, die sich beim Passiren der Geburtswege geltend machen, in- dem hierbei die mit Kindspech angefüllte Flexur unter Umständen sogar in das kleine Becken hinabgedrückt werden kann. Meckel (96 S. 59) und Stocquart (98) machen den Druck der grossen Leber, welche fast die ganze Bauchhöhle einnimmt, verant- wortlich, indem daduich die Därme nach links abwärts geschoben werden. Da die Flexur nicht in das noch enge Becken hin ausweichen kann, so wird sie nach rechts hinübergedrängt. Gegen die Annahme einer nur vorübergehenden Rechtslage von Lesshaft lassen sich aber verschiedene Gründe anführen. Zunächst konnte v. Samson (91 S. 50 — 53) das Bestehen einer Rechtslage bis zum Alter von 6 Monaten verfolgen ; nach Huguier (94) behält die Flexur bis in das zweite, nach Stocquart (95) sogar bis in das dritte Brust-, ßauch- und Beckenhöhle des neugeborenen Kindes. 351 Jahr hinein diese Stellung bei. Andererseits führt Bourcart (89) 11 (allerdings wohl nicht ganz maassgebende) Fälle von Giraldes an, bei welchen die Flexur links gelegen war, obwohl wegen Anus imperforatus keine Defaecation stattgefunden haben konnte. Ausserdem glaubte aber Bourcart durch vorsichtiges Aufblasen und Injektion des Darms nach- gewiesen zu haben, dass die Floxur sich bei Anfüllung wohl ausdehnt und vergrössert, dass dieselbe aber ihre Lage im Wesentlichen bei- behält, also nicht etwa unter dem Einfiuss der Schwere aus einer auf- steigenden eine querlaufende Schleife entstehen kann. Auch Sahli (45 S. 56 — 58) lässt durch die Methode der vorsichtigen Injektion keine nennenswerthe Veränderung des Situs hervorgerufen werden. Dagegen giebt Draudt (93 S. 30) auf Grund seiner Versuche (Gasanfüllung des Darms) an, dass die Mengen des eingeschlossenen Gases auf das Vo- lumen und gleichzeitig damit auf die Form und Lage des Darmkanals von grösstem Einfluss sind. Wenn nun auch manche Punkte, vor allem die Entwicklungs- geschichte, für eine Rechtslage dieses Darmstücks beim Ngb. sprechen, so kann man einstweilen dennoch zu keinem endgültigen Schluss in dieser Sache kommen, so lange man nicht dem grossen Material Bourcart's eine gleiche Zahlenreihe entgegenzustellen vermag, zumal da Bourcart ausdrücklich hervorhebt, dass auch er bei seiner ersten Serie unter 30 Kindern 17 Fälle mit Querlage der Flexur antraf. Es dürfte bei ferneren Untersuchungen vielleicht gerathen sein, Knaben und Mädchen gesondert zu betrachten, falls sich ein Unterschied der Lage wegen der Verschiedenheit des Beckeninhalts und der dadurch gesetzten Raumbeschränkung herausstellen sollte. Draudt (93 S. 28) konnte allerdings bei den von ihm beobachteten Objekten keinen nennenswerthen Lageunterschied hinsichtlich der Geschlechter finden. Ausserdem beobachteten Bourcart (89), Steffen (95), Jacobi (78 b) u. A. in seltenen Fällen auch, dass die Flexur mit einer Schleife in das kleine Becken des Ngb. hinabsteigt; sie liegt alsdann zwischen Blase und Mastdarm beim männlichen, zwischen Uterus und Mastdarm beim weiblichen Geschlecht. Uebrigens dürfte die Flexur bei einer Querlage gewöhnlich mit einem grösseren oder kleineren Theil in das Becken hinabreichen. In einem von mir beobachteten Fall füllte die quer gelegene Schleife die Excav. vesico-uterina (s. weiter unten) in der Höhe des dritten Sacralwirbels, in einem anderen stieg dieselbe etwas rechts von der Mittellinie bis zum vierten Sacralwirbel neben dem Rectum herab, um dann sich wieder nach oben zu wenden und in der Höhe des ersten Sacralwirbels in den Mastdarm überzugehen. Die genauere Lage des S Romanum hat übrigens zunächst nur ein rein anatomisches Interesse. Daneben kann sie aber unter Umständen auch Bedeutung für den Kliniker gewinnen, indem eine quer verlaufende 23* 352 fi- Mettenlieimer. gefüllte Flexurschlinge (Steffen 97) ein circumscriptes Exsudat vor- täuschen kann. Ausserdem wird die sog. „anatomische Constipation" auf die beengte Lage der Flexur im Becken zurückgeführt. Ebenso kann die grosse Länge dieses Darmstückes, welche Windungen und Krümmungen desselben veranlasst, dadurch ein Hinderniss für die Stuhlentleerung abgeben, unter Umständen wohl auch zu einem voll- ständigen Verschluss durch Verschlingung führen. So theilt Jacohj (78b) einen Fall mit, bei dem das Colon desc. unterhalb der Tasche, also die offenbar sehr lange Flex. sig. 3 mal um sich selbst gedreht war. Der Chirurg wird stets nach dem Vorgange von Rochaed in der linken Fossa iliaca operiren, wo er immer mit Hülfe des Colon desc. zur Flex. sigra. wird gelangen können. Dies wird um so leichter sein, da die Flexur nach Boukcart gewöhnlich in der Höhe der Spina iliaca ant. sup. der Bauchwand angelagert ist. Auch von Samson (91) giebt an, dass dieselbe gleich nach Eröffnung der Bauchhöhle sichtbar wird und nur, wie ich es auch beobachten konnte, durch wenige Darm- schlingen von der vorderen oder hinteren Bauchwand getrennt wird. Das Pancreas. Die Beziehungen dieser Drüse zu den Nachbarorganen sind im Allgemeinen beim Ngb. die nämlichen (s. Fig. 7 a und 8) wie beim E., nur verläuft dieselbe vielleicht beim Ngb. mehr schräg ansteigend von dem Kopf, der gegenüber dem 1. und 2. Lumbalwirbel in die Duodenalschleife eingefügt ist, nach links oben zu dem Schwanz hin. Das Organ ist 3 — 3,5 cm lang und an Medianschnitten (s. Fig. 12) gemessen in sagittaler Richtung am Anfaugstheil ungefähr 1 cm dick. Die Eindrücke, welche dasselbe von den benachbarten Organen erhält, erscheinen noch nicht so scharf ausgeprägt, indem das Tuber omentale noch nicht so stark vorspringt, andererseits die Concavität an der Vorderfiäche, bedingt durch die Beziehungen zum Magen, noch nicht so tief nach hinten sich ausbuchtet, wenn auch diese Verhältnisse schon jetzt deutlich zu erkennen sind, Ti^ELAHD (84 S. 328) vergleicht die Gestalt des Pancreaskörpers mit einem von oben nach unten ab- geplatteten Cylinder, an dem man eine obere vordere und eine untere hintere Fläche unterscheiden kann. Das Endstück des Pancreas ge- winnt Beziehung nach hinten und innen mit der linken Nebenniere, nach aussen (und hinten) mit der Milz, nach vorn mit dem Magen; zwischen Magen und Milz tritt noch die Flex. coli sin. mit der Drüse in Berührung, während nach unten zu der Anfaugstheil des Jeiunum gelegen ist. Die Nieren. Die Nieren zeigen bekanntlich beim Ngb. eine relativ bedeutende Entwicklung. Das Gewicht derselben beträgt im Verhältniss zum Brust-, Bauch- und Beckenhöhle des neugeborenen Kindes. 353 Körpergewicht (v. Sümmiuung-Huschke 47, 345) 1 : 82 — 100 beim Ngb. gegen 1 : 225 beim E. Letoürneau (57) hat das Gewicht jeder Niere einzeln bestimmt zu 11 (links) und 11,5 (rechts) gr (durchschnittlich). Für den ersten Monat berechnet beträgt das Gesammtgewicht nach H. ViERORDT (58) 23,1— 23.3 gr, also 0,75—0,77% des Körpergewichts gegen 0,49—0,55 % beim E. Da die Nieren mit der Geburt keine Ge- wichtsverminderung zu erleiden scheinen (Lomek 59), so darf man wohl hieraus schliessen , dass sie auch schon im intrauterinen Leben in voller Thätigkeit sind: Die Maasse jeder Niere betrugen in zwei Fällen : breit: lang: dick: rechte Niere 2,1 4,2 2 linke Niere 2,2 3,9 2 nach Wagner (98) 2,3 4,2 — Entsprechend ihrer relativen Grösse nehmen sie auch einen be- deutenderen Raum an der hinteren Bauchwand in Anspruch, als späterhin. Allerdings kommt hier auch die geringe Höhe des Lumbaltheils der Wirbelsäule in Betracht. Sie entsprechen nämlich im Allgemeinen in ihrer Ausdehnung dem 1.— 4, Lendenwirbel; diese Grenzen können sich nach oben bis zum 12. Brustwirbel, nach abwärts bis zum 5. Lenden- wirbel mehr oder weniger verschieben, so zwar, dass die linke Niere gewöhnlich ungefähr 0,5 — 1 cm höher liegt als die rechte, während letztere weiter hinabreicht und unten in Beziehung tritt zu dem oberen Theil der Darmbeinschaufel, entsprechend ungefähr der Lage des Nabels (4. — 5. Lumbalwirbel) (s. auch Sandifort 81, Tab. VIII, Fig. 2 u. 3). Ein grosser Unterschied des Höhenstandes zwischen der rechten und linken Niere tritt auf Fig. 8 hervor. Gerade hierin liegt ein Hauptgegensatz zu dem Verhalten beim E. Die rechte Niere erscheint durch die Leber hinabgedrängt und liegt mit ihrem unteren Theil dem M. psoas auf, von dem sie nach vorn gedrängt wird. Während vor ihr das Coecum mit dem Proc. vermif. gelegen ist und das Colon ascend. emporsteigt, welches auf der Niere eine von unten und aussen nach oben und innen ziehende flache Vertiefung hinter- lässt (Draudt 93 S. 22), wird ihr oberer Theil von rechts und oben her von der unteren linken Leberfläche bedeckt und nach innen und hinten zur Seite der Wirbelsäule verschoben. Die linke Niere liegt gewöhnlich etwas höher und weiter nach aussen von dem M. psoas (s. Henke 1 a Fig. 47) und ihre Lage entspricht schon mehr den späteren Verhältnissen. Die beiden Längsachsen der Nieren laufen beim Ngb. beinahe parallel und nur wenig nach unten zu divergirend, während sie beim E. nachdem die rechte Niere in der rechten Lumbai- gegend ihren definitiven Stand erreicht hat, stärker nach oben kon- vergiren (s. Joessel 39 b S. 255 und Fig. 63). 354 H. Mettenheimer. Die zuführenden Gefässe verlaufen beim Ngb. unter spitzem AVinkel (und zwar rechts steiler, wie links) zu dem betreffenden Hilus herab, welcher links vor dem 2. Lumbaiwirbel, rechts etwas tiefer vor dem 2. — 3. Lumbalwirbel gelegen ist. Beim E. liegt der Hilus beiderseits vor dem 1. Lendenwirbel (s. Braune 43 S. 134) und die Arterien gehen beinahe unter rechten "Winkel von der Aorta ab, indem mit der Zeit die Aorta herabrückt (SciiwALBE 99). Die Unterschiede in der Lage der beiden Nieren zu einander können individuell natürlich in sehr verschiedenem Grade ausgesprochen sein ; während Ballantyne (3 a S. 90) keine Höhen- unterschiede in der Lage dieser Organe in seinen Fällen konstatiren konnte, lässt Fig. 8 z. B. einen recht bedeutenden Unterschied des Standes zwischen rechter und linker Niere erkennen. Es ist im Gegensatz zum E. auch angegeben worden, dass die Nieren in diesem Alter einer Fettkapsel entbehren ; dennoch konnte ich in zwei Fällen die Ansicht von Danz (100 S. 117) bestätigen, dass die Nieren auch jetzt schon wenigstens von einzelnen Fettanhäufungen umgeben sind. Nach oben werden die Nieren überragt und geradezu gedeckt von den Nebennieren, deren bedeutende Grösse beim Ngb. bekannt ist (nach KciLLiKEE. 36 a beim reifen Fötus 4 — 7 gr). Sie sind ungefähr ^/g so gross wie die Nieren, nehmen aber bald nach der Geburt an Gewicht ab (Lomer 59). Sie stellen jede einen dreiseitigen , etwas pyramidenförmigen abgeflachten Körper dar und zeigen die Verschieden- heiten der Form unter einander noch nicht so deutlich wie später. Sie erscheinen in die Länge gezogen, indem sie an der vorderen Fläche der Nieren bis zum Hilus hinabreichen, andererseits die Kuppe der Niere bedecken und nach hinten und oben überragen. Die Höhen der Nebennieren betrugen in einem Fall vom Hilus bis zu dem entferntesten Punkt des Organs gemessen 3,3 — 3,5 cm (Wagner 98 3,6 cm) mit kaum wesentlichem Unterschied zwischen links und rechts. An der Hinterfläche betrug die Höhe 1,4 — 1,7 cm, sodass die rechte die linke um 0,3 cm übertraf; dagegen zeigte die linke Nebenniere ihrerseits eine grössere Breite (links 2,8 cm, rechts 2,3 cm) (Wagner 98 3,25 cm) an der Basis gemessen; die sagittalen Durchmesser verhielten sich wie 1,2 — 1,3 cm. Durch die etwas verschiedene Höhe der beiden Nebennieren, die etwas längere Form der rechten, scheint der Lageunterschied der Nieren mehr weniger ausgeglichen zu werden, sodass Niere und Neben- niere zusammengenommen jederseits gleichweit hinaufreichen (s. Henke 1 a Fig. 47). Dies Verhalten dürfte auch dadurch begünstigt werden, dass die linke Niere zwar höher gelegen ist wie die rechte, sich aber noch mehr als beim E. zwischen Milz und Wirbelsäule einschiebt. Die Differenzen in Form und Lage der Nebennieren werden im Verlauf der Zeit grössere (His 80 a S. 71). Die linke Nebenniere erfährt unter dem Druck des sich entwickelnden Magenfundus eine Umbildung in dem Sinn, dass sie Brust-, Bauch- uud ßeckenhöhle des neugeboreuen Kindes. 355 mehr auf die mediane Fläche der Niere zu liegen kommt, welche sie halbmondförmig bedeckt; die rechte Nebenniere hat späterhin eine deutliche dreieckige Gestalt und überragt die linke etwas. Die Neben- nieren liegen jederseits in der Höhe des 10. Brustwirbels an den ent- sprechenden Zwerchfellschenkeln (rechts nach innen an der Vena cava inf.). Nach aussen und vorn wird die rechte von der Leber bedeckt und zwar von der hinteren Fläche derselben. Die linke Nebenniere steht in Berührung mit der Milz nach aussen und oben, mit dem Magen, dem Pancreas und dem Jeiunum nach vorn. Die Nieren lassen an und für sich in diesem Alter noch nicht jene Sförmige Krümmung in Seitenansicht erkennen, wie sie sich beim E. vorfindet. Fasst man jedoch jede Niere mit der dazu gehörigen Nebenniere zusammen als ein Ganzes ins Auge, so dürfte sich an beiden Organen gemeinsam in ihrer Lage der Einfluss der Umgebung, wie ihn His für den E. schildert, wohl in demselben Sinne bemerkbar machen, wie bei letzteren ; in der That glaubte ich in einem Falle wenigstens an der rechten Niere jene Biegung erkennen zu können. C. Becken. Während beim E. das kantig vorspringende Promontorium eine scharfe Grenze bildet zwischen dem lumbalen Theil der Wirbelsäule und dem sacralen, findet dieser Uebergang beim Ngb. bekanntlich all- mählich statt. Der letzte Lendenwirbel und die beiden ersten Sacral- wirbel, welche mehr nach vorn als nach unten sehen, beschreiben einen leicht nach vorn konvexen Bogen, an den sich die folgenden Kreuzbein- wirbel mit noch geringem, nach hinten konvexen Bogen anschliessen, sodass der Winkel, den die Achse des 5. Lendenwirbels mit der des 1. Kreuzbeinwirbels bildet, grösser ist als beim E. (W. A. Feeukd 101 c S. 82). Das Ende der Wirbelsäule verläuft beim Ngb. mehr gerade und erst später bildet sich die Sförmige Krümmung der Wirbel- säule aus. An den Sacraltheil der Wirbelsäule, deren Wirbelkörper breit sind, während die Flügel noch eine geringe Entwicklung zeigen (Fehling 102 S. 41) fügt sich zu beiden Seiten das Darmbein an und zwar ist der Winkel, den die Facies auricularis mit der Linea innominata bildet, noch eine kleinere als beim E. (W. A. Freund) und der Beckenring vereinigt sich vorn unter einem spitzeren Winkel an der Symphyse als späterliin. Das Becken des Ngb. im allgemeinen ver- jüngt sich nach dem Ausgang hin ziemlich gleichmässig nach Art eines Trichters. Indem die Verbindung zwischen dem 5. Lendenwirbel und dem 1. Kreuzbeinwirbel, das spätere Promontorium, noch nicht so tief wie beim E. zwischen die Darmbeinschaufeln eingepflanzt ist, vielmehr oberhalb der Linea innominata liegt, erscheint die Beckeueingangsebene 356 H. Mettenheimer. sehr steil gestellt, oder es besteht nur eine sehr schwache Becken- neigung. Weil sich nun hieraus ein bedeutendes Ueberwiegen der Länge der Conjugata vera gegenüber den anderen Beckenmaassen er- geben würde, hat man behufs eines Vergleichs der ßeckenmaasse unter einander die Verbindungslinie zwischen dem 3. Sacralwirbel und dem oberen Symphysenrand, welche dem sagittalen Durchmesser des Beckens beim Ngb. besser entspricht, als Conj. inf. angenommen. Ich habe die an 8 Becken an Medianschnitten gefundenen sagittalen Durchmesser wie folgt zusammengestellt: Gerader Durch- Anzahl Conj. 8up. Conj. inf. messer der des Becken- Becken- enge ausgangs I. weibl. 3.2 2,9 2,3 11. „ 3,7 3.3 3,2 2,4 III. männl. 3,8 3,5 3-2 2,3 IV. weibl. 3,5 3,3 — 2,5 V. „ 3,6 3.1 3,o 2,4 VI. „ 3,3 2,9 3,1 2,8 VII. „ 3,6 3-1 3,4 2,9 VIII. „ 3,o 2,8 2,9 2,0 Hieraus ergiebt sich im Durchschnitt für die Conj. sup. .3,45 (Veit 104 S. 358, 3, 478), für die Conj. inf. 3,1. Gerader Durchmesser der Becken- enge 3,1, des Beckenausgangs 2,5. Auch in diesen Zahlen kommt der ziemlich gestreckte Verlauf des Kreuzbeins zum Vorschein, während das Steissbein weiter nach vorn umbiegt. Der Unterschied zwischen Conj. sup. und Conj. inf. beträgt nach meinen Beobachtungen also nur 3,5 mm (auch Jürgens 103 4 mm); eine weit grössere Differenz nämlich 7,5 mm fand Ballantyne (3 a S. 96). Gerade der Unterschied in den Werthen dieser beiden Distanzen (Conj. sup. und inf.) bildet ein Hauptmerkmal der niedrigen Entwicklungsstufe, auf welcher das Becken des Ngb. sich befindet. Diese Differenz bleibt nach Jükgens (103 S. 10) ungefähr unverändert bis zum Ende des 2. Lebensjahres bestehen. Was die übrigen Becken- maasse anbetrifft, so giebt Ballantyne in Uebereinstimmung mitBALAN- DiN an, dass die schrägen Durchmesser die grössten sind; dagegen findet er den queren, Balandin den sagittalen Diameter beim Ngb. am kürzesten. Von verschiedenen Seiten ist auch auf Geschlechtsunterschiede in der Form des Beckens aufmerksam gemacht worden, die schon beim Ngb. hervortreten sollen. Sowohl die Messungen am Skelet von Litzmann und Fehling, als auch äussere Messungen von Fasbender Brust-, Bauch- und Beckenhöhle des neugeborenen Kindes. 357 (40 S. 298) ergaben übereinstimmend, dass beim Ngb. die Entfernung der Spin. ant. sowie der Cristae, ebenso die der Spin. sup. post. bei Knaben diejenigen der Mädchen übertrifft, ebenso ist die Conj. vera (Fehling, Veit 104 S. 362) etwas grösser bei Knaben als bei Mädchen im Verhältniss zur Conj. transversa, nämlich 1:1,077 bei jenen, dagegen 1:1,124 bei diesen. Diese Unterschiede beruhen hauptsächlich auf der stärkeren Entwicklung des Knochengerüstes beim Knaben, anderer- seits kommt hier die grössere Breite des Kreuzbeins beim Knaben in Be- tracht. "Während sich dies Verhältniss, wie es beim Ngb. besteht, im Verlauf der Zeit geradezu umkehrt, finden sich andere Geschlechts- unterschiede, die schon jetzt vorhanden späterhin nur noch weiter aus- geprägt werden. Der Schamwinkel des Knaben ist spitzer (67,5'^) als derjenige des Mädchens (77,1") (Fehling 102 S. 48). Das Becken von vorn gesehen erscheint beim Knaben schon jetzt höher und schmäler, beim Mädchen schon jetzt niedriger und breiter. Beide Beckenhälften verhalten sich beim Ngb. meist symmetrisch (Fasbender 40. 304). Diese Geschlechtsunterschiede bilden sich, wenn auch schon vorhanden, dennoch erst beim weiteren Wachsthum unter dem Druck der sich entwickelnden Eingeweide der Beckenhöhle weiter aus; beim Ngb. in dem einzelnen Fall kaum zu merken, treten dieselben eigentlich nur an Durchschnitts- zahlen einer grösseren Reihe von Beobachtungen erst hervor. Die Länge des Kreuzbeins betrug durchschnittlich (5 Fälle) 3,8 cm (3,3 — 4,3). Seine Länge muss jedoch ziemlich beträchtlich variiren können, da Ballantyne (3 a S. 94) nur 2,7 cm angiebt, Aeby (48 a S. 88) 3,21 cm. Bodenhamer (106. S. 98) giebt für die Entfernung vom Promontorium zur Steissbeinspitze auch nur 2,8 — 3 cm (2 Fälle) an, Aeby dagegen 4,5 cm. Die Blase. Bei den beschränkten flaumverhältnissen, die das Becken des Ngb. im Allgemeinen darbietet und bei der gleichzeitigen relativen Grösse der einzelnen Inhaltsorgane, ist es erklärlich, dass nicht alle Organe in dem Becken selbst Platz haben. So findet man denn die Blase beim Ngb. noch grösstentheils oberhalb des Beckeneingangs gelegen und erst späterhin rückt dieselbe in ihre definitive Lage in die Beckenhöhle hinab. Mit ihrem Scheitel, der beim Ngb. im Gegensatz zum E. zu- gespitzt erscheint, geht sie in den Urachus über und steht vermittelst desselben mit dem Nabel in Verbindung. Der Scheitel liegt ungefähr 2,3 — 2,5 cm oberhalb des oberen Bandes der Symphyse oder durch- schnittlich 1,9 cm über der Conj. sup. und erreicht ungefähr die Mitte der Entfernung des Nabels von der Symphyse. Die vordere Wand der Blase ruht unten eine kurze Strecke weit auf der inneren Fläche des oberen Symphysenrandes, weiter oberhalb steht sie in Beziehung zur 358 ^^- Mettenheiiner. Bauchwaiul oder liegt in gewissem Sinne noch in derselben (Gegenbaur 107 S. 371). Die Yorderwand der Blase ist auch jetzt schon kürzer als die hintere (40 : 55 Takahasi 108), aber diese Differenz nimmt mit dem Alter noch bedeutend zu. Die Vorderwand ist frei von Peritoneum, welches sich von der Bauchwand am Scheitel auf die hintere Blasenwand fortsetzt. Hier reicht dasselbe beim männlichen Geschlecht bis zu einem Punkte herab, der in einer Ebene mit dem oberen Symphysenrand etwas unterhalb des Orificium urethrae int. gelegen ist und überzieht dort die Prostata- drüse, um dann auf das Rectum überzugehen. Beim weiblichen Geschlecht dagegen bekleidet das Bauchfell die hintere Blasenwand nicht in derselben Ausdehnung, sondern schlägt sich je nach der höheren oder tieferen Verbindung zwischen Uterus und hinterer Blasenwand früher oder später, gewöhnlich ungefähr an der Grenze zwischen Corpus und Cervix auf den Uterus um; in drei Fällen bildete dasselbe auf der hinteren Blasenwand eine quer verlaufende Falte (s. Abldg. 2) (Plica transversalis vesicae Waldeyee.) Ich habe in 7 Fällen den Abstand der Umschlagsstelle oder den Grund der Excavatio vesico-uterina von dem vorderen Scheidengewölbe gemessen. Derselbe beträgt durchschnittlich 0,7 cm, ist aber grossem individuellen Wechsel unterworfen (0,3 — 1,2 cm). In einem achten Falle fand sich in der Exe. vesico-uterina eine quer verlaufende Sigmoidschlinge, welche zur Vertiefung dieses Raumes beigetragen haben mochte, indem hier die Umschlagsstelle des Peritoneum und das vordere Scheidengewölbe bis auf 1 mm einander genähert waren. Disse (109 S. 45) theilt zwei Fälle mit von neugeborenen Mädchen; bei dem einen war die Umschlags- stelle von der Kuppe des vorderen Scheidengewölbes 9 mm entfernt, während bei dem zweiten die ganze hintere Fläche der Blase vom Bauchfell überzogen wurde, und der Uebergang auf den Uterus unterhalb der inneren Harnröhrenmündung erfolgte (s. diesbezüglich auch die Abbildungen von Kölliker 36 b, Ballantyne 8 a IX Fig. 2). Im Allgemeinen wird man jedoch annehmen können, dass die Umschlagsstelle beim weiblichen Geschlecht beim Ngb. oberhalb des Orif. urethrae int. stattfindet, indem die Verbindung zwischen Blase und Uterus beim Ngb. eine noch ausgedehnte zu sein pflegt. Es scheint eine allmähliche Verkürzung dieses Zusammenhanges von der Embryonalzeit an, wo die Verbindung zwischen Geschlechtsstrang und Blase auffallend weit hinauf reicht (Nagel 110) zu dem Verhältniss einzutreten, wie man es beim E. findet. Der Scheitel und der Körper der Blase (s. auch Sandifort 81 tab. VIII Fig. 2) sind also beim Ngb. ausserhalb der Beckenhöhle gelegen und nur der tiefste Punkt der Blase, die innere Harnröhren- raündung, die der Lage nach ungefähr dem oberen Symphysenrand zu entsprechen pflegt, sowie etwa der vierte Theil dieses Organs (in leerem kontrahirten Zustand) liegt bereits innerhalb des Beckens unterhalb Brust-, Bauch- und Beckeuhöhle des neugeborenen Kindes. 359 der Conj. sup. Weder Ballantyne (3 a) noch ich fanden die An- gabe Symington's (2 a) bestätigt, dass die Hälfte der Blase im All- gemeinen unterhalb des Beckeneingangs gelegen sei. Vielleicht werden fernere zahlreichere Untersuchungen auf diesem Gebiet zeigen, dass man die beiden Geschlechter getrennt behandeln muss. Während nämlich an den 7 weiblichen Becken, die ich untersuchen konnte, die Conj. sup. ungefähr ^/^ der leeren Blase nach oben nach dem Abdomen zu abschnitt, theilte dieselbe Linie bei einem männlichen Becken die Blase beinahe genau in 2 Hälften, von denen die untere also im Becken gelegen war. Darf man überhaupt daran denken, eine so geringe Anzahl von Fällen einander gegenüber zu stellen und mit einander zu vergleichen, so müsste man vielleicht einen Geschlechtsunterschied in der Lage der Blase annehmen. Und zwar würde sich dann ergeben, dass die Blase beim männlichen Ngb. tiefer steht, als beim weiblichen, dies Organ also beim Ngb. in seiner Lage ein dem des E. entgegen- gesetztes Verhalten zeigte. Da selbst bei dem wechselnden Volumen der Blase die Lage der inneren Harnröhrenmündung eine ziemlich constante bleibt, so hat DissE (109) dieselbe als festen Punkt zur Lagebestimmung der Blase benutzt, indem er dieselbe in Beziehung brachte zu dem geraden Durch- messer des Beckeneingangs (Conj. sup.) und der Beckenenge (unterer Rand des 3. Sacralwirbels — unterer Symphysenrand). Die Entfernung der inneren Hahrnröhrenmündung von ersterer Linie wird dargestellt, durch die Höhe eines Dreiecks (sog. Blasen- dreieck von Disse), das man sich durch die Verbindung der beiden Endpunkte der Conj. sup. mit dem Orif. urethrae int. konstruiren kann Nach dem Vorgange von Disse habe ich an einigen Becken die Lage der Blase nach Zahlen anzugeben versucht (dabei bedeutet das Minus- zeichen den Abstand der inneren Harnröhrenmündung von der Conj. sup. [a], das Pluszeichen den Abstand von dem geraden Durchmesser der Beckenenge [b]). (Siehe Tabelle auf nächster Seite.) Hieraus ergeben sich als Durchschnittswerthe für die Entfernung a beim weiblichen Ngb. 6,25 mm, beim männlichen 7,7 mm, für die Ent- fernung b im ersteren Falle 9,88 mm, in letzterem 15,7 mm. Auffällig tief steht die innere Harnröhrenmündung bei den 3 leeren erschlafften Blasen der weibHchen Ngb. (s. auch Abb. 2). In welcher Beziehung dieses Verhalten vielleicht zu der Gestalt der Blase in den betreffenden Fällen steht, wird weiter unten erörtert werden. Jedenfalls findet (Disse 109 S. 51) bald nach der Geburt eine schnelle Senkung der inneren Harnröhrenmündung statt und zwar beträgt dies Herabrücken innerhalb des ersten Jahres 16 mm. Das Orific. urethrae int. liegt bei der Geburt ungefähr in gleicher Höhe mit dem Os uteri externum in meinen Fällen ; denselben Höhenstand kann man auch entnehmen aus Köllikee (36 b). In der Abb. 5 von Disse (109 S. 65) steht es jedoch etwas 360 H. Mettenheimer. A. Weibliche Becken. Verhalten Anzahl a b. der Hlase des Mastdarms I. Dl SSE — 3 mm + I 5 mm koiiti'aliirt, leer platt, leer 2. KÖLLIKEU — 3 „ + 15 „ n gefüllt 3. Mettenheimer — 'o „ + 5 „ erschlafft, leer leer | 4. r, — 5 ., + 14 „ kontrahirt, leer, platt gefüllt 5. - 5 „ + 13 » n n 6. 3 )i + 12 ,, )) t> 7. — 10 „ + 9 „ leer, schlaff n 8. — 12 ^ + 6 „ )) leer i. Di SSE 2. Takahasi 3. METTENHEIMER B. Männliche Becken. -|- 20 mm + '5 » 4- 12 — 3 mm — 7 „ kontrahirt, platt, leer leer, platt, erschlafft kontrahirt, platt, leer gefüllt leer leer höher als das vordere Scheidengewölbe. Demnach dürfte die Lage der inneren Harnröhrenmündung beim Ngb. gewisse individuelle Ver- schiedenheiten darbieten ; dennoch wird man im Allgemeinen daran festhalten können, dass dieser Punkt beim Ngb. hinten der Höhe des 1. Steissbein wirbeis entspricht. Mit dem Herabrücken der Blase nach der Geburt gewinnt die hintere Wand derselben Beziehung zu dem oberen Theil der Vagina, während sie bei der Geburt nur mit der Cervix und dem Corpus uteri verbunden ist. Das Tiefertreten der Blase in das Becken ist hauptsächlich eine Folge der Erweiterung und Vergrösserung der Beckenhöhle; vielleicht kommt die eigene Schwere des Organs bei aufrechter Körperhaltung als begünstigendes Moment hinzu (Takahasi 108). Auf Medianschnitten wird die Blase häufig nicht in der Mitte getroffen, je nachdem der eine Seitentheil derselben weiter in die eine oder die andere Beckenhälfte hinüberreicht. Diese Lageverhält- nisse stehen in einer bestimmten Beziehung zu der Lage des Mast- darms und zwar ist die Seitenabweichung beider Organe von der Mittellinie beim weiblichen Geschlecht eine gleichartige in dem Sinne, dass z. B. bei einer Linkslage des Rectum die grössere Hälfte der Blase in die linke Beckenhälfte fällt, beim männlichen Geschlecht eine entgegengesetzte. Brust-, Bauch- und Beckenhöhle des neugeborenen Kindes. 361 Was die Gestalt der Blase bei der Geburt anbetrifft, so muss man unterscheiden die Blase : 1. in leerem contrabirtem Zustand; 2. in leerem erschlafftem Zustand; 3. in verschiedenen Graden der Füllung. In dem ersten Fall ist die Blase spindelförmig (Kölliker) und auf dem Sagittalschnitt platt, indem die hintere Wand der vorderen anliegt; das Lumen zwischen den in Falten contrahirten Wandungen ist nur als schmaler Spaltraum kenntlich, der nach unten sich un- mittelbar in die Urethra verlängert. Diesen Befund hält Kölliker, dem DissE beitritt, für die normale Form der Blase beim Ngb. Als Grund dafür, dass sich die Blase bei der Contraction nicht nach ab- wärts verschiebt oder sich hinter die Symphyse zurückzieht, wie dies Henke annahm, hat Kölliker die Befestigung des Blasenscheitels durch den ürachus und die Nabelarterien angeführt. Beim weiblichen Geschlecht sollen auch noch die bei Füllung der Blase angespannten Lig. teretia den Uterus nach vorn zu ziehen und damit die Blase ab- zuplatten bestrebt sein. Takahasi dagegen hält ersteren Umstand für bedeutungslos, da diese Theile bei leerer Blase schlaff herabhängen. Vor allem scheint für die Annäherung der hinteren an die vordere Wand in Betracht zu kommen die überwiegende Entwicklung der ßing- faserschicht vor der Längsfaserschicht, wie sie Disse (109) nach- gewiesen hat. Ausserdem dürfte die Enge des Beckenringes im geraden Durch- messer begünstigend in dieser Hinsicht wirken. Hieraus erklärt sich auch, dass die Blase unten im queren Durchmesser mehr ausgedehnt erscheint, als im geraden, so dass sie von vorn gesehen, wie schon Langer 29 b S. 112 angegeben, eine birnförmige Gestalt mit drei- eckiger Vorderfläche zeigt. Während nach Disse die Formdifferenz der leeren Blase im erschlafften und contrahirten Zustand keine grosse ist und Kölliker die Blase im erschlafften leeren Zustand sogar für anomal anzusehen scheint, so möchte ich dennoch in der Hoffnung, dass zahlreichere Untersuchungen meine Beobachtungen vielleicht be- stätigen werden, nach zwei von meinen Fällen wenigstens für das weibliche Geschlecht einige Unterschiede der erwähnten Formen hervor- heben. Zunächst tritt bei erschlaffter Blase deutlicher als bei con- trahirter, was auch Disse (109) berücksichtigt, die grössere Länge der hinteren Wand hervor. Ferner aber bietet die Blase mit dem y-förmigen Spaltraum im Medianschnitt (s. Fig. 14) eine Form dar, welche jener von Hart (111) beim erwachsenen Weibe geschilderten ziemlich nahe stehen dürfte. Die hintere Wand ist nur im oberen Tb eil des Abschnittes, der vom Bauchfell überzogen ist, mit der vorderen Wand in Berührung; im unteren Theil derselben ist sie in Folge der Erschlaffung der 362 fl- Mettenheimer. Muskulatur nach unten herabgesunken. Der vom Bauchfell unbedeckte Abschnitt dagegen wird durch seine Verbindung mit dem Corpus und Cervix des Uterus in seiner beinahe vertikalen Stellung festgehalten, Der erstere Abschnitt der hinteren Wand erscheint gegen den zweiten abgeknickt. Die oben erwähnte Einstülpung der hinteren Blasenwand ist viel- leicht unter Umständen das Ergebniss einer gewissen Anpassung dieses Organs an die in manchen Fällen auffallend starke Beugung des Corpus uteri nach vorn (s. auch Henke 1 a, Fig. 49), welche Nagel (110) schon bei Embryonen beobachten konnte. In meinen Fällen handelt es sich zunächst nur um weibliche Indi- viduen; hier dürfte wahrscheinlich in der wenn auch losen Ver- bindung mit dem Genitalapparat, welche den vom Bauchfell freien Theil der hinteren Blasenwand in seiner Lage erhält, der Grund zu dieser Form zu suchen sein. Man könnte somit an einen Unterschied der Geschlechter beim Ngb. bezüglich der Blasenform im erschlafften Zu- stande denken. Doch muss ich annehmen, dass, wenn ich anders Symington (2 a S. 75) recht verstehe, sich auch an der männlichen erschlafften Blase Andeutungen dieser Gestalt finden, wie es wohl auch in geringem Grade in der Abbildung einer männlichen Blase von Takahasi (108 Fig. 2, Taf. IV) zur Anschauung kommt. Hier dürfte sich dann wohl in der Beziehung der hinteren Wand zu den Geschlechtsdrüsen (Becken- fascien) eine gewisse Stütze darbieten, welche den unteren Theil der hinteren Blasenwand am Herabsinken zu hindern vermag. Hieraus würde sich dann die Angabe Symington's erklären, dass nach der Geburt der untere Theil der Blase nicht so schnell herabsteigt wie der Scheitel. Es kommt dadurch zur Bildung einer „Falte" der hinteren Blasenwand hinter der inneren Harnröhrenmündung, welche man viel- leicht als eine Andeutung eines Blasengrundes, dessen die Blase des Ngb. im Allgemeinen ja entbehrt, aufzufassen hat. Auch Kölliker (36 b) erwähnt Fälle, in denen die hintere Wand schon mehr ausge- buchtet erschien. Es scheint meiner Meinung nach durchaus denkbar, dass man bei der Unfertigkeit, wie sie der Organismus des Ngb. dar- bietet, verschiedene Entwicklungsgrade eines und desselben Organs antreffen wird, ohne sich genöthigt zu sehen, gleich von einer abnormen Form sprechen zu müssen. Die von mir beobachtete Gestalt der leeren erschlafften Blase würde dann schon dem Verhalten beim E. um einen Schritt näher gerückt sein; hierfür dürfte auch die tiefere Lage der Blase, wie sie aus der grossen Entfernung der inneren Harnröhren- mündung von der Conj. sup. (s. Fall 3, 7 und 8) (Fig. 14) zu entnehmen ist, sprechen. Bei der Blase, welche Urin enthält, kommen je nach dem Grade der Füllung verschiedene Formen zur Anschauung. Bei massiger Brust-, Baucii- und Beckenhöhle des neugeborenen Kindes. 363 Anfüllung zeigt die Blase zunächst unter allmählicher Entfaltung (CuNNiNGHAM 35, Plate IX, Fig. 1) an Sagittalschnitten (s. Stmikgton 2 a, Fig. 27; Rüdingee 37, Taf. XI, 3; Kölliker 36 b, Fig. 5) eine mehr weniger viereckige Gestalt, indem die hintere Wand winklig ge- knickt erscheint. Diese Knickungsstelle liegt beim weiblichen Ngb. an dem üebergang des bauchfellfreien auf den vom Bauchfell über- zogenen Theil der hinteren "Wand. Erst bei stärkerer Anfüllung gleicht sich diese Knickung aus, die Blase wird ovoid und zwar mit dem grössten Umfang unten und hinten (Symington). Bei grosser über- mässiger Ausdehnung kann sich dies Verhältniss umkehren (s.Ballantyne 3 a, PI. VIII, Fig. 2), sodass das obere Ende das untere an Umfang übertrifft. Die Blase reicht alsdann bis zum Nabel, ja selbst über denselben hinaus, eine Ausdehnung, wie sie das Organ späterhin nur unter pathologischen Verhältnissen wiedergewinnen kann. Diese innige Beziehung der Harnblase des Ngb. zur Bauchwand ist auch für die späteren Verhältnisse beim E, insofern von Bedeutung, als man gerade hierin den Grund suchen zu müssen glaubt (Gegenbaur 107 S. 371) für den Defect der Bectusscheide unterhalb der Linea Douglasii (sog. Cavum praeperitoneale Retzius-Hyrtl). Die hohe Lage der Blase mit ihrer vom Bauchfell nicht be- kleideten vordem Wand, sowie das tiefe Herabreichen des Peritoneum auf die Prostata sind für den Chirurgen beherzigenswerth (z. B. bei der Steinoperation). Zu beiden Seiten der Blase verlaufen die Umbilicalarterien von der Hypogastrica beiderseits nach vorn und oben zu convergirend an die vordere Bauchwand zum Nabel. Nach aussen von den Ureteren gelegen ziehen sie mit nach unten convexem Bogen unter den breiten und runden Mutterbändern beim weiblichen, oberhalb des Vas deferens beim männlichen Ngb. empor. Sie stellen zwei starke vorspringende Wülste dar (s. Fig. 13), welche zumal bei gefüllter Blase die Becken- höhle nach oben gegen die Bauchhöhle abzugrenzen helfen. Nach hinten ist die Blase beim männlichen Ngb. durch die Excavatio vesico- rectalis von dem Mastdarm geschieden. In derselben liegen gewöhnlich Dünndarmschlingen, häufig auch die quer verlaufende Flexura sigmoidea, ja selbst bei abnormer Lage das Coecum (Ballanttne 3 a S. 101). Beim neugeborenen Mädchen schliesst sich nach hinten an die Blase die Excav. vesico-uterina; sie ist normaler Weise leer, in einem Fall verlief eine quere Sigmoidschlinge in ihr zur Fossa iliaca dextra, zuweilen findet sich auch Dünndarm darin. Ungefähr 3— 4mm oberhalb (und etwas von hinten her) der inneren Harnröhrenöffnung münden jederseits die Ureteren ; dieselben erscheinen verhältnissmässig weit und dick in diesem Alter. Sie liegen in der Höhe des Promontorium vor dem M. iliopsoas etwas nach vorn von den Iliacalgefässen, welche sie nach innen und unten verlaufend beider- 364 Ö- Mettenheimef, seits kreuzen, um sich unterhalb der Lig. lata herum seitlich vom Uterus beim weiblichen, etwas nach aussen und vorn von dem Vas def. und den Samenbläschen beim männlichen Ngb. (s. Heitzmann 112, Fig. 410 S. 71 II) von hinten seitlich in die Blase einzusenken. Vom unteren Ende der Blase geht die Urethra aus. In ihrem Verlauf beim männliclien Ngb. konnte ich eigentlich keinen wesentlichen Unterschied vom E. beobachten; vielleicht verläuft dieselbe, wie es auch Henke (1 a S. 193) angiebt (s. Henle 113 Taf. CXXXVI S. 233 Fig. 1, CuNNiNGHAM 35 Platc IX Fig. 1, Rüdinger 37 Taf. XI B. u. a.) eine etwas längere Strecke weit gerade nach abwärts und weniger nach vorn umgebogen wie späterhin. Die weibliche Harnröhre folgt ungefähr der Richtung der Becken- achse und geht in mehr weniger ausgesprochenem, leicht nach vorn concavem Bogen um die Symphyse herum, sodass die äussere Harn- röhrenmündung gewöhnlich nur wenige Mm. vor einer Senkrechten zu liegen kommt, welche man sich durch die innere Harnröhrenmündung nach abwärts gezogen denken kann. Die Länge der männlichen Harn- röhre beträgt nach Jarjavay (114 S. 217) (durchschri'.tlich bei 15 Kindern 1 — 6 Tage alt) 5—5,5 cm; Symington fand (9monatl, Fötus) viermal 6 cm, ich selbst konnte in zwei Fällen ungefähr dasselbe constatiren; Sappey (S. 673 t. IV 1877) giebt 6 cm, Ballantyne etwas mehr als 6 cm Länge an. Nach Rüdinger (37 S. 54) ist die Länge der Urethra etwas verschieden, im Allgemeinen 6—7 cm. Die Urethra soll für einen Katheter Nr. 10 durchgängig sein. Die Länge der weiblichen Urethra fand ich im Mittel von 6 Fällen (2,2 — 3,3 cm) 2,9 cm lang; ich erhalte hierbei eine ziemlich bedeutende Diflferenz gegenüber Ballantyne, welcher eine Länge der weiblichen Harnröhre von 4 cm angiebt. Nach Ballantyne (3 a) enthält die Blase zur Zeit der Geburt gewöhnlich 3 — 4 gr Urin. Er bezieht die grosse Häufigkeit des Urin- lassens in diesem Alter auf den relativ geringen Rauminhalt der Blase. Ein weiterer Grund dürfte vielleicht in dem noch wenig aktiven Ver- schluss durch den Sphincter vesicae int. gegeben sein , indem derselbe nach den Untersuchungen von Disse (S. 43 cf. Fig. 7 Taf. V/VI) noch sehr geringe und mangelhafte Ausbildung zeigt. Das Rectum. An der hinteren Beckenwand zieht vor dem Endstück der "Wirbel- säule der ]\Iastdarm herab. Indem er in seinem Verlauf dem noch weniger stark nach vorn concaven Os sacrum folgt, zieht er mehr gerade herab als beim E. Man pflegt gewöhnlich drei Abschnitte an demselben zu unterscheiden: einen oberen und zugleich längsten, welcher der ganzen Länge des Kreuzbeins folgt und schräg nach hinten unten herabsteigt ; an diesen Brust-, Bauch- und Beckenböhle des neugeborenen Kindes. 365 scliliesst sich der zweite an, welcher nach unten und etwas nach vorn ent- sprechend dem Os coccygis umbiegt. Dieser Theil zeichnet sich durch seine Kürze aus und geht um die Steissbeinspitze herum in den dritten Theil über, welcher relativ lang ist und nach abwärts und zugleich etwas rückwärts in den Anus mündet. Die Entfernung zwischen Anal- öffnung und Steissbeinspitze ist eine relativ grosse beim Ngb. (s. Cun- NiNGHAM 35 S. 141). Diesen mehr gestreckten Verlauf zeigt der Darm beim Ngb. jedoch nur bei starker Ausdehnung. (Esmarch 115 S. 16/17 Fig. G u. 7 Mediangefrierschnitte der Beckengegend ; vor dem Gefrieren wurde die Blase durch Injection von Wasser und der Mastdarm durch Hinabschieben des Meconium und Unterbindung des Darmes oberhalb der Elex. sigm. massig ausgedehnt). Bei geringerer Anfüllung dagegen oder in leerem Zustande überschreitet derselbe in verschiedenen Win- dungen nach rechts und links hin die Mittellinie, doch nur in den ersten beiden Abschnitten. So ist unter Umständen auch jetzt schon sein Verlauf ein spiraliger zu nennen, nämlich S förmig in sagittaler und transversaler Richtung, nur sind diese Krümmungen noch nicht so ausgesprochen und noch keineswegs typisch wie beim E. Kohlrausch (116 S. 6) giebt zwar an , dass der Darm beim Ngb. vor dem oberen Theil des Kreuzbeins die Mittellinie regelmässig nach rechts über- schreitet; auch V. Bardeleben (117 S. 571) lässt beim Kinde (!) den Mastdarm in seinem oberen Theil nach rechts abweichen. Jedenfalls wird sich hier kaum eine bestimmte Norm angeben lassen, da zur Zeit der (reburt die Lage des Mastdarms durchaus noch nicht eine definitive ist (M. B. Feeund 92, S. 102—112). Während des Fruchtlebens finden nämlich gewöhnlich Ortsveränderungen dieses Organs statt von einer primi- tiven Rechts- oder Linkslage (vor der rechten oder linken Excav. sacro- iliaca) in die jedesmalig entgegengesetzte Stellung. Diese Wanderung scheint durch Ungleichheiten im Wachsthum des Darms und des Beckens zu Gunsten des ersteren sowie durch die Anfüllung des Darms mit Me- conium bedingt; ausserdem übt noch die nach rechts wachsende Flexura iliaca einen Zug aus. Da der Mastdarm nun auf dieser seiner Wande- rung zur Zeit der Geburt verschieden weit vorgeschritten sein kann, so ist nicht zu verwundern, wenn man ihn beim Ngb. bald auf dieser bald auf jener Station dieses Weges, die er vorübergehend erreicht hat, an- trifft. Die Lage ist jedoch keineswegs schon eine bleibende, sondern es findet im extrauterinen Leben, wenn die Beckenwand ihren Inhalt an Wachsthumsgeschwindigkeit übertrifft, eine Rückwanderung zu der primitiven Lage statt. Feeuxd (92) hat 4 Typen der Lagerung des Mastdarms aufgestellt, wie sie der Reihe nach auf einander zu folgen pflegen. Zunächst eine gewöhnliche Linkslage, darunter auch diejenigen Fälle, in denen der Darm schon am 3. Sacralwirbel die Mittellinie erreicht; eine Mittellage; eine unvollständige Linkslage; hier steigt er Morpholog. Arbeiten hrsg. v. G. Schwalbe. III. ^i 366 H. Mettenheimer. vor der Exe. sacro-iliaca dextr. in das Becken hinab, um mit den zwei unteren Dritteln nach links hinüberzugehen; schliesslich die gewöhn- liche Rechtslage des Darms. Ich habe 3 mal die erste Lage (mit Unterart), 2 mal die dritte, 1 mal die vierte beobachten können. In 3 Fällen fand der Uebergang der Flexur auf den Mastdarm links von der Mittellinie statt. Da nun eine primitive Linkslage nach Drehung der Dünndarm- schleife sowohl die natürliche als die häufigste ist, da ferner in % aller Fälle nach Fkeuxd eine Ortsänderung im intrauterinen Leben statt- hat, 80 müsste man von vornherein schliessen, dass man bei der Geburt den Darm häufiger in der rechten Beckenhälfte oder in unvollkommener Linkslage gelegen finden wird als wie links. So sah denn auch Steffen (97) z. B. das Rectum ebenso häufig- rechts wie links ver- laufen, am seltensten in der Mittellinie. Boukcart (89) dagegen giebt an, dass wenigstens der Uebergang der Flexur auf den Mastdarm beim Ngb. in den bei weitem meisten Fällen links gelegen sei, wo er auch beim E. normaler Weise gefunden wird. Bis jetzt muss man diesen verschiedenen Angaben gegenüber einstweilen daran festhalten, dass die Lage des Mastdarms beim Ngb. durchaus nicht eine definitive ist, dass derselbe vielmehr erst eine unbestimmte Zeit nach der Geburt (nach Freund im 1. Jahr) in die letztere einrückt. Die mannigfachen Lagen, die der Mastdarm beim Ngb. einnehmen kann, gewinnen aber um so mehr an Interesse durch den Einfluss, den dieselben, wie später gezeigt werden wird, auf die Lageverhältnisse des weiblichen Genitalapparates auszuüben vermögen; auf die gegenseitigen Lagebeziehungen zwischen Mastdarm und Blase ist bereits oben hin- gewiesen worden. Das Peritoneum steigt beim männlichen und weiblichen Geschlecht ziemlich gleich weit in die Excavat, vesico- resp. utero - rectalis herab, ungefähr bis zur Höhe des 5. Sacral- oder 1. Steissbeiuwirbels, vorn ungefähr entsprechend dem oberen Rand der Symphyse, so dass die ümschlagsstelle 2,98 cm (Durchschnitt aus 8 Fällen) über der Analöffnung liegt. Häufig jedoch reicht das Bauchfell tiefer hinab (s. Abb. 2), sogar bis zur Mitte der Vagina (KtiLLiKER 36 b). An dem Uebergang von dem zweiten Mastdarmabschuitt zum dritten fand ich beim Ngb. in 7 Fällen eine Falte (Plica transversalis recti Kohlrausch), die im Mittel 2,7 cm oberhalb der Analöffnung gelegen war. An dieser Stelle ungefähr (2—4 cm) fand Zillner (118 S. 313) bei Einführung eines Katheters stets einen Widerstand, der ihn zu- nächst an einem weiteren Vordringen hinderte. Die Analöffnung selbst liegt 6,7 cm (Durchschnitt aus 6 Fällen) unterhalb des Promontorium (nach Maitre S. 14 6 cm). Gewöhnlich, doch nicht immer, liegt die nach aussen und abwärts gerichtete Anal- Brust-, Bauch- und BeckenhÖhle des neugeborenen Kindes. 367 Öffnung vertical, wie es Symington angegeben, unter der Steissbein- spitze, also relativ etwas weiter nach hinten als später. Der Uterus. Bei der Lage der weiblichen Genitalorgane zwischen dem Mast-, darm und der Blase, die ihrerseits noch nicht einen endgültigen Stand erreicht haben, andererseits durch ihren wechselnden Füllungsgrad in verschiedenem Masse die Räumlichkeit des Beckens zu beschränken vermögen, darf man von vornherein darauf gefasst sein, unter dem Ein- fluss der Nachbarorgane zunächst den Uterus mannigfache Stellungen beim Ngb. einnehmen zu sehen. Derselbe liegt in diesem Alter nur zum Theil im Becken ; mit seinem Fundus erstreckt er sich in die Bauchhöhle hinauf. In 6 Fällen stand der Uterus mit dem Fundus in der Höhe des 1, Kreuzbein- wirbels und überragte die Conj. sup. ungefähr um ^s seiner Länge. Doch scheinen hier sehr grosse individuelle Verschiedenheiten statt- haben zu können; Ballantyne (3a) und Symington (2a) lassen auch ungefähr ^/g — Y2 ^^^ Uteruslänge ausserhalb des Beckens gelegen sein ; dagegen fand Laxgeehans (119) zuweilen einen so hochgradigen Tief- stand des Uterus, wie er beim E. selbst „unter normalen Verhältnissen nicht vorkommt". In letzterem Fall ist dann, wie ich in einem Fall zu beobachten Gelegenheit hatte, die Vagina in starke Falten gelegt und kann bis auf die Hälfte ihrer Länge verkürzt sein. Die Stellung des Uterus in der Verticalen wird jedenfalls in dem einzelnen Fall je mit der AnfüUung und Entleerung des Mastdarms und der Blase und der dadurch be- dingten Verengung oder Erweiterung des Raumes ein höherer oder tieferer sein müssen; im Allgemeinen findet nach der Geburt mit der Vergrösserung der Beckenhöhle ein allmähliches Herabsenken statt. Ausserdem kommt hier noch in Betracht der mehr weniger gerade Verlauf der Uteruslängsachse. In 6 von mir beobachteten Fällen war der Uterus antevertirt- anteflectirt d. h. er war nach vorn geneigt und leicht über die vordere Fläche gebogen, so dass, wie es auch Küllikee (36 b) angiebt, die Achse von Cervix und Corpus einen stumpfen AVinkel (ungefähr 170 0) mit einander bilden. Diese Anteversio-flexio, welche schon Boullaed (120) angiebt (S. 12 — 13) und die auch neuerdings von Waldeyer, Ballantyne (3 a), Tschaussuw (121) u. A. als die normale Haltung des Uterus angesehen wird, scheint für den Ngb. typisch zu sein. Nach den Untersuchungen von Nagel (110) an Embryonen ist ein leichter Grad von Autefiexio wahrscheinlich als eine naturgemässe Folge der Entwicklung des Geschlechtsstranges aufzufassen, da sich schon in früheren Perioden eine Knickung an der Stelle des inneren Mutter- 24* 368 H. Mettenheimer. mundes zeigt. Kr)LLiKEE (36 b) und Tschaussow (121) lassen die leichte Anteflexion abhängig sein von der Schwäche des Uterusgewebes an dem Orif, internum. Hierzu kommt der Druck der auf dem Fundus lastenden Flexur und der Dünndarraschlingeu bei Raumbeengung durch die Blase, während die Lig. rotunda ein Ausweichen nach hinten nicht zu- lassen (zumal wenn dieselben ungewöhnlich stark entwickelt sind, M. B. Freund 92 S. 168). Bardeleben (117 S. 578) sieht hauptsächlich in der Unnachgiebigkeit des fest mit dem Fundus verwachsenen Bauch- fells den Grund dafür, dass bei Füllung der Blase der Uterus an diese herangezogen wird. Daneben kann in diesem Alter die Uterusachse aber auch beinahe ganz gerade verlaufen, oder ihr. oberer Theil ist leicht nach vorn concav, so dass eine S förmige Gestalt des Uterus zu Stande kommt (Kölliker). Andererseits kommen auch Fälle von angeborener Anteflexio vor; ich selbst konnte einen derartigen Fall beobachten, bei dem das Corpus uteri auf der schüsseiförmig eingesunkenen hinteren Wand der leeren Blase aufruhte (ähnlich Henke 1 a Fig. 49 ; s. auch Fritsch 125, Fig. 11). Diese angeborenen Anteflexionen wurden von Schroeder (27 S. 208) als „übertriebene physiologische Bildungen" angesehen ; dies wird von Nagel bestätigt, der schon bei Embryonen eine auffallend starke Vorwärtsbeugung des Corpus uteri fand. Beugungen des Uterus in der entgegengesetzten Richtung, nach liinten, sind nur äusserst selten beobachtet werden. Ausser den beiden bekannten Fällen von Ru(rE (122), zu denen jetzt noch eine dritte Beobachtung von Tschaussow (121) gekommen ist, fand ich nur noch beiBouLLARD (120) zwei Retroflexionen erwähnt. Da derselbe jedoch 57 reife und 4 unreife Föten zu seinen Untersuchungen benutzte, so lässt sich nicht mit Sicherheit angeben, ob sich diese Angabe auf erstere bezieht. Na(iel will auch das Ent- stehen dieser Bildung auf früheste Entwicklungsstufen zurückgeführt wissen. In einem von mir beobachteten Fall lag der Uterus schräg zurückgelehnt in der rechten Exe. sacro-iliaca neben dem links herab- steigenden Rectum. Es wird dies wohl als ein Bestehenbleiben auf einer Entwicklungsstufe aufzufassen sein, wie sie (M. B. Freund 92) dem 8. Monat des intrauterinen Lebens ungefähr entspricht und von diesem Autor als „ruhende Rücklehnuug" beschrieben worden ist. Bedingt dürfte in diesem Fall das Bestehenbleiben des Uterus wohl sein durch den Verlauf der Flex. sigm. quer in der Exe. vesico-uterina nach rechts, um dann umzubiegen und links in den Mastdarm überzugehen. Hier- durch erscheint der Uterus in der für eine bestimmte Zeit allerdings physiologischen, aber normaler Weise vorübergehenden Lage fixirt. Die abnorme Anfüllung des vorderen Douglas'schen Raumes, dessen Grund vertieft bis auf das vordere Scheidengewölbe hinabreichte, und die dadurch hervorgerufene Verschiebung des Uterus von der Cervix an in tote (Retropositio) nach hinten möchte ihre Erklärung dadurch finden, Brust-, Baucli- uud ßeckcnhöhle des neugeborenen Kindes. 369 dass in diesem Fall gleichzeitig eine Hufeisenniere vorhanden war, deren raumheschränkende Lagerung vielleicht das Herabsinken der gefüllten Därme in die Exe. vesico-uterina zur Folge hatte. Man darf diesen Fall dann wohl zu denjenigen rechnen, bei denen Missbildungen oder Anomalien der Geschlechtsorgane mit angeborenen Nierenfehlern vergesellschaftet sind (W. A. Freund 101. b S. 8). Uehrigens liegt auch in dem zweiten Fall von Rüge (122) wenigstens eine leere Dünn- darmschlinge vor dem Uterus; und auch bei dem von Tschaussow (121) beschriebenen Fall von Retroflexio machte das S Romanum eine Schlinge zur hinteren Wand der Blase und überdeckte die vordere Fläche des Uterus. Ausserdem scheint der Uterus beim Ngb. nur selten genau in der Mittellinie zu liegen (nach meinen Beobachtungen in 6 Fällen nur 1 mal), indem gewöhnlich eine Rotation um seine Längsachse statt hat unter der Einwirkung der oben genannten Seitwärtswanderung des Mastdarms und dem Druck der umliegenden Nachbarorgane. Abgesehen von der rechtsseitigen Rückwärtslehnung des Uterus in dem einen Fall, war der Fundus uteri in 4 Fällen nach links rotirt, so dass die Querachse desselben ungefähr im zweiten schrägen Durchmesser des Beckens stand. Dass hier nicht allein die Stellung des Mastdarms in der rechten Seite des Beckens von Einfluss ist, sondern der vordrängende Druck auf die hintere "Wand des Uterus auch von Dünndarmschlingen oder von der Flexur herrühren kann, zeigt die Fig. 13; in diesem Fall lag der Mastdarm in seinem oberen Abschnitt vor der linken Artic. sacro- iliaca; dennoch stand der Uterus mit seiner Querachse extramedian nach links rotirt. weil die vor der rechten Artic. sacro-iliaca gelegene Flex. sigm,, die links in den Mastdarm überging, von rechts und hinten her ihren verdrängenden Einfluss auf den Uterus ausübte. Gerade entgegengesetzt fand Langeehans (119) meistens eine Rotation nach rechts; einige Male war die Rotation überhaupt wenig ausgesprochen, niemals jedoch fand sich eine Drehung mit dem Fundus nach der linken Beckenhälfte. Auch Feitsch (125) giebt an, dass % des Uterus rechts, links nur ^j^, liegen. Ferner ist die Grösse des Uterus in diesem Alter eine ziemlich wechselnde. Die Länge des Organs vom Ostium uteri externum bis zum Fundus betrug zweimal 3,1, je einmal 2,9; 3,2, 3,4; 3,5 cm., durchschnittlich also 3,16 cm (nach Symington 2a 4 Fälle 2,65 cm, nach Ballantyxe 3a .3,2 cm, Sobotta 124 S. 89 3,5 cm). Nach Geapow [123] beträgt die Länge ungefähr 3 cm oder genauer 2.7 cm, und zwar kommen 6 mm auf die Corpushöhle und 21 mm auf die Cervixhöhle. Der Hauptunterschied zwischen dem kindlichen Uterus und dem des E. besteht bekanntlich in dem bedeutenden Ueberwiegen der Cervix gegenüber dem Corpus uteri; in meinen Fällen verhielt sich das letztere zur ersteren ungefähr wie 1 : 3, nach Köllikee (36 b) 370 H. Mettenheimer. wie 1 : 3 oder 1 : 4 (nach v. Söm^tf.rtng-Huschke 47 S. 534 ebenfalls wie ] : 4). Der obere Theil des Organs ist meist noch unentwickelt, doch scheinen hier auch individuell grosse Schwankungen zu bestehen; so fand ich für die AVandstärke des Fundus (5 Fälle) 3—5 mm, Ballan- TTKK (3a) 2 mm; Gkapow (123) giebt nur 1 mm für den Fundus an, weiter unten 2 mm, für die Cervix 5 mm. Der Hals ist nicht allein länger, sondern auch breiter und dicker als der obere Theil des Uterus. Es maass durchschnittlich (7 Fälle) die Cervix sagittal 11 mm (Bal- LANTYNE 3a 9 mm), das Corpus (5 Fälle) 8,1 mm (B. 3a 8 mm). Zwischen Corpus uteri und Fundus liegt die schwächste Stelle ent- sprechend dem inneren Muttermund. Der Fundus zeigt zuweilen eine leicht arcuate Form als Andeutung früherer Zweitheilung. Die Portio vaginalis ist der bei weitem stärkste Theil (durchschnittlich 8—10 mm lang, nach K()lliker 36 b 6—10 mm, 18 mm breit und 15 mm dick Souotta 124) und sieht nach liinten; die vordere (4,8 mm) und die hintere (4 mm) Lippe (Durchschnitt aus 4 Fällen) sind ziem- lich gleich lang, eher die erstere etwas länger. Der äussere Mutter- mund liegt gewöhnlich ungefähr vor dem 1. Steissbeinwirbel. Die innere Oberfläche der Cervix zeigt jene bekannten Schleimhautfalten (Plicae palmatae), welche sich nur zum Unterschied von ihrem späteren Verhalten auch auf das Corpus uteri fortsetzen; jedoch verlaufen sie nicht in der Mitte der hinteren und vorderen Wand, sondern (Geapow 123) schräg, die hintere von der hinteren Muttermundslippe nach links oben ungefähr zur linken Seitenkante des Corpus, die andere ebenso zur rechten Seitenkante. (Schon früher hatte Huschke [47 S. 535] darauf hingewiesen, dass die Falten des Lebensbaumes auf die Längs- falten der Tuben übergehen.) Gegen diese Hauptachsen convergiren andere Schleirahautfalten, so dass das Bild des sog. Arbor vitae zu Stande kommt. Die Hauptachsen sind es auch, welche gegen das Lumen vorspringen und auf dem Querschnitt, wie ich selbst beobachten konnte, die Uterushöhle als schmalen S-förmigen Spalt erscheinen lassen. Von dieser Faltenbildung, die bis in das Corpus uteri hinaufstrahlt, giebt schon Fig. III von Roedeker (62) (Geschlecbtstheile eines reifen Fötus) ein ganz gutes Bild (vgl. auch die Abb. des Uterus eines neu- geborenen Mädchens von Farre bei Ibebert (126 S. 72, Fig. 7). Unter stumpfem Winkel schliesst sich nach unten an den Uterus die Vagina an, intra quam ostium uteri insigniter prominet (Sandi- FORT (81 Tab. IX, 1)). Dieselbe zeichnet sich beim Ngb. durch ihre relative Länge sowie durch ihren Verlauf aus. Sie misst ungefähr 3 cm (durchschnittlich aus 6 Fällen 3,08 cm). Nach Ballantyne (3a) 2,5 — 3,5 cm. In einem Fall machte sie starke Krümmungen und war deshalb bis auf 1,3 cm verkürzt. Beide Scheidengewölbe sind ziemlich gleich hoch, vielleicht das vordere, 0,91 cm, etwas länger wie das hintere, 0,8 cm (durchschnittlich), ganz im Gegensatz zu dem Ver- Brust-, Bauch- und Beckenhöhle des neugeborenen Kindes. 371 halten beim E. Die Innenfläche der Scheide zeigt reichhche Falten- bildung (in 3 Fällen fand ich in der vorderen Wand im oberen Theil einen tiefen Einschnitt [s. Fig. 14]); die vordere und die hintere Wand liegen mit je einem stark vorspringenden Längswulst an einander, wes- halb ein Querschnitt im oberen Theil der Vagina eine H-förmige Figur (s. Fig. 10) zeigt. Sie verläuft zunächst gerade herab, um sich dann mehr weniger scbarf, jedenfalls nicht immer im rechten Winkel, wie dies KöLLiKER angiebt, nach unten und vorn zu wenden und in die Vulva zu münden. Jedenfalls steht dieser steile Verlauf derselben in bemerkenswerthem Gegensatz zu dem mehr horizontalen des E. Die Uterusanhänge. Im allgemeinen ist hier zu bemerken, dass beim Ngb. die beider- seitigen Adnexa meistens nicht in gleicher Stellung angetroffen werden, und zwar sind dieselben (s. Fig. 13) auf derjenigen Seite mehr in die Länge gezogen, von welcher der Uterus abgewandt ist. Die Ungleich- heiten der Stellung und der Dimensionen beruhen einmal auf dieser ihrer Lagebeziehung zum Uterus und den benachbarten Organen, andererseits in dem Verhalten der Anhänge selbst, indem sie zur Zeit der Geburt, wie bekannt, sich auf dem Wege zum Becken und damit zur definitiven Lage, also in einem Uebergangsstadium befinden. Die Ovarien. Wie oben schon angedeutet, fand ich die Lage der Ovarien in keinem Fall einander genau entsprechend ; es lässt sich überhaupt wohl nicht mit Bestimmtheit beim Ngb. eine Lage als die allein normale angeben, indem die physiologischen Grenzen in diesem Stadium der Entwicklung noch ziemlich weit gesteckt zu sein scheinen; dennoch möchte ich versuchen nach den von mir beobachteten Fällen dem Wege nachzugehen, welchen die Ovarien bei ihrem Descensus gewöhnlich einzuschlagen pflegen. Die verschiedenen Stellungen, in denen man diese Organe beim Ngb. antrifft, würden alsdann nur einzelne Aufenthaltspunkte auf diesem Wege bezeichnen. Ich möchte dabei von einer Lage ausgehen, wie sie ungefähr das rechte Ovarium auf Fig. 13 zeigt. Das Ovarium steht zunächst beim Ngb. mit ziemlich verticaler Längsachse in der Höhe des Promontorium oder des ersten Kreuzbeinwirbels jederseits vor dem M. psoas in Beziehung zu den Iliacalgefässen und dem Harnleiter, welche hinter ihm und etwas nach innen von ihm herabziehen. Die Flächen des Organs, die früher beim Embryo (Kölliker 36 b) als eine ventrale freie und eine dorsale (Hilus-)Fläche unterschieden werden, sind mit dem weiteren Hinabrücken des Lig. infundibulo-pelvicum an 372 H. Mittenheimer. der hinteren Beckenwand jetzt schon mehr zu einer medialen vorderen und einer lateralen hinteren geworden. Ist die Ab- und Lateralwärtswendung der Ovarien hei der Geburt schon weiter vorgeschritten, so findet man sie mehr weniger horizontal mit dem medialen und sagittal mit dem lateralen Ende verlaufen, so zwar, dass die freie Fläche nach obea innen, die frühere dorsale late- rale nach unten aussen sieht. Von den beiden Rändern sieht dann der eine nach vorn und etwas nach oben , der andere nach hinten und etwas nach unten. Im ersten Fall verläuft die entsprechende Tube mit dem einen Schenkel in Windungen vertical ansteigend lateral und vor dem Ovarium , wendet sich dann aber mit dem zweiten Schenkel und dem ampullaren Ende über den Scheitel auf die innere Seite des Eierstocks. In dem anderen Fall liegt sie parallel zum anderen Rande des Ovarium und verläuft fast transversal, dann ansteigend zur seitlichen Beckenwand. Dieser Vorgang des Tiefertretens der Eierstöcke, den ich als den normalen ansehen möchte, erleidet jedoch nicht selten Ab- weichungen; es kann nämlich unter Umständen eine Dehnung dieser Organe im entgegengesetzten Sinne um eine Achse stattfinden , die man sich durch das Lig. infund.-pelvicum und das Lig. ovarii gelegt denken kann, sodass die ursprünglich vordere innere Fläche zur vorderen, die hintere äussere zur hinteren wird und man einen äusseren und inneren Rand unterscheiden kann , indem die Längsachse des Organs transversal verläuft. Es mag sich hierbei vielleicht um ein einfaches Bestehenbleiben auf einer embryonalen Entwicklungsstufe (s. oben) handeln; eher jedoch möchte ich annehmen, dass diese Variationen der Lage lediglich bedingt sind durch den Druck der umgebenden Organe auf die in Wanderung befindlichen Ovarien. Dafür schien mir nament- lich ein Fall zu sprechen, in welchem diese Drehung der Eierstöcke von links innen nach rechts und aussen so weit vorgeschritten war, dass die ursprünglich innere vordere freie Fläche nach aussen unten, der ursprünglich nach hinten aussen stehende Hilus nach oben innen (hinten) sah. Diese Einwirkung der ßaucheingeweide wird aber, wie dies His (80 b) für den E. angegeben, eine verschiedene sein müssen, je nach der Lage, in welcher sich die Eierstöcke durch die asymmetrische Stellung des Uterus befinden. Ebenso wechselnd wie die Lage der Eierstöcke beim Ngb. ist auch ihre Gestalt. Sie sind länglich gestaltet (oblongam figuram habent Ovaria ovatam acquirant. SANDiFOjri' 81 S. 40), zuweilen abgeplattet; ich fand sie auch mehr prismatisch mit 3 Flächen (s. auch Roedereu 62 Fig. III 3), so dass der Querschnitt dreieckig erscheint (Köllikeb) oder, ihr Körper wölbt sicli über dem Hilus, der Art dass der Querschnitt hutpilzartig ersciieint (Gi;(iEN]?AUE 107 S. 590). Ihre Oberfläche ist vielfach eingeschnitten und von Einkerbungen durchsetzt. Auch auf ihre verschiedene Form werden die Därme Ein- Brust-, Bauch- und Beckeohöhle des neugeborenen Kindes. 373 fluss ausüben können, ebenso die Tuben, deren "Windungen (s. Fig. 13) sich in dem darunter liegenden Organ abdrücken. Je nachdem die Ovarien vertical oder mebr transversal gelagert erscheinen, verlaufen ihre Längsachsen von oben aussen nach unten innen und vorn oder von unten aussen nach oben innen und vorn zum Uterus hin conver- girend. In dem Falle von Rückwärtslagerung liefen sie etwas schräg nach hinten herab. Die Tube des Ngb. beschreibt durchschnittlich 3—4^2 Windungen (Gyri serpen- tini RoEDEEEß 62 S. 94) ; diese Spiraltouren sind schon in Rückbildung begriffen zur Zeit der Geburt, so dass sie nur noch am lateralen Ende der Tuben deutlich ausgesprochen erscheinen, während sie an dem ute- rinen Ende, zugleich der engsten Stelle des Rohrs, nur mehr leicht gewellt sind, indem sich von diesem Ende aus die Windungen auszu- gleichen beginnen (s. Fig. 13 rechte Seite). Zuweilen, wie ich in zwei Fällen beobachten konnte, beschreibt der Eileiter so starke Windungen, dass „posthornförraige'' Figuren entstehen können (s. Abb, v. W. A. Feeund 101), Die Windungen sind unabhängig von den sie über- ziehenden Peritonealfalten (Richard 127 S, 26). Je nach dem geringeren oder grösseren Fortschritt, den die Ab- wärtswanderung der Anhänge gewonnen hat, laufen die Tuben von innen unten vom Uterus nach oben aussen oder bei einem hohen Stand des Fundus von innen oben nach unten aussen oder schliesslich mehr weniger transversal. Die Ampulle ist nicht rein circulär, sondern verlängert sich nach einer Richtung hin zur Fimbria ovarica, welche die Ver- bindung mit dem Ovarium herstellt, selbst dann, wenn der Eileiter, wie dies häufig der Fall zu sein scheint, mit dem ampullaren Ende sonst in keiner näheren Beziehung zum Eierstock steht, sondern sich in verschiedener Richtung von diesem abwendet und an der seit- lichen und vorderen Beckenwand gelegen ist, Richard (127 S. 28) sieht ein Fehlen der Fimbria ovarica als charakteristisch und regel- mässig beim Ngb. an, ich konnte dies in meinen Fällen keineswegs be- stätigen. Unter Umständen können ausser dem Abdominalostium der Tube noch eine oder mehrere kleine Nebenmündungen vorkommen. Richard (127 S. 47 PI. II Fig. 2) beschreibt und bildet einen derartigen Fall ab; es handelt sich um einen reifen Fötus mit 2 kleinen accesso- rischen Oeffnungen an dem rechten Eileiter. Im oberen Theile des Lig. latum zwischen Eileiter und dem Hilus ovarii fand ich in 3 Fällen kleine gestielte Bläschen (Hydatida Mor- gagni) von der hinteren oder vorderen Fläche ausgehend, rudimentäre Gebilde, welche zu dem Parovarium in Beziehung stehen (Gegenbaijr 107, 597). Ungefähr 1 mm unterhalb des Abgangs der Tuben entspringen die 374 H. Mettenheimer. Lig. rotunda, die mit einem nach aussen und vorn convexen Bogen, indem sie die Blase umgreifen, nach vorn und unten verlaufen, um in die Labia maiora auszustrahlen. Die Länge des Abschnittes der Lig. rotunda, welcher zwischen dem Uterus und dem Leistencanal ge- legen ist, betrug bei einem Fötus aus dem 10. Monat rechts 1,6 cm, links 1,9 cm und die Durchschnittslänge des Bandes vom Eintritt in den Leistencanal bis zum Austritt gegen Ende der Schwangerschaft 1,0 — 1,5 cm. Wegen der meist extramedianen Lage des Uterus ist die Länge der Lig. rotunda gewöhnlich links und rechts eine verschiedene, und zwar bewegt sich die Dififerenz zwischen 1—3 mm (Ageron 130 S. 12 u. 19). Literatur. 1. Henke, a) Anatomie des Kindesalters in Gerhardt's Handb. d. Kinderk. 1881. Aufl. 2 Bd. I. b) Der Raum der Bauchhöhle d. Menschen und die Vertheilung der Eingeweide in demselben. Arch. f. Anat. u. Phys. Heft II u. III. 1891. c) Die Konstruction der Lage des Herzens in der Leiche. Tübingen 1883. 2. Symington, a) The anatomy of the child Edinburgh 1887 (Atlas). b) On certain physiol. variations in the shape and position of the liver. Edinb. Med. J. 1888 Vol. 33 Part. II S. 724. 3. Ballantyne, a) An introduction to the diseases of infancy. Edin- burgh 1891. b) The spinal column in the infant. Edingb. Med. Journ. April 1892 S. 913. 4. DwiGHT and Rotch, The spine, the thorax, the abdomen in in- fancy. Archives of Pediatrics Vol. VIII 1891. 5. Henoch, Vorlesungen über Kinderkrankheiten. 1891 S. 21. 6. V. Faber, Anleitung zur gerichtsärztlichen Untersuchung neu- geborener Kinder. Stuttgart 1855. 7. Caspek-Liman, Handbuch der gerichtlichen Medizin. Berlin 1871. 8. GÜNTZ, Der Leichnam des Neugeborenen. Leipzig 1827. 9. SchüRMAYR, Lehrbuch der gerichtlichen Medizin. Erlangen 1854 S. 101. 10. Bochdalek, Ueber das Verhalten des Mediastinum etc. Prager Vierteljahrsschrift Bd. I u. IV. 11. MoNTi, a) Uebersichtliche Zusammenstellung der Wachsthums- verhältnisse des Kindes. Arch. für Kinderh. Bd. X. 1889 S. 401. b) Der Puls des Kindes. Arch. f. Kinderh. XI 1890 S. 68. c) Physikal. Untersuchungen der Brustorgane des Kindes. Ritter's Jahrb. f. Pädiatrik 1872/73. 37R H. MeftpiiliPtnifr. 12. EviyrzKV. Uehor das TVachsthum dos Kindes im 1. Lel)ensjahr etc. Ref. in Arch. f. Kinderh. Bd. IL 1881. 13. K. V. ViERORDT, Physiologie des Kindesalters in Gerhardt's Hand- buch der Kinderk. Tübingen 1881. (In der Einleitung habe ich nur diejenigen einschlägigen Arbeiten der Kürze wegen angeführt, welche nach dem Jahr 1881 erschienen sind.) 14. Raudnitz, Die Wärmeregulirung beim Neugeborenen. Ref. in Arch. f. Kinderh. Bd. XI. 1890 S. 55. Zeitschrift für Biologie N. F. Bd. VI S. 423. München-Leipzig 1888. 15. EröSS, Untersuchungen über die normalen Temperaturverliältnisse des Neugeborenen etc. Jahrb. f. Kinderh. N. F. XXIV 1886. S. 189. 16. Landois, Lehrbuch der Physiologie des Menschen. 1891. 17. SOJIMER, Ueber die Körpertemperatur des Neugeborenen. Diss. Berlin 1880. 18. Schütz, Ueber Gewicht und Temperatur des Neugeborenen. Beiträge zur Geburtshilfe u. Gynäk. u. Pädiatrik. Festschrift. Leipzig 1881. 19. Ziegenspeck, Welche Veränderung erfährt die fötale Herz- thätigkeit regelmässig durch die Geburt (s. auch Anhang bei Preyer). Diss. Jena 1882. 20. ScHULTZE, Der Scheintod der Neugeborenen. Jena 1871. 21. Müller, W. Die Massenverhältnisse des menschl. Herzens. Hamburg-Leipzig 1883. 22. DoiiRX, Ueber den Mechanismus der Respiration des Neugeborenen. Ref. i. Arch. f. Kinderh. Bd. XIII S. 98. 1889 Nr. 50. 23. ECKERLEIX, Zur Kenntniss des Athmimgsmechanismus des Neu- geborenen. Zeitschr. f. Geburtsh. und Gynäk. Bd. XIX. 1890. 24. Henschel, Ueber Magenerweiterung im Säuglingsalter. Arch. f. Kinderh. XIII Heft 1 und 2 S. 32. 1891. 25. Bexeke, a) Ueber die Länge des Darmkanales bei Kindern, sowie über die Kapacität des Magens beim Neugeborenen. Deutsch. med. Wochenschr. Nr. 32, 38. 1880. b) Die anatomischen Grundlagen der Constitutionsanomalien des Menschen. Marburg 1878. 26. COPASSO, Studien und Beobachtungen über den Termin des Abfalls der Nabelschnur etc. Ref. in Jahrb. f. Kinderh. XXXI. 1890 S. 206. 27. Schröder, Lehrbuch der Geburtshilfe. 1890. 28. Szendeffy, Beobachtungen 100 Neugeborener. Bericht der Kgl. Gesellschaft der Aerzte zu Budapest 24. October 1891. Wiener med. Presse Jahrg. XXXII Nr. 45 S. 1717. Brust-, Bauch- und Beckenhöhle des neugeborenen Kindes. 377 29. Langek, a) Anatomie der äusseren Formen. Wien 1884 S. 62 bis 66, 290-92. b) Zur Topographie der männlichen Harnorgane. Wiener med. Jahrbücher 1862 Heft 1 S. 111. 30. Mayr, Ueber Semiotik und Untersuchung des kranken Kindes. Jahrb. f. Kinderk. 1862 Bd. V. 31. Hüter, Die Formentwicklung am Skelett des menschlichen Thorax. Leipzig 1865. 32. RiBEiMONT, Recherches sur V anatomie topograph. du foetus. These de Paris 1878. 33. v. Stark, Die Lage des Spitzenstosses u. die Perkussion des Herzens im Kindesalter. Stuttgart 1888. 34. Balandix, Beitrag zur Frage über die Entstehung der physiolo- gischen Krümmung der Wirbelsäule beim Menschen. Virchow's Archiv 1873 S. 489. 35. CUNNINGHAM, The lumbar curve in man and the apes etc. Dublin 1886. 36. KÖLLIKER, a) Grundriss der Entwicklungsgeschichte des Menschen etc. Anmerkg. S. 125 ff. Leipzig 1880. b) Ueber die Lage der weiblichen inneren Geschlechtsorgane. Festgabe zu Henle's 70. Geburtstag S. 53. Bonn 1882. 37. RÜDIXGER, Topographisch -chirurgische Anatomie des Menschen. Stuttgart 1878. 38. Berkenbusch,' Die innern Proportionen des menschl. Halses in den verschiedenen Lebensaltern etc. Diss. Göttingen 1890. 39. JOESSEL, Lehrbuch der topogr.-chirurg. Anatomie: a) Theil II erste Abth. Brust. Bonn 1889. b) Theil II zweite Abth. Bauch. Bonn 1892. 40. Fasbender, I. Mutter- und Kindskörper. IL Das Becken des lebenden Neugeborenen, Zeitschrift für Geburtsh, und Gyn. Bd, in, 1878 S. 278, 41. Körber, Die Durchschnittsmaasse ausgetragener Neugeborener etc. Yierteljahrsschrift für gerichtl. Medizin etc. N. F. Bd. XI. 1884 S. 225, 42. Raucufu-ss, Zur physikalischen Untersuchung des Herzens etc. Gerhardt's Handb. d. Kinderk. 1878, 43. Braune, Topographisch-anatomischer Atlas. Leipzig 1875. 44. Skrzeczka, Kindsmord. Maschka, Handbuch der gerichtl. Medizin. Tübingen 1881. Bd. I S. 817. 45. Sahli, Die topographische Perkussion im Kindesalter. Bonn 1882. 46. Passavaxt, Der Luftröhrenschnitt bei diphtheritischem Croup. Aus der deutsch. Zeitschrift für Chirurgie. Bd. XX. Sep. Abdr. II S. 61. Leipzig 1884. 378 H- Mettenheimer. 47. V. SöMMERiNCi-HuscHKE, Die Lehre von den Eingeweiden und Sinnesorganen des menschlichen Körpers. Leipzig 1844. 48. Aeby, a) Altersverschiedenheiten der menschlichen Wirbelsäule. Arch. für Anat. u. Physiol. 1879 S. 77. b) Der Bronchialbaum des Menschen etc. Leipzig 1880. 49. Klaus, Der kindliche Oesophagus, seine Anatomie etc. Diss. München 1889. 50. Flkischmann, Klinik der Pädiatrik I. Wien 1875. 51. MOUTON, Du calibre de l'oesophage etc. These de Paris 1874, 52. Epstein, Magenausspülung bei Säuglingen. Archiv f. Kinderh. Bd. IV. 1883 S. 328. 53. Leo, Ueber die Funktion des normalen und kranken Magens und die therapeut. Erfolge der Magenausspülung im Säuglingsalter. Berl. klin. Wochenschr. Nr. 49. 1881 S. 981. 54. Luschka, a) Die Brustorgane des Menschen in ihrer Lage. Tübingen 1857, b) Die Lage der Bauchorgane. Carlsruhe 1873. c) Anatomie der Brust. 1863. 55. TiiOMA, Untersuchungen über die Grösse und das Gewicht der anatom. Bestandtheile des menschl. Körpers in gesundem und krankem Zustand. Leipzig 1882. 56. Bedxak, Die Krankheiten der Neugeborenen und Säuglinge etc. Wien 1852. Theil III S. 192. 57. Letourxeau, Quelques observations sur le nouveau-ne. These de Paris 1858. 58. H. V. ViEKORDT, Das Massenwachsthum der Körperorgane des Menschen. Arch. f. Anat. u. Phys. Suppl.-Bd. 1890 S. 62 bis 94. 59. Lomer, Ueber die Gewichtsbestimmungen der einzelnen Organe Neugeborener. Zeitschr. f. Geburtsh. u. Gynäkol. 1889. Bd. XVL S. 106. 60. Hiffelsheim et Robin, De la capacite de chaque oreillette etc. Journ. de l'anatomie S. 413. 1864. 61. GiBSON, Some deductions from a study of the developmeut of the heart. Edinburgh Med. Journal Nr. 1892 S. 429 ff. 62. ROEDERER, De foetu perfecto. Diss. Strassburg 1750. 63. Trew, Abhandlungen von einigen Verschiedenheiten, welche an dem Menschen vor und nach seiner Geburt wahrgenommen werden etc. Nürnberg 1770. 64. SiCK, Einige Untersuchungen über den Verlauf der Pleurablätter am Sternum etc. Arch. f. Anat. u. Phys. 1885 S. 324. 65. Wassilew SKY, Die Lage und Grenzen des Herzens bei Kindern. Ausf. Ref. in Arch. f. Kinderh. 1887. VIII S. 227. 66. Hamernik, Das Herz und seine Bewegung. Prag 1858. Brust-, Bauch- und Beckenhöhle des neugeborenen Kindes. 379 67. BiRCli-HiRSCllFELD, Die Krankheiten der Leber und Milz in Ger- hardt's Handb. d. Kinderk. IV. Abth. 2. 1880. 68. Rennebaum, Die Athmungskurven des neugeborenen Kindes. Diss. Jena 1884. 69. Sappey, Traite d'anatomie descriptive. 70. Tanja, Ueber die Grenzen der Pleurahöhlen bei den Primaten etc. Morphol. Jahrb. Bd. XVII Heft 2 S. 1. 1891. 71. Pansch, Die unteren und oberen Pleuragrenzen. Arch. f. Anat. u. Phys. 1881 S. 111. 72. Gerhardt, Der Stand des Diaphragma. Tübingen 1860. 73. Hasse, Ueber die Bewegungen des Zwerchfells und über den Einfluss derselben auf die Unterleibsorgane. Arch. f. Anat. u. Phys. 1886 S. 185. 74. Preyer, Specielle Phys, d. Embryo. Leipzig 1885. 75. Heinricius, Ueber den Typus der Respiration beim Neugeborenen. Ref. im Jahrb. f. Kinderh. XXXL 1890 S. 178. 76. Friedleben, Die Physiologie der Thymusdrüse in Gesundheit u. Krankheit. 1858 S. 24. 77. Pott, Ueber Thymusdrüsenhyperplasie und die dadurch bedingte Lebensgefahr. Jahrb. f. Kinderh. XXXIV 1. Heft. 1892. 78. Jacobi, a) Herz und Blutgefässe bei Kindern. Ref. im Arch. f. Kinderh. Bd. XIII Heft 1 u. 2 S. 93—94. b) Ueber einige wichtige Ursachen der Hartleibigkeit im Säuglingsalter. Ausf. Ref. im Jahrb. f. Kinderh. 1869. Heft 7 u. 8 S. 136—40. c) Die Pflege und Ernährung des Kindes. Gerhardt's Handb. Bd. I Abth. 2 S. 104. Tübingen 1882. 79. V. SÖMMERING, Ueber die Ursache, Erkenntniss und Behandlung der Nabelbrüche. Frankfurt a/Main 1811 S. 12 § 8. 80. HiS, a) Ueber Präparate zum Situs viscerum etc. Arch. f. Anat. u. Phys. 1878 S. 53. b) Die Lage der Eierstöcke. Ebenda 1881 S. 398. 81. Sandifort, Tabulae anatomicae situs viscerum thoracicorum et abdominalium. Lugd. Batav. 1804. 82. Flourens, Memoires d'anatomie et de physiologie comparees. Paris 1844. I. 83. Landau, Die Wanderleber und der Hängebauch der Frauen. Berlin 1885. 84. Tkelard, Note sur la direction de la rate et du pancreas chez le foetus et l'enfant. Comptes rendus hebd. de la societe de biologie Serie IX Tome IV. 1892 Nr. 10 S. 227—28. 85. Holt, Beobachtungen über die Capacität des Magens in der Kindheit. Ref. in Arch. f. Kinderh. XIV S. 81 Heft 1 u. 2. 380 ^- Mettenheimer. 86. V. GußAROFF, Ueber den Verschluss des menschl. Magens an der Cardia. Arch. f. Anat. u. Phys. 1886 S. 395. 87. LESrsUAFT, a) Ueber die Lage des Magens und über die Be- ziehung seiner Form und seiner Function. Virchow's Arcli. Bd. 87 S. 69. 1882. b) Die Lumbaigegend in anatom.-chirurg. Hinsicht. Arch. f. Anat. u. Phys. 1870 S. 264. 88. Demon, Le d6veloppement de la portion sousdiaphrag. du tube digestif. These de Paris 1883. 89. BOURCART, De la Situation de l'S iliaque chez le nouveau-ne dans ses rapports avec l'etablissement d'un anus artificiel. These de Paris 1863. 90. Ranke, Ueber zwei Fälle von angeborener Aftersperre mit künst- licher Afterbildung in der Leistengegend. Jahrb. f. Kinderh. N. F. 1876 S. 84. 91. V. Samson, Zur Kenntniss der Flexura sigmoidea coli. Diss. Dorpat 1890. 92. M. B. Freund, Die Lageentwicklung der Beckenorgane, insbe- sondere des weibl. Genitalkanals, und ihre Abwege. Klin. Bei- träge zur Gyn. Heft II, S. 85. Breslau 1864. 93. Draudt, Beiträge zur Würdigung der Littre'schen Laparocolotomie bei Atresia ani congenita etc. Diss. inaug. Giessen 186.5. 94. Gazette des hopitaux 1862 S. 156 u. 171. 95. Stocquart, Note sur l'anatomie de l'S iliaque et du rectum dans l'enfance. Journ. de medicine, de Chirurgie et de pharm. Bruxelles 1880 S. 548. 96. Meckel, Beiträge zur vergleichenden Anatomie 1808. Bd. I Heft 1. 97. Steffen, Beiträge zur Phys. u. Pathol. des Mastdarms. Jahrb. für Kinderh. 1872. V. Heft S. 126. 98. Wagner, Erläuterungen zur Physiologie (Icones physiologicae) und Entwicklungsgeschichte. Leipzig 1839. Tab. XX Fig. 1. 99. Schwalbe, Ueber Wachsthumsverschiebungen und ihren Einfluss auf die Gestaltung des Arteriensystems. Jenaische Zeitschrift f. Naturwissenschaft XIL 1878 S. 267. 100. Danz, Grundriss der Zergliederungskunde des ungeborenen Kindes. Frankfurt u. Leipzig. Bd. II 1792. 101. W. A. Freund, a) Ueber die Indicationen zur operativen Be- handlung der erkrankten Tuben. Volkmann's klin. Vorträge 323. 1888. b) Zwei seltene Fälle (I Hufeisenniere). Sep.-Abd. aus den Beiträgen zur Geb. u. Gyn. S. 8 Bd. IV. c) Ueber das sog. kyphotische Becken. Gynäkolog. Klinik Bd. I. Strassburg 1885 S. 80 ff. Brust-, Bauch- und ßeckenhöhle des neugeborenen Kindes. 581 102. Ff.u ltxg. Die Form des Beckens beim Fötus und Neugeborenen etc. Arch. f. Gyn. Berlin 1876. 103. Jürgens, Beiträge zur normalen u. pathol. Anatomie des mensch- licben Beckens. Festschrift zu Virchow's 70. Geburtstag 1891. 104. Veit, Die Entstehung der Form des Beckens. Zeitschrift f. Geburtsh. u. Gyn. Bd. IX. Stuttgart 1883 S. 347. 105. "Waldeyek, Eierstock und Ei. 1870. 1 06. BODENIIAMER. A practica! treatise of the aetiology of the congenital malformations of the rectum and anus. New- York 1860. (Ent- hält die gesammte Literatur bis 1860.) 107. Gegenbauk, Lehrbuch der Anatomie. 1890. 108. Takaiiaöi. Beiträge zur Kenntniss der Lage der fötalen und kindlichen Harnblase. Arch. f. Anat. u. Phys. 1888 S. 35. 109. Dlsse, Untersuchungen über die Lage der menschl. Harnblase etc. Anatom. Hefte (Merkel-Bonnet). Wiesbaden 1891. 110. Nagel, lieber die Lage des Uterus im menschlichen Embryo. Arch. f. Gyn. Bd. XXI Heft 1 u. 2. 1891 S. 244. 111. Hart, Atlas of female pelvic anatomy Edinburgh 1884. 112. Heitzmann, Die descriptive und topographische Anatomie des Menschen. Wien 1886. 113. Henle, Grundriss der Anatomie des Menschen. Braunschweig 1880. 114. Jarjavay, Recherches anatomiques sur l'uretre de l'homme. Paris 1856. 115. EsMARCii, Die Krankheiten des Mastdarms und des Afters. Pitha und Billroth's Handbuch d. allg. u. spec. Chirurgie III, 2. Stuttgart 1882. 116. KüiiLRAUSCH, Zur Anatomie u. Physiologie der Beckenorgane. Leipzig 1854. 117. Y. Bardeleben, Ueber die Lage der weiblichen Beckenorgane. Anatom. Anzeiger Jahrg. III Nr. 19 — 21. (Enthält die ge- sammte hierher gehörige Literatur bis zum Jahre 1888.) 118. ZiLLNER, Ruptura flexurae sigmoideae neonati intra partum. Virchow's Arch. 96 S. 307. 119. Langeehans, 40 Sagittalschnitte durch gefrorene neugeborene Mädchen. Arch. f. Gyn. XIII S. 305. 1878. 120. BoL'LLARD, Quelques mots sur l'uterus. These de Paris 1853. 121. TsCHAUSSOW, Ueber die Lage des Uterus. Anat. Anzeiger 1887 S. 338 Jahrg. IL 122. RUGE, Casuistische Mittheilungen I. 2 Fälle von Retroflexio uteri bei Neugeborenen. Zeitschrift f. Geburtsh. u. Gynäk. Bd. II 1878. 123. GRAI*O^Y, Die postfötale Entwicklung der weiblichen Zeugungs- organe etc. Deutsch, med. Wochenschrift 1890 Nr. 35. Morpholojj. Arbeiteu hrsg. v. G. Schwalbe. IH. 26 3Ö3 fi- Mettenheimer. 124. SunOTTA, Ueber Bau und Entwicklung des Uterus bei Mensch und Affe. Arch. f. niikrosk. Anatomie. 1891. 38 S. 52. 125. FritsCII, Die Lageveränderungen und Entzündungen der Gebär- mutter in Billrotli u. Lücke's Handbuch. Stuttgart 1885. Bd. II S. 625—627. 126. Imbekt, Le developpment de l'uterus et du vagin. These de Paris 1883. 127. Richard, Anatomie des trompes de l'uterus chez la femme. These de Paris 1851. 128. Nil Filatow, Klin. Untersuchungen über Diagnose und Therapie der Darmkatarrhe der Kmder mit besonderer Berücksichtigung des Säuglingsalters. Wien 1893. 129. Bulan, Die reife Frucht. Inaug.-Diss. Bern 1878. 130. Agekun, Beitrag zur Anatomie, Histologie und Physiologie der Lig. rotunda beim Neugeborenen. Diss. inaug. München 1886. Erklärung der Abbildungen. Sämmtliche Horizontalschnitte (Fig. 1 — 11 mit Ausnahme von Fig. 2 a und 7 a) stammen von einem neugeborenen Mädchen (48,5 cm lang), das 36 Stunden gelebt hatte. Die Schnitte wurden an der ge- frorenen Leiche hergestellt und dann in Spiritus gehärtet. Fig. 1 = Schnitt I. Der Schnitt geht vorn durch den oberen Theil des Manubr. sterni am unteren Bande des Sternoclavicular- Gelenks, hinten durch den unteren Theil des 2. Brustwirbels. Hinter dem Manubr. sterni liegt die Thymusdrüse, welche die grossen Gefässe von dem Brustbein trennt. In dem mitt- leren Brustraum folgt zunächst die in ihrem schrägen Verlauf von links oben nach rechts unten getroffene Vena anonyma sin. links und in der Mitte, hinter dem rechten Sternoclavicular- gelenk die Vena anonyma dextr. Weiter nach hinten liegt etwas rechts von der ]\rittellinie die Art. anonyma, an die sich ungefähr dem Verlauf des Aortenbogens entsprechend schräg . von vorn rechts nach hinten links die Art. carotis communis sin. und die Art. subclavia sin. anschliessen. In derselben Frontalebene mit den Venae anonym, liegen ausserhalb der Rippenbogen jederseits die Venae subclaviae, dahinter die Brust-, Bauch- und ßeckenhÖhle des neugeborenen Kindes. 383 gleichnamigen Arterien, weiter nach aussen von den Gefässen der Plexus brachialis. Vor der Wirbelsäule in der Mittellinie ist der Oesophagus getroffen, vor demselben etwas nach rechts die Trachea. Dieselbe zeigt noch in geringem Grad die Ein- buchtung der hinteren Wand in das Lumen und die dadurch bedingte Verkürzung des geraden Durchmessers. Zu beiden Seiten des Mediastinum liegen die Lungen ; der obere Lappen der rechten ist in grösserer Ausdehnung getroffen als derjenige der linken. Ausserhalb des Thorax stehen die 8ciiulterblätter mehr sagittal den Seitenflächen des Brustkorbes genähert als beim E., bei dem sie mehr der Rückfläche aufliegen. Die grosse Uebereinstimmung, welche dieser Schnitt im allgemeinen mit entsprechenden des E. (s. Joessel 39 a Fig. 26, Rüdinger 37 Taf. X A, Braune 43 Tab. IX) zeigt, leuchtet sogleich ein. Während aber auf diesen Abbildungen vorn das Sternum un- gefähr in derselben Höhe geschnitten ist, wie in dem vor- liegenden Fall, treffen die Schnitte beim E. in Folge des tieferen Standes des Brustbeins hinten mehr untere Segmente der Wirbelsäule, nämlich den 3. oder 4. Brustwirbel. Ausserdem zeigt das Mediastinum beim Ngb. trotz der gut entwickelten Thymus eine verhältnissmässig grosse Ausdehnung; indem die Lungen den Raum noch nicht so eng umschliessen, wie späterhin. Fig. 2 = Schnitt IL Vorn ist der 2. Rippenknorpel in ganzer Ausdehnung getroffen, hinten geht der Schnitt durch die Band- scheibe zwischen 4. und 5. Brustwirbel hindurch. In dem vorderen Mediastinum liegt fast ausschliesslich links von der Mittellinie die Thymus, während nach rechts die obere vordere Fläche des Herzbeutels, die schräg zum Sternum hin abfällt, in ihren Beziehungen einmal zur Aorta, an welcher das Pericard höher hinaufreicht, so dass der Herzbeutel hier schon eröffnet erscheint, andererseits zur Vena cava sup. sicht- bar wird. Während die linke Lunge offenbar durch die grosse Thymus vorn zurückgedrängt erscheint (ungefähr bis an den Uebergang des Knochens auf den Knorpel der 2. Rippe), und auch die linke Pleurahöhle, welche die Lunge nicht ausfüllt, von dem linken Sternalrand entfernt bleibt, füllt die rechte Lunge mit ihrem vorderen Rande den rechten Sinus mediastino-costalis vollkommen aus und erreicht den rechten Sternalrand. In einem leicht nach vorn convexen Bogen neben einander gelegen, sind die 3 grossen Gefässstämme getroffen; am weitesten nach rechts die Vena cava sup., in der Mitte etwas nach vorn die Aorta in ihrem schrägen Anstieg von links unten nach rechts oben; links von ihr und weiter nach hinten die Art. pulm., welche sich dicht unter dem Schnitt in ihre beiden Aeste theilt. 25* 384 S. Mettenheimer. Vor der Wirbelsäule etwas rechts von der Mittellinie liegt der Oesophagus; rechts hinter demselben zieht 'die Vena azygos empor, links ist der Ductus Botalli in seinem absteigenden Verlauf von der Pulmonalis zur Aorta descend. eröffnet. Weiter nach vorn sind schon die beiden Stammbronchen getroffen und zwar verläuft der rechte Hauptbronchus . wie man aus dem Querschnitt entnehmen kann, mehr gerade nach abwärts, während der linke schräg geschnitten ist. Ausserdem liegt der rechte weiter von der Mittellinie entfernt als der linke; es kommt hierin der Verlauf der Trachea etwas rechts vor der Wirbel- säule zum Vorschein. Daneben erkennt man deutlich die nähere Lagebeziehung, welche der Oesophagus zu dem linken Haupt- bronchus gewännt. Gegenüber ähnlichen Schnitten beim E. ist vor allem der relativ grössere Abstand der Gefässe von der hinteren Wand des Brustbeins hervorzuheben, bedingt durch die Zwischenlagerung der voluminösen Thymus, während in diesen Raum beim E. die beiden vorderen Lungenränder beiderseits w^eit vorgreifen (s. JoEssEL 39 a Fig. 27 , Braune 43 Tab. X u. XI). Beim E. entspricht der 2. Rippenknorpel an der Wirbelsäule unge- fähr dem 6. Brustwirbel, beim Ngb. dem 4. — 5. Fig. 2a ^ Schnitt IIa. Vorn durch den 2. Rippenknorpel, hinten durch den 6. Brustwirbel. Die Schnittebene fällt etwas schräg von vorn nach hinten ab. Ich habe diesen Schnitt aus dem Grunde abbilden lassen, weil derselbe, trotz der nicht ganz horizontalen Schnittrichtung; besser als der vorhergehende die Lage der Organe beim Ngb. erkennen lässt, wie dieselben in der HöJie des IL Intercostal- raums vorn und des 5. Brustwirbels hinten gelegen sind, zumal wenn man diese beiden Schnitte mit dem von Henke (1 a Fig. 42 (4.-5. Wirbel) und Rüdingee 37 Taf. X B (5. Wirbel)) zusammenhält. Vor der Wirbelsäule liegt rechts der Oeso- phagus, links die Aorta desc, quer davor ist der linke Vorhof eben eröffnet, dessen üebergang in das linke Herzohr sichtbar ist: rechts in der Tiefe blickt man auf das Foramen ovale mit der Valvula foram. oval. Vor dem linken Atrium liegen wieder nebeneinander die grossen Gefässe, doch etwas näher der Herz- basis getroffen. Am weitesten nach vorn die Pulmonalis, deren Semilunarklappen gerade in den Schnitt fallen. Man kann hier deutlich (wie es Henke 1 c angiebt), nicht wie gewöhnlich an- genommen wird, eine vordere und zwei hintere Klappen an der Pulmonalis unterscheiden, sondern genauer genommen sieht die früher sog. vordere Klappe nach halb links, die sog. rechte hintere gerade nach hinten. Dasselbe fand ich noch in einem Brust-, Bauch- und Beckenhöhle des neugeborenen Kindes. 385 anderen Falle bestätigt. Das linke Herzrohr legt sich von links und hinten her an den Ursprung der Lungenarterie an. Nach rechts von der Pulmonalis und etwas nach hinten gelegen ist die Aorta eröffnet; in der Tiefe werden die Aortenklappen sichtbar. An die Aorta schliesst sich die Vena cava sup. an mit ihrer Ein- raündungsstelle in das rechte Atrium , dessen Herzohr von rechts und vorn her in Beziehung tritt zur Aorta und mit seiner Spitze bis an den Conus arteriosus heranreicht. Auf diesem Schnitt erscheint die Thymus auf der rechten Seite stärker ausgebildet und macht hier ihren Einfluss auf die Ausdehnung der rechten Lunge geltend. Der Oesophagus ist in einer Höhe getrofifen, in der er am weitesten nach rechts von der Mittel- linie gelegen ist. Fig. 3 = Schnitt IIL Vorn am Brustbein durch den 3. Rippen- knorpel, hinten durch die Bandscheibe zwischen 6. und 7. Brust- wirbel. In dieser Höhe nimmt schon das Herz den bei weitem grössten Theil des Mediastinum ein, nur links vorne legt sich noch die Thymus-Drüse zwischen linke vordere Brustwand und Herz. Vor der "Wirbelsäule liegt links die Aorta desc, rechts die Vena azygos, vor beiden Gefässen, schon wieder der Wirbelsäule von rechts her genähert, der Oesophagus. Derselbe ist von dem linken Vorhof durch das Pericardium geschieden. Das Verhalten der Lungen, die an ihren Wurzeln getroffen sind, hat sich kaum geändert. An dem Herzen selbst sieht man zunächst in den linken Vorhof hinein, welcher quer vor der Wirbelsäule gelegen ist; in den- selben mündet beiderseits je eine Lungenvene. Das Septum atriorum, welches nicht wie beim E. sich in das rechte Atrium vorwölbt, trennt den linken von dem rechten Vorhof, der gleich- falls eröffnet ist. Die Scheidewand ist durchbrochen von dem Foramen ovale, an das sich von hinten unten her die Valvula foram. ovalis legt. Vor dem Atrium sin. ist der Ursprung der Aorta aus dem linken Ventrikel mit einer Valvula semilunaris getroffen, der linke Ventrikel selbst dagegen ist noch nicht er- öffnet, sondern nur seine Wandung augeschnitten. Links von demselben bemerkt man noch ein Stück des linken Herzohrs. Die rechte Herzkammer ist bereits eröffnet und lässt in der Tiefe die Papillarmuskeln erkennen. Während der Schnitt auf Fig. 27 von Joessel (39a) das Herz noch ganz unberührt lässt, sind auf der Tab. XI von Beauxe (43) ebenfalls durch den 6. Brustwirbel wenigstens schon beide Herzoliren, und zwar das linke etwas mehr als das rechte sichtbar. Fig. 4 = Schitt IV. Vorn durch den Sterualansatz des 5. Eippen- knorpels, hinten durch den 8. Brustwirbel. 386 H. Mettenheiraer. Von dem Herzen sind beide Kammern eröffnet; im linken Ventrikel ist ein Theil der Valvula bicuspidalis getroffen, sowie der laterale Papillarmuskel (vom linken Vorliof ist nur noch der unterste Tlieil sichtbar), im rechten Ventrikel ein Theil der Valvula tricus])idalis mit dem vorderen und äusseren Papillarmuskel, sowie der Uebergang in den rechten Vorhof; letzterer liegt in grosser Ausdehnung zu Tage. Vorn sieht man im Anschluss an das rechte Atrium noch einen Theil der rechten Auricula, in der Tiefe des Atrium das Foramen ovale. Die Muskelwand beider Ventrikel bietet in ihrer Stärke kaum einen Unterschied dar; vor der Herzspitze liegt noch ein halbmondförmiges Stück Thymusdrüse, welche in diesem Fall sehr weit nach unten hinabreicht. Der Oesophagus, der auf seinem Wege in die linke Körperhälfte begriffen ist, liegt genau vor der Mitte der Wirbelsäule. Dieser Schnitt ge- winnt besonderes Interesse bei einem Vergleich mit der Fig. 30 von JoESSEL (39 a), die von einem 6jährigen Knaben stammt. Während die getroffenen Wirbel in beiden Schnitten dieselben sind, schneidet der Schnitt von Joessel vorn etwas höher das Brustbein (4. Rippenknorpel oben). Der Hauptunterschied, der sofort in die Augen fällt, besteht in der Veränderung der Wandstärke des rechten Ventrikels, welche innerhalb dieses Zeitraums stattgefunden hat. Dieselbe lässt in ihrer geringen Entwicklung die mächtige Entfaltung des linken Ventrikels im ferneren Leben deutlich zum Vorschein kommen. In der Lage des Herzens hat sich im Ganzen genommen wenig verändert; es drückt sich nur die mehr horizontale Lage des Herzens beim Ngb. darin aus, dass die Höhlen beider Kammern der Länge nach in grösserer Ausdehnung eröffnet sind als bei dem 6jährigen Kind, bei dem die Herzachse schon mehr schräg gestellt er- scheint. Ausserdem wird das Herz des Knaben von den Lungen beinahe ganz umfasst, während beim Ngb. das Herz einen viel grösseren Raum in Anspruch nimmt im Verhältniss zu den Lungen, von denen namentlich die linke durch Herz und Thymus zurückgedrängt erscheint. Daneben dürfte sich die Lage des Herzens zur Medianebene vielleicht etwas geändert haben. An beiden Schnitten trifft die Verbindungslinie zwischen der Mitte des Sternum und der Mitte des Wirbelkörpers die Valv. tricuspidalis, doch fällt beim Ngb. ein etwas grösserer Theil derselben auf die rechte Körperhälfte. Fig. 5 = Schnitt V. Vorn durch den ö. Rippenknorpel, hinten durch den 8. Brustwirbel. Diese Abbildung stellt die untere Schnittfläche des vor- hergehenden Schnittblocks dar. Man sieht am Herzen auf die Brust-, Bauch- und Beckenhöhle des neugeborenen Kindes. 387 untere Wand des rechten Atrium, in dessen hinteren Abschnitt von unten her die Vena cava int", einmündet; quer vor dem vorderen Rand derselben liegt in Gestalt einer halbmondförmigen Falte die Valvula Eustachi!. Die Einmündung der Vena coro- naria cordis magna ist neben der Scheidewand der beiden Vor- hÖfe an der Stelle ihrer ampullären Erweiterung (Sinus coro- narius) getroffen, die von der Valvula Thebesii begrenzt wird. Man kann die ganze linke Herzkammerhöhle überschauen; im Grunde derselben sieht man an der medialen Wand den M. pap. medialis, ihm gegenüber noch ein Stück des lateralen. Sonst sind die Verhältnisse die nämlichen wie auf dem vorhergehen- den Schnitt; die Speiseröhre liegt schon etwas nach links von der Mittellinie. — Schnitte, die am Ngb. etwas höher geführt worden sind, wie der von Henke (1 a, Fig. 43) durch den 4. Intercostalraum und der von Rüdinger (37, Taf. X) durch den 7. Brustwirbel, lassen alle 4 Herzhöhlen eröffnet erscheinen. Beim E. (s. Braune 43, Tab. XII, 3. Intercostalraum, 8. Wirbel) sind in dieser Höhe erst vom linken Ventrikel die Mitralis und die Ventrikelwand, vom rechten ein Theil der Tricuspidalis und der Ventrikelhöhle getroffen. Während dort noch der Boden des linken Vorhofs sichtbar ist, liegt derselbe beim Ngb. höher und fällt nicht mehr in diese Schnittebene. Fig. 28 von JoESSEL (gleichfalls durch den 8. Brustwirbel) hat vom Herzen nur das rechte Atrium und den oberen Theil des linken eröffnet. Dagegen zeigt sich betreffend die Theile des Herzens, welche beim Ngb. auf diesem Schnitt vorliegen, eine grosse Aehnlich- keit mit Fig. 29 des E. von Joessel (39 a durch die Band- scheibe zwischen IX. und X. Wirbel), Die hier vorhandenen Unterschiede bestehen, abgesehen von der höheren Lage des Herzens beim Ngb., gegenüber der Wirbelsäule, eigentlich nur in den Umänderungen in dem anatomischen Bau des Herzens, wie sie sich mit der Zeit herausbilden. Beim Ngb. ist die Valvula Eustachii sowohl wie die Valv. Thebesii deutlich als solche erkennbar; ausserdem ist hier nochmals die Gleichheit der Muskulatur der Ventrikel gegenüber dem Verhalten der- selben beim E. hervorzuheben. Beim E. liegt der Oesophagus in dieser Höhe nach rechts von der Mittellinie. In der Joessel'- schen Fig. 29 lässt die Mittellinie vom Herzen nur den rechten Vorhof in der rechten Körperhälfte gelegen sein, alles andere fällt nach links; beim Ngb. dagegen geht sie, wie erwähnt, durch die Mitte der Tricuspidalis. Fig. 6 = Schnitt VI. Vorn durch die Basis des Proc. xiphoideus, Ansatz des 7. Rippenknorpels, hinten durch den 9. Brust- wirbel. 388 H. Mettenheimer. Auf diesem Schnitt liegt das Centrum tendineum diaph. zu Tage; nach reclits hin ist bereits ein Stück des rechten Leberlappens, der in die rechte Zwerchfellkuppe hineinragt, durch den Schnitt entfernt; links vorn im 5. Intercostalraum liegt auf dem Boden des Herzbeutels die von beiden Ventrikeln gebildete Herzspitze. Links von der Mittellinie vor der Aorta desc. liegt der Oesophagus; etwas rechts von der Mittellinie ist die Durchtrittsstelle der Vena cava inf. durch das Zwerchfell (Foramen quadrilat) getroffen ; in der Tiefe sieht man eine Vena hepatica sowie den Duct. venös. Arantii in die untere Hohlvene einmünden. Sehr bemerkenswerth ist das Verhalten der Lungen; die linke, nicht mehr durch das Herz und die Thymus beengt, lässt einen grossen Breitendurchmesser ihres unteren Lappens erkennen, während die rechte, in ihrer Ent- faltung durch die Leber in transversaler Richtung gehindert, schmal erscheint. Beide vordere Pleuragrenzen sind an ihrem Uebergang in die unteren ungefähr gleichweit beiderseits von der Mittellinie entfernt. Da die linke Pleura auf Schnitt IV und V von dem linken Sternalrande entfernt bleibt (ungefähr an der Verbindungsstelle von Knorpel und Knochen der 4. Rippe), auf dem vorliegenden Schnitt dagegen wieder weit vorspringt, so scheint in diesem Falle ein seitliches Zurücktreten des linken Brustfelles im 3. und 4. Intercostalraum zu bestehen, so dass das Herz hier unbedeckt von Pleura bleibt. Während die rechte Lunge mit ihrem vorderen Rande den Sinus mediastino-costalis ausfüllt, liegen links die parietalen Brustfellblätter eine Strecke weit aneinander. Auf einem Schitt von einem einjährigen Kind (vorn 6. Rippe, hinten durch den 9. Wirbel, s. Heitzmann 112 Fig. 393) zeigen sich die Lungen beiderseits mehr gleich- massig entwickelt; die Leber ist noch nicht angeschnitten, da- gegen ist vom Herzen ungefähr ebenso viel von der Spitze getroffen wie beim Ngb. Beim E. (s. Braune 43 Tab. XIII, vorn 5. Rippe — hinten 9. Wirbel) ist ebenfalls der Apex des Herzens sichtbar, aber die Leber ist nicht nur rechts in ziemlicher Ausdehnung getroffen, sondern auch über die Mittel- linie hinaus der linke Lappen. Man könnte versucht sein, das Verhalten der Leber an den beiden letzten Schnitten zu Grünsten der Annahme auszulegen , dass die Höhenunterschiede von rechter und linker Zwerchfellkuppe nach der Geburt allmählich geringere werden. Ist dies in der That wohl auch der Fall, so liegt in der Abbildung von Bkaune die Leber doch immerhin auffallend, wenn auch nicht anomal, hoch; der Durchschnittslage der Leber mehr entsprechen dürfte Fig. 29 von JoESSEL, auf welcher (0. Wirbel) auch nur rechts die Brust-, Bauch- und ßeckenhöhle des neugeborenen Kindes. 389 Leber eben angeschnitten erscheint. Ein Vergleich dieser Querschnitte dürfte also in dieser Richtung wenigstens keinen stricten Beweis liefern. Fig. 7 = Schnitt VII. Vorn sind die 7. Rippenknorpel beiderseits getroffen unterhalb des Proc. xiphoideus, hinten geht der Schnitt durch den 11. Brustwirbel. Die Leber ist in ihrer ganzen Ausdehnung getroffen. Dieselbe reicht weit nach links hinüber, wo sie einen ziemlich beträchtlichen Abschnitt der Milz bedeckt (Superf. hepatica). Letztere lässt auf diesem Schnitt nur 3 von ihren Flächen er- kennen, nämlich die Sup. gastrica, die Sup. hepat. und die Sup. diaph.; nach vorn und innen steht sie in Berührung mit dem Magen, der an der Cardia schräg, ausserdem an der Kuppe des Fundus, eröffnet ist. Zwischen dem Zwerchfell (Pars muscularis) und der Costalwand sieht man beiderseits in die Sinus phrenico-costales hinein, welche vorn bis an die 6. Rippe heranreichen. Die Nebennieren liegen in diesem Fall ver- hältnissmässig tief, so dass sie auf dieser Schnittfläche noch nicht sichtbar sind, während sie gewöhnlich bereits ein Schnitt durch den 10. Brustwirbel (s. z. B. Braune 43 Fig. 2 S. 123) trifft. Auf letzterer Abbildung treten an der Milz alle 4 Flächen deutlich hervor. — Etwas rechts von der Mittellinie liegt der Lob. Spigelii, und tiefer in denselben eingebettet als beim E. verläuft die Vena cava inf. Ein Vergleich dieses Schnittes mit einem durch den 11. Wirbel des E. (Braune Tab. XIV und Joessel 39 b. Fig. 68, Magen wenig gefüllt) lässt das Üeberwiegen des linken Leberlappens beim Ngb. deutlich hervortreten ; derselbe lässt für Milz und Magen links hinten nur einen beschränkten Raum übrig. Beim E. ist mit der Volumszunahme des Magens die Leber nach rechts und vorn verdrängt und dadurch der Zwischenraum zwischen Leber und Milz vergrössert. Dieselbe Differenz macht sich auch bereits auf einem Schnitt (durch 11. Wirbel) von einem 1 jährigen Kind (Heitzmann Fig. 370) bemerkbar. Fig. 7a = Schnitt VII a. Vorn durch das untere Ende des Proc. ensiformis; hinten ist der 12. Brustwirbel eben von dem Schnitt gestreift. Dieser Schnitt stammt von demselben weiblichen Ngb. (Eis-Spiritus) wie Schnitt II a. Auch hier breitet sich die Leber weit nach links hinüber aus, berührt jedoch nicht mehr die Milz, von der sie durch das Omentum malus getrennt wird. Die Milz zeigt eine grosse EntAvicklung mit 3 Flächen, die Sup. diaph. nach aussen, die 390 H- Metteuheimer. Superf. supraren. nach hinten und die Sup. gastrica nach vorn und innen. Mit der letzteren, welche winklig nach hinten zurückspringt, steht sie in Beziehung zu dem Ende des Pancreas und dem Uebergangsstück des Colon transversum in das Colon desc, AVeiter nach vorn liegt darmartig contrahirt der Magen, von dessen Curvatura maior das grosse, von dessen Curvatura minor das kleine Netz ausgeht. Er ruht hinten auf dem Pancreas und hinterlässt in dem Drüsengewebe einen nach vorn concaven Eindruck. Von der vorderen Bauchwand wird derselbe durch den linken Leberlappen getrennt. Die beiden Nebennieren liegen in grosser Ausdehnung in der Schnittebene ; vor dem linken vorderen Rande der linken Nebenniere zieht an der hinteren Fläche der Leber, also nicht, wie an Schnitt VII und Fig. 2 von Braune, sondern ganz genau wie beim E. die Vena cava inf. empor. An diesem Schnitt verdient vor allem das Verhalten des j\Iagens, der in seiner ganzen Ausdehnung contrahirt erscheint, Erwähnung. Daneben zeigt auch die Milz eine Form und Lage, welche von der des E. sich wesentlich unterscheidet. Dieselbe erscheint bedingt durch die Grösse der Milz in diesem Alter und die Beziehungen derselben zu den Nachbarorganen, namentlich zu der so bedeutend ent- wickelten linken Nebenniere. Im Vergleich mit Fig. 69 von JoESSEL (39 b ; vom E. 12, Wirbel) fällt vor allem die grosse Aus- dehnung auf, in welcher das Pancreas und die Milz beim Ngb. getroffen ist; bei letzterer sind nur die massig entwickelten Nebennieren, bei ersterem bereits die Nieren geschnitten. Fig. 8 = Schnitt VIII. Vorn ungefähr 4 cm oberhalb des Nabels, hinten durch den 1. Lendenwirbel. Während rechts noch die knorpeligen Enden der 3 letzten Rippen getroffen sind, geht der Schnitt links etwas tiefer, ohne eine Rippe zu schneiden. Die rechte Hälfte der Bauchhöhle wird beinahe gänzlich ausgefüllt von dem rechten Leberlappen und nur ein kleiner Theil des linken Leberlappens ragt über die Mittellinie nach links hinüber. Während die Leber mit ihrer vorderen und rechten Fläche mit der äusseren Brustwand direct in Berührung steht, liegt sie mit ihrer hinteren Fläche vor der rechten Niere und Nebenniere. Etwas weiter nach vorn steigt links von der rechten Nebenniere die Vena cava inf. herauf. Die untere linke Fläche der Leber verdeckt vorn das Colon in seinem Ueber- gang von dem aufsteigenden zum queren Verlauf, das Endstück des Magens die darunterliegenden Därme und den Anfangstheil des Duodenum, dessen absteigender Theil in engster Beziehung zu der Gallenblase herabläuft. Links vor der Wirbelsäule liegt die Aorta abdom. ; links von derselben die auf ihrem Wege vom Brust-, Bauch- und ]]eckenhölile des neugeborenen Kindes. 391 Hilus der linken Niere vor ihr vorbeiziehende Vena renal, sin., welche etwas oberhalb rechts von der Mittellinie in die Vena cava inf. einmündet. Den linken hinteren Raum neben der Wirbelsäule nimmt die linke Niere ein, welche in grosser Ausdehnung, und zwar wegen ihrer höheren Lage tiefer, dicht über dem Hilus getroffen ist. Vor ihr nach innen liegt das untere Ende der linken Nebenniere. Die rechte Nebenniere dagegen zeigt einen grösseren Durchmesser, weil sie näher der Basis geschnitten ist. Vor der linken Nebenniere ist der Uebergang des Duodenum in das Jeiunum sichtbar. Der Magen ist in seinem unteren Theile getroffen und liegt mit dem Pylorus quer vor der Wirbel- säule. Die Pars sup. duodeni ist äusserst kurz und zieht etwas nach rechts und hinten hin. Zwischen der Pars desc. und dem Endstück des Duodenum liegt das Pancreas, zwischen dessen Kopftheil und Körper die Vena mesenterica sup. zur Leber- pforte emporsteigt. Vor der grossen Curvatur des Magens ver- läuft quer das Colon transversum, rechts und links von dem durchsichtigen grossen Netz bedeckt, während in der Mitte die Haustra des Colon eröffnet sind. Vor der linken Niere geht dasselbe von aussen nach innen in das Colon descend. über. Der Bogen der Flexura coli sin. fällt schon in die obere Schnittfläche. Zwischen Colon desc. und dem Magen blickt man in eine Windung des Jeiunum hinein. Vor der linken Niere liegt eine kleine Nebenmilz. Im Vergleich mit der Lage der Organe beim E. in dieser Höhe (Bkaune 43 Tab. XV) tritt die grosse Entwicklung der Leber beim Ngb. hervor, wo- durch die übrigen Organe alle mehr nach links zusammengedrängt erscheinen. Auch beim Erwachsenen ist an der linken Niere schon der Hilus eröffnet, während die rechte noch oberhalb desselben getroffen ist; von den Nebennieren ist in dieser Höhe nichts mehr zu sehen; ein Stück der Milz ragt noch in den Schnitt hinein. Dagegen erscheint das Pancreas in grösserer Aus- dehnung sichtbar als beim Ngb., ebenso die Därme, von denen das Colon ascend. nicht mehr wie beim Ngb. vollständig von der Leber verdeckt wird. Ebenso wie beim Ngb. steigt die Flexura coli sin. etwas über diese Schnittfläche hinaus empor, und auch von dem Magen ist noch, wenn auch nur ein kleines Segment, beim E. zu sehen. Besonders bemerkenswerth er- scheint, dass beim Ngb. wegen des mehr horizontalen Verlaufs der Rippen nur eben die Spitzen der Rippenknorpel, beim E. dagegen noch die 12. — 7. Rippe geschnitten ist. Auf Taf. CXXX S. 221 von Henle (113) erscheint die Distanz zwischen Leber und Milz bereits vergrössert durch die Volumszunahme des Magens, welcher der Bauchwand in ziemlicher Ausdehnung 392 -S- Mettcubfimer. anliegt; es dürfte letzteres die Annahme wahrscheinlich machen, dass der Schnitt, der ehenfalls durch den 1. Lendenwirbel ge- führt ist, von einem Ngb., doch nicht aus den ersten Tagen, stammt. Die Nieren sind beiderseits unterhalb des Hilus ge- trofifen. Fig. 9 = Schnitt IX. Vorn durch den Nabel, hinten durch den oberen Theil des Os ilium und den 1. Sacralwirbel. Vor dem Kreuzbein, in dem Räume, der rechts und links von dem M. psoas begrenzt wird, verlaufen zu beiden Seiten die Iliacal-Gefässe mit den Ureteren ; etwas rechts von der Mittellinie ist der Anfangstheil des Rectum mit dem Mesorectum getroffen ; das untere Ende der Flexura sigmoidea überschreitet nach rechts hin die Mittellinie, um hier in den Mastdarm über- zugehen. Das obere Ende derselben, welches im Anschluss an das Colon desc. in der Höhe des Spina iliaca ant. sup. sin. sichtbar ist, wird in seinem weiteren Verlauf in der linken Fossa iliaca von Dünndarmschlingen bedeckt, nur das Meso- sigmoideum ist vor dem linken M. psoas vorüberziehend zu sehen. In der Mitte vertheilt sich regellos der Dünndarm, in der Fossa iliac. dextr. ist sowohl das Coecum eröffnet als auch der Uebergang des Ileum in dasselbe; eine Sonde steckt in der Valvula ileo-coecalis. Nach hinten und etwas nach unten schliesst sich an den Blinddarm vor dem M. psoas dext. der Proc. vermiformis an, der in seinem Verlauf zweimal getroffen ist (für den E. vergleiche Fig. 70 Joessel 39 b). Fig. 10 = Schnitt X. Vorn verläuft der Schnitt dicht oberhalb der Symphyse, hinten durch den 2. Steissbeinwirbel ; beiderseits sind die Schenkelköpfe geschnitten, und zwar der linke etwas tiefer als der rechte. Direct vor dem Os coccygis in der Mittellinie zieht das Rectum herab, vor ihm gelagert der obere Theil der Vagina, deren an der hinteren wie vorderen Wand vorspringende Falten die H förmige Gestalt des Lumen auf dem Querschnitt hervor- treten lassen. In unmittelbarem Zusammenhang mit der vor- deren Wand der Scheide steht die Blase. Dieselbe ist hier zunächst extramedian gelagert und weicht nach rechts von der Mittellinie ab. Vor allem aber zeigt sich auf diesem Schnitt deutlich, dass die Blase in diesem Alter noch geradezu i n der vorderen Bauchwand gelegen ist und mit ihrem Scheitel die Symphyse noch weit überragt. Dadurch erscheint dieselbe in grosser Ausdehnung eröffnet; man erkennt im Innern die Faltungen der Schleimhaut ; das Lumen stellt sich als schmale Rinne dar. Am Anfang derselben liegt etwas tiefer, von einem Stück der hinteren Blasenwand verdeckt, das Orif. ure- Brust-, Bauch- und Beckenhöhle des neugeborenen Kindes. 393 thrae internum. Dieser hohe Blasenstand stellt auch den Hauptunterschied gegenüber ähnlichen Schnitten beim E. dar. Auf den Abbildungen von Rüdingkk (37 z. B. Abth. IV Taf. 1 A u. B) liegen bereits die horizontalen Schambeinäste in der Schnittebene, aber nur bei dem weiblichen Individuum hat der Schnitt den Scheitel der Blase eben erst eröffnet. Fig. 11 = Schnitt XI. Derselbe geht durch beide Oberschenkel in deren oberem Drittel, etwas unterhalb der Tubera ischii. Es ist die untere Schnittfläche desselben Schnittblocks, dessen obere Fläche in Fig. 10 abgebildet ist. Die Dicke der dazwischen- liegenden Scheibe betrug ungefähr 2 cm, doch convergirten beide Schnittebenen etwas nach vorn. Die Vagina ist in ihrem unteren Abschnitt getroffen. Die Faltenbildung zeigt hier im Durchschnitt eine andere Con- figuration, die sich eher mit der Gestalt eines X vergleichen lässt; vor der Scheide liegt die Urethra, hinter der ersteren der Analtheil des Rectum. Fig. 12 = Schnitt XII. Medianschnitt rechte Hälfte. 50 cm langes männliches ngb. Kind, das geathmet hatte. Gefrier -Alkohol- präparat. Der Schnitt traf das Sternum in der Mitte, an der Wirbelsäule dagegen verläuft derselbe nicht genau in der Mittel- linie, so zwar, dass er im Halstheil etwas links ansetzt, um im Lendentheil nach rechts hinüber abzuweichen. Die Wirbelsäule zeigt in ihrem Verlauf eine leichte Con- cavität nach vorn vom 1. Brustwirbel bis ungefähr zum 4. Len- denwirbel. Während sie in ihrem oberen Theil beinahe ge- streckt schräg nach hinten abwärts verläuft, erscheint die Krümmung am üebergang von Brust- und Lendenwirbelsäule besonders ausgeprägt. Da der Schnitt etwas rechts von der Mittellinie geführt ist, so erscheint von dem Brusttheil des Oesophagus nur ein Stück der rechten Wand und zwar in dem Abschnitt getroffen, mit dem er am weitesten nach rechts hinüber die Mittellinie überschreitet; derselbe entspricht auf diesem Medianschnitt dem 3. bis 5. Brustwirbel. Vor letzterem Wirbel wendet er sich wieder nach links, indem sich von unten hinten und rechts her die Vena azygos vor der Wirbelsäule dazwischen schiebt. So- wohl von der Wirbelsäule wie von der Trachea ist die Speise- röhre durch lockeres Bindegewebe getrennt. Die Trachea ist in ihrem Brusttheil, indem sie vom Hals her schräg nach unten hinten in die Brust hinabsteigt, aufgeschlitzt, doch nicht in ihrer ganzen Länge. Da sie in ihrem Verlauf nach unten zu immer weiter nach rechts hin abweicht, so ist die Bifurcation, die etwas tiefer vor dem 4. Wirbel stattfindet, mehr nach rechts 394 S. Mettenheimer. gelegen und daher auf diesem Schnitt nicht sichtbar. Hinter dem oberen Theile des Manubr. sterni bis zum 3. Intercostal- raum herab erstreckt sicli die Thymusdrüse; hierdurch erscheint die Vena auouyma sin. von dem Brustbein weiter entfernt zu liegen als späterhin. Sie kreuzt die Aorta ascend., vor der- selben gelegen, dicht über der Abgangsstelle der Art. anonyma. Von der Aorta ist nur ein flaches „schalenförmiges" Stück der rechten Wand abgeschnitten worden, und zwar ein relativ geringerer Theil als beim E. (s. Joessel Fig. 25 ; Braune Tab. I A.). Vor dem Ursprung der Aorta liegt das rechte Herzrohr, dessen Spitze nach links hinüberfällt. Oberhalb liegt dem Herzbeutel die Thymus auf; hinter der Aorta ist der Ramus dexter Art. pulm. in seinem queren Verlauf über den linken Vorhof in der Höhe des 4. — 5. Brustwirbels ge- troffen. Das Herz liegt gegenüber dem 4. — 5. bis 8. Brust- wirbel, vor dessen unterer Hälfte es dem Zwerchfell aufruht. Man sieht in die Höhle des rechten Atrium hinein, welches nach oben in das rechte Herzohr übergeht. In den rechten Vorhof mündet von oben her die Vena cava sup., von unten und hinten her die Vena c. inf. Der Blutstrom der letzteren wird durch die Valvula Eustachii, welche von rechts und vorn die Mündung derselben begrenzt, nach links gegen das Fora- men ovale hingeleitet. Ferner sieht man in die untere Hohl- vene den Duct. venosus Arantii einmünden, welcher die Ver- bindung mit der Vena umbilicalis herstellt. Nach vorn von dem rechten Vorhof ist die Muskelwand des rechten Ventrikels angeschnitten. Wenn man berücksichtigt, dass die Schnittebene an und für sich schon etwas nach rechts hin abweicht, so scheint im Vergleich zum E. ein relativ grösserer Abschnitt der rechten Kammer in der rechten Körperhälfte zu liegen. Ferner sieht man zwischen den beiden Atrien die Scheide- wand durchbohrt von dem Foramen ovale, das von der Val- vula foram. ovalis theilweise verschlossen wird. In den linken Vorhof, der durch den Schnitt ungefähr halbirt ist, sieht man die beiden rechten Lungenvenen einmünden. Dadurch, dass der Schnitt stärker nach rechts abzuweichen beginnt, wird schon ein Theil des rechten unteren Lungenlappens sichtbar, während hier gewöhnlich derBrusttheil des Oesophagus vor seinem Durchtritt durch das Zwerchfell eröffnet erscheint. Unterhalb des Zwerchfells, dessen Fasern nach vorn hin zum Brustbein ansteigen (8. Wirbel unten), tritt in grosser Ausdehnung die Leber hervor. Dieselbe reicht mit ihrem unteren vorderen Rande bis ungefähr 2 cm oberhalb des Nabels (Mitte) herab. Der Lob. Spigelii in seinen Beziehungen zu der Vena cava Brust-, Baucli- und Beckenhöhle des neugehorenen Kindes. 395 inf. rechts und hinten, zum Duct. venosus Arantii nach links und vorn und dem Zwerchfell hinten entspricht an der AVirbel- säule dem 9. — 12. (1. L.) Brustwirbel. Dicht vor der auf- steigenden Pars costalis des Diaphragma verläuft die untere Hohlvene nach oben; vor dem 2.-5. Lumbalwirbel aufgeschlitzt, begiebt sie sich weiter oben mehr nach rechts hin, so dass sie von dem Lob. Spigelii verdeckt wird ; vor dem 1. Lumbalwirbel nimmt sie die Vena renalis sin. auf. In ihrem Verlauf an dem oberen Rande des Pancreas von der Milz zur Pfortader ist die Vena lienalis getroffen; weiter unterhalb in der Höhe des 1. — 3. Lumbalwirbels liegt innerhalb des Ringes des Duo- denum der Pancreaskopf, vor dessen vorderem und unterem Theil das Colon transversum gegenüber dem 3. Lendenwirbel vorüberzieht. Man sieht hier deutlich, wie die Pars duodeni inf. in der Sagittalebene etwas hinter der Pars sup. zu liegen kommt. Unterhalb der Leber vertheilen sich die Dünndarm- schlingen, welche oben quer, weiter unten (zum Theil schon in dieser Höhe sichtbar) längs getroffen sind ; vor der Wirbel- säule reicht die aufsteigende Flexura sigmoidea bis zu dem Zwischenknorpel des 4. und 5. Lumbalwirbels empor. Ein Vergleich mit ähnlichen Schnitten des E. (s. Joessel 39a Fig. 25) ruft zunächst den Eindruck einer grossen Ueberein- stimmung im Allgemeinen hervor (abgesehen von den durch die etwas verschiedene Schnittführung bedingten Differenzen). Es scheint beim Ngb. das Herz im Vergleich mit den Gefässen relativ grösser zu sein ; auch fällt ein etwas grösseres Stück des rechten Ventrikels nach rechts ; ausserdem ist die Entfernung der grossen Gefässe von der vorderen Brustwand verhältnissraässig grösser, einmal durch das Dazwischenlagern der Thymus, andererseits aber auch, weil das Brustbein noch höher steht und deshalb die obere Brustapertur relativ weiter erscheint. Der Thorax des Ngb. nimmt, wie man diesem Sagittalschnitt entnehmen kann, wegen des geraden Verlaufs der Wirbelsäule von oben nach unten gleichmässig zu; beim E. dagen lassen die Krümmungen der Wirbelsäule die Zunahme des Brustkorbes nach unten weniger hervortreten. In der Bauchhöhle tritt namentlich die grössere Entwicklung der Leber beim Ngb. zu Tage. Fig. 13. Der Schnitt geht hinten durch die Bandscheibe zwischen 5. Lenden- und 1. Kreuzbeinwirbel (Promontorium); nach vorn hin senkt sich die Schnittebene etwas und schneidet den Blasen- scheitel. Das Os ilium ist links etwas tiefer getroffen wie rechterseits. Chromsäure-Spiritus-Präparat. 396 H. Mettenheimer. Vor der linken Excav. sacro-ili;ica liegt der obere Ab- schnitt des Rectum, welches in seinem weiteren Verlauf die Mittellinie nach rechts hin überschreitet. Zwischen Mastdarm und linkem M. psoas sind die Vasa iliaca gelegen sowie der linke Ureter, rechts lag vor den Gefässen das Endstück der quer verlaufenden Flexura sigmoid. Vor dem Rectum blickt man auf den Fundus des Uterus, welcher extramedian steht mit der Front nach vorn und links. Derselbe scheint in diese Stellung gedrängt zu sein von dem S Romanum, welches von links her über den Fundus hinwegzog, um dann von der rechten Excar. sacro-iliaca sich Avieder nach links zurückzuwenden und hier in das Rectum sich fortzusetzen. Durch die Rotation des Uterus nach links liegen die linksseitigen Uterusanhänge der linken Kante dieses Organs genähert, so dass das linke Ovarium mit seinem medialen Ende die Gebärmutter beinahe berührt. Der Eileiter lässt auf dieser Seite starke Windungen erkennen, rechts dagegen erscheinen die Spiraltouren an dem uterinen Ende der Tube bereits ausgeglichen. Die rechte Tube ist etwas nach aussen zurückgeschlagen gezeichnet, um den rechten Eierstock besser sichtbar zu machen. Derselbe zeigt in seiner bei- nahe vertikalen Stellung eine innere freie und eine äussere (Hilus) Fläche mit einem vorderen und hinteren Rand. Die lateralen Enden beider Ovarien sowie rechts der ampulläre Theil der Tube sind durch den Schnitt nach oben entfernt, während links noch ein Theil der Ampulle in ihrer Beziehung zu dem äusseren oberen Ende des Eierstocks erhalten ist. Namentlich das linke Ovarium lässt tiefe Einschnitte seiner Oberfläche erkennen, an dem rechten hinterlassen die Windungen des Eileiters deutlich ihre Spuren. Nach vorn und gleichzeitig nach aussen ab- wärts verlaufen beiderseits von der Gebärmutter die Lig. rotunda. Zu beiden Seiten der Blase, deren hintere Wand eingesunken ist, steigen in mächtigen Wülsten die Umbilicalarterien zum Nabel empor. Fig. 14. Diese Abbildung stellt einen Sagittalschnitt dar, der an dem vorhergehenden Präparat ausgeführt wurde. Das Kreuzbein verläuft ziemlich gerade nach abwärts und nur das Ende des Steissbeins krümmt sich etwas nach vorn. Der leere Mastdarm überschreitet in mehreren Windungen die Mittellinie her- und hinüber, aber nur in den beiden oberen Abschnitten ; der dritte Abschnitt desselben, welcher nach oben durch die Plica transversalis abgegrenzt wird, verläuft unge- fähr gerade nach abwärts. Der Uterus ist antevertirt-Üectirt und lässt in seinem Innern die Schleimhautfalten erkennen, die sich von der Cervix, welche mit der Port, vagin. nach hinten Brust-, Bauch- und Beckenhöhle des neugeborenen Kindes, 397 unten sieht, auf das Corpus hin fortsetzen ; der Fundus ist stark entwickelt. Die Vagina verläuft in ihrer ganzen Länge gerade nach vorn und unten. Ueber dem Fundus und etwas vor dem- selben liegt eine Schlinge der Flexura sigm. Das Bauchfell steigt in diesem Fall in die Excav. recto-uterina tief hinab bis zu einem Punkt unterhalb der Steissbeinspitze, sodass der obere Theil der Scheide hinten von Peritoneum überzogen wird. Letzteres bedeckt sodann den Uterus, mit dem es es fast verwachsen ist, um in der Höhe des Corpus uteri auf die hintere Blasenwand überzugehen; hier bildet es die Plica transversalis vesicae. Die Blase setzt sich nach unten in die Urethra fort, welche um die Symphyse herum in leichtem Bogen nach vorn und abwärts verläuft; nach hinten ist die Harnröhre innig mit der Vorderwand der Vagina verbunden. Das Os uteri externum, der 3. Steissbeinwirbel, das vordere Scheidengewölbe und der obere Rand der Symphyse liegen ungefähr in einer Ebene^ etwas unterhalb derselben das Orif. urethrae internum. Fig. 15, Der Brustkorb ist nach Henke (la Fig, 3) gezeichnet, nur mit Aenderung der Breite des Brustbeins für den betreffenden Fall. Die Herzfigur ist nach Angabe von Henke (Ic) aus drei Horizon- talschnitten reconstruirt worden. Es wurden auf jedem Schnitt die jedesmaligen entferntesten Punkte des Herzens von einer Linie, welche die Mitte des Sternum mit der Mitte der Wirbel- körper verbindet, auf der dem Schnitte entsprechenden Quer- linie eingetragen und durch Verbindung- der so gewonnenen Punkte das Organ wieder zusammengesetzt. Natürlich können diese Verbindungslinien nur annähernd mit den wirklichen Herz- grenzen übereinstimmen (s. Symington a Fig, 26 S. 65), Gegen- über der ähnlichen Figur des E, von Henke fällt die grössere Breitenausdehnung des kindlichen Herzens hinter der vor- deren Brustwand auf. Ausserdem fällt ein grösserer Abschnitt der rechten Kammer mit einem Theile der Valvula tricus- pidalis in die rechte Körperhälfte, Die beiden Brustfelle lassen in der Mitte ein grosses Stück des Herzens frei; hier war der Herzbeutel direct mit der Hinterfläche des Sternum verbunden. Fig. 16 a stellt die untere Fläche eines Schnittes dar, w^elcher parallel zum Sinus coronarius durch das Herz eines Ngb. geführt wurde und die Spitze des linken Herzohrs streifte. "Während sich die Wandstärke der beiden Ventrikel in diesem Alter kaum von einander unterscheidet, lassen sich die beiderseitigen Herzhöhlen an diesem Schnitt, wegen der Ausbuchtung des Conus arte- riosus, weniger gut mit einander vergleichen ; eher auf der oberen Schnittebene dieser 9 mm dicken Scheibe (b), wo beide 398 H. Mettenheimer. Brust-, Bauch- u. Beckenhöhle des neugeborenen Kindes. Lumina sich gleich verhalten. Zwecks einer Yergleichung mit den Verhältnissen beim E. setze ich (c) einen Querschnitt durch beide Herzkammern desselben nach Meyer daneben. Die grossen Differenzen des Verhaltens beider Herzhälften zu einander in den verschiedenen Zeiten erscheinen dabei sehr ausgesprochen. Fig. 17 a— e. Um die Formunterschiede des Magens des Ngb. und des E. zu zeigen, habe ich mittelst des Zeichenapparates einige Magen in der nämlichen Stellung, so dass man auf die grosse Curvatur hinblickt, abzeichnen lassen, a stellt einen Gyps- ausguss, b einen unter massigem Druck aufgeblasenen Magen, c ^3 des Modells von His (80 a) dar. Während sich beim E. der Magen von der Pars cardiaca nach der Pars pylorica hin entschieden verjüngt, nimmt derselbe beim Ngb. in dieser Rich- tung eher etwas an Umfang zu. d zeigt den Magen b in Seiten- ansicht und bringt den beinahe parallelen Verlauf der grossen und kleinen Curvatur des Magens zur Anschauung. Um die Grössenzunahme dieses Organs in der ersten Lebenszeit zu zeigen, habe ich daneben einen Magen (e) von einem 14 Tage alten Kinde (nach Fleischmann) zum Vergleich abbilden lassen. Lippert A Co. (Q. Pätz'ache Buchdr.), Naumburg a/S. AJoi-pii.Ai'b (imfiiv Fisclier :n J^ra. Morph. .\ib.':Ler„usäef t Srhwallie.IH d: lä ä von Guslav Fi scTier m Jena . Morph.Arb.":.":j -S;,.- v Schwalbe . IH . Fi,,. :'! '^ 'f ViTlaJ vot Gustav.FLscher m Jena ilurpli-Arlilu.i.t:^!^: ■■ CSchwallx-HI. Fig. ',. fi.j- /o: Fitj. a ßl Fif/.J. Fig. li. Fig /.;. Verb^v.&tißtiv Fischer in Jena. .\|.ii-Ijli..\jbUi C.Scliwiilhe.in. niistivKisihf.,. .:, '■•a MorpkMtnJ.e^Ä-rG.SdmallipJIL S4' (iilslavFi^ilifi-. Muiyh..\i-b. ■- ■■ : f' '^ ■■ .So]iwaHii-.Bd.Il[ Volaii-.TOi Gustan'Hsrhcriii, ]-i ;li An^I T T ATiiiOt* Lfiprur- Mni-ph.i\rb.terausgsgeb3' SchwaBie.Bd.III. Vtlif-rn'dtis (/fjü '■<".'/.';"{ rosta V Pi^yiJü Eustnckii - ^ Y.aiijgos Wei-LdanVIll.. rt i Anrtn Oesophagus h'sophagus '•, Aarladcsc- Vert.dors.lX y cordis TfUUfn FalJiui d&t. '' ' Costa II" ^'' .■Itr. tUnir IhlruLi TMcsii '""■'■'" ^' Düiphrani Costa VII Y\6.'l. C^sUl vi xV .■-''*"' ''" lliafhniQrr, spllren-ccil Veviai] ''xm GustavIsclieT ;,. ;:u. Li-ji Aiuit-rT; AF'iuTo; Lpjja!( .M»r].li.Ai-l .Sr]i>v.,ll„-,iia.ll] Taf.W. Morph. Art.lieraiL-ig'-gebYSrlivraDx-.Bd.in >Ji Allst T ZA t'iiilp- leipsi^- \'Kiiii[ -Äin GusiavKscher in Jeni. AI(irpli..\i-b.Keraijse;ei;'h.v.SiJiWfillirBd.lIl Veikff voll Gusfa^'HsdleT in Jeiu. Beiträge zur Morphologie des Schädels. II. Das Hyo-Branchial-Skelet der Anuren und seine Umwandlung. Dr. E. Oaiipp, Privatdooeiit uud Assisteut am Kgl. :iiiatoin. Iiint, /.ii Urosla«. (Aus (lein aiKitoiiiiscluMi Institut zu Breslau.) Hierzu Tafel XVIII u. XIX und eine Textabbildung. Einleitung. - I. Das Hyo-Branchial-Skelet der Froschlarve. A. Larva le Stadien, a) Larve von 14 mm. b) Larve von 29 mm. B. Zusammenfassung, a) Bau des larvalen Hyo-Branchial-Skeletes. 1)) Nomenclatur und verofleichende Bemer- kungen, c) Literatur. II. Das Hyo-Branchial-Skelet während der Metamorphose. A. 51 e - tamorph ose n -Stadien, a) Larve mit 4 Extremitäten, Schwanzlänge 5 mm. l)) Junger Frosch mit 4 Extr., Schwanz nur noch in Form eines kleinen Stumpfes vorhanden, c) Junger Frosch von 15 mm Länge. Schwanz völlig verschwunden, ß. Zusammenfa.^sung. a) Die Veränderungen des Hyo-Branchial-Skeletes während der Metamorphose, b) Literatur. III. Das Hyo-Branchial-Skelet („Zungenbein") nach der Metamorphose. — Nomenclatur. — Literatur. — A. Stadium-Beschrei- bung. — B. Veränderungen des Zungenbeins nach der Metamor- phose. — Schluss. — Ergebnisse. Literatur -Verzeichniss. — Verzeichniss der Abbildungen. — Erklärung der Bezeichnungen. Einleitung. Die nachfolgende Schilderung soll zunächst nur eine Ergänzung zu meiner Arbeit über das Froscli-Cranium (5) sein und damit ein Para- digma für die merkwürdigen Umbildungen des Anuren-Kopfskeletes zum Abschluss bringen. Sie bezieht sich demnach auch in der Haupt- sache auf dasselbe Object, Rana fusca. Obwohl eine grosse Anzahl von Arbeiten gerade über das Visceralskelet unserer einheimischen Anuren vorliegen, erwies sich doch bei näherem Zusehen, dass noch MorpUolug. Arbeiten hrsg. t. G. Schwalbe. IH. -" 400 l^r. E. (Taupp. recht viele Punkte ungenau geschildert sind, so dass selbst die Bear- beitung blos eines Typus immerhin noch manches Neue bringen konnte. Die genaue Kenntniss des larvalen Kiemenapparates und seiner Um- bildungen zum ausgebildeten Zungenbein war aber offenbar die erste nothwendigste Voraussetzung für eine wirklich „vergleichende" Betrach- tung des letzteren. Allerdings stellte sich bald heraus, dass gerade der vergleichend- anatomische Gesichtspunkt bei Rana nur wenig zur Geltung kommen konnte. Hinsichtlich der ersten Anlagen des Visceralskeletes bin ich nicht über das hinausgekommen, was Stöhr (22) bereits mitgetheilt hat und für einen exacteu Vergleich mit dem Visceralskelet der Fische oder auch der Urodelen sind noch immer einige Punkte nicht genügend aufgehellt. Hier wird vor Allem die Untersuchung primitiverer Formen der Anuren (Alytes scheint besonders geeignet) ergänzend eingreifen müssen. Was die bisherige Literatur über den Gegenstand anlangt, so ist die Umbildung des Hyo-Branchial-Apparates der Anuren-Larve zum Zungenbein des erwachseneu Thieres ein Gegenstand, der vielfach das Interesse der Naturforscher in Anspruch genommen hat. Kein Geringerer als CuviER hat ihm ganz besondere Aufmerksamkeit geschenkt, den Process im grossen Ganzen richtig beschrieben und auf die Bedeutung hingewiesen, die darin liegt, dass hier ein Apparat, der sich in seiner ersten Form mit dem entsprechenden der Fische vergleichen lässt, zu einer ganz neuen Bildung umgewandelt wird, der ähnlich, die die höheren Thiere auszeichnet. Kaum zehn Jahre nach dieser ersten Schilderung durch Cuvier machte die französische Academie die Um- bildungen des Skeletes und der Musculatur der Batrachier zum Gegen- stand einer besonderen wissenschaftlichen Concurrenz, und dieser An- regung verdankt die morphologische Wissenschaft eine nach vielen Richtungen hin vorzügliche Arbeit von fundamentalem Werthe : die be- kannte Abhandlung von DuGEö. Aber auch die in jener Concurrenz weniger glückliche, nur durch „mention honorable" ausgezeichnete, Ar- beit von Martin-Saint-Ange behandelt gerade die Umbildung des Hyo- Branchial-Apparates in einer höchst beachtenswerthen Weise. Die in ihr gegebenen Darstellungen des larvalen Kiemenapparates, die auch von Hoffmann im „Broun" aufgenommen sind, zeichnen sich in vielen Punkten vor den meisten der bisher vorhandenen aus. Kurz, aber in den wesentlichsten Punkten zutreffend ist auch die Schilderung, die Rathke in seinem Fundamentalwerk über die Kiemenbogen giebt, er- heblich mangelhafter die von Reichert. Der Darstellung von Parker ist, wie allen Schädel- Arbeiten des englischen Forschers, nicht sowohl der Vorwurf ungenaue)' Beobachtung, als vielmehr der einer ganz un- seligen Willkür in der Auffassung und Benennung der einzelnen Theile zu macheu. Es kann gar nicht dringend genug vor der Uebemahme der Beiträge zur Morphologie des Schädols. II. 401 PAEKER'schen NomeDclatur ohne vorlierige Prüfung gewarnt werden — aber leider macht sich bei der grossen Verbreitung der ,.Morphology of the Skull" ihr verwirrender Einfluss oft recht fühlbar geltend. — ■ Auch die GoETTE'sche Darstellung leidet an mohrei'en Irrthümern und Ungenauigkeiten. Die neueren Bearbeiter: Stöhe, Naüe, F. E. Schulze haben sich weniger die Umwandlungen des Hyo-Branchial-Apparates. als sein Ver- halten in der ersten Anlage und während des Larveulebens zum Ziele gesetzt. Hinsichtlich der ersten Anlage ist Stöhr's bekannte Arbeit noch immer maassgel)eiid; das Kiemenskelet der Anurcnlarvo in seiner functioiiellen Bedeutung und im Zusammenliang mit den übrigen zum Kiemenapparat gehörigen Elementen in gründlicher Weise behandelt zu haben, ist das Verdienst von V. E. Schulze. Im Einzelnen sollen die Literatur-Angaben, soweit erforderlich, im Verlaufe der Arbeit berücksichtigt werden. — Eine Method(\ der die Vortheile der mikroskopischen Untersuchung zu Gute kamen, musste. wie zu erwarten, hier noch manches früher Üebersehene zu Tage fördern, Irrthümer berichtigen, und dem bereits i-ichtig Erkannten die bisher mangelnde Bestätigung verleihen. Als ['ntersucbungs-Object diente mir wieder in erster Tjiuie Rann, fusca, und wie fi-üher, so habe ich aueh hier die Reconstruction nach der Bokn'- schen iVlethode nicht gescheut. Tu der Schilderung kann ich mich so- mit an die augefertigten Modelle halten. Von der Ausführung meiner ursprünglichen Absicht, auch hier beim Visceralskelet gleichzeitig die Nerven (Glossopharyugeus- Vagus- Gruppe) mit zu behandeln, nahm ich Al)stand. da die Beziehungen der Nerven zu den Theilen des Visceralskeletes zu wenig unmittelbare sind. I. Das Hyo-Branchial-Skelet der Proschiarve. A. Larvale Stadien. Für die Illustrirung des Verhaltens des Hyo-ßranchial-Apparate'' während der Larvenzeit wähle ich zwei Stadien, ein jüngeres, auf dem soebon die Verknor- pelung aller wichtigen Tlieile jenes Apparates beendet ist, und ein älteres, das den letzteren in der ganzen Detail-Ausarbeitung darstellt, die ihm während der grössten Zeit der Larvenperiode eigen ist.*) Beide Zustände unterscheiden sich nur wenig von einander, da die Ausbildung der hauptsächlichsten Formverhältnisse bereits mit *) Zu Grunde gelegt sind Modelle nach den beiden Serien , die auch für die Schilderung der beiden ersten Stadien des Craniums in meiner früheren Arbeit maassgebend waren. 26* 402 J>i"- E. (Taupp. der Verkuorpeluug alijieschlossen ist. So sind denn die (iruudlagen des ganzen Apparates: die beiden Hyalia, die vier Branchia 1 ia jederdeits und die zur Ver- liiudung dieser Theile bestimmten Elemente: Copula und Branchialplatten schon aul' dem ersten Stadium in i-haracteristischer Anordnung vorhanden. a ) Larve v o u 14 mm G e s a m m 1 1 ä n g e. (Figo. i_ö.) Der Hyo-Brauchial-Apparat stellt ein knorpliges Continuum dar, innerhalb dessen nirgends eine Unterbrechung durch l)inrlege\vebige oder gar üeleuk -Ver- bindung besteht. Es sind sonach die Grenzen zwischen den einzelnen Compo- nenten nur in Structur-Unterschieden des Knorpels gegeben oder aber bereits ganz verwischt. An jedem Hyale unterscheidet man leicht eine mediale und eine laterale Hälfte: die mediale ist dorso-ventral abgeflacht, die laterale dagegen bildet eine im Allgemeinen frontal gestellte Platte. Beide Hälften gehen durch ein Ver- bindungs-Stück von ungefähr dreiseitigem Querschnitt (welcher sagittal zu legen ist) in einander über. Die medialen, dorso-ventral abgeflachten Hälften beider Hyalia sind auf eine kurze Strecke weit an ihren medialen Rändern mit einander durch eine „Pars reuniens" mit einander verbunden, (Figg. 1, 2, 3 P. reun.) Diese, über deren Auffassung beim Abschnitt: „Noraenclatur" gehandelt werden soll, ist leicht nach abwärts convex gekrümmt und zeichnet sich durch die Eigen, thümlichkeit der Knorpelstructur vor den beiden seitlichen Haupttheilen der Hyalia aus. (Fig. 3.) Die Knorpelkapseln sind kleiner, die Kapsehvände selbst dicker und ilabei dunkler, fast schwarz gefärbt (in Hämatoxylin). Auch die Färbung der Kerne ist dunkler, so dass dieses ganze Verbindungsstück auf dem Querschnitt ein last schwärzt'S Aussehen besitzt. — T'eber die Pars reuniens hinaus nacli vorn ragt die mediale Hälfte eines jeden Hyale mit einem „Proc. anterior", nach hinten mit einem „Proc. posterior" vor. (Figg. 1 u. 2. Pr. ant. hy. und Pr. post. hy.) Letzterer reicht bis dicht an den Vorderrand der Branchialplatte und ist mit diesem l)indegewebig verbunden. Zwischen den Proc. anteriores beider Seiten spannt sich ein besonders verdichteter Gewebszug aus; am Proc. post. entspringt der I\r. hyo- branchialis (s. am Schluss des Abschnittes ß, a). Die laterale Hälfte eines jeden Hyale bildet, wie schon gesagt, eine ungefähr frontal stehende Platte, auf deren höchster Erhebung sich die querovale Fläche zur Verbindung mit der Uuterfläche des Quadratums befindet. Der äusserste niedriger werdende Theil der Pars lateralis bildet einen nach hinten gerichteten Fortsatz, der auch — bei anderen Anuren, wie Pelobates, mehr als l)ei Rana — nach aussen hin mit einer besonderen leisten- förmigen Verdickung vorspringt: „Proc. lateralis" (F. E. SCHULZE.) Er ist ein Muskelfortsatz (Figg. 1, 2 Pr. lat. hy.) Am Uebergangsstück der medialen Hälfte di-s Ifyale in die laterale springt ein kurzer Fortsatz nach vorn vor. — Die Pars reuniens der Hyalia geht nun nach hinten hin continuirlich in einen unpaaren in der J\[ittellinie gelegeneu Abschnitt des Hyo-Branchial-Apparates, die „Coi)ula", über, der die Verbindung zwischen Hyal- und Branchial-Skelet her- stellt. Die Copula ist ein kurzes Knorpelstück, das auf dem Querschnitt etwa halb- kreisförmig gestaltet ist. (Fig. 4.) Durch die Structur seines Knorpels, die in nichts von der dem Anuren-l\norj)el gewöhnlich zukonnnenden abweicht, ist sie auf Horizontalschnitten ziemlich scharf von der Pars reuniens abgesetzt Die Copula erstreckt sich frei zwischen den Innenränderu beider Proc. posteriores hyal. nach hinten, ohne mit diesen verbunden zu sein. Dagegen ist sie ungefähr auf der •Grenze ihres mittleren und hinteren Drittels continuirlich knorplig mit den vorderen Ecken beider Branchialplatten verwachsen , die ihr dorsal aufliegen, erstreckt sich aber noch über diese Verbindungsstelle hinaus nach hinten, ventral von der medianen Beiträge zur Morphologie des Schädels. II. 403 Commissur beider Branchialplatten, als kurzer frei endigender Fortsatz, der zur Befestigung der beiden Mm. copulo-branchiales dient. (Figg. 1, 2, 4, 5.) Beide Branchialplatten (Figg. 1, 2 PI. brauch.) sind in der Mittellinie knorplig mit einander verbunden , doch ist diese verbindende Schicht so niedrig, dass eine ventral gelegene mediane Rinne zwischen beiden Platten eine deutliche Grenze bildet.^) Von den vier Rändern jeder Platte hängt der mediale mit dem entsprechenden der anderen Seite zusammen, der vordere und hintere Rand sind frei und verlaufen ziemlich parallel von vorn innen nach hinten aussen; der äussere, in den die vier Branchialia überi;ohen , besitzt eine von aussen vorn nach innen hinten gehende Richtung, so dass der Hinterrand der Platte kleiner ist als der Vorderrand. Letzterer verläuft ziemlich parallel dem Hinterrand des Proc. posterior des Hyale. Die vorderen Ecken beider Branchialplatten sind mit dem dorsalen Umfang der Copula eine kurze Strecke weit knorplig verbunden ; die Grenzen sind durch eine schmale Zone cekennzeichnet, in der die Knorpelzellen klein, die Kapseln dick und dunkel gefärbt sind, ents])rechend der Structur der Pars reuniens. (Fig. 5.) Die vier Branchialia (Figg. 1 u. 2 Brauch. I, II, III, IV) schliesslich gehen continuirlich in die Branchialplatte ihrer Seite über, der I. und II. Bogen jedoch nicht direct an den äusseren Rand der breiten Platte selbst sich ansetzend, sondern an je einen kurzen besonderen Fortsatz der Platte. Diese beiden Fortsätze, in die sich die Branchialplatte verlängert, liegen in gleicher Flucht wie die Platte selbst; der vordere, für das Branchiale I, ist etwas länger als der für das ßranch. II.'') An den Branchialia, besonders an den drei ersten, kann man ein mediales Anfangsstück unterscheiden, welches von unten nach oben aufsteigt, um sich der Branchialplatte, resp. den beiden erwähnten Fortsätzen, anzufügen, dem- nach gegen die horizontal liegende Platte ventralwärts abgeknickt ist. Auch die distalen Enden der Branchialia steigen wieder auf und gehen durch bogige Ver- bindungsbrücken in einander über, die ich als „Commissurae terminales" bezeichne (Fig. 1 u. 2 Comm. term. I, II, Ili.). Da der II, und III. Bogen die längsten sind, so ragt die Com. term. II am weitesten nach hinten und oben. Die Richtung eines jeden Branchiale geht im Uebrigen von vorn innen nach hinten aussen und so resultirt aus der Vereinigung aller vier ein Korb, der nach oben, vorn und innen ofien ist. Da wo sich die medialen aufsteigenden Stücke des I., II. u. III. Branchiale an die Branchialplatte, resp. deren zwei Fortsätze, anfügen, erhebt sich dorsal je ein kurzer Fortsatz „Spiculum" (Fig. 1 Spie. I, II, III.) Später findet sich ein solcher auf den Befestiguugsstellen aller vier Bögen. Die Spicula dienen der „vorderen Kieniendeckplatte" (SCHULZE) zur Stütze. Von Besonderheiten der einzelnen Branchialia ist wenig zu sagen. Erwähnenswerth wäre, dass das mediale Stück des Br. II dicht an den Hinterrand des Fortsatzes der Br.-Platte für das I. Branchiale anstösst, so eng, dass nur Horizontalschnitte über die thatsächlich be- stehende Trennung unterrichten. •'') Eine Verbindung des Br. II und III, wie sie später der „Proc. branchialis" darstellt, existirt noch nicht fertig, doch wachsen sich bereits kleine Fortsätze vom II. und III. Branchiale entgegen. Auch knorplige Fortsätze der Branchialia, wie sie später in ziemlich grosser Zahl vorhanden sind, *) An dem vorliegenden Object war die knorplige Vereinigung beider Platten ganz vorn eine kurze Strecke weit noch nicht eingetreten, so dass das Modell hier eine Lücke zeigt. (Fig. 1 und 2.) ^) Diese beiden Fortsätze werden oft noch zu den Branchialia selbst gezählt, als horizontal gelegener Anfangs-Abschnitt derselben. Ich ziehe die obige Auf- fassung vor, weil erst am äusseren Ende der Fortsätze sich die von unten auf- steigenden Abschnitte der Branchialia I und II anfügen, und erst hier sich die beiden Spicula (I und II) erheben. Man darf die so characterisirten Stellen wohl als für alle 4 Branchialia gleichwerthig ansehen. Auch DUGES theilt diese Auf- fassung für den Fortsatz pro Brauch. 1; den zweiten schildert er nicht besonders. ') Der Irrthum von 31aKTIN-SAINT-ANGE (9) ist demnach recht verzeihlich. 404 J>r. E. Gaupp. fehlen noch fast ganz; nur das Branchiale I beginnt etwas vor der Mitte seiner Länge sich zu verbreitern: hier setzt der M. levator arcus 1 an. Auch die Corara. tcrminali> III zeigt eine schwache Andeutung einer Fortsatzbildung. Im Uebriyen ist über die Form und Lage der einzelnen Hranchialia . ihre Beziehungen zu den Kieiueu und Filterleisten, so ausführlich von F. E. SCHULZE gehandelt, dass ich hier uur üekanntes wiederholen kf'innte. b) Larve v o u 29 mm Läng e. (Hintere Extr. klein.) (Figg. 6 u. 7.) Die Ge|ammtform des Hyo-l>ran(hiul-Ap])arates ist noch genau dieselbe wie auf dem vorliergeheuden Stadium, uur au den Branchialia haben sich einige Fort- bildungen vollzogen. Hyale. Abgesehen davon, dass der ganze Ivnorpel sehr viel massiger ge- worden ist, ist die Form unverändert geblieben, d. h. er ist noch wesentlich in der Transversalen entwickelt. Der Proc. lateralis springt — auch relativ — noch mehr nach aussen hin gesimsförmig vor. Eine vergleichend-anatomisch wichtige That- sache ist es, dass jetzt in dem Ligament, welches die Proc. anteriores beider Hyalia verbindet, echte Knorpelbildung aufgetreten ist; es besteht sonach jetzt zwischen beiden Proc. anteriores ein besonderes, allerdings sehr gering entwickeltes Knorpel- stück. (Figg. 6, 7.) Der Hinterrand des Proc. post. schiel)t sich etwas auf die Branchialplatte herauf und ist mit ihr .bindegewebig fest verbunden. Von der Copula und den beiden Branchialplatten ist kaum etwas Neues zu berichten; die ventrale mediane Rinne zwischen den letzteren ist noch sehr deutlich. Der Vorderrand der Branchialplatte wulstet sich ventralwärts erheblich vor, dieser Wulst geht in die Wurzel des Fortsatzes über, der das Branchiale I trägt. Branchialia. Der Gesammt-Habitus, Verlauf, Krümmung, Ansatz an der Branchialplatte, sind unverändert. Eine allen vier zukommende Eigenthümlichkeit ist das Vor- handensein eines „Spiculum", das sich auf der Befestigungsstelle eines jeden Branchiale erhebt und der „vorderen Kiemendeckplatte" zur Stütze dient. Als Besonderheiten wären zu erwähnen : Branchiale I. Die Stelle, wo dessen mediales, nach vorn aussen und abwärts gerichtetes Anfangsstück in den nach hinten aussen verlaufenden Haupt- theil umbiegt, springt als besonderer platter Fortsatz nach vorn vor. (Ansatz des M. hyo-branchiali-i brevis.) Der nach hinten gerichtete Haupttheil des Br. I, der zwischen der lateralen AVand der ersten Kiemenspalte und dem grossen subcutanen Lyniphraura au der Seite des Kopfes liegt, verbreitert sich bald sehr erheblich, so dass das Br. I die ganze Höhe der lateralen Kiemenspalteu-Wand, der die Filter- krausen ansitzen, einnimmt, und dorsalwärts bis zur Anhcftungslinie der „hinteren Kiemendeckplatte" (SCHULZE) emporreicht. Aussen läuft an diesem verbreiterten Abschnitt des Branchiale I der N. glossojjharyngeus herab. Die sagittale Aus- dehnung dieser verbreiterten Stelle ist nicht sehr bedeutend, hinter ihr ist das Br. I in zwei Spangen, eine dorsale und eine ventrale, gespalten, die in beträcht- lichem Abstände von einander nach hinten ziehen , um sich dann wieder zu ver- einigen. (Figg. 6, 7.) Mau könnte also das Verhältuiss auch so schildern, dass das Br. I eine hohe Platte Inlde, die nur in ihrem hinteren Abschnitt durch ein grosses Fenster durchbrochen sei.') Von den beiden Spangen entspricht die obere ') F. E. SCHULZE (20. ]. 11): „Das Branchiale I stellt in seinem (mittleren) Haupttheile eine dünue HhcIi gewölbte Platte mit äusscrer-vorderer Convexität dar." Beiträge zur Morphologie des Schädels. IL 405 in ihrer Lage zunächst noch der Anheftungslinie der „hinteren Kiemendeckplatte", ^) senkt sich dann etwas herab, und ist zugleich in toto einwärts gebogen; an ihr in- serirt der M. levator arcus I. Die untere dient mit ihrem ventralen Rande der „Randleiste" (F. E. SCHULZE) des I. Kiemenbogens zur Anheftung und ist hier mit einer Anzahl kurzer, stumpfer, etwas nach einwärts ragender , Höcker besetzt, die den unteren Filterleisten zur Stütze dienen. Auch an ihrem dorsalen Rande zeigt die ventrale Spauge einige unregelmässige Höcker, wie auch die obere Spange mit solchen besetzt ist. *) Branchiale IL Von dem Verhalten auf dem vorhergehenden Stadium weicht es nur dadurch ab, dass es, an der Umbiegungsstelle des medialen Anfangs- stückes in den Haupttheil, mit dem Branch. III durch einen ventral vorspringen- den „henkelförmigeu" (SCHULZE) „Proc. branchialis" (Schulze) verbunden ist, der einer grösseren Anzahl von Muskeln zur Befestigung dient. (Fig. 7 Pr. branch.) Im Uebrigen finden sich höckerige Vorsprünge an ihm nur sehr vereinzelt. Dem Branch. III kehrt es eine nach oben innen schauende Fläche entgegen. Branchiale III. Kehrt dem Branch. II seine Hauptfläche zu. Ventrale Höcker finden sich nur ganz vereinzelt. Mit dem ßr. II durch den Processus branchialis verbunden. Branchiale IV. Weniger stark gekrümmt als die übrigen, verbindet es sich mit der hinteren nur wenig ausgezogenen Ecke der Branchialplatte, stellt zuerst ein sehr schmales Band dar, das sich aber alsbald zu einer ziemlich hohen Platte verbreitert. Besitzt zahlreiche Fortsätze auf der Dorsalkante. — Genauere Angaben über die Form der einzelnen Branchialia finden sich liei SCHULZE. Es erübrigt nur noch, einige Angaben über die „terminalen Commissuren" der Branchialia zu machen. Wie vorher, so ragt auch jetzt wegen der Länge des Br. II und III die Commissura secunda am weitesten nach hinten und dorsalwärts. Es ist demnach noch gut möglich, die einzelnen Verbindungen zu unterscheiden; für die Sta- tuiruug eines zusammenhängenden ,.epibranchialen" Knorpelstreifens liegt kein Grund vor. Eine Veränderung gegen Stadium a zeigt sich darin, dass auf den einzelnen Bügeln sich zahlreiche unregelmässig gestaltete und verschieden lange Fortsätze ausgebildet haben, die, nach vorn und medialwärts leicht umgebogen, die Kiemenkorbhöhle dorso-lateral abschliessen, und theils den hintersten Filterleisten zur Stütze, theils Muskeln zum Ansatz dienen. (3 Mm. marginales; M. diaphragmato-branchialis late- ralis, 3 Mm. levatores arc. branch.) Aehnlich NAUE (12. p. 14.) Ich habe das Verhalten stets so gefunden, wie oben geschildert. ^) Die „hintere Kiemendeckplatte" geht nach SCHULZE (19. p, 13) „unter all- mäliger Verschmälerung in die Schleimhaut des Oesophagus-Einganges über." Ich finde sie stets mit ihrer Ansatzlinie vom seitlichen Umfang der Rachenhöhle aus zum Dach derselben aufsteigend und hier am Dache aufliörend. Hinter ihr liegt noch ein grosser Abschnitt der Kiemenhöhle. '^) F. E. SCHULZE sagt (20. p. 11): ,,Alle Branchialia stimmen darin überein, dass ihre distale Kante . welche die respiratorischen Fortsätze trägt , durch eine Reihe knotenförmiger Verdickungen oder kleiner Vorsprünge ausgezeichnet ist, welche den einzelnen Kiemenbäumchen entsprechen." Bei Rana ist das Verhältniss .ledenfalls so, dass nur das Br. I zahlreichere solche Vorsprünge der distalen Kante trägt, die wohl gleichmässig den Kiemenbäumchen wie den untersten Filterleisten, in deren Basen sie liegen, zur Stütze dienen. 406 Dr. E. Gaupp. B. Zusammenfassung. Im iS'aclifult^euderi solleü zunächst die Haiiplpuiiktu. die sich für den Bau des larvaleu Hyo-Brauchial-Skeletes der Anuren ergeben haben, kurz zusamnieugestollt werden ; ein sehr genaues Eingehen wird dabei unuötliig sein angesichts der bereits vorhandenen umfangreichen Lite- ratur, und zumal erst kürzHch noch durcli V. E. Schulze das Capitel mit besonderer Berücksichtigung aller für die functiouelle Bedeutung des Apparates wiciitigen Punkte bear])eitet worden ist. Ein besonderer x'^bschnitt soll alsdann der Nomenclatur gewidmet sein, die leider so oft mit souveräner Geringschätzung behandelt, um nicht zu sagen misshandelt ist, und von der man doch wenigstens fordern sollte, dass sie nicht durch willkürliche Verwendung scharf prägnanter Ausdrücke, die ursprünglich einen ganz bestimmten Begriff hatten, Homologieen ausdrücke, die nicht vorhanden sind. Wegen der innigen Beziehungen, die zwischen der Nomenclatur und der morphologischen Auf- fassung der Theile herrschen, sollen in diesem Abschnitte auch die wenigen Bemerkungen, die sich über letztere bereits machen lassen, mit Platz finden. In einem dritten, besonderen Abschnitte sollen dann einige der wichtigsten bisherigen Literatur -Angaben besprochen werden. a) Bau des larvalen Hyo-Branchial-Skeletes. Die wesentlichen Elemente, aus denen sich der Hyo-Branchial-Ap- parat der Froschlarve zusammensetzt, sind: 1) die beiden „Hyalia", unter einander durch eine „Pars reuniens" verbunden, und, wesent- lich in transversaler Richtung entwickelt, mit ihren lateralen Abschnitten an der Unterfläche des Quadratums articulirend; 2) unmittelbar an die Pars reuniens anstossend und mit ihr in knorpligem Zusammenhang die „Copula", welche die Verbindung der Hyalia und des Branchial- Apparates vermittelt; 3) zwei in der Mittellinie vereinigte und zudem mit der Copula zusammenhängende „Br an chial platten", die an ihrem äusseren B,ande 4) je vier Branchialia tragen. Diese gehen mit ihren lateralen Enden in einander über, drei „Commi s surue terminales" bildend. (Figg. 1, 2, 6, 7). Zu diesen wesentlichsten Componenten kommen schon auf meinem ersten Stadium noch drei accessorische Gebilde „Spicula", die den Wurzeln der drei ersten Brauchiaha an der Branchialplatte aufsitzen. (Fig. 1, Spie. I, II, III). Die Fortbildungen, die sich vom ersten Stadium bis zum zweiten vollziehen, sind ausserordenthch geringfügig ; auch vom Anfangs-Theil des IV. Branchiale aus entwickelt sich ein „Spiculum'^ (Fig. 6), das Beiträge zur Morphologie des Schädels. II. 407 Branchiale II und III weiden durch den ventralen henkelförraigen Processus branchialis (Fig. 7 Pr. branch.). der zu Muskelansätzen dient, mit einander verbunden, und schliesslich entstehen eine Anzahl knorpliger Auswüchse für die Filterleisten. Solche bilden sich besonders am i. und IV. Branchiale, sowie auf den Commissurae terminales, nur ganz vereinzelt auch am Branchiale II und III. Endlich aber verdient auch noch die Thatsache Erwähnung, dass auf meinem Stadium b auch in dem Ligamente, welches die vorderen Fortsätze beider Hyalia ver- bindet, Knorpel aufgetreten ist. Auf dissen Punkt, der wesentlich ein vergleichend-anatomisches Interesse besitzt, komme ich im zweiten Ab- schnitt noch zu sprechen. Hier sei nur bemerkt, dass jenes Ligament die Anlagen beider Mm. hyoglossi deckt, welch' letztere dicht vor ihm in die ZuDgeuanlage einstrahlen.'; Pars reunie^u Brrmxh m. Es sind nun einige Punkte, die eine besondere Beachtung verdienen. Zunächst ist die Thatsache zu betonen, dass der ganze Hyo-Branchial- Apparat auf der Höhe seiner Entwicklung ein knorpliges Continuum darstellt, in dem keinerlei Gelenk- oder fibröse Verbindung zwischen den einzelnen Componenten vorhanden ist. Dieser Zustand ist bei Larven von 14 mm bereits erreicht und bleibt bestehen bis zum Beginn der Schwanz-Reductiou (bei Larven von c. 42 mm Länge). Doch sind trotzdem die Hauptbewegungen der grösseren Abschnitte: der beiden Hyalia gegen die Copula, und der beiden Branchialplatten gegen ein- ander, sowie ebenfalls gegen die Copula, in bestimmten Linien vorge- schrieben, die durch den Zug der Muskeln bedingt und durch Structur- Unterschiede des Knorpels ermöglicht sind, an letzteren somit erkannt werden können. So besteht die ganze Pars reuniens aus kleinzelligem Knorpel mit dunkeler getärbter Grundsubstanz, dem Gefüge des jungen, ') Die functionelle Bedeutung jenes Ligamentes im Larvenleben liegt jedoch wohl hauptsächlich in dem elastischen Zuge, mit dem es sich der nach aussen ge- richteten Zug-Coraponente der Mm. quadrato-hyales widersetzt. Darin liegt auch die Erklärung für die Existenz des „Proc. anterior" des Hyale. Im Gegensatz dazu sind die Proc. posterior und lateralis Muskelfortsätze. 408 I>r- E. Gaupp. embryonalen Knorpels ähnlich, und eine gleiche Zone bezeichnet die Verbindung der Branchialplatten gegen die Copula ; auch die schmale Knorpelzelllage zwischen beiden Branchialplatten zeigt die gleiche Structur (Figg. 3 und 5). Wie man sich am frischen Präparat über- zeugen kann, besitzen die so cliarakteiisirten Parthieen eine grössere Weichheit und Nachgiebigkeit und da sie ausserdem am frischen und Spiritus-Präparat durch ihre milchweisse Färbung sich von den übrigen glasigen Theilen abheben, so konnte die Annahme entstehen, dass es sich hier um „fibröse Verbindungen" handle. In der Skizze auf der vorhergehenden Seite sind in die Modell-Umrisse die betreffenden Partieen eingetragen und ist daraus die Anordnung dieser „Synchon- drosen" zu ersehen. Für die Bewegungen der Branchialia gegen die Branchialplatte, die aus dem Vorhandensein eigens hierfür bestimmter Muskeln geschlossen werden müssen, kommt dagegen nur die dem Hyalinknorpel als solchem innewohnende Elasticität in Betracht. Und dasselbe gilt von den Be- wegungen der „Spicula", die zudem keine selbständige ist — es setzen keine Muskeln an ihnen an — , sondern bedingt durch die jeweilige Stellung der „vorderen Kiemendeckelplatte*'"', der sie zur Stütze dienen. Die klassischen Untersuchungen F. E. Schulze's über die Bewegungen des Hyo-Branchial-Apparates bleiben somit durchaus zu Recht bestehen, und ich brauche auf letztere nicht einzugehen. Die Fixation des ganzen Hyo-Branchial-Apparates am Schädel ist gegeben durch das Gelenk zwischen dem Hyale jederseits und der Unterfläche der beiden Quadrata. Diese Verbindungsstelle liegt sehr weit vorn (vor dem Auge) und daraus resultirt die sehr charakteristische Form des larvalen Hyale : es ist durchaus in der Transversalen entwickelt, die Quadrato-Hyal-Verbindung befindet sich in derselben Querebene wie die mediane Verbindung beider Hyalia. Schon früher habe ich (5 p. 453) darauf aufmerksam gemacht, dass während der Larvenzeit die Tuba Eustachii hinter dem Hyale verläuft, und erst nach der Metamorphose das Hyale hinter der Tuba auf- steigt. Was die Form der einzelnen Branchialia anlangt, so hat ofienbar die Verbreiterung des ersten und vierten den Zweck, eine festere Scheidung der Kiemenhöhle einmal nach aussen, von dem lateralen unter der Haut gelegenen Lymphraum, zweitens nach innen, gegen den Peri- cardialraum zu schafteu. Die verschiedenen Fortsätze des ganzen Hyo-Branchial-Skeletes sind theils als „Stütz-"' theils als ,,Muskel"-Fortsätze zu bezeichnen. Als blosse Stütz-Fortsätze dienen: 1. Die vier Spicula auf den medialen Enden der vier Branchialia. Wie F. E. Schulze zutreffend augiebt, dienen sie „zur Stütze und Festigung der vorderen Kiemendeckplatte'' (20. p. 12). Am frisch Beiträge zur Morphologie d«8 Schädels. II. 409 präparirten Kiemenskelet sind sie ganz feiue dünne Kuorpelfort- sätze, die sich sehr leicht gegen die Branchialia, denen sie auf- sitzen, bewegen (heben und senken) lassen. Thatsächlich trifft mau sie auch an verschiedenen Serien bald fast vertical abstehend (so auch au dem Modell Fig. 6), bald horizontal, in einer Flucht mit der Branchialplatte, nach hinten gerichtet. Ihre Richtung hängt ab von der augenblicklichen Stellung der vorderen Kiemen- deckplatte. 2. Weitere kleine knorplige Auswüchse sitzen (Figg. 6 u. 7) mit einer gewissen regelmässigen Anordnung am ventralen Rande des I. Branchiale, spärlicher am dorsalen Rande und der „oberen Spange" dieses Bogens, ganz vereinzelt am ventralen Rande des II. und III. Branchiale, zahlreicher wieder am dorsalen Rande des Branchiale IV und auf den einzelnen terminalen Commissuren. Sie dienen den Filterleisten zur Stütze. Muskelfortsätze ^) sind: 1. am Hyale : a) der Proc. lateralis für: M. hyo-angularis, M. quadrato-hyalis, Portio superfic. et profunda. Der M. subhyalis entspringt etwas weiter einwärts von der IJnterfläche des Hyale. *) Die Muskeln des Hyo-Branchial-Skeletes der Anurenlarven haben erst kürz- lich durch F. E. SCHULZE eine so vorzügliche Bearbeitung gefunden, dass ein genaueres Eingehen nur meistens Bekanntes hätte wiederholen können. So sei hier nur die Nomenclatur so angegeben, wie sie sich aus den für das Xnorpelskelet von mir gebrauchten Bezeichnungen ergiebt, und wenige Zusätze gemacht. Eine er- neute Bearbeitung der Umwandlungen der Muskeln hoffe ich später einmal geben zu können. I. Muskeln, die am Hyale ansetzen: a) Für die Bewegung des MECKEL'schen Knorpels: M. hyo-angularis = Cerato-hy o-angularis SCHULZE. b) Für die Bewegung des Hyale: M. quadrato-hyalis, Portio superfic. u. profunda = M. orbito- hyoideus und suspenso rio-hyoideus. SCH. Beide Bezeichnungen vermeide ich, da ich den „Proc. orbitalis" des Quadratums als „Proc. muscularis" bezeichne, und die Gegenüberstellung von Quadrato-hyalis und Suspensorio-hyalis nicht wohl angeht. — M. subhyalis r= M. subhyoideus. SCH. II. Muskeln des Branchial-Skeletes: M. genio-branchialis = M. genio-hypobranohialis SCH. ; M. hyo-bran- chialis = M. kerato-hyo-branchialis SCH. Anzumerken ist, dass dieser M. sich in zwei Bäuche theilt. die gemeinsam vom Hyale kommen , von denen aber der laterale kürzere (M. h.-br. brevis) am I. Branchiale, der mediale längere (M. h.-br. longus) am Proc. branchialis ansetzt. — M. eopulo-branchialis = M. basi- hyo-branchialis SCH. — Die übrigen: Mm. levatores arcuum br., dia- phragmato — branchialis med. und lat., interbranchialis, marginales, subbranchialis, diaphragmato-praecor dialis können diese Namen be- halten. — Der M. genio-branchialis ist die spätere laterale Portion des M. genio- hyoideus, die mediale bildet sich, ebenso wie der M. hyo-glossus, erst während des Larvenlebens aus. 410 Dr. E. Gaupp. b) Processus posterior für: M. hyo-branchialis. 2. An der Copula: die hintere ventral vorspringende Spitze. Hier entspringen die beiden Mm. copulo-brancliiales. 3. Am Branchial-Skelet: a) der stumpfe platte, nach vorn gerichtete Fortsatz des I. Branchiale (M. hyo-branchialis brevis). b) der Proc. bra n cliia 1 is. Dieser ist ein Knotenpunkt für eine grosse Anzahl von Muskeln, die von hier aus in den verschiedensten Richtungen ziehen. Es inseriren hier : M. hyo-branchialis longus, von vorn her ; M. copulo-branchialis, von vorn innen ; M. dia- phragmato-branchialis med., ziemlich genau von hinten her; M. interbi-anchialis, von hinten innen; 3 Mm. marginales, in der Richtung der 3 ersten Branchialia ausstrahlend. Für die übrigen Muskeln des Kiemenskeletes sind besondere Fort- sätze nicht entwickelt, sie inseriren am I. und IV. Branchiale, sowie den terminalen Commissuren, hier allerdings auch an den zahlreichen Höckern derselben. b) Nonienclatur und vergleichende Bemerkungen. Es dürfte wenige Gebiete der Wirbelthier - Anatomie geben, auf denen die Verwirrung in der Nomenclatur so gross ist, -wie auf dem des Visceralskeletes , wo die zahlreichen, durch Zusammensetzung mit Basi-, Hypo-, Kerato-, Epi-, Pharyngo- gebildeten Bezeichnungen mit einer Scrupellosigkeit gebraucht werden, durch die sie hinsichtlich ihrer vergleichend-anatomischen Bedeutung fast völlig eutwerthet sind. Ich habe daher von dem Gebrauche derselben ganz abgesehen und mög- lichst Ausdrücke gew^ählt, die hinsichtlich der Homologie nichts präju- diciren, was nicht bewiesen ist. Schliesslich ist doch das Eingeständniss, dass das Visceralskelet der Amphibien , auch der Larven , bisher nicht exact auf das der Fische zurückgeführt werden kann, die erste Vorbedingung, um die ganze Frage aufs Neue in Fluss zu bringen. Hyalia. Die Bezeichnung: Arcus hyalis oder „Hyale" schlecht- weg für den Zuugenbeinbogen zu gebrauchen, empfiehlt sich nicht allein wegen der analog gebildeten „Branchialia", sondern auch, um wenigstens durch die Endung eine kleine Unterscheidung von „Hyoid" zu erreichen, welch' letztere Bezeichnung für das ausgebildete „Zungen- bein", in das doch auch genug branchiale Theile eingehen, reservirt bleiben mag. Pars reuniens. So bezeichne ich das schmale Verbindungsstück zwischen beiden Hyalia, das sich caudalwärts in die Copula fortsetzt. Dem ersten Eindrucke nach ist man versucht, es einfach als vordersten, zwischen die Hyalia eingekeilten Theil der Copula zu betrachten. Und in dieser Weise haben die meisten Autoren das Verhältniss bisher ge- Beiträge zur Morphologie des Schädels. II. 411 schildert. Aber auch wenn diese Anschauung richtig wäre, würde die besondere Bezeichnung jenes vorderen Abschnittes wegen seiner Lage, functionellen Bedeutung und Structur gerechtfertigt sein. Es ist aber, wie es scheint, auch genetisch von dem dahinter anschhessenden freien Theil verschieden. Wenigstens erwähnt die Stöhr'sche Schilderung der ersten Anlagen des Hyo-Branchial-Skeietes nur die paarigen An- lagen des Zungenbeinknorpels, dessen beide Hälften alsdann in der ventralen Mittellinie verschmelzen (22. p. 73, 74); von einem besonderen medianen Schlussstück ist dabei nicht die Rede. Auch meine eigenen Präparate reden dieser Auffassung das Wort, — dass also die Pars reuniens entstanden ist durch Verschmelzung der medialen Enden beider Hyal-Anlagen , und somit als zum Zungenbein- bogen selbst gehörig von der mit ihr verbundenen Copula zu trennen ist. Eine andere Auffassung wäre dann die, dass die Pars reuniens, die l'a durch ihre Structur von dem dahinter anschliessenden unpaaren Knorpel („Copula") unterschieden ist und auch makroskopisch schon sich durch ihre Färbung etwas unterscheidet, auch ein besonderes Element, die Copula des Hyalbogens (Basi-hyale) darstelle, die nur mit dem dahinter- gelegenen Abschnitte, der dann ein Basibranchiale I, oder eine „zweite Copula" bedeutete, verschmolzen sei. Diese Auffassung vertritt Parker, der dementsprechend auch die Bezeichnungen gewählt hat. Ich lasse es dahingestellt, ob wirklich bei den Larven von Pseudis paradoxa, Kana clamata, Cystiguathus ocellatus und anderen die Pars reuniens von der „Copula" so scharf abgesetzt und getrennt ist, wie Parker es zeichnet; ') für eine besondere, erste „Copula" könnte ich die Pars reuniens trotzdem nicht halten, einmal wegen der vorhin erwähnten Angaben von Stöhr, dann aber wegen eines Befundes, der oben schon kurz gestreift wurde. Ich finde nämlich bei einer 6,5 cm langen Larve von Alytes obstet ricans. noch vor der Pars reuniens und von dieser getrennt, ein unpaares kräftiges Kuorpelstück zwischen den Proc. anteriores beider Hyalia, Bei Rana und so auch bei den bisher untersuchten Stadien von Pelobates und Bufo ist an derselben Stelle ein sehr fester Gewebszug, der auch von den meisten Autoren richtig (als Ligament) beschrieben wird, zwischen beiden Proc. anteriores ausgespannt, und in ihm sehe ich auf meinem zweiten Stadium zweifellose Knorpelzellen eingestreut, resp. seine mittleren Partieen deutlich von liyalinknorpligem Charakter und so bei allen untersuchten Serien. (Figg. 6 , 7.) Da Alytes eine sehr primäre Form der Anuren repräsentirt , so ist das Vorhandensein eines kräftigen unpaaren Knorpelstückes an der genannten Stelle für ein ur- sprüngliches Verhalten anzusehen. Dafs dieses Knorpelstück aber *) Sehr interessant ist nach der PARKER'schen Abbildung (14. PI. 60 Fig. 4) das Branchial-Skelet der Larve von Pipa monstrosa, dem die „Copula" ganz fehlt. 412 ür. E. (Janpp. der „ersten Coi)u1!l" (..Basihyale'') ') der Fische entspricht, kann auch nicht wohl zweifelhaft sein. Leider fehlte es mir bisher an Material, ura diesen Punkt j^enauer /u pi-üfcn . indessen ist bei der einen unter- suchten Alytes-Serie das Knoipelstück so deutlich, dass ein Zweifel hier nicht obwalten kann. Copula. (j.Basibranchial T,*' Parker. Copula -|- Pars reuniens ^ „Basi-hyal'" DUGES, = Basihyoid Schulze.) Meines Erachtens liegt durch- aus kein Grund vor, die alte Bezeichnung: „Copula" durch irgend einen anderen Ausdruck zu ersetzen. In der Auffassung der Copula sind wohl alle Autoren einig. Nach dem soeben Mitgetheilteu würden wir in ihr eine ..zweite Copula'" zu sehen haben (also würde auch höchstens die Bezeichnung: ,,Basibranchiale I'^ richtig sein). Nicht sehr glücklich ist es meiner Ansicht nach, wenn Stöhe von dem hintersten Ende der Copula als von einem ,,üro braue hiale" spricht. Man vergleiche hier die Bemerkungen von Bruch (1. p. 11) in seiner trefflichen .jOsteologie des Rheinlachses". Hiernach bezeichnet ,,lTrohyale'- bei den Fischen jene besondere hintere Copula, die die Rudimente der fünften Bögen (Ossa pharyngea iuferiora) trägt. Von einer solciien selbst- ständigiMi Bedeutung kann aber bei jenem Vorsprung der Fi'osch-Copula nicht die Rede sein ; er ist mir ein Muskelvorsj)rung für die Bel'estigung der Mm. copulo-branchiales. Die Atiscliaiiuiii; Paukkr's, dass jener Vorsprung ein ,, zweites Basil)iai)clüale"' sei, ist ebensowenig aufrecht zu halten.-) Die Copula feiilt nach Parkki; (14. PI. HO Fig. 4) bei Pipa monstrosa. Planum branchial(\ (Piece thyroidienne Duges. Hypobranchial plate Parker, Hypobrauchiale F. E. Schulze.) Die Bedeutung des ..Planum branchiale", der breiten Platte, an der die vier freien Bran- chiaHa sich ansetzen, ist der heikelste Punkt in der Beurtheilung des Branchialskeletes der Anuren. Nur die STimii'sche Angabe (22. p. 78, 79). dass die Platte fast ganz als ventraler Absclmitt zum ersten Kiemen- bogenknorpel gehört, ist geeignet, einiges liicht in die Frage zu bringei\ und das Visceralskelet der Anuren etw^as weniger fremdartig erscheinen zu lassen, als es beim ersten Anblick ist. Namentlich mit dem ent- sprechenden Apparat bei den Urodelen ist durch jene Deutung der *) Worauf sich die Angabe F. E. SCHULZE'S (20. p. 9) gründet. das3 schon Parker das Ligament zwisclien beiden Proc. anteriores als Basihyale bezeichne, vermag ich nicht zu erkennen. In den PARKER'schen Abbildungen ist als „Basi- hyale" stets die Pars reuniens bezeichnet. ') Es sei hier noch eine specielle Bemerkung inbetrefi' des Ausdrucks „Copula" gestattet. GEGENBAUR maclit in seinem Selachier-Werk einen scharfen Unterschied zwischen „Copula" und „Copulare"; erstere ist das ventro-mediane unpaare Schluss- stück, die Coi)ularia aber sind paarig und nur abgegliederte Theile des Bogens. Es findet sich oft die Form „Copulare" statt „Copula" (ich selbst habe mich dieses Ver- sehens in einer früheren Arbeit schuldig gemacht), was im Interesse einer unzwei- deutigen einheitlichen Nomenclatur zu vermeiden wäre. Beiträge zur Morphologie des Schädels. II. 413 Branchialplatte der Vergleich erheblich erleichtert. Denn hier treffen wir sehr verbreitet die Anordnung, dass die 4 Branchialia nach Art der falschen Rippen sich mit ihren medialen Enden aneinander fügen, und dieser ganze Korl) durch zwei besondere Stücke mit der Copula verbunden wird. Statt der zwei ventralen Stücke kommt aber ge- legentlich nur eins zur Entwicklung (so l)ei Amphiuma nach Wieders- HEiM [24]) — und hierin würden wir dann einen Zustand haben, jenem homolog, der bei den Anuren vorwaltet. Eine Bemerkung, die Stöhr (22 p. 84) über die „Cornua thyreoidea" macht, und auf die ich später noch zurückkomme, fordert allerdings sehr dazu auf, den eventuellen Antheil der drei hinteren Kiemenbögen an der Bildung der Branchialplatte genauer zn bestimmen. Branchialia. Wie eben erwähnt, würde nach der STÖHR'schen Darstellung (22. p. 79) nur dem ersten Kiemenbogenknorpel ein besonderer ventraler Abschnitt — die Branchialplatte — zukommen, die anderen je- doch sich mit ihren ventralen Enden nur diesem anschliessen, und hierin ein Verhalten zu sehen sein, dass dem bei den Urodeleu nahekommt. Trotzdem halte ich die einfache Bezeichnung : ..Branchialia*' ohne einen Zusatz zunächst noch für die zweckmässigste , einfach darum , weil man über die "Wahl dieses Zusatzes recht wohl in Zweifel sein kann. So wird sich erst durch ausgedehnte IJnterpuchungsreihen zeigen müssen, wie der ungetheilte Kiemenbögen der Anuren sich zu dem mehrfach ge- gliederten der Fische verhält (Wegfall der Gliederung oder ganzer Stücke?), ob es mithin berechtigt ist, die zwischen den Kiemenspalten gelegenen freien Theile der Bögen als „Epibranchialia" zu bezeichnen, wie es Wiedersheim (24) für die Urodelen thut. oder ob Parker Recht hat, der die Branchialplatte der Anuren als ,.Hypobranchiale" auffasst (wobei denn die ..Branchialia" als „Keratobranchialia" zu bezeichnen wären, wie es Stöhr auch thut). Denn dafs die freien, die Spalten begrenzenden Bögen bei beiden Amphibien-Ordnungen homolog seien, ist doch zweifellos. — Dem Dilemma, das sich hiernach ergiebt, geht man wohl am besten durch die von mir gewählten Bezeichnungen: Branchialplatte — Branchialia — aus dem Wege; damit ist die genauere Entscheidung und Bezeichnung der Zukunft überlassen. Wie Stöhr die selbstständige Anlage der 4 Branchialia nachwies, so zeigte er auch, dafs dieselben erst secundär mit ihren dorsalen Enden bogig in einander übergehen. Dabei findet nun in der That zwischen je zwei Bogen eine feste continuirliche Verbindung statt, die eine Ab- grenzung der beiderseitigen Antheile sehr bald nicht mehr gestattet, wohingegen bei Siredon, Triton, Salamandra es sich nur um eine sehr nahe Berührung der dorsalen Kiemeubogen-Enden mit Deutlichbleiben der Grenzen, handelt. Aber auch bei der Froschlarve sind die drei einzelnen Querbügel deutlich von einander abgesetzt, so dass es nicht nöthig ist, von einem „Epibranchiale" zu reden, (Parker, Schulze), 414 '^1'- ^- . 338) beobachtet sind; — doch habe ich diesen Punkt nicht weiter verfolgt. 424 Dr. E. (iaupp. merkwürdige rmiinderuug der Lage-Beziehuug zur Tuba Eustachii er- wähnenswertli, dass, während früher die Tube hinter der Quadrato- Hyal- Verbindung verlief, jetzt das Hyale sich hinter der Tuba in die Höhe schiebt. Diesen Zerstörungs- und Umbildungs- Vorgängen am hinteren Ab- schnitte des Hyale steht gegenüber eine Neubildung am Proc. ante- rior. Das Ligament, welches die beiden Proc. anteriores verbindet, und in dem während der Larvenzeit Knorpelzellen aufgetreten waren, erscheint sehr bald wieder fibrös, in dem Winkel aber, den es jederseits mit je einem Proc. anterior bildet, macht sich — dorsal von dem Liga- ment — eine Wucherung von Kernen bemerkbar, die offenbar in ihrer Herkunft zum Proc. anterior gehören. Sie schliessen unmittelbar au das Knorpelgewebe dieses Fortsatzes an. Von dem genannten Winkel, ihrer Entstehungsstätte, aus schiebt sich die Anlage weiter nach vorn vor. immer medial von dem alten Proc. anterior, und verknorpelt bei jungen Fröschen mit 4 Extremitäten und einem Schwanz von c. 16 mm Länge. Auch nach der Verknorplung des neuen „Proc. anterior" bleibt der frühere noch eine Zeit lang bestehen; beide setzen sich aber scharf und deutlich von einander ab (Fig. 11, Pr. ant. hy. antiqu. und recens). Im weitereu Verlaufe geht dann der ursprüngliche Proc. anterior ganz zu Grunde, der mediale neugebildete aber l)leibt bestehen und wächst selbstständig weiter nach vorn (Fig. 8—10). Zwischen den hinteren Theilen der neugebildeten Processus antej-iures spannt sich dann das mehrfach erwähnte Ligament aus, das mit einer bindegewebigen Platte zusammenfliesst, die sich zwischen den beiden „Manubria" aus- bildet (s. unten) und den M. hyoglossus dorsal bedeckt. Zwischen den vorderen Theileu der Fortsätze dagegen spannt sich eine ventrale Fascie jenes Muskels aus, diesen nach der äusseren Haut hin bedeckend. In der Ausbildung dieser erscheint ein Hauptgrund für die Entstehung des neuen Processus anterior zu liegen. An der Copula wird zuerst das hinterste frei ventralwärts vor- ragende Entstück, an dem der M. copulo-branchialis ansetzte, zerstört — der Muskel geht völlig zu Grunde — und auch weiter nach vorn zu setzt sich die Zerstörung am untern Umfange des Knorpels fort. Wichtiger ist aber eine Erscheinung, die erst etwas später bemerkbar wird : jederseits neben der Copula tritt eine schmale Leiste jungen Knorpels auf, die nach hinten zu an den Vorderrand der ßranchialplatte stösst, nach vorn an das Hyale (Fig. 8 — 10, 13). Ich habe keinen An- halt dafür tinden können, dass es sich hier etwa um eine weitere Aus- dehnung der Brauchialplatten nach vorn oder aber um ein Kückwärts- wachsen des Hyale (von der Ecke zwischen Proc. post. und Copula) handeln könnte; die Anlage der genannten Knorpelleiste jederseits neben der Copula ist zu gleicher Zeit in ganzer Länge deutlich und verdichtet sich, wie ich mit Sicherheit annehmen zu können glaube, aus den spar- Beiträge zur Morphologie des Schädels. 11. 425 liehen indifferenten Zellen, die man besonders am oberen äusseren Um- fang der Copula schon während der Larvenzeit liegen findet und die wohl zur Anlage der Copula gehörten, aber zunächst bis auf Weiteres aufgespart wurden. Demnach ist die Ausdrucksweise, dass die Copula „sich verbreitere" ganz zutretiend. Anfangs ist die neugebildete Leiste sehr viel weniger hoch als die Copula in ihrer ursprünglichen Aus- dehnung und sitzt letzterer oben und seitlich an (Fig. 13). Allmählich aber verdickt sie sich, während gleichzeitig die ursprüngliche Copula an ihrem unteren Umfang zerstört wird, und diese Processe führen zu einem Höhen-Ausgleich beider Autheile, wenn auch die Structur-Unter- schiede des alten und neugebildeten Knorpels noch bis nach der Meta- morphose deutlich bleiben (Fig. 14). Verhältnissmässig lauge bleiben aber beide Hyalia dui'ch die Pars reuniens mit einander verbunden und in dieser vordei'en Gegend des Hyo-Brancliial-Skeletes Alles beim Alten (Stad. b, Fig. 9, wo schon die ganzen Branchialien zu Grunde gegangen sind). Erst während des Schwindens des letzten Schwanzrestes bildet sich dann das ,,Manubrium'' aus, welches beim umgebildeten Zungenbein das frühere Hyale mit dem „Corpus^' verbindet (cf. Fig. 10). Der ganze vordere Abschnitt des Hyo-Branchial-Skeletes wächst beträchtlich in die Länge, zugleich aber beginnen die mittleren Partieen der Pars reuniens und weiterhin der Copula der Zerstörung zu erliegen. In demselben Maasse aber, wie hier die Zerstörung fortschreitet, ge- winnt der junge Paracopular-Knorpel an Festigkeit und Bedeutung; er bildet mit den zunächst stehen gebliebenen Resten der Pars reuniens einen Stiel, der das Hyale mit den übrigen Theilen des Hyo-Branchial- Skeletes in Verbindung setzt (Stad. c, Fig. 10 Man.). Je mehr nun die Zerstörung der Copula nach hinten vorschreitet, um so länger wird dieser Stiel, und je mehr jener Process auch die seitlichen Reste der früheren Pars reuniens und Copula ergreift, um so ausschliesslicher wird der neugebildete Knorpel zu diesem Stiel allein verwendet. Diese Aussparung des Manubrium ist ein Vorgang, der erst nach der Meta- morphose ganz zu Ende gefühlt wird ; er ist auf meinem Stadium c noch lange nicht beendet, wie ein Vergleich mit dem nächsten lehrt (Fig. 15). Erführt zirr Zerstörung des grösseren vorderen Abschnittes der larvalen Copula, deren Grenze gegen die Branchialplatten sehr lange deutlich erkennbar und bestimmbar bleibt. Auch die Grenze der ehe- maligen Branchialplatte gegen die davor gelegene Partie neugebildeten Knorpels ist sehr lange erkennbar (cf. Fig. 14), und so ist auch zu konstatiren, dass es die hinteren Theile dieses neugebildeten Knorpels sind, die recht erheblich in die Breite wachsen und einen seitlich-vor- wärts gerichteten Portsatz, den ,,Proc. alaris'- des umgewandelten Zungenbeines, entwickeln. Ein Vergleich verscliiedeuer Stadien (a, b, c) lehrt ganz deutlich, dass der Proc. alaris absolut Nichts mit Kiemen- 426 Dr. E. üaupp. bogen zu thuii hat, sondern eine secundär, und zwar ziemlich spät, ent- stehende Bildung ist, die zum Theil wenigstens für den Ansatz des M. petrohyoideus anterior bestimmt erscheint. An die Stelle des zu Grunde gehenden Knorpels zwischen beiden Manubria tritt dichtes straffes Bindegewebe in Form einer Membran oder Fascie, die den M. hyoglossus bedeckt und vorn mit dem zwischen den Proc. anteriores ausgespanntem Ligament sich vereinigt. Diese Fascie hat wohl zunächst die Aufgabe, den M. hyoglossus, den sie be- deckt, in seiner Lage festzuhalten und die Mundschleimhaut vor seinem Drucke zu schützen, ausserdem aber besteht noch eine Art von Band- rollen-Einrichtung darin, dass der Muskel vor ihrem freien Rande fächer- förmig nach aufwärts in die Zunge ausstrahlt. Die ganze merkwürdige Umwandlung des vorderen Theiles des Hyo-BranchialSkeletes wird etwas verstäLdlicher, wenn man bedenkt, dass die Copula, die im Larveuleben den Mittelpunkt des ganzen Ap- parates — den ,. Körper" im physiologischen Sinne — bildete, dieser Be- deutung durch die Ausbildung der breiten continuirlichen Platte beraubt wird. So blieb blos die Forderung, das Hyale, das wie bei der Larve so auch beim umgewandelten Thiere die Verbindung des ganzen Appa- rates mit dem Schädel übernimmt, mit den übrigen Theilen jenes Ap- parates in Verbindung zu setzen. Und dieser Forderung ist durch die Manubria durchaus genügt. Zusammenfassung. Während der Metamorphose verlieren einzelne Theile des Hyo- Branchial-Skeletes ihre functionelle Bedeutung gänzlich und gehen da- her zu Grunde, andere wechseln mit der Function auch die Form, und hierzu treten schliesslich noch Neubildungen, die durch die veränderten Functions-Bedingungen gefordei't sind. So gehen mit dem Kiemen- apparat die vier Branchialia gänzlich zu Grunde, wie auch der Pro- cessus posterior des Hyale und der hintere Copula- Vorsprung zerstört werden, in dem Maasse wie die Muskeln schwinden, die an ihnen iu- serirten. Das Hyale bleibt seiner Bestimmung, den ganzen Apparat mit dem Schädel zu verbinden, getreu, verändert aber seine Form sehr erheblich in dem Maasse, als das Quadratum nach hinten rückt, und es selbst genöthigt ist, schliesslich die Verbindung mit dem Quadratum aufzugeben und an der Uuterfläche der Ohrkapsel eine Befestiguugsstelle zu suchen. Zugleich ändert sich die Art seiner Verbindung mit den übrigen Theilen des Hyo-Branchial-Apparates in dem Maasse, als die Copula ihre functionelle Bedeutung als Kern des ganzen Systemes, die sie im Larvenleben besitzt, aufgiebt und der Zerstörung erliegt. Neu- Beiträge ssur JVtorpholog'ie des Sohädels. II. 427 gebildeter Knorpel, der neben der Copula auftritt und genetisch wohl zu ihr gehört, vermittelt jene Verbindung des Hyale in Form eines „Mauubriunis". Als Neubildung tritt am Hyale auch noch auf ein Processus anterior, dessen Bedeutung nicht ganz klar ist und vielleicht nur darin beruht, einer Fascie zum Ansatz zu dienen, die den M. hyo- glossus ventral bedeckt und gegen die Haut hin schützt. Aus den beiden Branchialplatten, dem hintersten Abschnitt der Copula und des neben dieser neu entstandenen Knorpels formirt sich schliesslich eine continuirliche Platte, an der als durchaus secundäre Bildungen (Muskei- fortsätze) die Processus postero-laterales und alares sich bilden, während die Processus thyreoidei Reste der ursprünglich hintersten Abschnitte der Platten selbst sind. Aus dem durch reichliche Muskelkräfte in sich vielfältig beweglichen Hyo-Branchial-Skelet der Froschlarve bildet sich so das in sich unveränderliche oder doch nur sehr wenig veränderliche „Zungenbein" des umgewandelten Frosches. b) Literatur. Von den Darstellungen der französischen Forscher, CuviER, DuGES, Martin-Saint-Ange, ist die von CuviER bei aller Kürze die zutreffendste. Die Fig. 14—21 auf PI. XXIV bei CuviER (2) zeigen richtig die Bil- dung des „Corpus cartilaginis hyoid." aus der Verschmelzung der beiden Branchialplatten mit der stark verbreiterten Copula ; ganz zutreffend ist auch, dass CuviicR die Branchialia durchaus zu Grunde gehen lässt, die Proc. thyreoidei als zur Branchialplatte gehörig auffasst, die Proc. postero-lat. als secundäre Fortsatzbildungen der Branchialplatten ent- stehen, die Proc. alares aber an den Seitentheilen der verbreiterten Copula neu auftreten lässt. Es fehlt somit nur die genaue Darstellung der Entstehung der Proc. thyreoidei und der „Manubria". In einigen wesentlichen Punkten ist CuviER sogar glücklicher gewesen als DuGES und Martix-Saint-Ange. Beide lassen vom I. Branchiale — das Zu- grundegehen der andern Branchialia ist namentlich von DuGES vorzüg- lich beschrieben — einen Rest bestehen und diesen zum Proc. postero- lat. werden. Dass sich an der Bildung des ,.Corpus" die Copula und beide Branchialplatten betheiligen, war beiden bekannt; über die Aus- bildung der „Manubria" sind auch sie nicht zur Klarheit gekommen. Den Proc. thyreoideus lässt DuGES schon in der Larvenzeit an der hinteren Ecke der Branchialplatte, medial vom IV. Branchiale, auf- treten, eine nicht ganz zutreffende Angabe, die aber doch dem priucipiell wichtigen Punkte, der Zugehörigkeit des Fortsatzes zur Branchialplatte, Rechnung trägt. Martin-Saixt-Axge verfällt hier in den Irrthum. das IV. Spiculum als den späteren Fortsatz anzusehen. — In der kurzen, aber sehr guten Darstellung von Rathke (17. p. 39 und Taf. IV, Fig. 4—8) ist bemerkenswerth der Passus: „Die beiden hinteren und ursprünglich zu den Kiemen gehörigen Platten schnüren sich, wo ungefähr die Mitte 428 Dr. E. Gaupp. ilircr Länge ist, ziemlicli tief ein und wachsen nach hinten in 2 massig lange Hörner aus." Ebenso richtig ist das secundäre Auswachsen der Proc. alares und postero-laterales angegeben. Im wesentlichen zutreffend ist auch, die Scliiklerung von Stawics (21. p. 65). Erst die ,.Morplio- logy of the Skull" scbatl't griindlifhe Verwirrung. Mit der Schilderung in P.vukkk's S])('('ialarbeit iibci' (Icii Froschsrhädcl kann man sich im Allgemeinen noch für einverstanden erklären bis auf wenige Punkte, so besonders den. dass der ,.Proc. postero-lat." als aus dem verschmolzenen Branchi:de I und II hervorgegangen geschildert wird (dagegen giebt Fig. TM auf PI. \'ll ein gutes Bild von dei- Entstehung der Proc. thy- reoidei. und in (Uu- «bitten Batrachier- Arbeit (15) Fig. TX auf PI. 5 eine sehr gute Auskunft iibei- die Zusammensetzung des Corpus cart. hyoid.) — leider ist aber dann in die ,.Morphology of the SkulP- eine Schilderung hineingerathen, die ganz })liautastisch den Proc. alaris als Teberbleibsel der zwei ersten Branchialia, den Proc, i)ostero-lat. als Rest des dritten und den Proc. thyreoideus als viertes Branchiale bezeichnet (16 p. 173; dtsche. Uebers. p. 170). — Abgesehen von der kurzen und nicht sehr genauen Schilderung von Goettk ist nun diese PAiv'KKK''sche Darstellung die letzte, und bei der autoritativen Bedeutung der „Morpho- logy of the SkulP' sind jene Bezeichnungen auch anderweitig ange- nommen, so auch in der vergleichenden Arbeit von WAl/rHEK (23).') Es zeigt sich auch hier, wie vorsichtig die P.'scheu Angaben aufzu- nehmen sind. Slüilli hat zwar die Metamorphose des Hyo-Brauchial-Apparates im Ganzen nicht verfolgt, macht aber eine hierher gehruige Bemerkung (22 p. 84) : „Gegen diese übereinstimmenden Darstellungen muss ich die Existenz der Cornua thyreoidea als besondere Skeletabschnitte in Ab- rede stellen. Sie sind nichts Anderes als die ventralen Enden der vierten Kiemenbogenknorpel, die zu starker Entwicklung gelangen, während die betreftenden Kiemenbogenknorpel selbst atrophiren." Da Stöhr eine Detail-Beschreibung nicht giebt, so ist nicht ersichtlich, ob wir zunächst in dem blossen Modus der Entstehung jenes Fortsatzes übereinstimmen (also in der Thatsache, dass er ein Rest der Branchialplatte ist). Diese Ucbereinstimmung vorausgesetzt, würde der citirte Passus be- deuten, dass das „ventrale Ende des IV. Kiemenbogenknorpels" vorher in der Branchialplatte aufgegangen war, diese mit bilden half. Dann würde allerdings die Angabe Stöhk's, dass die Branchialplatte zum grössten Theile von dem ventralen Abschnitte des ersten Kiemenbogen- knorpels gebildet sei und die übrigen Kiemenbogen gar nicht die Mittel- linie erreichen, sondern sich etwas lateral von ihr an die Vorgänger an- legen, etwas zu modihciren sein. Leider war es mir nicht möglich, bei *) W. vermehrt übrijrens die (Joufusioii noch dadui-ch etwas, dass er in un- ri(liti),. während der andere Theil (^2) ^^^^^ pinselförmig unter dem Fundus der oberen Alveole (yij) zerfasert und dann diese umfängt; dazwischen sieht nnin Pünktchen quergetroftener Fasern. Hier sehen wir diese Anordnung gleichsam im Längsschnitt; Fig. 9, welche durch wechselnde Einstellung mit der Schraube erhalten wurde, zeigt ein räumliches Bild. In dem oO /< dicken Schnitte ist ein Stück Muskel ni getroffen, dessen dünner oberer Theil den oben beschriebenen Korb (K) von elastischen Fasern um den Alveolus von unten und seitlich etwas deckt. Nach oben hängt das Netz mit dem des Haarbalges (Hb) und der beiden anderen Alveolen (A^ u. „) zusammen. Von der inneren Seite des Muskels geht ein Faserbüudelchen (B) ab, zersplittert sich unterhalb des Alveolen- fundus pinselartig, und die einzelnen Fasern strahlen in meist gestrecktem Verlaufe in den unregelmässig gewobenen Faserkorb ein. Die contraktile Substanz des schiefen Haarbalgmuskels ist also direkt mit dem subepithelialen Netze an seinem oberen Ende, mit dem Netze des Haarbalges an seinem unteren Ende und durch seine elastischen Fasern mit dem grobknorrigen Cutisgerüste und dem elastischen Alveolen- korbe verbunden. Bevor i(^h auf eine nähere Besprechung der ijhysiologischen Funktion des Arrector eingehen kann . ist zu entscheiden , wo der relativ fixe Punkt, ob am Haarbalge oder im Papillartheile der Cutis liegt. Die verschiedenen Autoren sprechen sich darüber verschieden aus : KiWiLiKEK,^-) EviiANi), ") Henle »*)und Listeji ^■') lassen den Muskel von dem Papillartheil ausgehen, Nei-.-m.xnn, '«) Hi'^ssi;^") und Balsek') in den Papillartheil ausstrahlen; Dii:siN(j •'^) sagt, dass er ganz nahe an die Haare der nächsten Gruppe herantrete, ja vorbeigehe, dass seine Zipfel jedoch sich Beiträofe zur Kenntiiiss der Talgdrüsen der menschlichen Haut. 445 nicht direkt au den Balg eines zur nächsten (xruppe geliilrigen Haares ansetzen, während dies Tomsa -**) und von einigen Orten der Haut auch Unna ^^) anzunehmen scheinen, indem bei ihnen „die Arrectoren den Grund des eigenen Haarhalges mit Hülfe des entgegengezogenen Haut- gerüstes definitiv lixiren und den nächsten ebenfalls lixirten Haarbalg, welchem ihr papilläres Ende zugekehrt ist. um dessen Grund als Hypo- mochliou gegen sich drehen.'' Die erstgenannten Autoren verlegen dem- nach das Punctum fixnm in den Papillarkörper , die letzteren an den Haarbalg. Beide Ansichten lassen sich vereinigen, wenn mau die 2 Phasen der Thätigkeit des Arrector, nämlich 1) Beförderung des Drüsen- sekretes nacli aussen und Cutisspannung. und 2) Aufrichten des Haares, von einander getrennt betrachtet. Bei der erstereu muss der relativ fixe Punkt unten am Haarbalg, der geringere Widerstand an der Drüse und dem subepithelialen Netze liegen, weil ja bei massigem Reize kein Aufrichten des Haares erfolgt. Das subepitheliale Netz wird gespannt. Tst der höchste Grad der Spannung erreicht und wirkt der Reiz weiter, so er- folgt ein Aufrichten des Haares, da jetzt die unteren Lagen der Cutis- bündel und die Subcutis im Verhältniss zum allseitig angezogenen sub- epithelialen elastischen Netze relativ locker sind . d. h. das Punctum fixum ist nach oben an die Einschnürungsstelle des subepithelialen Netzes verlegt worden. Eine Bewegung des Haares im Sinne von Tomsa. ^") namentlich seine Meinung: ,,da8s die Mündung des in der Nachbarschaft befindlichen nächsten Haarbalges mit dem emporragen- den Haare gegen das durch die Contraktion des Arrector entstandene Grübchen der Hautoberfläche gekehrt werde,*' scheint mir nicht wahr- scheinlich ; denn für"s erste ist eine Verbindung zwischen oberem Muskel- ende und einem nächstliegenden fremden Haarbalge nicht, oder nur sehr selten vorhanden, und zweitens entsteht kein Grübchen, da ja die pinselförmigen, in der Hauptsache fast parallel zu der Oberfläche er- folgenden ^Ausstrahlungen der INIuskeln nach den verschiedensten Rich- tungen ineinandergreifen und so der Zug vermöge des subepithelialen Netzes gleichmässig vertheilt wird. Ferner kann doch nicht der Haar- balg mit seinem Hebelmuskel einfach als herabhängende Schlinge be- trachtet werden, durch welche Bindegewebsbündel hindurchtreten, da ja der Zwischenschlingenraum von der Drüse erfüllt ist, welche mit dem Haarbalge zu einem Ganzen durch circulärcs Bindegewebe ver- einigt, in die leicht nach gegebenen Verhältnissen sich umordnenden Maschen der coUagenen Bündel eingesenkt betrachtet werden kann. Das elastische subepitheliale Netz, durch die Hautmuskeln bis zum äussersten Grade gleichmässig gespannt und in seiner Festigkeit durch die Epider- mis verstärkt, stellt beim Aufrichten der Haare gleichsam eine starre, durchlöcherte Platte dar. in welcher die Haare um eine zur Spannuugs- richtung der Cutisbündel senkrecht gelegene Aclise sich bewegen. 440 Konrarl i lauer. während die Hafll•^^^l^zel in deji weniger gespannten unteren Lagen der Cutis und in der lockeren Subeutis eine Drehung vollführt. Gehen wir nun zur Betrachtung der Hauptfunktion des Arrector als Cutisspanner und Expressor sebi über. Letztere Funktion erfolgt nach Hkssk '") beim Aufrichten des Haares, indem der Raum zwischen Haarbalg und Drüse verkleinert und letztere dadurch comprimirt wird. Es könnte also nur bei maximalem Reize eine Entleerung statthaben, was doch nicht als Norm angenommen werden kann. Wenn ich auch bis zu einem gewissen (rrade eine Abflachung der Drüsenwandung Schema, entworfen nacli einer A])bil(lung von Diesing. Ä- &i Ruhender Ziistaiul Massiger Reiz l\[aximaler Reir. a < at und eine derartige Compression zugebe, so glaube ich docli nicht, dass dies nur der einzige Modus sei, durch den der .Muskel als Expressor sebi wirke. 31an muss bedenken, dass bei geneigtem Haare der spitze Winkel zwischen diesem und dem Muskel dem des senkrecht gestellten zum mindesten gleichbleiben, wenn nicht gar vergrössert werden muss und das noch mehr, wenn das Haar etwas gehoben wird. Der Winkel aj ist grösser als a. Bedeutend kann also der Druck auf die Drüse dabei nicht sein; es wäre der Fall, wenn der Aufhängepunkt lotljrecht über der Drüse läge. Dieser ist aber in den allermeisten Fällen weit nach seitwärts verschoben, welcher Umstand bedeutsam für die gewöhn- liche Thätigkeit des Muskels als Expressor sebi und Cutisspanner ist (TojisA, -'•) Nkumaxn^«) Boxnf.t^) Unna -•■', -^).) Der Muskel hat einen zur Oberfläche geneigten, schwach S förmig gewundenen Verlauf (Die- sing '■') ) mit einer unteren AVinduug um die Talgdrüse und einer oberen Concavität nach der entgegengesetzten Seite hin. Sein relativ fixer Punkt liegt am Haarbalgeude ; bei einer massigen Contraktion sucht er nun seine materiellen Punktreihen in eine Gerade zu ordnen, zieht durch die von ilim abgehenden elastischen Fasern am elastischen Drüsen- korbe und spannt durch die obere Hälfte der S förmigen Biegung und Bftiträ^o zur Kenntniss der Talpfdrüaeii der nuinschlicliori Haut. 447 durcli die elastischen Sehnen die obersten Cutislagen und das subepithe- liale Netz. Balser's ') Ausspruch : „Les tractions, exercees par l'appa- reil elastique annexe aux muscles lisses, se fönt sentir non seulement k leurs extremites, mais enoore sur leur traject par l'intermediaire des fibres qui relient l'aponevrose elastique aux reseaux elastiques du derme" gilt also auch für die Talgdrüsen. Das subepitheliale Netz im allge- meinsten Sinne hat seine Aufgabe, die ungleiche Spannung in der Pars reticularis in eine allseitig gleichmässige innerhalb der Pars papillaris umzuwandeln (Langer, Tomsa, Unna) vollkommen erfüllt und ordnet nach Erschlaffen des Muskels vermöge seiner Biegungs- und Torsions- elasticität (Unna-^)) alles wieder zum Alten. Die Drüse des zweiten Modells (Fig. 3) wurde aus Längsschnitten zusammengesetzt. Der Ausführungsgang, welchem rechts eine kleine Alveole ansitzt, theilt sich bald in 2 Theile und mit ihm die ganze Drüse. Linke und rechte Drüsenhälfte werden durch eine grosse und flache Furche von einander getrennt, in der, wie die Schnitte zeigen, ein Nachbarhaar verläuft. Dasselbe ist der linken Hälfte näher gelegen, infolgedessen die obere Partie ihrer vorderen und medialen Fläche fast glatt erscheint und der Alveolenausbildung entbehrt. Die ganze Drüse zeigt sich hauptsächlich nach einer Seite des Haarbalges entwickelt, kleine Einheiten umschliessen ihn auch seitlich. Einen Muskel besitzt nur die rechte Hälfte, der vom Haarbalge kommend an ihrer Convexität vorbeizieht und schief in die obere Cutis einstrahlt. Der andere Theil ist zwischen dem zur Drüse gehörigen und dem oben erwähnten Nach- barhaare hindurchgeschoben. Der Typus der Endeinheiten ist rein alveolär: schön zeigt ihn die oberste Alveole A der rechten Drüsen- hälfte : ein ganz kurzer und dünner Hals erweitert sich plötzlich zum weiten Fundus, der gleichmässig grosse Sekuudärbuckel besitzt. Die Länge der Alveole verhält sich zum Durchmesser des Halses und dem vom Fundus wie 11,4 : 8,7 : 13,5 mm am Modell gemessen. Die in der Mitte zwischen den beiden Drüsenhälften sichtbare kleine Einheit T zeigt den tubulo-alveolären Charakter, ist schlauchförmig und ihre Wand hat kleine Unrelmässigkeiten. Wir sehen auch bei dieser Drüse wieder, dass die Einheiten an Stellen, wo Nachbargebilde den Eaum beschränken, fehlen oder den tubulo-alveolären Typus zeigen, während an anderen Orten, wo das Drüsengewebe nur die leicht sich umordnenden Cutis- maschen zu verdrängen hat, alveoläre Formen ausgebildet sind. Die Drüse der Nase (Fig. 4 u. 5), modellirt aus Querschnitten, stammt aus der Haut des rechten Nasenflügels, wo reichlichst quer- gestreifte Fasern des Musculus nasalis in die Cutis einstrahlen. Das umhüllende Bindegewebe ist im ersten Fünftel der Drüsenhöhe und in den 3 unteren Fünfteln regelmässig angeordnet; hier theilt es den Al- veolencomplex durch stärkere Züge in zwei Gruppen, welche je zu einem Ausführuugsgang zweiter Ordnung gehörig sich erweisen. Intraglaudu- .Morpholug Aii>eituii his-sf. v. G. Sihwall.e. III. 29 448 Konrad Bauer. läres Bindegewebe ist sehr spärlich entwickelt; die Abgrenzung gegen Nachbardrüsen wird dadurch im Querschnitt leicht, während im zweiten Fünftel, einer Gegend, wo der Schnitt Ausführungsgäuge, kleine Al- veolen und eine Menge feiner Härchen trift't, die Bindegewebszüge regellos zwischen all diese Gebilde eindringen, und so die Gruppenbildung verwischt ist. Die Drüse besitzt ungefähr die doppelte Ausdehnung in die Länge, Breite und Dicke, als die Kopfhautdrüse. Ihre Massen sind namentlich gegen die Tiefe mächtig entfaltet : Der grosse Hauptausführungsgaug, in den 3 Härchen hineinragen, und welchem kleine Einheiten ansitzen, spaltet sich in 2 Ausführungsgänge zweiter Ordnung. Jener ist kurz, besitzt dünne AVäude und ein sehr weites ovales Lumen ; diese verlaufen eine kleine Strecke, nur durch eine dünne Scheidewand getrennt, gemein- sam. Dann gehen sie, jeder mit besonderen Wandungen versehen nach entgegengesetzten Eichtungen auseinander. Yon den drei Haaren mündet das eine oberhalb (Fig. 4 i7j), die beiden andern gemeinsam (Fig. 5 H., u. Äo) in der Theilungsebene des Ausfiihrungsganges. Die Haar- bälge sind auf den Abbildungen mit einem gelblichen Farbentone her- vorgehoben. Das erste Haar (//i) besitzt keinen eigenen Haarbalg, sondern ist nur in die dort verdickte Wand des Ausführungsganges ein- gelassen; an der Aussenseite entsteht dadurch eine leichte cylindrische Erhebung, welche auf einen gut entwickelten Alveolus Ä mit engem Halse und weit ausgebuchteten Fundus ausläuft. Ein Bulbus ist nicht vorhanden. Die beiden anderen Härchen (Fig. 5 H^ u. .>) haben gut entwickelte Follikel, die in ihren oberen Theileu miteinander und mit dem Ausführungsgange verschmelzen und gemeinsam münden. Das rechte Härchen {H^) verläuft der Drüsenachse parallel und besitzt in seiner Mitte imregelmässige Anschwellungen, durch P^pithelverdickungen der Wurzeliicheide bedingt. Die Richtung des linken Haares (Ä)) ist sehr geneigt, seine Achse bildet mit dem obigen einen fast rechten Winkel ; der Follikel schiebt sich hart unter dem langen Halse einer schwach entwickelten Endgruppe E vorbei nach aussen. Die dem Ausführungs- gange ansitzenden Endgruppen E, E^, E.,, E.^ sind im Verhältniss zu den unteren sehr klein, vorzüghch in der Horizontalen entwickelt, in der Senkrechten etwas abgeflacht und mehrfach verzweigt ; ihr Charakter ist tubulü alveolär, das Bindegewebe ist nicht ring- oder maschenförmig angeordnet, sondern bildet ein regelloses Geflecht. Den einen Sekundär- ausführungsgang (Äs^) mit seinen Endverzweigungen stellt Fig. 5 dar; die Entfaltung der Einheiten ist nach unten am massigsten ; sie selbst zeigen den rein alveolären Typus, der Fundus der einzelnen Alveolen ist stark aufgebläht und mit Unregelmässigkeiten besetzt ; eine von ihnen (Ai) reicht etwas tiefer und besitzt eine starke ringförmige Ein- schnürung. In Fig. 4 sehen wir den andern Ausführungsgang As.^ ; einige Alveolen sitzen au seiner oberen Partie, dann theilt er sich in Beiträjye zur Kemitniss der Talgdrüsen der menscliliclieii Haut. 4.49 eine linke, vertikal absteigende, und eine rechte mehr in der Horizon- talen entfaltete Endgruppe. Letztere löst sich in eine Anzahl von Alveolen auf; der Fundus der äussersten ist stark sekundär ausge- buchtet. Die vertikale Endgruppe reicht am tiefsten ; ausser ein paar mittelgrossen Einheiten in ihrer oberen Hälfte bildet ihr Ausläufer den grössten Alveolus (^g) der ganzen Drüse. Sein Fundus besitzt einen sehr grossen Querschnitt, und ist in der Senkrechten stark platt- gedrückt , nach links und aussen geht ein kurzer cylindrischer Fortsatz mit ringförmigen Einschnürungen tiefer. Die Zahlen gestalten sich für A2 so: Länge der Alveole: Durchmesser des Halses und dem des Fundus = 35,7 : 15,2 : 35,5 mm. Sämmtliche Alveolen der Drüse enden fast plötzlich mit plattge- drücktem Fundus in einer zu der Oberfläche parallelen Ebene, nur A^ und A2 dringen tiefer und zeigen Ringfurchen. Diese Erscheinung ist durch die Anordnung des Muse. uasaUs bedingt Eine gleichmässige dichte Platte von Fasern breitet sich unter der Drüse in der Richtung des Striches S der Fig. 4 aus, nur die tiefsten Theile von A^ u. A^ haben sie durchbrochen; die parallelen Ringe entstehen durch An- lagerung von Muskelfasern. Senkrecht und schief aus dieser Platte auf- steigende Bündel, anfangs ziemlich zahlreich, liegen an der Peripherie der Drüse und dringen nie in das intraglanduläre Bindegewebe ein; sie zerfasern sich und nehmen an Menge bald ab, so dass nur eine geringe Anzahl die Mitte der Drüsenhöhe erreicht. Die Schilderung des elastischen Gerüstes (Fig. 10) geht am besten von den Muskelbündeln aus. Sowohl die senkrechten als parallelen Fasern sind von einem feinsten Netze elastischer Längsmaschen um- strickt; die daraus sich sammelnden gröberen elastischen Bündel halten die jeweihge Richtung der Muskelfasern (m), von welchen sie kommen, ein, und wu- erhalten so dicht unterhalb der Drüsen ein grossmaschiges Netz, in dessen Zwischenräumen längs- und quergetroffene Muskelfasern liegen. Gröbste Bündel (B) setzen die Richtung der schräg- und senkrecht- aufsteigenden Fasern (m) fort, in ihrem Verlaufe Seitenzweige abgebend, Avelche an den Fundus der einzelnen Alveolen A, A^, ^ herantretend, sich pinselförmig auflösen und in dem feinsten Faserkorbe der Drüse sich verlieren. Jene gröbsten Bündel werden dadurch immer schmäler und zerfallen in feinste Ausläufer welche in die oberflächhchen Cutislagen einstrahlen. Der Unterschied zwischen subepithelialem Netz und der oberen Hälfte der Pars reticularis cutis ist nicht so deutlich ausgeprägt wie an der Kopfhaut; beide Theile bilden vielmehr einen gleich dicht gewobeneu Filz von feinen Fasern, welche die collagenen Cutisbündel umspinnen. Das Fasernetz reicht dicht an die Basalzellen- schicht heran , ohne einen merklichen Zwischenraum zwischen dieser und sich zu lassen. Die elastischen Körbe um die Drüsen zeigen die nämlichen Anordnungen wie in der Kopfhaut. Die Knäueldrüsen be- 29* ^50 Konrad liauer. sitzen das von Balser ') und Seüerholm^*) beschriebene Netz; zwischen dem Bindegewebe des Knäuels finden sich keine elastischen Fasern. Das letzte Modell, ebenfalls aus Querschnitten aufgebaut, stellt den Anfangs- und Endtheil einer ]\rEiBOM'schen Drüse dar, welche aus der Mitte des ol)ereu Augenlides stammt und am weitesten in den Tarsus hinaufreicht. Infolge der Wiederholung des Baues wurde ein Mittel- stück von ungefähr 30 cm nicht modellirt. Die MEiEOM'sche Drüse be- sitzt einen ziemlich geraden, auf dem Lidrande senkrecht stehenden Ausführungsgang, in welchen auf seinem ganzen Verlaufe mit Aus- nahme des untersten Thoiles von allen Seiten Endgruppen einmünden. Letztere bedingen infolge ihrer vorschieden mächtigen Entwicklung periodisch sich wiederholende leichte An- und Abschwellungen des Drüsenkörpers. Dieser selbst ist nicht genau cylindrisch, sondern die Drüseneinheiten bilden im Querschnitt eine elliptische Figur, deren Hauptdurchmesser senkrecht zur Ebene der Conjunktiva steht. Die Ellipse wird ausserdem mehr oder weniger durch das Verhalten der Nachbargebilde moditicirt. Die Eiidgruppen, welche nach der Con- iunktiva oder der äiisseren Haut schauen, sind bedeutend mächtiger und besitzen schöner ausgebildete Alveolen als diejenigen, welche an Theile von Nachbardrüsen angrenzen; letztere sind fast dreimal kleiner und erscheinen als direkte einfViche Ausstülpungen des grossen Ausführungs- ganges, ohne zuvor mit andern sich zu einem kurzen Gange zu ver- einigen. Gegen die Drüsenmündung zu ändert sich etwas die Form der Endeinheiten, was durch das Verhalten des Muse, orbicularis oculi bedingt wird. Gehen wir nun auf die nähere Gestaltung der Alveolen- systeme ein, so besteht ein jedes aus einem kurzen Schlauchstück, von welchem wiederum ein oder mehrere Einheiten mit bauchig aufgetriebenen Enden abgehen. Diese Auftreibungen sind bei kleinen Alveolen kugelig, bei grossen nochmals mit Icicliten Ausbuchtungen verseilen. Bei einigen wenigen schwillt der Endsclilauch allmählich zu seiner grösseren AVeite an, wodurch sich ein mehr keulenähnliches Gebilde ergibt, doch über- wiegt der alveoläre Typus weit über den tubulo-alveolären. Die der Drüsenmündung zunächstgelegeuen Endgruppen besitzen nicht rundliche Querschnitte, sondern sie sind plattgedrückt ; in dieser Gegend umziehen nämlicli zahlreiche Fasern des Musculus Riolani den Ausführungsgang und die in ihn einmündenden J]udgruppen, während er in den andern Theilen vor dem Tarsus liegt. Der Ausführungsgang verläuft fast ge- rade, in seinem untersten Theile macht er eine laugsam sich vollziehende Krümmung gegen die Conjunktivalseite des Lides, um an dessen innerer Kante so auszumünden, dass die Oefifnung fortwährend auf der Conjunctiva bulbi schleift. Das Kaliber des Ganges bleibt, solange er dem Drüsenkörper angehört, gleich. An der Biegung entsteht eine weite spindelförmige Auftreibung: der Durchmesser ist hier im Verhält- niss zu dem der Mündung (i — 7 mal grösser, was einmal durch Er- Beiträge zur Kenntuiss ilor Talgdrüsen der menschlichen Haut. 451 Weiterung des Lumens selbst, dann durcli den Uebergang des dickeren Epithels der Drüsenmünduug, respektive der äusseren Haut in das specitische Epithel des Ausführungsganges zu Stande kommt. Die Auftreibung bildet ein Reservoir für das Sekret und steht in innigen Connexbeziehuugen zur inneren Partie des Musculus orbicularis oculi, dem Muse. Riolani ; dieser zerfällt in einen stärkeren vorderen und einen schwächeren hinteren Tlieil (Klodt^^), Francisco da Ccniia*), Pboebs- TiNG^")), welche beide durch einzelne Faserbündel um die spindelförmige Erweiterung und die noch vorhandenen Alveolen Schlingen bilden, indem Fasern des vorderen Systemes zum hinteren sich gesellen und umge- gekehrt, so dass der Ausführungsgang wie das Muster in das Grund- gewebe eines Teppichs eingefiochten erscheint. Das Bindegewebe des Tarsus ist au dieser Stelle sehr locker. Die elastischen Fasern des Tarsaltheiles vom Augenlide bilden ein zusammenhängendes Gerüste, das von der Haut bis zur Conjunktiva reicht, welches aber iji den verschiedenen Gewebsschichten von ver- schiedener Dichte ist. Das cutane und subcutane Netz, in seinem ver- schiedenen Verhalten nicht so deutlich unterschieden, wie in der Kopf- haut, ist spärlich, engmaschig und fein. Gegen den Lidrand (Fig. 11) werden die Fasern sehr zahlreich und etwas stärker. Am freien Rande befindet sich eine dichtest gewobene Platte (P) sehr starker elastischer Fasern, unmittelbar unter der Epidermis liegend und in die hier deut- licher entwickelten Papillen {j)) Ausläufer von gleicher Stärke hinein- schickend. An den Cilieu, mit Netzen um dieselben beginnend, lagern sich die Fasern immer mehr zusammen, ziehen hauptsächlich von vorne nach hinten und bilden so die Platte, welche an der inneren Lidkante plötzlich endet, indem sie sich in die dort reichlichst quer und schräg getroffenen Fasern aufzulösen scheint. Längszüge (B), die mit dem Ge- rüste des Hauttheiles zusanimeuhängen, theilen den Querschnitt des Muse, orbicularis in Bündelgru])pen {m), strahlen sodann in die centrale Biudegewebsschicht (Fig. 12) ein, zerfasern sicli hier breit, werden sehr dünn und bilden so den Uebergang zu dem feinsten Fasergeiüste des Tarsus. Dieses ist ausserordentlich reich entfaltet (Fig. 11 7' und Fig. 12 T). Feinste Fäserchen, nur mit stärkereu Vergrösserungen deutlich sichtbar, durchziehen den Tarsus von vorne nach hinten, andere verlaufen parallel der Lidkante, wieder andere ziehen in den verschie- densten Richtungen und spinneu um das coUagene Grundstratum zier- lichste Netze, welche bis dicht an die Conjuuctivalschleimhaut reichen. Das elastische System, welches die MEiEOM'schen Drüsen umgibt, steigt direkt mit starken Fasern aus der obenerwähnten Platte auf (/') und verbreitet sich in Längs- und Querzügeu um den Ausführuugsgang und die angrenzenden Theile der Alveolen, an welchen namentlich die Quer- maschen überwiegen, während am ersteren längsverlaufende Fasern (7j den Hauptbestandtheil des Netzes ausmachen. Gegen den Fundus der 452 Kotirad Bauer. Alveolen nimmt die Häutigkeit dieser ab, feinste elastische Fasern, ab- stammend von denjenigen des Tarsus, bilden hier massig dicht gewobene Körbe (Fig. 12 T^). Der Entleerungsraechanismus der Meibom'scheu Drüse wird, wie die für das Modell verwendete Schnittseric zeigt, durch die zwei Theile des Muse. Riolani bedingt. Hesse'") sagt darüber: „Quergestreifte Muskeln sieht man am Augenlide nebenbei zur Entleerung von Talg- drüsen verwendet; die Meibom'sche Drüse ist nämlich in ihrer ganzen Länge von dem quer über das Lid ziehenden Muse, palpebralis bedeckt und wird durch ihn l)eim Lidschlag gegen die Schleimhaut des Lides, resp. gegen den Bulbus gedrückt. Am vorderen Ende befinden sich ausserdem noch transversale Muskelbündel zwischen Ausführungsgang und innerer Lidfläche". Der grösste Theil der Drüse wird wohl nicht durch den Muse, orbicularis beim Lidschlage gepresst; er ist ja voll- kommen in den knorpelharten Tarsus eingebettet, den sämmtliche Autoren aus sehr derbem und festem Bindegewebe bestehend schildern. Nur die spindelförmige Auftreibung (aj, welche Waldeyer 20) im Hand- buch der gesammten Augenheilkunde von A. Graefe und Saemisch auch abgebildet, aber nicht näher erwähnt hat, liegt in lockerem Ge- webe und kann durch die Contraktiou des Muse. Riolani comprimirt werden, wodurch Secret entleert werden muss. Erweitert sich beim Erschlaffen des Muskels durch die Elasticität der hier reichlichst vor- handenen elastischen Fasern das Lumen wieder, so entsteht infolge des luftdichten Abschlusses der Drüsenmündung gegen die Conjunctiva bulbi in der Ampulle ein negativer Druck, infolgedessen das im oberen Theile des Ausführungsganges sich befindende Secret nachrückt. Auf Tyson'sche Drüsen in dem inneren Blatte der Vorhaut und in der Corona glandis wurden die verschiedensten Partieen von vier Indi- viduen, 2 Erwachsenen und 2 Kindern untersucht; gefunden habe ich jedoch nur bei einem Kinde einige in der Nähe des Frenulums auf der inneren Lamelle, während das Suchen an anderen Stellen erfolglos war. Die Drüsen bildeten meist einen einfachen, leicht gewundeneu Schlauch, der bei einigen sich in seinem mittleren Drittel nochmals theilte. Al- veolärer Typus war nie zu finden, sondern überall zeigten sich reine tubulo- alveoläre Formen. Köllikee's Worte: „An der Glans und der inneren Lamelle des Praeputiums kommen Talgdrüsen vor, aber sehr inconstant", bestehen also auch in meinen 4 untersuchten Fällen voll- kommen zu Rechte. Wenn noch einmal das Wichtigste zusammengefasst werden soll, so haben wir gesehen , dnss das feine elastische Netz unter der Epidermis sich direkt auf die Talgdrüsen fortsetzt, und dass der Muse, arreetor i)ili nicht nur den oberflächlichsten Outislagen und dem subepithelialen Netze durch elastische Sehnen verknüpft ist , sondern dass auch feine elastischen Fasern, welche während seines Verlaufes Beiträge zur Kenntniss der Talgdrüsen der meuschlichcn Haut. 453 von ihm abgehen, in die ehistischen Drüsenkörbe einstrahlen. Bei seiner Contraktion wird der in einer bestimmten Richtung einseitig er- folgende Zug durch das subepitheliale Netz verallgemeinert und so die Epidermis vor Zerrungen geschützt, während gleichzeitig eine gleich- massige Compression auf die Drüsenalveolen erfolgt, obschou ich bei der Entleerung den physiologischen Nachschub durch Neubildung von Secret und die Compression der Drüse zwischen Muskel und Haarbalg nicht ganz unerwähnt lassen möchte. Es ist ja in der organisirten Natur gewöhnlich, dass verschiedene Ursachen als Bedingungen zur Hervor- bringung einer Wirkung zusammenwirken. Aehnliche Verhältnisse sind anscheinend auch bei der Nasenhaut gegeben, wo quergestreifte, senkrecht aufsteigende Fasern des Muse, nasalis die Stelle der glatten Muskulatur vertreten. Im Augenlide sind elastische Fasern in einer grossen Menge vorhanden; namentlich bemerkenswert!! ist die elastische Platte am freien Lidraude und das Netz, welches direkt aus ihr auf- steigt und sich um die Meibom'sche Drüse legt. Der Tarsus ist von feinsten elastischen Fasern in verschiedenen Richtungen reichlichst durch- zogen; sämmtliche Fasersysteme, das der Haut, der Muskeln, der centralen Bindegewebsschicht , des Tarsus und des subconjunctivalen Gewebes stehen miteinander in Zusammenhang. Der Muse. Riolani comprimirt die spindelige Auftreibung des Ausführungsganges der Drüse von allen Seiten und bewirkt so die Secretentleerung. Die Talgdrüsen sind, wie die Modelle zeigen, alveoläre Drüsen. Wenn ich auf den vorigen Seiten die Endgruppen Flemming's ') noch in End- oder Drüseneinheiten zerlegte und einen tubulo-alveolären und alveolären Typus an ihnen unterschied, so geschah dieses um der leichteren und genaueren Beschreibung willen; eine neue Eintheilung will ich damit durchaus nicht schaifen. Denn es hat sich gezeigt, dass zwischen beiden Typen keine principiellen, sondern nur graduelle Unter- schiede bestehen, Ausbuchtungen und mehr oder minder ausgebildete Endauftreibungen sind allen Drüseneinheiten eigen, was sich leicht aus der Consistenz des Secretes erklären Hesse. Bei den tubulösen Drüsen ist das Secret meist dünnflüssig, das secernirende Epithel bildet deshalb gleichmässig cylindrisclie , einfache oder verästelte Röhren ; das Talg- drüsensekret ist von dicker Consistenz und wasserarm, die Gangenden werden infolge der dadurch erschwerten Weiterbeförderung durch die fortlaufende physiologische Neubildung von Secret leicht kugelig auf- getrieben. Das findet namentlich da statt, wo die Umgegend wenig Widerstand dem Drüsengewebe entgegensetzt, und dieses nur die leicht sich umordnenden Cutismaschen zu verdrängen l)raucht, — alveolärer Typus der Drüseneinheiten — . Wo aber Nachbarhaarc , Muskeln und Alveolen einander den Raum beengen, strebt die Einheit, von allen Seiten eingeengt, vorzüglich in ihrer Entwicklung nach abwärts und erweitert sich nur allmählig zu einem verdickten Ende (der tubulo- ,^,"^4 Koiiracl liaucr. alveoläre Charakter). Während bei fliesen der Längsdurchmesser im Verhältniss /.u den einander fast gleichen Durchmessern des Schlauch- anfauges und seines Endes, relativ gross ist, übertrifft bei dem alveo- lären Typus der Längsdurchmesser der ganzen Alveole, welcher dem des Fundus fast gleich ist, weit den Alveolenhals. Doch, um es noch- mals zu betonen, es besteht kein principieller Unterschied, viele Ueber- gänge zwischen beiden Typen sind vorhanden, und all das wird durch die Umgebung bedingt. Ich möchte meine Arbeit schliessen mit Flem- :\nNG's ') Worten : ..Es wäre wünschenswerth , wenn man die Formen der Gangenden bei der Eintheilung der Drüsen nicht mehr so in den Vordergrund stellen wollte, wie bisher üblich ist. Diese Formen sind ja gewiss morphologische Merkmale, so gut wie jede andere Formeigen- schaft der Drüsen, wie z. B. die Verästelungsart, und verdienen also ebensogut berücksichtigt zu werden; aber doch nicht mehr. Physio- logisch sind sie ganz gleichgültig". Anhang'. Mittheilung über elastisclie Fasern im quergestreiften Muskel. Bei der Durchmusterung der mit Orceiu gefärbten Präparate von der Nase und dem Augenlide fand ich feinste rothbraimgefärbte Fäser- chen, welche um jede einzelne Muskelfaser circuläre Schlingen mit vor- zugsweise quergestellten Maschen bilden, dann in den Pinuen zwischen den Muskelfasern einen longitudinalen Verlauf gewinnen und sich mit andern zu immer grösser werdenden elastischen Bündeln vereinigen, in deren grobknorrigem Netze die Muskelbündel liegen. Fig. 13 zeigt ein feinfaseriges Gerüst um Muskelfasern vom Muse, orbicularis oculi. In den durch die Präparatiou entstandenen beiden Lücken sind einzelne auseinandergezerrte Fäserchen sichtbar, welche von der einen Muskelfaser zu der anderen ziehen. Daraus darf man vielleicht schliessen, dass die einzelnen Netze mit einander zusammenhängen. Im Muskel- querschuitt (Fig. 12) dringen einige rothbraune Fasern zwischen die einzelnen Muskelfasern ein und verlieren sich zwischen denselben, mehr- fach sich zertheilend. An anderen Präparaten sind oft ganze, oft nur Stücke von obigen circuläreu Fäserchen um die einzelnen Muskel- fasern und ausserdem rothbraune Pünktchen von quergetroffenen Fasern dazwischen sichtbar. Daraus, dass der Farbenton dieser Fäserchen der nämliche ist wie bei den gröberen elastischen Fasern und aus dem Zu- sammenhange derselben mit diesen darf mnn mit vieler Wahrscheinlich- keit schliessen, dass sie feinste elastische Elemente sind, welche jede I'eiträ dem wirklich so sei. ausserdem muss untersucht werden, ob diese Anorduunff nur in der quergestreiften Muskulatur der Haut oder auch in den Skelctmuskeln, und in Avelcher x'Vusdehnung sich findet. Zum Schlüsse dieser Zeilen möchte ich meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor G. Schwalup;, den innigsten Dank sagen für seine Anregung und Leitung und für die freigebige Liebenswürdigkeit, ohne welche mir die Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Literatur. 1. Balsee, f., Rechorches techniques sur le tissu elastique. — Appa- reils elastiques de la peau. — Rapport du tissu musculaire et tissu elastique. Archives de pbysiologie normale et pathologi- que. XII Serie, tome dixieme 1882. 2. Bonnet, Ueber die glatten Muskeln der Haut und der Knäueldrüsen. Bayerisch. lutelligenzblatt 1885 S. 30. 3. Born, G. Prof., Noch einmal die Plattenmodellii-methode. Zeitsch. für wissenscbaftl. Mikroskopie B. V. H. 4. 4. Da Cunha e Sousa, F., Zur Lehre der Muskulatur des Augenlides des Menschen, Mittbeilungen aus dem embryologischen Institut der k. k. Universität in Wien 1883 H. III. S. 201. 5. DiEsiNG, R. , Beiträge zur Kenntniss der Haarbalgmuskelu. Bei- träge zur Morphologie und Morphogenie von Dr. Leo Gerlacb I. 1883 S. 50. 6. Eyland, Aem., Observationes microscopicae de musc. organicis in hominis cute obviis. Inauguraldissertation Dorpat 1850. 7. Flemmi^^g, W., Ueber Bau und Eintheilung der Drüsen. Archiv f. Anat. u. Physiologie 1888. I. S. 287- 303. 8. Gkefberc;. Wilh., Zur Lehre über die Entwicklung der Meibom'- scheu Drüsen. Mittheiluugen aus dem embryolog. Institute der k. k. Universität in Wien B. IL H. 2 S. 105—112. 9. Henle in Cannstatt's Jahresberichten 1850 S. 40. 10. Hesse, F., Zur Kenntniss dej- Hautdrüsen und ihrer Muskeln. Zeit- schrift für Anat. u. Entwicklungsgeschichte II. S. 274—286. 11. Klodt, J., Zur vergleichenden Ann t. der Lidmuskulatur, Inaugural- dissertation. Bonn 1890. 12. V. Koellikek, Zeitsch. füi- wissenscbaftl. Zoolog. B. I. 1849 S. 32—53. 13. V. Koellikek, Mikrosk. Anatomie Bd. I. 14. Krehbiehl, G., Die Muskulatur der Thränenwege und der Augenlider. Stuttgart 1878. 15. Lister in Can.nsjtatt's Jahresberichten 1853 S. 43. IH. Neumann, ,]., Ueber Verbreitung der organischen Muskelfasern in der Haut des Menschen. Sitzungsberichte der k. Akademie der Wissensch. in;itheiii;it.-nnturwissonschaftl. Classe B. 57 H. IV. S. 647. Beiträge zur Kenntnies der Talgdrüeen der menschlichen Haut. 457 17. Pröbsting, J., Ein Beitrag zur feineren Anatomie des Lides und der Coujunktiva. Zeitschrift für vergleichend. Augenheilkunde IV. 1886 S. 147—161. 18. Sederholm, E., Einige Untersuchungen über die Anordnung des elastischen Gewebes in der Haut. Biologiska Föreningens För- handlingar Stockhohn B. III. S. 155—164. 19. Schwalbe, G., Sinnesorgane, Erlangen 1887. 20. ToMSA, Wald., Beiträge zur Anat. und Physiologie der Haut. Archiv für Dermatologie und Syphilis 1873. S. 1—83. 21. Treitz in Cannstatt's Jahresberichten 1853 S. 43. 22. Unna, P. G., Eine neue Färbemethode für elastisches Gewebe. Monatshefte für prakt. Dermatologie und Syphilis XII Nr. 9 S. 395. 23. Unna, P. G., Entwicklungsgeschichte und Anatomie der Haut; v. Ziemssen's Handbuch der spez. Pathologie und Therapie. 24 Unna, P. G., Zur Kenntniss des elastischen Gewebes der Haut. Monatshefte für prakt. Dermatologie und Syphilis. Ergänzungs- heft I. 1887. S. 51—63. 25. Waldeyer, W., Mikroskopische Anatomie der Cornea, Sclera, Lider und Conjunctiva. In Graefe und Saemisch, Handbuch der gesammten Augenheilkunde. I. 1874. Figurenerklärung. Fig. 1 u. 2. Haargruppe mit Talgdrüsen aus der Kopfhaut. Modell- vergr. 64 ^a- Figurenvergröss. 42,5. H mittleres oder Haupt- haar der Gruppe, Hr rechtes, Hl linkes Nebenhaar, h kleines Härchen, welches das subcutane Bindegewebe nicht erreicht; / und /'j tubulo-alveoläre Drüsen der Nebenhaare; T Aus- führungsgaug der hinteren Drüse von H ; T^ der Ausführungs- gang der vorderen Drüse von H; A^, », .,, 4, 5, ,;, ; alveoläre Endeinheiteu ; Tj, o. .•; tubulo-alveoläre Endeinheiten; B^. «• Ursprungsbündel des Muse, arrector pili vom mittleren Haar- balge. Axn. rechten und linken Haarbalge sind die Ursprungs- stellen spärlicher glatter ^luskelfasern mit kleinen Strichen an- gedeutet. Fig. 3. Drüse aus der Kopfhaut. Modell Verg. 64^2- Fig. Verg. 40,5. Ä alveoläre, T tubulo-alveoläre Endeinheit. Fig. 4 und 5. Talgdrüse aus der Haut des rechten Nasenflügels Modell- vergr. 64 V2- Figvergr. 40. Die Bälge der 3 Härchen Äj, g, 3 sind durch einen gelblichen Farbenton hervorgehoben. As ^, .^ sekundärer Ausführungsgang; A^, g Alveolen mit kurzem Fort- satze; A alveoläre Endeinheit, E, E^, „. ., tubulo-alveoläre End- gruppen. 458 l\onrad Bauer. Fig. 6. Anfangs- und Endstück einer Meibom'scheu Drüse aus der Mitte des oberen Augenlides. Modell vergr. 647:- Figuren vergr. 32,5. Die alveolären Endeinheiteu des oberen Stückes sind in der Mitte klein und einfach, an den Seiten grösser und zu Endgruppen vereinigt; die des unteren sind theihveise plattgedrückt. Der Ausführungsgang macht unten eine Biegung und besitzt hier eine grosse spindelförmige Auftreibung («). Fig. 7, Schräg getrolfenes Stück eines Muse, arrector pili aus der Kopf- haut. Seibert Obj. V. Ocul O. ra glatter Muskel; oben und imten an den Schnittflächen Querschnitte von elastischen Fasern als feine rote Pünktchen sichtbar ; in der Mitte längsverlaufende, von denen 5 aus ihrer normalen Lage gerissen , gebogen und leicht geschlängelt sind. A Drüsenalveole. Fig. 8. Partie aus der Kopfhaut im Längschnitt. Seibejit Obj. lil Ocul. III. -4 1 , 2 Theile von Drüsenabverlen ; m Stück vom Muse, arrector : B, B^, .. elastische Bündel , welche sich von der Innenseite von ni ablösen und an den Alveolen A ^, o verbreiten ; nach links und aussen das grobkuorrige elastische Hautgerüste angedeutet. Fig. 9. Aehnlicher Längsschnitt, 30 ,« dick, dieselbe Vergrösseruug, wie Fig. 8. J.J, 2 Alveolen, Hb emTheil des Haarbalges; X elastischer Drüsenkorb, von der Fläche gesehen bei verschiedener Ein- stellung gezeichnet ; es strahlen in ihn Fasern (B), vom Muskel (m) kommend, ein. Fig. 10. Längsschnitt durch die Haut vom jSasenflügel, AViiikel Obj. II Ocul. III. A, Ai, 2 Alveolen von Talgdrüsen; iii senkrecht aufsteigende Fasern des Muse, nasalis . deren liichtung das elastische Bündel B fortsetzt, sich um die Alveolen A, J, , ^, verbreitet und in die Cutis einstrahlt. Fig. 11. Sagittalschnitt durch den freien Hand eines Augenlides. Winkel Obj. II Ocul. III. As Ausführungsgang, D Drüsenalveolen einer Meibom* sehen Drüse ; Md Moirsclie Drüsen ; C Cilien ; m quergetroffene Bündel des Muse, orbicularis resp. des Muse, ciliaris Riolani, von denen einige zwischen und hinter der Meibom'scheu Drüse liegen. Fig. 12. Eine Partie aus dem vorigen Schnitte stärker vergrössert, Seibeicl Obj. V. Ocul.O. Bezeichnung wie vorher. Feinste elastische Fäserchen verbreiten sich zAvischen den einzelnen Muskeltaseru. Fig. 13. Ein Stück aus dem Muse, orbicularis oculi. Seibekt Obj. V Ocul. O. Feinste elastische Fäserchen bilden um die einzelnen Muskelfasern schräggestellte Netze. Varietäten-Statistik und Anthropologie. Von 0. Schwalbe und W. Pfitzner in Strassburg i. E. Dritte Mittheilung, i) Ein kürzlich erschienener Aufsatz von Th. Dwight -) giebt uns Ver- anlassung , die bis jetzt erzielten Ergebnisse der von uns betriebenen Samraelforschung über die Häufigkeit des Vorkommens bestimmter ana- tomisclier Varietäten zu veröffentlichen, umsomehr. als wir dafür wieder- um, wie in den beiden ersten Mittheilungen, die Ausbeute von je zwei Betriebsjahren zur Verfügung haben. Th. Dwight hat an seinem Mateiial (Einwohner Nordamerikas europäischer Abstammung; Neger wurden ausgeschlossen) die Häufig- keit zweier Varietäten untersucht, die auch wir in unser Schema auf- genommen hatten. Da die Zahlen, über die der Autor verfügt, hin- reichend gross sind, um annähernd constante Häufigkeitszahlen zu er- geben, so ermöglicht uns seine Mittheiluug die Lösung der Frage, ob sich in der relativen Häufigkeit solcher Varietäten racenanatomische Verschiedenheiten nachweisen lassen. Es lagen allerdings bereits einige ältere Angaben vor, die wir schon bei unseren früheren Mittheilungen hätten zur Vergleichung heranziehen können. Indessen glaubten wir davon so lange Abstand nehmen zu müssen, als wir noch nicht die Zuverlässigkeit der zu verwendenden Zahlen festgestellt , d. h. die Durchschnittswerthe der Häufigkeit auf ihre Constanz geprüft hatten. Wie wir schon früher wiederholt betont haben : irgendwelche Zahlen ineinander zu dividiren und die so gewonnenen Indices mit einander zu vergleichen, hat au und für sich noch gar keinen Werth. ') Erste Mittheilung s. Anatom. Anzeiger IV No. 23 (1889); zweite M. s. ibid. VI No. 20 u. 21 (1891). -) Thomas Dwight, Observations on the Psoas parvus and Pyramidalis. Pro- ceedings of the American philosophical society 1893, S. 117—123. 4H0 (y- Sclnvallio um! W. I'tit/.uer. Was bezwecken wir deim damit, wenn wir augebeu, eine gewisse Varietät komme in so und soviel Procent vor — was überhaupt be- haupten wir mit einer solchen Angabe? Doch gewiss nur das. dass diese Varietät in jeder andern Summe von Fällen, die später einmal darauf- bin untersucht werden würde, sich genau in demselben Häufigkeitsver- hältuisse finden müsse. Gesetzt den Fall, wir hätten eine gewisse Varietät in 139 Fällen 4 mal gefunden. Wir berechnen daraus eine Häufigkeit von 2,9 '^Jq-, und weiterhin wird in Lehrbüchern etc. bei der Erwähnung dieser Abwei- chung angeführt, dass sie „nach N. N. in 2,9 " <, der Fälle vorkomme'*. Damit soll doch gesagt sein, dass man unter je hundert Fällen dreimal diese Abweichung finden wird. In der "Wirklichkeit aber wird mau sie in je hundert Fällen vielleicht 0 — 10 mal autreffen. Oder mau will da- mit augeben , dass 2,9 % von sämmtlichen in Betracht kommenden Menschen diese Abweichung aufweisen. Mit welchem Recht aber können wir eine derartige Behauptung aufstellen? Wenn wir Durchschnittswerthe autstellen wollen, müssen wir uns zuerst darüber klar sein, worin unsere Aufgabe besteht ; und diese lässt sich einfach dahin definij"en, dass wir eine Mischung ([uantitativ analy- siren wollen. Cud zwar eine Mischung von Individuen, von selbststän- digen Gegenständen, nicht eine Lösung von Stoffen, die sich gegenseitig durchdringen ; also eine Mischung, die nicht in allen einzelnen Partien gleichartig zu sein braucht. Um nun das Mischungsverhältniss kennen zu lernen, macheu wir Stichproben, die uaturgemäss nur einen ausser- ordentlich geringen Bruchtheil der Gesamnitmasse umfassen können. Je grösser das Volumen der Stichprobe ist, desto grösser ist die Wahr- scheinlichkeit, dass das berechnete mit dem wahren Verhältniss über- einstimmt, xlber wie gross muss die Stichprobe überhaupt sein? Ab- solut lässt sich das nicht bestimmen, relativ dagegen erscheint die Stichprobe genügend, sobald sie in sich genügend coustant zusammen- gesetzt erscheint bez. wenn das einmal gewonnene Resultat durch Vo- lumenvermehrung nicht mehr wesentlich geändert wird. Wenn wir z. B. 300 Fälle untersucht haben, so ist diese Zahl genügend, sobald sich er- giebt, dass sie, beliebig in 3x100 oder 2x150 Fälle zerlegt, in diesen Unterabtheilungen schon genau dieselben Prcoentsätze ergiebt; oder wenn weitere 100 (150, 200, 300) Fälle die letzteren nicht mehr wesent- lich ändern. Der Begriff" des , .Wesentlich'* ist dabei durchaus nicht so unbestimmt, wie man von vorne herein denken sollte. Da wir es mit Individuen zu thun haben, so ist die Verhältnisszahl genügend coustant, sobald die ganzen Zahlen coustant werden. Das Verhältniss ist n : s, wobei s und n ganze Zahlen darstellen ; und es wird dargestellt durch die kleinsten ganzen Zahlen, die im Verhältniss n : s stehen. Da wir aber aus prak- tischen Gründen für s eine Potenz von 10 einstellen — gewöhnlich 100 Varietäten-Statistik und Anthropologie. 46 I oder 1000 — so müssen wir die untere Grenze des für die Erreichung der Constanz erforderlichen Volumens zu bestimmen suchen. Gesetzt, diese läge im bestimmten Falle etwa bei 300 : so dürfen die Procent- zahlen bei der Vermehrung nur um höchstens (-^t^ — =J0,3 schwanken. Es genügt also durchaus nicht, dass bei Prozentzahlen die letzte Ziffer vor dem Komma constant bleibt ; in dem Falle wäre noch zu jjrüfen, ob jedes Hundert Fälle wiederum dieselbe ganze Zahl von Ausnahmen ergiebt, was meistens nicht der Fall sein wird. Mit anderen Worten, es muss nicht nur das Mischungsverhältnisse sondern auch der Grad der Gleich- artigkeit in der Mischung bestimmt werden ; und dieser Grad der Gleich- artigkeit ist häufig unter anscheinend übereinstimmenden Dingen ein ganz verschiedener. So sei z. B. für das Vorkommen zweier Varietäten der gleiche Procentsatz von 12, ... . " „ gefunden worden. Das bedeutet durchaus noch nicht, dass wir sie in jedem Hundert concreter Fälle 12 mal antreffen werden. Für die eine kann es z. B. gelten, während wir bei der andern in je hundert Fällen vielleicht die Zahl von 5 bis 18 schwanken sehen, dagegen in je 1000 Fällen 120 oder in je 10 000 Fällen 1200 finden Avürden. Auch praktisch ist diese Bestimmung der untersten Grenze nicht unwichtig. Wir wollen ja nicht nur wissen, welcher Prozentsatz der überhaupt lebenden Menschen eine bestimmte abweichende Bildung auf- zuweisen hat, sondern auch wie oft wir sie bei den nur nach Hunderten oder nur nach Dutzenden zählenden Fällen, die wir jiräpariren, operiren u. dgl., anzutreffen Aussicht haben: ob „in jedem fünften, siebenten, elften etc. Falle*' (jder ob bisweilen Jahrelang garnicht und darauf wie- der in gedrängter Folge? Femer müssen wir, wenn wir eine sehr grosse Menge zu untersuchen haben, unsere Stichproben stets aus derselben Gegend entnehmen, so- lange es sich noch darum handelt, die Zuverlässigkeit der Stichproben zu constatireu. Denn es ist von vorne herein anzunehmen, dass die Mischung, wie im Kleinen, so auch im Grossen sich als ungleichartig erW'Cisen wird, und um zu brauchbaren Ergebnissen zu kommen, wird man zuerst einmal in einer bestimmten B.egion das Mischungsverhältniss zu bestimmen haben. Nur wenn man möglichst gleichartiges Material verwendet, wird mau hoffen dürfen, zu constanten Zahlen zu kommen, die dann wieder verwendbar sind, um die Einheitlichkeit oder Ver- schiedenheit der Menschheit im Grossen zu untersuchen. Unsere Aufgabe ist also: Erstens für einen bestimmten Bezirk die absolute Häutigkeit gewisser Abweichungen zu bestimmen. Zweitens innerhalb dieses Bezirks die relative Häufigkeit derselben festzustellen, um darnach den grösseren oder geringeren Grad von Gleichartigkeit in der Mischung beurtheilen zu können. Drittens durch Vergleichung mit andernorts gewonnenen Resultaten festzustellen, ob die Differenzen im 4()2 <^ Siliwalhe uiiil W Ptitzner. Mischungsverhältniss wesentlich grösser sind zwischen verschiedenen Bezirken als innerhalb eines und desselben Bezirks. Da uns der letzte Punkt am meisten interessirt, so können wir uns bei den ersten beiden mit weniger scharfer Bestimmung begnügen. Es wird z. B. hinreichen festzustellen, dass eine bestimmte Varietät bei uns in etwa 13% vorkommt, mag sie auch noch zwischen 12% und 14% schwanken, und dass mit etwa 300 Fällen dieser Grad der Constanz erreicht wird — sofern wir nur dem gegenüberstellen können, dass anderswo bei einer Untersuchung von ebenfalls mindestens 300 Fällen ein Procentsatz von etwa 5 ^'^ oder einer von 40 % gefunden ist. Bei solchen enormen Unterschieden werden wir doch wohl eine Ver- schiedenheit constatiren dürfen, während wir bei geringeren lieber die Frage als zweifelhaft dahingestellt sein lassen. Und dass wirklich so colossale Unterschiede vorkommen — weit grössere als beim Skelet, speciell beim Schädel — dafür werden wir bereits weiterhin einige un- bestreitbare Beweise anzuführen in der Lage sein. — Gleichartiges Material für die eigene Untersuchung — dieser For- derung haben wir vorläufig zu genügen geglaubt, indem wir alle auf dem hiesigen Präparirsaal l)eobachteten Fälle benutzten. Später, wenn die Zahl der Fälle noch grösser geworden und wenn die zum Constant- werden erforderliche Mindestzahl empirisch festgestellt ist, werden wir die Fälle nach dem Geburtsland sondern, um festzustellen, ob die Bei- mischung Fremder die für die in Südwestdeutschland resp. im Elsass Geborenen gefundenen AVerthe beeiuflusst. Im Ganzen ist diese Bei- mischung gering, gegenüber den in Elsass, Lothringen, Baden und der bayrischen Eheinpfalz Geborenen; und dass das Material ein ziemlich gleichartiges resp. von ziemlich gleichartiger Mischung ist, hat der eine von uns ^) an dem Beispiele der Längenmaasse des Handskelets nach- gewiesen, bei dem die Diirchschnittsmaasse nur um höchstens 0,1 mm differirten, als sie aus 180 statt aus 115 männlichen Händen berechnet wurden. Für weit dringlicher haben wir es dagegen erachtet, die Fälle so- bald als möglich nach dem Geschlecht zu sondern, da sich, wie wir weiter unten sehen werden, vielfach nicht nur bedeutende Unterschiede in der Häufigkeit, sondern nuch in der grösseren und geringeren Gleich- artigkeit der ]\Iiscliung — bei den weiblichen Fällen wurden in der Regel die Werthe viel rascher constant als bei den männlichen — herausstellten. Wo es sicii um paarige Gebilde handelt, wie bei den meisten Varie- täten, ist es natürlich iiothwendig , 1 Leiche = 2 Fälle zu setzen. Manche Autoren, namentlich ältere englische, machen bei Häufigkeits- 1) PfITZNEH, Beiträjre zur Kcuntniss iles menschlichen Extremitätenskelets V. Alorphol. Arbeiten Bd. II. Varietäten-Statistik und Anthropolog-io. 463 bereclmungen keinen Unterschied, ob bei der einzelnen Leiche die Varie- tät einseitig oder beiderseitig vorkonamt. Wir dagegen müssen es als durchaus irrationell bezeichnen, wenn z. B, angegeben wird, dass unter 100 Leichen 18 Leichen einen dreiköpfigen M. biceps brachii aufwiesen ; eine solche Berechnung hat keinen Werth, es muss vielmehr angegeben werden, dass, wie im hier gewählten Beispiel, von 100 Mm. bicipites 12 drei- köpfig waren. — Noch in den neuesten Angal)en der jetzt betriebenen englischen Sammelforschung begegnen wir bei Varietäten paariger Gre- bilde der Angabe, dass sie bei so und soviel "/o )?of subjects" vorkäme. Solche fundamentalen Mängel mussten uns natürlich davon Abstand nehmen lassen, derartige Angaben zur Vergleichung heranzuziehen. Auf die Benutzung anderer Angaben haben wir verzichten müssen, weil aus dem Zusammenhang hervorging, dass man die Häufigkeit nach der Zahl der benutzten Leichen und der der uotirten Abweichungen berechnet hatte. Nur wo auch die normalen Fälle besonders notirt werden, nicht nur die abweichenden, kann eine zuverlässige Statistik zu Stande kommen. — Gehen wir nunmehr zu den Ergebnissen unserer Sammelforschung über. Wir werden im Folgenden die drei je zweijährigen Perioden mit den Ziftern I, II, III bezeichnen, das Schlussergebniss am Ende der zweiten Periode als I -j- II , das am Ende der dritten als I — III (=^I + II + III). No. 1. M. Sternalis. Derselbe war vorhanden: I. in loo Fällen 3 mal = 3,0 % II. „ 138 „ I „ = 0,7 % in. „ 100 „ 7 :, = 7,0 ".'0 Die wachsende Reihe ergab also : l. in 100 Fällen 3 mal = 3,0 **/o T.+Il. ., 238 „ 4 „ = 1,7 "/o I. -III. „ 338 „ II „ = 3,8 »/o Wie man sieht, ist die Constanz noch sehr gering. Es dürfte dies aber nicht überraschen bei der absoluten Seltenheit des Vorkommens; denn eine Mischung ganzer Gebilde wird natürlich um so unvollkomme- ner sein, wenn das Verhältniss beider Bestandtheile ein sehr verschiede- nes ist, und ein um so vollkommenere, je mehr beide Bestandtheile gleichstark vertreten sind. Die Häufigkeit scheint bei beiden Geschlechtern die gleiche zu sein : Männer: in 239 Fällen 8 mal = 3,3 0/0 Weiber: „99 „ 3 „ = 3,0 <*/o Diese Uebereinstimmung kann indessen ebensogut eine zufällige sein, da entschieden die untere Grenze der für constante Werthe erforder- lichen Menge noch nicht erreicht ist. Es bleibt also das Ergebniss weiterer Untersuchungen abzuwarten. MorpUolog. Arbeiteu lirsg. v. G. Schwulbe. III. 30 4fi4 /o I. + II. ., 352 „ 40 „ ==11,4 "/o I. — III. „ 519 „ 57 n = 11,0 «/o Zählen wir dagegen alle überzähligen Biceijsköpfe, so erhalten wir: I. in 159 Fällen 28 überzählige Köpfe = 17,6 % iL .. 193 „ 19 „ ,. == 9,8 % III. „ 167 ., 19 „ „ = 11,4 % und als Werthe der wachsenden Reihe : I. in 159 Fällen 28 überzählige Köpfe — 17,6 **;„ J. + II. ., 352 - 47 „ „ = 13,4 "/„ L — III. ., 519 ., 66 „ „ = 12,7 «/y Bei beiden Zählungen erweist sich die Constanz als durchaus be- friedigend. Bei Trennung nach dem Geschlecht ergab sich ein häutigeres Vor- kommen bei den Männern. Ein dritter Kopf aus dem M. brach, int. fand sich bei Männern: in 345 Fällen 40 mal = 11,6 °o „ Weibern: „ 174 „ 17 „ = 9,8 **/(» Die oben erwähnten weiteren überzähligen Köpfe fanden sich fast ausschliesslich bei ]\Iännern , so namentlich die drei Fälle von vier- köpfigem Biceps; nur in je einem Falle entsprang beim Weibe ein •) Darunter einmal neben einem accessorischen Kopf aus dem M. brachialis internus ! Varietäten-Statistik und Anthropologie. 467 dritter Bicepskopf aus dem M. coracobrachialis resp. von der Bndsehne des M. pectoralis major. Rechnen wir also alle überzähligen Köpfe schlechthin, so wird das Uebergewicht des männlichen Geschlechts noch etwas grösser. Es fanden sich bei Männern in 345 Fällen 47 überzählige Köpfe = 13,6 "/o „ Weibern ,, 174 ,, 19 „ ,, = 10,9 <>/(, An diesem Resultate könnte uns höchstens das überraschen, dass die Differenz nicht grösser ist. Wenn wir diesen Unterschied aber mit der stärkeren Entwicklung und der intensiveren Arbeitsleistung in Ver- bindung bringen, so muss es uns nunmehr aufs höchste überraschen, wenn wir sehen, wie es der linke, und nicht der rechte Arm ist, der die häufigsten überzähligen Köpfe aufweist: rechts: in 256 Fällen 26 überzählige Köpfe = 10,2 % links: „ _263_ ., _40_ ., „ = 15,2 X Sa. „ 519 „ 66 „ „ = 12,7 0/0 Ja, nehmen wir nur die paarigen Fälle — 225 Leichen — so tritt die Differenz noch schärfer hervor : rechts: in 225 Fällen 22 überzählige Köpfe = 9,8 "/^ links: „ 225 „ 36 „ „ = i6,0 "'/o Sa. „ Tsö" „ ^F „ „ = 12,9 »/o Ein höchst auffallendes Ergebniss, das zu weiteren Untersuchungen auffordern musste! Da die Constanz der Werthe genügend gesichert erscheint, so musste versucht werden, weiteren Einzelheiten nachzugehen, und da war es natürlich das erste, das Verhalten l)ei beiden Geschlechtem zu prüfen. Dabei fand sich a, bei Männern rechts: in 172 Fällen 21 überzählige Köpfe = 12,2 ^',q links: „ 173 „ 26 „ „ = 15,0 0/0 b, bei Weiliern rechts: in 84 Fällen 5 überzählige Köpfe = 5,9 "0 links: „ 90 „ 14 ,, ,. = 15,6 "0 Ueberzählige Bicepsköpfe kommen also am linken Arm bei bei- den Geschlechtern gleich häufig vor! am rechten Arm dagegen beim Manne etwas weniger, beim Weibe sehr viel weniger häufig. Vielleicht werden die Verhältnisse etwas schärfer präcisirt, wenn wir nur die paarigen Fälle berücksichtigen. Unter den 225 Leichen (147 M. u. 78 W.) war der M. biceps beiderseits zweiköpfig bei 185 (121 M. u. 64 W.), beiderseits dreiköpfig bei 13 (11 M. u. 2 W.), bei- derseits vierköpfig bei 1 (M.); rechts vierköptig, links dreiköpfig bei 1 (M.), rechts dreiköpfig, links zweiköpfig bei 5 (4 M. u. 1 W.), rechts zwei- köpfig, links dreiköpfig bei 20 (9 M. u. 11 W.)! Also: a, bei Männern rechts: in 147 Fällen 19 überzählige Köpfe = 12,9 "„ links: „ 147 •. 23 „ „ = 15,6 % Sa. ,, 294 „ 42 „ „ = 14,3 % 4JiH <' Schwalbe und W. l'lit/.nor. I), hei Weibern rechts: in 78 Fällen 3 überzählige Köpfe = 3,8 ",„ links: „ 78 „ JJ_ ■■ ,, = 16,7 % Sa. „ 156 „ 1(1 „ = 10,3 "/o Das ergiebt mit abgeriiudeteu Zahlen folgende Reihenfolge in der Häufigkeit überzähliger Bicepsköpfe : Männer, beide Arme: 14 \ Weiber, beide Arme : 10 "/„ "Weiber, linker Arm: 17 "/f, Männer, linker Arm: 16 % Männer, rechter Arm: 13 '% Weiber, rechter Arm : 4 "/„ Nach unseren Erfahrungen sind diese Durchschnittswerthe bereits stabil genug, um eine Aenderung dieser Reihenfolge durch die Fort- setzung der Statistik als ausgeschlossen erscheinen zu lassen. Erklä- rungsversuche irgendwelcher Art, nanientlicli solcher auf functioneller Basis, dürften vorläufig wenigstens gänzlich aussichtslos sein. — No. 5. M. palmaris longus. Die Varietäten dieses Muskels bestehen darin, dass a, derselbe ru- dimentär wird, sich aber im übrigen normal verhält; b, dass er mit langer Ursprungssehne entspringt, sodass sein Muskelbauch ganz distal zu liegen kommt; c, dass er gänzlicli fehlt.*) I. In 160 Fällen: normal, aber schwach 2 mal = i,3 %; Bauch distal 5 mal = 3,1 %; fehlend 43 mal = 26,9 "'„. II. In 192 Fällen: normal, aber schwach 5 mal = 2,6 '■\,; Bauch distal 3 mal = 1,6 ^'n,; fehlend 34 mal = 17,7 ",„. III. In 168 Fällen: normal, aber schwach o mal — o ^y^,; Bauch distal 4 mal = 2,4 %,; fehlend 29 mal = 17,3 %. Constauz der wachsenden Reihe: I. In 160 Fällen: normal, aber schwach 2 mal = i,3 "/„; Bauch distal 5 mal = 3)1 'Vo! fehlend 43 mal = 26,9 *'„. I.-j-II. In 352 Fällen: normal, aber schwach 7 mal ■= 2,0 "oj Bauch distal 8 mal = 2,3 "/f,; fehlend 77 mal = 21,9 "/„. I. — III. In 520 Fällen: normal, aber schwach 7 mal =: i,3 "/„; Bauch distal 12 mal = 2,3 ",f,; fehlend 106 mal = 20,4 ";,i- Wie man sieht, beginnen die Mittelwerthe constant zu werden, aber sie sind es durchaus noch nicht so, wie mau es nach der Zahl der Fälle und, was das gänzliche Fehlen anlangt, nach dei- beträchtlichen Häufigkeit erwarten duifto. ') Verdopplunj,' des Muskels rcsp. seiner Endsehne haben wir früher einige- mal beobachtet. Unter den auf den Zählkarten eingetragenen Fällen befindet sich einer, bei dem die beiden Varietäten a) und b) vereinigt waren; ausser einem ru- dimentären aber normal verlaufenilen 3Iiiskel fand sich ein zweiter, dessen ziemlich mächtiger Bauch ganz distal lag. Varietäten-Statistik und Anthropolugic. 4(^9 AVesentlichc Unterschiede zwiaclien beiden Geschlechtern sind noch nicht zu constatiren: Männer: in 344 Fällen normal, aber schwach 5 mal = 1,4 "/(,; Bauch distal 10 mal — 2,9 ** ;p ; fehlend 66 mal = 19,3 <>/o. Weiber: in 176 Fällen normal, aber schwach 2 mal — 1,1 %; Bauch distal 2 mal = 1,1 "/o! fehlend 40 mal = 22,7 "/o- Denn wenn oben die Coustanz noch so schwankend war, können wir hier eine Difiereuz von 1,6 resp. 3,o7o iioch nicht als feststehend ansehen. Fassen wir alle drei Abweichungen zusammen, so erhalten Avir noch geringere Unterschiede : Männer: in 344 Fällen anomal 81 mal = 23,5 "/„ Weiber: „ 176 „ „ 44 „ := 25,0 "/„ Auch z'wischen rechter und linker Seite erhalten wir keine wesent- lichen Unterschiede: rechts: in 257 Fällen normal, aber schwach 4 mal — 1,6 ^/„; Bauch distal 4 mal = 1,6 %; fehlend 53 mal = 20,8 "/„. links: in 263 Fällen normal, aber schwach 3 mal = 1,1 ",„; Bauch distal 8 mal = 3,0 "/„; fehlend 53 mal = 20,2 "/o- Oder, wenn wir wieder zusammenfassen: rechts: in 257 Fällen anomal 61 mal = 23,7 "/<, links: „ 263 „ „ 63 „ = 24,0 "/o Berücksichtigen wir nur die beiderseits untersuchteu Leichen (225), 80 erhalten wir : rechts: in 225 Fällen normal, aber schwach 3 mal = i,3 ^j^; Bauch distal 4 mal = 1,8 "'„; fehlend 45 mal = 20,0 '"„. links: in 225 Fällen normal, aber schwach 3 mal = 1,3 "/„; Bauch distal 8 mal = 3,6 **/„; fehlend 43 mal — 19,1 '^"„. Sondern wir die paarig untersuchten Leichen, wozu uns die oben (S. 36) gemachten Beobachtungen auffordern, nach dem Geschlechte, so erhalteu wir : Bei 147 Männern normal aber schwach beiderseits 2 mal ; Bauch distal rechts 3, links 7 mal; fehlend rechts 27, links 25 mal. Bei 78 Weibern normal aber schwach beiderseits 1 mal ; Bauch distal bei- derseits Imal; fehlend Ijeiderseits 18 mal. Hier sind also bei den Männern Difterenzen betr. der zweiten und dritten Ab^\ eichungsart an- gedeutet; aber so schwach, dass zum mindesten noch grössere Zahlen- reihen abgewartet werden müssen, ehe sie als feststehend betrachtet werden könnten. — No. 6. M. psoas minor. Dieser Muskel fehlte gänzlich: I. In 155 Fällen 72 mal — 45,8 " II. ., 217 „ 135 n = 62,6 % m. „ 189 „ iii „ = 58,7 % 470 <^T. Schwalbe und W. FHtzner. Constanz der wachsenden Reihe : I. In 155 Fällen 72 mal = 415,8 "/„ I. + II. „ 372 „ 207 „ = 55,7 0/0 I.-III. „ 561 „ 318 „ = 56,7 o/„ Der Mittelwerth ist also bereits constant geworden. Unterschiede nach dem Gesclilecht liegen ebenfalls nicht vor: Männer: in 386 Fällen 219 mal = 56,7 '% Weiber: „ 175 „ 99 „ = 56,6 % Wir haben die letzteren Werthe auf ihre Constanz geprüft, indem wir das ganze Material in zwei ungefähr gleich grosse Hälften theilten : Männer: in 201 Fällen 104 mal = 51,7 % Sa. , „ 185 , , 386 , 115 „ 219 ,, . = 62,2 % = 56,7 % Weiber: , , 88 , 50 „ = 56,8 % Sa. „ _87. , „ 175 49 „ 99 n ■ = 56,3 % = 56,6 % Wie beim M. pyramidalis (s. S. 464) können wir auch hier eine viel regelmässigere Vertheilung, eine viel früher eintretende Constanz für das weibliche Geschlecht constatiren. Unterschiede zwischen rechts und links fehlen ebenfalls: rechts: in 288 Fällen 165 mal = 57,3 "/o links: „ 273 „ 153 „ = 56,0 % Berücksichtigen wir nur die paarweise untersuchten Fälle, so wird die Differenz noch geringer : beiderseits vorhanden bei 99 Leichen (68 M. u. 31 W.): beiderseits fehlend bei 125 Leichen (87 M., 38 W.); nur rechts vorhanden bei 12 Leichen (^8 ]\r., 4 AV,); nur links vorhanden bei 13 Leichen (9 M., 4 W.). No. 7. M. piriformis. Dieser Muskel wurde vom N. peroneus durchbohrt^): I. In 156 Fällen 30 mal = 19,2 % II- „ 212 „ 36 „ ^ 17,0 % Iir. „ 187 „ 44 „ = 23,5 «/„ Constanz der wachsenden Reihe: I. In 156 Fällen 30 mal = 19,2 % I+II. „ 368 „ 66 „ = 17,9 "1 I-III. .. 555 „ 110 „ = 19,8 % Die Constanz des Mittolwcrths erscheint noch nicht recht gesichert. Deshalb können wir vorläufig noch wenig Werth darauf legen, wenn eine *) Wir beobachteten einen Fall , in dem der Muskel einen entsprechenden deutlich ausgebildeten Schlitz aufwies, der N. ischiaticus aber ungetheilt am unteren Rande des Muskels heraustrat; ferner mehrere Fälle, in denen N. tibialis und N. peroneus bei ihrem Austritt aus dem Becken bereits getrennt waren, aber beide am unferon Rande des M. pirifnnnis liorvortraten. Varietäten-Statistik und Anthropologie. 47 1 Trennung nach dem Geschlechte eine an sich beträchtliche Differenz ergiebt. Männer: in 379 Fällen 63 mal = 16,6 "/„ Weiber: „ 176 „ 47 ,, = 26,7 "/„ umsoweniger als diese Mittelwerthe sich ebenfalls als noch recht wenig constant erweisen : Männer: in 199 Fällen 26 mal = 13,1 "/o .. ^80 „ ^ „ = 20,6 % Sa. „ 379 „ 63^ „ = 16,6 % Weiber: „ 86 „ 19 „ = 22,1 \ „ _9o^ „ ^8_ „ = 31,1 % Sa. „ 176 „ 47 „ = 26,7 "/„ Bei aller Unsicherheit ist jedoch nicht zu verkennen, dass ein aus- gesprochener Häufigkeitsunterschied zu Gunsten des weiblichen Ge- schlechts besteht. Ein gleicher scheint auch zu Gunsten der rechten Seite zu bestehen: rechts, in 289 Fällen 61 mal == 21,1 "/^ links: „ 266 „ 49 „ = 18,4 % Noch grösser wird dieser Unterschied, wenn wir nur die paarigen Fälle berücksichtigen. Unter 241 Leichen (166 M. u. 75 W.) war der Muskel beiderseits normal bei 171 (123 M. u. 48 W.) ; beiderseits durch- bohrt bei 25 (12 M. u. 13 W.); nur rechts durchbohrt bei 27 (21 M. u. 6 W.) ; nur links durchbohrt bei 18 (10 M. u. 8 W). Also : rechts: in 241 Fällen 52 mal = 21,6 "/o links: „ 241 „ 43 „ = 17,8 % Untersuchen wir, wie sich die beiden Geschlechter an diesem Ueber- wiegen des Vorkommens auf der rechten Seite betheiligeu, wobei wir nur die paarigen Fälle berücksichtigen : Männer: rechts in 166 Fällen 33 mal = 19,9 % links „ 166 ,, 22 „ = 13,3 "/'„ Sa. „ 332^ „ lY „ = 16,6 ♦»/,, Weiber: rechts „ 75 ,, 19 „ = 25,3 "/<. links „ 75 „ 21 „ = 28,0 % Sa. ,, 150 ,, 40 ., = 26,7 % Wenn die Mittelwerthe gesichert wären, würden wir hier ähnliche Verhältnisse zu constatiren haben, wie beim M. liiceps (s. oben S. 468). (3b die Mittelwerthe aber jetzt bereits constant sind, kann nur die Fort- führung der Statistik erweisen; wahrscheinlich gemacht wird es immer- hin schon durch die Uebereinstimmuug der männlichen und der weib- lichen Mittelwerthe ohne resp. bei Fortlassung der einseitig beobachteten Fälle : Männer: in 379 Fällen 63 mal = 16,6 "„ .. 332 » 55 - = 16,6 "/o Weiber: ,, 176 „ 47 „ = 26,7 "„ „ 150 „ 40 „ = 26,7 "/o 472 ^ »chwalbf und W. Pfitzner. No. 8. M. quadratus femoris. Das Fehlen dieses Muskels ist selten ; desto überraschender die be- reits erreichte Constanz : 1. In 155 Fällen 2 mal = 1,3 "/„ II. „ 212 „ 6 „ = 2,8 »,' III. „ 187 „ 5 .. == 2,7 % Constanz der wachsenden Reihe : I. In 155 Fällen 2 mal ^ i,3 7f I. + Il. „ 367 n 8 „ = 2,2 % I.-III. „ 554 „ 13 >. -= 2.3 % Unterschiede nach dem Geschlecht scheinen nicht vorzuliegen. Männer: in 379 Fällen 9 mal = 2,4 ",'0 Weiber: ,, 175 „ 4 „ = 2,3 "/„ Dagegen ist ein häutigeres Fehlen auf der rechten Seite auge- deutet : rechts: in 288 Fällen 9 mal = 3,1 % linke: ,: 266 „ 4 „ = 1,6 'Vo Bei 240 beiderseits untersuchten Leichen fehlte der Muskel beider- seits bei 3 (2 M. u. 1 W.), nur rechts bei 4 (3 M. u. 1 W.), nur links bei 1 Leiche (1 M.). — No. 9. M. plantaris. Auch hier, wo es sich ebenfalls um ein wenig häufiges Vorkomm- niss, das gänzliche Fehlen, handelt, muss die bereits erreichte Constanz überraschen. Der Muskel fehlte: I. in 123 Fällen 6 mal = 4,9 **(„ II. „ 211 „ III. „ 186 „ Constanz der wachsenden Reihe : I. in 123 Fällen I. + II. „ 334 „ I. — III. ., 520 Geschlechtsunterschiede scheinen nicht vorzuliegen Männer: in 350 Fällen 22 mal = 6,3 7„ Weiber: ,, 170 .. 10 „ = 5,9 % Der hier etwa augedeutete Unterschied wird ganz wesenlos bei einer Constanzprüfung : Männer in 173 resp. 177 Fällen 5,8 resp. 6,8"/„, Weiber in 78 resp. 92 Fällen 2,6 resp. 8,7%. Dagegen scheint der Muskel etwas häutiger auf der linken Seite zu fehlen als auf der rechten : rechts: in 263 Fällen 14 mal = 5,3 "jf, links: „ 257 „ 18 „ = 7,0 f/n Unter 224 beiderseits untersuchten Leichen fehlte der Muskel bei- derseits bei 8 (6 M. u. 3 W.); nur rechts bei 3 (1 M. u. 2 W.); nur 14 „ = 6,G % 12 „ = 6,5 "/- 6 mal — 4,9 0 20 „ = 6,0 0; 32 ., = 6,2 \ Varietäten-Statistik und Anthropologie. 473 links bei 6 (5 M. u. 1 W.). Darnach würde das häufigere Fehlen auf der linken Seite hauptsächlich auf Rechnung des männlichen Geschlechts kommen : Männer: rechts in 155 Fällen 6 mal = 3,9 % links „ 155 ,, 10 „ = 6,5 "/^ Weiber: rechts „ 69 „ 5 „ = 7,2 "/„ links „ 69 „ 4 n = 5,8 % Aber die Gesammtzahlen sind angesichts der Seltenheit des Fehlens zu klein, um hierin einen Unterschied als bereits gesichert ansehen zu können. — No. 10. M. peroneus tertius. Es fehlte dieser Muskel : I. In 134 Fällen 11 mal = 8,2 % IL „ 214 ,. 18 „ = 8,4 % III. „ 189 „ 15 „ = 7,9 % Constauz der wachsenden Reihe: I. In 134 Fällen 11 mal = 8,2 "/o I. + II. n 348 „ 29 „ = 8,3 % I.-III. „ 537 „ 44 „ = 8,2 %, Wiederum eine überraschend grosse Constanz. Die Trennung nach den Geschlechtern ergab: Männer: in 363 Fällen 24 mal = 6,6 *% Weiber: „ 174 „ 20 „ = ii,5 7o Eine ziemlich beträchtliche Differenz, deren Prüfung auf Constanz erforderlich erschien. Dieselbe ergab: Männer: in 183 Fällen 12 mal — 6,6 "j^ Sa. „ 180 „ 363 12 , „ 24 , , = 6,7 »0 , = 6,6 % Weiber: „ 82 „ II , , = 13,4 %, Sa. „ 92 „ 174 9 „ ,, 20 ,. = 9,8 % . =11,5 "'„ Obgleich hier die Constanz bei den weiblichen Fällen noch nicht ganz gesichert ist, können wir doch bereits einen wesentlich höheren Procentsatz beim weiblichen Geschlecht als feststehend ansehen. Ein Unterschied zwischem rechten und linkem Bein besteht da- gegen nicht: rechts: in 273 Fällen 21 mal = 7,7 % links: ,. 264 „ 23 „ = 8,4 **/„ Gänzlich schwindet der hier noch bestehende geringfügige Unter- schied, wenn wir nur die paarigen Fälle berücksichtigen: Unter 229 Leichen (156 M. u. 73 W.) fehlte der Muskel beiderseits bei 13 (6 M. u. 7 W.): nur rechts bei 6 (4 M. n. 2 W.): nur links bei 6 (4 31. u, 2 W.). - 474 ö. Schwalbe und W. Pfitzner. No. 11. M. flexor digitorum pedis brevis. Die Portiou dieses Muskels, die zur fünften Zehe zieht, kann gut entwickelt oder schwach sein oder gänzlich fehlen. Dementsprechend haben wir die drei Rubriken „stark-', „schwach^' und „fehlend-' gewählt. Diese drei Kategorien gehen al)er bei diesem Muskel continuirlich in einander über, während wir l)ei andern Muskeln meistens schärfere Grenzen haben: z. B. ein M. pyramidalis, ein M. psoas minor sind entweder vorhanden und alsdann gutentwickelt, oder sie fehlen gänzlich ; die Fälle, in denen solch Muskel bis an die Grenze der Wahrnehmbar- keit rudimentär wird, sind verschwindend selten und für die Rechnung ohne Belang. Bei dem vorliegenden Muskel hingegen ist die Abgren- zung der einzelnen Kategorien eine rein willkürliche, den Momenten subjectiver Auffassung unterworfene, und es kann uns höchstens wundern, dass überhaupt eine gewisse Constanz eingetreten ist. Die zur fünften Zehe ziehende Portion ^) war : I. In 132 Fällen stark 29 mal = 22,0 **/„; schwach 78 mal = 59,1 "/o; fehlend 25 mal = 18,9 o/„. II. In 214 Fällen stark 35 mal = 16, 4 %; schwach 138 mal = 64,5 "/V,; fehlend 41 mal :^ 19,2 "/o- III, In 194 Fällen stark 0 mal = 3,1 ";„; schwach 119 mal = 61,3 ",„-, fehlend 69 mal = 35,6 "'„ Constanz der Avachsenden Reihe : I. In 132 Fällen stark 29 mal — 22,0 "„; schwach 78 mal = 59,1 "„; fehlend 25 mal — 18,9 "(.• I. + II. In 346 Fällen stark 6) mal 18,.') '\,; schwach 216 mal = 62,4 "/„; fehlend 66 mal = 19,1 "„. I. — III. In 540 Fällen stark 70 mal = 13,0 "„; schwach 335 mal = 62,0 "„; fehlend 135 mal = 25,0 "/„. Nach dem Geschlecht geordnet: Männer: in 367 Fällen stark 60 mal — 16,3 "oj schwach 226 mal = 61,6 "„; fehlend 81 mal = 21,8 "„. Weiber: in 173 Fällen stark 10 mal = 5,8 '%,; schwach 109 mal = 63,0 ",„; fehlend 54 mal = 31,2 "/o. Es geht daraus das von vorne herein zu erwartende Resultat hervor, dass beim weiblichen Geschlecht die betr. Portion viel seltener gut ent- wickelt ist und viel häufiger fehlt, als beim männlichen; aber erst weit grössere Untcrsuchungsrcihcn, welche das subjective ^Moment mehr aus- gleichen, werden uns erlauben, diese Verhältnisse in concreten Werthen auszudrücken. ^) Es ist dabei kein Unterschied gemacht worden, ob diese Portiou sich vor- schriftsmässig vom gemeinsamen Bauch des kurzen Beugers .ablöste, oder ob sie, wie nicht selten, selbstständig von der Endsehne des M. flexor dig. longus etc. entsprang. Varietäten-Statistik und Anthropologie. 475 Unterschiede zwischen beiden Körperhälften (der grösseren Grenauig- keit halber sind nur die paarigen Fälle berücksichtigt ; da in der Regel rechtes und linkes Bein zu ungefähr derselben Zeit präparirt und die Be- funde notirt wurden, so fällt hier das subjective Moment mehr fortj : rechts: in 231 Fällen stark 28 mal = 12,1 ",„; schwach 151 mal = 65,4 "/„; fehlend 52 mal = 22,5 "/„. links: in 231 Fällen stark 27 mal = ii,7 "/„; schwach 143 mal = 61,9 \; fehlend 61 mal = 26,4 **/„. Angedeutet ist hierin, dass die Portion am linken Fuss häufiger gänzlich fehlt als am rechten. Es tritt dies noch deutlicher hervor, wenn wir die einzelnen Leichen betrachten. Unter 231 Leichen fand sich gleiches Verhalten beiderseits bei 165, und zwar: beiderseits stark bei 15, beiderseits schwach bei 116, beiderseits fehlend bei 34 Leichen; ungleiches Verhalten bei 66, und zwar: rechts stark, links schwach bei 11, rechts schwach, links stark bei 10; rechts stark, links fehlend bei 2, rechts fehlend, links stark bei 2 ; rechts schwach, links fehlend bei 25, rechts fehlend, links schwach bei 16 Leichen. Also nur die letzte Ka- tegorie weist einen merklichen Unterschied auf: gegenüber 16 maligem Fehlen auf der rechten Seite findet sich 25 maligem Fehlen auf der linken. In Bezug auf die Verschiedenheiten zwischen beiden Körperhälften schienen beide Geschlechter sich gleich zu verhalten. — No. 12. Arteria carotis communis. Die Theilung derselben war kandelaberförmig (nicht, wie in der Mehrzahl, spitzwinklig) : I. In 104 Fällen 22 mal = 21,2 ",o II. „ 168 „ 30 „ = 17,9 •>;„ III. „ 149 n 38 „ = 25,5 % Constanz der wachsenden Reihe: I. In 104 Fällen 22 mal = 21,2 '% l. + II. „ 272 „ 52 „ = 19,1 'Vo I. — III. „ 421 „ 90 „ = 21,4 "/„ Die Constanz des Mittelwerthes ist also einigermaassen befriedigend. Prüfung des Verhalten bei beiden Geschlechtern: Männer: in 292 Fällen 69 mal = 23,0 "/^ Weiber: ,, 129 ,, 21 „ = 16,3 "/o Eine wesentliche Differenz, die aber erst noch auf ihre Constanz geprüft werden muss : Männer: in 144 Fällen 26 mal = 18,1 "'g " 148^ „ ^3_ ., = 29,0 % !Sa. „ 292 „ 69 „ = 23,6 "/o Weiber: in 65 Fällen 11 mal = 16,9 % „ _64^ „ _io_ „ = i5,ß 0^ Sa. „ 129 „ 21 „ = 16,3 «0 47<) ^ Schwalbe und W. Pfitzner. "Wiederum ist die Constanz l)ei den weiblichen Fällen viel frülier erreicht als bei den männlichen, bei denen sie trotz mehr als doppelt so hoher Gesamnitzahl noch nicht sichergestellt ist. Immerhin können wir schon erkennen, dass eine kandelaberförmige Theilung beim Manne häutiger vorkommt als beim Weibe. Verhalten auf beiden Körperhälften: Unter 175 Leichen (121 M. u. 04 W.) war die Theilung beiderseits spitzwinklig bei 137 (91 M. u. 4G W.), beiderseits kandolaberförmig bei 29 (23 M. u. 6 W.), also beiderseits gleich bei 166 Leichen. Bei 9 Leichen war die Theilungs- form als verschieden notirt: bei 5 M. n. 1 W. rechts spitz, links kande- laberföraiig und bei 2 M. u. 1 W. umgekehrt. Dieser Mangel an über- einstimmendem Verhalten, der sich ja auch bei nur 5 *' /(, der Fälle ange- geben findet, ist möslicliorweise theilweise oder ganz auf Unsicherheit in der Bestimmung zurückzuführen. — No. 13. Arteria laryngea superior. Dieselbe entsprang : I. In 27 Fällen aus A. thyr. sup. 14 mal = 51,9 ",,,; aus A. carot. ext. 10 mal — 37,0 •*/,/) II. „49 ,• . . . .. 35 ,. =7i>4'7o; . „ „ .: 13 „ =26,5«/o«) in. „ 56 „ „ „ „ „ 43 ,- =76:80/0; „ „ „ „ 9 » =i6,l%') Constanz der wachsenden Reilie: I. In 27Fällen aus A. thyr. sup. i4mal — 51,9 ",,; aus A. carot. ext. lomal = 37.0"/.» I.+II. „ 76 „ „ „ „ „ 49 ,, =64,5%; „ „ „ „ 23 „ =30,3«/o 1- — III- >5 132 n n n n n 92 „ =69,7*',,; „ „ „ n 32 „ =24,2% Eine gewisse Constanz beginnt hervorzutreten, ist aber entschieden noch ungenügend. — No. 14. Arteria radialis. Hoher Ursprung derselben bestand: I. In 57 Fällen i mal = i,8 \ n. „65 „ 7 „ = 10,8 %, III- » 75 „ 6 „ == 8,0 % Constanz der wachsenden Reihe: I. In 57 Fällen i mal = i,8 % I. + II. „ 122 » 8 » = 6,6 % I.-III. „ 197 » 14 )i = 7,1 % Die Reihe ist noch durcliaus ungenügend. — ^) ausserdem aus: A. maxill. ext. i mal; A. ling. i mal; A. carot. comm. i mal ") » » ») » » *-• H » n ' » >) n n ^ n n « it » )) '^ n »1 w 4 )) » n n ° » Varietäten-Statistik und Anthropologie. 477 No. 15. Arteria ulnaris. Hoher Ursprung derselben bestand: I. In 57 Fällen i mal == i,8 % II. „ 65 „ o „ = o III- „75 « 2 „ = 2,7 «/„ Constanz der wachsenden Reihe: I. In 57 Fällen i mal = 1,8 "/o I.+II. „ 122 „ I „ =- 0,8 "/„ I. — III. „ 197 „ 3 „ = 1,5 %) Ebenfalls. — No. 16. Arteria mediana. Diese Arterie war stark entwickelt : ^) I. In 57 FällcTi I mal = 1,8 %, II. „ 65 „ 5 » = 7,7 X III. „75 „ I „ = 1,3 "/u Constanz der wachsenden Reihe: I. In 57 Fällen i mal = 1,8 "/„ L + II. „ 122 „ 6 „ = 4,9 0/0 I.-III. „ 197 . 7 „ = 3,6 '•/o Ebenfalls. — No. 17. Arteria obturatoria. Dieselbe entsprang aus : I. In62 Fäll, aus A. hypogstr. 39 mal = 62,9 "/o ; aus A. epigstr. inf. 23 ma =^ 37,1 % II. „ 99 „ „ „ „ 81 „ -8i,8ö/o; „ « „ „ 18 „ =18,2% in. „ 135 „ „ „ >: 90 „ =66,7''/„; „ „ „ „ 43 ;, =3I,9"/ü') IV.'0„ 63 „ „ „ „ 31 „ =49,2%.; „ „ „ „ 29 „ =46,0%*) Constanz der wachsenden Reihe: I. In 62 Fällen aus A. hypogstr. 39 mal = 62,9 % ; aus A. epigstr. 23 mal = 37,1 "/„ I.u.II. „ 161 „ „ „ „ 120 „ =74,50,0; „ „ „ 41 „ =25,5% I.— m. „ 296 „ „ „ „ 210 „ =70,90/0; „ „ „ 84 „ =28,40/0 I.-IV. „ 359 „ „ „ „ 241 „ =67,l%[ „ „ „ 113 „ =31.50/0 Wie man sieht, ist die Constanz durchaus noch nicht gesichert. Zerlegen wir die Fälle so erhalten wir: *) jedoch ohne jemals in die Hand einzutreten. 2) Vor Beginn dieser Statistik gesammelte Fälle, die hier mit aufgenommen wurden, um für die weiter unten vorzunehmende Vergleichung möglichst grosse Zahlen zu haben. ^) Ausserdem 2 mal direct aus A. iliaca externa ) n 3 » n » n n » 478 ^^ Schwall ip und W. Pfitzner. Männer : in 265 Fäll, aus A. hypogstr. 1 82 mal = 68,7 " (, ; au3 A. epigstr. 78 mal = 29,4 "/o ') Weiher: „ 94 „ „ >: „ 59 „ =62,80/0; „ „ „ 35 „ =37.2°/o Ein weseutlichor Uaterschied, den wir deshalb auf seine Constanz prüfen müssen: Männer: in 1 29 Fäll, aus A. hypogstr. 97 mal = 75,2 "/oi a"sA. epigstr. 30 mal = 23,3 "/^ ") „ 136 „ „ „ „ _85_„ ^^2,b%; „ „ „ 48 „ =35.2";o') Sa. „ 265 „ „ „ „ 182 „ =68,70/0; „ „ „ 78 „ =29,4"/,, Weiber:,, 47 ,, « « « 28 „ =59,6"/o; „ „ „ i9 „ =40,40/0 „ 47 „ „ „ „ JL " =66,00/,,; „ „ „ 16 „ =34,00/0 Sa. „ 94 « ,, n « 59 „ =62,80/,,; .. „ „ 35 „ =37,2 7,. Die Constanz ist nichts weniger als befriedigend; aber wiederum auffallend ist es, dass der Mittelwerth beim weiblichen Geschlecht sehr viel weniger schwankt als beim Manne. Früher *) hatte sich bereits er- geben: beim Manne normaler Ursprung in 84 Fällen 39 = 46,4 ^q, in 83 Fällen 64 = 77,1 "^; beim Weibe in 22 Fällen 13 = 59,1 %, in 37 Fällen 25 = 67,6 %. Also beim Manne früher 46,4—77,1 %, jetzt 62,5 — 75,2 %; beim AVeibe früher 59,1 — 67,6 %, jetzt 59,6 — 66,0 %. Vergleichen wir jetzt die beiden Körperhälften mit einander (wir werden aus Bequemlichkeitsrücksichten nur die Zahlen füi- den Ur- sprung aus der A. hypogastrica anführen) : rechts: in 179 Fällen normaler Ursprung 126 mal = 70,4 o/^ links: „ 180 ,, „ „ 117 „ = 65,0 o/„ Früher '^) hatte sich bereits ein Unterschied herausgestellt : rechts in 115 Fällen 63,5 %, links in 111 Fällen 61.3 <>,,. Diese Differenz hat sich also verschärft. Die bei den Varietäten des M. biceps brachii, M. piriformis, M. plan- taris gemachten Beobachtungen veranlassten uns auch hier, die beiden Geschlechter zu trennen. Es ergab sich dabei: bei Männern: rechts in 133 Fällen norm. Urspr. 91 mal — 68,4 "/o links „132 „ „ „ 91 „ = 68,9 o/„ bei Weibern: rechts „ 46 „ „ „ 35 „ = 76,1 0/,^ links „ 48 „ „ „ 26 „ = 54,2 o/„ Nehmen wir, als vielleicht zuverlässiger, nur die paarigen Fälle, so erhalten wir: Von 167 Leichen (123 M. u. 44 W.) beiderseits nor- mal 92 (72 M. u. 20 W.), beiderseits anomal 27 (20 M. u. 7 W.) ; nur rechts normal 28 (15 M. n. 13 AV.), nur links normal 20 (16 M. u. 4 W.). Also: ^) Ausserdem 5 mal aus A. iliaca ext. ") » 2 „ „ „ „ „ ) ,1 3 !1 » « 11 » *) Pfitzner, lieber die Ursprungsverhältnisse der A. obturatoria (1. c.) S. 531. *) Pfitznek (1. c.) Varietäten-Statistik und Anthropologie. 479 Männer: rechts in 123 Fällen norm. Ursp. 87 mal = 70,7 % links „ 123 „ „ „ 88 „ --71,5 % Weiber: rechts „ 44 „ „ „ 33 „ = 75.0 "/., links „ 44 ,, „ „ 24 „ = 54,5 7o zusammen: rechts „ 167 „ „ „ 120 „ =: 71,9 % links „ 167 „ „ „ 112 „ = 67,1 0/0 Wenn wir die geringeren Difi'erenzen ausser Acht lassen, so können wir sagen, dass die Häufigkeit des anomalen Ursprungs beim Manne auf beiden Seiten gleich sei, beim Weibe auf der rechten Seite etwas ge- ringer, auf der linken Seite dagegen bedeutend grösser. — No. 18. Arteria poplitea. Eine hohe Theilung fand sich : I. In 53 Fällen 2 mal = 3,8 "/q II. „ 84 „ 3 „ = 3,6 "/o IIL „83 „ 2 „ = 2,4 \ Constanz der wachsenden Reihe: I. In 53 Fällen 2 mal = 3,8 % I. + II. „ 137 „ 5 „ = 3,6 % I.— III. „ 220 „ 7 „ = 3,2 \ Diese Constanz dürfte wohl durchaus genügen — wenn nicht die geringe Zahl der gesammten Fälle und die Seltenheit des Vorkommens überhaupt den Verdacht erwecken könnte, dass die Uebereinstimmung der Zahlen eine rein zufälhge wäre. Von den 7 Fällen fanden sich 6 rechts, 1 links. Doppelseitiges Vorkommen wurde nie beobachtet. Viermal (2 M. u. 2 W.) fand sich die Anomalie nur rechts, einmal (M.) nur links; zweimal (2 M.) rechts, während das Verhalten auf der linken Seite nicht festgestellt war. — No. 19. Arteria dorsalis pedls. Dieselbe entsprang aus der A. peronea: I. In 52 Fällen 2 mal = 3,8 % II. n 80 n 5 n = 6,3 ' /o III. n 81 n I n = 1,2 % Constanz der wachsend! en Reihe: I. In 52 FällcD 1 2 mal ^ 3,8 \ I. + II. ,1 132 ,5 7 ,) = 5,3 % L — III. „ 213 n 8 n = 3,8 % Wie man sieht, ist die Constanz des Mittelwerthes durchaus noch nicht genügend. Die Anomalie bestand nie beiderseitig. Sie fand sich rechts 3 mal, links 5 mal. Bei paarigen Fällen fand sie sich nur rechts 1 mal (1 W.), nur links 5 mal (4 M. u. 1 . W) ; 2 mal (1 M. u. 1 W.) wurde sie rechts Moxpholog. Arbeitea bieg. t. G. Schwalbe. III. 81 480 (^- Sch\vall)C iukI W. Pfitzner. gefunden, w.'ilirt'nd (l;is Verlialten auf der linken Seite niclit unter- sucht war. No. 20. Theilung der Aorta abdominalis. Als Theilungspunkt ist genommen der Scheitel des AVinkels, den die l)eiden Art. iliacae comm. mit einander bilden. Derselbe lag: . Lendenwirbels an der Mitte des 3- am unteren Rande „ 3- am oberen „ „ 4- an der Mitte „ 4- am unteren Rande „ 4. am oberen „ „ 5- an der Mitte „ 5- [. II. III. 1 I 1 4 8 4 5 9 6 [8 21 13 6 II 7 in 34 55 3i Fällen Oonstan/ der wachsenden Reihe I. I. + II. I .-III. Mitte des 3. Lendenw. — — I = 0,8 ",o unt. Rand „ 3- )? I = 2,9 "/„ 4 = 4,5 "/o 4 - 3,3 «/„ ob. Rand „ 4. >? 4 = 11,8 ";„ 12 = 13,5 % 16 = 13,3 "/.. Mitte „ 4. n 5 = 14,7 «/o 14 = 15.7 "/„ 20 = 16,7 % unt. Rand „ 4- r 18 =^ 52,0 % 39 = 43,8 % 52 = 43,3 % ob. Rand „ 5- !> 6 = 17,6 "/„ 17 = 19,1 "/o 24 = 20,0 »/o Mitte 5- n — 3 — :>A 0 in 34 89 1 3 = 2,5 % [2o Fällen Hier liat sich iU)erraschend früh eine Constanz eingestellt. Beim Anwachsen der Reihe von 34 auf 89 Fälle haben sich die Mittelwerthe nur wenig, beim weiteren Anwachsen fast gar nicht mehr geändert. — Zusammenfassung. Unsere Sammelforschung hat für die 20 zu Grunde gelegten Ab- weichungen bis jetzt ergeben : No. 1. Vorhandensein eines M. sternalis: in 338 Fällen ist die Constanz des gefundenen Mittelwerthes (cca. 3 ^Iq) noch nicht gesichert. TTnterschiede in Bezug auf Geschlecht und Körperhälfte nicht angedeutet. No. 2. Fehlen des M. p yramidalis: mit cca. 300 Fällen wird der Mittel werth bei cca. 13 % constant. Häufigeres Fehlen beim Manne als beim Weibe: cca. 14 "/o gegen 10 ^1^. Mittelwerth beim Weibe bereits bei etwa 100 Fällen constant geworden, dagegen beim Manne bei cca. 300 Fällen Constanz noch nicht ganz gesichert. Kein Unterschied zwischen rechter und linker Körperhälfte. No. 3. Mangelnde Selbstständigkeit des M. teres minor: erst bei 400 — 500 Fällen beginnende Constanz der ]\Iittelwerthe Varietäten-Statistik und Anthropologie. 481 für imvollkommene (cca. 1270) ocler gänzlich fehlende (cca. 13 7o) Selbst- ständigkeit. Kein Unterschied in Bezug auf Geschlecht und Körperhälfte. No. 4. Ueberzählige Köpfe des M. biceps brach ii : erst bei cca. 500 Fällen eintretende Constanz des Mittelwerthes für überzählige Köpfe (cca. 13 pro hundert Arme). Grössere Häufigkeit bei den männlichen als bei den weiblichen Fällen (cca. 14"/o:117o)? auf der linken als auf der rechten Seite (cca. 15 — 16 % : 10 7o)- Schliesslich gleiche Häufig- keit auf dem linken Arm bei beiden Geschlechtern ; dagegen am rechten Arm beim Manne eine etwas geringere, beim Weibe eine bedeutend ge- ringere Häufigkeit; jedoch ist für die Constanz der einzelnen Mittel- werthe hier noch erst durch Fortführung der Untersuchung der Nach- weis zu liefern. No. 5. Rudimentaerwerden des M. palmar is long us (in 3 Varianten) : bei cca. 500 Fällen beginnende Constanz des Mittelwerthes ; keine merklichen Unterschiede zwischen rechts und links, zwischen Männern und Weibern. No. 6. Fehlen des M. psoas minor: Bei etwa 300 Fällen wurde der Mittelwerth (cca. 57 7^) bereits constant. Kein Häufigkeits- unterschied zwischen beiden Geschlechtern ; beim weiblichen aber grössere Gleichmässigkeit der Mischung : früheres Constantwerden des Mittel- werthes. Kein Unterschied zwischen rechts und links. — No. 7. M. piriformis vom N. peroneus durchbohrt. Bei cca. 500 Fällen Constanz noch nicht ganz gesichert. — Bei Weibern häufiger als bei Männern; rechts häufiger als links, aber bei Weibern umgekehrt: aber die Mittelwerthe noch erst durch Fortsetzung der Untersuchung sicherer zu bestimmen. — No. 8. Fehlen des M. quadratus f e m o r i s ; Mittelwerth von cca. 400 Fällen an constant: cca. SVg *'/y. Kein Unterschied nach Ge- schlechts und Körperhälfte. — No. 9. Fehlen des M. plantaris: Mittelwerth von cca. 300 Fällen an constant: cca. 6%. Kein grösserer Unterschied zwischen bei- den Geschlechtern; dagegen selteneres Fehlen auf der rechten Seite, aber nur beim Manne, angedeutet. — No. 10. Fehlen des M. peroneus tertius: Sehr früh ein- tretende Constanz des Mittelwerthes : cca. 8 %. Viel häufigeres Fehlen beim Weibe als beim Manne: cca. 12 gegen 6'/2 7o' Dagegen kein Unterschied zwischen beiden Körperhälften. — No. 11. Rudimentärsein oder Fehlen einer Portion des M. f 1 e X 0 r d i g i 1 0 r u m h r e v i s für die f ü n f t e Z e h e : sehr unsichere Ergebnisse, wohl wegen der beständigen Uebergänge. Angedeutet ein häufigeres Fehlen beim weiblichen Geschlecht, sowie, bei beiden Ge- schlechtern gleichuiässig, auf dem linken Fusse. — No. 12. Theilungsform der Arteria carotis communis: Bei cca. 400 Fällen Constanz des Mittelwerthes noch nicht ganz ge- 31* 482 ^- Schwalbe und W. Pfitznei*. sicliert. Andoutnng ciiiei' grösseren Häutigkeit der kandelaberfÖrmigeu Theilung beim mäunlicheu Geschleclit. — No. 13. Ursprung der Arteria laryngea superior: Zahl der untersuchten Fälle noch zu klein. — No. 14 u. 15. Hoher Ursprung der A. radialis resp. ul- naris: Desgl. — No. 16. Star ke Art eria mediana: Desgl. — No. 17. A n o m a 1 e rU r s pr u n g de r A r t e r ia o b t u r ato r i a : Trotz cca. 35Ü Fälle noch keine sichere Constanz des Mittelwerthes ! Früher ein- tretende Constanz beim weiblichen Geschlecht. Angedeutet, aber noch nicht absolut sicher gestellt: Grössere Häutigkeit des anomalen Ur- sprungs beim "sveiljlichen Geschlecht als beim männlichen; gleiche Häutig- keit auf beiden Seiten beim Manne ; beim Weibe links anomaler Ur- sprung häutiger als rechts. — No. 18. Hohe Theilung der Arteria poplitea: Mit cca. 200 Fällen scheint die Constanz bei cca. 3"„ erreicht zu sein. — No. 19. Ursprung der Arteria dorsalis pedis aus der A. peronea: Mit cca. 200 Fällen Constanz noch nicht erreicht. — No. 20. Theilungshöhe der Aorta abdominalis: Ueber- raschend hohe Constanz schon bei cca. 100 Fällen! — AVir gehen nunmehr dazu über, die von anderen Autoren gefun- denen Mittelwerthe mit den unsrigen zu vergleichen. No. 1. M. sternalis. In unserer zweiten Mittheilung (1. c. S. 583) haben wir die von Le Double gegebene Zusammenstellung der bisher veröffentlichten Unter- suchungen über die Häufigkeit dieses Muskels wiedergegeben. Da aber, wie wir oben sahen, selbst mit 338 Fällen die Constanz noch nicht er- reicht wird, so ist die Frage, ob dieser Muskel in verschiedenen Ländern verschieden häufig vorkommt, noch nicht spruchreif. — No. 2. M. pyramidalis. Die Mittelwerthe für das Fehlen dieses Muskels werden ausser- ordentlich früh constant. Unter der Voraussetzung, dass dies auch für das von Dwight /benutzte Material gilt, können wir die von diesem Autor gegebenen Mittelwerthe auch ohne Constanzprüfung zur Ver- gleichung heranziehen, da die Gesammtzahl der von jenem untersuchten Fälle die der unsrigen weit übersteigt. Es sahen den Muskel fehlen : Dwight: in 673 Fällen 141 mal = 21,0 °/„! wir: „ 393 » 5° « ^ 12,7 'V,,! Die Differenz ist weit grösser als die Schwankungen bei unseren einzelnen Zählungen (11,7 — 15,()'y„), AVir ha])en hier also einen Varietäten-Statistik und Anthropologie. 483 unbestreitbaren Fall vun anatomischen Unterschieden zwischen der Bevölkerung Nordamerikas und der Süd- westdeutschlands und zwar derart, dass der M. pyrami- dalis dort fast d()2)pelt so oft fehlt als hier! Wir fanden einen typischen Unterschied betr. Häufigkeit zwischen beiden Geschlechtern, sodass wir nicht ohne weiteres die Rubriken: Er- wachsene mit einander vergleichen können. Indessen sind bei Dwight bei den „Erwachsenen" Männer und Weiber ungefähr im gleichen Pro- centsatz vertreten wie bei uns — wie es überhaupt der Fall zu sein scheint, dass das Material der Anatomien ungefähr zu ^/^ aus Männern und zu ^/.. aus Weibern besteht.^) Sondern wir die Fälle nach dem Geschlechte, so erhalten wir a. Häufigkeit bei den Männern: Dwight: in 450 Fällen 81 mal fehlend = i8,0 "/„ wir: „ 284 „ 39 „ „ = 13,7 »/„ b. bei den Weibern : Dwight: in 223 Fällen 60 mal fehlend = 26,9 '7,, wir: „ 109 „ II „ „ = 10,1 "/„ Die Constanzprüfung ergab für unser Material (s. S. 464) ein Schwanken des Mittelwerthes bei Männern von nur 12,5 — 15,2 "{q, bei Weibern von nur 9,5— 10,4 •'/o. Demnach ist also als festgestellt anzu- nehmen, dass bei dem von Dwight benutzten Material der M. pyrami- dalis bei Männern etwa l^/g, bei Weibern etwa 2^3 mal so häufig fehlt als bei unserem Material! Es fehlte der Muskel (in abgerundeten Zahlen) : bei Männern bei Weibern in Strassburg 14 *^lo ^o "/o „ Massachusetts 18 »/^ 27 % No. 4. M. biceps brachii. Die zur Vergleichung verfügbaren Zahlen sind zu klein. Es fanden nämlich einen aus dem M. brachialis internus entspringenden dritten Kopf: Testut^) in 105 Fällen 11 mal = io,5 % Wood") „ 175 V 18 „ = 10,3 0/0 wir „ 519 „ 57 „ = 11,0 %, Der Mittelwerth schwankte bei unseren Untersuchungen zwischen 8,8 \ (in 193 Fällen) und 14,5% (in 159 Fällen); die Ueb er ein Stimmung ^) Diese Uebereinstimmung ist keineswegs eine zufällige. Das Leichenmaterial der Anatomien ist das Resultat einer Auslese, deren Factoren zwar im Einzelnen schwer zu bestimmen sind, die aber zusammen als constantes Moment wirken. Vgl. PFITZNER, Beiträge zur Kenntniss des menschlichen Extremitätenskelets. V. (Morph. Arbeiten Bd. II), S. 111, 182 sq. ^) Les anoraalies musculaires. Paris 1884. S. 375. ») Citirt ibid. 484 G- Schwalbe und W. Pfitzner. der obigen Zusammenstellung ist also sehr wahrscheinlich eine rein zufällige. — No. 5. M. p a 1 m a r i s 1 o n g u s. Zur Frage der Häutigkoit eines gäii/.liclieu Fehleu dieses Muskels hat AV. Gkuijee ^) ein ausgezeichnetes ]\Iaterial geliefert. Er gieht zwei Untersuchungsreihen getrennt, was uns in die Lage setzt, die Resultate auf ihre Constauz zu prüfen. Gruher sah den Muskel fehlen I. In 8oo Fällen loo mal = i2,5 "/^ II. „ 6oo „ _78 „ = 13,0 % Sa. „ 1400 „ 178 „ = 12,7 **/„ wir: „ 520 „ 106 „ = 20,4 "/o Da unser Mittelwerth beim Ansteigen von 352 auf 520 Fälle nur noch um 1,5 geschwankt hatte, so können wir bereits constatiren, dass der M. palmaris longus in Strassburg 172mal so häufig fehlt als in Petersburg! W. Gruber giebt bei beiden Untersuchungen die Fälle nach dem Geschlechte getrennt. Es fehlte der Muskel: a) bei Männern: I. In 400 Fällen 39 mal = 9,8 ", II. ,, 3^ « ^ ,, = 12,0 'Ve Sa. „ 700 „ 75 „ = 10,7 "/o wir: „ 344 „ 66 „ = 19,3 0' b) bei Weibern: I. In 400 Fällen 61 mal = 15,3 "/ IL „ ^00^ „ 42 „ = 14,0 "/c Sa. „ 700 „ 103 „ ^ 14,7 ^lo wir: „ 176 „ 40 „ = 22,7 % In abgerundeten Zahlen fehlte also der Muskel bei Männern bei Weibern in Petersburg in 11 "/„ in 15 "/„ der Fälle „ Strassburg „ 19 % „ 23 o/„ „ „ Nebenbei sei darauf aufmerksam gemacht, dass auch beim GltUBERschen Ma- terial die Mittelwertlie beim männlichen Geschlechte mehr schwanken als beim weiblichen. Wir vermochten keinen wesentlichen Unterschied zwischen dem Verhalten auf beiden Seiten festzustellen. Bei Gruber dagegen fehlt der Muskel links häufiger ;ds rechts, und zwar ist die Differenz (cca. 3 "/o) constant : I. Rechts in 400 Fällen 44 mal = ii,0 "/(»; links in 400 Fällen 56 mal = 14,0 "/o 11. „ „ 300 n 34 „ = ".3 "/(,; „ „ 300 „ 44 „ = 14,77,, Sa. Rechts „ 700 „ 78 „ = 11,1 <'/„; links „ 700 „ 100 „ = 14,3 "/„ *) GRUBP:k, W., ]}eobachtuugen aus der menschlichen und vergleichenden Anatomie. Berlin 1879. S. 23—39. Varietäteu-Statisük und Aiilbrupologie. 485 Diese Differenz ist aucli bei beiden Geschlechtern dieselbe: Männer: reclita in 350 Fällen 31 mal = 8,9 *'/„; links in 350 Fällen 44 mal == 12,6 '% No. 6. M. psoas minor. Hier sind wir in der glücklichen Luge, die Resultate dreier ver- schiedener Untersuchungsreihen zur Vergleichung heranzuziehen: die von W. GiiUBER,^) die von Dwlght ?) und die der englischen Samniel- l'orschung. ^) Die von W. Gkuber ist wieder eine doppelte, die also eine Prüfung auf Constanz zulässt, währeud die Angaben der englischen Sanmielforschung in mehr als einer Beziehung sich als unverwendbar erweisen. Den M. psoas minor sahen fehlen: Gruber: in 1500 Fällen 731 mal = 48,7 ",'0 wir: ■> 561 ,> 318 )) = 56,7 •% Dwig ht: )) 608 >) 368 )) = 60,5 307 , - = 76,0 o/o Hoffmann: 1. 400 „ 270 ,, , = 67,5 o/o Quain : ,. 361 51 246 „ , = 68,8 o/o wir: n 359 )) 241 >. , = 67,1 «/o Anscheinend also eine grössere Häufigkeit beim Warschauer Ma- terial, cca. 7 "/„. Aber — wir sahen, als die Gesammtzahl der Fälle von 296 nur auf 359 stieg, den Mittelwerth von 70,9 auf 67,1 "/o. also um fast 4 7o fallen! Beziehungen zum Geschlecht: a. bei Männern : b. bei Weibern : wir: in 265 Fällen 182 mal = 68,7 "/o! i" 94 Fällen 59 mal = 62,8 0,,, Cloquet: „ 250 „ 189 „ = 75,6 »/o; „ 250 „ 159 „ = 63,6 % Quain: „ 181 „ 127 „ = 70,2 «/o; „ 180 „ 119 „ = 66,1 \ Jastschinsky: „ 180 „ 131 „ = 72,8 %; „ 224 „ 176 „ = 78,6 % Auch hier ist noch keine Diiferenz gesichert als höchstens die von JASTSC■IIl^■sKY für weibliche Fälle gefundene ! Recht beträchtliche Unterschiede erhalten wir, wenn wir innerhalb jedes Geschlechts noch rechte und linke Körperhälfte trennen (unter Ausschluss der einseitig untersuchten Fälle): Quain : rechts „ 79 n 57 )> = 72,2 0/0; „ 80 links „ 79 ,) 60 » = 75,9 •'/o; „ 80 Jastscbinsky: ; reclits „ 90 )) 61 n = 67,80/,; „ 112 links „ 90 » 70 n = 77,8 «/o; „112 Varietäten-Statistik und Anthropologie. 489 a bei Männern b. bei Weibern rechts in 123 Fällen 87 mal = 70,7 "/(,; in 44 Fällen 33 mal =: 75,0 "/q links „ 123 „ 88 „ =71,5%; „ 44 „ 24 „ = 54,5 "/^^ 59 „ = 73,8 »/o 50 „ =62,50/0 84 „ =75.0"/o 92 „ =82,1 0/0 Bei Quain wie bei ims eine auffallend grössere Häutigkeit des anomalen Ursprungs auf der linken Korperhälfte des Weibes, während die übrigen Mittelzalilen ziemlich übereinstimmen; bei Jastschinsky dagegen ganz andere und z. Th. entgegengesetzte Verhältnisse. Aber die grösste Differenz besteht auf der linken Beckenhälfte des Weibes, wo wir in 44 Fällen eine Häufigkeit von 54,5 "/o, Jastschinsky in 112 Fällen eine solche von 82,1 "/o fanden. Was will selbst eine solche Differenz sagen, wenn "wir schon bei uugesondertem Material das eine Mal in 63 Fällen eine Häufigkeit von 49,2 ^o? das andere Mal in 99 Fällen eine solche von 81,8 %, also eine um 5,0 höhere Differenz fanden ! Wir sind also bereits in der Lage , grosse und bleibende Differenzen in der Häufigkeit folgender anatomischen Varietäten zu con- statiren : Fehlen des M. pyramidalis: Strassburger Leichenmaterial : bei Männern 14 o/^j, bei Weibern 10 o/^ Massachusetts „ „ . „ 18 ^j„, „ „ 27 ^/^ Fehlen des M. palmaris longus: Petersburger Leichenmaterial: bei Männern 11 o/,^ bei Weibern 15 0/, Strassburger „ „ „ 19 o/^,, „ „ 23 o/^ Fehlen des M. psoas minor: Petersburger Leichenmaterial: bei Männern 45 0/,^ bei Weibern 54 o/^j Strassburger „ „ „ 57 0/,^ ^^ ^, 57 0/^ Massachusetts „ „ „ 56 0/,, „ „ 70 % Englisches „ „ „ 60 7^, „ „ 72 o,',, Theiluugsform der A. carotis communis: Strassburger Leichenmaterial: kandelaberförmig cca. 20 0/^ ßreslauer „ ^, „ 60 "j^^\ An diesen vier unbestreitbaren Beispielen luiben wir bewiesen, dass der von uns eingeschlagene Weg zum Ziele führt! 490 ^- Schwalbp uud W. Pfitzuer: Varietäten-Statistik uud Anthropologie. Hofteiitlich hat dieser nimiiiolir erbrachte Nachweis zur Folge, dass auch andernorts in derselben AVeise vorgegangen wird. AVie leicht liesse sich z. B. betr. der Theilungshöhe der Aorta Ijrauchbares und werthvoUes Material beibringen — wir haben oben gezeigt, dass scIkmi cca. 100 Fälle für die Coustanz genügen; und mit wie geringer 31ühe liesse sich z. B. auf den pathologischen Instituten , wenn bei den Sectionen die Theilungshöhe notirt würde, in kürzester Zeit ein sehr viel zahlreicheres Material zusammenbringen ! St ras 8 bürg i. E., im Januar 1894. lieber eine seltene Anomalie des Milcli-(jel)isses beim Menschen und ibre Bedeutung für die Lebre von den Dentitionen. Von Gr. Schwalbe. Hierzu i I Abbildungen im Text. In den folgenden Zeilen soll der Versuch, unternommen werden, einen merkwürdigen von mir beobachteten Fall von Zahnanomalie an der Hand unserer Kenntnisse und Anschauungen auf dem Gebiete der Entwicklungsgeschichte der Zähne zu deuten. Wenn dabei namentlich auf die jetzt in lebhaftem Fluss befindliche Lehre von den beiden auf- einanderfolgenden Dentitionen der Säugethiere und des Menschen ein- gegangen wird, so wird sich dies aus der Eigenart des Falles als selbst- verständlich ergeben, und es wird als ein Versuch zu entschuldigen sein, dass ich meinerseits es unternehme, an der Hand der von mir beob- achteten Thatsachen, die herrschende Theorie der Dentition etwas zu modificiren. Ich bin mir wohl bewusst, dass mancherlei Thatsachen aus dem Gebiete der Paläontologie und vergleichenden Anatomie der Zähne in dem von mir zu entwickelnden Gebäude noch keinen Eaum zu finden scheinen; doch stehe ich deshalb nicht an, meine Anschauungen aus- führlich mitzutheilen , in der Meinung, dass ein neuer Gedankengang stets Anregung giebt, neue Seiten des betreffenden Problems in Angriff zu nehmen, und so den Weg vorbereitet zu einer definitiven Lösung, welche sich schliesslich der Zustimmung aller Forscher zu erfreuen hat. Dass meine in diesem Aufsatz entwickelte Theorie nicht sofort diesen letzteren Erfolg haben kann, sondern sich wohl noch mancherlei Modi- fikationen wird gefallen lassen müssen, dessen bin ich mir wohl bewusst. Wenn sie aber die Buhnen der Forschung auch nur ein wenig in andere 492 G Scluvalbe. Riclitiingen zu leiten vermöchte , so würde sie ihren Zweck erfüllen- Hat doch eine jede Hypotliese nur die Bedeutung , dass sie einen ein- fachen Ausdruck gewährt für diejenige Summe von Thatsachen, welche dem Erbauer der hetreffenden Hypothese bekannt sind. Am linken Oberkiefer eines 3 Tage alten männliclien Kindes mit vollständig normalen Kopfknochen fand ich in der durchaus normalen Alveole des mazerirten Knochens anstatt der einfachen breiten Krone des medialen Schneidezahns eine einheitliche Zahnkrone mit zwei durch ein tiefes Thal getrennten Erhebungen. In Fig. 1 habe ich diesen merkwürdigen Zahn in äjjk vier verschiedenen Ansichten zur Darstellung gebracht. j^ Fig. 1 a zeigt ihn von hinten, also von seiner lingualen i^ (W Seite: Fig. Ib ist die mediale Protilansicht ; Fig. Ic c Ä giebt das Bild im Halbprofil von lateral und etwas hinten, und Fig. Id endlich ist die Ansicht von vorn (labial). Wie die Abbildungen ergeben, haben wir es mit einem gewöhnlichen medialen Schneidezahne von aus der iink°en^media- voUer normaler Ausbildung zu thun, mit welchem len Schueidezahn-Ai- aber auf Seiner hinteren, lingualen Fläche eine zweite aUen Kindes, a An- ^^^^ Allgemeinen kegelförmige Zahnkrone untrennbar sieht von der lin- durcli eine kurzc daclifirsteuartige Knochenbrücke ver- gualen Seite; b reine , . , -^ ^. , Profilansicht der me- wachscu ist. Die Verbindung dieser Mebenkrone, wie diaien Seite ; c Halb- ich sic vorläuüg nennen Avill , erfolgt nicht genau in Seite ; (f von der la- ^cr Mitte der hinteren Fläche des Schneidezahns, biaien Seite aus ge- soudem dem medialen Rande etwas näher als dem sehen. Natürliche i , i t ■, , • i • i , • i- Grösse. lateralen, und geht von einer leichten rippenartigen Verdickung der hinteren Fläche des Schneidezahns aus, w^elche vom freien Kronenrande bis zur Verbindungsbrücke mit der Nebenkrone herab verläuft und in die Firste der Verbindungs- brücke sich direkt fortsetzt. Der freie Kronenrand des Schneide- zahns gleicht dem anderer normaler medialer Schneidezähne des Milchzahngebisses, ist nicht glattrandig, sondern leicht wellig ge- runzelt ; der auf der hinteren Fläche der Krone herabziehenden leichten Verdickung entspricht ein nur eben angedeuteter höckriger Vorsprung des Kronenrandes (a^ c), der durch eine schwach ausgeprägte Kerbe von den beiden Seitenlheilen der freien Kronenkante getrennt ist. Es kommt also hier eine unregelmässige Dreitheilung des Kroneurandes zu Staude. Wie bei allen oberen medialen Schneidezähnen des Milchzahngebisses geht auch hier die Kronenkante in den medialen Seitenrand der Zahn- krone mittelst eines schärfer ausgeprägten rechten Winkels über, während lateral der Kronenrand im Bogen sich zum lateralen Seitenrande herab- senkt (Fig. la und d). Der mediale liand der Zahnkrone ist deshalb in seiner ganzen Länge vertikal gestellt und geradlinig, während der laterale Rand diese Geradlinigkeit nur in den unteren 3 Fünftheilen Ucher eine seltene Anomalie des Milcb-CTcbisscs beim Menschen etc. 493 zeigt. An dieser charakteristischen lateralen Abdachung der Krone ist bekanntlich bei allen Schneidezähnen des Milclizahngebisses die Zuge- hörigkeit zur rechten oder linken Körperhälfte leicht zu erkennen. Rechnet man den Kronenrand auch lateral bis zum Uebergange in das vertikale Stück des lateralen Zahnrandes, so ergiebt sich, dass die ge- sammte Zahnkrone medial höher (länger) ist als lateral, was beim weiteren Wachsthum der Krone um so deutlicher wird, als dann noch eine Verjüngung nach dem Wurzelende der Krone hinzukommt, sodass die mazerirte Zahnkrone an der Basis schmaler ist, als an der Kronen- kante. Die beiden Seitenwände der Schaufel sind leicht wulstig verdickt ; zwischen ihnen und der Mittelrippe der lingualen (hinteren) Fläche ist demnach eine sehr schwache Mulde jederseits entwickelt. Die in der Fig. 1 a etwas oberhalb der Zahnmitte angedeutete horizontale lateral etwas aufsteigende Linie entspricht der Grenze der Schmelzbedeckung der Krone. An der vorderen (labialen) sonst von rechts nach links con- vexen Fläche des Zahnes markirt sich die Grenze der Schmelzbedeckung ebenfalls in einer (im Bilde) nach unten convexen Linie, welche den lateralen Kronenkantenwinkel erreicht, vom medialen aber etwas ent- fernt bleibt. Das unterhalb dieser Linie frei liegende Dentin zeigt sich an seiner freien Oberfläche in der dem Schmelz benachbarten Zone fein longitudinal gefurcht, nach der Kronenbasis zu dagegen wieder glatt. Die Maasse dieses Schneidezahns sind folgende : Höhe (Länge) des Zahnes a) in der Nähe des medialen Randes 5,75 mm, b) am lateralen Rande 4 mm. Grösste Breite des Zahnes 6 mm. Dicke des Zahnes (labio-lingualer Durchmesser) a) an der tiefsten Stelle des Sattels zwischen Hauptzahn und Nebenkrone 3,25 mm, b) am lateralen Rande 2,25 mm. Entfernung der Mittelrippe der hinteren Fläche a) vom lateralen Rande 3,5 mm, b) vom medialen Rande 2,5 mm. Abstand des verbindenden Sattels vom freien Kronenrande 4 mm. Mit diesem in allen Stücken einem normalen Schneidezahn glei- chenden Zahne ist nun mittelst der erwähnten dachfirstenartigen Ver- bindungsbrücke der hinteren (lingualen) Fläche continuirlich verbunden die Nebenkrone. Sie ist im Allgemeinen kegelförmig gestaltet, hat also keine Kronenschneide , sondern eine leicht abgestumpfte Kronen- spitze, geht an ihrer Basis labialwärts mittelst der Verbindungsbrücke in die hintere Fläche des Schneidezahns über, während der linguale (hintere) Theil ihres Kegelmantels, wie die mediale Profilansicht (Fig. 1 b.) zeigt, eine nach hinten (lingual) convexe leichte Kante bildet, Jederseits ist die Kegelbasis leicht comprimirt, sodass ihr labio-lingualer Durchmesser 494 ^^- Schwalbe. etwas grosser ist, als der medio-laterale. Au der Ivronenspitze ist be- reits eine kleine Strecke mit Schmelz bedeckt. Die gesammte Höhe (Länge) dieser kegelförmigen Nebenkrone beträgt 3,5 mm, die Länge ihres frei über die Verbindungsbrücke vorragenden Theiles 2 mm, ihre Breite (mediü-lateraler Durchmesser) an der Basis 2,25 mm, während diese Kegelbasis in labio-lingualer Richtung 3 mm sich erstreckt. Misst man die grösste labio-liuguale Breite des gesamraten Doppelzahnes, so erhält man 6 mm. Für die Beurtheilung dieser Anomalie ist zunächst darauf hinzu- weisen, dass der labiale grössere Bestandtheil unseres Doppelzahnes in allen Stücken dem ihm symmetrischen Schneidezahn der rechten Seite gleicht, nur dass an der Basis der hinteren Mittelrippe der Kegelzahn angesetzt ist. Zieht man diesen ab, so beträgt der Dicken-Durchmesser (labio-huguale) des Zahnes rechts und links die gleiche Zahl 4 mm. Länge und Breite beider Zähne stimmen ebenfalls vollständig überein. Aber auch von den Schneidezähnen von [Milchzahngebissen anderer Neugeborenen,^) deren ich eine grosse Zahl untersuchte, unterscheiden sich die Formverhältnisse in keiner Weise. Selbstverständlich zeigen die Grössenverhältnisse sich bei den einzelnen untersuchten Individuen verschieden, da ja mit dem Ausdruck „Neugeborenes"' durchaus nicht eine vollkommen gleiche Entwicklungsstufe bezeichnet sein kann. Wenn man aber eine grössere Zahl von Gebissen Neugeborener ver- gleicht, so erhält man verschiedene vollständig normale Gebisse, die auch dieselben Maasse ihrer Schneidezähne aufzuweisen haben, wie die in dem Gebiss unseres Falles. Den Grad der Entwicklung erkennt mau aber am besten an den Höckern der Milchmolaren. Im vor- liegenden Falle war die hintere , linguale Spitze des zweiten Milch- molaren des Oberkiefers noch gering entwickelt und noch nicht mit dem übrigen Zahn verwachsen, desgl. die hintere linguale Spitze des zweiten Milchmolaren vom Unterkiefer. Bevor ich nun die Alveolen unseres Doppelzahns und seines rechts- seitigen Partners bespreche, seien noch einige auf die normale Anatomie der Krone des ersten Milchschneidezahns bezügliche Bemerkungen hinzu- gefügt. Bekanntlich unterscheiden sich (Zuckerkandl [40 S. 89]) die oberen medialen Milchschneidezähne bei ihrem Durchbruch von den eben durchgebrochenen bleibenden dadurch, dass ersteren Zacken der Kau- kante fehlen. Dies gilt aber, wie ich bemerke, nur für die bereits mit dicker Schmelzlage versehenen zum Durchbruch reifen Zähne. Bei Neu- geborenen lassen sie meist der Mittelrippe der lingualen Fläche entsprechend einen kleinen Höcker der Kaukaute erkennen; auch ist der lateralwärts sich abdachende Theil der Kaukante nicht selten mehrfach fein gekerbt. *) Es ist ja wohl erlaubt, das 3 Tage alte Kind, welchem die Zahnanomalie ttntstammt, noch als neugeboren zu bezeichnen. Ueber eine seltene Anomalie des Milch-Gebisses beim Menschen etc. 495 Eine zweite Bemerkung bezieht sich auf die Basis der Zahnkrone. Bei weiterer Verliüigerung tritt, wie erwähnt, eine Verschniäleruug ein. In diesem Stadium sieht man die Mittelrippe der linguakm Fhiche in eine basale Verdickung übergehen, welche, wie eine Vergleichung mit fertigen Milchschneidezälmen ergiebt, dem Tul)erculum dentale (Zucker- kandl [40 S. 89 1) oder Zungenhöcker entsi)richt. Es lässt sich leicht feststellen, dass die Vereinigungsstelle der beiden Constituenten unseres Doppelzahnes um Anfang des Tubercuhim dentale gelegen ist. Dies letztere kommt bei weiterer Wachsthumsverlängerung der Zahnkrone zur Ausbildung und bezeichnet dann die dickste Stelle des ganzen Zahnes. Von grösstor Wichtigkeit für die Deutung unseres Doppelzahns ist das Verhalten zu den Alveolen. Bekanntlich ist die Alveole, welche den ersten Milchschneidezahn beim Neugeborenen enthält vorn (labial) be- deutend breiter wie hinten (lingual). Ihre mediale und laterale Wand convergiren deshalb nach hinten. Ich fand folgende Masse an der ersten Alveole der rechten Seite : vordere Breite 7 mm hintere „ 3 „ labio-lingualer Durchmesser ^) 6 „ Genau dieselben Maasse zeigte aber die Alveole des linken medialen Schneidezahns, sodass trotz der hier bestehenden Zahnanomalie vollständig normale Alveolen sich finden. Nun ist aber bekanntlich be- reits zur Zeit der Geburt am mazerirten Knochen eine Zweitheilung dieser Alveole deutlich zu erkennen. Sie zerfällt in einen vorderen grösseren Abschnitt, der die bereits wohl ausgebildete Schaufelkrone des Milchschneidezahns enthält und eine hintere kleinere Abtheilung, welche am mazerirten Präparat beim Neugeborenen leer gefunden Avird, bei Erhaltung der Weichtheile aber die Anlage des bleibenden Incisivus I enthält; letztere hat aber normaler Weise nach kein Zahnscherbchen entwickelt. Die vordere grössere Abtheilung zeigt einen labio-lingualen Durchmesser von 4 mm, die hintere kleinere von 2 mm. Während der grösste transversale Durchmesser der vorderen Abtheilung, wie oben schon mitgetheilt wurde, 7 mm beträgt, misst dieser grösste transversale Durchmesser in der hinteren Abtheilung kaum 3 mm. Ich werde in der Folge die für den Milchschneidezahn bestimmte Alveole als Haupt- Alveole, die den Keim des Ersatzzahnes enthaltende als Neben-Alveole bezeichnen. Eine vollkommene Scheidewand existirt aber zwischen ihnen noch keineswegs, Ihre Trennung wird dennoch angedeutet 1) durch eine *) Wegen der eigenthümlichen Form der Alveole ist es ziemlich gleich, ob man den Durchmesser längs der medialen oder lateralen Wand oder in der Mitte zwischen beiden nimmt. Es sind dies alles Radien eines Kreises, dessen Bogen der vorderen Wand entspricht. Morpholog. Arbeiteu hrsg. v. fr. Schwalbe. III. »^ 49f) fr. Scliwalbe. dieser Ahgrenziing entsprechende leichte Einschnürung am freien Mün- dungsrande, 2) durch je eine feine von dieser Einschnürungsstelle aus zum Alveolondach vi-rlaufcude Knochenloiste , welche 3) mit der der anderen Seite am Dach Iciclit hogenförmig zusammenfiiesst. Doch ist diese gosammte leistenlormige Erhebung, die erste Andeutung eines Septuni zwischen Haupt- und Neben-Alveole, beim Neugeborenen noch sehr schwacli entwickelt. Die detinitive Trennung der Neben- von der Haui)t-Alveole erfolgt nun nicht etwa so, dass die l)eim Neugeborenen el)en angedeutete Leiste gleich massig sich verlängert, sondern es nimmt der dem Alveolengrunde (der nasalen Fläche) aufsitzende Theil der Leiste rasclier an Höhe zu, als die Seitenleisten ; nur der der Alveolen- mündung benachbarte Abschnitt der letzteren zeigt ebenfalls rascheres Wachsthum, sodass z. B. schon bei einem 3 Monate alten Kinde hier an der Mündung der Alveole jederseits eine Knochenzache ihre Spitze der anderen entgegenkehrt und an der Mündung bereits eine schärfere Trennung der Alveolen-Abtheilungeu ermöglicht, während in dem grfisse- ren Theile der Höhe noch eine weite Kommunication besteht. Im H. Monat nach der Geburt ist diese Entwicklung weiter gediehen, die beiden Knochenspitzen des Münduugsraudes haben sich bedeutend einander ge- nähert; aber erst im 9. Monat l)is zum 1. Lebensjahre treffen sie 7a\- sammen und hilden an der Alveolen-JMüiidung eine trennende Brücke zwischen Haupt- und Neben-Alveole , sodass nun hinter ersterer die Alveole des Ersatzzalms mit dem bekannten kleinen Tjoch auf der Gaumenseite ausmündet. So bleibt also ein Loch in der Scheidewand zwischen Haupt- und Neben-Alveole erhalten in ganz ähnlicher Weise, wie bei der Weiterent- wicklung des Anuulus tympanicus zum knöchernen äusseren Gehörgang nicht sofort die volle AVand ausgebildet wird, sondern zunächst das be- kannte Bild der ,,Dehiscenz'' entsteht. Ich bemerke beiläufig, dass dies auch der Gang der Septalbildung zwischen den benachbarten Haupt- Alveolen der Milchzähne ist. Auf die Bildung der Fächer für den zweiten Ersatzschneidezahn und Eckzahn will ich hier nicht eingehen. Es war diese genaue Beschreibung der Alveolen des ersten Incisivus nöthig, um die für die Beurtheilung unseres Falles so entscheidende Frage nach den Beziehungen des normalen rechten Schneidezahns und des eigenthündichen linken Doppelzahnes zu ihren Alveolen beantworten zu können. Der normale rechte Schneidezahn füllte, wie nicht anders zu erwarten war und genau in llebereinstimmung mit den Befunden an zahlreichen Neugeborenen und Kindern der ersten Lebenswoche nur die Hau i)tal veolc aus, liessam mazerirten Präparat die Nebenalveide vollkommen frei; der Doi)pelzahn aber lag mit seinen, einem normalen medialen Schneidezahn in Form und Grösse vollkommen gleichenden Hauptbestandtheile in der Hauptalveole, während die Nebenzacke d i e N e b e n a 1 V e 0 1 e e r f ü 11 1 e (Fig. 2), also genau dieselbeStelle lieber eine seltene Anomalie des Milch-Gebisses beim Menschen etc. 497 einnahm, welche sonst in diesem Alter der Keim des m e d i a 1 e n E r s a t z - 1 n c i a i V u s , später die Dentinkrone dieses Ersatz- Incisivus 1 ciiiiiiiniiit. In betreff der Zeit des Auftretens dieses Zahn- Fiff. 2. Fig. 2. Linker Oberkiefer des 3 Tage alten Kindes, von der Gaumenseite gesehen, in natür lieber Grösse. sK gebrauchten Nomenclatur '*' ^ "*" bediene, in den ersten Stadien ihrer Ausbildung mehrfach auf den von ihnen ausgehenden ba- salen Hörnern (s. oben S. .506) kleine, aber JS i* i^ c m' m^ scharfe, wohl abgesetzte Neben spitzchen tragen. ^ • -XT 1 ^1 1 • ■'^'S- ^- /alinscheruclien eines So finde ich zwei Nebenzacken auf dem hinte- weiblichen Foetus von etwa reu basalen Hörne des Protoconus des ersten 6 Monat /l Zähne des Ober- kiefers, li des Unterkiefers Milchmolareu im Oberkiefer des siebenraonat- von der labialen Seite ge- liehen Embryo (Fig. 9, A, m') ; die beiden «f «";. , Natiiriiche Grösse. J ^ o } 7 /) j' medialer, /^lateraler Schnei- scharfen Nebenzacken erscheinen sogar auf der dezahn, c Eckzahn, w' Pro- Tnnenfläche des Protoconus durch je eine deut- t°«=o°"^ '\f.^ ersten, m^- des " zweiten Milchmolaris. Der liehe Rinne von einander und von der Haupt- Protoconus ist noch der ein- zacke abgegrenzt. Schon vor der Geburt ist t^^J^'^'' Bestandtheii der " '^ .... Milchmolaren, er ist bei vi indessen der Protoconus völlig einheitlich gewor- im Oberkiefer unten von der den. Man könnte also behaui)ten, er entsin-eche labialen, oben von der lin- ^ ^ . gualen Seite dargestellt. 3 ursprünglich vollständig getrennten spitzen Zähnchen. Einen weiteren Befund machte ich an dem sich später entwickeln- den Metaconus^) des ersten Milchmolaren. Ich fand ihn beim Neuge- borenen in einem Falle links in zwei, rechts in drei scharfe Spitzen auslaufend. Eine weitere Durchmusterung meiner jetzt schon reichhaltigen Sammlung auf diesem Gebiet würde unzweifelhaft die Beispiele von mehrspitzigen Conis häufen ; ja ich zweifle nicht daran, dass bei Untersuchung der ersten Stadien der Conusscherbchen man eine Entstehung derselben durch Verschmelzung noch feinerer Zäckchen in ähnlicher Weise würde feststellen können, wie eine Entstehung der Gesammtkrone eines Molaren und Prämolaren durch Verschmelzung einer bestimmten Anzahl typischer Coni feststeht. Doch ist es hier nicht meine Aufgabe, weiter auf diesen Gegenstand einzugehn. Mir genügt es, aus den geschilderten Befunden Röse's Ansicht, es seien die Coni der Molaren einer Summe einspitziger Zähnchen homolog, wahrscheinlicher gemacht zu haben. 2) II(')se's Hypothese besagt ferner ausdrücklich, dass die Höcker der Molaren eine Summe einspitziger Reptilien zahne in sich ent- halten. In dieser weiteren phylogenetischen Ausführung möchte ich keinesfalls Röse's Hypothese annehmen. Die neueren Untersuchungen von Leche (17) über Iguana, von RiisE selbst über Saurier und Krokodile zeigen, dass, wo hier Zahnwechsel vorkommt, derselbe in strenger Reihenfolge auf einander folgende Generationen erkennen lässt, deren einzelne Bestandtheile, die Zähne, sich nicht in der Art der Entwick- ') Benennung nach R(")SE's Noraenclatur (24). 510 (t. Schwalbe. laug uutersclu'ideii von dem, was nuiu bei der Eühvicklung der Coui der Molaren oder der gesaramten lucisivi und Caninen der Säugethiere be- (>]):iclitet ^lir will es vielmelir nach den bis jetzt vorliegenden Unter- suchungen (eigene Erfahrungen stehen mir darüber leider nicht zur Disj)osition) scheinen, dass die Reptilienzähne nach ihrer Entwicklung den ganzen Conis homolog sind und dass es durchaus noch nicht aus- geschlossen ist, es möchten diese kräftigen Avohl ausgel)ihleten lieptilien- zähne ihrerseits wiederum durch Verschmelzung mehrerer feinerer Einzel- zähnchen entstanden sein. Ich l)in also mehr geneigt, einen einer be- stimmten Dentition angehörigen einspitzigen Reptilienzahn einem gan- zen Conus eines Säugethier-Molaren zu homologisiren , wie dies ja RösE trotz seiner weiter gehenden Hypothese in seinen Schriften selbst mehrfach thut. Man würde dann also weiter auf die Zähne der Am- phibien zurück gehen müssen. Für meine weiteren Betrachtungen unten wii-d dies ein wichtiger Ausgangspunkt sein. 3) Ri')SE vermuthet, dass die kleinen einspitzigen Zähnchen, aus welchen er die primitiven Coni der Molaren aufgebaut denkt — mag nun blos das gemeinschaftliche Blastem erhalten sein oder sogar noch eine Andeutung der Entstehung selbstständiger, später in den Gesammt- conus aufgenommener Einzelspitzchen — ich sage, Rose vermuthet, dass jene einspitzigen Zähnchen mehreren zu einer zusammenge- zogenen Reptilien-Deutitionen angehören. Eine grössere AVahrschein- lichkeit würde dieser Theil seiner Hypothese gewinnen, wenn sich nach- weisen liesse, dass nicht bloss in derselben Reihe, wie die Haupt-Coni, sondern auch auf der Innenseite der Aussen-Coni (Protoconus und Meta- conus) und auf der Aussenseite der Tnnen-Coni (Paraconus und Hypo- conus) ^) in den frühesten Stadien der Entwicklung sich anfangs selbstständige Nebenzacken würden nachweisen lassen. Ich glaube mich auch hiervon überzeugt zu haben , will indessen auf das mir darüber vorliegende Material au dieser Stelle nicht weiter eingehn , sondern nur betonen , was mir nach diesen Befunden möglich scheint, dass bei der Bildung eines Conus nicht nur Zäckchen einer in der Rich- tung des Kieferraudes gelegenen Reihe, sondern auch mehr labial und mehr lingual gelegene Zäckchen in der Richtung senkrecht zum Verlauf des Kieferrandes zu einem einheitlichen Kegelzahn sich vereinigt haben. Nur möchte ich auch hier wieder besonders da- vor warnen, secundäre Höcker und Zacken der Kaufläche, wie sie bei der weiteren Ausbildung der Schmelzbedeckung auftreten mit solchen primitiven C o n u 1 i s , wie ich sie im Gegensatz zum Conus nennen will, zu verwechseln. Das Voi'kommen des Conuli ist immer nur bei der allerersten Ausbildung der Dentinscherbchen zu constatiren, ^) Ueber meine Auffassung des au den Molaren des Unterkiefers erscheinenden Pentaconids s. unten. Ueber eine seltene Anomalie des Milch-Gebisses beim Menschen etc. 511 nicht mehr naclidem die ( -oni durch Berühren sicli zur Krone des mehr- höckerigen Mohirzahnes vereinigt haben. In der hier vorgetragenen Modification möchte ich es für möglich halten, dass die Ooni der Molaren und Prämolaren dem R(")SE'schen Schema entsprechend nicht blos in ein er Reihe stehende (Jonuli sondern auch solche einer zweiten (oder mehr?) Reihen in sich einschliessen können. Diese eventuelle zweite Reihe liegt aber für die Aussen-Coni auf ihrer Innenseite (der lingualen), für die Innen-(Joni auf ihrer Aussen- seite (der labialen). Ehe ich nun in meinen Betrachtungen zu der Bes])rechung der gegenseitigen Beziehungen der Innen- und Aussen-(Joni übergehe, muss ich noch eine Thatsache gebührend hervorheben. Es ist besonders zu betonen, dass die Protoconi, also die kräftigsten der Aussenconi bezw. die Protoconide der JMilchmolaren zeitlich früher als alle anderen Höcker entstehen, schon beim sechsmonatlichen Foetus. Ein äusserst instructives Bild gewähren in dieser Beziehung die sorgfältig herauspräparirten und in ihrer relativen Lage und Stellung aufgestellten Zahnscherbchen eines 6 — 7monatlichen Foetus (in Fig. 9 von der Aussenseite abgebildet, A m^ auch von der Innenseite). Die Protoconi der beiden Milchmolaren bilden mit den Zahnscherbchen der Milch-Schneide- und Eckzähne eineeinzige fortlaufende Reihe von Zähnchen. Man erkennt auf das deutlichste, dass diese Protoconi der Milch-Molaren (das Gleiche gilt für die später auf- tretenden Metaconi) mit den Zahnscherbchen des Incisivi und Canini derselben Reihe angehören, au deren lingualer (inneren) Seite erst später eine zweite Reihe von Zahnscherbchen zur Entwicklung kommt, die aus den Innenconis der Milchmolaren, sowie aus den Ersatz-Zähnen der Incisiven und Caninen besteht. Die Zahnscherbchen dieser zweiten Reihe sind ihrer Lage nach vollkommen gleichwerthig, unter- scheiden sich nur in der Zeit ihres ersten Auftretens, indem die Innen- Coni der Milch-Molaren schon in den letzten Monaten des embryonalen Lebens, der am frühesten erscheinende Ersatz-Incisivus I des Oberkiefers erst im 2. bis 3. Monat nach der Geburt auftritt; dann folgen die medialen und lateralen Ersatz - Incisiven des Unterkiefers (6. Monat post partum), darauf die Zahnscherbchen der bleibenden Eckzähne und endlich, nicht vor dem Ablauf des 1. Lebensjahres die Zahnscherb- chen des lateralen oberen Incisivus.^) Abgesehen von diesen Verschie- denheiten im zeitlichen Auftreten besteht noch die andere, dass Aussen- und Innen-Coni der Molaren auf einem gemeinsamen mehrzackigen Pulpa unter einem gemeinsamen Schmelzorgan sich ausbilden, während das ungleich S])ätere Erscheinen der Ersatz-Incisivi und Canini mit einer Trennung der Pulpae und Schmelzkeime Hand in Hand geht. Ich will *) Selbstverständlich besteht auch für die übrigen Ersatzzähne die oben S. 497 für den medialen oberen Ersatz-Incisivus beschriebene zeitliche Variabilität. Morpholog. Arbeiten hrsg. v. G. Schwalbe. III. 33 512 fr- Schwalbe. schon liier bemerken , dass icli in diesem Verhalten keinen strengen Unterschied sehen kann. Würden die beiden Schmelzorgane des Milch- nnd bleibenden Incisivus in nächster Nachbarschaft auftreten und unter einander verschmelzen, so würde dadurch der letztere in die Entwick- lungsbahn des ersteren hineingezogen und nun gleichfalls zu früherer Dentinbildung veranlasst ■werden müssen. Es würde sich ein ganz ana- loges Verhältniss ausbilden, wie zwischen den Aussen- und Innen-Conis der jMolaren. Die Ersatzzähne der Incisivi und Canini sind geradezu als Innen-Coni dieser Zähne aufzufassen. Ehe ich indessen die Bahn dieses Gedankenganges weiter verfolge, will ich noch einmal auf das Gebiss des 6-7 monatlichen Foetus zurück- kommen. Es bietet gewissermaassen den umgekehrten Beweis für die vorgetragene Ansicht, indem sich leicht eine seriale Homologie der Aussen-Coni der ^lilchmolaren und der Kronen der Milch-lncisivi und -Canini nachweisen lässt. A 1 1 e Zahnscherbchen dieser bis jetzt allein existirenden äusseren oder labialen Reihe haben dieselbe Grundgestalt, vielleicht mit einiger Ausnahme der medialen Milch-lncisivi des Ober- und Unterkiefers (^Fig. 9) für deren Formbildung man wohl auf noch frühere Stadien wird zurückgehen müssen. Die Grundform ist die oben beschriebene eines labio-liugual stark abgeglätteten Kegels. Die klein- sten Coni sind die Protoconi der zweiten Milchmolareu (m 2) und die Zahnscherbchen der Eckzähne (c) ; ungleich grösser sind die Protoconi der ersten Milchmolareu und die Zahnscherbchen der lateralen Tncisivi, welche letzteren nocli sehr deutlicli in der Mitte der »Schneide eine stärker aus- gebildete Spitze erkennen lassen, also leicht auf den Typus eines Conus zurückgeführt werden können, was in diesem Stadium für die medialen Incisivi des Über- und Unterkiefers nicht mehr gelingt. Vermuthlich entstehen letztere durch Verschmelzung mehrerer Conuli einer Reihe, Wie dem auch sein nuig, aus diesen hier kurz erörterten Befunden folgt zweifellos, dass die gesammten Kronen der Milch-Eckzähne und late- ralen Incisivi je einem Conus der Milchmolaren homolog sind. Wahr- scheinlich gilt dies auch für die medialen Incisivi. Doch will ich hier gern die Möglichkeit einer secundären Entstehung der nicisselförmigen Krone ans mehreren neben einander gelegenen ursprünglich getrennten Conis zugeben. Für meine weiteren Folgerungen ist dies aber gleich- gültig. Damit habe ich nun aber den ersten für die Beurtheilung meines Falles wichtigen Punkt erörtert, die Werthigkeit eines Conus der Molaren im Vergleich mit den Kronen dei- übrigen Zähne. Das Resultat dieser etwas langen Auseinandersetzungen ist. dass ein echter Conus eines Molaren thatsächlich einem Einzel zahn entspricht, wie er im Säugethiergebiss durch die Milch-lncisivi und -Canini vertreten wird. Ich muss also in diesem Punkte von R('>sk und Anderen ab- weichen, welche die S u m m e der Coni eines Molaren (und Prämolaren) jedem der vorderen Einzelzähne (Incisivi und Canini) gleich setzen. üeber eine seltene Anomalie des Milch-Gebisses beim Menschen etc, 513 B) Damit ist dann aber auch zugleicli eine Entscheidung in der zweiten der oben S. 505 präcisirten Streitfragen getroffen. Es folgt aus der im vorigen Abschnitt von mir begründeten Anschauung, dass die einzelnen Coni nicht einer einzigen Dentition angehören können. All- gemein werden ja die gesammten Milch-Molaren der ersten Dentition zugerechnet, die Prämolaren der zweiten, während die Ansichten in Be- treff der Zugehörigkeit der bleibenden Molaren zu einer der beiden Dentitionen sehr auseinander gehen. RiisE (23) vermeidet die Schwierig- keiten, indem er bei der Beurtheiluug dieser Frage nicht von Dentitionen, sondern von Milch- und bleibenden Zähnen redet. Er definirt letztere als solche, welche normaler "Weise keine Nachfolger besitzen (23 S. 21). Wortmann (39) erklärt die Milchmolaren und den ersten bleibenden Molar als zur ersten Dentition gehörig, rechnet aber den zweiten blei- benden Molaren sammt definitiven Incisiven, Caninen und Prämolaren einer zweiten und den 3. Molaren einer dritten Dentition zu. Nach meinem Dafürhalten gehören nur die Aussen- Coni der Milchmolaren und sämmtlicher bleibender Molaren sammt Milch-Incisivis und Caninis der ersten Dentition, die Innen- Coni aber der Milchmolaren und bleibenden Molaren der zweiten Dentition an. Damit aber komme ich zu einer ähnlichen Anschauung wie Kükenthal, der geradezu aus- spricht, „dass die echten Molaren ein Verschmelzungsprodukt der An- lagen erster Dentition mit dem Materiale, aus dem sonst die zweite Dentition entsteht, darstellen." Kükenthal (13. S. 448) sieht hierin einen Unterschied der Molaren von den Prämolaren; nach seiner Mei- nung bleiben bei den Prämolaren beide Dentitionen getrennt, bei den Molaren verschmelzen sie. Auf die Prämolaren werde ich alsbald noch besonders einzugehen haben. Hier möchte ich zuerst nochmals auf den Ausgangspunkt meiner ganzen Untersuchung zurückkommen. Es war dies ein Fall von Verschmelzung des medialen oberen Milchscheidezahns mit dem Keim des betreffenden Ersatzzahns. Der aus dieser Verschmelzung entstandene Doppelzahn besteht demnach aus zwei Theilen, welche zwei verschiedenen Reihen und zwei verschiedenen Dentitionen angehören, einer meisselförmigen Aussen- und einer kegel- förmigen Innenkrone. Nach Lage und Anordnung verhält sich die Aussenzacke ganz wie die Aussenkegel der Molaren, die Innenzacke wie die Innenkegel der Molaren. Wie Kükenthal's entwicklungsgeschicht- liche Untersuchungen an Cetaceen und Pinnipediern lehren (12. 13), ist auch das Verhältniss zur Schmelz- bezw. Ersatzleiste ein analoges. Im vorderen Theile dieser Zahnleiste sondern sich die den beiden Denti- tionen angehörigen Schmelzkeime zu verschiedenen Zeiten als selbst- ständige Bildungen von der epithelialen Leiste, im Gebiet der Molaren aber scheint wegen Raumbeengung in labiolingualer Richtung eine Son- derung der betreffenden Schmelzkeime beider Zahnserien von einander nicht einzutreten; ja es kann sogar auf der lingualen Seite die voll- 33* 514 Gr. Schwalbe. ständige Abgliedprnng des genieinschaftliclieu Sflnnelzkeimes von der epithelialen Leiste unterbleiben. Auch das fast regelmässige Auftreten mehrerer Verbiudungsstränge bei der Abgliederung des Schmelzkeimes von der Schmelzleiste (R(>sk 21. S. 457) scheint für meine Auffassung zu sprechen. Für die l}leibenden Molaren aber ergiebt das selbst stän- dige Fortwacbsen der Leiste „ als freies schmales Band ohne fernere A'erbindung mit dem Mundhöhlenepithel nach hinten ins Kiefermeso- derm hinein'' (R("ise 21, S. 457 u. 458) zweifellos eine bedeutende Kaum- behinderuug, welche zur Verschmelzung zweier an anderen Stellen ge- trennt bleibender Dentitionen führen muss. Man kann die von mir ausgesprochene Meinung auch anders for- muliren: die zwei Reihen bindegewebiger Keime (labiale und linguale), welche im Gebiet der Schneide- und Eckzähne von zwei getrennten Reihen von Epithelkappeu überwachsen werden, besitzen im Gebiet der ]\lolaren für bestimmte Strecken einheitliche Epithelkappen und werden dadurch zu einheitlichen Bindegewebskeimen, zu nunmehr mehrspitzigen Papillen zusammengefasst, die aber ihre zusammengesetzte Natur noch darin zu erkennen geben, dass auf einer jeden der Papillenspitzen ein Dentinscherbchen selbstständig und unabhängig von den Nachbarn ent- steht. Unser Fall von Zahnauomalie würde hiernach so zu deuten sein, dass abnormer Weise (aus im Einzelfalle unbekannten Gründen) ein ge- meinschaftlicher Schmelzkeim für Mich- und Ersatz-Incisivus sich von der Schmelzleiste abgesondert hat, aber ohne Raunil)ehinderung, sodass er also in seiner labio-lingualen Breite durchaus dem normalen Gebiet von Milch- und bleibendem Incisivus entspricht. Jedenfalls ist unsere Ano- malie nur dann erklärlich, wenn man annimmt, dass eine zwischen den betreffenden beiden Schmelzorganen betindliche Strecke des Schmelz- leisten-Epithels ebenfalls eine Productivität des damit in Contact stehen- den Bindegewebes zur Dentiubildung angeregt hat. Es sei noch hinzu- gefügt, dass der von mir l)eschriebenc Doppel-Licisivus auffallend ähn- lich sieht einem Bildungsstadium der Krone des ersten oberen Milch- molaren, die ja in mancher Beziehung an die eines Bicusjjis oder blei- benden Prämolaren erinnert. Wenn nun diese Anschauungen begründet sind, so müsste man um- gekehrt erwarten dürfen, dass einmal abnormer AVeise die Aussen- und Lmenzacken eines Milch- oder bleibenden Molaren getrennt bleiben. Das Wenige, was ich hierüber in der Literatur gefunden habe, will ich hier kurz zusammenstellen. Es ist meist zu anderen Zwecken bestimmten Abbildungen entnommen, da ich eine systematische Darstellung dieser Befunde unter dem Kai)itel ..Zahnanomalien" der verschiedenen Lehr- bücher nicht gefunden habe. Kine solche Anomalie würde in die letzte Abtheilung Anomalies de disposition der MAüiTOT'schen Eintheilung und zwar in die zweite Kategorie Divisions anomales gehören. ]\lA(ir.roT (18) besi)richt auch diese Kategorie, betont aber, dass sie nur durch Ueber eine seltene Anomalie des Milch-(icbisscs beim Mensehen etc. 515 r^ stärkeres Hervortreten der Höcker und schärferen Abgrenzung derselben durch tiefer einschneidende Furchen charakterisirt sei. Er sagt aus- drücklich (p. 295): „L'anomalie qui nous occupe ici n'est jamais re- prescntee par une Separation complcte d'une des portions de l'organe dentaire.^' Nichts desto weniger kann ich den Abbildun- gen Magitot's einige Beispiele entnehmen. Einen Fall unvollstän- diger Verschniel/Aiag stellt Fig. 11 Tafe 1 XVI für die beiderseitigen dort abgebildeten Molaren dar. Es hat hier keine Verschmelzung des Protoconus mit dem Paraconus stattgefunden, auch ist beiderseits der Protoconus viel schärfer von der übrigen Krone abgegrenzt, als normal. Ob die in Fig. 4 und 6 Tafel V abgebilde- ten „überzähligen Molaren''' a hierher ge- hören, etwa als isolirt gebliebene Coni zu betrachten sind, lässt sich nach der Abbil- dimg nicht sicher entscheiden. Sehr interes- sant ist die Abbildung Fig. 167, welche Steenfeld in Scheff's Handbuch der Zahn, heilkunde nach Scheee mittheilt, und die ich in Fig. 10 reproducire. An Stelle des letzten Oberkiefer-Molaren der linken Seite finden sich drei isolirte kleine Zahngebilde. Ferner befinden sich in dem sehr abnor- men Gehiss des rechten Oberkiefers Fig zweiten Prämolaren und ersten Molaren zwei kegelförmige Zähne einer äusseren (labialen) Reihe und zwei uuregelmässige kleine Zahngebilde einer inneren (lingualen) Reihe. Endlich macht Zuckerkandl (40. S. 58) die x\ngabe, dass „an Stelle des dritten Molaris zwei gleich geformte Stiftchen sich l)efinden" können oder „es spaltet sich der Weisheitszahn in ein grösseres mit uuregelmässig geformter Krone versehenes Zahnstück und in einen Stiftzahn." Aehnliche Angaben machte derselbe Forscher gelegentlich einer Diskussion auf dem Anatomen-Congress in Wien. Den dort erwähnten Fall von Rollmann vermochte ich ohne genaueres Citat nicht aufzufinden. Diese Angaben über Zerfall der Molaren in ihre einzelnen serialen Componenten, deren Zahl wohl sicher, sobald einmal die Aufmerksam- keit darauf gelenkt ist, sich mehren werden, zusammengehalten mit dem Verschmelzen normalerweise getrennter Zähne zweier verschie- dener Serien dürften geeignet sein, die von mir vorgetragenen An- schauungen noch fester zu begründen. Es zeigt aber die von mir erörterte Dentitions-Theorie noch eine wesentliche Lücke. Es scheint auf den ersten Blick, als wenn die als Ersatz, der Milchmolaren auftretenden beiden Prämolaren sich nicht Fig. 10. Copie nach Schert" au« Sterufcld (35. S. 487). An Stelle des dritten linken oberen Molaris (?»^) erscheinen 3 getrennte Höcker. 161 in der Gegend des 51 fi G. Schwalbe. in mein Schema würden einfügen lassen. Denn es steht für sie ebenso fest wie für die Milch- und bleibenden Molaren, dass sie aus Verschmel- zung mehrerer einfacher Kegelzcähne entstehen. ZucKERKANDL (40. S. 138) äusscrt sich in dieser Hinsicht auf Grund- lage der Untersuchung des Gebisses eines 2^2 Jahre alten Kindes wie folgt: „Dagegen birgt das Säckchen des ersten Backenzahnes" (^= Prämolareu) „bereits ein Zahnscherl)chen, av eich es aus einem grösseren und einem kleineren An t heil besteht; ersteres ent- spricht dem buccalen, letzteres dem lingualen Höcker des spä- teren Zahnes." Der Keim des zweiten Prämolaren zeigte zu dieser Zeit noch keine Hartgebilde, dagegen fand er ein Scherbchen im Säck- chen dieses Zahnes bei einem 3 Jahre alten Kinde. Etwas genauer geht RösE (21) auf diese Verhältnisse ein. Allerdings scheinen ihm aus dem maassgebenden Alter auch nur zwei Fälle zur Disposition gestanden zu haben, nämlich ein Kind von 2 Jahren und ein anderes von 3^4 Jahren. Er fand etwas abweichend von Zuckeekandl schon bei dem 2jälirigen Kinde sowohl in dem Zahnsäckchen des ersten oberen als des zweiten oberen Prämolaren Zahnscherbchen, nur die des ersten bereits grösser, weiter entwickelt. Für jede Krone der beiden Prämolaren finden sich 2 getrennte Zahnscherbchen und zwar ein labiales und ein linguales. Das labiale hatte bereits 4 mm Höhe, das linguale nur 2 mm. Im Zahnsäckchen des zweiten Prämolaren dagegen besass das labiale Zahnscherbchen nur 2'/^ mm, das linguale nur 1 mm Höhe. Interessant war das Verhalten der beiden Prämolaren des Unterkiefers. Der erste Prämolar hatte nur ein 37;j mm hohes Zahnscherbchen auf dem labialen Höcker, der zweite Prämolar ein eben solches vjn 1 mm Höhe. — Im Oberkiefer eines 3^/^ Jahre alten Kindes zeigte der erste Prämolar beide Zahnscherbchen bereits zu einer einheitlichen 5 — 6 mm hohen Krone verschmolzen, während im Gebiet des zweiten Prä- molaren das 2—2^2 mm hohe labiale Zahnscherbchen noch von dem 1 mm hohen lingualen vollkommen getrennt war. Meine eigenen Untersuchungen bestätigen diese Angaben, denen zufolge die Krone jedes Prämolaren des Ober- und Unterkiefers aus zwei ge- trennten Höckern oder Coui. einem labialen und einem lingualen sich aufbaut, welche nach Einfügung in die Zahnreihe dieselbe biseriale Stellung zeigen, wie die Kronen der bleibenden Molaren, der Art, dass der labiale Höcker sich in die Reihe der Aussenhöcker der bleibenden Molaren einfügt, während der linguale Höcker die Reihe der Innen- höcker der bleibenden Molaren fortsetzt. In Betreff des zeitlichen Auftretens scheinen, wie überall in der Entwicklung des Gebisses, individuelle Schwankungen voi'zukomnien. Dies ergiebt sich aus einer Vergleichung der Angaben von Zuckekk vnd]; und Rose, sowie aus eigenen Erfahrungen, die indessen noch nicht zahlreich genug sind, um allgemeine Regeln aufzustellen. lieber eine seltene Anomalie des Milch-Gebisses beim Menschen etc. 517 Vüu diesen zeitlichen Verhältnissen hat indessan für die hier abzuhandelnde Frage nur die Thatsache Bedeutung, dass die Ausseu- kegel den Innenkegeln in der Entwicklung stets voraus sind, dass auch hier eine Zeit existirt, in welcher nur die labialen Kegel ent- wickelt sind. Es geht aus diesen Anführungen jedenfalls soviel hervor, dass die Krone der Prämolarzähne sich in ganz analoger Weise aus labialen und lingualen Höckern entwickelt, wie die der Milch- und blei- benden Molaren. Wenn nun meine Anschauung, dass bei letzteren die labialen Höcker der ersten Dentition, die lingualen der zweiten Dentition entsprechen, richtig ist, so müsste dasselbe für die Kronen der Prämolaren gelten. Nun erscheinen aber normaler Weise die Prämolaren als Nach- folger der Milch-Molaren und werden deshalb unbedenklich allgemein zur zweiten Dentition gerechnet. Ich verkenne die durch die Prämolaren gegebene Schwierigkeit durchaus nicht, glaube aber, dass dieselbe unter Zugrundelegung bekannter Thatsachen sich wird heben lassen. Zunächst ist Folgendes über die Lage der Alveolen der Ersatzzähne zu ihren Vor- gängern im Milchgebiss in Erinnerung zu bringen. Bekanntlich liegen die Alveolen der Ersatz-Incisiven und Caninen lingual wärts von denen ihrer Milchzähne, wie bereits oben (S. 496) für die der Incisivi ge- nauer angegeben wurde. Es ist ferner bekannt, dass diese Ersatz- Alveolen sich allseitig mehr und mehr abschliessen , bis jede der drei genannten Alveolen nur noch durch eine relativ enge kreisförmige Oeif- nung an der lingualen Seite der JMilchzähne mit der Oberfläche com- municirt.*) Anders verhalten sich die für die Prämolaren bestimm- ten Räume; sie befinden sich, wie längst bekannt, in den Wurzel- scheidewänden der Milclimolareu , von den Wurzeln derselben um- griffen. Präparate analoger Art, wie sie Zuckerkandl in seinem A\'erk Fig. 64 von einem 2V2 «Tahi-e alten Kinde und Fig. 66 von einem 8^/3 Jahre alten Kinde abbildet, befinden sich auch in der Sammlung des anatomischen Instituts in Strassburg. Während also die Milch- und Ersatz-Incisiven und Caninen -) in horizontaler labio-lingualer Richtung zu einander angeordnet sind, liegen die Prämolaren oder Ersatzzähne der Milchniolaren schon vor Beginn ihrer ') Diese Communicationsöffnung ist zuerst beim J' vollendet und zwar am Ende des ersten Lebensjahres; nach Vollendung des zweiten Lebensjahres tinde ich alle drei Mündungslöcher der Ersatz-Alveolen ausgebildet, aber die Oeffnung für die Alveole des ( 'aninus bleibt stets sehr fein, ist bald kaum nachzuweisen, bald bis 1 mm weit, führt aber zunächst in einen engen Kanal, der sich erst oberhalb bezw. unterhalb des Wurzelgebieis seines Vorgängers im Milchzahn-Gebiss zu der Ersatz- Alveole erweitert. Ich fand diesen Mündungs-Porus am deutlichsten bei 5 Jahre alten Kindern; hier betrug die Länge des vom Porus zur Alveole führenden Kanals 10 mm. -) Es ist hier die primitive Lagerung der Caninus-Keime gemeint; später tritt bekanntlich eine Verlagerung des Caninus-Keims in vertikaler Richtung ein, sodass er eine ähnliche Stellung einnimmt, wie die Prämolaren. 518 ^^- Schwalbe. Verkalkung vertikal über eleu letzteren, eiuc Anordnung, die an Bedeu- tung gewinnt, wenn sich nachweisen lässt, dass bei der ersten Anlage dieser Zähne ein Thoil der Zahnleiste eine Verschiebung, Verlagerung erfährt. Ich glaube nun, dass aus dem bis jetzt vorliegenden Material eine solche An- nahme höchst wahrscheinlich wird. Es liegen ja über die erste Anlage der Milchzäline die trefflichen Untersuchungen von Rose (21, 23) vor, erläutert durch Abbildungen seiner Platteumodelle der verschiedenen Stadien. Da unser anatomisches Institut überdies im Besitz der RösE'schen Platten- modelle selbst sich befindet, so konnte ich auch an diesen meinen Studien anstellen. Allerdings gehen die RösE'schen Modelle nicht über die Ge- burt hinaus, indem das letzte das hintere Ende der Zahnleiste im Unter- kiefer eines Neugeborenen darstellt. Trotzdem scheinen sie mir aber für die Frage nach der ersten Anlage der Prämolaren wichtige Aufschlüsse zu geben. E.ÖSE hat seine Modelle in 2 Arbeiten (21, 23) abgebildet. Be- schränken wir unsere Betrachtung auf die 3 Stadien, welche durch die Modelle II, III, und IV veranschaulicht werden, so entsprechen diesen in der Arbeit 21 die Figuren 5, 6 und 7, in der Arbeit 23 die Ab- bildungen 3, 5 und 9 und beziehen sich auf Embryonen: 1) von 4 cm. Länge ll^/„ Wochen alt (Modell II), 2) von II72 cm. Länge, ungefähr 14 Wochen alt (Modell III) und 3) von 18 cm. Länge und ungefähr 17 Wochen alt (Modell IV). Da nun :iber die relativen Abstände der einzelnen Zahnanlagen in den Figuren nicht ganz genau mit denen der Modelle übereinstimmen , so werde ich bei den nun^ folgenden Erörte- rungen ganz von den Abbildungen absehen und ihnen ausschliesslich Messungen an den in 25facher Vergrösserung reproducirten Modellen zu Grunde legen. Auch werde ich die Betrachtungen auf den Ober- kiefer beschränken , da ja Modell III und IV sich lediglich auf diesen beziehen. Es fällt nun am Oberkiefer vom Modell II sofort auf, dass der Abstand des Keimes für den Caniuus von dem des Milchmolaren ein auffallend grosser ist. Er beträgt in gerader Linie gemessen links etwa 19, rechts 20 mm, ist demnach doppelt so gross als die Abstände des Caninus vom Incisivusll und dieses letzteren vom lucisivus I, nahezu dreimal so gross (links) als der Abstand des 1. und 2. Milchmolaren von einander. Misst man dagegen längs des Randes der Zahnleiste selbst, so vergrössert sich der Abstand des Caninus vom Milchmolaris I noch bedeutend, da die Zahnleiste hier eine Einbiegung erfährt, die nament- lich rechts zu einer schärferen Knickung ausgebildet ist. Misst man das entsprechende Stück des ireien Randes der Zahnleiste rechts mit ange- legtem Faden aus, so findet man 24 mm Länge. Im Unterkiefer ist rechts der zahnkeinifreie Tlieil der Zahnloiste viel kürzer dargestellt; der betreffende direkte Abstand l)eträgt hier nur 10,5 mm. Ich werde der Kürze wegen diesen zahnkeimfreien Theil der Zahnleiste zwischen Caninus und Milchmolaris I (c — mm^) als Prämolarleiste bezeichnen. Auf- Ueber eine seltene Anomalie des Miluh-ücbisses beim Menschen etc. 519 fallend ist, duss sie am rechten Oberkiefer vom Modell II einige wulstige Erhebungen erkennen lässt, welche namentlich in der Figur 5 der Arbeit sehr scharf wiedergegeben sind. Verfolgen wir nun an der Hand der Modolle dies Stück der Zahnleiste weiter, so sehen wir es im Modell III zwar absolut gewachsen^) (35 mm in directem Abstände, 47 mm am freien Rande mit dem Faden gemessen) aber die Länge dieser Prämolarleiste steht nicht mehr in einem so auffallenden Gegensatz zu den Theilen der Zahnleiste, welche sich zwischen den Incisiven und dem Caninus einer- seits , den beiden Milchmolaren andererseits befinden. Dadurch , dass die begrenzenden Keime des Caninus und des ersten Milchmolaren sich in der Richtung der Zahnleistenlänge seitlich mehr und mehr über die Aussenfläche der Zahnleiste ausbreiten, ohne hier mit ihr verwachsen zu sein, werden Stücke der ursprünglichen Zahnleiste von aussen her durch die Zahnkeime verdeckt. Dies gilt besonders für das Gebiet des ersten Milchmolaren, der sowohl nach vorn als nach hinten einen Ab- schnitt der ursprünglichen Zahnleiste überwölbt. Dazu kommt noch, dass dieser Abschnitt wie für die erste Anlage eines Zahnes buckei- förmig vorspringt. Denkt man sich nun durch diesen Buckel des freien ursprünglich vor dem Mm I gelegenen Theiles der Zahnleiste und den überwölbenden vorderen Abschnitt des ersten Milchmolaren einen Schnitt in frontaler Richtung gelegt, so wird jener Theil des freien Zahnleisten- raudes in dem Lageverhältniss einer Ersatzleiste zum Milchmolaren erscheinen müssen! Einen ähnlichen Buckel des freien Zahnleisten- randes sehe ich an derselben Seite des Modell III von hinten aus dem Gebiete des Zwischenraums zwischen dem ersten und zweiten Milch- molaren nach vorn in das Gebiet desselben Milchmolaren I verschoben. Es beweist dies, dass während der Entwicklung der menschlichen Milch- zähne Theile der ursprünglichen zwischen je zwei Milchzahn- anlagen gelegenen Zahnleiste so verschoben werden können, dass sie auf Schnitten als Ersatzleiste derjenigen Zähne erscheinen, zu denen hin sie seitlich verschoben sind. Eine noch weitergehende Veränderung erleidet die Prämolarleiste beim üebergang vom Modell III zum Modell IV. Hier hat der directe Aljstand zwischen C und Mm I bedeutend abgenommen, ist auf 22 mm herabgesunken. Es erklärt sich diese Abnahme theils aus der bedeutenderen seitlichen Ueber- wölbung von Seiten des Caninus sowohl wie des ersten Milchmolaren, als aus einer ausserordentlich starken Einknick ung des freien Zahn- leistenrandes. Die Länge des letzteren beträgt jetzt 66 mm^) gegen *) Ich werde dies Wachsthum als „Längenwachsthum der Zahnleiste", dagegen das Wachsthum, welches senkrecht darauf den Abstand des freien Endes der Zahn- leiste von der Oberfläche des Kieferepithels vergrössert, als „Breitenwachsthum der Zahnleiste" bezeichnen. ^) Es wurde hier nöthig, den Faden vom Gipfel der dem Milchmolaren ent- sprechenden Seite längs des freien Zahnleistenrandes bis zum Gipfel der Ersatzleiste des Caninus zu führen. 520 ü. Schwalbe. 47 des vurigcu ötadiums. Der ciogeknickte Zahnleistouraud besteht aus 2 ungleich langen Schenkeln, nämlich aus einem kürzeren (28 mm lan- gen) Eckzahuschenkel und einem längeren (38 mm) Milchmolarschenkel. Der letztere setzt sich wieder aus einem längeren schiel" geneigten und einem kürzeren senkrecht zur Oberfläche stehenden vertikalen Stück zu- sammen. Au der Grenze Ijeider l)efindet sich ein A'orsprung. Trotz der starken Entwicklung hat aber die Breite (Höhe) der Zahnleiste an der Stelle der tiefsten Einkerbung sogar noch zugenommen. Es ist nun klar, dass wenn die Keime der Milchmolaren und des Caninus bei weiterem Wachsthum sich noch mehr nähern, die ursprüng- lich zwischen ihnen gelegenen freien Theile der Zahuleiste nunmehr ganz auf ihre linguale Seite gerückt sind, dass also an diesem ein- gefalteteu Theile etwa entstehende Zahnkeime lingual von den Milch- molaren ihre Lagerung finden w^erden, welche Lagerung nunmehr auf Frontalschnitten den Schein erwecken muss, als handle es sich um eine Ersatzleiste, während doch dies Stück sich grösstentheils von den ur- sprünglich zwischen dem erstem Milchmolaren und Caninus bezw. zwischen erstem und zweitem Milchmolaren gelegenen Stück der Zahn- leiste ableitet. Hier kommen also erst nach der Geburt die Keime der Pj-ämolaren zur Ausbildung, also an einem Stück der ursprünglichen Zahnleiste, welches während des embryonalen Lebens unproduktiv war, dabei aber wesentliche Verscliiebungen und Verbiegungen erfuhr. AVie nun aber das Stück der Zahnleiste, welches ursprünglich die beiden Milchmolaren lieferte, Theile zweier Zahnserien producirte. Aussen- und Innenhöcker mit ihren entsprechenden Papillen ^), so werden selbstverständlich auch die secundär verschobenen Theile der ur- sprünglichen Zahuleiste Bestandtheile beider Dentitionen liefern, die Aussen- und Innen -Coni der Prämolaren. Nach dieser Auffassung gehören also die PrämoLiren in dieselbe Reihe wie die Milchniolaren ; ihre Anlagen sind nur verschoben und sodann in der Entwicklung zurückgehalten in Folge der Raumbeanspruchung durch die gewaltig entwickelten beiden ]\Iilchmolaren. Eine besonders auf diese A^erhältuisse gerichtete weitei'e Untersuchung hätte die Frage zu entscheiden, aus welchen Theilen der ursprünglich keimfreien Zahnleiste die Anlagen von Pm I und Pm II hervorgehen. Die oben erwähnte Lage ihrer Alveolen bei einem 2 bezw. 3 Jahre alten Kinde lässt es als das Wahrscheinlichste erscheinen , dass Pni I dem Stück der Zahnleiste zwischen C und Mm I angehört, während Pm II ') An dem RÖSE'schen Modell 11 und 111 erscheinen zunächst die Papillen der Milchmolaren einspitzig, am Modell IV aber mehrspitzio^. Ob eine genau bise- riale Anordnung der Papillen vorliegt, ist an dem betr. Modell nicht deutlich zu erkennen; jedenfalls haben die Keime der Milchmnlaren beim Uebergang von dem Stadium Modell IIL zu dem des Modells IV sich sehr wesentlich in lingualer Kichtung erweitert, einen wesentlichen Zuwachs hier erhalten. Ueber eine seltene Anomalie des Milch-GebiBses beim Menschen etc. 521 aus dem ursprünglich zwischen Mm I »und Mm II gelegenen Stück hervorgeht. Doch halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass heide Prämolaren ursprünglich der grossen Lücke zwischen C und Mm I entsprechen, da eine Verschiebung von Mm I nach vorn sehr gut in dem Umfang denkbar ist, dass die Anlage Pm II aus dem Raum vor Mm I hinter letzteren rückt. In der That liegt später Pm II, wie schon oben S. 517 angedeutet wurde, in der Scheidewand zwischen Alveole Mm I und Mm II, während Pm I in einer Scheidewand zwischen den vorderen und hinteren Wurzeln desselben Mm I seine Lage findet. Mögen wir nun annehmen, dass beide Prämolaren der Reihe nach dem Zwischenraum zwischen C und Mm I angehören, oder dass nur Pm I in diesem Zwischenraum zu setzen ist, dagegen Pm II dem Raum zwischen Mm I und Mm II entstammt, in beiden Fällen erhalten wir ein Zahl von 4 Zähnen für den zwischen Eckzahn und erstem bleibenden Molaren befiudlichen Raum, die sämnithch nach der vorge- tragenen Ansicht Elemente zweier Dentitionen umfassen. Würden diese beiden Dentitionen, wie im Gebiet der Incisivi und Canini getrennt bleiben, so hätten wir damit die Zahl von 4 allerdings einreihigen Prä- molaren in zwei Dentitionen, welche ja als die Grundzahl für die placen- talen Säugethiere angesehen wird. Dann hätte der Mensch 4 Prämolaren und man hätte nicht nach Rudimenten der fehlenden 2 Prämolaren zu suchen, zumal ja die sog. schmelzlosen Zahnrudimente dieser Gegend nach Röse's (27) neuesten Forschungen keineswegs hier herangezogen werden können. Man sieht aus meinen Ausführungen^ dass ich f ü r d i e P r ä m o 1 a r e n zu einer ganz ähnlichen Theorie gelangt bin, wie sie Baume allgemein für das Verhältniss des bleibenden zum Milchzahngebisse ausgesprochen hat. In wie weit aber im Einzelnen meine Anschauungen mit denen Baume's übereinstimmen, wird man am besten aus folgender kurzen Zusammenfassung der letzteren ersehen können. Baume bezeichnet den Diphyodontismus der Säugethiere als einen „Scheindiphyodontis- mus". Alle Zahnkeime werden nach Baume (2. S. 244) „im embryonalen Leben von derselben Matrix aus angelegt, aber zu verschiedener Zeit, und zwar die in Reduktion begriffenen schwächeren zuerst, die stark entwickelten später. So brechen zuerst die minder- werthigen Zähne durch und bilden die Reihe der Mi Ic h- Zähne; dann folgt die Reihe der Ersatzzähne. Das Ganze ist eine einzige Zahnaulage, deren einzelne Vertreter sich verschieden schnell und ver- schieden hoch entwickeln. Die geriugwerthigen Produkte eilen in der Entwicklung voraus und verzögern die Entwickelung der höhern. Da- durch erklärt sich die Vergrösserung der Zeitdifferenz zwischen den beiden Anlagen genügend. — Die zwei Dentitionen sind das passendste Arrangement, um die ererbten mehr oder weniger entbehrlichen Zähne, welche nun einmal durch die Macht der Vererbimg entwickelt werden, 522 <-T. Schwalbe, zu verwertbell. Das Auftreten jener schwächeren Produkte in einer Reihe genügt füi- das junge Thier, dessen Ernährung die Mutter über- wacht. Dadurch gewinnen die stark entwickelten höher specialisirten Ersatzzähne in dein stets wachsenden Kiefer Raum und Zeit für ihre höhere Ausbildung." — „Beide Serien befinden sich sozusagen im Kampfe ums Dasein. Der Kampf ist zu Ungunsten der Milchzähne entschieden und bei manchen Säugern vollständig ausgekämpft". Diese citirten Angaben von Baume genügen, um ein Urtheil in Betreff seiner Theorie zu gewinnen. Die Uebereinstimmung der BAUME'schen Theorie mit der von mir vorgetragenen besteht aber weniger in der Angabe, dass die Milchzähne in Reduction begriffene minderwerthige, aber durch Vererbung festgehaltene Organe seien, als in der Ableitung der Ersatzzähne der Milchmolaren von derselben epithelialen Falte, weiche die Milchzähne liefert, vollständig un- abhängig vom Schmelzorgan der letzteren. Baume bezeichnet die Schmelz- leiste als Primitivfalte (2. S. 65 ff.) und äussert sich (S. 73) wie folgt: j.Nach meiner Schätzung erfolgt die Anlage der Keime für die Ersatz- zäline gegen Ende der Schwangerschaft und wird überhaupt erst kurz vor der Geburt sichtbar. Aus den noch übrig gebliebenen Resten der Primitivfalte, welche mit dem Mundhöhlenepithel mehr oder minder in Verbindung geblieben sind, entwickeln sich die Keime für die blei- benden Zähne." — jjDie bleibenden Zähne entwickeln sich demnach aus Epithelresten, welche thatsächlich niemals an der Bil- dung der Milchzähne betheiligt gewesen sind." Hierzu führe ich nun an, dass thatsächlich auch von den neuesten Autoren auf dem Gebiete der Zahnentwickluug (Rose, Kükenthal, Leche) festgestellt ist, dass nicht etwa ein Ersatzzahnkeim von dem zu- gehörigen Milchzahnkeim sich abschnürt, sondern dass der Keim des Ersatzzahnes sich Ungualwärts vom Milchzahnkeim an der äusseren Seite der frei hervorragenden Schmelzleiste, die mm jenseits des Milchzahn- keimes Ersatzleiste genannt wird, sich bildet. In diesem Punkte dürfte also die Differenz zwischen der Ansicht von Baume einerseits, Rose, Leche, Kückenthal anderseits nur äusserst geringfügig sein. Anders steht es mit der Frage, ob jedem Milchzahngebiet ein bestimmtes Stück Ungualwärts gelagerter Ersatzleiste entspricht, welches z u r Z e i t d e r A n 1 a g e d e r M i 1 c h z ä h n e n o c h n i c h t e X i s t i r t e , oder ob die Theile der Ersatzleiste , an welclien sich die Keime der bleibenden Zähne entwickelten, als Stücke der ursprünglichen Zahnleiste aufzufassen sind, also bereits während der Anlage der Milchzahnkeime zwischen letze ren vor- handen waren. Nach meinem Dafürhalten ist letztere Ansicht wenig- stens für das Gebiet der Prämolaren diejenige, welche am meisten mit den Thatsachen übereinstimmt, und möchte ich mich also in der vorstehenden Form für die BAUME'schen Theorie zunächst, soweit die Milchmolaren und IVämolaren in Betracht kommen, aussprechen Ueber eine seltene Anomalie des Milch-Gebisses beim Menschen etc. 523 indem icli mir vorl)eli;ilte, weiter unten im Zusammenhan.ü; die Schneide- undEckziilme zu behandeln. Wie ich ol)en ausführlich erörtert hahe, scheint mir meine Ansicht mit Nothwendigkeit aus dem Studium der RJisE'schen Modelle zu folgen. Ich habe auf die Einfaltungen bezw. Knickungen der Zahnfalte ])ei älteren Ejubryonen hingewiesen, ebenso wie auf die relativ stärkere Ausdehnung der Keime der Milchmolaren an der labialen Seite der Zahnleiste. Eine neue besonders auf dies Stück der Zahn- leiste gerichtete Untersuchung der Entwicklung des Keimes der Prä- molaren wird Aufschluss darüber zu geben haben, an welcher Stelle der Zahnleiste genau die Anlagen der Prämolaren entstehen. Ich bin aber zunächst nicht der Ansicht, diese Anschauung'" von den Beziehungen der Prämolaren zu den Milchmolaren l)eim Menschen auf alle Säugethiere mit Zahnwechsel zu übertragen. Nach meiner oben entwickelten und ])egründeten Ansicht entsprechen ja die Ausseuzacken der Milchmolaren und Prämolaren einer ersten, die Innenzacken einer zweiten Dentition. Der Zahnwechsel im Gebiet der Prämolaren bestände also beim Menschen darin, dass Milchzähne durch Zähne derselben Dentition verdrängt bezw. ersetzt werden. Einen ganz anderen Zahn- wechsel nahm ich oben für die Schneide- und Eckzähne an, indem hier Zähne der ersten Dentition durch entsprechende Zähne einer zweiten Dentition ersetzt werden. Man muss also hiernach 2 Arten von Zahn- wechsel unterscheiden. Im Prämolargebiet vieler Säugethiere z. B. besonders der Carnivoren scheint mir nun beides vorzukommen. Jeden- falls findet sich bei einreihigen Prämolaren des Hundes (z. B. Pm 2 und 3 oben) eine Bildung von Ersatzzähnen auf der lingualen Seite, wie bei den Incisivi und Canini. Hier können beide Prämolarzähne, der Milch- und der bleibende Zahn, eine Zeit lang neben einander im Kiefer stehen der Art, dass der Milch-Prämolar labial, der Ersatz-Prämolar lingual gestellt ist. Bei manchen Hunden persistiren überhaupt die anderen einreihigen Milchzähne (Incisivi, Canini) sehr lange. Bei einem 1 Jahr alten Hunde fand ich 2 Reihen von Schneide- und Eck- zähnen ; bei weiterem Wachsthum desselben fielen die Milchschneidezähne aus. Als der Hund im 3. Lebensjahre starb, waren noch an 3 Stellen die Milcheckzähue erhalten! Mir scheinen auch diese Beobachtungen über Persistenz einreihiger Milchzähne bei Thieren meine Anschau- ungen zu unterstützen. Sind dieselben richtig, so können einreihige Zähne (Incisivi, Canini, Prämolaren verschiedener Thiere) nur durch ein- reihige Zähne ersetzt werden und zwar aus der wahren Ersatzleiste RÖse's, zweireihige Zähne dagegen, falls sie überhaupt gewechselt werden, nur durch zweireihige, welche aus bisher nicht verwertheten Stücken der zwischen den Milchzahn anlagen gelegenen Theile der primären Schmelz- leiste sich ableiten. Darauf hin würden die Prämolaren der verschiedenen Säugethiere mit Zahnwechsel von neuem zu prüfen sein. Nun kommt aber noch eines hinzu. Fragt man nach den Ursachen, 524 <^- Schwalbe, welche es im Gebiet der Prämolargegeud bewirken, dass griissere Theile der Zalinleiste dislocirt und erst später productiv werden, so möchte ich mich da nicht begnügen mit der von Baume für den Zahnwechsel überhaupt ausgesprochenen Begründung, die Milchzähne seien in Eeduc- tion begriffene minderwerthige Zähne, welche sich mit den bleibenden im Kampfe ums Dasein begriffen sind. Das erklärt nicht, muss vielmehr erst wieder erklärt werden. Au einer anderen Stelle führt Baume (2. S. 242, 243) selbst Raummangel als Ursache der späteren An- lage und Ausbildung speciell der menschlichen Prämolaren an. Ich glaube in der That, dass hierin der Hauptgrund für die Verzögerung des Auftretens der l)eiden Prämolaren des Menschen zu suchen ist. Ich sehe diesen Raummangel vorzugsweise in einer auffallenden Verkürzung, welche die Alveolarbögen der Kiefer des Menschen und der Primaten in Vergleich mit denen der Säugethiere erfahren haben. Diese im Laufe der Stammesentwicklung erfolgte Verkürzung wird ja allgemein zugegeben. Für meine Betrachtung kommt es aber speciell darauf an, dass gerade die Prämolargegend am meisten von der Verkürzung betroffen ist. Dies leuchtet sofort ein bei Ver- gleichung der Kiefer eines Hundes mit denen des Menschen. Um den Satz aber sicherer zu begründen, empfiehlt es sich zunächst, die Längen der einzelnen Kiefera])schnitte l)eim Menschen und verschiedenen Säuge- thieren mit einander zu vergleichen. Es genügt hier die Untersuchung auf den Oberkiefer zu beschränken. Um bequem zu vergleichende Zahlen zu erhalten, habe ich die Kieferlänge von der Medianebene bis zum hinteren Rande des letzten Molarzahnes in 3 Abschnitte getheilt, die ich der Einfachheit wegen als Zwischenkiefer, Mittelkiefer und Hinter- kiefer bezeichnen will. Der Zwischeukiefer (Vorderkiefer) deckt sich mit dem allbekannten die Schneidezähne tragenden Abschnitt, der Mittelkiefer umfasst das Gebiet des Eckzahns und der Prämolaren, und der Hinterkiefer das Gebiet der eigentlichen Molaren. Es ist bemerkens- werth, dass in vielen Fällen eine vom Foramen infraorbitale vertikal zum Kieferrande herabgezogene Linie den letzteren zwischen letztem Prämolaren und erstem Molaren trifft. Nimmt man nun die Gesammt- länge des Kiefers z -)- m -|- h und bestimmt das A^erhältniss der Mittel- kieferlänge m zu jener Zahl in Procenten, also - — , ; — r. so er- z -|- m -|- h' hält man einen sehr brauchbaren Index, den ich als ]\Iittelkiefer-Index bezeichnen will und der uns den Grad der Reduktion dieses Abschnitts veranschaulicht. Ich theile hier einige bisher ermittelte Zahlen, soweit sie sich auf Lemuriden und Primaten beziehen, in einer kleinen Tabelle mit; sie betreffen sämmtlicli Erwachsene. Üeber eine seltene Anomalie des Milch-Gebisses beim Menschen etc. 525 (Maasse in Millimetern.) Art der Zähne Zwischen- kiefer = z Mittel- Hinter- ! , , , Mittelkie- kiefer = m kiefer = h^ "T" "^ "i" ° fer-Index c + pm Lemur mongoz 6,5 24 16 46,5 51.G Cebus capucinus 8,5 17 13 38,5 44,1 Ateles vellerosus 8 14 15 37 37,8 Macacus nemestrinus 17 25 28 70 35,7 Macacus cynomolgus 14 19 21 54 35,2 Cynocephalus morraon 17 22,6 33 72,5 32,2 Homo 13 20 28 61 32,7 Man ersieht aus diesen Zahlen, wie auffallend der Mittelkiefer beim iMenschen und den altweltlichen Affen im Vergleich mit den Lemuriden in der Längenentwicklung zurückgeblieben ist. AVenn die Ansicht richtig ist. dass die beiden Prämolaren des Menschen ursprünglich in eine Reihe gehören mit den Milchmolaren, dass ihre Keime nur in Folge einer auffallenden Verkürzung dessen, was ich Mittelkiefer genannt habe, beim Menschen und bei den altwelt- lichen Affen verlagert und deshalb erst spät zur Entwicklung gekommen sind, so ist der gegentheihge Fall nicht ausgeschlossen, dass bei ge- ringerer Verkürzung der Kiefer einmal einer der Prämolaren in Reihe und Glied neben den Milchmolaren Platz findet und dass nur einer der letzteren durch den anderen Prämolaren verdrängt wird, während der andere Milchmolar persistirt. In dieser Weise sind meines Er- achtens zum Theil die seltenen in der Literatur beschriebenen Fällen von überzähligen Prämolaren zu deuten, die Busch (3) in einer sorgfältigen Arbeit zusammengestellt hat. Ohne mich hier weiter auf das Gebiet der Anomalieen einzulassen, will ich nur einen besonders charakteristi- schen Fall herausheben, der zuerst von Langer (14) beschrieben, so- dann von Wedl (37) in seine „Pathologie der Zähne" aufgenommen und dort abgel)ildet ist (S. 73). Es betrifft derselbe das Gebiss eines Neger- schädels, in welchem oben jederseits ein, unten links 2, rechts ein über- zähliger Backzahn sich finden. Oben auf l^eiden Seiten und unten rechts stehen sie in Reihe und Glied mit den übrigen Zähnen, während unten links ein überzähliger Zahn vom Charakter der Prämolaren zwischen zwei anderen Zähnen von Prämolar-Charakter an die linguale Seite der Zahnreihe verschoben ist. Die natürhchste Deutung ist die, dass im Oberkiefer und unten rechts ein Milchmolaris, und zwar der zweite, stehen geblieben ist, während der erste Milchmolaris durch die beiden Prämolaren verdrängt wurde. Unten rechts besteht einige Schwierigkeit für die'Deutung. Zählt man von hinten, so kommen zunächst die 3 nor- malen Molaren, dann ein Zahn vom Charakter eines Molaren, der wohl zweifellos als persistirender zweiter Milchmolaris zu deuten ist, dann ein 526 ^- Schwalbe. Zalin mit ifemiscliteii Charakteren. Icli Ijin geneif,^t, aucli diesen für einen allerclin,t;s etwas verkümmerten persistirenden Milclimolaris zu lialten, die Leiden anderen für die Präniolaren, sodass wir also für diese Seite die typische Zahl von 4 Zähnen der Prämolargei^^end erhalten würden. Was an dem ganzen Kieferapparat sofort in die Augen fällt, ist die ausserordentliche Verlängerung des Kieferbogens, ein Argu- ment mehr für die von mir vorgetragene Ansicht. Damit will ich die Prämolaren verlassen und /um Schluss noch ganz kurz auf einige Eigenthümlichkeiten der Schneide- und Eckzähne eingehen, die mir für die in diesem Aufsatz berührten Fragen von Be- deutung zu sein scheinen. Bereits oben Avurde hervorgehoben, dass mir mehrfache Beweisstücke für denjenigen Theil der Theorie von R.Ö8E vorzuliegen scheinen, welcher besagt, dass die typischen (Joni der Molaren und Prämolaren in letzter Instanz wiederum auf eine Anzahl zu einer Einheit verschmolzener spitziger Einzelzähnchen zurückzuführen seien. Ich habe ferner betont, wie nicht nur die Eckzähne, sondern auch die lateralen Schneidezähne bei ihrer ersten Anlage den Charakter von Conis zeigen und ferner für die medialen Ersatz-Incisiven den Nachweis geliefert, dass ihre meissel- förmige Krone aus 3 ursprünglich getrennt angelegten Zahn- scherbchen entsteht, die aber in einer Reihe neben einander liegen. Hier habe ich nun nachzutragen, dass die Milch-Incisiven und Canini auch für denjenigen Theil der llösE'schen Theorie Andeutungen ge- währen, der auch in labioliugualer Richtung gelegene, also einer an- deren Reihe angehörige Zäckchen sich am Aufbau der Krone eines Milcheckzahns oder Milch-Incisivus betheiligen lässt. Um keine Miss- verständnisse hervorzurufen, betone ich nochmals, dass die Milch-Incisivi und -Canini meines Erachtens zu derselben Dentition wie die labialen (Aussen-)Zacken der Prämolaren und Molaren gehören, also je einem Conus der letzteren gleichwerthig sind. Hält man dies fest, so wäre hier zur Vervollständigung der früher gegebenen Daten noch folgendes hinzuzufügen. R()SE (28) selbst beschreibt an einem Sagittalschnitt durch den Unterkiefer in der ersten Anlage der Eckzähne eine zweispitzige Papüle bei einheitlichem Dentinconus. Es ist zu vermuthen, dass die zweite Spitze der lingualen Seite der späteren Krone entspricht und dass sich auch an der lingualen Seite der Papillen sowohl der JMilch- als bleibenden Schneidezähne eine solche Zweispitzigkeit angedeutet findet. ich bin nun geneigt, eine solche Bildung mit der Ausbildung eines Tuberculuni dentale in Verbindung zu bringen, der ja den Schneide- und Eckzähnen zukommt und zwar bei den Schneide- nnd Eckzähnen der zweiten Dentition in allen möglichen Graden der Entwicklung bis zur Ausbildung eines selbstständigen Höckers, der so- gar durch eine seitliche Furche von dem übrigen Theile der Krone schärfer abgesetzt sein kann. Ich habe mich über diese Forraverhält- Ueber eine seltene Anomalie des Milch-Q-ebisses beim Menschen etc. 527 nisse schon oben S. 500 ausführlich ausgesprochen und auch bereits be- tont, dass für die Milch-Incisivi und Oauiui eine derartige Weiterbildung des Tuberculum dentale zu einem spitzen gut begrenzten Höcker bisher nicht beschrieben worden ist und ferner, dass der interessante Fall, der dieser meiner Arbeit zu Grunde liegt, keinesfalls in dieser "Weise gedeutet werden kann. Die oberflächliche Aehnlichkeit aber, welche der- artige Fälle stärkerer Ausbildung des Tuberculum dentale mit der von mir beschriebenen Anomalie darbieten, veranlasst mich noch einmal darauf zurück zu kommen. "Wie gesagt, sind sie nie vom Milchgebiss beschrieben, sie gehören sämmtlich den bleibenden Incisivis an, so auch die kürzlich von Busch beschriebenen Fälle, die allerdings nicht unter sich gleichartig sind. Denn wie schon oben S. 500 erörtert wurde entspricht der in Abbildung 4 der Buscn'schen Arbeit reproducirte, von mir in Figur 5 wiedergegebene Fall einer abnormen Ausbildung des Zungenhöckers (Tuberculum dentale), worin ich mit Busch überein- stimme. Anders steht es aber mit dem Doppelzahn Abbildung 3 von Busch, den ich in Fig. 11 copirt habe. Während hier die Krone des betr. grossen oberen medialen Schneidezahns sehr der Abbildung 4 gleicht, unterscheidet sich die "Wurzel der letzteren dadurch, dass sie ein einfaches Foramen apicale besitzt, während der in Abbildung 3 (Fig. 11) dargestellte Zahn ein kleines 1 ^ dem hinteren Höcker angehöriges Foramen apicale \^^ ■,■ ™ von einem grösseren Foramen apicale excentrisch ^ i umfasst zeigt. Busch deutet dies Gebilde als pig. u. Copie nach Busch Doppelzahn, hervorgegangen aus der Verschmel- (4) Abbildung 3. Mittie- zung des mittleren oberen Schneidezahns mit ^"[^ et^m^ndt^en^^ZaST- einem anderen Zahnkeime. Der Fall betrifft das keim zu einem Doppei- r\ \.- ' n c •■■^ • T^^j !• 11, zahn verschmolzen. «An- Gebiss ^ emes 7— Sjahrigen Kmdes, bei welchem ^j^,^, ^^^ ^^^ \\ngn^\eu die bleibenden seitlichen Schneidezähne noch nicht Seite; b doppeltes Fora- hervorgetreten sind. Wenn sich Busch nun ^^^^ ^"^^^^ ^' hier auch etwas unsicher in Betreff des Ur- sprungs des lingualen Höckers ausspricht, so geht aus seiner ganzen Darstellung doch soviel hervor, dass seiner Ansicht nach der Hauptzahu des Doppelgebildes als bleibender Schneidezahn anzusehen ist. An eine einfache excessive Bildung des Tuberculum dentale ist wohl wegen des doppelten Foramen apicale nicht zu denken. Ich stimme deshalb darin Busch bei, dass hier zwei Zahnkeinie mit einander ver- schmolzen sind. Wie nun aber weiter? Sollen wir hier noch einen hypothetischen Incisivuskeim einer d r i 1 1 e n Dentition annehmen? Viel- leicht gelingt es aber auf einem anderen Wege zu einer befriedigenderen Deutung zu kommen. Was würde wohl das Schicksal des von mir be- obachteten oberen Milch-Doppel-Schneidezahns im späteren Leben ge- wesen sein? Da der Keim des Ersatzzahns mit dem des entsprechenden Morpholog. Arbeiten hrsg. v. G. Schwalbe. III. 34 528 G. Schwalbe. ]\[ilch:^ahnes sichhier vereinigt hat, so sind nun beide Zälme ein Gebilde ge- worden, für welches kein Er s at z z a h n mehr vorhanden ist. Es liegt also auch kein Grund für eine Ausstossung dieses Zahnes vor. Derselbe wird also keinen Wechsel erfahren, ])ermanent sein. Mir scheint nun in der Abbildung 3 von Busch ein gleicher Fall vorzuliegen. Die natürlichste Erkliirung ist, dass jener Zahn beide Elemente, den Milch-Schneidezahn und dessen allerdings in Folge der frühzeitigen Verwachsung modificirten Ersatz- /ahn enthält. Nur die eigeuthümliche seitliche IJmwachsung des letz- teren von Seiten des ersteren bereitet noch einige Schwierigkeit, die aber nicht unüberAvindlich scheint, wenn man bedenkt, dass die Kronen der Schneidezähne überhaupt die Neigung besitzen, sich mit ihren Seiten- kanten lingualwärts zu krümmen, wie dies allerdings besonders schön an der Krone des Ersatz-Schneidezahns T zu sehen ist. Ich möchte also nach Allem als die wahrscheinlichste Deutung des interessanten Busch- schen Falles die aussprechen, es handle sich hier wie in dem meinigen um Verschmelzung eines Milchschneidezahnes mit seinem correspondiren- den Ersatzzahn, also um eine Verschmelzung von Zähnen zweier ver- schiedener Dentitionen. Und damit wäre ich wieder am Ausgangs- punkte meiner Arbeit angelangt. Ich kann dieselbe aber nicht scliliessen, ohne noch einmal auf die Frage einzugehen, ob die Schneidezahnkronen sowohl der Milchzähne als der Ersatzzähne als einfache Zahnindividuen vom Werth eines Conus der Molaren und Prämolaren anzusehen sind , oder ob sie mehreren Conis entsprechen. Ich habe mich bisher an die erste An- schauung angeschlossen und das ursprüngliche Auftreten getrennter Spitzchen, wie ich es für die Krone des medialen oberen und unteren Ersatzschneidezahnes beschrieben habe auf eine Zusannnensetzung aus Conulis bezogen. Ich möchte dies so ausdrücken, dass nach dieser Auffassung jeder Schneidezahn ein wert big ist, d. h. je einem Conus oder einer variablen Summe von Conulis entspricht. Ich betone aber, dass unsere Kenntnisse gerade in Betreff der Ent- wicklung der Schneidezähne noch viel zu Avüiischen übrig lassen. Es ist bekannt, dass der mediale obere Schneidezahn, ehe er gebaucht wird, eine charakteristische Dreizackung des Kronenrandes besitzt; von jedem Zackenintervall läuft eine Furche herunter, eine Dreitheilung des Zahnes andeutend; ihr entsprechend findet man (Zuckeukandl 40. S. 36), dass die Pulpahöhle dieses Zahnes sich gegen die Schneide in 3 kleine in einer Reihe gelegene Divertikel verlängert, während die Pulpahöhle des oberen lateralen Schneidezahns nur deren 2 besitzt. Ich fand an sonst vollkommen normalen Zähnen, dass eine oder die andere der Zacken des Kronenrandes durch secundäre Rinnen oder Kerben in Unterabthei- lungen zerlegt war, die aber nur dem äussersten Kronenrande angehörten, die Haupteintheilung in 3 durch Rinnen getrennte Abschnitte nicht alterirten. Liesse sich angesichts dieser Funde nicht daran denken, dass Ucber eine seltene Anamalie des Milch-Gebisses beim Menschen etc. 529 der mediale Schneidezahn aus drei, der laterale Zahn aus zwei ursprüng- lichen Kegelzähnen oder Conis sich aufbaut? Es ist diese Spekulation aus mehreren Gründen verlockend, erstlich weil wir so eine ursprünglich grössere Zahl von Schneidezähnen auch für den Menschen gewinnen würden, und zweitens, weil so vielleicht die so häufig im Schneidezahn- gebiet beobachteten überzähligen Zapfen- oder Stiftzähne ihre natürliche Deutung finden würden. Nach den Untersuchungen von Busch zeigen sich Milchgebiss und bleibendes Gebiss mit Rücksicht auf das Vorkommen überzähliger Zähne äusserst verschieden, indem er im Milchgebiss nur 2 mal, im bleibenden Gebiss 117 mal überzählige Zähne konstatirte. Sehr be- merkenswerth ist, dass die Fälle im Milchgebiss sich ausschliesslich auf den Oberkiefer beziehen und dass auch im bleibenden Gebiss überzählige Zähne im Unterkiefer gegenüber den zahlreichen Befunden im Ober- kiefer keine Rolle spielen. Zapfenzähne sind bisher überhaupt nur im Oberkiefer gefunden. Diese eigenthümlichen Verschiedenheiten zwischen Milch- und bleibendem Gebiss, zwischen Ober- und Unterkiefer ver- langen zu ihrer Erklärung eingehendere Untersuchungen über Entstehung und Zusammensetzung der Schneidezahnkronen, als ich in dieser Arbeit zu liefern im Stande war. Erst wenn die Frage nach der „"Werthig- keit" der einzelnen Schneidezähne des menschlichen Gebisses in beiden Dentitionen sicher entschieden ist, wird man von Neuem die Frage stellen dürfen: welche Reduktionen haben im Incisivus-Gebiet des Menschen statt gefunden? Welches ist das Verhältuiss der Milch-Incisiven zu den bleibenden? Für jetzt ist daran festzuhalten, dass die beiden bleibenden Incisivi als Zähne zweiter Dentition die beiden Milch-Incisivi oder Zähne erster Dentition ablösen; für jetzt würde es nur schwer mit den Thatsachen vereinbar sein, das BAu:\rE'sche Princip auch auf die Schneidezähne (und Eckzähne) anzuwenden. Trotz der Ansicht, welche ich über die Beziehungen der Prämolaren des Menschen zu dessen Milch- molaren aufgestellt habe, möchte ich davor warnen, dieselbe sofort auf die Incisivi und Cauini zu übertragen. Ich würde mich dann in Wider- spruch setzen mit dem, was Rüse, Kf^KENTHAL und Leche über den Zahnwechsel der verschiedensten Säugethiere in mehreren sorgiältigen Arbeiten ermittelt haben, vor Allem mit der Thatsache, dass die Keime der Ersatzzähne ihren Entstehungsort lingualwärts vom Keim des be- treffenden Milchzahns an der Ersatzleiste haben, also dass ihnen so zu sagen ihre Lokalität durch den correspondirenden Milchzahn angewiesen wird. An der Bedeutung dieser Thatsachen, dass die Dentitionen verschiedenen Zahngeuerationen entsprechen, dass die „Dentition als eine Zahngeneration aufzufassen" ist (Lechk 16. S. 137), will ich durchaus nicht rütteln. Auch ich erkenne zwei verschiedene Zahngenerationen au, wie ich oben ausführlich erörtert habe, glaube aber, dass die Verhält- nisse in der Priimolargegend sich besser unter der Annahme verstehen lassen, dass hier ein auch bei anderen Säugethieren spät produk- 530 Gr. Schwalbe. tives Stück der ursprünglichen Zalmleiste in Folge auffallender Kiefer- verkürzung versenkt bezw. verschoben wurde, sodass nun die von ihm aus später entstehenden beiden Zahngenerationen, die während der Ent- wicklung zu den Kronen der Prämolareu verschmelzen, als Ersatzzähne der Milchmolaren auftreten. Bei der Entwicklung meinta- Anschauungen über die Dentition des Menschen ging ich von der Thatsache aus, dass sich die linguale Krone des von mir beschriebenen Doppelzahnes zu dem mit ihr verwachsenen Milchschneidezahn genau so verhält, wie die lingualen Coni der Molaren und Prämolaren zu den labialen. Unser Doppelzahn repräsentirt ein Verschmelzungsstadium, wie es jene complicirteu Zahnformen in analoger Weise mehrfach zeigen. Wenn also die linguale Krone des Doppel- zahns der zweiten Dentition des Menschen augehört, so ist auch die linguale Reihe der Molar- und Prämolar-Coni dieser zuzurechnen. AVenn nun auch für den Menschen und die Affen diese von mir vorgetragene Auffassung der Dentitionen eine genügend begründete sein dürfte, so verhehle ich mir doch nicht, dass eine Uebertragung derselben auf die verschiedensten Säugethierklassen manche Schwierigkeiten zu überwinden hat. Gerade die Molaren sind es hier, Avelche eine starre Schematisiruug im Sinne meiner für die Primaten entwickelten Theorie vielfach nicht zuzulassen scheinen. Denn ihre Höcker oder Coni sind durchaus nicht immer in 2 regelmässigen Reihen angeordnet, sondern vielfach in scheinbar unregelmässiger Weise gegen einander verschoben ; dazu kommt noch, dass es Molaren mit einer grösseren Anzahl von Höckerreihen giebt! Es ist aber nicht meine Absicht, an diesem Orte auf diese Schwierigkeiten ausführlich einzugehen. Ich hoffe bald bei einer anderen Gelegenheit diese Fragen, sowie überhaupt die allge- meinen Dentitionstheorieu, die phylogenetische Ableitung des Zahn wechs eis kritisch besprechen zu können. Nur soviel möchte ich jetzt schon bemerken, dass mir jene Schwierigkeiten nicht unüberwind- lich erscheinen. Verschiebungen der ursprünglich einer Reihe an- gehörigen Coni in labialer f)der lingualer Richtung werden bei einer allgemeinen phylogenetischen A'erkürzung der Kiefer, welche mir bei den Säugethieren gerade zuerst in dem die Molaren tragenden Stück („Hintorkiefer") zu erfolgen scheint, eintreten müssen und zur Bildung mehrreihiger Molaren führen oder wenigstens das Bild zweii-eihiger Zähne stören können. In letzterer Hinsicht möchte ich hier schon an- führen, dass die sogenannte „mediane" Stellung des Pentaconid des zweiten Unterkiefer-Milchmolaren erst secundär ontogenetisch in Folge einer solchen Verschiebung eintritt, da seine erste Entwicklung in der labialen Reihe stattfindet. Wie ein einreihiger Zahn eine linguale Zacke er- halten kann, sodass er zu einem partiell zweireihigen wird, zeigt die Entwicklung des Untorkiefer-Reisszalms beim Hunde, dessen Inneuhöcker sich ursprünglich hinter dem stärksten Conus des Zahnes in der labialen Ueber eine seltene Anomalie des Milch-Gebisses beim Menschen etc. 531 Reihe entwickelt, dann aber lingual verschoben wird, während der Talon zunächst selbstständig auftritt, dann aber mit dem Haupttheile des Zahns secundär verschmilzt. Dass derartige Beispiele bei genauer Untersuchung sich häufen werden, davon bin ich fest überzeugt. Mir scheint Cope's Trituberculartypus nach dem Princip des Raummangels in Folge von Verkürzung des „Hinterkiefers" in einfacherer Weise aus dem triconodonten Zahn abzuleiten, als unter der Annahme einer Ver- schiebung der Coni in Folge der mechanischen Druckwirkungen des Kieferschlusses (Cope [5]). Doch ist hier nicht der Ort, von diesem Gesichtspunkte aus die Molarformen der Säugethiere zu durchmustern. Nur betonen wollte ich, dass mehrreihige Zähne auf zweierlei Weise entstehen können : 1) durch Verwachsung von gleichnamigen Zähnen zweier verschiedener Dentitionen, und 2) durch Verschiebung von ur- sprünglich einer Reihe angehörigen Conis nach labial oder lingual. Nur die Entwicklungsgeschichte wird hier in jedem Einzelfalle genaue Auskunft geben können. Zum Schluss sei noch mit wenigen Worten der schmelzlosen Zahnrudi- mente gedacht, über welche Rose (27) kürzlich sehr bemerkenswerthe Mit- theilungen gemacht hat. Mit Recht weist Rose die Ansicht von Baume (2), sie seien Rudimente zweier aus dem Gebisse der Primaten verschwundenen Prämolaren zurück, da dieselben nicht nur im Gebiet der Prämolaren, sondern allerübrigen Zähne vorkommen und zwar stets auf der labialen Fläche des Kieferrandes. Obwohl nun Rose, von der Thatsache ausgehend, dass jene Zahn- rudimente hauptsächlich an Schädeln mit zartem porösen Knochenbau vorkommen, vermuthet, dass bei ihrer Entstehung pathologische Reize jeder Art eine grosse Rolle spielen, so schliesst er doch die Möglich- keit nicht aus, dass man „unter einer gewissen Reserve die fraglichen Rudimente noch am ehesten als Zeugen einer rudimentären dritten Dentition anführen" könne (S. 25). Ich habe in einem kurzen Be- richt über einen im naturwissenschaftlich - medicinischen Verein in Strassburg gehaltenen Vortrag (34) die Vermuthung ausgesprochen, es wären möglichenfalls diese Zahnrudimente einer der Milchzahngeneration vorausgehenden Dentitionsreihe angehörig. Gegen diesen Gedanken könnte man erstlich einwenden, dass bei den bisherigen embryologischen Untersuchungen derartiges beim Menschen nicht gefunden ist. Bedenkt man aber, dass nach Rose derartige Zahnrudimente im Oberkiefer nur in 2,4 7o> iii^ Unterkiefer aber gar nur in ^2 7o ^^^ Fälle vorkommen, dass überdies einzelne Gegenden, wie die der Incisivi und Molaren sehr selten diese Zahnrudimente aufweisen, dass man ferner auf derartige Vor- kommnisse an der Zahnleiste des Menschen nicht geachtet hat, so ist es wohl mit diesem ersten möglichen Einwände nicht sehr ernst zu nehmen. Anders steht es mit einem zweiten Einwände, den ich selbst meiner Ver- muthung entgegen halten muss. Nie ist es bisher gelungen an Schädeln 532 Gr. Schwalbe. vou Kiuderii uud jugendlichen Individuen vor beendetem Zalinwechsel scbmelzlose Zalmrudimente aufzufinden (Rose [27] S. 12). Da& jüngste Tudividuum, au welchem dies RiisE gelang, war 17 Jahre alt. Ich ver- keuue nicht die Bedeutung dieses Einwandes, halte ihn aber nicht für unumstösslich , da ja labial von den Milchzähnen entstehende rudi- mentäre Zahnkeime längei'e Zeit als Epithelj)erlen so zu sagen ein latentes Dasein führen uud erst später Dentin bilden könnten. Auch muss man bei diesem Einwände wieder bedenken , dass es sich um relativ seltene Fälle handelt , dass ferner bei Kindern derartige kleine Rudimente viel leichter bei der Mazeration verloren gehen werden, wie bei Erwachsenen, So komme ich denn zu dem Resultate, dass die beiden von mir selbst gemachten Einwände nicht zwingend gegen die von mir aufgestellte Vermuthung sprechen und dass mir die letztere wohl einer weiteren Prüfung werth erscheint, um so mehr, da ja von Leche (15) in neuester Zeit beim Igel auf der labialen Seite des dritten Milch-Incisivus die Anlage eines deniMilch- gebiss vorhergehenden Zahnes gefunden Avorden ist. S. 534 derselben Arbeit wird diesem Befunde hinzugefügt, allerdings ohne Angabe über die Lokalität des betreffenden Fundes: „und dies ist ebenfalls bei Didelphys der Fall". In seiner zweiten Arbeit (16) vermochte Leche noch deutlicher bei Myrmecobius fasciatus „die Reste eines von niederen Wirbelthieren ererbten Gebisses, welches den persistirenden, der ersten Dentition der placentalen Säugethiere ontsrechenden Zähnen vorange- gangen ist", nachzuweisen. Er fand dieselben sogar mit Zahnsc herb- chen versehen und zwar labialwärts vom ersten Schneidezahn des Ober- kiefers, vom 2. und 3. Schneidezahn und Eckzahn des Unterkiefers. Auch KüKENTiiAHL (12) beschreibt bei Piunipediern (Phoca groen- landica ; Fig. 20) und Bartenwalen (13) (Balaenoptera rostrata [Fig. 105] und musculus) auf der labialen Seite der Zähne bezw. Zahn- anlageu der ersten Dentition Anlagen für eine prälacteale Zahnserie. Es steht zu vermuthen, dass, da nun die Aufmerksamkeit auf derartige Vorkommnisse gelenkt ist, in der Folge die Beispiele für die Existenz rudimentärer prälactealer Zahnanlagen sich mehren werden. Nachtrag. Der Vollständigkeit wegen seien noch einige literarische Notizen nachgetragen. Windlk und Humphkeys (42) erwähnen vom bleiben- den Gebiss des Menschen die oben genauer gewürdigte Anomalie, näm- lich die stärkere Entwicklung des Tuberculum dentale (linguale) an den oberen Eck- und Schneidezähnen des iMenschen und heben hervor, dass derartige Bildungen nornuiler Weise bei verschiedenen Säuge- Ueber eine seltene Anomalie des Milch-Gebisses beim Menschen etc. 533 thieren sich finden. Ob Herumann's Fall (43) in dieselbe Kategorie gehört, ist nach der vorliegenden Mittheilung nicht zu entscheiden. In Betreff der Frage, ob die Incisivi des Menschen als einfache oder zusammengesetzte Zähne angesehen werden müssen, sei hier noch eine der meinigen verwandte Anschauung von Maciitot (19 p. 86 u. 87) citirt. Er spricht sich über die Entwicklung der Schneidezähne fol- geudermassen aus : „Observons, en effet, la formation du bulbe dans un foUicule de cet ordre. II est encore primitivement unique; mais ä un moment de l'evolution, il se surmonte de saillies au nombre detrois, lesquelles se recouvrent encore d'un nombre egal de cha- peaux dentinaires." — Nach Abschluss der vorliegenden Arbeit erhielt ich ferner Kenntniss von den Arbeiten von Credner (44) und Semon (45). Nach ersterem entstehen die scheinbar einheitlichen ein- spitzigen Zähne paläozoischer Stegocephalen (Sclerocephalus), „aus der Verschmelzung einer vielzähligen Gruppe von Einzelanlagen, deren jede einem Schuppen- oder Gaumenzähnchen homolog ist." Er schliesst sich hiermit Röse's Ansicht an, dass die einspitzigen conischeu Reptilien- zäline sowie die Coni der Molaren „keine primitiven, sondern vielmehr polysynthetische Gebilde" sind. „Erst aus der Verschmelzung solcher würden nach den genannten Autoren" (Kükenthal, Rüse) „die viel- spitzigen oder mehrhöckerigen Zähne der höheren Wirbelthiere ent- stehen und dann einen ComplexvonpolysynthetischenZähnen (polysynthetische Zähne zweiter Ordnung) vorstellen." Semon's (45) Be- obachtung bezieht sich auf die Entwicklung der Pterygopalatinalzähne von Ceratodus Forsteri. Jede der betr. Zahnplatten entsteht aus 6 ge- trennten Höckeranlageu, die später zu einer einheitlichen Zahnplatte mit 6 Zacken verschmelzen. AVährend des Druckes meiner Arbeit wurde mir auch die wichtige Arbeit von Woodwakd (46) über die Zahnentwicklung der Känguruhs bekannt. Ich erwähne aus dieser Arbeit hier nur den wichtigen Nach- weis, dass der Ersatzzahn für pm 4 nicht als ein Zahn einer zweiten Serie aufzufassen ist, sondern dass er aus einer Anschwellung des Ban- des der Zahnleiste zwischen den Anlagen von pm 3 und pm 4 ent- steht, also derselben Serie wie letztere angehört. Somit gilt auch für diesen Prämolaren Baume's Ansicht in der von mir modifizirten Form. Literatur. Enthält nur die Arbeiten, welche im Text Verwerthung gefunden haben. 1. Ameghino, Fl., Nuevos restos de mamiferos fosiles oligocenos etc. Bol. Acad. Cordoba (Argent.) Tomo 8 p. 181. ((Jitirt nach Kükenthal.) 2. Baume, R., Odontologische Forschungen. 1. Theil. Versuch einer Entwicklungsgeschichte des Gebisses. Leipzig 1882. 3. Busch, Die Ueberzahl und Unterzahl in den Zähnen des mensch- lichen Gebisses mit Einschluss der sogenannten Dentitio tertia. Deutsche Monatsschrift f. Zalmheilkunde. IV. 1886. 4. Busch, lieber Verschmelzung und Verwachsung der Zähne des Milchgebisses und des bleibenden Gebisses. Verhandlungen der deutschen odontolog. Gesellschaft. Bd. V. 1893. 6. CoPE, E. D., The mechanical causes of the development of the hard parts of the Mammalia. Journal of Morphology. III. 1889. 6. Dybowski, B., Studien über Säugethierzähne. Verhandl. d. zoolo- gisch-botanischen Gesellschaft in Wien. 39. Bd. 1889. 7. Gaudry, A., Les enchainements du monde animal dans les temps geologiques. Mammiferes tertiaires. Paris 1878. p. .54 ff. 8. Giebel, Odontographie. 1856. 9. KtJKENTHAL, W., Einige Bemerkungen über die Säugethierbezahnung. Anatomischer Anzeiger. VI. 1891. No. 13. S. 364—370. 10. KÜKENTHAL. W., Das Gcbiss von Didelphys. Anatomischer An- zeiger. VI. 1891. No. 23 u. 24. S. 658-666. 11. KüKKNTUAL, W., lieber den Ursprung und die Entwicklung der Säugethierzähne. Jenaische Zeitschr. f. Naturw. Bd. 26. 1892. S. 469—489. 12. KiiKENTiiAii, W., Entwicklungsgeschichtlich(> Untersuchungen am Pinnipcdiergebisse. Jenaische Zeitschrift f. Naturwissenschaft. 18. Bd. 1893. S. 76—118. 13. KüKENTHAL, W., Vergleichend anatomische und entwicklungs- geschichtliche Untersuchungen an Walthieren. II. Theil. Denkschriften der med.-nat. Gesellsch. in .lena. Bd. III. 1893. Literatur. 535 14. Langer, Negerscliädel mit überzähligen Zähnen. Mittheilungen der anthropol. Gesellsch. in Wien. I. 1871. S. 118—119. 15. Leche, W., Entwicklung des Zahnsystems bei den Säugethieren. Morphologisches Jahrbuch. Bd. 19. 1892. S. 502 ff. 16. Leche, W., Nachträge zu „Studien über die Entwicklung des Zahnsystems bei den Säugethieren". Morphologisches Jahrbuch. Bd. 20. 1893. S. 113—142. 17. Leche, "W., Ueber die Zahneutwicklung von Iguana tuberculata. Anatomischer Anzeiger. No. 23 u. 24. Bd. VIII. 1893. S. 793-800. 18. Magitot, E., Traite des anomalies du Systeme dentaire chez rhomme et les raammiferes. Paris. 1877. 19. Maüitot, E., Des lois de la dentition. Journal de l'anatomie et de la physiol. (Robin et Pouchet). 1883. p. 59 ff. 20. Mühlreiter. E., Anatomie des menschlichen Gebisses. 2. Auflage. Leipzig 1891. 21. E.ÖSE, C, Ueber die Entwicklung der Zähne des Menschen. Archiv f. miskrosk. Anatomie. Bd. 38. 1891. S. 447—491. 22. RösE, C, Zur Phylogenie des Säugethiergebisses. Biolog. Centralbl. XIL No. 20 u. 21. 1892. S. 624—638. 23. RÖSE, C, Ueber die Zahnentwicklung des Menschen. Schweizerische Yierteljahrsschrift für Zahnheilkunde. Bd. IL 1892. 24. RösE, C, Ueber die Entwäckelung und Formabänderungen der menschlichen Molaren. Anatomischer Anzeiger. VII. 1892, No. 13 u. 14. S. 392—421. 25. RösE, C, Beiträge zur Zahnentwicklung der Edentaten. Anatomi- scher Anzeiger. VII. 1892. No. 16 u. 17. 26. RüsE, C, Ueber die Zahnentwdcklung der Beutelthiere. Anatom. Anzeiger. "VT!!. 1892. No. 19 u. 20. 27. RÖSE, C, Ueber die schmelzlosen Zahnrudimente des Menschen. Yerhandl. d. deutschen odontol. Gesellsch. Bd. IV. 1892. 28. RüsE, C, Ueber die Zahnentwicklung der Reptilien. Deutsche Monatsschr. f. Zahnheilkunde. 1892. X. 29. RösE, C, Ueber die Zahnentwicklung der Crocodile. Morphologische Arbeiten. III. S. 195—228. 1893. 30. RösE, C, Ueber den Zahnbau und Zalmwechsel von Elephas Indiens. Morphol. Arbeiten. III. S. 173—194. 1893. 31. RÖSE, C, Ueber die Zahnentwicklung vom Chamaeleon. Anatomi- scher Anzeiger. VIII. 1893. No. 17. p. 566—577. 32. ScHEFF, J., Handbuch der Zahnheilkunde. I. 1891. 33. Schlosser, M., Ueber die Deutung des Milchgebisses der Säuge- thiere nebst Discussion : Rose, Busch. Verhandl. der deutschen odontol. Gesellsch. Bd. IV. 1892. 53g Literatur. 34. Schwalbe, G., Ueber Zalinentwicklung und Zahn Wechsel. Deutsche medicm. Wochenschrift. 1894. No. 3. 35. Sternfeli), A., Anomalien der Zähne. Scheff's Handbuch der Zahnheilkunde. I. Band. Wien 1891. S. 439—528. 36. TopiNARD, De l'evolution des molaires et premolaires chez les pri- mates etc. L' Anthropologie. T. III. 1892. 37. Wedl, C, Pathologie der Zähne. Leipzig 1870. 38. Weil, C. A., Doppelseitige Zwillingsbildung der mittleren oberen Schneidezähne. Anatomischer Anzeiger. VIII. 1893. S. 285—288. 39. Wortmann, Comparative Anatomy of the teeth of the Vertebrata. Philadelphia 1886. 40. Zuckerkandl, E., Anatomie der Mundhöhle mit besonderer Berück- sichtigung der Zähne. Wien 1891. (Auch in Scheff's Hand- buch der Zahnheilkunde. I. Band. Wien 1891. d. 1—208). 41. Zuckerkandl, E., Ueber rudimentäre Zähne. Wiener medic. Jahr- bücher. 1885. 42. AVindle, B. C. A. and Humphreys, J., Extra cusps on the human teeth. Anatomischer Anzeiger II. 1887. 43. Herrmann, Eine Milchzahnanomalie. Deutsche Monatsschrift für Zahnheilkunde 1891. S. 436—438. 44. Credner, H. Zur Histologie der Faltenzähne paläozoischer Stego- cephalen. Abhandl. d. math. phys. Klasse der Königl. Sachs. Gesellsch. der Wissensch. XX. Bd. N. IV. 1893. 45. Semon, Die äussere Entwicklung des Ceratodus Forsten. Zoologische Forschungsreisen Bd. I. 4. S. 45. 46. Woodward, M. On the development of the teeth of the Macro- podidae. Proceedings of the zoological society of London. Part III. October 1893. p. 450—473. Lippert * Co. (G. Pätn'sche Buchdr.), Naumburg »/8. MorpkAi'b L.,.S(livv-alb(/ III Morpli-'Vrb.hefaus^ v G.Sdm-albe.HL Taf.XIX. iLock Qel.Fi|t^8.9.10.T5 IZeriierdel.Fiigtn-W Verla|vonGustapTischerm Jer.. .ihAasivKWssser.ItM. Morph Arh. hcramqiujcbv. Schwalbe Bd. 111. Hl II Ur Taf.XX. llr H m Verlag v. Gustav Fischer in. Jvpm,. Iit}i.An$t. K Werner l Wmttr Frankfar! tY Morph. Arb. hcraiisgcijeh. r. Sehwalhc. Hd.lll. Tai: XXI. 6. \H •^r/'; -I, f B A, IIb -^ ■^ -B Ixa r uvi^t^v Fächer in Jena.. Ii'Ji .fc- (. K- W'/Ti c-r XiVirMr, Fr!u:k''iirt tf. Morjih.Arb. hcrauscjiHjcb. \: Schwidbc Hd.lll. 10. Taf.XXU. 12. .;'-'%^ • ?. ' >" ■■■' ." ••»A.-A--..3. Preis: 7 Mark. Inhalt: Einleitung. — Beschreibung der Stirnlappen des Chimpanse, Gorilla und Orang. — Uebersicht der Furchen und Windungen. — Fissura Sylvii, Sulcus opercularis, Sulcus fronto-orbitalis und orbitalis. — Die Insel: 1. Die Insel des mensch- lichen Gehirns. 2. Die Insel der Affen und Halbaffen. 3. Die Insel der Anthropo- morphen. 4. Morphologische Bedeutung der Insel, — Schlussbemerkungen. Yerlag toii Uustay Fischer in Jena. T^^lllrATTHnQ! ^^' P^" Willy, Inhaber der Ritter-Professur für Phylogenie an der IVUllt^lllllcli^ Universität Jena, Yerglelclicnd - anatomische nnd ent- wickelungsgeschichtliche Untersiiehungen an Walticren. Erster Teil. Mit 13 lithographischen Tafeln. 1889. Preis: 35 Mark. Inhalt: Die Haut der Cetaceeu. Die Hand der Cetaceen, Das Centralnerven- system der Cetaceen gemeinsam mit Dozent Dr. med, Theodor Ziehen. Zweiter Theil. Mit 12 lithographischen Tafeln und 115 Abbildungen im Text. Preis : 40 Mark. Inhalt: Die Entwickelung der äusseren Körperform. Bau und Entwicklung äusserer Organe. Die Bezahnung. Diese beiden Abhandlungen bilden zugleich den 3. Band der „Denkschriften der medicinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft" zu Jena. n Eichard, a. ö. Professor an der Universität Jena, Studien Über den ^ Bauplan des Urogenitalsystcms der Wirbeltiiiere. Dar- gelegt an der Kntwickelung dieses Urgansystems bei Ichthyophis glutinosus. Mit 14 lithographischen Tafeln. 1892. Preis: 12 Mark. VlOTTif/lf Dr. med. Hermann, Professor an der Universität Tübingen, AnatO* ' mische, pliysiologische und physikalische Daten und Tabellen zum Gebrauche für Mediciner. 2. wesentlich vermehrte uud gänz- hch umgearbeitete Auflage. 1893. Preis: brosch. 11 Mark, eleg. gebunden 12 Mark. Inhalt. I. Anatomischer Teil : Körperlänge ; Dimensionen des Körpers ; Körper- gewicht; Wachstum; Gewicht von Körperorganen; Dimensionen und Volumen von Herz, Lunge, Leber; Körpervolumen und Körperoberfläche; Specifisches Gewicht des Körpers und seiner Bestandteile ; Schädel und Gehirn ; Wirbelsäule samt Rückenmark ; Muskeln ; Skelett ; Brustkorb ; Becken ; Kindsschädel ; Verdauungsapparat ; Respirations- organe; Harn- und Geschlechtsorgane; Haut, Haargebilde; Ohr; Auge; Nase; Nerven; Gefässsystem (ohne Herz) ; Lymphgefässe und -Drüsen ; Vergleich zwischen rechter und linker Körperhälfte; Embryo und Fötus; Vergleich zwischen beiden Geschlechtern. — II. Physiologischer und physiologisch-chemischer Teil : Blut und Blutbewegung; Atmung; Verdauung; Leberfunktion (ohne Gallenbildung); Perspiration und Schweissbilduni;; Lymphe und Chylus ; Harnbereitung; Wärmebildung; GesamtstofiFwechsel ; Stoffwechsel beim Kind; Muskelphysiologie; Allgemeine Nervenphysiologie; Tastsinn; Gehörssinn; Gesichtssinn; Geschmackssinn; Geruchssinn; Physiologie der Zeugung; Festigkeit des Schlafs ; Sterblichkeitstafel. — III. Physikalischer Teil : Thermometerskalen ; Atmo- sphärische Luft ; Specifisches Gewicht ; Dichte und Volum des Wassers ; Schmelzpunkte ; Siedepunkte; Wärme; Schallgeschwindigkeit; Spektrum; Elektrische Masse und Ein- heiten ; Elektrischer Widerstand. — Anhang : Praktisch-medicinische Analekten. Klima- tische Kurorte; Temperatur der Speisen und Getränke; Dauer der Bettruhe; Inkuba- tionszeit der Infektionskrankheiten ; Maximaldosen ; Medicinalgewicht ; Medicinalmass ; Dosenbestimmung nach den Lebensaltern; Letale Dosen differenter Stoffe; Trauben- zucker im diabetischen Harn; Exsudate und Transsudate; Elektrischer Leitungswider- stand des Körpers und seiner Teile; Erregbarkeitsskala der Nerven und Muskeln; Festigkeit der Knochen; Massstäbe für Sonden, Bougies, Katheter. TTT • „ „ Dr. August, Professor in Freiburg i. Br , DaS Kcimplasma, ? eine Theorie der Yererbung. Mit 24 Abbildungen im Text. 1892. Preis: 12 Mark. Aufsätze über Tererbung und verwandte biologische Fragen. Mit 19 Abbildungen im Text. 189<ä. Preis: la Mark. Y^lOrloraVlCkim ^^' ^'^^^^f °- ö- Professor und Direktor des anatomischen und VV lvJ\J."lbll"llllj vergleichend-anatomischen Instituts der Universität Freiburg i. B., Das GrliedmaSSenskelet der Wirbelthiere mit besonderer Berücksichtigung des Schulter- uud beckengürtels bei Fiselieu, Amphibien und Reptilien. Mit 40 Figuren im Texte und einem Atlas von 17 Tafeln. 1892. Preis: 24 Mark. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Fohle; in Jena. — 4236 Morphologische Arbeiten, Herausgegeben Dr. GustaY Sclnaralbe, 0. ö. Professor der Anatomie und Director des anatomischen Instituts an der Universität zu Strassburg i'Els. DRITTER BAND. Drittes Heft. Inhalt: (.^aupp, Beiträge zur Morphologie des Schädels. II. Das Hyo-Branchial- Skelett der Anuren und seine Umwandlung. — Bauer, Beiträge zur Kenntniss der Talgdrüsen der menschlichen Haut. — Schwalbe und Pfltzner, Varietäten- Statistik und Anthropologie. — Schwalbe, Ueber eine seltene Anomalie des Milchgebisses beim Menschen und ihre Be- deutung für die Lehre von den Dentitionen. Mit 5 Tafeln und 13 Abbildungen im Text. Jena, Verlag von Grustav Fischer. 1894. Verlag von Gastav Fischer in Jena. Die Morphologische Arbeiten, herausgegeben von Dr. GustaTT Sclnaralbe, erscheinen in zwanglosen Heften, deren jedes einzeln käuflich ist. Obwohl zunächst dazu bestimmt, den Arbeiten aus dem anatomischen Institut zu Strassburg jeder- zeit schnelle Aufnahme zu gewähren, beschränkt sich das neue Unternehmen doch nicht hierauf. Es sind vielmehr auch Beiträge anderer Forscher, und zwar Bei- träge aus dem gesammten Gebiete der Allgemeinen Anatomie und Entwicklungs- geschichte, sowie der Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Wiibelthiere und des Menschen sehr willkommen. Die Herren Mitarbeiter erhalten 40 Abdrücke ihrer Arbeiten unentgeltlich. Exemplare, welche dieselben ausserdem noch wünschen sollten, werden ihnen zum Herstellungspreise geliefert. Erster Band. Erstes Heft. — Mit 7 Tafeln. — Preis: 8 Mark. Inhalt: Pfitzner, Beiträge zur Kenntniss des menschlichen Extreraitäten- skeletts. Erste Abtheilung: I. Einleitung. Allgemeines. Methoden. II. Maass- verhältnisse des Handskeletts. III. Maassverhältnisse des Fussskeletts. Zweites Heft. — Mit 9 Tafeln. — Preis: 13 Mark. Inhalt: Sieveking, Beiträge zur Kenntniss des Wachsthums und der Regeneration des Knorpels nach Beobachtungen am Kaninchen- und Mäuseohr. — Oarcia, Beiträge zur Kenntniss des Haarwechsels bei menschlichen Embryonen und Neugeborenen. — Bethe, Beiträge zur Kenntniss der Zahl- und Maassverhält- nisse der rothen Blutkörperchen. — Jahn, Beiträge zur Kenntniss der histo- logischen Vorgänge bei der Wachsthumsbehinderung der Röhrenknochen durch Verletzung des Intermediärknorpels. — M'oser, Beitrag zur Kenntniss der Ent- wicklung der Knieschleimbeutel beim Menschen. — Scholl, Ueber rätische und einige andere alpine Schädelformen. Drittes Heft. — Mit 8 Tafeln. — Preis: 11 Mark. Inhalt: M ebner t, Gastrulation und Keimblätterbildung der Emys lutaria taurica. — Koppen, Beiträge zur vergleichenden Anatomie des Centralnerven- systems der Wirbelthiere. Zur Anatomie des Eidechsengehirns. Viertes Heft. — Mit 2 Tafeln. — Preis : 12 Mark. Inhalt: Pfitzner, Beiträge zur Kenntniss des menschlichen Extremitäten- skeletts. Zweite Abtheilung: IV. Die Sesambeine des menschlichen Körpers. /weiter Band. Erstes Heft. — Mit 12 Tafeln. — Preis: 16 Mark. Inhalt: Aschoff, Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Arterien beim menschlichen Embryo. — Moser, Ueber das Ligamentum teres des Hüftgelenks. — Pfitzner, Beiträge zur Kenntniss des menschlichen Extremitätenskeletts. V. Anthropologische Beziehungen der Hand- und Fussmaasse. Zweites Heft. — Mit 4 Tafeln. — Preis: 13 Mark. Inhalt: Rebentisch, Der Weiberschädel. — Gaupp, Beiträge zur Mor- phologie des Schädels. I. Drittes Heft. - Mit G Tafeln. — Preis: 13 Mark. Inhalt: Schwalbe, Ueber den Farbenwechsel winterweisser Thiere. — Dreyfuss, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Mittelohres und des Trommel- fells des Menschen und der Säugethiere. — Davidsohn, Ueber die Arteria uterina, insbesondere über ihre Beziehungen zum unteren Uterinsegment. Dritter Band. Erstes Heft. — Mit 6 Tafeln und 29 Textabbildungen. — Preis: 11 Mark. Inhalt: K ei bei, Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweins (Sus ■scrofa domesticus). Zweites Heft. — Mit 11 Tafeln und 56 Textabbildungen. — Preis: 20 Mark. Inhalt: Zaleski, Untersuchungen über die Vertheilung der Blutgefässe an der menschlichen Wirbelsäule. — Rose, Ueber den Zahnbau und Zahnwechsel von Elephas Indiens. — Rose, Ueber die Zahnentwicklung der Crocodile. — Hoyer, Ueber den Bau der Milz. — Mettenheimer, Ein Beitrag zur topo- graphischen Anatomie der Brust-, Bauch- und Beckenhöhle des neugeborenen Kindes. Drittes Heft. — Mit 5 Tafeln und 13 Texfabbildungen. Inhalt: Gaupp, Beiträge zur Morphologie des Schädels. II. Das Hyo- ßranchial-Skelett der Anuren und seine Umwandlung. — Bauer, Beiträge zur Kenntniss der Talgdrüsen der menschlichen Haut. — Schwalbe und Pfitzner, Varietäten- Statistik und Anthropologie. — Schwalbe, Ueber eine seltene Ano- malie des Milchgebisses beim Menschen und ihre Bedeutung für die Lehre von den Dentitionen. ■Verlag von Gustav Fischer in Jena. AlUniOll ^"*^' D'6 natürliche Auslese beim Menschen. Auf Grund der Ergebnisse der anthropologischen Untersuchungen in Baden und anderer Materialien dargestellt, 1893. Preis: 7 Mark. Inhalt: Von der Vererbung. Die natürliche Auslese der Kopf-Formen der Wehrpflichtigen in Stadt und Land. Auslese-Erscheinungen bei den Pigment- färben der Wehrpflichtigen in Stadt und Land. Waclisthums- Verschiedenheiten der Wehrpflichtigen in Stadt und Land. Entwickelungs -Verschiedenheiten der Wehrpflichtigen in Stadt und Land. Die natürliche Auslese und die seelischen Anlagen. Die Kopf-Formen der Gymnasiasten und die natürliche Auslese. Die kirchlichen Knaben-Convicte und die natürliche Auslese der Kopf-Formen. Die natürliche Auslese der Pigmentfarben in Gymnasien und kirchlichen Knaben- Convicten. Waclisthums- und Entwickelungs-Erscheinungen bei Gymnasiasten und Convict-Schülern. Die Entstehung von Bevölkerungsgruppen durch die natürliche Auslese. Die Bildung der Stände und ihre Bedeutung für die natürliche Auslese. EllllOr ^^' ^' ^" ''''^^®<*d<>^? Professor der Zoologie in Tübingen, Die Ent- stehung der Arten auf Grund von Vererben erworbener Eigen- schaften nach den Gesetzen organischen Wachsens. Ein Beitrag zur einheit- lichen Auffassung der Lebewelt. Erster Theil. 1888. Mit 6 Abbildungen im Text. Preis: 9 Mark. ITprf wio' •^'"* ^s^^^^J 0- ö- Professor der Anatomie und Director des IL ana- lZL! tomischen Institutes an der Universität Berlin, Lchrbuch der Entwickelungsgeschichte des Menschen und der Wirbelthiere. Vierte theilweise umgearbeitete Auflage. 1893. Mit 362 Abbildungen im Texte und 2 lithographischen Tafeln, Preis: broschirt 11 Mark 50 Pf., in Callico gebunden 12 Mark 50 Pf. Die Zelle und die Gewebe. Grundzüge der allgemeinen Anatomie und Physiologie. Mit 168 Abbildungen im Texte. 1892. Preis: 8 Mark. Inhalt: Erstes Capitel, Die Geschichte der Zellentheorie. Die Geschichte der Protoplasmatheorie. — Zweites Capitel. Die chemisch-physikalischen und morphologischen Eigenschaften der Zelle. — Drittes Capitel. Die Lebenseigen- Bchaften der Zelle. I. Die Bewegungserscheinungen. — Viertes Capitel. Die Lebenseigenschaften der Zelle. II. Die Reizerscheinungen. — Fünftes Capitel. Die Lebenseigenschaften der Zelle. III. Stoö'wechsel und formative Thätigkeit. — Sechstes Capitel. Die Lebenseigenschaften der Zelle. IV. Die Fortpflanzung der Zelle auf dem Wege der Theilung. — Siebentes Capitel. Die Lebenseigen- schaften der Zelle. V. Die Erscheinungen und das Wesen der Befruchtung. — Achtes Capitel. Wechselwirkungen zwischen Protoplasma, Kern und Zellproduct. — Neuntes Capitel. Die Zelle als Anlage eines Organismus (Vererbungstheorieen). Zoologische Forschungsreisen in Australien und (lein malayischen Archipel. Mit Unterstützung des Herrn Dr. Paul von Ritter ausgeführt in den Jahren 1891 — 1893 von Dr. Richard Semon, Professor in Jena. Erster Band: Ceratodus. Erste Lieferung. Mit 8 lithographischen Tafeln und 2 Abbildungen im Text. Preis 20 Mark. Verlag von Gustav Fischer in Jena. ^^ "fT^i-i-^,, Dr. Beiij., weil. Prof. an der kgl. sächs. techn. Hochschule in Dresden, ___L___. J Die moderne Weltanschauung und der Mensch. Sechs öffent- liche Vorträge. 1894. Preis: brosch. 2 Mark 50 Pf., eleg. geb. 3 Mark. Inhalt: Das einheitliche Weltbild der modernen Forschung. — Der Mensch. — Das Sittengesetz auf natürlicher Grundlage. — Religion und Philosophie. — Entwickelungsgeschichte der E-eligion und ihre philosophische Begründung. — Zu- sammenfassung der Ergebnisse und Ausblick auf künftige Zustände des Menschen- geschlechts. V"lOl»AT»fH' ^^' ^^^- Hermann, Professor an der Universität Tübingen, ^ Anatomische, physiologische und physikalische Daten und Tabellen zum Gebrauche für Mediciner. 2. wesentlich vermehrte und gänzlich umgearbeitete Auflage. 1893. Preis: brosch. 11 Mark, eleg. geb. 12 Mark. Inhalt: I. Anatomischer Theil: Körperläuge; Dimensionen des Körpers; Körpergewicht ; Wachsthum ; Gewicht von Körperorganen ; Dimensionen und Volumen von Herz, Lunge, Leber; Körpervolumen und Körperoberfläche; Specifisches Ge- wicht des Körpers und seiner Bestandtheile ; Schädel und Gehirn; Wirbelsäule sammt Rückenmark; Muskeln; Skelett; Prustkorb; Becken; Kindsschädel; Ver- dauungsapparat; ßespirationsorgane ; Harn- und Geschlechtsorgane; Haut, Haar- gebilde; Ohr; Auge; Nase; Nerven; Gefässsystem (ohne Herz); Lymphgefässe und -Drüsen; Vergleich zwischen rechter und linker Körperhälfte; Embryo und Fötus; Vergleich zwischen beiden Geschlechtern. — IL Physiologischer uud physiologisch- chemischer Theil: Blut und Blutbewegung; Athmung; Verdauung; Leber funktion (ohne Gallenbildung); Perspiration und Schweissbildung; Lymphe und Chylus; Harnbereitung; Wärmebildung; Gesammtstofl'wechsel ; Stoffwechsel beim Kind; Muskelphysiologie; Allgemeine Nervenphysiologie; Tastsinn; Gehörsinn; Gesichts- sinn; Geschmackssinn; Geruchssinn; Physiologie der Zeugung; Festigkeit des Schlafs; Sterblichkeitstafel. — III. Physikalischer Theil: Thermometerskalen; Atmo- sphärische Luft; Specifisches Gewicht; Dichte und Volum des Wassers; Schmelz- punkte; Siedepunkte; Wärme; Schallgeschwindigkeit; Spektrum; Elektrische Masse und Einheiten; Elektrischer Widerstand. — Anhang: Praktisch-medicinische Analekten. Klimatische Kurorte; Temperatur der Speisen und Getränke; Dauer der Bettruhe; Inkubationszeit der Infektionskrankheiten; Maximaldosen; Medicinal- gewicht; Medicinalmass; Dosenbestimniung nach den Lebensaltern; l-.etale Dosen differenter Stoffe; Traubenzucker im diabetischen Harn; Exsudate und Transsudate; Elektrischer Leitungswiderstand des Körpers und seiner Theile; Erregbarkeitsskala der Nerven und Muskeln; Festigkeit der Knochen; Massstäbe für Sonden. Bougies, Katheter. AVpiSlll'lllll Dr. August, Professor in Freiburg i. Br., DaS Keimplasma, eine Theorie der Vererbung. Mit 24 Abbildungen im Text. 1892. Preis: 12 Mark. Aufsätze über Vererbung und verwandte bislogische Fragen. Mit 19 Abbildungen im Text. 1892. Preis: 12 Mark. Inhalt: Ueber die Dauer des Lebens (1882). — Ueber die Vererbung (1883). — Ueber Leben und Tod (1884). — Die Kontinuität des Keimplasmas als (Grund- lage einer Theorie der Vererbung (1885). — Die Bedeutung der sexuellen Fort- pflanzung für die Selektionstheorie (1886). — Ueber die Zahl der Kichtungskörper und über ihre Bedeutung für die Vererbung (1887). — Vermeintliche botanische Beweise für eine Vererbung erworbener Eigenschaften (1888). — Ueber Hypothese einer Vererbung von Verletzungen (1889). — Ueber den Rückschritt in der Natur (1889). — Gedanken über Musik bei Thieren und beim Menschen (1889). — Be- merkungen zu einigen Tagesproblemen (1890). — Amphimixis oder die Vermischung der Individuen (1891). Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Preis: 2 Mark. liippert & Co. {Q. Pätz'iche Buchdr.), Naumburg a;ä. MBL WHOI Library - Senals 5 WHSE 00695